Performance on Display: Zur Geschichte lebendiger Kunst im Museum 9783422986985, 9783422984486

Live performances are now an everyday occurrence in art museums. Yet is this really a new development? When, how and why

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Performance on Display: Zur Geschichte lebendiger Kunst im Museum
 9783422986985, 9783422984486

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Performance on Display

Performance on Display

— Zur Geschichte lebendiger Kunst im Museum Lisa Beißwanger

Impressum Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Geschwister Boehringer Ingelheim Stiftung für Geisteswissenschaften in Ingelheim am Rhein

Layout und Satz: hawemannundmosch, Berlin Druck und Bindung: Beltz Grafische Betriebe GmbH, Bad Langensalza Verlag: Deutscher Kunstverlag GmbH Berlin München Lützowstraße 33 10785 Berlin www.deutscherkunstverlag.de Ein Unternehmen der Walter de Gruyter GmbH Berlin Boston www.degruyter.com Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2021 Deutscher Kunstverlag GmbH Berlin München ISBN 978-3-422-98448-6 e-ISBN: 978-3-422-98698-5

Inhaltsverzeichnis

Dank  8 Einleitung Annäherung aus der Gegenwart   11 Konturierung des Gegenstands   19 Performance und Museen   22 Perspektive, Argumentationsebenen und Thesen   35 Quellen und Methode   36 Kapitelübersicht  41 Exposition: Lebendige Kunst und die Institution Museum – ein kritisches Verhältnis? Der ›Fall Allan Kaprow‹ – Museumskritik im Namen von Kunst und Leben   43 Drei Fälle performativer Museumskritik um 1970   54 Schlussfolgerung und Ausblick   66

Teil 1: Anbruchspunkte Tanz im white cube? Die Merce Cunningham Dance Company zu Gast im Walker Art Center, Minneapolis, 1972 Einführung  71 Event #32 im Walker Art Center   77 Die Werkgruppe der Events im Kontext von Cunninghams Werk   89 Das Walker Art Center als Ort für Performance   120 Analogien und Synergien   131 Zur Museumskompatibilität der Body Art – Die Ausstellung Bodyworks im Museum of Contemporary Art Chicago, 1975 Einführung  135 Rekonstruktion der beiden Ausstellungsteile   139 Bodyworks im Kontext des Kunst- und Ausstellungsdiskurses der Zeit   170 Body Art und das Museum   186 Ausblick  190

Zur ›Eventisierung‹ des Museums – Avantgarde-Performance trifft Bodybuilding im Whitney Museum of American Art, New York, 1976 Einführung  209 Rekonstruktion des Festivals Performances: Four Evenings, Four Days  211 Verortung des Festivals im Museumsprogramm   236 Downtown-Performance an der Madison Avenue –   Institutionalisierung der Avantgarde?  239 Das Symposium Articulate Muscle – Bodybuilding im Museum   245 Zur historischen Bedeutung des Festivals   273

Teil 2: Ökonomie und Politik Performance on Display im Spiegel der Ökonomie – The Foundation of Art Performances and Projects Inc. und die Distribution von Performance Einführung  281 Performance in SoHo – Zur soziökonomischen Situation von   Performancekünstler*innen  294 The Foundation of Art Performances and Project Inc.   310 Die Vermittlungsarbeit von API, 1976–1979   319 Zusammenführung  360 »Partially funded by the National Endowment for the Arts« – Performance on Display im Kontext US-amerikanischer Kulturpolitik und Kunstförderung Einführung  371 Kulturpolitik und staatliche Kunstförderung in den USA   380 NEA-Förderung für Performance und Museen in den 1970er-Jahren   399 Zusammenführung  434 Schluss Reflexion der Methode und Ansätze für weiterführende Forschung   442 Synopse der Kapitel   443 Wie kam Performance ins Museum?   445 Produktive Momente  449 Performance on Display als historisches Phänomen   454 Rückkehr in die Gegenwart   455

Anhang Literaturverzeichnis  459 Verzeichnis zitierter und referenzierter Webseiten   485 Audio- und Videoquellen   488 Verzeichnis der Archive und Archivkürzel   490 Verzeichnis der Archivquellen   491 Verzeichnis der Interviews und Interviewkürzel   497 Inflationstabelle  498 Personen- und Institutionenregister   499 Detaillierte Kapitelübersicht  507

Dank

Dieses Buch ist die leicht überarbeitete Version meiner Dissertation, die ich im Januar 2020 an der Justus-Liebig-Universität Gießen verteidigt habe. Die etwa sechs Jahre ihrer Entstehung zeigten mir, wie sehr das Gelingen eines solchen Projektes von Netzwerken individueller wie institutioneller Unterstützer*innen abhängt. Für das Privileg, in solche Netzwerke eingebunden zu sein, bin ich sehr dankbar. Das vor­lie­gende Buch ist deshalb all jenen gewidmet, die zu seinem Gelingen beigetragen haben und jenen, die es mit Interesse und hoffentlich Gewinn lesen werden. Mein erster persönlicher Dank gebührt meiner Doktormutter Claudia Hattendorff, die ihr Vertrauen in mein Projekt und mich als ihre Mitarbeiterin gesetzt hat. Ihr danke ich für die konstruktiv-kritische Begleitung der Arbeit, die Offenheit für meine Ideen und für das Gewähren der nötigen Freiräume für eigenständige Forschung. Ihre Präzision bleibt mir ein Vorbild und unsere nachmittäglichen Espresso-Gespräche gehören zu meinen besonders geschätzten Erinnerungen an die Gießener Zeit. Gleicher­ maßen bedanke ich mich bei meiner zweiten Betreuerin, Mechtild Widrich, deren Begeis­terung für das Thema und deren treffsicheren Kommentare mich immer wieder motiviert und mir Selbstvertrauen gegeben haben. Bessere Betreuerinnen hätte ich mir nicht wünschen können. Ohne praktisches Museumswissen wäre dieses Buch nicht entstanden. Es war Andreas Baur, Leiter der Villa Merkel in Esslingen am Neckar, der mein Interesse für Museumsarbeit und die Kunst der Gegenwart geweckt und gefördert hat. Dafür danke ich ihm von Herzen. Als Volontärin an der Schirn Kunsthalle Frankfurt durfte ich zweieinhalb prägende Jahre mit den Kuratorinnen Ingrid Pfeiffer und Martina Weinhart zusammenarbeiten. Es war Ingrid Pfeiffers Yoko Ono-Retrospektive, 2012/13, die mich für das Thema Performance im Museum sensibilisierte. Neben Yoko Ono lernte ich hier den Künstler und Fluxusexperten Jon Hendricks kennen, der mir zum Mentor und zur Kontaktperson in die US-amerikanische Kunstwelt wurde. In den Gießener Jahren hatte ich das Glück, Teil eines großartigen Kollegiums zu sein. Die gemeinsamen Mensabesuche mit eingeschränkten Geschmackserlebnissen

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waren eine willkommene Abwechslung vom Schreibtischeinerlei. Ich danke den Kollegen, die mich meine feministische Ader entdecken ließen und allen Kolleg*innen, die mit Gesprächen und kleinen Fluchten für seelisches Gleichgewicht sorgten. Den Studierenden danke ich für anregende Seminare und Exkursionen. Namentlich möchte ich Anna-Lena Habermehl und Linda Hölscher für ihre gewissenhafte technische Unterstützung danken. Dank gebührt auch meinen nicht minder großartigen neuen Kolleg*innen am Fachbereich Architektur der Technischen Universität Darmstadt, die mich mit offenen Armen aufgenommen haben und meinem aus Architektur-Sicht exotischen Promotionsthema mit Neugierde und Anerkennung begegnen. Jürgen Schreiter danke ich für die geduldige Unterstützung mit den Bildvorlagen. Zu besonderem Dank bin ich dem Gießener Graduiertenzentrum GCSC (Gra­d­ uate Centre for the Study of Culture) verpflichtet. Ohne die gewährte finanzielle Unterstützung wären die beiden mehrwöchigen Forschungsreisen in die USA nicht möglich gewesen. Mit keinem Geld der Welt ist der am GCSC gepflegte interdiszi­ plinäre Austausch aufzuwiegen. Hier möchte ich vor allem den Mitgliedern der Research Area 3, Cultural Transformation and Performativity Studies, der AestheticsArbeitsgruppe und des FB 04-Kolloqiums danken. Des Weiteren danke ich allen Teilnehmer*innen des Workshops Art Institutions ↔ Performance Art, den ich mit Unterstützung der Dr. Herbert Stolzenberg-Stiftung durchführen konnte. Für kon­ struktives Feedback aus kunsthistorischer Perspektive danke ich dem Kolloquium der Professuren für Kunstgeschichte von Claudia Hattendorff, Sigrid Ruby, Silke Tammen (†) und Markus Späth und allen seinen Mitgliedern. Gerald Siegmund und den Kolleg*innen vom Gießener Institut für Angewandte Theaterwissenschaft danke ich für Feedback und anregende Gespräche. Susanne Foellmer und Peter Schneemann danke ich für die Gelegenheit, in ihren Kolloquien in Berlin und Bern vorzutragen und ich danke Claire Bishop und Hannah Higgins für ihr Feedback. Eine archivbasierte Publikation wie diese baut auf die Arbeit zahlreicher Archi­ var*innen auf. Ihnen gebührt deshalb ein besonderer Dank. Namentlich nennen möchte ich Stephanie Cannizzo (BAMPFA, Berkeley); Nell Donkers (De Appel, Amsterdam); Tracey Schuster (Getty Research Institute, Los Angeles); Mary Richardson, Bonnie Rosenberg und Elyssa Lange (MCA Chicago); Alida M. Brady (Smith­ sonian American Art Museum, Washington D.C.); Martin Ladinig (steirischer herbst, Graz) und Jill Vuchetich (Walter Art Center, Minneapolis). Magdalena Nieslony danke ich für ihre spontane Recherche-Unterstützung im Getty. Ich danke allen Museumsleuten, die mir in Gesprächen und E-Mails Einblicke in ihre Arbeit gewährten. Dazu gehören Michael Green (Art Institute of Chicago); David Katzive, Lynn Warren und Peter Taub (MCA Chicago); Tom Marioni (MOCA, San Francisco); Anna Janevski, Athena Holbrook und Alethea Rockwell (MoMA, New York); Megan Brian und Martina Haidvogl (SFMOMA, San Francisco) und Joan Rothfuss (Walker Art Center, Minneapolis). Ebenso danke ich allen befragten Künstler*innen und Zeitzeug*innen für ihre Unterstützung, besonders Jane Crawford und Jon Hendricks. Julia Heyward, Warren Silverman und James Klosty danke ich für die Bilder auf dem Umschlag.

Dank

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Die Arbeit an diesem Projekt hat mir die Bedeutung von Virginia Woolfs A Room of One’s Own deutlich vor Augen geführt. Ich danke allen, die mir für mehrere Tage oder sogar Wochen Schreibasyl gewährt haben sowie Stefanie und Ovid für den Support in den eigenen vier Wänden – Vive la Battonne! Meinen Freundinnen und Freunden, zu Wasser und zu Land, danke ich, dass sie trotz meines mitunter wochenund monatelangen Verschwindens immer da waren. Ein besonderer Dank gilt den­ jenigen, die sich über meine Texte gebeugt haben. Markus, Sarah und meine Mutter Sonja teilen sich hier die Podiumsplätze für die intensivste Lektüre. Jan danke ich für Inspiration in den ersten Jahren und Dorothee, Elena, Johanna, Michael, Stefanie P. und Stefanie S. für die Unterstützung beim Finale. Winfried Baier gebührt ein großer Dank für seinen Einsatz an der ›Kommafront‹. Mein besonderer Dank zum Schluss gilt meiner Familie: meinen beiden Geschwistern Elena und Christoph und meinen Eltern Sonja und Bruno. Euch ver­ danke ich die Neugierde, die mich antreibt, die Stabilität, die mich durchhalten lässt und das Vertrauen darauf, dass für mein materielles und immaterielles Wohl immer gesorgt ist.

Lisa Beißwanger, Frankfurt am Main, 2021

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Dank

Einleitung

Annäherung aus der Gegenwart An einem Donnerstagabend im März 2018 ereignete sich im Art Institute of Chicago folgende Szene: Gegen 18 Uhr betrat der Performer Barak adé Soleil die repräsen­ tative Treppe im Lichthof des Museums.1 Genau genommen schleppte er sich, auf zwei Krücken gestützt und einen Rollstuhl auf die Schultern geladen, Stufe um Stufe die Treppe hinauf (Abb. 1.1). Offenbar trugen ihn seine Beine nicht, sodass er seinen untersetzten afroamerikanischen Körper, der in einem schwarzen Overall steckte, nur mit Hilfsmitteln vorwärtsbewegen konnte. Museumsbesucher*innen beobachteten ihn bei diesem mühseligen Akt. Einige gingen vorüber, andere blieben, viele fotografierten oder filmten mit ihren Smartphones. Neben dem Performer befanden sich noch zwei weitere, allerdings nicht lebendige Kunstwerke im Blickfeld: Auf der Mittelplattform der Treppenanlage stand die Skulptur Hero Construction (1958) des Bildhauers Richard Hunt, eine beinahe lebensgroße figurative Stahlskulptur, die auf zwei langen, dünnen Beinen balanciert.2 Des Weiteren waren die Blenden der Treppenstufen mit dem grün-weißen Streifenmuster der Arbeit Up and Down, In and Out, Step by Step, A Sculpture (1977) von Daniel Buren beklebt.3 Als adé Soleil am Kopf der Treppe angelangt war, setzte er sich auf den Boden, legte die Krücken ab und zerlegte den Rollstuhl in seine Einzelteile, während aus Lautsprechern metallisch-perkussive Geräusche erklangen. Anschließend ließ er seinen Körper, behutsam und kontrolliert, Stufe für Stufe die Treppen wieder hinunter1 Während der zweiten Forschungsreise für dieses Buch wurde ich Zeugin dieser Performance. Mein Museumsbesuch geschah ursprünglich nicht zum Zweck der Recherche, doch hinterließ die Performance einen nachhaltigen Eindruck und eröffnete eine Vielzahl interessanter Fragen, weshalb ich sie an den Anfang dieser Publikation stelle. Eck­daten zur Veranstaltungsreihe und der Performance: Artists Connect; Barak adé Soleil: up n down, Woman’s Board Grand Staircase, The Art Institute of Chicago, 15.03.2018, 18–19 Uhr. 2 Richard Hunt: Hero Construction, 1958, Stahl, 162 × 74 cm, The Art Institute of Chicago. 3 Daniel Buren: Up and Down, In and Out, Step by Step, A Sculpture, 1977, Abnehmbarer Papier- oder Vinyldruck mit vertikalen Streifen, jeweils 8,7 cm breit, Maße und Farbe variabel, The Art Institute of Chicago.

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gleiten. Ein Museumskurator und vier junge Assistentinnen folgten ihm in gemessenem Schritt und trugen seine Mobilitätshilfen hinter ihm her.4 Auf der Plattform in der Treppenmitte angelangt, richtete sich adé Soleil vor Richard Hunts Skulptur auf und verharrte dort kniend. Nun erklang das Chanson La Vie En Rose in einer PopVersion von Grace Jones, was der Szene augenblicklich eine sentimentale Stimmung verlieh. Adé Soleil begann seinen Oberkörper zum Rhythmus des Songs zu bewegen. Anschließend glitt er bäuchlings, den Kopf voran, den zweiten Treppenabsatz hinunter. Am Ende der Treppe breitete er seine Arme aus, sodass sein Körper ein Kreuz formte (Abb. 1.2). Damit war die Performance beendet. Nach einem kurzen Moment der Stille begann das Publikum zu applaudieren. Die Museumsbesucher*innen waren augenscheinlich von der Präsenz des Per­ formers und der besonderen Atmosphäre ergriffen, die er diesem Durchgangsraum verlieh. Zugleich lagen Unsicherheit und Unbehagen in der Luft. Die Performance irritierte nicht zuletzt wegen ihres voyeuristischen Moments. Die Museums­ besu­ ch­er*innen beobachteten einen Menschen mit Gehbehinderung dabei, wie er sich auf einer Treppe abmühte. Zudem handelte es sich um einen schwarzen Künstler auf den Stufen eines der mächtigsten Museen der USA, dessen Sammlungspolitik artists of color bis heute marginalisiert.5 Auch der Einbezug des (weißen) Kurators und der vier jungen Assistentinnen in die Performance, die Teil der Choreografie waren und dem Künstler assistierten, ohne ihm zu helfen oder helfen zu dürfen, warf Fragen nach Hierarchien und Abhängigkeitsverhältnissen auf. Welche Absichten verbargen sich hinter dieser Veranstaltung? Ein Flyer des Museums teilt mit, dass die Performance im Rahmen der Veranstaltungsreihe Artists Connect stattfand, für die das Museum Künstler*innen dazu einlud, auf ausgewählte Werke der Sammlung zu reagieren und so einen ›neuen Blick‹ zu ermöglichen.6 Über die Arbeit von adé Soleil heißt es: »[it] continues the artist’s ongoing exploration of the complex legacies and intersections of race and disability.«7 In der Tat bezog sich adé Soleil mit Richard Hunt auf einen der wenigen afroamerikanischen Bildhauer in der Museumssammlung und eine Skulptur mit fragmentierter, instabiler Physiognomie. Mit dem Song von Grace Jones spielte er auf eine Ikone schwarzer Emanzipa­ tion an. Mit Daniel Buren, dessen Arbeit er den Titel seiner Performance, up n down,

4 Dies waren Michael Green (Associate Director Live Arts and Lectures in der Abteilung Learning and Public Engagement), Melissa Tanner (Managing Educator, Family Engagement), Suzie Oppenheimer (Curatorial Associate), Katie O’Neil (Learning and Public Engagement Intern) und eine weitere Praktikantin. 5 Vgl. Topaz, Chad/Klingenberg, Bernhard et al.: Diversity of Artists in Major U.S. Museums. 2018. Online-Publikation. DOI: https://doi.org/10.1371/journal.pone.0212852 (Zugriff: 09.05.2021). 6 »Artists, poets, dancers, and musicians engage with works of art, making connections to their own practice and inspiring new ways of understanding the Art Institute’s collection.« Flyer: Barak adé Soleil: up n down. Artists Connect, 15.03.2018. A-A. Zum aktuellen Phänomen der performativen Rahmung von Museumssammlungen s. Beißwanger, Lisa: »Werden Sie Teil einer atemberaubenden Performance«. Zur performativen Inszenierung von Augenzeug*in­ n­enerfahrungen im Kunstmuseum des 21. Jahrhunderts. In: Hattendorff, Claudia/Beißwanger, Lisa (Hrsg.): Augenzeugenschaft als Konzept. Konstruktionen von Wirklichkeit in Kunst und visueller Kultur seit 1800. Bielefeld: transcript 2019, S. 241–258. 7 Flyer, wie Anm. 6.

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Einleitung

entlehnte, bezog er sich auf einen bedeutenden Vertreter institutionskritischer Kunst.8 Durch adé Soleils physische Kontaktaufnahme mit Burens Arbeit trat der Formalismus der historischen Institutionskritik deutlich hervor. Der Einbezug von Körperlichkeit und Identität erweiterte die Kritik auf die eingeschränkte Zugänglichkeit des Museums, etwa für Menschen mit Behinderung oder für artists of color, im wörtlichen wie im übertragenen Sinn. Dieser (museums-)kritische Impetus der Performance, auf den die Museumskommunikation ausdrücklich verwies, war seitens des Museums offenbar erwartet und erwünscht.9 Performanceveranstaltungen wie diese finden in Museen heute mit einiger Selbstverständlichkeit statt, insbesondere, so scheint es, in großen und mächtigen Institu­ tionen. Zwei weitere prominente Beispiele mögen dies bekräftigen: Als im Herbst 2019 das New Yorker Museum of Modern Art (MoMA) seinen Erweiterungsbau einweihte, gehörte eine historische Performanceausstellung des – seinerseits schwarzen und (institutions-)kritischen – Künstlers William Pope.L zum Eröffnungsprogramm.10 Zudem wurde in einem neu errichteten »dedicated space for live art« eine performa­tive Klanginstallation von David Tudor and Composers Inside Electronics Inc. gezeigt.11 Die Whitney Biennale des New Yorker Whitney Museum of American Art, eine der einflussreichsten Überblicksschauen US-­amerikanischer Kunst, zeigte in ihrer Ausgabe von 2019 ein Performanceprogramm,dessen Spektrum erklärtermaßen »from opera to social critique« reichte.12 Mit der Wendung Performance on Display im Titel der vorliegenden Publikation ist dieses fa­cettenreiche Phänomen des Zeigens und Ausstellens von Performance im Museum gemeint. Angesichts des skizzierten Performancetrends in Museen erstaunt es kaum, dass sich die neuere Performanceforschung bereits aus kunsthistorischer, theaterwissenschaftlicher und auch aus der Perspektive künstlerischer Forschung mit diesem Phänomen auseinandergesetzt hat. Die Kunstwissenschaftlerin Claire Bishop veröffent-

 8 Gemeint ist die systemkritische Institutionskritik in der Kunst der 1960er-Jahre, die im Englischen als ›Institutional Critique‹ bezeichnet wird. Einen Überblick über das komplexe Feld der Institutionskritik gibt: Gau, Sønke: Institutions­ kritik als Methode. Hegemonie und Kritik im künstlerischen Feld. Wien: Turia + Kant 2017.  9 Diese Dissertation entstand vor dem Aufflammen der Black-Lives-Matter-Proteste im Sommer 2020. Viele Museen betonen seitdem in ihren mission statements das Moment der Inklusion noch stärker. 10 Ausstellungsdaten: member: Pope.L, 1978–2001, MoMA, New York, 21.10.2019–01.02.2020. In der Online-Ankün­ digung wurde die Spannung zwischen den subversiven Arbeiten des Künstlers und dem »major art museum« betont. Webseite: MoMA. member. Pope.L, 1978–2001. https://web.archive.org/web/20201115134108/https://www.moma. org/calendar/exhibitions/5059 (Zugriff: 15.11.2020). Alle für dieses Buch verwendeten Webseiten wurden mit der Wayback Machine des Internet Archive (https://archive.org; Zugriff: 10.05.2021) archiviert, um den Zugriff auch in fernerer Zukunft zu gewährleisten. Archivierte Seiten haben oft längere Ladezeiten. Alternativ kann der Zugang über die Original-URL erfolgen, die als zweiter Teil der URL sichtbar bleibt. 11 Ausstellungsdaten: David Tudor and Composers Inside Electronics Inc. Rainforest V (Variation 1), MoMA, New York, 21.10.2019–05.01.2020. Webseite: MoMA. David Tudor and Composers Inside Electronics Inc. Rainforest V (Variation 1). https://web.archive.org/web/20210411035814/https://www.moma.org/calendar/exhibitions/5077 (Zugriff: 11.04.2021). Zu den ›neuen‹ Räumen und dem sogenannten Marie-Josée and Henry Kravis Studio s. Webseite: MoMA: A new MoMA. https://web.archive.org/web/20191126211039/https://www.moma.org/about/new-moma (Zugriff: 26.11.2019). 12 Webseite: Whitney Museum. Whitney Biennale 2019. https://web.archive.org/web/20200925173126/https://whitney. org/exhibitions/2019-biennial/films-performances (Zugriff: 25.09.2020).

Annäherung aus der Gegenwart

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lichte 2018 einen Aufsatz über »Dance Exhibitions and Audience Attention«, in dem sie auf aktuelle Formen des Tanzes im Museum und die Konventionen des Sehens und Betrachtens in Zeiten digitaler Medien eingeht.13 Gwyneth Shanks betrachtet das Phänomen in ihrer Dissertation Performing the Museum, 2016, aus ihrer Per­ spektive als Künstlerin und konzentriert sich auf geschlechterpolitische Fragen sowie Performance als (immaterielle) Arbeit.14 Die tanzwissenschaftliche Master­ arbeit von Julia Ostwald, ebenfalls von 2016, nimmt zeitgenössischen Tanz im Museum unter dem Gesichtspunkt des Choreografischen in den Blick und fragt, inwiefern Tanz im Museum jenseits von Event und Spektakel möglich sei.15 2015 befasste sich eine große Konferenz in Paris mit dem Thema.16 Alle diese Positionen und Veranstaltungen fokussieren auf Phänomene der heutigen Zeit und berücksichtigen deren historischen Kontext nur am Rande. Diese Forschungslücke will die vorliegende Publika­ tion schließen, indem sie sich dem Phänomen Performance on Display erstmals aus dezidiert historischer Perspektive nähert und folgende grundlegende Fragen stellt: Woher kommt der Trend zum Performativen in Museen? Wann und warum wurde die Kunst im Museum lebendig? Wie kam Performance ins Museum? Zunächst ist festzuhalten, dass noch in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts Museen statischen Objekten vorbehalten waren. Von Lebendigkeit konnte allenfalls die Rede sein, wenn eine Darstellung besonders ›lebendig‹ erschien, oder ein Sujet ›wie aus dem Leben gegriffen‹ war.17 Wirklich lebendig waren zunächst nur die Be­ sucher*innen und das Museumspersonal.18 Erst mit der sogenannten ›Entgrenzung der Künste‹, die mit den historischen Avantgarden im ausgehenden 19. Jahrhundert einsetzte und in den Nachkriegsjahrzehnten (nach dem Zweiten Weltkrieg) zur vollen 13 Bishop, Claire: Black Box, White Cube, Gray Zone. Dance Exhibitions and Audience Attention. In: The Drama Review, 62. Jg. 2018, H. 2, S. 22–42. Bishop differenziert verschiedene Qualitäten von Aufmerksamkeit, deren Herausbildung sie historisch mit Entwicklungsstufen des modernen Kapitalismus parallel setzt. Sie stellt zugleich die Rezeptionskonventionen von Theater (»Black Box«) und Museum (»White Cube«) gegenüber, die sich im Zusammenhang mit Tanz im Museum zu einem hybriden Ort, der »Gray Zone« zusammenschließen, die Bishop mit den sozialen Medien und der virtuellen Welt assoziiert. 14 Shanks, Gwyneth J.: Performing the Museum. Displaying Gender and Archiving Labor, from Performance Art to Theater. Diss. Los Angeles 2016, S. 7–8. 15 Ostwald, Julia: Tanz ausstellen | Tanz aufführen. Choreografie im musealen Raum. München: epodium 2016. 16 Le musée par la scène. Le spectacle vivant au musée : pratiques, publics, médiations, Musée d’Orsay, Paris, 10.–20.11.2015. Tagungsakten: Chevalier, Pauline/Rezzouk, Aurélie/Urrutiaguer, Daniel (Hrsg.): Le musée par la scène. Le spectacle vivant au musée. Pratiques, publics, médiations. Montpellier: Deuxième époque 2018. 17 Allgemein zu Lebendigkeitskonzepten in der Kunst: Fehrenbach, Frank: Lebendigkeit. In: Pfisterer, Ulrich (Hrsg.): Metzler Lexikon Kunstwissenschaft. Ideen, Methoden, Begriffe. 2. erw. u. akt. Aufl. Stuttgart, Weimar: Metzler 2011, S. 273–278. 18 Ausnahmen bestätigen die Regel. Bereits um 1900 gab es einige frühe Manifestationen von Tanz im Museum. S. S. 71, Anm. 2. Lebendige Körper als Exponate gab es auch in den aus heutiger Sicht hochproblematischen Völkerschauen um 1900. Dazu der Sammelband: Blanchard, Pascal/Bancel, Nicolas et al. (Hrsg.): MenschenZoos. Schaufenster der Unmenschlichkeit. Völkerschauen in Deutschland, Österreich, Schweiz, UK, Frankreich, Spanien, Italien, Japan, USA. Dt. Erstausg. Hamburg: Crieur Public 2012. Eine weitere Form lebendiger Kunst außerhalb der darstellenden Künste ist das Tableau Vivant. Dazu: Folie, Sabine/Glasmeier, Michael: Tableaux vivants. Lebende Bilder und Attitüden in Fotografie, Film und Video. Ausst. Kat. Kunsthalle Wien, Wien 2002; Jooss, Birgit: Lebende Bilder. Körperliche Nachahmung von Gruppenbildern in der Goethezeit. Berlin: Reimer 1999; sowie mit Blick auf moderne Performance: Jooss, Birgit: Die Erstarrung des Körpers zum Tableau. Lebende Bilder in Performances. In: Janecke, Christian (Hrsg.): Performance und Bild – Performance als Bild. Berlin: Philo 2004.

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Einleitung

Blüte kam, wurde die Kunst im Wortsinne lebendig. Jetzt, in den mittleren 1960er Jahren, bildete sich Performance als eigenständige Kunstgattung heraus. Ab diesem Zeitpunkt ist also mit der Aufnahme lebendiger Kunst ins Museum zu rechnen. Dennoch tendiert ein Großteil der auf historische Performance19 ausgerichteten Forschung bisher dazu, das Museum als Ort für Performance auszublenden oder gar zu igno­rieren. Den bislang umfassendsten kunsthistorischen Überblick zur Performancegeschichte gibt RoseLee Goldbergs Performance Art. From Futurism to the Present.20 Goldberg zeichnet darin eine Geschichte der Performance(-kunst) von den Avantgarden der Moderne bis in die Gegenwart nach. Museen finden hier als Orte für Performance vereinzelt Erwähnung, insbesondere ab den 1970er-Jahren.21 Für eine Reflexion der Aufführungsorte bleibt jedoch wenig Raum, da das Hauptaugenmerk auf der Beschreibung der flüchtigen Performancekunstwerke liegt. Ähnliches gilt für das jüngst erschienene Überblickswerk der Performancekuratorin Catherine Wood, das eine globale Perspektive einnimmt und zugleich einen Brückenschlag zwischen historischer und aktueller Performance versucht.22 Obwohl Wood selbst in einem Museum tätig ist, kommt das Museum in ihren Überlegungen kaum vor. Sie definiert ihren Gegenstand – unter den griffigen Kapitelüberschriften »I«, »We« und »It« – als die Begegnung von Performer*innen, Publikum und Werk, wobei der Ort dieser Begegnung, ähnlich wie zuvor bei Goldberg, zur Randnotiz gerät. Die Kunsthistorikerin Amelia Jones befasste sich bereits verschiedentlich mit dem komplexen Verhältnis von Performance und Historizität, doch klammert sie Museen als Orte für historische Performance systematisch aus ihren Überlegungen aus. Stattdessen betont sie die Bedeutung alternativer Kunsträume für frühe Performance­ ­(-kunst).23 Museen werden für Jones erst ab den 1990er-Jahren relevant, als eine Welle retrospektiver Museumsausstellungen zu historischen Performancepositionen einsetzte.24 Diese griffen meist auf statische Objekte oder Relikte zurück. Live-Performances in Museen interessieren Jones erst nach der Jahrtausendwende. Hier fokussiert sie auf die Künstlerin Marina Abramovic´ und deren Ansatz, eigene sowie Performances anderer Künstler*innen in sogenannten ›Re-Performances‹ aufzu­ führen. Im Zusammenhang mit Abramovic´ s Seven Easy Pieces im New Yorker

19 Unter ›historischer Performance‹ oder ›früher Performance‹ wird hier und im Folgenden Performance der 1960er- und 1970er-Jahre verstanden. 20 Goldberg, RoseLee: Performance Art. From Futurism to the Present. 3. überarb. Aufl. London: Thames & Hudson 2011. 21 Goldberg 2011, hier das Kapitel 7: The Art of Ideas and the Media Generation 1968 to 2000, S. 152 ff. 22 Wood, Catherine: Performance in Contemporary Art. London: Tate 2018. Wood arbeitet an der Tate Modern in London, ihre Stellenbezeichnung lautet Senior Curator, International Art (Performance). 23 In einem von Jones erstellten historischen Überblick über »Debates and Exhibitions Relating to Performance Documentation and Re-Enactments« finden sich Verweise auf die Gründung alternativer Kunsträume, aber keine einzige Museumsveranstaltung bis weit in die 1990er-Jahre. Jones, Amelia: Timeline of Ideas: Live Art in (Art) History, A Primarily European-US-Based Trajectory of Debates and Exhibitions Relating to Performance Documentation and Re-­ Enactments. In: Jones/Heathfield 2012, S. 425–432. 24 Jones nennt hier die Ausstellung In the Spirit of Fluxus im Walker Art Center, Minneapolis, 1993, als Markstein. Jones [Timeline] 2012, S. 427.

Annäherung aus der Gegenwart

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Solomon R. Guggenheim Museum (Guggenheim), 200525, und der Ausstellung The Artist is Present im MoMA, 201026, spricht Jones von einem »watershed moment in the history of live-art«.27 Erst jetzt hätten sich Museen und Kunstgeschichtsschreibung dem Phänomen Performance zugewandt. Jones geht sogar so weit zu behaupten, dass das MoMA bis zu diesem Zeitpunkt vollkommen »performance-resistant« gewesen sei.28 Claire Bishop widerlegte dies 2014 in einem Aufsatz über Tanz im Museum, der in einem Sonderheft des Dance Research Journal zu ebendiesem Thema erschien.29 Bishop unternimmt dort einen der seltenen Versuche, die Frage nach dem Eintritt von Performance (konkreter: Tanz) ins Museum zu beantworten. Sie geht dabei von drei historischen Wellen aus. Die erste Welle datiert sie in die späten 1930er- und frühen 1940er-Jahre, die zweite in die 1960er- und 1970er-Jahre und die dritte in die heutige Zeit.30 Dabei gab es, Bishop zufolge, während der ersten Welle lediglich tanzbezogene Ausstellungen und noch keine Live-Performances in Museen. Die zweite Welle habe dann vor allem Live-Events hervorgebracht, während sich die dritte Welle, die bis heute anhalte, durch eine zunehmende Integration von Tanz in Museumssammlungen auszeichne.31 Bishop leitet diese Thesen aus Untersuchungen zu den drei großen Museen MoMA, Whitney Museum und Tate Modern, London ab. Inwiefern Ähnliches auch für andere Institutionen sowie für Performance über den Tanz hinaus gilt, lässt sie offen.32 Im Laufe der 1970er-Jahre, also mit Bishops ›zweiter Welle‹, bildete sich ein spezialisierter kunsthistorischer Performancediskurs heraus. Davon zeugt, neben einigen weiteren Publikationen33, vor allem RoseLee Goldbergs bereits genannte Per­formance­

25 Marina Abramovic´. Seven Easy Pieces, 09.–15.11.2005, Guggenheim Museum, New York. Für diese Performancereihe interpretierte Abramovic´ eigene Arbeiten sowie Arbeiten anderer Künstler*innen, darunter Joseph Beuys und Gina Pane, neu. 26 Marina Abramovic´. The Artist is Present, 14.03.–31.05.2010, MoMA, New York. In dieser Ausstellung wurden frühe Performances der Künstlerin in Form von Dokumentationsmaterial und Re-Enactments gezeigt, während Abramovic´ selbst während der gesamten Laufzeit der Ausstellung im Museum persönlich präsent war und es Besucher*innen ermöglichte, sich ihr gegenüber zu setzen und in ihre Augen zu sehen. 27 Jones, Amelia: Temporal Anxiety/›Presence‹ in Absentia. Experiencing Performance as Documentation. A 2010 Preface to an Essay Written in 1996. In: Giannachi, Gabriella/Kaye, Nick/Shanks, Michael (Hrsg.): Archaeologies of Presence. Art, Performance and the Persistence of Being. London: Routledge 2012, S. 197–201, hier S. 198. Neben den Projekten von Abramovic´ nennt sie auch eine Fluxus-Ausstellung der Gilbert and Lila Silverman Fluxus Collection, 2008, sowie die Präsentation von Joan Jonas’ performativer Installation Mirage (1976) im MoMA. Ebd., S. 197. 28 Ebd. 29 Bishop, Claire: The Perils and Possibilities of Dance in the Museum. Tate, MoMA, and Whitney. In: Dance Research Journal, 46. Jg. 2014, H. 3, S. 62–76. 30 Ebd., S. 63. 31 Bishop bezieht sich hier speziell auf das MoMA. Ebd., S. 63–66. 32 Die in Anm. 18 skizzierte ›Proto-Welle‹ um 1900 bleibt bei Bishop, vermutlich wegen ihrer Schwerpunktsetzung auf die genannten Institutionen, unerwähnt. Vgl. S. 71, Anm. 2. 33 Neben einer Vielzahl an Zeitungs-, Magazin- und Zeitschriftenartikeln, auf die im Folgenden an entsprechender Stelle verwiesen wird, gehörten dazu: Vergine, Lea (Hrsg.): Body Art and Performance. The Body as Language [1. ital./engl. Ausg. 1974]. Mailand: Skira 2000; Henri, Adrian: Total Art. Environments, Happenings, and Performance. New York: Oxford U P 1974; Benamou, Michel (Hrsg.): Performance in Postmodern Culture. International Symposium on PostModern Performance. Madison: Coda 1977.

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geschichte, deren Erstauflage 1979 unter dem Titel Performance. Live Art 1909 to the Present erschien.34 In Bezug auf Performance und Museen ist zudem der kurze Artikel Museum as Theater von Interesse, den die Kunsthistorikerin Barbara Rose 1972 im New York Magazine veröffentlichte.35 Rose beschreibt dort einen regelrechten Performancetrend: All of the major New York museums […] have sponsored avant-garde theater, dance and music concerts and media and film festivals, recognizing that the lines between theater and art are becoming even more blurred than they were during the Baroque period.36 Es waren drei konkrete Museumsperformances, die Rose zu ihrem Text inspirierten: die Uraufführung von Wassily Kandinskys intermedialem Theaterstück The Yellow Sound (Dt.: Der Gelbe Klang, 1909) 1972 in der Rotunde des Guggenheim37; Yvonne Rainers Performanceserie Continuous Project Altered Daily (1972) im Whitney Museum und eine Aufführung des Stücks Red Horse Animation (1970) der AvantgardeTheatergruppe Mabou Mines, ebenfalls im Whitney Museum.38 Rose beschreibt diese Veranstaltung mit einiger Begeisterung und betont ihre Hybridität zwischen Theater, Tanz und bildender Kunst. Abschließend gratuliert sie den Museen zu ihrer Einsicht, dass Performance eine Lebendigkeit biete, die anderer damals aktueller Kunst fehle.39 Bereits während der ersten Recherchen zu diesem Buch wurde deutlich,  dass dies bei weitem nicht die einzigen Museumsperformances in dieser Zeit gewesen sind. Rose hätte sich ebenso auf die monumentale Aufführung Juice beziehen können, mit der Meredith Monk 1969 die gesamte Rotunde des Guggenheim choreo­grafisch wie musikalisch bespielte, oder auf Trisha Browns Performance Walking on the Wall (1970) im Whitney Museum, während der Tänzer*innen, an Seilen von einer Schiene an der Decke hängend, die Wände des Museums abschritten.40 Ebenfalls 1972 zeigte

34 Goldberg, RoseLee: Performance. Live Art 1909 to the Present. New York: Abrams 1979. Das Werk erschien inzwischen in zahlreichen Neuauflagen und Erweiterungen. Im Folgenden wird vor allem die erste Ausgabe verwendet. 35 Rose, Barbara: Museum as Theater. In: New York, 15.05.1972, S. 76.

36 Ebd. 37 Vgl. Audio: Yellow Sound [Mimi Poser spricht im Rahmen der Radiosendung Round and About the Guggenheim mit den Kurator*innen Louise Svendsen und Harris Barron über die Inszenierung von Wassily Kandinskys Theaterstück im Guggenheim Museum] 1972, 23:49 Min. Online: https://web.archive.org/web/20201115192823if_/https://www. guggenheim.org/audio/track/yellow-sound-1972 (Zugriff: 15.11.2020). 38 Mabou Mines: Red Horse Animation (mit Musik von Philip Glas), Whitney Museum, New York, 22.04.1972; Premiere im Guggenheim Museum, 18.11.1970; weitere Aufführungen ebd. am 19., 20. u. 21.11.1970; weitere Aufführungen u. a. im Walker Art Center, Minneapolis (01.–03.11.1971). Zu Yvonne Rainers Performance vgl. Göggel, Katrin: Yvonne Rainer. »Continuous Project – Altered Daily«. In: Zanetti, Sandro (Hrsg.): Improvisation und Invention. Momente, Modelle, Medien. Zürich, Berlin: Diaphanes 2014, S. 181–192. 39 Ebd. 40 Juice fand am 7. November 1969 statt. Eine Beschreibung auf dem Blog des Guggenheim Museums. Webseite: Guggenheim Museum. Meredith Monk: Juice, 1969. https://web.archive.org/web/20201115183105if_/https://www.guggen heim.org/blogs/checklist/the-idea-of-compression-meredith-monks-juice-1969 (Zugriff: 15.11.2020). Walking on the Wall war eine Museums-Adaption von Browns Arbeit für den öffentlichen Raum Man Walking Down the Side of a Building (1970) und Teil eines insgesamt vierteiligen Programms der Künstlerin mit dem Titel Another Fearless Dance Concert, das an zwei aufeinanderfolgenden Tagen, am 30. und 31. März 1971, im Whitney Museum gezeigt wurde.

Annäherung aus der Gegenwart

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Scott Burton im Whitney Museum seine Behaviour Tableaux41, die frühe Form einer »delegierten Performance«.42 Es verdichten sich damit die Hin­weise, dass es in den 1970er-Jahren eine Konjunktur für Performance im Museum gegeben hat, die im aktuellen Performancediskurs aufgrund anders gelagerter Forschungsinteressen, aber auch aus ideologischen Gründen – welche das sind, wird im Folgenden noch zu klären sein –, vernachlässigt wurde. Zugleich zeichnet sich ab, dass eine Reduktion auf das Medium Tanz, wie sie Claire Bishop in ihren beiden Aufsätzen vornimmt, dem Phänomen in seiner Breite nicht gerecht wird. Ein Perspektivwechsel: Auch in der historischen Museumsforschung stellt eine Auseinandersetzung mit Performance on Display ein Desiderat dar. In den meisten Überblickswerken zur Geschichte und Ontologie des Kunstmuseums liegt das Hauptaugenmerk auf dem Sammeln, Bewahren und Ausstellen von Kunstobjekten, sodass Performance und andere lebendige oder zeitbasierte Kunstformen dort keine oder nur eine randständige Rolle spielen. In Walter Grasskamps kompakter und aufschlussreicher Studie zur Sozialgeschichte des Kunstmuseums wird Performance immerhin erwähnt. Grasskamp teilt die Geschichte öffentlicher Kunstmuseen in zwei Phasen, die der »Museumsgründer« und die der »Museumsstürmer«.43 Den Anbruch der zweiten Phase lokalisiert er um 1900 mit der Herausbildung der modernen Avantgarde-Bewegungen (insbesondere des Futurismus), die gegen die Konventionen bürgerlicher Kunstrezeption und deren Indienstnahme der Kunst opponierten und deshalb das Museum als zentralen Ort der Kunst radikal in Frage stellten.44 Performancekunst, Aktionskunst und Happening fasst Grasskamp als avantgardistische Ausdrucksformen der Nachkriegszeit, die Ideen der historischen Avantgarden aufgriffen und verdichteten.45 Analog zu den Thesen des Avantgarde-Forschers Peter Bürger46 betont Grasskamp dann aber, dass ebendiese Nachkriegs-Avantgarden (in Bürgers Terminologie: »Neo-Avantgarden«47) »nur zu bereitwillig die Selbstdarstellungsrituale der Kunstsammler mit Material versorgt« hätten.48 »[N]icht selten« werde »aufgrund einer bloß formalen Innovation der Anspruch des Avantgardismus erhoben«.49 Unter diesen Vorzeichen wird ein historischer Blick auf Performance im Museum erschwert. Mehr noch, Kooperationen zwischen ›echten‹ Avantgarde-

41 Scott Burton: Behavior Tableaux, Whitney Museum, New York, 19.04.1972. 42 Den Begriff der ›delegierten Performance‹ prägte Claire Bishop. Bishop, Claire: Delegated Performance. Outsourcing Authenticity. In: October, 140. Jg. 2012, Frühjahr, S. 91–112. 43 Grasskamp, Walter: Museumsgründer und Museumsstürmer. Zur Sozialgeschichte des Kunstmuseums. München: Beck 1981. 44 In seinen Augen gehörte es »zur Tradition der avantgardistischen Kunst, den falschen Gebrauchswert, den das bürger­ liche Kunstpublikum dem Kunstwerk durch Besitzergreifung überstülpte, zu unterlaufen«. Ebd., S. 120. 45 Ebd., S. 120–121. 46 Bürger, Peter (Hrsg.): Theorie der Avantgarde. Mit einem Nachwort zur 2. Auflage. Nachdr. der 16. Aufl. Frankfurt/M: Suhrkamp 2013. 47 Vgl. Bürger, Peter: Nach der Avantgarde. Weilerswist: Velbrück 2014, S. 105 u. a. 48 Grasskamp 1981, S. 120. 49 Ebd.

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Künstler*innen und Museen erscheinen geradezu unmöglich, denn sie ließen die Kunst als von den Institutionen und vom ›Establishment‹ korrumpiert erscheinen. Der Museumstheoretiker und Kulturmanager Tobias Wall argumentierte 2006, dass die Entgrenzung der Künste ab den 1960er-Jahren, aus der Performance als Kunstform hervorging, das Museum im herkömmlichen Sinne »unmöglich« gemacht hätte.50 Er geht davon aus, dass die genannten Entwicklungen im Kunstfeld an Mu­ seen weitestgehend vorbeigegangen seien, wobei er das Museum vor allem in seiner Funktion als sammelnde und bewahrende Institution denkt.51 Wall lässt dabei nicht nur den wichtigen Bereich des Ausstellens außer Acht, sondern er bedient sich erneut einer Logik des Bruchs zwischen lebendiger Kunst und dem Museum. Das neue lebendige Museum des 21. Jahrhunderts müsse, Wall zufolge, erst noch entworfen werden.52 Obwohl die Entwicklungen in den Künsten das Museum im 20. Jahrhundert durchaus vor Herausforderungen gestellt haben, ist weder Grasskamp noch Wall vollständig zuzustimmen. Neue Kunstformen, wie Performance, machten das Museum weder unmöglich, noch bedeutete die Integration von Performance ins Museum zwangsläufig einen Integritätsverlust für die Kunst oder für Künstler*innen. Als Gegenentwurf zum dominanten Narrativ des Bruchs zwischen Avantgarde und Institution fasst die vorliegende Publikation das Verhältnis von Performance und Museum als ein dialektisches und produktives Wechselspiel auf. Das bedeutet erstens anzu­erkennen, dass nicht nur die Kunst, sondern auch Kunstinstitutionen dynamischen Entwicklungsprozessen unterliegen und zweitens anzunehmen, dass gerade die Reibung und das Sich-Herausfordern beiderseits zu Innovation und Erneuerung führten. Ein zentrales Anliegen soll deshalb sein, diese Momente des Sich-Gegenseitig-Hervorbringens von Performance und Museum herauszuarbeiten.

Konturierung des Gegenstands Das Hauptaugenmerk dieser Publikation liegt also auf dem Zeigen und Ausstellen von Performance in Museen. Dabei werden sowohl Live-Veranstaltungen als auch statische Ausstellungen in den Blick genommen. Andere zentrale Aufgaben des Museums, wie das Sammeln und Bewahren sowie das Forschen und die Vermittlung treten in den Hintergrund. Grund dafür ist, dass das systematische Sammeln von

50 Wall, Tobias: Das unmögliche Museum. Zum Verhältnis von Kunst und Kunstmuseen der Gegenwart. Bielefeld: transcript 2006. 51 Vgl. ebd., S. 13. 52 Mit seiner Hilfe, denn Wall bietet Museen an, sie in diesem Prozess zu beraten.

Konturierung des Gegenstands

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Performance durch Museen erst später, ab dem ausgehenden 20. Jahrhundert, nach­ zuweisen ist.53 Es empfiehlt sich somit, beide Phänomene, wenn auch eng mitein­ ander verbunden, getrennt zu betrachten. An dieser Stelle sei jedoch auf den regen Diskurs um das Sammeln und Konservieren von Performance verwiesen, der partiell auch historische Einblicke gibt.54 Der titelgebende Anglizismus Performance on Display spielt darauf an, dass sich diese Publikation auf den US-amerikanischen Kontext konzentriert.55 Dennoch wird Performance ausdrücklich nicht als ein »primär amerikanisches Phänomen« auf­ gefasst, wie es der Theaterwissenschaftler Marvin Carlson mit einiger Selbstverständlichkeit behauptet.56 Zahlreiche Publikationen haben bereits das Gegenteil bewiesen.57 Der Grund für die Schwerpunktsetzung war zunächst ein pragmatischer: die Zugänglichkeit des Materials in besonders gut erschlossenen Museumsarchiven. Inhaltlich sprach dafür, dass die Frage der ›Musealisierung‹ von Performance unweigerlich Fragen der Kanonbildung tangiert. Seit dem Zweiten Weltkrieg nehmen die USA eine Vormachtstellung im Feld der Kunst für sich in Anspruch und US-amerikanische Museen, allen voran das MoMA, gelten als weltweit tonangebende Insti­ tutionen. Gerade diesen Kontext in den Blick zu nehmen, kann dazu beitragen, die dort entwickelten Ein- und Ausschlusskriterien sowie Legitimierungsprozesse als Konstruktionen sichtbar zu machen.58 Dieses Buch zielt dabei weder auf eine Apolo-

53 Eine Ausnahme sind vereinzelte Ankäufe performancebasierter Fotografien, worauf im Folgenden an entsprechender Stelle hingewiesen wird. 54 Einige relevante Publikationen sind: Altshuler, Bruce (Hrsg.): Collecting the New. Museums and Contemporary Art. Princeton: Princeton U P 2013; Laurenson, Pip/Van Saaze, Vivan: Collecting Performance-Based Art: New Challenges and Shifting Perspectives. In: MacCulloch, Laura/Leino, Marika (Hrsg.): Performativity in the Gallery. Staging Interactive Encounters. Bern: Peter Lang 2014, S. 27–41. Die Frage des Bewahrens wird insbesondere im konservatorischen Feld diskutiert, zum Beispiel im europäischen Forschungsnetzwerk nacca (New Approaches in the Conservation of Contemporary Art). Webseite: nacca (New Approaches in the Conservation of Contemporary Art). https://web.archive. org/web/20201017071719/http://nacca.eu/ (Zugriff: 17.10.2020). Eine vollständig dokumentierte Tagung zum Thema war: Collecting and Conserving Performance Art, Kunstmuseum Wolfsburg, 09.–11.06.2016. Webseite: Verband der Restauratoren. Dokumentation: Collecting and Conserving Performance Art, Kunstmuseum Wolfsburg, 09.–11.06.2016. https://web.archive.org/web/20201115141913/https://www.restauratoren.de/collecting-and-conserving-performanceart-videos/ (Zugriff: 15.11.2020). S. auch Calonje, Teresa (Hrsg.): Live Forever. Collecting Live Art. London: König 2014. 55 Die Wendung ›on display‹ besitzt zudem kein deutsches Äquivalent. Sie verweist auf das Ausgestellt-Sein und ein damit verbundenes Moment der Inszenierung. Ein ›Display‹ kann sowohl eine Museumsausstellung als auch eine kommer­ zielle Warenauslage oder das Interface digitaler Medien sein. In allen Fällen handelt es sich um eine Kontaktzone zwischen Zeigenden, Gezeigtem und Rezipierenden. 56 »Despite its international diffusion, performance art has been both historically and theoretically a primarily American phenomenon«. Carlson, Marvin A.: Performance. A Critical Introduction. 2. Aufl. New York, London: Routledge 2009, S. 2–3. 57 Der Versuch eines transkulturellen Überblicks ist: Wood 2018. S. des Weiteren Bryzgel, Amy: Performance Art in Eastern Europe since 1960. Manchester: Manchester U P 2017; Osaki, Shinichiro: Körper und Ort. Japanische Aktionskunst nach 1945. In: Schimmel, Paul/Noever, Peter/Stiles, Kristine (Hrsg.): Out of Actions. Zwischen Performance und Objekt 1949–1979. Ausst. Kat. Los Angeles, The Geffen Contemporary at MOCA. Ostfildern: Hatje Cantz 1998, S. 125–157; Fusco, Coco (Hrsg.): Corpus Delecti. Performance Art of the Americas. London, New York: Routledge 2000; Berghuis, Thomas J.: Performance Art in China. Hong Kong: Timezone 8 2006 oder Jappe, Elisabeth: Performance – Ritual – Prozess. Handbuch der Aktionskunst in Europa. München: Prestel 1993. 58 Zugleich wurde mit der Schwerpunktsetzung auf verschiedene US-amerikanische Museen versucht, das ›MoMA-Monopol‹ zu unterlaufen, das nicht zuletzt in den oben genannten Aufsätzen von Claire Bishop sehr präsent ist.

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gie, noch auf die Überwindung dieser Strukturen und Institutionen ab, sondern auf ihre kritische Analyse. Der Untersuchungszeitraum erstreckt sich über die ›langen 1970er-Jahre‹. Diese Schwerpunktsetzung liegt wegen der oben angedeuteten Performancekonjunktur in Museen in dieser Zeit nahe. Allerdings gilt das Jahrzehnt auch unabhängig von der Museumsfrage als ein ›goldenes Performancezeitalter‹. So schreibt Goldberg in den 1980er-Jahren: The 1970s may well be looked on in time to come as the Golden Years of Performance. It was a period when the medium grew from an array of eccentric gestures […] to a fully accepted art form with its own written history, magazines, and critics. Performance featured as a large part of the oeuvre of many artists and correspondingly became the focus of numerous festivals and conferences. From street performances and private studio events witnessed only by peers of the artists to art spaces specifically dedicated to showcasing the medium, performance gradually became a highly popular and even fashionable genre.59 Goldberg skizziert hier den komplexen Institutionalisierungsprozess von Performance und nennt einige der beteiligten Akteur*innen und Institutionen. Die vorliegende Publikation fügt diesem Spektrum die Museen hinzu, die mit dem Soziologen Howard S. Becker als diejenigen »finalen Repositorien« gelten sollen, auf die solche Institutionalisierungsprozesse in der Kunstwelt letztlich zulaufen.60 Das goldene Performancezeitalter fügte sich in den USA in einen ganz spezifischen historischen Kontext. Die Nachkriegsjahrzehnte der 1950er- und 1960er-Jahre waren von Wirtschaftswachstum, medialen und technischen Innovationen und der Abgrenzungspolitik des Kalten Kriegs geprägt. Die 1960er-Jahre gelten dabei als ein Jahrzehnt der Aufbruchsstimmung und der Entgrenzung. Es war die Hochphase der Bürgerrechts- und der gegenkulturellen Protestbewegungen, die darauf abzielten, gesellschaftliche Normen und Schranken zu überwinden. In der Kunst manifestierte sich diese Entgrenzungstendenz in einer besonderen intermedialen Experimentierfreude, die ein breites Spektrum neuartiger konzeptueller Kunstformen hervorbrachte. Die 1970er-Jahre lassen sich dann als ein Jahrzehnt der Aushandlungs- und Konsolidierungsprozesse fassen. Die Aufbruchsstimmung wurde durch den kontroversen Kriegseinsatz in Vietnam gedämpft, die Watergate-Affäre (1972) und die Ölkrise (1973) erschütterten das Land innenpolitisch und wirtschaftlich. Der technologische Fortschritt und die Auswirkungen der Konsumkultur und des Medienzeitalters wurden zunehmend kritisch hinterfragt. Es fand eine selbstreflexive Wendung nach innen statt, nicht mehr das Kollektiv, sondern das Individuum rückte ins Blickfeld und 59 Goldberg, RoseLee: Performance: The Golden Years [1983]. In: Battcock, Gregory (Hrsg.): The Art of Performance. A Critical Anthology. New York: Dutton 1984, S. 71–94, hier S. 72. 60 Becker beschreibt das Museum als »final repository« der Kunst. Becker, Howard S.: Art Worlds. Berkeley, London: U of California P 1982, S. 117.

Konturierung des Gegenstands

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die sogenannte »Me Decade«61, ein Zeitalter des pluralistischen Individualismus, brach an.62 Das Jahrzehnt markierte den Anbruch der Postmoderne. Im akademischen Kontext etablierte sich die kritische und dekonstruktive Theoriebildung. Körper- und Geschlechterfragen wurden diskutiert und die feministische Bewegung nahm Fahrt auf. Die Herausbildung von Performance als Kunstform stand im Zusammenhang mit all diesen historischen Entwicklungen. Wie die folgenden Kapitel zeigen werden, war Per­formance ebenso ein Produkt der Entgrenzungstendenzen der Kunst der 1960er-­Jahre wie auch eine Reflexion der Aushandlungsprozesse von Individuum und Kollektiv sowie neuer Körper- und Identitätskonzepte des darauffolgenden Jahrzehnts.

Performance und Museen Das Verhältnis von einer Kunstgattung zu einer Institutionsform zu untersuchen, bedeutet, sich einem überaus komplexen und wenig klar umrissenen Gegenstand zu nähern. Da diese Publikation sowohl einen Beitrag zur Performance- als auch zur Museumsforschung leisten will, gehört zu den besonderen Herausforderungen, diese umfangreichen und bislang voneinander getrennten Diskursfelder in einen frucht­baren Dialog zu bringen. Nicht immer wird es möglich und sinnvoll sein, beide Stränge zugleich zu verfolgen. In den folgenden Abschnitten werden beide Bereiche zunächst getrennt voneinander eingeführt und wesentliche Begrifflichkeiten und historische Hintergründe erläutert. Eine erste Zusammenführung findet dann in der Exposition statt, die Performance und Museum im Spannungsfeld von Institutionskritik und In­ stitutionalisierung beleuchtet. Performance und lebendige Kunst Der Begriff ›Performance‹ ist in dieser Publikation mit unterschiedlichen Bedeutungen und Konnotationen aufgeladen. Diese sind im Wesentlichen: Performance als künstlerisches Medium, Performance als Gegenstand im Kunstdiskurs und Performance als kulturelles Phänomen. Welche dieser Bedeutungen gemeint ist, wird sich aus dem Kontext oder durch einen entsprechenden Hinweis erschließen. Wenn keine nähere Angabe gemacht wird, ist ein Oszillieren zwischen den Bedeutungsebenen intendiert.

61 Diesen Begriff prägte der Journalist und Schriftsteller Tom Wolfe. Wolfe, Tom: The Me Decade. In: New York Magazine, 23.08.1976. 62 Wie Sarah Happersberger, die über feministische Kollektive in den 1970er- und 1980er-Jahren arbeitet, richtig bemerkt, gilt die These von der Me Decade für die Kunstwelt nicht uneingeschränkt. Im Zusammenhang mit Solo-Per­ former*innen, wie sie im Folgenden im Vordergrund stehen werden, scheint sie berechtigt. Inwiefern die Zusammenarbeit mit Museen kollektive Kunstpraktiken und geteilte Autor*innenschaft verhinderte oder ermöglichte, wäre eine interessante Fragestellung.

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Performance als künstlerisches Medium Für Performance als künstlerisches Medium gelte folgende Minimaldefinition: Performance ist zeit- und handlungsbasiert und involviert den Einsatz von Körpern als Medium und Material. Dabei kann der*die Künstler*in das Werk allein oder mit anderen aufführen oder die Ausführung an andere delegieren. Das Spektrum künstlerischer Ausdrucksformen, auf das diese Beschreibung zutrifft, ist groß. Es reicht von Tanz und Theater, als Formen, die sich traditionell im Bereich der darstellenden Künste verorten, über Aktionen und Happenings oder körperbasierte Prozess- und Konzeptkunst bis hin zu Body Art, Performancekunst, relationaler Kunst und künstlerischen Interventionen, also Formen, die eher dem Bereich der bildenden Kunst zuzuordnen sind.63 Alle diese Performancetypen werden unter dem Überbegriff ›performative Kunstformen‹ oder, wie im Titel, als ›lebendige Kunst‹ zusammengefasst. Diese breite Definition von Performance ist notwendig, um Performance on Display als Phänomen in den Blick nehmen zu können. Dennoch wird im Einzelfall zwischen den verschiedenen Ausprägungen und Strömungen, insbesondere aus den darstellenden und den bildenden Künsten, zu unterscheiden sein. Der Begriff ›performative Kunst‹ birgt eine Bedeutungsüberschneidung mit dem Konzept der Performanz (oder Performativität / engl.: performativity), die hinreichend bekannt ist und doch nicht unerwähnt bleiben darf. Dieses Konzept geht auf den Sprachforscher J. L. Austin zurück, der damit das Wirksamwerden sprachlicher Äußerungen auf gelebte Realität bezeichnet.64 Vermittelt über weiterführende Forschungen, insbesondere von Jacques Derrida und daran anschließend Judith Butler, fand das Konzept auch im Kunst- und Performancediskurs Niederschlag.65 Die Performanz eines Kunstwerks meint seine Wirksamkeit und sein realitätsstiftendes Potenzial. Wie Dorothea von Hantelmann richtig feststellt, ist grundsätzlich jedes Kunstwerk per­formativ.66 Dennoch wird Performance oft eine besondere Performanz bescheinigt, da die Kunstform auf eine direkte Kommunikation zwischen Performer*in und Pub­ likum ausgerichtet ist.67 Um Missverständnissen vorzubeugen, wird im Folgenden der Hinweis ›nach J. L. Austin‹ hinzugefügt, wenn auf dieses Konzept Bezug genommen werden soll. Ansonsten meint ›performativ‹ schlicht performancebezogen oder aufführungshaft.

63 Aufgrund der körperzentrierten Performancedefinition wird Musik als darstellende Kunstform im Folgenden weitestgehend außen vor bleiben. Allerdings sei an dieser Stelle darauf verwiesen, dass es eine Tradition musikalischer Aufführungen in Museen gibt, deren Untersuchung überaus lohnenswert wäre. 64 Austin, John L./Savigny, Eike von: Zur Theorie der Sprechakte. (How to do things with Words) [Erstm. auf Englisch, 1962]. Stuttgart: Reclam 1986. 65 Vgl. Parker, Andrew/Kosofsky Sedgwick, Eve: Introduction. Performativity and Performance. In: Dies. (Hrsg.): Performativity and Performance. New York: Routledge 1995, S. 1–19, hier S. 1–2. 66 Hantelmann, Dorothea v.: How to Do Things With Art. Zur Bedeutsamkeit der Performativität von Kunst. Zürich: Diaphanes 2007, S. 11–12. 67 Vgl. Fischer-Lichte, Erika: Performativität. Eine Einführung. Bielefeld: transcript 2011, darin das Kapitel 3: Aspekte der Aufführung, S. 53 ff.

Performance und Museen

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Mit dem Begriff ›Performancekunst‹ ist Performance als Gattung der bildenden Künste gemeint, die etwa ab den mittleren 1970er-Jahren als solche benannt und anerkannt wurde.68 Für diese, wie auch für die zuvor genannten Formen von Perfor­ mance, gilt, dass sie sich durch eine besondere Intermedialität und Fluidität aus­ zeichnen. Oft gibt es Schnittstellen zu anderen Medien, von Malerei, Bildhauerei oder Installation bis hin zu Fotografie, Video und Film. Auch die Grenze zwischen bildender und darstellender Kunst ist selten klar zu ziehen. Letztlich gehört es zur Definition von Performance im Allgemeinen und von Performancekunst im Speziellen, dass sie sich als dezidiert hybride Kunstformen einer klaren Definition entziehen.69 Performance als Gegenstand im Kunstdiskurs Im theoretischen Performancediskurs finden sich im Wesentlichen zwei Performancedefinitionen: Performance als (Live-)Akt und Performance als Werk. Die erste Definition stellt die ephemeren Performanceaufführungen in den Mittelpunkt und betont Momente körperlicher Präsenz und direkter Kommunikation. Diese Auffassung von Performance findet sich vorwiegend in theaterwissenschaftlichen Schriften. Peggy Phelan betont zum Beispiel in ihrem Hauptwerk Unmarked. The Politics of Performance die ephemere Präsenz und die Nicht-Reproduzierbarkeit von Performance, die sie als eine Geste des Entzugs (aus herrschenden Machtstrukturen) interpretiert. In ihren Augen birgt die performative Entzugsgeste ein subversiv-politisches Potenzial.70 An diese Argumentation schließen sich ›negative‹ Diskurse um Abwesenheit, leblose Relikte oder das »Wieder-Holen« von Performance an.71 Die The­ aterwissenschaftlerin Erika Fischer-Lichte betont die Erfahrungsdimension und die leibliche Ko-Präsenz von Performer*in und Publikum als zentrale Momente einer »Ästhetik des Performativen«.72 Auch hier erscheint Performance als singulär, nicht wiederholbar und nicht substituierbar. Im kunsthistorisch geprägten Performancediskurs, der sich Performance aus historischer Distanz nähert und dessen Konventionen der Typisierung und vergleichenden Analyse sich anhand statischer Werke herausgebildet haben, dominiert hingegen die Auffassung von Performance als Werk. RoseLee Goldbergs Performance­ geschichte besteht in diesem Sinne aus einer chronologischen Aneinanderreihung

68 Vgl. Goldberg 2011, S. 7; Stiles, Kristine: Performance. In: Nelson, Robert S./Shiff, Richard (Hrsg.): Critical Terms for Art History. 2. Aufl. Chicago, London: U of Chicago P 2003, S. 75–97, hier S. 84–85. 69 Verschiedene Definitionsversuche für Performance sind: Coogan, Amanda/Moran, Lisa/Byrne, Sophie (Hrsg.): What Is Performance Art? Dublin: Irish Museum of Modern Art 2011; Wood 2018; Heathfield, Adrian (Hrsg.): Live. Art and Performance. London: Tate 2004; Stiles 2003; Stiles, Kristine: Performance Art. Introduction. In: Stiles, Kristine/Selz, Peter (Hrsg.): Theories and Documents of Contemporary Art. A Sourcebook of Artists’ Writings. 2. überarb. u. erw. Aufl. Berkeley: U of California P 2012, S. 679–694. 70 Phelan, Peggy: Unmarked. The Politics of Performance [1993]. London: Routledge 2005. 71 Foellmer, Susanne: Re-enactment und andere Wieder-Holungen in Tanz und Performance. In: Döhl, Frédéric/Wöhrer, Renate (Hrsg.): Zitieren, appropriieren, sampeln. Referenzielle Verfahren in den Gegenwartskünsten. Bielefeld: transcript 2014, S. 69–92; Siegmund, Gerald: Abwesenheit. Eine performative Ästhetik des Tanzes. William Forsythe, Jérôme Bel, Xavier Le Roy, Meg Stuart. Bielefeld: transcript 2006. 72 Fischer-Lichte, Erika: Ästhetik des Performativen. Frankfurt/M: Suhrkamp 2004, passim.

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von Performancewerken, die verschiedenen Kunstströmungen oder thematischen Gruppierungen zugeordnet werden.73 Auch Amelia Jones wählt einen kunsthistorischen Zugang und geht von Auseinandersetzungen mit Einzelwerken aus, die sie systematisch und theoretisch-kritisch untersucht.74 Die beiden Auffassungen von Performance als Akt und als Werk sind in der Vergangenheit immer wieder in Konflikt geraten, vor allem in Bezug auf die (Un-)Möglichkeit einer medialen Vermittlung von Live-Performance durch Dokumentationsmedien wie Fotografie, Film oder Video, Relikte und andere Artefakte.75 Peggy Phelans Konzept von Performance als Akt spricht Performancedokumentation – zumindest implizit – jegliche Relevanz ab.76 Eine diametral entgegengesetzte Position dazu vertritt der Medientheoretiker Philip Auslander, der die Möglichkeit einer nicht-­ mediatisierten Präsenz kategorisch ausschließt.77 Amelia Jones wiederum betont, dass jedes Medium, gleich ob live oder nicht live, ein performatives Potenzial besitzen könne (im Sinne J. L. Austins).78 Die Kunsthistorikerin Mechtild Widrich erweitert diese Argumentation durch den Hinweis, dass auch fehlende Dokumentation, Gerüchte und mündliche Überlieferungen zum integralen Bestandteil performativer Kunst werden könnten.79 Ähnlich argumentiert die Kunsthistorikerin und Kuratorin Barbara Clausen, wenn sie das »Wechselverhältnis zwischen Ereignis, Medialisierung und Rezeption« betont.80 Alle diese Positionen beteiligen sich an den bereits genannten Diskussionen über das Re-Enactment und Fragen der Archivierung und Speicherung von Performance, die immer im Hintergrund mitlaufen, wenn es um das Ausstellen von Performance im Museum geht.81 Im Folgenden gelte die Annahme,

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S. Goldberg 1979. Zum Beispiel in: Jones, Amelia: Body Art. Performing the Subject. Minneapolis: U of Minnesota P 1998. Ein einschlägiger Sammelband zu dieser Frage ist: Janecke 2004. Phelan entwirft ihr Idealbild von Performance in dialektischer Abgrenzung zur Idee der Reproduktion. Ein neuerer Ansatz, der in der radikalen Präsenz von Performance ein politisches Potenzial sieht, ist: Lepecki, André: Singularities. Dance in the Age of Performance. New York: Routledge 2016. 77 Auslander argumentiert: »To put it bluntly, the general response of live performance to the oppression and economic superiority of mediatized forms has been to become as much like them as possible.« Auslander, Philip: Liveness. Performance in a Mediatized Culture. London: Routledge 1999, S. 7. Zur ›Dokumentationsfrage‹ s. auch: Giannachi, Gabriella/Westerman, Jonah (Hrsg.): Histories of Performance Documentation. Museum, Artistic, and Scholarly Practices. Abingdon, London, New York: Routledge 2018. 78 S. u. a.: Jones, Amelia: »Presence« in Absentia: Experiencing Performance as Documentation. In: Art Journal, 45. Jg. 1997, H. 4, S. 11–18; Jones, Amelia: The Now and the Has Been: Paradoxes of Live Art in History. In: Jones, Amelia/ Heathfield, Adrian (Hrsg.): Perform, Repeat, Record. Live Art in History. Bristol: Intellect 2012, S. 11–22. 79 Widrich, Mechtild: Can Photographs Make It So? Repeated Outbreaks of VALIE EXPORT’s Genital Panic Since 1969. In: Jones/Heathfield 2012, S. 89–104. 80 Clausen, Barbara (Hrsg.): After the Act. The (Re)Presentation of Performance Art. Nürnberg: Verlag für Moderne Kunst 2007, S. 8. 81 Schriften zur ›Re-Debatte‹ und zum Thema Performance und Archiv: Lütticken, Sven (Hrsg.): Life, Once More. Forms of Reenactment in Contemporary Art. Rotterdam: Witte de With 2005; Schneider, Rebecca: Performing Remains. Art and War in Times of Theatrical Reenactment. London, New York: Routledge 2011; Taylor, Diana: The Archive and the Repertoire. Performing Cultural Memory in the Americas. 2. Aufl. Durham: Duke U P 2005; Quaranta, Domenico (Hrsg.): Re: Akt! Reconstruction, Re-enactment, Re-reporting. Brescia: LINK 2014; Widrich, Mechtild: Is the »Re« in Re-enactment the »Re« in Re-performance? In: Dertnig, Carola/Thun-Hohenstein, Felicitas (Hrsg.): Performing the Sentence. Research and Teaching in Performative Fine Arts. Berlin: Sternberg 2014, S. 138–146; Baldacci, Cristina: Reenactment. Errant Images in Contemporary Art. In: Holzhey, Christoph F. E./Wedemeyer, Arnd (Hrsg.): Re-. An Er-

Performance und Museen

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dass sich Performance als Akt und Performance als Werk nicht grundsätzlich ausschließen, sondern lediglich unterschiedliche Perspektiven auf denselben Gegenstand sind. Historische Live-Performances in Museen, so wird dieses Buch zeigen, bewegen sich im skizzierten Diskurs in einer Grauzone: Sie fanden live statt, waren aber oft ›Repertoire-Performances‹ und deshalb nur bedingt singulär. Museale Performanceausstellungen mit längeren Laufzeiten sind hingegen auf Artefakte und Dokumentationsmaterialien angewiesen.82 Hier gibt es in den meisten Fällen nicht nur eine, sondern viele Präsentationsmöglichkeiten eines Performancewerks. Um dieses Spek­ trum berücksichtigen zu können, kommt im Folgenden ein flexibler Werkbegriff für Performance zur Anwendung, der sowohl lebendige als auch dokumentarische Formen einschließt. Dabei werden alle (Re-)Präsentationsmöglichkeiten eines Performancewerks als dessen Aggregatzustände aufgefasst.83 Kein Performanceaggregat kann dabei ein anderes vollständig ersetzen, beziehungsweise kann die jeweilige Wirkung, etwa als Live-Performance, Fotografie oder Video, sehr unterschiedlich sein. Dennoch können alle Aggregate für dasselbe Werk stehen und für die historische Forschung einen Zugang zu diesem Werk bieten. Der Kunststatus von Performanceaggregaten ist allerdings hochgradig kontextabhängig. Eine Performancefotografie kann im Rahmen einer Performanceausstellung oder als Teil einer Museumssammlung zum Performancekunstwerk werden, in einem anderen Kontext, zum Beispiel als Pressefoto oder abgelegt im Museumsarchiv, bleibt sie ein Dokument.84 Performance als kulturelles Phänomen Der Performancebegriff lässt sich schließlich auch über das Kunstfeld hinaus auf menschliche Verhaltens- und Kommunikationsformen ausweiten, auf Performance als kulturelles Phänomen. Entsprechende Ansätze finden sich in verschiedenen kulturwissenschaftlichen Disziplinen und ganz besonders in den performance studies. Marvin Carlsons Überblickswerk Performance. A Critical Introduction bietet eine Einführung in dieses Forschungsfeld für den US-amerikanischen Kontext.85 Carlson zeigt, wie eine gegenseitige Befruchtung von Theater- und Sozialwissenschaften in den 1960er- und 1970er-Jahren zur Herausbildung der performance studies als Diszi-

rant Glossary. Berlin: ICI Berlin 2019, S. 57–67; Borggreen, Gunhild/Gade, Rune/Roms, Heike (Hrsg.): Performing Archives – Archives of Performance. Kopenhagen: Museum Tusculanum 2014. 82 Ausnahmen bestätigen die Regel. Beispielsweise interpretierten die Endurance-Performances von Chris Burden oder Marina Abramovic´ oder auch die Ausstellungsserie ## Rooms, ab 2011, kuratiert von Klaus Biesenbach und Hans Ulrich Obrist, Performance als eine Art lebendige Skulptur. Vgl. S. 191, Anm. 231 u. 232. 83 Mein Dank gilt Claudia Hattendorff, die mich im Gespräch auf diesen Begriff brachte. 84 Sofern der*die Performer*in nicht selbst die Kamera bedient hat, gilt für fotografische Performanceaggregate die zusätzliche Komplizierung doppelter Autor*innenschaft. Eine Fotografie kann in einem entsprechenden Kontext dann auch ein fotografisches Kunstwerk sein. Es gab im Untersuchungszeitraum bereits einige Fotograf*innen, die sich auf Performancefotografie spezialisierten. Prominente Vertreter*innen in den USA sind Peter Moore, Babette Mangolte oder das Fotografenduo Harry Shunk und János Kender. 85 Carlson 2009.

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Einleitung

plin führte.86 Eine besondere Rolle kommt hier dem Soziologen Erving Goffman zu, der in seinem Werk The Presentation of Self in Everyday Life (1965) Metaphern des Theaters einsetzt, um zu beweisen, dass der Alltag aller Menschen von fortwährender Selbstinszenierung durchzogen ist.87 Goffmans Überlegungen übten einen enormen Einfluss auf die Generation der Performancekünstler*innen der 1970er-Jahre aus. Sie regten nicht nur zur Reflexion der Rolle von Künstler*innen in der Gesellschaft an, sondern gaben auch vielfach Anlass zur Schaffung performativer Kunstwerke. Einen zweiten wichtigen Strang repräsentiert der Anthropologe Victor Turner, dessen Aus­ einandersetzungen mit der sozialen Funktion des Rituals die Theater­ theorie der 1960er-Jahre, allen voran des Theatermachers und -theoretikers Richard Schechner, wesentlich prägten.88 Performancekunst im modernen Sinne wird hier aus Ritualen und Kulten hergeleitet. Dabei spielt das antike griechische Theater eine Schlüsselrolle, fielen doch bereits hier soziale und künstlerische Performance zusammen. Jon McKenzie unternahm im 21. Jahrhundert den Versuch einer neuen, universellen Performancetheorie, für die er neben Kunst und Kultur auch (Wirtschafts-)Organisationen und Technologie in den Blick nimmt.89 Er argumentiert, dass der Imperativ ›guter‹ beziehungsweise effizienter Performance heute alle Arbeits- und Lebensbereiche erfasst habe und betrachtet dies als vorläufigen Gipfel eines Steigerungs­ prozesses, dessen Beginn er in den 1960er-Jahren ansetzt. Damit ist die entscheidende Grundlage für das Konzept ›permanenter Performance‹ gelegt, das Goffmans Alltagsperformance vor dem Hintergrund eines erstarkenden neoliberalen Wirtschaftssystems um Fragen nach dem effizienzsteigernden Potenzial von Performance erweitert und zugleich, vor dem Hintergrund des digitalen Zeitalters, auf einen zunehmenden Performancezwang verweist, den die sogenannten sozialen Medien auf ihre Pro­ duzent*innen und Konsument*innen ausüben.90 Wie Sven Lütticken herausarbeitet, spiegelt sich das Phänomen permanenter Performance in einer zunehmenden Verschmelzung von Lebens- und Arbeitswelt und dem Abschöpfen kreativen Kapitals durch immaterielle Arbeit.91 Die Vorstellung einer übergreifenden ›Performancekultur‹, die in den 1970er-Jahren einen wesentlichen Aufschwung erlebte und bis heute anhält, ist für die vorliegende Publikation leitend. Sie wird insbesondere dann wichtig, wenn es darum geht, Performance on Display aus der Makroperspektive als historisches Phänomen zu

86 Carlson, 2009, s. 11 ff. 87 Goffman, Erving: The Presentation of Self in Everyday Life [1956]. Nachdr. New York: Doubleday 1990. 88 S. u. a. Turner, Victor: The Anthropology of Performance. New York: PAJ Publications 1988; Turner, Victor: From Ritual to Theatre. The Human Seriousness of Play [1982]. 6. Aufl. New York: PAJ Publications 2008; Schechner, Richard (Hrsg.): The Future of Ritual. Writings on Culture and Performance. London: Routledge 2004. 89 McKenzie, Jon: Perform or Else. From Discipline to Performance. London, New York: Routledge 2001. 90 Zur ›permanenten Performance‹ und dem Zusammenhang von Performance und Sozialen Medien s. Lesage, Dieter: Permanent Performance. In: Performance Research, 17. Jg. 2012, H. 6, S. 14–21. 91 Zum Zusammenfallen von Arbeit und Freizeit s. Lütticken, Sven: General Performance. In: e-flux Journal 2012, H. 31. Online-Publikation. https://web.archive.org/web/20201115203535/https://www.e-flux.com/journal/31/68212/general-performance/ (Zugriff: 15.11.2020).

Performance und Museen

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fassen. Dabei ist die These, dass Performance als Kunst und Performance als kulturelles Phänomen, sowohl in den 1970er-Jahren als auch heute, in einem direkten Zusammenhang stehen. Die Institution Museum und Hinweise zur Ausstellungsforschung Der Museumsbegriff wird in dieser Publikation ebenfalls mit unterschiedlichen Konnotationen verwendet. Dazu gehören im Wesentlichen das Museum als Institution und als Ort sowie als Instanz und als Metapher. Auch hier gilt, dass sich die jeweilige Bedeutung aus dem Kontext ergeben wird und mitunter ein Oszillieren der Bedeutungsebenen beabsichtigt ist. Das Museum als Institution und als Ort Wenn nicht anders angegeben, bezieht sich der Begriff ›Museum‹ im Folgenden auf Kunstmuseen. Eine allgemeine Museumsdefinition gibt der internationale Museumsrat ICOM: A museum is a non-profit, permanent institution in the service of society and its development, open to the public, which acquires, conserves, researches, communicates and exhibits the tangible and intangible heritage of humanity and its environment for the purposes of education, study and enjoyment.92 Museen sind also gemeinnützige Institutionen, die kulturelles Erbe identifizieren, sammeln, bewahren, erschließen, zeigen und vermitteln. Sie haben meist einen permanenten, architektonisch gefassten Standort und weisen eine arbeitsteilige und hierarchische Personalstruktur auf. In seiner Gesamtheit als Institution kann ein Museum als handelnder Akteur erscheinen, der auf Impulse der Kunst, der Politik, der Wirtschaft oder der Gesellschaft reagiert. Dabei gilt es zu berücksichtigen, dass hinter den Aktivitäten eines Museums immer eine Vielzahl individueller Akteur*innen mit oft divergierenden Ansichten und Zielen stehen. Museen lassen sich deshalb sowohl aus einer institutionellen als auch aus einer individuellen Perspektive betrachten. Anhaltspunkte für beide Perspektiven geben die Erkenntnisse des New Insti­ tution­alism und der Kunstsoziologie.93 Bei genauerer Betrachtung zersplittert der Museumsbegriff in zahllose Sonder­ formen. Dem Museumsforscher Joachim Baur ist deshalb zuzustimmen, wenn er  feststellt: »Das Museum gibt es nicht, es gibt nur Museen.«94 Wenn, wie hier, das Aus92 International Council of Museums: ICOM Code of Ethics for Museums 2017. Online-Publikation: https://web.archive. org/web/20201030103159/https://icom.museum/wp-content/uploads/2018/07/ICOM-code-En-web.pdf (Zugriff: 30.10.2020). 93 Zwei für dieses Buch wichtige Positionen sind hier: DiMaggio, Paul/Powell, Walter W. (Hrsg.): The New Institutional­ ism in Organizational Analysis, Chicago: U of Chicago P 2008. Becker, Howard S.: Art Worlds. Berkeley, London: U of California P 1982. 94 Baur, Joachim: Was ist ein Museum? Vier Umkreisungen eines widerspenstigen Gegenstands. In: Ders. (Hrsg.): Museumsanalyse. Methoden und Konturen eines neuen Forschungsfeldes. Bielefeld: transcript 2010, S. 15–48, hier S. 16. Hervorhebung im Original. Baurs vier Umkreisungen sind: »phänomenologisch, etymologisch, historiographisch und definitorisch«. Ebd., S. 15.

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stellen im Vordergrund steht, rücken auch verwandte Institutionen, zum Beispiel Biennalen oder Kunsthallen in die Nähe eines Museums, selbst wenn sie keine Sammlungen besitzen.95 An einigen Stellen, nämlich dann, wenn es um das Museum als Legitimierungsinstanz im Kunstfeld geht, wird es notwendig sein, den Museumsbegriff in diesem Sinne zu erweitern. Es wird dann von ›musealen Institutionen‹ die Rede sein, die sich auf einem Spektrum verorten lassen, das von alternativen Kunsträumen bis zu mächtigen Museumsinstitutionen reicht. Der Begriff ›museal‹ ist dann ein steigerbarer Indikator für den ›Grad der Museumsförmigkeit‹ einer Insti­ tution. Zugunsten der Klarheit werden in den Fallstudien der ersten drei Kapitel jedoch zunächst nur Museen berücksichtigt, die einer klassischen Museumsdefini­ tion entsprechen. Die Wurzeln des modernen Kunstmuseums liegen im Europa des 18. Jahrhunderts und seiner schrittweisen Verbürgerlichung im Rahmen einsetzender Demokratisierungsprozesse. Ein besonderer Meilenstein war hier die Französische Revolution, in deren Kontext der Louvre, bis dahin eine nicht-öffentliche königliche Sammlung, 1793 in ein öffentlich zugängliches Museum umgewandelt wurde.96 Nach diesem Vorbild wurden im Laufe des 19. Jahrhunderts vielerorts herrschaftliche und kleri­ kale Kunstsammlungen in Nationalmuseen überführt.97 Diese ›Universalmuseen‹ sammelten und präsentierten in der Regel keine aktuelle, sondern alte Kunst in sta­ tischen Ausstellungen. Sie waren einem humanistisch-klassizistischen Bildungs­ anspruch und Geschichtsverständnis verpflichtet und dienten der Festigung natio­ naler Identität und (neo-)humanistischer Wertvorstellungen.98 Die Geschichte der US-amerikanischen Museen beginnt nach dem Amerikanischen Bürgerkrieg, also in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.99 Anders als in Europa gab es hier zunächst keine Nationaltradition und keine herrschaftlichen Sammlungen, auf die zurückgegriffen werden konnte. In dem liberal-demokratischen 95 Ein prägnantes Beispiel ist die documenta. Diese Großausstellung weist die hybride Organisationsstruktur eines Festivals auf, hat aber einen festen Sitz und bespielt regelmäßig Institutionen, wie das Fridericianum und die Neue Galerie in Kassel. Sie besitzt zudem eine mit großen Museen vergleichbare Legitimierungs- und Setzungsmacht. Die verbliebenen Kunstwerke im öffentlichen Raum und das umfangreiche documenta archiv lassen sich zudem als eine Art Sammlung fassen. 96 Der ›Ursprung‹ des Museums ist selbstverständlich älter. Anke te Heesen verweist auf Institutionen wie die Platonische Akademie oder die Bibliothek von Alexandria als exklusive Treffpunkte für Gelehrte und auf die Geschichte der Privatsammlung ab der Renaissance. Te Heesen, Anke: Theorien des Museums zur Einführung. 2. unveränd. Aufl. Hamburg: Junius 2013, S. 31. 97 1838 eröffnete die National Gallery in London, 1876 die Nationalgalerie in Berlin. Das Kunsthistorischen Museum Wien eröffnete 1891. 98 Michel Foucault hatte wahrscheinlich solche Institutionen vor Augen, wenn er vom Museum als »Heterotopie« sprach, die akkumuliert und »Zeit stapelt«. Foucault, Michel: Die Heterotopien. In: Ders.: Die Heterotopien [1966]. Der utopische Körper [1966]. Zwei Radiovorträge. Zweispr. Ausg. Berlin: Suhrkamp 2013, S. 7–22, hier S. 6. 99 Zu US-amerikanischen Kunstmuseen: Tonelli, Edith A.: The Art Museum. In: Kemp, Louis W./Shapiro, Michael S. (Hrsg.): The Museum. A Reference Guide. New York: Greenwood 1990, S. 31–58; Alexander, Edward P./Alexander, Mary: Museums in Motion. An Introduction to the History and Functions of Museums. 2. Aufl. Lanham: AltaMira 2008, darin das Kapitel: The Art Museum, S. 23 ff; Wallach, Alan: A Very Brief History of the Art Museum in the United States (Focusing Mainly but Not Exclusively on the Nineteenth Century). In: Murawska-Muthesius, Katarzyna/Piotrowski, Piotr (Hrsg.): From Museum Critique to the Critical Museum. London: Taylor and Francis 2016, S. 15–36; Meyer, Karl E.: The Art Museum. Power, Money, Ethics. New York: Morrow and Comp 1979.

Performance und Museen

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und frühkapitalistischen Staatssystem entwickelten sich stattdessen private Museen, die von wohlhabenden Mäzen*innen gegründet und finanziert wurden. Diese trugen repräsentative Sammlungen (zunächst vor allem älterer, europäischer Kunst) zusammen und errichteten monumentale Museumsbauten nach europäischem Vorbild, darunter das Eingangs erwähnte Art Institute of Chicago.100 Dabei stand zunächst nicht, wie in Europa, die Festigung nationaler Identität im Vordergrund.101 Vielmehr lag der Antrieb für diese besondere Ausprägung der Philanthropie in der Demonstration von ›Kultiviertheit‹ und staatsbürgerlichem Engagement im Namen von Bildung und Demokratie.102 Wie ihre europäischen Pendants durchliefen die US-amerikanischen Museen ab dem ausgehenden 19. Jahrhundert einen Prozess der Professionalisierung und Verwissenschaftlichung.103 Gleichzeitig kündigte sich ein Paradigmenwechsel in der Museumsgeschichte an: eine sukzessive Hinwendung zur Gegenwart begann. Diese Tendenz lässt sich an zwei zentralen Umbrüchen in der Museumsgeschichte fest­ machen. Der erste ist die Etablierung von Wechselausstellungen im Aufgabenport­ folio von Museen, die etwa um 1900 anzusetzen ist.104 Damit konnten Museen unabhängig von ihren (historischen) Sammlungsbeständen auch aktuelle Kunst zeigen. Ihre Programmgestaltung wurde zunehmend dynamisch.105 Dies war die Grundlage, 100 Das Wadsworth Atheneum in Hartford, das bereits 1842 eröffnete, war hier eine Ausnahme. Das Art Institute of Chicago geht auf eine Gründung des Jahres 1866 zurück und eröffnete 1893 am heutigen Standort; das Metropolitan Museum, New York, wurde 1870 gegründet (Eröffnung des Museums am heutigen Standort: 1880) und das Museum of Fine Arts in Boston eröffnete 1876. Alan Wallach schlägt eine Vierteilung der US-amerikanischen Museumsgeschichte vor: Bis nach dem Bürgerkrieg 1860 habe es keine nennenswerten Kunstmuseen gegeben. Ab 1860 bis ins frühe 20. Jahrhundert folgten dann die monumentalen städtischen Kunstmuseen. Ab 1900 bis 1960 begann eine Expansionsphase. Ab den 1960er-Jahren spricht Wallach von der »Blockbusterphase«, in der sich ein neues Museumspublikum heraus­ bildete sowie corporate sponsoring zunehmend wichtig wurde. Wallach 2016, S. 18. 101 Ein nationales Kunstmuseum gibt es mit der National Gallery of Art in Washington D.C. erst seit 1941. Über frühe Museen in den USA: Curran, Kathleen: The Invention of the American Art Museum. From Craft to Kulturgeschichte, 1870–1930. Los Angeles: Getty Research Institute 2016. 102 S. Einreinhofer, Nancy: The American Art Museum. Elitism and Democracy. London 1997, darin insbesondere das Kapitel: The American Art Museum: A Symbol of Democracy, S. 18 ff. Einreinhofer konzentriert sich vor allem auf das MoMA und die Rockefeller-Familie. Tony Bennett bemerkt zu Recht, dass Museen immer auch zur Machtdemonstra­ tion dienten: »Museums were also typically located at the centre of cities where they stood as embodiments, both material and symbolic, of a power to ›show and tell‹ which, in being deployed in a newly constituted open and public space, sought rhetorically to incorporate the people within the processes of the state.« Bennett, Tony: The Exhibitionary Complex. In: New Formations, 1988, H. 4, Frühjahr, S. 73–102, hier S. 99. 103 Diese spiegelte sich zum Beispiel in der zunehmenden Spezialisierung des Museumspersonals und in neuen Formen der Katalogisierung und Sortierung, zum Beispiel in der Trennung von Depot und Sammlung. Vgl. Te Heesen 2013, S. 64. 104 Die Geschichte der Kunstausstellung führt selbstverständlich viel weiter zurück. Eine Vorgeschichte der modernen Kunstausstellung in: Koch, Georg F.: Die Kunstausstellung. Ihre Geschichte von den Anfängen bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts. Berlin: de Gruyter 1967. Anke Te Heesen argumentiert unter Bezugnahme auf Tony Bennett, dass die Etablierung von Wechselausstellungen in Museen in einem Zusammenhang mit den seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts florierenden Weltausstellungen zu sehen sei. Te Heesen 2013, S. 73 ff. Die Geschichte der musealen Wechselausstellung ließe sich aber auch weiter zurückverfolgen, etwa zum Pariser Salon. Einschlägig zur Geschichte der modernen Kunstausstellung: Bätschmann, Oskar: Ausstellungskünstler. Kult und Karriere im modernen Kunst­system. Köln: DuMont 1997, hier das Kapitel: Die Ausstellung als Medium der Kunstpräsentation, S. 12 ff. 105 Der Kunsthistoriker Peter Schneemann spricht von einem regelrechten Ausstellungs-»Overkill«, der Museen heute erfasst habe. »In der Ökonomie der Aufmerksamkeit« habe »das ephemere Ereignis den Wettbewerb gegen den Tempel der Zeitlosigkeit, dem bewahrenden Museum, für sich entschieden.« Schneemann, Peter J.: Wenn Kunst stattfindet! Über die Ausstellung als Ort und Ereignis der Kunst. In: Kunstforum International, Bd. 186. 2007, S. 64–81, hier S. 65.

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Einleitung

so eine These der vorliegenden Publikation, für die spätere Verlebendigung oder ›Eventisierung‹ des Museums, in deren Zusammenhang Performance on Display zu betrachten ist.106 Der zweite Umbruch war eine regelrechten Gründungswelle für Museen zeitgenös­sischer Kunst in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Allein in New York wurden 1929 das MoMA, 1931 das Whitney Museum und 1937 die Guggenheim Foundation gegründet, aus der später die Guggenheim Museen hervorgingen.107 Ebenfalls in den 1930er-Jahren wurden in den Vereinigten Staaten vielerorts sogenannte Art Center ins Leben gerufen, die sich der Präsentation aktueller Kunst und ihrer Vermittlung an die breite Bevölkerung verpflichteten.108 Museen in den USA definierten sich nun zunehmend als Spiegel einer freien und demokratischen Gesellschaft und betonten ihre Relevanz für die Gegenwart.109 Damit erhielten Museen neue soziale und pädagogische Aufgaben und wurden, wie unter anderem die Kunsthistorikerinnen Charlotte Klonk und Dorothea von Hantelmann betonen, zu Erfahrungsgestalter*innen.110 Auch hier lässt sich ein direkter Zusammenhang zum Phänomen Performance on Display herstellen. Anhand dieser knappen Geschichte des Kunstmuseums wird deutlich, dass Museen keine statischen Gebilde, sondern sich wandelnde, dynamische Institutionen sind. Diese Beobachtung schlägt sich auch in der nur vermeintlich verlässlichen Defini­ tion des ICOM nieder, die ihrerseits nicht statisch ist, sondern in regelmäßigen Abständen erneuert wird.111 Das Museum als Instanz und als Metapher Wenn in den folgenden Kapiteln ein pragmatischer Museumsbegriff im Sinne des Museums als Institution und als Ort überwiegt, soll damit nicht impliziert sein, Museen seien neutrale Ort. Das Gegenteil ist der Fall. Darum gilt es an dieser Stelle einige der wiederkehrenden Kritikpunkte zu benennen, die Auseinandersetzungen mit Museen immer begleiten – und begleiten sollten – und die für das Verständnis künstlerischer Museumskritik wichtig sind. 106 Vgl. Hitzler, Ronald: Eventisierung. Drei Fallstudien zum marketingstrategischen Massenspaß. Wiesbaden: Springer 2011. Rosalind Krauss bezeichnet das Erlebnisorientierte Museum der 1980er-Jahre abwertend als »Disneyland«. Krauss, Rosalind E.: The Cultural Logic of the Late Capitalist Museum. In: October, 54. Jg. 1990, Herbst, S. 3–17, hier S. 17. Im Gegensatz dazu sei ›Eventisierung‹ in der vorliegenden Publikation ausdrücklich nicht negativ konnotiert. 107 An der Westküste eröffnete 1935 das San Francisco Museum of Modern Art (SFMOMA), wobei das ›Modern‹ im Namen des Museums erst 1976 hinzugefügt wurde. 108 Vgl. White, John F. (Hrsg.): Art in Action. American Art Centers and the New Deal. Metuchen: Scarecrow 1987. 109 Die Stärkung eines Gegenwartsbezugs und das Verständnis des Museums als Ort der Veranschaulichung komplexer Gegenwartsphänomene galt in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts für (westliche) Museen generell. Te Heesen schreibt dazu: »Der zukünftige Betrachter sollte sich Wahrnehmungsformen aneignen, bei denen nicht die Kenntnis der Vergangenheit die notwendige Orientierung bot, sondern die adäquate Teilhabe an der Gegenwart.« Te Heesen 2013, S. 124. 110 Klonk, Charlotte: Spaces of Experience. Art Gallery Interiors from 1800–2000. New Haven, London: Yale U P 2009, passim. »Die Ausstellung […] wird immer mehr zu einem Ort, an dem es um die Erfahrung eines Verhältnisses zu sich selbst und zu anderen geht.« Hantelmann, Dorothea v./Meister, Carolin: Einleitung. In: Dies. (Hrsg.): Die Ausstellung. Politik eines Rituals. Zürich: Diaphanes 2010, S. 7–18, hier S. 17. 111 Vor 2007 war dort noch nicht von »immateriellem Kulturerbe« die Rede. Derzeit befindet sich die Definition erneut in Überarbeitung und ist Gegenstand hitziger Debatten (Stand: Sommer 2021).

Performance und Museen

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Aus einer Makro- oder Systemperspektive ist das Museum eine Instanz im Kunstsystem112 sowie im Gesellschafts- und Staatsgefüge. Seine Setzungsmacht im Kunstfeld (zum Beispiel im Sinne einer Bestenauslese) und seine gesellschaftlichen und politischen Funktionen (zum Beispiel Repräsentation, Bildung und Erziehung) machen es zu einer vielschichtig aufgeladenen und umkämpften »Arena«.113 Da das Museum, neben Kunstgalerien, zu den wichtigsten »Orte[n] der Kunst«114 gehört, wurde es bisweilen – das gilt vor allem für Vertreter*innen der (historischen) Insti­ tutionskritik –, zum Repräsentant der gesamten ›Institution Kunst‹ stilisiert. Analog zu Marcel Duchamps Readymade-Konzept, nach dem ein Objekt zur Kunst werden kann, wenn ein*e Künstler*in es dazu erklärt, bestimmt das Museum durch seine Sammlungs- und Ausstellungspolitik was Kunst ist und was nicht.115 Das Museum als Instanz kann damit stellvertretend für die ästhetische Grenze zwischen Kunst und Leben stehen. An diese Vorstellung knüpft die in der Museumskritik wiederkehrende Metapher des Museums als Mausoleum an. Der Philosoph Boris Groys schreibt dazu: Alle Museen […] sind Friedhöfe der Dinge: Was dort gesammelt wird, ist seiner Lebensfunktion beraubt, also tot. Das Leben des Kunstwerks beginnt dagegen erst im Museum: Es ist von Anfang an ein Leben nach dem Tode.116 Performance, die im Museum stattfindet, scheint wegen ihrer intrinsischen Lebendigkeit die ›Friedhofsmauern‹ des Museums zu durchbrechen und so den Gegensatz von Kunst und Leben aufzuheben beziehungsweise die Kunst zurück ins Leben zu führen. Die vorliegende Publikation verortet Performance nichtsdestotrotz weiterhin im Feld der Kunst und argumentiert, dass die Grenze zwischen Kunst und Leben hier möglicherweise verschoben, nicht aber aufgelöst wird. Das Museum als Instanz ist auch ein Geschichts- und Wissensspeicher im Namen der Bildung. Damit verkörpert es einerseits demokratisch-humanistische Werte, andererseits beansprucht es eine besondere Machtposition. Als Ort, der Geschichte akkumuliert und schreibt, ist das Museum im wörtlichen wie im übertragenen (oder:

112 In dieser Publikation werden die Begriffe ›Kunstfeld‹ und ›Kunstsystem‹ alterierend verwendet. Analog zu den Kontexten, aus denen die Begriffe stammen (Pierre Bourdieus Feldtheorie und Niklas Luhmans Systemtheorie), stehen im ersten Fall Akteure und Netzwerke im Vordergrund, im zweiten Fall die Rahmenbedingungen sich selbst erhaltender Systeme. Zum Kunstfeld s. Bourdieu, Pierre: Die Regeln der Kunst – Genese und Struktur des literarischen Feldes [1. Franz. Ausg. 1992]. Frankfurt/M: Suhrkamp 2001. Zum Kunstsystem s. Luhmann, Niklas: Die Kunst der Gesellschaft. Nachdr. der 1. Aufl. Frankfurt/M: Suhrkamp 2007; Eine aktuelle Perspektive ist: Fleck, Robert: Das Kunstsystem im 21. Jahrhundert. Museen, Künstler, Sammler, Galerien. Wien: Passagen 2013. 113 So der Titel eines Kompendiums zum Thema. Kravagna, Christian (Hrsg.): Das Museum als Arena. Institutionskritische Texte von KünstlerInnen. Köln: König 2001. 114 Boris Groys definiert »Orte der Kunst« schlicht als öffentliche Orte, die der Kunst gewidmet sind. Groys, Boris: Topologie der Kunst. München: Hanser 2003, S. 23. 115 S. dazu: Groys, Boris: Logik der Sammlung. Am Ende des musealen Zeitalters. München: Hanser 1997, S. 10. 116 Ebd., S. 9.

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Einleitung

Foucault’schen) Sinne ein Archiv.117 Das Museum wirkt kanonbildend, indem es selektiert und kulturelles Erbe legitimiert. Dabei trifft es fortwährend Ein- und Ausschlussentscheidungen. Kriterien wie ›Qualität‹ oder ›Relevanz‹, die die musealen Ein- und Ausschlüsse in der Regel legitimieren, sind dabei nie objektiv, sondern immer historisch und politisch bedingt. Zugleich bedarf es einer besonderen Macht oder Autorität, sei es intellektuell, politisch oder ökonomisch, um solche Kriterien setzen zu können beziehungsweise wirksam werden zu lassen. Deshalb wird das Museum bisweilen auch mit ›dem Staat‹ und/oder (wirtschaftlichen) Eliten gleich­ gesetzt.118 Die kritische Museumstheorie schreibt dem Museum die Funktion einer »hegemonialen Disziplinaranstalt« zu.119 Ein- und Ausschlüsse des Museums betreffen nämlich nicht nur Künstler*innen und ihre Kunst, sondern auch seine Mitarbei­ ter*innen, sein Publikum und, in einem sehr viel weiteren Sinne, ganze Klassen und Kulturen. So beschreibt etwa Pierre Bourdieu, aus der soziologischen Perspektive und auf das Museumspublikum fokussiert, das Museum als einen gesellschaftlichen Selektions- und Segregationsmechanismus.120 Den Aspekt kultureller Ausgrenzung nimmt die postkoloniale Museumsforschung in den Blick, die auch dafür sensibi­ lisiert, dass das gesamte Konzept Museum letztlich auf westlichen Vorstellungen von Kultur, Kunst und Geschichte aufbaut.121 Vor dem Hintergrund dieser vielfältigen Konnotationen und Aushandlungsprozesse lässt sich das Museum, einschließlich der dort gezeigten Kunst, als Spiegel einer Gesellschaft beschreiben, der nicht nur ästhetische Präferenzen, sondern auch komplexe Machtgefüge und sozioökonomische Entwicklungen reflektiert.122 In Bezug auf das künstlerische Feld wird nachvollziehbar, dass Museen sowohl Sehnsuchtsorte (sie versprechen Sichtbarkeit, Anerkennung und die Aufnahme in den Kanon) als auch Orte der Ab- und Ausgrenzung sein können. Letzteres insbesondere

117 Zu Foucaults Archivbegriff s. Ernst, Wolfgang: Das Rumoren der Archive. Ordnung als Unordnung. Berlin: Merve 2002, darin das Kapitel: Ein neuer Archivar: Foucault, S. 15 ff. Paul Valéry vergleicht das Museum als Geschichte akkumulierenden Ort mit einer »Spielbank […] die bei jedem Umlauf gewinnt«, denn es übe »eine nicht abreißende Anziehungskraft auf alles aus, was Menschen tun.« Valéry, Paul: Das Problem der Museen [Erstm. auf Franz. 1923]. In: Valéry, Paul (Hrsg.): Über Kunst. Essays. Frankfurt/M: Suhrkamp 1973, S. 52–58, hier S. 65. 118 So etwa bei: Bennett, Tony: The Birth of the Museum. History, Theory, Politics [1995]. Nachdr. London: Routledge 2009. 119 Döring, Daniela/John, Jennifer: Einleitung. Museale Re-Visionen: Ansätze eines reflexiven Museums. In: FKW // Zeitschrift für Geschlechterforschung und visuelle Kultur, 2015, H. 58, April, S. 5 –27, hier S. 12. 120 Bourdieu spricht von kulturellem Kapital. Bourdieu, Pierre: The Aristocracy of Culture [1984]. In: Knell, Simon J. (Hrsg.): Museums in the Material World. London: Routledge 2007, S. 191–200, hier S. 194. S. auch: Bourdieu, Pierre/ Darbel, Alain et al.: Die Liebe zur Kunst. Europäische Kunstmuseen und ihre Besucher [1. franz. Ausg. 1966]. Kon­ stanz: UVK 2006. 121 Die kolonialen Verstrickungen von Museen, insbesondere wenn sie historische Sammlungen besitzen, potenzieren diese Problematik. Eine Einführung in das Thema bietet: Karentzos, Alexandra: Postkoloniale Kunstgeschichte. Revisionen von Musealisierung, Kanonisierung, Repräsentation. In: Reuter, Julia/Karentzos, Alexandra (Hrsg.): Schlüsselwerke der Postcolonial Studies. Wiesbaden: Springer 2012, S. 249–266. 122 Damit sei ausdrücklich nicht impliziert, Museen repräsentierten eine Gesellschaft. Die Idee vom Museum als Spiegel der Gesellschaft findet sich bereits bei Georges Bataille, der das Museum zugleich als einen Ort der Selbstbespiegelung fasst. Bataille, Georges/Michelson Annette: Museum. In: October, 36. Jg. 1986, Frühjahr, S. 24–25.

Performance und Museen

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dann, wenn eine Aufnahme ins Museum verwehrt/erschwert wird oder wenn die institutionellen Rahmenbedingungen die künstlerische Freiheit gefühlt oder tatsächlich beschneiden. Zu den wiederkehrenden Forderungen von Künstler*innen an Museen gehören deshalb mehr Transparenz und demokratischere Strukturen. Wenn im Folgenden von einer ›Demokratisierung‹ des Museums die Rede sein wird, ist die Ebene des Museums als Instanz, nicht als Ort, gemeint.123 ›Demokratisierung‹ bedeutet dann die Dekonstruktion und Transparenz von Machtstrukturen und die Öffnung und Zugänglichmachung des Museums für ein breiteres Spektrum an Ausdrucks­ formen und Lebensentwürfen und nicht die vollständige Aufgabe hierarchischer Organisationsstrukturen. Zur Ausstellungsforschung Mit dem Fokus auf das Zeigen von Performance im Museum knüpft die vorliegende Publikation an das noch relativ junge Feld der Ausstellungsforschung an, die sich der Rekonstruktion historischer Ausstellungen und der Analyse ihrer Präsentationsweisen widmet.124 Als einer ihrer Begründer kann der Kunsthistoriker Bruce Alts­huler gelten, der seit 1998 einige einschlägige Überblickswerke und Quellensammlungen zu besonderen Meilensteinen der Ausstellungsgeschichte veröffentlicht hat.125 Mary Anne Staniszewski befasste sich, ebenfalls 1998, kritisch mit der Entwicklung der Ausstellungsgestaltung am Beispiel des MoMA.126 Die Kunsthistorikerin Char­ lotte Klonk erweiterte diese Perspektive 2009 durch ihre Studie Spaces of Experience. Art Gallery Interiors from 1800–2000, in der sie die Entwicklungsgeschichte von Museumsräumen (mit einem Fokus auf den white cube) nachzeichnet und aufschlussreiche Parallelen zur Laden- und Kaufhausarchitektur zieht.127 Seit 2010 erscheint die Publikationsreihe Exhibition Histories, die sich in Form kuratierter Aufsatzsammlungen mit Meilensteinen der Ausstellungsgeschichte befasst.128 In diesen Kontext möchte sich die vorliegende Untersuchung als eine Auseinandersetzung mit Performanceausstellungen einreihen. Eine durchgehende Forderung der genannten Ansätze ist, dass sich kunsthistorische Forschung neben der Untersuchung von Kunstgegenständen auch verstärkt 123 Auch solche Ansätze gibt es, zum Beispiel im New Yorker New Museum. Vgl. S. 273, Anm. 232. 124 Verwandt ist die ebenfalls noch junge Disziplin der Curatorial Studies, die vor allem zum theoretischen, weniger zum historischen Diskurs beiträgt. S. z. B. Bismarck, Beatrice v. (Hrsg.): Timing. On the Temporal Dimension of Exhibiting. Berlin: Sternberg 2014; Bismarck, Beatrice v./Schafaff, Jörn/Weski, Thomas (Hrsg.): Cultures of the Curatorial. Berlin: Sternberg 2012. 125 Darunter: Altshuler, Bruce (Hrsg.): Salon to Biennial. Exhibitions that Made Art History. Vol. 1: 1863–1959. London: Phaidon 2008; Altshuler, Bruce (Hrsg.): Biennials and Beyond. Exhibitions that Made Art History. Vol. 2: 1962–2002. London: Phaidon 2013; Altshuler, Bruce (Hrsg.): The Avant-Garde in Exhibition. New Art in the 20th Century. Berkeley: U of California P 1998. 126 Staniszewski, Mary A.: The Power of Display. A History of Exhibition Installations at the Museum of Modern Art. Cambridge: MIT 1998. 127 Klonk 2009. Zwei Kompendien zur Museumstheorie sind: Greenberg, Reesa (Hrsg.): Thinking About Exhibitions. Nachdr. London: Routledge 2010; Steeds, Lucy: Exhibition. (Documents of Contemporary Art) Cambridge: MIT 2014. 128 Die Reihe ist eine Kooperation des Verlags Afterall Books mit der Akademie der Bildenden Künste Wien und dem Van Abbemuseum, Eindhoven. S. Publikation in nachfolgender Anm.

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ihren Präsentationskontexten zuwenden sollte.129 Dies ermögliche, so etwa Staniszewksi, kulturelle Phänomene in ihrem zeitlichen und lokalen Kontext zu verorten.130 Ähnliches gilt für die Untersuchung musealer Programmgestaltung als einer hochpolitischen Praxis, die über die Auswahl dessen, was (und was nicht) und wie (und wie nicht) etwas gezeigt wird, immer die Wertvorstellungen ihrer Zeit reflektiert.131 Im Umkehrschluss gilt, dass sich über die Auseinandersetzung mit Ausstellungskontexten etwas über die ausgestellte Kunst erfahren lässt. Denn, wie es im Vorwort einer der Exhibition Histories-Publikationen heißt, »[e]very decision about the selection and installation of work, the choice and use of the venue, the marketing strategy and the accompanying printed matter informs our understanding of the art on display.«132 Eine Untersuchung von Museumsperformances der 1970er-Jahre verspricht deshalb Erkenntnisse über die Kunst selbst, über die Ausstellungspolitik und über wichtige gesellschaftliche und politische Fragen der Zeit.

Perspektive, Argumentationsebenen und Thesen Ein auffälliges Merkmal der bisherigen historischen Performanceforschung ist, neben dem bereits erwähnten Fokus auf Einzelwerke und -positionen, dass sie aus einer – mehr oder weniger expliziten – künstlerischen Perspektive argumentiert. Der wahrscheinlichste Grund dafür sind die verwendeten Quellen, bei denen es sich meist um Schriften, Archivalien und Erinnerungen von Künstler*innen handelt.133 Die Betrachtung von Performance durch die Linse des Museums, beziehungsweise anhand von Materialien aus Museumsarchiven, bedeutet dagegen, einen distanzierteren, eher kunsthistorisch-kuratorischen Blick einzunehmen.134 Dieser Perspektivwechsel geht mitunter auf Kosten der Beschäftigung mit Werkinhalten und künstlerischen Inten­ tionen und will deshalb ausdrücklich als perspektivische Ergänzung, nicht als Alternative zum bestehenden Diskurs verstanden sein.

129 »The history of modern art has conventionally focused on artistic production, emphasising [sic] the individual artist in the studio and the influences on his or her practice.« Rattemeyer, Christian/Beeren, Wim (Hrsg.): Exhibiting the New Art. ›Op Losse Schroeven‹ and ›When Attitudes Become Form‹ 1969. Köln: König 2010, Vorwort, O. S. »However much art historians may foreground the historical context of an image or object, the subject of analysis, in most in­ stances, remains the discrete work of art; and there is an implicit acceptance of its autonomy.« Staniszewski 1998, S. xxi. 130 Staniszewski spricht von einem »time-and-site-bound character of all aspects of culture«. Ebd. 131 Vgl. Bätschmann 1997, hier das Unterkapitel: Politik durch Ausstellung, S. 203 ff. 132 Rattemeyer/Beeren 2010, Vorwort, O. S. 133 Einige einschlägige Quellensammlungen sind: Battcock, Gregory (Hrsg.): The Art of Performance. A Critical Anthology. New York: Dutton 1984; Bronson, AA (Hrsg.): Performance by Artists. Toronto: Art Metropole 1979; Dupuy, Jean (Hrsg.): Collective Consciousness. Art Performances in the Seventies. New York: PAJ Publications 1980; Loeffler, Carl E./Tong, Darlene (Hrsg.): Performance Anthology. Source Book for a Decade of California Performance Art. San Francisco: Contemporary Arts 1980; Newman, Amy (Hrsg.): Challenging Art. Artforum 1962–1974. New York: Soho 2000 und Stiles/Selz 2012, darin die Sektion zu Performance, S. 798 ff. 134 Dieser Blickwinkel ist nicht zuletzt meiner persönlichen Erfahrung in der Museumsarbeit geschuldet.

Perspektive, Argumentationsebenen und Thesen

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Um das Phänomen Performance on Display in seiner Vielschichtigkeit zu erfassen, bewegt sich die Argumentation auf drei Ebenen, zu denen alle Kapitel in unterschiedlicher Intensität beitragen. Auf der ersten Ebene (Mikroebene) steht die Aus­ einandersetzung mit konkreten historischen Ereignissen im Vordergrund. Dabei ist die These zentral, dass der Eintritt von Performance ins Museum zeitgleich (und nicht später) mit der Herausbildung von Performance als eigenständiges Medium geschah und dass die entscheidenden Impulse dafür aus dem künstlerischen Feld kamen. Auf der zweiten Ebene (Mesoebene) findet eine Auseinandersetzung mit den unmittelbaren Rahmenbedingungen für Performance on Display statt. Hier sind Einblicke in die komplexen Vor- und Nachbereitungsaktivitäten für Performanceveranstaltungen in Museen zu erwarten sowie Reflexionen über ihre räumlichen Kontexte und ihren Stellenwert in der Programmgestaltung von Museen. Des Weiteren werden medien- und institutionsbezogene Fragen diskutiert, zum Beispiel die Kompatibilität oder auch Kompatibilisierung von Performance mit den institutionellen Strukturen des Museums. Die These ist, dass Body Art und Performancekunst tendenziell ortsunspezifische Performancetypen waren, die ausdrücklich für den Kontext der bildenden Kunst entstanden und sich deshalb auch in einen musealen Rahmen integrieren ließen. Für den Tanz, der traditionell nicht für die Konventionen des Museumsraums und der bildenden Kunst gemacht ist, sind besondere Mechanismen der Kompatibi­ lisierung zu erwarten. In Bezug auf das Museum gilt die These, dass Museen auf Performance nicht konfrontativ, sondern integrativ reagierten. Die dritte Ebene (Makroebene) widmet sich den politischen, ökonomischen und kulturhistorischen Kontexten. Hier wird Performance on Display als historisches und kulturelles Phänomen betrachtet und in einen Dialog mit aktuellen kulturwissenschaftlichen Theorien gesetzt. Die zentrale These auf dieser Ebene ist, dass die Herausbildung von Performance und die zunehmende Ereignisorientierung des Museums im Zusammenhang mit einer übergeordneten Performancekultur stehen. Performance on Display wäre dann ein Phänomen, das aus dem wachsenden Interesse an einer Erfahrungsdimension der Kunst hervorging. Ein Interesse, das Kunstproduktion, Museen und Öffentlichkeit teilten und das folglich als Reflexion einer allgemeinen Performancekultur im Feld der Kunst gelesen werden kann.

Quellen und Methode Zur Quellenlage Diese Publikation ist das Ergebnis archivbasierter Forschung. Im Gegensatz zum bisweilen hochtheoretischen aktuellen Performancediskurs, argumentiert sie materialgeleitet. Da sowohl Performance als auch das Ausstellen ephemere Praktiken sind, ist einer den Ereignissen nachgeborenen Kunsthistorikerin ein Vor-das-Werk-Treten und Erleben einer historischen Performance ebenso wenig möglich, wie das Ein­

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treten in historische Museumsausstellungen. Es bleibt nur der Zugang über Quellen.135 Bei den Quellen für dieses Buch handelt es sich teilweise um bereits publiziertes Material. Der wesent­liche Anteil des Quellenmaterials wurde jedoch während zwei mehrwöchigen Forschungsreisen in die USA in Museumsarchiven recherchiert. Folgende Archive standen dabei im Vordergrund (in den USA, von Ost nach West): In New York City das Museum of Modern Art (MoMA) und das Whitney Museum of American Art (Whitney); in Chicago das Museum of Contemporary Art (MCA); in Minneapolis das Walker Art Center (Walker); in San Francisco das San Francisco Museum of Modern Art (SFMOMA) und in Los Angeles das Getty Research Institute (Getty).136 In Washington, D.C. wurden außerdem das Nationalarchiv (National tion/NARA), und die Archives of American Art Archives and Records Administra­ (AAA) konsultiert. Alle diese Archive sind sehr gut erschlossen und öffentlich zugänglich. Auf der zweiten Reise wurden außerdem Gespräche mit Zeitzeug*innen und Expert*innen geführt und aufgezeichnet, die zum Teil direkt als Quellen zitiert, zum Teil indirekt, als Impulsgeber*innen und Korrektiv einflossen.137 Das Quellenmaterial wird im Einzelnen in den Kapiteln eingeführt, weshalb an dieser Stelle nur einige generelle Hinweise gegeben werden. Der Großteil des Mate­ rials zu Performanceveranstaltungen in den genannten Archiven ist technischer und administrativer Natur. Eine typische Archiv-Mappe zu einer Einzelveranstaltung enthält einige Seiten Korrespondenz, zum Beispiel zwischen Museumsmitarbeiter*innen und Künstler*innen oder Galerien. Häufig liegen auch Drucksachen und Werbe­ma­ terialien bei, zum Beispiel Plakate, Flyer oder Pressemitteilungen. All diese Materialien geben also eher Aufschluss darüber, was und wie geplant wurde und weniger was tatsächlich geschah. Seltener, und damit ein Glücksfall, sind fotografische Archi­ valien und anderweitige Dokumentationen der Auftritte, zum Beispiel in Form von Presseausschnitten. Ästhetische Archäologie – Entwurf einer Methode Als Antwort auf die Quellenlage und den komplexen Untersuchungsgegenstand bedient sich dieses Buch einer eigenen Methode unter dem Arbeitstitel ›ästhetische Archä­ologie‹. Gedanklicher Ausgangspunkt ist eine ›Transplantation‹ methodischer Ansätze der Archäologie in die Kunstgeschichte, ein Zugang, der sich am Konzept »Wilder Archäologien« orientiert, die der Medienwissenschaftler Knut Ebeling in

135 Eine Alternative wäre der Zugang über künstlerische Forschung oder practice-led research. Stellvertretend für diese Methode vgl. Albright, Ann Cooper: Matters of Tact. Writing History From the Inside Out. In: Dance Research Journal, 35./36. Jg. 2003/2004, H. 2/3, S. 10–26. Ich danke Didier Morelli, der 2021 seine Dissertation über historische Performance im öffentlichen Raum an der Northwestern University abschloss, für den Hinweis auf diesen Text und seine Impulse als practice-led researcher und methodologischer sparring partner. 136 Weitere besuchte Archive in Europa waren das Archiv des De Appel Art Center und des Stedelijk Museums in Amsterdam, das Archiv Sohm in der Staatsgalerie Stuttgart und das documenta archiv in Kassel. Eine Übersicht aller Archive und der entsprechenden Kurzverweise findet sich im Anhang. 137 Eine Liste der für dieses Buch verwendeten, unpublizierten Interviews findet sich im Anhang.

Quellen und Methode

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seinem gleichnamigen Buch zusammengetragen hat.138 Ebeling diskutiert dort Quellentexte namhafter Autoren unterschiedlicher Disziplinen, einschließlich der Geschichte, nicht aber der Kunstgeschichte. Dieses Feld markiert nun der hier gewählte Vorsatz der ›Ästhetik‹, der die Kunst als eine Sphäre der Repräsentation und Reflexion ausweist und den Versuch unternimmt, die Möglichkeiten einer wilden Ärchäo­ logie für den Bereich der Kunst anzudenken. Dieser Ansatz sieht sich einer »Kunstgeschichte der Komplexität« verpflichtet, die Wolfgang Kemp bereits in den 1990er-Jahren einforderte.139 Kemp argumentiert, dass die Untersuchung von Kunst-Kontexten nicht nur Mittel zum Zweck der Erschließung einzelner Kunstwerke sei, sondern selbst einen probaten Forschungs­gegenstand darstellen könne. Das klassische Methodenrepertoire der Kunstgeschichte sei auf solche ›komplexen Gegenstände‹ – im vorliegenden Fall das historische Verhältnis von Performance und Museum – nicht ausgerichtet, weshalb eine Erweiterung durch kulturwissenschaftliche Ansätze, wie sie in den vergangenen Jahrzehnten verschiedentlich vorgenommen wurde, notwendig sei. Archäologie und Kunstgeschichte teilen ihr Interesse an (materiellen) Artefakten der Vergangenheit. Die Gegenstände der Kunstgeschichte liegen jedoch in der Regel offen, während die Archäologie ihre Gegenstände erst finden und bergen muss. Ähnliches gilt für den vorliegenden Zusammenhang, wenn es um ephemere Performances und Ausstellungen geht. Aus archäologischer Perspektive sind Performanceartefakte und Ausstellungsdokumentationen Relikte vergangener, gelebter Praxis. Sie sind immer fragmentarisch, lassen also keine vollständige Rekonstruktion zu, ermöglichen aber einen Zugang über das Fragment zum großen Ganzen.140 Hier besteht ein Unterschied zur Archivarbeit im Kontext klassischer kunsthistorischer Forschung. Sofern diese ein konkretes Werk als Untersuchungsgegenstand vor Augen hat, werden anhand der Quellen Kontexte zur näheren Bestimmung dieses Gegenstands erschlossen. Die Archivalien, mit denen die Performance- und Ausstellungsforschung umgeht, können hingegen im Sinne des oben eingeführten Aggregatkonzeptes auch zum Gegenstand selbst werden.

138 »›Wild‹ sind diese Unternehmungen, weil es sich um archäologische Projekte außerhalb der klassischen Archäologie handelt, die mit einem materiellen Denken der Zeitlichkeit experimentieren«. Ebeling, Knut: Wilde Archäologien. Theorien der materiellen Kultur von Kant bis Kittler. Berlin: Kulturverl. Kadmos 2012, S. 7. Ebeling bezieht sich in seinen Überlegungen auf Giorgio Agamben, der eine philosophische Archäologie vorgelegt hat und darin, wiederum unter Berufung auf Michel Foucault, Walter Benjamin und andere, einen ›archäologischen turn‹ in den Kulturwissenschaften ausruft. Der Ansatz einer ästhetischen Archäologie ist von anderen Ansätzen abzugrenzen, die bereits Archäologie und Performance zusammenbrachten und an der (Un-)Möglichkeit der Rekonstruktion historischer Performances interessiert waren. Vgl. Giannachi, Gabriella/Kaye, Nick/Shanks, Michael (Hrsg.): Archaeologies of Presence. Art, Performance and the Persistence of Being. London: Routledge 2012; Pearson, Mike/Shanks, Michael: Theatre/Archaeology. London: Routledge 2001. 139 Kemp, Wolfgang: Kontexte. Für eine Kunstgeschichte der Komplexität. In: Texte zur Kunst, 2. Jg. 1991, H. 2, S. 88–101. Mein Dank gilt Silke Tammen für den Hinweis auf diesen Text. 140 Giorgio Agamben bezeichnet die Archäologie deshalb als eine »Wissenschaft der Ruinen«. Agamben, Giorgio: Philosophische Archäologie. In: Ders./Schütz, Anton (Hrsg.): Signatura rerum. Zur Methode. Dt. Erstausg. Frankfurt/M: Suhrkamp 2009, S. 101–138, hier S. 102.

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Aus der gedanklichen Anknüpfung an die Archäologie, als Disziplin und auf metaphorischer Ebene, lassen sich konkrete Schritte für die archivbasierte Arbeit ableiten. Diese reichen von der Recherche und Quellenerschließung über die Sortierung und Systematisierung der Artefakte bis zur Interpretation und Aufbereitung des Materials.141 Während diese Schritte zunächst für viele Formen wissenschaftlicher Forschung gelten, ist die Besonderheit im vorliegenden Fall, dass sich das Forschungsinteresse nicht auf ein konkretes Artefakt richtet, sondern auf Kontexte und Entwicklungen, die schwieriger zu greifen sind. An dieser Stelle ist die Analogie zur Archä­ologie noch einmal hilfreich. Diese sei, so Ebeling, stets »solidarisch mit dem Unerwarteten. […] Allein schon die Tatsache, dass die Aktivität des Findens zu ihren selbstverständlichen Szenarien gehört, spricht dafür, dass das Unwahrscheinliche hier gewissermaßen zum Alltag gehört.«142 In diesem Sinne wurde versucht, in den Archiven nicht nach Beweisen für Thesen zu suchen, sondern umgekehrt, vom verfügbaren, oft bruchstückhaften Material auszugehen und die Fragestellungen und Argumentationslinien daraus abzuleiten.143 Die Auswahl der Orte, an denen die Suche beginnt, ist selbstverständlich nicht zufällig, sondern immer von einem Anfangsverdacht geleitet. So gehörten alle konsultierten Museumsarchive zu Institutionen, in denen bereits früh Performances statt­ gefunden haben. Im Sinne ›sondierender Grabungen‹ zielten die ersten Recherchen ganz allgemein auf frühe Performances ab, wobei sich das Material in den 1970erJahren verdichtete und sich aus diesem Material schließlich die Schwer­punkte der gerichtetere ReFallstudien herauskristallisierten, deren Bearbeitung wiederum ziel­ cherchen nach sich zog. Da Archive bekanntlich keine neutralen Wissensspeicher sind, wurde zugunsten der Transparenz versucht, sofern es Lesbarkeit und Umfang zuließen, das Quellenmaterial und seine Auffindungskontexte sichtbar zu halten.144 Ein zweiter Leitsatz war, sich den historischen Ereignissen nach Möglichkeit über die Beschreibung von Dokumenten zu nähern. Da Beschreibungen historischer Performances immer eine (Re-)Konstruktion bedeuten, soll damit vermieden werden, fälschlich die Perspek­ tive einer Augenzeugin zu imitieren.145 141 Das hier gezeichnete Bild der Archäologie kann selbstverständlich der tatsächlichen Vielfalt und Komplexität der Disziplin und ihrer Methoden nicht gerecht werden. Zum Abgleich wurde die einschlägige Einführung in die Archäologie von Manfred Eggert herangezogen. Eggert, Manfred K. H. (Hrsg.): Archäologie. Grundzüge einer historischen Kulturwissenschaft. Tübingen: Francke 2006. 142 Ebeling 2012, S. 16–17. Bei einer ›Grabung‹ in einem Museumsarchiv, so ist an dieser Stelle anzumerken, hat man selbstverständlich keineswegs mit ›natürlich‹ sedimentiertem Quellenmaterial zu tun, sondern mit fachkundig strukturierten/kuratierten Archiven. 143 Mein Dank gilt Peter Schneemann an der Universität Bern, der angesichts einer abgezirkelten Gliederung in einem frühen Stadium meiner Arbeit fragte, wo der Raum für Überraschungen sei. 144 Das ist auch der Grund für den stellenweise ausladenden Fußnotenapparat, der für die Publikation nicht wesentlich gekürzt wurde. 145 Das schließt nicht aus, Zeitzeug*innen zu befragen. Um die Archivperspektive zu stärken und ein Gegengewicht zur Dominanz künstlerischer Narrative im Performancediskurs zu schaffen, wurde auf die Befragung beteiligter Künstler*innen weitestgehend verzichtet. Im nächsten Schritt wären deshalb die Stimmen der Künstler*innen zu den hier gewonnenen Erkenntnissen wieder hinzuzufügen.

Quellen und Methode

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Ebeling zufolge sucht die Archäologie »nicht nach dem Alten, sondern nach dem heute noch wirksamen.«146 Mithilfe der Archäologie sagt sich eine Kultur, was ihr etwas bedeutet – und folglich, wonach sie gerade sucht. Wenn einer bestimmten Zeit die Hinterlassenschaften der Antike wichtig waren, so sagen diese Artefakte nicht nur etwas über diese Epoche und ihre materielle Kultur. Sie sagen auch – und vielleicht zuerst – etwas über die Gegenwart der Zeit, die nach diesen Gegenständen forschte.147 Aus dieser Erkenntnis leitet sich eine selbstreflexive Forschungshaltung ab, die der Tatsache Rechnung trägt, dass wissenschaftliche Fragestellungen immer aus einer bestimmten Zeit und einem bestimmten Kontext heraus entstehen. Die Frage nach dem historischen Eintritt von Performance ins Museum wird deshalb bewusst vor dem Hintergrund des aktuellen Performancetrends in Museen, einer fortschreitenden Performancekultur und aus dem gegenwärtigen Performancediskurs heraus gestellt. Dem Referenzrahmen der Wilden Archäologien entstammt schließlich auch der für dieses Buch wichtige Neologismus des ›Anbruchspunktes‹, der auf Giorgio Agamben zurückgeht.148 Agamben betont mit Blick auf geschichtliche Forschung, dass historische Phänomene immer Teil dynamischer Entwicklungen sind und deshalb keinen Ursprung, sondern bestenfalls mannigfaltige Anbruchspunkte besitzen. Das vorliegende Buch teilt dieses Geschichtsverständnis. Anbruchspunkte lassen sich als historische Knotenpunkte oder Meilensteine beschreiben, die beobachtbar und benennbar sind, die jedoch nie unabhängig von vorausgegangenen oder nachfolgenden Ereignissen existieren. Ebeling greift diesen Begriff auf und führt aus, dass eine (wilde) Archäologie anstelle der Suche nach ›Ursprüngen‹ »den Zugang oder den Grund der Gegenwart«149 erforsche. Abhängig von dem Ort, an dem gesucht werde, müsse dies aber »nicht der älteste sein«.150 In diesem Sinne konzentriert sich dieses Buch auf die Beschreibung und Analyse einzelner historischer Ereignisse als Anbruchspunkte für das Phänomen Performance on Display, die zusammengenommen einen Anbruchspunkt für das Gesamtphänomen darstellen. Im Idealfall ermöglicht dieser Ansatz konkrete historische Erkenntnisse,

146 Ebeling 2012, S. 14. 147 Ebd., S. 18. 148 Agamben führt den Begriff ein, um zwischen den Zeitlichkeiten archäologischer (die er bevorzugt) und geschichts­ wissenschaftlicher Forschung (die er ablehnt, allerdings auf der Grundlage eines recht holzschnittartigen Verständnisses geschichtswissenschaftlicher Methoden) zu unterscheiden. Agamben 2009, S. 131. 149 Ebeling 2012, S. 13. 150 Ebd.

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ohne die Komplexität des untersuchten Phänomens zu reduzieren. An die Stelle historischer Festschreibungen oder typologischer Bestimmungen tritt ein Denken in Prozessen, Spektren und Graden, das Ambivalenzen und Schwebezustände ausdrücklich zulassen will. Als Ergebnis ist deshalb weder ein vollständiger Überblick über die Geschichte von Performance im Museum zu erwarten, noch ein präzises Datum für den Eintritt von Performance ins Museum. Vielmehr geht es um eine Spurensuche nach den Anbruchspunkten eines Phänomens, das für die heutige Kunstwelt weiterhin prägend ist.

Kapitelübersicht Den fünf Hauptkapiteln des Buchs ist eine Exposition vorangestellt, die eine histo­ rische und diskursive Hintergrundfolie bereitet. Ausgehend von einer bekannten Museumsstreitschrift des Künstlers Allan Kaprow und einigen kunst- und museumshistorischen Eckdaten wird dort eine dialektische Verkettung des avantgardis­tischen Strebens nach lebendiger Kunst, künstlerischer Museumskritik und der Institution Museum herausgearbeitet. Der Blick auf einige einschlägige Episoden künstlerischer und performativer Museumskritik, darunter den wahrscheinlich ersten Museumsperformances überhaupt, macht das Spannungsfeld zwischen lebendiger Kunst und der Vorstellung vom Museum als Mausoleum und zwischen Institutionskritik und Institutionalisierung sichtbar. Der erste Teil umfasst drei Kapitel unter dem gemeinsamen Titel ›Anbruchspunkte‹. Sie widmen sich jeweils der Rekonstruktion und Analyse eines Fallbeispiels. Bei der Auswahl der Beispiele wurde auf eine größtmögliche Varianz Wert gelegt. Es stehen deshalb verschiedene Formen von Performance (Tanz, Body Art und Performancekunst), verschiedene Veranstaltungstypen (ein singuläres Event, eine Ausstellung und ein Festival) sowie verschiedene Museen (das Walker Art Center, das MCA Chicago und das Whitney Museum) im Vordergrund. Auch die thematischen Schwerpunkte, die sich daraus ergeben, sind unterschiedlich. Sie reichen von Themen wie der Museumsarchitektur und dem white cube über verschiedene Präsentations­for­ men für Performance und ihre medienspezifischen Konsequenzen bis zur musealen Programmgestaltung und der ›Eventisierung‹ des Museums. Den zweiten Teil bilden zwei Kapitel unter dem Titel ›Ökonomie und Politik‹. Dort werden die ökonomischen und (kultur-)politischen Kontexte untersucht, in die das historische Phänomen Performance on Display eingebettet war. Das erste dieser beiden Kapitel untersucht am Beispiel der Agentur Art Performances Inc. die Dis­ tributionsstrukturen für historische Performancekunst. Im zweiten der Kapitel geht es um die Einflüsse staatlicher Kunstförderpolitik auf Performance on Display. Im Zentrum steht hier das National Endowment for the Arts (NEA), die staatliche Behörde für Kulturförderung in den USA.

Kapitelübersicht

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In ihrer Gesamtheit ergeben diese Kapitel keine lineare Erzählung, sondern bieten unterschiedliche Perspektiven auf das Phänomen Performance on Display. Das Schlusskapitel bündelt und reflektiert diese Perspektiven auf den drei oben genannten Argumentationsebenen und gibt einen Ausblick auf die Zusammenhänge zwischen dem historischen und dem aktuellen Phänomen Performance on Display.

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Exposition: Lebendige Kunst und die Institution Museum – ein kritisches Verhältnis?

Der ›Fall Allan Kaprow‹ – Museumskritik im Namen von Kunst und Leben I am put off by museums in general; they reek of a holy death which offends my sense of reality. Moreover, apart from my personal view, most advanced art of the last half-dozen years is, in my view, inappropriate for museum display. It is an art of the world: enormous scale, environmental scope, mixed media, spectator participation, technology, themes drawn from the daily milieu, and so forth. Museums do more than isolate such work from life, they subtly sanctify it and thus kill it.1

Allan Kaprow, bedeutender Protagonist der US-amerikanischen Nachkriegsavant­ garde und vehementer Verfechter einer radikalen Rückbindung der Kunst ans Leben, drückte in dieser vielfach zitierten Aussage sein Misstrauen gegenüber der Institu­ tion Museum aus. Das mausoleumsgleiche Museum war in seinen Augen der Gegenspieler einer neuen lebendigen Kunst, als deren Vertreter er sich sah. Begriffe wie spectator participation, enormous scale oder mixed media lassen sich als Verweise auf seine Environments und Happenings lesen, die seit 1956 entstanden.2 Mit diesen

1 Kaprow, Allan: O. T. [Erklärung]. Pasadena Art Museum (Hrsg.): Allan Kaprow. Pasadena: Castle 1967, S. 3. 2 Zwei Beispiele: Für 18 Happenings in 6 Parts (erstmals realisiert in der Reuben Gallery, 1959), entwarf Kaprow räum­ liche Konstellationen aus mobilen semi-transparenten Stellwänden, innerhalb derer Performer*innen und das Pub­likum eine von Kaprow vorgegebene Choreografie ausführten. Environments waren im Vergleich dazu offener für Improvisation und Zufall. Die Arbeit Yard (erstmals realisiert in der Martha Jackson Gallery, 1961) bestand aus einem großen Berg aufgetürmter alter Autoreifen, den die Teilnehmenden ohne weitere Vorgaben betreten und damit ›aktivieren‹ konnten. Vgl. Kaprow, Allan/Kelley, Jeff (Hrsg.): Essays on the Blurring of Art and Life. Erw. Taschenbuchaufl. Berkeley: U of California P 2003. Darin zu den Happenigs und Environments die Aufsätze Pinpointing Happenings (1967), S. 84–89; und The Shape of the Art Environment (1968), S. 90–94.

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begehbaren und partizipativen Werken versuchte er, seinem Publikum eine authentische und lebendige Kunsterfahrung zu ermöglichen. Kaprows lebenslange Suche nach einer lebendigen Kunst begann bereits während seines Studiums an der New York University in den späten 1940er-Jahren.3 Damals lernte er John Deweys Schrift Art as Experience (1934) kennen. Der einfluss­reiche Reformpädagoge nimmt darin die isolierende Wirkung des Museums auf die Kunst zum Ausgangspunkt, um für eine Einbindung der Kunst in eine erfahrungs- und erlebnis­orientierte Pädagogik zu werben.4 Bald darauf, während seines Studiums an der New Yorker School of Fine Arts des Aktionsmalers Hans Hofmann, fand Kaprow in Jackson Pollock ein künstlerisches Vorbild, dessen aktionsgeladener Malprozess eben jene Lebendigkeit und Ereignisdimension ausstrahlte, die er suchte. In dem Essay The Legacy of Jackson Pollock von 1958 zog Kaprow den Schluss, dass über einen lebendigen Schaffensprozess hinaus auch die Publikumserfahrung in das Kunstwerk integriert werden müsse. Diese Integration der Realität oder des Alltäg­lichen (»ordinary things«) in die Kunst bezeichnete er als »the alchemies of the 1960s«. 5 Dies war der Hintergrund, vor dem Kaprow zum Ausbruch der Kunst aus den Institutionen und aus dem Kunstsystem aufrief.6 Er erklärte seine eigene Kunst sogar zur »Nonart« oder Künstler*innen zu »Un-Artists«, um auf sprachlicher Ebene eine Integration in das Kunstsystem zu vermeiden.7 Diese Konsequenz sowie die Fähigkeit, seine künstlerischen Anliegen eloquent in Worte zu fassen, trugen dazu bei, dass die Kunstgeschichtsschreibung ihn zu einer Vaterfigur der Nachkriegs-Avantgarden erhob. Kaprow gilt als Vertreter eines out-of-the-institution-movement und der sogenannten Post Studio Art8 und als Wegbereiter der körper- und zeitbasierten Kunstformen der 1970er-Jahre.9 Er eignet sich deshalb besonders als Präzedenzfall für eine Untersuchung der Aushandlungsprozesse zwischen lebendiger Kunst und dem Museum.

3 Von 1947 bis 1949. 4 Dewey spricht im ersten Kapitel des genannten Werks von einer »separation of art from the objects and scenes of ordinary experience« durch das Museum. Dewey, John: Art as Experience [1934]. New York 2005, S. 6. Jeff Kelley analysiert Allan Kaprows Auseinandersetzung mit John Dewey aufschlussreich in: Kelley, Jeff: Introduction. In: Kaprow/Kelley 2003, S. xi–xxvi, hier S. xi ff. 5 Kaprow, Allan: The Legacy of Jackson Pollock [1958]. In: Kaprow/Kelley 2003, S. 1–9, hier S 9. 6 Vgl. Kaprow, Allan: Death in the Museum. Where Art Thou, Sweet Muse? I’m Hung Up at the Whitney [1967]. In: Kra­ vagna, Christian (Hrsg.): Das Museum als Arena. Institutionskritische Texte von KünstlerInnen. Köln: König 2001, S. 10–11; Kaprow, Allan: What Is a Museum? A Dialogue between Allan Kaprow and Robert Smithson [1967]. In: Kravagna 2001, S. 12–15. 7 Kaprow, Allan: Education of the Un-Artist, Part I [1971]. In: Kaprow/Kelley 2003, S. 97–109. 8 Post Studio Art war der Titel einer Lehrveranstaltung, die John Baldessari 1970 am California Institute of the Arts (CalArts) in Valencia, Kalifornien abhielt. Die Bezeichnung etablierte sich für Kunstpraktiken jenseits traditioneller Medien und Orte. 9 Eine differenziertere Auseinandersetzung mit der Herleitung von Performancekunst aus dem Action Painting (nicht nur Jackson Pollocks) in: Schimmel, Paul: Der Sprung in die Leere. Performance und das Objekt. In: Schimmel, Paul/ Noever, Peter/Stiles, Kristine (Hrsg.): Out of Actions. Zwischen Performance und Objekt 1949–1979. Ostfildern: Hatje Cantz 1998, S. 17–119, darin insb. S. 17–21.

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Eine kleine Geschichte künstlerischer Museumskritik Kaprow knüpfte mit seinem Statement an eine Tradition künstlerischer Museums­ kritik an, die beinahe so alt wie das Museum selbst ist.10 Diese Institutionskritik begleitete die Herausbildung des modernen Kunstbegriffs sowie der modernen Avantgarden.11 Sie verband sich von Anfang an mit einer Forderung nach Lebensnähe und Zeitgenossenschaft. Das betraf zunächst die Kunst selbst, wurde aber bald auch auf das Museum und seine Ausstellungspolitik übertragen, was sich schlaglichtartig an einigen historischen Beispielen illustrieren lässt. Im mittleren 19. Jahrhundert wandte sich etwa Gustave Courbet mit seinem malerischen Realismus vom ›künst­lichen‹ Akademismus seiner Zeitgenoss*innen ab. Sein Bestreben, die nicht-idea­lisierte Alltagswirklichkeit seiner Zeit darzustellen, folgte keiner mimetischen Absicht, sondern war einer gesellschafskritischen Haltung verpflichtet. Da er mit seinem Ansatz in der institutionalisierten Kunstwelt nicht auf den gewünschten Zuspruch stieß (zwei seiner Gemälde wurden für die erste Pariser Weltausstellung 1855 abgelehnt), eröffnete er mit dem Pavillon du Réalisme im selben Jahr kurzerhand seinen persönlichen Ausstellungsraum.12 Gleichermaßen auf eigene Faust eröffnete 1874 eine Gruppe junger Künstler, die ihrerseits nach Wegen suchten, die Wirk­lichkeit angemessen ins Bild zu setzen, damit jedoch zunächst kaum erfolgreich waren, die erste Impressionismus-Ausstellung.13 Ein drittes Beispiel aus dem späten 19. Jahrhundert führt nach Wien. Hier eröffneten 1898 die Künstler der Wiener Secession, unter dem Eindruck, die »Kunststadt Wien« habe den Anschluss an die aktuellen Entwicklungen verloren, eines der ersten permanenten Ausstellungshäuser für zeitgenössische Kunst.14 Im Zeichen des Jugendstils suchten auch sie nach einer neuen Verbindung von Kunst

10 Für eine historische Perspektive vgl. Haskell, Francis: Museums and Their Enemies. In: Journal of Aesthetic Education, 19. Jg. 1985, H. 2, S. 13–22. 11 Grundlegend zum Begriff der Avantgarde: Van den Berg, Hubert/Fähnders, Walter: Die künstlerische Avantgarde im 20. Jahrhundert. Einleitung. In: Dies. (Hrsg.): Metzler Lexikon. Avantgarde. Stuttgart: Metzler 2009, S. 1–19. 12 Vgl. Mainardi, Patricia: Courbet’s Exhibitionism. In: Gazette des Beaux-Arts, 1991, H. 118, Dezember, S. 253–266. Mainardi stellt Courbet als einen Künstler-Unternehmer dar. Sie betont, dass es zu diesem Zeitpunkt noch keine Museen für zeitgenössische Kunst gab und schildert die Unzufriedenheit von Künstler*innen und Kunstkritik mit dieser Situation. Die Weltausstellungen und der Salon, als einzige Ausstellungsmöglichkeiten für zeitgenössische Kunst, galten Mainardi zufolge als kommerziell und einer ›ernsthaften‹ Kunstpräsentation nicht angemessen. Ebd., S. 247. 13 Die Ausstellung fand im Atelier des Fotografen Nadar statt. Vgl. Tucker, Paul: The First Impressionist Exhibition and Monet’s Impression, Sunrise. A Tale of Timing, Commerce and Patriotism. In: Art History, 7. Jg. 1984, H. 4, S. 465–476. 14 Im Katalog zur Eröffnungsausstellung stellte der Schriftsteller Ludwig Hevesi fest, »dass die Kunststadt Wien anfängt, sich wiederzufinden, und dass sie sich gewissermassen [sic] sputet, die Zeit einzuholen.« Hevesi, Ludwig: Zweite Ausstellung der Vereinigung bildender Künstler Österreichs. In: Vereinigung Bildender Künstler Österreichs Secession: Ver sacrum [Sonderheft]. Ausst. Kat. Wien, Secession. Wien: Gerlach et Schenk 1898. Als erstes Museum für zeitgenössische Kunst gilt allerdings das Pariser Musée du Luxembourg, das 1818 als Musée des Artistes Vivants zum öffentlichen Museum wurde. Dort wurden aktuelle Ankäufe des französischen Staates präsentiert, bevor sie später in die Sammlung des Louvre übergingen. Vgl. Altshuler, Bruce: Collecting the New: A Historical Introduction. In: Ders. (Hrsg.): Collect­ ing the New. Museums and Contemporary Art. Princeton: Princeton U P 2013, S. 1–13, hier S. 3.

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und Leben15, hier vor allem über die Durchdringung des Alltags durch (angewandte) Kunst und das interdisziplinäre Konzept des Gesamtkunstwerks.16 In all diesen Fällen führte die Unzufriedenheit mit dem etablierten Ausstellungsbetrieb und dessen Zurückhaltung gegenüber aktueller Kunst zur Entstehung neuer, mitunter ephemerer, Institutionen. Mit Oskar Bätschmann lassen sich diese Episoden als Anbruchspunkte für die Herausbildung eines neuen Künstlertypus lesen, des »Ausstellungskünstlers«, der den Typus des »Hofkünstlers« nach und nach ablöste.17 Dieser Prozess begann selbstverständlich schon vor dem 19. Jahrhundert mit der Etablierung des modernen Kunstsystems und eines zunehmend freien Kunstmarktes.18 Ohne Adel und Klerus als Auftraggeber waren Freischaffende Künstler*innen zu­ nehmend darauf angewiesen, selbst Käufer*innen für ihre Werke zu akquirieren, das heißt, auch neue Wege für deren öffentliche Präsentation zu finden. Ab diesem Zeitpunkt drängte die jeweils aktuelle Kunst verstärkt ins Museum.19 Damit, so argumentiert Bätschmann, veränderte sich auch die Kunst selbst. Die verstärkte Publikums­ orientierung und die Ausrichtung auf das Ausstellen habe zu einer Zunahme der Bedeutung eines Realitätsbezugs und einer Erfahrungsdimension der Kunst beigetragen.20 Dem ist hinzuzufügen, dass die künstlerische Suche nach Lebensnähe und Authentizität immer auch als ein Mittel zu lesen ist, mit einer wahrgenommenen Entfremdung in Zeiten technologischen Fortschritts und sich wandelnder gesellschaft­ licher Strukturen der modernen Welt umzugehen. Damit übernimmt die Kunst die Funktion der Gegenwartsdiagnostik und erhebt fortan den Anspruch, für die Gegenwart einer breiten Öffentlichkeit relevant zu sein. Die Geschichte der Kunst des 20. Jahrhunderts ließe sich ohne weiteres unter dem Leitthema ›Kunst und Leben‹ schreiben. In der Logik der Avantgarden maßen sich künstlerische Innovationen, von den Geschwindigkeitsstudien und Theater-­

15 Diese Wendung sollte für die Nachkriegsavantgarden des 20. Jahrhundert s prägend werden. Sie geht möglicherweise auf die Zeitschrift Jugend – Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben zurück, die ab 1896 (und bis 1940) erschien und auch der Kunstströmung des Jugendstils ihren Namen gab. Die Zeitschrift widmete sich aktuellen Tendenzen in Literatur und bildender Kunst. ›Kunst und Leben‹ stand für eine radikale Hinwendung zur Jetztzeit und für die Idee einer Integration der Kunst in den Lebensalltag. Dieser Ansatz zielte auf eine Ästhetisierung des Lebens und weniger auf eine Verlebendigung der Kunst. Bereits 1886 fand sich dieselbe Wendung im Titel von John Ruskins On Art and Life, wobei es Ruskin hier um das Verhältnis der Kunst zum Leben ihres Schöpfers (bei Ruskin männlich) ging. Ruskin, John: On Art and Life [1886]. London: Penguin 2004. 16 Zum Gesamtkunstwerk s. Van den Berg, Hubert: Gesamtkunstwerk. In: Van den Berg, Hubert/Fähnders, Walter (Hrsg.): Metzler Lexikon. Avantgarde. Stuttgart: Metzler 2009, S. 124–125; Szeemann, Harald (Hrsg.): Der Hang zum Gesamtkunstwerk. Europäische Utopien seit 1800. Ausst. Kat. Zürich, Kunsthaus. Aarau; Frankfurt/M: Sauerländer 1983. Zum Gesamtkunstwerk mit Fokus auf ›das Performative‹: Vinzenz, Alexandra (Hrsg.): Vision Gesamtkunstwerk. Performative Interaktion als künstlerische Form. Bielefeld: transcript 2018. 17 Bätschmann, Oskar: Ausstellungskünstler. Kult und Karriere im modernen Kunstsystem. Köln: DuMont 1997, S. 9. 18 Bätschmann setzt den Beginn dieses Wandlungsprozesses im 18. Jahrhundert in Frankreich und England an. Ebd. Wichtige Anbruchspunkte liegen aber auch in der italienischen Renaissance. 19 Wie in der Einleitung beschrieben, etablierte sich zu diesem Zeitpunkt das Format der Wechselausstellung in Museen. 20 Bätschmann, Oskar: Künstler als Erfahrungsgestalter. In: Stöhr, Jürgen/Bätschmann, Oskar (Hrsg.): Ästhetische Erfahrung heute. Köln: DuMont 1996, S. 248–271.

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Experimenten des Futurismus über Marcel Duchamps Readymade21 bis hin zu Allan Kaprows Happenings, stets daran, die Grenze zwischen Kunst und Leben auszuloten und zu verschieben.22 Dabei wurde das Verständnis dessen, was als Kunst gelten konnte, sukzessive ausgedehnt, oft durch die Auflösung von  Medien­grenzen.23 Dieses transgressive Moment war für die Herausbildung von Performance als Kunst­ medium entscheidend. RoseLee Goldberg schreibt mit ihrem Überblickswerk zur Performancegeschichte eine Geschichte der Kunst im Zeichen der Lebendigkeit. Sie zeigt, dass beinahe alle Avantgarden des 20. Jahrhunderts, beginnend mit dem Futurismus, performative Ausdrucksformen entwickelten.24 Für den vorliegenden Zusammenhang ist bemerkens­ wert, dass sich mit diesen Innovationen häufig auch eine künstlerische Museumskritik verband. So nahm beispielsweise Tommaso Marinettis Futuristisches Manifest aus dem Jahr 1909 die Idee des Museums als Mausoleum, wie sie später bei Allan Kaprow aufscheint, vorweg. Marinetti bezeichnete Museen als »Friedhöfe« und rief im Namen des Fortschritts zur Zerstörung aller Museen, Bibliotheken und Akade­ mien auf.25 Sie sollten durch eine neue Kunst ersetzt werden, – die des Futurismus –, die dem Fortschritt und der Geschwindigkeit des Maschinenzeitalters huldigte. Eine ähnlich destruktive Museumskritik findet sich einige Jahrzehnte später in der ihrerseits performanceaffinen Fluxus-Bewegung. In George Maciunas’ FluxusManifest von 1963 heißt es, die Welt solle von »›intellectual‹, professional & commercialized culture«, also auch von Museen, »gereinigt« werden.26 Im Unterschied zu Marinetti bezog Maciunas diese Forderung auf jegliche Form der (Hoch-)Kunst, sei sie noch so neu oder fortschrittlich. Eine bemerkenswerte, da performative, Umsetzung fand diese Idee in den institutionskritischen Streikaktionen, die Henry Flynt (gemeinsam mit Tony Conrad und Jack Smith) in den frühen 1960er-Jahren vor verschiedenen New Yorker Kultureinrichtungen, darunter auch dem MoMA, durch-

21 Alltagsgegenstände, wie einen Flaschentrockner oder ein Urinal, zur Kunst zu erklären, bedeutete eine Absage an den traditionellen Kunstbegriff und die Idee vom Künstler als Schöpfer und Genie. 22 Eine aufschlussreiche Differenzierung verschiedener Grenzüberschreitungen in der Kunst in: Wenzel, Anna-Lena: Grenzüberschreitungen in der Gegenwartskunst. Ästhetische und philosophische Positionen. Bielefeld: transcript 2014, darin insbesondere der Abschnitt 1.2.2.2 Hinwendung zum Leben/zur Realität/zum Alltag, S. 59 ff. Wenzel differenziert zwischen der »Auseinandersetzung mit der Realität« (zum Beispiel in Courbets Realismus), der »Verwendung von Alltagsgegenständen und Massenmedien« (zum Beispiel bei Duchamp) und dem »Praktischwerden der Kunst« (zum Beispiel im Jugendstil oder später am Bauhaus). 23 Diese Entgrenzung künstlerischer Medien war bereits in der Idee des Gesamtkunstwerks angelegt. Theodor W. Adorno spricht, ausgehend von Neuer Musik der 1960er-Jahre, von einem »Verfransen« der Künste. Adorno, Theodor W.: Die Kunst und die Künste [1967]. In: Menke, Christoph/Rebentisch, Juliane (Hrsg.): Kunst, Fortschritt, Geschichte. Berlin: Kulturverl. Kadmos 2006, S. 191–208. 24 Im Futurismus waren dies vor allem Aufführungen von Lautgedichten und Manifesten. Goldberg 1979, S. 9 ff. 25 Marinetti verbreitete das Manifest über die französischen Tageszeitung Le Figaro. Marinetti, F. Tommaso: Gründung und Manifest des Futurismus [1909]. In: Asholt, Wolfgang/Fähnders, Walter (Hrsg.): Manifeste und Proklamationen der europäischen Avantgarde. (1909–1938). Sonderausg. Stuttgart, Weimar: Metzler 2005, S. 3–7, hier S. 5. 26 Transkriptionen einer Reproduktion. Webseite: George Maciunas: Fluxus Manifesto (1963). https://web.archive.org/ web/20201112034454/https://www.moma.org/collection/works/127947 (Zugriff: 12.11.2020).

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führte.27 Flynt verfasste ein Manifest mit dem Titel From »Culture« to Veramusement, in dem auch er die Zerstörung von Museen sowie der Hochkultur forderte.28 Allan Kaprows Plädoyer gegen die Hochkunst, das in seinem Konzept des Un-Künstlers und seinem Ideal einer Überführung der Kunst ins Leben zum Ausdruck kam, knüpfte direkt an die Ideen der New Yorker Fluxus-Künstler*innen an. Ein wesent­ licher Unterschied war dabei, dass Kaprow zwar das Museum und auch die Hochkunst kritisierte, aber nie für ihre Abschaffung oder gar Zerstörung eintrat. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass mit der Festigung des modernen Kunstbegriffs und der Herausbildung des modernen Kunstsystems die Kluft zwischen Kunst und Leben größer, beziehungsweise überhaupt erst sichtbar wurde. Damit wuchs auch der Impuls, beide wieder zusammenzuführen. Es wurde nach neuen Wegen für die Kunst gesucht, Mediengrenzen wurden im Zeichen einer neuen Lebendigkeit gelockert und verschoben. Um eine zunehmend entgrenzte Kunst weiterhin als solche erkennbar zu halten, bedurfte es jedoch, wie unter anderem Boris Groys darlegt, nun umso mehr der ›Orte der Kunst‹.29 Lebendige Kunst (und der Topos ›Kunst und Leben‹) und das Museum (und die Metapher des ›Museums als Mauso­ leum‹) stehen insofern in einer dialektischen Beziehung. Performancekunst, bei der Künstler*innen selbst zum Kunstwerk werden, treibt die genannte Entgrenzung, Transmedialität und Lebendigkeit auf die Spitze. Der Logik der Dialektik folgend, wäre deshalb gerade hier ein besonderes Abhängigkeitsverhältnis zum Museum zu erwarten.30 Tatsächlich ist zeitgleich mit der Entgrenzung der Künste in den 1960er-Jahren eine Intensivierung künstlerischer Auseinandersetzungen mit dem Museum zu beobachten. Neben den genannten Manifesten und Museumsprotesten entstand damals auch eine Vielzahl neuer (alternativer) Museumskonzepte. Diese manifestierten sich zum Teil in Form von Kunstwerken, beispielsweise dem Adlermuseum (ab 1968) von Marcel Brodthaers oder dem Mouse Museum (1965–77) von Claes Oldenburg.31 Mit den alternativen Kunsträumen in New York und andernorts entstanden aber auch ganz reale Alternativmuseen, die aus heutiger Perspektive viel mit den oben genannten Beispielen des 19. Jahrhunderts gemein hatten. Sie waren Plattformen für 27 Die Künstler demonstrierten mit Schildern, die Aufschriften wie »Down with Art!« trugen, vor dem MoMA, dem Lincoln Center und dem Metropolitan Museum. 28 Etwa durch Ausrufe wie: »Demolish Serious Culture! Demolish Art Museums!« Webseite: Henry Flynt: From »Culture« to Veramusement (1963). MoMA-Sammlung. https://web.archive.org/web/20201115175853/https://www.moma.org/ collection/works/associatedworks/178098 (Zugriff: 15.11.2020). Dass sich einige von Flynts Originalveröffentlichungen (darunter Pressemitteilungen und Flugblätter) heute in der Sammlung des MoMA befinden, ist nicht ohne historische Ironie. Sie gelangten über die Gilbert and Lila Silverman Fluxus Collection dorthin, die das Museum 2008 in Teilen erwarb. Ein aktueller Rückblick Flynts auf seine Aktionen in: Flynt, Henry: 1962–63. Razing the Institutions? In: Copeland, Mathieu/Lovay, Balthazar (Hrsg.): The Anti-Museum. An Anthology. Köln: König 2017, S. 196–208. 29 Groys, Boris: Logik der Sammlung. Am Ende des musealen Zeitalters. München: Hanser 1997, S. 10. 30 Für eine Reflexion dieser dialektischen Verkettung aus unterschiedlichen Perspektiven s. Lovay, Balthazar: AntiMuseums that Aren’t. Notes on a Few Contradictions. In: Copeland/Lovay 2017, S. 343–355. 31 Ein weiteres Beispiel wäre die Total Art Matchbox (1965) von Ben Vautier, eine Streichholzschachtel, mit der alle Museen und anschließend die ganze Welt in Brand gesteckt werden sollten. Eine Anthologie künstlerischer Museumsentwürfe ist: McShine, Kynaston (Hrsg.): Museum as Muse. Artists Reflect. Ausst. Kat. New York, The Museum of Modern Art. New York 1999.

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eine neue lebendige Kunst. Erneut verbanden Künstler*innen ihre Kritik am Status quo mit der Schaffung neuer Ausstellungsmöglichkeiten, die zwischen Selbsthilfe und Selbstvermarktung oszillierten. Die historischen Beispiele legen dabei nahe, dass die Forderung von Künstler*innen nach einem ›lebendigen Museum‹ nie nur eine abstrakte Kritik an der Institution Museum, sondern immer mit dem existenziellen Bedürfnis nach Raum und Aufmerksamkeit für das eigene Werk verbunden war. Das Museum als Gegenspieler von Performance im Performancediskurs In der Einleitung wurde bereits deutlich, dass einflussreiche Stimmen im Performancediskurs der Kunstform ein gespaltenes Verhältnis zum Museum bescheinigen. Dazu gehört auch RoseLee Goldberg, die in einer Publikation über Performance ab den 1960er-Jahren schreibt: [A]rtists chose performance to break free of the dominant media of painting and sculpture, and constraints of museum and gallery systems, […] they used it as a provocative form to respond to change – whether political, in the broadest sense, or cultural.32 Goldberg betont dieses provokative und revolutionäre Moment von Performance, da sie die Kunstform aus den historischen Avantgarden herleitet, die einer modernis­ tischen Logik des Fortschritts und der fortwährenden Überwindung des Voraus­ gegangenen folgten. Zugleich war ihre Argumentation, besonders in ihren frühen Werken, von den Schriften der Kuratorin und Kunsthistorikerin Lucy Lippard beeinflusst.33 Diese hatte in ihrem 1973 erschienenen Werk über Konzeptkunst der 1960erJahre die »Dematerialisation des Kunstobjekts« als einen subversiven Akt interpretiert, der sich gegen den Kunstmarkt und alle etablierten Kunstinstitutionen richtete.34 Goldberg interpretiert Performancekunst deshalb als eine körperliche Re-Materialisierung35 solcher künstlerischer Konzepte, beharrt aber darauf, dass das »desire […] to take art out of the strict confines of museums and galleries«36 fortbestand. Diese These spitzt Kristine Stiles noch weiter zu, wenn sie ›Performance‹ als einen »Critical Term for Art History« folgendermaßen definiert:

32 Goldberg, RoseLee: Performance. Live Art Since the 60s. London: Thames & Hudson 1998, S. 9. 33 Goldberg schildert dies in einem Interview. Yablonsky, Linda/Goldberg, RoseLee: RoseLee Goldberg. In: Interview, 05.01.2016. Online: https://web.archive.org/web/20200928092940/https://www.interviewmagazine.com/art/rosel ee-goldberg (Zugriff: 28.09.2020). 34 Lippard, Lucy R. (Hrsg.): Six Years. The Dematerialization of the Art Object from 1966 to 1972 [1973]. Nachdr. Berkeley: U of California P 2007. 35 »Performance was therefore an ideal means to materialize art concepts«. Goldberg 1979, S. 98. 36 Goldberg 1979, S. 7. Ähnlich auch in einem Aufsatz: »The stance of performance artists has historically been a radical one: against the establishment (be it art or politics) against the commercialization of art, and against the strict confinement of museums and galleries.« Goldberg, RoseLee: Performance: A Hidden History. In: Battcock, Gregory (Hrsg.): The Art of Performance. A Critical Anthology. New York: Dutton 1984, S. 24–36, hier S. 32. Wie in der Einleitung angesprochen, bemerkte Goldberg durchaus das symbiotische Verhältnis von Performance und Institutionen in den 1970erJahren, doch hatte dies keinen Einfluss auf ihre Gesamtbewertung der Kunstform als widerständig.

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Performance […] developed into a leftist alternative to the production of art objects and was presented in nontraditional spaces as a means to subvert both the market and the regular institutions of art. […] Through its emphasis on action, performance recovers the social force of art. It remains one of the last and most effective modes of resistance to all forms of domination, from globalization to totalitarianism.37 Analog zur Institutionskritik der 1960er-Jahre verschmelzen diese Interpretationen alle etablierten Kunstinstitutionen, gleich ob Galerie oder Museum, zu einem großen Komplex, dem das Feld avancierter Kunstproduktion, namentlich Performance, gegenübersteht.38 Ein zweiter dominanter Strang der Forschung fasst Performance jenseits dieser modernistischen Logik der Überwindung und beruft sich stärker auf die poststruk­ turalistische und dekonstruktive Theoriebildung. In diesem Sinne versteht Peggy Phelan Performance als einen Akt der Selbstermächtigung gegen die herrschenden Machtstrukturen des Kapitalismus und des Patriarchats.39 Wie bereits erläutert, sind dabei die Nicht-Reproduzierbarkeit des performativen Live-Akts und der damit verbundene Entzug aus herkömmlichen Verwertungskreisläufen der Kunst für ihr Argument zentral. Kunstinstitutionen, die Performance zur ›Objektwerdung‹ zwingen, repräsentieren dann eben diese Strukturen. In Bezug auf eine performative Arbeit Sophie Calles schreibt Phelan: »[T]he institutional effect of the gallery often seems to put the masterpiece under house arrest«.40 Trotz zahlreicher inhaltlicher Differenzen stimmt ihr Amelia Jones in diesem Punkt zu. Sie schreibt: [A]rt history, with its connected institutions and discourses (the art exhibition, art gallery and market, curatorial practice, and art criticism), insists on containing the artwork as a discrete and knowable »object«.41 Wo Phelan von Hausarrest spricht, spricht Jones also von containment. Der Grund für diese Übereinstimmung ist, dass es auch Jones um das emanzipative Potenzial von Performance geht. Mit ihrem Argument für die performative (im Sinne J. L. Aus37 Stiles, Kristine: Performance. In: Nelson, Robert S./Shiff, Richard (Hrsg.): Critical Terms for Art History. 2. Aufl. Chicago, London 2003, S. 75–97, hier S. 85. Stiles’ Perspektive dürfte von ihrer Arbeit über das Destruction In Art Symposium geprägt sein, über das sie 1980 promovierte. S. auch: Stiles, Kristine: Synopsis of The Destruction in Art Symposium (DIAS) and Its Theoretical Significance. In: The ACT, 1. Jg. 1987, 1, H. 2, S. 22–31. 38 Stellvertretend für entsprechende Positionen der historischen Institutionskritik sei hier der Text Grenzen/Kritik des Künstlers Daniel Buren aus dem Jahr 1970 genannt, in dem er durchgehend das Kompositum »Museum/Galerie« verwendet. Buren, Daniel: Grenzen/Kritik. In: Buren, Daniel/Fietzek, Gerti/Inboden, Gudrun (Hrsg.): Achtung! Texte 1967–1991. Dresden: Fundus 1995, S. 123–142. Der englische Begriff ›gallery‹ kann sowohl für Ausstellungsräume als auch für kommerzielle Galerien stehen und begünstigt das In-eins-Fallen von Galerien und Museen auf sprachlicher Ebene. 39 Phelan, Peggy: Unmarked. The Politics of Performance [1993]. London: Routledge 2005. 40 Ebd., S. 146. Sophie Calles Arbeit Ghosts (1991), die im MoMA präsentiert wurde, entzog sich in Phelans Augen diesem Effekt dank ihrer performativen Qualitäten. 41 Jones, Amelia: The Now and the Has Been: Paradoxes of Live Art in History. In: Jones, Amelia/Heathfield, Adrian (Hrsg.): Perform, Repeat, Record. Live Art in History. Bristol: Intellect 2012, S. 11–22, hier S. 12. Hervorhebung durch die Autorin.

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tins) Kraft von Performance fokussiert Jones jedoch nicht auf den Entzug, sondern im Gegenteil auf eine radikale Sichtbarkeit, insbesondere weiblicher und queerer Identitäten und Realitäten durch die Kunst. Diese Performanz kann sich erst wirkungsvoll entfalten, nachdem der Prozess der Kunstwerdung, zu dem das Mu­seum maßgeblich beiträgt, abgeschlossen ist.42 Alle genannten Positionen konstruieren ein statisches und konservatives Museumsbild, mit dem Ziel, das radikale Profil von Performance(-kunst) zu schärfen. Damit festigten sie den Mythos von Performance als widerständiger Kunstform außerhalb institutioneller Strukturen. Die damit verbundene Vernachlässigung oder sogar Negierung der Bedeutung von Museen für die Performancegeschichte führte zu einer Verunklärung der tatsächlichen historischen Verhältnisse. Sie machten nicht nur die Aushandlungsprozesse zwischen Künstler*innen und Institutionen unsichtbar, sondern ließen das Phänomen Performance on Display auch als hochgradig paradox erscheinen. Am Beispiel Allan Kaprows lässt sich nun aber zeigen, dass das tatsächliche Verhältnis zwischen Künstler*innen und Museen oft ungleich pragmatischer war. Denn, wie Lucy Lippard in ihrem einschlägigen Essay über das (kritische) Verhältnis von Künstler*innen und Museen nach 1969 schreibt: »the museum remains both the hand that feeds and the citadel to be stormed.«43 »But speaking practically…« Kaprows Dialog mit dem Museum Kaprow verfasste die einleitend zitierte Museumskritik für einen ganz spezifischen Kontext, nämlich für das Vorwort eines Ausstellungskatalogs, der anlässlich seiner ersten Museumsausstellung, 1967, im Pasadena Art Museum, erschien.44 Im zweiten Abschnitt seines insgesamt dreiteiligen Statements rückt er bereits von der heroischen Verweigerungsrhetorik ab, die den ersten Abschnitt bestimmte, und schlägt einen pragmatischeren Ton an: But speaking practically, museums are often useful for there are not yet agencies or means for otherwise making art accessible to the public. As a compromise—I spell it out—between what is and what should be, I have agreed to a museum exhibit of that part of my work from the past which was still partially conceived in the gallery spirit. I would have preferred a factory building, loading platform or storage yard. But these being unavailable, I shall try to

42 Jones schreibt: »[A] consideration of the performative ›de-contains‹ the work, reminding us that its meaning and value are contingent.« Ebd. Wie in der Einleitung erläutert, bezieht sich Jones hier nicht auf historische Performance, sondern auf deren (Re-)Präsentation in Ausstellungen ab etwa 1990. 43 Lippard, Lucy R.: Biting the Hand. Artists and Museums in New York since 1969. In: Ault, Julie (Hrsg.): Alternative Art New York 1965–1985. A Cultural Politics Book for the Social Text Collective. Nachdr. New York 2009, S. 79–120, hier S. 79. 44 Pasadena Art Museum (Hrsg.): Allan Kaprow. Ausst. Kat. Pasadena, Pasadena Art Museum. Pasadena: Castle 1967. Ausstellungsdaten: 15.09.–22.10.1967, Pasadena Art Museum (heute: Norton Simon Museum). Weitere Stationen: 01.02.–03.03.1968, Washington University, St. Louis; 17.03.–28.04.1968, University of Texas, Austin.

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camouflage the museum environment as much as possible. One new work, however, a Happening, is to be presented outside the premises.45 Kaprow war sich bewusst, dass er als Künstler letztlich auf das Museum als Ausstellungsort angewiesen war und suchte nach einem Kompromiss.46 Um eine Kompa­ tibilität mit dem Museumskontext zu erreichen, teilte er sein Werk in verschiedene Kategorien ein.47 Innerhalb der Ausstellungsräume des Museums wurden seine Gemälde und Collagen gezeigt.48 Zusätzlich wurden drei Environments neu inszeniert (wahrscheinlich im Museum oder in seiner unmittelbaren Umgebung). Die Neuproduktion Fluids wiederum, deren Konzept es war, mit Hilfe von Freiwilligen 20 ephemere Mauerstrukturen aus Eisblöcken im Stadtraum zu erbauen, war dann örtlich unabhängig vom Museum.49 Im dritten und letzten Abschnitt seiner Erklärung schlägt Kaprow einen regelrecht versöhnlichen Ton an und formuliert folgende hoffnungsvolle Prognose: The collaborating institutions have shown unusual understanding and willingness to accommodate the problem, because being sensitive to the broad issues it calls up today, they are trying to make a step in the direction of solving it. […] Eventually, in this way, the modern museum may gradually lose that cloying association of holiness that it presently inherits from another age. Hopefully, it will become an educational institute, a computerized bank of cultural history, and an agency for action.50 Kaprow nimmt hier die Wandlungsfähigkeit und -bereitschaft des Museums zur Kenntnis. Mit der Hoffnung auf Museen als lebendige Bildungseinrichtungen knüpft er noch einmal an die Ideen John Deweys an. Hinter dem Verweis auf das Museum als eine »computerized bank of cultural history« dürfte sich die Hoffnung auf ein demokratischeres und inklusiveres Museum verbergen, das alle Formen kulturellen

45 Kaprow [Erklärung] 1967, S. 3.

46 Zu Kaprows Verhältnis zur Institution Museum vgl. Meyer-Hermann, Eva: Museum as Mediation. In: Meyer-Hermann, Eva (Hrsg.): Allan Kaprow. Art as Life. Ausst. Kat. München, Haus der Kunst. London: Thames & Hudson 2008. S. 72–89. 47 Dieses Phänomen der Spartenbildung im eigenen Werk findet sich bei vielen Künstler*innen der Zeit, die sowohl in traditionellen Medien wie Malerei oder Skulptur arbeiteten als auch performten. Prominente Beispiele sind Robert Morris, Bruce Nauman oder Carolee Schneemann. 48 Zur Malerei von Allan Kaprow s.: Baur, Andreas (Hrsg.): Allan Kaprow. Malerei 1946–1957: eine Werkschau. Ausst. Kat. Esslingen am Neckar, Villa Merkel. Köln: Snoeck 2017. 49 Die Neuinszenierungen waren: Yard (1961), Words (1962) und Push and Pull: A Furniture Comedy for Hans Hofman (1963). Im Museum fand am 10.10.1967 ein vorbereitender Informationsabend zur Aktion Fluids statt. S. Pasadena Art Museum 1967, S. 53 u. 54. 50 Kaprow [Erklärung] 1967, S. 3.

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Ausdrucks gleichberechtigt aufnehmen kann. Kaprow nahm damit die Stoßrichtung von Museumsleitbildern des 21. Jahrhunderts geradezu prophetisch vorweg.51 Nicht nur Kaprow war an einem konstruktiven Kompromiss interessiert. Das Museum kam ihm seinerseits entgegen, indem es die Organisation und Finanzierung seiner unkonventionellen Werke übernahm, ohne dabei, wie bei einer regulären Ausstellung, auf eine Rückfinanzierung durch Eintrittsgelder hoffen zu können. Im Vorwort des Katalogs erhielt Kaprow folgende postwendende Antwort des Muse­ums­ direktors:52 Mr. Kaprow’s statement on the opening page of this catalog is not only relevant but challenging to any museum which is sincerely and passionately involved in contemporary art. Too many museums have indeed, it is sorry to say, become agents for the isolation and separation of art from life and for the subtle sanctification of art, as Mr. Kaprow indicates (although no institution is powerful enough to kill art, deliberately or otherwise). Too often the museums have even been assisted in their unintentional and regrettable victimization of art by artists themselves. But the basic functions of the museums of the past, present, and future remain basically the same; however foresight, imagination, and courage will be required for the museums of the present and future to find the methods in order to fulfill their roles and to function effectively.53 Das Museum signalisiert hier nicht nur Kooperationsbereitschaft, sondern Komplizenschaft, macht aber auch unmissverständlich deutlich, dass an seinen Grundfesten nicht zu rütteln ist. Wie Kunst immer Kunst bleibt und nicht im Leben aufgehen kann, so bleibt auch das Museum ein Ort der Kunst. Für die Argumentation dieser Publikation ist jedoch wichtig, dass Museen, genau wie die Kunst, ihre Methoden und Strukturen durchaus ändern und anpassen können und damit keinesfalls als statisch, sondern als dynamisch und in Bewegung gedacht werden müssen. Der ›Fall Kaprow‹ zeigt, wie sich das Verhältnis von lebendiger Kunst und Museum als produktives Wechselspiel gestalten kann. Ziel der folgenden Abschnitte ist es, diese Erkenntnis am Beispiel dreier früher Museumsperformances noch spezifischer

51 Gemeint ist die Betonung von Gegenwartsbezug, Demokratie, Diversität und politischem Engagement, die sich heute viele Museen auf die Fahnen schreiben. So heißt es etwa in einem aktuellen Museumsleitbild des MoMA: »At The Museum of Modern Art and MoMA PS1, we celebrate creativity, openness, tolerance, and generosity. We aim to be inclu­ sive places—both onsite and online—where diverse cultural, artistic, social, and political positions are welcome. We’re committed to sharing the most thought-provoking modern and contemporary art, and hope you will join us in explor­ ing the art, ideas, and issues of our time.« Webseite: MoMA. About us. https://web.archive.org/web/20191122005104/ https://www.moma.org/about/ (Zugriff: 22.11.2019). 52 Als Autor wird der Museumsdirektor James T. Demetrion angegeben. Häufig handelt es sich bei solchen Katalogvorworten allerdings um Formulierungen von Kurator*innen oder Mitarbeiter*innen der Öffentlichkeitsarbeit. 53 Demetrion, James T.: Preface and Acknowledgements. In: Pasadena Art Museum (Hrsg.): Allan Kaprow. Pasadena: Castle 1967, S. 5–6, hier S. 5.

Der ›Fall Allan Kaprow‹ – Museumskritik im Namen von Kunst und Leben

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auf performative Kunst zuzuspitzen. Dabei wird noch genauer zwischen verschie­ denen Qualitäten und Stoßrichtungen performativer Museumskritik zu differenzieren sein, um das Spannungsfeld zwischen Institutionskritik und Institutionalisierung genauer abzustecken, in das sich Performance on Display als Phänomen einschreibt.

Drei Fälle performativer Museumskritik um 1970 Yayoi Kusama »But is it Art?« lautete die Bildunterschrift unter einer querformatigen SchwarzWeiß-Fotografie auf dem Titelblatt der New Yorker Tageszeitung Daily News vom 25. August 1969 (Abb.1.3).54 Sie zeigt eine Szene im Abby Aldrich Rockefeller Sculpture Garden des MoMA. Einige entblößte junge Frauen und Männer waten in einem Wasserbecken, in dessen Mitte Aristide Maillols Bleiskulptur The River ruht, ein über­ lebensgroßer, liegender Frauenakt.55 Im Hintergrund hat sich eine Gruppe schaulustiger Museumsbesucher*innen gebildet. Im Vordergrund schickt sich eine junge Frau an, das Bildfeld zu verlassen. Es ist die Künstlerin Yayoi Kusama, die Initiatorin des hier gezeigten Happenings. Ebenfalls im Vordergrund steht ein Museumsauf­seher, den die Bildunterschrift als »Security Officer Roy Williams« identifiziert. Einem zweiter Zeitungsartikel zufolge, beendete er das offenbar ebenso unerwartete wie unerwünschte Spektakel schnellstmöglich und verwies die Performer*innen des Museums.56 Kusama hatte zu dieser Aktion ein Manifest verfasst, das sie über eine Pressemitteilung verbreitete. In der Überschrift »Grand Orgy to Awaken the Dead at MoMA« griff auch sie den Topos des Museums als Mausoleum auf.57 In dem Text überschüttet sie das Museum mit multiplen Kritikpunkten: von der bereits genannten Totengräberstimmung (»No life stirs in empty room where Don’t touch is the rule«) über biopolitische Dimensionen der Ein- und Ausschlüsse durch das Museum (»[w]hile the dead show art, living artists die«)58, den Vorwurf, das Museum sei ein Ort für die Selbstdarstellung von Mäzenen und Eliten (»a show place for vanity«) bis hin zu den

54 55 56 57

O. A.: But Is It Art? In: New York Daily News, 25.08.1969. Aristide Maillol: The River, 1938–43 (Guss: 1948), Blei, 136,5 × 228,6 × 167,7 cm, MoMA, New York. O. A.: Living Nudes Take Over Museum. In: Evening News, 26.08.1969. Datum der Performance: 24.08.1969. Ein Jahr zuvor hatte der ehemalige MoMA-Mitarbeiter und Kritiker Gene Swenson das Museum bereits in einer Anzeigenkampagne als »Mausoleum of Modern Art« bezeichnet. U. a. in: Village Voice, 21.03.1968. 58 Hoptman, Laura et al. (Hrsg.): Yayoi Kusama. Nachdr. London: Phaidon 2001, S. 117.

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Exposition: Lebendige Kunst und die Institution Museum

Eintrittsgeldern (»[e]xhibitions should be free and not a dollar fifty«)59 und einem Seitenhieb auf den bigotten Umgang mit Nacktheit in der Kunst und der Realität (»[a]t the museum you can take your clothes off in good company«).60 Abschließend weist Kusama auf die Vorzüge ihrer eigenen lebendigen Kunst hin, die sie als »[s]oft sculpture« bezeichnet.61 Kusama hatte bereits ähnliche Aktionen an anderen prominenten Schauplätzen im öffentlichen Raum inszeniert, zum Beispiel vor der New Yorker Börse oder im Central Park.62 Presseankündigungen und Manifeste waren auch dort ein integraler Bestandteil der Werke gewesen. Die junge Künstlerin brach Tabus (insbesondere das der Nacktheit im öffentlichen Raum) und bot spektakuläre Bilder, sodass sie sich einer umfangreichen Presseberichterstattung sicher sein konnte. Der Erfolg dieser Taktik zeigt sich nicht zuletzt darin, dass sich im Museumsarchiv des MoMA heute an die hundert Presseausschnitte zu der Aktion aus aller Welt finden.63 Kusamas Museumskritik lässt sich deshalb zugleich als ein politischer Akt und als geschickter Selbstmarketing-Coup lesen.64 So wurde die Künstlerin auch bereits als »[n]oto­ riously self-promoting and ambitious« beschrieben, während andernorts ihre Außenseiterrolle als junge, weibliche japanische Künstlerin in New York betont wurde und damit die existenzielle Dimension ihres fortwährenden Kampfes um Aufmerksamkeit und Anerkennung. 65 Was die Position des MoMA zur Aktion betrifft, so ereilte Kusamas Happening das Museum offenbar völlig unvorbereitet.66 Die Verantwortlichen wussten sich nicht 59 Vollständiger Wortlaut: »A Message from Kusama Grand Orgy to Awaken the Dead at MoMA (otherwise known as the Museum of Modern Art). Featuring their usual display of nudes. At the museum you can take your clothes off in good company: RENOIR, MAILLOL, GIACOMETTI, PICASSO. I positively guarantee that these characters will all be present and all will be in the nude. (Sociological note: The nude has become socially acceptable among the more permanent residents of the garden of the museum. Phalli also as a la mode, particularly the harder varieties in granite, basalt and bronze.) This being the case, we will make this celebration traditional, in keeping with the tone of the Museum of Modern Art. // Thoughts on the Mausoleum of Modern Art What’s modern here? I don’t see it. Van Gogh, Cezanne, these other ghosts, all are dead or dying. While the dead show art, living artists die. Fame and reputations are sold across the counter. Here art, hard as diamonds, prevails over love; Diamonds for grand dames attending their funeral. MoMA is political, a show place for vanity. Politics has no place in love and art. No life stirs in empty room where Don’t [sic] touch is the rule. Exhibitions should be free and not a dollar fifty. Art should be priced for all to own – at the supermarket. Soft sculpture is alive, always preferable to hard sculpture. My love is like mixed media, mixing you and me.« Pressemitteilung zur Aktion, zitiert nach: Ebd. Hervorhebungen im Original, Zeilenumbrüche weichen vom Origi­nal ab. Als Namen der Performer*innen werden angegeben: Lunar Eclipse, Crystal Violence, Lasar Beam, Dill Dough, Infra Red und Looney Tunes. Ebd. 60 Ebd. 61 »Soft sculpture is alive, always preferable to hard sculpture.« Ebd. 62 Yayoi Kusama: Anatomic Explosion on Wall Street, 13.10.1968, 10:30 Uhr, Wall Street, New York. Dazu: Nixon, Mignon: Anatomic Explosion on Wall Street. October, 142. Jg. 2012, Herbst, S. 3–25; Yayoi Kusama: Alice in Wonderland, 11.08.1968, Alice in Wonderland Statue, Central Park, New York. Tänzer*innen: Ernie Blake, Rick Erling, Lydia Lee, Ted Ryan und Paul Sanford. Dazu: Hoptman 2001, S. 116. 63 Presseausschnitte: Yayoi Kusama: Grand Orgy to Awaken the Dead at MoMA. A-MoMA, PI, Series II A, Mappe 368. 64 Diese Kombination findet sich insbesondere in Kusamas Frühwerk häufiger. Auf der Venedig Biennale, 1966 verkaufte sie spiegelnde Kugeln vor der Hauptausstellung. Der Titel der Aktion lautete Narcissus Garden. Yoshimoto, Midori: Into Performance. Japanese Women Artists in New York. New Brunswick: Rutgers U P 2005, S. 68–69. 65 Zinnes, Harriet: Love Forever. Yayoi Kusama, 1958–68. In: Chicago Review, 44. Jg. 1998, H. 3/4, S. 187–192, hier S. 187. Zu Kusamas Kampf um Aufmerksamkeit in New York ab 1958 s. Yoshimoto 2005, S. 53 ff. 66 Hoptman 2001, S. 117.

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anders zu helfen, als auf Kusamas kalkulierte Provokation mit dem Rauswurf der Künstler*innen zu reagieren. Mit dieser unsouveränen Reaktion bestätigte das Museum unfreiwillig die Position der Künstlerin und trug – ebenfalls im Sinne der Künstlerin – dazu bei, die Berichterstattung zusätzlich anzuheizen. The Guerilla Art Action Group (GAAG) Nur wenige Monate nach Kusamas Happening, am 31. Oktober 1969, fand eine zweite künstlerische Guerilla-Aktion im MoMA statt, diesmal in den Ausstellungsräumen des Museums. Ihre Initiatoren waren Jon Hendricks und Jean Toche, die beiden Gründer und Drahtzieher der Guerilla Art Action Group (die GAAG).67 Foto­ grafien der Künstlerin Jan van Raay, die einige Jahre später in einem Kompendium aller Aktionen der GAAG veröffentlicht wurden, dokumentieren die Aktion.68 Sie zeigen, wie Hendricks und Toche in einem Saal des Museums Kasimir Malevichs Gemälde Suprematist Composition: White on White (1918) von der Wand abnehmen und an seiner Stelle ein Blatt Papier befestigen (Abb. 1.4–1.5). Dies war ein Manifest, in dem sie folgende drei Forderungen an das Museum stellten: 1. Das MoMA sollte Kunst im Wert von einer Million Dollar verkaufen und das Geld an die Armen aller Hautfarben (»of all races«) geben. 2. Das Museum sollte seine Machtstrukturen »bis zur Kommunalisierung« dezentralisieren. 3. Das Museum sollte bis zum Ende des Vietnamkriegs schließen.69

Die Bilder zeigen, dass es nicht lange dauerte, bis ein Museumsaufseher auf die Ak­ tion aufmerksam wurde und sich eine kleine Menschenmenge um die beiden Künstler bildete. Wie zuvor bei Kusama involvierte auch das Projekt der GAAG die Presse. Am Morgen vor der Aktion besuchten Hendricks und Toche eine befreundete Mitarbeiterin des Newsweek Magazine, Ann Ray Martin, und baten sie, ein Affidavit zu unterzeichnen. Darin versichern die Künstler, dass ihre Aktion kein »act of vandalism«

67 Verschiedene Künstler*innen kooperierten mit der Gruppe, doch schreiben die beiden Künstler: »The Guerilla Art Action Group is basically Jon Hendricks and Jean Toche«. Hendricks, Jon/Toche, Jean (Hrsg.): GAAG. The Guerrilla Art Action Group, 1969–1976. A Selection [1978]. Faksimile Ausg. New York: Printed Matter 2011, [o. S.]. 68 Ebd. O. S. [#2, Fotografien]. 69 Hendricks/Toche 2011, O. S. [#2, Manifest]. Das Museum wurde zudem beschuldigt, Kunst im Namen der gesellschaftlichen Eliten zu missbrauchen und dabei von den Verstrickungen der trustees des Museums mit Krieg und Kapital abzulenken. Allerdings heißt es dort auch: »This does not mean that art should cease to exist or to be produced – especially in serious times of crisis when art can become a strong witness and form of protest – only the sanctification of art should cease during these times.« Ebd. Hervorhebungen im Original.

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sei, sondern eine Protestaktion und eine Form von »Guerilla-Theater«.70 Die Künstler hofften, unter dem Deckmantel der Kunstfreiheit einer eventuellen strafrecht­ lichen Verfolgung zu entgehen. Nach der Aktion gab die GAAG eine Pressemitteilung heraus, die den Ablauf der Aktion beschreibt. Daraus geht hervor, dass das Museum, anders als im Falle Kusamas, die Künstler nicht hinauswarf. Stattdessen suchten die PR-Chefin Elizabeth Shaw und der Ausstellungsleiter Wilder Green das Gespräch. Green erklärte sich bereit, das Manifest an die Museumsleitung weiterzugeben, und bot den Künstlern sogar an, noch einige Augenblicke länger neben dem abgehängten Bild zu ›demonstrieren‹. Dies lehnten die Künstler jedoch ab und verließen unbehelligt das Museum.71 Die GAAG kehrte in den folgenden Wochen und Monaten für weitere Aktionen ins Museum zurück. Besonders spektakulär war ihre Aktion Blood Bath am 18. November 1969. Sie inszenierten dafür einen gewalttätigen Streit zwischen vier Personen im Foyer des Museums.72 Während sich die Streitenden gegenseitig die Kleider vom Leib rissen, verschütteten sie mehrere Liter Rinderblut und verstreuten hundert Kopien eines Manifestes, in dem sie den Rücktritt aller Mitglieder der RockefellerFamilie aus dem Vorstand des Museums forderten. Ihnen warfen sie vor, sich von ihrem »brutal involvement in all spheres of the war machine« mit Blutgeld und Geschenken an das Museum reinwaschen zu wollen.73 Nach dieser Aktion verschwanden die Künstler*innen wieder so schnell, wie sie gekommen waren. Auch diese Guerilla-Auftritte trafen das Museum unvorbereitet. Besonders bei der Malevich-Aktion fällt jedoch auf, dass seitens des Museums versucht wurde, eine Konfrontation mit den Künstlern zu vermeiden. Der Grund dafür war möglicher­weise die Angst vor einem Imageschaden durch negative Berichterstattung. Die provokante Aktion drohte das ohnehin angespannte Verhältnis zwischen den New Yorker

70 »At no time have they intended or will they intend to harm the paintings in the Museum or steal them or commit any act of vandalism. This is simply a protest, an act of guerilla theater.« Hendricks/Toche 2011, O. S. [#2, Affidavit]. Jon Hendricks erklärte am 03.03.2018 in einem informellen Gespräch mit der Autorin in New York, dass die GAAG sich mit ihrer Guerilla-Taktik an der San Francisco Mime Troupe orientierten. Die Erfindung des Guerilla-Theaters wird dem Gründer dieser Gruppe, Ron Davis, zugeschrieben, der 1965 ein Guerilla Theatre Manifesto verfasste. Dazu: Mason, Susan V.: San Francsisco Mime Troupe Legacy. Guerilla Theater. In: Harding, James M. (Hrsg.): Restaging the Sixties. Radical Theaters and their Legacies. Ann Arbor: U of Michigan P 2006, S. 196–212, hier insb. S. 178.; Mason, Susan V. (Hrsg.): The San Francisco Mime Troupe Reader. Ann Arbor: U of Michigan P 2005. Wie Martin Papenbrock bemerkt, wandte die GAAG das von Guy Debord für seine 1967 (zunächst auf Französisch) erschienene Schrift Die Gesellschaft des Spektakels entwickelte Prinzip des détournement an, indem sie Museum und Gemälde im Dienste ihrer politischen Botschaft zweckentfremdeten. Papenbrock, Martin: Museumsguerilla. Positionen von 1968 bis heute. In: Kunst und Politik. Jahrbuch der Guernica-Gesellschaft 2008, H. 13, S. 63–75, hier S. 66. Eine Übersetzung der Schrift Debords ist: Debord, Guy/Raspaud, Jean-Jacques: Die Gesellschaft des Spektakels [1. franz. Ausg. 1967]. Dt. Erstausg. 2. Aufl. Berlin: Tiamat 2013. 71 Hendricks/Toche 2011, O. S. [#2, Manifest]. 72 Die Performer*innen waren Jon Hendricks, Jean Toche, Silvianna [Goldsmith] und Poppy Johnson. Ebd. 73 Hendricks/Toche 2011, O. S. [#4, Manifest]. Für ihre sechste Aktion, die ebenfalls im MoMA stattfand, inszenierten sie am 3. Januar 1970 eine Gedenkveranstaltung vor Pablo Picassos Guernica (1937) für die getöteten Kinder des Massakers von My~ Lai in Vietnam. Hendricks/Toche 2011, O. S. [#6]. Diese Aktion war zugleich Teil der Aktivitäten der AWC, die (vergeblich) versuchte, Pablo Picasso persönlich für ihre Sache zu gewinnen. Vgl. Frascina, Francis: Meyer Schapiro’s Choice: My Lai, Guernica, MoMA and the Art Left, 1969–70, pt. 1 & pt. 2. In: Journal of Contemporary History, Jg. 30, 1995, H. 3, S. 481–511; H. 4, S. 705–728.

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Künstler*innen und dem Museum weiter zu verschärfen. Das MoMA befand sich seit einiger Zeit unter Beschuss durch verschiedene politisch engagierte künstler­ ische Gruppierungen, darunter die Art Workers Coalition (AWC).74 Es war bekannt, dass die GAAG zu eben diesem Kreis gehörte und die Forderung der AWC gegenüber Museen – nicht nur dem MoMA – im Wesentlichen teilte. Zu diesen Forderungen gehörten ein größeres Mitspracherecht und eine faire Bezahlung, Chancengleichheit für alle Künstler*innen unabhängig von ihrem Geschlecht oder ihrer Herkunft sowie eine klare Positionierung gegen den Vietnamkrieg. Allein die Methoden, mit der die GAAG ihre Forderungen vorbrachte, nämlich Protest zur Kunst zu erklären, unterschied sich von den Sit-Ins und öffentlichen Protestgesprächen der AWC. Mierle Laderman Ukeles Am Sonntag, den 22. Juli 1973 bot sich Besucher*innen des Wadsworth Atheneum in Hartford folgendes Bild: Eine junge Frau reinigte, mit Wischmopp, Wasserzuber und Putzlappen ausgestattet, vier Stunden lang die Außentreppe des Eingangsbereichs des Museums (Abb. 1.6). Anschließend setzte sie ihre Reinigungsarbeiten für weitere vier Stunden in den Ausstellungsräumen fort. Ungewöhnlich daran war, dass hier Rei­ nigungsarbeiten mitten am Tag und während der Öffnungszeiten des Museums statt­ fanden und dass sie nicht von einer Reinigungskraft, sondern von einer Künstlerin, Mierle Laderman Ukeles, ausgeführt wurden. Darüber informierte eine handgeschriebene und von Laderman Ukeles signierte Notiz mit folgenden Worten (Abb. 1.7): The cleanliness of this area is now being maintained as MAINTENANCE ART by Mierle Laderman Ukeles, artist. Please feel free to continue on your way right through the »dust painting[«] as she will be continuing to maintain it this whole day.75 Dies waren zwei von insgesamt vier Aktionen, die Laderman Ukeles an diesem Wochenende im Wadsworth Atheneum durchführte.76 Für eine weitere Aktion, The Keeping of the Keys, eilte sie durch das Museum und öffnete und verschloss verschiedene Ausstellungs- und Funktionsräume mit Schlüsseln, die sie vom Museums­ personal ausborgte.77 Damit intervenierte sie in die alltägliche ›Museums-Choreogra-

74 Zur Gründung dieser Vereinigung und den Auseinandersetzungen mit dem MoMA führte eine Episode um den Künstler Takis, der eines seiner eigenen Werke aus dem Museum entwendete, da er mit dessen Ausstellung dort nicht einverstanden war. Dazu: Bryan-Wilson, Julia: Art Workers. Radical Practice in the Vietnam War Era. Berkeley: U of California P 2010, darin das Kapitel: From Artists to Art Workers, S. 13. Allgemein zur AWC s. Bryan-Wilson 2010; Lippard, Lucy R.: The Art Workers’ Coaliton. Not a History. In: Lippard, Lucy R. (Hrsg.): Get the Message? A Decade of Art for Social Change. New York: Plume 1984, S. 10–19. 75 Transkription einer Abbildung in: Phillips [Making Necessity] 2016, S. 61. Der Hinweis auf ein »dust painting« war als Anspielung auf Marcel Duchamps großes Glas gemeint. Dazu ebd., S. 50 u. S. 192. 76 Washing / Tracks / Maintenance: Outside und Washing / Tracks / Maintenance: Inside, beide am 22.07.1973. S. auch: Phillips, Patricia C.: Making Necessity Art. Collisions of Maintenance and Freedom. In: Dies. (Hrsg.): Mierle Laderman Ukeles. Maintenance Art. New York, München, London: Prestel 2016, S. 22–193, hier S. 60–63. Ich danke Sigrid Ruby für die Anregung zur Beschäftigung mit Laderman Ukeles. 77 The Keeping of the Keys, 20.07.1973. Bilder und Beschreibung: Phillips [Making Necessity] 2016, S. 56–59.

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fie‹ und machte diese sichtbar. In der vierten Aktion, Transfer: The Main­tenance of the Art Object, reinigte sie eine reguläre Museumsvitrine und transfor­mierte diese durch ihre künstlerische Berührung in ein Kunstwerk (Abb. 1.8).78 Fortan, so erklärte sie, dürfe die Vitrine selbst von außen nicht mehr vom Reinigungspersonal, sondern nur noch durch professionelle Konservator*innen gereinigt werden.79 Damit verwies sie auf museumsinterne Hierarchien und den Stellenwert qualifizierter und nichtqualifizierter Arbeit. Alle diese Performances wurden umfangreich fotografisch dokumentiert und von der Künstlerin durch handgeschriebene Konzepte erläutert.80 Laderman Ukeles’ Performances fanden fast vier Jahre nach den Museumsaktionen von Kusama und der GAAG statt. Allerdings stammte das Konzept, auf dem sie beruhten, ebenfalls aus dem Jahr 1969. Damals verfasste sie das Manifesto for Maintenance Art 1969! Proposal for an Exhibition ›Care‹. 1969.81 In diesem Manifest stellt Laderman Ukeles die Begriffe »Entwicklung« und »Erhaltung« einander gegen­ über.82 Sie betont, dass ›Entwicklung‹ mit dem avantgardistischen Prinzip des Fortschritts und einer heroischen (und männlichen) Qualität verbunden sei, während Erhaltung (hier weiblich konnotiert) eher als lästige Notwendigkeit gelte und wenig gesellschaftliche Anerkennung genieße.83 Die Terminologie für das Manifest entlehnte Laderman Ukeles einem New Yorker Stadtentwicklungsplan, der zwischen städtischen Entwicklungs- und Erhaltungsmaßnahmen differenzierte.84 Die geschlechterspezifische Gegenüberstellung der beiden Prinzipien leitete sie aus ihrer persönlichen Lebenserfahrung ab. Da sie sich zwischen ihren Rollen als Künstlerin, Frau, Ehefrau und Mutter hin- und hergerissen sah und tagtäglich mit erhaltenden Tätigkeiten konfrontiert war, vom Wäsche­waschen bis zum Wickeln ihres Kindes, entschied sie, alle diese Aktivitäten, im Geiste von Marcel Duchamps Readymade, zur Kunst zu erklären.85 Interessant ist, dass das Manifest zugleich ein Ausstellungskonzept war. Die Künstlerin bewarb sich damit bei Museen um Ausstellungen, unter anderem beim Whitney Museum, jedoch ohne Erfolg.86 Erst 1973 konnte sie ihr Konzept in die Tat umsetzen. Der Hintergrund dafür war, dass Laderman Ukeles an der von Lucy Lip-

78 Vollständiger Titel: Transfer: The Maintenance of the Art Object: Mummy Maintenance: With the Maintenance Man, the Maintenance Artist, and the Museum Conservator, 20.07.1973. Laderman Ukeles kooperierte für diese Demons­ tration mit einer Reinigungskraft und einem Konservator des Museums. In der Vitrine lag die 50 000 Jahre alte Mumie einer Frau. Ukeles wählte möglicherweise dieses Objekt für die Aktion, da der Begriff mummy im Englischen auch ein Kosename für ›Mutter‹ ist. Bilder und Beschreibung der Aktion in: Phillips [Making Necessity] 2016, S. 50–55. 79 Ebd. 80 Ebd. 81 Ukeles, Mierle Laderman: Manifesto for Maintenance Art 1969! Proposal for an Exhibition ›Care‹. 1969. Transkription: https://web.archive.org/web/20190820142046/https://www.arnolfini.org.uk/blog/manifesto-for-maintenanceart-1969 (Zugriff: 20.08.2019). 82 Im Original: »development« und »maintenance«. Ebd. 83 Ebd. 84 Ihr Ehemann, Jacob B. Ukeles, war an diesem Papier beteiligt. Vgl. Phillips [Making Necessity] 2016, S. 24. 85 »I am an artist. I am a woman. I am a wife. I am a mother (random order).« Manifest, wie Anm. 81. Zur wiederholten Bezugnahme auf Duchamp s. Phillips [Making Necessity] 2016, S. 51 u. 54. 86 Woher sie jedoch keine Antwort erhielt. Vgl. ebd., S. 41.

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pard kuratierten Ausstellung ca. 7,500 teilnahm, die Arbeiten von insgesamt 26 Konzeptkünstlerinnen umfasste.87 Das Wadsworth Atheneum war die zweite von insgesamt acht Stationen der Ausstellung in den USA und in Großbritannien.88 Laderman Ukeles’ Aktionen fanden also im Kontext einer ›offiziellen‹ Ausstellung statt und wurden folglich, im Gegensatz zu den zuvor genannten Guerilla-Ak­ tionen, vom Museum unterstützt.89 Dennoch lag die Initiative für diese Performances allein bei der Künstlerin. Lippards Ausstellungskonzept sah nämlich keine Performances vor, wahrscheinlich aus finanziellen Gründen.90 Sie ermutigte Laderman Ukeles aber, sich mit ihren Projektvorschlägen direkt an die beteiligten Institutionen zu wenden. Diese zeigten beinahe alle Interesse und ermöglichten entweder eine Performance oder interaktive Interventionen der Künstlerin.91 Qualitäten und Stoßrichtungen performativer Museumskritik Die beschriebenen Aktionen hatten einiges gemeinsam: Es handelte sich um LivePerformances von Künstler*innen in Museen. Sie entstanden etwa zur selben Zeit, involvierten alle ein Manifest und formulierten Gesellschafts- und Museumskritik. Die Haltung der Künstler*innen war dabei merklich vom politischen Klima der ausgehenden 1960er-Jahre geprägt. Kusamas proto-feministische Aktion evozierte den Geist der Hippiebewegung und der sexuellen Revolution. Die GAAG stand wiederum der Antikriegsbewegung nah und setzte sich, eher allgemein, für eine gerechtere Welt ein. Laderman Ukeles’ Reflexion über die Rolle von Frauen und ihrer Arbeit in der Gesellschaft war individueller motiviert, wies jedoch, ganz im Geiste des aufkommenden Second-wave feminism, weit über ihr persönliches Schicksal hinaus.92 Eine weitere Gemeinsamkeit ist, dass Kusama, die GAAG und Laderman Ukeles performative Formate wählten, um ihre Anliegen öffentlich zu artikulieren. Performance als Medium zeigt sich hier also durchaus als widerständig. Diese Wider­ ständigkeit war allerdings nicht allein an Momente der Präsenz gekoppelt, wie dies die Argumente Peggy Phelans implizierten. Im Gegenteil, die Aktionen schlossen

87 Dies war die letzte von Lippards sogenannten Numbers Shows. Die Zahl im Titel dieser Ausstellungen bezog sich auf die Einwohnerzahl des Ortes, an dem sie zuerst gezeigt wurden. Im Fall von c. 7,500 war das Valencia in Kalifornien. Zu den Numbers Shows s. Butler, Cornelia H. (Hrsg.): From Conceptualism to Feminism. Lucy Lippard’s Numbers Shows 1969–74. London: Afterall 2012, darin zu c. 7,500: S. 207–243. 88 Die Stationen der Ausstellung in den USA waren: California Institute of the Arts, Valencia; Wadsworth Atheneum, Hartford; Moore College of Art, Philadelphia; Institute of Contemporary Art, Boston; Walker Art Center, Minneapolis und Smith College Museum of Art, Northampton. 89 Die Künstlerin arbeitete im Vorfeld mit Jack Cowart, einem Kurator des Wadsworth, zusammen, und das Museum veröffentlichte eine Pressemitteilung zu ihren Aktionen. Pressemitteilung [13.07.1973]: Wadsworth Atheneum: A conceptual art event. A-WA, Peter Marlow Curatorial Papers, Box 66, Mappe 10A. 90 Die Exponate zirkulierten per Post zwischen den Ausstellungsstationen. S. Phillips [Making Necessity] 2016, S. 44. 91 »Six institutions in the United States agreed to host a ›live‹ or interactive dimension«. Phillips [Making Necessity] 2016, S. 45. 92 Zur Feministischen Avantgarde und der Politisierung des Privaten s. Schor, Gabriele: Die Feministische Avantgarde. Eine radikale Umwertung der Werte. In: Dies. (Hrsg.): Feministische Avantgarde. Kunst der 1970er-Jahre aus der Sammlung Verbund, Wien. München: Prestel 2015, hier der Abschnitt Das Persönliche ist Politisch, S. 33 ff. Zu Laderman Ukeles ebd., S. 35.

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mate­ rielle Komponenten, wie Pressemitteilungen, dokumentierende Fotografie, Hand­zettel und Manifeste, als integrale Bestandteile ein, ja, sie waren für die Sichtbarkeit und Verbreitung der Anliegen sogar zwingend notwendig. Zudem konnte die Grenze zwischen politischer Aktion und künstlerischem Selbstmarketing fließend sein, wie sich besonders bei den beiden Künstlerinnen zeigte, wenn etwa Yayoi Kusama ihre spektakulären Aktionen für die Presse inszenierte oder Laderman Ukeles ihr Manifest bei der Bewerbung um Ausstellungen einsetzte. Alle beschriebenen Performances hatten einen museumskritischen Impetus, verweigerten sich aber dem Museum keinesfalls. Gleich, ob das Museum als Plattform für Kritik, als Gegenstand der Kritik oder beides genutzt wird, die Institution Museum ist für alle diese Künst­ler*in­ nen ein zentraler Bezugspunkt. Unterschiede zwischen den drei Positionen liegen in den Zielen und Qualitäten ihrer (Museums-)Kritik und auch in ihren kunstinhärenten Referenzen. Kusama knüpfte mit ihrem Happening lose an Ideen Allan Kaprows an sowie an die populärkulturelle Erweiterung der Happenings, insbesondere im Kontext der Hippiebewegung.93 Hendricks und Toche bezeichneten sich als »destruction artists« und nahmen damit Bezug auf eine Strömung der Aktionskunst, die sowohl im Wiener Ak­tio­ nismus als auch in der Fluxus-Bewegung populär war.94 Aus historischer Perspek­tive erinnert ihre Forderung nach einer Auflösung der Museumshierarchien an die oben genannte zerstörerische Museumskritik in Futurismus und Fluxus. Laderman Ukeles knüpfte wiederum an die Tradition des Readymades an. Sowohl Kusama als auch die GAAG wandten Guerilla-Taktiken und Strategien des körperlichen Protestes an, in Analogie zu den Bürgerrechtsaktivist*innen der Zeit, die sich mit Go-ins oder Sit-ins Sichtbarkeit im öffentlichen Raum verschafften.95 Nicht nur die Kunst, auch die Alltagswelt wurde in jener Zeit performativer und die beschriebenen Performances deuten auf eine gegenseitige Befruchtung beider Sphären hin. Die GAAG bezogen sich zudem direkt auf die Idee der Guerillakriegsführung, die damals in der linken Szene unter anderem durch die Schriften

93 Midori Yoshimoto schreibt über die Verbindung zwischen Kusama und Kaprow: »Between 1964 and 1966, Kusama had personal contact with Kaprow […] Kusama appropriated Kaprow’s term to her performances without any intention of accepting his influence on her art; she employed it rather casually because the term had also been popularized in the New York popular culture to refer loosely to any performance that involved some unexpected aspects.« Yoshimoto 2005, S. 69. Kaprow thematisiert das Diffundieren seines Konzeptes in die Gegen- und Populärkultur in: Kaprow, Allan: Pinpointing Happenings [1967]. In: Kaprow/Kelley 2003, S. 84–89. 94 Zu diesen Kunstströmungen s. Hoffmann, Justin: Destruktionskunst. Der Mythos der Zerstörung in der Kunst der frühen sechziger Jahre. München: Schreiber 1995. 95 Zur Übernahme militärischer Guerilla-Taktiken in die Kunst s. Kastner, Jens: Transnationale Guerilla. Aktivismus, Kunst und die kommende Gemeinschaft. Münster: Unrast 2007; Kastner, Jens: Aspekte der Guerilla-Form. Bildende Kunst und soziale Bewegungen um 1968. In: Grundrisse. Online-Publikation. https://web.archive.org/web/20200715041443/ http://www.grundrisse.net/grundrisse27/aspekteDerGuerilla-Form.htm (Zugriff: 15.08.2020); zur künstlerischen Linken in New York s. Frascina, Francis: Art, Politics, and Dissent. Aspects of the Art Left in Sixties America. Manchester: Manchester U P 1999, darin insbesondere die Kapitel 3 u. 4.

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Che Guevaras populär wurde.96 Während Kusama als ›Liebespredigerin‹ auftrat, präsentierte sich die Kritik der GAAG mit der Kombination von ›Destruktionskunst‹ und Guerilla-Taktik aggressiv und destruktiv.97 Laderman Ukeles’ Bezugnahme auf Duchamps Readymade zeugt von ihrem kritischen Interesse an den Strukturen und Wertesystemen der Kunstwelt. Readymades stellen bekanntlich die Konventionen der Kunstwelt durch die Übertragung von Alltagsgegenständen in den Kunstkontext auf die Probe. Durch den Bruch mit geltenden Konventionen werden diese sichtbar gemacht.98 Im Falle Laderman Ukeles’ waren es nun keine Alltagsgegenstände, sondern der Alltag selbst, der als Kunst ins Museum gebracht wurde. Damit erweiterte sich der Geltungsbereich der Kritik über die Kunstgegenstände hinaus auf das Museum als ein soziales Gefüge. Wie für das herkömmliche Readymade galt auch hier weiterhin, dass diese Praxis auf Kunstinstitutionen als Reibungsfläche angewiesen war und folglich nicht auf einen Bruch mit ihnen oder gar deren Zerstörung abzielte. Es mag ein historischer Zufall gewesen sein, doch scheint bezeichnend, dass Laderman Ukeles ihr Manifest im selben Monat schrieb, in dem die GAAG erstmals im MoMA auftrat. Mit der in dem Manifest gestellten Frage, »after the revolution, who’s going to pick up the garbage on Monday morning?«99, scheint die Künstlerin geradezu direkt auf die chaosstiftenden Aktionen der GAAG anzuspielen. Die anschließenden Aufräumarbeiten, etwa nach dem ›Blutbad‹, verrichteten dort selbstverständlich weder die Künstler*innen, noch das Museumsmanagement und schon gar nicht die Rockefellers, sondern das Reinigungspersonal. Indem Laderman Ukeles die Arbeit einer Reinigungskraft übernahm, zeigte sie Solidarität mit dieser Gruppe am unteren Ende der Museumshierarchie.100 Zugleich verwies sie darauf, dass

96 Eine Textsammlung, herausgegeben von Angelika Ebbinghaus, enthält einige der Texte, die die Künstler*innen der GAAG und ihre Zeit­ genoss*innen mit großer Wahrscheinlichkeit rezipiert haben, in deutscher Übersetzung. Zur Guerilla-Taktik waren dies: Castro, Fidel: Gedanken über die Guerilla [Erstm. auf Spanisch, 1966]. In: Ebbinghaus, Angelika (Hrsg.): Die 68er. Schlüsseltexte der globalen Revolte. Wien: Promedia 2008, S. 87; Che Guevara, Ernesto: Schaffen wir zwei, drei, viele Vietnam! [Erstm. auf Spanisch, 1966]. In: Ebd., S. 80–86. Ebenfalls populär war: Marcuse, Herbert: Repressive Toleranz [Erstm. auf Engl. 1965]. In: Ebd., S. 133–136. 97 Eine pazifistische Grundhaltung durch militantes Auftreten zu vertreten, ist eine gängige Paradoxie der Protestbewegungen dieser Zeit. Jens Kastner beschreibt dies als eine »in den Alltag diffundierte Militanz im Sinne einer kämpfer­ ischen Bereitschaft, gegen Unrecht anzugehen, ohne auf den historisch richtigen Moment dafür zu warten und ohne die quantitative Unterlegenheit als qualitative wahrzunehmen.« Dabei variiere, »wie metaphorisch und wie materiell diese Bestimmungen aufgefasst werden.« Kastner 2018, [Onlinepublikation, o. S.]. S. auch: Israel, Matthew W.: Kill for Peace. American Artists Against the Vietnam War. Austin: U of Texas P 2013. 98 Walter Grasskamp fasst Marcel Duchamps Readymade als eine alternative Strategie zur destruktiven Museumskritik des Futurismus und betont, dass Duchamp damit eine Methode entwickelt habe, um »die kunstvermittelnden Insti­tu­ tionen durch Beiträge zu kritisieren.« Grasskamp, Walter: Museumsgründer und Museumsstürmer. Zur Sozial­ geschichte des Kunstmuseums. München 1981. S. 61. An dieser Stelle sei angemerkt, dass auch Duchamp mit der Boîte-en-valise (1938–41) ein Alternativmuseum schuf, das seine bekanntesten Werke im Kofferformat enthielt. Einige Beispiele für dieses Multiple in: McShine 1999, S. 50–55. 99 Bryan-Wilson verweist auf die Nähe dieser Parole zum International Women Strike, 1970, allerdings entstand Laderman Ukeles’ Konzept früher. Bryan-Wilson 2010, S. 166. 100 Die Solidarisierung von Künstler*innen (meist Angehörige der weißen Mittelschicht) mit Arbeiter*innen war ein gängiges Phänomen in dieser Zeit und spiegelte sich auch in den Aktivitäten der AWC. Bryan-Wilson widmet sich diesem Phänomen und seinen Widersprüchen in einem Kapitel über Carl Andre’s Work Ethic, Ebd., S. 41 ff.

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Museen komplexe ›Organismen‹ sind, die nur durch die (oft nach außen unsicht­ bare) Arbeit vieler Menschen am Leben erhalten werden können. Darüber hinaus lässt sich Laderman Ukeles’ Maintenance Art, wenn sie in einem Museum stattfindet, auch als Hinweis darauf lesen, dass das Museum nicht nur eine Plattform für Neues ist, sondern immer auch der Fürsorge und Erhaltung von Kunst verpflichtet.101 Auch wenn dies keine von Laderman Ukeles beabsichtigte Lesart ihrer Arbeit sein mag, zeigt sich, dass sich mit ihrer Arbeit grundsätzlich andere Anliegen verbanden, als mit denjenigen der GAAG. Im direkten Vergleich der Aktionen von Kusama, der GAAG und Laderman Ukeles und mit den Prinzipien aus Laderman Ukeles’ Manifest vor Augen, einschließlich der Geschlechterimplikationen, wird die revolutionäre und destruktive Museumskritik der GAAG als ein Privileg derer sichtbar, die den Zugang zum Museum als selbstverständlich betrachten konnten.102 In anderen Worten: um dem Museum spektakulär den Rücken kehren zu können, musste man zuerst einen Fuß in der Tür haben. Künstlerinnen, wie Kusama oder Laderman Ukeles, aber auch artists of color und andere marginalisierte Gruppen mussten ihren Platz im Museum erst noch erkämpfen.103 Damit erscheint auch das aktive ›Selbstmarketing‹ bei Kusama und, in etwas dezenterer Form, bei Laderman Ukeles, in einem anderen Licht. Es lässt sich als ein Ringen um Sichtbarkeit im Kunstsystem lesen. Aus dieser Perspektive konnte der Einbezug ins Museum, die vielgescholtene ›Institutionalisierung‹, im Sinne eines Zugangs und eines Integriert-Seins in die Institution, ein wünschenswertes und emanzipatives Ziel sein. Die Integration von Kritik Im Vergleich zu Allan Kaprows Museumskritik, der diese losgelöst vom Inhalt seiner Kunst in Texten formulierte, wird deutlich, dass Kusama, die GAAG und Laderman Ukeles ihre Kritik in die Kunstpraxis integrierten und diese im Museum, dem Gegenstand ihrer Kritik, zur Aufführung brachten. Damit zeichnet sich erstens die Rückkehr zu einer Referenzialität in der Kunst ab, die in den ersten Nachkriegsjahrzehnten verloren gegangen war.104 Zweitens lässt sich diese Geste der Integration als Schritt in Richtung einer postmodernen Form der Institutionskritik lesen, die nicht von einem Standpunkt außerhalb des Systems, sondern, das eigene unweigerliche Eingebunden-Sein in dieses System reflektierend, aus seinem Innern vorgetragen wird. Diejenigen Formen der Body Art und der Performancekunst, um die es in den folgenden Kapiteln gehen wird, entwickelten sich im Rahmen ebendieser zunehmen-

101 Dies zu zeigen war kein erklärtes Anliegen der Künstlerin. 102 Gemeint sind hier vor allem weiße männliche Künstler der Mittelschicht, wie Jean Toche und Jon Hendricks. 103 Eine sehr gute Publikation zum Kampf von artists of color um Gleichberechtigung im Museum, der zeitgleich mit den hier beschriebenen Episoden entbrannte, ist: Cahan, Susan E.: Mounting Frustration: The Art Museum in the Age of Black Power. Durham: Duke U P 2016. 104 Gemeint sind hier die dominanten Kunstströmungen der 1950er- und 1960er-Jahre, wie der Abstrakte Expressionismus, die Minimal Art oder die Konzeptkunst, die sich durch eine besondere Selbstreferenzialität auszeichneten.

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den Selbstreflexivität der Kunst. Für beide war es deshalb möglich, eine kritische Haltung zu vertreten und dennoch Kunst im Museum oder für das Museum zu machen. Die Mitglieder der GAAG versagten es sich, diesen Weg weiter zu beschreiten, und schlossen eine Kooperation mit Museen kategorisch aus.105 Kaprow, Kusama und Laderman Ukeles arbeiteten hingegen noch oft mit Museen zusammen.106 Beabsichtigt oder nicht, trugen jedoch alle, auch die GAAG, dazu bei, Performance als Kunst im Museum zu etablieren, indem sie einen entsprechenden Möglichkeitsraum eröffneten. Für das MoMA jedenfalls waren die Aktionen von Kusama und der GAAG die ersten Kunst-Performances überhaupt.107 Der Blick auf die Rollen und Reaktionen der Museen in den beschriebenen Fällen machte deutlich, dass auch hier eine Tendenz zur Integration bestand. Die performativen Aktionen wurden zunehmend toleriert und im Falle von Laderman Ukeles sogar eingeladen. Sofern Museen den Kontakt zur Kunstproduktion und damit ihre Integrität108 nicht aufs Spiel setzen wollten, blieb ihnen nichts anderes übrig, als diese neuen künstlerischen Ausdrucksformen, einschließlich ihrer Kritik, anzunehmen und zu integrieren. Damit zeichnet sich ein Anbruchspunkt für eine Entwicklung ab, in deren Verlauf sich Museen zunehmend selbstreflexiv und selbst­ kritisch zeigten.109 Performance(-kunst) konnte für Museen deshalb gerade wegen ihres kritischen Images zu einem Instrument werden, Offenheit und Kritikfähigkeit zu demonstrieren. Am Beispiel des MoMA lässt sich dieser Integrationsprozess exemplarisch nachvollziehen. Interne Schriftwechsel zeugen davon, dass dort zunächst eine intensive Auseinandersetzung mit den Forderungen der AWC, der GAAG und anderen Gruppen stattgefunden hat sowie ein Ringen um eine adäquate Reaktion darauf.110 In einem Brief an die Museumsleitung schlägt der Mitarbeiter der Abteilung für Öffent105 Eine Integration von Aggregaten ihrer Auftritte in Publikationen, Archiven, Sammlungen und Ausstellungen fand dennoch statt. 106 Kusama wird heute von der einflussreichen David Zwirner Gallery vertreten. 2018 realisierte sie die Installation Rockaway! 2018 Narcissus Garden in Zusammenarbeit mit MoMA PS1. 01.07.–03.09.2018. Laderman Ukeles hatte 2016 eine große Retrospektive im Queens Museum, in deren Zusammenhang der bereits mehrfach zitierte Katalog erschien. Phillips 2016. 107 Jon Hendricks und Raphael Ortiz führten bereits 1968 im Rahmen der Ausstellungseröffnung von Dada, Surrealism, and their Heritage eine Protestaktion im MoMA durch, während der sie zwei lebende Hühner in der Ausstellung freiließen (in einem Saal mit Arbeiten von Marcel Duchamp und in der Hoffnung, Duchamp würde persönlich dort erscheinen, was jedoch nicht geschah). Eine Beschreibung der Aktion in: Cahan 2016, S. 202–203. 108 Schließlich ist es die Aufgabe von Museen für zeitgenössische Kunst, die Entwicklungen der Kunst zu verfolgen und abzubilden. 109 Die Künstlerin Andrea Fraser beschreibt diesen Prozess in: Fraser, Andrea: From the Critique of Institutions to an In­ stitution of Critique. In: Artforum, 44. Jg. 2005, H. 1, S. 278–283. Publikationen aus dem Museumsdiskurs, die diese Wende in den Blick nehmen, sind: Wallach, Alan (Hrsg.): Exhibiting Contradiction. Essays on the Art Museum in the United States. Amherst: U of Massachusetts P 1998; Lorente, J. P.: From the White Cube to a Critical Museography. The Development of Interrogative, Plural and Subjective Museum Discourses. In: Murawska-Muthesius, Katarzyna/Piotrowski, Piotr (Hrsg.): From Museum Critique to the Critical Museum. London: Taylor and Francis 2016, S. 115–128. 110 Aktensammlung: Art Workers Coalition and Protest Groups. A-MoMA, John B. Hightower Papers, Series III, Gruppe 1, Mappen 1–13. Neben der AWC waren auch afroamerikanische und puerto-ricanische Gruppierungen in die Proteste involviert. S. dazu: Cahan 2016, darin das Kapitel 4, S. 171 ff.

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lichkeitsarbeit, L. Kenneth Simsarian, eine offensive Politik der Integration vor und formulierte damit in aller Deutlichkeit aus, was in Zukunft gängige Praxis werden sollte. Er schreibt: Shouldn’t we take the initiative and get some good p.r. value out of our efforts instead of being prodded by outsiders and then not getting any credit for it? Instead of being like the management of a company that gives its employees a raise because they went on strike (and the employees are never grateful for the raise because they feel they won it the hard way) we could be like the enlightened management that avoids strikes, and even the formation of unions, by giving its workers what they want before they have even thought to ask for it. Since political questions and other issues involving the AWC and community groups can be expected to reoccur rather frequently, I think it would be wise for the Museum trustees and staff executive committee together with Mr. Hightower [Museumsdirektor] to work out a policy on its participation on such issues. Again using a comparison, instead of handling problems as best we can as they arrive, the way the State Department handles international crises, while we still have time to think without being under pressure we should evolve an overall policy and make that policy known.111 Da Simsarian innerhalb der Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit für special projects zuständig war, warb er mit seinem Brief auch für seinen eigenen Aufgabenbereich. Welche Rolle dieser konkrete Brief für die folgenden Entwicklungen gespielt hat, lässt sich heute kaum mehr nachvollziehen, doch ist die Politik, die er beschreibt, ab etwa 1970 sowohl für das MoMA als auch für andere Museen nachzuweisen. Vielerorts wurde zum Beispiel artist liaison staff eingestellt. Das waren meist junge und politisch engagierte Mitarbeiter*innen, die eine Brücke zwischen Museum und Künstler*innen schlagen sollten.112 Vielerorts wurden outreach-Programme und andere museumspädagogische Initiativen ins Leben gerufen, um bislang aus dem Museum ausgeschlossene Gesellschaftssegmente zu erreichen. Im Ausstellungsprogramm des MoMA wurden zusätzlich zu den herkömmlichen Ausstellungen experimentelle Kontrapunkte gesetzt. 1970 fand dort beispielsweise die von Kynaston McShine kuratierte Konzeptkunst-Ausstellung Information statt, unter anderem mit Hans Haackes partizipativer und institutionskritischer Installation MoMA Poll (1970).113 Eine Bildstrecke im dazugehörigen Ausstellungskatalog enthielt die Reproduktion eines Zeitungsartikels über Yayoi Kusamas MoMA-Happening, das damit nur ein 111 Brief [17.04.1970]: L. Kenneth Simsarian an John B. Hightower, Wilder Green u. Elizabeth Shaw. A-MoMA, John B. Hightower Papers, General Activities I.1, Mappe 14. Hervorhebung im Original. 112 Vgl. Rachleff, Melissa: Do it Yourself. Histories of Alternatives. In: Rosati, Lauren/Staniszewski, Mary A. (Hrsg.): Alternative Histories. New York Art Spaces, 1960 to 2010. Cambridge: MIT 2012, S. 23–39, hier S. 27. Die Kuratorin Marcia Tucker besetzte eine solche Stelle im Whitney Museum. 113 Das Publikum durfte vor Ort im Museum über folgende Frage abstimmen: »Would the fact that Governor [Nelson] Rockefeller has not denounced President Nixon’s Indochina Policy be a reason for your not voting for him in November?« Israel 2013, S. 157. Rockefeller gehörte damals zu den wichtigsten Förderern des Museums.

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Jahr nach seiner Entstehung in eine Ausstellung des Museums integriert wurde.114 1971 wurden mit der Projects Series115 und den Summergarden-Performances116 zwei neue lebendige Ausstellungs- beziehungsweise Veranstaltungsformate etabliert und mit der Ausstellung The Artist as Adversary die kritische Haltung von Künst­ ler*innen seit der Moderne regelrecht gefeiert.117 Jenseits der Frage, ob diese Aktivitäten den Forderungen der Künstler*innen tatsächlich entsprachen, lässt sich festhalten, dass Museen hier nachhaltig in Bewegung gerieten und die performativen Protestaktionen einen wesentlichen Anteil daran hatten.

Schlussfolgerung und Ausblick Es greift zu kurz, Performance und Museum als Gegenspieler oder die Institutionalisierung von Performance als eine Integration »wider Willen« aufzufassen.118 Alle Beispiele verweisen vielmehr auf einen Dialog zwischen Künstler*innen und Museen, der bisweilen hitzig und aufgeladen war, aber immer vielschichtig und voller Ambi­ valenzen. Das Museum war und blieb ein wichtiger (vielleicht sogar der wichtigste) Referenzpunkt für Künstler*innen und wurde neben Galerien, Theatern und alter­ nativen Kunsträumen auch einer der wichtigsten Aufführungsorte für Performance (-kunst). Die Akzeptanz des Eingebunden-Seins von Performance in das Kunstsystem ist eine Grundvoraussetzung dafür, die Frage nach dem Eintritt von Performance ins Museum überhaupt zu stellen und bearbeiten zu können. Anhand der Beispiele wurde

114 McShine, Kynaston (Hrsg.): Information. Ausst. Kat. New York, The Museum of Modern Art. Baltimore: Publication 1970, Katalogseite zur Kusama-Aktion: S. 187. 115 Dies waren/sind kleinere Ausstellungen zeitgenössischer, in den ersten zehn Jahren fast ausschließlich konzeptueller, Positionen. Für einen Überblick aller Projekte bis heute s. Webseite: MoMA. Project Series. https://web.archive.org/ web/20201020064145/https://www.moma.org/calendar/groups/4 (Zugriff: 20.10.2020). 116 Diese Performanceserie konzentrierte sich auf Musik und Tanz und fand im Skulpturengarten des Museums statt. Bis heute werden Jazz-Konzerte unter diesem Titel veranstaltet. S. Webseite: MoMA. Summergarden. https://web.archive. org/web/20200928040402/https://www.moma.org/calendar/programs/46#program-happenings (Zugriff: 28.09.2020). 117 The Museum of Modern Art (Hrsg.): The Artist as Adversary. Works from the Museum Collections (Including Promised Gifts and Extended Loans). Ausst. Kat. New York, The Museum of Modern Art. New York 1971. Die Ausstellung enthielt Werke, die angekauft werden sollten, darunter auffällig viele von nicht-weißen Künstler*innen. Die Kuratorin Betsy Jones schreibt in der Einleitung des Ausstellungskatalogs unter Verweis auf die gewalttätigen Proteste des Pariser Mai 1968: »[M]any artists today give evidence that there can be other, less violent means by which art can confront the menacing problems of our times.« Jones, Betsy: Introduction. In: The Museum of Modern Art 1971, 5–9, hier S. 9. Im 21. Jahrhundert setzte sich diese Tendenz fort, zum Beispiel in der Ausstellung Messing With MoMA: Critical Interventions at the Museum of Modern Art, 1939–Now, kuratiert von der Archivarin Jennifer Tobias im MoMA, 01.07.– 29.11.2015. Tobias, Jennifer: Messing with MoMA. Critical Interventions at the Museum of Modern Art, 1939–Now. Blogeintrag für das Museum, 26.05.2016. https://web.archive.org/web/20201004134339/https://www.moma.org/interactives/exhibitions/2015/messingwithmoma/ (Zugriff: 04.10.2020). Das Whitney Museum stellte 2017–18 seine Sammlungspräsentation unter das Thema des künstlerischen Protests. An Incomplete History of Protest. Selections from the Whitney’s Collection, 1940–2017, Whitney Museum, New York, 18.08.2017–27.08.2018. 118 Peter Bürger argumentiert, dass die »Avantgarden die Institution Kunst, die sie abschaffen wollten, wider Willen erobert« hätten. Bürger 2014, S. 107.

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deutlich, dass dies weder eine kritische Haltung seitens der Künstler*innen noch eine Wirksamkeit ihrer Kunst ausschließt. Die Institutionalisierung von Performance ist deshalb als ein komplexer, wechselseitiger Prozess aufzufassen, der sich anhand von Einzelfallstudien erschließen lässt. Für dieses Kapitel wurden bewusst museumskritische Performances ausgewählt. Dabei zeichnete sich ein ganzes Spektrum an Anliegen und Strategien in Bezug auf das Museum als Ort und als Institution ab. Die nun folgenden Generationen der Body-Art- und Performancekünstler*innen knüpften daran vielfach an, entwickelten aber auch ganz andere Vorstellungen, ob und wenn ja, wie der museale Raum zu nutzen sei. Für den modernen und postmodernen Tanz wiederum, bestand eine his­ torische Verbindung zur Institution Museum von vornherein nicht. Welche Heraus­ forderungen sich hier an die Kunst und ans Museum stellten, wird das folgende Kapitel zeigen.

Schlussfolgerung und Ausblick

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Tanz im white cube? Die Merce Cunningham Dance Company zu Gast im Walker Art Center, Minneapolis, 1972

Einführung Mehrere Gründe sprechen dafür, diese Untersuchung zur Geschichte von Perfor­ mance im Museum mit einer Tanzaufführung von Merce Cunningham und seinem Ensemble im Walker Art Center, Minneapolis (Walker) zu beginnen. Erstens entstand in den USA, lange bevor sich Performance als Kunstform her­ ausbildete, eine eigenständige Tradition des Modern Dance, in der auch Cunning­ ham steht.1 Bedeutende Wegbereiter*innen dieser Strömung, darunter Loïe Fuller oder Isadora Duncan, bemühten sich bereits im frühen 20. Jahrhundert um Auftritte in Museen und Ausstellungskontexten.2 Ihr Ansatz, hochkulturellen Tanz aus der Tradition des klassischen Balletts zu lösen und neue, individuellere Ausdrucks­ formen zu entwickeln, entsprach den avantgardistischen Prinzipien, die auch in der bildenden Kunst dieser Zeit galten. Martha Graham, die Grand Dame des US-amer­i­ kanischen Modern Dance, führte diese Tradition fort. Cunningham, der ihr Schüler war, gilt tanzhistorisch als Schlüsselfigur, die den Tanz in die Postmoderne führte.3 Im Anschluss und in Abgrenzung von seiner Tanzauffassung kam der postmoderne

1 Modern Dance meint hier eine spezifische US-amerikanische Strömung des Tanzes in der ersten Hälfte des 20. Jahrhun­ derts, die sich in Abgrenzung zum klassischen Ballett entwickelt hat. S. Koegler, Horst/Kieser, Klaus (Hrsg.): Wörter­ buch des Tanzes. 5. durchg. u. akt. Aufl. Ditzingen: Reclam 2018, S. 93–94. Eine breitere, nicht auf die USA begrenzte Untersuchung zum modernen Tanz, die auch Formen des Balletts einbezieht, ist: Huschka, Sabine: Moderner Tanz. Konzepte – Stile – Utopien. 2. Aufl. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt 2002. 2 Die Tänzerin Mata Hari trat zum Beispiel 1905 im Musée Guimet, Paris (in der Museumsbibliothek) auf und Isadora Duncan hatte 1900 einen Auftritt in der Londoner New Gallery sowie 1902 im Künstlerhaus München. Vgl. Brand­stetter, Gabriele: Tanz-Lektüren. Körperbilder und Raumfiguren der Avantgarde. 2. erw. Aufl. Freiburg i. Br., Berlin, Wien: Rom­ bach 2013, S. 84 ff. Loïe Fuller gab bei dem Architekten Henri Sauvage für die Weltausstellung in Paris, 1900, sogar ein eigenes Tanz-Museum in Auftrag. Dazu: Ostwald, Julia: Tanz ausstellen | Tanz aufführen. Choreografie im musealen Raum. München 2016, S. 46–48. 3 Zu Cunningham als Vorreiter des postmodernen Tanzes s. Banes, Sally (Hrsg.): Terpsichore in Sneakers. Post-Modern Dance [1983]. 43. Aufl. Middletown: Wesleyan U P 1987, darin das Kapitel: Sources of Post-Modern Dance, hier insb. S. 5–7.

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Tanz in den USA mit dem 1962 gegründeten Judson Dance Theater zu seiner Blüte, wobei einige Tänzer*innen aus diesem Umfeld, darunter Yvonne Rainer, Trisha Brown und Steve Paxton, bei Cunningham gelernt hatten. Erst mit Cunningham und den Judson Dance Künstler*innen etablierte sich Tanz im Museum. Tanz war zweitens ein wesentlicher Impuls für das Lebendigwerden der bilden­ den Kunst. RoseLee Goldberg verweist in diesem Zusammenhang auf die Futur­ist*innen und Dada-Künstler*innen im frühen 20. Jahrhundert, die Tanz und Thea­ ter in ihre künstlerische Praxis integrierten und sich dabei vor allem für die populäre Form des Varieté-Theaters interessierten.4 Goldberg betont des Weiteren die Bedeu­ tung der intermedialen Experimente zwischen Tanz und bildender Kunst am Bau­ haus, die in der Nachkriegszeit großen Einfluss auf die US-amerikanische Kunst­ szene ausübten.5 Hierfür war das interdisziplinär ausgerichtete Black Mountain College in North Carolina, wo einige bedeutende Vertreter*innen des Bauhauses lehrten, ein wichtiger Ort.6 Im Rahmen einer summer school mit dem Komponisten John Cage fand dort 1952 das sogenannte Black Mountain Happening statt, an dem neben Cage auch Merce Cunningham und Robert Rauschenberg beteiligt waren.7 Musik, Tanz, Literatur, Film und bildende Kunst trafen hier in einer von Cage konzi­ pierten Zufallschoreografie aufeinander.8 Diese Veranstaltung kann als das erste Kunst-Happening und als Anbruchspunkt einer multidisziplinären performativen Avantgarde in den USA gelten.9 Für Cunningham markierte das Ereignis außerdem die Geburtsstunde seines eigenen Ensembles.10 Drittens entsteht beim Blättern in den Museumsarchiven der Eindruck, dass Tanz – neben Neuer Musik – die ›Mutter‹ moderner Performanceveranstaltungen im Museum gewesen ist. In der zweiten Hälfte der 1960er-Jahre, also erneut bevor sich Performance als Kunstform etablierte, wurden einige einflussreiche Institutio­ nen, darunter das MoMA und das Whitney Museum, zur Bühne für Tanz.11 Frühere  4 Goldberg, RoseLee: Performance. Live Art 1909 to the Present. New York: Abrams 1979, darin die Kapitel 1 u. 3.  5 Ebd., S. 63 ff.  6 Darunter Josef und Anni Albers sowie Alexander Victor (Xanti) Schawinsky, der im Bereich Tanz besonders einfluss­ reich war. Vgl. Ellert, JoAnn C.: The Bauhaus and Black Mountain College. In: The Journal of General Education, 24. Jg. 1972, H. 3, S. 144–152.  7 Gesamtkonzept: John Cage; Texte von M.C. Richards und Charles Olson; Film von Nicholas Chernovitch. Performer: neben Cage, Richards, Olson und Chernovitch auch Buckminster Fuller, Merce Cunningham und Robert Rauschenberg. Vgl. Online-Werkverzeichnis des John Cage Trust. Webseite: John Cage Trust. Theatre Piece (1952). https://web.archive. org/web/20201115175928/https://johncage.org/pp/John-Cage-Work-Detail.cfm?work_ID=313 (Zugriff: 13.08.2019).  8 Der John Cage Trust spricht von einer Aufführung von »unbestimmter Länge« für eine ebenso »unbestimmte Anzahl an Performer*innen«, »potentially involving music, dance, poetry, film etc.« Das Event wird dort auch unter dem Titel Theatre Piece (1952) geführt. Ebd.  9 Goldberg bezeichnet die Veranstaltung als: »[a]n evening of performance that […] created a precedent for innumerable events that were to follow in the late fifties and sixties.« Goldberg 1979, S. 82. 10 Vgl. Vaughan, David: Chronicle and Commentary. In: Harris, Melissa/Vaughan, David (Hrsg.): Merce Cunningham. Fifty Years. New York: Aperture 1997, S. 69. 11 Dass Musikveranstaltungen in Museen Tanzveranstaltungen vorausgingen, zeigt die Serie Composers’ Showcase im Whitney Museum, die sich ab 1968 zunächst Neuer Musik widmete und später Tanzveranstaltungen integrierte. Im MoMA wurde ab 1971 die Serie Summer Garden etabliert. Auch hier wurden Musik und Tanz präsentiert. Presseaus­ schnitte: Summer Garden, 1971. A-MoMA, PI, Series II A, Mappe 497; Presseausschnitte: Summer Garden, 1973. A-MoMA, PI, Series II A, Mappe 601.

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Vorstöße hatte es bereits ab den 1940er-Jahren gegeben, etwa als das MoMA durch eine Schenkung Lincoln Kirsteins eine ›Tanz-Sammlung‹ erhielt und vorübergehend eine entsprechende kuratorische Abteilung einrichtete.12 Wie sich im Rahmen dieses Kapitels zeigen wird, war auch das Walker Art Center eine Institution, die in dieser Zeit begann, mit Tänzer*innen zusammenzuarbeiten. Im Folgenden soll das Verhältnis von Tanz und Museum in den 1970er-Jahren näher untersucht werden. Ausgangspunkt dafür ist die Aufführung Event #32 der Merce Cunningham Dance Company (MCDC) im Walker, die 1972 im Rahmen einer einwöchigen Ensemble-Residenz13 stattfand. Dies war bei weitem nicht die erste Tanzperformance in einem Museum, doch ist die Veranstaltung wegen ihrer besonde­ ren Aufführungssituation und wegen der jeweils herausragenden Bedeutung Merce Cunninghams und des Walker für die Geschichte von Tanz im Museum von besonderem Interesse. Das Kapitel ist nach den drei Parametern Werk (beziehungsweise Aufführung), Künstler und Museum gegliedert, an die sich unterschiedliche Fragen knüpfen und die nun jeweils knapp eingeführt werden. Zunächst zum Werk und seiner Aufführung: Das Ungewöhnliche an Event #32 war, dass die Tänzer*innen der MCDC nicht nur in einem Museum, sondern sogar zwischen den Kunstwerken laufender Ausstellungen auftraten. Damit tritt der Tanz geradezu demonstrativ in das Territorium der bildenden Kunst ein. Wie genau gestal­ tete sich dieses Aufeinandertreffen von Tanz, bildender Kunst und Museum? Wie reagierte der Tanz auf die Kunst und auf den Museumsraum? Wie reagierte das Mu­ seum auf den Tanz? Was motivierte diese Grenzüberschreitung seitens der Künst­ ler*innen und seitens des Museums? Welche Implikationen ergaben sich für die Kunst und für das Publikum? Dies sind Fragen, die sich in Bezug auf die Aufführung stellen. Wie schon die Nummer im Titel Event #32 impliziert, war die Aufführung Teil ei­ ner Reihe beziehungsweise Werkgruppe, den Events. Die Kunsthistorikerin Hiroko Ikegami widmete sich dieser Gruppe in einem Katalogtext, der einen ersten Überblick über die Entstehung und Entwicklung des Formats gibt.14 Das Museum als Auffüh­ rungsort streift Ikegami allerdings nur flüchtig und fokussiert stattdessen auf die besondere örtliche Flexibilität der Events und ihr Verhältnis zum Publikum. Sie schreibt den Events ein aktivierendes Potenzial zu und spricht deshalb von einem

12 Die Sammlung enthielt unter anderem Bücher, Fotografien und Filmaufzeichnungen. Vgl. Bishop, Claire: The Perils and Possibilities of Dance in the Museum. Tate, MoMA, and Whitney. In: Dance Research Journal, 46. Jg. 2014, H. 3, S. 62–76, hier S. 64. Die Schenkung erfolgte 1939, die Einrichtung der Abteilung für Tanz 1944. Bereits 1948 wurde die Abteilung wieder aufgelöst und die Sammlung 1956 an die New York Public Library übergeben. 13 Der Begriff ist vom englischen Begriff ›residency‹ abgeleitet und bezeichnet das Phänomen der Artist-in-ResidenceProgramme, das seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts im Feld der zeitgenössischen Kunst Konjunktur hat. Vgl. Glauser, Andrea: Verordnete Entgrenzung. Kulturpolitik, Artist-in-Residence-Programme und die Praxis der Kunst. Bielefeld: transcript 2009, passim. 14 Ikegami, Hiroko: A Medium for Engagement. The Merce Cunningham Dance Company’s Events. In: Meade, Fionn/ Rothfuss, Joan (Hrsg.): Merce Cunningham. Common Time. Minneapolis 2017, S. 73–88.

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»medium for engagement«.15 Die Kunsthistorikerin Carrie Noland wiederum liest Events wegen ihrer Serialität als eine innovative Form der Archivierung und des Reenactment von Tanz.16 Zum Künstler: Für die Auseinandersetzung mit Cunningham als Künstler kann auf umfangreiche Forschungsliteratur zurückgegriffen werden. Neben publizierten Interviews sind hier zuvorderst die Publikationen des langjährigen Archivars der MCDC, David Vaughan, zu nennen sowie eine Autobiografie der Tänzerin Carolyn Brown, die über viele Jahre erste Solistin der MCDC war.17 Eine aufschlussreiche Analyse von Cunninghams Tanzästhetik hat zudem Sabine Huschka vorgelegt.18 Merce Cunningham (1919–2009), geboren in der Kleinstadt Centralia im Bundes­ staat Washington, absolvierte seine frühe tänzerische Ausbildung an der Cornish School, einer interdisziplinären Kunstschule in Seattle.19 1939 ging er auf Einladung von Martha Graham nach New York und wurde einer der ersten männlichen Solis­ ten in ihrem Ensemble.20 Neben dem Training bei Graham nahm er auf ihre Empfeh­ lung auch Ballettstunden an der School of American Ballet, wo zu dieser Zeit Lin­ coln Kirstein als Intendant und George Balanchine, ein wichtiger Vertreter des neo­ klassischen Balletts, wirkten.21 Elemente beider Richtungen, des Modern Dance und des modernen Balletts, flossen in Cunninghams eigene ›Cunningham Technique‹ ein.22 Seine ersten eigenen Choreografien entstanden ab 1944, meist in Zusammen­ arbeit mit seinem Lebenspartner John Cage (1912–1992). Cage war als music direc­ tor Gründungsmitglied des Cunningham-Ensembles, ebenso wie Robert Rauschen­ berg, der als resident advisor fungierte.23 Von 1967–1980 war der Maler Jasper Johns artistic director des Ensembles. Die enge Zusammenarbeit mit Musiker*innen und bildenden Künstler*innen war eine Konstante in Cunninghams Werk. Zum Museum: Das Walker richtete, als eines der ersten US-amerikanischen Mu­ seen, bereits 1970 eine eigene kuratorische Abteilung für darstellende Künste ein.

15 Ebd. 16 Vgl. Noland, Carrie: Inheriting the Avant-Garde: Merce Cunningham, Marcel Duchamp, and the »Legacy Plan«. In: Dance Research Journal, 45. Jg. 2013, H. 2, S. 85–121. Zu den Events s. auch Webseite: Merce Cunningham Trust. https://web.archive.org/web/20201115180412/https://dancecapsules.mercecunningham.org/overview.cfm?capid=461 23 (Zugriff: 11.08.2019). 17 Vaughan [Chronicle] 1997. Eine digitale Erweiterung dieser Publikation erschien als mobile App unter dem Titel Merce Cunningham. 65 Years. Brown, Carolyn: Chance and Circumstance. Twenty Years with Cage and Cunningham. Evanston: Northwestern U P 2009. 18 Huschka, Sabine: Merce Cunningham und der moderne Tanz. Körperkonzepte, Choreographie und Tanzästhetik. Würzburg: Königshausen und Neumann 2000. Zu Cunninghams Tanzästhetik s. Ebd., S. 206–217. 19 Cunningham studierte zunächst Theater und wechselte dann zum Tanz. Durch seine Tanzlehrerin Bonnie Bird, vor­ mals Ensemblemitglied bei Martha Graham, lernte er die ›Graham Technique‹ kennen. Vaughan [Chronicle] 1997, S. 15 ff. 20 Er blieb bis 1945 Mitglied in Grahams Ensemble. Ebd. 21 Cunningham, Merce/Lesschaeve, Jacqueline: From Seattle to New York. In: Cunningham, Merce/Lesschaeve, Jacque­ line (Hrsg.): The Dancer and the Dance. Merce Cunningham in Conversation with Jacqueline Lesschaeve. New York: Boyars 1985, S. 31–48, hier S. 38 u. 41. 22 Zu Cunninghams Position zwischen Modern Dance und Ballett vgl. Rose, Barbara: Merce Cunningham – Körper als Kunstwerk, Tanz als Leben. In: DU Zeitschrift der Kultur, 36. Jg. 1976, H. 7, S. 66–72, hier S. 66. 23 Rauschenberg hatte diese Position zwischen 1954 und 1964 inne.

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Damit wäre die von Claire Bishop aufgestellte These widerlegt, dass Museen erst nach 2000 begonnen hätten, Kurator*innen für Performance zu beschäftigen.24 Zu­ gleich steht das Walker aber, als private Museumsgründung mit Wurzeln im 19. Jahr­ hundert, auch modellhaft für die Institution Kunstmuseum in den USA. Am Beispiel der bewegten Geschichte des Museums, seiner Struktur und Architektur, lässt sich exem­plarisch nachvollziehen, wie sich künstlerischer und gesellschaftlicher Wandel auf das Programm und die Gestalt des Museums auswirkten. Von besonderem Inter­ esse ist dabei die Zeit um 1970, als das Museum einen vollständigen Neubau bezog, der eine zunehmende Erfahrungs- und Erlebnisorientierung der Künste und des Museumsprogramms wortwörtlich ›ver-körperte‹. Eine These dieses Kapitels ist, dass Tanzveranstaltungen, wie der hier untersuchte Auftritt der MCDC, ein besonders sichtbarer Ausdruck eben dieser allgemeineren ›Verlebendigungstendenzen‹, eines experiential turn, waren.25 Aufschluss über die Geschichte und Architektur des Walker geben vor allem Publi­ kationen des Museums selbst. Zur Architektur erschien 1971 eine Sonderausgabe der museumseigenen Zeitschrift Design Quarterly.26 Anlässlich der Eröffnung eines Er­ weiterungsbaus im Jahr 2005 erschien ein umfangreicher Band zur Geschichte und Sammlung des Museums.27 Zudem besitzt das Walker eine hervorragende Webseite, auf der in unregelmäßigen Abständen wissenschaftliche Texte zur Geschich­ te und zur Sammlungs- sowie Ausstellungstätigkeit des Museums veröffentlicht wer­ den.28 Merce Cunningham gehört bis heute zu denjenigen Tänzer*innen, die am häufigs­ ten mit Museen kooperierten. Allein im Walker absolvierte er mit seinem Ensemble neun Residenzen. Er schuf drei Bühnenproduktionen im Auftrag des Walker und die MCDC absolvierte dort insgesamt 17 Auftritte, der erste davon bereits 1963.29 2017 fand im Walker sowie im Museum of Contemporary Art, Chicago die Doppelausstel­ lung Merce Cunningham – Common Time statt, zu der ein opulenter Katalog er­ schien.30 Dieses besondere Verhältnis der künstlerischen Praxis Cunninghams und

24 »It was only in the late 2000s, however, that a small number of museums (including the Whitney) hired dedicated per­ formance curators.« Bishop, Claire: Black Box, White Cube, Gray Zone. Dance Exhibitions and Audience Attention. In: The Drama Review, 62. Jg. 2018, H. 2, S. 22–42, hier S. 27. 25 Vgl. Hantelmann, Dorothea v.: The Experiential Turn. In: Walker Art Center (Hrsg.): On Performativity. Online-Publi­ kation. https://web.archive.org/web/20200927233515/https://walkerart.org/collections/publications/performativity/ experiential-turn (Zugriff: 27.09.2020). 26 Walker Art Center (Hrsg.): Walker Art Center Design Quarterly 1971, H. 81. 27 Rothfuss, Joan/Carpenter, Elizabeth (Hrsg.): Bits & Pieces Put Together to Present a Semblance of a Whole. Walker Art Center Collections. Walker Art Center. Minneapolis: Walker Art Center 2005. 28 Webseite: Walker Art Center. https://web.archive.org/web/20201106232347/https://walkerart.org/ (Zugriff: 06.11.2020). 29 S. Webseite: Walker Art Center. Pressemitteilung [21.09.2016], Walker Art Center: Merce Cunningham: Common Time. https://web.archive.org/web/20201115184008if_/https://walkerart.org/press-releases/2016/walker-art-center-andmuseum-of-contemporary (Zugriff: 15.11.2020). 30 Ausstellungsdaten im Walker Art Center: 08.02.–30.07.2017); Ausstellungsdaten im MCA Chicago: 11.02.–30.04.2017. Katalog: Meade, Fionn/Rothfuss, Joan (Hrsg.): Merce Cunningham. Common Time. Ausst. Kat. Minneapolis, Walker Art Center. Minneapolis 2017.

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seiner Events zum Museum wurden in der Literatur bislang nur unzureichend be­ leuchtet. Dabei bezeichnete Claire Bishop die Events in der knappen historischen Einleitung zu ihrem Aufsatz über »Dance Exhibitions and Audience Attention«31 so­ gar als »blueprint for dance within galleries«.32 Es sei »striking [Bishop spricht über die heutige Zeit] that interest from museums and galleries has focused on choreo­graphy belonging only to certain traditions, above all Merce Cunningham and Jud­ son Dance Theatre«.33 Bishop verweist damit auf die Kompatibilität von postmoder­ nem Tanz und Museum, verzichtet aber auf eine Erklärung, worin genau die Gründe für diese besondere Kompatibilität gelegen haben könnten. Die Tanzkritikerin und -historikerin Sally Banes wies 1987 mit einigem Nach­ druck auf das symbiotische Verhältnis von postmodernem Tanz und Museum hin: [B]y the late sixties, galleries and museums had become the most common venue for post-modern dance performance. This was possible partly because visual artists moved away from making objects in the sixties, presenting perfor­ mances or videotape installations, rather than things to be stationed on the walls or on the floor. In this context, dance events fit both aesthetically and practically into the programming of museums and art festivals both in the Uni­ ted States and in Europe.34 Banes sucht also den Grund für die Kompatibilität von postmodernem Tanz und Museum auf der Ebene des Mediums beziehungsweise in der Annäherung der bil­ denden Kunst, die sich ab den 1960er-Jahren zunehmend für Fragen der Zeitlichkeit und des Raums interessiert, an den Tanz. Sie setzt dabei voraus, dass Museen die Entwicklungen der bildenden Kunst wie selbstverständlich mitvollzogen hätten und deshalb geradezu automatisch zum Ort für Tanz geworden seien. Ob und wenn ja, welche Anpassungen den Museen – und auch den Tänzer*innen – abverlangt wur­ den, bleibt offen. Julia Ostwald schließt unmittelbar an Banes an und fügt hinzu, dass auch ökono­ mische Anreize zu der wachsenden Zahl an Tanzveranstaltungen in Museen um 1970 beigetragen haben könnten. Anders als Theaterhäuser hätten Museen für Auf­ tritte keine Miete oder technische Aufwendungen in Rechnung gestellt und seien deshalb besonders attraktive Auftrittsorte gewesen.35 Auch solche ökonomischen und organisatorischen Aspekte werden im Folgenden zur Sprache kommen. Die Ansätze von Bishop, Banes und Ostwald sollen in diesem Kapitel auf ein brei­ teres historisches Fundament gestellt werden. Die verhältnismäßig gute Archiv­lage – das Walker besitzt eine (unvollständige) Videoaufzeichnung sowie zwei Mappen mit Korrespondenz und Dokumenten zur Veranstaltung, zudem gibt es ei­nige Fotografien 31 Bishop 2018. 32 Ebd., S. 28. 33 Tanz habe einen Vorteil im Museumskontext gehabt, da diese Kunstform von vornherein nicht die Regeln der bilden­ den Kunst – z. B. Käuflichkeit – befolgen musste. Ebd., S. 27. 34 Banes 1987, S. xviii. 35 Sie bezieht sich hier auf eine entsprechende Aussage Yvonne Rainers. Ostwald 2016, S. 53.

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von James Klosty – ermöglicht eine Rekonstruktion von Event #32 und seiner räum­ lichen und organisatorischen Kontexte.36 In zwei getrennten Blöcken werden anschließend Cunninghams künstlerische Praxis und die Geschichte des Walker – als Institution und in seiner baulichen Form – beleuchtet. Dabei liegt das Augenmerk auf den Analogien zwischen (post-)moder­ nem Tanz und (post-)modernem Museumskonzept, die, so die These, beide den Zeit­ geist der frühen 1970er-Jahre aufgreifen und sich mit ihrem Fokus auf Flexibilität und Modularisierung als äußerst kompatibel erweisen.

Event #32 im Walker Art Center Rekonstruktion der Veranstaltung Event #32 fand am Abend des 12. März 1972 statt und war die Abschlussveranstal­ tung einer einwöchigen Residenz der MCDC in Minneapolis. Das Walker kündigte diese Residenz in einer Pressemitteilung mit großen Worten an (Abb. 1.9 –1.10): The revolutionary choreographer Merce Cunningham and his Dance Compa­ ny and Musicians will be in residency at Walker Art Center from March 6 through 12, giving performances, a seminar, and master classes […] In concep­ tion, Cunningham’s art has to do with freedom – of pushing the boundaries of dance to their ultimate region of pure freedom. One of the first to dissociate dance from music, Cunningham prefers to re-involve his dancers in the sounds of life. While the company is known for its mathematical precision and techni­ cal order, Cunningham determines the movements in his dances by random choice. Of his experiments in choreography, he says, »I have the feeling every time I make a new piece that at last I’m beginning«.37 Weiter unten kündigt der Text die Aufführung von Event #32 als »Gallery Perfor­ mance« an, die im Foyer und in drei angrenzenden Ausstellungssälen, den Galerien 1, 2 und 3, stattfinden sollte.38 In jeder dieser Galerien war zu diesem Zeitpunkt eine separate Ausstellung installiert. In der Galerie 1 war das eine Einzelausstellung des italienischen Arte Povera-Künstlers Mario Merz (1925–2003) – seine erste in den USA. Das Zentrum der Ausstellung bildete eines von Merz’ Fibonacci Igloos, eine halbkugelförmige Struktur aus Stahl und weißem Stoff, auf die in Neonschrift die Zahlen der Fibonacci-Reihe appliziert sind.39 Es gehörte zum Ausstellungskonzept, 36 Mein herzlicher Dank gilt Jill Vuchetich, der Archivarin des Walker, für ihre Unterstützung. 37 Pressemitteilung [21.02.1972, Nr. 67]: Walker Art Center: MCDC Residency March 6–12. A-WAC, Merce Cunningham Residency 1971–72, Mappe 1, S. 2. 38 Ebd. 39 Möglicherweise handelte es sich um dasselbe Werk, Igloo di Marisa (1972), das ab Juni 1972 auf der documenta 5 gezeigt wurde. Für Merz repräsentierten das Iglu und die Zahlenreihe jeweils ursprüngliche Gesetzmäßigkeiten des Lebens.

Event #32 im Walker Art Center

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dass Merz diese Zahlen im gesamten Museum verteilte und so die Grenzen des ihm zugewiesenen Ausstellungsraums übertrat.40 In der Galerie 2 fand eine Gruppenausstellung mit dem Titel Introduction: 7 Young Artists mit jungen bildhauerischen Positionen aus der Region statt, die mit jeweils einer Arbeit präsent waren. Dazu gehörte eine große Wandarbeit von Michael Devo­ ni, eine abstrakte Komposition horizontaler Streifen, die sich wie eine Straßenkarte zu geometrischen Strukturen verästeln. In unmittelbarer Nähe befand sich eine weit in den Raum auskragende Installation von Philip Ogle aus groben Holzplanken, die an V-förmig gespannten Seilen an der Decke aufgehängt sind. Eine weitere Installa­ tion von Dustin Davis bestand aus mehreren vertikal stehenden großen Plexiglas­ röhren, die am Boden mit dicken Seilen umwickelt sind.41 Eine Gemeinsamkeit die­ ser Installationen ist ihre Größe und raumgreifende Präsenz sowie ihre industriellen ›rohen‹ Materialien, typische Merkmale postminimalis­tischer Skulptur. In der Galerie 3 wurde eine Retrospektive des britischen Fotografen Bill Brandt (1904–1983) präsentiert.42 Durch eingezogene Wände wurde hier eine intimere Atmo­ sphäre geschaffen. An separaten Wänden wurde jeweils eine Werkserie gezeigt, dar­ unter sowohl dokumentarische Fotografie als auch einige nahsichtige Frauenakte der Serie Nude Abstract. Im abstrahierenden Licht-und-Schatten-Spiel dieser Akt­ fotografien zeigt sich Brandts Interesse an surrealistischer Fotografie. Abgesehen von der Tatsache, dass die drei Ausstellungen Werke lebender Künst­ ler*innen zeigten, bestand zwischen ihnen kein ersichtlicher Zusammenhang. Mög­ licherweise lag das Kriterium für ihre Kombination gerade in ihrer Verschieden­ artigkeit. Dies war das Setting, in dem Cunningham und neun Tänzer*innen seines Ensem­ bles eine etwa anderthalbstündige Choreografie aufführten.43 Begleitet wurde ihr Auftritt von drei Musikern, John Cage, Gordon Mumma und David Tudor, die an verschiedenen Stellen der Ausstellungen positioniert waren. Die von ihnen erzeug­ ten Klänge drangen über Lautsprecher in alle Ausstellungsräume. Die dezentrale Anlage ermöglichte es dem Publikum, sich während der Aufführung zwischen den Szenen umherzubewegen oder sich auf Sitzbänken, in den Treppenzonen zwischen den Galerien und am Boden auf Sitzkissen niederzulassen.

40 Eine Beschreibung der Ausstellung in: Celant, Germano (Hrsg.): Mario Merz. Ausst. Kat. New York, Solomon R. Guggen­ heim Museum. Mailand: Electa 1989, S. 29. Das Walker veröffentlichte eine Broschüre zur Ausstellung mit einem Inter­ view mit Mario Merz: Walker Art Center: Mario Merz. Ausst. Broschüre. Minneapolis, Walker Art Center, Minneapolis 1972. 41 Zuordnung der Werke nach Ikegami. Ikegami 2017, S. 82. 42 Bill Brandt: Photographs. Vgl. Ikegami 2017, S. 82. 43 Auf dem Programmzettel der Veranstaltung vom Vorabend werden neben Merce Cunningham folgende Tänzer*innen genannt: Carolyn Brown, Ulysses Dove, Douglas Dunn, Meg Harper, Nanette Hassall, Susana Hayman-Chaffey, Kris Komar, Sandra Neels und Valda Setterfield. Programmzettel: Merce Cunningham and Dance Company, 09.03.1972. A-WAC, Merce Cunningham Residency 1971–72; Mappe 2.

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Die Fotografien von James Klosty vermitteln einen ersten Eindruck vom Verhält­ nis von Tanz, Kunstwerken und Museumsraum. Ein Foto aus der Galerie 1 bietet einen weitläufigen Blick in einen offenen weißen Raum, in dessen Zentrum Mario Merz’ Fibonacci Igloo steht (Abb. 1.11). Von rechts bewegen sich drei Tänzer*innen auf dieses Zentrum zu. Sie sind in synchroner Schrittposition festgehalten, die Oberkörper kerzengerade und die Arme vertikal am Körper haltend. Obwohl sie un­ einheitliche Trainingskleidung tragen, lässt sie diese synchrone Formation und ihre besondere Körperspannung sofort als Tänzer*innen erkennen. Ebenfalls von rechts, aber weiter hinten im Bild, betreten einige weitere Tänzer*innen den Raum, diesmal in lockerer Gangart. Links neben dem Iglu ist Merce Cunningham in Liegestütz­ haltung am Boden zu sehen. Das Bild wird unten und am linken Rand von einem konzentriert auf die Szene gerichteten Publikum gerahmt. Einige Zuschau­er*innen sitzen am Boden, andere stehen oder lehnen an der Rückwand des Ausstellungs­ raums. Links im Hintergrund und etwas verdeckt steht ein kleiner Tisch mit einer Lampe darauf. Dort sitzt wahrscheinlich John Cage, allerdings ist sein Gesicht auf der Fotografie nur zu erahnen. Eine zweite Fotografie aus der Gruppenausstellung in der Galerie 2 zeigt die bei­ den Tänzer Douglas Dunn und Kris Komar, die unter der raumgreifenden Seil- und Holzplankeninstallation Untitled von Philip Ogle liegen (Abb. 1.12). Sie fügen sich geradezu passgenau in den Raum zwischen der Installation und dem Boden. Ihre ruhenden Körper zeichnen die horizontale Ausrichtung der Planken im Raum nach und scheinen damit auch mit deren von der Schwerkraft nach unten gezogenen Mas­ se und Gewicht zu korrespondieren. Der Blick Komars in Richtung Kamera erweckt den Eindruck, er agiere allein für die Kamera. Im Hintergrund sind einige weitere Tänzer*innen zu sehen, die im Raum zwischen der Installation und der Rückwand der Galerie stehen oder umhergehen. Zwei Fotografien aus der Galerie 3 zeigen einen Raum, der von links und rechts durch je eine dunkle und eine helle Stellwand durchtrennt wird und in dem mindes­ tens zwei Sitzbänke stehen (Abb. 1.13 –1.14). An den Wänden hängen, in Serien gruppiert, die Fotografien von Bill Brandt. Auf dem ersten Bild sind zwei Tänzerin­ nen in Ballett-Posen festgehalten.44 Sie beugen ihre Beine in einem Plié und halten ihre Arme in der dritten Position über den Köpfen. Die linke Tänzerin befindet sich im Zwischenraum der eingezogenen Wände und ihre dunkle Kleidung findet eine formale Entsprechung in der schwarzen Wand auf der linken Bildseite. Die rechte Tänzerin steht vor der hellen Wand. Mit ihrer hell-dunklen Kleidung scheint sie das Schattenspiel der schwarz-weißen Aktfotografien, die in ihrem Rücken hängen, in den Raum fortzusetzen. Der klare Bildaufbau gewinnt durch den Blickwinkel der Kamera, der von vorne links in den Raum führt und somit die Tänzerinnen nicht ganz frontal zeigt, an Dynamik. Momenthaftigkeit suggerieren zudem die (noch)

44 Links Carolyn Brown und rechts Susana Hayman-Chaffey.

Event #32 im Walker Art Center

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nicht vollständig ausgeführten Posen der beiden Tänzerinnen sowie der bewegungs­ unscharfe Fuß eines*einer weiteren Tänzer*in, der hinter der schwarzen Wand auf der linken Bildseite hervorschaut. Auf dem zweiten Bild sind im Vordergrund einige Zuschauer*innen zu sehen, die zusammengedrängt auf einer der Bänke Platz ge­ nommen haben und ein Duett Merce Cunninghams mit Valda Setterfield im hinteren Bereich des Raums aus sicherer Entfernung betrachten. Dabei nehmen sie offenbar in Kauf, dass die Szene durch eine der ein­gezogenen Wände ihrem Sichtfeld teil­ weise entzogen ist. Alle vier Fotografien vermitteln eine visuelle Harmonie zwischen Tanz und bilden­ der Kunst. Sie wirken präzise komponiert, obwohl die Tänzer*innen offensichtlich in Bewegung sind. Wer Publikationen oder Ausstellungen über Cunningham kennt, weiß, dass es meist solche Fotografien sind, die seine Werke aus dieser Zeit repräsen­ tieren. Cunningham präferierte offenbar diese Form der Aufzeichnung. James Klosty war einer der wenigen Fotograf*innen, die ihn und sein Ensemble bei der Arbeit foto­ grafieren durften.45 Im Vergleich zu diesen Bildern wirkt die Videoaufzeichnung der Veranstaltung – sie stammt vermutlich von einem Museumsmitarbeiter – roh und ungeschliffen.46 Sie wird wiederholt von Schnitten und Störsignalen unterbrochen und springt unstet zwischen den Schauplätzen in den drei Galerien hin und her. Such- und Zoombewe­ gungen der Kamera zeugen von einer regelrechten Überforderung angesichts der vielfältigen Sehangebote an unterschiedlichen Orten im Raum. Bisweilen schiebt sich die Kamera durch beachtliche Zuschauermengen.47 Einmal findet das Kamera­ auge einen guten Platz mit freier Sicht, ein andermal stehen Personen im Weg und verdecken das Sichtfeld. »Excuse me« ist die Stimme des Kameramanns zu hören, als sich ihm der Hinterkopf eines Zuschauers direkt vor die Linse schiebt.48 Da der Kamera gegenüber dem Publikum keine privilegierte Stellung eingeräumt wurde, dürfte diese Aufzeichnung der fragmentieren Seherfahrung des Publikums vor Ort nähergekommen sein als Klostys Fotografien aus erster Reihe.49 Das Video beginnt mit einer Szene in der Galerie 2. Mehrere Tänzer*innen betre­ ten das Sichtfeld. Einige bleiben sogleich an verschiedenen Orten im Raum stehen, 45 Klosty nahm als Amateurfotograf und Partner der Tänzerin Carolyn Brown an einigen Tourneen teil. Er veröffentlichte seine Bilder der MCDC unter anderem in einem Bildband: Klosty, James (Hrsg.): Merce Cunningham. New York: Lime­ light 1986; überarbeitete Neuauflage in verbesserter Druckqualität: Klosty, James: Merce Cunningham. Redux. 3. Aufl. New York: powerHouse Books 2019. 46 Videoaufzeichnung [12.03.1972]: O. A.: MCDC, Event #32, Walker Art Center, Minneapolis. S/W, Ton, 31:19 Min, digi­ talisiert. A–WAC digital. Der Archivarin Jill Vuchetich zufolge begann das Walker kurz vor der Performance damit, Veranstaltungen mit tragbaren Videokameras aufzuzeichnen. Jill Vuchetich per E-Mail, 18.09.2018. Dass es sich um ei­ nen Kameramann handelte legt die Männerstimme nah, die an einer Stelle der Aufzeichnung zu hören ist. S. Anm. 48. 47 Es liegen keine konkreten Zahlen vor, doch dürften es über die Räume verteilt weit über hundert Zuschauer*innen gewesen sein. 48 Video Event #32, 00:05:00. 49 Möglicherweise, da er mit Aufzeichnungen wie dieser unzufrieden war, entwickelte Cunningham ab 1974 gemeinsam mit Charles Atlas eigene Strategien zur Videodokumentation von Tanz. Oft bewegte sich die Kamera dabei zwischen und mit den Tänzer*innen. Vgl. Becker, Nancy F.: Filming Cunningham Dance. A Conversation with Charles Atlas. In: Dance Theatre Journal, 1. Jg. 1983, H. 1, S. 22–24.

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während andere beginnen, die Räume und Treppenzonen abzuschreiten (Abb. 1.15). Überall in den Räumen und auf den Treppen stehen und sitzen Zuschauer*innen, die Gassen bilden, damit die Performer*innen passieren können. Diese schreiten zügig, begegnen sich und entfernen sich wieder voneinander oder bleiben stehen. Ihre Bewegungen wirken zielstrebig, doch bleibt unklar, welche Regeln ihre Rich­ tung, Richtungswechsel oder ihr Stehenbleiben bestimmen.50 Diese Dynamik des Stehens und Herumgehens durchzieht die gesamte Choreo­ grafie. Es lösen sich immer wieder einzelne, manchmal mehrere Tänzer*innen aus dem Gesamtgefüge, die dann an unterschiedlichen Orten der Ausstellungsräume Soli, Duette oder Gruppenszenen tanzen. In der Galerie 3 zeigen zum Beispiel Caro­ lyn Brown und Ulysses Dove ein Pas de deux, dessen Dynamik von abrupten Tempo­ wechseln bestimmt wird.51 Rasche Bewegungen finden ihren Gegenpart im Stillstand oder in sehr langsam ausgeführten Schrittfolgen oder Gesten. Zunächst nimmt Dove verschiedene Positionen am Boden ein und Brown schreitet um ihn herum oder steigt über seine Arme und Beine hinweg. Dann steht Dove aufrecht und Brown führt, ihm zugewandt, mehrere langsame Verbeugungen vor ihm aus, die er, absolut stillstehend, mit den Augen nachvollzieht. Darauf folgt eine Hebefigur, bei der Brown in die Arme ihres Tanzpartners springt. Dort harrt sie für einige Sekunden mit ge­ grätschten Beinen und nach hinten gebogenem Oberkörper, sich an seinen Schul­ tern festhaltend, aus, bis sie die Figur durch einen Sprung zu Boden abrupt beendet (Abb. 1.16). Nun wechseln die Rollen. Brown steht still, während Dove vor ihr mehr­ mals in die Luft springt, gleichzeitig die Arme zur Seite ausbreitet und sie dann zur Landung wieder an den Körper führt. Dem folgen verschiedene gegenseitige Umkrei­ sungsbewegungen (Abb. 1.17). Oft werden dabei horizontales Liegen und vertikales Schreiten einander gegenübergestellt. Einmal liegen beide bei engem Körperkontakt am Boden übereinander und rollen sich in dieser Lage seitlich hin und her (Abb. 1.18). Anders, als es die Erwartung an ein herkömmliches Pas de deux vorgibt, wirkt dieses Duett mechanisch und emotionslos und es kommen weder Begehren, noch Hingabe oder Ablehnung zum Ausdruck. Merce Cunningham führt einige Minuten später in der Galerie 1 ein Solo auf, wäh­rend dem er Mario Merz’ Fibonacci Igloo umkreist.52 Die Umkreisung geschieht langsam, Schritt für Schritt, denn Cunningham bewegt sich gleichsam durch das Ein­ nehmen und Auflösen verschiedener, aufeinanderfolgender Posen fort. Er bleibt zum Beispiel auf einem Bein stehen, winkelt das Knie des Spielbeins vor dem Körper an und macht dann einen Schritt. Oder er legt sich auf den Boden und reckt die Beine im Schulterstand nach oben, lässt sich dann behänd auf den Boden zurückrollen und steht wieder auf. Kurze Zeit später begibt er sich in die Hocke und verlagert sein Gewicht, bis er kippt, um dann einen weiteren Schritt zu tun (Abb. 1.19–1.22).

50 Video Event #32, ab Min. 00:00:46. 51 Ebd., ab Min. 00:02:20. 52 Ebd., ab Min. 00:12:28.

Event #32 im Walker Art Center

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Solche konzentrierten Szenen wechseln mit sehr lebendigen Parts, zum Beispiel eine Sequenz aus Sprungelementen des gesamten Ensembles in der Galerie 2.53 Er­ neut sind nicht alle Tänzer*innen in Bewegung. Immer stehen einige am Rand und warten auf einen unsichtbaren Einsatz. Diejenigen, die in Bewegung sind, durchmes­ sen in raschem Schritt den Raum und führen dabei verschiedene temps levés aus – Sprünge, bei denen Absprung und Landung mit demselben Bein erfolgen – mit gestrecktem oder angewinkeltem Spielbein. Die Bewegungsrichtung kann dabei so­ wohl vorwärts als auch rückwärts sein (Abb. 1.23). In einer weiteren Gruppenszene in der Galerie 2 bewegen sich einige Tän­zer*in­ nen vor den Planken und Seilen der Installation von Philip Ogle.54 Sie öffnen und schließen ihre Arme und Beine in einem Rhythmus, der an Schwimmbewegungen unter Wasser erinnert (Abb. 1.24–1.25). Anschließend versammeln sich nach und nach alle Tänzer*innen in einem Kreis.55 Sie legen sich gegenseitig die Arme um die Schultern und lehnen sich leicht nach innen, wie dies Sportmannschaften vor Wett­ kämpfen zu tun pflegen. Da diese Formation direkt neben der Installation mit den großen Plexiglasröhren entsteht, scheint die Kreisform der Tänzer*innen für einen Moment die Rundungen der Röhren aufzunehmen (Abb. 1.26). Alsbald lösen sich die Tänzer*innen aber wieder aus der Formation und beginnen andernorts mit neuen Szenen. Alle diese Mikroszenen sind in einer Art kinetischen Verkettung miteinander ver­ bunden, doch ist nicht ersichtlich, was sie zusammenhält. Es ergibt sich keine nach­ vollziehbare Dramaturgie und auch keine lesbare Narration. Es wirkt sogar so, also würde immer dann ein Wechsel stattfinden, wenn sich ein Muster zu etablieren be­ ginnt. Dasselbe gilt für die einzelnen Bewegungen der Tänzer*innen. Die Bewe­ gungsabläufe erscheinen bewusst und absichtsvoll ausgeführt, doch ergibt sich kein Fluss, und es erschließt sich nicht, was die Aneinanderreihung der Bewegungen, ihre Sequenzen und Tempowechsel veranlasst. Die Präzision und Konzentration der Bewegungen kontrastieren dabei mit diesem Eindruck von Spontanität und Disso­ ziation. Das Bewegungsrepertoire der Tänzer*innen ist deutlich von Elementen des klas­ sischen Balletts geprägt, wobei die Gesten und Positionen abstrahiert erscheinen. Dazu im Kontrast stehen alltägliche Bewegungen, wie das lockere Herumgehen. Bis­ weilen ziehen Tänzer*innen, die gerade stillstehen, ihre Kleidung am Körper zurecht, was zu zusätzlichen kleinen Brüchen im Fluss der Aufführung führt. Ebenso unkon­ ventionell wirken solche Bewegungen, die an Yogapositionen, Kontaktimprovisation oder Turnübungen erinnern. Ein weiterer bestimmender Faktor ist der Einbezug von Horizontalität und Schwerkraft, wenn sich die Tänzer*innen auf den Boden bege­ ben, übereinander hinwegsteigen, Kriechbewegungen vollführen oder ihre Füße am

53 Ebd., ab Min. 00:04:44. 54 Ebd., ab Min. 00:14:13. 55 Ebd., ab Min. 00:16:35.

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Tanz im white cube?

Boden schleifen lassen.56 Auch diese Bewegungen werden sehr bewusst ausgeführt. Es gibt kein Fallen oder Stürzen und auch keine theatralen oder expressiven Gesten. Im Vergleich zum klassischen Ballett, zumindest in seiner vormodernen Form, ist die mechanische Emotionslosigkeit der Tänzer*innen auffällig. Im Vergleich zu den ex­ pressiven Choreografien Martha Grahams wird deutlich, dass Cunningham hier jeg­ liche Form des exaltierten Ausdrucks zu vermeiden suchte. Auf der Aufzeichnung ist schließlich auch der musikalische Part der Aufführung zu hören. In den ersten zehn Minuten sind dies verschieden lange und nicht-rhyth­ mische Töne und Tonfolgen eines Horns, gespielt von Gordon Mumma, der in einer Fensternische der Bill Brandt-Ausstellung sitzt.57 Gleichzeitig beginnt John Cage in der angrenzenden Galerie 1 über ein Mikrofon mit monotoner Stimme »diarylike prose«58 zu lesen.59 Sofern auf der Aufzeichnung verständlich, handelt es sich dabei um zusammenhangslose, autobiografische Konversationsfetzen. Parallel zu Cunning­ hams Solo am Fibonacci Igloo liest Cage folgende Konversation eines Arzt­besuches: »Irritation in my left eye was diagnosed by two doctors as chalazion. ›Is that a sty?‹ No, it’s chalazion. ›Will it go away by itself?‹ No, it has to be scraped out…«60 Cun­ ninghams Bewegungen scheinen dabei von diesen Worten gänzlich unberührt. Der­ weil entfaltet sich eine elektronische Geräuschkulisse, die an unterschiedlichen Stellen der Aufzeichnung immer wieder anschwillt und abebbt und für die David Tudor verantwortlich zeichnete. Das Klangrepertoire reicht von industriell-pulsie­ renden Geräuschen über ein insektenschwarmähnliches Summen und Sirren bis hin zu verzerrten, wabernden Tönen, elektronischem Rauschen und Feedback.61 Die von den drei Musikern simultan erzeugten Klänge fügen sich zu einer kakophonischen Klangwolke. Die Musik scheint ähnlich dissoziiert und ohne Narration, wie dies für den Tanz zu beobachten war. Es gibt keinen Takt oder Rhythmus in der Musik, zu dem sich die Tänzer*innen bewegen würden, keine gemeinsame Dynamik. Kurz: Es lässt sich kein Zusammenhang zwischen Musik und Choreografie herstellen. Das Verhältnis zum Publikum unterscheidet sich von einer herkömmlichen Büh­ nenaufführung in mehrfacher Hinsicht. Die beschriebenen Rezeptionsangebote der Choreografie, mit den einzelnen für sich stehenden Szenen an verschiedenen Orten der Ausstellungsräume, nähern sich den Konventionen einer Kunstausstellung an. Dort gleitet die Aufmerksamkeit von einem Werk zum anderen und ein direkter Zusammenhang nebeneinander gezeigter Werke ist zwar möglich, aber nicht zwin­ gend. Dies bedeutet auch eine Annäherung der Choreografie an die Zeitlichkeit

56 Ebd., ab Min. 00:28:46. 57 Ebd., ab Min. 00:05:45. 58 Ikegami 2017, S. 82. 59 Video Event #32, ab Min. 00:06:07. 60 Ebd., ab Min. 00:12:25. Einige dieser Passagen finden sich publiziert in: Cage, John: M. Writings ’67 – ’72. 2. Nachdr. Middletown: Wesleyan U P 1983, Zitat auf S. 212. 61 Tudor mischte in der Regel live erzeugte und aufgezeichnete Geräusche und Töne. Zu seiner elektronischen Musik vgl. Kuivila, Ron: Open Sources. Words, Circuits and the Notation-Realization Relation in the Music of David Tudor. In: Leonardo, 14. Jg. 2004, S. 17–23.

Event #32 im Walker Art Center

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eines Museumsbesuchs. Die Besucher*innen im Walker konnten während derAuf­ führung nach eigenem Belieben herumgehen und schauen. Die Isolation der Einzel­ szenen rückte die Körper der Tänzer*innen dabei in die Nähe allansichtiger Skulptu­ ren. Auffallend ist, dass das Publikum sich relativ wenig bewegte und sich eher in größeren Trauben an den Rändern der Räume oder auf den Sitzbänken und Treppen platzierte. Dabei hielten sich ungleich mehr Zuschauer*innen in denjenigen Räumen auf, die von den raumgreifenden Kunstinstallationen bestimmt wurden. Der Grund dafür könnte sein, dass diese Räume visuell interessanter erschienen. Es ist aber auch möglich, dass die meisten Betrachter*innen es bevorzugten, dem Tanz weniger exponiert gegenüberzutreten und eine eher passive Rolle einzunehmen, wie sie eine herkömmliche Bühnensituation bietet. Abschließend lässt sich eine der Erkenntnisse Hiroko Ikegamis bekräftigen: Die Begegnung von Tanz, Musik und bildender Kunst im Museumsraum macht einen harmonischen Eindruck.62 Besonders bei der Installationen in der Galerie 2 ergaben sich Korrespondenzen, wenn tänzerische Bewegungen und Posen die Richtungsver­ läufe oder Volumina der ausgestellten Werke aufnahmen oder spiegelten. Da die Tänzer*innen nie direkt mit den Kunstwerken interagierten, ja, nicht einmal Notiz von ihnen nahmen, scheint eine inhaltliche Bezugnahme des Tanzes auf die Kunst­ werke ausgeschlossen. Die Verbindung von Tanz und bildender Kunst verbleibt viel­ mehr auf einer assoziativen Ebene. Trotz oder gerade wegen eines fehlenden Narra­ tivs fügt sich die Choreografie geradezu ›natürlich‹ in ihre Umgebung. Sie wirkt spontan und als sei sie allein für diesen Ort entwickelt worden. Wie im Folgenden noch genauer gezeigt werden wird, ist diese besondere Ortsspezifizität ein typisches Merkmal der Cunningham’schen Events. Die organisatorischen Rahmenbedingungen der MCDC-Residenz Der Eindruck von Spontanität und ›Natürlichkeit‹ täuscht darüber hinweg, dass es sich bei diesem Auftritt und dem gesamten Aufenthalt der MCDC in Minneapolis um eine minutiös geplante Veranstaltung handelte. Die Planung für den Aufenthalt des Ensembles in Minneapolis begann etwa ein Dreivierteljahr im Voraus. Das frühste Dokument zur Residenz in den Archivakten des Museums ist eine beiderseits unter­ zeichnete Übereinkunft zwischen dem Walker und der Cunningham Dance Founda­ tion, dem institutionellen Träger der MCDC. Darin sind ein vorläufiger Zeitraum und die Dauer des Aufenthalts sowie die Gage für das Ensemble schriftlich festgehalten.63 Das Walker Art Center wird in dem Papier als »local sponsor« bezeichnet, und es

62 Ikegami betont diese Korrespondenzen als »more than just an insignificant coincidence«. Ikegami 2017, S. 82. 63 Vereinbarung [07.05.1971]: Jean Rigg und Suzanne Weil. A-WAC, Merce Cunningham Residency 1971–72, Mappe 1. Rigg arbeitete als administrator für die MCDC. Ebd. Der im Dokument angegebene Betrag belief sich auf 15 000 USD, bei berücksichtigter Inflation wären das heute beinahe 100 000 USD. Die Veröffentlichung der Gagensumme geschieht im Einverständnis mit dem Cunningham Trust. Inflation berechnet mit dem Inflationsrechner des Bureau of Labor Statistics, Zahl gerundet. Webseite: Inflationsrechner. USA. https://web.archive.org/web/20201115053455/https:// www.usinflationcalculator.com/ (Zugriff: 15.11.2020).

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Tanz im white cube?

wird auf eine Co-Finanzierung durch das sogenannte Coordinated Residency Tour­ ing Program des National Endowment for the Arts (NEA) verwiesen, der staat­lichen Behörde für Kunst- und Kulturförderung in den USA.64 Der Aufenthalt und die Veranstaltungen in Minneapolis waren Teil einer größe­ ren Tournee. Darauf verweist ein vorläufiger Tourneeplan des Ensembles, der zwi­ schen Mitte Februar und Mitte März 1972 eng getaktete Aufenthalte in New York, Toronto, im Mittleren Westen der USA und dann wieder in Philadelphia, an der Ost­ küste auflistet.65 Eng getaktet war auch die Woche in Minneapolis. Folgende Veran­ staltungen waren laut Pressemitteilung geplant: 6. März, 20 Uhr

Dialog zwischen Merce Cunningham und company musician John Cage,



Walker Art Center Auditorium.

7. März, 14 Uhr

Seminar mit Musiker*innen der MCDC (John Cage, Gordon Mumma, David Tudor),



Walker Art Center Auditorium.

7. März, k. U.

Masterclass, o. O.

8. März, k. U.

Masterclass, o. O.

8. März, 20 Uhr

Vortrag/Demonstration mit Ensemble und Musikern, Walker Art Center Auditorium.

9. März, 20 Uhr

Performance, O’Shaughnessy Auditorium, College of St. Catherine,



St. Paul. Programm: Walkaround Time, (1968) und Landrover, (1972).

12. März, 20 Uhr Galerie-Performance: Event #32, in der Lobby und den Galerien 1, 2 und 3, Walker Art Center.66

Die romantisierende Vorstellung einer Künstler*innen-Residenz als kreative Auszeit bei freier Kost und Logis trifft in Anbetracht dieser dichten Terminplanung nicht zu. Bei einer Residenz wie dieser handelte sich vielmehr um ein professionelles, vertrag­ lich geregeltes Arbeitsverhältnis zwischen Institution und Künstler*innen.67 Die Kos­ ten und der Nutzen waren für beide Seiten ebenso klar umrissen wie die Anforde­ rungen, die beide im Rahmen der Zusammenarbeit zu erfüllen hatten. Ein fünfseitiges Dokument mit der Überschrift »Basic Requirements« listet akri­ bisch die Anforderungen der MCDC, sowohl der Tänzer*innen als auch der Musiker, an gastgebende Institutionen auf.68 An erster Stelle werden dort die äußeren Rah­ menbedingungen für Auftritte spezifiziert, die je nach gewünschtem Veranstaltungs­ typ verschieden sein konnten. Zur Größe der Bühne heißt es beispielsweise:

64 Ebd. Zu diesem Programm s. S. 404 ff. 65 Die Daten und Orte sind: 15.–18.02.: versch. Orte im Bundesstaat New York; 20.–22.02. Toronto; 23.–27.02.: Galesbury und Peoria in Illinois [hier ungenaue Angaben]; 07.–12.03.: Minneapolis; 14.–16.03.: Philadelphia. Tourneeplan [11.01.1972]: MCDC, Frühjahr 1972 (Entwurf). A-WAC, Merce Cunningham Residency 1971–72, Mappe 1. 66 Übersicht erstellt durch Autorin. Daten aus der Pressemitteilung, wie Anm. 37. Am 10. März sollte außerdem ein Auf­ tritt an der University of Wisconsin in River Falls stattfinden. Das geht aus einem Briefwechsel hervor. Brief [24.02.1972]: Robert Beidler (Chairman Concerts Committee University of Wisconsin–RF) an Suzanne Weil, A-WAC, Merce Cunningham Residency 1971–72, Mappe 1. Beidler war Vorsitzender des Concerts Committee der University of Wisconsin, River Falls. 67 Hier ließe sich an die im Performancediskurs geführte Diskussion über die prekären Arbeitsverhältnisse von Künst­ ler*innen anschließen. Vgl. Kunst, Bojana: Artist at Work. Proximity of Art and Capitalism. Winchester, UK, Washing­ ton, D.C. USA: Zero Books 2015. 68 Informationsblatt: MCDC: Basic Requirements, ca. 1972. A-WAC, Merce Cunningham Residency 1971–72, Mappe 1.

Event #32 im Walker Art Center

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While several dances in the Cunningham Company repertory are quite flexible in regard to area, a performing space less than 40’ × 45’ [ca. 12 × 14 m] would reduce the number of pieces that could be presented or, in the case of an ›event,‹ would limit the choreographic material available for presentation. An area less than 30’ × 30’ [ca. 9 × 9 m] would not be adequate for a concert or event, but it would be adequate for a lecture/demonstration.69 Für alle Auftrittstypen galten dieselben Anforderungen an die Beschaffenheit des Tanzbodens, der ein hölzerner Schwingboden sein sollte.70 War die Oberfläche nicht glatt genug, um barfuß zu tanzen, sollte Linoleum darauf verlegt werden. Oberirdi­ sche Kabel oder an die Tanzfläche anschließende Stein- oder Betonböden sollten mit Teppichboden abgeklebt werden, um die Sturz- und Verletzungsgefahr der Tänzer*in­ nen zu minimieren. Sogar wann und wie oft der Boden gereinigt werden müsse, war festgelegt. Als Anforderungen für Bühnenauftritte folgen dann eine längere Liste zur notwendigen Ausstattung sowie Angaben zu den Probenzeiten des Ensembles.71 In einem weiteren, längeren Abschnitt wird aufgeführt, wie viele Umkleiden mit wel­ cher Ausstattung zur Verfügung stehen sollten: For any performance –– stage concert, lecture/demonstration, or event –– a minimum of four separate dressing rooms must be available for approximately ten to twelve dancers. […] In unconventional, non-theatre situations, we real­ ize that less adequate dressing areas must be used. However, we still require privacy, necessary square footage, nearby bathroom facilities (not shared by the public), and the above furnishings (chairs, tables, lights, clothes hangers).72 Neben diesen Anforderungen, die die Privatsphäre des Ensembles sicherstellten, gab es für Bühnenproduktionen noch weitere räumliche Anforderungen, zum Beispiel Abstell- und Lagerflächen für Material und Dekor.73 Dieses Papier basierte augenscheinlich auf der langjährigen Tournee-Erfahrung des Ensembles. Dass es in erster Linie auf Bühnenstücke ausgerichtet ist, zeigt, dass Museumsauftritte die Ausnahme von der Regel waren. Die Anforderungen führen auch vor Augen, dass nicht jede Choreografie zur Aufführung in einem Museum ge­ eignet ist. Bühnenorientierte Choreografien stellen grundlegend andere Anforderun­ 69 Ebd., S. 1. 70 Ebd., S. 1. 71 »(1) House curtain; (2) Three to five black velour borders (to provide complete masking); (3) Four to six pairs of black velour legs (to provide complete masking); (4) One black velour backdrop (preferably hung flat); (5) One Cyclorama (white preferred); (6) One white scrim; (7) (Optional) one black scrim. […] The dancers’ usual working schedule on a performance day includes 11:00 – 11:15 a.m. arrival at the theatre, rehearsal after warmup running from approximately 12:00 noon until 3:00 p.m., returning to the theatre approximately two hours before curtain time for warmup on stage.« Ebd., S. 2–3. Original teilweise in Listenform, Interpunktion durch Autorin. 72 Ebd., S. 1. 73 Darüber hinaus wird angegeben, dass die MCDC ihr eigenes Equipment mitbringt und bei Bedarf Werbematerial wie Poster, Flyer und Fotos zur Verfügung stellt. Angaben zur Regelung der Arbeitszeiten und Entlohnung von Hilfskräften werden ebenfalls gemacht. Die letzten beiden Seiten des Dokuments sind den Anforderungen der Musiker gewidmet. Ebd. Passim.

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Tanz im white cube?

gen an Raum und Technik, als sie ein musealer Ausstellungsraum bieten kann. Dies beginnt bei den meist harten und glatten Museumsböden und den im Raum platzier­ ten (Kunst-) Gegenständen, die für Tänzer*innen eine Sturz- und Verletzungsgefahr bedeuten können. Es betrifft aber auch die fehlenden Proben- und Rückzugsräume für die Performer*innen und schließlich die ›ästhetische Integrität‹ einer Choreogra­ fie, wenn diese etwa für eine frontale Bühnensituation konzipiert ist, ein spezifisches Dekor oder die Möglichkeit des seitlichen oder rückwärtigen Auf- und Abgehens der Tänzer*innen erfordert. Das Walker war, was solche Anforderungen betraf, für ein Museum verhältnis­ mäßig gut ausgestattet. Es verfügte zum Zeitpunkt der Residenz über ein Auditorium für kleinere Veranstaltungen und konnte im Regelfall – wenn auch nicht im hier diskutierten Beispiel – auf die Bühne des direkt ans Museum angrenzenden Tyrone Guthrie Theaters zurückgreifen. Die drei Galerieräume, in denen Event #32 haupt­ sächlich stattfand, besaßen zwar keine Umkleiden, doch schlossen daran für das Publikum unzugängliche Büroräume an, und es gab auf der ›Rückseite‹ des Mu­seums einen zweiten Eingang sowie eine Laderampe, die direkt in die erste Etage führte, sodass auf dieser Grundlage, zumindest provisorisch, adäquate Rahmenbedin­ gungen geschaffen werden konnten. Eine Kooperation wie diese barg nicht nur für das Ensemble einige Risiken, son­ dern auch für das Museum, das neben der Sicherheit der Tänzer*innen auch die Unversehrtheit seiner Kunstwerke und seines Publikums gewährleisten musste. Su­ zanne Weil, die von Seiten des Museums für die Veranstaltung verantwortlich war, betonte später, dass Performances in den Ausstellungsräumen und während laufen­ der Ausstellungen eine absolute Ausnahme gewesen seien. We almost never performed in the galleries. The only thing I ever had here in a gallery was a David Tudor installation because it was between shows. […] nothing turned me off [more than] somebody who came to see me who said [einen naiven Tonfall imitierend] ›hi, I wanna do a dance among the sculp­ ture.‹ Those were short meetings. […] I think once in a while it’s appropriate and it works but most of the time it’s a gimmick and it’s silly.74 Neben inhaltlichen Vorbehalten dürften hier vor allem auch Versicherungsfragen eine Rolle gespielt haben. Weil schildert in diesem Zusammenhang einen besonders prekä­ ren Fall, als Yvonne Rainer eine partizipative Choreografie mit herumspring­enden ro­ ten Gummibällen in den Ausstellungsräumen inszenieren wollte, was aus versiche­ rungstechnischen Gründen nicht gestatte werden konnte.75 Darüber hinaus bedeuten Abendveranstaltungen für Museen immer zusätzliche Betriebs- und Personalkosten. 74 Video: Walker Art Center: Suzanne Weil in Conversation with Philip Bither. 2001. Farbe, 55 Min. Online: https://web.archi ve.org/web/20210210193400/https://www.youtube.com/watch?v=-DjJEYu-bJk&feature=youtu.be (Zugriff: 30.12.2020), hier Min. 00:35:17. Auf das hier nicht erwähnte Event #32 angesprochen, sagte Weil: »That was fine, but that was Merce.« Ebd., Min. 00:35:05. 75 Ebd., Min. 00:33:40.

Event #32 im Walker Art Center

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Event #32 begann um 20 Uhr und überschritt die regulären Schließ­zeiten des Muse­ ums um mehrere Stunden.76 Da Weil mit Cunningham und seinem Ensemble bestens vertraut und nach eigenen Angaben sogar befreundet war, und da Event #32 weder partizipativ oder improvisiert war noch Gegenstände involvierte, die die Kunst ge­ fährden konnten, machte sie hier eine Ausnahme. Der Eindruck, dass es sich bei Event #32 um eine speziell für die Räume des Walk­er entwickelte Choreografie gehandelt haben könnte, zerschlägt sich bei genau­ erer Betrachtung. Eine einwöchige Residenz, zumal bei einem so vollen Terminplan, wäre viel zu kurz, um eine Choreografie dieser Länge und Komplexität zu entwi­ ckeln und einzustudieren. Cunningham plante und entwickelte seine Choreografien in der Regel minutiös und zum Teil über längere Zeiträume hinweg. Wenn der Ent­ wurfsprozess abgeschlossen war, studierte er mit den Tänzer*innen ihre individuel­ len Parts ein. Oft beauftragte Cunningham auch Musiker*innen und bildende Künstler*innen mit der Musik und Ausstattung seiner Stücke, was zusätzliche Zeit in Anspruch nahm. Auch erfüllten die tagsüber öffentlich zugänglichen Ausstellungs­ räume des Walker nicht die Bedingungen für intensive Proben. Interessant ist, dass für die Abschlussperformance der Residenz ursprünglich eine Aufführung von Canfield (1969), eines Stücks aus dem Repertoire des Ensembles mit Dekor und Kostümen von Robert Morris, vorgesehen war.77 Ikegami zufolge ist un­ klar, warum statt Canfield ein Event aufgeführt wurde.78 Eine plausible Erklärung für den Programmwechsel ist ein Ortswechsel. Ursprünglich war als Ort für die Ab­ schlussperformance nämlich das bereits genannte Guthrie Theater im Gespräch.79 Das Theater war jedoch belegt, weshalb die Aufführung in den Museumsraum verlegt wurde.80 Canfield war nun aus verschiedenen Gründen keine Option mehr. Ein zen­ traler Bestandteil dieses Stückes war das von Robert Morris entworfene Dekor, zu dem eine sieben Meter hohe Lichtsäule gehörte, die sich am vorderen Bühnenrand hin- und herbewegte und deren Hochleistungsscheinwerfer auf eine reflektierende Bühnenrückwand strahlten. Die Tänzer*innen trugen ebenfalls reflektierende An­ züge, sodass das Publikum einem ständig wechselnden Spiel von Licht, Schatten und blendend hellen Reflexionen ausgesetzt war. Diese Inszenierung war auf die räum­lichen und technischen Möglichkeiten und die Frontalsicht einer Theaterbühne angewiesen und für die Räume des Walker völlig ungeeignet. Selbst dessen größter Ausstellungssaal, die Galerie 6, mit etwa fünfeinhalb Metern Deckenhöhe, war viel

76 Die Öffnungszeiten des Walker aus dem Jahr 1972 liegen mir nicht vor, die Öffnungszeiten 1974 waren: Mo. geschlossen. Di.-Sa. 10–17 Uhr, Di. u. Do. 17–20 Uhr (nur Sonderausstellungen), So. 12–18 Uhr. Veranstaltungskalender [Mai 1974]: Walker Art Center. May 1974. A-WAC, Performing Arts Coordinator Sue Weil, Fiscal Year 1973–1974, Box 18. 77 Dazu: Vaughan [Chronicle] 1997, S. 169–171. 78 »They were planning to perform Canfield, but for reasons that are unclear they instead danced an Event that included most of the Canfield choreography.« Ikegami 2017, S. 82. 79 Korrespondenz: Suzanne Weil und David Hawkanson. A-WAC, Merce Cunningham Residency 1971–72, Mappe 1. Hawkanson war Geschäftsführer des Tyrone Guthrie Theater. 80 Ebd.

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Tanz im white cube?

zu niedrig, um die Lichtsäule zu installieren.81 Cunningham reagierte mit seiner Ent­ scheidung für ein Event also auf die besondere Raumsituation im Museum.

Die Werkgruppe der Events im Kontext von Cunninghams Werk Zur Entstehung der Events Cunningham entwickelte das Format der Events schon einige Jahre vor dem Auftritt in Minneapolis, »out of necessity«, wie Ikegami betont.82 Bezeichnend ist, dass es die Einladung in ein Museum war, die ihm den Anstoß dazu gab. Während der ersten Welttournee der MCDC im Jahr 1964 erhielt das Ensemble eine Einladung für einen Gastauftritt im Museum des 20. Jahrhunderts in Wien.83 Der Museumsbau, ein moder­ nistischer Stahl-Glas-Kubus, verfügte weder über eine Bühne noch über einen Back­ stage-Bereich.84 Die offene Ausstellungsfläche im Erdgeschoss des Museums war von gläsernen Wänden umschlossen und wurde lediglich durch einige Stellwände unter­ brochen. Wie später in Minneapolis, war es für Cunningham ausgeschlossen, an die­ sem Ort ein Stück aus dem Repertoire zu zeigen.85 Gemeinsam mit John Cage ent­ warf er deshalb in loser Anlehnung an das oben genannte Black Mountain Happen­ ing das erste Museum Event, das später den Titel Museum Event #1 erhielt.86 Der Auftritt dauerte zwischen anderthalb und drei Stunden und bestand aus einer Zusammenstellung kurzer Partien aus dem Repertoire, die zum Teil simultan an verschiedenen Orten im Raum gezeigt wurden.87 Dazu erklang live John Cages Atlas Eclipticalis (1961–62), eine Komposition, die auf der Übertragung einer Sternen­

81 Zu einer Rekonstruktion des Set-Designs, 2017 s. Coyne, Mary: Wear Dark Glasses. Relighting Merce Cunningham’s Canfield. Walker Art Center. Minneapolis 2017. https://web.archive.org/web/20201118172543if_/https://walkerart. org/magazine/wear-dark-glasses-the-relighting-of-merce-cunninghams-canfield (Zugriff: 27.08.2019); zur Choreografie von Canfield S. Vaughan [Chronicle] 1997, S. 168–171. Angabe zur Deckenhöhe: O. A.: O. T. In: Walker Art Center 1971, S. 15. [Original o. S.]. 82 Ikegami 2017, S. 74. 83 Die Einladung erfolgte durch den damaligen Museumsdirektor Gerhard Rindauer, der Cunningham und sein Ensemble auf einer Reise nach New York kennengelernt hatte. Vgl. Vaughan [Chronicle] 1997, S. 138–139. Die Aufführung fand am 24.06.1964 statt, visuelle Dokumentation ist nicht bekannt. 84 Der Bau war ein Entwurf des Architekten Karl Schwanzer für den österreichischen Pavillon auf der Weltausstellung in Brüssel, 1958. Er wurde anschließend nach Wien überführt und 1962 als Museum eröffnet. 85 Vgl. Cunningham, Merce/Lesschaeve, Jacqueline: Stages – Audiences – Events. In: Cunningham/Lesschaeve 1985, S. 167–177, hier S. 175. 86 Von 1973 bis 1979 wurden die Events nummeriert, danach folgte die Benennung keinem einheitlichen System mehr. Cunningham dazu: Ebd. Vgl. auch Ikegami 2017, S. 77, Anm. 5. 87 Ikegami spricht von einer Dauer von drei Stunden [Ikegami 2017, S. 77], Cunningham von 90 Minuten. Cunningham/ Lesschaeve [Stages – Audiences – Events] 1985, S. 175. Cunningham erinnert sich später: »We did parts of pieces, sometimes we doubled, we had two dances going on at the same time.« Ebd. Ikegami zufolge wurden Teile aus den Stücken Aeon, Untitled Solo, Winterbranch, Cross Currents, Nocturnes, Suite for Five, Antic Meet, Rune und Story gezeigt. Ikegami 2017, S. 77.

Die Werkgruppe der Events im Kontext von Cunninghams Werk

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karte auf Notenlinien basiert.88 Robert Rauschenberg, der ebenfalls mit auf Tournee war, führte die Lichtregie und gab gegen Ende der Aufführung zwei clowneske Per­ formanceeinlagen.89 Das Publikum konnte sich während der Aufführung frei bewegen, tendierte aber, wie später in Minneapolis, zur Gruppenbildung. »Everyone sat on one side« erinnert sich Cunningham später.90 Über die Reaktionen des Publikums ist ansonsten wenig bekannt. Dafür lässt sich über die Reaktionen der Presse sagen, dass sie überwiegend positiv waren,91 von der harschen Kritik an der Musik einmal abgesehen, die als »Ohrenpein« bezeichnet wurde.92 Ein österreichischer Journalist betonte, dass kein Theater der Welt für diese Aufführung besser geeignet gewesen sei, als der »kühle und objektive Raum des Museums des Zwanzigsten Jahrhunderts.«93 Offenbar war Cunningham diese choreografische Annäherung an den Museumsraum gelungen. Nach Wien folgten auf derselben Tournee noch zwei weitere Museumsauftritte, beide im Stockholmer Moderna Museet, im Rahmen der von Pontus Hultén veran­ stalteten Reihe 5 New York Evenings.94 Kurze Zeit später, im Oktober 1964, fand ein Auftritt in Krefeld auf Einladung des Museums Haus Lange statt, wo zur selben Zeit eine Ausstellung Robert Rauschenbergs gezeigt wurde.95 Besonders dieser Auf­ tritt, der allerdings nicht in den Museumsräumen selbst stattfand, legt nahe, dass Mu­seumsleute nicht zuletzt wegen der engen Zusammenarbeit mit Rauschenberg auf Cunninghams Arbeit aufmerksam wurden, zumal Rauschenberg im Sommer dessel­ ben Jahres als erster US-Amerikaner den ersten Preis der Kunstbiennale in Venedig gewonnen hatte.96 Ab der zweiten Hälfte der 1960er-Jahre nahmen die Tournee-Aktivitäten der MCDC stetig zu. Grund dafür waren die wachsende Bekanntheit des Ensembles – nicht zuletzt wegen der Erfolge in Europa und Asien während der Welttournee 1964 – und ab 1968 auch eine intensive staatliche Förderung für Tourneen und Residenzen von Tanz-Ensembles innerhalb der USA.97 Wegen ihrer besonderen Flexibilität wur­ 88 Die Partitur wurde von John Cage, David Tudor und dem Wiener Ensemble die reihe interpretiert. Zu Atlas Eclipticalis im Online-Werkverzeichnis des John Cage Trust: Webseite: John Cage Trust. Atlas Eclipticalis. https://web.archive.org/ web/20200920033639/https://johncage.org/pp/John-Cage-Work-Detail.cfm?work_ID=31 (Zugriff 20.11.2020). 89 Er spazierte zum Beispiel mit aufgespannten Regenschirmen durch die Szene. Zu Museum Event #1 vgl. Brown 2009, S. 387. »Event #1 began at 6:30 in the evening, with the dancers warming up in full view of the audience as it entered, and ended at 9:30 p.m.« Ebd. 90 Cunningham/Lesschaeve [Stages - Audiences – Events] 1985, S. 175. 91 »There was much bewilderment, but the dancing got raves. Astonishingly, that single Event performance garnered twelve reviews!« Brown 2009, S. 387. 92 Hahnl, Hans Heinz: Sakrale Pose, Ohrenpein—und dennoch Tanz. Arbeiter Zeitung, 26.06.1964. 93 »No theater in the world could have been more appropriate for this display than the cool, objective space of the Muse­ um of the Twentieth Century«. In dieser Übersetzung zitiert in: Brown 2009, S. 387. 94 Am 8. u. 15. September 1964. Vgl. Vaughan [Chronicle] 1997, S. 142. 95 Aufführung am 3. Oktober 1964 im Stadttheater Krefeld. 96 Carolyn Brown interpretiert den Erfolg Rauschenbergs in Venedig als den Anfang vom Ende der engen Zusammenar­ beit mit Cunningham und Cage. Brown 2009, S. 383 ff. 97 Die MCDC gehörte zu den vier ersten auf diese Weise geförderten Tanz-Ensembles in den USA, da sie an einem ent­ sprechenden Pilotprogramms teilnahm. NEA Annual Report 1968 [s. Quellen], S. 29. Vaughan betont, dass der Erfolg in Europa für die zunehmende Wertschätzung in den USA ausschlaggebend gewesen sei. Vaughan [Chronicle] 1997, S. 146.

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den Events nun zu einem festen Bestandteil des Repertoires der MCDC. Bald kamen neben Museen auch weitere Orte hinzu, darunter Universitäten, Schulen, Turnhallen, Kunstzentren oder öffentliche Plätze. Zu den besonders prominenten Orten, an denen Events in den frühen 1970er-Jahren präsentiert wurden, zählten der Markus­ platz in Venedig oder die Ruinen von Persepolis, die eine spektakuläre Kulisse boten.98 Diese Aufführungen folgten demselben Muster wie der Auftritt in Wien, wo­ bei die Auswahl der choreografischen Versatzstücke und der Musik variieren konnte. Was die Aufführungen jedoch im Wesentlichen charakterisierte, war ihr Aufführungs­ ort. Die MCDC betont diese besondere Ortsspezifik im jährlich erscheinenden Port­ folio des NEA-Förderprogramms, über das sich Ensembles potenziellen gastgeben­ den Institutionen vorstellten, folgendermaßen: The formal performances may be a Cunningham »event«— an evening-long arrangement of material from the repertory—or a program of two or three in­ dividual pieces from the repertory. For events […] the decor is most often the performance space itself; thus the combination of movement, music, and decor, as well as the arrangement of the choreographic and musical material, are unique for each event. 99 Während hier die Einzigartigkeit der Events in den Vordergrund gerückt wird, betont Cunningham andernorts ihre experimentellen und auch pragmatischen Qualitäten: There were mainly two reasons for the Events. One was to break away from the idea that the only place you could perform, so to speak, was in a theater […]. The other reason was practical because it allowed us as performers to do things in places where otherwise we might not be able to do anything at all. […] As we played in these different situations, it became paramount that the pieces were not to be made to fit into a given space, but rather that you could simply look at each new situation and see how to deal with it.100 Diese quasi-automatisierte Ortsspezifik der Events – sie entstanden nicht explizit für einen Ort, sondern reagierten auf den Ort – ist ihr besonderes Charakteristikum. Neben künstlerischem Erfindungsreichtum und Pragmatismus zeugen Events auch von unternehmerischem Geschick, schließlich vergrößerten sie das Spektrum möglicher Auftrittsorte um ein Vielfaches. Hier gilt es zu bedenken, dass selbst in großen Städten nur eine begrenzte Anzahl an Theatersälen zur Verfügung stand, die zudem aufwendig und teuer zu bespielen waren und deren Kapazitäts- und Aus­

98 Vgl. Vaughan [Chronicle] 1997, S. 186. Der Auftritt in Venedig fand am 14. September 1972 im Kontext des 35. Interna­ tionalen Festivals für Neue Musik statt. Datum des Auftritts beim Shiraz Arts Festivals war der 8. September 1972. Vgl. Gluck, Robert: The Shiraz Arts Festival. Western Avant-Garde Arts in 1970s Iran. In: Leonardo, 40. Jg. 2007, H. 1, S. 20–28. 99 National Endowment for the Arts: Coordinated Residency Touring Program. Directory of Dance Companies. Fiscal Year 1974 and Touring Schedule 1972–73. O. O. 1973/74 [s. Quellen], S. 26. 100 Cunningham/Lesschaeve [Stages - Audiences – Events] 1985, S. 176.

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lastungsfragen einen hohen Erfolgsdruck bedeuten konnten. Die mit den Events ge­ wonnene Flexibilität ermöglichte, Tourneen sehr viel dichter zu buchen, sodass die Cunningham Dance Foundation in den ausgehenden 1960er-Jahren erstmals schwar­ ze Zahlen schrieb.101 Events erwiesen sich als so praktikabel, dass die MCDC zwi­ schen 1973 und 1975 ausschließlich auf diesen Werktypus zurückgriff, selbst bei Auftritten auf Theaterbühnen.102 Damit war der einmalige ›Sonderfall‹ zur Regel ge­ worden.103 Die Popularität der Events setzte sich dann bis in die jüngste Zeit fort. 2003 präsentierte etwa die Tate Modern in London in ihrer Turbinenhalle ein auf­ wendiges Event in der spektakulären Umgebung von Olafur Eliassons The Weather Project. Für die letzten Auftritte der MCDC, im Jahr 2011, nach dem Tode Cunning­ hams und vor der daran gebundene Auflösung des Ensembles, wurden ebenfalls Events gewählt.104 Spätere Museum Events, nun lizensiert durch den Cunningham Trust, fanden im Philadelphia Museum of Art 2012/13 statt sowie erneut im Walker, im Zusammenhang mit der oben genannten Cunningham-Retrospektive, 2017. Die Aufführung von Event #32 im Jahr 1972 markierte einen historischen Höhe- und Wendepunkt in der Entwicklungsgeschichte der Events vom Prototyp zum Erfolgs­ konzept. Events und Cunninghams Werkästhetik Es wurde bereits deutlich, dass Cunningham seine Bühnenstücke nicht einfach in den Museumsraum übertrug, sondern für diesen Zweck mit den Events eine eigene Werk­ gruppe entwickelte. Da sich aber Events aus Fragmenten seines Bühnenrepertoires speisten, teilten sie dessen ästhetische Merkmale. Fragt man nun nach den Ursachen für die besondere Kompatibilität von Cunninghams künstlerischer Praxis mit dem Museum, müssten entsprechende Hinweise in den Schnittmengen zwischen Events und dem Bühnenrepertoire zu finden sein. Eventuelle Anpassungsbewegungen an das Museum wären wiederum in den Differenzen zwischen beiden Formen zu suchen. Anhand dreier für Cunninghams Tanzästhetik zentraler Konzepte, na­ mentlich Reduktion, Koexistenz und Zufall, lassen sich diese Gemeinsamkeiten und Differenzen herausarbeiten. Die These ist, dass Cunninghams Ästhetik, dank Reduk­ tion, Koexistenz und Zufall, von vornherein wesentliche Voraussetzungen für eine Integration ins Museum erfüllte, wodurch diese Konzepte in den Events in poten­ zierter Form wirksam wurden. Konzept Reduktion Cunningham war einer der konsequentesten Vertreter*innen des Minimalismus im Tanz. In einem frühen Künstlerstatement aus dem Jahr 1952 schreibt er: »what is 101 Vgl. Ikegami 2017, S. 81. 102 Vgl. Vaughan [Chronicle] 1997, S. 186. 103 Das Werkverzeichnis von 1997 listet wegen der unüberschaubaren Anzahl an Events nur das erste Event in Wien. Vaughan [Chronicle] 1997, S. 293. 104 Vgl. Noland 2013, passim.

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seen, is what it is. […] I do not believe it is possible to be ›too simple‹«.105 Reduktion als Leitprinzip bedeutete für Cunningham eine Rückführung des Tanzes auf seine elementaren Bestandteile Raum, Zeit und Bewegung. Es galt ihm, diese Komponen­ ten um ihrer selbst willen sichtbar zu machen und nicht etwa, wie dies bei seiner Lehrerin Martha Graham der Fall war, sie in den Dienst von Expressivität oder Nar­ ration zu stellen.106 Assoziationen und Deutungen, so war Cunningham überzeugt, ergäben sich ganz von allein. [W]e don’t, it seems to me, have to worry ourselves about providing relation­ ships and continuities and orders and structures—they cannot be avoided. They are the nature of things. They are ourselves and our materials and our environment. If a dancer dances […] everything is there.107 In Bezug auf den Raum strebte Cunningham danach, den Tanz aus den räumlichen Konventionen der traditionellen Theaterbühne zu lösen. Carolyn Brown schreibt in diesem Zusammenhang über die Choreografie Field Dance (1973): »[S]pace is decentralized and becomes a field of multidirectional activity that lacks the audi­ ence-facing ›front‹ prescribed by the conventional proscenium arch of the Renais­ sance theater.«108 Ein Resultat dieser räumlichen Dezentralisierung war, dass die Tänzer*innen dem Publikum den Rücken kehren konnten oder zeitweilig vom Büh­ nendekor verdeckt wurden. Die Multidirektionalität des offenen Museumsraums be­ ziehungsweise die variable Perspektive der Betrachter*innen im Museum erlaubte, diesen Ansatz noch weiter auszudifferenzieren. Die Räume der Tänzer*in­nen, des Publikums und der Kunstwerke durchkreuzten sich und verschmolzen miteinander. In Bezug auf die Zeitstruktur von Cunninghams Choreografien ist noch einmal zu betonen, dass er sich jeglicher zusammenhängenden, lesbaren Narration oder Drama­ turgie zu entziehen suchte. Dies erreichte er unter anderem, indem er seiner Choreo­ grafien aus kurzen, in der Regel etwa sechs- oder siebenminütigen, Teilstücken oder Modulen zusammensetzte, deren Reihenfolge variieren konnte. Diese ›gebrochene‹ Zeitstruktur ermöglichtes es dann auch, für Events Teilstücke aus bestehenden Cho­ reografien zu entnehmen und diese ohne Sinnverlust neu zusammenzufügen. Mit den simultan aufgeführten Szenen der Events brach Cunningham vollends mit dem linearen Raum-Zeit-Gefüge einer herkömmlichen Bühnenaufführung. Auch bei der Bewegung setzte Cunningham auf Reduktion. Ähnlich wie Martha Graham ging es ihm darum, das Verhältnis von Körper und Raum über das Medium Tanz zu erforschen und sichtbar zu machen und zwar durch die Kontrastierung von Bewegung und Ruhe, Leichtigkeit und Schwere: »A body still is taking up just as much space and time as a body moving […] moving becomes more clear if the space

105 Cunningham, Merce: Space, Time and Dance [1952]. In: Harris/Vaughan 1997, S. 66–67, hier S. 67. 106 »Dancing is movement in time and space«. Cunningham zitiert nach: Huschka 2000, S. 206. 107 Cunningham, Merce: The Impermanent Art [1952]. In: Harris/Vaughan 1997, S. 68–87, hier S. 86. 108 Brown 2009, S. 40.

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and time around the moving are one of its opposite—stillness. […] [O]ne of the best discoveries the modern dance has made use of is the gravity of the body in weight«.109 Diese Kontraste prägten auch die Dynamik von Event #32. Im Gegensatz zu Graham plädierte Cunningham für eine Aufwertung des Ver­ standes gegenüber dem Gefühl und für eine streng kalkulierte und technisch an­ spruchsvolle Form tänzerischer Bewegung.110 Er betrachtete jedes Körperteil als se­ parate Einheit, jede Bewegung und jede Bewegungsfolge für sich. Sabine Huschka spricht von einem »komplex koordinierten Körpergebrauch, dessen Bewegungen ei­ nen ruhigen, durchdachten, weil bewussten Körper artikulieren, der sich wie ein sich veränderndes Gebilde anschauen lässt.»111 Mit anderen Worten, der Tanz gewinnt eine skulpturale Qualität und die ästhetische Distanz zwischen Betrachter*innen und Tänzer*innen wächst an. Dies wird bei den Events, die nun keine in sich ge­ schlossenen Choreografien, sondern mehr oder weniger spontan entstandene Kom­ pilationen waren, besonders augenfällig. Dem Publikum wird hier anstatt Einfühlung ein Höchstmaß an analytischer Aufmerksamkeit und »visueller Konzentration« ab­ verlangt.112 So war im konkreten Fall von Event #32 durch die direkte Nachbarschaft zu den statischen Kunstwerken mit jeder Bewegung der Tänzer*innen ein neuer Ab­ gleich zwischen Körper(n) und Kunstwerk(en) gefordert. Die beschriebene ›Objekt­ haftigkeit‹ des Tanzes mag darüber hinaus erklären, warum es möglich war, während des Auftritts die oben beschriebenen, klar komponierten Fotografien zu machen. Die beschriebenen reduktiven Verfahren weisen Cunningham in mehrfacher Hin­ sicht als Künstler seiner Zeit aus und fanden auch ein entsprechendes Echo in der Kunsttheorie. In Anlehnung an Marcel Duchamps Readymade betrachtete Cunning­ ham Tanz als »visible action of life«.113 Damit stand er anderen Künstler*innen sei­ ner Zeit nah, insbesondere John Cage, der mit minimalistischen Kompositionen wie 4’33 (1952) die Stille beziehungsweise Zufallsgeräusche zur Musik erklärte, oder Robert Rauschenberg, der mit seinen Combines Wirklichkeit in Form von Alltags­ gegenständen auf Leinwände bannte. Cunningham schreibt dazu: A prevalent feeling among many painters that lets them make a space in which anything can happen is a feeling dancers may have too. Imitating the way na­ ture makes a space and puts lots of things in it, heavy and light, little and big, all unrelated, yet each affecting all the others.114

109 Cunningham [Space, Time and Dance] 1997, S. 66. 110 Er spricht sich gegen die Idee von »mind follows heart« aus. Ebd. 111 Huschka 2002, S. 233. 112 »The amount of visual concentration required by an Event is usually prodigious, since quite apart from the length of the performance there are often two or more theoretically discrete dances take place at the same time.« Harris, Dale: Merce Cunningham. In: Livet, Anne (Hrsg.): Contemporary Dance. An Anthology of Lectures, Interviews and Essays with Many of the Most Important Contemporary American Choreographers, Scholars and Critics. New York: Abbeville 1978, S. 76–90, S. 80. 113 Cunningham [Space, Time and Dance] 1997, S. 67. 114 Ebd., S. 66.

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Allerdings ging Cunningham nie so weit, dass er seine Choreografien ganz aus All­ tagsbewegungen zusammengesetzt hätte, wie dies die Judson Dance-Tänzer*innen versuchten. Doch setzte er Alltagsbewegungen bisweilen als ›Kontrastmittel‹ ein, zum Beispiel im Stück Walkaroud Time (1968), in das eine ›Pause‹ integriert war, während der die Tänzer*innen aus ihren Rollen fielen, wenn sie sich auf der Bühne (und nicht backstage) ausruhten. Ähnliche Momente gab es auch in einigen Szenen von Event #32, wenn sich Tänzer*innen ihre Kleidung am Körper zurechtrückten oder im Raum umhergingen. Die Kunsthistorikerin Moira Roth stand Cunninghams Minimalismus kritisch ge­ genüber. In ihrem Aufsatz The Aesthetic of Indifference von 1977, in dem sie auf Cunningham, Cage und andere Minimal-Künstler*innen sowie auf Duchamp als ihr wichtigstes Vorbild eingeht, kritisiert sie eine in ihren Augen gefährliche inhaltliche Entleerung und politische Neutralität der Kunst, die sie als eine Folge des kunst­ feindlichen Klimas der McCarthy-Ära interpretiert.115 Cunningham selbst hingegen betrachtete seinen Ansatz als eine ›Befreiungsgeste‹ für den Tanz. Wie die oben zitier­ te Pressemitteilung zur Residenz der MCDC zeigt, übernahm das Museum diese Frei­ heitsrhetorik bei der Charakterisierung seines Werks. Die Reduktion auf die medialen Eigenschaften des Tanzes, beziehungsweise die die Konzentration auf Tanz ›in Reinform‹, entspricht auch Ansätzen anderer Künst­ ler*innen der Minimal Art. Hier wäre beispielsweise Robert Morris zu nennen, der als Bildhauer ebenfalls an der Grenze von Objekt und Bewegung, allerdings aus der entgegengesetzten Richtung her arbeitete.116 Morris’ statische L-Beams (1965), L-förmige Strukturen, die in verschiedenen Konstellationen und Ausrichtungen zu ihrer Umgebung präsentiert werden können, geraten in Bewegung, sobald sich ein*e Betrachter*in um sie herum bewegt. Morris sprach deshalb von »unfixed variables that find their specific definition in the particular space and light and physical view­ point of the spectator.«117 Der Kunsthistoriker Michael Fried belegte diese Form der, wie er es nannte, »literalist art», mit dem – bei ihm negativ konnotierten – Begriff der theatricality.118 Er betont:

115 Roth, Moira: The Aesthetic of Indifference [1977]. In: AND Journal of Art & Art Education 1990, H. 22, S. 3–12, hier S. 11. Innerhalb der Kunst suchte sie die Ursache im geistigen Erbe Marcel Duchamps, der ein Ideal ›cooler Intelligenz‹ für die Kunst etabliert habe, das sich wiederum mit dem von Clement Greenberg und dessen Umfeld propagierten For­ malismus potenziert habe. Ebd., S. 7. Roth schlussfolgert: »[t]he radical political movements of the 1960s had virtually no expression in the art of that time.« Ebd., S. 4. 116 Zum Beispiel in seiner skulpturalen Performance Column (1961). Eine Beschreibung der Arbeit in: Krauss, Rosalind E.: The Mind / Body Problem. Robert Morris in Series. In: Solomon R. Guggenheim Museum (Hrsg.): Robert Morris. The Mind / Body Problem. New York: Rizzoli 1994, S. 2–17, hier S. 8–9. 117 Morris, Robert: Notes on Sculpture, Part 2 [1966]. In: Morris, Robert (Hrsg.): Continuous Project Altered Daily. The Writings of Robert Morris. Cambridge: MIT 1995, S. 11–22, hier S. 17. Die anderen beiden Teile des Aufsatzes: Ders.: Notes on Sculpture, Part 1 [1966]. In: Ebd., S. 1–10; Ders.: Notes on Sculpture, Part 3. Notes and Non Sequiturs [1967]. In: Ebd., S. 23–40. Bereits zuvor schrieb Morris über seinen Bezug zu Tanz und Theater in: Morris, Robert: Notes on Dance. In: The Tulane Drama Review, 10. Jg. 1965, H. 2, S. 179–186. 118 Vgl. Fried, Michael: Art and Objecthood [1967]. In: Battcock, Gregory (Hrsg.): Minimal Art. A Critical Anthology. New York: Dutton 1968, S. 116–147.

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[L]iteralist work depends on the beholder, is incomplete without him, it has been waiting for him. […] And once he is in the room the work refuses, obsti­ nately, to let him alone—which is to say, it refuses to stop confronting him, dis­tancing him, isolating him.119 Fried schreibt hier ausschließlich über bildende Kunst, deren Integrität und Autono­ mie er durch diese neue Theatralität gefährdet sah. Interessant ist dabei, dass eben­ dieser ›theatrale Effekt‹ auch in den darstellenden Künsten, namentlich in Cunning­ hams Choreografien präsent war. Barbara Rose streicht ebendies als einen wesent­ lichen Zug von Cunninghams Arbeit heraus, indem sie diese in die Nähe der Skulp­ tur rückt: Cunningham […] verwendete den Körper als ein Mittel, den Raum zu betonen, ihn zu beleben, wie zum Beispiel eine Skulptur den dreidimensionalen Raum aktiviert.120 Ins Positive gewendet, lässt sich aus dieser Aktivierung des Raums durch das Werk eine intensivierte Erfahrungsdimension ableiten. Wenn Cunningham betont, das Publikum erwarte bei seinen Events »not so much […] an evening of dances as the experience of dance«, zeigt sich, dass ihm diese Erfahrungsdimension ein besonde­ res Anliegen war.121 Aussagen wie diese führten Ikegami später dazu, Events als ein medium for engagement zu interpretieren, obwohl hier keinerlei direkte Inter­aktion mit dem Publikum stattfand, sondern der Einbezug hauptsächlich auf visueller und kognitiver Ebene verblieb. Konzept Koexistenz Cunningham war ein wichtiger Motor für die interdisziplinären und intermedialen Experimente in der US-amerikanischen Kunstszene der 1950er- und 1960er-Jahre.122 Interdisziplinarität bedeutet in Cunninghams Werk dabei nicht das Verschmelzen der Kunstgattungen zum Gesamtkunstwerk, sondern im Gegenteil, einen Zustand medialer Koexistenz: »Neither music nor dance nor sets supports the other. They co-mingle«.123 Dieses Konzept der Koexistenz durchzieht als ein weiteres Leitmotiv sein gesamtes Schaffen.

119 Ebd., S. 140. Hervorhebungen im Original. 120 Rose 1976, S. 66. 121 Cunningham in einer Blankoankündigung für Events aus den 1970er Jahren. Hervorhebung durch die Autorin. Websei­ te: Merce Cunningham Trust. Blankoankündigung für Events. https://web.archive.org/web/20201115180412/https:// dancecapsules.mercecunningham.org/overview.cfm?capid=46123 (Zugriff: 15.11.2020). 122 Solche Experimente wurden in dieser Zeit verstärkt kulturpolitisch gefördert. Cunningham erhielt zwischen 1974 und 1979 jährlich Stipendien in der speziell für künstlerische Kooperationen eingerichteten Förderkategorie Visual Arts in the Performing Arts des NEA, die mit zwischen 1 000 USD und 5 000 USD dotiert waren. 123 Presseartikel: Steele, Mike: The Merce Cunningham Dancers are an Institution Now, But After 30 Years … He’s Still ›Just Beginning‹. In: Minneapolis Tribune 1972, S. 1D u. 3D, hier S. 3D. A-WAC, Merce Cunningham Residency 1971– 72, Mappe 2.

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Abb. 1.1–1.2  Barak adé Soleil: up n down, Performance im Art Institute of Chicago, 15. März 2018. Kunstwerke: Richard Hunt: Hero Construction, 1958 / Daniel Buren: Up and Down, In and Out, Step by Step, A Sculpture, 1977. Foto: Autorin; © Barak adé Soleil.

Abb. 1.3  Titelseite der Daily News, 25. August 1969. Yayoi Kusama: Grand Orgy to Awaken the Dead at MoMA, Happening im MoMA, New York, 24. August 1969. Foto: Mel Finkelstein; Digitalisat: Courtesy Yayoi Kusama Inc.

Abbildungen 1.1–1.43

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Abb. 1.4  The Guerilla Art Action Group [Jon Hendricks, links und Jean Toche, rechts]: ­Aktion #2, Kunstaktion im MoMA, New York, 31. Oktober 1969. Foto/Digitalisat: © Jan van Raay.

Abb. 1.5  The Guerilla Art Action Group: Aktion #2, Kunstaktion im MoMA, New York, 31. Oktober 1969. Foto: © Jan van Raay; Digitalisat: Joanne & Jon Hendricks.

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Abbildungsteil 1

Abb. 1.6–1.7  Mierle Laderman Ukeles: Washing / Tracks / Maintenance: Outside, Ankündigung und Performance vor dem Wadsworth Atheneum, Hartford, 22. Juli 1973. Teil der Maintenance Art Performance Series, 1973–74. © Mierle Laderman Ukeles; Courtesy the artist and Ronald Feldman Gallery, New York.

Abb. 1.8  Mierle Laderman Ukeles: Transfer: The Maintenance of the Art Object: Mummy Maintenance: With the Maintenance Man, the Maintenance Artist, and the Museum Conservator, Performance im Wadsworth Atheneum, Hartford, 20. Juli 1973. Teil der Maintenance Art Performance Series, 1973–74. © Mierle Laderman Ukeles; Courtesy the artist and Ronald Feldman Gallery, New York.

Abbildungen 1.1–1.43

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Abb. 1.9–1.10  Pressemitteilung (recto/verso) des Walker Art Center zur Residenz der Merce Cunningham Dance Company, 21. Februar 1972. Quelle: A-WAC, Merce Cunningham Residency 1971–1972, Mappe 1; Digitalisate: Courtesy Walker Art Center Archives, Minneapolis.

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Abbildungsteil 1

Abbildungen 1.1–1.43

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Abb. 1.11  Merce Cunningham Dance Company: Event #32, Walker Art Center, Minneapolis, 12. März 1972. Kunstwerk: Mario Merz: Fibonacci Igloo, 1972. Foto/Digitalisat: James Klosty.

Abb. 1.12  Merce Cunningham Dance Company: Event #32, Walker Art Center, Minneapolis, 12. März 1972. Tänzer: Douglas Dunn (links) und Kris Komar (rechts). Kunstwerk: Philip Ogle: Untitled, 1972. Foto/Digitalisat: James Klosty.

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Abbildungsteil 1

Abb. 1.13  Merce Cunningham Dance Company: Event #32, Walker Art Center, Minneapolis, 12. März 1972. Tänzerinnen: Carolyn Brown (links) und Susana Hayman-Chaffey (rechts). Kunstwerke: Bill Brandt. Foto/Digitalisat: James Klosty.

Abb. 1.14  Merce Cunningham Dance Company: Event #32, Walker Art Center, Minneapolis, 12. März 1972. Tänzer*innen: Valda Setterfield (links) und Merce Cunningham (rechts). Kunstwerke: Bill Brandt. Foto/Digitalisat: James Klosty.

Abbildungen 1.1–1.43

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Abb. 1.15  Videostill: Szene aus Event #32, Walker Art Center, Minneapolis, 12. März 1972; Choreografie: Merce Cunningham; Aufführung: Merce Cunningham Dance Company. Video: © Walker Art Center; Courtesy Walker Art Center Archives, Minneapolis.

Abb. 1.16–1.18  Videostills: Solo von Ulysses Dove und Carolyn Brown in Event #32, Walker Art Center, Minneapolis, 12. März 1972; Choreografie: Merce Cunning­ ham; Aufführung: Merce Cunningham Dance Company. Video: © Walker Art Center; Courtesy Walker Art Center Archives, Minneapolis.

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Abbildungsteil 1

Abb. 1.19–1.22  Videostills: Solo von Merce Cunningham in Event #32, Walker Art Center, Minneapolis, 12. März 1972; Choreografie: Merce Cunningham; Aufführung: Merce Cunningham Dance Company. Video: © Walker Art Center; Courtesy Walker Art Center Archives, Minneapolis.

Abbildungen 1.1–1.43

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Abb. 1.23 –1.26  Videostills: Gruppenszenen aus Event #32, Walker Art Center, Minneapolis, 12. März 1972; Choreografie: Merce Cunningham; Aufführung: Merce Cun­ ningham Dance Company. Video: © Walker Art Center; Courtesy Walker Art Center Archives, Minneapolis.

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Abbildungsteil 1

Abb. 1.27  Fassade der Walker Art Gallery, ca. 1927. Architekten: Long and Thorshov. Foto: Unbekannt; Quelle/ Digitalisat: Courtesy Walker Art Center Archives, Minneapolis.

Abb. 1.28  Grundriss des Walker Art Center, Minneapolis in einer Broschüre des Minnesota Arts Council, 1939. Quelle/Digitalisat: Courtesy Walker Art Center Archives, Minneapolis.

Abbildungen 1.1–1.43

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Abb. 1.29  T. B. Walker im Foyer der Walker Art Gallery, 1927. Foto: Unbekannt; Digitalisat: Courtesy Walker Art Center, Minneapolis.

Abb. 1.30  Ausstellungsräume auf der ersten Etage der Walker Art Gallery, ca. 1930. Foto: Unbekannt; Digitalisat: Courtesy Walker Art Center, Minneapolis.

Abb. 1.31  Ausstellungsräume im Erdgeschoss der Walker Art Gallery, ca. 1927. Foto: Unbekannt; Digitalisat: Courtesy Walker Art Center Archives, Minneapolis.

Abb. 1.32  Spring Dance Festival im Foyer des Walker Art Center, 1940. Foto: Rolphe Dauphin für das Walker Art Center; Digitalisat: Courtesy Walker Art Center, Minneapolis.

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Abbildungsteil 1

Abb. 1.33  Das Walker Art Center nach der Fassadenneugestaltung durch Magney, Tusslar and Setter Architects, 1944. Foto: Rolphe Dauphin für das Walker Art Center; Digitalisat: Courtesy Walker Art Center, Minneapolis.

Abb. 1.34  Neubau des Walker Art Center (links), Tyrone Guthrie Theater (rechts), nach 1971. Foto: Eric Sutherland für das Walker Art Center; Digitalisat: Courtesy Walker Art Center, Minneapolis.

Abbildungen 1.1–1.43

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Abb. 1.35  Längsschnitt durch das Walker Art Center, Entwurf von Edward Larrabee Barnes, 1971. Quelle: Walker Art Center 1971, S. 6 [Original o. S.]. Courtesy Walker Art Center Archives, Minneapolis.

Abb. 1.36  Grundriss des Walker Art Center, Erdgeschoss und erste Etage, 1971. Quelle: Walker Art Center 1971, S. 4 [Original o. S.]. Courtesy Walker Art Center Archives, Minneapolis.

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Abbildungsteil 1

Abb. 1.37  Informationsraum des Walker Art Center, 1971. Foto: Eric Sutherland für das Walker Art Center; Digitalisat: Courtesy Walker Art Center, Minneapolis.

Abb. 1.38  Auditorium des Walker Art Center, 1971. Foto: Eric Sutherland für das Walker Art Center; Digitalisat: Courtesy Walker Art Center, Minneapolis.

Abb. 1.39–1.40  Ausstellungsansichten: Works for New Spaces, Galerien 1 (oben) und 3 (unten), Walker Art Center, 1971. Foto: Eric Sutherland für das Walker Art Center; Digitalisat: Courtesy Walker Art Center, Minneapolis.

Abbildungen 1.1–1.43

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Abb. 1.41  Das Walker Art Center von Nordosten nach dem Umbau von 2005 links der Neubau von Herzog & de Meuron, 2015. Foto: McGhiever / CC BY-SA 4.0 https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0; Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/ File:Walker_Art_Center_02.jpg (Zugriff: 13.05.2021).

Abb. 1.42  Die Cargill Lounge im ›neuen‹ Walker Art Center, 2005. Architektur: Herzog & de Meuron. Foto: Gene Pittman für das Walker Art Center; Digitalisat: Courtesy Walker Art Center, Minneapolis.

Abb. 1.43  Das McGuire Theater im ›neuen‹ Walker Art Center, 2005. Foto: Cameron Wittig für das Walker Art Center; ­Digita­lisat: Courtesy Walker Art Center, Minneapolis.

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Abbildungsteil 1

Ausschlaggebend für Cunninghams Beschäftigung mit dem Konzept Koexistenz war das Ziel, die historisch gewachsene Symbiose von Tanz und Musik aufzulösen. Allerdings verzichtete er, anders als die Choreograf*innen der Judson Dance Gruppe, nicht vollständig auf die Musik, sondern definierte lediglich das Verhältnis der beiden Kunstformen neu, im Sinne einer Koexistenz in Autonomie. Diese Idee ent­wickelte er ab den mittleren 1940er-Jahren in seinen Kooperationen mit John Cage, bei denen beide Künstler unabhängig voneinander an der Musik und der Choreografie eines Stückes arbeiteten.124 Die Basis ihrer Zusammenarbeit bildeten sogenannte structure points, zeitliche Setzungen, die sie vorab festlegten und die beispielsweise den An­ fang und das Ende eines Stücks determinierten. Die Proben der Tänzer*innen fanden dann zunächst ohne Musik statt. Da keine Orientierung an einem musikalischen Rhythmus möglich war, mussten Bewegungsabläufe und ihre Geschwindigkeit durch konsequentes Zählen memoriert werden. Koexistenz bestimmte auch Cunninghams Kooperationen mit bildenden Künst­ ler*innen, die für seine Bühnenproduktionen zum Teil aufwendige Ausstattungen entwarfen. Rauschenbergs frühe Bühnenbilder brachten beispielsweise, ganz im Sin­ ne seiner Combines, Alltagsgegenstände auf die Bühne.125 Ab 1967, mit Jasper Johns als artistic director, nahmen die Kooperationen mit bildenden Künstler*innen wei­ ter zu. Auch diese Kooperationen waren dem Prinzip der Koexistenz verpflichtet. So etwa die Zusammenarbeit mit Frank Stella für das Stück Scramble (1967). Stella entwarf eine Konstruktion aus sechs unterschiedlich großen buntfarbigen Leinwand­ streifen, die während der Aufführung flexibel arrangiert werden konnten.126 In Ko­ existenz mit dem Tanz fungierten sie als eine Art Messinstrument, »[to] define the stage space in relation to the dancers and the nature of their gestures«.127 Zwei wei­ tere Beispiele sind Andy Warhols Silver Clouds (1966), Helium gefüllte, silberne Luftkissen, die frei im Raum schwebten (für Rain Forest, 1968) und das von Jasper Jones entworfene Dekor für Walkaround Time (1968), dessen durchsichtige Kuben

124 Vgl. Cunningham, Merce: Four Events that Have Led to Large Discoveries [1994]. In: Harris/Vaughan 1997, S. 276. 125 Für Story (1963) griff Rauschenberg beispielsweise auf Fundobjekte aus der Umgebung zurück. Als er während einer Aufführung in London 1964 begann, Hemden auf der Bühne zu bügeln, bezog er auch Alltagshandlungen in die Insze­ nierung ein. Vgl. Vaughan [Chronicle] 1997, S. 131. 126 »Stella has recalled, ›Merce said he was working on a dance, and I went along and watched a rehearsal. I made a sketch on yellow paper; John Cage said he liked it because it didn’t have anything to do with anything.‹« Vaughan [Chronicle] 1997, S. 159. 127 Frank Stella, zitiert in ebd.

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auf Motive aus Marcel Duchamps Großen Glas (1915–23) zurückgriffen.128 In bei­ den Fällen verschwimmen die Grenzen zwischen Kunst und Dekor.129 Ganz im Sinne der Koexistenz fand in Event #32 keine sichtliche Kommunikati­ on zwischen Tanz und bildender Kunst statt. Besonders war, dass die Kunst, die dort den Tanz rahmte, nicht als Dekor entstanden war, sondern es sich um eigenständige Kunstwerke handelte, die ihren Status nicht zuletzt der Auratisierung durch den Museumskontext verdankten. Und doch wurden diese Kunstwerke, zumindest für die Dauer der Aufführung, zum Dekor der Aufführung. Es ist nun eine Frage der Per­ spektive, ob Tanz hier in eine Art Paragone mit der bildenden Kunst (und der Musik) trat oder ob es sich um ein gleichberechtigtes Nebeneinander der Medien handelte. Die Betonung von Freiheit und Koexistenz, wie sie Cunninghams gesamtes Werk prägte, entsprachen dem Zeitgeist beziehungsweise den spezifisch US-amerikani­ schen Idealen einer freien, demokratischen Gesellschaft, die in den ausgehenden 1950er-Jahren – den Jahren des Kalten Kriegs – Konjunktur hatten. In diesem Kon­ zept zeigt sich erneut ein Oszillieren zwischen absoluter Freiheit, hochgradiger Orts­ spezifik und gleichzeitiger Flexibilität oder auch Indifferenz. Konzept Zufall Cunningham begann ab den frühen 1950er-Jahren mit Zufallsstrategien zu arbeiten. Ähnlich wie für John Cage, der ihn dabei wesentlich beeinflusste und unterstützte, verstand auch Cunningham Zufall als Einfallstor für das Leben in die Kunst und als eine Möglichkeit, einem kognitiv und intellektuell geleiteten künstlerischen  Schaffens­ prozess Lebendigkeit und Spontanität zurückzugeben. Cunningham verwendete über die Jahre verschiedene Zufallsmechanismen, zum Beispiel das Werfen von Münzen, das Würfeln, das Ziehen von Spielkarten oder das chinesische Orakel I Ching, um Bewegungsfolgen zusammenzustellen und diese zu Choreografien zusammen­ zufügen.130

128 Walkaround Time wurde auch während der Residenz in Minneapolis 1972 aufgeführt, allerdings nicht im Museum, sondern in einem Theatersaal in der Nachbarstadt Saint Paul. Zu Walkaround Time s. Vaughan [Chronicle] 1997, S. 163–166 und Basualdo, Carlos: Blossoming of the Bride. On Walkaround Time. In: Meade/Rothfuss 2017, S. 145– 154. Die Kooperation mit Duchamp bedeutete für Cunningham eine besondere Ehre. Er konzipierte das Stück als Hommage an Duchamp, indem er versteckte Verweise auf Duchamps Readymade-Konzept integrierte. Zum Künstler­ hommage als Bildtypus Vgl. Hattendorff, Claudia (Hrsg.): Künstlerhommage. Ein Bildtypus im 19. und 20. Jahrhundert. Berlin: Reimer 1998. 129 Warhols Luftkissen waren handelsübliche Folienballons, die gemäß dem Prinzip des Readymades erst durch ihre Prä­ sentation als Kunst zur Kunst wurden. Cunningham setzte sie später auch für Events ein, zum Beispiel bei dem bereits erwähnten Auftritt im Rahmen des Shiraz Arts Festivals. Vgl. Gluck 2007, S. 23. Auch die Kuben für Walkaround Time waren zunächst nicht unmittelbar Kunst. Da sie von Jasper Johns hergestellt wurden und Teil der Aufführungen Cunninghams waren, erlangten sie später Kunstwerkstatus und werden heute als Kunstwerke verwahrt und ausgestellt. Dazu: Coyne, Mary: One Work. Mary Coyne on Jasper Johns’s Walkaround Time. Walker Art Center. Minneapolis 2016. https://web.archive.org/web/20201118171931if_/https://walkerart.org/magazine/exhibition-histories-jasper-johnss-­ walkaround-time (Zugriff: 18.11.2020). 130 Zum Zufall als künstlerische Strategie vgl. Schulze, Holger: Das aleatorische Spiel. Erkundung und Anwendung der nichtintentionalen Werkgenese im 20. Jahrhundert. München: Fink 2000. Darin: Zweiter Teil. Die Spätavantgarden, ab S. 151.

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I have utilized a number of different chance operations, but in principle it in­ volves working out a large number of dance phrases, each separately, then applying chance to discover the continuity […]. It led, and continues to lead, to new discoveries as to how to get from one movement to the next, presenting almost constantly situations in which the imagination is challenged.131 Zufallsmechanismen waren für Cunningham also eine Art ›Kreativitätsmaschine‹, die sowohl seinen Schaffensprozess befruchtete als auch die Kreativität der Rezi­ pient*innen einforderte. Eine der ersten Choreografien, in denen Cunningham Zufall konsequent als Ge­ staltungsprinzip einsetzte, war Suite by Chance, das 1953, also nur ein Jahr nach dem Black Mountain Happening, entstand. Cunningham entwarf dafür eine Reihe komplexer Diagramme, die eine Vielzahl an Bewegungstypen, Bewegungsfolgen, Richtungs- oder Zeitangaben enthielten. Durch das Werfen einer Münze bestimmte er die finale Choreografie. [W]hen the dancers entered and when they exited, whether they were moving or still, what directions they moved in, where they faced, how many dancers were in the space at one time—all determined by the flip of a coin.132 Die Zufallsvorgaben nahmen keine Rücksicht auf individuelle Fähigkeiten oder Konditionen der Tänzer*innen, die damit mehr noch als in herkömmlichen Choreo­ grafien zum choreografischen ›Rohmaterial‹ wurden. Das Resultat war eine unorga­ nische Choreografie, »bare to its very bones«.133 Der Ablauf von Suite by Chance stand fest, nachdem er einmal determiniert war. Andere Stücke konnten hingegen für jede Aufführung neu zusammengestellt werden, zum Beispiel Rune (1959), für das Cunningham fünf jeweils fünfminütige Segmente choreografierte, deren Abfolge je nach Aufführungskontext variieren konnte.134 Hier diente der Zufallsmechanismus also nicht zur Kombination von Bewegungen, son­ dern von ganzen Choreografiesegmenten. Ab 1963 begann Cunningham neben Zufallsprinzipien, denen immer vorgefertig­ te choreografische Muster zugrunde lagen, auch Unbestimmtheit zuzulassen, zum Beispiel in Form von Improvisationen, wie in Field Dance oder Story (beide 1963). Der Titel Field Dance lässt sich sowohl auf Aufführungen im Außenraum beziehen,

131 Cunningham [Four Events] 1997, S. 276. 132 Brown 2009, S. 38. 133 Brown 2009, S. 40. Die experimentelle und elektronische Musik von Christian Wolff folgte ebenfalls einem Zufalls­ prinzip. Das Dekor gestaltete Remy Charlip. 134 Vaughan [Chronicle] 1997, S. 117–119. »There was a deliberate use of stillness as an element of equal value to that of movement (analogous to Cage’s use of silence). As usually performed, the piece began with Cunningham standing motionless in the upstage right corner of the stage for quite a long time, facing away from the audience, before turning and beginning his opening solo.« Vaughan [Chronicle] 1997, S. 118. Carolyn Brown zufolge arrangierte Cunningham die Choreografie nur zweimal neu. Brown 2009, S. 251.

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als auch auf Energielehre und elektromagnetische Felder. Cunningham beschreibt die Choreografie folgendermaßen: The original directions indicate »to be done anywhere.« The original premise is a dance for X number of people—as the name suggests, a »field« of activity. They have a number, about seven I think, of things or small events they can do together, and each dancer has one, two or three short dances he can deal with as he chooses. They can leave and enter at any point. […] The dancers are free to find the movement and speed within their own range, to do it as often as they want and complete it or not. […] The dance begins when the curtain goes up and ends when the time allotted for the particular performance, say 12’, is over.135 Carolyn Brown bezeichnet Field Dance als »the most open, unstructured work Merce has ever made«.136 Die Vorgabe Cunninghams an die Tänzer*innen konnte ein Rhythmus oder eine Geschwindigkeit sein, auf deren Grundlage diese dann ihre Bewegungsabläufe oder -richtungen selbst bestimmen sollten. Brown zufolge stellte diese offene Form die Tänzer*innen vor große Herausforderungen, denn »spontan­e­ ity doesn’t come easily«.137 Trotz zahlreicher aufeinanderfolgender Performances stets frisch und innovativ zu bleiben, erwies sich auf Dauer als nicht praktikabel. Story ist ein noch komplexeres Werk. Es besteht aus insgesamt 18 Teilen. Dies konnten Solos, Duette, Trios oder Gruppenpassagen sein. Mit Ausnahme eines dieser Teile waren alle Bewegungsabläufe von Cunningham vorchoreografiert (wie bei Rune). Die Anzahl der aufgeführten Teile konnte sich allerdings ändern und die Reihenfolge wurde durch Zufallsprinzipien bestimmt. Für jede Aufführung sollten außerdem Dekor und Kostüme neu und nach Möglichkeit aus der direkten Umgebung der Auf­ führung zusammengestellt werden. Diese Aufgabe kam Robert Rauschenberg zu.138 In den Proben übten die Tänzer*innen ihre einzelnen Parts. Erst eine halbe Stunde vor der jeweiligen Aufführung erhielten sie eine Übersicht über den Ablauf sowie die Auswahl an Kostümen, die ihnen für den Abend zur Verfügung standen. Brown bemerkt, dass der kreative Spielraum dennoch recht begrenzt war: »Given freedom to play with the material, we dancers still had a responsibility to execute the details of Merce’s original.«139 Story erzählt, anders als es der Titel vielleicht vermuten lässt, keine Geschichte. Ein Flyer zu einer Aufführung betont stattdessen den besonderen Effekt, den das

135 Vaughan [Chronicle] 1997, S. 129. Die Musik dazu war die Komposition Variations IV von John Cage. 136 Brown 2009, S. 359. 137 Ebd., S. 360. 138 Brown schreibt, dass Rauschenberg hier in seinem Element gewesen sei. »Bob presented us with an endlessly inventive, deliciously unexpected succession of surprises. To add more spice to the indeterminate mix, we could select anything from the outlandish array of thrift-shop garments and other oddities, including football shoulder pads that he stored on or off the stage in a gigantic tattered U.S. Navy duffel, and we could change costumes as often as the spirit moved us.« Ebd., S. 362. 139 Ebd., S. 361.

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Zufallsprinzip auf das Publikum haben sollte: »The title … is meant to indicate the possibility to each spectator of making (or not) his own narrative from it.«140 Hier findet sich noch einmal der Hinweis auf eine intendierte Aktivierung der Betrachter*innen. Cunninghams Vorstoß mit diesen beiden Stücken in Richtung Improvisation und der Aufgabe choreografischer Autorität war möglicherweise eine direkte Reaktion auf die Gründung des Judson Dance Theater im Vorjahr.141 Dort experimentierte eine neue Generation mit neuen Formen des Tanzes und mit basisdemokratischen En­ semble-Strukturen. Die Gruppe Grand Union, die aus Yvonne Rainers Ensemble hervorging, trieb dies bis ins Extrem und entwickelte spontan und vor Ort improvi­ sierte Aufführungen. Cunningham ging diesen Schritt zur freien Improvisation nicht. Story, das Stück, das dem wohl am nächsten kam, wurde bald wieder aus dem Repertoire genommen.142 Weder Zufall noch Unbestimmtheit waren bei ihm mit Re­ gellosigkeit oder gar Anarchie gleichzusetzen. Vielmehr war Zufall für ihn ein Gestal­ tungsprinzip, das er zur Selektion und Kombination von Bewegungen und Bewe­ gungssequenzen einsetzte. Für die 1964 entstandenen Events griff Cunningham auf seine Erfahrungen aus dem Vorjahr mit Field Dance und Story zurück. Die Konzepte Zufall und Unbe­ stimmtheit dienten ihm hier nicht nur zur Öffnung für unerwartete Kombinationen, sondern auch zur Anpassung an den vorgefundenen Raum. Ihr Einsatz war im Ver­ gleich zu Story so modifiziert, dass eine bessere Kontrolle und Reproduzierbarkeit möglich wurde: Der Anteil der Improvisation war minimiert, sodass von den Tänzer*innen ein Minimum an individueller Kreativität gefordert war. Waren die Se­ quenzen und Spielregeln einmal einstudiert und erprobt, war eine Aufführung ›aus dem Stand‹ mit relativ kurzer Vorbereitungszeit auch an unkonventionellen Orten möglich. Für Event #32 verwendete Cunningham dann Teile aus dem ursprünglich zur Auf­ führung vorgesehenen Stück Canfield.143 Dieses Stück war, ähnlich wie Story, selbst ein ›Passagenwerk‹, dessen Zusammenstellung auf dem Zufallsprinzip eines Karten­ spiels beruhte. Vaughan schreibt über die Genese der Choreografie: There were […] fifty-two possible movement indications, and each time Cun­ ningham played the game these came up in a different order. Since there are thirteen cards in a suit, he made thirteen strictly formal dances, or »hands.« He also made fourteen »deals«–– twelve between the »hands,« plus one to be­ gin and another to end the dance. These deals comprised simpler movements,

140 Zitiert nach Vaughan [Chronicle] 1997, S. 131. 141 Vgl. ebd. 142 Cunningham machte den anstrengenden Tourneealltag und die gesteigerte Verletzungsgefahr für die Aufgabe des Stücks verantwortlich, da es eine besondere mentale Flexibilität bei hoher technischer Schwierigkeit erforderte. Vaughan [Chronicle] 1997, S 134. 143 S. Ikegami 2017, S. 82.

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in the performance of which the dancers were given certain freedoms–– to do them or not, for instance, or to drop out for part of them. The order was changed at each performance, and was posted in the wings for the dancers to read.144 Canfield war mit seinen kurzen und flexiblen Segmenten also geradezu prädes­tiniert, in ein Event überführt zu werden. Die oben beschriebene Ausstattung von Canfield, die dem Bühnenstück einen Rahmen gab, fiel im Museum zugunsten einer betonten Koexistenz der Choreografie-Fragmente mit den bildenden Kunstwerken weg. Zwischenfazit zu den Events Da Merce Cunningham als Tänzer und Choreograf im Kontext der darstellenden Künste verwurzelt war, blieb zu jeder Zeit der moderne Bühnentanz sein Referenz­ rahmen. Von hier aus strebte er nach einer Entgrenzung des Tanzes. Seine Events, mit denen er die Theaterbühne verließ, waren Ausdruck dieser Entgrenzungstendenz, wobei die Konzepte Reduktion, Koexistenz und Zufall, wie sie für seine Tanzästhetik allgemein charakteristisch waren, in konzentrierter Form zum Tragen kamen. Ab den frühen 1970er-Jahren brachte Cunningham die Events aber auch wieder zurück auf die Theaterbühne. Ihr Konzept wurde zur Basis für einige der spektakulärsten späteren Auftritte der MCDC, einschließlich der großen Abschiedsperformances in New York, nach Cunninghams Tod.145 Events sind also kein eigenständiger Werk­ typus, sondern im Gegenteil, untrennbar mit dem Gesamtwerk verbunden, nicht zuletzt deshalb, da sie sich aus Repertoirefragmenten speisen. Wie eine Art Best-of können Events sogar als die Essenz des Cunningham’schen Schaffens gelten.146 Event #32 wirkte wie eigens für die Räume des Walker entstanden, da sich die Choreografie fluide dem Raum anpasste und immer wieder Korrespondenzen mit den präsentierten Kunstwerken aufschienen. Dennoch entstand die Choreografie nicht aus einer Auseinandersetzung mit dem Ort, sondern war eine durch Modulari­ sierung und Zufallsmechanismen automatisierte Reaktion auf den Ort. Event #32 os­ zilliert deshalb zwischen einer absolut indifferenten Neutralität, wie sie Moira Roth betonte, und einer absolut einmaligen Ortsspezifik, wie sie Cunningham selbst her­ ausstrich. Für das Publikum vor Ort, das den Entstehungsprozess des Werks nicht kannte, entstand der Eindruck eines singulären und ortsspezifischen Werks. Cunninghams Verzicht auf Narrationen und Spannungsbögen, der mit den Kon­ zepten Reduktion und Koexistenz Hand in Hand ging, begünstigte die Fragmentie­ rung beziehungsweise Modularisierung seiner Choreografien, ganz ohne Sinnverlust. Die Kombination der Module mittels Zufallsmechanismen verlieh den Events ihre

144 Vaughan [Chronicle] 1997, S. 168. 145 Vgl. Noland 2013, passim. 146 Carrie Noland gelangt zu einer ähnlichen Einschätzung. Ebd.

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besondere Flexibilität. Cunninghams technisch-mechanischer Ansatz wird im direk­ ten Vergleich zur Gruppe Grand Union, die einen ähnlichen Flexibilitätsgrad durch Improvisation erreichte, noch einmal besonders augenfällig. Der nahezu automati­ sche Anpassungsmechanismus bei Cunningham garantierte eine räumliche und zeit­ liche Flexibilität, ohne für jeden Ort eine neue Choreografie entwerfen zu müssen und ohne den Tänzer*innen zu viel Kreativität abzuverlangen. Diese Form der regel­ basierten Automatisierung erinnert nicht von ungefähr an die zeitgleich expandie­ rende Kybernetik und ein prozessorientiertes, algorithmisches Denken.147 Cunning­ ham eröffnete sich damit kreative Freiräume und erschloss sich zugleich eine Viel­ zahl neuer Spielstätten, was für ihn und sein Ensemble auch ökonomische Freiräu­ me eröffnete. Obwohl zu den Aufführungsorten, die sich Cunningham mit den Events erschloss, nicht nur Kunstmuseen gehörten, war es ein Museumsauftritt, der den Anstoß zur Herausbildung dieser Werkform gegeben hatte. Auch mit Blick auf die besondere Präsenz bildender Kunst in Cunninghams Bühnenstücken erscheint sein Übertritt ins Museum geradezu logisch. Ähnlich wie bei regulären Bühnenstücken wurden während Event #32 die dort gezeigten Kunstwerke zum Dekor der Tanzaufführung. Da sie jedoch nicht zu diesem Zweck geschaffen wurden, sondern zugleich auto­ nome Kunstwerke waren, wird das Konzept der Koexistenz hier noch einmal beson­ ders augenfällig. Im Museum korrelierte die Modularisierung des Tanzes in beson­ derer Weise mit der dezentralen Raumsituation. Wie in Event #32 deutlich zu sehen war, konnten verschiedene Mikroszenen an unterschiedlichen Orten im Raum zeit­ gleich stattfinden, was den Präsentations- und Rezeptionskonventionen des Muse­ ums entsprach. Cunninghams Ansatz, den Raum zu dezentralisieren und multidirek­ tional zu bespielen, der bereits für seine Bühnenstücke galt, kam dem allansichtigen Museumsraum entgegen. Die (scheinbare) Ortsspezifik der Events war schließlich für die Aktivierung des Publikums wesentlich, zunächst im Sinne eines außergewöhnlichen und vielfältigen visuellen Angebots. Die Koexistenz der Kunstwerke und der Tänzer*innen im ›neu­ tralen‹ Museumsraum bot aber auch die Voraussetzung für eine körperliche Präsen­ zerfahrung im Sinne Fried’scher Theatralität. Um den Museumsraum, seine Genese und Gestaltung näher zu charakterisieren, gilt es nun einen Perspektivwechsel vor­ zunehmen und die Institution des Walker näher zu beleuchten.

147 Darauf hat auch Annett Zinsmeister mit Blick auf Cunninghams spätere Auseinandersetzung mit computergesteuerten Entwurfsprozessen verwiesen. Vgl. Zinsmeister, Annett: Modularisierung von Raum und Bewegung als ästhetisches Programm. In: Brandstetter, Gabriele/Wiens, Birgit (Hrsg.): Theater ohne Fluchtpunkt. Das Erbe Adolphe Appias: Sze­ nographie und Choreographie im zeitgenössischen Theater. Berlin: Alexander 2010, S. 76–102.

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Das Walker Art Center als Ort für Performance Historischer Hintergrund Wie die meisten US-amerikanischen Kunstmuseen geht auch das Walker auf die pri­ vate Initiative eines wohlhabenden Mäzens zurück. Der Holzmagnat Thomas Barlow Walker (1840–1928) trug eine umfangreiche Sammlung an Gemälden, Skulp­ turen, Kunsthandwerk und Exotika zusammen, die er der Öffentlichkeit ab 1879 in seiner privaten Villa präsentierte.148 In den 1920er-Jahren ließ er dann einen Museumsbau im Stadtteil Lowrie Hill in Minneapolis errichten, wo sich das Walker bis heute befin­ det.149 Dieses Museum wurde 1927 als Walker Art Gallery eröffnet. Sein verhältnismä­ ßig extravaganter Bau entsprach dem großbürgerlichen Geschmack seiner Zeit. Die Fassade im neomaurischen Stil war rundum mit Terrakotta-Kacheln, schmalen ge­ drehten Säulen und kleinen Türmchen verziert (Abb. 1.27).150 Hinter einem zur Straße orientierten Querriegel erstreckten sich rechts und links zwei Gebäudeflügel, die einen schmalen nach hinten geöffneten Hof umschlossen (Abb. 1.28). Im Innern erwartete die Besucher*innen eine großzügige Lobby mit einem repräsentativen Treppenaufgang (Abb. 1.29). Die dahinterliegenden Ausstellungsräume schlossen sich auf den beiden Geschossen zu einem fortlaufenden Rundgang zusammen. Die Räume im Obergeschoss waren mit einem modernen Hängesystem und Oberlichtern ausgestattet.151 Dort wurde die Gemäldesammlung vor hellen Wänden in einer ein­ reihigen, relativ niedrigen Hängung gezeigt (Abb. 1.30). Im Erdgeschoss, wo Möbel und Kunsthandwerk präsentiert wurden, waren die Seitenwände von Fenstern durchbrochen (Abb. 1.31). Der Schwerpunkt der Walker-Sammlung lag anfangs auf französischer Malerei des 19. Jahrhunderts.152 Ab den 1930er-Jahren, nach Walkers Tod, wandte sich das Museum Schritt für Schritt der (US-amerikanischen) Gegenwart zu. Ein Indikator dafür waren erste Wechselausstellungen zeitgenössischer Kunst in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts.153 Kurze Zeit später wurde das Museum den Bürger*innen von

148 In den Ausstellungsräumen herrschte eine großbürgerliche Wohnzimmeratmosphäre. Die Wände waren vollständig mit Kunst bedeckt, auf dem Boden lagen orientalische Teppiche und dazwischen wurden Skulpturen und Möbel präsen­ tiert. Für eine Abbildung s. Museumswebseite, wie Anm. 154. 149 Walker kaufte dort zunächst eine Villa, die er für einige Jahre als Wohnung und Museum nutzte. Der Museumsneubau schloss an dieses Gebäude an. 150 Der Entwurf stammte von den Architekten Long and Thorshov aus Minneapolis. 151 Charlotte Klonk verweist in diesem Zusammenhang auf die schlichte und funktionale Raumgestaltung des Bauhauses, die zunächst von deutschen (Ludwig Justi) und bald auch von US-amerikanischen (Alfred Barr Jr.) Museumsmachern aufgegriffen wurde. Klonk, Charlotte: Spaces of Experience. Art Gallery Interiors From 1800–2000. New Haven, Lon­ don: Yale U P 2009, S. 99–105. 152 Zur Walker-Sammlung s. Whitmore, Janet L.: Transatlantic Collecting. Paris to Minneapolis. In: Weisberg, Gabriel P./ ten-Doesschate Chu, Petra/Dixon, Laurinda S. (Hrsg.): Twenty-First-Century Perspectives on Nineteenth-Century Art. Essays in Honor of Gabriel P. Weisberg. Newark: U of Delaware P 2008, S. 56–63. 153 Das in dieser Zeit ins Leben gerufene Minnesota Art Council überzeugte Walkers Erben 1938, das Museum für eine Präsentation von Living Minnesota Artists, zur Verfügung zu stellen.

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Minneapolis übergeben.154 Dies geschah im Kontext der Konjunkturprogramme des New Deal, beziehungsweise dem daraus hervorgegangenen Federal Art Project (FAP), das die Gründung lokaler Kunstzentren förderte. Die vormalige Walker Art Gallery wurde 1939/40 zum Art Center.155 Das Walker blieb zwar weiterhin ein Museum mit einer ständigen Sammlung, doch bedeutete die neue Rolle als Kunstzentrum eine konzeptionelle Neuausrichtung. Zu den zentralen Aufgaben gehörte nun, die lokale Kunstszene zu fördern und eine möglichst breite Bevölkerung für Kunst und Design zu sensibilisieren.156 Dies bedeutete eine Vielzahl neuer Aktivitäten und ein Leben­ digwerden des Museumsprogramms. Beispielsweise gewannen Wechselausstellungen zunehmend an Bedeutung und es wurde eine Kunstschule für Erwachsene eingerich­ tet. Die historische Sammlung wurde nach und nach veräußert und sukzessive durch Kunstwerke lebender (zunächst vor allem US-amerikanischer) Künstler*innen erwei­ tert, darunter zahlreiche Dauerleihgaben des Staates.157 In diesen Jahren begann das Engagement des Walker im Bereich der darstellen­ den Künste. Neben Lesungen und Kammermusik wurden Tanzaufführungen, meist von lokalen Künstler*innen und Ensembles, präsentiert.158 Als erste Tanzveranstal­ tung im Walker gilt das Spring Dance Festival, 1940, organisiert von der Choreogra­ fin Gertrude Lippincott (Abb. 1.32).159 Da der von T. B. Walker errichtete Museums­ bau keine Bühne und auch kein Auditorium besaß, wurden für diese und andere Live-Veranstaltungen entweder die Lobby oder der Innenhof des Museums genutzt.160 1944 wurde die historische Fassade, die ästhetisch noch ins 19. Jahrhundert zurück­ verwies, abgenommen und vom Architekturbüro Magney, Tusslar and Setter Ar­ chitects zu einem flächigen Kubus umgestaltet. Damit wurde zumindest nach außen ein deutliches Zeichen der Modernisierung gesetzt (Abb. 1.33). Das Innere des Mu­ seums blieb, von gelegentlichen Einbauten für Wechselausstellungen abgesehen, zu­ nächst unverändert. Eine vollständige Erneuerung fand erst mit der Errichtung eines Neubaus in den Jahren 1969 bis 1971 statt, der das Thema des folgenden Abschnitts sein wird. In den 1950er-Jahren erhielt das Live-Programm des Museums mit der Gründung des sogenannten Center Arts Council (CAC) einen entscheidenden Impuls. Das

154 Dies geschah im Einvernehmen mit den Walker-Erben, die eine Instandhaltung des Museums nicht finanzieren konn­ ten oder wollten. Dazu und zu der umfangreichen Kampagne, die um die Gunst und die finanzielle Unterstützung der Bevölkerung warb, s.: Vuchetich, Jill: Shall We Take It? The Walker’s Founding Question. Walker Art Center. Minnea­ polis 2014. https://web.archive.org/web/20201230102351if_/https://walkerart.org/magazine/public-art-center-defen bacher (Zugriff: 30.12.2020). 155 Zur Umwandlung des Walker in ein Kunstzentrum s. ebd. 156 Zu diesen Fördermaßnahmen im Kontext der Kulturpolitik des New Deal und des FAP s. S. 384. 157 Im Rahmen des FAP wurde Kunst, die aus staatlichen Förderprojekten beziehungsweise im Auftrag des Staates ent­ stand, an Museen verteilt. 158 O. A.: Performing Arts. In: Rothfuss/Carpenter 2005, S. 31. 159 Ebd., S. 32. 160 Ab 1953 veranstaltete das Walker eine Reihe an Jazz-Konzerten in seinem Innenhof. Hier trat unter anderem Doc Evans auf. Vgl. Nelson, Chloe: A History of Place. Open Field. Walker Art Center. Minneapolis 2010. https://web.ar chive.org/web/20210116154154/https://walkerart.org/magazine/a-history-of-place-open-field (Zugriff: 30.09.2020).

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Gründungsjahr des CAC, 1953, war auch das Gründungsjahr der MCDC.161 Das CAC war ein ehrenamtliches Gremium, das eigens für die Organisation von Veran­ staltungen darstellender Kunst sowie Filmaufführungen im Museum zuständig war. Auf Initia­tive dieses Gremiums und mit Unterstützung der Rockefeller Stiftung wur­ de 1963 sogar eine eigene Opern-Kompanie, die Center Opera Company, am Walker eingerichtet, die sich auf zeitgenössische Opernproduktionen spezialisierte, nicht selten im Dialog mit den bildenden Künsten.162 Eine notwendige Rahmenbedingung für eine solche Kompanie war ein Ort, an dem sie proben und auftreten konnte. Die­ ser entstand, ebenfalls 1963, mit dem Bau des Tyrone Guthrie Theater (Guthrie). Wie bereits erwähnt, schloss das Theater baulich unmittelbar an das Museum an, sodass ein Kunstkomplex entstand. Beide Häuser arbeiteten eng zusammen, obwohl es sich formal um zwei unabhängige Institutionen handelte. Das besondere Interesse des Walker an dieser Kooperation zeigt sich darin, dass die Walker Stiftung das Bauland für das Theater zur Verfügung stellte und den Bau auch finanziell unterstützte. Im Gegenzug überließ das Theater dem Museum seine Bühne mietfrei, sofern diese ge­ rade nicht benötigt wurde. Das war meist an Sonntagabenden der Fall. Diese Ko­ operation bestand bis 2006, als das Theater abgerissen wurde und andernorts einen Neubau bezog. Bemerkenswert ist, dass die Bühne des ›historischen‹ Guthrie eine Arena­bühne war, das heißt, das Publikum konnte die Aufführung von drei Seiten verfolgen.163 Das CAC und die Bühne des Guthrie Theater begünstigten das zunehmende En­ gagement des Walker im Bereich des zeitgenössischen Tanzes. Das CAC finanzierte einige größere Tanzproduktionen namhafter Choreograf*innen, die im Guthrie Pre­ miere feierten. Zu diesen Produktionen gehörte zum Beispiel Vaudeville of the Ele­ ments von Alwin Nikolais im Jahr 1965, ein Stück, dessen Ästhetik und Ausstattung an die Tradition des Bauhaus-Tanzes anschloss.164 Der erste Auftritt von Merce Cun­ ningham im Walker Art Center, im Jahr 1963, war ebenfalls eine Initiative des CAC. Dieser Auftritt fand allerdings nicht im Museum statt, sondern in den Räumen des Woman’s Club in Minneapolis.165

161 Ein indirekter Zusammenhang lässt sich über staatliche Kunstförderinitiativen in den frühen 1960er-Jahren konstruie­ ren, die Institutionenbildung im Bereich der darstellenden Künste förderten. Das galt für lokale arts councils und für Ensembles wie die MCDC, für die Anreize gesetzt wurden, sich als kleine Unternehmen zu registrieren. (Dazu noch einmal im zweiten Teil dieses Buches). 162 Die Center Opera Company fusionierte 1976 mit der Oper von St. Paul und wurde zur Minnesota Opera, nun mit ei­ nem eher konventionellen Programm. 163 Wenn oben stets von einer frontalen Zuschauer*innensituation im Theater die Rede war, ist dies nun ein Hinweis dar­ auf, dass auch Theaterräume wandelbar sind. 164 O. A.: Performing Arts. In: Rothfuss /Carpenter 2005, S. 31. 165 Vgl. Caniglia, Julie: From the Archives. Merce Cunningham & the Walker, 1948–1969. Walker Art Center. Minneapolis 2011. Online-Publikation. https://web.archive.org/web/20201020115459if_/https://walkerart.org/magazine/from-thearchives-merce-cunningham-the-walker-1948-1969 (Zugriff: 29.08.2019). Das Guthrie war zu diesem Zeitpunkt noch nicht fertiggestellt.

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Die Jahre 1969–1972: Eine neue Abteilung und ein neues Gebäude Die ausgehenden 1960er-Jahre brachten noch einmal eine wichtige konzeptionelle Zäsur. Das wachsende Interesse für die aktuelle Kunstproduktion, das sich schon zuvor abgezeichnet hatte, wurde mit der endgültigen Hinwendung zur zeitgenössi­ schen internationalen Kunst noch einmal intensiviert. Das Walker verstand sich nun als ein »contemporary art museum concerned with painting, sculpture and other vi­ sual manifestations of the recent past and with the innovative work of the present«.166 Die historische Walker Sammlung aber auch die Sammlungsbestände aus der NewDeal-Zeit rückten mehr und mehr in den Hintergrund. Zwischen 1969 und 1971 erfolgte zeitgleich die Errichtung eines Museumsneu­ baus und die Professionalisierung des Veranstaltungssektors durch die Einrichtung einer eigenen kuratorischen Abteilung, dem Performing Arts Department. Diese zeitliche Nähe war kein Zufall, schließlich war es die Expansion des Veranstaltungs­ sektors, der die Entscheidung zum Neubau maßgeblich vorantrieb. Die Kuratorin Mildred Friedman schreibt: A primary reason for building the new museum was the need to provide space for a multiplicity of new activities. […] While the 1,450 seat Guthrie Theater (connected physically to both the old and new museum) is used for many of the Art Center’s performing arts events, smaller audience spaces for lectures, films and chamber concerts were required.167 Das Performing Arts Department Das Performing Arts Department des Walker löste als nunmehr eigenständige kura­ torische Abteilung 1969 das CAC ab. Das Walker war damit eines der ersten Museen, das eine eigene Abteilung für Performance einrichtete. Als erste Leiterin der Abtei­ lung wurde Suzanne Weil eingesetzt, die oben im Zusammenhang mit der Organi­ sation der Cunningham-Residenz bereits genannt wurde.168 Das Performing Arts Department bestand zunächst nur aus Weil selbst, etwas später kam eine Prakti­ kumsstelle hinzu. Weil nahm die Arbeit auf, als das alte Museum abgerissen wurde. Während der etwa zweijährigen Schließzeit organisierte sie Veranstaltungen an ver­ schiedenen Orten in der Stadt und im öffentlichen Raum. Weil verbreiterte das Veranstaltungsportfolio des Museums merklich. Sie organi­ sierte Konzerte, Tanzveranstaltungen, Theateraufführungen sowie Workshops und Vorträge.169 Avantgardistischere Positionen finanzierte sie durch populärere Popund Rockkonzerte quer, zum Beispiel von Led Zeppelin, The Who oder Frank Zappa. 166 Friedman, Mildred: O. T. In: Walker Art Center 1971, S. 1–2, hier S. 1 [Original o. S.]. 167 Ebd., S. 1. 168 Weil gehörte zuvor dem CAC an und wurde später Leiterin der Tanz-Abteilung des NEA. Sie blieb bis 1976 am Walker. S. O. A. [Performing Arts] 2005, S. 31. 169 Die Kategorie ›Performancekunst‹ gab es zu diesem Zeitpunkt (noch) nicht. Insgesamt waren Auftritte ›klassischer‹ Performancekünstler*innen im Walker sehr selten. Ausnahmen waren Carolee Schneemann (1979), Meredith Monk (1974) und Joan Jonas (1974). Weil engagierte sich auch in einem outreach-Programm für ein Gefängnis in der Region.

Das Walker Art Center als Ort für Performance

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Für diese Konzerte nutzte sie das Guthrie Theater.170 Für alle Veranstaltungen, auch die Konzerte, das betonte Weil später, sei es immer ihr Ziel gewesen, ihr Programm inhaltlich auf die Sammlungs- und Ausstellungstätigkeit des Museums auszurichten: »I felt always very strongly that the music and performing arts had to be in line with what the museum did on the walls and on the floor.«171 Weils besonderes Augenmerk galt dem aktuellen Tanz. Die Residenz der MCDC, in deren Rahmen Event #32 stattfand, war nur einer von vielen entsprechenden Pro­ grammpunkten. Wie schon erwähnt, kam die MCDC, wie auch einige andere Vertreter*innen der (New Yorker) Tanz-Avantgarde, mehrfach für Residenzen und Auftritte nach Minneapolis. Unter den anderen Ensembles, die öfter zu Gast waren, waren die Twyla Tharp Company – Tharp gehört wie Cunningham zu den besonders bekannten Schüler*innen Martha Grahams – sowie das Kollektiv Grand Union, zu dem neben Yvonne Rainer so berühmte Tänzer*innen wie Trisha Brown, David Gor­ don oder Steve Paxton gehörten. Nach eigenen Angaben buchte Weil diese Ensembles auf Anregung durch Mundzu-Mund-Propaganda, was den starken Fokus auf die New Yorker Tanzszene er­ klärt.172 Dass sie sich überhaupt so stark im Feld des zeitgenössischen Tanzes enga­ gierte, begründete sie später damit, dass die US-amerikanische Tanzszene in dieser Zeit geradezu explodiert sei, aber auch mit der Verfügbarkeit staatlicher Fördergelder in diesem Bereich: Those were halcyon days in the dance world. I started to book dance right away because of the Dance Touring Program of the National Endowment for the Arts […] Of course dance companies don’t have homes so they’re on the road. They need help getting on the road – number one. Number two they wanted to get away from one-night stands. So you could book for no less than a half week […] – or for as long as you want. […] I wasn’t any more interested in dance as I was in theater or music or anything but it was so much easier to bring dance.173 Weil konnte mit den Residenzen in besonderer Weise Synergien nutzen und mit ge­ ringem organisatorischen wie auch finanziellen Aufwand renommierte Kunstschaf­ fende nach Minneapolis holen. Das bedeutete nicht zuletzt auch wichtige Impulse für die lokale Szene, die an Workshops und masterclasses teilnehmen konnte. Da Weil eine eigene, wenn auch kleine Abteilung leitete, konnte sie über ein eige­ nes Budget verfügen und über mehrere Jahre hinweg Kontakte zu Künstler*innen aufbauen und pflegen. Dies dürfte wesentlich zu dem bis heute hohen Stellenwert der darstellenden Künste im Museumsprogramm des Walker beigetragen haben.

170 Alle 1969. Vgl. Rothfuss/Carpenter 2005, S. 33. 171 Video [Weil/Bither] 2001, Min. 00:14:00. 172 Ebd., Min. 00:12:36. 173 Ebd., Min. 00:16:25.

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Der Museumsneubau Der Abriss des alten, baufällig gewordenen Museumsgebäudes im Jahr 1969 entbehrte nicht einer symbolischen Dimension. Der modernistische Kubus, dessen innere Struktur noch den Museumskonventionen bürgerlicher ›Kunsttempel‹ um 1900 ent­ sprach und der für Malerei und Skulptur aus dieser Zeit und früher ausgelegt war, wich einem Neubau, der den aktuellen Ansprüchen und Idealen eines Museums für zeitgenössische Kunst entsprach: Er war weiträumig, ›neutral‹ und multifunktional. Der Entwurf für den Neubau stammte von dem New Yorker Architekten Edward Larrabee Barnes. Barnes hatte in Harvard bei den Bauhaus-Architekten Walter Gro­ pius und Marcel Breuer studiert.174 In seinen Entwürfen orientierte er sich sichtlich am klaren Funktionalismus des späteren Bauhauses. Seinen Zeitgenoss*innen galt er als Vertreter eines radikalen Purismus oder auch als Minimalist. In einem Nachruf der New York Times heißt es: »Mr. Barnes’s style was so understated that some suggested he almost lacked one«.175 Im Vergleich zu Cunninghams Minimalismus plädierte Barnes für eine ganz andere Qualität der Reduktion: Architektur sollte aus­ drücklich kein »thing unto itself« sein, wie dies Cunningham für den Tanz einforder­ te, sondern sich zurücknehmen und eine dienende Funktion erfüllen.176 Für Museumsarchitektur galt dies ganz besonders, denn Barnes war der Überzeugung, dass Museumsbauten nicht mit der Kunst in Konkurrenz treten dürften. Sie sollten der Kunst vielmehr einen Rahmen oder eine Plattform bieten. Mit diesem Ansatz stieß er in der Kunst­welt auf große Zustimmung. Dies beweisen einige enthusiastische Rezensionen zum Bau des Walker, darunter allein zwei von Hilton Kramer in der New York Times, der das Museum als »one of the best contemporary exhibition facilities in the world« bezeichnete.177 Neben dem Walker, seinem bekanntesten Mu­ seumsbau, realisierte Barnes auch einige weitere Museumsbauten.178 Für das Walker entwarf Barnes eine turmartige kubische Struktur, die von außen mit braunen Ziegeln verkleidet war (Abb. 1.34–1.36). Drei weitläufige Außenterras­ sen auf den oberen Stockwerken, die durch Treppen miteinander verbunden waren, ermöglichten die Präsentation großer Skulpturen im Außenraum. Im Innern gab es eine großzügige Empfangshalle, die das Museum mit dem Guthrie Theater teilte. Da­ ran schloss die Lobby des Museums an, in der ein Museumsshop eingerichtet wurde, und von wo aus ein kleiner Vortragssaal, ein Auditorium und eine kleine Galerie zur 174 Barnes stammte aus Chicago. 1949 gründete er in Manhattan ein eigenes Büro, Edward Larrabee Barnes Associates, seine Frau Mary Barnes gehörte dem Büro als Innenarchitektin an. Vgl. Martin, Douglas: Edward Larrabee Barnes, Modern Architect, Dies at 89. New York Times, 23.09.2004. Zu Barnes und dem Walker s. auch: Blauvelt, Andrew: Edward Larrabee Barnes. In: Rothfuss/Carpenter 2005, S. 116. 175 Martin 2004. 176 Barnes, Edward L.: O. T. In: Walker Art Center (Hrsg): Walker Art Center Design Quarterly 1971, H. 81, S. 9 [Original o. S.]. 177 Kramer, Hilton: Grace, Flexibility, Esthetic Tact. In: New York Times 30.05.1971. Die zweite Rezension Kramers: Kram­ er, Hilton: Minneapolis Museum Opens Today, New York Times, 18.05.1971. 178 Zum Beispiel das Dallas Museum of Art (Eröffnung 1984) und das Knoxville Museum of Art (Eröffnung 1990). Vgl. Katonah Gallery (Hrsg.): Edward Larrabee Barnes. Museum Designs. Ausst. Kat. Katonah, Katonah Gallery. Katonah 1987.

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Präsentation einiger verbliebener Objekte aus der historischen Walker-Sammlung zu erreichen waren (Abb. 1.37–1.38). Auf insgesamt sieben Stockwerken verteilten sich dann sieben unterschiedlich große Ausstellungsräume, wobei die obersten beiden Stockwerke für ein Restaurant und einen Konferenzsaal reserviert waren. Bei der Anordnung der Räume verfolgte Barnes ein Konzept, das geradezu cho­ reografisch zu nennen ist. Sein erklärtes Ziel war, durch ein »fließendes« und anre­ gendes Besucher*innenerlebnis, der sogenannten »museum-fatigue« vorzubeugen.179 Barnes spricht in Bezug auf die Leitung der Besucher*innen durch das Museum von einem »subtle sense of going somewhere, like a river«.180 Diese Idee schlug sich kon­ kret in einer spiralförmigen Anordnung und Erschließung der Räume innerhalb der turmartigen Gebäudestruktur nieder. [T]he helical plan […] provides sequential flow from the lobby to the roof whether going up or down. At the same time, direct access to individual gal­ leries is possible by using the elevator or core stairs.181 Die sieben Ausstellungsräume sowie die Funktionsräume waren also spiralförmigkonzentrisch um einen Kern angelegt und jeweils durch kurze Treppenläufe mitein­ ander verbunden. Damit erklärt sich die Logik hinter den Treppenverbindungen und Höhenunterschieden der drei Galerieräume, die Event #32 räumlich strukturierten. Im Kern des Turms waren weitere Treppen und ein Aufzug unter­gebracht, sodass jeder Raum des Gebäudes sowohl in einem Gesamtfluss durch­schritten als auch di­ rekt aufgesucht werden konnte. Es ist anzunehmen, dass Barnes, als ein in New York lebender Architekt, die New Yorker Museumsbauten bestens kannte. Der spiralförmige Aufbau des Walker-Baus erinnert an Frank Lloyd Wrights Guggenheim Museum.182 Zugleich entspricht der turm­artige Aufbau mit den individuellen Zugängen zu den einzelnen Galerien über Treppen und Aufzüge auch dem 1966 eröffneten Neubau des Whitney Museum, das ein Entwurf von Barnes’ Lehrer Marcel Breuer war. Die Innenraumgestaltung des Walker wich allerdings deutlich von diesem möglichen Vorbild ab.183 Im Vergleich zu den dunklen Steinböden und markanten Beton-Kassettendecken des Whitney (s. Abb. 3.3) wirken die Innenräume des Walker elegant und leicht. Barnes knüpfte hier an das Konzept des white cube an, das in vielen Museen der Zeit präsent war. Über die Innenraumgestaltung des Walker schreibt er: The ambience of the galleries is white on white. Reflected light is maximized. Architectural details are minimized; elaborate wall systems and »interesting« 179 Barnes 1971, S. 9. 180 Ebd. 181 Ebd. 182 Vgl. Friedman 1971, S. 1.

183 Die Innenraumgestaltung der Barnes-Bauten übernahm in der Regel Mary Barnes. Im Design Quartery steht unter der wenig aussagekräftigen Rubrik »Interior« lediglich ein Verweis auf die Design-Kuratorin des Walker, Mildred S. Fried­ man. Barnes/Friedman 1971, S. 20.

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materials are avoided. We want the paintings to be seen in space, not »against« confusing surfaces.184 Ganz im Sinne des oben eingeführten Konzepts der theatricality sollte also ein ›neu­ traler‹ weißer Raum die Kunstwerke als Objekte im Raum erfahrbar werden lassen. Neben weißen, möglichst ununterbrochenen Wänden trugen zu dieser »white on white«-Ästhetik auch ein glatt geschliffener, weißer Terrazzoboden und eine weiße Betondecke bei (1.39–1.40). An dieser Stelle ist ein Hinweis auf die wenige Jahre später von Brian O’Doherty formulierte Kritik am white cube angezeigt. O’Doherty sprach sich damit gegen die Präsentation von Kunst in der ›weißen Zelle‹ aus, als die er Galerie- und Museums­ räume seiner Zeit bezeichnete. Solche in sich geschlossenen, weißen Räume, schot­ teten die Kunst in seinen Augen von der Realität ab und degradierten sie zur anony­ men Ware.185 Wie Charlotte Klonk in Abgrenzung zu O’Doherty und am Beispiel des MoMA zeigen konnte, gab es diese ›weiße Zelle‹ nie in Reinform.186 Das von Alfred Barr Jr. im MoMA etablierte Konzept (seinerseits am Bauhaus orientiert) sah viel­ mehr eine Sequenz aufeinanderfolgender Räume vor, die keineswegs in sich geschlos­ sen, sondern vielmehr im Fluss waren. Sie sollten den Strom der Besuch­er*innen leiten und das dort präsentierte Narrativ der sich einander ablösenden Strömungen der Moderne didaktisch unterstützen. Klonk verweist nicht zu unrecht auf den Warenhauscharakter dieser Architektur, die sie als »reminiscent of recent shop-floor flow-management strategies« beschreibt.187 Der oben beschriebene Ansatz für einen ›natürlichen‹ Fluss der Besucher*innen im Walker stimmt damit zunächst überein. Barnes betonte in Bezug auf das neue Walker ausdrücklich, dass das Raumgefühl nicht das einer Zelle sein sollte. »We want a sense of release, not of contain­ment«.188 Bei aller Neutralität bemühte er sich deshalb um eine möglichst große Varianz zwi­ schen den einzelnen Räumen. Jeder Ausstellungsraum sollte seinen eigenen »sense of place« besitzen.189 Der Zuschnitt der Räume sowie ihre Deckenhöhe waren ver­ schieden und die Wände wurden vereinzelt durch strategisch platzierte Fenster durchbrochen (Gordon Mumma saß während Event #32 in einer solchen Fenster­ nische). Die in die Räume integrierten Treppenverbindungen und eine Fuge zwi­ schen den Wänden und dem Fußboden, die die Wand als eine »separate plane« hervortreten ließen, trugen ihrerseits dazu bei, ein hermetisches Raumgefühl zu ver­ meiden.190 Für die Aufenthaltsqualität der Besucher*innen wurden zudem mobile Sitzbänke bereitgestellt. In der Galerie 7 auf der dritten Etage, die für kleinere

184 Barnes 1971, S. 9. 185 O’Doherty, Brian/McEvillery, Thomas: Inside the White Cube. The Ideology of the Gallery Space [1976]. Erw. Aufl. Berkeley: U of California P 1999. 186 Klonk 2009, S. 218. 187 Ebd., S. 147. Konkret bezieht sich Klonk hier auf das Zirkulationsprinzip des 1939 eröffneten MoMA. 188 Barnes 1971, S. 9. 189 Ebd. 190 O. A.: O. T. In: Walker Art Center 1971, S. 14.

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Gemälde vorgesehen war, gab es sogar eine Glasfront und eine Lounge mit Sofas, die zum Verweilen einlud. Im Vergleich zum skizzierten modernistischen white cube-Konzept des MoMA mit der vorgegebenen Sequenz der zu durchschreitenden Räume, war die architek­ tonische Choreografie des neuen Walker nun eine andere. Die Besucher*innen soll­ ten ihre Museumserfahrung, im Sinne einer freedom of choice, selbst zusammenstel­ len können. Dabei sollten sie alle Räume mit möglichst geringer Anstrengung errei­ chen können. Hier zeichnet sich eine weitere Parallele zu Cunninghams Events ab, bei denen die Zuschauer*innen ebenfalls frei zwischen den angebotenen Szenen wählen konnten. Interessant ist, dass Barnes seine Geste der Zurückhaltung – durchaus im Ein­ klang mit O’Dohertys Kritik am white cube – als Absage an die Idee vom Museum als Tempel oder Elfenbeinturm verstand. Museumsbauten dürften nicht zum Ehren­ mal für Mäzene oder Architekten geraten, so Barnes, sondern sie müssten vielmehr zeigen, dass sie »part of the fabric of daily life«, seien.191 Dieser Ansatz zeigte sich in der Anlage der Außenterrassen, wo Skulpturen vor der Skyline von Minneapolis prä­ sentiert werden konnten. Die Integration der Architektur in die sie umgebende All­ tagswelt kann dabei ebenfalls als Parallele zu den Ansätzen Cunninghams gelten, der den Tanz als integralen Bestandteil des Lebens auffasste. Die schlichten Wände und die von Barnes als ›uninteressant‹ bezeichneten Mate­ rialien sollten neben der Performanz der Kunstwerke auch jene maximale Flexibilität und schnelle Wandlungsfähigkeit gewährleisten, die ein dynamisches Ausstellungsund Veranstaltungsprogramm erforderte. Im Design Quarterly heißt es: Nails can be driven directly into the gypsum-over-plywood walls and screws can be sunk into the concrete beams and terrazzo floors. When installations are changed, all surfaces are easily repaired and inexpensive to refinish.192 Der Museumsraum wurde damit zum formbaren Rohmaterial, das sich rasch verän­ dern, anpassen und anschließend wieder in seinen Ursprungszustand zurückführen ließ. Die statischen Räume traditioneller Museumskonzepte erfuhren damit eine merkliche Dynamisierung. Im Falle des Walker hatte sich eine solche Tendenz be­ reits mit Einführung der Wechselausstellungen abgezeichnet. Sowohl die Wandel­ barkeit als auch die implizierte Fähigkeit zur ›Selbstheilung‹ (da alle Oberflächen immer wieder in ihren Ursprungszustand zurückgeführt werden konnten), lassen die Räume des Neubaus geradezu als quasi-lebendig erscheinen. Dabei kann der als Innovation präsentierte flexible Museumsraum, der jeglicher künstlerischer Produk­ tion gleichermaßen offensteht, in seiner demonstrativen Neutralität zugleich mit dem oben eingeführten Konzept einer Ästhetik der Indifferenz belegt werden. Wie 191 »A museum is not a temple to the donors, or a monument to the architect, or a security vault—in short, it is not a thing unto itself. It is part of the fabric of daily life, sharing urban benefits and problems with its neighbors.« Barnes 1971, S. 9. 192 O. A. 1971, S. 14.

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Cunninghams Events oszillierte also auch die Museumsarchitektur des Walker zwi­ schen absoluter Spezifik und absoluter Indifferenz. Die Geste der respektvollen Zurückhaltung vor der Kunst, die Barnes in Bezug auf Museumsarchitektur propagierte, wurde vom damaligen Museumsdirektor Mar­ tin Friedman noch weitergetrieben. In einer halbstündigen Videodokumentation, die anlässlich der Eröffnungsausstellung mit dem sprechenden Titel Works for New Spaces produziert wurde, kommt eine regelrechte institutionelle Ehrerbietung vor der Kunst und den Künstler*innen zum Ausdruck.193 Friedman konstatiert, das neue Museum sollte in erster Linie »a kind of space« sein, »which would satisfy the artists.«194 Deshalb habe man von Anfang an eng mit Künstler*innen zusammengear­ beitet und sie zu ihren Bedürfnissen befragt. Das dringlichste Anliegen der Künstler*innen sei, laut Friedman, »raw space« ge­ wesen, also ein möglichst großzügiges und ungestaltetes Raumangebot, das es erlau­ be, Kunstwerke unterschiedlicher Medien und Dimensionen zu zeigen.195 Der Aus­ druck raw space war ein Buzzword im Immobilienjargon der Zeit und bezeichnet unbearbeitete, meist industrielle Räume, wie sie in den urbanen Zentren postindus­ trieller Großstädte zu finden waren.196 Insbesondere in Downtown New York lebten und arbeiteten zu Beginn der 1970er-Jahre die führenden Vertreter*innen der USamerikanischen Avantgarde in vormals industriell genutzten Lofts. Mit der Größe der Ateliers waren dabei auch die Dimensionen der dort entstandenen Kunstwerke gewachsen. Im Hinblick auf den Tanz dieser Zeit überrascht es kaum, dass diese Form des raw space auch von Tanzensembles hochgeschätzt wurde. Auch die MCDC arbeitete ab 1971 in einem New Yorker Loft, wo bisweilen auch Aufführun­ gen stattfanden.197 Cunninghams Konzept räumlicher Dezentralisierung ist auch im Zusammenhang mit diesen besonderen räumlichen Gegebenheiten zu sehen. Das neue Walker imitierte die genannten Loft-Räume sowohl in ihren Dimensio­ nen, als auch in ihrer Ästhetik. Besonders die Deckenkonstruktion mit der repetiti­ ven Struktur unverkleideter T-Betonträger sorgten für eine entsprechende Anmutung. Diese ermöglichten es zudem, ohne Säulen oder andere den Raum durchschneiden­ de Elemente zu bauen, sodass ein Eindruck von Weite und Offenheit entstand. Mar­ tin Friedman bezeichnete die Räume als »large warehouse spaces«198 und stellte da­ mit eine direkte Verbindung von Museumsraum und Warenlager her, die sich bestens 193 Works for New Spaces, 18.05.–25.07.1971. Beteiligt waren u.a.: Lynda Benglis, Dan Flavin, Donald Judd, Robert Morris, Robert Rauschenberg, Richard Serra und Mark di Suvero. Video: Walker Art Center: Works for New Spaces [1971] [kom­ mentiert von Martin Friedman]. Farbe, Ton, 27:55 Min. Online: https://web.archive.org/web/20210210141010/https:// www.youtube.com/watch?v=4ByNPuUNtRQ&feature=youtu.be (Zugriff 10.02.2021). 194 Ebd., Min. 00:01:55. 195 Ebd., Min. 00:01:50. 196 Vgl. Zukin, Sharon: Loft Living. Culture and Capital in Urban Change [1982]. Jubiläumsausg. New Brunswick: Rutgers U P 2014, S. xvii; Shkuda, Aaron: The Lofts of SoHo. Gentrification, Art, and Industry in New York, 1950–1980. Chi­cago: U of Chicago P 2016, S. 199. 197 Im Atelierprojekt Westbeth. Vgl. Vaughan, David: Merce Cunningham and Westbeth. In: Meade/Rothfuss 2017, S. 19–24; Vaughan [Chronicle] 1997, S. 182. 198 Video [Works for New Spaces] 1971, Min. 00:01:15.

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für eine weiterführende Untersuchung im Sinne von O’Dohertys white cube-Kritik eignete. Für die vorliegende Auseinandersetzung ist jedoch vor allem interessant, dass das Museum mit seinem Neubau die studio lofts, also künstlerische Arbeits­ räume simulierte.199 Erklärtermaßen sollten die neuen Räume nicht nur »exhibition space« sein, sondern auch als »working space« funktionieren.200 Mit dieser Annähe­ rung an das Atelier inszenierte sich das Museum als Ort für im Entstehen begriffene und damit dezidiert ›lebendige‹ Kunst.201 Die flexiblen Qualitäten der neuen Räume sollten mit der bereits genannten Eröff­ nungsausstellung Works for New Spaces sogleich unter Beweis gestellt werden. Ähnlich wie bei anderen Prozesskunst-Ausstellungen der Zeit, wurden verschiedene Künstler*innen dazu eingeladen, ortsspezifische Arbeiten für den Innen- und Außen­ raum zu entwickeln, die dann vor Ort in den Museumsräumen entstanden. Der Mu­ seumsdirektor betonte die aktive Rolle, die das Museum in der Herstellung dieser Werke einnahm: The art center has moved towards a very active involvement with modern art and in recent years has become to a certain extend an enabler assisting artists to make works within the museum and in the areas around the city.202 Um noch einmal einen Bogen zurück zu Suzanne Weil und dem Performing Arts Department zu schlagen: Das Live-Programm zur Wiedereröffnung des Museums, eine Residenz des New Yorker Tanzkollektivs Grand Union, entsprach Weils oben genanntem Prinzip, ihr Programm auf das Ausstellungsprogramm des Museums ab­ zustimmen, voll und ganz. »This was the statement I wanted to make« bemerkte sie später zur Einladung dieser radikal zeitgenössischen Tanztruppe.203 Wie die Ausstel­ lung Works for New Spaces waren auch die Auftritte der Grand Union nicht auf den Museumsinnenraum begrenzt, sondern fanden über die ganze Stadt verteilt statt und wurden gemeinsam mit freiwilligen Teilnehmer*innen durchgeführt. Das Performing Arts Department fungierte dabei als Möglichmacher, indem es nicht nur für die Fi­ nanzierung, sondern auch für die Bereitstellung von Requisiten und die Anwerbung

199 Auch diese gesuchte Nähe zum Künstler*innenatelier lässt sich als Annäherung an den Markt lesen, wie Sharon Zukin argumentiert: »Power in the modern art market began to derive from a closeness, or the appearance of closeness, to the artist’s studio.« Zukin, Sharon: Loft Living. Culture and Capital in Urban Change [1982]. Jubiläumsausg. New Brunswick 2014, S. 92. Zukin nutzt diese Erkenntnis, um daraus das loft living als Wertgegenstand herzuleiten. 200 Video [Works for New Spaces] 1971, Min. 00:02:00. Lawrence Alloway beschreibt dasselbe Phänomen für Kunst in Galerien, um 1969: »There was pressure from artists whose work was getting larger or rougher for exhibiting space more like their studios.« Alloway, Lawrence: SoHo As Bohemia. In: Block, René (Hrsg.): New York – Downtown Man­ hattan: SoHo. Berlin: Akademie der Künste/Berliner Festwochen 1976, S. 143–149, hier S. 143. 201 Der Entstehungsprozess wird dann zur Essenz des Werks, ähnlich wie Allan Kaprow das in seinem Aufsatz über Jack­ son Pollock skizziert. Kaprow, Allan: The Legacy of Jackson Pollock. In: Kaprow, Allan/Kelley, Jeff (Hrsg.): Essays on the Blurring of Art and Life. Erw. Taschenbuchaufl. Berkeley: U of California P 2003, S. 1–9. Brian O’Doherty stellt in einem Aufsatz von 2007 fest, dass sich Galerien heute in ähnlicher Weise an das Atelier anpassten. O’Doherty, Brian: Atelier und Galerie. Studio and Cube [2007]. Berlin: Merve 2012, passim. 202 Video [Works for New Spaces] 1971, Min. 00:03:16. 203 Video [Weil/Bither] 2001, Min. 00:21:57.

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der Freiwilligen sorgte.204 Zum Abschluss der Residenz und anlässlich der Eröffnung der neuen Museumsräume fand dann eine frei improvisierte Performance in der Empfangshalle des Museums statt.205 Event #32 im Folgejahr war dann das erste leben­dige Kunstwerk in den Ausstellungsräumen des Walker und steht insofern für eine konsequente Fortführung und sogar Intensivierung der neu gesetzten Pro­ grammschwerpunkte des Museums. Der Neubau des Walker war ein architektonisches Hybrid, das den ›neutralen‹ white cube mit dem ›rohen Raum‹ der Loft-Ateliers verband. Im Vergleich zu frühe­ ren Museumkonzepten, die einen linearen Fluss der Besucher*innen durch das Gebäude entlang eines vorgegebenen Narrativs vorsahen, behielt das neue Walker zwar weiterhin die Idee eines ›natürlichen Flusses‹ bei, doch bot der modulare Auf­ bau den Besucher*innen größere Entscheidungsspielräume und die Möglichkeit eine eigene Narration zusammenzustellen. Diese Dezentralisierung des Museumsraums wurde durch die Möglichkeit, die gegebenen Räume schnell und flexibel umzugestal­ ten, potenziert.206 Das Prinzip der Modularisierung galt auch auf der Ebene des gesamten Ausstel­ lungsprogramms. Dies zeigte sich ganz konkret im Rahmen der Rekonstruktion von Event #32 in Form der unmittelbar aneinander angrenzenden Ausstellungsräume, die mit inhaltlich völlig unabhängigen Ausstellungen bespielt wurden. Cunninghams Konzept der Koexistenz lässt sich auf diese Konstellation ohne weiteres übertragen. Die ästhetische Reduktion der Räume und die Vermeidung eines fortlaufenden Narrativs führten dazu, die präsentierten Kunstwerke als ›Objekte im Raum‹ sicht­ bar und erfahrbar werden zu lassen. Das Museum bereitete damit die adäquate Hin­ tergrundfolie für eine zunehmend ›theatrale‹ Kunst. Wie sich das Museum und Cun­ ninghams künstlerische Praxis hier trafen, soll nun im abschließenden Abschnitt zu­ sammenfassend erläutert werden.

Analogien und Synergien Die vorangegangenen Abschnitte zeigten auf unterschiedlichen Ebenen Analo­gien zwischen Cunninghams Werk, seinen Events und der Architektur und Struktur des Walker auf. Beide strebten nach einer Dezentralisierung von Raum und Zeit und dem Aufbrechen autoritärer, linearer Narrative. Beide verfolgten ein Konzept, das 204 Vgl. Perron, Wendy: How Grand Union Found a Home Outside of SoHo at the Walker. Walker Art Center. Minneapolis 2018. https://web.archive.org/web/20201107013452/https://walkerart.org/collections/publications/side-by-side/howgrand-union-found-a-home-outside-of-soho-at-the-walker (Zugriff: 06.11.2020). Suzanne Weil erinnert sich: »I would sit there with a clipboard and Yvonne would say, ›I need a hundred red rubber balls,‹ and I would say ›OK.‹ And David would say, ›I need 14 old men’s raincoats,’ and I would say, ›OK.‹ [The requests also included two motorcycles, one raft, 20 kites, six jump ropes, six black umbrellas, and one bicycle.]« Ebd. 205 Vgl. ebd. 206 Diese Flexibilität galt allerdings auch bereits für die Räume des MoMA ab seinem Bezug des Gebäudes an der 54th Street, 1939, wo mit Sperrholzpartitionen und einem flexiblen Lichtsystem gearbeitet wurde. S. Klonk 2009, S. 147.

Analogien und Synergien

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sich als ›Einheit in Vielfalt‹ beschreiben lässt, nicht zufällig auch einer der in dieser Zeit besonders populären US-amerikanischen Werte. Sowohl für die Choreografie als auch für die Architektur waren die Konzepte der Reduktion, Fragmentierung und Modularisierung zentral sowie das Prinzip der Ko­ existenz, das sich auf der Ebene der Kunstwerke im Raum, auf der Ebene der Kunst­ gattungen und im Falle des Museums auch auf der Ebene des Ausstellung­programms zeigte. Beide, Institution und Choreograf, suchten mit Hilfe dieser Konzepte zu einer größtmöglichen Flexibilität und Anpassungsfähigkeit zu gelangen. In Bezug auf das Publikum teilten beide das Ideal einer individuellen Wahlfreiheit und die Idee minimalistischer oder, mit Fried, theatraler Selbstreferenzialität, die Moira Roth in der Kunst als Indifferenz kritisierte, oder Brian O’Doherty für den Ausstellungsraum als Neutralisierung. Die beiderseitige Neutralität, beziehungsweise die Verweigerung von Referenzialität, eröffnete Möglichkeitsräume für die Zusammen­arbeit. Beide versuch­ ten, durch eine forciert-fragmentierte Rezeptionserfahrung, einen aktivierenden Effekt auf das Publikum zu erzielen. Beide verwiesen dabei gerade nicht auf eine Sinnentlee­ rung, sondern im Gegenteil auf eine besondere Lebensnähe des Tanzes und der Muse­ umserfahrung. All diese Gemeinsamkeiten mögen zu der besonderen Kompatibilität von Tanz und Museum beigetragen haben. Sie können zugleich als wesentliche Merkmale eines Zeitgeistes am Anbruch der Post­moderne gelten. Es ist nicht das post­ moderne anything goes, für das die späten 1970er- und die 1980er-Jahre stehen. Viel­ mehr handelte es sich um eine vorsichtige Abgabe von Kontrolle, im Rahmen eng gesteckter Regeln, die dem Publikum einen Gestaltungsraum eröffnen sollte. Was motivierte diese Tendenzen seitens des Museums und seitens des Tanzes? Zunächst dürfte dies die Entgrenzung der Künste in den 1960er-Jahren gewesen sein. Um mit den zunehmend diversen künstlerischen Ausdrucksformen schritthalten zu können, musste das Museum räumlich und programmatisch flexibler werden. Cun­ ningham, der mit Cage und anderen zu den wichtigsten Akteur*innen dieser Entgren­ zung der Künste gehörte, begegnete der Anforderung, neue Orte für den Tanz zu er­ schließen seinerseits mit wachsender Flexibilität. Die Annäherung der bildenden Kunst an den Tanz und umgekehrt, führte nicht zu einer völligen Auflösung oder Austauschbarkeit beider Formen. Die Trennung der beiden Sphären blieb vielmehr sowohl auf medialer als auch auf institutioneller Ebe­ ne bestehen.207 Dies war eine notwendige Voraussetzung dafür, dass sowohl Cun­ ningham als auch das Museum ihre Kooperation als Grenzüberschreitung und Pio­ nierleistung verstehen konnten. Interessant ist, dass sich das Walker dabei so direkt wie nur möglich mit künstlerischer Kreativität identifizierte. Die Kunstproduktion wurde an den ihr zuvor nachgelagerten Ort ihrer Präsentation verlegt. Diese Ten­ denz war um 1970 noch neu und spiegelte sich in den damals populären Prozess­ kunstausstellungen, für welche Works for New Spaces ein Beispiel war. Ephemere Live-Performances im Museum waren eine Steigerung dieses Prinzips. Die flüchtige 207 Ohne sich, wie das später der Fall sein sollte, auf die von Bishop »exhibition time« genannte Temporalität einzulassen. Events blieben, wie der Titel bereits besagt, immer ›eventförmig‹. Bishop 2018, S. 29.

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und zugleich konzentrierte Präsenz des Tanzes stellte im Museumsraum eine beson­ ders radikale Form der Jetztzeitigkeit her. Dies galt insbesondere für Cunnighams Events. Mit ihrer besonderen Ortsspezifik und Struktur entstanden diese immer neu, im Moment ihrer Aufführung. Der Museumsraum mit den dort installierten Kunst­ werken bot dem Tanz seinerseits einen besonderen Kontext, der dem Event zu seiner Einmaligkeit verhalf. Cunninghams Tanzauffassung und das Museumskonzept des Walker waren sich auch im Hinblick auf den aktivierenden Effekt einig, den die Kunstrezeption auf das Publikum haben sollte. Was Michael Fried abwertend als Tendenz zur Theatralität bezeichnete, bedeutete einen Schub für die Erlebnis- und Erfahrungsorientierung der Künste und des Museums. Die eingangs vorgetragene These von Sally Banes, dass das Performativwerden der bildenden Kunst das Museum veränderte und dem Tanz den Weg ins Museum ebnete, lässt sich in Bezug auf Event #32 bestätigen. Die ausdrücklich an den Bedürf­ nissen zeitgenössischer Künstler*innen orientierte Museumsarchitektur ist ein ver­ lässlicher Indikator dafür, dass sich das Walker tatsächlich rasch an die aktuellen Entwicklungen der Kunst anzupassen versuchte. Allerdings war die Annäherung der bildenden Kunst an den Tanz, den Banes betonte, nur die eine Seite. Was bei Banes in den Hintergrund tritt und was anhand der Events besonders deutlich wurde, ist, dass sich auch der Tanz an die bildende Kunst annäherte. Dies zeigte sich insbeson­ dere in Cunninghams Aufbrechen linearer Raum- und Zeitstrukturen, die seiner Choreografie skulpturale Züge verlieh. Eine solche Annäherung überrascht mit Blick auf Cunninghams Kooperationen mit bildenden Künstler*innen kaum. Im Vergleich zu späteren Konzepten für Tanzausstellungen im Museum, wie sie Claire Bishop in ihrem oben zitieren Text in den Blick nimmt, hielt Cunningham an einer Eventför­ migkeit seiner Aufführungen fest und stellte sich nicht, wie das bei späteren Tanzper­ formances in Museen der Fall sein würde, auf die Zeitlichkeit von Museumsausstel­ lungen ein. Die These Ostwalds, dass Museen für Tanz kostengünstige Orte gewesen seien, lässt sich ebenfalls bestätigen und sogar erweitern. Für die MCDC fielen in Min­ neapolis nicht nur keine Kosten an, sondern das Ensemble erhielt sogar ein festes Honorar, das von der Zahl der Besucher*innen der geplanten Veranstaltungen unab­ hängig war. Von besonderer Bedeutung waren hier die staatlichen Förderanreize des Coordinated Dance Touring Progam, die für eine Win-win-Situation sorgten: Dem Ensemble bot die Residenz die Möglichkeit, mehrere Tage an einem Ort zu verweilen, was neben einer verlässlichen Einkommensquelle auch mehr Komfort bedeutete, als einzelne Aufführungen auf immer neuen Theaterbühnen. Das Museum konnte ver­ hältnismäßig kostengünstig renommierte Künstler*innen buchen und erreichte, zusätzlich zu seinem regulären Museumspublikum, auch ein tanzinteressiertes Pub­li­ kum, das sonst vielleicht eher die Theater frequentierte. Vor diesem Hintergrund ist nachvollziehbar, dass Choreograf*innen wie Cunningham gerne bereit oder sogar aktiv daran interessiert waren, ihre für die Bühne entwickelten Stücke für den das Museum zu adaptieren.

Analogien und Synergien

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Inwiefern kann dem Museum nun ein besonderes Interesse an dieser bestimmten (postmodernen) Tradition des Tanzes attestiert werden, wie es Claire Bishop in ihrem Artikel andeutete? Auch Bishops These ist zunächst zu bestätigen. Cunninghams Praxis erwies sich in der Tat als ausgesprochen museumskompatibel und auch als besonders erfolgreich. Um Bishops These vollständig überprüfen zu können, wäre die vorliegende Untersuchung auf die Judson Dance-Tänzer*innen auszuweiten. Ei­ nige Hinweise, zum Beispiel auf die Grand Union, konnten hier andeuten, dass diese Form des Tanzes sogar noch flexibler und unabhängiger von spezifischen räum­ lichen Gegebenheiten war, als Cunninghams Praxis. Trisha Browns eingangs genann­ te Choreografie Walking on Walls im Whitney Museum wäre hier ein besonders gu­ tes Beispiel für die Anpassung einer Choreografie, die ursprünglich nicht für die The­ aterbühne, sondern für den Stadtraum konzipiert war, an den white cube des Muse­ umsraums.208 Worin Bishop klar zu widersprechen ist, ist die Behauptung, dass sich Tanz im Museum heute vor allem aus der Tradition des (post-)modernen Tanzes ab­ leite. In der Tat wäre zwar die ›Transplantation‹ eines Handlungsballetts in den Mu­ seumsraum kaum möglich oder sinnvoll, doch hat auch das Ballett viele museums­ kompatible Formen entwickelt, wie eine Vielzahl ballettorientierter Tanzveranstal­ tungen in Museen heute beweist.209 Damit liegt nahe, dass es eher der Gegenstands­ wahl von Kunsthistoriker*innen zu­zuschreiben ist, dass nur eine bestimmte Tradition des Tanzes im Museum als besonders präsent erscheint. Merce Cunningham kommt hier eine besondere Scharnierfunktion zu, da er nicht nur zwischen Ballett und Mo­ dern Dance, sondern auch zwischen darstellender und bildender Kunst vermittelte. Damit eröffnete er sowohl bildenden Künstler*innen als auch Museen und der Kunstgeschichtsschreibung einen Zugang zum Tanz. Im Walker setzte sich das Engagement im Bereich der darstellenden Künste in den folgenden Jahrzehnten ebenso fort wie der in diesem Kapitel nachvollzogene ›Verlebendigungsprozess‹ der Institution. Dies lässt sich erneut an der Architektur des Museums ablesen. 2005 wurde der Barnes-Bau durch einen großzügigen Anbau von Herzog & de Meuron erweitert (Abb. 1.41). Darin befindet sich kein einziger herkömmlicher Ausstellungsraum, sondern ein großes Theater sowie verschiedene multifunktionale Veranstaltungsräume (Abb. 1.42–1.43). Wie das Lebendigwerden der Künste und des Museums, das sich in diesem Kapi­ tel abzeichnete, mit der Herausbildung von Body Art und Performancekunst neue künstlerische Ausdrucksformen und museale Präsentationsformate fand, wird Ge­ genstand der folgenden beiden Kapitel sein.

208 Brown schloss damit an ihre Arbeit Man Walking Down the Side of a Building (1970) an, während der ein*e Performer*in, mit einem Seil gesichert, die Außenwand eines hohen Gebäudes hinunterschreitet. 209 Drei Beispiele aus der unmittelbaren Vergangenheit: 2018 fand im Whitney Museum die ballettorientierte Ausstellung Nick Mauss: Transmissions (16.03. –14.05.2018) mit zahlreichen Live-Aufführungen statt. Im Rahmen der Ausstel­ lung Lincoln Kirstein’s Modern (17.03.–15.06.2019) kooperierte das MoMA mit dem New York City Ballet und prä­ sentierte an drei Tagen Ballettaufführungen in seinem Marron Atrium. Im Rahmen der Whitney Biennale (17.05.– 22.09.2019) wurde die ballettbasierte Arbeit The Master and Form von Brendan Fernandes gezeigt.

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Tanz im white cube?

Zur Museumskompatibilität der Body Art – Die Ausstellung Bodyworks im Museum of ­Con­temporary Art Chicago,  1975

Einführung Was zeichnet eine Performanceausstellung aus? Ist es das Konzept der ›Liveness‹, also die körperliche Präsenz von Performer*innen vor anwesendem Publikum? Oder ist der Begriff ›Ausstellung‹ entscheidend und damit die andauernde Präsenz von Exponaten an einem Ort, über einen bestimmten Zeitraum? Beide Konzepte schlie­ ßen sich gegenseitig aus. Lebende Körper und zeitbasierte Handlungen erfüllen nicht die Kriterien für herkömmliche Museumsexponate und umgekehrt fehlt jenen stati­ schen Exponaten die Qualität lebendiger Präsenz. Die Konzeption einer Performance­ ausstellung erfordert deshalb immer ein Abwägen beider Qualitäten. Eine Entschei­ dung zugunsten der ›Liveness‹ bedeutet eine Verschiebung in Richtung Event, wäh­ rend mit zunehmender Ausstellungsförmigkeit auf Aggregate von Performance zurück­ gegriffen werden muss, zum Beispiel auf Konzepte, Fotografie, Film und Video, Relikte und andere Objekte. Museen können dieser Herausforderung ganz unter­ schiedlich begegnen. Die Ergebnisse, zu denen sie kommen, verorten sich in einem breiten Spektrum zwischen Event- und Ausstellungsform. Für eine historische Be­ trachtung bedeutet das, dass keine absolut erste museale Performanceausstellung be­ nennbar ist. Vielmehr lassen sich zahlreiche mögliche Anbruchspunkte für Perfor­ manceausstellungen in Museen ausmachen. Während im vorangegangenen Kapitel eine eventförmige Veranstaltung im Vordergrund stand, rückt in diesem Kapitel mit

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der ersten Überblicksschau zur Body Art in den USA nun ein ausstellungsförmiges Projekt in den Fokus.1 Die Ausstellung Bodyworks fand vom 8. März bis zum 27. April 1975 im Museum of Contemporary Art Chicago (MCA / MCA Chicago) statt.2 Der Kurator der Ausstel­ lung, Ira Licht, versammelte dafür insgesamt zweiundzwanzig internationale Positio­ nen. Die Künstler*innenliste liest sich heute wie das Who’s who der Performancege­ schichte. Beteiligt waren unter anderem Vito Acconci, Laurie Anderson, Eleanor Antin, Joseph Beuys, Günter Brus, Chris Burden, Gilbert & George, Bruce Nauman, Dennis Oppenheim und Gina Pane.3 Das mediale Spektrum der gezeigten Werke reichte von Fotografien und Fotomontagen über Videos und Filme bis zu LivePerformances. Ira Licht begegnete der Herausforderung, zwischen Event und Aus­ stellung zu vermitteln, mit einem kuratorischen Kniff: Er teilte das Projekt in einen statischen Ausstellungsteil und ein lebendiges Live-Programm. Als eine der ersten Performanceausstellungen in einem Museum ist Bodyworks ein Meilenstein in der Museums- und Ausstellungsgeschichte. Dennoch fand bislang keine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Ausstellung statt. Allenfalls er­ wähnt wurde das Projekt in Texten zur Geschichte der Body Art als Kunstgenre. Noch im Jahr der Ausstellung erschien ein Text des Kritikers Max Kozloff im einfluss­ reichen Kunstmagazin Artforum. Kozloff betont darin die Neuartigkeit der Bodyworks-Ausstellung für die USA, kritisiert aber, dass die Ausstellung klein und zöger­ lich ausgefallen sei.4 Zum Vergleich verweist er auf eine Vielzahl europäischer Pub­li­ kationen sowie auf einen »enormous and well-organized institutional support of body-art activities« in Europa.5

1 Ich verwende im Folgenden den heute gängigen Begriff ›Body Art‹, der wahrscheinlich aus dem britischen Kunstkontext kommt. In den USA war dagegen zunächst von ›Body Works‹ die Rede, im deutschsprachigen Kontext (Österreich und Deutschland) von ›Körpersprache‹, in Frankreich von ›l’art corporel‹ und in Italien von ›arte corporal‹. Body Art kann als spezifische Ausprägung von Performance und als Protoform der Performancekunst gelten. Eine entsprechende Her­ leitung in: Goldberg, RoseLee: Performance. Live Art 1909 to the Present. New York: Abrams 1979, S. 98 ff. Body Art ist keine geschlossene künstlerische Bewegung, aber ein Phänomen, das ab Mitte der 1960er-Jahre nahezu zeitgleich an unterschiedlichen Orten der Welt auftrat. Verbindende Motive sind der Einsatz des Körpers als Material sowie ein direk­ ter Bezug zu den traditionellen Medien Malerei und/oder Bildhauerei. Das bislang umfangreichste Überblickswerk zur Kunstform ist: Warr, Tracey/Jones, Amelia (Hrsg.): The Artist’s Body. London: Phaidon 2000. 2 Das MCA Chicago war zunächst nur nominell ein Museum. Es wurde 1967 als Kunsthalle (ohne Sammlung) für nationa­ le und internationale zeitgenössische Kunst eröffnet. Ab 1970, mit Beginn der Sammlungstätigkeit, kann die Institution vollumfänglich als Museum gelten. 3 S. Museum of Contemporary Art Chicago (Hrsg.): Bodyworks. Ausst. Kat. Chicago, Museum of Contemporary Art. Chi­ cago 1975. 4 »A small, hesitant survey exhibition […] Though a first of its kind in the US, it skimped on its offerings.« Kozloff, Max: Pygmalion Revisited [1975 als Pygmalion Reversed]. In: Warr/Jones 2000, S. 248–249, hier S. 249. 5 »Europe has developed an enormous and well-organized institutional support of body-art activities. A roster of periodi­ cals has featured the mode: Interfunktionen, Flash Art, Data and Magazin Kunst. Two large compendia, Kunst als Lebens [sic], edited by Gerhard Horst Haberl, have appeared from Graz, Austria. And serious viewers will know of the quite mammoth ›Documenta ‘72‹ and Kunst bleibt Kunst, the catalogue of the ›projekt ‘74‹ show in Cologne. A recent notable entry into the field is Il corpo come linguaggio […], a bilingual Italian-English book by Lea Vergine.« Ebd. Her­ vorhebungen im Original.

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Zur Museumskompatibilität der Body Art

Die Künstlerin Laurie Anderson, die Bodyworks anlässlich ihres Auftritts im Live-Programm der Ausstellung besuchte, verfasste einen Erfahrungsbericht, den sie erstmals 1975 im Avantgarde-Magazin Avalanche und später noch einmal unter dem Titel What is Body Art? in ihrem Buch Stories from the Nerve Bible veröffentlichte.6 Anderson gibt sich darin irritiert von der regelrecht ›ent-körperten‹ und musealen Atmosphäre der Ausstellung: Basically, it was pieces of paper on a wall, photographs, notes, tapes. Artists putting their bodies on the line, on the shelf, dressing in drag, assuming alter egos, putting themselves through various exercises, contortions, exorcisms. All in an effort to exit the body, the brain, trying everything short of jumping out the window. But in fact, no bodies were there. Only paper.7 In Andersons Augen bestand eine Diskrepanz zwischen der behaupteten transgressi­ ven Körperlichkeit der Werke und ihrer Präsentation in mediatisierter Form als Per­ formanceaggregate im Museum. In einem 1977 vom britischen Kunsthistoriker John A. Walker herausgegebenen Glossar zur Kunst nach 1945 wird Bodyworks unter dem Lemma »Body Art« als erste Ausstellung ihrer Art genannt. Dennoch sei die Ausstellung den Entwicklungen im Kunstfeld hinterher gewesen. Als Begründung heißt es: »The difficulties of mount­ ing a show of Body Art delayed its appearance in public museums«.8 Worin könnten diese Schwierigkeiten gelegen haben? War es die Ahnungslosigkeit von Museums­ mit­arbeiter*innen? Fehlte es an öffentlichem Interesse beziehungsweise Akzeptanz oder an adäquaten Möglichkeiten, ephemere Kunstwerke auszustellen? An einer In­ kompatibilität des Museums mit körperbasierter Kunst kann es im Falle des MCA nicht gelegen haben, denn dort hatte es bereits zuvor ungleich experimentellere Aus­ stellungen gegeben, einschließlich Live-Performances, darunter die frühe Konzept­ kunstschau Art By Telephone im Jahr 1969.9 Nach 1980 geriet Bodyworks zunehmend in Vergessenheit. In dieser Zeit war ge­ nerell ein abnehmendes Interesse an Body Art zu verzeichnen, wie Amelia Jones be­ merkt, die Ende der 1990er-Jahre den Diskurs um die Kunstform mit ihrem Buch Body Art – Performing the Subject wiederbelebte.10 Jones bezieht sich dort indirekt auf die Chicagoer Ausstellung, indem sie das oben genannte Zitat von Laurie Anderson über  6 Anderson, Laurie: What is Body Art? [erstm. als Confessions of a Street Talker in: Avalanche 1975, H. 11]. In: Dies. (Hrsg.): Stories from the Nerve Bible. A Retrospective, 1972–1992. New York: Harper Perennial 1994, S. 109.  7 Ebd.  8 Walker, John A. (Hrsg.): Glossary of Art Architecture & Design since 1945. 3. durchg. erw. u. ill. Ausg. Boston: Hall 1992, S. 60.  9 Für Art By Telephone (01.11.–14.12.1969) diktierten die eingeladenen Künstler*innen dem Museum ihre Werke per Telefon. Neben einigen prozessualen Kunstwerken gab es auch ein Live-Programm, unter anderem einen Abend mit Charlotte Moorman und Nam June Paik am 31. Oktober 1969. Der Gründungsdirektor Jan Van der Marck und der erste Kurator des MCA Chicago, David Katzive, zeigten sich mit dieser Ausstellung auf Augenhöhe mit angehenden Star­kurator*innen konzeptueller Kunst, wie Harald Szeemann in Bern, Wim Beeren in Amsterdam, Pontus Hultén in Stockholm oder Marcia Tucker und Kynaston McShine in New York City. 10 Jones, Amelia: Body Art. Performing the Subject. Minneapolis: U of Minnesota P 1998.

Einführung

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Bodyworks zum Ausgangspunkt für ihre Überlegungen zur Ontologie der Body Art nimmt.11 Andersons Statement entlarve, so Jones, einen »myth of presence circulat­ ing around body art at the time«.12 Solche Präsenz-Vorstellungen, argumentiert Jones weiter, hätten die Body Art, insbesondere in der feministisch orientierten Kunst­ geschichte, als »naiv» und »essentialistisch« in Misskredit gebracht.13 Jones’ erklär­ tes Anliegen ist, die Kunstform zu rehabilitieren, indem sie eine poststrukturalistischfeministische Dekonstruktion von Präsenz-Konzepten vornimmt.14 Ausgehend von der Erkenntnis, dass auch die unmittelbarste Live-Erfahrung kein vollständiges »Verstehen« ermögliche,15 betont Jones die Performanz der Körperwerke, die auch ihrer Dokumentation innewohne: Body Art habe, gleich ob live oder nicht live, die Fähigkeit, ihre Betrachter*innen auf radikale Weise zu affizieren.16 Was Jones verschweigt, ist, dass Anderson in ihrem Text betont, dass sie sich selbst nie als Body-Art-Künstlerin gesehen habe.17 Anderson kann damit also kaum als Sprecherin für diese Strömung gelten – sofern überhaupt von einer geschlossenen Strömung die Rede sein kann. Jones konstruierte den Präsenz-Mythos für die Body Art – oder verstärkte ihn zumindest – um ihn anschließend zu dekonstruieren. Damit leistete sie dem häufig wiederholten Missverständnis Vorschub, dass frühe Per­for­ mancekünstler*innen, vor allem Vertreter*innen der Body Art, besonderen Wert auf Live-Präsenz gelegt und sich einer Dokumentation und Mediatisierung ihrer Arbeiten verweigert hätten.18

11 Ebd., S. 32. 12 Ebd. 13 Ebd., S. 22. Jones bezieht sich hier auf die Kunsthistorikerin Mary Kelly, die ihrerseits gegen die modernistischen Theo­ rien von Clement Greenberg und anderen anschrieb. Für Kelly galten, Jones zufolge, die Präsenz des Künstler*innensubjekts und das Zusammenfallen von Subjekt und Objekt in der Body Art als Fortführung des moder­ nistischen Konzepts des (implizit männlichen) Künstlergenies. 14 Jones beschreibt ihre Position als »deeply informed by a poststructuralist suspicion of discourses of presence«. Ebd., S. 33. In diesem Zusammenhang steht auch ihre Kritik an der präsenzzentrierten Auffassung von Performance bei Peggy Phelan, s. S. 25. 15 »Having direct physical contact with an artist who pulls a scroll from her vaginal canal does not ensure ›knowledge‹ of her (as individual and/ or artist and/ or work of art) any more than does looking at a film or picture of this activity.« Ebd., S. 35–36. Jones bezieht sich hier auf Carolee Schneemanns Arbeit Interior Scroll (1975). 16 »[S]uch work can radically engage the viewer«. Jones 1998, S. 22. Jones beruft sich auf das Performanz-Konzept nach J. L. Austin. Parallel und auch im Anschluss an Jones haben sich verschiedene theoretische Ansätze entwickelt, die das Verhältnis von liveness und Medium in Bezug auf Body Art und Performancekunst reflektieren. Dabei wurde sowohl das Verhältnis zwischen historischem Moment und seiner Dokumentation als auch die verschiedenen Wirksamkeitspo­ tenziale von Live-Performances und ihren Aggregatzuständen bearbeitet. Einen guten Überblick über den Diskurs bie­ tet: Jones, Amelia/Heathfield, Adrian (Hrsg.): Perform, Repeat, Record. Live Art in History. Bristol: Intellect 2012. Ne­ ben den Texten von Jones und Heathfield in diesem Band s. auch: Widrich, Mechtild: Can Photographs Make It So? Repeated Outbreaks of VALIE EXPORT’s Genital Panic Since 1969. Ebd., S. 89–104; und Auslander, Philip: The Perfor­ mativity of Performance Documentation. Ebd., S. 47–58. 17 Anderson 1994, S. 109. 18 Jones zitiert auch Ira Licht, der in seinem Katalogtext die besondere Direktheit der Body-Art-Kunstwerke betont. Aller­ dings geht es Licht an entsprechender Stelle nicht um Präsenz, wie Jones behauptet. Licht betont vielmehr seinerseits die Performanz der Werke und räumt ein, dass »much of the mystery and metaphor of the object« in den aggregierten Werken erhalten bliebe. Licht, Ira: Bodyworks. In: Museum of Contemporary Art Chicago (Hrsg.): Bodyworks. Chica­ go 1975, S. 5–10 [Original o.S.], S. 5.

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Zur Museumskompatibilität der Body Art

Der Blick auf die Ausstellung in Chicago, die fast ausschließlich auf fotografische Bilder zurückgriff, revidiert dieses Bild. Er legt die These nah, dass der PräsenzMythos für die Body Art allenfalls als ideologische Rahmung der Werke eine Rolle spielte, nicht aber für den tatsächlichen Umgang mit Dokumentationsmedien. Die Dokumentation und Mediatisierung von Performance folgte dann vielmehr der Not­ wendigkeit und dem Wunsch, ephemere Werke in den Ausstellungsbetrieb einspei­ sen zu können. Die Frage nach der Performanz von Performancedokumentation bleibt dabei relevant und wird im Folgenden im Zusammenhang mit der Rezeption der Ausstellung noch einmal aufgegriffen werden. Der erste Teil dieses Kapitels widmet sich einer Rekonstruktion von Bodyworks. Der Zweiteilung der Ausstellung folgend, steht zuerst ihr statischer Teil im Vorder­ grund. Seine Untersuchung verspricht Erkenntnisse über logistische Fragen, über die Rolle der Fotografie in der Ausstellung und ihr performatives Potenzial. Anschlie­ ßend rückt der lebendige Ausstellungsteil in den Fokus, namentlich die vier Perfor­ mances von Vito Acconci, Dennis Oppenheim, Laurie Anderson und Chris Burden, die unter besonderer Berücksichtigung ihres musealen Kontextes untersucht werden. Der zweite Teil des Kapitels hat zum Ziel, die Ausstellung im Kontext ihrer Zeit zu verorten. Dort werden einige Texte und frühe Body-Art-Ausstellungen in den USA und in Europa zum Vergleich herangezogen, um das Konzept von Bodyworks ge­ nauer zu konturieren und Rückschlüsse auf die lokale und museale Situiertheit der Ausstellung ziehen zu können. Das Fazit kehrt dann zur Frage nach der Kompatibili­ tät von Body Art und der Institution Museum zurück und bietet einen Erklärungsan­ satz für das Paradoxon, dass die Ausstellung einigen Zeitgenoss*innen als absolutes Novum und anderen als verspätet galt. Dem folgt ein Ausblick auf die Ausdifferen­ zierung eines Ausstellungstypus, den Bodyworks mitbegründete und die Bedeutung der Ausstellung für die Institutionsgeschichte des MCA Chicago.

Rekonstruktion der beiden Ausstellungsteile Den äußeren Rahmen für Bodyworks gab die Museumsarchitektur vor. Wie viele junge Kunstinstitutionen dieser Zeit bespielte das MCA Chicago ein ehemaliges In­ dustriegebäude (Abb. 2.1).19 Der Eingang zu dem flachen, zweigeschossigen Bau lag etwa einen Meter über dem Straßenniveau. Im Innern befanden sich zwei voneinan­ der getrennte Ausstellungsbereiche. Der erste und repräsentativere lag im Erdge­ schoss (beziehungsweise im Hochparterre), der zweite, kleinere im Souterrain. Dies war der Ort, an dem Bodyworks gezeigt wurde.20 Im Erdgeschoss fand zeitgleich

19 Das Gebäude lag an der 237–43 East Ontario Street. 20 Nach Angaben der Kuratorin Lynn Warren war die Galerie im Untergeschoss nur für eine gewisse Zeit in Gebrauch, im Erdgeschoss hingegen hätten meist zwei Ausstellungen parallel stattgefunden. I-LW, Min. 00:28:00.

Rekonstruktion der beiden Ausstellungsteile

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eine Retrospektive des französisch-amerikanischen Bildhauers Gaston Lachaise (1882–1935) statt.21 Diese Ausstellung umfasste über 50 teilweise überlebensgroße Skulpturen, viele davon in Bronze, sowie einige Zeichnungen und Objekte. Nicht von ungefähr kreisten auch die Arbeiten von Lachaise thematisch um den menschli­ chen, vor allem weiblichen Körper. Die statische Ausstellung Der folgende fiktive Ausstellungsrundgang basiert auf einem Konvolut schwarz-wei­ ßer Ausstellungsansichten aus dem Archiv des MCA, ergänzt durch eine Pressemit­ teilung, Presseausschnitte und die Korrespondenz mit Leihgeber*innen und Künst­ ler*innen.22 Eine weitere Quelle ist der Ausstellungskatalog, der auf etwa 20 Seiten eine Werkliste sowie einen von Ira Licht verfassten einführenden Text enthält (Abb. 2.2).23 Die Hinweise auf die Leihgeber*innen der Werke sind diesem Katalog entnommen. Der Rundgang erfolgt im Uhrzeigersinn, wobei kurze Objektbeschrei­ bungen einen Überblick über die vertretenen Positionen geben. Zugunsten der Ori­ entierung sind die Namen der Künstler*innen in Fettschrift gesetzt. Um in die Ausstellung zu gelangen, mussten zunächst das Foyer und die Gaston Lachaise-Ausstellung durchquert werden, von wo aus eine Treppe in das Unterge­ schoss des Museums führte. Durch eine seitliche Tür betritt man dort einen fenster­ losen, niedrigen Ausstellungsraum, der von künstlichem Licht erhellt wird und des­ sen Wände und Decken ganz in Weiß gehalten sind (Abb. 2.3).24 Dieser white cube25 wird durch drei massiv anmutende, parallel zueinander stehende Wände, die zu den langen Seitenwänden rechts und links einen Durchgang gewähren, in vier etwa glei­ che Teilbereiche segmentiert (Taf. 1). Der erste Eindruck der Ausstellung wird von Flachheit und Ordnung bestimmt. Allseits an den Wänden hängen Fotoabzüge unterschiedlicher Größe. Sie sind zu­ meist ohne Passepartouts in randlose Glasrahmen gefasst und mit dezenten Metallha­ ken an der Wand fixiert. Die Hängung ist dicht, wobei vielfach Gruppierungen in präzise Reihen oder Blöcke vorgenommen wurden. Jede Werkgruppe wird durch Lichtspots beleuchtet und von einem dunklen Wandlabel begleitet. Raum für größere, dreidimensionale Objekte, Filmprojektionen, oder gar für Aufführungen vor Publikum,

21 Gaston Lachaise, MCA Chicago, 08.03.–28.04.1975. Die Ausstellung wurde neben Chicago auch in Minneapolis, Los Angeles und in Ithaka gezeigt. Nordland, Gerald (Hrsg.): Gaston Lachaise. The Man and His Work. Ausst. Kat. Ithaka, Herbert F. Johnson Museum of Art, Cornell University. New York: Braziller 1974. 22 Alle Materialien im Archiv des MCA. MCA Chicago: Bodyworks, 1975. A-MCA E, 1975 Bodyworks. 23 Museum of Contemporary Art Chicago 1975. 24 Die Deckenhöhe betrug etwa 2,70 Meter. 25 Der Begriff wird hier und im Folgenden analog zum vorangegangenen Kapitel verwendet. Weiterhin gilt, dass es den hermetischen white cube in seiner Reinform nie gab. Die Ausstellungssituation in Chicago kam dem Konzept des white cube von Brian O’Doherty allerdings nah, da der fensterlose Raum im Souterrain die Außenwelt ausschloss und da es sich bei den Exponaten fast ausschließlich um ›Galerieware‹ handelte. Vgl. O’Doherty, Brian/McEvillery, Thomas: Inside the White Cube. The Ideology of the Gallery Space [1976]. Erw. Aufl. Berkeley: U of California P 1999.

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Zur Museumskompatibilität der Body Art

MONITOR FÜR VIDEOS

VITO ACCONTI GILBERT & GEORGE JOSEPH BEUYS

PETER HUTCHINSON

ALAN SONFIST

ELEANOR ANTIN BEN VAUTIER GINA PANE

CHRIS BURDEN ADRIAN PIPER

GÜNTER BRUS

HAMILTON/FISHER URS LÜTHY ARNULF RAINER

RUDOLF SCHWARZKOGLER

WILLIAM WEGMAN KLAUS RINKE

EINGANG H. BALL BRUCE NAUMANN

DENNIS OPPENHEIM

D. BURLIUK M. DUCHAMP Y. KLEIN

BRUCE NAUMANN

LUCAS SAMARAS

ROBERT MORRIS

J. POLLOCK

Taf. 1  Rekonstruktionsskizze (ohne Maßstab) der Ausstellung Bodyworks, MCA Chicago, 8. März– 27. April 1975. Skizze: Autorin.

Rekonstruktion der beiden Ausstellungsteile

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wie sie der Ausstellungskatalog und die Pressemitteilung ankündigen, ist nicht er­ sichtlich.26 Beim Betreten der Ausstellung fällt der Blick zunächst auf einen Pfeiler, an dem eine Tafel mit dem einzigen Saaltext der Ausstellung angebracht ist. Zur Einführung sei er hier in voller Länge wiedergegeben: Bodyworks documents artists’ explorations of themselves, their activities and their psyches, using their own bodies as medium. It is primarily a personal and private art, whose content is autobiographical and whose aim is the most di­ rect communication of human concerns. Some of the more action oriented artists may admit audiences but the content of the performance is nevertheless intimately involved with the artist’s psychological states. Other artists pose privately just for the photographic record. In either case, it is the artist’s physi­ cal being which bears the content and is both subject and means of aesthetic expression. Thus one can consider the artists themselves as art objects. Though Bodyworks may seem beyond the definitions of pictorial art, it is the result of artistic ideas, the 19th century cult of self, the development of hap­ penings, the influence of dance, and the concern with the artist’s creative processes, as well as the influence of Freudian psychology and contemporary sociology. Body artists confront us with our neurotic needs and pathologic behavior in an artistically controlled and ritualized manner. Their major themes are rituals of self-transformation, social interaction, and the inter­ relationship of creativity, sexuality, and dying. Some may find this, and the frankness of treatment disturbing. But the strengths of Bodyworks lie just in how much is it based upon the dramatic subtext of one’s customary social role playing as well as the way it draws upon our innermost fantasy life. In its return to the expression of very basic human concerns, emotional experiences, psychological phenomena and personal communication, Bodyworks is essentially humanitarian; its values are not  vest­ ed in things but in society.27 Dieser Text ist eine auf die zentralen Thesen der Ausstellung verdichtete Version des Katalogtextes, der im Zweiten Teil dieses Kapitels noch einmal genauer zur Sprache kommen wird. Im Vordergrund stehen der Künstler*innenkörper als Medium und seine Transformation zum Kunstwerk; die möglichst unmittelbare Kommunikation zwischen Künstler*in und Publikum; der Einsatz von Dokumentationsmedien; ein historischer Bezug zur Herausbildung eines cult of self im 19. Jahrhundert und seine modernen Formen; psychologische und soziologische Fragen, wie Neurosen oder

26 In der Pressemitteilung heißt es: »Actual performances, events and films of events are also included.« Pressemitteilung [27.02.1975]: MCA Chicago: Bodyworks, 1975. A-MCA E, 1975 Bodyworks, S. 1. 27 Mein Dank gilt Bonnie Rosenberg, ehemalige Mitarbeiterin im Archiv des MCA Chicago, für die Unterstützung beim Entziffern des Textes anhand einer Ausstellungsansicht.

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Zur Museumskompatibilität der Body Art

Rituale und schließlich eine gleichwohl verstörende wie kathartische Wirkung der ausgestellten Werke. Wendet man sich vom Eingang her scharf nach links, fällt der Blick auf einige Fotografien, die die ›Väter‹ der Body Art repräsentieren (Abb. 2.4): Direkt neben dem Eingang hängen je ein Porträt der Künstler David Burliuk (auch Dawid Burljuk, 1882–1967) und Hugo Ball (1866–1927) im futuristischen beziehungsweise dadaisti­ schen Kostüm.28 Daran schließen zwei übereinander platzierte, passepartourierte Fo­ tografien von Man Ray an, die Marcel Duchamp zeigen. Auf Star Shaved-Head (frz. Tonsure, 1921) dreht Duchamp der Kamera seinen Hinterkopf zu, sodass ein in sein kurzes Haar rasierter Stern sichtbar wird. Dieses ikonische Bild taucht in kunsthisto­ rischen Herleitungen der Body Art besonders häufig auf.29 Auf dem zweiten Bild, nicht weniger ikonisch, zeigt sich der Künstler in der Rolle seines weiblichen Alter Egos Rrose Sélavy (1921), mit Lippenstift, Pelzkragen und Hut. Damit sind zwei zentrale Themen der Ausstellung etabliert: der Künstler*innenkörper als Objekt oder Readymade und das Spiel mit (Geschlechter-)Rollen und Identitäten. Zugleich stell­ te Licht mit diesem Teil der Ausstellung eine direkte Verbindung zwischen den klassischen Avantgarden der Moderne und den Nachkriegs-Avantgarden, denen die Body-Art-Künstler*innen zuzurechnen sind, her. Eine Fortführung erfährt diese kleine Genealogie der Body Art weiter rechts in einer Fotografie von Jackson Pollock beim Malen im Atelier (fotografiert von Hans Namuth, 1950) sowie das be­ rühmte Bild des ins Leere springenden Yves Klein aus dem Jahr 1960. Diese beiden Künstlerpersönlichkeiten verweisen im Kontext des Ausstellungskonzeptes stell­ vertretend auf die prozessuale und zeitliche Dimension des künstlerischen Schaffens­ prozesses und symbolisieren das Performativwerden der Kunst, das sich in den inter­ medialen Kunstpraktiken der Dadaisten und Futuristen bereits abgezeichnet hatte. Mit Pollock – Licht bezieht sich im Katalog auf Allan Kaprow als Vordenker in die­ sem Zusammenhang –, wurde die künstlerische Geste und bei Klein schließlich auch der Künstler*innenkörper zum Bestandteil des Werks. Dass Klein in seinen Anthropo­metrien vor allem die Körper anderer, genauer: Frauen, in seinen Werken einsetzte, klammerte Licht in seiner Ausstellung aus. Auch Künstler wie Piero Man­ zoni oder Georges Mathieu, die häufig in diesem Zusammenhang genannt werden, wurden in der Ausstellung nicht berücksichtigt. An der nach rechts anschließenden Stirnwand ist das Werk I-Box (1962) von Robert Morris zu sehen. Bei dem kastenförmigen Holzobjekt, das in Chicago unter dem Schutz einer Plexiglashaube präsentiert wurde, handelt es sich um ein in Ob­ jektform gebrachtes Wortspiel mit dem Buchstaben ›I‹, dem englischen Wort für ›ich‹ und seiner phonetischen Entsprechung mit dem englischen Wort ›eye‹. Hinter einem geöffneten ›I‹-förmigen Türchen kommt ein fotografisches Porträt des entblößten 28 Von 1913, respektive 1916. 29 Früh bereits bei Lea Vergine: Vergine, Lea (Hrsg.): Body Art and Performance. The Body as Language [1. ital./engl. Ausg. 1974]. Mailand: Skira 2000, S. 11. Eine lesenswerte Interpretation in: Zapperi, Giovanna: Marcel Duchamp’s »Tonsure«. Towards an Alternate Masculinity. In: Oxford Art Journal, 30. Jg. 2007, H. 2, S. 291–303.

Rekonstruktion der beiden Ausstellungsteile

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und aufrecht stehenden Künstlers zum Vorschein.30 Erneut wird damit die Frage der verkörperten beziehungsweise sichtbaren oder auch projizierten Identität aufgewor­ fen. Mit den Medien- und Wortspielen eröffnet die Arbeit ein weiteres zentrales Themenfeld der Ausstellung. Morris’ Arbeit war eine Leihgabe der New Yorker Leo Castelli Gallery und das einzige skulpturale Objekt in der Ausstellung.31 Nach rechts schließt nun eine lange Reihe kleinformatiger Arbeiten aus zwei Werkserien von Lucas Samaras an (Abb. 2.5). Die Serie Autopolaroids (1969–70) ist das Ergebnis einer mehrjährigen Dokumentationsreihe seines inszenierten und foto­ grafisch manipulierten Körpers. Die Serie Splits (1973) basiert ebenfalls auf Bildern seines Körpers, die er mit gefundenen Bildern aus Magazinen zu Collagen kombi­ nierte. Neben dieser Reihe sind vier Bilder aus Bruce Naumans Serie Untitled (1966) zu sehen. Dazu gehört das Self Portrait as a Fountain, ein fotografisches Brustbild des Künstlers, der als ›lebender Brunnen‹ einen Wasserstrahl in Richtung Betrachter*in speit – eine Hommage an Marcel Duchamp. Naumans Arbeiten waren die einzige Museumsleihgabe der Ausstellung. Sie stammten aus dem New Yorker Whitney Museum. Rechts, auf einer der eingezogenen Wände, fällt der Blick auf Naumans Holograms (1970), manipulierte Farbfotografien, auf denen der Künstler seinen Mund mit den Fingern in verschiedene Positionen zieht und knetet. Eines dieser Bilder ist auf dem Titel des Ausstellungskatalogs abgebildet. Vom Eingang her nach rechts, an einer der langen Außenwände, werden die Ar­ beiten zweier Vertreter des Wiener Aktionismus präsentiert, allesamt Leihgaben der Galerie Stadler in Paris. Zuerst hängen dort einige groß aufgezogene schwarz-weiße Fotografien aus Rudolf Schwarzkoglers 3. Aktion (1965) (Abb. 2.6).32 Sie zeigen un­ ter anderem eine männliche Gestalt, die in Mullbinden gewickelt und von Drähten und Kabeln umgeben auf einer Art Bett liegt. Auf einem anderen Bild steht die Ge­ stalt nackt mit dem Gesicht zu einer Wand, mit einem großen Fisch auf dem Rücken. Ein weiteres Bild zeigt den Rumpf und den Beinansatz des Mannes, der auf einem weißen Ball sitzt. Über seinem Geschlecht, das von einem Fisch mit einer Rasier klinge im Maul verdeckt wird, klebt eine weiße Mullbinde. Dieses Bild dürfte einige Besucher*innen der Ausstellung an die angeblich tödliche Penisamputation Schwarzkoglers erinnert haben, die in den USA einen Skandal auslöste, nachdem im

30 Benjamin H. D. Buchloh verweist auf die Verwandtschaft der I-Box zu Arbeiten Marcel Duchamps und auf die Auf­ spaltung des Signifikanten in »object, linguistic sign, and photographic reproduction.« Buchloh, Benjamin H. D.: Con­ ceptual Art 1962–1969. From the Aesthetic of Administration to the Critique of Institutions. In: October, 55. Jg. 1990, Winter, S. 105–143, hier S. 117. 31 Vermutlich machte Licht hier eine Ausnahme, da das Objekt besonders gut in sein Konzept passte und da Morris nicht nur eine künstlerische, sondern auch eine intellektuelle Autorität war, wenn es um die Reflexion des Verhältnisses von Kunstobjekten zum menschlichen Körper geht. 32 Die genannte Bezeichnung folgt der Gesamtübersicht der Aktionsfotos von Rudolf Schwarzkogler in: Badura-Triska, Eva/Klocker, Hubert (Hrsg.): Rudolf Schwarzkogler. Leben und Werk. Klagenfurt: Ritter 1992. Eine detaillierte Be­ schreibung der Aktion in: Badura-Triska, Eva: Inszenierte Fotografie. Bilder nach dem Ausstieg aus dem Tafelbild. In: Badura-Triska, Eva/Klocker, Hubert (Hrsg.): Wiener Aktionismus. Kunst und Aufbruch im Wien der 1960er-Jahre. Köln: König 2012, S. 96–113, hier S. 113. Eine der Aufnahmen stammt aus der Aktion mit dem eigenen Körper (Nr. 6) (1966). Im Bodyworks-Katalog werden alle Schwarzkogler-Arbeiten unter dem Titel Body Action 1967 geführt.

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Times Magazine darüber berichtet worden war.33 Ira Licht erwähnte diese Anekdote zwar nicht, doch saß auch er im Falle Schwarzkoglers einem gängigen Missverständ­ nis auf. Entgegen seines Grundsatzes, ausschließlich Werke von Künstler*innen zu zeigen, die den eigenen Körper zum Thema ihrer Arbeit machten, zeigte er hier Bil­ der, die Schwarzkogler unter Verwendung eines männlichen Modells, des Künstlers Heinz Cibulka, inszeniert hatte.34 Echtes Künstlerblut floss dann aber auf den nach links anschließenden farbigen Abzügen der Aktion Zerreißprobe (1970) von Günter Brus, die Brus im Münchner Aktionsraum 1 vor Live-Publikum durchgeführt hatte (Abb. 2.7). Auf den von Klaus Eschen fotografierten Bildern ist Brus in kreatürlichen Posen am Boden kauernd und kriechend gezeigt, beinahe unbekleidet. Er blutet aus Wunden am Kopf und am Oberschenkel, die er sich mit einer Rasierklinge zugefügt hatte. Diese existenzielle Körperanalyse, wie Brus solche Aktionen nannte, ist Hubert Klocker zufolge als »öf­ fentlich demonstrierte Autotherapie« und als »Prozess der Selbsterkennung« zu ver­ stehen.35 Vor dem Hintergrund der gesellschaftspolitischen Situation Österreichs in den Nachkriegsjahrzehnten lassen sich diese und ähnliche Arbeiten als Ausbruchs­ versuche aus verkrusteten Strukturen und als ein Weckruf gegen die Verdrängung der Mitschuld Österreichs an den Verbrechen des Nationalsozialismus lesen. Weiter links schließen mit Ben Vautier und Joseph Beuys zwei weitere Vertreter der europäischen Avantgarde an, die beide mit der Fluxusbewegung verbunden wa­ ren. Von Ben Vautier werden drei Gestures (1963) ausgestellt, Teile eines größeren Konvoluts schwarz-weißer Bild-Text-Tableaus, die der Künstler über die Zürcher Galerie Bischofberger als Buchedition veröffentlicht hatte.36 In Chicago wurden die Werke auf Holz aufgezogen präsentiert. Jedes dieser Tableaus besteht aus dokumen­ tarischen Fotografien einer Aktion des Künstlers und deren knappen Beschreibung, Verortung und Datierung in der für Vautier typischen Schreibschrift. Für Chicago wurden die Handlungen Se coucher dans la rue, Me regarder dans un miroir und Me peindre ausgewählt.37 Links davon hängen zwei großformatige Siebdrucke von Joseph Beuys (Abb. 2.8). Auf La Revoluzione siamo noi (1972), dem größten Bild

33 Hughes, Robert: The Decline and Fall of the Avant-Garde. In: Time, 18.12.1972. Zur Entstehung und Verbreitung der Legende s. Stiles, Kristine: Performance Art. Introduction. In: Stiles, Kristine/Selz, Peter (Hrsg.): Theories and Docu­ ments of Contemporary Art. A Sourcebook of Artists’ Writings. 2. überarb. u. erw. Aufl. Berkeley: U of California P 2012, S. 679–694, hier S. 806. 34 Dass ein Missverständnis vorlag, impliziert auch ein Brief von Licht an Stadler, in dem er erklärt, warum er nicht alle Wiener Aktionisten einbezog: »I did not include Nitsch or Muehl because their activities involved the bodies of others rather than their own«. Brief [18.02.1975]: Ira Licht an Rodolphe Stadler, A-MCA E, 1975, Bodyworks. 35 Zu den Körperanalysen und der Aktion Zerreißprobe s. Klocker, Hubert: Die Aktionen von Brus, Muehl, Nitsch und Schwarzkogler ab Mitte der 1960er-Jahre. In: Badura-Triska/Klocker 2012, S. 190–219, hier 209–215, Zitate auf S. 215. Zur psychoanalytischen Dimension des Wiener Aktionismus s. Barnick-Braun, Kerstin: Wiener Aktionismus und Psy­ choanalyse – Freud, Jung, Reich. In: Badura-Triska/Klocker 2012, S. 67–68. 36 Ben: Gestes, 1973, Künstlerbuch, 65 Seiten, 18 × 18 cm, Auflage: 1000, herausgegeben von der Galerie Bischofberger, Zürich. Webseite: Documents d‘artistes. Ben: Gestes, 1973. https://web.archive.org/web/20201115175443/http:// www.documentsdartistes.org/artistes/ben/repro3.html (Zugriff: 15.11.2020). 37 Auf der ersten dieser Tafeln heißt es zum Beispiel: »Se coucher face au sol dans une rue, attendre que quelquechose se passe.« Ebd., o. S.

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der Ausstellung, schreitet der Künstler in der Rolle des entschlossenen Revolutionärs auf die Betrachtenden zu. Auf Demokratie ist lustig (1973) geht er lachend an einer Polizeieskorte vorbei. Beide Bilder entstanden im Zusammenhang mit der Entlas­ sung des Künstlers aus der Düsseldorfer Kunsthochschule. Es mag zunächst verwun­ dern, dass Beuys in eine Body-Art-Ausstellung integriert wurde. Eine mögliche Er­ klärung gibt die direkte Nachbarschaft zu Ben Vautier, denn beide Künstler standen der Fluxus-Bewegung nah und beide erklärten ihr gesamtes Leben und Handeln und damit auch ihre Körper zur Kunst. Ein weiterer Grund mag die besondere Bekannt­ heit von Beuys in den USA seit seiner medienwirksamen Amerikareise im Vorjahr und seiner Performance I like America and America likes me gewesen sein.38 An der Stirnseite des Ausstellungsraums folgen vier weitere Bild-Text-Tafeln, Vito Acconcis Arbeit Reception Room (1973). Anders als bei den Tableaus von Ben Vau­ tier, handelt es sich hier um die nachträgliche Dokumentation einer Einzelperfor­ mance, die Acconci 1973 in den Räumen der neapolitanischen Galerie Modern Art Agency gezeigt hatte. Eine Skizze, einige Fotografien und eine handschriftliche Be­ schreibung zeichnen ein Szenario nach, in dem sich Acconci, auf einer Pritsche un­ ter einem Leintuch liegend, selbst ausstellte. Über Lautsprecher wurde dabei seine Stimme eingespielt, die über An- und Abwesenheit sowie Gefühle wie Scham, Ekel oder Exhibitionismus reflektierte.39 Links neben diesen Tafeln steht eine freistehende Präsentationswand mit der Fo­ toserie Smashed (1973) des britischen Künstlerpaars Gilbert & George, eine Leihga­ be der Sonnabend Gallery. Dies ist die einzige Position in der Ausstellung, die mit der geometrisch geordneten Hängung bricht: Die zehn teilweise unscharfen oder ver­ wackelten Fotografien, die beide Künstler in Anzügen in einer Bar zeigen, wurden in einer betont chaotischen Bilderwolke arrangiert (Abb. 2.8). Die Hängung erklärt sich aus dem Plot der Arbeit: Die Bilder dokumentieren, wie sich die beiden living sculptures in einem englischen Pub betranken, nachdem sie ihre erste Arbeit verkauft hat­ ten.40 Gegenüber, an einer der eingezogenen Wände, hängen drei Bilderserien von Eleanor Antin in exakten Reihen übereinander (Abb. 2.9).41 Die Arbeiten sind im Katalog zusammenfassend mit dem Titel Several Selves überschrieben, ein Verweis auf die zahlreichen Alter Egos, die Antin im Laufe ihrer Karriere entwickelt hat. Drei dieser Charaktere waren in der Ausstellung präsent: Antin als schwarze Filmschau­

38 Eine fotografische Dokumentation dieser bis ins Detail inszenierten Reise in: Staeck, Klaus/Steidl, Gerhard (Hrsg.): Beuys in America. Neuaufl. Heidelberg, Göttingen: Steidl 1997, passim. 39 In einem ›Empfangsraum‹ war am Boden eine (leere) Sitznische markiert. Im zweiten Raum lag Acconci auf der Prit­ sche. Er warf sich unter dem Leintuch nervös hin und her, sodass sein nackter Körper darunter zum Vorschein kam. Vgl. Volk, Gregory (Hrsg.): Vito Acconci. Diary of a Body 1969–1973. Mailand 2006, S. 331–335. 40 Vgl. Video u. Text: Galerie Thaddaeus Ropac: Gilbert & George | Drinking Pieces and Video Sculptures | Galerie Ropac London, 2017. Farbe, Ton, 3:10 Min. Online: https://web.archive.org/web/20210210190358/https://www.youtube. com/watch?v=KqVLQK4tq24 (Zugriff 10.02.2021). Eine amüsante Randnotiz ist, dass auf der letzten Katalogseite zu Bodyworks die Abbildung dieser Arbeit mit der Liste des Board of Trustees des MCA Chicago kombiniert wurde. 41 In jeder Reihe hängen jeweils acht kleinformatige Bilder.

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spielerin (Black is Beautiful, 1974) in blackface und und mit Afro-Perücke, Antin als The King of Solana Beach (1974–75) mit angeklebtem Bart und langem Haar und schließlich Antin als tragische Ballerina (Caught in the Act, 1973), die nur für Fotos posieren, aber nicht tanzen kann.42 Diese Arbeiten entstanden sowohl im öf­ fentlichen Raum als auch in kontrollierten Ateliersituationen. Zumindest bei einigen handelte es sich um Filmstills. Leihgeberin all dieser Bilder war die Künstlerin selbst. Nach rechts schließt dann, inhaltlich recht unvermittelt, Alan Sonfists konzep­ tuelle Arbeit Body Continues After Death As a Work of Art (1972–74) an. Die Ar­ beit besteht aus fünf gerahmten Dokumenten. Drei davon enthalten je eine Fotogra­ fie im extremen Querformat, die den aufgebahrten, unbekleideten Körper des Künst­ lers in einer Haltung zeigen, die an Hans Holbeins Christus im Grabe (1521) erin­ nert. Gemeinsam repräsentieren die Dokumente ein Testament, demzufolge Sonfist seinen Körper nach dem Tode an das New Yorker Museum of Modern Art übergibt (das Museum schlug das Erbe allerdings aus). Unter allen Werken in der Ausstellung war dies die direkteste Auseinandersetzung mit dem Körper als Kunstwerk und den Konsequenzen seiner Überführung ins Museum.43 An der anschließenden zweiten Längswand öffnet sich eine kleine Nische, in der ein Monitor platziert ist und vor der eine Bank steht (Abb. 2.9). Hier laufen hinter­ einander verschiedene Videoarbeiten, allesamt Leihgaben der Agentur Castelli-Sonn­ abend Tapes and Films Inc. Darunter waren Bruce Naumans phänomenologische Studie Wall Floor Positions (1968), in der Nauman eine festgelegte Abfolge von Körperhaltungen zwischen der Wand und dem Boden seines Ateliers ausführt, und das psychologisch aufgeladene Claim Excerpts (1971) von Vito Acconci, eine Perfor­mance, für die der Künstler mit verbundenen Augen und mit einer Eisenstange fnet im Keller einer Galerie saß und dem Galeriepublikum via Live-Über­ bewaf­ tragung Gewalt androhte, sollte es sich wagen, in sein Territorium einzudringen.44

42 Zu diesen Arbeiten: Liebert, Emily/Copeland, Huey (Hrsg.): Multiple Occupancy. Eleanor Antin’s »Selves«. Ausst. Kat. New York, Miriam and Ira D. Wallach Art Gallery. New York 2013. Eine Diskussion des blackfacing bei Eleanor Antin in Copeland, Huey: Some Ways of Playing Antinova. In: Liebert/Copeland 2013, S. 30–40, hier S. 33 ff. Antins Arbeiten inspirierten die afro-amerikanische Künstlerin Lorraine O’Grady zu einer ›Reappropriation‹ mit ihrer Performance Mlle Bourgeoise Noire (1980), in der sie als schwarze Schönheitskönigin auftrat. Ich danke Sarah Happersberger für diesen Hinweis. 43 Willoughby Sharp reflektiert dieses Phänomen 1970: »Strictly speaking it is impossible to use the body as an object. The only case in which a body approaches the status of an object is when it becomes a corpse. Nevertheless, several artists have proposed works which utilize cadavers while others have presented their own bodies as if they were dead. […] Much of this work […] reveals a sober acceptance of physical facts of death and a willingness to exploit their artistic potential.« Sharp, Willoughby: Body Works. A Pre-Critical, Non-Definitive Survey of Very Recent Works Using the Human Body or Parts Thereof. In: Avalanche 1970, Herbst, S. 14–17, hier S. 16. Sharp bezieht sich hier auf Yves Klein, der sich kurz vor seinem Tod mehrfach als Leichnam inszenierte, Keith Arnatts Self-Burial (1968), inspiriert von Claes Oldenburg, sowie Arbeiten von John Baldessari und Terry Fox. John Baldessaris Corpse Piece, ein Konzept nach dem ein toter Körper in der Manier des toten Christus von Andrea Mantegna (2. Hälfte 15. Jh.) im Museum ausgestellt wer­ den sollte, entstand für die Ausstellung Information im MoMA 1970, wurde aber nie ausgeführt. 44 Weitere Videos waren: Vito Acconci: Command Performance (1973); Dennis Oppenheim: Aspen II (1970) und William Wegman: Selected Works (1972). Wegmans spielerische Episoden-Videos, die seinen Hund Man Ray involvie­ ren, aber auch Dennis Oppenheims Materialversuche zwischen Land- und Body Art stehen im Kontrast zu den psycho­ logisierenden Videos Acconcis und den formalistischen Studien Naumans.

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Neben der Nische mit dem Monitor folgen zwei Positionen, die mit Sprache ar­ beiten. Zunächst hängen dort die beiden Tableaus I und S aus Peter Hutchinsons Alphabet Series (1976). Die Bilder verbinden jeweils einen Buchstaben mit einem Bild und einem kurzen Text über eine Aktivität des Künstlers.45 Links davon folgen sechs Bilder der Serie The Mythic Being: I/You (Us) (1975), die der Ausstellungs­ katalog Adrian Piper zuschreibt und die auf den ersten Blick wie ein Comicstrip wirken (Abb. 2.10).46 Jedes Bild zeigt ein Dreiviertelporträt der Künstlerin, in unter­ schiedlichen Stadien der Metamorphose zu ihrem Alter Ego, dem Mythic Being (eine männliche Figur mit dunklen Locken, Schnauzbart und Sonnenbrille), jeweils mit einer nebenstehenden Sprechblase.47 Darin stehen Kurztexte, wie: »BE SURE TO ATTEND VERY CAREFULLY TO WHAT I HAVE TO SAY TO YOU. FOR IF YOU DO NOT I SWEAR I WILL MAKE A SINCERE EFFORT TO KILL YOU«.48 Mit dieser aggressiven Adressierung traten die Werke über die Sprachebene in direk­ ten Kontakt zum Publikum. Wie zuvor bei Eleanor Antin war vermutlich auch hier die Künstlerin selbst Leihgeberin der Arbeit.49 Transformationen vollzieht auch der Schweizer Künstler Urs Lüthi in seiner Serie Tell Me Who Stole Your Smile (1974), die links neben den Werken von Piper hängt. Der Künstler zeigt sich in acht verschiedenen Rollen, zum Teil als Mann, zum Teil als Frau.50 Rollenspiel und Travestie werden hier noch deutlicher aufgerufen als zuvor bei Piper. Die Bilder kamen aus der Galerie Stähli in Luzern. Auch die folgende Bil­ derserie Family Combinations (1972) von William Wegman besteht aus mehreren Selbstporträts. Nicht Verkleidung, sondern manipulierte Fotografie ist das Mittel, das Wegman einsetzte, um sich durch Veränderungen seiner Frisur oder der Gesichts­ züge in sechs ›Familienmitglieder‹ verschiedenen Alters und Geschlechts zu verwan­ deln. In einer zweiten Arbeit des Künstlers, weiter links, wurde dann der Körper wieder ganz unmittelbar zum Thema. Unter dem Titel The Spike (1972) sind auf zwei

45 Der Text auf dem Tableau I beginnt mit: »I Id Idea Identity Idiosynchracy [sic] Idiom Idiot…« Das dazugehörige Bild ist mit dem Selbstauslöser aufgenommen und zeigt den Künstler, wie er in ein Notizbuch schreibt. Der Text zum Tableau S beginnt mit: »S – struggling with language« und erzählt eine Anekdote des Künstlers als Englischlehrer in Rom. Das dazugehörige Bild zeigt den Künstler mit einer Ansammlung objektförmiger Buchstaben. Hutchinson, Peter: Alphabet Series. Künstlerbuch. Ed. 1000. New York 1974, o. S. 46 Der Werktitel ist ebenfalls dem Katalog entnommen. Museum of Contemporary Art Chicago 1975, S. 16. Adrian Piper ließ über ihr Archiv mitteilen, dass sie Zweifel an diesen Angaben habe und dass die im Katalog abgebildete Arbeit sowie die Arbeit auf der Ausstellungsansicht »not a work she made« seien. E-Mail [26.03.2021]: Archivist APRA Foun­ dation Berlin an Lisa Beißwanger. A-A. 47 Zu Pipers Alter Ego s. Smith, Cherise: Re-Member the Audience: Adrian Piper’s Mythic Being Advertisements. In: Art Journal, 66. Jg. 2007, H. 1, S. 46–58. 48 Zitiert nach der Abbildung im Katalog. Museum of Contemporary Art Chicago 1975, S. 13. 49 Piper bestreitet, Urheberin oder Leihgeberin des Werks gewesen zu sein. E-Mail [26.03.2021]: Archivist APRA Founda­ tion Berlin an Lisa Beißwanger. A-A. Meine Annahme basiert auf entsprechenden Katalogangaben (Museum of Con­ temporary Art Chicago 1975, S. 16) sowie auf einer Liste der Ausstellungsrücktransporte im Archiv des MCA Chicago, die als Empfängerin eines mit Mythic Being bezeichneten Werks Piper und ihre damalige Adresse in Cambridge angibt. Internes Dokument: Transportliste »New York Returns«, A-MCA E, 1975, Bodyworks. 50 Aus der Galeriekorrespondenz geht hervor, dass die Serie eigentlich auf Leinwand aufgezogen präsentiert werden sollte. In Chicago wurden aus organisatorischen Gründen Fotoabzüge gezeigt. Brief [17.02.1975]: Ira Licht an Pablo Stähli. A-MCA E, 1975, Bodyworks.

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Fotografien jeweils die Beine eines Mannes zu sehen, kurz bevor und in dem Mo­ ment, in dem er barfuß auf einen am Boden liegenden Stachel tritt. Die verbleibende Wandfläche gehört den Arbeiten von Dennis Oppenheim, der zu den am umfangreichsten repräsentierten Künstler*innen der Ausstellung zählt (Abb. 2.11). Oppenheims Arbeiten waren Leihgaben der New Yorker John Gibson Gallery. Zunächst hängen dort zwei Bilder mit dem Titel Material Interchange (1970). Beide zeigen Nahaufnahmen eines Fingers, die wortwörtlich unter die Haut gehen. Auf dem ersten Bild steckt ein beinahe abgetrennter Fingernagel in einer Holz­oberfläche, auf dem zweiten Bild ist ein Holzsplitter unter die Haut des Fingers gedrungen. Dem Kunst- und Performancehistoriker Nick Kaye zufolge handelt es sich hier um den Finger des Künstlers und den Holzboden einer Galerie.51 Dieser in­ szenierte Austausch zwischen Künstlerkörper und Galerieraum kann als symboli­ scher Verweis auf das gleichwohl enge wie spannungsreiche Verhältnis zwischen Künst­ler*innen und Galerien gelesen werden. Links von Material Interchange hängt die Arbeit Identity Transfer (1970), die auf drei Bildern erneut Nahaufnahmen von Fingern zeigt. Oppenheim, seine Tochter und sein Vater übertrugen dort ihre Finger­ abdrücke mit Tinte von einem Finger auf den anderen.52 Auch hier geht es, ähnlich wie zuvor bei Wegman, um Identität, Familie und Verwandtschaft. Die dritte Arbeit ist dann Stills from Stomach X-Ray (1970) und umfasst mehrere Röntgenaufnah­ men des Magens des Künstlers.53 Oppenheim knetete während der Aufnahmen sei­ nen Bauch, wie einen Teig, um auf das Formen von Material durch den Bildhauer zu verweisen.54 Die Hände als formendes Werkzeug sind in Oppenheims körperbezoge­ nen Arbeiten ein immer wiederkehrendes Motiv. An der ersten der beiden eingezogenen Wände und damit in unmittelbarer Nähe der Wiener Aktionisten, hängt die fotografische Serie Face Farces (1970–74) von Arnulf Rainer (Abb. 2.12). Sie zeigt Rainers Körper in Posen, die er historischen Fo­ tografien von Psychiatriepatient*innen nachempfunden hatte. Rainer versah diese Bilder mit Übermalungen, um ihnen, nach eigenen Angaben, die Dynamik zurückzu­ geben, die ihnen das Medium der Fotografie entzogen hatte.55 Gegenüber, in einem wandfüllenden Block, hängen 112 fotografische Mutationen (1970) von Klaus Rinke. Alle Bilder zeigen den Künstler im Dreiviertelporträt, während er mit Armen und Händen eine Art Gestenalphabet ausführt. In einem gleichnamigen Film, der 1971 fürs deutsche Fernsehen entstand, ergänzen Worte und Wortketten diese Gesten, 51 Kaye, Nick: The Body as Material of Thought. Energy, Time and Performance in Dennis Oppenheim’s Conceptual Art. In: Kaye, Nick/van Oppenheim, Amy W. (Hrsg.): Dennis Oppenheim. Body to Performance 1969–73. Mailand: Skira 2017, S. 12–45, hier S. 31. Kaye bezieht sich wahrscheinlich auf das entsprechende schriftliche Konzept Oppenheims. S. Kaye/Oppenheim 2017, S. 106–107. 52 Dazu: Kaye 2017, S. 41. Konzept des Künstlers in: Kaye/Oppenheim 2017, S. 112–113. 53 Vgl. Doppelseite zu Dennis Oppenheim in: Avalanche 1971, Nr. 2, Winter, S. 18–19. 54 Abbildungen und Konzept des Künstlers in: Kaye/Oppenheim 2017, S. 96–99. 55 »Die Fotografie allein ist jedoch nicht in der Lage, eine bewegte oder statisch-konzentrierte Anspannung adäquat zu vermitteln. Um dem näherzukommen, überzeichne ich das Foto. Es ist dies […] eine Wiederdynamisierung des erstarr­ ten Moments. Dadurch sind meine Arbeiten Zwitter von darstellender und bildender Kunst geworden.« Arnulf Rainer, zitiert nach: Haberl, Horst G.: Körpersprache/Bodylanguage. Motivation einer Ausstellung. In: Haberl, Horst G. (Hrsg.): Körpersprache/Bodylanguage. (pfirsich 9/10, Sonderausg.) 1973, S. 2–5 [Original o. S.].

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wobei ein nachvollziehbarer Bedeutungsgehalt der sprachlichen und körperlichen Zeichen vermieden wird.56 Im zweiten Durchgang werden Fotografien der Serie Face to Face (1974) des Künstlerduos Fisher/Hamilton gezeigt, die einzige Position aus Chicago (Abb. 2.13).57 Bei den Exponaten handelt es sich um ein Portfolio fotografierter Alltagsszenen, die gerahmt an der Wand hängen und als Buch auf einem Podest ausliegen. Gegenüber und den Rundgang abschließend, hängen die teilweise farbigen Aktionsfotos von Chris Burden und Gina Pane (Abb. 2.14). Burden ist mit gerahmten Abzügen aus einer 1974 erschienenen Buchedition vertreten, die insgesamt 53 Bildtafeln enthält.58 Das Buch war eine Leihgabe der New Yorker Ronald Feldman Gallery. Für die Aus­ stellung wurden 13 Tafeln ausgewählt, darunter vier Bilder der Arbeit Shoot (1971), für die sich Burden in einer Galerie von einem Komplizen in den Arm schießen ließ, zwei Bilder von Through the Night Softly (1973), einer Performance, während der er auf einem nächtlichen Parkplatz in Unterhosen über Glasscherben robbte oder ein Bild der Performance Icarus (1973), während der er märtyrergleich zwischen zwei brennenden Glasplatten lag, die zu seinen beiden Seiten wie Flügel arrangiert waren.59 Von Gina Pane werden Aktionsfotos der Arbeit Psyché (Essai) gezeigt, die sie 1974 in der Galerie Stadler in Paris – woher auch die Leihgaben kamen – vor Publi­ kum und für die Kamera aufgeführt hatte.60 Während dieser rituellen Performance betrachtete sich Pane in einem Spiegel, schnitt sich mit einer Rasierklinge in die Augenlider, hantierte mit farbigen Bällen und führte mit verbundenen Augen und weit geöffnetem Mund verschiedene Hand- und Armgesten aus. In einer Szene schnitt sie sich kreuzförmig angeordnete Linien um ihren Nabel. Diese hochgradig symbolisch aufgeladenen Handlungen folgten Panes persönlicher Ikonografie, in deren Zentrum

56 Aufschlussreich zur Arbeit: Haberer, Lilian: Klaus Rinke. Mutation 1971. Online-Publikation: https://web.archive.org/ web/20201118205505/http://www.newmedia-art.org/cgi-bin/show-oeu.asp?ID=ML000003&lg=ALL (Zugriff: 18.11. 2020); und: Alley, Ronald (Hrsg.): Catalogue of the Tate Gallery’s Collection of Modern Art other than Works by British Artists. London: Sotheby 1981, S. 632–633, Abbildung auf S. 632. 57 Über die Ausstellung hinaus ließen sich keine Informationen zu diesen Künstlern finden. Dass sie aus Chicago stamm­ ten, geht aus dem Leihbrief hervor. Brief [03.02.1975]: Ira Licht an Curtis Fisher und Ross Hamilton. A-MCA E, 1975, Bodyworks. 58 Chris Burden, Deluxe Photo Book 1971–73, 1974, 53 Fotografien in Loseblattbindung mit handbemaltem Buchdeckel, 30,5 × 30,5 × 7,6 cm, Auflage: 50. Nachdem Burden 1976 den New Talent Award des LACMA, Los Angeles erhielt, wählte er dieses Buch als Gegengabe. Damit wurde das Buch zu einem der ersten performancebezogenen Sammlungs­ gegenstände in einem Museum. Vgl. Altshuler, Bruce (Hrsg.): Collecting the New. Museums and Contemporary Art. Princeton: Princeton U P 2013, S. 27. 59 Weitere Arbeiten in der Ausstellung waren: Doorway to Heaven (1973), Movie on the Way Down (1973) und Prelude to 220, or 110 (1971). Beschreibungen und Abbildungen aller genannter Aktionen in: Hoffman, Fred (Hrsg.): Chris Burden. London: Thames & Hudson 2007. 60 Pane arbeitete bei ihren Aktionen mit der Fotografin Françoise Massons zusammen, der sie genaue Angaben zu den von ihr gewünschten Aufnahmen machte. Zu Panes Umgang mit Fotografie s. Blessing, Jennifer: Gina Pane’s Witnesses. The Audience and Photography. In: Performance Research, 7. Jg. 2002, H. 4, S. 14–26. Eine Beschreibung und Kontex­ tualisierung der Aktion Psyché in: Duplaix, Sophie (Hrsg.): Gina Pane. Terre, artiste, ciel. Arles: Actes Sud 2012, S. 15–63. Videoausschnitt: psyche. Gina Pane, 1974. S/W, Ton, 0:33 [von 27:32] Min. Online: https://web.archive.org/ web/20161117213630/http://www.li-ma.nl/site/catalogue/art/gina-pane/psyche/474 (Zugriff: 17.11.2016).

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Identitätsfragen – oft im Zusammenhang mit Vorstellungen von Weiblichkeit – stan­ den.61 Die Ausstellung kombiniert zwei unterschiedliche Editionen dieser Arbeit. Die erste dokumentiert die gesamte Aktion in vielen Einzelbildern, die zweite umfasst drei Farbfotografien, die ein Triptychon bilden und Panes Gesicht mit blutenden Lidern sowie zwei Nahaufnahmen der blutenden Bauchschnitte zeigen. Eines der wenigen Labels, die sich auf den Ausstellungsansichten entziffern lassen, gibt folgen­ de Hinweise: PSYCHE: Album 1974; Lent by Galerie Stadler Paris; Gina Pane uses her body in dramatic performances which delve into the female sensibility. In Psyche she defaces what many consider the essence of womanhood, her beauty, in order to reveal the underlying pain.62 Bemerkenswert ist, dass Gina Pane und Chris Burden hier nebeneinander, wie ein männliches und weibliches Pendant präsentiert wurden. Das war sicher kein Zufall. Beide Künstler*innen galten zum Zeitpunkt der Ausstellung bereits als Inbegriff der Body Art und waren wegen ihrer Risikobereitschaft und Leidensfähigkeit berühmt geworden. Beide verbindet zudem, dass sie mit religiösen Bildformeln und Symbolen (zum Beispiel Kreuz, Stigma oder Selbstgeißelung) arbeiten. Während Panes Arbei­ ten Themen wie Weiblichkeit, Schmerz und Psychoanalyse berühren, inszenierte Burden seine Arbeiten eher als heroische Selbsterprobungen. Diese Differenz wurde für spätere, genderzentrierte Debatten über Body Art wichtig.63 Zwischenfazit zur statischen Ausstellung Was die Ausstellungsfläche betrifft, war Bodyworks keine sonderlich große Ausstel­ lung. Und doch führte sie eine Vielzahl künstlerischer Positionen unter dem Leit­ motiv des Körpers als Kunstwerk zusammen. Typologisch handelte es sich um eine Gruppen- und Thesenausstellung. Die Klarheit und Homogenität der Ausstellung, die durch die weißen Wände, den konsequenten Fokus auf zweidimensionale foto­ grafische Bilder, die serielle Hängung und die Beleuchtung der Exponate mit LichtSpots erreicht wurde, schuf ästhetische Distanz und verlieh der Ausstellung ihren musealen Charakter.64

61 Der Nabel steht bei Pane für das Zentrum und das Selbst, während die vier Linien für eine Verbindung zu den Anderen und zum Kosmos stehen. S. Duplaix 2012, S. 29. Dort auch eine Transkription der handschriftlichen Bildunterschriften unter dem Triptychon. 62 Mein Dank gilt erneut Bonnie Rosenberg für die Unterstützung beim Entziffern des Labels. 63 Auch in der Literatur findet sich diese Kombination bereits früh in: Pluchart, François (Hrsg.): L’art corporel. Ausst. Kat. Paris, Galerie Stadler. Paris: Editions Rodolphe Stadler 1975, S. 218 u. 219; Lippard, Lucy R.: The Pains and Plea­ sures of Rebirth. Women’s Body Art [1967]. In: Warr/Jones 2000, S. 252–256 und später bei: Schimmel, Paul: Der Sprung in die Leere. Performance und das Objekt. In: Schimmel, Paul/Noever, Peter/Stiles, Kristine (Hrsg.): Out of Actions. Zwischen Performance und Objekt 1949–1979. Ostfildern: Hatje Cantz 1998, S. 17–119, hier S. 92 ff. und Blocker, Jane: What the Body Cost. Desire, History, and Performance. Minneapolis: U of Minnesota P 2004, S. 34. 64 Die Schwarz-Weiß-Ästhetik der Ausstellungsansichten verstärkt diesen Eindruck zusätzlich.

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Ira Licht verzichtete auf eine inhaltliche Gliederung der Exponate, etwa in the­ matische Kapitel. Er stellte lediglich die Vorläufer und besonders frühen Vertreter der Body Art an den Anfang und nahm an einigen Stellen Mikrogruppierungen vor, zum Beispiel bei den Wiener Aktionisten oder bei Chris Burden und Gina Pane. Der Verzicht auf inhaltliche Schwerpunktsetzungen jenseits der Thematik des Körpers als Kunstwerk trägt zur Homogenisierung der Ausstellung bei und stützt die kura­ torische These, dass es sich bei den Bodyworks um eine greifbare künstlerische Strö­ mung handle. Wie der Rundgang zeigte, wird bei genauerer Betrachtung eine große Heterogenität der Positionen sichtbar. Hinter der sterilen Ausstellungspräsentation eröffnen sich alternative Realitäten und psychologische Abgründe, die Ausstellung gerät in Bewe­ gung. Dazu tragen zunächst die vielen fotografischen Serien bei, die als Akkumula­ tionen von Einzelmomenten eine zeitliche Dimension evozieren. Sie fordern ein nachvollziehendes Sehen beziehungsweise eine performative Rekonstruktion der gezeigten Handlungen durch die Betrachtenden. Während eines Ausstellungs­besuchs setzt dann eine alternative Zeitlichkeit ein, die von der schieren Raumgröße oder der Anzahl der Exponate unabhängig ist. Während dieses Phänomen für jede Ausstellung gilt, ist es hier besonders zu betonen, da die Körperbilder der Body Art auf eine affizierende Wirkung ausgerichtet sind. Licht betonte diese unmittelbare Wirkung der Exponate, indem er auf eine ausgeprägte Vermittlungsebene verzichtete und die Bilder für sich sprechen ließ. Dass die Ausstellung, wie Laurie Anderson bemerkte, allein auf Papier und nicht auf lebendige oder zumindest skulpturale Körperhaftigkeit setzte, lag nicht an einem Mangel an Alternativen. Licht hätte durchaus auch nicht-fotografische Aggregatzu­ stände derselben oder ähnlicher Werke zeigen können, zum Beispiel Chris Burdens Publikation, der die gerahmten Bilder in der Ausstellung entnommen waren, als Buchobjekt, oder auch Burdens Reliquien, die der Künstler zu vielen seiner Perfor­ mances schuf.65 Bruce Naumans Körperabformungen (beispielsweise From Hand To Mouth, 1967) hätten ebenso zum Ausstellungsthema gepasst, wie einer der Filz­ anzüge (1970) von Joseph Beuys. Bei den Arbeiten von Eleanor Antin und Dennis Oppen­heim hätte Licht auch auf Bewegtbild zurückgreifen können.66 Die Konzen­ tration auf die Fotografie hatte also andere Gründe. Aus ausstellungspraktischer Sicht ist die Fotografie ein verhältnismäßig flexibles und kostensparendes Medium. Fotografien können vervielfältigt und in unterschied­ lichen Größen angefertigt werden und sie sind leicht und schnell zu transportieren.

65 Es handelte sich dabei um materielle Relikte der Performances, die oft auf Samtkissen in einem Plexiglaskasten präsen­ tiert und mit einer kurzen beschreibenden Tafel versehen waren und über Burdens Galerie vertrieben wurden. Aus den Akten geht hervor, dass Ira Licht auch ein Burden-Videotape auslieh, allerdings ist nicht nachzuvollziehen, ob es auch gezeigt wurde. Internes Dokument: Transportliste »New York Returns«, A-MCA E, 1975, Bodyworks. 66 Licht bat stattdessen Dennis Oppenheim um Unterstützung bei der Lokalisierung von Prints der Arbeiten Stomach XRay, Two-Stage Transfer Drawing (1971) [später nicht in der Ausstellung], Identity Transfer und Material Interchange. Brief [23.01.1975]: Ira Licht an Dennis Oppenheim. A-MCA E, 1975, Bodyworks.

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Den schriftlichen Werkanfragen nach zu urteilen, die zum Teil nur etwa einen Monat vor der Ausstellung verschickt wurden, spielten diese Aspekte in Chicago eine we­ sentliche Rolle.67 Fotografie erfüllte Lichts Anspruch, den Künstler*innenkörper, wenn schon nicht präsent, dann doch wenigstens sichtbar zu halten, zwang ihn aber zugleich, auf jede Form phänomenaler Körperlichkeit zu verzichten. Dabei ist auffällig, dass fotografi­ sche Bilder in der Ausstellung zwar omnipräsent waren, Fotografie als Medium aber keine Rolle spielte. Die meisten der gezeigten Bilder waren fotografische Reproduk­ tionen, keine Fotoabzüge und mit Ausnahme des berühmten Man Ray wurden im Katalog keine Fotograf*innen namentlich genannt. Auch die Präsentation der Bilder in randlosen Rahmen und ohne Passepartouts verhinderte ihre Wahrnehmung als fotografische Werke. Fotografie diente stattdessen als Mittlerin beziehungsweise zur Überbrückung der zeitlichen und räumlichen Distanz zwischen Körperaktion und Museumsraum. Und doch ging es Licht um mehr als eine schlichte historische Beweisführung im Sinne Roland Barthes’ ›so ist es gewesen‹. Er wollte erklärtermaßen den direkten künstlerischen Ausdruck betonen und argumentiert deshalb mit dem performativen Potenzial der Fotografie: Even in those works expressly created to exist only in photographic or video­ tape form, the power of the physicality and the psychological directness of the gesture transcend its pictorial representation […] So there is a minimum of physical intervention in the communication between the artist and his audience.68 Licht gibt damit, lange vor den akademischen Debatten über den Status von Perfor­ mancedokumentation, eine heute gängige Antwort: Das performative Potenzial der Fotografie kann ausreichen, um ein Performancewerk im Museum zu präsentieren.69 Die Künstler*innen der Ausstellung, die ihre Arbeiten alle professionell doku­ mentierten oder dokumentieren ließen, waren offenbar derselben Ansicht. Die meis­ ten der gezeigten Bilder waren Teil von Editionen, die unmittelbar mit und nach den entsprechenden Aufführungen und Aktionen entstanden und dann in bestimmten Auflagenzahlen oder nach Bedarf vervielfältigt wurden. Von einem ›myth of pres­ ence‹, der eine Dokumentation ephemerer Performancesituationen verbat, kann an­ gesichts der Ausstellung also keine Rede sein. Vielmehr war die Verbreitung dieser Werke über Dokumentation eine viel genutzte Option und in der Zusammenarbeit mit Galerien und Museen eine Selbstverständlichkeit.

67 Der Großteil der Leihanfragen wurde am 6. Februar 1975 verschickt. Leihkorrespondenz: A-MCA E, 1975, Bodyworks. 68 Licht 1975, S. 5. 69 Zu diesem Schluss kommt später auch Amelia Jones. Jones, Amelia: »Presence« in Absentia: Experiencing Performance as Documentation. In: Art Journal, 45. Jg. 1997, H. 4, S. 11–18. Interessant ist, dass Jones genau umgekehrt argumen­ tiert. Sie befasst sich mit Performancefotografie, um zu beweisen, dass Erfahrung nie direkt, sondern immer medial vermittelt ist.

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Bodyworks fand ein breites Medienecho. Einige der Rezensionen bestätigen das erwähnte Oszillieren zwischen dem neutralen und dem affizierten Blick in der Aus­ stellung. Ein Rezensent in den Chicago Daily News zieht die etwas schiefe und doch sprechende Analogie zwischen der Ausstellung und einer großen Schlange. Sie rufe Reaktionen wie Aufregung, Ekel und Panik hervor, sei aber aller Wahrscheinlichkeit nach ziemlich harmlos.70 Er schlussfolgert: »Bodyworks strikes me as a show of mostly dull art based on an arid and intellectually attenuated concept. That’s the para­dox. In one sense it is shocking, in another a bit of a bore«.71 Zu einem ähnlichen Schluss kommt der Journalist Harold Haydon, der den ausgestellten Werken emo­ tionale Tiefe, aber keine künstlerische Qualität zubilligt.72 Während im Fall der enttäuschten Laurie Anderson der Eindruck steriler Neutra­ lität überwog, schlugen die Reaktionen anderer Rezipient*innen ins andere Extrem aus. Einige Autor*innen sahen in den Bodyworks nämlich keine Kunstwerke, sondern nur Perversion und krankhafte Züge. Eine Rezension vergleicht die Ausstel­ lung mit einer Freakshow beziehungsweise das MCA Chicago mit dem ›Irrenhaus‹ von Chanteron, wo sich im 19. Jahrhundert die schaulustige Pariser Stadtgesellschaft bei den Theateraufführungen des Marquis de Sade vergnügte.73 Auch die in den Re­ zensionen wiederkehrende Anekdote vom Künstlertod Rudolf Schwarzkoglers be­ legt, dass den Bodyworks gelang, was andere Kunstwerke im Museum nicht ver­ mögen: die Grenze zwischen Kunst und Leben zumindest temporär und für einige Rezipient*innen verschwimmen zu lassen.74 Affiziert, vielleicht nicht einmal von der Ausstellung selbst, sondern von der Zeitungslektüre, gibt sich dann auch eine Lese­ rin des Chicago Tribune, die die künstlerischen Arbeiten mit Nazi-Verbrechen in Verbindung bringt und eine Dekadenz der aktuellen Kunst beklagt. Sie wirft dem Museum vor, es feiere als Kunst, was in Wirklichkeit »self-destructive psychotic behavior« sei.75 Auch dort, wo solche Verwechslungen nicht stattfinden, wird auf eine Performanz der Bilder verwiesen. So schreibt  schreibt ein weiterer Rezensent: »I found its many fronted attacks on the viewer’s emotional security, sexual identity and instinctivedefenses against pain initially upsetting but ultimately cathartic.«76

70 Presseartikel: Schulze, Franz: ›Bodyworks‹: Do-it-to-yourself art. In: Chicago Daily News, 22./23.03.1975. 71 Ebd. 72 Presseartikel: Haydon, Harold: Simplistic stuff? Emotional depth? In: Sun-Times, 02.03.1975. A-MCA Press, Body­ works 1975. 73 Dazu: Frietsch, Ute: Das Theater des Marquis de Sade. In: Auga, Ulrike (Hrsg.): Dämonen. Geschlechter- und Rassenfi­ gurationen in Wissen, Medien und Alltag um 1900. Festschrift für Christina von Braun. Bielefeld: transcript 2014, S. 217–232, hier 226 ff. De Sade hatte andernorts bereits vor der Jahrhundertwende zum 19. Jahrhundert Theaterstücke inszeniert. 74 Verweise auf die Anekdote in: Haydon 1975 (wie Anm. 72); Schulze 1975 (wie Anm. 70). 75 »What nonsense! What a disservice and insult to humanity in general and the world of art in particular. The Nazis com­ mitted similar brutal acts in the name of medicine; are we not also decadent in celebrating this self-destructive psychot­ ic behavior in the name of art?« Presseartikel [Leserbrief]: Desow-Fishbein, Lillian: Questionable Art. In: Tribune, 30.03.1975. A-MCA P, Bodyworks 1975. 76 Presseartikel: Auer, James: Bodyworks. Not for the Timid. In: Milwaukee Journal, o. D. A-MCA Press, Bodyworks 1975.

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Hier werden die Körperkunstwerke als Kunst akzeptiert, die trotz ihres abstoßenden Inhalts zur Selbsterkenntnis auf Seiten der Betrachter*innen führen kann. Live-Performances (Acconci; Oppenheim; Anderson; Burden) Das Veranstaltungsprogramm zur Ausstellung erstreckte sich über insgesamt fünf Abende. Neben den vier Performances, die im Folgenden genauer beschrieben wer­ den, gab es auch einen Filmabend mit Arbeiten von Vito Acconci, Dennis Oppen­ heim und Bruce Nauman, auf den an dieser Stelle nur verwiesen sei.77 Die Materiallage zu den vier Performances ist lückenhaft. Lediglich zu Chris Bur­ dens Arbeit Doomed besitzt das Museum dokumentarisches Material. Zu den ande­ ren Beiträgen muss auf versprengte Quellen und Hinweise zurückgegriffen werden, die immerhin skizzenhafte Rekonstruktionen zulassen. Dabei soll vor allem der Be­ zug zur Ausstellung und zum Museum herausgearbeitet werden. Bemerkenswert ist zunächst der Ort der Veranstaltungen. Wie bereits erwähnt, gab es in der Bodyworks-Ausstellung selbst keinen Platz für Live-Auftritte vor Publi­ kum. Auch besaß das Museum an seinem damaligen Standort noch keinen separaten Veranstaltungsraum oder Theatersaal.78 Die Performances fanden deshalb im Erd­ geschoss, zwischen den Skulpturen der Gaston Lachaise-Ausstellung statt, sodass die neuartigen Körperkunstwerke von den klassischen Skulpturen gerahmt wurden. Aus Briefen von Ira Licht an die Performer*innen geht hervor, dass einige kleinere Lachaise-Arbeiten zur Seite gerückt wurden, während die großen und schweren Skulpturen an ihren Plätzen bleiben mussten. Von diesen Bedingungen abgesehen, durften die Performer*innen selbst entscheiden, wie sie den ihnen zur Ver­fügung ge­ stellten Raum nutzen wollten.79 Das Museum bewarb das Veranstaltungsprogramm intensiv über Plakate, Flyer und möglicherweise sogar im Fernsehen.80 Als Plakatmotiv wurden zwei Bilder aus Rudolf Schwarzkoglers 3. Aktion ausgewählt. Die Überschrift lautet: Bodyworks Events: The Artist as the Art Work (Abb. 2.15). Vom Erfolg der Werbekampagne zeu­

77 Der Filmabend fand am 11. März 1975 um 18 Uhr statt. Folgende Filmkopien wurden dafür über Castelli-Sonnabend Tapes and Films Inc. bezogen: Applications (1970) und Rubbings (1970) von Vito Acconci, Aspen Projects (1970) von Dennis Oppenheim und Art Make-Up (1969) von Bruce Nauman. Leihkorrespondenz: Ira Licht und Castelli-Sonn­ abend Tapes and Films Inc. A-MCA E, 1975, Bodyworks. 78 Der heutige Museumsbau, der vom Architekten Josef Paul Kleihues entworfen und 1996 eröffnet wurde, besitzt einen professionellen Theatersaal. 79 In einem Brief von Licht an Acconci heißt es: »We will move aside all the Gaston Lachaise sculpture now in the space except for 3 large pieces as marked. I am pencilling in a suggested seating arrangement but you can use the space as you wish.« Brief [12.03.1975]: Ira Licht an Vito Acconci. A-MCA E, 1975, Bodyworks. Der im Zitat erwähnte Plan ist nicht erhalten. 80 Interner Bericht [1975]: Report from the Public Relations Department. A-MCA A, 1975, Box 3, Mappe 12. Das Museum fragte bei Castelli-Sonnabend Tapes and Films Inc. um Erlaubnis, die Tapes von Vito Acconci für TV-Spots verwenden zu dürfen. Die Antwort lautete, dass nur die vollständigen Werke, nicht aber Ausschnitte in dieser Form gezeigt werden sollten. »[A]rrangements could be made for regular television transmission of the videotapes«. Leihkorrespondenz: Ira Licht und Castelli-Sonnabend Tapes and Films Inc. A-MCA E, 1975, Bodyworks.

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gen die Vorberichte in der Presse, insbesondere zum Auftritt von Chris Burden, die sich im Archiv des MCA erhalten haben. Da offenbar keine konkreten Informa­ tionen zum Inhalt der Performances veröffentlicht wurden (oder werden konnten), hieß es verheißungsvoll über die geplanten Veranstaltungen: »What they will do may not be known until they do it«.81 Die klare räumliche und zeitliche Separierung der Live-Programmpunkte und der statischen Exponate war ein wesentliches Merkmal von Bodyworks. Trotz dieser Se­ parierung waren die Veranstaltungen aber nicht als Begleitprogramm, sondern als integraler Bestandteil der Ausstellung gedacht. Davon zeugt nicht zuletzt die Tat­ sache, dass sie in der Werkliste des Katalogs geführt werden. Für individuelle Besucher*innen vor Ort war der modulare Aufbau der Ausstellung allerdings nicht unmittelbar wahrnehmbar. Erst aus größerer zeitlicher Distanz fügt sich die Ausstel­ lung zu einem Gesamtensemble. Vito Acconci: Projection Room, 21. März 1975, 20:00 Uhr Für die erste der vier Performances lud Ira Licht Vito Acconci ein, der bereits zuvor gelegentlich in Museen aufgetreten war.82 Folgender Abschnitt aus einem Brief an Acconci vermittelt einen Eindruck von den formalen Rahmenbedingungen der Per­ formance und verweist dabei auch auf die Zusammenarbeit des Museums mit der Chicagoer School of the Art Institute bei der Einladung von Künstler*innen nach Chicago: Dear Vito, The Museum has scheduled your performance piece for the evening of March 21, a Friday. If that is not convenient for you, please call me as soon as possible. Any information about what you intend to do would also be help­ ful for publicity purposes. We will certainly pay your travel and lodging ex­ penses plus an honorarium. The school of the Art Institute is very anxious to have you meet with their students and will pay $200. [sic] for such an informal appearance Friday or the preceding Thursday. All of us are looking forward to having you here.83 Acconcis Auftritt in Chicago trug den Titel Projection Room. Diese Performance wurde bislang weder in der Performanceforschung noch in der umfangreichen Lite­ ratur über Acconci genauer untersucht. Man möchte beinahe von einer Krypto-Per­ formance sprechen, denn in der Literatur heißt es durchgängig, dass der Künstler nach seiner Performance Ballroom (1973) in Florenz aufgehört habe, live vor Publi­ kum aufzutreten.84 Einen Grund für dieses Missverständnis nennt Acconci Jahre spä­

81 Haydon 1975 (wie Anm. 72). 82 Im Wadsworth Atheneum (Learning Piece 1970) und im New Yorker Jewish Museum (Proximity Piece, 1970) im Rah­ men der Ausstellung Software, 16.09.– 08.11.1970. 83 Brief [07.02.1975]: Ira Licht an Vito Acconci. A-MCA E, 1975, Bodyworks. 84 Auch der Werkkatalog zu Acconcis Performances endet 1973. S. Volk 2006.

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ter in einem Statement, in dem er Projection Room als seine »real last performance«85 bezeichnet und folgende knappe Beschreibung der Arbeit gibt: It was a piece out of nowhere, a piece apparently out of context, it was as if I had come back from the dead. My performance mode, my persona, was dif­ ferent now: I was sitting at a table, I paged through books and read out frag­ ments of other people’s autobiographies — I was a compiler and not an origina­ tor, I was a scholar more than a practitioner. The piece didn’t fit the myth that had been made of me as a performer and that I had helped make myself: that myth demanded that I be involved not in the world of books but in the world of bodies — that myth demanded that my presence be sexual and not neutered. So my last performance had to be, for all intents and purposes, Ballroom86. Ein möglicher Grund, warum Acconci für die Ausstellung in Chicago noch einmal live auftrat, könnte seine prominente Rolle im Ausstellungskonzept gewesen sein. Erstmals würdigte hier ein Museum die Kunstform, die er selbst mitbegründet hatte. Vier Fotografien, die 2008 im Kunstmarkt auftauchten und sogleich wieder ver­ schwanden, vermitteln einen Eindruck vom Aufbau der Performance (Abb. 2.16).87 Das erste Bild zeigt einen Ausstellungsraum, in dessen Mitte ein Klapptisch und ein Stuhl stehen. Im Hintergrund steht eine der großen Skulpturen von Gaston Lachaise sowie eine Leiter, die darauf hindeutet, dass diese Aufnahme während einer Probe entstanden ist. Auf dem Tisch sind ein Tonbandgerät, ein Mikrofon, eine Lampe und zwei Diaprojektoren sowie einige Bücher arrangiert. Vom Tisch aus sind Schnüre in den Raum gespannt (es könnten auch die Kabel der Geräte sein), eine davon reicht zu einem Lautsprecher im Bildhintergrund, andere führen aus der Bildfläche hinaus. Auf den drei anderen Bildern sitzt Acconci am Tisch und liest, zum Mikrofon ge­ beugt, aus einem der Bücher vor. Zwei der Bilder sind nahezu schwarz, nur der am Tisch sitzende Künstler ist beleuchtet. Wahrscheinlich fand die Performance also im Dunkeln statt. Die Bilder sind aus verschiedenen Perspektiven, frontal, von hinten und von der Seite aufgenommen, zeigen aber kein Publikum. Sofern das Publikum, wie bei Lesungen üblich, frontal zum Künstler saß, wurde es von den Lichtbildern aus den in Acconcis Blickrichtung gerichteten Projektionen getroffen. Details, etwa aus welchen Biografien Acconci las oder welche Bilder er projizier­ te, müssen an dieser Stelle ungeklärt bleiben.88 Eine Verortung der Arbeit im Gesamt­ werk Acconcis lässt dennoch einige Rückschlüsse auf ihre Stoßrichtung zu. So ist es 85 Acconci, Vito: Performance After the Fact. April/August 1989. In: Moure, Gloria/Acconci, Vito (Hrsg.): Vito Acconci. Writings, Works, Projects. Barcelona: Polígrafa 2001, S. 353–357, hier S. 357. 86 Ebd., S. 356. Interpunktion wie im Original. 87 Die Bilder wurden als gerahmtes Set von der New Yorker Ubu Gallery angeboten. Mein Dank gilt Adam Boxer von der Ubu Gallery für die Bereitstellung der Abbildungen. 88 Ein erster kostenpflichtiger Rechercheauftrag der Autorin an das Acconci Studio, das den Künstlernachlass verwaltet, blieb ergebnislos. Von einem zweiten Auftrag musste abgesehen werden. Vermutlich existieren dort noch unausgewer­ tete Informationen zu Projection Room. Das Studio verwies auf einige Rollen filmischen Rohmaterials zur Perfor­ mance, die im Anthology Film Archive verwahrt werden und für diese Publikation nicht mehr eingesehen werden konnten.

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wahrscheinlich, dass er Lichtbilder mit Text und mit Bildern kombinierte, wie in der etwa zeitgleich entstandenen Arbeit Pornography in the Classrom (1975). Projection Room ist der Werkgruppe der Cultural Space Pieces89 oder Spoken Rooms90 zuzurechnen, die in den mittleren 1970er-Jahren entstand und zu der auch die in der statischen Ausstellung gezeigte Arbeit Reception Room gehört. Diese Werke nehmen eine Scharnierposition in Acconcis Gesamtwerk ein. Nach seinen frühen Performances zog er sich nun körperlich aus seinen Arbeiten zurück, blieb aber als Künstler über Toneinspielungen oder Projektionen weiterhin präsent. Mela­ nie Mariño bezeichnet diese Arbeiten als »psychotopographische« Untersuchungen, die neben der Psyche des Künstlers auch zunehmend die Psyche des Publikums in den Blick nehmen. Wie im Poststrukturalismus, so Mariño, bedeute auch bei Vito Acconci der Tod des Autors die Geburt der Betrachtenden.91 Der nächste Schritt die­ ser Entwicklung waren dann raumgreifende Architekturinstallationen, die vollkom­ men ohne die Präsenz des Künstlers auskamen und stattdessen die Betrachter*innen zu Performer*innen machten.92 Einige Elemente der frühen Arbeiten ziehen sich aber wie ein roter Faden durch das Gesamtwerk. Dazu gehört die Auseinander­setzung mit An- und Abwesenheit und physischen und psychischen Räumen, die auch Projection Room bestimmten. Für die Spoken Rooms und besonders für das live im Dunkeln vorgetragene Projection Room spielte die Sprach- und Textebene eine besondere Rolle. Damit kehrte Acconci zu seinem ursprünglichen Medium, der Literatur, zurück.93 Er kommentiert diesen Prozess folgendermaßen: Projection Room, was probably more true […] to my everyday life, more true to my normal representation of self: here is the person who reads and writes because that person cannot – or at least doesn’t – do. The performances that everybody knows about, on the other hand, let me do what I couldn’t or wouldn’t do at home.94 Projection Room ist als Wortspiel zu verstehen, das sich zunächst schlicht auf die physische Raumsituation mit den dort eingesetzten Projektoren bezieht. Im übertra­ genen Sinne könnten aber auch psychologische Projektionen gemeint sein: Acconci

89 Diese Bezeichnung wählt ein Ausstellungskatalog des Kunstmuseums Luzern. Kunstmuseum Luzern (Hrsg.): Vito Ac­ conci. Ausst. Kat. Luzern, Kunstmuseum. Luzern 1978. 90 Diese Bezeichnung wurde 1998 für eine Ausstellung gewählt. Vito Acconci, Spoken Rooms (3 Installations, 1974–75), Barbara Gladstone Gallery New York, 28.01.– 01.04.1998. 91 Mariño, Melanie: Body as Place. Vito Acconci’s Gaze. In: PAJ: A Journal of Performance and Art, 21. Jg. 1999, H. 1, S. 63–74. Mariño 1999, S. 72. 92 Einen ähnlichen Rückzug aus ihren Werken unternahmen etwa zeitgleich auch Chris Burden, Dennis Oppenheim und Bruce Nauman, die sich ihrerseits architektonisch-installativen Praktiken zuwandten. 93 Kurz vor der Performance in Chicago zeigte er in der Sonnabend Galerie die Arbeit Leveling. Hier wurden über Ton­ band innere Monologe des Künstlers eingespielt, in denen es um seine An- und Abwesenheit und die Kommunikation mit den Betrachtenden ging. Eine Beschreibung der Situation in: Heinemann, Susan: Vito Acconci, Sonnabend Gallery. In: Artforum, 13. Jg. 1975, H. 9, S. 76–77. 94 Moure/Acconci 2001, S. 357.

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las aus fremden Autobiografien und projizierte damit seine Präsenz auf diese ab­ wesenden Persönlichkeiten und umgekehrt, deren Geschichte(n) auf sich. Das Pub­ likum, mit dem Acconci den Raum teilte, wurde in dieses Spiel der Projektionen so­ wohl physisch, durch das Licht des Projektors, als auch psychisch einbezogen, etwa durch seine Erwartungen an beziehungsweise Projektionen auf den Künstler. In Bezug auf das Museum ist Acconcis Reflexion über das Künstlerdasein von Interesse. Sein Künstlerselbstbild ist, dem Zitat zufolge, das einer Person, die sich über künstlerische Medien ausdrückt und nicht direkt in die Realität eingreifen kann oder will. Dieser Rückzug auf die Kunst kommt einerseits einer Ohnmachtserklä­ rung gleich, andererseits zeigt sich hier Acconcis Position in Bezug auf die Frage nach dem Verhältnis von Kunst und Leben: er setzt auf eine performative (im Sinne J. L. Austins) und manipulative Wirksamkeit der Kunst. Das Motiv der ›Projektion‹ als ein kommunikativer Überblendungs- und Übertragungsmechanismus ist dabei zentral. Da Projection Room eigens für den musealen Raum konzipiert war, scheint es legitim, das, was Acconci für sich und seine Kunst geltend macht, auf die Institution Museum zu übertragen. Das gesamte Museum lässt sich dann als Projection Room betrachten, der als Ort der Kunst immer auch ein Ort vielschichtiger Projektionen von Wirklichkeit ist. Dennis Oppenheim: Black Skin – Black Walls, 2. April 1975, 20:00 Uhr Als zweiten Künstler im Veranstaltungsprogramm war Dennis Oppenheim eingela­ den. Das lag nah, gehörte Oppenheim doch zu den zentralen Vertreter*innen der frühen Body Art in den USA. Allerdings waren Live-Auftritte nie wirklich Teil seiner künstlerischen Praxis gewesen, sondern er performte in der Regel für die Kamera. Zudem hatte er sich, ähnlich wie Acconci, zum Zeitpunkt der Ausstellung in Chi­ cago bereits zunehmend auf performative Rauminstallationen verlegt, wobei er nicht seinen eigenen Körper, sondern ›Stellvertreter‹ einsetzte, zum Beispiel elektrisch betriebene Marionetten oder Puppen mit seinen Gesichtszügen.95 In einigen Werken arbeitete Oppenheim mit Ton- und Videoaufzeichnungen, unter anderem von sei­ nem Gesicht und seinen Gliedmaßen, und er setzte Licht oder Gerüche ein, um seinem Publikum multisensuelle Erfahrungen zu ermöglichen.96 Dennis Oppenheim war für seinen Beitrag zwar vor Ort in Chicago, trat aber nicht selbst auf. Stattdessen entwarf er eine kinetische Zweikanal-Video-Installation mit dem Titel Black Skin – Black Walls. Eine Fotografie, die vermutlich während 95 Zum Beispiel in der Arbeit Attempt to Raise Hell (1974). Vgl. Celant, Germano (Hrsg.): Dennis Oppenheim. Explo­ rations. Mailand: Charta 2001, S. 17. Auch über Oppenheim heißt es, seine letzte Performance habe bereits 1973 statt­ gefunden. Kaye 2017, S. 43. 96 So beispielsweise in der im Frühjahr 1974 realisierten Arbeit Recall in der 112 Greene Street Gallery, New York. Hier nutzte Oppenheim gefärbtes Terpentin, dessen Geruch Erinnerungen wecken und transportieren sollte. (Zur Arbeit gehört ein Video, das Oppenheims Erinnerungen an seine Zeit an der Kunsthochschule zum Thema hat). Vgl. Sharp, Willoughby/Oppenheim, Dennis: Dennis Oppenheim…Recall [Interview zur Ausstellung Video Performance, 112 Greene Street Gallery, New York]. In: Avalanche 1974, H. 9, Mai/Juni, S. 14–15.

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des Aufbaus oder einem Testlauf entstanden ist, vermittelt einen Eindruck der Instal­ lation (Abb. 2.17).97 Weitere Einblicke gibt eine mehrteilige Bild-Text-Dokumenta­ tion, bestehend aus verschiedenen maschinengeschriebenen Dokumenten, einigen Fotografien und einer handgezeichneten Projektskizze, die später in Form zweier großer Schautafeln selbst zum Kunstwerk wurde (Abb. 2.18–2.19).98 Die Arbeit erforderte einen rechteckigen Raum, der laut Konzept vollständig schwarz sein sollte. Dies hätte allerdings bedeutet, die Wände der laufenden Lachaise-Ausstellung zu streichen und wurde nicht umgesetzt. In einigen Metern Abstand zueinander platzierte Oppenheim zwei schwarze, zylinderförmige Holz­ konstruktionen, die um ihre eigene Achse rotierten. Auf ihnen sollte jeweils ein Farbröhrenbildschirm fixiert sein, mit je einer Schwarzlichtröhre auf der Rückseite. Im Innern des Unterbaus der Konstruktionen verbargen sich Videoabspielgeräte. Die Aufführung fand bei Dunkelheit statt. Auf den Monitoren liefen dann zwei zehnminütige Videos in Dauerschleife. Das erste Video zeigte die Mund- und Nasen­ partie eines sprechenden Gesichts, das andere klatschende Hände. Beides waren vermutlich Aufnahmen der Körperteile des Künstlers.99 Die Rotation der Fernseh­ geräte und der Leuchtstoffröhren sorgte für einen flackernden, stroboskopartigen Lichteffekt, den Oppenheim auf seiner Skizze als bläulich-schwarzen Wirbel ein­ zeichnete. Über zwei Tonspuren wurde ein gesprochener Text eingespielt, der auf der Dokumentation in weißer Schrift auf schwarzem Grund erscheint.100 Der Text erin­ nert stilistisch an die Lyrik der Beat-Generation. Er ist aus der Perspektive einer Per­ son mit schwarzer Hautfarbe verfasst und bedient sich einer Art afroamerikanischem Slang – Oppenheim selbst sprach von »street jive talk«.101 Die Diktion ist rastlos, die Sätze sind zum Teil verkürzt und assoziativ aneinandergereiht. Der Text bedient sich darüber hinaus zahlreicher aggressiver und sexueller Metaphern. Mehrfach ist von einem Ein- und Durchdringen (insbesondere von Hautoberflächen) die Rede und es werden wiederholt Bilder körperlicher Vereinigung und Überblendung evo­ ziert. Der erste Abschnitt gibt einen Eindruck: I’m gonna spin/skin a black yarn (off me)… lay it round your walls/eyes take it off me in layers.. tie it to the back of your head… sit on down baby.. relax.. you’re breathing easy gonna make it simpler to slide inside you. Bringing to your head thoughts of walls.. white walls been buttered with black skin.. black will/skin over your wall/eyes.. coming off in layers.. sticking like flys to fly 97 Mein Dank gilt Amy P. Oppenheim für die Unterstützung und Zusendung von bislang unveröffentlichtem Material. 98 Wie bei Acconci fällt auch bei Oppenheim die professionelle Visualisierung seines Konzeptes auf. Dabei besteht auch eine bemerkenswerte stilistische Ähnlichkeit zwischen den Projektskizzen beider Künstler. 99 Ähnlich wie in der Installation Recall (1974). S. Anm. 96. 100 »Project for 2 spinning video systems. / Each tape repeats its self [sic.] at 10 minute intervals. / Video Image #1. Face Shot (Voice). / Camera set-up — close up — strobe light source / Video Image #2. Gimme Some Skin (Hand Slap). Sound: 2 voice overlays.« Transkription handschriftlicher Vermerke auf der Projektskizze (Abb. 2.19). 101 Oppenheim in: Ramsden, Anne/Oppenheim, Dennis: It Ain’t What You Make, It’s What Makes You Do It. An Inter­ view with Dennis Oppenheim by Anne Ramsden. In: Parachute 1977–78, H. 9, S. 30–33, hier S. 31.

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paper as it travels through the air. But I don’t wanna mix it up, ya know, grey it down dilute it.. pure black, pure black (what I want) black so deep you can pass through it…meet me on the other side o’ my skin.102 Wie schon im Titel der Arbeit angedeutet, werden in dem Text schwarze Haut und geschwärzte Wände mit den weißen Wänden des white cube in Verbindung gebracht. Letztere stehen dabei stellvertretend für eine vergeistigte und verfeinerte (weiße) Kunstwelt und sind negativ konnotiert. Blackness hingegen wird mit einer nicht näher bestimmten Ursprünglichkeit assoziiert, welche die (weiße) Kunst vergeblich suchte. So heißt es in der letzten Passage des Textes: White boy.. your fancy ideas bore me.. come on through the back door of my grandmother’s insides.. a network of jumbled organs blowin that sweet sound that makes the bristles of your brush take the one stroke in a million that al­ ways knew where it was goin; Sure, we been makin your hands clap together for us.. stoning your heads with that blood beat.. but man.. we keep that note alive now, so take your time..follow its black cord back.. pull that line, hand over hand the end don’t havta be too close for you ta see what it’s tied to.. Go on fishing boy.. cast that art line out for a big black nigger.103 Aus heutiger Sicht mag diese Übernahme kultureller Identität durch einen weißen Künstler seltsam anmuten. Dem Autor Jeff Chang zufolge handelt es sich dabei um ein in der (weißen) US-amerikanischen Kulturszene der 1970er-Jahre verbreitetes Phänomen, ein Symptom für eine Suchbewegung nach künstlerischer Identität und Authentizität.104 Oppenheim selbst gab an, dass er sich dieses »very tough way of talking about art« als einer Art Kontrastmittel gegen die ihn umgebende elitäre Kunstwelt bediente und dass er damit eine Suche nach »Wurzeln« und »Ursprün­ gen« assoziiert habe.105 Für den Zusammenhang dieser Untersuchung ist entscheidend, dass sich Oppen­ heim, ähnlich wie zuvor Acconci, die Frage nach Authentizität und Lebensnähe der Kunst stellt und das in einem Werk, das ausdrücklich für ein Museum konzipiert war. Wie Acconcis Werk kann auch Black Skin – Black Walls als eine künstlerische Ohnmachtsgeste gegenüber der ›echten‹ und ›authentischen‹ Realität gelesen wer­ 102 Text auf der Projektskizze [Interpunktion nach Original] (Abb. 2.18). 103 Ebd. 104 Chang, Jeff: Who We Be. The Colorization of America. New York: St. Martin’s 2014, insb. S. 84–85. Chang nennt Den­ nis Oppenheim und Vito Acconci als Beispiele aus der bildenden Kunst. »[They] appropriated Black talk for the ›au­ thentic‹ soundscapes in their installation art […] to bring the street into the gallery.« Ebd., S. 85. Vgl. auch Torgovnick, Marianna: Gone Primitive. Savage Intellects, Modern Lives [1991]. Nachdr. Chicago: U of Chicago P 1997. 105 »Some of the audiotapes were done in dialects, in a kind of American Black dialect. I did a series of pieces that used a street jive talk. One piece dealt with probing art — a speculation in contemporary rhetoric, but used a jive overlay so that it was rendering this hardcore, white intellectual art rap in terms of a hard street language. The black dialect was used partly because it was a very tough way of talking, a very tough way of talking about art. Also, in some of the things I was talking about, the implications were that it was in search or quest for roots, it was looking for motives, so that the use of a vernacular was in accordance to the need that this whole body of information had in searching out its origin. Plus the fact that I grew up with Blacks and they made up a great deal of my adolescent experience.« Oppenheim in Ramsden 1977–78, S. 31.

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den beziehungsweise als eine selbstkritisch gemeinte Reflexion dieser Ohnmacht.106 Zugleich lässt sich die Arbeit als eine überspitzte und kritische Auseinandersetzung mit den Ausstellungskonventionen des white cube lesen, der im Laufe der 1970erJahre und im Zuge der Bestrebungen, die Kunst einer neuen Lebendigkeit zuzu­ führen, vielfach in die Kritik geraten war.107 Oppenheim knüpfte hier an einen Strang seines Œuvres an, der sich auch in der Arbeit Material Interchange abzeichnete. Dort inszenierte er einen direkten, physischen Austausch zwischen Künstlerkörper und Galerieraum. Durch dieses körperliche Ineinanderdringen, das er für Black Skin – Black Walls über biologische Metaphern aufrief, betonte er die symbiotische Beziehung zwischen Künstler*in und Ausstellungsort.108 Auf formaler Ebene inszenierte Oppenheim ein Live-Event, das er selbst sogar als Performance bezeichnete, das aber von vornherein ohne seinen phänomenalen Kör­ per auskam. Eine Installation wie Black Skin – Black Walls war vielmehr auf eine physische Erfahrung der Betrachter*innen ausgerichtet. Sie war dabei reproduzier­ bar und konnte theoretisch sogar zeitgleich an verschiedenen Orten gezeigt werden. Diese künstlerische Strategie könnte ein Zugeständnis Oppenheims an die Anforde­ rungen des Ausstellungsbetriebs gewesen sein, zumal er als zunehmend erfolgreicher Künstler nicht (mehr) bei jeder seiner Ausstellungen selbst präsent sein konnte.109 Laurie Anderson: Songs and Stories for the Insomniac, 4. April 1975, 20:00 Uhr Laurie Anderson absolvierte im Rahmen der Ausstellung ihren ersten Museumsauf­ tritt. Ihr Beitrag trug den Titel Songs and Stories for the Insomniac. Dabei handelte es sich um eine Musikperformance, die aus einem Programm kürzerer Stücke be­ stand und von aufwendigen visuellen Effekten begleitet wurde. Auch Anderson trat in den Räumen der Gaston Lachaise-Ausstellung auf und beschrieb die Situation später wie folgt: The room was filled with pedestals and on each pedestal there was a body part made of stone, mostly heads, by Gaston Lachaise. […] Most of the heads had been moved over to the walls to make room for the performance. But two of the large black nudes were too heavy to move so they flanked the performance area, like bookends, like bodyguards. I was very nervous but their dark, bulky presence made me feel better.110 106 Ein Parallelphänomen findet sich in den Werken der Beat Generation. Collopy, Margaret: The Irony of Racial Romanti­ cism in Kerouac’s Beat Generation. In: Painting Bohemia 2016. Online-Publikation. https://web.archive.org/ web/20210203064536/http://paintingbohemia.org/culturalstudies/race-ethnicity/the-irony-of-racial-romanticismin-kerouacs-beat-generation/ (Zugriff: 03.02.2021). 107 Nur ein Jahr später, 1976, manifestierte sich diese Kritik dann im white cube-Essay von Brian O’Doherty. O’Doherty/ McEvillery 1999. 108 Er unterscheidet allerdings nicht zwischen Museum und Galerie. Vermutlich sind beide gemeint. 109 Im Mai/Juni 1975 zeigte Oppenheim eine sehr ähnliche rotierende Lichtinstallation mit dem Titel Mind-Twist-Wan­ dering im Brüsseler Palais des Beaux-Arts. Vgl. Celant 2001, S. 180–181. 110 Anderson 1994, S. 109.

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Anderson nahm die körperliche Präsenz der Skulpturen offenbar sehr aktiv wahr, gerade so, als wären auch sie lebendige Performer*innen und keine immobilen Skulpturen. Das unterstreicht auch eine Fotografie, auf der Anderson, vor oder nach ihrem Auftritt, mit einer der Lachaise-Skulpturen posiert (Abb. 2.20). Fotografische oder filmische Dokumentationen ihres Auftritts sind nicht überliefert. Eine wahr­ scheinlich später erstellte Projektskizze sowie einige Liedtexte und Anmerkungen der Künstlerin im Stil von Regieanweisungen aus dem bereits genannten Buch Stories from the Nerve Bible, ermöglichen aber Rückschlüsse auf die räumliche Dispo­ sition und den Inhalt der Stücke (Abb. 2.21).111 Die Projektskizze zeigt einen Auffüh­ rungsbereich, der von dem V-förmigen Lichtkegel eines Projektors definiert wird, der mittig an der Rückwand des Raums platziert ist.112 Eine querrechteckige Projektion fällt auf eine gegenüberliegende Wand. Der Lichtkegel definiert den Aktionsradius der Performerin, wobei das Publikum dieses Feld wahrscheinlich flankierte.113 Wie auf der eben genannten Fotografie zu sehen war, trug Anderson während der Perfor­ mance ein spezielles weißes Kleid, das ihren Körper zu einer mobilen Projektions­ leinwand werden ließ. Zur Ausstattung gehörten außerdem eine elektrische Violine, zwei Tierfelle als Sitzgelegenheit beziehungsweise Ablagefläche für das Instrument und zwei große Pappen, als zusätzliche Projektionsflächen.114 Inhaltlicher Ausgangspunkt des Programms waren das Thema Schlaflosigkeit und Anekdoten aus dem Leben der Künstlerin in Downtown New York. Wie auch in an­ deren ihrer Stücke vermischte Anderson dabei autobiografische und fiktive Ge­ schichten. Die einzelnen Stücke des Programms bezeichnet sie als film/songs und betonte damit deren hybriden Charakter. Gesprochene und musikalische Parts (Ge­ sang und Violine) fügten sich in jeweils exakter zeitlicher Taktung mit kurzen Film­ sequenzen zu einer Bild- und Ton-Collage.115 Collagiert waren auch die von Song zu Song wechselnden Musikstile, die von Gospel über Pop und Rock bis zu Country reichten. Ein Beispiel für eines dieser Stücke ist Art and Illusion, das von den Übergängen zwischen Leben und Kunst handelt, vom Museum und im übertragenen Sinne auch von Anderson selbst, als Künstlerin am Anfang einer steilen Karriere. Anderson er­ zählt darin folgende Geschichte: It was like this paper I got from a student. The assignment was to »Go to the museum, look at some art, and write about it.« She gave me an incredibly vague paper, »Well, I went to the museum but I can’t remember which muse­ um it was, or where it was.« It turned out that she had gone to the Museum of Natural History and written about a stuffed seal in its painted panorama of 111 Ebd., S. 104–108. 112 Auf der Skizze ist von »projectors«, im Plural, die Rede. Ebd., S. 104.

113 Dies entspräche dem Aufbau einer Performance im Folgejahr im Whitney Museum. S. S. 226­–227. 114 In einer Projektbeschreibung heißt es: »Holds piece of cardboard in front of the slide. The projected image appears on the cardboard.« Anderson 1994, S. 105. 115 Ebd., S. 104.

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icebergs and snow floats. I think about that seal a lot at night, when I’m sitting around trying to figure out what my life is slowly becoming.116 Anderson nimmt hier den vermeintlichen Irrweg einer Kunststudentin ins Natur­ kundemuseum zum Anlass, auf poetische Weise über ihre Kunst und ihr Leben als Künstlerin zu reflektieren. Der ausgestopfte Seehund im abgeschlossenen Glaskasten des Dioramas, das Versatzstücke der Realität konserviert und dabei vorgibt einen Aus­ schnitt der Realität zu zeigen, wird zum Symbol einer im Museum erstarrten Kunst. »Was it a real seal, or was it only art? Was it a former seal, or was it really art? Art and illusion, illusion and art.«117 Andersons Identifikation mit dem zum Aus­stellungsobjekt erstarrten Seehund zeugt von ihrer Reflexion des Musealisierungsprozesses. Aus der Regieanweisung zur Performance geht hervor, dass Anderson an einer Stelle dieses Stücks auf das Publikum zuging, während ein Film mit Worten auf ihr weißes Kleid projiziert wurde. »As performer fans dress out to the side, the word ›art‹ expands to ›hear‹ and then to ›heart‹.«118 Eine andere Filmsequenz zu diesem Song involvierte eine surrealistisch anmutende Szene mit einem Regenschirm. Dazu heißt es: »Film of umbrella begins to light up from inside the pulse keeps time with the song, water begins to pour out from under the umbrella.«119 Die Konzertstruktur und die exakt getakteten Handlungen und audiovisuellen Effekte verleihen dem Auftritt den Charakter einer Bühnenshow. Dieser Eindruck verstärkt sich durch die Platzie­ rung des Publikums außerhalb des Performance- und Projektionsbereichs, der damit zu einer Art Bühne wurde. Zu diesen Beobachtungen passt schließlich auch, dass Andersons Auftritt nicht ortsspezifisch war. Sie hatte das Programm jedenfalls nicht für den Auftritt in Chicago entwickelt, sondern bereits andernorts gezeigt.120 Obwohl dies ein Live-Auftritt war und Anderson darin sowohl biografische Anek­ doten integrierte als auch ihren Körper als Projektionsleinwand einsetzte, machte sie weder ihren Körper noch ihre Identität zum eigentlichen Thema der Aufführung. Zu­ gleich besaß ihr Auftritt durch die vielen kurzen Stücke und die collagierte Struktur auch nicht den Charakter eines geschlossenen Werks. Anderson wich also deutlich von den Thesen ab, die Ira Licht seiner Ausstellung zugrunde legte. In Bezug auf An­ dersons oben zitierten Text über die entkörperte Anmutung der Bodyworks-Ausstel­ lung scheint dann auch bemerkenswert, dass sie selbst während ihrer Performance ihren Körper durch die darauf projizierten Lichtbilder richtiggehend zum Verschwin­ den brachte. In ähnlicher Weise, wie sie Text, Ton und Bild ineinanderfügte, ver­ schmolz auch ihr Körper mit seiner illuminierten Umgebung. Dass diese Umgebung ein Museum war, war dabei für den Inhalt des Programms nicht ausschlaggebend, auch wenn sie das Museum in ihren Stücken thematisierte.

116 Ebd., S. 106. 117 Ebd. 118 Ebd. 119 Ebd., S. 104. 120 Die Premiere der Performance hatte einige Wochen zuvor im New Yorker Artists Space stattgefunden.

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Chris Burden: Doomed, 11.–13. April 1975, 20:00 Uhr Die vierte und letzte Live-Performance der Reihe war ein Auftritt von Chris Burden mit dem Unheil verheißenden Titel Doomed. Burden war dank seiner extremen und mitunter gefährlichen künstlerischen Selbstversuche bereits zu Berühmtheit gelangt. Dem Chicagoer Publikum dürfte er noch mit seiner Performance Velvet Water (1974) in der School of the Art Institute of Chicago in Erinnerung gewesen sein. Da­ mals hatte er versucht, Wasser einzuatmen, bis er nach etwa fünf Minuten kollabier­ te.121 Während die Presse im Vorfeld der Rückkehr Burdens nach Chicago die Erwar­ tungen des Publikums schürte,122 versuchte das Museum im Hintergrund zu klären, dass von dem Auftritt keine ernsthafte Gefahr für Künstler, Publikum oder Museum ausgehen würde.123 Ira Licht erkundigte sich zudem bei Burden nach der geplanten Länge der Performance, denn er war besorgt, dass ein zu kurzer Auftritt, wie damals im Art Institute, das Publikum enttäuschen könnte.124 Burden begegnete diesem Er­ wartungsdruck mit einer spektakulär unspektakulären Geste: Er legte sich über 45 Stunden, ohne Unterbrechung und beinahe ohne sich zu rühren, ins Museum. Als Medienereignis wurde Doomed umfassend fotografisch dokumentiert und vom Museum sowohl fotografisch als auch auf Video aufgezeichnet.125 Die Einzel­ bilder eines Kontaktabzugs aus dem Museumsarchiv zeigen alle in etwa dieselbe Szene: Burden liegt auf dem Rücken ausgestreckt und parallel zu einer weißen Wand. Er trägt legere Straßenkleidung, Jeans, Pullover und alte Turnschuhe. Über ihm lehnt, wie eine Art Zelt, eine etwa 1,5 × 2,5 m große Glasplatte in einem Winkel von 45 Grad an der Wand (Abb. 2.22). Zu seinen Füßen hängt in etwa anderthalb Metern Höhe eine Wanduhr. Auf manchen Bildern sind kleinere Lachaise-Skulpturen auf

121 Chris Burden: Velvet Water, Performance, 07.05.1974, School of the Art Institute of Chicago. Hoffman 2007, S. 56–57. 122 Zum Beispiel mit Ankündigungen wie: »Chris Burden undergoes more agony in his continuing examination of danger and fear.« Presseartikel: Artner, Alan G.: Making the Most (and Worst) of the Human Condition. In: Chicago Tribune, 23.03.1975. A-MCA Press, Bodyworks 1975. 123 Darauf verweist ein Brief des Museumsdirektors Stephen Prokopoff an einen Juristen, der sich nach der Ausstellung nach juristischen Fragen im Zusammenhang mit Body-Art-Kunstwerken erkundigte. »When a bodyworks activity – or any other artistic activity – is planned in this museum we assume that it meets the requirements of aesthetic significance, appropriateness to the institution and safety that are imposed on all other programming. This means that we must know the general intent or ›shape‹ of the work in advance, even if some details are left ›open.‹ For example, Burden is reported to have wanted to build a fire in the middle of the gallery in a California museum performance [Fire Roll, 1973]. Clearly, this kind of activity cannot be permitted. The artist’s ›freedom‹ must be circumscribed by the institution when there is danger to life or property, just as it is by society at large. Of course, if he wishes to investigate certain kinds of ›dangerous‹ actions then he must do so on his private turf rather than in a public forum.« Brief [o. D.]: Ste­ phen Prokopoff an Bruce E. Mitchell. A-MCA E, 1975, Bodyworks. 124 »Would it be fair, Ira Licht asked, to ask for some rough estimate of how long the piece might last? No, Burden said, it wouldn’t […] Licht said there might be a problem if someone of the museum’s members arrived a few minutes late and the piece was already over.« Anekdote in: Presseartikel: Ebert, Roger: The Danger Man of Art. In: Midwest Magazine, Chicago Sunday Sun-Times, 25.05.1975. A-MCA Press, Bodyworks 1975. 125 Videoaufzeichnung [11.–13.04. 1975]: O. A.: Chris Burden, Doomed. S/W, Ton, mehrere Bänder, digitalisiert. A-MCA. Das Museumsarchiv besitzt eine Transkription aller Ereignisse und Gespräche, die auf den Bändern aufgezeichnet wur­ den. Wegen der Länge und relativen Ereignislosigkeit der Performance ist die Reihenfolge der digitalisierten Videobän­ der nicht mehr zu klären. Im Archiv liegt auch eine unterzeichnete Erklärung, in der das Museum Burden zusichert, dass das Videomaterial allein zu internen Zwecken der Dokumentation genutzt würde. Vertrag [05.06.1975]: MCA Chicago und Chris Burden. A-MCA E, 1975, Bodyworks.

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Sockeln zu sehen oder auch eine in der Mitte des Raums aufgestellte Videokamera. Einige Bilder zeigen auch einzelne Personen, die vor der Glasscheibe stehen und sich unterhalten oder den Künstler hinter dem Glas betrachten. Der damaligen PR-Frau und späteren Performancekuratorin Alene Valkanas zu­ folge, zog das Ereignis eine für das Museum historische Besucherzahl an.126 Anfangs drängten sich zwischen 400 und 500 Menschen im Ausstellungssaal. Viele waren in der Erwartung gekommen, etwas Spektakuläres zu erleben.127 Die Performance begann damit, dass Burden den Raum betrat und sich hinter die Glasscheibe legte. Die Wanduhr wurde auf zwölf Uhr gestellt. Als Burden nun reglos liegen blieb, wurde das Publikum bald unruhig. Einige warfen Gegenstände gegen die Scheibe, andere versuchten mit Burden zu interagieren, wurden jedoch vom Mu­ seumspersonal daran gehindert.128 Sprechchöre riefen »More! More!«; »Less! Less!« oder »Less is More!«.129 Einige der Gespräche, die von Journalist*innen in Ermange­ lung anderer Ereignisse notiert wurden, kreisten um die mögliche Bedeutung der Performance, aber auch um formale Fragen, wie die Möglichkeit, Body-Art-Kunst­ werke zu kaufen und zu besitzen.130 Nach etwa einer Stunde verließen bereits zahl­ reiche Gäste das Museum wieder.131 Um die Performance nicht zu stören, entschieden die Museumsverantwortlichen am späten Abend, das Museum über Nacht geöffnet zu halten. Nach einem weiteren Tag und einer zweiten Nacht, die das Museum ebenfalls geöffnet blieb, wuchs die Besorgnis der Museumsleute um das Wohlergehen des Künstlers. Ärzte wurde kon­ sultiert, um sicher zu gehen, dass er nicht verdursten, sich nicht am aufgestauten Harn vergiften oder sonst Schaden nehmen würde. Die Performance endete schließ­ lich erst am frühen Abend des übernächsten Tages, nachdem der Museumsmitarbei­ ter Dennis O’Shea einen Krug mit Wasser neben dem Kopf des Künstlers abgestellt hatte. Burden stand nun auf, holte aus dem Nebenraum einen Hammer und zer­ schlug damit das Uhrenglas. Danach präsentierte er ein Dokument mit den ›Spiel­ regeln‹ des Werks, die er dem Museum zuvor verschwiegen hatte. Die entscheidende 126 »›This is a bigger crowd than we had for Allen Ginsberg,‹ Alene Valkanas, the museum’s publicist, said, ›and Ginsberg was the biggest thing in our history.‹« Ebert [Danger Man] 1975, wie Anm. 124. 127 »Many who attended the body art show admitted they came to see violence or to be shocked.« Merridew, Alan/Zahour, Frank: This Body Artist ain’t Got Nobody, Chicago Tribune, 13.04.1975. »[A] definite feeling existed in the room that some people had come to see blood.« Ebert [Danger Man] 1975 wie Anm. 124. 128 »At various times during the next two hours, audience members tried to approach Burden with advice, greetings, exhor­ tations, and a red carnation. They were politely but firmly kept away by the museum attendants. A girl threw her brasserie at the glass; it was taken away by a smiling guard.« Ebd. 129 Presseartikel: Borgzinner, Jon: Bodywork at Rest. In: The Art Gallery, März 1975, H. 3, S. 90. A-MCA Press, Bodyworks 1975. 130 »›I think he’s a genius,‹ said Barbara Frommer, who was sitting behind me. ›I want to BUY the piece. I think it’d fit pretty well in my bathroom. I don’t want a photograph of the piece, I want an original. The guy has guts.‹ How DO you buy a work of body art? I asked. ›Robert Scull in New York buys a lot of them,‹ Henry Hanson explained. ›He has the artist do whatever it is, and then he pays him, and the canceled check is his receipt. He has it framed over a photo of the event.‹« Presseartikel: Ebert, Roger: ›Body Artist‹ Moves His Audience–Right Out the Door. In: Chicago Sun Times, 13.04.1975. A-MCA Press, Bodyworks 1975. 131 »The room has the feeling of a shrine. Everybody’s talking softly. The piece has an interesting evolution.« Alene Valka­ nas, zitiert in: Ebert [›Body Artist‹] 1975, wie Anm. 130.

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Regel war, dass die Performance erst dann enden sollte, wenn ein*e Mitarbeiter*in des Museums in die Performance eingriff.132 Burden hatte schon zuvor vergleichbare endurance-Performances durchgeführt, auch in Museen und Galerieräumen. Er lag zum Beispiel in Bed Piece (1972) über mehrere Wochen in einem Kalifornischen Ausstellungsraum im Bett.133 Für Oh, Dracula (1974) ließ er sich auf Einladung des Utah Museum of Fine Arts in einem Ko­ kon aus Klebebandstreifen zwischen zwei Renaissancegemälden an der Wand fixie­ ren und harrte in dieser Lage während der Öffnungszeiten des Museums aus.134 Für Sculpture in Three Parts (1974) saß Burden in einer Galerie auf einem Stuhl, der auf einem Sockel stand, bis er nach 43 Stunden vor Müdigkeit und Erschöpfung herun­ terfiel. Nur wenige Wochen vor dem Auftritt in Chicago lag Burden für White Light/ White Heat drei Wochen lang, Tag und Nacht, für das Publikum allerdings unsicht­ bar, auf einer dreieckigen Plattform unter der Decke der Ronald Feldman Gallery in New York.135 Bisherige Interpretationen dieser Werke konzentrierten sich vor allem auf Themen wie Masochismus oder die virile Demonstration von Ausdauer und mär­ tyrerhafter Leidensfähigkeit.136 Dahingegen wurde ihr Verhältnis zu den Orten der Kunst, an denen sie stattfanden, noch nicht berücksichtigt.137 Eine endurance-Performance wie Doomed wäre rein formal auch an anderen Orten denkbar. Und doch war die Arbeit hochgradig ortspezifisch, denn Burden re­ agierte damit sowohl auf das Museum als Institution als auch auf die besonderen Rahmenbedingungen vor Ort.138 Dies gilt bereits für die räumliche Disposition der Performance. Burden ließ für seinen Auftritt die Skulpturen von Lachaise nicht zur Seite räumen, sondern nutze, ähnlich wie in Utah, den vorhandenen Ausstellungs­ kontext, vermutlich, um die Analogie zwischen den Skulpturen und seinem Körper zu verdeutlichen. Die große Glasscheibe lässt sich als Anspielung auf eine Vitrine

132 Der Wortlaut – in leicht veränderter Form – ist nachzulesen in: Hoffman 2007, S. 225. 133 Bed Piece, 18.02.–10.03.1972, 72 Market Street, Venice, CA. Dazu: Simms, Matthew: Mapping the Los Angeles Art Underground. The Market Street Program, 1971–1973. In: Archives of American Art Journal, 54. Jg. 2015, H. 2, S. 34–63, hier S. 44–46. 134 Oh, Dracula, 07.10.1974, Utah Museum of fine Arts, Salt Lake City, UT. Dazu: Hoffman 2007, S. 121–123. 135 Die Performance dauerte vom 08.02–01.03.1975. Dazu: Hoffman 2007, S. 60–62. Weitere Arbeiten in Museen und Ga­lerien waren: Fire Roll, 28.02.1973, Museum of Conceptual Art, San Francisco, CA; I Became a Secret Hippy, 03.10.1971, Museum of Conceptual Art, San Francisco; Napoleon d’Or, 06.04.1981, Centre Georges Pompidou, Paris und Diamonds Are Forever, 28.04.–28.05.1981, Ikon Gallery, Birmingham. 136 Kathy O’Dell befasste sich unter psychoanalytischen Gesichtspunkten mit Aspekten des Masochismus in Burdens Werk. O’Dell, Kathy: Contract with the Skin. Masochism, Performance Art, and the 1970s. Minneapolis: U of Minneso­ ta P 1998. Amelia Jones betont Aspekte der Demonstration von Männlichkeit bei Burden: »He rigorously directs situa­ tions of putative danger in order to construct himself as both heroically martyred and bravely surviving.« Jones, Amelia: Dis/playing the Phallus. Male Artists Perform Their Masculinities [1994]. In: Warr/Jones 2000, S. 265–271, hier S. 269. 137 O’Dell erwähnt allenfalls Burdens Betonung ästhetischer Distanz in Oh, Dracula durch die Platzierung der beiden Kerzen zwischen sich und dem Publikum. O’Dell 1998, S. 67. 138 Zu Performance und Ortsspezifizität vgl. Widrich, Mechtild: Performative Monuments. The Rematerialisation of Public Art. Manchester: Manchester U P 2014. S. 102–143. Was Widrich über die Performance The Artist is Present (2010) von Marina Abramovic´ im MoMA schreibt, gilt in ähnlicher Weise auch für Burden: »The performance was, and was meant to be, a generic probing of artist-audience relationship inside the context of the MoMA, and the presence on of­ fer was just as much that of the art institution, one of the most influential sites of canonization, the adjacent art market, curatorial and artistic ambition«. Ebd., S. 129.

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oder ein Rahmenglas lesen, was eine ganze Reihe an Interpretationsmöglichkeiten eröffnet. Zunächst signalisiert das Glas: ›Seht her, dies ist ein Kunstwerk‹. Als phy­ sische Trennung sorgt es – ›Bitte nicht berühren!‹ – für die nötige Distanz zwischen Betrachter*innen und Kunstwerk. Im metaphorischen Sinne kann das Glas für die ästhetische Grenze zwischen Kunstwerk und Lebensrealität stehen.139 Das zerbrech­ liche Material, nur an die Wand gelehnt, konnte für den dahinter liegenden Künstler Schutz und Bedrohung zugleich sein. Bedrohung, da das schwere Glas über dem Künstler kollabieren oder gar zerbrechen und ihn verletzen konnte. Besonders für diejenigen, die Burdens Tendenz zur Selbstgefährdung (auch unter Einsatz des Mate­ rials Glas, etwa in seiner Arbeit Through the Night Softly) kannten, dürfte eine sub­ tile Spannung von der Glasscheibe ausgegangen sein. Als Schutzeinrichtung ist die Glasscheibe aber auch Ausdruck für die Übernahme von Verantwortung und Wert­ schätzung des Museums für die Kunst in seiner Obhut. Für Burden als lebendes Kunstwerk war die Glasscheibe zugleich ein Schutz vor eventuellen Übergriffen des Publikums. Im Gegensatz zu einem Tableau Vivant, trat Burden nicht in einer Rolle, sondern als er selbst, als der Künstler Chris Burden auf. In seiner Untätigkeit negierte er da­ bei das Bild vom aktiv schaffenden Künstler und erstarrte stattdessen zum Kunst­ werk. Mit dieser simplen Geste setzte Burden Lichts kuratorische These beziehungs­ weise die Überschrift der Veranstaltungsankündigung The Artist as the Art Work geradezu wörtlich um und testete ihre Konsequenzen bis zum Äußersten.140 Damit machte er die unüberwindbare Grenze zwischen Kunstwerk und lebendigem Körper, zwischen Kunst und Leben sichtbar und zwar im Museum, dem Ort, der als das finale Repositorium ›leblos‹ gewordener Kunst gilt. Anders als in Oh, Dracula oder White Light/White Heat legte sich Burden für Doomed hinter dem Sichtfenster der Glasscheibe direkt auf den Boden. Er lieferte sich den Blicken des Publikums aus, womöglich eine Reaktion auf die Zweifel des Publikums an der tatsächlichen Präsenz des Künstlers während White Light/White Heat. Zugleich machte er – ähnlich wie dies zuvor John Cage und andere taten – durch die Ereignislosigkeit seiner Performance das Publikum als unfreiwillige Performer*innen zum Gegenstand des Werks und führte es in seiner Schaulust vor. In ähnlicher Weise inszenierte Burden sein Ausgeliefertsein als Machtspiel gegen­ über dem Museum. Anders als in Utah befolgte er in Chicago nicht die Museums­ konventionen (etwa die Öffnungszeiten oder die übliche Dauer einer Abendveran­ staltung), sondern er stellte eigene Regeln auf, über die er sein Gegenüber bewusst in Unkenntnis ließ. Wie Kathy O’Dell im Zusammenhang mit Burdens Performances herausarbeitete, verwies er durch den Regelbruch beziehungsweise ihre Manipulation

139 Insofern wäre auch an ein Diorama in einem Naturkundemuseum zu denken, das Leben als Kunst zeigt. Die Assozia­ tion an die Glasscheibe einer Warenauslage liegt ebenfalls nah und bietet Ansatzpunkte für eine kunstmarktbezogene Interpretation des Werks. 140 Von hier ist es gedanklich nur noch ein kleiner Schritt zu den toten Körpern als Kunstwerk. S. Anm. 43.

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auf einen impliziten Vertrag, der zwischen dem Künstler und seinem Publikum, in diesem Fall zwischen dem Künstler und dem Museum, besteht.141 Am Beispiel Doomed wird deutlich, wie sich Performance und musealer Kontext gegenseitig hervorbringen und formen. Burden reagierte ganz direkt auf das Ausstel­ lungskonzept und auf die Regulierungsversuche seiner Arbeit durch das Museum. Er kommentierte mittels seiner Kunst, dass er als Demonstrationsobjekt für eine kura­ torische These eingesetzt wurde und ›rächte‹ sich dafür, indem er sich der Museums­ logik, die für ein Kunstwerk gilt, vollkommen unterwarf. Das Format der endurance-Performance zeigt sich hier als Reaktion und Reflexi­ on der besonderen Aufführungsbedingungen in einem Museum. Das betrifft zunächst die auf Permanenz und Dauer ausgerichtete Zeitlichkeit des Museums, die Burden als lebende Skulptur sichtbar machte.142 Zugleich griff Burdens Performance (muse­ ums-)ethische Fragen auf. Die Arbeit thematisierte die Rolle des Kurators, im Wort­ sinne als ›Fürsorger‹, und des Museums in seiner mehrfachen Verantwortung gegen­ über der Kunst, seinen Besucher*innen und den Künstler*innen. Indem Burden diese Verantwortlichkeiten gegeneinander ausspielte, machte er deutlich, dass ein Museum ihnen letztlich nie vollständig gerecht werden kann. Zwischenfazit zu den Live-Performances Obwohl es sich bei allen vier Performances um Live-Veranstaltungen handelte, un­ terschieden sie sich stark in der jeweiligen Qualität körperlicher Präsenz und in ihrem Verhältnis zu den Betrachter*innen. Während Dennis Oppenheims kinetische Videoinstallation Körperlichkeit zu ihrem Thema machte, war der Künstler nur über Videoaufzeichnungen sichtbar. Laurie Anderson war hingegen physisch präsent, ließ aber ihren Körper hinter der Projektion verschwinden. Während Anderson durch den Aufbau ihrer Performance das Publikum physisch aus ihrer Vorführung aus­ schloss, hatten der Medieneinsatz und die Projektionen bei Oppenheim und Acconci einen gegenteiligen Effekt. Hier ging es darum, das Publikum räumlich in das Werk einzubeziehen. Chris Burden verzichtete auf jeglichen Medieneinsatz und gelangte dennoch – oder umso mehr – zu einem Einbezug der Betrachtenden in sein Werk. Lediglich bei Burdens Auftritt wurde der Künstlerkörper im Sinne des Ausstel­ lungskonzeptes als Kunstwerk aufgefasst. Es scheint bezeichnend, dass es Ira Licht nicht gelang, sein Live-Programm vollständig mit Positionen zu füllen, die seiner These entsprachen. Im Falle von Oppenheim und Acconci hatte das damit zu tun, dass beide der Body Art bereits den Rücken gekehrt hatten. Die Ausstellung in Chi­ cago kam insofern tatsächlich einige Jahre zu spät. Chris Burden und Laurie Ander­ son gehörten einer jüngeren Generation von Performer*innen an. Ihre Werke sind

141 O’Dell 1998, S. 2 ff. 142 Ein aufschlussreicher Text über die Zeitlichkeit von Performance im Museum ist: Happersberger, Sarah: Mouvements atemporels, espaces atemporels? In: Chevalier, Pauline/Rezzouk, Aurélie/Urrutiaguer, Daniel (Hrsg.): Le musée par la scène. Le spectacle vivant au musée. Pratiques, publics, médiations. Montpellier: Deuxième époque 2018.

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beide auf ihre Weise theatraler als die von Acconci und Oppenheim. Beide weisen dann performancehistorisch in unterschiedliche Richtungen. Laurie Anderson reprä­ sentiert einen eher theaterhaften und medienkulturell geprägten Strang, während bei Burden die körperliche Präsenz des Künstlers noch weiter in den Vordergrund rückt, wie bald darauf bei Künstler*innen wie Marina Abramovic´ und Ulay.

Bodyworks im Kontext des Kunst- und Ausstellungsdiskurses der Zeit Das MCA Chicago kündigte seine Ausstellung als absolute Neuheit an.143 Auch Ira Licht gab sich in seinem Katalogtext voraussetzungslos, wenn er auf bibliografische Verweise ebenso verzichtete, wie auf Hinweise auf frühere Body-Art-Ausstellungen. Tatsächlich konnte Licht aber auf einige Textquellen und Ausstellungsvorbilder zu­ rückgreifen. Welche das waren und wie sie die Ausstellung in Chicago direkt oder indirekt beeinflussten, soll im Folgenden gezeigt werden. Dabei sind sowohl konzep­ tionell-inhaltliche als auch ausstellungsästhetische Aspekte von Interesse. Da Texte und Ausstellungsprojekte oft eng miteinander verwoben waren, werden beide gemeinsam in chronologischer Reihung behandelt. Ein besonderes Augenmerk wird auf den Ausstellungen liegen, da diese noch kaum erforscht sind. Gemeinsam ergeben sie ein Spektrum der Möglichkeiten für Body-Art-Ausstellungen in dieser Zeit, in dem Bodyworks dann zu verorten sein wird. Da Bodyworks ein internatio­ nales Projekt war, werden auch einige europäische Beispiele zur Sprache kommen. Das Magazin Avalanche und der frühe Body-Art-Diskurs in den USA Als Begründer des Body-Art-Diskurses in den USA gilt der Autor, Künstler und Ver­ leger Willoughby Sharp. Er gründete 1970 gemeinsam mit Elizabeth Béar das Avant­ garde-Magazin Avalanche. Dieses Magazin widmete sich verschiedenen Formen konzeptueller Kunst und wurde schnell zu einem der einflussreichsten Medien für aktuelle Kunst.144 Künstlerische Innovationen, die hier präsentiert wurden, fanden international Verbreitung. Dies galt auch und insbesondere für die Body Art. Der Kunstjournalist David Bourdon bezeichnete Sharp in seiner Rolle als Herausgeber

143 Im Vorwort des Ausstellungskatalogs ist die Rede von der »first American museum exhibition devoted to a survey of the work and attitudes that have come to be known as Bodyworks.« Prokopoff, Stephen: Foreword. In: Museum of Con­ temporary Art Chicago (Hrsg.): Bodyworks. Chicago 1975, S. 3 [Original o. S.]. 144 Sharp 1970. Das Magazin wurde von Kineticism Press verlegt, einem Verlag, den Sharp gemeinsam mit dem deutschen Kunsthändler Paul Maenz gegründet hatte. Die zahlreichen Werbeanzeigen von Galerien wie Pace, Parke-Bernet, John Gibson, Paula Cooper oder der Marlborough Gallery darin belegen, dass dem Magazin großer Einfluss zugemessen wurde.

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von Avalanche bereits 1973 als »keenest observer of the new trend [Body Art], as well as its most assiduous promoter«.145 Gleich in der ersten Ausgabe von Avalanche veröffentlichte Sharp seinen weg­ weisenden Text Body Works: A Pre-critical, Non-definitive Survey of Very Recent Works Using the Human Body or Parts Thereof, mit dem er diese neue, künstle­ rische Strömung erstmals als solche benannte. Sharp konzentriert sich auf US-ameri­ kanische Künstler, darunter Vito Acconci, Dennis Oppenheim und Bruce Nauman, mit denen er auch in persönlichem Austausch stand. Er bezieht zudem einige euro­ päische Künstler mit ein, zum Beispiel Joseph Beuys und Bruce McLean. Der Text besteht im Wesentlichen aus einer Aneinanderreihung kurzer Werkbeschrei­bungen. Im Versuch, zu definieren, was die Body Works im Kern ausmacht, stellt er die These auf: »[i]n body works the body per se is not as important as what is done with the body.«146 Sharp teilt die vorgestellten Werke deshalb in funktionale Kategorien ein: der Körper als Werkzeug, als Ort, als Requisite, als Objekt oder in seiner Alltagsfunk­ tion (als Ready Made).147 Sharp etablierte mit diesem Text einige Themen, die im Zusammenhang mit der Body Art später immer wieder aufgegriffen wurden. Dazu gehören das besondere Verhältnis von Subjekt und Objekt, die Bedeutung von Sprache, Kommunikation und Sprachspielen (in Anlehnung an Ludwig Wittgenstein) oder auch der Einsatz des Körpers als Material und die dafür erforderliche rationale Distanz der Künstler*innen zu ihren Körpern. Er betont: »The artists feel no need to vent their personal emotions in their work.«148 Sharp geht auch auf das besondere Verhältnis von Körperperformance und ihrer Dokumentation ein, der er eine »strong im­ mediacy of impact« bescheinigt.149 Eine besonders interessante These, die sich wo­ möglich aus seiner Perspektive als Videokünstler ergab, ist, dass die fotografischen Dokumenta­tionen der body artists kinematografische Effekte erzeugten. Gleich, ob es sich um Einzelbilder oder Serien handle, man sei in ihrer Betrachtung stets »very conscious of a continuous process«.150 Hier zeigt sich erneut, dass die Performanz von Performancedokumentation bereits in den frühsten theoretischen Auseinander­ setzungen mit der Body Art eine Rolle spielte. Auffällig ist, dass Sharp keine einzige Künstlerin thematisiert.151 145 Bourdon, David: An Eccentric Body of Art [1973]. In: Battcock, Gregory (Hrsg.): The Art of Performance. A Critical Anthology. New York: Dutton 1984, S. 183–193, hier S. 189. 146 Sharp 1970, S. 17. 147 Ebd., passim. 148 Ebd., S. 14. 149 »The artist’s body becomes both the subject and the object of the work. […] Generally the performance is executed in the privacy of the studio. Individual works are mostly communicated to the public through the strong visual language of photographs, films, videotapes and other media, all with strong immediacy of impact.« Ebd., S. 14. 150 »Most body works presented through still photos show various views of an ongoing process and approach the effect of films. But even if a single photo is offered as the work one is still very conscious of a continuous process.« Ebd., S. 16. 151 An einem Mangel an Positionen kann es nicht gelegen haben. Mit Yayoi Kusama oder Carolee Schneemann gab es so­ gar bereits sehr bekannte Vertreterinnen einer körperzentrierten Kunst. Beide wurden später für Amelia Jones zum Ausgangspunkt einer genderzentrierten Gegendarstellung zu Sharps männlich codierten, rational-konzeptuellen Auf­ fassung der Body Art. Jones 1998, S. 1 ff.

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Es ist davon auszugehen, dass Ira Licht Sharps Aufsatz kannte. In seiner Ausstel­ lung wies auch er Künstlern wie Vito Acconci, Joseph Beuys, Bruce Nauman, Den­ nis Oppenheim oder William Wegman, wichtige Plätze zu.152 Der Ausstellungstitel selbst dürfte eine Übernahme gewesen sein. Licht eliminierte jedoch das Leerzeichen zwischen ›Body‹ und ›Works‹ und fügte durch diese minimale Transformation Körper und Kunstwerk zu einer Einheit zusammen, eine Zuspitzung der Thesen Sharps. Hatte Sharp vom Körper als Material oder als Werkzeug gesprochen und damit den künstlerischen Schaffensprozess betont, wurde bei Licht nun der Körper selbst zum Kunstobjekt und damit zum finalen Produkt künstlerischen Schaffens.153 An dieser feinen, aber doch entscheidenden Differenz offenbaren sich die unter­ schiedlichen Perspektiven beider Autoren. Sharp interessiert sich als Künstler für den Werkprozess, während für Ira Licht als Kunsthistoriker und Museumskurator das finale Werk im Vordergrund steht. Eine Gemeinsamkeit ist, dass die Frage der Dokumentation oder Mediatisierung körperbasierter Kunst für sie eine Selbstver­ ständlichkeit ist. Willoughby Sharp war auch der Initiator der ersten Body-Art-Ausstellung in den USA, die ebenfalls den Titel Body Works trug. Sharp konzipierte das Projekt etwa zeitgleich mit dem Erscheinen seines Aufsatzes, also fünf Jahre vor Bodyworks in Chicago. Aus einer Rezension von Jerome Tarshis im Artforum geht hervor, dass die Ausstellung ursprünglich als Wanderausstellung angedacht war, allerdings wurde sie in den USA letztlich nur ein einziges Mal gezeigt, am 18. Oktober 1970 im Museum of Conceptual Art (MOCA) in San Francisco (Abb. 2.23).154 Ein Flyer kündigte Wer­ ke von Vito Acconci, Terry Fox, Keith Sonnier, Bruce Nauman, Dennis Oppenheim und William Wegman an (Abb. 2.24). Aus der genannten Rezension geht hervor, dass die Ausstellung aus einer Reihe Videos bestand, die auf einem Fernseher in einer Kneipe namens Breen’s Bar gezeigt wurden: With its convenient location, its chic, and its television set over the bar, Breen’s seemed an ideal place for Sharp’s videotape event. The owner is a friend of MOCA, and so one Sunday night, when it would normally be closed, it was reopened and drew a capacity crowd of conceptual artists, assorted hairy freaks, and expensively dressed art-lovers.155

152 Nicht aufgenommen wurden in Chicago: Keith Sonnier, Dan Graham, Bruce McLean und Larry Smith. Eine Teilnahme von Terry Fox war zumindest geplant. Vgl. Anm 160. 153 Sharp 1970, S. 17. 154 Body Works wird in dieser Rezension als »touring exhibition« bezeichnet und es ist die Rede davon, dass die Weltpre­ miere in Südamerika stattgefunden hätte. Tarshis, Jerome: San Francisco. In: Artforum, 9. Jg. 1971, H. 6, S. 85–87, hier S. 85. Eine Annonce für die Ausstellung Body Works in Avalanche nennt das Projekt in San Francisco als Premiere und bietet es als Tour an: »The exhibition is being circulated free of charge through Kineticism Press«. Avalanche, 1971, Winter. Anzeigenteil, o. S.  155 Tarshis 1971, S. 85.

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Die Neugierde auf die neue Kunst war offenbar groß, doch wurde der Abend von ei­ nigen Pannen und Missverständnissen begleitet. Der Beitrag von William Wegman konnte aus technischen Gründen nicht gezeigt werden und die Länge der Videos strapazierte die Geduld der Gäste dermaßen, dass Bruce Nauman’s Walk with Con­ trapposto (1968) zehn Minuten vor Ende abgebrochen wurde – »to avoid driving everyone out.»156 Tarshis schlussfolgert ironisch: This work can be fun to read and talk about, but hell to sit through. In explain­ ing Nauman’s piece to the laity, Oppenheim said, ›In the future time will be accepted as an extender, just as turpentine is now.‹ A terrible threat.157 Es ließe sich darüber streiten, ob dies nun eine Museumsausstellung war oder nicht. Nicht nur wegen der Kürze und dem informellen Rahmen, sondern auch, da das MOCA nur nominell ein Museum war. In Wirklichkeit handelte es sich um einen al­ ternativen Ausstellungsraum, dessen Leiter und Initiator, Tom Marioni, selbst Künst­ ler ist und zu den Pionieren der Performancekunst und Body Art in Kalifornien zählt.158 Unabhängig davon, wie diese Bewertung ausfällt, wird im direkten Vergleich der museale Charakter der Ausstellung in Chicago noch einmal besonders deutlich. Hier ein Abend in einer schummrigen Bar, in der sich Künstler*innen und ihre Freund*innen trafen, Bier tranken, aßen, rauchten und sich unterhielten, während auf einem Monitor einige Videos liefen, dort der klimatisierte und hell erleuchtete white cube, mit Werken hinter Glas, geregelten Öffnungszeiten und den üblichen musealen Normen und Verhaltensregeln. In den Ausstellungsakten in Chicago finden sich keine Hinweise auf einen direk­ ten Austausch zwischen Ira Licht und Willoughby Sharp. Auffällig ist jedoch, dass Lichts Konzept nicht nur alle Künstler aus Sharps Ausstellungsprojekt einbezog, sondern zum Großteil auch dieselben Werke.159 Der im Ausstellungsensemble von Bodyworks etwas in die Ecke gedrängte Monitor, auf dem die Videotapes gezeigt wurden, erscheint in diesem Zusammenhang wie eine lose Reminiszenz an das Projekt in San Francisco. Dass Licht über das Projekt im MOCA informiert war, beweist ein entsprechender Flyer in den Ausstellungsakten. Er wurde ihm vermutlich von Tom Marioni zugeschickt, der Licht mit Informationen zu kalifornischen Perfor-

156 Ebd., S. 85. Die Videoarbeiten in der Ausstellung waren: Terry Fox: Tonguings (1970); Vito Acconci: Corrections (1970); Keith Sonnier: Painted Foot: Black Light (1970); Bruce Nauman: Walk with Contrapposto (1968) und Dennis Oppenheim: Toward Becoming a Devil (1970) und Preliminary Test for 65’ Vertical Penetration (1970). Laut Mario­ ni waren etwa fünfzig Personen anwesend, vornehmlich andere Künstler*innen, die in der Bar aßen und tranken, wäh­ rend auf dem Fernseher der Bar die jeweils etwa halbstündigen Videos liefen. E-Mail [03.11.2018]: Tom Marioni an Lisa Beißwanger. A-A. 157 Tarshis 1970, S. 85. 158 Marioni war ein wichtiger Kontakt für Sharp in Kalifornien. Er war außerdem Kurator am Richmond Art Center, wo er unter anderem Performanceprojekte mit Terry Fox realisierte. 159 Mit Ausnahme von Terry Fox, der wegen eines Streits seine Teilnahme an der Ausstellung in Chicago verweigerte. Fox fühlte sich bei der Werkauswahl übergangen und zog sich deshalb aus dem Projekt zurück. Korrespondenz: Ira Licht und Terry Fox, A-MCA E, 1975.

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mer*innen versorgte und der in einem Brief anbot, im Rahmen der Ausstellung in Chicago einen Vortrag zu halten.160 Dazu kam es allerdings nicht. Eine weitere Verbindung zwischen den Aktivitäten Sharps und Bodyworks, nun auf ästhetischer Ebene, lässt sich über einen Seitenblick auf das Konzept von Avalanche herstellen. Das Magazin war stark vom kritischen Geist der Post-Minimal Art und des out-of-the-institution-movement geprägt.161 Seine Herausgeber*innen wollten kein Forum für ›abgehobene‹ Kunstkritik sein – wie es in ihren Augen das etablierte Artforum war – sondern eine Plattform für ›rohe‹ künstlerische Ideen. Sie ließen deshalb nach Möglichkeit die Künstler*innen selbst in Texten oder Interviews zu Wort kommen. Auch sollten die Künstler*innen die Präsentation ihrer Arbeiten möglichst selbst ›kuratieren‹.162 Die Kunsthistorikerin Gwen Allen vergleicht das Magazin deshalb mit einem alternativen Ausstellungsraum.163 Viele der im Magazin vorgestellten Künstler*innen arbeiteten prozessual oder performativ und hielten ihre Arbeiten fotografisch, filmisch oder per Video fest. Daraus ergaben sich mitunter umfangreiche Bildstrecken – stets in Schwarz-Weiß –, die das Layout der Publikation bestimmten. Die Herausgeber*innen erinnern sich später: [E]ach artist’s section was individually designed. Avalanche featured lavish photo spreads (sometimes 16 pages long) and a cinematic approach to lay-out [sic] through the use of multiple angles, serial images, close-ups and photo­ graphic sequences, […] Some sections are the print equivalent of documentary film. Of course, this process oriented approach to image and text was dictated by the work itself, much of which existed in photographic form to begin with. The fact that the reader was holding a 3-dimensional object and moving through its pages in time was built into Avalanche’s design principles.164 Trotz seines experimentellen Ansatzes ließ Avalanche nichts von der intermedialen Experimentierfreude früherer Künstler*innen-Magazine erkennen, beispielsweise der collagenhaften Ästhetik der Fluxus-Publikationen von George Maciunas, deren Ästhetik an Dada-Collagen angelehnt war. Die äußere Form von Avalanche wirkt dagegen clean und professionell. Das quadratische Format war vom Magazin Art­

160 Brief [10.02.1975]: Tom Marioni an Ira Licht. A-MCA E, 1975, Bodyworks. Licht notierte auf einem Papier die Namen Linda Montano, Stephen Laub, Terry Fox und Chris Burden. Internes Dokument: Konzeptpapier, Namensliste. A-MCA E, 1975, Bodyworks. 161 Ein sehr guter Einblick in das Konzept des Magazins in: Béar Liza/Sharp Willoughby: The Early History of Avalanche 1996–2005. Online-Publikation. https://web.archive.org/web/20200925015154/https://primaryinformation.org/pro duct/liza-bear-and-willoughby-sharp/ (Zugriff: 25.09.2020). 162 Vgl. Allen, Gwen: Artists’ Magazines. An Alternative Space for Art. Cambridge: MIT 2011, S. 97. 163 Ebd., S. 101. Kathy O’Dell verweist auf das haptische Erlebnis beim Blättern in solchen Magazinen und dessen Bedeu­ tung für die Rezeption von Body-Art-Fotografien: »Photographs such as these were not, at least initially, fabricated as art objects to be exhibited in galleries or museums where prohibitions on touching apply. Rather, they were meant to be handled as much as they were viewed.« O’Dell, Kathy: Displacing the Haptic. Performance Art, the Photographic Doc­ ument, and the 1970s [1997]. In: Warr/Jones 2000, S. 215. 164 Béar/Sharp 1996–2005, S. 7.

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forum inspiriert und das Layout folgte einer strengen Ordnung. Die Abbildungen und Bildstrecken waren konsequent durchgestaltet. Bilder wurden meist randab­ fallend gesetzt, oder mit einem schmalen weißen Rand versehen. In Kombination mit Text wurden sie auf Spaltenbreite gebracht. Gwen Allen bemerkt angesichts die­ ser Ordnung eine Diskrepanz zwischen Form und avantgardistischem Inhalt: Printed on glossy, high-quality paper, the upstart had a solidity to it and even a degree of polish that stood in contrast to—almost contradicted—the pro­ cess-oriented, unfinished quality of so much of the art it documented […] It gave the offhand snapshots of performances and installations or video stills a sudden feeling of legitimacy, made their haphazard cropping and accidental blurring seem intentional, even stylized, once they were neatly framed by a bright white border and surrounded by immaculate lines of Univers font. […] according to Béar, Avalanche »was intended to last«.165 All das ist relevant, da sich mit der Gestaltung von Avalanche vor Augen, die von Laurie Anderson und anderen beobachtete Diskrepanz zwischen den transgressiven Körperarbeiten und der nüchternen Ästhetik der Chicagoer Ausstellung besser fas­ sen lässt. Im Vergleich weisen die Ausstellungsansichten nämlich eine dem Magazin frappierend ähnliche Ästhetik auf. Auch hier standen die fotografischen Bilder im Vordergrund, die in ihren randlosen Rahmen und in ihrer seriellen Hängung auf weißem Grund als primary information zu den präsentierten Körperarbeiten ein­ gesetzt wurden. Ähnliche Überschneidungen gibt es beim Layout des Ausstellungs­ katalogs, der mit seinem quadratischen Format und der serifenlosen Schrift stark an das Avantgarde-Magazin erinnert (Abb. 2.25–2.26).166 An dieser Stelle ist noch einmal zu betonen, dass das Layout von Avalanche auf die Initiative von Künstler*innen zurückzuführen ist. Unabhängig davon, wie direkt Ira Licht sich von dem Magazin inspirieren ließ, belegt der Seitenblick auf das Maga­ zin, dass die nüchterne Ästhetik und das Primat fotografischer Serien in der Ausstel­ lung den Ansprüchen der Künstler*innen selbst entsprach. Der ›klinische‹ Eindruck von Bodyworks lässt sich folglich nicht allein auf den musealen Umgang mit den Werken zurückführen, sondern war in den dort gezeigten Werken bereits angelegt. Ein wesentlicher Unterschied zwischen den Texten von Sharp und Licht ist der Grad der Kontextualisierung, den beide für ihren Gegenstand wählen. Im Gegensatz zu Sharp bemühte sich Licht, die Bodyworks kunsthistorisch herzuleiten und ihnen einen interpretatorischen Rahmen zu geben.167 Ein mögliches Vorbild für seine kunsthistorische und kulturtheoretische Einordnung der Body Art könnte ein Text der US-amerikanischen Kunsthistorikerin Cindy Nemser gewesen sein, der 1971 un­

165 Allen 2011, S. 101. 166 Die Gestaltung des Ausstellungskatalogs übernahm Eugene Feldman. Das Format von Avalanche wurde 1974 aus finanziellen Gründen verändert. Béar/Sharp 1996–2005, S. 3. 167 Sharp erwähnt lediglich Marcel Duchamp als Vorreiter für die Idee des Körpers als Ready Made. Sharp 1970, S. 16.

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ter dem Titel Subject-Object Body Art im Arts Magazine erschien.168 Nemser geht darin von ähnlichen Positionen aus, wie vor ihr Willoughby Sharp, darunter Vito Acconci, Dennis Oppenheim oder Terry Fox. Als eine der ersten Autor*innen er­ wähnt sie auch Chris Burden, hier noch zu einem Zeitpunkt, bevor er sich mit der Arbeit Shoot als Skandalkünstler einen Namen machte.169 Für ihre kunsthistorische Herleitung der Body Art setzt Nemser in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts an. Sie nennt Marcel Duchamp als ›Vaterfigur‹ und ver­ weist auf genau die beiden Fotografien von Man Ray, die Licht in seiner Ausstellung zeigte. Nemser verweist darüber hinaus auf die Rolle von Jackson Pollock für die Herausbildung performativer Kunst und auf Allan Kaprows Happenings.170 Sie schlägt dann einen Bogen zur Gutai-Gruppe in Japan und schließlich zu US-ameri­ kanischen Minimal-Künstlern wie Donald Judd und Robert Morris, bis sie bei Bruce Naumans Hommage an Duchamp (Fountain, s. o.) angelangt.171 Licht geht in seinem Text weniger in die Breite und greift dafür historisch weiter zurück. Seine Genealogie der Body Art beginnt bereits im 19. Jahrhundert. The cult of self in art may be said to have begun with Courbet […] the Roman­ tic [sic] idea of the artist as an extraordinary being—genious, rebel and proph­ et—has descended through Baudelaire, Nietzsche, Gauguin and Van Gogh to Pollock and Beuys.172 Licht nimmt dann eine Parallelführung der Herausbildung des modernen Kunst­ begriffs und des modernen (implizit männlichen) Künstlersubjekts vor, die mit dem zunehmenden Autoritätsverlust von Adel und Klerus an Bedeutung gewannen. Auch Licht leitet dann über Marcel Duchamp, Robert Morris und Andy Warhol – schließ­ lich geht es um Narzissmus – in den USA, beziehungsweise Yves Klein und Piero Manzoni in Europa, zu den Positionen der 1970er-Jahre über. Einen zweiten Ent­ wicklungsstrang benennt er, ähnlich wie Nemser, mit Jackson Pollock und Allan Kaprow. Licht versucht zu zeigen, wie sich Künstler*innen und Kunstwerk im Kon­ text dieser Entwicklungen immer weiter annäherten, bis sie schließlich in der Body Art vollends zusammenfielen.173 Er fasst die Body Art damit als Kulminationspunkt der Entwicklung der modernen Kunst auf, nicht zuletzt, um damit ihre kunsthistori­ sche Bedeutung unter Beweis zu stellen.

168 Nemser, Cindy: Subject-Object Body Art. In: Arts Magazine, 46. Jg. 1971, H. 1, S. 38–42. Nemser nutzt nun den Begriff ›Body Art‹. Mit dem Interesse am Verhältnis von Subjekt und Objekt in der Body Art nimmt sie Überlegungen der spä­ ter entstandenen feministischen Literatur vorweg. Interessant ist, dass auch sie keine weiblichen Positionen in ihre Überlegungen einbezieht. Erst ein Jahr später gründete sie das Feminist Art Journal und machte sich einen Namen als feministische Kunsthistorikerin. 169 Weitere Künstler, die sie behandelt, sind: Dan Graham, Barry LeVa, Bruce Nauman und William Wegman. 170 Nemser 1971, S. 39. Yves Klein erwähnt sie im Gegensatz zu Licht nicht. 171 Ebd. 172 Licht 1975, S. 6 173 Es ist diese Herleitung und dieser enge Bezug der Body Art zum modernen (männlichen) Künstlersubjekt, gegen den Amelia Jones später anschreibt. Jones 1998.

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Nemser verweist mit ihrem Text auf einige interdisziplinäre Interpretationsan­ sätze für die Body Art, darunter die Phänomenologie Maurice Merleau-Pontys sowie Positionen der Anthropologie und Psychologie.174 Als zentrale Referenz bezieht sie sich auf den US-amerikanischen Anthropologen Edward Hall, von dessen gesell­ schaftsanalytischem Werk The Hidden Dimension insbesondere Vito Acconci stark beeinflusst war.175 Bei Licht treten solche akademisch-theoretischen Verweise auch, aber nur am Rande auf. Er beschränkt sich auf den Hinweis, dass Persönlichkeiten wie Erving Goffman oder R. D. Laing, Mitbegründer der antipsychiatrischen Bewe­ gung, die Künstler*innen der Ausstellung inspiriert hätten.176 Eine deutliche Überschneidung zwischen den Texten von Nemser und Licht findet sich dann dort, wo es um die gesellschaftliche Relevanz der Body Art geht. Nemser argumentiert: Body artists are functioning at a higher level of rationality than the rest of us since they make coherently structured images out of our fragmented alienated society. […] Right now, the body artists, openly alternating between states of intense body sensation and extreme cerebral detachment, are attempting to give us a message about the frightening and dangerous aspects of our own society. As a simultaneous re-creation and mirror of the chaotic structure of contemporary Western culture.177 Licht betont in ähnlicher Manier den Glauben an einen besonderen Zugang des Künstler*innensubjekts zu verborgenen Schichten des Seins: We believe that the artist has something to tell us, something that we do not know or cannot express, and that we can learn also from his anguish and alie­ nation, from that deeper self with which only the creative are in touch.178 Im letzten Abschnitt des Katalogtextes, der teilweise mit dem oben zitierten Einfüh­ rungstext zur Ausstellung identisch ist, geht er dann auch auf die gesellschaftliche Relevanz der Body Art ein. Im Vergleich zu Nemser, die nur vage von »frightening and dangerous aspects« spricht, wird er sehr konkret: Bodyworks is significantly a product of a larger intellectual and social context as well, it is a result of the same sensibilities and attitudes that account for the acceptance of public relations packaged demagogues and the popularity of grotesque and sexually ambiguous performers such as Alice Cooper. […] Body

174 Sie zitiert unter anderem Claude Lévy-Strauss und James J. Gibson und bezieht sich auf R. D. Laing. Nemser 1971, passim. 175 Darin geht es verkürzt um kulturspezifisch variierende räumliche Distanzzonen, die das soziale Leben prägen. Hall, Edward T.: The Hidden Dimension [1966]. Nachdr. New York: Anchor 1990. 176 »Bodyworks already reflects the thinking and strategies of Norman O. Brown, R.D. Laing and Erving Goffman.« Licht 1975, S. 10. 177 Nemser 1971, S. 42. Sie bezieht sich hier auf eine entsprechende These Edward Halls. 178 Licht 1975, S. 6.

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artists confront us with our neurotic needs and pathologic behavior in an artistically controlled and ritualized manner. It may be occasionally repellent but the need for it exists, and it is aesthetically stimulating, vigorous and mag­ netic.179 Auch Licht fasste also die Werke der Body Art als Spiegel einer modernen west­lichen (hier implizit: US-amerikanischen) Gesellschaft auf und auch er spricht der Kunst­ form ein kathartisches Moment zu. Mit dem Bezug auf Alltags- und populärkulturel­ le Phänomene gibt er seinem Text dabei einen populärwissenschaftlichen Anstrich. Der Text von Nemser zeigt nicht zuletzt, dass sich bereits früh ein kunsthisto­ risch-theoretischer Diskurs um die Body Art herausbildete. Viele der dort bemühten theoretischen Referenzen wurden von den Künstler*innen selbst in den Diskurs ein­ gebracht. Diese Tatsache sowie der hohe Abstraktionsgrad, den die Überlegungen zu Kunst und Leben in der Body Art erreichten, zeugen von der durch und durch akademischen Prägung dieser Gattung. Lichts Text zeigt, dass er die Referenzen des zeitgenössischen Body-Art-Diskurses kannte und reflektierte. Im Gegensatz zu Sharp oder Nemser schrieb er jedoch nicht für ein spezialisiertes Publikum. Als Ku­ rator in einem öffentlichen Museum musste er seine Ausstellung auch einer breiteren Öffentlichkeit plausibel machen. Er spitzte deshalb solche Thesen zu, die einen ge­ sellschaftlichen Nutzen sowie eine kunsthistorische Bedeutung des Phänomens un­ terstreichen und reduzierte die theoretische Komplexität zugunsten einer engeren Anbindung an Populärkultur und die alltägliche Lebenswelt seines Publikums. Body-Art-Ausstellungen in Europa In Europa waren frühe Formen der Body Art bereits in den mittleren 1960er-Jahren präsent. Ein theoretischer Diskurs entwickelte sich aber auch hier erst zu Beginn der 1970er-Jahre.180 Dieser konzentrierte sich, ähnlich wie in den USA, zunächst auf Avantgarde-nahe Kunstmagazine, wobei das Spektrum an Autor*innen und Publi­ kationen in Europa wesentlich breiter war.181 Auch die Präsenz von Body Art in Aus­ stellungen war in Europa von Beginn an stärker als in den USA. 1972 wurden auf der von Harald Szeemann kuratierten documenta 5 einige, heute kanonische Positionen der Body Art dem internationalen Publikum vorgestellt. Sie waren allerdings nicht unter selbigem Begriff zusammengefasst, sondern bildeten unter der Überschrift Selbstdarstellung eine Sektion des Ausstellungsbereichs Indi-

179 Ebd., S. 10. 180 Eine der ersten Publikationen war das Bildkompendium Wiener Aktionismus und Film, das VALIE EXPORT und Peter Weibel 1970 herausgaben (erschienen im Kohlkunstverlag, Frankfurt/M). Ein früher Text über den Körper als Material ist: Weibel, Peter: 7 Sektionen zu Otto Mühls Materialaktionen. In: Diskus, 1966, H. 4, S. 15. Ein frühes inter­ national orientiertes Kompendium (nicht nur der Body Art) ist: Kultermann, Udo: Leben und Kunst. Zur Funktion der Intermedia. Tübingen: Ernst Wasmuth 1970. 181 Wichtig waren hier die Magazine interfunktionen in Deutschland, Flash Art in Italien, Studio International in Großbri­ tannien und arTitudes (international) in Frankreich. Vgl. Mokhtari, Sylvie: Avalanche - arTitudes - Interfunktionen: 1968–1977. Trois trajectoires critiques au cœur des revues. Diss. Rennes 2000. S. auch Anm. 5.

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viduelle Mythologien.182 Über die Hälfte der drei Jahre später in Chicago gezeigten Künstler (ausschließlich männlich) waren dort vertreten, darunter Vito Acconci, Joseph Beuys, Gilbert & George, Dennis Oppenheim, Bruce Nauman, Klaus Rinke und die Wiener Aktionisten.183 Wegweisend war die Art und Weise, wie Harald Szee­ mann die genannte Sektion strukturierte. Sie bestand sowohl aus Live-Performances als auch aus Dia-, Film- und Videopräsentationen. Einige Künstler, darunter Vito Acconci, Joseph Beuys, Terry Fox, Klaus Rinke und Ben Vautier, waren in beiden Kategorien präsent. Hier zeichnete sich der Ansatz einer Teilung von Performance­ ausstellungen in zwei separate und doch zusammengehörige Teile ab, der dann auch in Chicago gewählt wurde.184 Die erste umfangreichere Ausstellung, die sich Body Art als einer eigenen künst­ lerischen Strömung widmete, fand 1973 unter dem Titel Körpersprache/Bodylanguage in Graz statt.185 Zur Ausstellung erschien ein großformatiger Katalog, der eine Sondernummer des Avantgardemagazins pfirsich war.186 Sie war Teil des Festivals steirischer herbst und ursprünglich als ethnografische Ausstellung über »religiöse Körperhaltungen« geplant, die im Grazer Dom gezeigt werden sollte.187 Auf Betrei­ ben von Arnulf Rainer wurde das Projekt um künstlerische Positionen erweitert und in einem eigens dafür errichteten Festzelt im Grazer Volksgarten präsentiert.188 Die Grazer Ausstellung war in Größe und Umfang in etwa mit Bodyworks in Chi­ cago vergleichbar.189 Ihre Grundstruktur war ähnlich angelegt: Sie umfasste eine sta­ tische Ausstellung und ein umfangreiches Film-, Video- und Live-Programm.190 Auch bei den gezeigten Positionen gab es Überschneidungen, namentlich bei Vito Acconci, Günter Brus, Bruce Nauman, Arnulf Rainer, Klaus Rinke und Lucas Samaras. Zah­ lenmäßig überwogen in Graz allerdings die europäischen Positionen, die alle aus dem deutschsprachigen Raum stammten.191 Erstmals in einer Body-Art-Ausstellung wurden in Graz mit VALIE EXPORT, Friederike Pezold, Trisha Brown und Bella

182 Vgl. Katalog: documenta GmbH (Hrsg.): documenta 5. Befragung der Realität, Bildwelten heute. Ausst. Kat. Kassel, Fridericianum u. a., Kassel 1972, Loseblattsammlung. 183 Die Übereinstimmungen waren: Vito Acconci, Marcel Duchamp, Joseph Beuys, Günter Brus, Gilbert & George, Bruce Nauman, Dennis Oppenheim, Arnulf Rainer, Klaus Rinke, Lucas Samaras, Rudolf Schwarzkogler, Ben Vautier und William Wegman. 184 Harald Szeemann hatte dieses Konzept bereits 1970 für seine Ausstellung Happening & Fluxus im Kölner Kunstverein erprobt. Hier gab es künstlerische Einzelbeiträge, eine Dokumentationsstraße und ein dreitägiges Festival. Zum Projekt erschien ein Katalog mit Materialien: Sohm, Hans/Kölnischer Kunstverein (Hrsg.): happening & fluxus. Materialien [Zur gleichnamigen Ausstellung im Kölnischen Kunstverein]. Köln: o.V. 1970. 185 Körpersprache/Bodylanguage, 08.10.–22.10.1973, steirischer herbst, Graz. Das Projekt war ein Kooperationsprojekt des Festivals mit der Künstlergruppe Pool. 186 Haberl, Horst G. (Hrsg.): Körpersprache/Bodylanguage. (pfirsich 9/10, Sonderausg.). Ausst. Kat. Graz, steirischer herbst. Graz 1973. 187 Haberl [Motivation einer Ausstellung] 1973, S. 2–5 [Original o. S.]. 188 Vgl. Haberl [Körpersprache] 1973, S. 1 [Original o. S.]. 189 Ausstellungsfläche in Chicago: etwa 400 m2, in Graz: 336 m2. Vgl. Haberl [Körpersprache] 1973, S. 1 [Original o. S.]. 190 Im Katalog werden Auftritte von Arnulf Rainer, Friederike Pezold, VALIE EXPORT und Bella Lewitzky genannt. Ebd. 191 Alle Künstler*innen der Ausstellung: Vito Acconci, Günter Brus, Trisha Brown, Bella Lewitzky*, Jörg Mayr, Otto Muehl, Bruce Nauman, Arnulf Rainer*, Klaus Rinke, Lucas Samaras, VALIE EXPORT*, Karl Neubacher und Friede­ rike Pezold*. Historische Künstler: Franz Xaver Messerschmidt und Egon Schiele. * = Live-Performance.

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Lewitzky einige Künstlerinnen integriert. Pezold und Lewitzky performten auch im Live-Programm. Bemerkenswert ist, dass mit Trisha Brown und Bella Lewitzky zwei US-amerikanische Tänzerinnen einbezogen wurden. Zwei weitere konzeptionelle Besonderheiten der Grazer Ausstellung fallen ins Auge: Erstens wurde in Graz kaum kunsthistorischer Kontext angeboten. Eine Aus­ nahme bildeten die sogenannten Charakterköpfe des Barockbildhauers Franz Xaver Messerschmidt sowie die Posenfotos von Egon Schiele, die Thema eines bebilderten Katalogaufsatzes waren.192 Zweitens griff die Ausstellung weit über die Grenzen der Kunst hinaus. Im Katalog sind neben einem einführenden Text über den Zusammen­ hang von Körper, Sprache und Kommunikation auch Texte über Yoga, Trance und Ritual enthalten.193 Zwei weitere Texte befassen sich mit Psychosen und Travestie. Arnulf Rainer spricht sich in ersterem für eine »Neubewertung der vielen schöpfer­ ischen Einfälle mancher Psychotiker« als Kunst aus.194 Der Kunst­historiker Peter Gorsen hingegen schreibt über Travestie als eine subkulturelle Körperkunst, »die  den deter Realität annul­ behaupteten Unterschied von fiktiver Abbildung und abgebil­ 195 liert«. Die Katalogtexte sind gespickt mit Bildern von Körpern in mitunter skur­ rilen Posen, darunter historische Fotografien von Psychia­trie­patient*innen, Bilder indischer Yogis oder auch ethnografische Fotografien von Ritualen und Körperbema­ lungen aus so diversen kulturellen Kontexten wie den Salo­moninseln, der Elfen­ beinküste und Feuerland. Es zeichnet sich damit ein geradezu universalistisch zu nennender Pluralismus ab, der menschliche Kommunikation in seiner Gesamtheit zu fassen suchte und sich dabei besonders auf Extrem- und Grenzphänomene kon­ zentriert. Die Rückgriffe auf Themenbereiche der Psycho­analyse und der (anthropo­ vistischen Ansatz, der aus logischen) Ritualforschung verweisen auf einen primiti­ heutiger Sicht sicher kritisch zu betrachten wäre und Stoff für eine eigene Unter­ suchung böte. Für die vorliegende Auseinandersetzung ist entscheidend, dass hier eine demonstrative Gleichsetzung der genannten Lebensphänomene mit künstler­ ischen Positionen der Body Art stattfand. Fotografien der Ausstellung aus dem Archiv des steirischen herbst vermitteln einen improvisierten Eindruck (Abb. 2.27–2.28).196 Mangels solider Wände waren die Exponate in Reihen an durchsichtigen Schnüren vom Metallgerüst des Zeltes abgehängt. Die Besucher*innen gingen zwischen den Bildern wie in einer Art Labyrinth umher. Da das Zelt keinen Fußboden hatte, bewegten sie sich über den 192 Breicha, Otto: Zu den Posenfotos Schieles und einiges sonst noch. In: Haberl [Körpersprache] 1973, S. 25–27 [Original o. S.]. 193 Kern, Hermann: Religiös motivierte Körperphänomene. Yoga Mudra Trance Ritual. In: Haberl [Körpersprache] 1973, S. 6–13 [Original o. S.]. 194 Rainer, Arnulf: Psychose und Körpersprache. In: Haberl [Körpersprache] 1973, S. 14–17 [Original o. S.]. 195 »Es kann in vielen Fällen von einer ›Körperkunst‹ der Transvestiten […] gesprochen werden, die den behaupteten Un­ terschied von fiktiver Abbildung und abgebildeter Realität annulliert. Die Authentizität der transvestitischen Körper­ sprache ist nicht einfach in Schein und Wirklichkeit, arbeitsteilige Bereiche von künstlerischer Gestaltung und Wirk­ lichkeitsprotokoll zu trennen.« Gorsen, Peter: Körperrituale der Travestie und des Transvestismus. In: Haberl [Körper­ sprache] 1973, S. 28–33, hier S. 28 [Original o. S.]. 196 Mein Dank gilt Martin Ladinig vom Archiv des steirischen herbst für die Bereitstellung der Bilder.

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Asphalt des Volksgartens. Im Zentrum der Ausstellung wurden die Charakterköpfe von Messerschmidt auf weißen Sockeln präsentiert.197 Fotografische Serien, zum Beispiel von Arnulf Rainer oder Klaus Rinke – dieselben Arbeiten wie in Chicago – wurden in großen Glasrahmen zu Tableaus zusammengefasst. In diese Hängung wur­ den zusätzlich große Schautafeln integriert, auf die Druckfahnen des Katalogs sowie groß aufgezogene Einzelbilder aus dem Katalog appliziert waren. Der Ausstellungs­ katalog wurde damit zum Exponat und zum illustrierten Wandtext. Künstler­ische und nicht-künstlerische Bilder vermischten sich fast bis zur Ununterscheidbarkeit. Als Themen- und Thesenausstellung befasste sich Körpersprache/Bodylanguage mit dem menschlichen Körper als Kommunikationsmedium. Ihr universalistischer Ansatz bezog die verschiedensten kulturellen Kontexte sowie künstlerische und nicht-künstlerische Bilder aufeinander. Die Kunst wurde zum menschlichen Verhal­ tensmuster erklärt und umgekehrt, menschliche Verhaltensmuster zur Kunst, sodass die ästhetische Distanz zwischen Kunst und Leben beinahe aufgehoben war. Diese Negation der ästhetischen Grenze spiegelt sich sowohl im Katalog als auch in der unkonventionellen Präsentation der Ausstellung. Kunsthistorisch ist dieses Projekt, das legt bereits Arnulf Rainers Beteiligung nahe, im Zusammenhang mit den Themen und Anliegen der österreichischen Nach­ kriegsavantgarde zu sehen. Ähnlich wie Brus’ Zerreißprobe offenbart die vielfältige Beschäftigung mit Psychosen, Psychoanalyse und Ritualen in außereuropäischen Kulturen einen künstlerischen Primitivismus und eine Suche nach Authentizität. Die Aufwertung jedweden von der Norm abweichenden Verhaltens zur Kunst propagier­ te dabei eine Zerschlagung überkommener gesellschaftlicher Normvorstellungen, deren Gefahren die grausame Politik gesellschaftlicher Normierung im National­ sozialismus offengelegt hatte und die es in den Augen der Künstler*innen zu über­ winden galt.198 Ira Licht ging mit seiner Ausstellung den entgegengesetzten Weg. Sein Konzept erklärte nicht das Leben zur Kunst, sondern betonte vielmehr eine Spiegelfunktion der Kunst für das Leben. Einen Übertrag zwischen beiden Sphären stellte Licht dann erst in Bezug auf das Publikum her, indem er auf die performative/kathartische Wirkung der Werke verwies. Licht konzentrierte sich ausschließlich auf künstlerische Positionen. Auch in sei­ ner historischen Herleitung schloss er alle nicht-künstlerischen Bezugspunkte kate­ gorisch aus. So fasste er beispielsweise das Phänomen der Travestie implizit als ein künstlerisches Verkleidungs- und Rollenspiel auf und nicht als Aushandlung von Geschlechteridentitäten.199 Anstelle der Auseinandersetzung mit Krankheit und Psy­

197 Dies geht aus weiteren Fotografien im Archiv des steirischen herbst hervor, die hier nicht abgebildet wurden. 198 Vgl. Badura-Triska, Eva: Zur politischen Situation im Österreich der Nachkriegszeit und ihrem historischen Hinter­ grund. In: Badura-Triska/Klocker 2012, S. 12. 199 »Samaras, Urs Lüthi and Eleanor Antin investigate disguise and androgynous identity«. Pressemitteilung [27.02.1975]: MCA Chicago: Bodyworks, 1975. A-MCA E, 1975 Bodyworks.

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chosen verweist er auf die Neurosen des modernen Subjekts sowie auf Entfremdung, Starkult, Individualismus und die Suche nach Iden­tität: We require superstars, gurus and personalities. We join groups in order to en­ counter each other and find ourselves: our trust in astrologers and cults demon­ strates a lack of faith in our own individuality. Dehumanized, we seek out and celebrate assertive personalities interestingly presented. Body artists confront us with our neurotic needs and pathologic behavior in an artistically cont­ rolled and ritualized manner.200 Indem er auf diese Phänomene und Symptome einer spätkapitalistischen Gesell­ schaft verweist, verortet er sich im kulturellen und soziopolitischen Kontext der Vereinigten Staaten. 1974 erschien die erste Buchpublikation über Body Art unter dem Titel Il corpo come linguaggio (La »Body-art« e storie simili) auf Italienisch und Englisch. Auto­ rin und Herausgeberin war die italienische Kunsthistorikerin Lea Vergine. Das Buch enthält einen einführenden Text und ist ansonsten eine ausladende Materialsamm­ lung. Über 60 internationale Künstler*innen sind darin vertreten.201 In alphabe­ tischer Reihenfolge wird pro Künstler*in ein Werk vorgestellt, meist mit einer Abbil­ dung und einer Kurzbeschreibung, die oft von den Künstler*innen selbst stammt. Insofern kann hier, ähnlich wie bei Avalanche, von einer Ausstellung in Buchform die Rede sein. Vergines Publikation war ein unmittelbarer internationaler Erfolg. Ihr Erscheinen könnte sogar ein Impuls für Ira Lichts Ausstellungsprojekt gewesen sein. Ein Hin­ weis darauf wären die zahlreichen Übereinstimmungen zwischen seiner Werkaus­ wahl und den im Buch vorgestellten Positionen. Diese betreffen Werke von Ben Vau­ tier, Urs Lüthi – dessen Porträt das Buchcover der Originalausgabe ziert – Arnulf Rainer, Klaus Rinke, Rudolf Schwarzkogler und Lucas Samaras. Vergines Vorwort ist mit jeweils ganzseitigen Abbildungen der beiden schon mehrfach genann­ten Porträts von Marcel Duchamp illustriert sowie von Yves Kleins Sprung in die Leere (1960). Ebenso abgebildet ist dort Bruce Naumans Selfportrait as a Fountain und ein Autopolaroid von Lucas Samaras.202 Eine Abbildung von Egon Schiele und der Begriff ›Körpersprache‹ im Buchtitel verweisen hingegen auf die Grazer Ausstellung zu­ rück.203 Vergine unternahm die bis dato umfassendste intellektuelle Kontextualisierung der Body Art. Sie nimmt Bezug auf Philosophen des Existenzialismus und der Phä­ nomenologie (Jean-Paul Sartre, Maurice Merleau-Ponty und Edmund Husserl) aber

200 Licht 1975, S. 10. 201 Es handelt sich ausschließlich um Künstler*innen aus Nordamerika und Westeuropa. 202 Ebd., S. 11; 13 u. S. 14. 203 Vergine verwendete mit ›Körpersprache‹ und ›Body Art‹ die beiden in Europa etablierten Begriffe für die Kunstform. Sie spricht vom Körper als Medium einer »Kunst-Sprache« und fügt beide Ideen zusammen. »The body is being used as an art language by an ever greater number of contemporary painters and sculptors…« Vergine 2000, S. 7.

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auch auf den Marquis de Sade oder Antonin Artaud. Zentral ist das Vokabular der Psychoanalyse – Themen wie die unerfüllte Suche des Individuums nach Liebe, Sexualität oder Begehren ziehen sich durch den Text – und auch das Motiv des Künstlers als Stellvertreter der Gesellschaft scheint auf.204 Insgesamt wird der Text aber von der Frage nach dem politischen Potenzial der Kunstform angetrieben. Vergine fragt: In which way does it [Body Art] establish a true climate of empathy that al­ lows the transmission of apperceptions so as in turn to prevent emotional participation from becoming an end in itself, thus permitting it to become an instrument for political struggle?205 Die Lösung, so Vergines Schlussfolgerung, liege nicht in der oppositionellen oder transgressiven Geste, sondern in den »revolutionary schizoid impulses«, die von ei­ ner Kunstform wie der Body Art ausgingen und denen sie eine aktivierende, poli­ tische Wirkmacht zuspricht.206 Einige der Thesen Vergines scheinen auch bei Licht auf, doch zeigt sich im direk­ ten Vergleich, dass sein Zugang zur Body Art viel formalistischer und vor allem un­ politischer war. Von einer Hoffnung auf gesellschaftliche Umbrüche ist bei ihm nichts zu spüren. Sein Verständnis der Kunstform stellt nicht den Bruch, sondern Katharsis und Heilung in den Vordergrund. Nur wenige Woche vor der Ausstellung in Chicago fand schließlich in der Pariser Galerie Stadler die Ausstellung L’art corporel statt.207 Auf relativ engem Raum ver­ sammelte der Galerist Rodolphe Stadler208 Werke von 20 Künstler*innen aus Europa und den USA.209 Parallel zur Ausstellung veranstaltete Stadler eine Aufführung von Hermann Nitschs Orgien Mysterien Theater auf der Pariser Kunstmesse FIAC.210 Zur Ausstellung erschien ein umfangreicher Katalog auf Französisch und Englisch, den der französische Body-Art-Experte François Pluchart herausgab.211 Der Katalog enthält einen einleitenden, manifestartigen Text Plucharts, Kurztexte zu allen betei­ ligten Künstler*innen sowie jeweils spezifische bibliografische Hinweise. Diese sepa­

204 Vergine spricht von »being for the others.« Vergine 2000, S. 22. 205 Ebd., S. 27. 206 Ebd. 207 L’art corporel, Galerie Stadler, Paris, 16.01.– 22.02.1975. 208 Rodolphe Stadler war ein Pariser Avantgarde-Galerist, der bereits mehrere Jahre mit Body-Art-Künstler*innen wie Gina Pane oder Michel Journiac zusammengearbeitet hatte. 209 Beteiligte Künstler*innen: Marcel Duchamp, Piero Manzoni*, Yves Klein, Günter Brus, Otto Muehl*, Hermann Nitsch*, Arnulf Rainer, Rudolf Schwarzkogler, Klaus Rinke, Bruce Nauman, Michel Journiac*, Dennis Oppenheim, Vito Acconci, Gina Pane, Urs Lüthi, Terry Fox*, Lucas Samaras, Joan Jonas*, Chris Burden, Katharina Sieverding*. *= nicht in der Ausstellung in Chicago vertreten. 210 Datum der Aktion: 29.01.1975. Katalog: Galerie Stadler (Hrsg.): Hermann Nitsch. Action 45. Paris: L’Imprimerie Union 1975. 211 Pluchart 1975. Weitere Texte Plucharts über Body Art im von ihm herausgegebenen Magazin arTitudes: Pluchart, François: Body as Art. In: arTitudes (Paris) 1971, H. 1, Oktober, S. 5–8; Pluchart, François: Notes sur l’art corporel. In: arTitudes international 1974, H. 12–14, Juli–September, S. 46–66; Pluchart, François: L’art corporel. In: arTitudes inter­ national 1975, H. 18–20, Januar–März, S. 49–96.

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rierte Struktur mag als Hinweis darauf gelten, dass die Positionen hier zum Verkauf und deshalb separat dargeboten wurden. Plucharts Text nimmt allerdings keine No­ tiz vom kommerziellen Anlass der Ausstellung, sondern thematisiert, ähnlich wie zu­ vor Vergine, das transgressive Potenzial der Kunstform. Im Geiste Artauds gibt er sich antibürgerlich und setzt die Body Art in Kontrast zu einem in seinen Augen überkommenen Primat der Schönheit in den Künsten. Er spricht von der Kunst als Waffe und als »instrument of social action« und er betont dabei seinerseits die Kraft der Sprache.212 Pluchart argumentiert, die Body Art hätte sich aus der künstlerischen Suche nach einer neuen Wirkmächtigkeit der Kunst herausgebildet. Als die wichtigs­ ten Vertreter*innen nennt er den französischen Künstler Michel Journiac sowie Den­ nis Oppenheim, Vito Acconci, Gina Pane und Chris Burden.213 Die Ausstellungsansichten aus Paris, die während der gut besuchten Vernissage aufgenommen wurden, wirken allerdings wenig revolutionär. Die stuckverzierten und mit einem Teppich ausgelegten Verkaufsräume der Galerie verströmen eher die Atmosphäre eines bürgerlichen Wohnzimmers. Die Vernissagegäste stehen dicht ge­ drängt, rauchen und unterhalten sich. Viele der ausstellenden Künstler*innen waren anwesend, darunter Urs Lüthi, Hermann Nitsch, Gina Pane, Klaus Rinke, und Wolf Vostell (Abb. 2.29). Bei der Kunst an den Wänden handelt es sich, wie in Chicago, ausschließlich um fotografische Bilder, die allerdings unterschiedlich gerahmt und an dünnen Ketten aufgehängt sind. Zwei Drittel der Künstler*innen, die in Paris gezeigt wurden, waren auch in Chi­ cago vertreten, viele davon sogar mit exakt denselben Werken. Rodolphe Stadler und Ira Licht standen nachweislich in direktem Kontakt und es war Stadler, der die Werke von Günter Brus, Gina Pane, Arnulf Rainer und Rudolf Schwarzkogler nach Chicago vermittelte.214 Der vergleichende Blick auf die Hängung der beiden Aus­ stellungen verdeutlicht noch einmal, wie effektiv Ira Lichts Entscheidung war, alle Werke auf einen gemeinsamen ästhetischen Nenner zu bringen. Eine interessante Randnotiz ist, dass Licht den Künstler Michel Journiac nicht in seine Ausstellung integrierte, trotz einer schriftlichen Empfehlung Stadlers und trotz der Tatsache, dass Journiac neben Vito Acconci und den Wiener Aktionisten zu den ersten body artists gehörte.215 Möglicherweise waren Licht Journiacs Werke zu extrem. Der Künstler war mit der Arbeit Messe pour un Corps (1969) bekannt geworden, eine quasi-reli­ giöse Zeremonie, in der er als ›Sakrament‹ Blutwurst aus seinem eigenen Blut ser­ vierte, also das Publikum seinen Körper verspeisen ließ.216 Ein solches Werk war, 212 »[T]he power of speech should replace here all other prerequisites of art.« Pluchart 1975 [Stadler], [Original o. S.]. Abgedruckt in: Pluchart, François: Body Art [1974]. In: Warr, Tracey/Jones, Amelia (Hrsg.): The Artist’s Body. London: Phaidon 2000, S. 218–219, hier S. 218. 213 Ebd., S. 218–219. 214 Das geht aus der Korrespondenz hervor. Leihkorrespondenz: Ira Licht und Rodolphe Stadler. A-MCA E, 1975, Body­ works. 215 Brief [22.01.1975]: Rodolphe Stadler an Ira Licht. A-MCA E, 1975, Bodyworks. 216 Diese Aktion – sie wäre seit der AIDS-Epidemie undenkbar – fand in der Pariser Galerie Daniel Templon statt. Eine Beschreibung in: Barbut, Clélia: Forms and Conceptions of Reality in French Body Art of the 1970s. In: Own Reality, 10. Jg. 2015, S. 2–20, hier S. 9 ff.

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wenn überhaupt, im privaten Raum einer Galerie möglich. Es in einem öffentlich (teil-)finanzierten Museum, wie dem MCA Chicago, zu zeigen, hätte ein ebenso juris­ tisches wie moralisches Risiko bedeutet, das Licht offenbar nicht eingehen wollte. Der Überblick über frühe Body-Art-Texte und -Ausstellungen zeigt, dass sich Body Art als Kunstströmung und ein entsprechender Kunstdiskurs auf beiden Seiten des Atlantiks in etwa zeitgleich herausbildeten und seine Vertreter*innen internatio­ nal vernetzt waren. Allerdings unterschieden sich die künstlerischen Ansätze und die daran anknüpfenden theoretischen Diskurse wesentlich. Während in Europa Körpersprache im Vordergrund stand und den Kunstwerken ein aufrüttelndes und revolutionäres Potenzial zugesprochen wurde, war im US-amerikanischen Diskurs der Begriff Körperwerke bestimmend und der Fokus lag eher auf formal­ästhetischen Kriterien sowie auf einer Anregung der Rezipient*innen zur Selbstreflexion. Ein Er­ klärungsansatz für diese Diskrepanz könnte in den unterschiedlichen Erfahrungen der Kriegs- und Nachkriegsjahre liegen. In Europa standen Vergangenheitsbewälti­ gung und die Wiederherstellung einer funktionierenden Gemeinschaft im Vorder­ grund, was zu einer soziopolitischen Aufladung der Kunst führte. Der US-amerikani­ sche Kontext war hingegen von den System- und Identitätsfragen des Kalten Kriegs geprägt, deren Folge eine scharfe Trennung von Kunst und Politik war. Künstlerische Innovationen konzentrierten sich hier vor allem auf die Bereiche des Mediums und des Materials. Licht griff für seine Ausstellung insbesondere solche Positionen auf, die im dama­ ligen Fachdiskurs bekannt waren.217 Sein Projekt hatte insofern den Charakter einer Bestandsaufnahme. Bemerkenswert ist, dass er mit Laurie Anderson, Eleanor Antin, Gina Pane und Adrian Piper einige Künstlerinnen in seine Ausstellung integrierte und damit auch im US-amerikanischen Diskurs etablierte. Ob Licht sich hier, als Vertreter eines öffentlichen Museums, um eine Frauenquote bemühte, ist nicht aus­ zuschließen, aber auch nicht nachzuweisen. Sicher ist, dass er den feministischen Geist dieser Künstlerinnen nicht thematisierte. Die Aufteilung der Ausstellung in einen statischen und einen lebendigen Teil ent­ sprach Lösungen, die im Zusammenhang mit Body-Art-Positionen auch an anderen Orten gewählt wurden. Da Licht für die beiden Ausstellungsteile zwei räumlich ge­ trennte Bereiche des Museums nutzte, geriet die Separierung bei ihm besonders trennscharf. Gleichermaßen konsequent war seine auf Einheitlichkeit ausgerichtete Inszenierung der statischen Ausstellung. Im Vergleich zum Avalanche-Layout zeigte sich, dass diese Inszenierung eine in Künstler*innenkreisen der Zeit geschätzte Klarheit aufgriff. Zugleich handelte es sich um eine homogenisierende kuratorische Geste, die derUnterstützung der Ausstellungsthese diente. Die Überschneidungen von Lichts Künstler*innenauswahl sowohl mit den euro­ päischen als auch den US-amerikanischen Beispielen zeigt, dass er beide Kontexte 217 Ausnahmen waren Eleanor Antin, eine Empfehlung der Videokunst-Galeristin Anna Canepa, und das Chicagoer Duo Fisher/Hamilton.

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kannte und bemüht war, auch Werke europäischer Künstler*innen einzubeziehen. Er verortete sich aber mit seinem Ausstellungskonzept eindeutig im US-amerikani­ schen Diskurs. Licht präsentierte die Körperkunstwerke geradezu ›gereinigt‹ von le­ bensweltlichen Referenzen. Er konzentrierte sich auf den Körper als Kunstwerk und stellte die Body Art in die Tradition der Moderne und des L’art pour l’art. Für dieses Konzept scheint der white cube, als Erbe ebendieser Tradition, als folgerichtiger Kontext. Hier ist die Separierung von Kunst und Leben vollständig abgeschlossen. Form und Inhalt der Ausstellung erweisen sich damit als sowohl von künstler­ischen Ideen und vom Museumskontext bestimmt als auch auf ein US-amerikanisches (Laien-)Publikum zugeschnitten.

Body Art und das Museum »Since the Museum of Contemporary Art has a mandate from its founders of show­ ing the latest, go see it, for ›Body Works‹ is as late a phenomena as you can find any­ where.«218 Dieses Schlusswort einer Bodyworks-Rezension wirft noch einmal die Frage nach der Neuheit und/oder Verspätung der Ausstellung und den möglichen Schwierigkeiten auf, die für das Museum mit ihr verbunden waren. Für die These der Neuheit sprechen neben den Bekundungen des Museumsmar­ ketings und der Presse auch die affekthaft ablehnenden Reaktionen der Öffentlich­ keit. Sie zeigen, dass Body Art zum Zeitpunkt der Ausstellung noch nicht im Main­ stream angelangt war. Die Ausstellung war für das Museum insofern ein Wagnis.219 Das MCA Chicago versuchte zudem vergeblich, Kooperationspartner für eine Wei­ tergabe der Ausstellung zu finden, was zeigt, dass die Ausstellung womöglich als ›schwierig‹ eingeschätzt wurde und es (noch) keinen Konsens über die Bedeutung dieser künstlerischen Ausdrucksform gab.220 Bei genauerer Betrachtung zeigt sich, dass das MCA selbst eher zurückhaltend mit der Ausstellung umging. Von Vorsicht zeugen beispielsweise die Versuche, vor der Performance von Chris Burden eventuelle Risiken auszuschließen. Auch wurde den klassischen und bekannten Skulpturen von Gaston Lachaise sehr viel mehr

218 Presseartikel: Forwalter, John: Exhibits Take Varied Approach to the Human Body. In: The Post-Tribune, 28.03.1975. A-MCA Press, Bodyworks 1975. 219 Allerdings finden sich keine Protestbriefe in den Akten und es gibt auch keine Hinweise auf niedergelegte Museumsmit­ gliedschaften, was sonst bei kontroversen Ausstellungen in US-amerikanischen Museen oft der Fall war. 220 Von den zahlreichen Museen, die als mögliche Partnerinstitutionen kontaktiert wurden, darunter vor allem mittlere und kleinere Häuser, zeigte nur eines Interesse, schlussendlich sagten alle ab. Folgende Institution wurden angefragt: La Jolla Museum of Contemporary Art, San Diego, CA; Fort Worth Art Center, Fort Worth, TX; Corcoran Gallery of Art, Washington, D. C.; Contemporary Arts Center, Cincinnati, OH; Herbert F. Johnson Museum of Art, Cornell University, Ithaka, NY; Contemporary Arts Museum, Houston, TX; Wight Art Galleries, U.C.L.A., Los Angeles, CA. Die Absagen argumentierten meist mit einer bereits abgeschlossenen Ausstellungsplanung oder fehlenden Geldern. Korrespondenz [Tournee]: Stephen Prokopoff und verschiedene Museumsdirektoren. A-MCA E, 1975, Bodyworks.

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Raum zugestanden. Bodyworks war im Gesamtprogramm des Museums keine Block­ buster- oder Hauptausstellung, sondern eine ergänzende Nebenausstellung. Dies entspricht einem gängigen Muster in der Programmgestaltung von Museen. Mit klei­ neren und experimentelleren Formaten können neue Trends sondiert und das Profil der Institution als auf der Höhe der Zeit geschärft werden, ohne das Publikum zu überfordern oder Sponsoren zu verprellen. Die strenge Baukastenästhetik von Bodyworks könnte in diesem Zusammenhang ein Versuch gewesen sein, die herausfor­ dernden Inhalte der Werke durch eine gewohnte Präsentationsästhetik abzumildern. Ähnliches gilt für die Kombination mit der Gaston Lachaise-Ausstellung, die gleich­ sam eine kunsthistorische Einbettung für die radikalen Körperinszenierungen schuf. Dass dies gelang und die beiden Ausstellungen durchaus als Ensemble wahrgenom­ men wurden, zeigte sich nicht nur in der oben zitierten Reaktion Laurie Andersons, sondern auch in einigen Reaktionen der Presse (Abb. 2.30).221 Für die Verspätungsthese spricht, dass die künstlerische Strömung der Body Art schon fünf Jahre zuvor identifiziert und benannt worden war. Die ersten Innovatio­ nen der Body Art reichten sogar in die 1960er-Jahre zurück. Zum Zeitpunkt der Aus­ stellung hatten sich einige ihrer Protagonist*innen, darunter Vito Acconci, Günter Brus oder auch Dennis Oppenheim, bereits anderen Ausdrucksformen zugewandt und eine neue Generation an Performer*innen, das zeigte der Auftritt von Laurie Anderson, entwickelte eine andere, theaterähnlichere Performancekunst. Die Innovationsfrage ist letztlich eine Frage der Perspektive: Was für das breite Museumspublikum Neuheit und Herausforderung ist, gilt denjenigen, die der aktu­ ellen Kunstproduktion näherstehen, insbesondere den Künstler*innen selbst, als überholt. Für ein Museum zeitgenössischer Kunst, wie das MCA Chicago, das sich qua Mission verpflichtet, stets das Neueste zu zeigen, bedeutet das eine Scharnier­ position und Vermittlerrolle zwischen Kunstproduktion und Öffentlichkeit einzu­ nehmen, denen es gleichermaßen gerecht werden muss. Im oben gegebenen Überblick über frühe Texte und Ausstellungen zur Body Art zeichnete sich modellhaft der Verfestigungs- oder auch Institutionalisierungsprozess der Kunstform ab, der zugleich ein Prozess der Kanonbildung ist. Er begann mit eini­ gen künstlerischen Innovationen, in den USA etwa von Vito Acconci oder Dennis Oppenheim, die sich über Avantgarde-Magazine wie Avalanche, erste Buchpublika­ tionen, wie die von Lea Vergine, bis in die Mainstream-Medien, wie das Artforum, verbreiteten. Die ersten kleinen Ausstellungen, wie diejenige in San Francisco, wur­ den von Künstler*innen initiiert, darauf folgten Ausstellungen im Rahmen von Festi­ vals, wie der documenta oder dem steirischen herbst sowie in einer Avantgarde-­ Galerie, wie der von Rodolphe Stadler. Erst an diesem Punkt kommen Museen ins Spiel, und zwar zunächst keine großen Museen, wie das MoMA oder das Whitney Museum, sondern mit dem MCA Chicago eine verhältnismäßig kleine Institution.

221 Forwalter 1975, wie Anm. 218.

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Ins­gesamt lagen etwa sieben Jahre zwischen den ersten Body-Art-Arbeiten von Vito Acconci und der Aufnahme der Kunstströmung ins Museum. Die ›Verspätung‹ der Ausstellung war dann die Zeit, die es dauerte, bis die Kunstform diese Instanzen durchlaufen hatte. Aus umgekehrter Perspektive lag für ein Museum von der Größe und Ausrichtung des MCA Chicago Body Art als Ausstellungsthema 1975 geradezu in der Luft. Wie die Fülle der Exponate in Chicago und in den früheren Body-Art-Ausstellun­ gen beweist, kann die ›Verspätung‹ der Ausstellung nicht an einer Nicht-Ausstellbar­ keit ephemerer Körperarbeiten gelegen haben. Für die Museumsausstellung standen sowohl Live-Performer*innen als auch objekthafte Aggregatzustände von Body-ArtWerken zur Verfügung. Keine*r der Künstler*innen weigerte sich, im Museum auf­ zutreten, auch Laurie Anderson nicht, die sich kritisch über die statische Ausstellung äußerte und sich nicht mit dem Label ›Body Art‹ identifizierte. Wie RoseLee Goldberg bereits betonte, sind die Werke der Body Art nur bedingt konzeptuell und immateriell, denn sie sind immer an einen Körper und damit an ei­ nen Gegenstand gebunden.222 Nach der transmedialen Expansion der Kunst in den 1960er-Jahren, die in Land Art, Prozess- und Konzeptkunst gipfelte, muss Body Art deshalb als eine Re-Materialisierung gelten und als ein weiterer Schritt (nach Fluxus und Happening) in Richtung einer größeren künstlerischen Kontrolle über das Werk und seine Präsentation. Die Struktur von Body-Art-Kunstwerken ist zudem weniger offen und weniger komplex als diejenige von Happenings oder theatraler Performan­ ces. Damit sind sie leichter zu dokumentieren. Aus dem Spektrum der verschiedenen performativen Kunstpraktiken scheint die Body Art deshalb besonders museums­ kompatibel. Wie die Body Art einen Rückzug der Künstler*innen auf den eigenen Körper, das Private und das Individuum bedeutet, ist sie auch ein Rückzug der Kunst auf den Ausstellungsraum und das Museum. Diese Parallelführung des Rückzugs auf das Individuum und den white cube macht Dennis Oppenheim mit seiner Parallel­ führung von Galerieraum und Künstler*innenkörper besonders deutlich. Anders, als es die Performanceforschung oft impliziert, bewegte sich Body Art nicht außerhalb des herkömmlichen Systems von Kunstdiskurs, Kunstmarkt und Museen. Die vermeintlich ephemeren Körperarbeiten entzogen sich diesen Struk­ turen keinesfalls. Das Gegenteil war der Fall. Besonders bei Vito Acconci, Gina Pane oder Chris Burden zeigte sich, dass die Body Art von Anfang an fest in den Händen von Galerien war, die filmische oder fotografische Editionen, Relikte und Konzepte als Aggregatzustände der Körperarbeiten vertrieben. Die Distribution war hier ein entscheidender Impuls zur ›Werkwerdung‹, die wiederum Grundvoraussetzung für eine Präsentation im Museum war. Der Überblick über frühe Body-Art-Ausstellungen konnte zeigen, dass nicht nur in Chicago, sondern auch andernorts die Strategie verfolgt wurde sowohl lebendige als auch statische Aggregatzustände zu zeigen und Ausstellungen modular aufzu­ 222 Goldberg spricht von Performance als einem »ideal means to materialize art concepts«. Goldberg 1979, S. 98.

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bauen. Diese Modularisierung war vielen der Werke, die in diesem Kapitel Thema waren, von vornherein eingeschrieben. Fast alle führten eine Mehrfachexistenz als Live-Akt, als Objekt und/oder als Bewegtbild-Aufzeichnung. Ob nun der Muse­ umskontext (und der Kunstmarkt) die Form der Werke und ihrer Aggregate bestimm­ te oder umgekehrt, die Werke die Ausstellungsform (oder auch die Magazine) präg­ ten, ist kaum zu entscheiden. Wahrscheinlich ist, dass es eine wechselseitige Beein­ flussung war. Diese Überlegungen führen zur Frage nach der Werkontologie der Body Art zu­ rück. Anhand der in der Ausstellung versammelten körperbasierten Werke zeigte sich, dass jedes Werk und jede*r Künstler*in sich ganz unterschiedlich im Span­ nungsfeld von Subjekt, Objekt und Medium, aber auch von Liveness, Dokumenta­ tion und Reproduktion verortete. Nur für einen Teil der Werke stand eine Live-Per­ formance vor Publikum am Anfang, wie zum Beispiel bei den Arbeiten von Günter Brus, Chris Burden oder Gina Pane. Es fällt auf, dass besonders diese Werke profes­ sionell fotografiert und anschließend über Editionen vertrieben wurden. Die Arbei­ ten von Ben Vautier oder Vito Acconci gaben sich durch die Kombination der Bilder mit Text und Skizzen deutlicher als Dokumentation zu erkennen. Die Editionsform (bei Vautier) und die aufwendige Gestaltung (bei Acconci) sowie in beiden Fällen die Handschrift des jeweiligen Künstlers signalisieren, dass es sich hier um Kunstwerke handelte. Andere Künstler*innen, darunter Bruce Nauman, Dennis Oppenheim oder Rudolf Schwarzkogler, inszenierten ihre Aktionen gleich für die Kamera. Sie wurden erst in ihrer Form als Film, Video oder Fotografie zum Werk und waren damit von vornherein als reproduzierbar angelegt. Sie wurden über Agenturen vertrieben, de­ ren Arbeit der eines Filmverleihs glich. Manipulierte und bildnerisch überarbeitete Fotografien, wie bei William Wegman, Arnulf Rainer oder Lucas Samaras, erhielten ihren Werkcharakter wiederum erst durch das Medium der Fotografie und seine Ma­ nipulation durch die Künstler. Interessant ist der Fall von Adrian Piper, die sowohl anonym im öffentlichen Raum als auch vor Publikum und vor der Kamera auftrat, sodass ihre Werke auch die Form von Videos oder (manipulierten) Fotografien an­ nehmen konnten. Die Figur des Mythic Being konnte in allen diesen Werktypen auftreten. Als Sonderfall im Kontext der Chicagoer Ausstellung kann Alan Sonfist gelten, dessen konzeptuelles Werk auf ein mögliches, dann aber nicht mehr leben­ diges Körperkunstwerk in der Zukunft verweist. Es zeigt sich damit erstens, dass sich keine generelle Aussage über die eine Werk­ ontologie der Body Art treffen lässt, und zweitens, dass Body-Art-Werke in vielen verschiedenen Aggregatzuständen als Kunstwerk oder auch als Dokumentation auf­ treten können. Drittens bestimmen nicht nur Künstler*innen, sondern auch andere Akteur*innen und Kontexte über den Kunstwerkcharakter eines Aggregatzustands.223 In Chicago waren dies Galerien, der Kunstdiskurs und das Museum selbst. 223 Vgl. Beißwanger, Lisa: Konzept – Performance – Aggregatzustand. Yoko Ono’s Bag Piece ausstellen. In: Hansen, Lis/ Schoene, Janneke/Teßmann, Levke (Hrsg.): Das Immaterielle ausstellen. Zur Musealisierung von Literatur und perfor­ mativer Kunst. Bielefeld: transcript 2017, S. 183–200, hier S. 197 ff.

Body Art und das Museum

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Ausblick Bodyworks wurde schließlich selbst Teil des Performance- und Ausstellungs­diskurses. Das Planungsteam der documenta 6 forderte beim MCA Chicago den Kata­log zu Body­works an.224 1975 wurde in Amsterdam das De Appel Art Center gegründet, das sich anfangs ganz auf Body Art konzentrierte. Wies Smals, die Leiterin dieses alter­ nativen Kunstraums, konsultierte ebenfalls die Materialien der Chicagoer Schau.225 Nur kurze Zeit nach Bodyworks fand 1975/76 eine Ausstellung in Berlin und Frank­ furt am Main statt, die noch einmal den Titel Körpersprache trug.226 Auch hier wur­ den hauptsächlich Fotografien sowie einige Videos und ein Live-Programm gezeigt. Diese Ausstellung glich in ihrer Ästhetik nun derjenigen in Chicago. Nicht-künstler­ ische Bilder wurden hier zwar zum Vergleich herangezogen, aber in den Katalog ver­ lagert und nicht mit den Exponaten gemischt.227 Eine wegweisende Erweiterung war hier der besondere Fokus auf feministische Positionen.228 In Europa ging der feminis­ tische Body Art und Performancediskurs vor allem vom italienischen Magazin Flash Art aus. In den USA begann ein entsprechender Diskurs um 1976 mit einem Text von Lucy Lippard.229 Als Ausstellungstypus stand Bodyworks mit der Teilung in einen statischen und einen lebendigen Teil am Anfang einer Ausdifferenzierung ausstellungsförmiger Per­ formanceausstellungen. Exemplarisch für die Richtungen, in die sich Performance­ ausstellungen später entwickelten, lassen sich hier drei Beispiele der vergangenen Jahre anführen. Die Marina Abramovi´c-Retrospektive The Artist is Present, 2010 im MoMA trieb die Hybridisierung von live und nicht-live weiter voran.230 Hier wurde keine räumliche oder zeitliche Trennung beider Elemente vorgenommen. Stattdessen wurden Live-Werke (in Form von Re-Enactments durch angelernte Performer*innen), Fotografie und Video in ein Gesamtensemble integriert. Parallel dazu performte die Künstlerin in einer endurance-Performance während der gesamten Ausstellungs­ dauer zu den Öffnungszeiten des Museums. Eine zweite Extremform, die allein die Live-Präsenz in den Vordergrund stellte und zugleich Performance als Skulptur auf­

224 S. S. 349, Anm. 264. 225 Es findet sich zum Beispiel ein Plakat der Ausstellung in den Archivakten des De Appel Art Center in Amsterdam (Abb. 2.15). Plakat: Bodyworks Events. A-DeAp. 226 Ausstellung kuratiert von Georg Bussmann und Thomas Kempas. 12.12.1975–25.01.1976, Haus am Waldsee, Berlin; 13.02.– 28.03.1976, Frankfurter Kunstverein. Katalog: Bussmann, Georg/Kempas, Thomas (Hrsg.): Körpersprache. Ausst. Kat. Frankfurter Kunstverein; Berlin, Haus am Waldsee. Berlin 1975. Die Ausstellung in Frankfurt zog laut der Besucher*innenstatistik des Frankfurter Kunstvereins beachtliche 5000 Besucher*innen an. Das Archiv des Haus am Waldsee besitzt sehr gute Aufnahmen seiner Ausstellung. 227 Barbara Catoir unternimmt im Ausstellungskatalog einige entsprechende Vergleiche. Catoir, Barbara: Körpersprache und Bildende Kunst. In: Bussmann/Kempas 1975, S. 22–28 [Original o. S.]. 228 Dies geschah auf Betreiben der Journalistin Gislind Nabakowski, die Georg Bussmann für einen Katalogtext zu »Frau­ enkunst und Körperkunst« angefragt hatte. Ihr Text erschien als: Nabakowski, Gislind: Feminismus und Körper­ sprache – Symbole der feministischen Massenbewegung. In: Bussmann/Kempas 1975, S. 32–39 [Original o. S.]. 229 Lippard [Pains and Pleasures] 2000. 230 Kurartiert von Klaus Biesenbach. Katalog: Biesenbach, Klaus (Hrsg.): Marina Abramovi´c. The Artist is Present. Ausst. Kat. New York, The Museum of Modern Art. New York 2010.

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Zur Museumskompatibilität der Body Art

fasste, war die Ausstellungreihe ## Rooms.231 Für eine Iteration der Ausstellung, 2014 in Basel, 14 Rooms, wurde in je einer weißen Zelle eine Performance von an­ gelernten Performer*innen aufgeführt, darunter auch historische Performances wie Bruce Naumans Wall Floor Positions (1968, ursprünglich ein Video) oder Joan Jonas’ Mirror Check (1970).232 Eine dritte Extremform, die eine völlige ›Ent-Kör­ perung‹ vornahm, war die Joseph Beuys-Retrospektive Parallelprozesse 2011 in Düsseldorf. Hier wurde jegliche visuelle Repräsentation des Künstlers und seiner Per­sönlichkeit vermieden und allein auf die objekthafte Dimension seiner Werke ver­wiesen.233 Für das MCA Chicago als Institution war Bodyworks wegweisend. Nachdem Ira Licht das Museum bald nach der Ausstellung verließ, wurde die Verantwortung für alle Live-Veranstaltungen an Alene Valkanas übergeben, die Leiterin der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Sie war in den folgenden Jahren für eine bemerkenswerte Ausweitung und Ausdifferenzierung des Performanceprogramms verantwortlich. Val­ kanas gab später zu Protokoll, dass es die Performances im Rahmen der BodyworksAusstellungen, insbesondere diejenige von Chris Burden, gewesen seien, die ihr In­teresse geweckt hätten.234 Heute illustriert das Museum auf seiner Web­seite die Rubrik History mit einer Fotografie von Chris Burdens Doomed. Unter dem Bild heißt es: »The MCA has a long history of taking chances on visionary artists’ work.«235 Das Museum präsentiert sich also über seine performancebezogene Ge­ schichte als Institution am Puls der Zeit. Die klassische Gaston Lachaise-Aus­stellung wäre hierfür kaum geeignet. Ähnlich, wie eine Dokumentationsfotografie zum Kunst­ werk werden kann, hat Bodyworks damit eine nachträgliche Aufwertung zur Haupt­ ausstellung erfahren.

231 Kuratiert von Klaus Biesenbach und Hans Ulrich Obrist. Die erste Iteration war 11 Rooms im Rahmen des Manchester International Festival in der Manchester Art Gallery, 09.–17.07.2011. 232 14 Rooms fand vom 14.–23. Juni 2014 im Rahmen der Art Basel statt. Katalog: Catambas, Renata/Biesenbach, Klaus (Hrsg.): 14 Rooms. Ausst. Kat. Basel, Art Basel. Ostfildern: Hatje Cantz 2014. 233 Katalog: Müller, Ulrich (Hrsg.): Joseph Beuys - Parallelprozesse. Archäologie einer künstlerischen Praxis. Ausst. Kat. Düsseldorf, Stiftung Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen. München: Hirmer 2012. 234 »And that’s what turned me on to performance. [When] Ira took off […] I took up the performance presentation role.« I-AV-DM, S. 9. 235 Webseite: MCA Chicago. Über die Institution. https://web.archive.org/web/20180926112623if_/https://mcachicago. org/About (Zugriff: 29.09.2018). Das MCA Chicago scheint zu diesem Zeitpunkt keine der gezeigten Arbeiten an­ gekauft zu haben.

Ausblick

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Abb. 2.1  Fassade des ersten Gebäudes des MCA Chicago an der 237–43 East Ontario Street. Informationsblatt des Maklerbüros Browne & Storch. Foto: Unbekannt; Digitalisat: A-MCA.

Abb. 2.2  Cover des Ausstellungskatalogs zu Bodyworks, MCA Chicago, 1975. Kunstwerk: Bruce Nauman: Hologram, 1970. Reprofotograf: Dietmar Katz; Quelle: Sammlung – Staatliche Museen zu Berlin – Kunstbibliothek. © VG Bild-Kunst, Bonn 2021.

Abbildungen 2.1–2.30

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Abb. 2.3  Ausstellungsansicht: Bodyworks, MCA Chicago, 1975. Werke von Rudolf Schwarzkogler (rechts), Klaus Rinke (links) und Vito Acconci (Rückwand). Foto: © MCA Chicago; Quelle/Digitalisat: A-MCA.

Abb. 2.4  Ausstellungsansicht: Bodyworks, MCA Chicago, 1975, Portraits und Werke von David Burliuk, Hugo Ball, Marcel Duchamp/Man Ray, Jackson Pollock, Yves Klein und Robert Morris (von links nach rechts). Foto: © MCA Chicago; Quelle/Digitali­ sat: A-MCA. © Association Marcel Duchamp/VG Bild-Kunst, Bonn 2021; © The Estate of Yves Klein/VG BildKunst, Bonn 2021; © Pollock-Krasner Foundation/VG Bild-Kunst, Bonn 2021.

Abb. 2.5  Ausstellungsansicht: Bodyworks, MCA Chicago, 1975. Werke von Lucas Samaras (Bilderreihe links) und Bruce Nauman (rechts). Foto: © MCA Chicago; Quelle/Digitalisat: A-MCA. © VG Bild-Kunst, Bonn 2021.

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Abbildungsteil 2

Abb. 2.6  Ausstellungsansicht: Bodyworks, MCA Chicago, 1975. Werke von Rudolf Schwarzkogler. Foto: © MCA Chicago; Quelle/ Digitalisat: A-MCA.

Abb. 2.7  Ausstellungsansicht: Bodyworks, MCA Chicago, 1975. Werke von Günter Brus (hinten rechts) und Ben Vautier (hinten links). Foto: © MCA Chicago; Quelle/Digitalisat: A-MCA. © VG Bild-Kunst, Bonn 2021.

Abb. 2.8  Ausstellungsansicht: Bodyworks, MCA Chicago, 1975. Werke von Joseph Beuys (rechts), Vito Acconci (Mitte) und Gilbert & George (links). Foto: © MCA Chicago; Quelle/Digitalisat: A-MCA. © VG Bild-Kunst, Bonn 2021.

Abbildungen 2.1–2.30

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Abb. 2.9  Ausstellungsansicht: Bodyworks, MCA Chicago, 1975. Werke von Eleanor Antin (links), Alan Sonfist (rechts neben Antin) und Peter Hutchinson (Rückwand), Monitor für Videos (hinten rechts). Foto: © MCA Chicago; Quelle/ Digi­talisat: A-MCA.

Abb. 2.10  Ausstellungsansicht: Bodyworks, MCA Chicago, 1975. Werke von Adrian Piper*, Urs Lüthy, William Wegman und Dennis Oppenheim (von rechts nach links). Foto: © MCA Chicago; Quelle/Digitalisat: A-MCA. *Piper bestreitet, Autorin des abgebildeten Werks zu sein. S. S. 148, Anm. 49.

Abb. 2.11  Ausstellungsansicht: Bodyworks, MCA Chicago, 1975. Werke von Dennis Oppenheim (links) und Bruce Nauman (rechts, Vordergrund) und Klaus Rinke (rechts, Mittelgrund). Foto: © MCA Chicago; Quelle/Digita­lisat: A-MCA.

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Abbildungsteil 2

Abb. 2.12  Ausstellungsansicht: Bodyworks, MCA Chicago, 1975. Werke von Arnulf Rainer (links), Klaus Rinke (rechts), Dennis Oppen­ heim (hinten links) und William Wegman (hinten rechts). Foto: © MCA Chicago; Quelle/Digi­ talisat: A-MCA.

Abb. 2.13  Ausstellungsansicht: Bodyworks, MCA Chicago, 1975. Werke von Fisher/Hamilton (links), Chris Burden und Gina Pane (rechts), Urs Lüthy und Adrian Piper* (Rückwand). Foto: © MCA Chicago; Quelle/Digitalisat: A-MCA. © VG Bild-Kunst, Bonn 2021. *Piper bestreitet, Autorin des ­abgebildeten Werks zu sein. S. S. 148, Anm. 49.

Abb. 2.14  Ausstellungsansicht: Bodyworks, MCA Chicago, 1975. Werke von Chris Burden (links), Gina Pane (rechts). Foto: © MCA Chicago; Quelle/Digitalisat: A-MCA. © VG BildKunst, Bonn 2021; © Estate of Chris Burden/VG Bild-Kunst, Bonn 2021.

Abbildungen 2.1–2.30

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Abb. 2.15  Plakat für Bodyworks Events: The Artist as the Artwork, Kunstwerke: Rudolf Schwarzkogler, MCA Chicago, 1975. Quelle/Digitalisat: A-DeAp.

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Abbildungsteil 2

Abb. 2.16  Vito Acconci: Projection Room, Performance im MCA Chicago, 21. März 1975; vier gerahmte S/W Fotos, Fotograf*in unbekannt, Privatsammlung. Digitalisat: Courtesy Deborah Bell Photographs, New York & Ubu Gallery, New York. © VG Bild-Kunst, Bonn 2021.

Abb. 2.17  Installationsansicht: Dennis Oppenheim: Black Skin–Black Walls, Performance im MCA Chicago, 2. April 1975. Foto: Unbekannt; Quelle/Digitalisat: Dennis Oppenheim Estate and Studio/Archive.

Abbildungen 2.1–2.30

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Abb. 2.18–2.19  Dennis Oppenheim: Black Skin – Black Walls, Fotodokumentation zur Performance, 1975. Zwei Montagen, je 82 × 102 cm; S/W u. Farbfotografien, maschinengeschriebener Text auf Papier; Projektskizze: Bleiund Buntstift auf Papier; Soundtrack-Text: Negativdruck. Digitalisat: Bridgeman Images; © Dennis Oppenheim Estate.

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Abbildungsteil 2

Abbildungen 2.1–2.30

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Abb. 2.20  Laurie Anderson neben der Skulptur Standing Woman (1912–1927) von Gaston Lachaise, MCA Chicago, 1975. Foto: Bob George; Quelle/Digitalisat: Courtesy of the artist.

Abb. 2.21  Laurie Anderson: Skizze für Songs and Stories for the Insomniac, 1975. Quelle/Digitalisat: Courtesy of Canal Street Communications.

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Abbildungsteil 2

Abb. 2.22  Chris Burden: Doomed, Performance im MCA Chicago, 11.–13. April 1975. Fotos: Unbekannt; Quelle/Digitalisat: A-MCA. © Estate of Chris Burden/VG Bild-Kunst, Bonn 2021.

Abbildungen 2.1–2.30

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Abb. 2.23  Anzeige für die Ausstellung Body Works in der Zeitschrift Avalanche, Winter 1971. Quelle: Avalanche, Winter 1971, Abb. o. S. (Anzeigenteil).

Abb. 2.24  Flyer für die Ausstellung Body Works, MOCA San Francisco, 18. Oktober 1970. Quelle: A-MCA E, 1975, Bodyworks; Digitalisat: A-MCA.

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Abbildungsteil 2

Abb. 2.25  Doppelseite in der Zeitschrift Avalanche mit Willoughby Sharps Text Body Works. A Pre-Critical, Non-Definitive Survey […]. Quelle: Avalanche, Herbst 1970, S. 14–15.

Abb. 2.26  Doppelseite im Ausstellungskatalog zu Bodyworks, MCA Chicago, 1975. Werke von DennisOppenheim (links), Klaus Rinke (rechts oben) und Lucas Samaras (rechts unten). Quelle: Museum of Contemporary Art Chicago 1975, Abb. S. 14–15 [Original o. S.]; Digitalisat: A-MCA.

Abbildungen 2.1–2.30

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Abb. 2.27–2.28  Ausstellungsansichten: Körpersprache/Bodylanguage, steirischer herbst, Graz, 8.–22. Oktober 1973. Foto: Peter Philipp; Quelle/Digitalisat: Archiv steirischer herbst.

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Abbildungsteil 2

Abb. 2.29  Ausstellungsansichten: Vernissage der Ausstellung L‘art corporel, Galerie Stadler,Paris, 16. Januar – 22. Februar 1975. Fotos: all rights reserved. Quelle/Digitalisat: Archives de la galerie Rodolphe Stadler, les Abattoirs Musée – Frac Occitanie, Toulouse, France.

Abbildungen 2.1–2.30

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Abb. 2.30  John Forwalter: Exhibits Take Varied Approach to the Human Body. Artikel im Post-Tribune, 28. März 1975. Quelle: A-MCA Press, Bodyworks 1975; Digitalisat: A-MCA.

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Abbildungsteil 2

Zur ›Eventisierung‹ des Museums – Avantgarde-Performance trifft Bodybuilding im Whitney Museum of American Art, New York, 1976

Einführung Das Jahr 1976 gilt als historischer Wendepunkt in der Performancegeschichte. Performance kam nun als eigenständige Kunstform zur vollen Blüte, das ›goldene Zeitalter der Performancekunst‹ zeichnete sich ab.1 Geradezu paradigmatisch für diese Entwicklungen steht eine Veranstaltung, die im Februar 1976 im Whitney Museum of American Art (Whitney) stattfand. Die Rede ist von dem Festival Performances: Four Evenings, Four Days, 17.–29. Februar 1976, kuratiert von Marcia Tucker.2 Im Rahmen dieses Festivals traten an insgesamt acht Tagen über vierzig Künstler*innen live im Museum auf. Laut RoseLee Goldberg, die einige der Aufführungen selbst erlebt hat, war es dieses Event, »[that] announced the now fashionable medium to the New York public at large.«3 Jay Sanders, ehemals Performancekurator am Whitney und heute Leiter des alternativen Kunstraums Artists Space, argumentiert sogar, dass die Veranstaltung den historischen Eintritt von Performance ins Museum markiert habe.4 Diese 1 Anders als RoseLee Goldberg, die die gesamten 1970er-Jahre als »the golden years« bezeichnet (Goldberg, RoseLee: Performance: The Golden Years [1983]. In: Battcock, Gregory (Hrsg.): The Art of Performance. A Critical Anthology. New York: Dutton 1984, S. 71–94), fasst der Kritiker J. [James Lewis] Hoberman die Jahre 1976–79 als »Golden Age of Performance«. Hoberman, J.: »Like Canyons and Rivers«. Performance for Its Own Sake. In: Sanders, Jay/Hoberman, J. (Hrsg.): Rituals of Rented Island. Object Theater, Loft Performance, and the New Psychodrama – Manhattan, 1970–1980. Ausst. Kat. New York, Whitney Museum of American Art. New York 2013, S. 9–25, hier S. 18. 2 Tucker war die erste weibliche Kuratorin des Whitney. Sie war maßgeblich daran beteiligt, ephemere und prozessuale Kunst im Whitney zu etablieren. Ihre erste Ausstellung (gemeinsam mit James Monte), Anti-illusion: procedures/materials (19.05.–06.07.1969), war die erste große Konzept- und Prozesskunstausstellung in den USA. 1975 kuratierte sie eine umstrittene Richard Tuttle-Ausstellung (12.09.–12.11.1975). Im Herbst 1976 wurde sie entlassen und gründete anschließend das New Museum, das heute selbst eine große Institution ist. 3 Goldberg [Golden Years] 1984, S. 81–82. 4 »With regard to downtown performance art, it was Marcia Tucker and a few others at the Whitney who tracked emerging practices in the 1970s in real time. […] As performance art was burgeoning in New York, through these kinds of efforts, it entered into the museum.« Jay Sanders in: Westerman, Jonah: Whitney Museum of American Art, New York. Jay Sanders, Engell Speyer Family Curator and Curator of Performance in Conversation with Johna Westerman, April 2015. In: Giannachi, Gabriella/Westerman, Jonah (Hrsg.): Histories of Performance Documentation. Museum, Artistic, and

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Einschätzungen gilt es zunächst zu relativieren. Wie die beiden vorangegangenen Kapitel zeigten, hatte es schon früher Performanceveranstaltungen in Museen gegeben, auch im Whitney, das seit 1968 in der unregelmäßig stattfindenden Reihe Composers’ Showcase Live-Performances präsentierte.5 Zusätzlich wäre zu überprüfen, inwiefern Performance anschließend tatsächlich im (musealen) Mainstream etabliert war. Nichtsdestotrotz bleibt der Sonderstatus dieser Veranstaltung, wegen ihres besonderen Umfangs, aber auch wegen des besonderen Renommees des Whitney, unbestritten. Mit seinem damaligen Hauptsitz an der Madison Avenue auf der New Yorker Upper East Side befand sich das Whitney nicht nur ideell, sondern auch räumlich im Machtzentrum der Kunstwelt der 1970er-Jahre.6 Nur wenige Kilometer südlich, in den Straßen und Lofts von SoHo, lag das Territorium der Avantgarde. Dort, im Dunstkreis alternativer Kunsträume wie The Kitchen oder Artists Space, schufen  sich junge Künstler*innen die notwendigen Rahmenbedingungen für ihre – nach dama­ ligen musealen Standards – unkonventionellen künstlerischen Experimente. Marcia Tuckers Projekt, das diese Downtown-Szene für die Dauer eines zweiwöchigen Festivals nach Uptown in das elitäre Museum ›transplantierte‹, war ein geradezu unerhörtes Unterfangen mit vielschichtigen Implikationen. Im Folgenden wird es deshalb einerseits um die Bedeutung der Veranstaltung für die Performancekünstler*innen und das Whitney Museum gehen, andererseits um ihre übergeordnete Bedeutung für die Performancegeschichte und das Museum als Institution. Trotz der historischen Bedeutung des Festivals beschränkt sich seine wissenschaftliche Rezeption bislang auf summarische Verweise, mitunter ergänzt durch die Abbildung des Veranstaltungsplakats, das die Namen der teilnehmenden Künstle­r*innen nennt (Abb. 3.1).7 Für eine tiefergehende Auseinandersetzung mit der Ver­ anstaltung bedarf es deshalb zuerst einer Rekonstruktion, die Gegenstand des ersten Teils dieses Kapitels sein wird. Neue Erkenntnisse verspricht dabei die erstmalige Auswertung der Veranstaltungsakten aus dem Nach­lass Marcia Tuckers, den das Getty Research Institute aufbewahrt.8 Über Mikro­rekonstruktionen der einzelnen Festivalbeiträge lässt sich ein Gesamteindruck des Festivals gewinnen, der neben inhaltlichen Erkenntnissen auch Rückschlüsse auf das kuratorische Konzept und die ­ eitung Atmosphäre der Veranstaltung zulässt. Im nächsten Schritt erfolgt dann eine W des Blicks durch eine Verortung des Festivals im Kontext des Museumsprogramms. Scholarly Practices. Abingdon, London, New York: Routledge 2018, S. 21–27, hier S. 22. Beinahe zeitgleich veranstaltete das MoMA ebenfalls eine Performancereihe, das Archiv des Museums besitzt allerdings keine Akten darüber. Vgl. Goldberg [Golden Years] 1984, S. 81–82. 5 Akten zu diesen Veranstaltungen: A-WHIT CS. Das Museum verweist im Zusammenhang mit seiner performancebezogenen Geschichte darauf, dass sich die Museumsgründerin, Gertrude Vanderbilt Whitney, bereits in den 1920er-Jahren für experimentelle Musik engagierte. Webseite: Whitney Museum. History of Performance at the Whitney. https://web.ar chive.org/web/20201019213627/https://whitney.org/exhibitions/performance (Zugriff: 19.10.2020). 6 Das Museum lag in der Nachbarschaft einflussreicher Galerien wie der Leo Castelli Gallery und Museen wie dem Guggenheim Museum oder dem Metropolitan Museum. 7 Sanders, Jay: Love is an Object. In: Sanders/Hoberman 2013, S. 27–39, hier S. 35. 8 A-GRI MTP. Mein Dank gilt Magdalena Nieslony, die mich bei der Beschaffung des Materials für dieses Kapitel unterstützt hat.

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Zur ›Eventisierung‹ des Museums

Dabei stehen einerseits Öffnungs- und Demokratisierungstendenzen im Vordergrund, die eine Aufnahme von Performance ins Museum überhaupt erst ermöglichten, andererseits aber auch die Kontroversen um das Jubiläumsprogramm des Museums zum US-amerikanischen Staatsjubiläum 1976, die zumindest für einige der beteiligten Künstler*innen eine Kooperation mit dem Museum nicht nur als Karrierechance, sondern auch als problematisch erscheinen ließen. Eine weitere Komplizierung ergibt sich schließlich durch den Befund, dass mitten im Festivalzeitraum und exakt am selben Ort ein zweites performatives Event stattfand, das in der Performancegeschichte bis dato unbeachtet blieb. Es handelt sich um die Veranstaltung Articulate Muscle: The Male Body in Art, ein Symposium mit Live-Demonstrationen dreier prominenter Bodybuilder, darunter Arnold Schwarzenegger. Der Einbezug dieser Veranstaltung als Vergleichs- und Abgrenzungsfolie schafft Anknüpfungspunkte, um über die Bedeutung des Festivals in seinem speziellen zeitlichen und räumlichen Kontext zu reflektieren. Im Zentrum des Interesses stehen dabei drei Themenkomplexe: Erstens soll die Vielschichtigkeit eines Prozesses beleuchtet werden, der allzu oft verkürzend mit dem negativ konnotierten Etikett der ›Institutionalisierung der Avantgarde‹ belegt wurde.9 Zweitens lässt sich zeigen, wie Performance als eine körperzentrierte Ausdrucksform in den größeren kulturhistorischen Kontext der 1970er-Jahre eingebunden war. Drittens wird es um den Zusammenhang zwischen dem Performativwerden der Kunst und der ›Eventisierung‹ des Museums gehen. Dabei ist die These, dass die Ambivalenz von kunstbezogener Erfahrungsorientierung und marktbezogener Erlebnisökonomie den Eintritt von Performance ins Museum von Beginn an begleitete.

Rekonstruktion des Festivals Performances: Four Evenings, Four Days Eine Veranstaltung mit vierzig individuellen Beiträgen zu rekonstruieren, ist ein ambitioniertes Unterfangen. Der Versuch scheint an dieser Stelle aus zweierlei Hinsicht gerechtfertigt. Erstens ist die Gesamtschau für die weitere Untersuchung notwendig. Zweitens wird der Inhalt des Festivals für den Performancediskurs erschlossen, was Anknüpfungspunkte für die weiterführende Forschungen schafft. Zugunsten der Übersichtlichkeit empfiehlt sich eine Orientierung an der Chronologie der Programmfolge. Zugunsten des Leseflusses enthält der Haupttext zu jedem Beitrag nur jeweils einen kompakten Einblick. Weiterführende Informationen, etwa zur Verortung der Beiträge im Kontext der jeweiligen künstlerischen Positionen, finden in 9 Wie etwa bei Peter Bürger in seiner Auseinandersetzung mit dem Scheitern der Neo-Avantgarden. Bürger, Peter: Nach der Avantgarde. Weilerswist: Velbrück 2014, S. 107 u. a.

Rekonstruktion des Festivals Performances: Four Evenings, Four Days

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den Fußnoten Platz. Anschließend an diese Mikrorekonstruktionen folgt eine vergleichend angelegte Synopse des Gesamtprogramms, sodass eilige Leser*innen die einzelnen Rekonstruktionen überspringen und hier wieder einsteigen können. Für eine Performanceveranstaltung ist die Quellenlage außerordentlich gut. Die Akten aus dem Nachlass Marcia Tuckers geben Aufschluss über Recherche, Planung und Durchführung. Tucker und ihre Kollegin Pamela Adler arbeiteten mit einem standardisierten Fragebogen, um den organisatorischen Überblick über die Vielzahl der Posi­tionen zu behalten.10 Zu diesem Fragebogen gehörte auch ein Plan der zur Verfügung stehenden Räumlichkeiten.11 Deshalb liegen für beinahe alle Beiträge Informationen zu den technischen Voraussetzungen, den Aufbau- und Probenzeiten sowie der gewünschten räumlichen Disposition, etwa dem Büh­ nen­ aufbau, der Platzierung des Publikums oder dem Bedarf an Umkleide- und Rückzugs­räumen vor. Es finden sich auch inhaltliche und biografische Informationen, die das Museum dann in leicht veränderter Form in zwei Pressemitteilungen sowie auf Programm­ zetteln veröffent­lichte.12 Ein besonderer Glücksfall ist, dass die Akten ein bisher unveröffentlichtes Konvolut an Lichtbildern enthalten.13 Diese geben zwar nur bedingt Auskunft über den Inhalt der Performances, sind aber eine wertvolle Ergänzung zu den eher technisch gelagerten Informationen der Fragebögen. Aufschluss über die

10 Folgende 13 Punkte wurden abgefragt: »1. Title / Name / Address / Phone; 2. Number of Performers / Names; 3. Dressing Room (yes/no) / Requirements. *Note: Toilet facilities are on 2nd and 5th floors of museum. There are none on 4th floor where performances will be held; 4. Rehearsal time: a) optimum time / b) minimum time possible; 5. Amount of time to set up before performance; 6. Duration of performance; 7. Intermission time: (Evening performers only); 8. Equipment: The Whitney has a limited amount of sound, audio and video equipment. Please list what is necessary for your performance. We would like you to discuss your needs with our Engineer, Don MacLean, and Building Supervisor, John Murray (794-0600) to determine how much of our equipment can be used. Because our budget is so low, we would like to avoid renting equipment. A partial list of what is available from the Whitney follows: 1–Altec 342B Amplifier / 1–Lafayette P.A-100A Amplifier / 4–AR4x Speakers / 4–Altec Speakers / 2–EV664 Microphones / 1–Shure Md 545 Microphones / 1–Self-contained Podium Mounted P.A. System portable / Standard Museum Lighting / 1–Quarter track Sony tape recorder / Slide projectors / Super 8 projectors / 16mm projectors / Stereo tape recorder / Video portapack / 1–television monitor / Equipment you will need (please include rental places and prices wherever possible). *Note: If cue lighting is necessary during performance, you must provide your own person; 9. Other equipment which will have to be rented or shipped: (List equipment, rental places, prices, costs of shipping.); 10. Staging – can you use existing floor (flagstone) or do you need platform, etc. Please list dimensions. (We have ten 4 × 4 × 12s.); 11. Floor plan – please indicate on enclosed floor plan where you would like to perform and seating arrangement for audience. (We have bleechers [sic] that seat 100 and foam pillows for 250.); 12. Please attach biography and 8 × 10 glossy black and white photos for Public Relations [sic]; 13. Please attach statement of intent for program.« Fragebögen. Diverse. A-GRI MTP, Box 48, Mappe 3–4. Original teilweise in Listenform, Interpunktion durch Autorin. 11 Ebd. 12 Pressemitteilung [17.02.1976]: Whitney Museum: Performances: Four Evenings, Four Days – Begin at Whitney Today, 1976. A-WHIT CS, Mappe 85; Pressemitteilung [o. D.]: Whitney Museum: Second Week of Performances. Ebd. Diverse Pro­gramm­zettel s. u. 13 Marcia Tucker plante einen Katalog zum Festival, der jedoch nie erschien. Sie ließ deshalb alle Performances fotografisch dokumentieren. Interne Kommunikation: Marcia Tucker an Tom Armstrong, Palmer Wald und Doris Wilk Palca [Betr.: Dokumentation]. A-GRI MTP, Box 48, Mappe 7. Wie bereits zu anderen Gelegenheiten engagierte Tucker ihren Bruder Warren Silverman als Fotograf. Tucker scheint später auf Anfrage Bilder herausgegeben zu haben, sodass einige Aufnahmen, darunter von Julia Heyward, Laurie Anderson und Adrian Piper, bereits im Umlauf sind. Offiziell ­herrschte während der Aufführungen Fotografierverbot. Dennoch wurden einige Performances, vermutlich mit einer besonderen Genehmigung, auch von anderen Fotograf*innen, wie Peter Moore oder Babette Mangolte dokumentiert.

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Zur ›Eventisierung‹ des Museums

Abläufe geben schließlich einige Rezensionen und Augenzeugenberichte sowie Hinweise von Künstler*innen, sofern diese für Fragen zur Verfügung standen. Räumlicher und zeitlicher Rahmen Alle Veranstaltungen fanden im damaligen Hauptsitz des Museums an der Madison Avenue, Ecke 75th Street statt. Der von Marcel Breuer entworfene massive Betonbau besitzt in seinem Innern drei übereinanderliegende Ausstellungssäle, die an ihrer Längsseite durch Aufzüge zu erreichen sind und deren markantes Erkennungs­ zeichen ihr dunkler Natursteinboden und eine abgehängte Kassettendecke aus Beton ist (Abb. 3.2–3.3). Die Performances fanden auf der dritten Etage im größten dieser drei Säle statt, der zu diesem Zeitpunkt vollständig leer war (Abb. 3.4).14 Seine einzige Fensteröffnung wurde durch eine weiße Wand verschlossen, sodass eine white-cube-Situation entstand, deren Beleuchtung durch den Einsatz von Deckenstrahlern flexibel variiert werden konnte. Auf seiner Breitseite, gegenüber der Auf­ züge, war der Raum durch eine lange durchgängige Wand begrenzt. Dahinter, in Richtung 75th Street, lagen drei kabinettartige Ausstellungsräume, die während des Festivals als Umkleideräume dienten.15 Die Wahl dieses Ortes für das Festival ist insofern bemerkenswert, als dass auch eine ›Auslagerung‹ in die Projektgalerie im Erdgeschoss oder in den sogenannten Downtown Branch denkbar gewesen wäre, einer Außenstelle des Whitney in Lower Manhattan, in der zwischen 1974 und 1982 ein Großteil des Live-Programms des Museums stattfand. Das Festival erstreckte sich über eine Dauer von zwei Wochen. Insgesamt waren acht Veranstaltungsblöcke an je zwei Dienstag- und Donnerstagabenden sowie zwei Samstag- und Sonntagnachmittagen terminiert. An den vier Abenden war jeweils ein längerer Programmpunkt vorgesehen, während sich die Nachmittags­veranstaltungen aus mehreren Positionen in etwa stündlicher Taktung zusammensetzten. Das Museum räumte dem Festival sowohl räumlich als auch zeitlich einen prominenten Platz ein: Es belegte über zwei Wochen hinweg etwa ein Viertel der gesamten Ausstellungsfläche. Mit den Samstag- und Sonntagnachmittagen sowie den Dienstagabenden, an denen das Museum bei freiem Eintritt regulär bis 22 Uhr geöffnet war, fielen die Veranstaltungsblöcke in die meistfrequentierten Zeiträume.16 Die Performances Dienstag, 17. Februar 1976, 20:30 Uhr: Laura Dean Den Auftakt der Veranstaltung gestaltete die Choreografin, Tänzerin und Kompo­ nistin Laura Dean. Gemeinsam mit einem Ensemble von sieben Tänzer*innen und einem Musiker zeigte sie Auszüge aus ihrer Choreografie Song, die sie damals im 14 Der Saal ist etwa 29 Meter lang, 15 Meter breit und 5,5 Meter hoch. Fragebögen, wie Anm. 10. 15 Toiletten gab es auf diesem Stockwerk keine. S. Anm. 10. 16 19,5% des Aufkommens an Besucher*innen pro Jahr fiel auf die Dienstagabende. S. Whitney Museum of American Art (Hrsg.): Whitney Review 1975–76. New York 1976, S. 4.

Rekonstruktion des Festivals Performances: Four Evenings, Four Days

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Auftrag des Walker Art Center und der Brooklyn Academy of Music entwickelte.17 Eine Fotografie aus dem Whitney zeigt die sieben Tänzer*innen während einer Probe in konzentriert-erwartungsvoller Haltung vor einem aufgeklappten Konzertflügel stehend (Abb. 3.5). Es gibt keine Bühne, doch schuf Dean eine frontale Bühnensitua­ tion, indem sie am Boden ein Rechteck vor der Längswand gegenüber der Aufzüge absteckte. Darum herum sollten die Zuschauer*innen auf Sitzkissen Platz nehmen.18 Ein Video der Premiere von Song, wenige Wochen später, vermittelt einen Eindruck der finalen, etwa einstündigen Choreografie.19 Sie beginnt mit mehrstimmigem Vokalgesang der reglos auf der Bühne stehenden Tänzer*innen, der bald durch zwei Klaviere abgelöst wird, die einen treibenden Klangteppich ausbreiten. Die Tänzer*innen wirbeln dazu in scheinbar endlosen Drehsequenzen – ein Marken­ zeichen Deans – über die Bühne, gelegentlich unterbrochen durch rhythmisches Stampfen. Sowohl die Choreografie als auch die Musik, die ebenfalls eine Kompo­ sition Deans ist, besitzen eine hypnotische Qualität.20 In New York spielten Laura Dean und David White die Klavierparts auf zwei eigens angemieteten Konzert­ flügeln.21 Donnerstag, 19. Februar 1976, 20:00 Uhr: Robert Wilson; Christopher Knowles; Lucinda Childs Der Theatermacher Robert Wilson führte gemeinsam mit Christopher Knowles und Lucinda Childs das Stück Dia log III auf, einen etwa anderthalbstündigen Dialog »zwischen drei Menschen, zwei Kassettenrekordern und drei Bildschirmen«.22 Anders als in Wilsons monumentalen Gesamtkunstwerken, für die er zeitgleich welt­ bekannt wurde, trat er in solchen Kleinstinszenierungen selbst auf.23

17 Die Premiere fand am 8. April 1976 in der Orchestra Hall, Minneapolis statt. Die Namen der Tänzer*innen in der Whitney-Performance waren: Angela Caponigro, Laura Dean, Luis Gonzalez, Naaz Hosseini, Kristine Lindahl, Erin Matthiessen und Marya Ursin. Programmzettel [17.02.1976]: Dean (Dance Company). A-GRI MTP, Box 48, Mappe 5. 18 Fragebogen [Aufbauskizze]: Laura Dean. A-GRI MTP, Box 48, Mappe 3. 19 Video: Laura Dean. Song in Performance 1976, S/W, Ton, 56:27  Min. Online: https://web.archive.org/web/ 20210210191347/https://www.youtube.com/watch?v=47A4wOou4Fo&feature=youtu.be (Zugriff: 10.02.2021). 20 »Spinning«, schreibt Dean, symbolisiere für sie eine »suspension between the sleeping and waking states«. Programmzettel [Dean], wie Anm. 17. Die Klavier-Partitur ist von repetitiven Triolrhythmen und gegenläufigen Tonleitern bestimmt und erinnert an die Minimal Music dieser Zeit. 21 Fragebogen: Laura Dean. A-GRI MTP, Box 48, Mappe 3. Von allen Künstler*innen wünschte Dean mit zwei bis drei vollen Probentagen die längste Probenzeit. Ebd. 22 Pressemitteilung [17.02.1976], wie Anm. 12. »III« steht nicht für die dritte Iteration, sondern für die Anzahl der Ak­ teur*innen im Stück. In der Literatur wird die Aufführung im Whitney auch als Dia log [3] geführt. Eine frühere Ver­ sion, DiaLog [2], führten Wilson und Knowles zu zweit erstmals 1975 am Connecticut College und in New York auf. Vgl. Shyer, Laurence: Robert Wilson and his Collaborators. New York: Theatre Communications Group 1989, S. 300. Parallel zur Aufführung wurden Christopher Knowles’ Buchstabenbilder (genannt: ›songs‹) präsentiert. In anderen Zusammenhängen wird Knowles auch als Urheber und zentrale Figur des Auftritts im Whitney Museum genannt. Vgl. Elms, Anthony/Als, Hilton (Hrsg.): Christopher Knowles. In a Word. Ausst. Kat. Philadelphia, University of Pennsylvania, Contemporary Arts Museum. New York, Philadelphia, Houston: Gregory R. Miller 2017. 23 Seine Oper Einstein on the Beach feierte noch im selben Jahr Premiere, zunächst am 25.07.1976 in Avignon, dann in den USA in der Metropolitan Opera, die Wilson dafür anmietete. Dazu: Shevtsova, Maria: Robert Wilson. London 2007. S. 84–85. Diese Produktion entstand ebenfalls in Zusammenarbeit mit Christopher Knowles (als Librettist) und Lucinda Childs (als Tänzerin). Die Musik schrieb Philip Glass. Connie Beckley gehörte als Sängerin zur Urbesetzung.

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Als Bühne nutzte Wilson eine Schmalseite des Ausstellungssaals.24 Dort wurden drei Tische platziert, zwei mit einem Mikrofon darauf und einer mit einem Zeichengenerator, den Knowles bediente.25 Am vorderen Ende des Aufführungsbereichs wurden drei Monitore aufgehängt, die zum Publikum zeigten und auf denen die von Knowles geschriebenen Worte erschienen (Abb. 3.6). Fotografien von einer Probe zeigen außerdem ein metallenes Bettgestell mit einer Matratze darauf sowie mehrere Leitern und weiße Sockel, auf die begehbare hölzerne Rampen hinaufführen. Auf ihnen bewegen sich die Akteur*innen abwechselnd hinauf- und hinunter (Abb. 3.7).26 Den Ausgangspunkt für den improvisierten Dialog, der im Zentrum des Stückes stand, bildeten die repetitiven Textkonstruktionen von Christoper Knowles, die teils live vorgetragen, teils vom Band eingespielt wurden.27 Durch den vielschichtigen Einsatz von Bild- und Ton-Aufzeichnungen verweist Dia log III auf alternative, (dys-)funktionale Kommunikationsmuster und besitzt damit eine sozial- wie medienkritische Dimension.28 Samstag, 21. Februar 1976, 12:00–18:00 Uhr: Robert Morgan; Stuart Sherman; Nancy Lewis & Richard Peck; Connie Beckley; Michael Smith; Mary Overlie Den Auftakt der ersten Nachmittagsveranstaltung machte der Konzeptkünstler Robert Morgan, dessen Beitrag Translocations eine Premiere war. Morgan bezeichnete diese und ähnliche Performances als »structural events«, da sie auf präzisen, geometrisch gezeichneten Partituren basierten.29 Auf der Projektskizze markierte er ein großes rechteckiges Feld im Zentrum des Saals, in dessen Mitte ein Kreis ein­ geschrieben ist. Der Programmzettel des Whitney kündigt an: Two movement patterns based on relative placement of sound and visual cues. 1) Choreography relating elemental motion to stereo recording of swimmers in 24 Vgl. Fragebogen [Aufbauskizze]: Robert Wilson/Christopher Knowles/Lucinda Childs. A-GRI MTP, Box 48, Mappe 4. 25 Ein Zeichengenerator ist eine Art elektrische Schreibmaschine, die zum Erstellen von Schrifteinblendungen bei LiveÜbertragungen im Fernsehen verwendet wurde. 26 Weitere Aufnahmen der Performance von Richard (Dickie) Landry auf der Webseite des Künstlers. Webseite: Richard Landry. Fotografien des Künstlers. https://web.archive.org/web/20201115180933if_/http://www.dickielandry.com/ photography/nqof1wp6zijic28krjzcxmg48vg92t (Zugriff: 15.11.2020). Audio-Aufzeichnung der Probe im Whitney in der Sammlung der New York Public Library. Webseite: New York Public Library. Probenaufzeichnung Wilson/ Knowles/Childs, Whitney Museum, New York, 1976. https://web.archive.org/web/20201115180600/https://catalog. nypl.org/record=b16113502~S98 (Zugriff: 15.11.2020). Die Aufnahme konnte für dieses Buch nicht mehr konsultiert werden. 27 Auf Abb. 3.6 ist auf einem der Monitore folgender von Knowles geschriebener Text zu erkennen: »SO FAR AWAY/ CRACKLINE ROSIE/S ABOUT THE FIRS/T SECTION THE SE/COND SECTION AND/THE THIRD SECTIO/ N8…«. Knowles’ Texte bestehen meist aus wenigen Sätzen, die sich bis zur Sinnentleerung wiederholen und sich mitunter stotternd selbst unterbrechen. Laurence Shyer beschreibt die Dia logs als »structured encounters, which usually combined live speech and Knowles’ prerecorded tape constructions with chance dialogue and music«. Shyer 1989, S. 81. Lucinda Childs stellt fest: »Chris is usually the dominating force in any situation because he’s unpredictable [Knowles hat eine angeborene Gehirnanomalie.]. You tend to play off whatever he does.« Shyer 1989, S. 83. 28 Franco Quadri spricht von einer »Parodie auf das Fernsehen». Quadri, Franco: Das Leben und die Zeit von Robert Wilson. In: Quadri, Franco et al. (Hrsg.): Robert Wilson. Stuttgart: Daco 1997, S. 9–64, hier S. 18. 29 Bui, Phong: Robert C. Morgan with Phong Bui. In: The Brooklyn Rail, 2009, Juli-Aug. Online-Magazin. https://web. archive.org/web/20200808182836/https://brooklynrail.org/2009/07/art/robert-morgan (Zugriff: 08.08.2020). »What I was doing was using geometry as a way of working with performance.« Robert Morgan in: Ebd.

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a pool. 2) Accompanied by projected diagrams, performers work to build momentum within a pattern by manipulating hand claps at various points throughout the interior space.30 Die Performance war also zweigeteilt. Während der ersten Hälfte war Morgan allein auf der Bühne. Er ließ Wasser über einer Flamme verdunsten oder vermaß den Raum mit seinem Körper und einem Bambusstab, begleitet von Diaprojektionen und Toneinspielungen von Wassergeräuschen (Abb. 3.8). Das Stück fügte sich in den Zusammenhang von Morgans Waterfields-Arbeiten, für die er Schwimmer im Wasser choreo­grafierte.31 Für die Museums-Performance nutzte er nun eingespielte Wasser­ geräusche sowie »sand [as] a kind of symbolic intermediary«.32 Statt Schwimmern setzte er im Whitney Tänzerinnen ein, die im zweiten Teil der Performance zwei inein­ander eingeschriebene Kreisformen am Boden in einer festgelegten Choreografie abschritten (Abb. 3.9–3.10).33 Es folgte ein Solo-Auftritt Stuart Shermans, der eines seiner Spectacles präsentierte. Das sind laut dem Programmzettel »[b]rief, humorous ›routines‹ each demonstrating a complex idea through a precise sequence of simple actions.«34 Im Vordergrund dieser Mikrospektakel stehen Alltagsgegenstände, die Sherman mit der Routine eines Hütchenspielers und viel trockener Ironie zum Leben erweckt. Eine Fotografie zeigt den Künstler zwischen zwei kleinen Klapptischen stehend, die in vielen seiner Performances eine Rolle spielen. Hinter ihm hängt eine Karte von Upper Manhattan an der Wand, während eine zweite Karte von Lower Mahattan darunter am Boden liegt. Vor ihm sind in zwei langen Reihen verschiedene Gegenstände am Boden ausgelegt, darunter links eine Flinte, ein Tropenhelm (und weitere Kopfbedeckungen), eine Trommel und ein kleiner Globus; rechts zwei Kopfkissen, ein Telefon, eine große Papiertüte und weitere Gefäße (Abb. 3.11–3.12). RoseLee Goldberg spricht in einer Beschreibung der Performance von: »pillows, doorknobs, safari hats, guitars, and shovels [that] were produced by him from cardboard boxes and he then proceeded to demonstrate the ›personality‹ of each object through gestures and sound produced on a nearby cassette recorder.«35 30 Programmzettel [21.02.1976]: Morgan; Sherman; Lewis/Peck; Beckley; Smith; Overlie. A-GRI MTP, Box 48, Mappe 5. 31 Diese Choreografien basierten auf gezeichneten Diagrammen. Zum Werk Robert Morgans s. Webseite: Robert C. Morgan. https://web.archive.org/web/20201204181503/http://robertcmorgan.com/ (Zugriff: 04.12.2020). 32 E-Mail [19.02.2019]: Robert C. Morgan an Lisa Beißwanger. A-A. »Many of the ideas in Translocations came from being in water, not land«. Ebd. Zu Morgan s. auch: Morgan, Robert C./Lawn, Andrzej (Hrsg.): Robert C. Morgan. Metaphysical Paintings, Performance, Conceptual Art, 1970–2009. Ausst. Kat. Williamsburg, Sideshow Gallery. Williamsburg 2009. 33 Die Namen der Tänzerinnen waren: Laura Britain, Naomi Schaeffer und Leslie Seaman von der Washington Square Repertory Dance Co. S. Programmzettel [21.02.1976], wie Anm. 30. 34 Ebd. Indem er seine Spektakel mit Seriennummern versah, konterkarierte Sherman die Assoziation des Außergewöhnlichen, den der Begriff des Spektakels aufruft. In den Akten zum Whitney-Auftritt findet sich keine Nummer, RoseLee Goldberg nennt die Arbeit Fourth Spectacle. Goldberg, RoseLee: Performance. Live Art 1909 to the Present. New York: Abrams 1979, S. 119. Aufzeichnungen ähnlicher Spektakel, die auch im öffentlichen Raum stattfanden, zeugen von einer bemerkenswerten Routine und Präzision mit der Sherman diese kleinen Inszenierungen aufführte. Dabei ist eine zurückgenommene Körperlichkeit und eine Konzentration auf die Hände und Gesten des Künstlers auffällig. 35 Ebd. Zu Stuart Sherman s. Sherman, Stuart (Hrsg.): Beginningless Thought/Endless Seeing. Ausst. Kat. New York, Gallery New York University. New York: 80WSE 2011.

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Nancy Lewis und Richard Peck zeigten ein frei improvisiertes, tänzerisch-mu­ sikalisches Duett.36 Ihre ›Bühne‹ bildete ein bis zur gegenüberliegenden Wand konisch zulaufender Korridor, der auf dem Boden durch weiße Linien markiert war. Rechts und links davon saß das Publikum. Eine Fotografie zeigt Lewis, in einem langen schwarzen Rock und roter Karobluse, barfuß auf Zehenspitzen balancierend (Abb. 3.13). Links im Hintergrund und etwas abseits im Schatten sitzt Peck an einem elektrischen Klavier, mit dem Rücken zum Publikum. Während also die Tänzerin den Aufführungsraum physisch bestimmte, drang die Musik – Peck ist Jazzmusiker und man assoziiere den glockenartigen Klang eines Fender Rhodes-Klaviers – über vier Lautsprecher, die in den Raumecken und damit im Rücken des Publikums platziert waren, in den Saal.37 Connie Beckley präsentierte drei Stücke aus ihrem Repertoire konzeptueller Live-Musik.38 Sie eröffnete mit Song Contained. Dabei sang sie in einen weißen Plastiksack hinein, der sich durch den Luftstrom nach und nach aufblähte. Das in den Ballon eingeschlossene und damit ›materialisierte‹ Lied blieb für die restliche Dauer des Auftritts auf der Bühne (Abb. 3.14). Für Sound Split arbeitete Beckley mit einem Vierspur-Kassettenrekorder, mit dem sie Aufnahmen ihrer eigenen Stimme zu einem mehrstimmigen, vibrierenden Klangteppich zusammenfügte.39 Convertion schließlich führte sie in Kooperation mit dem Vibraphon-Spieler Norman Freeman auf. Er wiederholte auf seinem Instrument mehrfach dasselbe Dur-Arpeggio aus insgesamt sechs Tönen, das anschließend durch sechs Blinklichter einer Lichtorgel auf-

36 »A duet consisting of movement and sound with spontaneous improvisation.« Programmzettel [21.02.1976], wie Anm. 30. Beide arbeiteten seit 1973 zusammen. Auf der Webseite der Band von Richard Peck heißt es: »His initial forays were backing dancers from Natural History of the American Dancer (a troupe based out of 112 Greene Street), dancer Nancy Lewis Greene (who would later become his wife), solo and in loose groups, like those of Landry, who recorded a couple of free jazz recordings for Glass’s Chatham Square Records.« Webseite: Richard Peck and Roux. https://web.archive.org/web/20201115173713if_/https://richardpecksroux.bandcamp.com/releases (Zugriff:15.11.2020). Lewis war, wie viele New Yorker Tänzer*innen dieser Ära, durch Merce Cunningham zum (Post-)Modernen Tanz gekommen und hatte bereits mit vielen bedeutenden US-amerikanischen Choreograf*innen, wie José Limon, Anna Sokolow oder Twyla Tharp gearbeitet. Sie war außerdem Mitglied der Gruppe Grand Union, die sich 1976 auflöste. Vgl. Banes, Sally: Grand Union. The Presentation of Everyday Life as Dance. In: Dance Research Journal, 10. Jg. 1978, H. 2, S. 43–49. Robb Baker über eine frühere Aufführung: »She has long had an interest in improvisation (›I’d always felt this natural tendency toward it, but just had never found anyone to perform with‹), and now also performs solo improvisations and collaborations with a combined free-form music and dance group called the Collected Works. Her performances at the Dance Gallery were a collaboration with tenor sax player Richard Peck (›Barbara danced that night, too, and we had invited a few artists, telling them to show films, bring their own works or whatever. The place was filled with chaotic energy from all those different media. It was even harmonious at times! I loved it.‹)« Baker, Robb: Grand Union. Taking a Chance on Dance. In: Dance Magazine 1973, Oktober, S. 41–46, hier S. 42. 37 Für den Auftritt erbat sich das Duo ein Soundsystem und ein Fender Rhodes (ein spezielles elektrisches Klavier), das mittig an der langen Nordostwand platziert werden sollte. Fragebogen [Aufbauskizze]: Nancy Lewis/Richard Peck. A-GRI MTP, Box 48, Mappe 4. 38 »[T]hough I come from a music background, audio, visual and conceptual components are combined on equal basis and are realized mainly through live performance.« Beckley über sich selbst im Programmzettel. Programmzettel [21.02.1976], wie Anm. 30. 39 Audio: Connie Beckley: Sound Split. In: Darmstadt Essential Repertoire 2009, vol. 1. 7:14 Min. Online: https://web.ar chive.org/web/20190719110730/http://freemusicarchive.org/music/Connie_Beckley/ (Zugriff: 19.08.2020).

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gegriffen wurde.40 Ein verbindendes Element des gesamten Programms war Beckleys Interesse an verschiedenen Aggregatzuständen von Musik, zum Beispiel durch die Übertragung von Klang in visuelle oder skulpturale Formen. Nach einer Umbaupause – die ›Bühne‹ wurde wieder an die Schmalseite des Raums verlegt – folgte ein komödiantischer Auftritt von Michael Smith.41 Im Programm stehen drei ›Nummern‹. Zuerst ein Popular Dance in 3 Parts (The Plunge, The Birddog, The Chicken), möglicherweise eine Persiflage auf die Improvisationstechniken im postmodernen Tanz,42 dann einen Magiccomic Act, der Auftritt eines dilettantischen Zauberkünstlers mit »transparently faked magic tricks«.43 Als drittes folgte (Baby) Ikki Eating in NYC. Smith trat darin als pantomimische Verkörperung eines Riesenbabys auf, mit Windeln, weißem Häkelhäubchen, und Sonnenbrille.44 Einige Fotografien zeigen Smith in diesem Aufzug am Boden hockend, krabbelnd oder an einem Tisch sitzend (Abb. 3.15). RoseLee Goldberg, die diesen Auftritt gesehen hat, deutet Smiths Praxis als Ausdruck der neuerlichen Tendenz zur Unter­ haltsamkeit in der Performanceszene.45 Der letzte Auftritt des Abends war eine Solo-Performance der Tänzerin Mary Overlie, die zwei Stücke aus ihrem Repertoire ankündigte, Adam und Small Dance.46

40 Ausschnitte aus einer Kritik in der Village Voice zu einem längeren Programm Beckleys im Artists Space am 12. Dezember 1975: »In ›Song Contained‹ Beckley sang into a balloon, which inflated a little with each tone. After a few minutes of this, she stopped singing, tied off the inflated balloon, and hung it up, so that we could look at her ›Song Contained‹ during the remainder of the evening. […] ›Conversion‹ involved the conversion of an idea from musical terms into visual terms. Gordon Gottlieb reiterated a fast majorchord arpeggio on six notes for quite a while. Then, at the other side of the room, a curious little machine with six light bulbs on top started flashing. I soon realized that the six lights were flashing in the same sequential pattern which the six musical notes had followed at the beginning of the piece. […] ›Sound Split‹ involved distributing around the room four cassette tape recorders, each of which played back Beckley’s voice intoning a different pitch.« Johnson, Tom: Connie Beckley Sings a Spiral. December 29, 1975. In: Ders.: The Voice of New Music. New York City 1972–1982. A Collection of Articles Originally Published in the Village Voice. Eindhoven: Het Apollohuis 1989, S. 197–199, hier S. 198–199. Aus einer Kritik zur Whitney-Performance: »Connie Beckley has a pretty voice, which she recorded on four cassette machines and placed at disparate locations. The resultant ensemble trilling of ›Sound Split‹ had the blend of four-part wordless harmony. ›Conversion‹ took Norman Freeman’s xylophone playing, enhanced it electronically and then made a visual display out of it by rhythmically flashing lights.« McDonagh, Don: A Dance Program with Visual Artists Given at Whitney. New York Times, 23.02.1976. 41 Smith war erst vor Kurzem aus Chicago nach New York gekommen. Martha Wilson empfahl ihn für den Auftritt im Whitney. »Martha Wilson saw at [sic] Artists Space few days ago – thought he was very good – sort of a stand up comic.« Notiz von Pam Adler an Marcia Tucker. Notiz: Pam Adler an Marcia Tucker. A-GRI MTP, Box 48, Mappe 4. 42 Bei einer Performance im Artists Space, im Oktober 1976, zeigte er ein Stück namens Minimal Message Movement, das eine Parodie auf Trisha Browns Tanzstil war. Vgl. Hoberman 2013, S. 18. 43 »Michael Smith employed the mannerisms of a stand-up comic with transparently faked magic tricks, that had some amusing moments in his ›Magiccomic Act,‹ and his imitation of an impossible infant in ›(Baby) Ikki Eating in NYC‹ elicited genuine if limited laughter.« McDonagh 1976. 44 Baby Ikki ist eine Figur, die in Smiths Werk immer wieder auftritt. Smith, der sich selbst als Kind der Fernsehgeneration bezeichnet, verfügt über ein ganzes Repertoire an Charakteren oder Rollen, die er, bis heute, je nach Ort und Gelegenheit unterschiedlich einsetzt. Er arbeitet dabei sowohl pantomimisch als auch mit Dialogen und setzt eine Vielzahl an Requisiten ein. 45 Goldberg, 1984, S. 73–74. 46 Mary Overlie entwickelte später eine eigene Methode zur Vermittlung von Tanz und gehörte zu den ersten Lehrenden des Experimental Theater Wing an der New Yorker Tisch School of the Arts. S. Overlie, Mary (Hrsg.): Standing in Space. The Six Viewpoints Theory & Practice. O. O.: o.V. 2016. In den 1970er-Jahren orientierte sie sich an ›klassischen‹ Vorbildern wie Martha Graham, Merce Cunningham oder José Limon. Zugleich war sie inspiriert von der basisdemokratischen Improvisationspraxis des Kreises um Yvonne Rainer und der Grand Union, obwohl sie nie selbst Mit-

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Dem vorangegangenen schrillen Beitrag Smiths setzte sie eine Demonstration der Konzentration und Innerlichkeit entgegen. Die Kritikerin Wendy Perron beschreibt den Auftritt und die Atmosphäre im Museum folgendermaßen: On entering the space, Mary Overlie had an intentness that immediately brought a rowdy audience to a stunned silence. The poignant blend of authority and vulnerability in her face and the look of her strong beige-covered body will stay with me for some time. The twenty-minute dance was called Small Dance and she danced small, directing her and our attention to the quavering of her hand, the sudden sinking of her chest. Shimmers gently shooting through her body. Stillness was drawn out, and when it finally burst into motion, it was not to show contrast, rather the motion had stillness in it and the stillness had motion…. Hovering on the edge. I kept thinking of a hummingbird and I kept my eyes glued.47 Overlie strebte nach einem tänzerischen Ausdruck für innere Bilder und eine besondere Form der Einfühlung, nicht nur in den eigenen Körper sondern auch in Verbindung zum Publikum.48 Sonntag, 22. Februar, 12:30–14:45: Martha Wilson; Judy Padow Dance Company; Jean Dupuy und 19 weitere Performer*innen Martha Wilson eröffnete das Programm am Sonntagnachmittag mit der Performance Queen. Es war ihr erster Auftritt vor Live-Publikum49 und einer der wenigen explizit politischen Beiträge, in dem es um Identitätspolitik und Frauenfeindlichkeit ging.50 Das von Wilson selbst verfasste Skript zur Performance, das den Akten vollständig beiliegt, ist die Adaption einer Szene aus Lewis Carolls Alice im Spiegelland (1871), gespickt mit Passagen aus Arthur Schopenhauers misogyner Schrift Über die Weiber

glied der Gruppe war. Sie war aber Teil der Improvisationsgruppe Natural History of the American Dancer, mit Carmen Beuchat, Suzanne Harris, Cynthia Hedstrom, Rachel Lew, Barbara Lloyd und Judy Padow. 1973 choreografierte sie The Saint and the Football Player für das Theaterensemble Mabou Mines. 47 Perron, Wendy: Followable Dancing. Soho Weekly News, 04.03.1976. In einem später aufgezeichneten Video von Small Dance ist eine ruhige Streicher-Begleitung zu hören, die den Auftritt im Museum möglicherweise ebenfalls begleitete. Video: Mary Overlie’s Archive: Small Dance/Locations of Love. 1998. Farbe, Ton, 16:01 Min. https://web.ar chive.org/web/20210210191443/https://vimeo.com/246975295 (Zugriff: 10.02.2021). 48 Über Small Dance schreibt sie: »Composed in 1976, ›Small Dance‹ is a three-way conversation between the body of the dancer, the mind of the dancer and the audience. It is about the manifestation of consciousness through the instrument of consciousness, the body. The body is regarded as the instrument closest to my creativity in this dance and it is asked to respond with total presence and subtlety to my stimulus.« Programmzettel [21.02.1976], wie Anm. 30. Vgl. auch Sommer, Sally R.: Mary Overlie. I Was a Wild Indian Who Happened to Dance. In: The Drama Review, 24. Jg. 1980, H. 4, S. 45–58. 49 E-Mail [20.02.2019]: Martha Wilson an Lisa Beißwanger. A-A. Zuvor performte Wilson nur vor der Kamera. Wilson studierte Literaturwissenschaft in Halifax und wandte sich erst danach der Kunst zu. Im April 1976 gründete sie den alternativen Kunstraum Franklin Furnace in New York. 50 Eine handschriftliche Notiz an Marcia Tucker auf dem Deckblatt des Skriptes verweist explizit darauf, dass es in Queen um Konventionen und Rollenzuschreibungen sowie Formen verbaler, gestischer oder sexueller Diskriminierung gehe. Skript: Martha Wilson: Queen. A-GRI MTP, Box 48, Mappe 5.

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(1851).51 Die eierförmige Märchenfigur Humpty Dumpty mutiert darin zum unsympathischen Chauvinisten, dessen autoritäre Sprachakrobatik das Mädchen Alice abwechselnd in kindliche Ratlosigkeit und Empörung stürzt.52 Wilson führte diesen Plot, der wahrscheinlich vom Band eingespielt wurde, mit ihrem damaligen Loft-Mitbewohner Haviland Wright auf.53 In Abendgarderobe gekleidet, bewegten sie sich wie Schachfiguren – ebenfalls eine Reminiszenz an Carolls Werk – über die quadratischen Steinfliesen des Museums (Abb. 3.16).54 Es folgte der vierteilige Ensemble-Auftritt der Judy Padow Dance Company mit den Stücken The Drift (1975); Repeat (1974), The Snake Dance (1975) und Jamming (1975).55 Padow schreibt über ihr Programm: In these dances I have been concerned with the process of arriving at rather than the ordering of movement material. In many of the pieces the movement option is a forward walk with the possibility of a directional change. In ›The Drift‹ and ›Jamming‹ the dancers are required to coordinate the change of direction with the creation of short repeatable walking phases. ›The Snake Dance‹ is like a machine that creates motion. A few simple rules generate a rich source of patterning possibilities.56 Jedes der sehr kurzen Stücke war zwar unterschiedlich besetzt, basierte aber auf ähnlichen Improvisationsprinzipien.

51 Englischer Titel des Caroll-Werks: Through the Looking-Glass, and What Alice Found There. Dies ist der zweite Teil des Kinderbuchklassikers Alice in Wonderland (1865). Skript, wie Anm. 50. 52 Wilsons Verknüpfung von Geschlecht, Identitätspolitik und Sprache greift den Theorien Judith Butlers vor. Vgl. Wark, Jayne: Martha Wilson. Not Taking it at Face Value. In: Dykhuis, Peter/Wilson, Martha/Wark, Jayne (Hrsg.): Martha Wilson. Staging the Self. Halifax: Dalhousie Art Gallery 2011, S. 13–34, hier S. 15. Das Skript zur Performance beginnt folgendermaßen: »›And how exactly like an egg he appears to be,‹ she said aloud, standing with her hands ready to catch him, for she was every moment expecting him to fall. / ›It is very provoking,‹ Humpty Dumpty said after a long silence, looking away from Alice as he spoke, ›to be called an egg—very.‹ / ›I said you looked like an egg, Sir,‹ Alice gently explained. ›And some eggs are very pretty, you know,‹ she added, hoping to turn her remark into a sort of compliment. / ›Being a woman, it is natural that you would judge only by appearances, though it is well known women have no judgement either.‹ / Alice didn’t know what to say to this: it wasn’t at all like conversation, she thought, as he never said anything to her: in fact, his last remark was evidently addressed to a tree—so she folded her hands and remained silent.« Wilson [Skript], wie Anm. 50. 53 Zum Setup gehörten ein Stereo-Kassettenrekorder mit Audiospur (produziert von Kurt Munkacsi), ein Verstärker sowie zwei Lautsprecher rechts und links der Performancefläche. Ebd. 54 Allerdings waren die Bodenplatten nicht wie ein Schachbrett, sondern versetzt verlegt. 55 Besetzung der Stücke: The Drift (1975): Mary Overlie und Judy Padow; Repeat (1974): Cynthia Hedstrom, Mary Overlie, Danny Tai und David Woodberry; The Snake Dance (1975): Cynthia Hedstrom, Mary Overlie, Danny Tai und David Woodberry und Jamming (1975): Mary Overlie und Judy Padow. Programmzettel [22.02.1976]: Wilson; Padow (Dance Company); Dupuy. A-GRI MTP, Box 48, Mappe 5. Mary Overlie trat im Rahmen des Festivals also zweimal auf. Für eine vergleichende Perspektive auf Judy Padow und Lucinda Childs s. Siegel, Marcia B. (Hrsg.): The Tail of the Dragon. New Dance, 1976–1982. Durham: Duke U P 1991, S. 40 ff. 56 Programmzettel [22.02.1976], wie Anm. 55. Don McDonagh beschreibt Padows Arbeiten als schnell und subtil. McDonagh 1976. Anna Kisselgoff bezeichnet Padow als »choreographer of the ordinary-movement school«. Kisselgoff, Anna: Judy Padow Group Presents Experimental Program. New York Times, 15.02.1971.

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Auch Padow arbeitete mit dem leeren Museumsraum und richtete ihre ›Bühne‹ mittig an der langen Wand ein.57 Folgende Beschreibung einer anderen Aufführung vermittelt einen Eindruck von Repeat: Cynthia Hedstrom, in a pool of light against black drapes, walked briskly, in profile, three steps forward, pivoted, three steps the other way, pivoted. She kept this up for a long time, gradually getting a few feet closer to the audience. Then she turned to face us, jumped from foot to foot with large arm swings, for a shorter time. Then she stopped and stood still for a few seconds. Then the light went out. The concentrated smallness of the image she created did funny things to my vision—I kept thinking. I saw her arms move slightly differently, her momentum hesitate for an instant. Once she flicked out of sight, like a couple of missing frames in a movie. But the sequence didn’t go on long enough to make any important demands on my perceptions.58 Am späteren Nachmittag gehörte der Ausstellungssaal dem Künstler Jean Dupuy und seinem Event A Sunday Afternoon on a Revolving Stage, zu dem er weitere 19 Performer*innen einlud.59 Das Event stand in der Tradition der Fluxus-Konzerte der 1960er-Jahre und reihte sich zugleich in eine lose Serie ähnlicher Veranstaltungen ein, die Dupuy bereits an verschiedenen Orten in New York organisiert hatte. Direkter Bezugspunkt war ein dreitätiges Event in der Judson Church im Januar 1976.60 Dort wie im Whitney stand eine kleine schwarze Drehbühne im Zentrum des Geschehens.61 Sie definierte den Spiel-Raum für alle Beiträge. Die Spiel-Zeit setzte Dupuy auf drei Minuten für jede*n Performer*in fest.62 Der Charakter dieser kurzen Auftritte war im Vergleich zu den anderen Performances spontaner und improvisier-

57 Fragebogen [Aufbauskizze]: Judy Padow. A-GRI MTP, Box 48, Mappe 4. 58 Siegel 1991, S. 40–42, hier S. 41–42. 59 Alle Performer*innen in der Reihenfolge ihrer Auftritte: Olga Adorno, Charles Atlas, James Barth und Dale Scott, Stephen Crawford, Diego Cortez, Jean Dupuy, Angela Frascone, Andrea Halpern, Dick Higgins, Pooh Kaye, Alison Knowles, Tony Mascatello und John Howell, George Maciunas, Dick Miller, Dale Scott, Hannah Wilke und Norman Carey. Interne Kommunikation: Künstlerlisten zu Jean Dupuys Event. A-GRI MTP, Box 48, Mappe 3. Auf dem Programmzettel stehen außerdem Sylvia Whitman, Al Carmine, Suzanne Harris, Jeannie Gollobin und Connie [Constance] DeJong, die vermutlich nicht auftraten. Nicht angekündigt und somit spontan eingeladen oder erst später zugesagt, waren Beiträge von Hannah Wilke, George Maciunas, Dale Scott und Norman Carey. Programmzettel [22.02.1976], wie Anm. 55. 60 Three Evenings on a Revolving Stage, 08.; 09. u. 10.01.1976, Judson Church, New York. 61 Die Bühne im Whitney hatte einen Durchmesser von etwa 60 Zentimetern. Empfangsbescheinigung [17.02.1976]. Whitney Museum an Times Square Theater Corp. A-GRI MTP, Box 48, Mappe 7. 62 Jean Dupuy über die Idee zur Drehbühne: »One day I just thought to use a real revolving stage. I went to see some at a midtown theatre property place. There I saw this tiny stage, a beauty in black steel, which was two feet in diameter and yet could carry eight hundred pounds as it turned at two and a half revolutions per minute. I wanted to put that in a big space and I thought about Judson Church. (…) I invited fifteen artists to use more time but the space was limited to the stage, and of course there was the slow motion movement too.« Dupuy, Jean/Howell, John: Jean Dupuy talks with John Howell. In: Dupuy, Jean (Hrsg.): Collective Consciousness. Art Performances in the Seventies. New New York: PAJ Publications 1980, S. 5–10, hier S. 7.

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ter.63 Die folgende stichpunktartige Synopse basiert auf schriftlichen Aussagen der Künstler*innen in einer Überblickspublikation Jean Dupuys.64 Olga Adorno stand zuerst auf der kleinen Bühne und ahmte in einer Improvisa­ tion Tiergeräusche und -bewegungen nach und rief dann mehrfach, in abnehmender Lautstärke, das Wort ›Echo‹ in den Raum.65 Charles Atlas trug einen halb-fiktiven Text über seinen kleptomanischen Großvater vor, der mit dem Hinweis, dass auch er seine engsten Freunde aufs dreisteste bestehle, eine unbehaglich reale Wendung nahm.66 James Barth und Dale Scott legten einen drei Meter langen Holzbalken mittig auf die Bühne und versuchten mehrfach – zwei von drei Versuchen scheiterten – sich darauf entgegenzugehen, in der Mitte der Bühne zu passieren und sich wieder voneinander zu entfernen (Abb. 3.17).67 Stephen Crawford zeigte sich fernöstlich inspiriert. Er stellte eine Tasse Tee auf die Drehbühne, als »See auf einem sich drehenden Planeten«.68 Dazu las er ein altes chinesisches Gedicht und führte eine tänzerische Improvisation auf.69 Diego Cortez’ Beitrag hieß Vienna, City of Song. Er mimte einen Sprecher oder Reiseführer, der, unterstützt durch Bild- und Toneinspielungen, eine fiktive Tour durch Wien – dem Künstler zufolge ein Codewort für das Whitney – leitete.70 Der Auftritt war gespickt mit ironischen Verweisen auf die Dekadenz der New Yorker Kunst- und Museumsszene und auf den Eventcharakter des Performancefestivals.71 Jean Dupuy und Olga Adorno unternahmen eine Reise in einer Pappschachtel, aus der sie mit vertauschter Kleidung wieder herauskamen.72 Angela Frascone wurde bei ihrem Beitrag von Andrea Halpern unterstützt, die mit einem verschmutzten Spiegel auf der Drehbühne saß. Frascone wischte den Spiegel mit jeder Umdrehung der Bühne ein Stück weiter sauber, sodass er begann, das Publikum zu reflektierten.73 Andrea Halpern stand mit einem geschlossenen Regenschirm auf der Drehbühne, an dessen Streben aufgerollte Garnrollen befestigt waren. Beim Öff-

63 Peter Frank schreibt: »Like its Judson predecessor, the Revolving Stage revue was a smorgasbord of presentations, from the visual to the conceptual, from the crafted to the insouciant, from the sublime to the ridiculous. The revue as a whole was slow-moving, what [sic] with all the setting up before each piece (usually longer than the piece itself), but there were high points aplenty-perhaps more than at the Judson (or was it just more comfortable to sit in the Whitney?).« Frank, Peter: Performance Diary. SoHo Weekly News, 18.03.1976. In: Dupuy 1980, S. 41. 64 Verschiedene Autor*innen: Artists’ Statements. In: Dupuy 1980, S. 152–241. 65 Ebd., S. 156. 66 67 68 69

Ebd., S. 160–161. Ebd., S. 162.

Ebd., S. 169. Er imitierte dabei nach eigenen Angaben ein fallendes Blatt. Ebd. Das Gedicht gehörte zur sogenannten Cold Mountain oder Hanshan-Sammlung, die in der westlichen Welt unter anderem als Einfluss auf die Autor*innen der Beat Generation bekannt wurden. 70 Er hielt dabei ein dysfunktionales Mikrofon mit einer darüber gezogenen Zitronenschale in der Hand. Der Ton kam aus einem Lautsprecher. Verschiedene Autor*innen 1980, S. 167–168. 71 Inszenierter Medienrummel und der Auftritt von Cortez als Showman verwiesen auf den Eventcharakter der Performanceserie. Ebd. Ein Auszug aus dem Text, der über Band eingespielt wurde: »By now, the annual Performance Festival of Vienna was upon us. Bringing a flood of things to see and hear. Exhibitions, lectures, nine operettas, ten ballets, thirty-nine concerts, forty-seven different operas, in halls of all kinds, in palaces, in parks.« Ebd. 72 Frank 1976, S. 41. 73 Verschiedene Autor*innen 1980, S. 175.

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nen fielen diese zu Boden und das Garn wickelte sich um ihren Körper. Eine ähnliche Idee hatte Dick Higgins, der einen weißen Anzug und einen hohen weißen Zylinder trug. Ein Assistent hielt ein rotes Band, das sich mit der Rotation der Bühne vom Zylinder abwärts um den Körper des Künstlers wickelte.74 Pooh Kaye führte, neben der Drehbühne, ein tänzerisches Duett mit einem aufziehbaren Spielzeugaffen auf.75 Alison Knowles nahm in ihrem Beitrag Bezug auf eine indianische Namensgebungszeremonie. Auf der Drehbühne sitzend, verstreute sie getrocknete Bohnen, die sie dann einzelnen Zuschauer*innen zuwarf und ihnen dabei Fantasienamen gab.76 Tony Mascatello und John Howell zeigten ein »proto-slapstick piece« über institutionelle Machtstrukturen, in dem ein Vor­gesetzter auf Grund seiner höheren Stellung (symbolisiert durch eine Leiter) die Kompetenzen eines Handwerkers in Frage stellt.77 Wortwörtlich aus dem Rahmen fiel der Beitrag des Fluxusgründers George Maciunas, der als einziger Künstler nicht selbst als Performer auftrat. Stattdessen machte er das Publikum zu Akteur*innen, indem er einen langen Holzbalken auf die Drehbühne montieren ließ, dessen Enden beinahe bis zu den Seitenwänden des Raums reichten. Begann sich diese Konstruk­tion zu drehen, musste sich das Publikum entweder ducken oder sich ebenfalls in Bewegung setzen. Dupuy zufolge gehörte zu Maciunas’ Konzept eine Warnung, dass der Balken elektrifiziert sei, allerdings habe das Museum deren Anbringung unterbunden.78 Dick Miller saß bei seinem Auftritt in karierten Hosen und weißem Anzug neben der Drehbühne auf einem Stuhl und führte, Peter Frank zufolge, einen Zaubertrick mit einem Spiegel vor.79 Dale Scott führte einen Tai Chi Chuan-inspirierten Circle Dance for Japanese Flute auf80 und Hannah Wilke, damals bereits bekannt für ihre erotisch aufgeladenen Performances, bediente die Erwartungen des Publikums und trat mit entblößtem Oberkörper auf, wie eine der Fotografien Warren Silvermans zeigt (Abb. 3.18). Sie sang ein Stück mit dem Titel »I’d Be Rich As Rocke­feller--My Count-ry Tis of Thee«, ein feministischer Kommentar zur aktuellen politischen Kontroverse um das Whitney und die Ausstellung einer Rockefeller-Sammlung.81 Sie sang unter anderem folgende Zeilen: … if I never have a cent, I’d be rich as Rockefeller, gold dust at my feet, on the sunny side of the street.‹ … my … my cunt … my cunt tree … my cunt tree tis 74 Higgins wollte sich nach eigenen Angaben in eine Barbierstange verwandeln. Einige Zuschauer*innen sahen sich an eine Zuckerstange erinnert. Dupuy hingegen assoziierte Antoine Watteaus Gemälde des Clowns Gilles. Verschiedene Autor*innen 1980, S. 183–184. 75 Ebd., S. 189. 76 Einige der Namen waren: »One leaning forward«, »One having an itch«, »Little but effective« oder »Prairee cactus«. Ebd., S. 232. 77 Mascatello (als der Vorgesetzte) stand auf einer Leiter und gab scharfe Anweisungen. Howell (als der Handwerker) erklärte ihm indes, dass er genau wisse was er tue und keine Anweisungen benötige, was den Chef so sehr in Rage versetzte, dass er von der Leiter stürzte. Angeblich gefiel diese Performance dem Hausmeister des Museums besonders gut. Ebd., S. 194. 78 Dupuy/Howell 1980, S. 8. 79 Frank 1976, S. 41. In einer sehr kurzen Notiz von Miller über seinen Beitrag ist die Rede von Pomade, einem Rasierspiegel, zwei Tauben und Stroboskoplicht. Verschiedene Autor*innen 1980, S. 198. 80 Ebd., S. 213. 81 Dazu noch einmal weiter unten. Zum Auftritt von Norman Carey liegen keine Angaben vor.

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of thee … sweet land of liberty, of thee, I sing … land where my father’s died … land of the pilgrim’s pride … from every mountain side, let freedom ring…82 Dienstag, 24. Februar, 20:30 Uhr: Richard Foreman Die zweite Woche des Festivals begann wieder an einem Dienstagabend und mit einer »[s]olo (almost) performance« des Theatermachers Richard Foreman. Dieser Museumsauftritt scheint ein Solitär in seinem Gesamtwerk gewesen zu sein.83 Angesichts der relativen Konstanz in Foremans künstlerischer Praxis ist jedoch davon auszugehen, dass er dabei ähnliche Interessen verfolgte, wie in seinen postdramatischen Inszenierungen. Foreman kündigte eine »dissociate lecture-experience« an, »in which I tell the audience what I think of them, and make suggestions.«84 Eine Fotografie zeigt einen Blick in den Museumssaal, in dessen Mitte ein großes Rechteck als Bühne abgesteckt ist, markiert durch acht Pfosten, die durch gespannte Schnüre verbunden sind (Abb. 3.19).85 Darum herum sitzt und steht das zahlreiche Publikum in mehreren Reihen auf dem Boden und auf einer kleinen Tribüne.86 Foreman liegt inmitten des Feldes leger am Boden, ein Mikrofon in der Hand, dessen langes Kabel in Schleifen vor ihm liegt und seinen potenziellen Bewegungs­radius anzeigt. Foreman zielte mit seinen Arbeiten weniger darauf ab, sein Publikum zu affizieren, sondern zu Präsenz und Selbstreflexion zu zwingen. Damit grenzte er sich von den überwältigenden und immersiven Gesamtkunstwerken Robert Wilsons ab und stellte sich in die Tradition von Bertold Brechts epischem Theater, das er mit einem phänomenologischen und dekonstruktiven Interesse an den Konventionen des Theaters verband. Die konfrontative und direkte Ansprache des Publikums während der Performance im Whitney ist insofern als ein weiterer seiner Versuche zu lesen, die sprichwörtliche vierte Wand des Theaters zu durchbrechen.87 Donnerstag, 26. Februar, 20:00 Uhr: Noa Ain; 21:00 Uhr: Terry Allen Der einzige Konzertabend des Festivals begann mit einem Auftritt der Komponistin und Musikerin Noa Ain. Ihr etwa einstündiges Solo-Programm mit Gesang und elek82 Ebd., S. 222. Interpunktion wie im Original. 83 Er wird weder in der umfangreichen Literatur über Foremans Ontological-Hysteric Theater noch in seiner ›offiziellen‹ Biografie auf der Webseite seines Ontological-Hysteric Theater erwähnt. Webseite: Ontological-Hysteric Theater (R. Foreman). Biografie. https://web.archive.org/web/20200511221438/http://www.ontological.com/biography.html (Zugriff: 11.05.2020). 84 Fragebogen: Richard Foreman. A-GRI MTP, Box 48, Mappe 3. Der Programmzettel nennt als Assistent*innen: Elion Sacker, Camille Foss und John Matturi. Programmzettel [24.02.1976]: Foreman. A-GRI MTP, Box 48, Mappe 5. 85 Ein Element, das Foreman öfter einsetzte, um den Blick der Zuschauer*innen zu irritieren. 86 Foreman benötigte einen verhältnismäßig komplexen Bühnenaufbau. In einer internen Notiz heißt es: »Scenery will be shipped, other props will be supplied«. Internes Dokument: Produktionsplan. A-GRI MTP, Box 48, Mappe 7. Der Transporter kostete 200 USD und das Material und die Arbeitszeit für den Bühnenaufbau 300 USD. Fragebogen [Foreman], wie Anm. 84. 87 Zu Foremans Theaterpraxis vgl. Weßendorf, Markus: Die Bühne als Szene des Denkens. Richard Foremans Ontological-Hysteric Theatre. Berlin: Alexander 1998, S. 40. Zeitgleich mit dem Auftritt im Whitney zeigte Foreman in seinem Off-Broadway Theater die Inszenierung Rhoda in Potatoland. Bald darauf eroberte auch er (wie zuvor Robert Wilson) das Lincoln Center mit einer Inszenierung der Dreigroschenoper.

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trischem Klavier trug den Titel Portraits.88 Der Projektskizze zufolge nutzte sie dabei zwei verschiedene Bühnen, eine mit, die andere ohne Klavier.89 Eine Fotografie zeigt die Künstlerin in gold-schimmernder Satinrobe vor einem Mikrofon an einem elektrischen Klavier sitzend (Abb. 3.20).90 Die elf Lieder ihres Auftritts beschreibt Ain im Programmzettel als »sound-statements, whose lyrics tell the story of someone, of a relationship, of a dream. The intent of the Portraits is […] to give the listener ›inside knowledge.‹«91 Ain setzte bei diesen Stücken also auf die Kraft künstlerischer Einfühlung und zugleich auf eine beschreibende und kommunikative Qualität von Musik. Als zweites folgte ein Auftritt des bildenden Künstlers und Musikers Terry Allen.92 Sein musikalisches Schaffen ist dem Genre ›Alternative Country‹ zuzurechnen und im Vergleich zu Ain populärkultureller orientiert. Allen gab sich im Vorfeld bescheiden und kokettierte, er benötige lediglich »a piano in reasonable tune – […] minimal room lighting and, if possible, a bottle of Jack Daniels.«93 Im Programmzettel ließ er dann verlauten: »My intention is to play my own music and sing my own songs without hitting any more sour notes or forgetting any more words than is humanly possible for me to do in a situation like this.«94 Begleitet von Lichtbildern präsentierte er aller Wahrscheinlichkeit nach sein kurz zuvor erschienenes Konzeptalbum Juarez (1975). Das Album erzählt vom tragischen Schicksal zweier Liebespaare aus der weißen Unterschicht, deren Wege sich in der Kalifornischen Wüste kreuzen, wo es zu einem tödlichen Schlagabtausch in einem Trailer kommt. In einem Brief an Marcia Tucker erkundigte er sich, ob es möglich sei, dass der Museumsshop sein Album am Tag des Auftritts zum Verkauf anbiete.95

88 Noa Ain schuf ein umfangreiches Œuvre an Bühnenmusik, sie interessierte sich also für die Verbindung von Musik, Narration und Visualität. Ihre Portraits trug sie zwar konzertant vor, doch verwies der Titel auf die bildende Kunst und – mittelbar – den Museumskontext. 89 Eine Bühne befand sich an der Längswand, die andere, mit dem Klavier, an der Stirnseite. Fragebogen [Aufbauskizze]: Noa Ain. A-GRI MTP, Box 48, Mappe 3. 90 Ain wünschte ein Fender Rhodes mit einem Verstärker mit Höhen- und Tiefen-Regler und Hall. Fragebogen: Noa Ain. A-GRI MTP, Box 48, Mappe 3. 91 Die Titel der Songs waren: Trust, The Man on the Radio, Love Rhyme, The Perfect Chair, Gimme Gimme, Sexy Soft Lorraine, Louie Louie****, Portrait of Yoko, Me and Mom, Portrait of Anna und Cheerie. Programmzettel [26.02.1976]: Ain; Allen. A-GRI MTP, Box 48, Mappe 5. Über Portrait of Yoko, das der Violinistin Yoko Matsuda gewidmet ist, schreibt Ain in anderem Zusammenhang: »Portrait of Yoko was written out of a need to capture and express the inner as well as the outer rhythms and sonorities, the concrete statements as well as the emotional black-outs and confusions that, for me, define the reality, the boundary of one human being. Yoko’s is the story of someone who goes on playing no matter what.« Webseite: Smithsonian Folk Ways Recordings. Liner notes zu: Noa Ain: Portrait of Yoko. https://web.archive.org/web/20201115181820/https://folkways.si.edu/new-american-music-vol-4/contempora ­ry-electronic/album/smithsonian (Zugriff: 15.11.2020). 92 Terry Allen kam mit seiner Frau, der Künstlerin Jo Harvey, aus Fresno in Kalifornien angereist. Sie waren mit Marcia Tucker befreundet (vermutlich seit Allens Teilnahme an der Whitney Biennale 1975) und durften in New York bei ihr übernachten. Brief [02.1976]: Terry Allen an Marcia Tucker. A-GRI MTP, Box 48, Mappe 3. 93 Fragebogen: Terry Allen. A-GRI MTP, Box 48, Mappe 3. 94 Programmzettel [26.02.1976], wie Anm. 91. 95 Brief Allen an Tucker, wie Anm. 92.

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Samstag, 28. Februar, 12:00–17:00 Uhr: Guy de Cointet; Laurie Anderson; Adrian Piper; Julia Heyward; David Gordon (mit Valda Setterfield) Das Samstagnachmittagsprogramm bot noch einmal ein besonders breites Spektrum an Beiträgen. Es begann mit Guy de Cointets sprachbasierter Arbeit At Sunrise a Cry was Heard96, eine minimalistische Theaterinszenierung über bildende Kunst und ihre Rezeption.97 Das Skript, das den Akten vollständig beiliegt, erzählt die fiktive Geschichte eines sehr alten Gemäldes, das mit geheimnisvollen Zeichen versehen war und das, nach einer partiellen Zerstörung durch ein Erdbeben, gelegentlich bei Sonnenaufgang einen Schrei ausstieß. Wie auf einigen Fotografien der Performance im Whitney zu sehen ist, wurde das Stück als Monolog aufgeführt (Abb. 3.21). Die Performerin Deborah Coates agiert dort, mit dem Skript in den Händen, vor einem realen Gemälde, das ein Buchstabengitter auf weißem Grund zeigt und in der oberen Bildhälfte von einer breiten weißen Diagonale durchschnitten wird.98 Das großformatige Bild hängt an der langen Wand des Whitney und markiert den Ort der ansonsten unsichtbaren Bühne. Die wahrscheinlich bekanntesten Festivalbeiträge, die ihre herausgehobene Stellung nicht zuletzt einem Aufsatz von RoseLee Goldberg verdanken, sind die Per­for­ mances von Laurie Anderson, Julia Heyward und Adrian Piper.99 Laurie Andersons Programm umfasste einige Songs and Stories aus ihrem Repertoire For Instants.100 Der Programmzettel kündigte »Songwriting for three light sources« an.101 Für den Ausstellungsraum des Whitney entwarf Anderson gemeinsam mit Bob George ein Raumkonzept, das durch die Lichtkegel dreier Projektoren bestimmt war, die aus größerer Distanz auf die lange Wand fielen und den Performanceraum absteckten. Diese Szenerie wurde auditiv durch vier hängende Lautsprecher in den Ecken des

96 Skript: Guy de Cointet: At Sunrise a Cry was Heard. A-GRI MTP, Box 48, Mappe 5. 97 Das war ein typisches Thema im Werk de Cointets. Es gibt eine Aufzeichnung dieser Performance vom 05.06.1974 im Rahmen einer kleinen Ausstellung in der Art Gallery, University of California, Irvine, mit Deborah Coates als Performerin. Video: Guy de Cointet: At Sunrise a Cry Was Heard… or The Halved Painting. Performt von Deborah Coates. 1974, S/W, Ton, 15:23 Min. Online: https://web.archive.org/web/20210210190402if_/https://vimeo.com/40238981 (Zugriff: 03.03.2018). Tucker besaß eine Einladung zu dieser Veranstaltung. Einladungskarte: Guy de Cointet presents [1974]. A-GRI MTP, Box 48, Mappe 1. Vgl. Abb. 3.29. Zu Cointet s. Brugerolle, Marie d. (Hrsg.): Guy de Cointet. Zürich: JRP Ringier 2011. 98 Im Programm wird die Performerin namentlich genannt. Programmzettel [28.02.1976]: Cointet; Anderson; Piper; Heyward; Gordon/Setterfield. A-GRI MTP, Box 48, Mappe 5. 99 Zu ihrer Bekanntheit trug ein Aufsatz von RoseLee Goldberg bei. Vgl. Goldberg, RoseLee: Public Performance, Private Memory. RoseLee Goldberg with Laurie Anderson, Julia Heyward and Adrian Piper. In: Studio International, 192. Jg. 1976, H. 982, S. 19–23. 100 Im Programm steht For Instants, Part 3 und es wird auf die Beteiligung von Bob Bielecki und Bob George verwiesen. Programmzettel [28.02.1976], wie Anm. 98. Andernorts wird der Auftritt auch mit dem Zusatz Refried Beans geführt. Anderson, Laurie (Hrsg.): Stories from the Nerve Bible. A Retrospective, 1972–1992. New York: Harper Perennial 1994, S. 112. Dieselbe Performance zeigte sie auch nahezu zeitglich im MoMA. Ebd. Anderson schreibt über For Instants: »A collection of twelve stories, each attempting to have exactly the same numbers of words.« Anderson 1994, S. 26. Anderson leitete damals das Whitney Museum Art Resources Center (s. S. 300, Anm. 90). 101 Programmzettel [28.02.1976], wie Anm. 98.

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Raums gerahmt. Eine Fotografie zeigt Anderson Geige spielend vor einer Wand, wobei sie von der Projektion eines Fensters überblendet wird (Abb. 3.22).102 Ein zweites Bild zeigt ihr Gesicht im Schein einer auf dem Boden stehenden Kerze. Den Kopf in eine Hand gestützt, liest sie von einem vor ihr liegenden Blatt Papier ab. Ein Sensor, ebenfalls auf dem Bild zu erkennen, ist auf die Flamme der Kerze gerichtet. Wenn Anderson sprach, begann die Flamme zu flackern. Der Sensor reagierte darauf und löste das Flackern eines über ihrem Kopf platzierten Lichtspots aus (Abb. 3.23).103 Anderson untersuchte in dieser Performance die Berührungs- und Überschneidungspunkte menschlicher und technologischer Bild- und Tonproduktion. Ebenfalls zwischen Live-Performance, Audio, Video und Film bewegte sich Adrian Pipers Some Reflective Surfaces.104 Piper spielte darin auf ihre früheren Erfahrungen als Animationstänzerin in Nachtclubs an, beziehungsweise nahm diese zum Anlass, über das ambivalente Wechselverhältnis von Performerin und Publikum, Objekt und Subjekt, Projektionen und Rollenspiel zu reflektieren.105 Discotheque dancing is a good medium for this in that you are never really intimate with the other person(s) watching you, but rather you are dealing with an artificial, conventionalised [sic] system of gestures and movements which have intimate psychological and sexual overtones, and which your audience can take personally or impersonally.106 Der ›Bühnenaufbau‹ war zur Stirnwand des Raums orientiert. Mit Ausnahme eines mittig am vorderen Bühnenrand platzierten Lichtkegels, sollte der Raum vollständig dunkel sein.107 Rechts und links waren Lautsprecher vorgesehen sowie auf einer Seite ein TV-Monitor, der Bildsignale einer Live-Kamera empfing, sobald die Performerin in den Lichtkegel trat. Dabei wurde sie von einer bodenbündigen Projektion aus dem Filmprojektor überblendet, sodass der Monitor schließlich ein zugleich me-

102 Anderson schreibt: »The performance space was a corridor between the screen and the projector. The audience sat on both sides of this corridor more or less looking at each other and turning their heads back and forth to watch the performance, like a tennis match. Three images (film and slides) were projected simultaneously onto the screen. By standing in front of one of the beams, the performer’s body blocked the light from that projector, making a shadow on the screen that revealed the other two images hidden underneath.« Anderson 1994, S. 112. 103 Ebd., S. 115. 104 Piper bezeichnet diese Arbeit als ihre erste »publikumsorientierte Performance», in Abgrenzung zu ihren früheren Auftritten im öffentlichen Raum. Webseite: Adrian Piper Research Archive. Some Reflective Surfaces. https://web.archive. org/web/20201115174155/http://www.adrianpiper.com/vs/sound_surfaces.shtml (Zugriff: 15.11.2020). Eine ähnliche Performance hatte sie bereits 1975 im Fine Arts Building der New York University aufgeführt. Texte der Künstlerin über die Arbeit in: Piper, Adrian: Out of Order, Out of Sight. Volume I: Selected Writings in Meta-Art 1968–1992. Cambridge, MIT 1996, S. 151–156. Weiterführend zu Pipers Werk s. Bowles, John P.: Adrian Piper. Race, Gender, and Embodiment. Durham: Duke U P 2011. 105 Textausschnitt aus der Performance: »The image we construct is a private object which satisfies us, its outer surfaces reflecting light, heat, anxiety, and our mutual awareness of what we are to each other: what we are: what I am: I perform for You. I act natural for You. I do my dance for You. I practice my routine for You. I display myself for You. I polish my act for You. I do my show for You. I watch You. Occasionally, I applaud You.« Programmzettel [28.02.1976], wie Anm. 98. Text veröffentlicht in: Piper 1996, S. 155–156. 106 Adrian Piper, zitiert in: Goldberg 1976, S. 23. 107 Fragebogen [Aufbauskizze]: Adrian Piper. A-GRI MTP, Box 48, Mappe 4.

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dial vermitteltes und überblendetes Bild Pipers zeigte. Eine Fotografie von Warren Silverman vermittelt einen Eindruck von dieser Szene (Abb. 3.24). Piper ist hier im Lichtkegel zu sehen. Sie trägt eine Sonnenbrille und ist stark geschminkt. Möglicherweise trägt sie auch einen Bart, wie in ihren Mythic Being-Performances. Drei Tonspuren wurden zu der Performance eingespielt: Die Stimme Pipers, die von ihren Erfahrungen als Tänzerin erzählt, Aretha Franklins Song Respect und eine Männerstimme, die in strengem Ton choreografische Anweisungen gibt.108 Die Komplexität dieses Aufbaus spiegelte auf medialer Ebene die nicht minder komplexen inhaltlichen Fragen nach sich überlagernden Wirklichkeiten und Projektionen. Julia Heywards Beitrag God/Heads war eine Premiere. Ihre ›Bühne‹ lag nun wieder mittig an der Längswand. Wie zuvor Laurie Anderson arbeitete auch sie mit einem korridorförmigen Aufbau.109 Eine Besonderheit ihres Auftritts war die spe­ zielle Sitzordnung des Publikums: The audience will be divided – girls on one side, boys on the other – leaving a six foot strip between them. This will be the performance area. First there will be a quad tape recording where the girls will look at the boys and vice versa. Sound will come from speakers hung above the elevator. Then I will per­ formance [sic] 3 or 4 song/talk/cheers which will require a wireless micro­ phone.110 Eine Fotografie zeigt Heyward, den Korridor entlanggehend, aus der Untersicht des am Boden sitzenden Publikums. Mit ihren kurzen und sorgfältig toupierten Haaren, ihrem blau-karierten Hemd mit hochgekrempelten Ärmeln, Hosen und Turnschuhen, wirkt sie androgyn (Abb. 3.25). So schritt sie den Raum zwischen den Männern und Frauen im Publikum ab und ließ mit Bauchredner*innen-Technik die ›Stimme Gottes‹ erklingen. Mit Zeilen wie: »God sez no dollars for artist / No art shows / No cash to artist / No art / […] No token cash / Dollars to artist / Gold to artist / Lotsa cash to artist / No token cash«111 verwies sie auf ihre eigene Biografie – ihr Vater war

108 Piper wird auf ihrer Webseite zitiert: »The soundtrack for my first audience-oriented performance, at the Whitney Museum in 1976 […] combines three voices. The first is a narrative in my voice of my experience of working as a discotheque dancer in New York nightclubs in the mid-1960s. In addition, there are two mixed tracks, one of Aretha Franklin’s ›Respect‹, and a second one of a male voice barking out orders on how to dance more gracefully.« Webseite: Adrian Piper Research Archive. Some Reflective Surfaces. https://web.archive.org/web/20201115174155/http://www. adrianpiper.com/vs/sound_surfaces.shtml (Zugriff: 15.11.2020). 109 Von der sie auch technische Ausrüstung borgte. Fragebogen [Aufbauskizze]: Julia Heyward. A-GRI MTP, Box 48, Mappe 3. 110 Fragebogen: Julia Heyward. A-GRI MTP, Box 48, Mappe 3. »[C]ame to New York City in 1973 with the Whitney Study Program. Special thanks to Fifi Cordey Productions, Robert Rivlin, Shelby Johnson and CAPS.« Ebd. 111 Zitiert nach Goldberg 1976, S. 21. Vollständiger Ausschnitt: »God talks now / This girl is dead / God talks through her / Her hands are clean / God talks now / God talks now / Holy god / Your god talks now / This girl is not here / God talks now / God sez no cash for artist / No art / God sez no dollars for artist / No art shows / No cash to artist / No art / God talks now / God talks through her / No cash to artist / No token cash / Dollars to artist / Gold to artist / Lotsa cash to artist / No token cash«. Ebd. Schreibweise wie Vorlage.

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Prediger von Beruf – und auf die prekäre finanzielle Situation von Künstler*innen, was nicht zuletzt als Seitenhieb gegen die kleinliche Gagenpolitik des Museums zu lesen ist (dazu in einem späteren Abschnitt).112 Die letzte Performance des Abends war ein Beitrag des Tänzers David Gordon mit seiner Partnerin Valda Setterfield.113 Sie zeigten die Choreografie Times Four (1975/76), deren zentrales Motiv, so Gordon, Dopplungen und Wiederholungen sind, ganz ohne Musik oder Text.114 Wendy Perron schreibt: In Times Four (work in progress) a brief traveling phrase is executed in unison in all four primary directions and then another is begun. So each time they return to front, you know that a new step is coming. But they slip into it so sly that it’s there before you know it and then you’re grateful for the chance to see it three more times.115 Eine Fotografie unterstreicht die beschriebene Synchronizität (Abb. 3.26). Sie zeigt das Duo in identischer Haltung: leicht vornübergebeugt, mit hängenden Armen und über die Schultern zur Seite geneigten Köpfen. Beide machen mit dem rechten Fuß einen lockeren Schritt nach vorn, wobei ihre Knie leicht gebeugt sind. Auffällig ist die betonte Nachlässigkeit ihrer Körperhaltungen und das Fehlen der gewohnten tänzerischen Körperspannung. Leger wirkt auch die Kleidung: hellblaue Sweatshirts, senffarbene – bei Setterfield – und waldgrüne – bei Gordon – Hosen, blaue Turnschuhe und, als besonders ungewöhnliches Accessoire, Knieschützer (sowie Ellenbogenschützer bei Setterfield).116

112 Goldberg schreibt über die Performance: »…a reaction […] against all conventions and the institutions that reinformed them – the state, the family, the art museum. By separating the audience into ›boys‹ on the left and ›girls‹ on the right, she ironically emphasized the social roles of men and women. Then she showed film clips of Mount Rushmore (symbol of the state) and decapitated dolls (the death of family life). Pacing up and down the aisle formed by her segregated audience.« Goldberg 1979, S.112. 113 David Gordon gehörte zu den bekanntesten Judson Dance Tänzer*innen. Er richtete im Programm einen besonderen Dank an Trisha Brown und Yvonne Rainer. Programmzettel [28.02.1976], wie Anm. 98. Valda Setterfield tanzte bis 1975 in Merce Cunninghams Ensemble. Ihr Name ist auf dem Programmzettel dem Namen Gordons nachgeordnet. Ebd. Die Premiere von Times Four hatte im Vorjahr in Japan stattgefunden, im Programm der Whitney-Performance steht auf Wunsch der Künstler*innen dennoch »work in progress«. Ebd. u. Fragebogen, wie Anm. 116. 114 »In my work an activity cannot exist without its echoes and each echo must stand alone as a complete action. The repetition of any given act clarifies it, determines its necessity and changes an arbitrary or capricious act to an inevitable one.« Programmzettel [28.02.1976], wie Anm. 98. »40 minutes of minimal movement phrases. Each performed 4 times with no text - no music - no sound except for breathing and footfall - to 4 fronts.« David Gordon’s ’70s ARCHIVEOGRAPHY pt. 2, S. 15. Online-Dokument zugänglich über: Webseite: David Gordon’s ‘70s ARCHIVEOGRAPHY. Times Four. https://web.archive.org/web/20201115175233/http://davidgordon.nyc/works/1975/times-four (Zugriff: 15.11.2020). 115 Perron 1976. Sally Banes schreibt über Gordon: »he uses movement that looks more like behavior than choreography […] the movements are specific and deliberate, yet performed with a casual demeanor that nearly belies their careful designs.« Banes, Sally: David Gordon. The Ambiguities [1978]. In: Banes, Sally (Hrsg.): Terpsichore in Sneakers. PostModern Dance [1983]. 4. Aufl. Middletown: Wesleyan U P 1987, S. 97–108, hier S. 105. Hervorhebung im Original. 116 Auf dem Boden sind weiße Markierungen zu erkennen, die möglicherweise Orientierungslinien für die Aufführung waren und wie zuvor bei Heyward die ›Bühne‹ absteckten. Fragebogen [Aufbauskizze]: David Gordon/Valda Setterfield. A-GRI MTP, Box 48, Mappe 3.

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Sonntag, 29. Februar, 12:30 – 18 Uhr: Jared Bark; Jana Haimsohn; Medicine Show Theatre Ensemble Den finalen Nachmittag eröffnete Jared Bark mit Zero G, einer humoristischen Welt­raum-Performance. Das Stück, in dem Bark wahrscheinlich nicht selbst auftrat, wurde als »[a]n observation on the interrelationship of science, technology and art« angekündigt.117 Bark entwarf für seine Aufführung einen vergleichsweise komplexen Aufbau. Er benötigte zwei Podeste als Bühne, zwei identische Röhrenbildschirme, zwei Videogeräte, einen Super-8-Projektor und ein Soundsystem mit Mikrofon.118 Die ausführliche Beschreibung des Kritikers Stefan Brecht berichtet von einer absurden Lektion über Astronomie sowie autobiografische Bezüge auf Erfahrungen der Schwerelosigkeit des kleinen Jed beim Seilspringen sowie eine spätere, erfolglose Bewerbung als Künstler im Kunstprogramm der NASA. Des Weiteren ist die Rede von der Entdeckung der Ränder des Universums und schließlich von einem Perspektivwechsel, der die Menschheit als Population in einem riesigen Versuchslabor entlarvt. »The light humor of this show« resümiert Brecht, »is not only delightful, but also beautiful«.119 Fotografien von Babette Mangolte unterstreichen diesen Charakter. Sie zeigen den absurd-komischen ›Tanz‹ eines Künstler-Astronauten zwischen einer Staffelei und einem Staubsauger (Abb. 3.27). Die Szene wird von einer Projektion überblendet, die sowohl einen Sternenhimmel als auch die Mikroskop-Aufnahme einer Zellkultur zeigen könnte. Jana Haimsohn kündigte für ihren Beitrag verschiedene »voice movements« an.120 Ihr Programm mit dem Titel »circa ’20------->29« beschreibt sie wie folgt: 1st 2 connected pieces. Site voice solo words/sound musical developing into Movement; 2nd voice movement dialogue with Mayan drum and pre Colum­ bian whistles and voice variation in latent movement.

117 Programmzettel [29.02.1976]: Bark; Haimsohn; Medicine Show Theatre Ensemble. A-GRI MTP, Box 48, Mappe 5. Im Programm steht: »With acknowledgments to the following people who assisted with audio-visual production: Milton Brutten, David Cochrane, Michael Collins, Edit De Ak [sic], Jamie Dearing, Giovanni Longo, Judy Pfaff, Carlota Schoolman and Michael Shamberg.« Ebd. 118 Beleuchtung brachte der Künstler selbst mit. Fragebogen: Jared Bark. A-GRI MTP, Box 48, Mappe 3. 119 Brecht, Stefan: Jared Bark, Zero-G, Sunday, Feb. 29, 1976, Whitney Museum of American Art, 12:30 p.m. (»Performances: Four Evenings, Four Days.«) [1976]. In: Pollack, Maika (Hrsg.): Jared Bark. Photobooth Works and Performance Videos, 1969–1976. O. O.: BLURB 2016, S. 32. 120 Heiner Gembris beschreib Haimsohns Performancepraxis: »Jana Haimsohn entwickelt ihre Performance aus einer Abfolge verschiedener Abschnitte oder Stücke. […] Manche Stücke sind überwiegend improvisiert, andere verwenden mehr vorstrukturierte Melodien, Rhythmen, Lieder, Gedichte oder andere Texte. Sie verwendet keine Requisiten. Gelegentlich greift sie auf Instrumente zurück und schlägt eine afrikanische Trommel oder zwei Kuhglocken. Abgesehen von dem drahtlosen Mikrofon, über das ihre Stimme verstärkt wird, setzt sie, anders als Performancekünstler wie etwa Laurie Anderson, keine optischen oder akustischen Medien ein. So ist der Kontakt zum Publikum unvermittelt, von unmittelbarer Präsenz. Der kahle Bühnenraum bietet keinerlei Ablenkung, die Aufmerksamkeit konzentriert sich auf die Performerin, auf die Aktionen, die sie ausführt, auf ihr Ausdrucksmedium, den Körper.» Gembris, Heiner: »For me, it’s a little microcosmos of my life«. Über die Performance von Jana Haimsohn. In: Pütz, Werner (Hrsg.): Musik und Körper. 2. unveränd. Aufl. Essen: Die Blaue Eule 1997, S. 179–184, hier S. 179. Haimsohn hatte eine Ballett- und Mod­ ern Dance-Ausbildung, eine ausgebildete Gesangsstimme und praktizierte Tai Chi Chuan.

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Antonio Zepeda begleitete sie auf der Trommel und der Pfeife.121 Im Aufbauplan ist von einem Trapez die Rede, das an langen Nylon-Seilen von der Decke abgehängt werden sollte.122 Jane Crawford, die Protagonistin des folgenden Kapitels in diesem Buch, schrieb später über die Performance: She did a series of movement ›exercies‹ [sic] until she was ready to collapse (and the audience with her). Then rather than falling to the ground, she swung from a bar suspended from the ceiling. The stress she put herself under, watch­ ing her reach her limits of endurance, was quite beautiful. The second part of the performance dealt with a music she created again by stressing parts of her neck and vocal chords. It sounded very primative [sic], like a strange and lovely bird.123 Den Abschluss der Veranstaltung bildete ein Auftritt der experimentellen Theatergruppe Medicine Show Theatre Ensemble.124 Die Gruppe führte eine noch unfertige Version ihres neuen Stückes Glowworm (A Phantasmagoria)125 auf, das auf humorvolle Weise mit den Täuschungen und Enttäuschungen der modernen Gesellschaft umgeht. Der Plot handelt von dem aktivistisch verblendeten Lorenzo, der sich ein politisches Attentat zum Lebensziel macht und von Suzanne, die in absoluter Passivität auf einer einsamen Insel verharrt. Beide stürzt ihr Zustand in eine Identitäts­ krise. Das Stück, so der Programmzettel, sei eine Parabel dafür, dass sich jede unternommene und jede unterlassene Handlung letztlich als politisch herausstelle.126 Für dieses Stück war noch einmal ein großes Aufgebot an Technik notwendig und sogar die Installation eines Bühnenvorhangs war gefordert, den das Ensemble vermutlich selbst mitbrachte.127 Anstelle einer echten Bühne bedeckte ein weißer

121 Ebd. 122 »She needs her trapeze hung[.] I am not sure exactly where it is going to be, but please let me know if there is any structural problem please let me know [sic], she weighs about 90lbs.« Internes Dokument [Produktionsplan], wie Anm. 86. 123 Brief [01.09.1976]: Jane Crawford an das De Appel Art Center. A-JC. 124 Die Gruppe ging aus dem Open Theater hervor. Das Besondere an dieser zwölfköpfigen Theatergruppe war, dass ihre Mitglieder die Werke im Kollektiv entwickelten. Besetzung laut Programmzettel: »James Barbosa–hears confessions; Ziska Baum–sits on the piano; Chris Brandt–juggles; Kathleen Kelly–dances the tango; Derry Light–knows the story; Davidson Lloyd–thinks he’s the hero; Jim Milton–plays the flute; Daniel Morris–dies; Alan Nebelthau–teaches Persian; Elizabeth Von Benken–sings ›Birds of a Feather‹. Structured by: Barbara Vann; Music by: Jim Milton; Dances by: Margot Colbert; Some words by: Carl Morse and Susan Wilkins; Costumes by: Patricia McGourty; Masks by: Robert Sherman.« Programmzettel [29.02.1976], wie Anm. 117. 125 Die Premiere sollte im April sein, im Whitney fehlte der Schluss. Fragebogen: Medicine Show Theatre Ensemble. A-GRI MTP, Box 48, Mappe 4. 126 Die Gruppe machte folgende Inhaltsangabe: »Glowworm is concerned with living in current society balanced between the poles of political asassination and complete withdrawal. These awful alternatives are personified by Lorenzo whose will to murder justifies his life, and Suzanne, an expert on boredom. […] The piece is political in that every step we take or do not take in so completely structured a society is in some sense political; it is philosophic since the philosophic questions of the twentieth century are actors’ questions: what is true? what is real? who am I? what do I mean? how do I know?« Programmzettel [29.02.1976], wie Anm. 117. Lorenzo ist eine Anleihe an das Theaterstück Lorenzaccio (1833) von Alfred de Mosset. 127 Die Angaben waren: Ein Stereokassettenrekorder, Lautsprecher, ein Video Portapak, ein kleiner Konzertflügel, möglichst alt, da jemand darauf sitzen werde. Fünf leichte Stühle, eine Leiter, möglichst aus Aluminium und nicht zum Klappen. 2–3 Podeste, Gerüste aller Art, auf denen man Lärm machen könne. Eine Plattform von etwa 6 × 8 Metern,

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Belag den Boden. Auf den Bildern der Aufführung ist ein lebhaftes Treiben zu sehen (Abb. 3.28). Die Akteur*innen tragen bunte, enganliegende Gymnastikanzüge. Ein Konzertflügel steht auf der Bühne und es sind einige Museumssockel, Gerüste, Stühle und ein geblümter Vorhang zu sehen. Der gesamte Auftritt sollte bis zu fünf Stunden dauern, wobei das Publikum nach Belieben kommen und gehen konnte. Im Programm findet sich der humorvolle Verweis: »A word of visual advice: Don’t try to see everything at once. Look at what you want to and you will see the piece. Double vision helps.«128 Synopse und Bemerkungen zum kuratorischen Konzept Das Festival fächerte ein breites Spektrum performativer Ausdrucksformen auf, von Tanz über Theater und Musik bis zum neuen Medium Performancekunst und seiner vielfältiger Hybridformen. Jeder einzelne Auftritt eröffnete einen eigenen künstler­ ischen Kosmos, sodass in der Zusammenschau zunächst der Eindruck großer Heterogenität entsteht.129 Don McDonagh, Tanzkritiker der New York Times, der wahrscheinlich durch die Teilnahme von Mary Overlie auf das Festival aufmerksam geworden war, gab sich in Anbetracht dieser Vielfalt ostentativ ratlos und schlussfolgert: »One wondered what the principle was that united such a divergent group.«130 Diversität war auch innerhalb der vier vertretenen Performancerichtungen gegeben. Im Bereich Tanz reichte das Spektrum von der abendfüllenden Choreografie Laura Deans über die Präsentation verschiedener Repertoirestücke bei Mary Overlie (solo) oder Judy Padow (im Ensemble) bis zum improvisierten Duett Nancy Lewis’ mit Richard Peck oder dem souverän-beiläufigen Synchronduett David Gordons mit Valda Setterfield. Im Bereich Musik gab Noa Ain einfühlsame musikalische Porträts zum Besten, gefolgt von Terry Allen mit seinem kalifornischen Country-Epos. Connie Beckleys konzeptuelle Gesangsperformance kam der Verschmelzung von Musik und bildender Kunst besonders nah. Im Bereich des Avantgarde-Theaters traten an zwei Abenden Robert Wilson und Richard Foreman auf, die heute beide zu den einflussreichsten Theatermachern ihrer Generation zählen. Im direkten Vergleich mit Foremans verbalen Übergriffen auf das Publikum, hatte Wilsons Kommunikations- und Medienkritik den Charakter einer Versuchsanordnung, die das Publikum unbeteiligt (an Bild­ schirmen) beobachten konnte. Ungleich theatraler, mit Bühne, Vorhang und einem – wenn auch losen – Plot, war der Auftritt des Medicine Show Theatre Ensemble, des-

mit einem Bühnenvorhang. Die Bühne sollte an der Stirnseite des Raums liegen. »There needs to be a feeling of no exit out the back way (for the actors – the audience should feel free to move.« Fragebogen [Aufbauskizze]: Medicine Show Theatre Ensemble. A-GRI MTP, Box 48, Mappe 4. 128 Ebd. 129 Peter Franks Interpretation des Dupuy-Beitrags als »smorgasbord of presentations« (Frank, 1976, S. 41) trifft auch den Charakter des gesamten Festivals. Über die Ähnlichkeit des Festivals mit Dupuys »Variety Shows« s. auch Sanders 2013, S. 34. 130 McDonagh 1976.

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sen mehrstündige Performance den Anspruch einer gesellschaftskritischen Parabel erhob und zugleich als ironisch-unterhaltsames Spektakel konzipiert war. Im Bereich der Performancekunst scheinen dann alle Kategorien aufgehoben. Robert Morgans geometrisch abgezirkelte Konzept-Performance hatte nur wenig gemein mit Stuart Shermans objektorientierter Taschenspieler-Ästhetik oder dem Slapstick-Auftritt von Michael Smith als tollpatschigem Riesenbaby. Völlig verschieden waren auch die feministisch-literarische Pantomime Martha Wilsons und Jean Dupuys Loft-Performance-Revue auf der Drehbühne, die selbst wiederum 20 künstler­ ische Mikrokosmen aufrief. Ebenfalls einen literarischen Impetus, jedoch ohne die feministische Komponente, hatte Guy de Cointets strukturalistische Reflexion über die Kunst als Zeichensystem. Die Beiträge von Laurie Anderson und Adrian Piper ähnelten sich zunächst in ihrer autobiografischen Ausrichtung und dem Einsatz verschiedener Bild- und Tonmedien. Piper setzte aber den Fokus auf ihren Körper als betrachtetes Objekt und betrachtendes Subjekt, während Anderson ihren Körper sowie persönliche Erinnerungen als Medium und Material einsetzte. Ebenfalls eine autobiografische Komponente besaß der Auftritt von Julia Heyward, die der Präsenz des Publikums – durch dessen Segregation in Männer und Frauen – eine besondere Bedeutung zumaß. Jared Barks humoristische Weltraumperformance schließlich, die sich zahlreicher medialer Effekte und verschiedener Requisiten bediente, bildete einen Kontrast zum Beitrag von Jana Haimsohn, die sich allein auf das Bewegungsund Klangrepertoire ihres Körpers konzentrierte. Der kleinste gemeinsame Nenner aller Beiträge war ihre liveness. Bis auf wenige Ausnahmen, etwa bei Jared Bark, Guy de Cointet und George Maciunas, traten dabei auch alle Künstler*innen selbst als Performer*innen auf. In der Zusammenschau ist auch der intensive Einsatz von Bild- und Tonmedien auffällig. Die Beiträge von Jared Bark oder Laurie Anderson besaßen den Charakter immersiver Medienenvironments. Hier wie auch in den sketchartigen Darbietungen von Stuart Sherman oder Michael Smith wird ein Bezug zur US-amerikanischen Unterhaltungs- und Medienkultur der 1970er-Jahre greifbar. Weitaus sparsamer fiel der Medieneinsatz bei allen tänzer­ ischen Beiträgen aus. Ihre technischen Anforderungen beschränkten sich auf Beleuchtung und musikalische Begleitung. David Gordon und Valda Setterfield arbeiteten sogar ganz ohne Musik.131 In den Archivakten finden sich keine konkreten Hinweise auf Marcia Tuckers kuratorisches Konzept.132 Sicher scheint, dass sie den Künstler*innen keine thematischen Vorgaben machte und auch nicht in die Auswahl der aufgeführten Stücke ein-

131 In Bezug auf Tanz ist dieses Festhalten an präsentischer Liveness interessant. Medien-Einsatz wurde in diesem Bereich erst in den 1980er-Jahren verstärkt erprobt. 132 »All day performances plus two evenings a week, song, dance, self-mutilation«. Mit Ausnahme dieser marginalen Notiz Marcia Tuckers vom 3. Juli 1975, finden sich keine schriftlichen Hinweise auf ein kuratorisches Konzept des Festivals. Die Pressemitteilung bietet keinerlei Kontextinformationen und der Veranstaltungstitel verweist lediglich auf die Container-Kategorie »Performances« (und nicht etwa ›Art Performances‹) sowie mit »Four Evenings Four Days« auf die zeitliche Struktur des Programms.

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griff. Die für alle Künstler*innen identischen Fragebögen verweisen auf einen demokratischen Zug in Tuckers kuratorischer Praxis.133 Dieser schlug sich im Programm des Festivals auch in einer ausgewogenen Repräsentanz der unterschiedlichen Me­ dien nieder sowie in einer auffallend ausgewogenen Geschlechterverhältnis bei den eingeladenen Künstler*innen. Von einer besonderen kulturellen Diversität konnte allerdings kaum die Rede sein, gehörten doch die meisten Künstler*innen der weißen Mittelklasse an. Bei genauerer Betrachtung erweist sich die Programmfolge als sorgfältig struk­ turiert. Vielfalt und Abwechslung – der Medien, aber auch des Charakters der Bei­ träge –, waren offenbar die entscheidenden Ordnungskriterien. Mitunter dürften auch pragmatische Überlegungen, wie der Raumbedarf, Auf- und Abbauzeiten oder die benötigte technische Ausstattung eine Rolle gespielt haben. In der Reihung der Beiträge lag aber auch eine implizite Priorisierung. Die vier Abende waren Vertre­ ter*innen der ›herkömmlichen‹ darstellenden Künste, Tanz (Laura Dean), Musik (Noa Ain/Terry Allen) und Theater (Robert Wilson und Richard Foreman), gewidmet. An den kurzweiligeren Nachmittagen hingegen kamen vor allem die Vertre­ ter*innen der Performancekunst zum Zuge. Auch hier waren die prominenten Zeitfenster an den Samstagabenden wieder für tänzerische Positionen, namentlich David Gordon, Valda Setterfield und Mary Overlie, reserviert. Die Gründe dafür dürften in der abendfüllenden Länge der Theaterstücke und Choreografien gelegen haben sowie in der größeren Bekanntheit der Theatermacher*innen und der Tänzer*innen. Insbesondere der Avantgarde-Tanz genoss in dieser Zeit, dank der internationalen Erfolge des Judson Dance Theater, besondere Aufmerksamkeit.134 Marcia Tucker war 1969, auf der Höhe der künstlerischen Museumsproteste, vom Whitney als Vermittlungsinstanz zur Kunstszene eingestellt worden. Sie war gut in der Downtown-Szene vernetzt und verfolgte die Entwicklungen dort genau. Ihre Recherchen für das Festival konzentrierten sich nachvollziehbar auf die alternativen Kunsträume, vor allem The Kitchen und Artists Space und die sogenannten offBroadway und off-off-Broadway-Theater.135 Tucker erhielt aber auch Empfehlungen

133 Mit ›demokratisch‹ ist hier die angestrebte Gleichberechtigung der Teilnehmer*innen und das Zugestehen eines Mitbestimmungsrechtes gemeint und nicht, dass Tucker eine gewählte Repräsentantin der Künstler*innen gewesen wäre. Vgl. Einleitung, S. 34. 134 Davon zeugt auch das Interesse der New York Times. Mary Overlie gibt in einem Interview zu Protokoll: »during that time for quite a few years, dance was the artform of note in New York.« Video: Tisch School of the Arts: Mary Overlie. 2016. Farbe, Ton, 7:11 Min. Online: https://web.archive.org/web/20210209175523/https://vimeo.com/160501353 (Zugriff: 09.02.2021), hier Min. 00:02:45. 135 Einige Künstler*innen berichteten später, von ihr nach einer Downtown-Performance im Artists Space oder an anderen Orten angesprochen worden zu sein. Tucker hatte Foremans Rhoda gesehen, oder besaß zumindest einen Flyer dazu. Flyer: Ontological-Hysteric Theater. Richard Foreman: Rhoda [o. D.]. A-GRI MTP, Box 48, Mappe 1. Sie sah Robert Morgan im Artists Space. Morgan erinnert sich: »As a result of seeing this piece, Marcia Tucker, who was then the curator at The Whitney Museum of American Art, invited me to participate in an exhibition that same year […] It was an important show. For one afternoon, I had the entire fourth floor in which to perform, working with steam, sand, projected images, and dancers that I choreographed.« Bui 2009. Tucker besaß einen Flyer zu Auftritten von Laura Dean in The Kitchen am 8., 9. u. 10. Januar 1976. Flyer: Laura Dean in The Kitchen [1976]. A-GRI MTP, Box 48, Mappe 1. David Gordon trat im Sommer 1975 in der Galerie von Paula Cooper auf (am 5. u. 6. Juni 1975). Auf der Rückseite

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von Künstler*innen und Kolleg*innen sowie einige Initiativbewerbungen für das Projekt, offenbar hatte sich die Neuigkeit, dass das Whitney ein Performancefestival plante, in der New Yorker Szene schnell herumgesprochen. Judy Padow bewarb sich bereits im Juni 1976, also bevor die eigentliche Kommunikation zur Veranstaltung einsetzte. In ihrem Schreiben an Tucker unterstreicht sie die besondere Kompatibilität ihres Tanzstils mit dem Museumsraum.136 Stuart Sherman bewarb sich noch kurz vor dem Festival, im Februar 1976. In einem Brief an Marcia Tucker lud er sie zu einem seiner Auftritte ein und bot sogar an, ihr eine persön­liche Probe seiner Arbeit vorzuführen.137 In den Akten ist außerdem ein buntes Sammelsurium an Flyern und Veranstaltungshinweisen abgelegt, viele davon werben für Perfor­mances (Abb. 3.29).138 Als Adressaten kommen sowohl Marcia Tucker als auch das Whitney allgemein oder andere Mitarbeiter*innen des Museums vor, wobei diese das Material offenbar an Tucker weiterleiteten. Das Whitney war also erstens ein fester Adressat solcher Werbe­mittel aus der alternativen Kunstszene und zweitens war Marcia Tucker die­ jenige Mitarbeiterin, die im Whitney als ›Avantgarde-Verantwort­ liche‹ galt. Die Druck­sachen zeigen auch, dass die performative Avantgarde zu diesem Zeitpunkt nach­gerade darauf drängte, im Museum auftreten zu können und sich per Einladungs­ karten und anderer Printmedien bestens zu vermarkten wusste. Interessant ist, dass das ursprünglich geplante Programm breiter aufgestellt war und auch einige Künstler*innen von der Westküste vorsah. In einem Programmentwurf für den letzten Veranstaltungstag werden zum Beispiel Bruce Nauman, Richard Serra und Dan Graham genannt. Auch Chris Burden oder Terry Fox tauchen in den Konzeptpapieren auf.139 Tucker entschied sich dann aber für eine Beschränkung auf die lokale Szene. Diese Entscheidung lag für ein New Yorker Museum sicher nah. Strategische Gründe hierfür können die Förderung der lokalen Szene, aber auch die Integration der notorisch museumskritischen New Yorker Avantgarde in das Museumsprogramm gewesen sein. Zusätzlich brachte die Downtown-Szene gleich ihr eigenes Publikum mit. Aber auch finanzielle Überlegungen dürften eine Rolle gespielt

dieser Einladung, die Tucker besaß, steht handschriftlich: »Performance – Biennial«. Einladungskarte: David Gordon at Paula Cooper [1974]. A-GRI MTP, Box 48, Mappe 1. 136 »My work fits in with the tradition of contemporary dance which has been shown at the museum and I think would be best viewed in that context.« Brief [21.06.1975]: Judy Padow an Marcia Tucker. A-GRI MTP, Box 48, Mappe 4. 137 »I can perform samples of my work at your convenience, or you may wish to attend my Sixth Spectacle […] at the Collective for Living Cinema« Brief [08.02.1976]: Stuart Sherman an Marcia Tucker. A-GRI MTP, Box 48, Mappe 4. Ob sie darauf einging, ist nicht bekannt. 138 Flyer und Einladungskarten. A-GRI MTP, Box 48, Mappe 1. 139 Auf der ersten Liste vom 3. Juli 1975 stehen für Musik: Noa Ain, Terry Allen und Alvin Lucier; für Performances und Theater: Terry Riley, Robert Wilson, Simone Forti, Charlemagne Palestine, Natural History Improvisation Co., Tina Girouard, Medicine Show, Richard Foreman, Joseph Chaikin, Robert Barry, Harry Kipper, Laurie Anderson, John White (LA), Mabou Mines* und Alan Kaprow; für Tanz: Lucinda Childs, Trisha Brown, Laura Dean, Douglas Dunn, Judy Padow, Jane Evans, Sara Rudner, Natural History of the American Dancer. Interne Kommunikation [03.07.1975]: Marcia Tucker an Walter Poleshuck. A-GRI MTP, Box 48, Mappe 7. Weitere Namen auf verschiedenen Konzeptpapieren sind: Vito Acconci, Bill Beckley, Chris Burden, Terry Fox, Dan Graham, Richard (Dicky) Landry*, Sylvia Whitman, La Monte Young und Charlemagne Palestine*. Mit Asterisk markierte Namen wurden angefragt und füllten auch Frage­ bögen aus, traten aber nicht auf. A-GRI MTP, Box 48, Mappe 6 u. 7.

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haben. Für ein lokales Projekt fielen keine Reisekosten an und es konnte auf Förderprogramme des Bundesstaates und der Stadt zurückgegriffen werden.140 Laurie Anderson, Richard Foreman und Noa Ain wurden beispielsweise im Zusammenhang mit ihrer Förderung durch das städtische Programm CAPS (Creative Artists Public Service) eingeladen.141 Der bei weitem umfangreichste Teil der Korrespondenz zum Festival betrifft technische, logistische und organisatorische Fragen. Wer benötigt welche technische Ausstattung? Welches Material wird wann geliefert und wieder abgeholt? Welche Beleuchtung ist notwendig? Wer kümmert sich um die Bedienung der technischen Geräte? Wer vermietet Drehbühnen, Konzertflügel und Veranstaltungstechnik und wie viel kostet das? Sich mit solchen Fragen zu befassen gehört nicht zum traditionellen Aufgabenbereich von Kurator*innen im Museum. Ein neues Mitarbeiter*innenProfil war hier gefragt, das eine Art von Eventmanagement mit der kuratorischen Tätigkeit verband.

Verortung des Festivals im Museumsprogramm Marcia Tucker begann im Juli 1975 mit der Programmauswahl und Planung des Festivals, unmittelbar nach dem Ende der zweiten Whitney Biennale (1975 Biennial Exhibition: Contemporary American Art).142 Einiges spricht dafür, dass sie die Idee für das Festival aus der Arbeit an jener Großausstellung entwickelte. Bereits das Konzept der Biennale war ein Experiment gewesen, das auf ein Drängen von Künstler*innen auf Inklusion und transparentere Strukturen reagierte. Um den Einzugsradius der Überblicksschau, die den Anspruch erhob, die aktuellen Tendenzen US-amerikanischer Kunst abzubilden, über die Grenzen des New Yorker Galerien- und Sammlersystems auszuweiten, entsandte das Museum seine Kura­ tor*innen erstmals auf ausgedehnte Reisen zu Künstler*innen in der gesamten Nation.143 Damit setzte das Museum ein Zeichen der Öffnung, und es dürfte nicht zuletzt diese Geste gewesen sein, die die oben erwähnte Flut an Initiativbewerbungen auslöste. Ein Großteil der erwähnten Einladungskarten und Programmflyer könnten also Initiativbewerbungen für die Biennale gewesen sein. In derselben Archivmappe findet sich auch eine Serienbrief-Vorlage, verfasst im Namen Marcia 140 Die Veranstaltung wurde vom New York State Courncil on the Arts (NYSCA) gefördert. Pressemitteilung [17.02.1976], wie Anm. 12. 141 Eine Liste der CAPS-geförderten Künstler*innen liegt den Akten zur Ausstellung bei. Internes Dokument: CAPS-ge­ förderte Künstler*innen. A-GRI MTP, Box 48, Mappe 1. Bei Noa Ain übernahm CAPS die Hälfte der Kosten mit einem ›meet the composer‹ Stipendium. Interne Kommunikation [01.12.1975]: Marcia Tucker an Walter Poleshuck. A-GRI MTP, Box 48, Mappe 3. 142 1975 Biennial Exhibition, 20.01.–30.03.1975, Whitney Museum, New York. Katalog: Whitney Museum of American Art (Hrsg.): 1975 Biennial Exhibition. Ausst. Kat. New York, Whitney Museum of American Art. New York 1975. 143 Die finanzielle Unterstützung dafür kam vom National Endowment for the Arts. Vgl. Armstrong, Tom: Foreword. In: Ebd.

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Tuckers und ihrer Kollegin Barbara Haskell. Sie enthält eine freundliche Absage sowie den Hinweis, dass die Zahl der Initiativbewerbungen in diesem Jahr größer denn je gewesen sei.144 Das Konzept der Biennale berücksichtigte erstmals die zeitbasierten Medien Film und Video, sah aber kein Live-Programm vor. Offenbar sammelte Tucker aber die performancebezogenen Bewerbungen und Einladungen und griff dann später bei der Vorbereitung des Festivalprogramms auf sie zurück. Inhaltlich schloss das Festival an die bereits genannte Performancereihe Com­ posers’ Showcase an, die das Museum seit neun Jahren veranstaltete. In diesem Rahmen fanden zunächst vor allem Konzerte Neuer Musik statt, bald aber auch Tanzveranstaltungen, wie Yvonne Rainers Continuous Project Altered Daily (1970), Trisha Browns Another Fearless Dance Concert (1971) oder Lucinda Childs’ Concert of Dance (1973).145 Diese in unregelmäßigen Abständen über das Jahr verteilt stattfindende Veranstaltungsreihe wurde 1976 durch das kompaktere Festivalformat ersetzt.146 Im Jahresrückblick des Museums für 1976 heißt es: The Museum has produced an extremely successful series of performance evenings with Composers’ Showcase for nine years. This year, the program was supplemented by Performances: Four Evenings, Four Days, organized by Marcia Tucker, Curator [sic].147 Direkt im Anschluss und damit eine inhaltliche Verbindung herstellend, beschreibt der Bericht das bereits erwähnte Bodybuilding-Event Articulate Muscle: The Male Body in Art: In addition, the authors of the book Pumping Iron and a group of art historians presented an evening combining a discussion of the male body in art and a bodybuilding demonstration by Arnold Schwarzenegger, Frank Zane and Ed Corney.  Photographs of this event were reproduced internationally, including one in the London Times.148 Die Hintergründe und der Ablauf dieses Events werden unten noch einmal ausführ­ licher zur Sprache kommen. Zunächst ist festzuhalten, dass das Museum beide Ver-

144 »The number of artists submitting work for curatorial review was unprecedented this year. With our small staff we, unfortunately [sic] cannot respond personally to every artist. However, we would like to thank you for having given us the opportunity of viewing your work and to express our appreciation of your interest in the Whitney. Sincerely, Marcia Tucker / Curator, Barbara Haskell / Curator.« Briefvorlage [1975]: Absage [betr. Bewerbungen zur Whitney Biennale 1975] von Marcia Tucker und Barbara Haskell. A-GRI MTP, Box 48, Mappe 1. 145 Diese Veranstaltungen fanden meist an den freien Dienstagabenden statt. Yvonne Rainer: 31.03, 01. u. 02.04.1970; Trisha Brown: 30. u. 31.03.1971; Lucinda Childs: 07.12.1973. Ein Briefwechsel aus dem Jahr 1968 legt nahe, dass es der Künstler Douglas Davis war, der das Museum dazu anregte, Tanz in die zuerst musikalisch ausgerichtete Abendreihe zu integrieren. Korrespondenz [1968]: Douglas Davis und Stephen E. Weil. A-WHIT CS, Mappe 13. 146 Tatsächlich fanden 1976 nach dem Festival keine weiteren Live-Veranstaltungen im Museum mehr statt. Weitere inhaltliche Verbindungen gab es zu den Veranstaltungen im Downtown Branch des Museums. 147 Whitney Museum of American Art 1976, S. 7.

148 Ebd.

Verortung des Festivals im Museumsprogramm

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anstaltungen in einem Atemzug nennt und der Bodybuilding-Präsentation sogar etwas mehr Aufmerksamkeit schenkt. Räumlich und zeitlich ging dem Festival eine umfangreiche Ausstellung des Bildhauers Mark di Suvero voraus, dessen Großskulpturen nicht nur im Museum, sondern auch im öffentlichen Raum präsentiert wurden.149 Das Ausgreifen der Ausstellung auf den Stadtraum entsprach sowohl Di Suveros künstlerischem Anliegen, die Betrachter*innen aktiv in seine Werke einzubeziehen als auch dem Anliegen des Museums, sein Image als statische und elitäre Festung der Hochkunst abzuschütteln. Für den musealen Teil der Ausstellung schuf Di Suvero einen interaktiven Playroom, in dem die Besucher*innen auf skulptural gestalteten Schaukeln herumtollen durften. Obwohl dies nicht eigentlich eine Performanceausstellung war, besaß sie durchaus performativen Charakter. Sie kann deshalb stellvertretend für ähnliche Projekte konzeptueller und/oder installativer Kunst im Whitney stehen, die auf eine grund­ legende Neuorientierung des Museums hin zu einem ›lebendigen‹ Besucher*innen­ erlebnis verweisen.150 Das Jahresprogramm für 1976 stand ganz im Zeichen der Feierlichkeiten zur Zweihundertjahrfeier der Vereinigten Staaten. Die drei Hauptausstellungen des Jahres waren dementsprechend staatstragender Natur. Ab Februar und den gesamten Sommer über belegte die Überblicksschau 200 Years of American Sculpture alle Ausstellungsräume des Museums.151 Im Herbst folgten die Ausstellungen American Art from the Collection of Mr. and Mrs. John D. Rockefeller 3rd mit einem Schwerpunkt auf US-amerikanischem Impressionismus152 sowie Calder’s Universe153, eine Retrospektive des Bildhauers Alexander Calder, einem der wichtigsten US-amerikanischen Bildhauer der Moderne.154 Das Performancefestival fiel zwar zeitlich in das Jubiläumsjahr, wurde aber in der offiziellen Kommunikation nicht als eine Jubiläumsveranstaltung geführt. Das bedeutete aber nicht, dass das Festival von diesen Aktivitäten des Museums unberührt blieb. Im Gegenteil, das Jubiläumsprogramm wirkte sich zeitlich, inhaltlich und vor allem atmosphärisch auf das Festival aus. Zunächst war die Komprimierung des Live-Programms auf einen zweiwöchigen Zeitraum zu Jahresbeginn der Tatsache 149 Mark di Suvero, 13.11.1975–08.02.1976. 150 Eine ähnliche Bewegung in den Stadtraum vollzog das Museum zeitgleich mit seinen verschiedenen Satellit-Projekten, wie dem Downtown Branch. 151 Ausstellungsdaten: 16.02.–26.09.1976. Die Ausstellung wurde vom National Endowment for the Arts und der Chase Manhattan Bank gefördert, deren Vorsitzender David Rockefeller war. 152 Ausstellungsdaten: 16.09.–07.11.1976. 153 Ausstellungsdaten: 14.10.1976–06.02.1977. 154 »For the bicentennial year, it was decided to present the first survey exhibition of two areas of American art, sculpture and drawing, to celebrate the accomplishments of a single American artist, Alexander Calder and to introduce an outstanding private collection, American Art from the Collection of Mr. and Mrs. John D. Rockefeller 3rd. The major Bicentennial exhibition to open during the fiscal year was 200 Years of American Sculpture […] the first exhibition to occupy the entire Museum since the inauguration of the present museum building in 1966. […] The exhibition was sponsored by the Chase Manhattan Bank and the National Endowment for the Arts […] [it] included a day long symposium on the exhibition on April 12. This was the first such event conducted by the Museum and we are planning similar programs in conjunction with future exhibitions.« Whitney Museum of American Art 1976, S. 7.

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geschuldet, dass für den Rest des Jahres die Jubiläumsausstellungen die gesamte Ausstellungsfläche beanspruchten. Atmosphärisch wurde das Festival von einer Reihe an Protestaktionen begleitet, die zum Teil parallel stattfanden und die sich vor allem gegen die Präsentation der Rockefeller-Sammlung im Kontext eines Staatsjubiläums wandten. Ihre Initiator*innen waren vor allem Künstler*innen (Abb. 3.30).155 Die wesentlichen Gründe für die Empörung waren, dass die Sammlung erstens einem Rockefeller gehörte und zweitens, dass behauptet wurde, sie sei ein Querschnitt durch die US-amerikanische Kunst, obwohl sie nur einen kleinen Bruchteil derselben repräsentierte. »To show such a collection, made by a Rockefeller and only of white male artists, was bad taste« erklärte Jean Dupuy später.156 Der Stellenwert des Festivals im Gesamtprogramm des Museums war also höchst ambivalent. Einerseits war es das erste Mal, dass Performance dort (nahezu) gleichberechtig mit herkömmlichen Ausstellungen präsentiert wurde. Nie zuvor hatte das Whitney Performance mehr Raum und Zeit gewidmet. Andererseits wurde das Fes­ tival in eine Programmlücke geschoben und nicht in das Jubiläumsprogramm integriert.157 Letzteres spräche für die These Jean Dupuys, dass das Festival eine Art widerwilliges Zugeständnis war, das die Künstler*innen dem Museum abgerungen hätten.158

Downtown-Performance an der Madison Avenue – Institutionalisierung der Avantgarde? Bob George, Bob Bielecki and Laurie Anderson will be bringing in equipment tonight at midnight. They will need access to the fourth floor to leave the equipment. They will call just before arrival to let you (the nightwatchman) know.159 Diese kurze an den Nachwächter des Museums adressierte Nachricht aus der Planungsphase des Festivals zeugt vom Aufeinanderprallen zweier Welten. Auf der einen Seite waren Künstler*innen wie Laurie Anderson und ihre Freunde, mit unkonventionellen Lebensstilen und Arbeitszeiten, auf der anderen Seite ein großes Muse155 Einige Künstler*innen erarbeiteten sogar einen Anti-Catalog zur Ausstellung. Dazu: Wallach, Alan: Rereading an Anti-Catalog. Radical Art History and the Decline of the Left [1998]. In: Copeland, Mathieu/Lovay, Balthazar (Hrsg.): The Anti-Museum. An Anthology. Köln: König 2017, S. 451–454. Eine Materialsammlung zu den Protesten Ebd., S. 455–460. 156 Dupuy/Howell 1980, S. 8. 157 Parallel zu den Performances liefen die Ausstellungen Young America, 2. Etage, bis 22. Februar 1976 und Selections from the Permanent Collection, 1. Etage, bis 28. Februar 1976. 158 Dupuy argumentiert: »Finally obliged to recognize art-performance as a major activity in the arts which has been going on for several years in N.Y., the Whitney Museum decided to invite me…« Dupuy, Jean: O. T. [Three Evenings on a Revolving Stage]. In: Dupuy, Jean (Hrsg.): Collective Consciousness. Art Performances in the Seventies. New York: PAJ Publications 1980, S. 33–35, hier S. 34. 159 Interne Kommunikation: Nightwatchman. A-GRI MTP, Box 48, Mappe 7.

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um mit hierarchischer Personalstruktur, festen Öffnungs- und Schließzeiten, Sicherheitskonzept und Alarmanlagen. Es erstaunt insofern kaum, dass es zu Reibungen und Konflikten kam. Marcia Tuckers Fragebögen zeugen aus dieser Perspektive nicht allein von der Offenheit für die Ideen der Künstler*innen, sondern auch – einmal mehr – von einem institutionellen Bedürfnis nach Planbarkeit, Sicherheit und Kostenkontrolle. Wenn Jean Dupuy sich nach der Veranstaltung über Marcia Tuckers ›Schulmeisterinnen-Verhalten‹ ärgerte, hatte sie wahrscheinlich auf die Einhaltung musealer Regeln bestanden. Im Museum habe eine »police station like atmosphere« geherrscht, resümierte er, der vermutlich die lockere Atmosphäre der alternativen Kunsträume zum Maßstab nahm.160 Für Dupuy bedeutete das Verbot des Museums, das Publikum mit einer falschen Warnung vor Stromschlägen zu erschrecken, einen Eingriff in die künstlerische Freiheit. Für das Museum als öffentliche Einrichtung standen die Sicherheit und das Wohlbefinden des Publikums im Vordergrund, auf dessen Gunst es auch in Zukunft angewiesen war. Auch konnte es sich das Museum finanziell nicht leisten, seine Trustees durch unliebsame Skandale zu verprellen. Marcia Tucker und ihre Kollegin Pamela Adler antizipierten solche und ähnliche Konfrontationen. In einer Praktikumsausschreibung findet sich die Warnung: »There will be a lot of hassles with a lot of people – performers can be very demanding.«161 Dies betraf den Beitrag von Jean Dupuy in besonderem Maße, zu dem es im internen Aufbauplan heißt: »Since there are 20 performers, we will have to be on our toes for this mini extravaganza.«162 Mehrere Rezensionen erwähnen in unterschiedlichen Zusammenhängen die lebhafte Atmosphäre der Veranstaltung. Stefan Brecht beschreibt in seiner Rezension zu Jared Bark den Respekt einflößenden Standort des Museums sowie die Stimmung darin, kurz vor Barks Auftritt: The museum in the luxurious boutique stretch of Madison (at 74th) is opulent: ground polished stone, discretely incised. The elevator (to the auditorium 4th fl.) is enormous, for a herd. There are crowds of young people, not a few, though, look like school kids. The young women, with young men (bearded) look uniformly futile: uncreative. The auditorium is dark, it’s hard to see, I recognize the handsome young women that seem to run these events most directly, efficient, seeming a touch contemptuous, they work for the museum.163

160 Dupuy [O. T.] 1980 S. 35. 161 »The person should be interested in performance and strong – required to move things like pianos around. There will be a lot of hassles with a lot of people – performers can be very demanding. Typing not necessary.« Praktikumsausschreibung. A-GRI MTP, Box 48, Mappe 7. 162 Internes Dokument [Produktionsplan], wie Anm. 86. 163 Brecht 2016, S. 25.

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Diejenigen Fotografien des Festivals, die Publikum zeigen, bestätigen, dass die gesamte Veranstaltung gut besucht war. Wie die zitierte Rezension anmerkt, war das Publikum verhältnismäßig jung und ›hip‹. Vermutlich waren die meisten Festivalgäste selbst Künstler*innen, in manchen Fällen auch die Eltern oder Familien der Performer*innen.164 Reguläre Museumsbesucher*innen dürften eher zufällig den Weg zur Veranstaltung gefunden haben. Die Marketingaktivitäten des Museums scheinen sich jedenfalls auf die Downtown-Szene konzentriert zu haben, denn die einzige Werbeanzeige für die Veranstaltung, die den Akten beiliegt, ist eine Anzeige in der Zeitung SoHo Weekly News.165 Marcia Tucker gelang insofern mit dem Festival die ›Transplantation‹ der Downtown-Szene – einschließlich des Publikums. Es scheint, als habe Tucker sogar versucht, die gesamte Atmosphäre der Downtown-Performances ins Museum zu übertragen.166 Eines ihrer Vorbilder könnte hier die Veranstaltung Soup & Tart gewesen sein, die Jean Dupuy im Vorjahr in The Kitchen organisiert hatte. Hier trat eine Reihe an Performer*innen in Kurzperformances auf, während das Publikum, versorgt mit Essen und Getränken, um sie herumsaß oder -stand. Videoausschnitte der Veranstaltung vermitteln einen Eindruck von der informellen und familiären Atmosphäre und einer abwechselnd ausgelassenen und konzentrierten Stimmung, je nach Art der Darbietung.167 Sie zeigen auch, dass Veranstaltungen wie diese sehr gut besucht waren und trotz der großen Loft-Räume, in denen sie stattfanden, oft an ihre kapazi­tiven Grenzen stießen. Tucker übernahm das ›neutrale‹ Raumangebot der Lofts ohne vorgegebene Bühne, Zuschauerränge oder Bestuhlung. Stattdessen konnten die Künstler*innen ihren Auftrittsrahmen selbst abstecken und das Publikum gruppierte sich auf flexiblen Sitzkissen am Boden darum herum. Dieses sogenannte cushion seating, ein Kompromiss zwischen legerer Atmosphäre, Flexibilität und Komfort, war in den alternativen Kunsträumen gebräuchlich und hatte sich auch im Whitney bereits bei den Com­posers’-Showcase-Veranstaltungen bewährt. In Analogie zu Soup & Tart hatte Tucker sogar angedacht, Bier an die Gäste auszuschenken, wurde aber von der

164 Martha Wilson hatte beispielsweise ihre Mutter zu Gast. E-Mail [21.02.2019]: Martha Wilson an Lisa Beißwanger. A-A. 165 Eine Notiz an den Museumsdirektor schlägt auch eine Anzeige in der Sonntagsausgabe der New York Times und in der Village Voice vor. Notiz: N.N. an Tom [Armstrong]. A-GRI MTP, Box 48, Mappe 7. Mit einem Anzeigenpreis von etwa 1 000 Dollar wird die Times-Anzeige nicht in Frage gekommen sein. 166 Stephen Koch beschreibt die Atmosphäre der Loft-Performances: »For some reason, one always must climb stairs to reach a performance. The ascent is the same to reach the most modest, well, dump, with battered floors and grimy windows, or the cool sanctum of the Castelli gallery (downtown) or the high grandeur of the Whitney. And when you have gotten to the top of whatever stairs you have climbed you will find yourself not in a theater but in a ›space‹. […] There is likely to be a great deal of sitting on the floor (an unfortunate holdover from the Bohemian affectations of earlier days) along with perching on windowsills and leaning against pillars.« Koch, Stephen: Reflections on SoHo. In: Block, René (Hrsg.): New York – Downtown Manhattan: SoHo. Berlin: Akademie der Künste/Berliner Festwochen 1976, S. 105–141, hier S. 134–135. 167 Verschiedene Videoausschnitte und Fotografien der Veranstaltung auf: Webseite: Documents d’artistes. Jean Dupuy. https://web.archive.org/web/20210217210228/http://documentsdartistes.org/artistes/dupuy/repro3-4.html (Zugriff: 17.02.2021).

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Museumsverwaltung unter Verweis auf die fehlende Alkoholausschanklizenz daran gehindert.168 Was für Museumsverhältnisse – den genannten Einschränkungen zum Trotz – eine unkonventionelle Veranstaltung war, muss im direkten Vergleich zum turbulentimprovisierten Abend Soup & Tart dann doch sehr ›museal‹ gewirkt haben. Der Kritiker Peter Frank bemerkte die zähen Umbaupausen, die die Dynamik von Dupuys Drehbühnen-Event beeinträchtigten.169 Downtown wären solche Pausen vielleicht mit Essen, Getränken und informellen Gesprächen gefüllt worden oder gar nicht erst entstanden, da die Beitragenden von vornherein mit einem geringeren technischen Aufwand kalkulierten. In einigen Fällen scheint es jedenfalls so, als hätten die Künstler*innen technisch besonders aufwendige Stücke für das Museum entwickelt. Das Wissen um die technischen Möglichkeiten und die Bedeutung eines Auftritts im renommierten Whitney, vor einem – zumindest potenziell – breiteren Publikum und unter etwaiger Anwesenheit wichtiger Kritiker*innen, die nur selten in die alterna­ tiven Kunsträume nach Downtown kamen, dürfte Ambitionen geweckt und zu einem professionelleren Habitus beiden meisten der Künstler*innen geführt haben. Der Auftritt von Laurie Anderson, so stellte RoseLee Goldberg fest, habe im Vergleich zu ihren bisherigen Auftritten in alter­nativen Kunsträumen richtiggehend ›poliert‹ gewirkt.170 Insofern wirkte sich das Museum als Ort auch auf die Form der präsentierten Werke aus. Adrian Piper, die ihre Arbeiten zuvor vor allem im öffentlichen Raum zeigte, sprach angesichts ihres Museumsauftritts von einer Art Kontrollverlust: Doing a museum performance was a different way of being out of control – you depend on so many people to put the thing together, and the way the performance turns out is not entirely in the hands of the performer.171 Zeitgleich mit dem Festival fanden vor dem Museum weiterhin Protestaktionen gegen die geplante ›Rockefeller-Ausstellung‹ statt. Die Künstler*innen, die am Festival teilnahmen, waren sich deshalb der politischen Brisanz ihres Auftritts im Whitney sicher bewusst. Ein zweites, noch direkteres Problem, das neben der RockefellerKontroverse den Unmut der beteiligten Künstler*innen weckte, war die äußerst geringe Bezahlung, die das Museum für die Auftritte in Aussicht stellte. Der Grund dafür war, dass Marcia Tucker für die Veranstaltung auf externe Fördergelder angewiesen war, die erst spät zugesagt wurden und die dann vor allem in die technische Ausstattung flossen. Als Gagen blieben dann, mit etwa 50 USD pro Beitrag, vor allem im Falle des Drehbühnen-Events mit den zahlreichen Teilnehmer*innen, nur symbo-

168 Interne Kommunikation: Kein Alkoholausschank. A-GRI MTP, Box 48, Mappe 7. 169 Frank 1980, S. 41. S. auch Anm. 63. 170 »The work was more polished than previous ones, both in terms of timing and the way in which she moved between one medium and another—film, violin playing, taped stories, and live stories.« Goldberg, RoseLee/Anderson, Laurie (Hrsg.): Laurie Anderson. London: Thames & Hudson 2000, S. 56. 171 Piper zitiert in: Goldberg 1976, S. 23.

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lische Beträge.172 Die geringen Gagen führten in einigen Fällen zur Absagen geplanter Auftritte und waren möglicherweise auch dafür verantwortlich, dass nur wenige der gezeigten Stücke Neuproduktionen waren.173 Insbesondere Jean Dupuy brachte seine Wut und Bitterkeit über die in seinen Augen kunstfeindlichen Rahmenbedingungen des Festivals zum Ausdruck. Schuld daran war ihm zufolge Marcia Tucker, der er nicht nur Hörigkeit gegenüber ihren Vor­ gesetzten und den Sponsoren vorwarf, sondern auch eine unangemessen autoritäre Haltung. »We were treated like students and Marcia Tucker was like a school mistress. Ridiculous.«174 Sie habe sich auf die falsche Seite geschlagen (gemeint ist die Seite der Museumsleitung) und nicht ausreichend Partei für die Künstler*innen ergriffen.175 Zugleich musste er aber eingestehen: »She did a good job to invite us because we were doing all these performances in lofts or places like The Kitchen, Judson Church or Artist[s] Space, where I rarely saw any art critics.«176 Hin- und hergerissen zwischen der Hoffnung, ein breiteres Publikum zu erreichen und den Kompromissen und institutionellen Verstrickungen, die damit unweigerlich einhergingen, begann Dupuy seine Drehbühnen-Performance mit den Worten: »The 19 artists invited to perform on the revolving stage today, will receive each 7 dollars as a fee given by the Whitney – ›Let us PROTEST for ONE MINUTE!‹.«177 Dazu zeigte er einen Ausschnitt eines Dokumentarfilms über die Proteste gegen die Rockefeller-Ausstellung.178 Noch konsequenter gab sich die Guerilla Art Action Group (GAAG), die Dupuy offenbar zur Teilnahme an seinem Beitrag eingeladen hatte. Jon Hendricks und Jean Toche erläutern in einem offenen Protestbrief, adressiert an Dupuy, die Museumsleitung des Whitney, den Generalstaatsanwalt sowie die Menschenrechtsbeauftragte des Staates New York, warum sie der Veranstaltung aus ethischen Gründen fernbleiben müssten. »We feel strongly that it would be wrong

172 Zum Zeitpunkt der Einladungen stand noch keine Finanzierung, weshalb alle Beteiligten davon ausgehen mussten, dass es überhaupt keine Gagen geben würde. Letztlich wurde das Programm von NYSCA unterstützt. Die Gesamt­ summe aller Gagen belief sich auf 1 800 USD. Internes Dokument: Gagen für Künstler*innen. A-GRI MTP, Box 48, Mappe 3. 173 Die Theatergruppe Mabou Mines hatte 1 000 USD für ihren Auftritt gefordert. In einem Brief aus dem Whitney an die Agentur von Mabou Mines heißt es: »[B]ecause David Frank was so negative about their performing without the $1,000 fee, we have taken them off the schedule«. Brief [28.01.1976]: Pamela Adler an Mimi Johnson [Performing Artservices]. A-GRI MTP, Box 48, Mappe 4. Richard Landry forderte eine Gage für sich und einen Assistenten von 200 USD. Fragebogen: Richard Landry. A-GRI MTP, Box 48, Mappe 3. Über die Absage von Landry finden sich keine Angaben. Auch Guy de Cointet forderte ursprünglich 200 USD, gab sich dann aber offenbar mit 50 USD zufrieden. Ob er sie mit der Performerin teilte, ist nicht bekannt. Fragebogen: Guy de Cointet. A-GRI MTP, Box 48, Mappe 3. 174 Dupuy/Howell 1980, S. 8. Wie Mechtild Widrich im Gespräch richtig bemerkt hat, zeichnet sich hier auch ein ›GenderProblem‹ ab, da Marcia Tucker als Kuratorin möglicherweise weniger Autorität zugesprochen wurde, als ihren männ­ lichen Kollegen. Tatsächlich hatte sie oft mit Vorurteilen männlicher Kollegen, Künstler und Kritiker zu kämpfen, wie sie in ihrer Autobiografie schreibt. Tucker/Lou 2010, hier insb. S. 101. 175 »[B]etween sponsors and artists […] she chose the bad side. She didn’t choose the artists’ side.« Dupuy/Howell 1980, S. 8. 176 Dupuy/Howell 1980, S. 7. 177 Dupuy [O. T.] 1980, S. 35. 178 »The realness of the brouhaha disrupted the controlled, comfortable feeling of here’s-the-audience-there’s-the-perform er-it-s-only-a-stage. For a minute.« Frank 1976, S. 41.

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for us to exhibit, perform, or patronize the Whitney until their position against racial and sexual equality has changed.«179 Diese lautstarke und konfrontative Haltung, ein Nachhall der politischen Protestbewegungen der 1960er-Jahre, war unter den Teilnehmenden aber die Ausnahme. Und doch verspürten einige der Teilnehmer*innen zumindest Unbehagen dabei, in einer Institution aufzutreten, deren Normen und Werte sie nicht uneingeschränkt teilten. Anstatt aber, wie die GAAG, der Veranstaltung fern zu bleiben, wählten sie andere Strategien, um mit der Situation umzugehen: Sie traten auf und machten die Kontroversen zum Gegenstand ihrer Kunst. So thematisierte Julia Heyward mit der Trennung ihres Publikums in Männer und Frauen die Gender-Normen, die im Zen­ trum der Rockefeller-Kontroverse standen und verwies zugleich mit ihrem Lied auf die Gagenfrage. Hannah Wilke schmähte den US-amerikanischen Patriotismus, der das Museumsprogramm zum Staatsjubiläum prägte, und die patriarchalen und kapitalistischen Strukturen, für welche die Rockefeller-Dynastie in den USA wie keine zweite stand und steht. Wilke erklärte später, sich spontan für eine Protest-Performance entschieden zu haben, da sie sich sowohl der Bedeutung als auch der Problematik eines Auftritts im renommierten Whitney bewusst war. Ersteres überwog: »To be or not to be in the Whitney? Better to be«.180 Bei Wilke, aber auch bei Julia Heyward und anderen trat also die Integration und die ironische Brechung der wahrgenommenen Widersprüche in ihren Werken an die Stelle destruktiver Museums­ kritik, die in der Konsequenz eine Verweigerung gegenüber dem Museum nach sich gezogen hätte. Martha Wilson betonte später: »It’s safe to say that we all recognized it was a big deal that an uptown institution was recognizing a downtown art form!«181 Wilson, aber auch weitere, vor allem weibliche Performerinnen, nutzten das Museum als eine öffentliche Plattform um gesehen zu werden und um mit ihren Werken ihre (oft feministische) Botschaft auszusenden. Die Tänzer*innen und Musiker*innen, aber auch die Theaterleute, für die das Museum nicht der ›natürliche‹ institutionelle Rahmen und insofern auch kein Gegenspieler war, handhabten ihre Auftritte ungleich pragmatischer. Auch einige der Performancekünstler*innen, darunter Robert Morgan oder Michael Smith, ließen keine museumskritische Haltung erkennen beziehungsweise nahmen keinen direkten Bezug auf das Museum als Ort. Die Behauptung, Performancekünstler*innen der 1970er-Jahre wären durchweg auch Institutionskritiker*innen gewesen, stellt sich damit als falsch heraus. Die Institutionalisierung der Performance-Avantgarde, für die das WhitneyFestival geradezu paradigmatisch steht, ging weder allein vom Museum aus, noch war sie allein das Anliegen der Künstler*innen. Vielmehr handelte es sich um ein

179 Brief [12.01.1976]: Guerilla Art Action Group an Jean Dupuy; cc an: Marcia Tucker, Tom Armstrong, Luis Lefkowitz und Eleanor Holmes Norton [N.Y.C. Commission of Human Rights]. A-GRI MTP, Box 48, Mappe 6. 180 Verschiedene Autor*innen 1980, S. 222. Wilke wurde noch am Morgen der Aufführung von Dupuy rekrutiert. Ebd. 181 E-Mail [21.02.2019]: Martha Wilson an Lisa Beißwanger. A-A.

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vielschichtiges Wechselspiel. Eine Legitimierung durch das Museum blieb auch für institutionskritisch eingestellte Performancekünstler*innen relevant und das Museum blieb eine wichtige Plattform, über die Künstler*innen ihr Publikum erreichen konnten. Vor allem für Künstlerinnen, das wurde in der Exposition bereits angesprochen und hier insbesondere an Hannah Wilkes Entscheidung für einen Auftritt im Whitney deutlich, war es nicht selbstverständlich in einem großen Museum auftreten zu können. Eine aggressive, institutionskritische Haltung, wie von Dupuy oder der GAAG erforderte ein künstlerisches Selbstverständnis, das nicht von ungefähr häufiger bei weißen, männlichen Künstlern zu finden ist. Für das Whitney wiederum war es wichtig, den Kontakt zur lokalen Szene und zur Avantgarde zu pflegen, da nur so seine Legitimierung als Ort für zeitgenössische US-amerikanische Kunst gewährleistet war.

Das Symposium Articulate Muscle – Bodybuilding im Museum Articulate Muscle: The Male Body in Art fand am Mittwoch, dem 25. Februar 1976, um 20 Uhr im Whitney Museum statt. Dieser Termin lag mitten im Festivalzeitraum, aber an einem Abend, an dem dort keine Veranstaltungen vorgesehen waren.182 Angekündigt wurde ein kunsthistorisches Symposium, das sich mit dem männlichen Körper in der Kunst befassen sollte (Abb. 3.32).183 Ein zentraler Bestandteil des Programms waren Live-Auftritte der drei Bodybuilder Ed Corney, Arnold Schwarzen­ egger und Frank Zane. Die Initiative zu dieser Veranstaltung ging nicht vom Museum, sondern von dem Fotografen und Filmemacher George Butler aus, der damals an seinem Bodybuilding-Dokumentarfilm Pumping Iron arbeitete.184 Im Zentrum dieses Films steht der werdende Superstar Arnold Schwarzenegger, der sich mit hartem Training und psychologischer Manipulation gegen seine Kontrahenten durchsetzt. Da Butler das Geld für sein Projekt ausging, versuchte er über Sponsoren-Events neue Geldgeber zu finden. Dass er sich dafür an ein Museum wandte, mag zunächst verwundern, erklärt sich aber aus dem Konzept des Films und den an ihm beteiligten Personen. Pumping Iron sollte eine Art Imagefilm für das Bodybuilding werden, wie zuvor schon die Buchpublikation Pumping Iron – The Art and Sports of Bodybuilding, die Butler (als Fotograf) gemeinsam mit Charles Gaines (als Autor) veröffentlich

182 Die Veranstaltung wurde von den Auftritten Richard Foremans am Vortag und Noa Ains und Terry Allens am Folgetag ›eingerahmt‹. 183 Pressemitteilung [o. D.]: Whitney Museum: Articulate Muscle, Whitney Museum, 1976. A-WHIT CS, Mappe 86. 184 Dokumentarfilm: Butler George/Fiore, Robert: Pumping Iron, 1977, Farbe, Ton, 86 Min.

Das Symposium Articulate Muscle – Bodybuilding im Museum

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hatte.185 Gaines erklärt darin das Ziel, das Bodybuilding von seinem Ruf als Freakshow und ›Homosexuellen-Sport‹ zu befreien.186 Um dem Sport ein kreativ-künstlerisches und damit gesellschaftlich akzeptables Image zu verleihen, erfand er die Metapher des Bodybuilders als Bildhauer des eigenen Körpers. Die Bodybuilder der Dokumentation, darunter die drei oben genannten, zeigten sich für diese Nobilitierung aufgeschlossen und präsentierten sich gerne als lebende Kunstwerke.187 Zusätzlich besaß das Filmteam, insbesondere der Kameramann Robert Fiore, gute Kontakte in die New Yorker Kunstszene.188 Vor diesem Hintergrund gelang es, den Ver­ waltungsleiter des Whitney, Palmer Wald, für das Projekt zu gewinnen.189 Die Bodybuilding-Prä­ s­ entation wurde dann seitens des Museums in ein kunsthistorisches Symposium ein­gebettet, vermutlich, um das unkonventionelle Format im Museumsprogramm recht­fertigen zu können. Während das Performancefestival schon sehr gut besucht war, wurde das Bodybuilding-Event regelrecht überrannt.190 Unterschiedlichen Angaben zufolge wollten zwischen 3 000 und 5 000 Menschen die Präsentation der Muskelmänner sehen. Restlos alle Tickets wurden verkauft.191 Das Publikum war überwiegend jung und männlich und zeugte von der Popularität des Bodybuildings in der New Yorker GayCommunity. Das Interesse der Presse an diesem ungewöhnlichen Event war ebenfalls groß. Die Veranstaltung wurde umfassend durch Berichte und visuelle Medien dokumentiert. Einige davon sind in den Museumsakten abgelegt.192 Eher spärlich fällt hingegen die Dokumentation zur Planung des Events aus und es ist auch keine vollständige Aufzeichnung der Diskussionen überliefert. 185 Gaines, Charles/Butler, George: Pumping Iron. The Art and Sport of Bodybuilding [1977]. London: Sphere 1991. 186 Gaines und Butler schreiben in der Einleitung: »[I]n America, […] bodybuilding has advertised itself with consummate tackiness, confining itself to the back pages of pulp magazines and, in the national consciousness, to the same shadowy corners occupied by dildos and raincoat exhibitionists. Unflattering myths developed early here. And the composite picture that seems to have emerged from them, of bodybuilders as narcissistic, coordinatively helpless muscleheads with suspect sexual preferences, has done little to promote the sport.« Gaines/Butler 1991, S. 8. 187 Besonders Arnold Schwarzenegger wusste das PR-Potenzial der Verbindung seines Sports mit der Kunst zu nutzen. Er ließ sich im selben Jahr vom Star- und Skandalfotografen Robert Mapplethorpe fotografieren. Vom Erfolg der ›KunstKampagne‹ zeugt auch, dass der Mr. Olympia-Wettkampf, einer der wichtigsten Titel im Bodybuilding, 1980 im Opernhaus von Sydney ausgetragen wurde. 188 Fiore war sogar einmal mit Marcia Tucker liiert, allerdings vor dem hier betrachteten Zeitraum. S. Tucker, Marcia/Lou, Liza: A Short Life of Trouble. Forty Years in the New York Art World. Berkeley, London: U of California P 2010, S. 71 ff. 189 Die Anfrage bei einem öffentlichen Museum war vermutlich auch dem Ziel geschuldet, die Raummieten kommerzieller Veranstaltungsräume zu vermeiden. Angeblich fragte Butler auch im MoMA an, das jedoch ablehnte. S. Hotten, Jon: Muscle. A Writer’s Trip Through a Sport With No Boundaries. Überarb. Ausg. London: Yellow Jersey 2005, S. 138–139. 190 »Never before has there been such a crowd at a one time Whitney event.« Wallach, Amei: Now Flexing at the Whitney. Newsday, 27.02.1976. 191 »Back in early 1976, George Butler […] had run out of cash. Rather than give up on the project, Butler persuaded Palmer Wald, an administrator at the Whitney, to organize an evening of performance art featuring Schwarzenegger and two other bodybuilders. Butler expected a few hundred people to attend the show, which was called ›Articulate Muscle: The Male Body in Art,‹ but several thousand turned up, and they overran the museum.« Cassidy, John: Still Pumped Up. In: New Yorker, 25.11.2002. 192 Eine Ankündigung erschien im Going Out Guide der New York Times am 25. Februar 1976. Rezensionen erschienen in verschiedenen Tabloid- und Sportmagazinen, aber auch im New Yorker und der Sunday Times. Die folgende Rekonstruktion beruht maßgeblich auf: Cooper, Jilly: Articulate Muscle – by Arnold Schwarzenegger. The Sunday Times, 14.03.1976; Frazier, Ian: Muscles at the Whitney. In: New Yorker, 22.03.1976 und Lowry, Katherine: The Show of Muscles at the Whitney Was Vitiated by Academic Flabbiness. In: Vault Sports Illustrated, 07.06.1976.

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Ein Videoclip zeigt, dass sich eine beachtliche Menschenmenge im Museumssaal drängte.193 In der Mitte des Raums war erneut eine Drehbühne aufgebaut, die etwas größer war als diejenige des Events von Jean Dupuy.194 Auf einem Podest an der Längswand des Raums, gegenüber den Aufzügen, stand ein langer Tisch mit einer weißen Tischdecke darauf, an dem die Diskutanten saßen. Neben der Moderatorin Vicky Goldberg195 und dem Buchautor Charles Gaines waren das die vier Universitätsprofessoren Richard Brilliant (Professor of Art History and Archaeology an der Columbia University), Mason Cooley (Professor of English and Comparative Literature am Richmond College, CUNY), Colin Eisler (Professor of Fine Arts am Institute of Fine Arts, NYU) und Matthew E. Baigell (Professor und Chairman des Art Department der Rutgers University).196 Die beiden Künstler*innen, Sylvia Sleigh und Scott Burton, die auf der Pressemitteilung angekündigt wurden, nahmen nicht teil.197 Das Programm begann mit Vorträgen von Colin Eisler und Richard Brilliant. Darauf folgten die Präsentationen von Frank Zane und Ed Corney und der dritte Vortrag von Mason Cooley. Höhepunkt war dann der Auftritt von Arnold Schwarzenegger. Abschließend fand ein Gespräch zwischen den Professoren und den Bodybuildern statt.198 Den Presseberichten ist zu entnehmen, dass die Vorträge eine klassisch kunsthistorische Ausrichtung hatten, einschließlich begleitender Diaprojektionen. Sie befassten sich mit verschiedenen Aspekten des muskulösen Körpers in der Kunst und rekurrierten dabei auf Beispiele von der Antike über Michelangelo bis Rodin. Collin Eisler sprach beispielsweise über antike Helden und den Topos Gott-alsBildhauer. Die Möglichkeit, dass Bodybuilder Kunstwerke sein könnten, schloss er auf Grund ihrer Sterblichkeit kategorisch aus.199 Offenbar waren ihm aktuelle Konzepte der Body Art und Performancekunst, die sich zeitgleich an genau dieser Schwelle abarbeiteten, fremd. Immerhin räumte er ein: »Mr. Universe may be a temporary, momentary art, like the performing arts.«200 Richard Brilliant betonte, dass in der Antike, anders als im Bodybuilding – das er offenbar wenig schätzte – Körper und Geist immer gemeinsam kultiviert worden seien. Dabei bestärkten er und die

193 Video: Body Building as Art – Whitney Museum [Pumping Iron Outtake]. 1976. Farbe, Ton, 2:27 Min. Online: https:// web.archive.org/web/20210101211958if_/https://www.youtube.com/watch?v=ok-FhIOPw1g  (Zugriff: 01.01.2021). »The crowd had about three sophisticates for every two body builders.« Frazier 1976. Mehrere Rezensionen betonen die besondere Popularität des Bodybuildings in der homosexuellen (Sub-)Kultur New Yorks. S. u. a. Wallach [Now Flexing] 1976. 194 Da in Bodybuilding-Shows sonst keine Drehbühnen zum Einsatz kommen, ist eine Ideenübernahme nicht auszuschließen, aber auch nicht nachzuweisen. 195 Vicky Goldberg hatte im Vorjahr einen Artikel über Bodybuilding für die New York Times geschrieben. Goldberg, Vicky: Is it an Art, a Sport or Sheer Exhibitionism? In: New York Times, 30.11.1975. 196 Vgl. Pressemitteilung Articulate Muscle, wie Anm. 183. 197 Sleigh war anwesend, aber entschied sich gegen eine Teilnahme an der Diskussion, da ihr die Rahmenbedingungen unpassend erschienen. S. Stein, Judith E.: Object Lessons. Women’s Bodybuilding and Performance Art, 1970s–80s. In: Frueh, Joanna (Hrsg.): Picturing the Modern Amazon. New Museum of Contemporary Art. Ausst. Kat. New York, New Museum of Contemporary Art. New York: Rizzoli 2000, S. 20–33, hier S. 30, Anm. 7. 198 Vgl. Wallach [Now Flexing] 1976. 199 Ebd. 200 Ebd.

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anderen bebrillten und blassen Intellektuellen seine These unfreiwillig aus entgegengesetzter Richtung. Mason Cooley beklagte das Fehlen schöner Männerkörper in der US-amerikanischen Literatur und hoffte, angesichts des neuen Körperkultes, auf einen Umschwung. Dem begegnete Matthew Baigell mit einigen Ausführungen über die gefährliche Nähe von Körperkult und Faschismus.201 Eine Journalistin bemerkte zusammenfassend: »[n]one of them spent any time talking about or seriously regarding the three human beings the audience had paid to see«.202 Der akademische Habitus der Diskutanten und ihr gedanklicher Horizont klassisch kunsthistorischer und literaturwissenschaftlicher Forschung bot offenbar keine Schnittmengen mit der camp-Ästhetik des Bodybuildings. Das Publikum wiederum war wenig geisteswissenschaftlich versiert und quittierte die Vorträge mit aktivem Desinteresse.203 Die Auftritte der Bodybuilder wurden dafür von lebhaftem Applaus und Bewunderungsrufen begleitet, wie der bereits genannte Filmausschnitt zeigt.204 Dort ist auch zu sehen, wie die Bodybuilder aus einem weißen Vorhang heraustreten, der einen provisorischen Backstage-Bereich verbirgt, die Zuschauermenge auf dem Weg zur Drehbühne durchqueren und dort ihre einstudierten posing-routines zeigen.205 Arnold Schwarzenegger trat zuletzt auf. Ein Foto zeigt ihn, von Kopf bis Fuß eingeölt und nur mit einem knappen Slip bekleidet, wie er mit erhobenen Armen und leicht nach vorn geneigt seinen Bizeps präsentiert (Abb. 3.31). Auf einem anderen Bild ist er, hier nun mit direktem Bezug zum Thema der Veranstaltung, als lebendes Kunstwerkt in einer Pose festgehalten, die an Auguste Rodins Denker (1880–82) erinnert.206 »If one doesn’t accept body building as fine art«, kokettierte die bereits zitierte Journalistin, »posing should at least be considered a performing art.«207 Im abschließenden Gespräch wiederholten die Bodybuilder bereitwillig die These des Films, für den sie warben, und betonten ihr Selbstverständnis als »artists living inside their own creations«.208 ku­ Trotz der zeitlichen Nähe zum Performancefestival, stellte keine*r der Dis­ tant*innen einen direkten Zusammenhang zwischen Bodybuilding und den aktuellen Entwicklungen in der bildenden Kunst her. Diesen Übertrag hätte möglicherweise der abwesende Scott Burton leisten können, der in seinen Tableaux-Performances, mit denen er auch bereits im Whitney zu Gast gewesen war, verschiedentlich posie-

201 Ebd. 202 Lowry 1976, S. 2. 203 »Most people seemed angry or bored. Very few people paid attention.« Frazier 1976. »Sitting through the scholarly gobbledygook, often seeing the wrong slide appear to illustrate some textbook example in a room far too bright for slide showing, made the initially enthusiastic audience audibly restless.« Lowry 1976, S. 2. 204 Video: Body Building as Art 1976, wie Anm. 193. 205 Ebd. 206 Die Pose ist auf dem Titelblatt der Newsday-Beilage Part II vom 27.02.1976 abgebildet. 207 Lowry 1976, S. 3. 208 Ebd., S. 2. »›I’ve taken 20 years to develop my physical body to the shape it’s in now,‹ says Corney, who is 40. ›If that isn’t art, I don’t know what is.‹ Zane says that he uses the bar bells the way a sculptor uses his chisel to create a work of art.« Wallach [Now Flexing] 1976.

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rende Männerkörper einsetzte.209 Im Gegensatz zum Museum war die Kunstgeschich­ te der mittleren 1970er-Jahre (zumindest ihre hier anwesenden Vertreter) offenbar noch nicht in der Gegenwart angekommen. Der Kunststatus von Performance war noch ebenso ungeklärt, wie der des Bodybuildings. Aus heutiger Perspektive, nach der Etablierung poststrukturalistischer Theoriebildung in der Kunstgeschichte, ließen sich Performance und Bodybuilding als zwei Pole im Spannungsfeld zwischen bildender Kunst und Populärkultur beziehungsweise high and low fassen. Während Bodybuilding, in der Form, wie es Corney, Schwarzenegger und Zane betrieben, die Apotheose zur Kunstform letztlich verwehrt blieb, fand Bodybuilding als künst­ lerische Strategie einige Jahre später, insbesondere in der queeren (Performance-) Kunst ab den 1980er-Jahren, einen festen Platz.210 Der Körper als Ereignis Das direkte Aufeinandertreffen von Kunst-Performance211 und Bodybuilding im Museumsprogramm war ein historischer Zufall und beide Veranstaltungen scheinen inhaltlich wie organisatorisch zunächst wenig gemein zu haben. Wie bereits erläutert, ging das Festival auf eine kuratorische Initiative zurück, während die Idee zum Symposium von außen kam und an kommerzielle Ziele geknüpft war. Dem steht die erwähnte administrative Gleichbehandlung in der Pressearbeit, im Jahresbericht und nicht zuletzt in der heutigen Ablage der Akten im Museumsarchiv entgegen, wo beide Veranstaltungen Teil der ›Performanceakten‹ sind.212 Aus museumsadministrativer Perspektive wird diese Gleichbehandlung nachvollziehbar, denn beides waren Live-Veranstaltung, die ähnliche organisatorische und technische Anforderungen stellten. Dazu gehörten ein rascher Auf- und Abbau, der Einsatz von Bild-, Ton- und Lichttechnik, der Bedarf an Backstage-Räumen oder ein veranstaltungsspezifisches Besuchermanagement. All diese Aufgaben unterscheiden sich von der regulären Ausstellungspraxis des Museums. Kunst-Performances waren für das Whitney gleichermaßen ein Novum, wie das diskursive Format eines Symposiums, das bald darauf im Rahmen der großen Skulpturenschau des Jubiläumsprogramms wiederholt wurde.213 Da beide Veranstaltungen ihr eigenes Publikum mitbrachten, waren sie für das

209 Scott Burton: Behavior Tableaux (1970–72), Whitney Museum, 19.04.1972. Zeitgleich zum Performancefestival im Whitney wurde im Guggenheim Museum eine Performance von Scott Burton gezeigt. Scott Burton: Pair Behavior Tableaux (1975–76), Guggenheim Museum, 24.02.–04.04.1976. 210 [Heather] Cassils ist ein aktuelles, besonders extremes Beispiel für diese Richtung. Ebenfalls erwähnt seien Felix Gonzalez Torres: Untitled (Go-go Dancing Platform) (1991), oder Hannah Black: Bodybuilding, 2015, Digitales Video, Farbe, Ton, 8:10 Min. Ein Ausstellungskatalog, der viele dieser Themen berührt, ist: Frueh 2000. 211 Da Bodybuilding auch als eine Form von Performance gelten kann, wird zur Abgrenzung im Folgenden der Begriff ›Kunst-Performance‹ für die Performancetypen des Festivals verwendet. 212 Beide Projekte sind Teil der Aktensammlung zur Veranstaltungsreihe Composers’ Showcase. A-WHIT CS. 213 Im Jahresbericht des Whitney wird allerdings dieses spätere Symposium als erste Veranstaltung ihrer Art bezeichnet. Whitney Museum of American Art 1976, S. 7.

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Museum auch gleichermaßen eine Möglichkeit, neue Besucher*innengruppen zu erschließen und neue Event-Formate zu erproben. Die Performancepositionen des Festivals kamen alle aus dem Feld der bildenden und darstellenden Künste und hatten in vielerlei Hinsicht eine Überschreitung von Konventionen und Normen (sowohl der Kunst als auch der Gesellschaft) zum Ziel. Die Bodybuilder hingegen widmeten sich einer normativen Körperkultivierung, deren Bezugsrahmen irgendwo zwischen Schönheitswettbewerben und Leistungssport angesiedelt war. Dennoch war ihr Aufeinandertreffen zu dieser Zeit an diesem Ort nicht so unwahrscheinlich, wie es zunächst erscheinen mochte. Beides waren körperzentrierte Praktiken, die in den 1970er-Jahren ein goldenes Zeitalter erlebten. Beide konnten auf eine Verwandtschaft zu bildhauerischen Ansätzen verweisen, da sie mit Körpern im Raum arbeiteten und eine schöpferische Kreativität in der Gestaltung des Selbst/des eigenen Körpers behaupten konnten. Für den Kunstwissenschaft­ ler Jörg Scheller, der sich mit Bodybuilding und visueller Kultur auseinandergesetzt hat, sind deshalb »Bodybuilding und Body und Performance Art die zwei distinkten, aber unauflöslich miteinander verbundenen Seiten einer historischen Medaille.«214 In diesem Sinne als Komplementärphänomene aufgefasst, reflektieren Kunst-Performance und Bodybuilding aufeinander und ihr Abgleich hilft dabei, das historische Phänomen Performance on Display genauer zu fassen. Bodybuilding ist als Wettkampfsport auf Vergleichbarkeit angelegt. Der überkultivierte Körper und die Konventionen des posings bringen das individuelle Subjekt zum Verschwinden. Entscheidend ist die äußere Form und die Art und Weise, wie sie dargeboten wird. Im Gegensatz dazu sucht Kunst-Performance den kreativen Ausdruck innerer Sensibilitäten über den Körper. Der Ansatz der Tänzerin Mary Overlie, die versuchte, ihre individuellen Gedanken oder Stimmungen in Bewegung zu übersetzen, ist dafür ebenso beispielhaft wie die zahlreichen autobiografisch gelagerten Ansätze der Festival-Künstler*innen, darunter Adrian Piper oder Laurie Anderson. Die Bodybuilder stellten in exakt einstudierten Posen die Ergebnisse schonungsloser Körperoptimierung zur Schau. Sie demonstrierten eine ins Extrem überstei­ gerte Männlichkeit, die Bodybuilding auch als ein Refugium angeschlagener Männlichkeit im Zeitalter des Second-Wave-Feminismus erscheinen lässt. Auf Seiten der Kunst-Performance wurde Natürlichkeit und Understatement hervorgekehrt. Ästhetische (Körper-)Ideale und Geschlechterstereotypen wurden entweder negiert, zum Beispiel durch möglichst geschlechtsneutrale Kleidung, oder reflektiert und in Frage gestellt. Training und technisches Können waren bei der Avantgarde der 1970er-­

214 Scheller, Jörg: Bodybuilder. In: Bischoff, Eva (Hrsg.): What Can a Body Do? Praktiken und Figurationen des Körpers in den Kulturwissenschaften. Frankfurt/M: Campus 2012, S. 41–46, hier S. 44. S. auch Scheller, Jörg: No Sports! Zur Ästhetik des Bodybuldings. Stuttgart: Steiner 2010; Scheller, Jörg: Performing the Subject – Subjecting the Performance. Arnold Schwarzenegger in the Context of Postmodern Aesthetics Between Pop Art, Camp, and Performance/Body Art. In: Butter, Michael/Keller, Patrick/Wendt, Simon (Hrsg.): Arnold Schwarzenegger. Interdisciplinary Perspectives on Body and Image. Heidelberg: Winter 2011.

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Jahre geradezu verpönt, es galt das Gesetz des de-skilling.215 Beides zeigte sich im Auftritt von David Gordon und Valda Setterfield, die Unisex-Kleidung trugen und einen (vermeintlichen) tänzerischen Dilettantismus zu Schau stellten. Auch bei weiteren Positionen zeichnete sich eine Tendenz zur Improvisation und zum Zufall ab, zum Beispiel im improvisierten Duett von Nancy Lewis und Richard Peck, oder bei der Kollaboration von Robert Wilson, Christopher Knowles und Lucinda Childs. Viele der Kurzbeiträge zu Dupuys Drehbühnen-Event gaben sich ihrerseits betont roh und ungeschliffen. Durch das gesamte Festival zogen sich explizit feministische und genderkritische Beiträge von Performerinnen wie Martha Wilson, Julia Heyward oder Hannah Wilke. Bei einigen der männlichen Künstler begegnete man anstatt übersteigertem Heroismus einem regelrechten Anti-Heldentum und einer Ästhetik des Scheiterns, zum Beispiel im geplatzten Astronautentraum bei Jared Bark, in Terry Allens Ankün­ digung, dass seine Ambition als Künstler allein darin liege, seinen Text nicht zu vergessen oder in den missglückten Balanceakten und Zaubertricks auf der Drehbühne. Der Vergleich von Kunst-Performance und Bodybuilding eröffnet also ein Spannungsfeld zwischen Äußerlichkeit und Innerlichkeit, Perfektionismus und de-skilling sowie Affirmation und Dekonstruktion.216 Mit Blick auf das Verhältnis zum weiterhin malerei- und bildhauereizentrierten Jahresprogramm des Whitney wird deutlich, dass beide Ausdrucksformen einer vergleichsweise kleinen Szene oder Subkultur angehörten. Beide suchten Bestätigung und Legitimierung durch das Museum und machen das Museum damit als einen umkämpften kulturellen Schauplatz sichtbar. Zugleich wäre eine diskursive Live-Veranstaltung wie das Symposium sehr viel unwahrscheinlicher gewesen, hätte es nicht zuvor schon Performanceveranstaltungen im Museum gegeben. Das Lebendigwerden der Künste dürfte auch zu einem übergreifenden Lebendigwerden des Museumsprogramms beigetragen haben. Das verbindende Element zwischen Kunst-Performance, wie sie das Festival dominierte, und dem Bodybuilding ist der Einsatz des eigenen, realen Körpers vor LivePublikum. Aus einer kultur- und medienhistorischen Perspektive lassen sich beide 215 Zu dieser Negation handwerklichen Könnens im Kontext der Kunst der Moderne s. Roberts, John: Art After Deskilling. In: Historical Materialism, 18. Jg. 2019, S. 77–97. Roberts betont in Bezug auf die 1970er-Jahre eine genderspezifische, feministische Bedeutung des Konzepts. Ebd., S. 92 ff. Claire Bishop verweist wiederum auf das Phänomen des »reskilling« in aktueller Performance. Bishop, Claire: Unhappy Days in the Art World? De-skilling Theater, Re-skilling Performance. In: The Brooklyn Rail, 2011, Dez.–Jan., Online-Magazin. https://web.archive.org/web/20200815081259/ https://brooklynrail.org/2011/12/art/unhappy-days-in-the-art-worldde-skilling-theater-re-skilling-performance  (Zugriff: 15.08.2020). 216 Eine Kritikerin des Bodybuilding-Events kommentiert die Frage der Körpernormen wie folgt: »The exhibition promoter talks about Michelangelo and Rodin; but they sculptured heroes and supermen and today we are not used to heroes. We live in the age of the anti-hero, when the seven-stone weakling with hip and chest measurements in single figures is much more likely to clean up with girls than Charles Atlas. Perhaps the exhibition was a success because it recalled a more heroic age. Not that you can really look heroic in your underpants, he’d have done better to wear a fig leaf. Muscles too are symbols of brute male strength and domination which is also wildly unfashionable today. Trying to resurrect the strong man as an art form may be a backlash against all the tubthumping about international Woman’s Year and the emergence of the superwoman we’ve been hearing so much about lately.« Cooper 1976.

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Körperphänomene als eine Art Gegen- oder Ausgleichsbewegung zur Virtualität der zeitgleich expandierenden Medienwelt fassen. Momente der Präsenz zu schaffen, beziehungsweise zu erleben, wäre dann eine Form individueller Selbstvergewisserung sowohl für den/die Performer*in als auch für das Publikum.217 Als Formen der Selbst-Präsen­tation sind Kunst-Performance und Bodybuilding zugleich Ausdruck der Singularisierungstendenzen218 der Moderne, die in der Me Decade 219 der 1970erJahre einen Höhepunkt erreichten und einer wachsenden Aufmerksamkeit für das Aufführungshafte des Alltags und der Kunst. Einige der Künstler*innen des Festivals reflektierten und artikulierten dieses Moment explizit, zum Beispiel Martha Wilson, wenn sie sich auf Erving Goffmans These der Alltagsperformance bezog.220 In ihrer engen Verschränkung von Leben und Kunst lassen sich Bodybuilding und Kunst-Performance als Symbol und Symptom für einen Anbruchspunkt des Kulturphänomens der »General Performance« lesen, das unter anderem Sven Lütticken in einem gleichnamigen Aufsatz beschreibt.221 Er bezeichnet damit die heute zunehmende Verschmelzung von Arbeits- und Privatsphäre, die in der Kunst der 1960erund 1970er-Jahre vorweggenommen worden sei.222 Diesen Aspekt thematisierten Laurie Anderson oder Adrian Piper, wenn sie ihr eigenes Leben zur Kunst machten.223 Dasselbe gilt für die Bodybuilder, die ihre ›künstliche Fassade‹ auch im Alltag nicht ablegen konnten. Im Gegenteil, ihr Alltag war vom täglichen Training bis hin zur Nahrungsaufnahme von ihrem Beruf/ihrer ›Kunst‹ bestimmt. Beide Phänomene stehen also paradigmatisch für den Anbruchspunkt einer Hochphase der Performancekultur, wobei die individuelle Selbstverwirklichung einmal im selbstreflexiven Ausdruck des Inneren und einmal in der affirmativen Kultivierung des Äußeren gesucht wird. In beiden Fällen wird der Körper zum Ereignis.

217 Vgl. Gumbrecht, Hans U./Born, Frank (Hrsg.): Unsere breite Gegenwart. Berlin: Suhrkamp 2010, S. 16–17. 218 Der Soziologe Andreas Reckwitz prägte den Begriff der ›Singularisierung‹ für eine Form des Individualismus, die in seinen Augen seit den 1970er-Jahren westliche Gesellschaften zunehmend prägt. Vgl. Reckwitz, Andreas: Die Gesellschaft der Singularitäten. Zum Strukturwandel der Moderne [2017]. Wiss. Sonderaufl. Berlin: Suhrkamp 2019. 219 Vgl. Wolfe, Tom: The Me Decade. In: New York Magazine, 23.08.1976. 220 Martha Wilson bezeichnet Goffmans Schrift Performing the Self in Everyday Life als wichtigsten Einfluss auf ihr performatives Werk. S. Oral History Interview [17.–18.05.2017]: Liza Zapol mit Martha Wilson. Online: https://web.archi ve.org/web/20210120 0 03926/https://www.aaa.si.edu/collections/interviews/oral-history-interview-marthawilson-17463 (Zugriff: 20.01.2021). Zum Einfluss von Goffman auf Performancekünstler*innen, insbesondere Vito Acconci, s. Jones, Amelia: Body Art, Performing the Subject. Minneapolis 1998, S. 38–39. 221 Lütticken, Sven: General Performance. In: e-flux Journal 2012, H. 31. Online-Publikation. https://web.archive.org/ web/20201115203535/https://www.e-flux.com/journal/31/68212/general-performance/ (Zugriff: 15.11.2020). S. auch: McKenzie, Jon: Perform or Else. From Discipline to Performance. London, New York: Routledge 2001. 222 »[T]he concept of cultural performance arose in the 1960s and 1970s from the convergence of two trends: social scientists using theater as a model to study ritual, everyday life, and other events; and artists and theorists challenging traditional notions of Western theater and other art-making practices.« Lütticken 2012, S. 22. 223 Peter Frank schreibt dazu: »[A]uto-artists are asking who they are and how they got that way. Evoking memories and fantasies in confessional, even narcissistic terms, they begin with the man or woman they know best and least.« Frank, Peter: Auto-Art. Self-Indulgent? And How! In: Art News, 75. Jg. 1976, September, S. 45–46. Zitiert nach: Loeffler, Carl E./Tong, Darlene (Hrsg.): Performance Anthology. Source Book for a Decade of California Performance Art. San Francisco: Contemporary Arts 1980, S. 181.

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Das Museum als Plattform und Marktplatz Das Whitney erhob – und erhebt bis heute – den Anspruch, die aktuellen Entwicklungen der US-amerikanischen Kunst abzubilden. Wenn nun im beschriebenen Sinne der Körper zum Ereignis beziehungsweise die Kunst lebendig und performativ wurde, wurde das Museum, sofern es seiner Mission nachkommen und diesen Entwicklungen Raum geben wollte, zur Bühne. Das Nebeneinander des Performance­ festivals und des Bodybuilding-Symposiums zeigt, dass diese Bühne zugleich eine Plattform für Avantgarde-Kunst und für populärkulturell gelagerte Programmpunkte bis hin zu Sponsorenevents sein konnte. Die Drehbühne, als ein verbindendes Element beider Veranstaltungen, bietet ein treffendes Bild für diese Ambivalenz. Drehbühnen werden einerseits im Theater, also im Bereich der Kunst eingesetzt, wo sie die Darbietung vor einem passiven Publikum in Bewegung setzen. Sie finden sich aber auch in Schaufenstern oder auf komme­ ziellen Messen, wo sie genutzt werden, um Waren und Produkte von allen Seiten zu präsentieren. Diese doppelte Konnotation zwischen Kunst und Konsum gilt auch für die ambivalente Rolle des Museums als Ausstellungs- und Veranstaltungsplattform. Articulate Muscle und Jean Dupuys Drehbühnen-Event präsentierten beide lebende Individuen auf der Bühne, die damit, von ihrem Umraum und aus ihren Alltagszusammenhängen isoliert, als Kunstobjekte inszeniert wurden.224 Mit ebendieser Lebendigkeit des Kunstobjekts provozierte bereits die Body Art eine Reihe (körper-) politischer und ethischer Fragen, die hier erneut aufgerufen werden. Wenn zum Beispiel Hannah Wilke sich auf der Bühne mit entblößtem Oberkörper präsentierte, war dies als feministische Demonstration gemeint, konnte aber auch kritisch als marketingwirksame Selbst-Objektifizierung gelesen werden, was der Künstlerin wiederholt zum Vorwurf gemacht wurde.225 George Maciunas kehrte das Verhältnis von präsentiertem Objekt und Publikum um, indem er nicht selbst auftrat, sondern einen Übergriff der Bühne auf die passiven Zuschauer*innen inszenierte. Auch der institutionskritisch eingestellte Jean Dupuy war sich der doppelten Konnotation der Drehbühne sicher bewusst. Wie die Fluxuskünstler*innen, in deren Geiste seine Kunst-Events standen, spielte er mit der ambivalenten Beziehung von (Avantgarde-)Kunst und Markt.226 Im Zusammenhang mit der ersten Iteration seiner Drehbühnenveranstaltung in der Judson Church prahlte er mit der Popularität des Events und mit den Einnahmen, die er damit erzielte.227 Zur Wahrung der avantgardistisch-künstlerischen Integrität, besonders bei einem Auftritt in einer etablierten Institution wie dem

224 Im Englischen werden solche Drehscheiben auch als lazy Susan bezeichnet, nach einer drehbaren Serviervorrichtung in der Mitte eines Esstisches, die im frühen 20. Jahrhundert eingesetzt wurde, um Servicepersonal einzusparen. 225 Vgl. Frueh, Joanna: Hannah Wilke. In: Kochheiser, Thomas H./Frueh, Joanna (Hrsg.): Hannah Wilke. A Retrospective. Columbia 1989, S. 10–104, hier der Abschnitt Feminism, S. 40 ff. 226 Fluxuskünstler*innen eröffneten Läden und betrieben Versandhandel mit (rein materiell) wertlosen Produkten. Vgl. Kellein, Thomas: Fluxus Konsum. Eine seltsame Form von Glück. In: Hollein, Max/Grunenberg, Christoph (Hrsg.): Shopping. 100 Jahre Kunst und Konsum. Ostfildern: Hatje-Cantz 2002, S. 189–197. 227 »It was so popular I thought we could take a theatre and do it for a month. […] We made money you know, I paid each artist seventy-five dollars.« Dupuy/Howell 1989, S. 7.

Das Symposium Articulate Muscle – Bodybuilding im Museum

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Whitney, war jedoch, wie zuvor bei den Fluxus-Künstler*innen, eine ironische Brechung des Verhältnisses von Kunst und Markt entscheidend, zum Beispiel in Form des erwähnten Dilettantismus, der auf eine Wertlosigkeit der Kunst verwies. Die Bodybuilder hingegen gaben sich vollkommen affirmativ. Arnold Schwarzenegger betonte, er fühle sich als betrachtetes, lebendes Kunstwerk im Museum »wie im Himmel«.228 Das Museum war für die Bodybuilder keine zu dekonstruierende Institution, sondern ein prestigeträchtiges Spielfeld. Ihre Körper waren ihr Kapital und Selbstmarketing gehörte zu ihrem Beruf. Mit dem Bodybuilding-Symposium als einer normativen und affirmativen PR-Veranstaltung im Hinterkopf, lässt sich noch einmal betonen, dass ein renommiertes Museum, mehr noch als ein alternativer Kunstraum, immer auch eine Art Marktplatz ist.229 Hier geht es darum gesehen zu werden, nach Möglichkeit von einem breiten Publikum und von bedeutenden Kritiker*innen. Ebenso spielte nicht nur für die Body­ builder, sondern auch für die Avantgarde-Performer*innen Konkurrenz und Wettstreit eine Rolle. Überbietung fand hier nur umgekehrt, nicht als Perfektionismus, sondern durch betonte Individualität, Einfallsreichtum und kunstvolles Understatement statt. Das Feld der Kunst ist und bleibt also ein kompetitives Terrain, auf dem einzelne Akteur*innen oder Gruppen um Sichtbarkeit, Aufmerksamkeit und Zuspruch konkurrieren. Im Museum, der wichtigsten öffentlichen Plattform für Kunst, tritt das besonders deutlich vor Augen und gilt hier für jedwede Kunstform: Wer bekommt eine Einzelausstellung? Wer wird wie prominent in eine Gruppenausstellung integriert? In einem Performancefestival, wo Künstler*innen als sie selbst und als ihr eigenes Produkt in direkter Folge auftreten, gewinnt diese Konkurrenzsituation eine noch existenziellere Qualität. Dem Publikum bietet eine Drehbühne die Möglichkeit zur allseitigen Betrachtung von Objekten. Dabei ist das präsentierte Objekt in Bewegung, während das Publikum das Dargebotene passiv konsumieren kann. Diese Konstellation kann sinnbildlich für ein neues Verhältnis von Museum, Kunst und Publikum stehen, die mit einer zunehmend ereignisorientierten Kunst einherging. Im Unterschied zu den partizipativen Kunstformaten der 1960er-Jahre scheint nun mit dem zunehmenden Lebendigwerden der Kunst das passive Konsumieren von Erfahrungen wieder stärker in den Vordergrund gerückt zu sein. Wer Eintritt bezahlte, erwarb – und erwartete, wie der Fall des ungeduldigen Publikums von Articulate Muscle zeigte – das Recht unverbindlich zu betrachten. Das Bodybuilding-Event dürfte nicht zuletzt deshalb eine so große Zahl an Besucher*innen angelockt haben, da viele der Schaulustigen den ›neutralen‹ Ort des Museums einem Besuch der ›realen‹ Sportstätten, Turnhal228 »The Austrian-born champ, with the innocent, all-American face, says simply, ›I’m actually in heaven being here tonight, and having this happen in a way it never happened before. People were ashamed of looking at the body, and it’s time that is changed.‹« Wallach [Now Flexing] 1976. 229 Die Parallelführung von Museumsraum und Verkaufsraum ist ein im Ausstellungsdiskurs etabliertes Thema. S. O’Doherty, Brian/McEvillery, Thomas: Inside the White Cube. The Ideology of the Gallery Space [1976]. Erw. Aufl. Berkeley: U of California P 1999; Klonk, Charlotte: Spaces of Experience. Art Gallery Interiors From 1800–2000. New Haven, London: Yale U P 2009.

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len und Fitnessclubs am Stadtrand vorzogen. Genauso ermöglichte der museale Rahmen eine Begegnung mit Avantgarde-Performance außerhalb der in sich geschlossenen Downtown-Szene. Das unverbindliche Betrachten hat im Museum eine lange Tradition. Man könnte sogar sagen, das Museum ermögliche seinem Publikum per Definition, die eigene Kultur im Spiegel der Kunst ›von außen‹ zu betrachten. Mit den Events, ob auf der Drehbühne oder nicht, fand dabei lediglich eine zusätzliche Dynamisierung und Intensivierung dieses Prinzips statt. Die Kunst, das Museum und das Publikum waren an deren Konstruktion gleichermaßen beteiligt. Im Vergleich zu herkömmlichen Exponaten geht von lebenden Schau-Objekten eine besondere Anziehungskraft aus. Das Phänomen Performance on Display begegnete der Schaulust des Publikums mit einer neuen Intensität. Die Beispiele konnten zeigen, dass die ›Eventisierung‹ des Museums, die häufig erst ab den ausgehenden 1980er-Jahren angesetzt wurde230, bereits in den 1970erJahren einen wesentlichen Schub erhielt, und zwar im Rahmen einer sich generell etablierenden Performancekultur. Es wurde deutlich, dass die Entwicklung des Museums zur Plattform und zur Bühne mit den kulturellen Phänomenen der ›permanenten Performance‹ und des ›Körpers als Ereignis‹ verknüpft war, die sich in der Performancekunst ebenso spiegelte, wie im populären Phänomen des Bodybuildings. Dies ist ein Hinweis, dass Performancekultur und die ›Eventisierung‹ des Museums zusammenzudenken sind.

230 Vgl. Schulze, Gerhard: Die Erlebnisgesellschaft. Kultursoziologie der Gegenwart [1993]. Frankfurt/M: Campus 2005; Backoefer, Andreas (Hrsg.): Capitalizing Capital. Philanthropie – Museen – Performance. München: epodium 2018; Burzan, Nicole: Eventisierung als Erscheinungsform hybrider Ereignisse? Konzeptionelle Überlegungen am empirischen Beispiel von Museen. In: Betz, Gregor J. et al. (Hrsg.): Hybride Events. Zur Diskussion zeitgeistiger Veranstaltungen. Wiesbaden: Springer 2017, S. 219–231 und Hitzler, Ronald: Eventisierung. Drei Fallstudien zum marketing­ strate­gischen Massenspaß. Wiesbaden: Springer 2011.

Das Symposium Articulate Muscle – Bodybuilding im Museum

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Abb. 3.1  Plakat für Performances: Four Evenings, Four Days, 17.–29. Februar 1976, Whitney Museum, New York. Quelle: Performance Records; Box 1; Mappe 85; Frances Mulhall Achilles Library and Archives, Whitney Museum of American Art, 1976. New York, Whitney Museum of American Art. © 2020. Digitalisat: Whitney Museum of American Art / Licensed by Scala.

Abbildungen 3.1–3.32

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Abb. 3.2  Außenansicht des Whitney Museum of American Art, New York, 1966. Architekt: Marcel Breuer. Baujahr: 1966. Foto/Digitalisat: © Ezra Stoller/Esto.

Abb. 3.3  Ausstellungssaal auf der 3. Etage des Whitney Museum of American Art, New York, 1966. Architekt: Marcel Breuer. Baujahr: 1966. Foto/Digitalisat: © Ezra Stoller/Esto.

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Abbildungsteil 3

Abb. 3.4  3. OG des Whitney Museum of American Art, New York, 1970er-Jahre. Nach handgezeichneten Aufbauskizzen für Performances: Four Evenings, Four Days. Referenz: A–GRI MTP, Box 48, Mappe 3 u. 4. Zeichnung: Bea Engelmann.

Abb. 3.5  Laura Dean mit Angela Caponigro, Luis Gonzalez, Naaz Hosseini, Kristine Lindahl, Erin Matthiessen und Marya Ursin in Song (Probe), Whitney Museum, New York, Aufführung am 17. Februar 1976. Foto: Warren Silverman; Quelle/Digitalisat: Getty Research Institute, Los Angeles (2004.M.13).

Abbildungen 3.1–3.32

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Abb. 3.6  Robert Wilson (rechts), Christopher Knowles (Mitte) und Lucinda Childs (links) in Dia log III (Probe), Whitney Museum, New York, Aufführung am 19. Februar 1976. Foto: Warren Silverman; Quelle/Digitalisat: Getty Research Institute, Los Angeles (2004.M.13).

Abb. 3.7  Robert Wilson (rechts) und Christopher Knowles (links) in Dia log III (Probe), Whitney Museum, New York, Aufführung am 19. Februar 1976. Foto: Warren Silverman; Quelle/Digitalisat: Getty Research Institute, Los Angeles (2004.M.13).

260

Abbildungsteil 3

Abb. 3.8  Robert Morgan während des ersten Teils von Translocations, Whitney Museum, New York, 21. Februar 1976. Foto: Unbekannt (verm. Warren Silverman); Quelle/Digitalisat: Robert Morgan, Archiv des Künstlers.

Abb. 3.9–3.10  2 von 10 Diagrammen zu Robert Morgans Performance Translocations, Performance im Whitney Museum, New York, 21. Februar 1976. Quelle/Digitalisat: Robert Morgan, Archiv des Künstlers.

Abbildungen 3.1–3.32

261

Abb. 3.11– 3.12  Stuart Sherman in Spectacle, Performance im Whitney Museum, New York, 21. Februar 1976. Foto: Warren Silverman; Quelle/Digitalisat: Getty Research Institute, Los Angeles (2004.M.13).

262

Abbildungsteil 3

Abb. 3.13  Nancy Lewis und Richard Peck in Duet, Performance im Whitney Museum, New York, 21. Februar 1976. Foto: Warren Silverman; Quelle/Digitalisat: Getty Research Institute, Los Angeles (2004.M.13).

Abb. 3.14  Connie Beckley mit ihrer Arbeit Song Contained, Whitney Museum, New York, 21. Februar 1976. Foto: Warren Silverman; Quelle/Digi­ talisat: Getty Research Institute, Los Angeles (2004.M.13).

Abb. 3.15  Michael Smith in (Baby) Ikki Eating in NYC, Performance im Whitney Museum, New York, 21. Februar 1976. Foto: Warren Silverman; Quelle/Digitalisat: Getty Research Institute, Los Angeles (2004.M.13).

Abbildungen 3.1–3.32

263

Abb. 3.16  Martha Wilson und Haviland Wright in Wilsons Performance Queen, Whitney Museum, New York, 22. Februar 1976. Foto: Warren Silverman; Quelle/Digitalisat: Getty Research Institute, Los Angeles (2004.M.13).

Abb. 3.17  James Barth und Dale Scott in Jean Dupuys An Afternoon on a Revolving Stage, Whitney Museum, New York, 22. Februar 1976. Foto: Warren Silverman; Quelle/Digitalisat: Getty Research Institute, Los Angeles (2004.M.13).

264

Abbildungsteil 3

Abb. 3.18  Hannah Wilke in Jean Dupuys An Afternoon on a Revolving Stage, Whitney Museum, New York, 22. Februar 1976. Foto: Warren Silverman; Quelle/Digitalisat: Getty Research Institute, Los Angeles (2004.M.13).

Abb. 3.19  Richard Foreman in dissociate lecture-experience, Performance im Whitney Museum, New York, 24. Februar 1976. Foto: Warren Silverman; Quelle: Whitney Museum of American Art 1976, S. 15.

Abbildungen 3.1–3.32

265

Abb. 3.20  Noa Ain performt Portraits, Performance im Whitney Museum, New York, 26. Februar 1976. Foto: Warren Silverman; Quelle/Digitalisat: Getty Research Institute, Los Angeles (2004.M.13).

Abb. 3.21  Guy de Cointet: At Sunrise a Cry was Heard, Performerin: Deborah Coates, Whitney Museum, New York, 28. Februar 1976. Foto: Warren Silverman; Quelle/Digitalisat: Getty Research Institute, Los Angeles (2004.M.13). Courtesy of Guy de Cointet Society.

266

Abbildungsteil 3

Abb. 3.22–3.23  Laurie Anderson in For Instants, Performance im Whitney Museum, New York, 28. Februar 1976. Fotos: Warren Silverman. Quelle/Digitalisat: Courtesy of the artist.

Abb. 3.24  Adrian Piper in Some Reflective Surfaces, 1975, Dokumentation der Performance, Whitney Museum, 28. Februar 1976. Gelatinesilberabzug, 38 × 49 cm. Foto: Warren Silverman. Quelle/Digitalisat: Collection of the Adrian Piper Research Archive (APRA) Foundation Berlin; © APRA Foundation Berlin.

Abbildungen 3.1–3.32

267

Abb. 3.25  Julia Heyward in God/Heads, Performance im Whitney Museum, New York, 28. Februar 1976. Foto: Warren Silverman; Quelle/Digitalisat: Getty Research Institute, Los Angeles (2004.M.13).

Abb. 3.26  David Gordon und Valda Setterfield in Times Four (1975/76), Performance im Whitney Museum, New York, 28. Februar 1976. Foto: Warren Silverman; Quelle/Digitalisat: Getty Research Institute, Los Angeles (2004.M.13).

268

Abbildungsteil 3

Abb. 3.27  Jared Bark: Zero G, Whitney Museum, New York, 29. Februar 1976. Fotos: Babette Mangolte. Quelle/Digitalisat: Jared Bark; Copyright © 1976 Babette Mangolte, all rights of reproduction reserved.

Abb. 3.28  Medicine Show Theatre Ensemble: Glowworm (A Phantasmagoria), Performance im Whitney Museum, NY, 29. Februar 1976. Foto: Warren Silverman; Quelle/Digitalisat: Getty Research Institute, Los Angeles (2004.M.13).

Abbildungen 3.1–3.32

269

Abb. 3.29  Arrangement von Flyern und Einladungskarten aus den Akten zu Performances: Four Evenings, Four Days im Nachlass Marcia Tuckers. Fotos: Magdalena Nieslony; Quelle: A-GRI MTP, Box 48, Mappe 1; Collage: © Jürgen Schreiter, Darmstadt.

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Abbildungsteil 3

Abb. 3.30  Protest-Flyer gegen die Jubiläumsaus­ stellung des Whitney Museum, New York, 1976. Collagierte Fotos: Jim Alexander u. Mary Ellen Andrews; Fotomontage: Art Workers News. Quelle: Ault [Alternative Art] 2009, S. 101.

Abb. 3.31  Arnold Schwarzenegger während des Symposiums Articulate Muscle: The Male Body in Art, Whitney Museum, New York, 25. Februar 1976. Foto: Elliott Erwitt; Digitalisat: Magnum Photos / Agentur Focus.

Abbildungen 3.1–3.32

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Abb. 3.32  Pressemitteilung des Whitney Museum zum Symposium Articulate Muscle: The Male Body in Art, o. D. (1976). Quelle: Performance Records; Mappe 86; Frances Mulhall Achilles Library and Archives, Whitney Museum of American Art, 1976. New York, Whitney Museum of American Art. © 2020. Digitalisat: Whitney Museum of American Art / Licensed by Scala.

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Abbildungsteil 3

Zur historischen Bedeutung des Festivals Inwiefern kann Marcia Tuckers Performancefestival als Anbruchspunkt für Performance im Museum gelten, wie vom Kurator Jay Sanders behauptet? Die schiere zeitliche und räumliche Präsenz des Festivals deutet zunächst auf eine erstmalige Gleichberechtigung von Performance mit herkömmlichen, objektzen­ trierten Museumsausstellungen hin. Die terminliche ›Auslagerung‹ in die Programmlücke und die Gleichbehandlung des populären Bodybuilding-Events lassen daran zweifeln. Das Festival markierte letztlich nicht, wie von Marcia Tucker erhofft, den Beginn der Etablierung von Performancekunst im Museumprogramm.231 Im Gegenteil, das Whitney wandte sich mit seinem Jubiläumsprogramm sogleich wieder ›klassischeren‹ Projekten zu. Das hatte unter anderem damit zu tun, dass der ab 1974 amtierende Direktor Tom Armstrong die Konsolidierung des angeschlagenen Museumshaushaltes zur obersten Priorität erklärte und deshalb den Raum für Experi­ mente einschränkte. Die Entlassung Marcia Tuckers noch im Jahr des Festivals stand in diesem Zusammenhang und bedeutete vorerst einen Endpunkt für Performance im Whitney. Das Performancefestival wird damit nicht zuletzt als eine individuelle Leistung Tuckers sichtbar. Ihr Beispiel zeigt, dass es in der ersten Hälfte der 1970erJahre eine ›museumsinterne Avantgarde‹ gab, die sich eher an den Ideen und Idealen von Künstler*innen orientierte als an den elitären Führungsriegen der Museen. Dass sich dabei Interessenskonflikte ergeben mussten, liegt auf der Hand. Tuckers Spagat zwischen Museumsleitung und künstlerischer Avantgarde, der umgekehrt auch im Konflikt mit Jean Dupuy aufschien, musste spätestens mit der konzeptionellen Neuausrichtung des Museums scheitern.232 Das Whitney entdeckte die Pionierleistung Tuckers Jahrzehnte später wieder und griff für seine Ausstellung Rituals of Rented Island, 2013, auf das eigene Archiv­ material zum Festival zurück.233 Die Ausstellung der Rockefeller-Sammlung ging im Gegensatz dazu nicht wegen ihres Inhalts in die Kunstgeschichte ein, sondern allein wegen ihrer Bedeutung als Anstoß für eine produktive Kontroverse zwischen Künstler*innen und Museum. 2017/18 stellte das Whitney seine jährliche Sammlungspräsentation sogar unter die Überschrift des Künstler*innenprotestes.234 Dies ist eine heute gängige, aber nichtsdestotrotz paradoxe Geste der Solidarisierung von Museen mit Protestbewegungen, die gegen sie selbst gerichtet sind. Auch Articulate Muscle erlebte ein kleines Revival. 2002 war das Museum Teil einer Gala zum

231 Diese Hoffnung äußert sie in einem Schreiben, in dem es um die Gagen der Künstler*innen geht: »Although this is a small amount, I hope this will be a first step towards providing funds and a forum for performing artists here at the Whitney in the future.« Brief [15.03.1976]: Marcia Tucker an Michael Smith. A-GRI MTP, Box 48, Mappe 6. Briefe gleichen Inhalts gingen auch an andere Künstler*innen. Ebd. 232 Tucker setzte ihre Arbeit andernorts fort und versuchte, mit der Gründung des New Museum, ihre demokratischen Ideale von Grund auf in die institutionellen Strukturen eines Museums einzuflechten. Tucker über ihre Idee von demokratischen Museumsstrukturen in: Tucker/Lou 2010, S. 125ff. 233 Ausstellungsdaten: 31.10. 2013–02.02.2014. 234 An Incomplete History of Protest: Selections from the Whitney’s Collection, 1940–2017, 18.08.2017–27.08. 2018.

Zur historischen Bedeutung des Festivals

273

25-jährigen Jubiläum des Films Pumping Iron, unter Anwesenheit von Arnold Schwarzenegger, der im folgenden Jahr auf die politische Bühne wechselte, als er zum Gouverneur von Kalifornien gewählt wurde.235 Der Blick auf das Gesamtprogramm des Whitney macht deutlich, dass die – wenn auch vorübergehende – Anerkennung von Performance als museumsrelevante Kunstform keine plötzliche Erscheinung war und dass sich Tuckers Pionierleistung in einen größeren Zusammenhang fügte. Das Performancefestival war Teil einer ganzen Reihe von Experimenten, zu denen die Reihe Composers’ Showcase oder die früheren Präsentationen von konzept- und zeitbasierter Kunst gehört hatten. Auch das Ausgreifen des Museums auf den urbanen Raum durch Ausstellungen wie die von Mark di Suvero oder durch zusätzliche Standorte, wie den Downtown Branch, sowie die fortwährende Entwicklung neuer Vermittlungskonzepte, zu denen das Format des Symposiums gehörte, stehen für eine Öffnung des Museumsprogramms. Sowohl das Performancefestival als auch Articulate Muscle, als sein populärkultureller Gegenpart, lassen sich deshalb als Teil einer Suchbewegung des Museums beschreiben, die nicht allein auf Performancekunst ausgerichtet war, sondern einer gener­ ellen Tendenz zur ›Demokratisierung‹ und ›Verlebendigung‹ folgte. Auslöser dieser Suchbewegung waren sowohl die Proteste von Künstler*innen als auch sich generell wandelnde politische und gesellschaftliche Ansprüche an Museen in dieser Zeit. Der Begriff ›Suchbewegung‹ scheint angebracht, da es keine unilateral fortschreitende Bewegung war. Ihr Ausgangspunkt war und blieb der institutionelle Kern des Museums (gemeint sind museale Konventionen und Hierarchien, finanzielle und sicherheitstechnische Rahmenbedingungen etc.). Von dort aus unternahm das Museum Vorstöße in verschiedene Richtungen. Die Bewegung konnte, wie im Falle des Festivals, Neues bringen, oder, wie im Falle des Jubiläumsprogramms, wieder auf Altbewährtes zurückgreifen. Und sie konnte, wie im Fall des Bodybuilding-Evernts, (halb-) kommerzielle Veranstaltungen hervorbringen. Das Museum zeigt sich damit als sensibel für aktuelle Entwicklungen und Ansprüche von außen und zugleich als an Konventionen gebunden, die unumstößlich oder zumindest nur sehr langsam zu verändern sind. Ähnlich ambivalent stellt sich die Bedeutung des Festivals für die Entwicklungen der Performancekunst dar. Die wenigsten der im Whitney gezeigten Performances waren neu oder unterschieden sich inhaltlich von Werken, die bereits an anderen Orten zu sehen gewesen waren. Insofern stieß das Museum nichts Neues an, bot aber einen neuen Rahmen und neue Rahmenbedingungen. Dass die Performances im Museum nun ›professioneller‹ erschienen, mag als Indikator für ihre Institutionalisierung gelten. Auch fungierte das renommierte Whitney als showcase und affirmierte so die Bedeutung dieser neuen Form kultureller Produktion.

235 Cassidy 2002.

274

Zur ›Eventisierung‹ des Museums

Sanders hatte mit seiner Prognose insofern recht, als dass das Festival die Präsentation von Performance nun auch für große Museen als Möglichkeit eröffnete. Indem das Festival auf die New Yorker Szene fokussiert war, ohne dies zu thematisieren, trug es dazu bei, New York als ›natürliches‹ Zentrum der US-amerikanischen Performanceszene zu festigen. Darüber hinaus gibt es einige ganz konkrete Hinweise auf Einflüsse des Festivals auf zukünftige Performanceveranstaltungen. David Gordon schreibt zum Beispiel, dass ihm der Whitney-Auftritt weitere Auftritte in Europa eingebracht habe.236 Noch im Herbst desselben Jahres – bezeichnenderweise anlässlich der Feier des Bicentennial – organisierte René Block in Berlin die Ausstellung New York – Downtown Manhattan: SoHo, in deren Rahmen Laurie Anderson, Jared Bark, Jana Haimsohn und Julia Heyward auftraten. Das Live-Programm zur Ausstellung betonte mit dem Einbezug von Tanz und Musik eine ähnliche Interdisziplinarität wie das Whitney-Festival. Solche ›Querschnittsveranstaltungen‹ nahmen in den folgenden Jahren wieder ab und es fand wieder ein zunehmendes Ausein­ anderdividieren der Medien statt.237 RoseLee Goldberg begann ihre Karriere als Performanceautorin und -kuratorin, nachdem sie das Festival besucht und ihre Rezension über Anderson, Heyward und Piper veröffentlicht hatte. Damit trug sie vor allem zur wachsenden Bekanntheit dieser Künstlerinnen und zum Fortgang ihrer Karrieren bei.238 Die Rezension und Goldbergs spätere Schriften etablierten aber auch die Festivalveranstaltung als historischen Meilenstein und nicht zuletzt Goldberg selbst als Autorität für Performance im Performancediskurs.239 Es war des Weiteren der Besuch des Whitney Festivals, der die Kunsthistorikerin Jane Crawford den Entschluss fassen ließ, eine Agentur zur Förderung individueller Performancekünstler*innen zu gründen, die Gegenstand des folgenden Kapitels sein wird. Durch ihre Vermittlung nahmen beispielsweise Laurie Anderson und Jared Bark 1977 an der documenta 6 teil. Das Festival und sein populärkultureller Gegenpart weisen als Anbruchspunkte auf die ›Eventisierung‹ und Erlebnisorientierung des Museums voraus. Als Symptom einer Suchbewegung verstanden, kann diese sowohl in Richtung ›Hochkunst‹ als auch in Richtung eines kommerziellen Events ausschlagen. Museen müssen zwischen dem hochkulturellen Anspruch, der immer eine elitäre Note hat, subkulturellen Anleihen, die Authentizität und Integrität signalisieren, und populärkulturell gelagerten Programmpunkten, die ein breites Publikum anziehen und Einnahmen versprechen, abwägen. Bis heute gelten Live-Events in Museen als eine Geste der Öff236 »Times Four - David says - buys ’em presentation - at the Whitney Museum’n the Whitney date buys ’em – prestigious European dates – festival dates.« David Gordon’s ’70s ARCHIVEOGRAPHY pt. 2, S. 15. Wie Anm. 114. 237 Dies zeigte sich unter anderem am Konzept der documenta 6, 1977 (s. folgendes Kapitel). 238 »And then, in 1976, I saw this amazing performance series that Marcia Tucker put together at the Whitney, so I wrote about that. Then in 1977, I wrote my first piece for Artforum—on Oskar Schlemmer and performance.« Yablonsky, Linda/Goldberg, RoseLee: RoseLee Goldberg. In: Interview, 05.01.2016. Online: https://web.archive.org/web/ 2020092 8092940/­https://www.interviewmagazine.com/art/roselee-goldberg (Zugriff: 28.09.2020). 239 Goldberg veröffentlicht nicht nur weiterhin Bücher über Performance, sondern ist auch Gründerin und Chef-Kuratorin der Organisation Performa, die eine der weltweit größten Performancebiennalen (in New York) organisiert. Webseite: Performa. About. https://web.archive.org/web/20210501175516if_/https://performa-arts.org/about (Zugriff: 01.05.2021).

Zur historischen Bedeutung des Festivals

275

nung und Inklusion. Deshalb erstaunt es kaum, dass in solchen Museen, die ein breites Performanceprogramm aufweisen, auch Programme wie Yoga im Museum oder kommerzielle Events, beispielsweise die Präsentationen von Modekollektionen, stattfinden.240 Wie Bodybuilding und Performance, sind kommerzielle und weniger kommerzielle Live-Veranstaltungen dabei als zwei Seiten einer Medaille untrennbar miteinander

240 Yoga-Kurse wurden bereits in nahezu allen Kunstmuseen angeboten. 2019 bot das MoMA die Quiet Mornings in June an, zu denen auch angeleitete Meditationen und Yoga-Kurse im Museum gehörten. 2017 fand eine Louis Vuitton-Modenschau im Louvre statt. Ein relativ aktuelles Handbuch, das Visionen für ein neues Museum versammelt, enthält einen interessanten Text, der die »Experience Economy» im Sinne erfolgreicher Erfahrungsgestaltung im Museum positiv wertet: Pine II, B. Joseph/Gilmore, James H.: The Experience Economy. In: Anderson, Gail (Hrsg.): Reinventing the Museum. The Evolving Conversation on the Paradigm Shift. 2. Aufl. Lanham: AltaMira 2012, S. 163–169.

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Zur ›Eventisierung‹ des Museums

Performance on Display im Spiegel der Ökonomie – The Foundation of Art Performances and Projects Inc. und die Distribution von Performance

Einführung Den Anstoß für dieses Kapitel gab ein Fund im Archiv des Museum of Contemporary Art Chicago (MCA Chicago). Dort liegt die Korrespondenz zwischen Alene Valkanas, Leiterin der PR-Abteilung des Museums, und einer Organisation namens The Foundation of Art Performances and Projects Inc. (API), vertreten durch Jane Crawford, die als Künstlerin und Kunsthistorikerin in New York City lebte. Der Austausch beginnt mit einem Brief Crawfords vom 18. Oktober 1976 (Abb. 4.1). Sie schreibt: Dear Ms. Valkanis [sic]: I am writing to you for two reasons. The first is to introduce myself and a new agency I have just organized called Art Performances, Inc. to assist artists in the scheduling and business of performances. Among the artists I am working with are Laurie Anderson, Jared Bark, Connie Beckley, Chris Burden, Diego Cortez, Ralston Farina, Hermine Freed, General Idea, John Giorno, Tina Girouard, Julia Heyward, Jana Haimsohn, Joan Jonas, Allan Kaprow, Richard Landry, Les Levine, Gordon Matta-Clark, Larry Miller, Max Neuhaus, Dennis Oppenheim, Charlemagne Palestine, Keith Sonnier, William Wegman and Roger Welch.1 Alle diese Künstler*innen, so fuhr sie fort, stünden für Performances, Vorträge, Videound Filmscreenings zur Verfügung und die Agentur nehme gerne entsprechende Buchungen entgegen. Als zweites Anliegen und Anlass ihres Schreibens nennt Crawford eine geplante Tournee von Laurie Anderson, »one of the most popular and sought-after performers in this country«.2

1 Brief [18.10.1976]: Jane Crawford an Alene Valkanas. A-MCA  P, General, Box 3, Mappe 23. 2 Ebd.

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Laurie would like to give a performance at your institution. Her fee would be $350.00 plus expenses. If you would be interested in having her come to the museum, would you please contact me as soon as possible to avoid any conflicts in scheduling.3 Der Brief schließt mit dem Angebot, auf Wunsch weitere Informationen zu senden und dem Ausdruck der Hoffnung auf eine baldige Zusammenarbeit. Ein professionell anmutendes Schriftlogo am unteren Rand des Briefbogens nennt den Namen der Agentur und eine Absenderadresse am 473 Broadway, mitten im damals aufblühenden New Yorker Künstler*innenviertel SoHo. Alene Valkanas, die bereits mit Anderson und anderen Künstler*innen von Crawfords Liste zusammengearbeitet hatte, zeigte sich an dem Angebot interessiert und forderte zusätzliche Informationen an.4 In den Akten finden sich entsprechend weitere Briefe, eine Broschüre und zahlreiche maschinengeschriebene Informations­ blätter zu einzelnen Künstler*innen. Im Frühjahr 1977 fand dann ein durch API vermittelter Auftritt von Laurie Anderson im MCA statt sowie im folgenden Jahr eine Performance von Tina Girouard, ein Projekt mit Gordon Matta-Clark und ein Auftritt von Julia Heyward. Was war das für eine Organisation, der sich einige der bekanntesten Künst­ler*in­ nen des goldenen Performancezeitalters anvertrauten und die zumindest im Falle des MCA Chicago erfolgreich Performer*innen an Museen vermittelte? Wie arbeitete sie und wieso sind ihre Aktivitäten heute kaum bekannt? Diesen Fragen geht dieses Ka­pitel nach und gewährt dabei Einblicke in die noch kaum erforschten Distribu­ tionsstrukturen für Performancekunst in den 1970er-Jahren. Mit Blick auf die über­ geordnete Thematik des Buchs stellen sich folgende Fragen: Welche Distribu­tions­ formen für Performance gab es und welche Rolle spielten sie für die Aufnahme von Performance ins Museum? Könnten Agenturen wie API ein historischer Missing Link zwischen Performance und Museum gewesen sein? In der Literatur finden sich bislang nur sporadische Verweise auf die Agentur. So etwa in einem Aufsatz des Kritikers John Howell über New Yorker Performancekunst aus dem Jahr 1977. Howell stellt darin unter anderem die Künstler*innen Laurie Anderson, Ralston Farina und Tina Girouard vor, die Klient*innen von API waren. Er verweist auf ein wachsendes Interesse an Performancekunst seitens Festivals, Galerien und Museen und stellt fest, dass Performance nun ein »genre ripe for official art attention« geworden sei.5 Einschränkend fährt er fort, dass die Ephemeralität der Kunstform einige noch ungelöste Probleme bereite:

3 Ebd. 4 Ein Brief von Jane Crawfords Assistent Wayne Harrison bezieht sich auf ein entsprechendes Telefonat mit Valkanas. Brief [03.11.1976]: Wayne Harrison an Alene Valkanas. A-MCA  P, General, Box 3, Mappe 23. 5 Howell, John: Art Performance: New York. In: Performing Arts Journal, 1. Jg. 1977, H. 3, S. 28–39, hier S. 39.

282

Performance on Display im Spiegel der Ökonomie

For starters, there’s money. Galleries face the uneasy proposition of how to profit from work which is ephemeral or, at best, secondarily an object. How to convert interest into support is also the question for performers who try to parlay a temporal medium into that elusive goal of all artists, a living.6 Diese Einschätzung Howells verhält sich konträr zu den Thesen späterer Perfor­ mance­ theoretiker*innen, die das politische und subversive Potenzial von Performance betonen und die Kunstform als Entzugsgeste aus dem Markt und den Insti­ tutionen auffassen.7 Für Howell ist die Ephemeralität von Performance in erster Linie ein ökonomisches Problem, das Galerien und Künstler*innen gleichermaßen betrifft. Als konkrete Lösungsmöglichkeiten nennt er ein »growing outright grant system« und die Agentur Art Performances Inc.8 Howell bemerkt auch, dass die Aussicht auf Ruhm und finanziellen Erfolg Fragen nach künstlerischer Integrität und der Grenze zwischen Kunst und Unterhaltung aufwerfe und verweist damit auf das nach wie vor präsente Ideal künstlerischer Autonomie.9 Allerdings überwiegt in seinen Augen das kunstimmanente Bedürfnis nach Sichtbarkeit, das Performancekunst mehr als anderen Kunstformen ein­ geschrieben sei. »For performance is a social art, built on a desire to show and a willingness to watch.«10 Eine zweite Nennung erfährt die Agentur im Zusammenhang mit einer internationalen Performancekartei, die ein Mitarbeiter des MoMA, Cee S. Brown, ab 1977 für die Bibliothek des Museums erstellte. Brown begann dieses Projekt auf eigene Initiative, wurde aber vom Museum dabei unterstützt.11 Sogar große Institutionen wie das MoMA hegten also Interesse an Performancekunst, auch wenn dort zunächst keine oder nur sehr wenige Live-Performances stattfanden. Brown kontaktierte Museen und andere Institutionen im In- und Ausland, darunter nachweislich das MCA Chicago, und bat um Informationsmaterial über Künst­ ler*innen und ihre Werke.12 In einem späteren Interview nannte er Jane Crawford und API als eine seiner ersten Quellen.13 Brown, der bezeichnenderweise bald vom MoMA zur Holly Solomon Gallery wechselte, war überzeugt, dass es an professionellen Vertriebsstrukturen für Performance fehle und dass die Abgeschiedenheit

 6 Ebd.  7 Wie schon erwähnt, findet sich dieser Entzugstopos besonders prominent bei Peggy Phelan. Vgl. Phelan, Peggy: Unmarked. The Politics of Performance [1993]. London: Routledge 2005, passim.  8 Howell 1977, S. 39.  9 »There are conflicts between aesthetic integrity and entertainment with money and fame up for grabs«. Ebd. 10 Ebd. Hervorhebungen durch die Autorin. 11 E-Mail [24.04.2019]: Cee S. Brown an Lisa Beißwanger. A-A. Browns Kartei fand in der Forschung bislang keine Beach­tung. Im Archiv des MoMA finden sich heute keine Spuren seiner Arbeit mehr. 12 Im Archiv des MCA liegt ein Brief, in dem Brown Alene Valkanas um eine Liste aller dort bisher gezeigten Performancekünstler*innen bittet. Brief [23.12.1977]: Cee S. Brown an Alene Valkanas, A-MCA  P, General, Box 3, Mappe 23. 13 Chin, Daryl/Brown, Cee: F.Y.I.: MOMA. Daryl Chin talks with Cee Brown. In: PAJ: A Journal of Performance and Art, LIVE, 1980, H. 4, S. 27–28, hier S. 27.

Einführung

283

der alternativen Kunsträume, in denen Performances hauptsächlich stattfanden, ein breiteres Publikum und finanziell potente Unterstützer*innen abschrecken könnte. I conjecture that performance artists would have more exposure and more farreaching effects if they were to do their work in less remote spaces where there is a potential for larger audiences. To do this, however, requires finding larger and more commercially oriented galleries that are interested in performance. If artists could work in spaces where getting there is not like trekking into the wild unknown, perhaps audiences would be larger and not composed only of friends and peers of the artists but interested observers and supporters as well.14 Brown schätzt die Auslagerung der Performanceszene in wenig etablierte Institutionen also als eine Form der (Selbst-)Marginalisierung ein, die nicht nur ein ökonomisches Problem bedeutet, sondern auch ein Problem der Reichweite und der Sicht­ barkeit für diese neue Kunstform. Schließlich erwähnen zwei neuere Publikationen Crawfords Agentur. Beide befassen sich mit alternativen Kunsträumen in Europa, namentlich dem Kunstzentrum De Appel in Amsterdam und dem Internationaal Cultureel Centrum (ICC) in Antwerpen. Beide betonen die Bedeutung von API für die jeweiligen Ausstellungsprogramme und für die internationale Vernetzung der Performanceszene.15 Da diese Netzwerkarbeit und der Transfer US-amerikanischer Künstler*innen nach Europa und zurück ein wichtiger Einflussfaktor auf den Institutionalisierungsprozess von Performance gewesen sein dürfte, werden im Folgenden einige Kooperationen und Projekte außerhalb der USA einbezogen. Zum umstrittenen Verhältnis von Performance und Ökonomie Das Verhältnis von Performance und Ökonomie gehört zu den besonders heiklen und umstrittenen Fragen der Performanceforschung. Dies betrifft sowohl den Grad der Integration von Performance in den Kunstmarkt als auch einen abstrakteren Begriff von Ökonomie, der nicht-monetäre Tauschbeziehungen, Verbreitungsstrategien, Distributionsnetzwerke und Machtgefüge einbezieht. In Bezug auf die Einbindung von Performance in den Kunstmarkt erwähnt RoseLee Goldberg in ihrem historischen Überblickswerk, dass Galerien bereits ab den frühen 1970er-Jahren zu einem akzeptierten Auftrittsort für Performancekünstler*innen geworden seien.16 Kristine Stiles hingegen beschreibt die 1970er-Jahre als eine Zeit, in der Performance vom

14 Brown, Cee S.: Performance Art: A New Form of Theatre, Not a New Concept in Art [1983]. In: Battcock, Gregory (Hrsg.): The Art of Performance. A Critical Anthology. New York: Dutton 1984, S. 118–124, hier S. 123. 15 Van Mechelen, Marga/Gibbs, Michael: De Appel. Performances, Installations, Video, Projects, 1975–1983. Amsterdam: De Appel 2006, S. 143 ff; Pas, Johan: Beeldenstorm in een spiegelzaal. Het ICC en de actuele kunst 1970–1990. Leuven: Lannoo 2005, S. 199 ff. 16 Goldberg, RoseLee: Performance. Live Art 1909 to the Present. New York: Abrams 1979, S. 99.

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Performance on Display im Spiegel der Ökonomie

Kunstmarkt noch gänzlich unberührt gewesen sei, ihm sogar aktiv widerstand, bevor dann in den 1980er-Jahren ein Kommerzialisierungprozess eingesetzt habe: From the 1950s through the 1970s, performance constituted the most forceful opposition to capitalism in the visual arts. But when the line between performance and popular forms of entertainment, such as musical concerts, became less distinct in the 1980s, some styles of performance devolved into what has been described as »Perfotainment.«17 Mit Aussagen wie dieser nährt Stiles den Mythos ›früher‹ Performance als besonders frei und unangepasst. Zudem fasst sie mehrere Jahrzehnte Performancegeschichte und verschiedene Künstler*innengenerationen allzu kursorisch zusammen. Goldberg und Stiles betonen beide, dass sich Performance(-kunst) wegen ihrer Bindung an den Künstler*innenkörper dem Markt entzogen habe. Bei Goldberg heißt es: »[A]lthough visible. it was intangible, it left no traces and could not be bought and sold.«18 Stiles argumentiert: It [Live-Performance] confounded the reduction of art to undifferentiated merchandise by displacing objects with artists, subjects whose performances resisted commodification (even as the residue of those acts could still be objectified and sold). 19 Vito Acconci, selbst ein Performancepionier der ersten Stunde, dekonstruierte 1989 das Narrativ der marktfernen Performancekunst in einem polemischen Statement: [P]erformance of the 70’s acted as if it hadn’t always been in the light, it be­ haved as if it had been pulled (forcibly, grudgingly) into the light […] performance sought the light; it sought distribution, it sought credibility. The gallery, and the art magazines it supported, shed light on performance; performance shared the light of the gallery, bathed in the light of the gallery, performance became credible and done in the name of ›art‹ as long as it appeared in the gallery. Light means distribution; light also is the glitter of gold; distribution comes with money, and so does art.20 Acconci war auch Klient von API und einer der ersten Performer*innen, die in kommerziellen Galerien auftraten. Ihm zufolge war Performance ab dem Zeitpunkt ihres ›Ins-Licht-Tretens‹, das heißt ihres öffentlichen Sichtbar- und Benennbarwerdens als Kunstform, in die ökonomischen Strukturen des Kunstsystems integriert. Wann dieser Zeitpunkt zu setzen ist, das zeigte die Gegenüberstellung der Einschätzungen

17 Stiles, Kristine: Performance. In: Nelson, Robert S./Shiff, Richard (Hrsg.): Critical Terms for Art History. 2. Aufl. Chi­ca­ go, London: U of Chicago P 2003, S. 75–97, hier S. 85. 18 Goldberg 1979, S. 99. 19 Stiles 2003, S. 85. 20 Acconci, Vito: Performance After the Fact. April/August 1989. In: Moure, Gloria/Acconci, Vito (Hrsg.): Vito Acconci. Writings, Works, Projects. Barcelona: Polígrafa 2001, S. 353–357, hier S. 354.

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von Goldberg und Stiles, darüber herrscht Uneinigkeit. Mit Acconci sei hier der Standpunkt vertreten, dass die Herausbildung von Performance zeitgleich mit der Herausbildung eines entsprechenden Marktes geschah. Es wird deshalb im Folgenden nicht darum gehen, ob, sondern wie Performance in den Markt und die Ökonomien des Kunstsystems integriert war. Anders als bei Autor*innen wie Peter Bürger, der »die Kräfte der Ökonomie« als eine Versuchung interpretiert, der die ›NeoAvantgarden‹ und damit auch die Performancekünstler*innen erlegen seien, soll damit kein künstlerischer Integritätsverlust impliziert sein.21 Vielmehr gelte mit der Kunsthistorikerin Sophie Richard, die in einer detaillierten Studie zur Distribution von Konzeptkunst den Mythos des Marktentzugs durch Immaterialität sachlich entzaubert: »the relationship between the work and the network is represented as inte­ grated rather than confrontational.«22 Performance wird demnach als in das komplexe Geflecht von Kunstwelt und Kunstmarkt eingebunden betrachtet. Dafür sind Ansätze wegweisend, die ein komplexeres Bild der Verbreitung von Performance (auch jenseits des Kunsthandels) zeichnen, etwa bei Mechtild Widrich (am Beispiel von VALIE EXPORT) oder bei Christopher Bedford (am Beispiel von Chris Burden).23 Beide stellen die performative (nach J. L. Austin) und »virale« Qualität von Performance in den Vordergrund, die sich weniger über Performance als Akt, denn über eine mediale Verbreitung von Performance, etwa durch Performancefotografie und über Gerüchte manifestiere.24 Aus einem ökonomischen Blickwinkel können solche mehr oder weniger immateriellen Formen der Verbreitung zur Steigerung von Reputation und Marktwert beitragen. Am Beispiel Chris Burdens lässt sich das besonders gut nachvollziehen. Er wurde mit seinen spektakulären Performances rasch berühmt und konnte in den 1970er-Jahren bereits stattliche Honorare aufrufen.25 Eine abstrakte Auseinandersetzung mit Performance und Ökonomie, die hier nicht fehlen darf, findet sich bei Peggy Phelan. Dort heißt es: »[t]he pressures brought to bear on performance to succumb to the laws of the reproductive economy are enormous«26. Wie andernorts ausgeführt, setzt Phelan die Ephemeralität von Perfor-

21 »Es sieht so aus, als hätten die Avantgarden die Institution Kunst, die sie abschaffen wollen, wider Willen erobert und damit den Neo-Avantgarden jene privilegierte Stellung verschafft, die sie heute einnehmen […]. Nun erobert man im Allgemeinen einen umkämpften Platz nicht wider Willen. Die Formulierung legt nahe, daß [sic] andere, stärkere Kräfte an der skizzierten Veränderung der Institution Kunst mitgewirkt haben. Man muß [sic] nicht lange suchen, um sie zu entdecken: Es sind die Kräfte der Ökonomie.« Bürger, Peter: Nach der Avantgarde. Weilerswist 2014, S. 107. 22 Richard, Sophie: Unconcealed. The International Network of Conceptual Artists 1967–77. Dealers, Exhibitions and Public Collections. London: Ridinghouse 2009, S. 36. 23 Widrich, Mechtild: Can Photographs Make It So? Repeated Outbreaks of VALIE EXPORT’s Genital Panic Since 1969 [2008]. In: Jones, Amelia/Heathfield, Adrian (Hrsg.): Perform, Repeat, Record. Live Art in History. Bristol: Intellect 2012, S. 89–104; Bedford, Christopher: The Viral Ontology of Performance. In: Ebd., S. 77–87. 24 Den Begriff ›viral‹ benutzt nur Bedford [Bedford 2012, Titel], doch nutzt Widrich dieselbe Metapher, wenn sie im Titel ihres Aufsatzes von »Repeated Outbreaks« spricht. Widrich 2012. 25 In einem Artikel des New York Magazine von 1976 heißt es, sein damaliges Honorar betrage 2 500 USD (heute etwa 16 500 USD) pro Performance. S. Seiberling, Dorothy: The Art-Martyr. »…Today Chris Burden is a top star on the Body-Art circuit. On the risk of dying, he has begun to make a living off his art…«. In: New York, 24.05.1976, S. 46–66. 26 Phelan 2005, S. 146.

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mance mit einem Entzug aus dem Markt und den kapitalistisch-patriarchalen Strukturen der Kunstwelt gleich und sieht in jeglicher Form der Festschreibung von Performance die Gefahr einer Reintegration in ebendiese Strukturen. Auf ähnliche Gefahren verweisen auch neuere Publikationen, die sich mit Performance im Zusammenhang mit der Ausbeutung kreativer oder immaterieller Arbeit befassen.27 Solche Bedenken sind nicht von der Hand zu weisen, doch lässt sich mit John Howell entgegnen, dass auch Performancekünstler*innen einem intrinsischen Bedürfnis rezipiert zu werden folgen (in Howells Worten: einem desire to show), was mit einem ganzen Spektrum ökonomischer Interessen einhergehen kann, von der Subsistenz bis zum Profit. Aus dieser Perspektive erscheinen Performancekünstler*innen nicht als dem Kunstsystem beziehungsweise dem Kunstmarkt ausgeliefert, sondern als aktive Initiator*innen der Distribution ihrer Kunst. Der Begriff der Distribution ist dabei breit zu fassen, also über den herkömmlichen Verkauf oder Handel mit Kunstwerken hinaus, als ein Prozess der Verbreitung von Dingen und Ideen beziehungsweise materieller wie immateriellen Tauschwerte. Auf der Makroebene und unter historisch-ökonomischen Gesichtspunkten lässt sich die von Phelan beschworene Ephemeralität von Performance mit dem Wandel von der Industrie- zur Dienstleistungsökonomie in Verbindung bringen. Anknüpfungspunkte bieten hier Diskurse um die Herausbildung einer ›Performancegesellschaft‹ und dem Phänomen ›totaler Performance‹, deren Anbruchspunkte Autoren wie Jon McKenzie, Sven Lütticken oder auch Dieter Lesage in die 1970er-Jahre datieren. Diese Aspekte sollen am Ende dieses Kapitels noch einmal aufgegriffen werden. Institutionen und Netzwerke aus der Perspektive der Kunstsoziologie Wie in der Exposition erläutert, gab es in der bisherigen Forschung die Tendenz, frühe Performance allein in alternativen Kunsträumen zu verorten und die Kunstform damit als Teil eines out-of-the-institution-movement aufzufassen, das etablierten Institutionen kritisch gegenüberstand.28 Dabei wurden alle Kunstinstitutionen, insbesondere kommerzielle Galerien und Museen, gedanklich zu einem großen Komplex zusammengefasst. Andernorts wurden Museen als Orte der Festschreibung und des »containment« definiert, die lebendige Kunst unter »house arrest« stellten.29 Für die folgenden Überlegungen ist es notwendig, den ›Galerien-Museums-Komplex‹ differenzierter zu betrachten und Institutionen eben nicht als statische Container, sondern selbst als dynamische Akteure aufzufassen. Dabei ist die scharfe Demarkati27 Vgl. Kunst, Bojana: Artist at Work, Proximity of Art and Capitalism. Winchester, UK, Washington, D.C., USA 2015, darin insbesondere das Kapitel: 2.3.: The Work of the Performance Artist, S. 37 ff. und Bobin, Virginie et al.: Exhausting Immaterial Labour in Performance. Le Journal des Laboratoires / TkH Journal for Performing Arts Theory, H. 17. Aubervilliers, Belgrad 2010. 28 Jane Crawford bezeichnete die Generation der Konzeptkünstler*innen, die den Performancekünstler*innen vorausging, als out-of-the-institution-movement. I-JC b, 00:35:00. 29 Amelia Jones nutzt den Begriff »containment« in: Jones, Amelia: The Now and the Has Been: Paradoxes of Live Art in History. In: Jones/Heathfield 2012, S. 11–22, hier S. 12. Peggy Phelan spricht von »house arrest«. Phelan 2005, S. 146.

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on zwischen Kunstproduktion und Kunstinstitutionen zu lockern, die den Diskurs bislang bestimmte, um den Blick auf informelle Netzwerke und semi-institutionelle Strukturen zu weiten. Orientierung für einen solchen Ansatz bieten einschlägige (und zum Teil bereits historische) Positionen aus der Kunstsoziologie, die ihre Thesen mit Blick auf das US-amerikanische Kunstsystem der Nachkriegszeit und den Kunstboom der 1970er-Jahre entwickelt haben. Howard S. Becker betont beispielsweise, dass Kunst nicht allein vom Werk her, sondern im Kontext des sozialen Feldes betrachtet werden müsse, aus dem sie hervorgeht. Er beschreibt das Kunstsystem als eine Zusammensetzung von »Art Worlds«, die er wie folgt definiert: [A]rt worlds […] provide distribution systems which integrate artists into their society’s economy, bringing art works to publics which appreciate them and will pay enough so that the work can proceed. These distribution systems, like other cooperative activities which make up an art world, can be manned by artists themselves. More commonly, specialized intermediaries do the work.30 Für den vorliegenden Kontext ist relevant, dass Becker die Herausbildung von Distributionssystemen zunächst nicht auf ein monetäres Gewinnstreben bezieht, sondern auf ein Bedürfnis nach Subsistenz beziehungsweise der Möglichkeit, den gewählten Beruf, sei es als Künstler*in, Galerist*in, oder Museumskurator*in, ausüben zu können. Becker fasst Kunstwerke zudem als »Produkte kooperativer Aktivitäten« auf.31 Künstler*innen seien nie allein für ihre Werke und Erfolge verantwortlich, sondern die Entstehung und Sichtbarwerdung von Kunstwerken werde erst durch die Arbeit verschiedener Akteur*innen innerhalb und außerhalb des Kunstfeldes möglich.32 Für eine kunsthistorische Untersuchung birgt dieser Ansatz eine politische Dimension, denn er lenkt die Aufmerksamkeit auf die Arbeit und Unterstützung von Akteur*innen, die im Hintergrund agieren und doch maßgeblich zum Erfolg und zur Sichtbarkeit von Künstler*innen und ihren Werken beitragen, diese mitunter sogar gestaltend mitformen. Die folgende Untersuchung, die mit Jane Crawford eine solche Akteurin in den Blick nimmt, ist diesem Ansatz verpflichtet.33 Es waren bislang auch vornehmlich soziologische Positionen, die die Herausbildung des modernen Kunstsystems und seiner ökonomischen Strukturen untersuchten. Sie sind als Kontext für die folgenden Überlegungen relevant. Cynthia und Harrison White zeichneten am Beispiel des Impressionismus nach, wie im Laufe des 19. Jahrhunderts, parallel zur Herausbildung der modernen Avantgarden und des 30 Becker, Howard S.: Art Worlds. Berkeley, London: U of California P 1982, S. 93. 31 »Art works can be conceived as the product of the cooperative activity of many people.« Becker, Howard S.: Art as Collective Action. In: American Sociological Review, 34. Jg. 1974, H. 6, S. 767–776, hier S. 767. 32 Ebd. 33 Ein neuerer Ansatz ist: Sholette, Gregory: Dark Matter. Art and Politics in the Age of Enterprise Culture. London, New York: Pluto 2011. Sholette argumentiert, dass der Beckers art worlds zugrunde liegende Pluralismus im Zeitalter des »ultra-free-market capitalism« nicht mehr gelte. Ebd., S. 121. Für den vorliegenden Zusammenhang der 1970er-Jahre scheint der Bezug jedoch angemessen.

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modernen Kunstbegriffs – und des modernen Museums –, ein neuartiges dealercritic system entstand.34 Für die Selektions- und Authentifizierungsprozesse von Kunst auf einem zunehmend freien Markt waren nun nicht mehr die Akademien, sondern Galerist*innen, Händler*innen und eine unabhängige Kunstkritik zuständig. In den USA kam um 1950 im Zuge der Verlagerung des internationalen Macht­ zentrums der Kunstwelt nach New York und dem Aufblühen des Abstrakten Expressionismus erstmals ein engmaschiges dealer-critic system zum Tragen. Seine gnadenlosen Ein- und Ausschlusskriterien wurden für die wachsende Zahl in New York arbeitender Künstler*innen zunehmend sicht- und spürbar. Diesen Aspekt gilt es als Hintergrundfolie für die Herausbildung von Performance als Kunstmedium und die damit verbundenen künstlerischen Überwindungs- und Ausbruchversuche (aus dem Kunstsystem) in den 1960er- und 1970er-Jahre zu berücksichtigen. Goldberg führt die widerständige Haltung der Konzept- und Performancekunst nicht auf den damaligen Kunstboom, sondern auf die 68er-Bewegung zurück.35 Allerdings war es erst dieser Kunstboom und die mit ihm einhergehende Verfestigung institutioneller Strukturen, die die Reibungsfläche für die Abgrenzungs- und Widerstandsbewegungen der Künst­ler*innengeneration dieser Zeit boten. Welche Rolle spielten Museen in diesem Kontext? Mit der wachsenden Zahl an Museen für zeitgenössische Kunst und der gleichfalls wachsenden Bedeutung von Wechselausstellungsformaten stieg der Bedarf an neuer Kunst und das dealer-critic system gewann als vermittelnde Instanz an Bedeutung. Zugleich waren die Distributoren der Kunst ihrerseits auf die Legitimierung des Museums angewiesen. Museen identifizieren und affirmieren kulturelles Erbe nicht erst, wenn sie Kunstwerke kaufen und sammeln, sondern bereits indem sie selektieren, was in Ausstellungen gezeigt wird und was nicht. Mit Becker sind sie die letzte Instanz in einer langen Kette an Legitimierungsinstanzen, die einem Kunstwerk ideellen und letztlich auch öko­ nomischen Wert zumessen. Der Kunstmarkt ist Becker zufolge deshalb »intimately connected to the institution of the museum.«36 Becker schreibt über die Rolle des Museums: Museums become the final repository of the work which originally enters circulation through dealers, final in two senses: (1) work that enters a museum collection usually stays there […] (2) When a museum shows and purchases a work, it gives it the highest kind of institutional approval available in the contemporary visual arts world.37 Nicht jedes Museum besitzt dieselbe Autorität, nicht jede Galerie ist gleich einflussreich. Um qualitativ zwischen diesen Legitimierungsinstanzen unterscheiden zu 34 White, Harrison C./White, Cynthia A.: Canvases and Careers. Institutional Change in the French Painting World [1965]. With a New Foreword and a New Afterword. Chicago: U of Chicago P 1993. 35 Goldberg 1979, S. 98. 36 Becker 1982, S. 117. 37 Ebd.

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können, wird im Folgenden auf das gatekeeper-Modell der Soziologin Marcia Bystryn zurückgegriffen.38 Am Beispiel des New Yorker Galeriewesens der 1950erJahre und des kometenhaften Aufstiegs des Abstrakten Expressionismus identifiziert Bystryn zwei Galerietypen, die sich in ihrem Einfluss auf das Kunstfeld unterscheiden. Der erste Typ ist eher klein und familiär. Er steht dem künstlerischen Feld nah und hat damit direkten Zugang zu künstlerischen Innovationen. Dieser Typ hat eine eher geringe Setzungsmacht, ist aber von großer Bedeutung für die Vorauswahl von Werken und Strömungen, die später möglicherweise in den Kanon eingehen. Der zweite Typ nimmt Künstler*innen erst dann ins Programm, wenn sie hinreichend etabliert sind. Er besitzt direkte Kontakte und nimmt direkt Einfluss auf wichtige Samm­ler*innen und Museen. Beide Typen – und alle ihre Zwischenformen – sind für die Legitimierung und Etablierung einzelner Künstler*innen, Kunstwerke und künstler­ischer Strömungen wichtig. Dieses Modell lässt sich auch auf andere Institutionen und Akteur*innen im Kunstfeld übertragen. Gatekeeper-Prozesse finden auf der Ebene individueller Künst­ler*in­ nen statt, etwa dann, wenn etablierte Künstler*innen Empfehlungen für Nach­wuchs­ künstler*innen aussprechen, ein Phänomen, das die Soziologin Sally Ridgeway am Beispiel der Kunst-Avantgarde der 1970er-Jahre untersucht hat.39 Sie gelten im Bereich der Kunstkritik, wo es eine große Bandbreite an unterschiedlich einflussreichen Medien und Kritiker*innen gibt, und auch im Bereich nicht-kommerzieller Ausstellungsorte, zu denen alternative Kunsträume ebenso gehören, wie etablierte Museen. Für den vorliegenden Zusammenhang ist das gatekeeper-Modell hilfreich, da es erlaubt, sogenannte alternative Institutionen mit ihren etablierten Entsprechungen in Verbindung zu bringen, ohne beide in ihrer Funktion oder Wirksamkeit gleichzusetzen. Es ermöglicht zudem, Prozesse, wie sich verfestigende Strukturen wachsender Institutionen oder den Verlauf künstlerischer Karrieren, zu berücksichtigen. Wenn ein neues Kunstwerk oder eine neue künstlerische Strömung erfolgreich werden soll, bedarf es sowohl der informellen Netzwerke und der kleinen Institutionen als auch ihrer großen und mächtigen Entsprechungen. Das Durchlaufen dieser gatekeeper-Instanzen ist im Sinne der oben benannten breiten Definition von Distribution als ein Distributionsprozess zu verstehen. Material- und quellenbezogene Hinweise Die maßgeblichen Quellen für dieses Kapitel sind Dokumente aus Museumsarchiven und dem persönlichen Archiv Jane Crawfords. Zudem wird ein mehrstündiges Inter38 Bystryn, Marcia: Art Galleries as Gatekeepers. The Case of the Abstract Expressionists. In: Social Research, 45. Jg. 1978, H. 2, S. 390–408. 39 Ridgeway, Sally: Artist Groups. Patrons and Gate-Keepers. In: Foster, Arnold W./Blau, Judith R. (Hrsg.): Art and Society. Readings in the Sociology of the Arts. Albany: SUNY 1989, S. 205–220, hier S. 211 ff. Ridgeway zitiert dort Harold Rosenberg: »Yet the single most potent force in the art world is still, in the last analysis, the artist.« Ebd., S. 212. Zum Thema Netzwerke von Künstler*innen vgl. Crane, Diana: Reward Systems in Avant-Garde Art. Social Networks and Stylistic Change. In: Foster/Blau 1989, S. 261–272 und Crane, Diana: The Transformation of the Avant-Garde. The New York Art World, 1940–1985. Chicago: U of Chicago P 1995.

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view mit Crawford als Stichwortgeber und historische Quelle herangezogen.40 Dies geschieht mit der Vorsicht, die im Umgang mit »Erinnerungserzählungen [als] Me­ dien der Erinnerung an Erinnerungen« geboten ist.41 Aussagen wurden nach Möglichkeit überprüft und Lücken durch weiterführende Recherchen gefüllt sowie persönliche Meinungen oder Einschätzungen als solche gekennzeichnet.42 Da Crawford durch die Quellenlage zur zentralen Figur des Kapitels wurde, sollen an dieser Stelle einige biografische Eckdaten gegeben werden. Jane Crawford, 1948 in New York City geboren, begann ihre professionelle Ausbildung in den ausgehenden 1960er-Jahren mit einem Kunstgeschichtsstudium am New Yorker Finch College, einem Liberal Arts College für Frauen. Im angeschlossenen Finch College Museum sammelte sie unter Anleitung von Elaine Varian, einer der ersten Kura­ tor*innen für Konzept- und Prozesskunst, Erfahrungen im Umgang mit diesen damals neuen Kunstformen.43 Nach Abschluss des Studiums trat Crawford eine Stelle als director of drawings and prints bei der Galerie Gimpel & Weitzenhoffer an, wo sie für die Herstellung und den Vertrieb von Multiples zuständig war.44 Ab Winter 1974/75 arbeitete sie in derselben Funktion in der kurz zuvor eröffneten M. L. D’Arc Gallery, einer von Künstler*innen geführten Galerie mit experimentellem Programm.45 Auch hier betreute Crawford Editionen, die aus großzügigen Stipendien hervor­ gingen, welche die Galerie dank ihrer wohlhabenden Besitzerin Mary Lea D’Arc (geb. Johnson, eine Erbin des Johnson & Johnson Konzerns) an ›ihre‹ Künstler*innen vergab, unter anderem an Allan Kaprow oder Dennis Oppenheim.46 Eine Kollegin

40 Das digital aufgezeichnete Gespräch fand am 27. Februar 2018 bei Crawford zuhause, in Weston, Connecticut statt. Die Fragen wurden mit Blick auf die Fragestellungen des Buchs gestellt. Die Kürzel I-JC a und I-JC b stehen für die beiden Teile der Aufzeichnung, die sich im Archiv der Autorin befinden. 41 Mit Harald Welzer gehe ich davon aus, dass Interviews als Quelle nie vollständig zu objektivieren sind. Crawfords Aussagen waren beispielsweise stark von ihren Erinnerungen an Gordon Matta-Clark und ihrer Arbeit mit seinem Nachlass geprägt, sodass sie immer wieder zu diesen Themen zurückkehrte. Welzer, Harald: Das Interview als Artefakt. Zur Kritik der Zeitzeugenforschung [2000] In: Obertreis, Julia (Hrsg.): Oral History. Stuttgart: Steiner 2012, S. 247–261, hier S. 258. 42 Details wie Namen, Daten und Orte wurden besonders gründlich überprüft. 43 Crawford studierte etwa von 1966 bis 1970. Sie erinnerte sich an ein lebendiges Art History Department, an dem Robert Morris zu den Lehrenden gehörte. Der Contemporary Wing, vormals Contemporary Study Wing des College Museums war für sein avantgardistisches Programm bekannt. Crawford lernte hier Eva Hesse und Robert Smithson kennen. Das College wurde 1976 geschlossen, ebenso das Museum, dessen Akten heute in den Archives of American Art, Smithsonian Institution, Washington D.C. liegen. 44 Gimpel & Weitzenhoffer, 1040 Madison Avenue, NYC, gegründet 1969. Die Galerie war eine Kooperation der Lon­ doner Gimpel Fils Gallery mit dem Kunsthändler Max Weitzenhoffer. Sie war auf Editionen spezialisiert, zum Beispiel der Künstlerin Niki de Saint Phalle. Die Stelle in der Galerie erhielt Crawford durch die Vermittlung von Elaine Varian. 45 M.L. D’Arc Gallery, 57th and 5th Avenue, NYC, gegründet im Januar 1975. Zum board of directors der Galerie gehörten Allan Kaprow, Les Levine und Dennis Oppenheim. Die Stipendien der Galerie konnten bis zu 50 000 USD betragen. Künstler*innen durften frei über das Geld verfügen, oft stand eine Publikation oder Edition am Ende, so beispielsweise die Editionen Echo-logy und Rates of Exchange (beide 1975) von Allan Kaprow. Oft, so Crawford, wurde das Geld aber auch für den Kauf von technischem Equipment eingesetzt. Künstler*innen der Galerie waren laut einer Pressemitteilung von 1975: Eleanor Antin, Allan Kaprow, Les Levine, Dennis Oppenheim und Roger Welch. Pressemitteilung: M. L. D’Arc Gallery: Galerieeröffnung. A-DOC, d6, Mappe 102. Zu co-op Galerien in SoHo s. Kostelanetz, Richard: Soho. The Rise and Fall of an Artists’ Colony. New York, London: Routledge 2003, S. 86–87. 46 Sie betreute auch die Produktion der Schallplatte Biting off the Tongue of a Corpse (1975) mit John Giorno, William Burroughs und anderen.

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Crawfords, die für das Medium Video zuständig war, war Ana Canepa, die später einen Videoverleih für Avantgardekunst eröffnete. Über die Galeriearbeit knüpfte Crawford Kontakte zur New Yorker Avantgarde, darunter ihre späteren Klienten Allan Kaprow, Dennis Oppenheim und Roger Welch. Hier lernte sie auch, vermutlich Ende 1975, den Künstler Gordon Matta-Clark kennen, der ein Projekt für die Galerie realisieren sollte.47 Crawford und Matta-Clark wurden ein Paar und heirateten wenige Monate vor Matta-Clarks frühen Tod im August 1978 (Abb. 4.2).48 Bereits als Studentin und Galeriemitarbeiterin besuchte Jane Crawford regelmäßig Performanceveranstaltungen. Sie war zugleich selbst für einige Zeit als Performancekünstlerin aktiv.49 Als entscheidenden Initialmoment für API nannte sie Marcia Tuckers Performancefestival im Whitney Museum im Februar 1976.50 Kurze Zeit nach diesem Festival kündigte sie ihre Stelle in der Galerie, zog in ein Loft nach Downtown und machte sich, offiziell nun arbeitslos, im Juni 1976 mit API selbständig.51 Die Agentur bestand nur etwa zweieinhalb Jahre. Als Grund, warum sie API so bald wieder aufgab, nannte Crawford den Tod Matta-Clarks, der ihr Leben aus der Bahn warf. Als zweiten Grund gab sie die veränderte und in ihren Augen zunehmend unüberschaubare Performanceszene der ausgehenden 1970er-Jahre an, der sie ihre Institution nicht mehr gewachsen sah.52 Heute lebt Crawford in Connecticut und betreut von dort aus den Nachlass Gordon Matta-Clarks.53 API als Ausgangspunkt für dieses Kapitel zu wählen, bedeutet einige Ein- und Ausschlüsse zu treffen, die es offenzulegen gilt. Zunächst geht damit eine Konzentration auf (Solo-)Performancekünstler*innen aus der New Yorker Downtown-Szene einher. Andere Szenen, etwa in San Francisco und Los Angeles, und andere Formen von Performance, wie Tanz oder Musik, werden in diesem Kapitel deshalb in den Hintergrund treten. Dasselbe gilt für parallele Performanceströmungen in der New

47 Das Projekt scheiterte, da es einen Tunneldurchbruch in die nebenan gelegene Bankfiliale der Chase Manhattan Bank erfordert hätte. »He and I worked out just fine« beendete Crawford diese Anekdote. I-JC a, 00:13:42. 48 Gordon Matta-Clark starb am 27. August 1978 an Bauchspeicheldrüsenkrebs. 49 »I was also a performance artist writing and performing but in a more theatrical situation. What I was doing was […] sort of a combination of what Yoko [Ono] was doing and maybe one person theater pieces. I was doing this in a little theater near where I lived on 20th street. It was about four blocks away and I would write and perform something every week. […] But it had a very little audience and I never considered myself the quality of what anyone else was doing.« I-JC a, 00:31:57. 50 Crawford schilderte ihre Begeisterung für die dort gezeigten Auftritte und ihr Erstaunen, dass fast keine*r der Künst­ ler*innen eine professionelle Galerievertretung hatte. I-JC a, 00:06:05. 51 Die Galerie geriet wiederholt in finanzielle Schieflage und ihre Besitzerin war verschiedentlich in dubiose Geschäfte verwickelt, was Crawford als Grund für ihre Kündigung angab. Zur schillernden Figur Mary Lea D’Arc s. Goldsmith, Barbara: Johnson v. Johnson. New York: Dell 1988 und Oppenheimer, Jerry: Crazy Rich. Power, Scandal, and Tragedy inside the Johnson & Johnson Dynasty. New York: St. Martin’s Griffin 2013. 52 »When Gordon died all of a sudden there were a lot of performance artists. And I wanted to be very democratic and work with everybody.« I-JC a, 01:22:34. Crawford hatte auch den Eindruck, dass die Qualität von Performance abnahm. »I honestly didn’t feel that some of that next generation were as good or original as the first people that I was working with.« I-JC a, 01:22:51. 53 Die Nachlass-Arbeit teilt Crawford mit ihrer Tochter Jessamyn Fiore und der David Zwirner Gallery. Crawford arbeitete auch als Filmemacherin, mitunter gemeinsam mit ihrem zweiten Ehemann, Robert Fiore, der im vergangenen Kapitel als Kamermann des Films Pumping Iron zur Sprache kam. Eine gemeinsame Arbeit für Robert Smithson ist: Robert Smithson: Rundown, 1994. Video (Farbe, Ton), 12 Min. Regie: Jane Crawford, Produktion: Robert Fiore.

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Yorker Punk- und Clubszene der Zeit. An einigen Stellen werden Hinweise aufscheinen, dass es im Sinne des eben erläuterten vernetzten Kunstsystems sowohl Verbindungen zwischen den Künstler*innen unterschiedlicher Gattungen als auch zwischen der hochkulturellen und der subkulturellen Sphäre sowie zwischen der etablierten und der alternativen Szene gab. Aufbau des Kapitels Für Jane Crawford und ihre Klient*innen war Lebensalltag, was heute Performancegeschichte ist. Das Kapitel beginnt deshalb mit einem künstlersozialgeschichtlichen Blick auf die Lebens- und Arbeitswelt in SoHo. Daraus ergeben sich Anhaltspunkte, warum viele Künstler*innen trotz einer institutionskritischen Grundhaltung das Vermittlungsangebot Crawfords in Anspruch nahmen und gerne in Institutionen auf­ treten wollten. Ein Blick auf die Galerienszene von SoHo und deren rege Zusammenarbeit mit Performancekünstler*innen soll anschließend prüfen, ob und wenn ja, wie Performance in herkömmliche Distributionsnetzwerke eingebunden war. Der zweite Teil widmet sich dem Geschäftsmodell und der Struktur von API sowie den Angeboten, die die Agentur für Institutionen und für Künstler*innen bereithielt. Daran schließt sich eine Rekonstruktion der wichtigsten Aktivitäten der Agentur an. Wie bereits erwähnt, waren diese nicht auf die USA beschränkt und auch nicht allein auf Museen ausgerichtet. Um dem Rahmen der Arbeit zu entsprechen, wird ein Schwerpunkt auf die Zusammenarbeit mit ›musealen‹ Institutionen, namentlich dem MCA Chicago und der documenta 6 (d6), gelegt. Die documenta ist selbstverständlich weder US-amerikanisch, noch ein Museum. Dennoch ist sie als ›Mu­ seum der 100 Tage‹ und wegen ihrer besonderen Setzungsmacht im Kunstfeld hier relevant. Zum besseren Verständnis der internationalen Distributionsnetzwerke werden zudem einige knapp gefasste Einblicke in Kooperationen mit alternativen Kunsträumen, Festivals und Kunstmessen in den USA und in Europa gegeben. Im Resümee erfolgt eine historische Einordnung der Aktivitäten von API; zunächst auf der operativen Ebene: Inwiefern war API daran beteiligt, Performance in Museen zu etablieren? Anschließend steht die Frage im Vordergrund, welchen Einfluss diese besondere Form der Distribution auf die Kunst und auf Institutionen gehabt haben könnte. Auf der Makroebene werden die Erkenntnisse des Kapitels in weiter gefasste sozioökonomische Zusammenhänge gefügt, um zu verdeutlichen, dass Performance on Display kein Sonder- oder Ausnahmephänomen war, sondern ein Ausdruck seiner Zeit und in vielerlei Hinsicht ein Anbruchspunkt für kommende Entwicklungen.

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Performance in SoHo – Zur soziökonomischen Situation von Performancekünstler*innen Als Jane Crawford 1976 die Arbeit mit API aufnahm, wählte sie SoHo als Standort. Das New Yorker Stadtviertel South of Houston Street hatte sich bereits vom Gewerbe- zum Künstler*innenviertel gewandelt und war als Zentrum der US-amerikanischen (Performance-)Avantgarde bekannt.54 Beinahe alle Klient*innen von API lebten und arbeiteten dort, viele waren Crawfords Freund*innen, Nachbar*innen und Kolleg*innen. Ihr Partner Gordon Matta-Clark war ein wichtiger Akteur in der alternativen Kunstszene von SoHo. Er gehörte zum Kern der Gruppe um den alter­nativen Kunstraum 112 Greene Street, einem der ersten alternativen Ausstellungsorte in New York, wo seit 1970 Ausstellungen und Performanceveranstaltungen stattfanden.55 Er war Mitbegründer des von Künstler*innen geführten Restaurants FOOD sowie zentrales Mitglied der Gruppe ›Anarchitecture‹, zu der auch Laurie Anderson und Tina Girouard gehörten. Diese Gruppe junger Künstler*innen, die sich um 1974 in unregelmäßigen Abständen trafen und auch gemeinsam ausstellten, betrachteten Architektur als Symbol verkrusteter (kapitalistischer) Strukturen und Institutionen, die es zu unterlaufen und zu dekonstruieren galt. 56 SoHo wurde bereits während seiner Blütezeit als ein besonderes soziokulturelles Phänomen wahrgenommen und dokumentiert. Hervorzuheben ist hier der Katalog New York – Downtown Manhattan: SoHo, der 1976 zur zuvor bereits erwähnten gleichnamigen Großausstellung in Berlin erschien.57 Der Katalog enthält unter anderem Texte von René Block (dem Initiator des Projekts), Stephen Koch, Lucy Lippard und Lawrence Alloway. Programmatisch sind auch das Buch SoHo. The Rise and Fall of an Artists’ Colony, eine Publikation mit autobiografisch gefärbten Aufzeichnungen des Künstler-Autors Richard Kostelanetz58 sowie ein 1979 erschienener Touristenführer, der eine gute Übersicht über die Kunst- und Galerienszene von SoHo gibt und ein Zeitzeugnis für die Popularität des Stadtteils als kunsttouristisches

54 Stephen Koch spricht von »the capital of the New York art world (avant-garde division)«. Koch, Stephen: Reflections on SoHo. In: Block, René (Hrsg.): New York – Downtown Manhattan: SoHo Berlin: Akademie der Künste/Berliner Festwochen 1976, S. 105–141, hier S. 107. 55 Zur Geschichte von 112 Greene vgl. Brentano, Robyn/Savitt, Mark (Hrsg.): 112 Workshop / 112 Greene Street: History, Artists & Artworks. New York: New York U P 1981; Fiore, Jessamyn/Sørensen, Louise (Hrsg.): 112 Greene Street. The Early Years (1970–1974). Santa Fe: Radius 2012. 56 Weitere Mitglieder der Gruppe waren: Carol Goodden, Suzanne Harris, Jene Highstein, Bernard Kirschenbaum, Richard Landry und Richard Nonas. Zur Anarchitecture-Gruppe: Attlee, James: Towards Anarchitecture. Gordon Matta-Clark and Le Corbusier. In: Tate Papers 2007, H. 7, Frühjahr, Online-Publikation. https://web.archive.org/web/202010020 34620/https://www.tate.org.uk/research/publications/tate-papers/07/towards-anarchitecture-gordon-matta-clark-andle-corbusier (Zugriff: 02.10.2020). 57 Ausstellungsdaten: 5.09.–17.10. 1976, Berlin, Akademie der Künste. Katalog: Block, René (Hrsg.): New York – Downtown Manhattan: SoHo. Ausst. Kat. Berlin, Akademie der Künste; Berliner Festwochen. Berlin: Akademie der Künste/ Berliner Festwochen 1976. 58 Kostelanetz 2003.

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Reiseziel ist.59 Alle diese Publikationen beschreiben die Symptome des rasanten Gentrifizierungsprozesses, den SoHo in den 1970er-Jahren durchlief. Die komplexen Zusammenhänge von Stadtentwicklung, Kunstszene und Immobilienspekulation, die im Folgenden nur verkürzt zur Sprache kommen können, behandelten Autor*innen wie Sharon Zukin oder Aaron Shkuda eingehend.60 Aufschlussreich ist auch eine Podiumsdiskussion über die Kunstszene von SoHo, die 2010 anlässlich der Ausstellung Laurie Anderson, Trisha Brown, Gordon Matta-Clark. Pioneers of the Downtown Scene, New York, 1970s geführt wurde.61 An dem Gespräch nahmen neben den beiden Künstlerinnen und der Kuratorin Lydia Yee auch RoseLee Goldberg, Alanna Heiss und Jane Crawford teil. SoHo als Künstler*innenkolonie Gemessen am Lebensstandard der US-amerikanischen Mittelschicht galt SoHo noch bis in die 1970er-Jahre als unbewohnbar, da es hier an jeglicher Wohninfrastruktur fehlte. Dennoch, oder gerade deshalb, ließen sich Künstler*innen auf der Suche nach bezahlbarem Arbeits- und Wohnraum ab den ausgehenden 1950er-Jahren dort nieder. Sie kamen in mehreren Wellen. Zuerst waren es die Fluxuskünstler*innen, die die zunehmend leerstehenden Lofts für sich erschlossen.62 In dieser rohen Umgebung zu leben, nachts und an Wochenenden ohne Heizung und Strom und in vielen Fällen am Rande der Legalität – der städtische Bebauungsplan verbat zunächst die private Nutzung der für industrielle Zwecke vorgesehenen Lofts – entsprach dem Pioniergeist der US-amerikanischen Nachkriegsavantgarde. Dieser Lebensstil war ein Gegenentwurf zur elitären Kunstwelt Uptown, aber auch zur perfektionistischen Minimal Art und dem mondänen Glamour der zeitgleich florierenden Pop ArtSzene.63 Neben den Fluxuskünstler*innen entdeckten auch die Tänzer*innen aus dem Umkreis der Judson Church die Vorzüge der weitläufigen Loft-Räume für sich. Es folgte die Generation der Konzept- und Post-Minimal-Art-Künstler*innen, der Land- und Body-Art-Künstler*innen und schließlich, ab den frühen 1970er-Jahren, die Generation der Performance- und Video-Künstler*innen.64

59 Anderson-Spivy, Alexandra/Archer, B. J. (Hrsg.): Anderson & Archer’s SoHo. The Essential Guide to Art and Life in Lower Manhattan. New York: Simon and Schuster 1979. 60 Zukin, Sharon: Loft Living. Culture and Capital in Urban Change [1982]. Jubiläumsausg. New Brunswick 2014 und Shkuda, Aaron: The Lofts of SoHo. Gentrification, Art, and Industry in New York, 1950–1980. Chicago 2016. 61 Yee, Lydia: All Work, All Play. In Conversation with Laurie Anderson, Trisha Brown, Jane Crawford, RoseLee Goldberg, Alanna Heiss and Lydia Yee at the Clocktower Gallery, New York, 27 September 2010. In: Yee, Lydia (Hrsg.): Laurie Anderson, Trisha Brown, Gordon Matta-Clark. Pioneers of the Downtown Scene, New York, 1970s. München: Prestel 2011, S. 69–91. Ausstellung in der Barbican Art Gallery, London, 03.03.–22.05.2011. 62 Alison Knowles gilt als die erste Loft-Bewohnerin SoHos. S. Kostelanetz 2003, S. 4. George Maciunas machte sich einen Namen damit, sogenannte Fluxhouse Cooperatives zu gründen. Ebd., S. 45 ff. 63 Laurie Anderson über die Pop Art-Szene: »I remember having no interest in that world. The only thing I was interested in at that time were artists who were doing things that were completely opposite to the party scene.« Anderson in: Yee [All Work] 2011, S. 71. 64 Die Übergänge zwischen diesen Generationen waren allerdings ebenso fließend wie zwischen den Medien.

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Begünstigt wurde dieser Erschließungsprozess durch strategische Stadtentwicklungsmaßnahmen, die, durchaus bewusst, den Bebauungsplan des Stadtteils Schritt für Schritt zugunsten von Künstler*innen anpassten.65 Ab 1971 durften Künst­ ler*innen im Rahmen des sogenannten A.I.R.-Programms (Artists in Residence) unter bestimmten Auflagen offiziell in Lofts arbeiten und auch leben. Eine dieser Auf­lagen war, sich bei der Stadt als Künstler*in zu registrieren und die bewohnten Gebäude von außen mit einem Hinweis zu kennzeichnen.66 Damit wurden Künst­ ler*innen als Kleinunternehmer*innen im Bereich der Kreativwirtschaft eingestuft.67 Rund 3 000 Künstler*innen nahmen diese Regelung allein im ersten Jahr in Anspruch.68 SoHo wurde zu einer regelrechten Künstler*innenkolonie. Laurie Anderson, die dort ab den frühen 1970er-Jahren lebte, erinnert sich: New York in the early ’70’s was Paris in the ’20’s. I was part of a group of artist/ pioneers [gemeint ist die Anarchitecture-Gruppe] that included Gordon Matta-Clark, Jene Heighstein, Susie Harris, Tina Girouard, Richard Nonas, Dickie Landry, Phil Glass, Keith Sonnier and several other sculptors and musicians. We often worked on each others’ pieces and the boundaries between art forms were loose. Soho was pitch black at night, there were two restaurants (»Food« and »Fanellis«), one gallery (»Paula Cooper Gallery«) and there was still lots of usable wood on the streets. Almost every night turned into a party.69 Auch Jane Crawford, die allerdings erst ab Mitte der 1970er-Jahre selbst in SoHo lebte, betonte diesen besonderen Zusammenhalt der Szene. Diese Atmosphäre war in ihren Augen der entscheidende Nährboden für experimentelle Kunstpraktiken und die Herausbildung von Performancekunst. Some of the most wonderful performances and installations were then because there was really no question of money and no competition for what they were doing they were all just innovating. […] and I think that SoHo really had a powerful effect on their work.70 ›Innovation‹ und ›Pioniergeist‹ sind Begriffe, die im Zusammenhang mit der Kunstszene SoHos häufig fallen. Der Mythos vom ›echten‹ und ›authentischen‹ SoHo er65 Zu den unterschiedlichen Maßnahmen s. Shkuda 2016, S. 98 ff. 66 S. Ebd., S. 98–104. 67 Nur so konnte die Nutzung der für den gewerblichen Bereich vorgesehenen Räume erlaubt werden. Die politischen Ziele hinter diesen Maßnahmen waren mannigfaltig und reichten von einer besseren Kontrolle über die potenziell oppositionell eingestellten Avantgarde-Künstler*innen bis zur Förderung des Sektors der Kreativwirtschaft. Die Alter­ native, die Künstler*innen aus den Lofts zu werfen, hätte sich negativ auf das Image der Stadt ausgewirkt. Ebenso von Bedeutung waren die erhaltenden Maßnahmen, die Künstler*innen an den sonst leerstehenden Immobilien durch­ führten. 68 S. Koch 1976, S. 107. 69 Anderson, Laurie (Hrsg.): Stories from the Nerve Bible. A Retrospective, 1972–1992. New York: Harper Perennial 1994, S. 283. 70 I-JC a, 00:02:30.

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innert dabei stark an den Mythos von der frühen und ›echten‹ Performancekunst. Beide wurden bereits während ihrer Blütezeit in den 1970er-Jahren mehrfach für tot erklärt.71 Dabei wurde der historische Moment, an dem Subkultur in Mainstream umschlug, von verschiedenen Zeitzeug*innen unterschiedlich gesetzt. Jane Crawford nannte zum Beispiel die Jahre 1973–74 als den Moment, in dem Performance­ künstler*innen begannen, sich zu professionalisieren und in diesem Zusammenhang auch ein neues, pragmatischeres Verhältnis zu Institutionen zu entwickeln, das von der Haltung des vorausgegangenen out-of-the-institution-movement abwich. Die hohe Dichte an Künstler*innen in SoHo war eine Voraussetzung dafür, dass sich dort innerhalb kürzester Zeit ein breites Spektrum neuer künstlerischer Ausdrucksformen entwickelte. Wie Crawford betonen auch andere Zeitzeug*innen die transmedialen Experimente, zum Beispiel zwischen bildender und darstellender Kunst, insbesondere Tanz, Musik, Theater und Literatur. Robyn Brentano notiert im Vorwort ihrer Chronik über den alternativen Kunstraum 112 Greene Street: Collaboration not only meant that the artists got the work done with the help of their friends, it also brought many disciplines together under one roof. Distinctions between art forms naturally began to break down. Sculptors and painters gave performances with their work.72 Performancekunst war in diesem Sinne eine hybride Form, die im Verbund mit anderen künstlerischen Medien auftrat, wie etwa bei Carolee Schneemann im Zusammenhang mit Malerei oder bei Robert Morris im Zusammenhang mit Skulptur.73 John Howell fasst diesen experimentellen Geist SoHos folgendermaßen: SoHo was indeed overflowing with ideas and energy at that time. Art was developing myriad hybrids—conceptual art, video art, artists’ books, and performance art among others. New material and new forms appeared weekly cre­ ated by squads of new artists, fresh out of art school. The prevailing spirit among both artists and audiences was experimental, in the best sense of the word. Audiences relished the surprises offered by artists who were trying to break new ground. It was an intense, inwardly focused, clubby community, determined to separate itself from mainstream American culture at every point—from politics to art.74 71 Lucy Lippard beklagt zum Beispiel in ihrem Text über Straßenperformance von 1976, dass SoHo inzwischen so von Kunst-Tourist*innen überlaufen sei, dass kaum mehr ›echtes‹ Publikum zur Verfügung stehe. »A street work done in this area, especially on the weekend, is obviously aimed at a moneyed and tourist art audience; it preaches to the converted, so that the initial validity and impact of working in the streets has virtually disappeared. In the early days of SoHo, how­ever, there were many more laborers working in the area’s small factories; the population was more varied in ethnic and economic background and knowledge of art, providing a more valid version of the ›broad public‹.« Lippard, Lucy R.: The Geography of Street Time. A Survey of Street Works Downtown. In: Block [New York – Downtown] 1976, S. 181–210, hier S. 181. 72 Brentano/Savitt 1981, S. ix. 73 Zu Schneemanns performativem Ansatz aus der Malerei s. Schneemann, Carolee/Breitwieser, Sabine (Hrsg.): Carolee Schneemann. Kinetische Malerei. Ausst. Kat. Salzburg, Museum der Moderne. München: Prestel 2015, passim. 74 Howell, John/Anderson, Laurie (Hrsg.): Laurie Anderson. New York: Thunder’s Mouth 1992, S. 11.

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Viele Künstler*innen auf engem Raum bedeutete aber auch Konkurrenz und steigenden Innovationsdruck. Stephen Koch spricht von »ferocious rivalries« und »intensely high-powered ambitions«.75 Performanceveranstaltungen waren ein wichtiger Bestandteil der Kunstszene von SoHo. Sie fanden zunächst in privaten Lofts und alternativen Kunsträumen statt, bald kamen auch kommerzielle Galerien und Museen dazu. Performance […] is the word used when referring to any event in SoHo in which people do things in front of the audience. It has been one of the most dramatically expanded forms of art activity to have taken place in New York since SoHo’s rise. Now, whether a performance is good or bad, interesting or not, it is also very much a major SoHo social event.76 Koch betont, dass bei diesen sozialen Ereignissen Kontakte geknüpft und Netzwerke gepflegt wurden und bemerkt: »[l]arge matters hang on these small trans­actions«.77 Die Anwesenheit ›wichtiger‹ Künstler*innen oder Kritiker*innen wurde ihm zufolge genauestens beobachtet und registriert, denn die richtigen Persönlichkeiten als Fürsprecher*innen zu haben, konnte karriereentscheidend sein. Diese vergleichsweise kleinen und privaten Veranstaltungen lassen sich deshalb als informeller Ausgangspunkt und erste gatekeeper für die weitere Distribution von Perfor­mancekunst fassen. »Where the Avant-Gardest Work the Hardest«78 – Kunst als professionelle Arbeit »If you think artists are shiftless, lazy, and free, you don’t know SoHo«.79 So lautet der Untertitel eines Aufsatzes, den Stephen Koch 1975 im Magazin Esquire veröffentlichte. Er beschreibt darin, am Beispiel der Künstler*innen in SoHo, eine sich wandelnde Einstellung zu künstlerischer Arbeit, die sich seit Beginn der 1970er-­ Jahre abzeichnete. Kunst zu machen galt, wie Koch betont, neuerdings als ›Arbeit‹, ein Wort, das geradezu inflationär benutzt wurde. »Everything was called work« erinnert sich auch Laurie Anderson, »[y]ou had pick-ups [dt.: Kleinlastwagen] and you were wearing work boots. And you were at work all day doing stuff.«80 Koch diagnostiziert eine geradezu »puritanischen Arbeitsethik« unter Künst­ler*in­nen aller Medien.81 75 Koch 1976, S. 139. 76 Koch 1976, S. 131. 77 »Now, as always, the avant-garde has a small audience and a large, important reputation. […] by no means inconsiderable support from critics, editors, gallery directors, museums, universities, and the like. Large matters hang on these small transactions.« Ebd., S. 135. 78 Koch, Stephen: Where the Avant-Gardest Work the Hardest. In: Esquire 1975, April, S. 113–117; 168–170. 79 Ebd., S. 113. 80 Laurie Anderson in: Yee [All Work] 2011, S. 83. Anderson persifliert das in ihrem Stück New York Social Life (1977). Audio: moppokatzuny [YouTube-User]: Laurie Anderson – New York Social Life [1977], 2012, 3:30 Min. Online: https:// web.archive.org/web/20201118183016/https://www.youtube.com/watch?v=mLoBpWmMFnQ (Zugriff: 18.11.2020). 81 Koch 1976, S. 313.

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Für diese Professionalisierung des Kunstfeldes war nicht zuletzt die leistungsorientierte akademische Ausbildung verantwortlich, die beinahe alle jungen Künst­ ler*innen in SoHo durchlaufen hatten. An den art schools wurden sie nicht nur zu professionellen Künstler*innen ausgebildet, sondern kamen auch mit der zeitgenössischen Theoriebildung in Kontakt, die neue Themen für die Kunst erschloss und zu einer zunehmenden Reflexion der eigenen Rolle im Kunstsystem führte. An den Universitäten bildeten sich zudem persönliche Netzwerke, die sich in das spätere pro­fessionelle Leben fortschrieben. Hier sei vor allem auf die zunehmende Vernetzung von Künstlerinnen in New York, Los Angeles und an anderen Orten verwiesen, die oft im Bereich der Performancekunst aktiv waren.82 Das Selbstverständnis als art workers war das Erbe von Berufsverbänden wie der Art Workers Coalition, deren Solidarisierung mit der Arbeiterklasse zur Etablierung eines Ideals harter körperlicher Arbeit in der Kunst beigetragen hatte. Dieses Image pflegten vor allem die Post-Minimalisten, darunter Künstler wie Richard Serra oder Carl Andre. Damit einher ging eine Werk- und Ausstellungsästhetik, die das Rohe, Ungeschliffene und Handgemachte schätzte – einmal mehr in Abgrenzung zur glatten, oft mit industriellen Methoden hergestellten Minimal und Pop Art. Die frühen body artists, darunter Vito Acconci oder Dennis Oppenheim, die ihre eigenen Körper als Material einsetzten, waren an einem ähnlich rohen und authentischen Ausdruck interessiert. Die Generation der Performancekünstler*innen knüpfte an diese Vorbilder an. Auch ihr galten die Authentizität des Rohen und das do-it-yourself als Devise sowohl für die Kunst als auch für den Lebensstil. Der kollektiv-spielerische Dilettantismus der Fluxus-Künstler*innen und der heroische Klassenkampf der Post-Minimalisten wichen jedoch einer zunehmenden Konzentration auf die individuelle künst­ lerische Entwicklung. Robyn Brentano schildert: »Artists were beginning to focus on the problems that most directly affected them––life in the city and economic sur­ vival«83 und sie zitiert die Künstlerin Tina Girouard: We had been protesting all our lives. We had had Cuba in high school, the Viet Nam War, the Civil Rights movement. By the time we reached maturity and were out of the universities ready to be artists, we were finished with protest. We just wanted to make our work, and yet, we were anarchists…84 Auch RoseLee Goldberg beobachtet diese Tendenz und stellt sie in einen größeren volkswirtschaftlichen Zusammenhang:

82 Einschlägig hierzu: Roth, Moira: The Amazing Decade. Los Angeles: Astro Artz 1983 und Dokumentarfilm: Lynn Hershman Leeson: !WAR Women Art Revolution, 2010, Farbe, 1:23:20; für eine internationale Perspektive s. Schor, Gabriele (Hrsg.): Feministische Avantgarde. Kunst der 1970er-Jahre aus der Sammlung Verbund, Wien. Ausst. Kat. Rom, Galleria Nazionale d’Arte Moderna e Contemporanea. München: Prestel 2015. 83 Brentano/Savitt 1981, S. vii. 84 Tina Girouard, zitiert in: Ebd., S. vii.

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Conceptual art […] had an enormous effect on an even younger generation of artists emerging form art schools where conceptual artists were teaching. By 1972 the fundamental questions raised had to some extent been absorbed in the new work. But the enthusiasm for social change and emancipation – students’, women’s, children’s – had been considerably dampened. World monetary and energy crises subtly altered both life styles and preoccupations.85 Für die meisten Künstler*innen waren die Lebensumstände in SoHo prekär. Bei aller Freiheit und gegenseitiger Unterstützung war der Alltag von der Notwendigkeit geprägt, den Lebensunterhalt zu verdienen. »They were very poor. No conceptual artist got money«86, erinnerte sich Crawford, »everybody had day jobs.«87 Der Begriff work war deshalb mindestens zweifach konnotiert, es wurde zwischen work und ones own work unterschieden.88 »They do not support themselves on their ›own work‹, and must resort to carpentry, teaching jobs, grants, or just plain checks from home«.89 Auch die meisten API-Performer*innen arbeiteten parallel in anderen künstlerischen und nicht-künstlerischen Bereichen, um ihr Auskommen zu sichern.90 Alternative Strukturen und das Ringen um Sichtbarkeit Mit der sich wandelnden Einstellung zu künstlerischer Arbeit veränderte sich auch die Einstellung vieler Künstler*innen zu Institutionen. Die Unzufriedenheit mit den großen und etablierten Kunstinstitutionen war keine prinzipielle Ablehnung, sondern richtete sich vor allem gegen deren geringes Interesse an aktueller Kunst. Im Geiste des do-it-yourself schufen Künstler*innen deshalb ihre eigenen institutionel85 Goldberg 1979, S. 99. 86 I-JC a, 00:12:21. 87 I-JC b, 01:07:10. 88 Koch 1976, S. 123 89 Ebd. 90 Durch die enge Zusammenarbeit der Künstler*innen konnte der Grat zwischen Lohnarbeit und Freundschaftsdienst schmal sein. Gordon Matta-Clark bot zum Beispiel handwerkliche Aushilfstätigkeiten an und lieh Freund*innen sein Auto, die ihn im Gegenzug bei seinen Projekten unterstützten. »Gordon was popular because he had a truck, so he could help people carry things back and forth or get materials. And they would help him. Gordon was very social and energetic. He probably knew everybody in SoHo.« I-JC a, 00:04:14. Der Künstler Jared Bark, ebenfalls Klient von API, gründete neben seiner künstlerischen Tätigkeit ein Rahmenbau-Unternehmen, in der Hoffnung Kunst und ›Brotjob‹ zu vereinen. »As a young artist I thought I could sustain myself by framing without disrupting my studio work. In those early years my art activity and the framing business ran in parallel. […] I was among the first artists who joined Holly Solomon’s new gallery, which opened right down the block from my first SoHo loft. […] I sold some of the framing company shares to three other artists who were working for the company, and for the next decade I continued to put most of my energy into my studio and performance work. In the mid-80’s though, with a young family, my attention shifted to Bark Frameworks and I stopped showing at Holly Solomon.« Webseite: Bark Frameworks. A Message from Jed Bark. https://web.archive.org/web/20190620040219/http://barkframeworks.com/blog/-3 (Zugriff: 20.06.2019). Laurie Anderson arbeitete in den 1970er-Jahren für das Art Resources Center des Whitney Museum. Hinweis in: F. G. O.: Whitney Museum of American Art. Studio Program of the Art Resources Center. In: Newsom, Barbara Y./Silver, Adele Z. (Hrsg.): The Art Museum as Educator. Berkeley: U of California P 1978, S. 431–436. Das bereits erwähnte Res­taurant FOOD, das Matta-Clark mit Caroline (Carol) Gooden und anderen gründete, war nicht nur ein sozialer Treffpunkt, sondern auch eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für Künstler*innen, da die Gastronomie flexible Arbeitszeiten bot. »There was very little work around that would allow you to work just the amount you needed to and give you the freedom to go off and do a show.« Caroline Goodden, zitiert in: Brentano/Savitt 1981, S. ix.

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len Strukturen. Ab den frühen 1970er-Jahren entstanden Ausstellungsräume, Verlage und Galerien, von Künstler*innen für Künstler*innen.91 Die Geschichte dieser alternativen Kunsträume ist bereits gut erforscht.92 Einige der für Performance wichtigen Institutionen und ihre Gründer*innen und Entscheidungsträger*innen sollen nun in Kürze benannt werden, um ihre unterschiedlich gelagerte gatekeeper-Funktion sichtbar zu machen. 112 Greene Street (ab 1970) war ein Loft-Raum, den der Künstler Jeffrey Lew mietfrei anderen Künstler*innen für Ausstellungen und Projekte zur Verfügung stellte.93 Charakteristisch für diesen Ort war die demokratische beziehungsweise Laisserfaire-Haltung Lews bei der Programmgestaltung.94 Künstler*innen, die ihre Arbeit zeigen wollten, konnten sich in einen Kalender eintragen und den Raum nach ihren eigenen Vorstellungen nutzen und gestalten. Das Programm entwickelte sich also ›organisch‹ aus den bestehenden Kontakten und Netzwerken, es gab keine Kura­ tor*innen. The Kitchen (ab 1971) war zunächst ein Ort für die Produktion und Präsentation von Videokunst. Bald wurden aber auch Performances, Konzerte und Tanzaufführungen ins Programm aufgenommen. Hier wurde das Ausstellungs- und Eventprogramm von Kurator*innen zusammengestellt. Bemerkenswert ist, dass Live-Veranstaltungen dokumentiert und in ein Archiv eingespeist wurden, das zugleich eine Auswahl an Videokunstwerken enthielt. Dieses Archiv wurde in einem Showroom Interessierten zur Verfügung gestellt.95 Artists Space (ab 1972) wurde nicht von Künstler*innen, sondern von den Kunst­ wissenschaftler*innen Trudie Grace und Irving Sandler gegründet, die sich Committee for the Visual Arts Inc. nannten und deren Ziel es war, »ökonomische und professionelle Hürden für Künstler*innen zu senken und neue Kunst, insbesondere Performancekunst, zu zeigen.«96 Die Ausstellungsräume sollten vor allem Künstler*innen einen Ort bieten, denen institutionelle Unterstützung fehlte.97 Es gab eine Datenbank, in die Künstler*innen ihre Materialien einspeisen konnten und die allen Interessierten zur Recherche offenstand. Das Konzept sah zudem vor, dass die Auswahl der ausstellenden Künstler*innen nicht von Kurator*innen, sondern von etablierten 91 Zur Finanzierung alternativer Kunsträume s. S. 401 ff. u. Wallis, Brian: Public Funding and Alternative Spaces. In: Ault, Julie (Hrsg.): Alternative Art. New York 1965–1985. A Cultural Politics Book for the Social Text Collective. Nachdr. New York: Drawing Center 2009, S. 161–181. 92 Zu alternativen Kunsträumen Vgl. Larson, Kay: Rooms With a Point of View. In: Artnews, 76. Jg. 1977, H. 8, S. 32–38; Rosati, Lauren/Staniszewski, Mary A. (Hrsg.): Alternative Histories. New York Art Spaces, 1960 to 2010. Cambridge: MIT 2012; Ault, Julie: A Chronology of Selected Alternative Structures, Spaces, Artists’ Groups, and Organizations in New York City, 1965–85. In: Ault [Alternative Art] 2009, S. 17–76; The New Museum (Hrsg.): Alternatives in Retrospect. An Historical Overview 1969–1975. Ausst. Kat. New York, The New Museum. New York 1981. 93 Alan Saret und Jennifer Bartlett unterstützten ihn dabei. Gordon Matta-Clark gehörte zu den engsten Freunden Lews und stellte besonders häufig in 112 Greene aus. S. Brentano/Savitt 1981, S. viii. 94 Für eine Beschreibung des Ortes und der Auswahlprozesse s. Brentano/Savitt 1981, S. vii. 95 Anderson-Spivy/Archer 1979, S. 65. 96 »[T]o diminish the economic and professional hurdles faced by artists and to exhibit new art and performance work.« Ebd., S. 61. Über Artists Space: Grace, Trudie: Artists Space. In: Art Journal, 34. Jg. 1975, Nr. 4, S. 323–326. 97 Vgl. Anderson-Spivy/Archer 1979, S. 61.

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Künstler*innen getroffen werden sollte. So schlug zum Beispiel Vito Acconci Laurie Anderson vor, die dort einen ihrer ersten größeren Auftritte hatte. Der Clocktower (ab 1972), ein unkonventioneller Ausstellungsraum im Dachgeschoss eines Bürogebäudes unter einem ›verlassenen‹ Uhrenturm im angrenzenden Stadtteil Tribeca, war eines von vielen Projekten der umtriebigen Kulturmanagerin Alanna Heiss. Sie war auch Gründerin der Foundation of Art and Urban Resources Inc., die leerstehende Gebäude an Künstler*innen vermittelte, und den Project Studios One (P.S.1), einem Künstler*innen-Residenz-Projekt in Queens, heute MoMA P.S.1.98 Heiss beschäftigte in diesen Institutionen Mitarbeiter*innen, war aber auch selbst für die Programmgestaltung zuständig. Das Publikum dieser alternativen Kunsträume konnte zwar zahlreich sein, bestand aber aus einem relativ engen Zirkel von Künstler*innen und ihren Bekannten. René Block spricht deshalb von »Individuen, die […] weniger für Publikum als für­ einander arbeiten, für die ›Art-Community SoHo‹«.99 Jane Crawford bestätigte das und verwies auf die Problematik, dass Auftritte in alternativen Kunsträumen nicht mit Auftritten in etablierten Institutionen gleichzusetzten waren: »They might have performances or shows at 112 Greene Street but that didn’t count because that was their back yard sort of.«100 Wie John Howell und Cee S. Brown betrachtete auch Crawford die alternativen Ausstellungsorte als eine in sich geschlossene Parallelwelt, mit unzureichenden Verbindungen zur institutionalisierten Kunstwelt und einem breiteren Publikum. »People like Gordon [Matta-Clark] realized: Well it’s great I’m doing this piece. I really like it. But if nobody sees it, what’s the point?«101 Auf die Frage, warum viele Künst­ ler*innen trotz institutionskritischer Haltung in etablierten Institutionen auftreten wollten, antwortete Crawford: It was so spotty that they would get money because nobody was really inter­ ested who had money. So they were just thrilled to be able to do their performances, to show their art. That’s what they wanted mostly: for people to see their work.102 Wie groß die Ambitionen und der Wunsch, ein großes Publikum zu erreichen, sein konnten, zeigt die bekannte Anekdote um den Theatermacher Robert Wilson, der sich gemeinsam mit dem Komponisten Philip Glass hoch verschuldete, um im November 1976 die Metropolitan Opera für die US-Premiere ihrer Oper Einstein on the Beach zu mieten, die dann auch ein Publikumserfolg wurde.103 98 Zu den Projekten von Alanna Heiss: Rosati/Staniszewski 2012, S. 144–145 u. 174–175 und Anderson-Spivy/Archer 1979, S. 64–65. 99 Block, René [Planquadrat SoHo] 1976, S. 16–18. 100 I-JC a, 00:43:49. 101 Ebd., 01:15:28. 102 I-JC b, 01:06:38. 103 Sie mieteten die Oper an zwei aufeinanderfolgenden Sonntagen. Beide Veranstaltungen waren ausverkauft, doch blieben 150 000 USD Schulden. Vgl. Shevtsova, Maria: Robert Wilson. London: Routledge 2007, S. 84–85.

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Crawford sah sich vor diesem Hintergrund mit einer paradoxen Situation konfrontiert: »They [die Künstler*innen] were on the covers of all the art magazines, but museums and galleries didn’t know what to do with them – because they weren’t producing things that could hang on the wall or sit on a pedestal«.104 Es war in ihren Augen ein »awkward moment in the art world«.105 Mit API wollte sie dazu beitragen, diese fehlende Verbindung zwischen Künstler*innen und Institutionen herzustellen. Die große Zahl an Künstler*innen, die sie für ihr Projekt gewinnen konnte, bestätigt, dass hier Bedarf bestand. Auf die Frage, ob auch Künstler*innen ihr Angebot aus­ geschlagen hätten, erklärte Crawford: »By the time I was involved they were very hungry. No one was buying their work.«106 Performance in kommerziellen Galerien Einleitend kam bereits zur Sprache, dass das Verhältnis zwischen Performer*innen, ihrer Kunst und dem Sektor kommerzieller Galerien in der Literatur bislang widersprüchlich beurteilt wurde. Zur Erinnerung: Laut RoseLee Goldberg nahm ab den frühen 1970er-Jahren unter (Performance-)Künstler*innen die Akzeptanz von Gale­ rien zu: »The institution of the gallery, once rejected for its exploitation of artists, was reinstated as a convenient outlet.«107 Kristine Stiles behauptet das Gegenteil. Cee S. Brown und auch Jane Crawford bemängeln eine fehlende Unterstützung von Performer*innen durch Galerien. Dem wiederum widersprechen die Thesen John Howells, der ein zunehmendes Interesse des Marktes an Performancekunst feststellt: The art broker’s interest of course is yet another sign of the volume of performance action and its aesthetic status, both of which are unprecedentedly high. The bottom line is to make some financial meaning out of the association; never has the climate so favored that possibility and therefore completed the sense of a new truth: performances mean business.108 Sharon Zukin verweist auf eine symbiotische Beziehung zwischen Kunst (nicht nur Performance) und Galerien in SoHo: »Where artists innovated, their dealers were not loath to follow, and the style of the galleries varied with that of the artists.«109 Zukin zufolge dauerte es nur wenige Jahre, bis Galerien den Künstler*innen nach SoHo folgten. Bereits die erste Galerie in SoHo, die 1968 eröffnete Paula Cooper Gallery, wurde zu einem Hotspot für Performance.110 In Bystryns gatekeeper-Modell wäre Cooper eine Galeristin des ersten Typs. Sie adaptierte in ihren Verkaufsräumen die rohe Loft-Ästhetik der Ateliers und alternativen Kunsträume von SoHo. Sie

104 I-JC a, 00:02:07. 105 Ebd., 00:02:20. 106 Ebd., 01:14:06. 107 Goldberg 1979, S. 99. 108 Howell 1977, S. 28. 109 Zukin 2014, S. 91. 110 Paula Cooper Gallery, 96 Prince Street, NYC.

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pflegte enge Kontakte zu ihren Künstler*innen und war politisch engagiert.111 Performancveranstaltungen entwickelten sich scheinbar organisch aus dieser Atmosphäre heraus.112 Cooper überließ ihren Galerieraum an Künstler*innen für Konzerte, Tanz­ aufführungen und Performanceevents.113 Ihre Motivation begründete sie später mit dem Raumbedarf vieler Künstler*innen: »I have this space and performers needed space.«114 Performances standen hier nicht zwangsläufig im Zusammenhang mit dem sonstigen Ausstellungprogramm, das eher auf Gruppenausstellungen von Post-Minimal Künstler*innen konzentriert war. Es waren auch keine vordergründig kommerziellen Veranstaltungen, doch erhob Cooper ein geringes Eintrittsgeld, um ihre Kosten zu decken.115 Die Kunstsammler*innen Holly und Horace Solomon boten ab 1969 (und bis 1973) Raum für Performances in ihrem nicht-kommerziellen Kunstraum 98 Greene Street.116 1975 eröffneten sie die Holly Solomon Gallery am 392 West Broadway. Zu den Künstler*innen der Galerie gehörten Laurie Anderson, Jared Bark, Tina Girouard, Robert Kushner, Gordon Matta-Clark und William Wegman, die alle auch mit Jane Crawford zusammenarbeiteten. Auch Holly Solomon begründete ihre Motivation, eine Galerie zu gründen, mit Fürsorge: »[W]eil die Leute, die mich interessieren, keine Galerie hatten, oder unzufrieden waren und ich glaubte, ich wäre die beste für sie. Ich fühlte, dass diese Generation eine Galerie brauchte.«117 Der eigentliche

111 Coopers Eröffnungsausstellung war eine Protestausstellung gegen den Vietnamkrieg. Eine solche politische Positionierung dürfte für ihre Akzeptanz als Galeristin in diesem speziellen Umfeld entscheidend gewesen sein. Cooper arbeitete zuvor für die künstler*innengeführte Park Place Gallery, aus der auch die kommerzielle Galerie von John Gibson hervorging. Zur Park Place Gallery s. Rachleff, Melissa/Gumpert, Lynn et al. (Hrsg.): Inventing Downtown. Artist-Run Galleries in New York City, 1952–1965. Ausst. Kat. New York, Grey Art Gallery and Study Center. München, London, New York: Prestel 2017, S. 146–159. 112 »Usually an artist or two can be found hanging out in the back room […] the ambiance of Paula Cooper is nicely rough around the edges.« Anderson-Spivy/Archer 1979, S. 34. 113 Einige der Performer*innen, mit denen Cooper nach eigenen Angaben zusammenarbeitete, waren Tänzer*innen wie Yvonne Rainer, Trisha Brown oder Deborah Hay; Musiker*innen wie Philip Glass, Pauline Oliveros, Alvin Lucier oder John Cage sowie einige Performancekünstler*innen, darunter Vito Acconci, Dan Graham und die Off-Broadway-The­ atergruppe Mabou Mines. S. Cooper, Paula: Essay. [Foundation for Contemporary Arts’ 2010 Grants Booklet]. OnlinePublikation.  https://web.archive.org/web/20160408094655/http://www.foundationforcontemporaryarts.org/about/ essays-on-contemporary-art/paula-cooper-essay-2010 (Zugriff: 11.09.2019). Beispiele für Veranstaltungen sind: Spring Gallery, eine dreitägige von Künstler*innen organisierte Veranstaltung im Mai 1969 mit Arbeiten von Marjorie Strider, Tom Gormley, Hannah Weiner und Deborah Hay (letztere mit Beteiligung von Jared Bark u. A.); Coulisse, kuratiert von Dan Graham, am 13. Juni 1969, mit einer Performance/Lesung von Vito Acconci, Filmen von Bruce Nauman, Yvonne Rainer und Richard Serra und einer Sound-Arbeit von Dennis Oppenheim. Zu letzterer Veranstaltung: Iles, Chrissie: You Are the Information. Dan Graham and Performance. In: Simpson, Bennett/Anastas, Rhea/Gordon, Kim (Hrsg.): Dan Graham. Beyond. Cambridge: MIT 2009, S. 54–56, hier S. 55. Am 2. Juni 1972 fand ein Auftritt der Mabou Mines bei Paula Cooper statt, mit Musik von Philip Glass. 114 Paula Cooper, zitiert in: Shkuda 2016, S. 126. 115 S. Ebd., S. 127–128. 116 Zu 98 Greene Street: The New Museum 1981, S. 28–33. Gordon Matta-Clark gilt als Initiator von 98 Greene Street. S. Rosati/Staniszewski 2012, S. 122. Holly Solomon war Schauspielerin und umgab sich gerne mit Künstler*innen. Sie inszenierte in diesem Rahmen auch eigene Theaterproduktionen. Zu den Performances im Kunstraum gehörten unter anderem Auftritte von Dennis Oppenheim und Robert Kushner. Zu Kushner: Kushner, Robert/Anderson-Spivy, Alexandra (Hrsg.): Robert Kushner, Gardens of Earthly Delight. New York: Hudson Hills 1997, S. 28. 117 Bei den Solomons gab es eine enge Verschränkung von Sammlungstätigkeit und Galeriearbeit. In einem Interview gab Holly Solomon 1976 zu Protokoll, dass sie nur Künstler*innen im Programm habe, die auch in ihrer Sammlung seien.

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Schwerpunkt des Galerieprogramms lag auch hier nicht auf Live-Performances, sondern auf Malerei, insbesondere des sogenannten Pattern and Decoration Movement. Im oben genannten SoHo-Führer wird die Galerie dennoch als »stronghold for narrative art« bezeichnet, mit dem Hinweis: »Special performances are regularly scheduled«.118 Ein Beispiel für eine solche Performance, die zugleich besonders öffentlichkeitswirksam war, ist eine Inszenierung der Tänzerin und Choreografin Mary Overlie, die 1977 zu drei Terminen die beiden Galerieschaufenster mit den Tanzperformances Window Pieces, Glassed Imaginations und Glassed imagination II bespielte.119 Dabei agierten bis zu fünf Tänzer*innen auf dem sehr begrenzten Raum hinter dem Glas. Der Kontext ließ sie zu tanzenden Schaufensterpuppen werden, die Anlass gaben, über das Medium Tanz und über Fragen des Körpers als Kunstereignis und Ware zu reflektieren. Holly Solomon zeigte in ihrer Gallerie aber auch Ausstellungen mit performancebezogenen Objekten, zum Beispiel 1976 Laurie Andersons Viophonograph (eine der elektrischen Geigen der Künstlerin) oder Kostüme von Robert Kushner.120 Eine andere Ausstellung Laurie Andersons im Jahr 1977 trug den Titel Juke Box und war partizipativ angelegt. Galeriebesucher*innen konnten in einer Jukebox zwischenSongs wählen, die Anderson für die Ausstellung eingespielt hatte.121 1971 zogen mit Leo Castelli, Ileana Sonnabend, John Weber und André Emmerich vier etablierte Galerist*innen nach SoHo und eröffneten ein gemeinsames Ga­ leriehaus am 420 West Broadway.122 Da Castelli einer der mächtigsten Galerist*innen für zeitgenössische US-amerikanische Kunst war, rückte SoHo nun für eine inter­ nationale Kunstöffentlichkeit ins Zentrum der Aufmerksamkeit.123 Zur Eröffnung

Lippert, Werner: New Yorker Szene? In: Heute Kunst – Internationale Kunstzeitschrift 1976, H. 16, S. 6–9, hier S. 7. Der Autor erlaubt sich dort die Bemerkung: »es ist garnicht [sic] so unüblich, dass Galerien aus Steuersparnisgründen [sic] eröffnet werden, obwohl wir das nicht unterstellen wollen…..), zumal die Gründung der Galerie mit der Ölkrise zusammenfiel.« Ebd. 118 Anderson-Spivy /Archer 1979, S. 45. 119 Der Auftritt ging auf Overlies eigene Initiative zurück. Dazu: Sommer, Sally R.: Mary Overlie. I Was a Wild Indian Who Happened to Dance. In: The Drama Review, 24. Jg. 1980, H. 4, S. 45–58, hier S. 50–51. Ein Video der Window Pieces, performt von Mary Overlie, Wendell Beavers und David Warrilow ist: Video: Mary Overlie’s Archive: Window Pieces. 1977. S/W, Ton, 01:38:53. Online: https://web.archive.org/web/20201219194508if_/https://vimeo.com/265398620 (Zugriff: 19.12.2020). 120 S. Howell 1977, S. 28. 121 Ebd. und Anderson 1994, S. 56–61. Die Ausstellung fand im Februar 1977 statt. Rezension zur Ausstellung: Johnson, Tom: Laurie Anderson at the Holly Solomon Gallery. February 28, 1977. In: Ders. (Hrsg.): The Voice of New Music. New York City 1972–1982. A Collection of Articles Originally Published in the Village Voice. Eindhoven: Het Apollohuis 1989, S. 270–273. Johnson schreibt, die Songs seien professionell produziert, doch wirke die Ausstellung wie ein »publicity stunt«. Ebd., S. 272. 122 Ein Artikel in der New York Times diskutiert diesen Schritt der Galerien und zitiert André Emmerich: »The people who make reputations will certainly see SoHo—in fact they live there. And the real collectors would rather go to SoHo than up town—it’s more fun and close to the source. So we’ll get the people who matter most.« Glueck, Grace: 4 Uptown Art Dealers Set Up in SoHo. In: New York Times, 27.09.1971. 123 »[His] unique status as the ultimate art insider […] his fame and his imprimatur […] attracted intense media attention to the artists’ subculture south of Houston.« Cohen-Solal, Annie/Polizzotti, Mark: Leo and His Circle. The Life of Leo Castelli. New York: Knopf 2010, S. 391.

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des Galeriehauses, so heißt es, kamen tausende Menschen.124 Im Gedächtnis blieb die Veranstaltung vor allem wegen der Eröffnungs-Performance von Gilbert & George, die sich in der Sonnabend Gallery vier Stunden lang als singende Skulpturen auf einem Sockel ausstellen ließen.125 Ein Jahr später, ebenfalls bei Sonnabend, realisierte Vito Acconci drei seiner bekanntesten Performances: Supply Room, Transference Zone und Seedbed (alle 1972).126 Besonders letztere Arbeit, für die der Künstler unter einer begehbaren Holzrampe lag und masturbierte, während er dem Publikum über Lautsprecher seine intimen Fantasien mitteilte, gehört heute fest zum Kanon der Performancegeschichte. Zwei weitere Performances in der Galerie inszenierte Jannis Kounellis. Die erste, Da inventare sul posto (1972), war eine frühe Form delegierter Performance, während der ein Violinist und eine Ballerina vor einem Gemälde mit Noten darauf auftraten und diese interpretieren.127 Für die zweite Performance (1975, ohne Titel) saß Kounellis an mehreren Samstagen mit einer Maske vor dem Gesicht auf einem lebenden Pferd in der Galerie.128 Leo Castelli, der stets mehrere Galerie- und Projekträume mit unterschiedlichen inhaltlichen Schwerpunkten unterhielt, konzentrierte sich in seiner Dependance in SoHo auf Post-Minimal sowie Video- und Filmkunst.129 Viele ›seiner‹ Künstler*innen, darunter Bruce Nauman, Richard Serra, Robert Morris, Joan Jonas, Richard Landry oder Robert Rauschenberg, arbeiteten in mehreren Medien und manchmal auch performativ.130 Es überrascht also nicht, dass auch in Castellis Downtown-Standort regelmäßig Live-Veranstaltungen stattfanden. Joan Jonas zeigte dort zum Beispiel 1973 ihre Performance Organic Honey’s Vertical Roll. Poppy Johnson trat 1976 in einer mehrtätigen Performance auf, während der sie die Rolle einer Galerieassistentin einnahm und den ganzen Tag an einer Schreibmaschine in der Galerie saß und tippte.131 Des Weiteren fanden in der Galerie Konzerte statt, unter anderem von Philip Glass oder John Cage. 1978 zeigte Castelli eine Benefizausstellung für deren Foundation

124 Zur Eröffnung am 25. September 1971 s. Cohen-Solal/Polizzotti 2010, S. 386. 125 Sie sangen den Song Underneath the Arches. Die Ausstellung hieß The General Jungle or Carrying on Sculpting und zeigte mehrere wandfüllende Kohlezeichnungen der Künstler. Zu Sonnabend s. Temkin, Ann/Lehmann, Claire (Hrsg.): Ileana Sonnabend. Ambassador for the New. Ausst. Kat. New York, The Museum of Modern Art. New York 2013. 126 Zu den Performances von Vito Acconci bis 1973 s. Volk, Gregory (Hrsg.): Vito Acconci. Diary of a Body 1969–1973. Mailand: Charta 2006. 127 Die Arbeit wurde im selben Jahr auch auf der documenta 5 gezeigt. 128 Vor einer gelb gestrichenen Wand. »It’s not great, but it’s not bad for a Saturday afternoon in SoHo« schreibt die Kritikerin Roberta Smith über die Arbeit. Smith, Roberta: Jannis Kounellis. Sonnabend Gallery. In: Artforum, 14. Jg. 1975, H. 1, S. 73. 129 Castelli unterhielt zuvor das Castelli Warehouse, wo er die ›rauhe‹ Post-Minimal-Kunst von Richard Serra und anderen ausstellte. 130 Cohen-Solal/Polizzotti 2010, S. 366. 131 Poppy Johnson, 11.–18.12.1976. Der Artforum-Rezensent Ross Skoggard schreibt: »For the week of her performance the paintings by Stella, Warhol, Noland, Lichtenstein and Rosenquist and the sculptures by Oldenburg and Chamberlain in the front gallery seemed like props which defined Poppy Johnson’s taped and video-monitored typings in the back gallery in dialectical counterpoise. In the name, it seemed, of her gallery secretary sisters whose typing is usually regarded by the gallery-goer as an intrusion on esthetic meditations, Johnson presented a piece that delivered the flow of a female sensibility to the art audience, ›still hot and steaming.‹« Skoggard, Ross: Poppy Johnson. Leo Castelli Gallery Downtown. In: Artforum, 15. Jg. 1977, H. 7, S. 73–74.

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for Contemporary Performance Arts, Inc.132 sowie die Ausstellung Around and About Merce Cunningham mit Fotografien von James Klosty.133 In Bystryns gatekeeper-Modell wäre Castellis Galerie am oberen Ende des Spek­ trums anzusiedeln. Castelli arbeitete vor allem mit etablierten Künstler*innen und hatte beste Kontakte zu großen Museen. Er war maßgeblich an frühen Prozesskunstausstellungen beteiligt134 und seine Klient*innen, darunter Bruce Nauman, Richard Serra oder Joan Jonas, hatten im Museumskontext früh Erfolg. Castellis wichtigster Beitrag zur Entwicklung der Performancekunst war vermutlich sein Engagement für das Medium Video. Er stellte Künstler*innen die damals teure technische Ausrüstung für die Videoproduktion zur Verfügung.135 Viele der frühen Videoperformances, zum Beispiel diejenigen von Bruce Nauman, wären ohne Castellis Unterstützung wahrscheinlich nicht entstanden. Gemeinsam mit Ileana Sonnabend betrieb Castelli außerdem ab 1974 die bereits im Zusammenhang mit der Ausstellung Bodyworks genannte Agentur Castelli-Sonnabend Tapes and Films. Sie bot einen umfangreichen Katalog an Videotapes der Künstler*innen beider Galerien zum Verleih und Verkauf an.136 In Bezug auf die internationale Vernetzung des Kunstmarktes ist relevant, dass sich nun auch ausländische Galerist*innen in SoHo niederließen, darunter die beiden Deutschen Reinhard Onnasch (ab 1973) und René Block (ab 1974). Letzterer eröffnete seine New Yorker Dependance mit einem Live-Event: der Beuys-Aktion I like America and America likes Me.137 Weitere Performances bei Block waren Auf-

132 Ausstellungsdaten: 29.11.–13.12.1980. Liste der Benefizausstellungen für diese Stiftung auf: Webseite: Foundation for Contemporary Arts. Über die Institution. https://web.archive.org/web/20200929173704/https://www.foundationfor contemporaryarts.org/about (Zugriff: 29.09.2020). 133 Ausstellungsdaten: 19.04.–02.05.1975; Weitere Performances bei Castelli: Joan Jonas, 04.–06.01.1973; Philip Glass, 13.05.1972 u. 21.11.1974; Richard Landry, 06.1974 (Performance im Rahmen einer Fotografie-Ausstellung des Künstlers). Daten auf: Webseite: Leo Castelli Gallery. Performances 1971–1999. https://web.archive.org/web/20200129115938/ https://www.castelligallery.com/performances/past/420-west-broadway-1971-1999 (Zugriff: 09.05.2019). 134 Castelli war zum Beispiel eine treibende Kraft hinter Harald Szeemanns Ausstellung When Attitudes Become Form, 1969 in der Kunsthalle Bern. S. Alloway, Lawrence: SoHo as Bohemia. In: Block [New York – Downtown] 1976, S. 143– 149, hier S. 145. Er war auch an Bruce Naumans erster Ausstellung im Whitney Museum beteiligt. 135 Dies berichtet Bruce Nauman in einem Interview. Nauman, Bruce/Butterfield, Jan: The Center of Yourself [1975]. In: Nauman, Bruce/Kraynak, Janet (Hrsg.): Please Pay Attention Please. Bruce Nauman’s Words Writings and Interviews. Cambridge, US, London, UK: MIT 2005, S. 173–182, hier S. 173. 136 Castelli-Sonnabend Videotapes and Films war zwischen 1972 und 1985 aktiv und wurde dann wegen zu geringen Absatzes eingestellt. Das Unternehmen kümmerte sich nicht nur um den Vertrieb, sondern auch um Rechtefragen. Dazu: O. A.: Castelli-Sonnabend Tapes and Films, Inc. In: Art Rite 1974, H. 7, S. 21; Balsom, Erika: After Uniqueness. A History of Film and Video Art in Circulation. New York: Columbia U P 2017, S. 146 ff. und Horowitz, Noah: Art of the Deal. Contemporary Art in a Global Financial Market. Princeton: Princeton U P 2014, S. 35–36. Eine zweite, ähnliche Initiative war The Video Distribution, Inc. von Robert Stefanotty und Anna Canepa. Dazu: Canepa, Anna: Love Affair. In: Art Rite, 1974, H. 7, S. 19; Stefanotty, Robert: Kissing the Unique Object Good-Bye. In: Ebd., S. 18–19. Darüber hinaus gab es einige Agenturen, die Videoausrüstung verliehen und alternative Präsentations- und Distributionsmodelle, wie die von Electronic Arts Intermix oder der Film-Makers’ Cooperative. 137 Beuys verbrachte für diese Aktion drei Tage mit einem Kojoten in einem durch einen Zaun abgetrennten Bereich in der Galerie am 409 West Broadway. Die Aktion begann zwei Tage später als ursprünglich geplant. Beuys verließ den Käfig über Nacht. Für Details s. Schneede, Uwe M.: I Like America and America Likes Me. In: Schneede, Uwe M./Beuys, Joseph (Hrsg.): Joseph Beuys. Die Aktionen. Kommentiertes Werkverzeichnis mit fotografischen Dokumentationen. Ostfildern: Hatje Cantz 1994, S. 330–340.

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tritte US-amerikanischer Fluxuskünstler*innen, darunter Alison Knowles oder Ray Johnson.138 Auch in der Galerie von Reinhard Onnasch, die nur zwei Jahre (von 1973 bis 1975) bestand, fanden Performances statt.139 Die Direktorin der Galerie, Hildegard Lutze (zuvor Lutze-Froese, sie nannte sich Lutze), die damals eine in der Downtown-Szene bekannte und sehr gut vernetzte Persönlichkeit war (sie war unter anderem gut mit Gordon Matta-Clark und Jane Crawford bekannt), organisierte eine Reihe an Live-Events, um Publikum in die Galerie zu locken. Dafür gewann sie, neben den Fluxuskünstlern Ray Johnson, Al Hansen und Robert Watts auch Jack Smith und Ralston Farina, J. Hobernman zufolge »the two least commercial not-yet-performance artists in town«.140 Jack Smith zeigte eine Diaschau-Performance und kommentierte den kommerziellen Galerie-Kontext, indem er Toastbrotscheiben, die mit Hakenkreuzen und Herzen bemalt waren, für je fünf Dollar an das Publikum verkaufte.141 Damit thematisierte er, in der für ihn typischen überzeichneten Ästhetik, den Zusammenhang von Kunst und Brot, die deutsche Herkunft der Galerie und Wertschöpfungsprozesse im ›totalitären‹ Kunstmarkt. Ralston Farina zeigte eine seiner Time//Time Performances. Das waren halbstündige kleine Spektakel zwischen Stand-up Comedy und TV-Show.142 Ein Beispiel für diese Performances wird im Zusammenhang mit der documenta 6 noch einmal zur Sprache kommen. Ein erwähnenswerter Sonderfall ist schließlich die Galerie von Ronald Feldman, die erst in den 1980er-Jahren nach SoHo zog.143 Feldman zeigte 1975 in seinen ursprünglichen Räumen Uptown Chris Burdens endurance-Performance White Light/ White Heat (1975).144 Auf der Art Basel 1976 präsentierte er Burdens kunstmarkt­ kritische Performance Kunst Kick, bei der sich Burden von einem Komplizen mit Fußtritten eine Treppe hinunterstoßen ließ und damit mehr oder weniger subtil auf den Umgang von Markt und Kunstsystem mit Künstler*innen anspielte.145 Ebenfalls

138 Alison Knowles am 14.06.1974; Ray Johnson am 21.09.1974. Ausstellungschronologie in: Babias, Marius/Eusterschulte, Birgit/Rollig, Stella (Hrsg.): René Block. Ich kenne kein Weekend. Ausstellungsprojekte, Texte und Dokumente seit 1964. Ausst. Kat. Berlin, Neuer Berliner Kunstverein. Köln: König 2015, S. 469–475. 139 Eine exzellente Chronik der Galerie: Tosin, Gesine (Hrsg.): 139 Spring Street, NYC 1973–1975. The Onnasch Galerie, 561 Days in SoHo. Ausst. Kat. Madrid, Museo Nacional Centro de Arte Reina Sofia. Madrid 2014. Bei Onnasch fand auch die erste Einzelausstellung von Gerhard Richter in den USA statt. 140 Hoberman, J.: I Remember Ralston: The Art of Ralston Farina. In: Artforum, 52. Jg. 2013, H. 2, S. 240–245. Online: https:// web.archive.org/web/20210120112945/https://www.artforum.com/print/201308/i-remember-ralston-the-art-ofralston-farina-43116 (Zugriff: 20.01.2021). Ray Johnson: A Buddha University Meeting, 19.01.1974; Al Hansen: Gaga Art Flux-Fest, 08.02.1974 und Robert Watts: Fluxyear/Gemini/74/Part 1, 15.02.1974. Vgl. entsprechende Kapitel in: Tosin 2014. 141 Jack Smith: A Boiled Lobster Sunset Slide-Show, 25.01.1974. 142 Ralston Farina: Time//Time, 01.02.1974. Ralston Farina, mit bürgerlichem Namen Steven Robert Snyder (1946–1985), thematisierte die Anziehungskraft von Kunstmarkt und Galeriewesen in seiner Performance I Had a Dream That Leo [Castelli] Asked Me To Do a Show, 1976 in 112 Greene Street. Dazu: Brentano/Savitt 1981, S. 192 und Hoberman 2013. 143 Ronald Feldman Gallery, 33 East 74th Street, NY, gegründet 1971. Feldman vertritt heute auch Mierle Laderman Ukeles. 144 Ausstellungsdaten: 08.02–01.03.1975, Ronald Feldman Gallery, New York, NY. Beschreibung in: Hoffman, Fred (Hrsg.): Chris Burden. London: Thames & Hudson 2007, S. 60–62. 145 Performance am 19.06.1976, Art Basel.

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1976 fand bei Feldman die Ausstellung Relics statt, mit Relikten (beziehungsweise Reliquien) aus vergangenen Performances Burdens.146 Einige Galerist*innen traten auch als Produzent*innen auf, indem sie Performances sponserten oder bewarben, die außerhalb ihrer Galerieräume stattfanden. John Gibson, dessen Galerie zwischen 1974 und 1984 in SoHo lokalisiert war, sponserte 1971 eine Veranstaltung mit dem Titel Body im Loeb Student Center der New York University, unter anderem mit Vito Acconci und Dennis Oppenheim. Seine Galerie ist auch deshalb ein interessanter Fall, da sie auf die Vermittlung von Großprojekten für den öffentlichen Raum spezialisiert war, zum Beispiel Verhüllungen von Christo oder Land Art Projekte von Dennis Oppenheim, die eine prozessual-performative Qualität besaßen.147 Die John Weber Gallery sponserte 1975 Daniel Burens Seven Ballets, bei dem sieben Personen, darunter Peter Frank, mit den charakteristisch gestreiften Bildwerken Burens als kleine Demonstration durch SoHo zogen.148 Eine umfassendere Untersuchung zu Performance in Galerien der 1970er-Jahre muss an dieser Stelle Forschungsdesiderat bleiben. Die wenigen genannten Beispiele machen jedoch deutlich, dass kommerzielle Galerien ein wichtiger Teil der Kunstszene von SoHo waren und dass Performance dort durchaus eine Rolle spielte. Die Anliegen, die sich seitens der Galerist*innen mit der Präsentation von Performances verbanden, konnten dabei sehr unterschiedlich sein, wie Zeit­zeug*innen bestätigen. »Most galleries would feel compelled to present the performed work of an artist who was also producing works that could be sold«, bemerkt Peter Frank.149 Der Künstler Jean Dupuy stellt fest: »Some galleries have sponsored performances. But only some, and with a great deal of trouble, and only to be au courant.«150 Vito Acconci hingegen betont das Marketing-Potenzial, das Performance für Galerien bereithielt: On the one hand, performance imposed the unsaleable onto the store that the gallery is. On the other hand, performance built that store up and confirmed the market-system: it increased the gallery’s sales by acting as window-dressing and by providing publicity. 151 Mary Overlies Inszenierung im Schaufenster der Holly Solomon Gallery, ein Vorschlag der Künstlerin selbst wohlgemerkt, verdeutlicht als lebendiges window dress­ ing diese Ambivalenz vom Körper als Ware, dem desire to show und der willingness to watch. Skulpturale Performances, wie die von Gilbert & George oder auch Jannis

146 Ausstellungsdaten: 01.05.–05.06.1976 bei Ronald Feldman, anschließend in der Broxton Gallery, Los Angeles. 147 Bevor er nach SoHo zog, hatte Gibson ab 1968 einen kleinen Verkaufsraum Uptown, John Gibson Gallery – Projects for Commissions, von wo aus er zu realisierende Projekte, vor allem der Land Art vertrieb. Dazu: Constable, Rosalind: The New Art. Big Ideas for Sale. In: New York, 2. Jg. 1969, H. 10, S. 46–49. 148 Tosin, Gesine: Interview with Peter Frank, April 17, 2013. In: Tosin [139 Spring Street] 2014, S. 84–87, hier S. 86. 149 Ebd. 150 Dupuy, Jean/Howell, John: Jean Dupuy talks with John Howell. In: Dupuy, Jean (Hrsg.): Collective Consciousness. Art Performances in the Seventies. New York: PAJ Publications 1980, S. 5–10, hier S. 9. 151 Acconci 2001, S. 354.

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Kounellis bei Ileana Sonnabend, ließen sich gut in ein ansonsten objektorientiertes Galerieprogramm integrieren. Sie sorgten für eine besondere Atmosphäre bei Eröffnungen oder auch, im Falle von Kounellis zu Pferd, für eine Attraktion an Samstagnachmittagen, an denen das kunstinteressierte Publikum bevorzugt durch die Gale­ rien von SoHo streifte. Acconcis Performances trugen wiederum dazu bei, das avantgardistische Profil der Galerie zu schärfen und vielleicht auch einen medienwirk­ samen Skandal zu provozieren.152 Live-Performances waren für Galerien also in erster Linie dazu da, Aufmerksamkeit zu generieren. Sie zielten nicht auf die (meist sehr geringe) Kaufkraft des künstlerischen oder touristischen Publikums, sondern darauf, der Galerie ein belebtes Image zu verleihen und Presse zu generieren, was dann wiederum die tatsächlichen Verkäufe ankurbeln konnte. [P]ublic exhibitions can create within the art community a foundation of posi­ tive gossip that eventually persuades genuine collectors to purchase. Favorable reviews become more influential when a museum curator needs to justify an acquisition to a boss or a board, otherwise ignorant, who is necessarily impressed by a printed recommendation.153 Einige der genannten Galerien, insbesondere die Ronald Feldman Gallery, suchten aber durchaus nach Wegen, Performance zu verkaufen, meist in Form von Editionen oder Relikten. In allen Fällen wurde Performance entweder als Live-Kunstwerk gezeigt oder in ›gefrorener‹ Form distribuiert. Für Galerien, deren Klientel zuvorderst Sammler*innen waren, war die Distribution von Live-Performance, wie sie durch API erfolgte, zweitrangig. Damit erklärt sich, weshalb Crawford den Eindruck hatte, Galerien unterstützten Performance nicht. Performance in ein Museum zu vermitteln war für Galerien höchstens interessant, um die Reputation eines Künstlers oder einer Künstlerin zu steigern, die ja fast nie ausschließlich Performer*innen waren, sondern immer auch ›herkömmliche‹ Kunstwerke schufen, die verkauft werden konnten.

The Foundation of Art Performances and Project Inc. Jane Crawford gründete API im Sommer 1976. Ihr Ziel war es, die von ihr wahr­ genommene Distributionslücke für Solo-Künstler*innen zu schließen. Die ersten Kli­ent*in­nen warb sie aus ihrem unmittelbaren Umfeld an – »It started out as family«.154 152 Vito Acconci schreibt, dass Sonnabend auf der Suche nach radikal neuen Positionen war und durch die Empfehlung der Fotografen Harry Shunk und János Kender auf ihn aufmerksam geworden sei. Acconci, Vito: SHE/HER/HERS. In: Temkin/Lehmann 2013, S. 103. 153 Kostelanetz 2003, S. 66. 154 I-JC a, 00:47:16.

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Einige Künstler*innen hatte sie bereits über die Galeriearbeit kennengelernt (Allan Kaprow und Dennis Oppenheim), andere durch die Performancereihe im Whitney Museum (Julia Heyward und Jared Bark) und wieder andere durch das persönliche Netzwerk Gordon Matta-Clarks (Tina Girouard und Chris Burden). In den folgenden Monaten erweiterte sich ihr Portfolio sukzessive über Mund-zu-Mund-Propaganda und durch ihre Korrespondenz mit Institutionen im In- und Ausland.155 API war ein Ein-Frau-Unternehmen, das Crawford ohne jegliches Kapital grün­ dete. Ihr (immaterielles) Kapital waren ihre Kontakte und ihr Insiderwissen. Es war finanziell für sie von Vorteil, dass sie, im Gegensatz zu einer herkömmlichen Galerie, keine Verkaufs- oder Ausstellungsräumlichkeiten benötigte. Ihr Arbeitsplatz war ein Schreibtisch in ihrem Loft und Kosten fielen hauptsächlich für Büromaterial, Kopien und Telefonate an. Ab Herbst 1976 beschäftigte sie stundenweise einen Assistenten, Wayne Harrison, der in ihrer Abwesenheit die Korrespondenz erledigte.156 Trotz des kleinen und familiären Formats legte Crawford großen Wert auf Professionalität. Die Agentur war für sie keine Nebentätigkeit, sondern ihr Beruf (work), von dem sie hoffte, in absehbarer Zeit leben zu können. Crawfords Agentur war in ihrer Zeit einzigartig, bezog sich aber ausdrücklich auf zwei direkte Vorbilder. Erstes Vorbild war die seit 1972 aktive Agentur Performing Artservices Inc. (Artservices), die ihren Sitz ebenfalls in New York City hatte.157 Diese Agentur spezialisierte sich auf Avantgarde-Tanz, -Theater und -Musik und betreute ganze Ensembles oder Kompanien, darunter das Philip Glass Ensemble, die Trisha Brown Company oder die Theaterensembles von Richard Foreman und Robert Wilson. Einer der prominentesten Klient*innen der Agentur war John Cage.158 Das zweite Vorbild war die 1975 gegründete Vereinigung Independent Curators Inc., der erste Berufsverband für Kurator*innen in den USA, der unter anderem kura-

155 Die Listen variieren in verschiedenen Dokumenten. Alle Künstler*innen, die in Briefen, Broschüren oder Informationsblättern erscheinen, sind: Marina Abramovic´ und Ulay, Vito Acconci, Laurie Anderson, Ben d’Armagnac, Jared Bark, Connie Beckley, Chris Burden, Jim Burton, Peter Campus, Diego Cortez, Jane Crawford, Constance DeJong, Ralston Farina, Hermine Freed, General Idea, Jon Gibson, John Giorno, Tina Girouard, Peter Gordon, Ted Greenwald, Jana Haimsohn, Julia Heyward, David Hykes and the Harmonics Choir, Joan Jonas, Allan Kaprow, Joseph Kosuth, Robert Kushner, Richard Landry, Les Levine, Ingram Marshall, Gordon Matta-Clark, Larry Miller, Antonio Miralda, Max Neuhaus, Dennis Oppenheim, Charlemagne Palestine, Lucio Pozzi, Keith Sonnier, William Wegman und Roger Welch. 156 I-JC a, 01:21:16. 157 Diese Hinweise gibt Crawford in einem Brief an John Cage. S. Anm. 160. Eine ähnliche, kleinere Agentur war New Arts Management Inc. unter der Leitung von Catherine Farinon Smith, die ab etwa 1972 aktiv war. Sie arbeitete unter anderem mit Meredith Monk / The House. Ein Hinweis auf ihre Aktivitäten findet sich im Archiv des Whitney Museum. Brief [01.06.1972]: Catherine Farinon Smith an Stephen Weil. A-WHIT CS, Mappe 52. 158 Weitere Klient*innen von Artservices waren in den 1970er-Jahren: Lucinda Childs, David Gordon, Mabou Mines und David Tudor. In Museumsarchiven fand sich wiederholt Korrespondenz mit Artservices, besonders im Zusammenhang mit Tanzveranstaltungen. Ursprüngliche Initiatorin von Artservices war die Französin Bénedicte Pèsle aus dem Umfeld der Pariser Iolas Galerie. Sie gründete die Agentur 1972 mit Mimi Johnson als New Yorker Partnerin sowie einer weiteren Frau, Monsa Norbert. Ebenfalls beteiligt waren Jane Yockel und Margaret Wood. Ein früher Artikel über Art­ services ist: Fox, Terry C.: The Selling of the Avant-Garde. In: The Village Voice, 13. Jg. 1978, H. 51, S. 58–59. Eine Studie über diese bedeutende Agentur ist ein Forschungsdesiderat. Webseite: Artservices. https://web.archive.org/ web/20200129153344/http://www.artservices.org/ (Zugriff: 15.11.2020).

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torische Dienstleistungen, Beratung und im weitesten Sinne Know-how über zeit­ genössische Kunst anbot.159 Beide Organisationen existieren bis heute und es scheint bemerkenswert, dass beide, genau wie API, von Frauen gegründet wurden. Crawford konsultierte einen ehrenamtlichen Rechtsberater der Organisation Vol­ unteer Lawyers for the Arts, der sie bei den Formalitäten der Unternehmensgründung und bei der Registrierung als gemeinnützige Organisation unterstützte.160 Beides bedeutete einen nicht unerheblichen behördlichen und finanziellen Aufwand, war aber ein notwendiger und üblicher Schritt für alle alternativen Kunstinitiativen, die in dieser Zeit entstanden. Der Status der Gemeinnützigkeit brachte einige wesentliche (finanzielle) Vorteile, darunter die Befreiung von der Einkommenssteuer und die Möglichkeit, staatliche Fördergelder einzuwerben. Zu den formalen Voraussetzungen für den Gemeinnützigkeitsstatus gehörte, ein mindestens dreiköpfiges board of directors zu haben. Crawford versuchte deshalb, drei prominente Künstler für ihr board zu gewinnen: John Cage, Allan Kaprow und Robert Rauschenberg. In einem Brief an John Cage schildert sie ihr Vorhaben:161 Dear Mr. Cage, My name is Jane Crawford and I have just organized a service to assist per­ formance artists in the booking, scheduling, correspondence, promotion and other business associated with their non-object artwork […] It is my hope to be able to establish an information center for performance artists which can provide sponsors for the artists and artists for the sponsors.162 Im Folgenden erklärt sie, warum eine solche Vermittlung für ephemere Kunstformen besonders notwendig sei: I saw so many artists being misused (in every field) and the non-object artists are particularly vulnerable because there are no viable existing systems to support their work. Most galleries cannot afford to promote performances because they cannot make back the costs. Nor can museums. Universities need pushing because many are still unsure about how to handle this type of artform. Since June [1976], when I began, the response has been growing.163 Crawford schildert in dem Brief auch ihre prekäre finanzielle Situation und erwähnt, dass einige ihrer Klient*innen sie mit einer Benefizveranstaltung unterstützten und ihr sogar Geld gaben, damit sie eine kostspielige Werbeanzeige für die Agentur im

159 Die Organisation heißt heute Independent Curators International. Die Gründerinnen waren Susan Sollins und Nina Sundell, die Tochter von Ileana Sonnabend und Leo Castelli. Mehr dazu in: Snell, Michelle: Independent Curators Incorporated. In: Art Journal, 37. Jg. 1978, H. 3, S. 255. Webseite: Independent Curators International. https://web.ar chive.org/web/20201101132848/https://curatorsintl.org/ (Zugriff: 15.11.2020). 160 Brief [22.11.1976]: Jane Crawford an John Cage. A-JC. 161 Ebd. 162 Ebd. 163 Ebd.

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Artforum schalten konnte (Abb. 4.3).164 Außerdem erwähnt sie einen bereits gestellten Förderantrag an das National Endowment for the Arts (NEA).165 Crawford zufolge lehnte Cage die ihm angetragene Position zunächst ab, lenkte aber später ein, möglicherweise dank der Überzeugungsarbeit des jungen Künstlers Ralston Farina, den Cage protegierte.166 Die Registrierung als gemeinnützige Organisation erfolgte dann im Frühjahr 1977. Den damit verbundenen gewichtig klingenden Namenszusatz ›Inc.‹ führte Crawford allerdings schon vorher im Titel ihrer Agentur. 1978 erhielt Crawford eine Förderung durch das NEA, nach ihren Angaben ins­ gesamt 1 200 USD.167 Mit diesem Geld finanzierte sie eine Werbebroschüre, von der sich ein Exemplar im Archiv des MCA erhalten hat, sowie (wahrscheinlich) eine Reise nach Europa.168 Die genannte Broschüre richtete sich an mögliche gastgebende Institutionen (Abb. 4.4–4.6). Der einleitende Kurztext gibt einen kompakten Überblick über die Dienstleistungen, die API anbot: THE FOUNDATION OF ART PERFORMANCES AND PROJECTS, INC. is a non–profit organization set up to provide individuals and institutions with information regarding non-object art such as performances, installations, outdoor projects, video and film; art which cannot be viably supported by the present commercial gallery system. We can provide information about the artists and their work, plus schedule and make bookings for them.169 Crawford verstand API folglich als Informationszentrale für eine ganze Reihe künstlerischer Ausdrucksformen, deren Gemeinsamkeit ihre unkonventionelle Form war. Obwohl der inhaltliche Schwerpunkt insgesamt auf Solo-Performer*innen lag, zog

164 »Many of the artists I am working with have also contributed money to help me pay for an add which appears in the November Artforum.« Ebd. Eine solche halbseitige Anzeige kostete etwa 300 USD, das wären heute etwa 1 350 USD, also eine beachtliche Summe Geld für eine arbeitslose Kunstmanagerin und einige Künstler*innen mit geringem Einkommen. Zu den Anzeigenpreisen in US-amerikanischen Kunstmagazinen s. Howard, Christopher: The Jean Freeman Gallery Does Not Exist. Cambridge: MIT 2018, S. 151. 165 »I have applied for an NEA Grant [sic] to assist me financially.« Crawford an Cage, wie Anm. 160. 166 »John Cage at first declined being on my board. I have his letter. However, I distinctly remember him telephoning me to say that he had reconsidered and would agree to be on the board. (I think Ralston Farina convinced him.)« E-Mail [24.04.2019]: Jane Crawford an Lisa Beißwanger. A-A. 167 I-JC a, 01:34:16. Das wären 2019 etwa 5 350 USD. Dem Jahresbericht des NEA zufolge, scheint der Antrag über den alternativen Kunstraum 112 Greene Street erfolgt zu sein. Möglicherweise hatte das mit der einjährigen Sperrfrist zu tun, die für Anträge neu gegründeter Institutionen galt. Im Jahresbericht ist für 112 Greene eine Summe von 4 000 USD ausgewiesen, mit dem Zusatz: »[f]or continued support of the Foundation [of] Art Performances and Projects, Inc.’s program to match performance and video artists with universities and museums.« NEA Annual Report 1978 [s. Quellen], S. 266. 168 Broschüre: Art Performances Inc., ca. 1977. A-MCA  P, General, Box 3, Mappe 23. Die 16-seitige Broschüre hat einen Umschlag aus weiß glänzendem Papier, ist nicht bebildert, und umfasst insgesamt vierzig kurze Beschreibungen der von API angebotenen Positionen. Interessant ist, dass Crawford die Broschüre über eine andere gemeinnützige Vereinigung, das Center for New Art Activities Inc. (später: Colab) verschickte (für gemeinnützige Organisationen war das Porto frei). Die Verbindungspersonen zu Colab waren wahrscheinlich Diego Cortez und/oder Liza Béar. Colab war ein Zusammenschluss von Künstler*innen der No-Wave-Bewegung, die sich zusammentaten, um Fördergelder beantragen zu können. Zu Colab s. Ault [A Chronology] 2009, S. 48–49. 169 API-Broschüre, wie Anm. 168.

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sie keine klaren Genregrenzen. Das erklärt, warum sie neben Performances auch ›Projekte‹ im Portfolio und im Namen ihrer Agentur führte, die schließlich ähnliche Herausforderungen an die Distribution stellten und ähnlich ephemer sein konnten. Auch die angebotenen Veranstaltungsformate waren variabel und nicht allein auf die Präsentation von Kunst beschränkt: Many artists are interested in visiting institutions to give lectures or workshops on such subjects as their own work, technical advice regarding film and video, new music, dance, film, video, and performance. In addition, there are several people listed below who are highly qualified to speak about the historical aspects of the contemporary art movements and on collecting art.170 Neben der Vermittlung von Auftritten involvierten die Dienstleistungen von API auch die Akquise von Fördergeldern: As many artworks made today cannot be ›sold‹, yet need support in order to be done, ART PERFORMANCES is organized to administer donations in the form of individual grants for Special Projects [sic]. Often some form of documentation can be arranged with the artist in return for sponsorship. Informa­ tion regarding individual special projects by artists is available upon request.171 Zu diesem Angebot, private und institutionelle Fördergelder für Künstler*innen und Projekte zu verwalten, befähigte Crawford der Gemeinnützigkeitsstatus. In Bezug auf ephemere Performancekunst scheint bemerkenswert, dass sie an das Bedürfnis nach bleibenden Werten appellierte, indem sie eine Dokumentation geförderter oder gesponserter Kunstwerke in Aussicht stellte. Der Verweis auf die Möglichkeit ›besonderer Projekte auf Anfrage‹ zeigt, dass Künstler*innen bereit waren, je nach Ort und Budget, Projekte für Institutionen zu entwickeln. Der Kurztext schließt mit einer Passage zu den Kostenfragen: Fees for performances, lectures, etc. are available upon request. All transportation and accomodations are separate and are the responsibility of the sponsor. ART PERFORMANCES will attempt to make tours to keep these costs at a minimum. Prices for performances vary according to the artist with a minimum at $200.00 in the United States. Lectures are $100.00 minimum. Performance or lecture programs can be arranged.172 Vor allem der Hinweis auf kostensparende Tourneen sei herausgestrichen, da Crawford dieses Prinzip bei vielen ihrer Vermittlungen anwendete. Anschließend stellt Crawford in ihrer Broschüre alle Künstler*innen und Exper­ t*innen in kurzen Texten vor und betont dabei deren bisherige künstlerische Erfolge.

170 Ebd. 171 Ebd. 172 Ebd.

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Am Ende jedes Kurztextes findet sich eine Aufstellung der angebotenen künstle­ rischen ›Dienstleistungen‹, wie der Text zu Tina Girouard exemplarisch zeigt: A Kaleidoscope of images with diverse cultural, geographic and anthropological references associated with the characters of the performers. The action is the making of a mandala-like picture. The manifestations will change from place to place, time to time and situation to situation. These variations take into account the changing conditions to locate the performance. Specifically in the community in which it is performed, to bring the audience closer to the event, allowing the witnesses to see themselves in the final image. Available for lectures, very interested in residencies with performances, performances, installations and video presentations, and special projects.173 Dieser Vorstellung der Künstler*innen folgen unter dem Zwischentitel Special Programs for Universities weitere Kurztexte, die Expert*innen für Vorträge im Rahmen universitärer Nachwuchsförderung vorschlagen. Unter den vorgestellten Persönlichkeiten ist beispielsweise die Galeristin Holly Solomon:174 Her lecture poses a series of questions and challenges to contemporary art professionals […] how to collect art? -- why collect art? How should the young artist deal with the market place? How can the market place be urged into response? How can government, corporate and private support for the arts be engaged? It is a process of re-education concerning collecting art as a cultural commitment.175 Aus performancehistoriografischer Sicht ist der Verweis auf RoseLee Goldberg erwähnenswert, die damals noch an ihrem Buch Performance. Live Art 1909 to the Present arbeitete:176 [She] is presently preparing a book on the history of performance […]. It will be the first such history to cover art performance from the 1890’s to the present. […] She has also conducted ›permanence workshops‹ with seminars, lectures and reconstructions of key performances. […] Available for lectures and seminars on Performance Art History [sic] and contemporary performance.177 Die Dienstleistungen, die Crawford Künstler*innen anbot, sowie die daran geknüpften Konditionen einer Zusammenarbeit, sind einem Brief Crawfords an Chris

173 API-Broschüre, wie Anm. 168. Unterstreichungen im Original. 174 Ebd. 175 Ebd. 176 Goldberg 1979. 177 API-Broschüre, wie Anm. 168. Weitere Positionen des Portfolios waren: Liza Béar, Walter Robinson und Edit DeAk, also die Herausgeber*innen der Avantgarde-Magazine Avalanche und Art-Rite sowie die Sammlerin und spätere Galeristin Anna Nosei Weber und das Film-Kollektiv Ghost Films (Edit DeAk, Anne Deleon, Peter Grass, Mike Robinson und Alan Suicide). Ebd.

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Burden zu entnehmen.178 Crawford schreibt: »Dear Chris, It was great talking to you on the phone last week. I am so glad you like the idea of Art Performances, Inc. and want to join.«179 Sie erklärt dann erneut ihr Konzept und listet alle Informationen auf, die sie von ihren Klient*innen benötigte: einen Lebenslauf, Rezensionen, Auskünfte über Honorare oder Stundensätze, technische sowie personelle Anforderungen und bereits geplante Engagements. Crawford scherzt: »[b]asically what I am asking for is the story of your life and aspirations and what kind of toothpaste do you use.«180 Anschließend kehrt sie wieder zu den Fakten zurück und listete die mit ihrer Arbeit verbundenen Kosten auf: »In determining what fee to ask, remember that Art Performances will take 10% off of the amount as commission.«181 Zusätzlich stelle sie ihren Klient*innen die Kosten für Telefonate, Kopien und Porto in Rechnung, was sich pro Halbjahr auf etwa 30 USD pro Person belaufe.182 Die Dienstleistungen von API waren für Künstler*innen also nicht kostenlos. Allerdings war die Courtage von zehn Prozent im Vergleich zu den im Galeriewesen üblichen vierzig, oder fünfzig Prozent vergleichsweise niedrig. Crawford zufolge entfiel ihr Anteil, wenn die empfangenden Institutionen keine Honorare, sondern nur die Reisekosten, Kost, Logis und die notwendige technische Ausstattung be­ zahlten.183 Was die Berechnung der Gage betrifft, war Chris Burden ein besonderer Fall, denn seine Performances waren Unikate und konnten in ihrer Dauer und ihren körperlichen (für den Künstler) und technischen (für die Institutionen) Anforderungen stark variieren. Crawford kannte Burdens Arbeit und ging deshalb auf diesen Punkt gesondert ein: Since your performances are so unique, I have no idea how to charge for them so it would be better for me if you would give me a high and low figure to work with. Naturally I would like to try and get as much as possible for each work depending on where the situation is. Do you consider the danger or duration into your price? Or do you play it by ear? Or negotiate once an interested situation developes [sic]? Do you like to give lectures? Live or with video tapes? […] Are there places you are going now that you would like me to try and book around? For example, if you have a show in Texas at a museum and have to be there for a couple of weeks, I can try to get some lectures or whatever at neighboring universities, galleries or museums.184 178 Brief [04.10.1976]: Jane Crawford an Chris Burden. A-JC. Crawford bezeichnete Burden als einen guten Freund. Burden wohnte bei ihr und Matta-Clark, wenn er sich in New York aufhielt. I-JC a, 01:29:16. 179 Brief Crawford an Burden, wie Anm. 178. 180 Ebd. 181 Ebd. 182 Ebd. 183 »I was supposed to get 10% of whatever the artists got. But mostly they got nothing […] So I would get 10% of nothing.« I-JC a, 00:23:36. Die Unterbringung der Künstler*innen erfolgte oft privat, zum Beispiel bei Museums­ mitarbeiter*innen oder lokalen Künstler*innen. 184 Brief Crawford an Burden, wie Anm. 178.

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Crawford bat Burden außerdem um eine Liste der Institutionen, in denen er auf­ getreten war, einschließlich Kontaktdaten und Hinweisen auf die Höhe der Gagen, die Arbeitsbedingungen und die Atmosphäre vor Ort.185 Offenbar versuchte sie ein Verteilernetzwerk aufzubauen, auf das sie bei der Aussendung ihrer Werbemateria­lien und beim Buchen von Tourneen zurückgreifen konnte.186 Abschließend verspricht sie: »If I can keep this thing alive for a year until I am eligible for some grants, we might just have a viable alternative to gallery situations.«187 Crawford führte Burden in allen ihren Künstler*innenlisten, konnte sich jedoch nicht erinnern, ob sie ihm überhaupt je einen Auftritt verschafft habe, zumal Burden 1976 bereits vornehmlich installativ arbeitete und sein Honorar für die meisten Institutionen, mit denen Crawford arbeitete, zu hoch gewesen sein dürfte. Er hatte zudem mit dem Vertrieb von ›Reliquien‹ und Buch-Editionen über die Ronald Feldman Gallery ein solides Standbein im Kunstmarkt. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass sich Jane Crawfords Tagesgeschäft mit API in drei Aufgabenbereiche teilte: (1) Das Herstellen und Sammeln von Informationsmaterialien in einer Datenbank. Dazu gehörten ausführliche Informationsblätter über alle Klient*innen, einschließlich längerer Beschreibungen, Werk- und Ausstellungsbiografien, Presseausschnitte und PR-Fotos (Abb. 4.7–4.8).188 Diese Materialien hatten dreierlei Funktion. Sie dienten Crawford bei der Akquise von Auftritten zur Information für mögliche gastgebende Institutionen. Sie dienten des Weiteren für die Pressearbeit dieser Institutionen und sollten, so betont Crawford, unwissende Kritiker*innen aufklären und damit schlechte Rezensionen vermeiden helfen. Drittens kamen diese Materialien für Stipendienbewerbungen ihrer Klient*innen zum Einsatz. Manche Künstler*innen, darunter Vito Acconci, nutzten die Textbausteine Crawfords noch lange nachdem sie die Agentur aufgegeben hatte.189 (2) Akquise und Korrespondenz. Crawford schickte das Informationsmaterial, ergänzt durch individuelle Anschreiben, per Post an Institutionen in den USA, Kanada und in Europa. Ein solches Anschreiben war der einleitend zitierte Brief an Alene Valkanas. Wie bereits erwähnt, versuchte Crawford Tourneen zusammenzustellen,

185 »I am collecting information about who’s worked where and if it was good or not; how they paid, etc. If you have any advice on places you’ve worked, I would love to have it.« Ebd. 186 Folgende Aufstellung an Institutionen in den USA erstellte Crawford aus der Erinnerung: And/Or Gallery, Seattle, Washington; A Space Gallery, Toronto, Canada; Art Institute of Chicago, Chicago, IL; Center for Contemporary Music, Mills College, Oakland, CA; Center for Twentieth Century Studies, University of Wisconsin-Milwaukee; Cornell University, Center for Theatre Arts, Ithaca, NY; Creative Time, NYC; Hallwalls, Buffalo, NY; The Kitchen, NYC; Institute of Contemporary Art, Los Angeles, CA; Entertainment Center, CA; Museum of Contemporary Art, Chicago, IL; Museum of Modern Art, NYC; Portland Center for Visual Arts, Portland, OR; Rensselaer Newman Foundation and Cultural Center, Troy, NY; School of the Art Institute of Chicago, IL; Boston Museum School, MA; University of California, Berkeley; University of Iowa, Iowa City, IA; Walker Art Center, Minneapolis, MN; Western Front, Vancouver, B.C., Canada. E-Mail [10.04.2019]: Jane Crawford an Lisa Beißwanger. A-A. Namen der Institutionen teilweise korrigiert. 187 Brief Crawford an Burden, wie Anm. 178. 188 »I provided publicity photos for them too.« I-JC b, 00:24:49. 189 I-JC b, 00:21:34.

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um damit für alle Beteiligten Kosten einzusparen. Eine größere Tournee buchte sie zum Beispiel für Laurie Anderson und Julia Heyward.190 Die Auftritte konzentrierten sich in diesem Fall auf alternative Kunsträume, Hochschulen und kleinere Museen in den Vereinigten Staaten sowie in Europa auf Kunstzentren, Galerien und Festivals. Crawford zufolge antworteten die meisten Institutionen, wenn überhaupt, mit einer Absage. Auf die Frage nach der geschätzten Anzahl der von ihr beschickten In­ stitutionen wusste sie keine direkte Antwort, kommentierte aber: »I did it all day all night.«191 (3) Administrative Tätigkeiten. Nach erfolgreichen Vermittlungen stellte Crawford ihren Klient*innen Sammelrechnungen über die Courtage und alle weiteren angefallenen Kosten. Sie übernahm darüber hinaus für viele ihrer Klient*innen das Schreiben von Förderanträgen, zum Beispiel an das NEA, NYSCA und lokale Stiftungen. Jane Crawford agierte als Lobbyistin für Performance und nicht-objekthafte Kunst.192 Sie versuchte Performance für Institutionen attraktiv zu machen und die Praktikabilität des Zeigens von Performance auf verschiedenen Ebenen zu verbessern. »What I did do was to teach institutions […] how to work with these artists.«193 Zugleich versuchte sie Künstler*innen organisatorisch und beim Selbstmarketing zu unterstützen. »That was my legacy […] that the artists were able to understand what the tools were that they needed to promote themselves.«194 Ganz so allein mit ihrer Arbeit, wie Crawford behauptete, war sie allerdings nicht. Beinahe alle ihre Klient*innen waren zugleich bei kommerziellen Galerien unter Vertrag. Überschneidungen gab es insbesondere mit der Holly Solomon Gallery. In den Archivakten des MCA Chicago sowie im documenta archiv findet sich zu Auftritten dieser Künstler*innen sowohl Korrespondenz mit Jane Crawford als auch mit der Holly Solomon Gallery und oft auch direkt mit den Künstler*innen. In einigen Fällen ist deshalb nicht klar nachzuvollziehen, wer die Initiative zu einem Auftritt ergriffen hat oder wer federführend für die Abwicklung der Administration verantwortlich war. Auf eventuelle Konflikte angesprochen, konnte sich Crawford an keine nennenswerte Konkurrenzsituation erinnern: »I never got the sense of there being a competition because there was little to no money being made off of performances.«195 190 »I worked nice big tours for Laurie Anderson and Julia Heyward who travelled together and hated each other almost after the first venue. […] By the time, I met them back in Antwerp they weren’t even talking to each other. […] And they had a couple of more places to go after that.« I-JC b, 00:06:00. 191 I-JC a, 00:29:04. 192 Crawford sprach von sich mangels einer Bezeichnung für ihre Tätigkeit scherzhaft als »pimp for artists«. I-JC a, 00:24:13. 193 I-JC b, 00:21:15. 194 I-JC b, 00:25:15. 195 E-Mail [11.07.2018]: Jane Crawford an Lisa Beißwanger. A-A. Allerdings schreibt sie ebendort: »Holly was interested in performance but more interested in objects, her business. There were many venues for performance in NYC so she didn’t feel any urgency to sponsor many performances. Those she organized were around her artists, like Robert Kushner and maybe Tina Girouard. […] Even though I may have made the initial contact and then worked out the details, Holly liked to take credit for everything – especially to do with museums.« Ebd.

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Weitere Überschneidungen gab es mit etablierten Galerien wie denjenigen von Leo Castelli und Ileana Sonnabend und deren Gemeinschaftsprojekt Castelli-Sonnabend Tapes & Films Inc., sowie mit der Galerie von Ronald Feldman. Betroffen waren hier Künstler*innen wie Joan Jonas, Dennis Oppenheim, William Wegman, Allan Kaprow oder Chris Burden, also alles Künstler*innen, deren Arbeit bereits einen gewissen Marktwerkt erreicht hatte. Um Interessenkonflikte zu vermeiden, verwies Crawford darauf, dass API keine Videoarbeiten dieser Künstler*innen verkaufe oder verleihe.196

Die Vermittlungsarbeit von API, 1976–1979 Zusammenarbeit mit dem MCA Chicago Im MCA Chicago fielen Crawfords Aktivitäten auf fruchtbaren Boden. Wie bereits im Kapitel zur Bodyworks-Ausstellung angesprochen, gehörte das MCA zu den ersten Museen in den USA, die regelmäßig Performances zeigten.197 Performances waren Teil der Konzeptkunst-Ausstellung Art By Telephone oder fanden als Einzel­ events statt, zum Beispiel in Form von Carolee Schneemanns Performance Illinois Central (1968).198 Bodyworks war dann ein besonderer Meilenstein, da die Museumsmitarbeiterin Alene Valkanas im Nachgang das neue Resort public programming einrichtete. Dabei changierte ihr Aufgabenspektrum zwischen Performance­ kuratorin und Öffentlichkeitsarbeit, was sich nicht zuletzt daran zeigt, dass sie ihre Briefe abwechselnd mit Publicity Director; Programming and Public Relations; Director of Publicity and Special Events oder auch Programming and Public Relations Director unterzeichnete.199 Valkanas arbeitete bereits seit etwa 1972 im MCA, zunächst als Museumspädagogin, anschließend in der Öffentlichkeitsarbeit. Mit der Hinwendung zum Veranstaltungsbereich folgte sie ihrem persönlichen Interesse an Neuer Musik, Tanz und

196 Auf der Anzeige im Artforum waren die Namen dieser Künstler*innen mit einem Asterisk gekennzeichnet und mit dem Hinweis versehen: »Individual video sales and rentals not available through this agency« (s. Abb. 4.3). 197 Bereits anlässlich der Eröffnungsfeierlichkeiten des Museums traten am 23. Oktober 1967 die Künstler*innen John Cage, Dick Higgins, und Alison Knowles mit dem Programm What did you bring? auf. Aus der Pressemitteilung zur Veranstaltung geht hervor, dass Cage ein Pilzgericht zubereitete, während Knowles mittels Diaprojektion und Alltags­ gegenständen ein ›Picknick‹ zusammenstellte und Higgins mit weiteren, nicht benannten Performer*innen, eine Zufalls­choreografie aufführte. Pressemitteilung [o. D.]: MCA Chicago. Museum of Contemporary Art Sponsors Program at Second City October 23 [1967]. A-MCA  P, 1967, Cage, Knowles, Higgins, Box 3, Mappe 11. 198 Dies war der Pressemitteilung zufolge ein »evening of Kinetic Theater«, der am 26. und 27. Januar 1968 stattfand. In der Beschreibung ist die Rede von einem »slowly enveloping enviroment of paper, slides, film and sound collage, employing eight performers plus technicians recruited in Chicago«. Die Performances fanden im Rahmenprogramm einer Ausstellung namens Made with Paper statt. Pressemitteilung [15.01.1968]: MCA Chicago: Carolee Schneemann – Illinois Central, 1968. A-MCA  P, Box 3, Mappe 12. 199 Diverse Briefe von Alene Valkanas im Archiv des MCA Chicago.

Die Vermittlungsarbeit von API, 1976–1979

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schließlich auch Performance.200 In einem Interview erinnerte sie sich an die ausgehenden 1970er-Jahre als eine Zeit, in der steigende Versicherungssummen und wachsende Besucher*innenzahlen keine Performances während laufender Ausstellungen mehr zuließen, wie dies noch während Bodyworks (in der Gaston Lachaise-Ausstellung) der Fall gewesen war. Aus diesem Grund wurden für Performances nun die Umbauzeiten zwischen Ausstellungen genutzt, was dazu führte, dass es für Performance eine Frühjahrs- und eine Herbstsaison gab (ähnlich, wie das auch im Whitney Museum der Fall war). Die Tatsache, dass es in den 1970er-Jahren vergleichsweise viele Performanceveranstaltungen im MCA gegeben hat, sollte nicht zu dem Schluss verleiten, Live-Veranstaltungen wären herkömmlichen Ausstellungen gleichgestellt gewesen. Valkanas musste für ihre Veranstaltungen immer externe Gelder einwerben und es ist davon auszugehen, dass sie gegenüber dem Museumsvorstand einiges an Überzeugungs­ arbeit geleistet haben muss. Fernab vom Kunstzentrum New York dürfte für sie das Insider-Wissen und die Affirmation einer Agentur wie API attraktiv gewesen sein. Anhand des Auftritts von Laurie Anderson am 6. April 1977 lässt sich der Ablauf einer erfolgreichen Vermittlung durch API exemplarisch nachzeichnen: Jane Crawfords Angebot erreichte das MCA Chicago im Oktober 1976, als Valkanas gerade die kommende Saison plante. Valkanas kannte und schätzte Laurie Anderson seit deren Auftritt im Rahmen von Bodyworks und hatte ohnehin vorgehabt, Anderson ein weiteres Mal nach Chicago einzuladen.201 Für die Gelder-Akquise fand Valkanas in Michel Benamou, dem Leiter des Center for Twentieth Century Studies an der University of Wisconsin-Milwaukee, einen Kooperationspartner. Benamou plante eine mehrtägige und hochkarätig besetzte Konferenz über Performance and Postmodern Culture, in deren Kontext auch Live-Auftritte stattfinden sollten.202 Zusammen stellten sie zwei erfolgreiche Förderanträge an das NEA.203 Als dritten Kooperationspartner gewann Valkanas die School of the Art Institute of Chicago (SAIC), deren noch junges Performance Arts Department unter der Leitung von Thomas Jaremba ebenfalls an Live-Auftritten und Künstler*innengesprächen interessiert war. Am 25.  Januar 1977 schickte Valkanas ein förmliches Einladungsschreiben an Laurie Anderson, in Kopie an Jane Crawford und Michel Benamou, in dem sie knapp auf die wesentlichen Termin- und Honorarfragen eingeht.

200 Ihr erklärtes Ziel als Veranstaltungsmanagerin war »[t]o bring more people in here«. I-AV-LW, S. 1. Die MCA-Kuratorin Lynn Warren beschreibt Valkanas als Autodidaktin mit »amazing instincts« für Performance. I-LW, 00:07:27. 201 Brief Valkanas an Anderson, wie Anm. 204. 202 Institutionelle Kooperationen und Projekte mit Bildungsanspruch hatten besonders gute Aussichten auf Förderung (vgl. S. 400). Die Tagungsakten wurden veröffentlicht: Benamou, Michel (Hrsg.): Performance in Postmodern Culture. International Symposium on Post-Modern Performance. Madison: Coda 1977. Zu den Diskutanten gehörten neben Michel Benamou auch Victor Turner, Herbert Blau, Erving Goffman, Jean-François Lyotard und Ihab Hassan. Neben Laurie Anderson traten unter anderem auch John Cage und Meredith Monk im Rahmen der Konferenz auf. Programm: Performance and Postmodern Culture. A-MCA  P, 1976 – Center for 20th C. Studies/MCA Series, Box 3, Mappe 13. 203 Förderantrag: MCA Chicago an NEA. A-MCA  E, 1975, Bodyworks.

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Dear Laurie: Last year following your performance at the Bodyworks exhibi­ tion here, we spoke of your returning to Chicago. Happily, through the good fortunes of a National Endowment for the Arts grant […] that will be possible. […] we would like you to prepare a performance to be given here on Wednesday, April 6 at 8 p.m. We are prepared to offer a fee of $500.00 which is also to cover expenses. If this is agreeable, please inform me at your earliest con­ venience. It would also be necessary to have a description of the piece as well as an accompanying photograph for use in the Museum’s calendar.204 Auffällig ist, dass die Form und der Inhalt der Performance hier vollständig ausgespart bleibt und ganz der Künstlerin überlassen wurde (wie das auch bei den Performances im Rahmen von Bodyworks der Fall gewesen war). Anderson entschied sich für ein Programm mit dem Titel Speak Softly, But Carry a Big Stick, nach einem gleichnamigen Song aus ihrem Repertoire. Im Museumsarchiv hat sich keine visuelle Dokumentation dieses Auftritts erhalten, dafür aber ein Flyer (Abb. 4.9) und ein Programmzettel, der unter der Überschrift SPEAK SOFTLY Thirteen Short Songs for Violin, Tape, Film eine Reihe an Songtiteln auflistet.205 Die Titel entsprechen den Stücken, die Anderson wenige Monate zuvor für die Ausstellung Juke Box in der Holly Solomon Gallery produziert hatte. Eine Beschreibung in den Veranstaltungsakten des Museums mutet etwas kryptisch an: »A performance with film-quadro­ phonic sound-songs for the electronic crossbow-talking rhythms four-track overdub blues band.«206 Ähnlich wie in den beiden Auftritten der vorangegangenen Kapitel trug Anderson auch hier ihre autobiografisch gefärbten Geschichten in Form von Songs vor. Dabei konnten sich gesprochene und gesungene Teile mit Violinspiel abwechseln, eingebettet in eine multimediale Dia- und/oder Filmpräsentation. Der im Zitat genannte elektronische Geigenbogen, von dem sie verschiedene Versionen besaß, war eines ihrer besonderen Markenzeichen. Diese Bögen waren anstelle von Rosshaar mit einem Tonband bespannt, das in zwei Richtungen abgespielt werden konnte. Wenn Anderson mit diesem Bogen über den Tonabnehmer ihrer elektrischen Violine strich, erklang eine von ihr zuvor auf das Tonband aufgezeichnete Sequenz an Tönen oder Worten.207 Am Folgetag des Auftritts im MCA trat Anderson im Rahmen der Konferenz in Milwaukee auf, hier mit dem Programm For Instants – Part V. Außerdem hielt sie einen Vortrag vor Studierenden der SAIC. Die Honorare für die drei Auftritte erhielt 204 Brief [25.01.1977]: Alene Valkanas an Laurie Anderson. A-MCA  P, 1977 Harrison, Anderson, Monk, Box 3, Mappe 18. 205 Die Titel sind: 1. The Window; 2. Speak Softly, But Carry a Big Stick. Turn the Other Cheek, But Carry a Big Stick; 3. From Duets on Ice; 4. It: A Suite (It’s Hard to Say; It Takes Two; That’s not the Way I heard it, Jane); 5. Song for Anagrams, Unregistered Film, and Muffled Words; 6. New York Social Life; 7. Steven Weed; 8. Use What You’ve Got (Walking Blues); 9. Three One-Line Songs for Tape-Bow Violin (Lenin, Juanita, Lao-Tzu); 10. Say What you Mean; 11. Video Slow Scan: A Man, A Woman, A House, And A Tree, Quartet for four Frequencies; 12. At the Shrink’s: A Fake Hologram; 13. Time to Go (For Diego). Programmzettel: Laurie Anderson, 1977. A-MCA  P, 1977 Harrison, Anderson, Monk, Box 3, Mappe 18. Titel im Original in Versalien und in Listenform. 206 Findhilfe: Performance and Special Events History 1967–1979. A-MCA  P. 207 Für eine technisch präzisere Beschreibung s. Anderson 1994, S. 36.

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Anderson vermutlich im Nachgang direkt von den gastgebenden Institutionen. Einige Monate später stellte Jane Crawford dann eine Rechnung über die Vermittlungs­ gebühren für alle drei Auftritte, die Anderson bar beglich (Abb. 4.10).208 Anderson selbst erinnert diese Jahre folgendermaßen: From 1975 to 1979, I ran through ideas very fast, writing and rewriting songs and stories, experimenting with new instruments, working with various groups of readers and musicians, and trying to rethink the whole idea of performance. I wanted the pieces to be fresh and awkward so I booked myself on fast-paced, grueling tours of colleges and alternative spaces all around the United States and tried things out. My goal was never to do the same thing twice. I hated the polish of theater, I thought it seemed canned, and my main goal was to be raw.209 Die Künstlerin streicht hier nicht nur die Singularität ihrer Auftritte heraus, sondern impliziert auch, dass sie ihre Tourneen vollständig selbst gebucht habe. In der bereits zitieren Podiumsdiskussion mit Jane Crawford und anderen entgegnete sie auf Crawfords Ausführungen zur Arbeit von API: »But a lot of people did it on their own, like me. I didn’t rely on other people to assist.«210 Diese Aussage steht im Widerspruch zu Crawfords Unterlagen und legt eine Selbstinszenierung Andersons als freie und unabhängige Künstlerin nah. Es ist allerdings möglich, dass Anderson ihre Reisen und Auftritte erst einmal selbst plante und Crawford anschließend zusätzliche Auftritte einwarb, wie im oben zitierten Brief an Chris Burden beschrieben.211 Insgesamt lassen sich über die Rechnungen, die Crawford an Anderson stellte, zwischen Herbst 1976 und Frühjahr 1978 elf Buchungen über API nachweisen. Neben dem MCA Chicago und den Auftritten auf der documenta 6, 1977, die unten noch zur Sprache kommen werden, waren unter diesen Orten das Otis Art Institute in Los Angeles, die Boston Museum School und das Walker Art Center sowie in Europa das Internationaal Cultureel Centrum (ICC) in Antwerpen, das Kunstzentrum De Appel in Amsterdam, die 10. Paris Biennale und die Galleria Salvatore Ala in Mailand. Laurie Anderson gehörte damit zu denjenigen Künstler*innen, die Crawford am häufigsten vermitteln konnte. Sie verfügte über ein großes Repertoire an Songs und Texten, die sie für ihre Auftritte jeweils neu kombinieren konnte, nach Bedarf sogar

208 Für den Vortrag 15 USD, für die beiden Auftritte jeweils 42,50 USD. Einem Brief zufolge belief sich die Gage auf 500 USD. Brief Valkanas an Anderson, wie Anm. 204. 209 Anderson 1994, S. 117. 210 Anderson in: Yee [All Work] 2011, S. 84. Allerdings spricht sie andernorts Jane Crawford und anderen frühen Wegbegleiter*innen ihren Dank aus: »I will always be grateful to the people who helped me get a start, almost all of them women: Allana Heiss, Holly Solomon, Marcia Tucker, Lucy Lippard, Karin Berg, Jo Bergman, Jacqueline Burckhardt, Bice Curiger, Jane Crawford, Edit DeAk, Elizabeth Jappe, Dany Keller, Janet Kardon, Susan Martin, Robin Kirk, Nancy Drew, Barbara London, Roselee Goldberg, Roma Baran, Linda Goldstein, Rande Brown, and many others.« Anderson 1994, S. 263. 211 Brief Crawford an Burden, wie Anm. 178.

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in verschiedenen Sprachen und/oder mit Untertiteln.212 Ihre künstlerische Praxis war also geradezu prädestiniert für Tourneen, was sicher zu ihrem späteren Erfolg im Pop-Musikgeschäft beitrug. Für die Wintersaison 1977/78 vermittelte Jane Crawford Projekte beziehungs­ weise Auftritte von Gordon Matta-Clark, Tina Girouard und Julia Heyward an das MCA. Dem ging ein Auswahlprozess voraus, über den ein dreiseitiger Brief von Crawford an Valkanas Aufschluss gibt.213 Crawford schlägt darin insgesamt fünfzehn Künstler*innen für Auftritte vor und geht dabei vor allem auf terminliche, technische und finanzielle Fragen ein. Inhaltliche Informationen lagen Valkanas bereits in Form der Informationsblätter vor. Exemplarisch seien hier die Abschnitte zu den drei Künstler*innen zitiert, für die sich Valkanas letztendlich entschied.214 Zu Gordon Matta-Clark heißt es: Gordon has made a proposal which is enclosed. He could also exhibit documents from the last work in Antwerp, Belgium. He is very keen on doing a project in Chi­cago with the Museum. Once you have looked over the proposal, you will probably have a lot of questions I may be able to help you with. Gordon can probably comeup with other ideas if these do not seem feasible.215 Es ist nicht ganz klar, welcher Projektvorschlag Matta-Clarks hier gemeint ist, da er dem Brief nicht mehr beiliegt. Vermutlich handelt es sich um eine ›schwebende‹ Netzstruktur im Außenraum, die sich vom Boden bis hoch an die Wände der um­ liegenden Gebäude aufspannen sollte.216 Folgendes schreibt Crawford über Tina Girouard: Tina is also going to Europe in February. January is good and probably the last week in February. May looks good right now. Tina’s price is variable depend­ ing on the number of people in the performance. Because of the materials involved, a solo piece is $500. Tina prefers working with people from the area of the performance location and involving them in the performance. She will take them through a series of what she calls ›concentrations‹ finding things about their background or culture that can be used in the performance. This becomes a type of cultural portrait through a ritualized performance/collage. She usually needs about 4 or 5 days to work with the people in advance and

212 Zu den mehrsprachigen Aufführungen s. Anderson 1994, S. 127–131, darin das Kapitel: Spreken met twee tongen, S. 127 ff. 213 Der Brief antwortete offenbar auf eine entsprechende Anfrage: »Enclosed is the material you requested plus some additional information on other artists to keep for your files.« Brief [15.11.1977]: Jane Crawford an Alene Valkanas. A-MCA  P, 1977 Cage [sic] (Correspondence), Box 3, Mappe 17. 214 Ebd. 215 Ebd. 216 Der Kunsthistoriker Thomas Crow erwähnt diese Arbeit in einem Ausstellungskatalog. Er spricht von »an X-shaped arrangement of tunnels enclosed in nylon netting and suspended from steel cables that would have extended to the museum courtyard from high on the surrounding walls. But the curators vetoed the plan.« Crow, Thomas: Gordon Matta-Clark. In: Diserens, Corinne (Hrsg.): Gordon Matta-Clark. Nachdr. London: Phaidon 2007, S. 7–132, hier S. 123.

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generally uses about 4 or 5 people in this kind of piece. Her fee then would bearound [sic] $1200–1500 depending on the people (if she would need to pay them or if they may be students who would participate for free.217 Der Textabschnitt schließt mit dem interessanten Hinweis auf eine mögliche museale ›Verwertbarkeit‹ der Performance: »The resultant object is very beautiful and some­ thing you might like to leave on exhibition.«218 Julia Heyward hebt Crawford schließlich ganz besonders hervor: Julia Heyward: Duka (as she is also known) has just left them all breathless in Paris and Koln [auf der 10. Paris Biennale und während dem Internationalen Kunstmarkt Köln; s. u.]. She has grown immensely as a performer incorporating vocals which have roots in Mongolian nasal chanting, in with her ventriloquism and contemporary, sometimes feminist concerns (themes). I must admit how proud I was of her in Europe. She will be going back in February but is available in January. Her fee is $300.00. I am not sure about May – perhaps the first of May would be OK but there are things again in Europe happening about that time and June. I could plan for her to leave later in the month.219 Unter den weiteren empfohlenen Künstler*innen waren Connie Beckley, Constance DeJong, Jana Haimsohn (»one of my favorite performers. She combines movement and voice creating energy fields which affect even to most skeptical art audience«), David Hyckes and the Harmonics Choir, Robert Kushner (»the objects a [sic] nice to exhibit after the performance«), Richard Landry, Max Neuhaus220 und Charlemagne Palestine (»His fees are $1,200.00 plus a bottle of cognac and a Bösendorfer piano.«).221 Indem sie mehrfach auf volle Terminkalender und Engagements in Europa verwies, betonte sie die Popularität ihrer Klient*innen. Die letzte Seite des Briefs hält eine Überraschung bereit. Hier stellt Crawford drei Neuzugänge ihrer Agentur aus Europa vor. Dies waren Marina Abramovic´ und Ulay – seinerzeit am Beginn ihrer steilen Karriere – sowie der Performer Ben d’Armagnac. Crawford gibt sich allerdings bezüglich europäischer Performancekunst skeptisch und schreibt: »I have had trouble finding European performers who I felt were up to the standard of American performers.«222 Die drei genannten Künst­ ler*innen seien eine seltene Ausnahme. D’Armagnac ordnet Crawford einer »symbol­ ic gesture school (perhaps coming out of Beuys)« zu und fährt fort: »[u]nlike the

217 Brief Crawford an Valkanas, wie Anm. 213. Das Honorar betrug schließlich 600 USD. Internes Dokument [17.01.1978]: Purchase Order. A-MCA  P, 1978, Girouard, Oliveiros, Antin, Heyward, Box 3, Mappe 19. 218 Ebd. 219 Ebd. Julia Heywards tatsächliches Honorar fiel mit 400 USD letztlich höher aus, als von Craford gefordert. S. Internes Dokument [17.01.1978]: Purchase Order. A-MCA  P, 1978, Girouard, Oliveiros, Antin, Heyward, Box 3, Mappe 19. 220 Neuhaus realisierte 1979 eine Klanginstallation für den Erweiterungsbau des Museums. Ob das Projekt durch die Vermittlung von API zustande kam ist unklar. 221 Brief Crawford an Valkanas, wie Anm. 213. 222 Ebd.

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other performers of his ilk, his [art] is not political«, was als Kompliment gemeint zu sein scheint. Abramovic´ und Ulay verortet Crawford in einer »blood and guts school«, die sie aus der Tradition des Wiener Aktionismus herleitet: »I personally hate that tradition in art. […] The reason I really like Marina and Ulay’s work is because they do not use pig hearts and because it is intelligent as opposed to purely sensational.«223 Zu einem Aufritt dieser Künstler*innen in Chicago kam es allerdings nicht und es finden sich auch keine Hinweise, dass Valkanas an einer Zusammenarbeit inter­essiert gewesen wäre. Stattdessen traten alle drei im Folgejahr während eines Festivals im Brooklyn Museum auf (s. u.). Es lässt sich nur darüber spekulieren, was genau zu Valkanas’ Auswahl führte. Wahrscheinlich ist, dass Crawfords Empfehlungen, Mund-zu-Mund-Propaganda und auch Honorar- und Terminfragen eine Rolle spielten. Mit Gordon Matta-Clark und Tina Girouard entschied sich Valkanas für zwei Künstler*innen, die eng miteinander und auch mit Laurie Anderson befreundet waren und die zugleich von Holly Solomons Galerie vertreten wurden, sodass eine zusätzliche persönliche wie institutionelle Affirmation gegeben war. Ein weiterer wesentlicher Faktor dürfte die Teil­ nahme von Girouard und Matta-Clark an der documenta 6, 1977, gewesen sein, die ebenfalls durch Crawfords Vermittlung zustande gekommen war. Die Auftritte von Tina Girouard und Julia Heyward waren schließlich Teil einer vierteiligen Veranstaltung namens Performance Art Series im MCA, die vom 25. Januar bis zum 8.  Februar 1978 stattfand.224 Gordon Matta-Clarks Projekt Circus/­ Caribbean Orange gehörte nicht zu dieser Reihe und war keine Performance im engeren Sinne. Das Projekt fand jedoch in unmittelbarer zeitlicher und räumlicher Nähe der Performances statt und hatte einen performativ-prozessualen Charakter.225 Jane Crawford konnte für diese Auftritte und Projekte aus finanziellen Gründen nicht selbst vor Ort sein: »People ask why I didn’t go to Chicago with Gordon when he did his ›Circus Caribbean Orange‹ – we didn’t have the money for me to go there.«226 Die Performancereihe und Matta-Clarks Projekt fielen in einen Zeitraum, in dem das MCA expandierte. Das bestehende Gebäude sollte um ein Nachbargebäude erweitert werden, das zu diesem Zweck entkernt werden musste (Abb. 4.11). Alene Valkanas und die Kuratorin Judith Kirshner, die bereits Arbeiten Matta-Clarks in Europa gesehen hatten, nutzten diese Gelegenheit, um den Künstler für ein Projekt einzuladen. Wie bereits erwähnt, machte Matta-Clark zunächst den Vorschlag für eine raumgreifende Außeninstallation aus Nylonseilen. Valkanas und Kirshner be223 Ebd. 224 Ebenfalls Teil dieses Programms, allerdings nicht über API vermittelt, waren die Künstlerin Eleanor Antin und die Komponistin und Musikerin Pauline Oliveiros. Antin trat in The Battle of the Bluff als ihr Alter Ego King of Solana Beach auf. Oliveiros zeigte The Pathways of the Grandmothers, eine »meditation for accordian [sic] and voice.« Pressemitteilung [10.01.1978]: MCA Chicago: Girouard, Oliveiros, Antin, Heyward. A-MCA  P, 1978 Girouard, Oliveiros, Antin, Heyward, Box 3, Mappe 19. 225 Vgl. Crow 2007, S. 126. 226 I-JC a, 00:29:56.

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vorzugten jedoch ein Cutting, ein Werktypus, der das Markenzeichen des Künstlers war.227 Matta-Clark war ausgebildeter Architekt und nutzte für seine Cuttings ganze Häuser als Rohmaterial. Er sägte und bohrte riesige Löcher und Durchbrüche in Wände und Decken, meist in dreidimensional-geometrischen Formen. Im Sinne der Anarchitecture-Gruppe verstand er seine Arbeit als dekonstruktive Geste, mit der er die Strukturen und die Geschichten von Bauwerken faktisch wie symbolisch offenlegte. Matta-Clark erprobte diese Praxis zunächst illegal in leerstehenden Häusern in New York, wurde aber auch bald von Kunstinstitutionen in Europa eingeladen, seine Cuttings an Bauwerken zu realisieren, die abgerissen werden sollten. Das Projekt für Chicago war sein erster entsprechender Auftrag in den USA und auch sein einziges realisiertes Projekt in einem Museum. Ein weiteres Museumsprojekt, das er für das

MoMA entwarf, konnte er nicht mehr umsetzen.228 Das letztendlich realisierte Konzept für Chicago sah sphärische Schnitte vor, die das Gebäude auf einer diagonalen Achse durchzogen (Abb. 4.12). Über mehrere Tage und bei winterlicher Kälte bearbeitete Matta-Clark das Gebäude gemeinsam mit et­ lichen Helfer*innen (Abb. 4.13).229 Der Titel Circus/Caribbean Orange war Thomas Crow zufolge eine »mordant homage to the February climate in which the work had to be completed […] as well as marking a return to his [Gordon Matta-Clarks] fa­ vorite analogy between cutting buildings and slicing food.«230 Das Projekt war anschließend unter Aufsicht des Museumspersonals zu besichtigen, bis das Gebäude zum Museum umgebaut wurde.231 Tina Girouards Performance mit dem Titel Spread fand am 25. Januar 1978 statt. Ein Flyer kündigte die Performance als eine Art Fest an: »This work is designed to celebrate and comment on the coming of the new museum«.232 Wie bei anderen ihrer Projekte ging der Performance in Chicago eine Art Workshop voraus, da Girouard, wie von Crawford angekündigt, bevorzugt mit lokalen Performer*innen arbeitete. Wie Matta-Clark verbrachte also auch sie mehrere Tage vor Ort. Eine weitere Kon­ stante in ihren Werken war der Einsatz von Requisiten, die sie zum Teil vor Ort ausfindig machte, zum Teil mitbrachte. Visuell besonders prägnant ist ein Konvolut von sieben mehrere Meter langen geblümten Seidenbahnen, die Girouard als Solomon’s Lot bezeichnete. Sie waren ein persönliches Erbstück und kamen in vielen ihrer Performances dieser Zeit zum Einsatz.233 227 S. Crow 2007, S. 123–126. 228 Projektskizzen für dieses Projekt in: Kravagna, Christian: It’s Nothing Worth Documenting if it’s Not Difficult to Get. On the Documentary Nature of Photography and Film in the Work of Gordon Matta-Clark. In: Diserens 2007, S. 133– 146, hier 130–131. Keines der großen Projekte Matta-Clarks hat überdauert. 229 Einige von ihnen waren laut Tina Girouard selbst Künstler*innen. S. u. 230 Crow 2007, S. 121. 231 S. Ebd., S. 123. 232 Flyer [1978]: T. Girouard: Spread. A-MCA  P, 1978, Girouard, Oliveiros, Antin, Heyward, Box 3, Mappe 19. 233 Das beschreibt Girouard in einem Interview, in: New Orleans Museum of Art (Hrsg.): Five from Louisiana. Lynda Benglis, Tina Girouard, Richard Landry, Robert Rauschenberg, Keith Sonnier. In: Beilage der Times-Picayune, 30.01.1977, S. 7.

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Girouard bevorzugte besondere Orte für ihre Auftritte, nach Möglichkeit im Außenraum. Der ursprünglich vorgesehene Aufführungsort im ›alten‹ Museum war ihr zu »clean«.234 Als Girouard erfuhr, dass ihr Künstlerfreund Gordon Matta-Clark im Nebengebäude aktiv war, verlegte sie den Aufführungsort ihrer Performance kurzerhand in das Schaufenster an der Frontseite dieses Gebäudes, mitten in Matta-Clarks Baustelle.235 Gemeinsam bauten die Künstler*innen aus Holzpanelen eine Art Bühnenkonstruktion hinter das Fenster. Da die Decke darüber von einem langgezogenen Schnitt durchbrochen war, erfolgte der Zugang zur ›Bühne‹ von oben. Das Publikum verfolgte die Performance vom Bürgersteig aus. Ein Bild zeigt, wie sich etwa 30 Personen in dicker Winterkleidung vor dem erleuchteten Schaufenster versammelt haben (Abb. 4.14). Der Text auf dem Veranstaltungsflyer (Abb. 4.15–4.16) fordert das Publikum wegen der Kälte dazu auf, hin und wieder in das angrenzende Museum einzutreten, »to warm up during the performance. Discuss with your friends any scene you may have missed. The sharing is part of the work.«236 In einem späteren Interview spricht Girouard von insgesamt 21 Performer*innen, die entweder im Schaufenster oder oberhalb agierten.237 Die meisten von ihnen waren Studierende der SAIC.238 Auch Matta-Clark nahm an der Performance teil. Die Aufführung folgte keinem fortlaufenden Narrativ, sondern war eine Aneinanderreihung einzelner Szenen oder Tableaux. Girouard erklärt: The ceiling of the stage had Gordon’s cut, an arc that went all the way through the building. We broke through the roof the day of the performance. Spread referred to all that. […] It was very violent but there were peaceful moments, too. There was a guard dance, one of twelve »scenes.« Four guards in museum uniforms doing a police action, using a chain saw – that was Gordon’s image [Matta-Clark erlebte bei seiner Arbeit mehrfach Zusammenstöße mit Polizei oder Sicherheitsdiensten]. They took mannequins, body parts, took off their uniforms, and put them on the mannequins. The performance ended with a flour fight – everyone was in the costumes Gordon had used to make his piece – jumpsuits and gas masks. The audience was outside, and suddenly a blizzard started, and the flour all merged into the snow as it came down through Gordon’s slice to the roof. At the end you had an array of materials – saws, fa234 »When I arrived at the Museum of Contemporary Art, I saw that the space was too clean, it was a void and wouldn’t work. I knew Gordon was in Chicago, and I assumed he was working far away from the Museum. When I asked where he was, they told me he was working right next door and we walked right over. There was a big picture window in the building he was cutting. Three fellows from Louisiana, there to check out The School of the Art Institute of Chicago, worked for both of us. As a fivesome – plus Gordon’s other workers – we built his piece and mine.« Tina Girouard in: Simon, Joan/Girouard, Tina: Interview. In: Jacob, Mary J. (Hrsg.): Gordon Matta-Clark. A Retrospective. Chicago 1985, S. 121. 235 Ebd. 236 Flyer Girouard, wie Anm. 232. 237 »There were 21 people in the performance – some on stage, others upstairs handing down the props, or singing through Gordon’s slice.« Tina Girouard in: Simon/Girouard 1985, S. 121. 238 »For her Chicago performance, she will be assisted by several students from the School of the Art Institute.« Presse­ mitteilung Girouard, Oliveiros, Antin, Heyward, wie Anm. 224.

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bric, guards, and snow. All of it stayed up fort two weeks, while the sphere of Gordons Circus was cut.239 Die Fotografien aus dem Archiv des MCA zeigen die uniformierten Wachleute, die genannten Schaufensterpuppen und Stoffe (Abb. 4.17–4.20). Auf weiteren Bildern sind die Überreste der auf dem Flyer angekündigten Feier zu sehen. Hier bedecken Luftballons, Konfetti und Spielgeldscheine den Boden des Schaufensters und lassen an eine ausgelassen-dekadente Partyszene denken (Abb. 4.21). Es klang bereits an, dass Matta-Clarks und Girouards Arbeiten nicht nur räumlich, sondern auch inhaltlich aufeinander bezogen waren. Sie zeugen vom Interesse der Künstler*innen an den politischen und sozialen Konnotationen von Räumen und von einer Sensibilität für die Implikationen ihrer Museumsauftritte.240 Da die Arbeiten unmittelbarer Bestandteil der Expansionspläne des Museums waren, wurden die Künstler*innen unweigerlich zu dessen Kompliz*innen. Ihre Beiträge waren dann nicht nur Kunstwerke, sondern zugleich öffentlichkeitswirksame ›Showeinlagen‹ zur Überbrückung der Programmlücke während des Umbaus und zur Bewerbung des Erweiterungsbaus. Girouard spiegelte diese Ambivalenz mit ihrer Performance im Schaufenster, einem kommerziell konnotierten Ort. Auch das Spielgeld lässt sich als ironischer Verweis auf die Verbindungen des Museums zum Kunstmarkt und zu reichen Mäzen*innen lesen. Mit der Anspielung auf die Wachleute rief Girouards Performance Aspekte der Regulierung und Kontrolle durch das Museum auf. Zugleich machte sie eine Berufsgruppe zum Gegenstand ihrer Arbeit, die trotz ihrer Präsenz im Museumsraum oft unsichtbar bleibt. Girouard kehrte gleichsam das Innere des Museums nach außen. Matta-Clark wiederum durchbrach die Wände des (zukünftigen) Museums und sorgte damit für (symbolische) Transparenz. Sein Werk lässt sich als eine sezierende und analytische Geste der Öffnung lesen, die sich sowohl auf das Museum als Institution beziehen kann, als auch auf die Transformation des Ortes vom Wohnhaus zum öffentlichen Museum. Beides waren hochgradig ortsspezifische und zugleich ephemere Werke. Sie waren in dieser Form nur möglich, da sich das Museum derzeit in einer Umbruchs­ phase befand und da die Künstler*innen im Rahmen von Residenzen mehrere Tage oder sogar Wochen vor Ort verbringen konnten. Voraussetzung dafür, dass dieses Projekte ans Museum vermittelt werden konnten, war auch, dass die Künstler*innen bereit waren, museumskompatible Konzepte zu entwickeln und, im Falle MattaClarks, sich auf die Wünsche des Museums einzustellen. Das Museum musste umgekehrt die relative Unberechenbarkeit und Ephemeralität der Werke akzeptieren. Der Auftritt von Julia Heyward wurde wegen des Wintereinbruchs verschoben und fand erst am 25. Mai 1978 statt. Heyward zeigte eine feministische Solo-Performance aus ihrem Repertoire mit dem Titel This Is My Blue Period (Abb. 4.22–4.23),

239 Tina Girouard in: Simon/Girouard 1985, S. 121. 240 Hier lässt sich noch einmal eine Verbindung zu den Themen der Anarchitecture-Gruppe herstellen.

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die im November des Vorjahres im Artists Space Premiere gefeiert hatte.241 Jay Sanders beschreibt diese Performance, vermutlich auf Grundlage einer Videoaufzeichnung, als eine Demonstration von Klang- und Wortakrobatik mit vielschichtigen Referenzen, von Picassos blauer Periode, über Menstruation bis zu blauem Blut.242 Heyward trug den Text in einer Art Trance vor und nutzte dabei die Technik des Bauchredens und eine Trommel als Requisite, die je nach Situation verschiedene Konnotationen erhielt: »[It] became a periscope for an unseen submarine, male and/ or female genitals, or simply a percussion instrument«.243 Nach diesem Auftritt schickte Alene Valkanas einen Brief mit Fotografien der Performance an Crawford und einen weiteren Brief, in dem sie ihren Dank und ihre Vorfreude auf zukünftige Projekte zum Ausdruck bringt: Dear Jane: You were right – Julia was incredible. The audience was taken by force. Thanks for all of your help during the past year in providing Chicago with such important art experiences. I am beginning to plan next season now […] I’m sure we’ll be in touch often.244 Dazu kam es allerdings nicht, da Crawford die Agentur aufgab.245 Einige Künst­ler*in­ nen aus dem Portfolio von API, darunter auch Julia Heyward, traten jedoch in den Folgejahren weiterhin im MCA auf, sodass der Arbeit von API hier eine nachhaltige Wirkung bescheinigt werden kann. Anders als noch bei dem Auftritt von Laurie Anderson im Vorjahr wurden die Werke von Gordon Matta-Clark, Tina Girouard und Julia Heyward vom Museum foto­grafisch dokumentiert. Valkanas schickte das Bildmaterial an Crawford, die es wiederum nutzen konnte, um weiter für ihre Klient*innen zu werben. Für das Mu­ seum selbst war dieses Material, neben einigen Dokumenten, alles, was von den Auftritten blieb. An dieser Stelle wird noch einmal deutlich, dass Performance ›einzukaufen‹ von der Sammlungstätigkeit des Museums völlig unabhängig war und dass der Wert von Performance ein anderer war als der herkömmlicher Kunstwerke. Performances ließen das Museum frisch und lebendig erscheinen, ein Image, das das MCA von Anfang an pflegte. Die wichtigste Quelle für diese ›Frischzellenkur‹ waren nicht etablierte Galerien, sondern, vermittelt durch API, die alternativen Kunst­ räume, wo sich alle genannten Künstler*innen bereits einen Namen gemacht hatten. 241 E-Mail [07.09.2019]: Julia Heyward an Lisa Beißwanger. A-A. 242 Sanders, Jay: Love is an Object. In: Sanders, Jay/Hoberman, J. (Hrsg.): Rituals of Rented Island. Object Theater, Loft Performance, and the New Psychodrama – Manhattan, 1970–1980. New York 2013, S. 27–39, hier S. 27. Das Video zur Performance ist über Electronic Arts Intermix erhältlich. Webseite: Electronic Arts Intermix. Julia Heyward: This Is My Blue Period. https://web.archive.org/web/20201115175707/https://www.eai.org/titles/this-is-my-blue-period (Zugriff: 15.11.2020). 243 Sanders 2013, S. 27. 244 Fotos in: Brief [05.06.1978]: Alene Valkanas an Jane Crawford. A-MCA  P, 1978, Girouard, Oliveiros, Antin, Heyward, Box 3, Mappe 19; Kooperation in: Brief [02.06.1978]: Alene Valkanas an Jane Crawford. A-MCA  P, 1978, Girouard, Oliveiros, Antin, Heyward, Box 3, Mappe 19. 245 Alene Valkanas arbeitete noch bis Mitte der 1980er Jahre im MCA Chicago. Sie wurde anschließend Geschäftsführerin der Illinois Arts Alliance, einen Posten, den sie von 1985 bis 2005 innehatte.

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Sie waren folglich für die New Yorker Avantgarde ein wichtiges Sprungbrett in die Museen und Institutionen. Vermittlung der US-amerikanischen Performance-Avantgarde nach Europa Trotz der Geschlossenheit der Kunstszene von SoHo, reichten die Ambitionen der Künstler*innen weit über die Grenzen New Yorks hinaus, insbesondere nach Europa. Jane Crawford zufolge waren europäische Museen, Festivals und alternative Kunsträume Performance gegenüber sehr viel aufgeschlossener, als Institutionen in den USA.246 Laurie Anderson bestätigt diese Aussage: »Around 1976, I began to do a lot of performances and projects in Europe. At the time it was much easier to work in Europe than in the United States.«247 In vielen Fällen bedeuteten Auftritte in Europa auch eine steigende Aufmerksamkeit und einen wachsenden ›Marktwert‹ im eigenen Land. Die documenta, die im folgenden Abschnitt im Vordergrund steht, gehörte dabei zu den wichtigsten gatekeepern der internationalen Kunstwelt. Crawfords Einstieg in die europäische Szene stand im Zusammenhang mit dem oben erwähnten Ausstellungsprojekt New York – Downtown Manhattan: SoHo, 1976, das ein umfangreiches, von Hildegard Lutze kuratiertes Performanceprogramm einschloss. Crawford war an diesem Projekt zwar nicht direkt beteiligt, doch traten viele ihrer Klient*innen, darunter Laurie Anderson, Jared Bark, Jana Haimsohn, Julia Heyward, Robert Kushner, Larry Miller und Charlemagne Palestine, dort auf.248 Da diese Künstler*innen nun schon einmal in Europa waren, nutzte Crawford die Gelegenheit, um weitere Auftritte für sie zu akquirieren. Sie wandte sich vor allem an alternative Kunsträume, darunter das De Appel Art Center in Amsterdam, ein wichtiger Ort für Body Art und Performance in dieser Zeit, und das Internationaal Cultureel Centrum (ICC) in Antwerpen unter der Leitung von Florent Bex. Sie bot sogar an, mehrere Künstler*innen ›im Paket‹ und zu einem rabattierten Preis zu vermitteln.249 Zunächst fanden aber nur Auftritte von Julia Heyward und Jana Haimsohn im De Appel statt.250 Für den Sommer 1977 ergab sich dann aus dem Kontakt zum ICC Antwerpen Gordon Matta-Clarks großes Cutting-Projekt Office Baroque. Der Kontakt nach Amsterdam erwies sich als besonders fruchtbar. Über Wies Smals, die Leiterin des De Appel, lernte Crawford Marina Abramovic´, Ulay und Ben d’Armagnac kennen.251 Diese Künstler*innen waren Mitte der 1970er-Jahre dem US246 »No one was interested in performance, you know, a handful of places in the U.S. but Europe was very open to it.« I-JC a, 00:24:41. »European museums and galleries and alternative spaces were much more receptive«. I-JC a, 00:25:23. 247 Anderson 1994, S. 128. 248 E-Mail [26.03.2019]: Jane Crawford an Lisa Beißwanger. A-A. 249 Brief [21.09.1976]: Jane Crawford an Wies Smals. A-JC. 250 Julia Heyward am 13.11.1976 und Jana Haimsohn am 16.11.1976. Dazu: Van Mechelen/Gibbs 2006, S. 142–144. Im De Appel fanden später noch folgende Projekte mit API-Künstler*innen statt: Charlemagne Palestine am 25. u. 26.05.1977, s. Van Mechelen/Gibbs 2006, S. 145; 176–177. Laurie Anderson, am 21.–31.05.1977. Ebd., S. 144 u. 174. Connie Beckley: Soundperformance, 01.02.1978. Ebd., S. 168–187. 251 Smals gründete das De Appel 1975. Zuvor betrieb sie die Galerie Seriaal, die auf Multiples spezialisiert war. Zur Geschichte des De Appel s. Van Mechelen/Gibbs 2006, passim. Die drei genannten Künstler*innen lebten in den 1970erJahren ohne festen Wohnsitz und nutzten Smals und das De Appel als Post- und Kontaktadresse.

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amerikanischen Publikum noch gänzlich unbekannt und Crawford war mit ihrer Vermittlungsarbeit maßgeblich daran beteiligt, sie dort bekannt zu machen. Zusammenarbeit mit der documenta 6 Das größte Projekt, an dem Jane Crawford mit API mitwirkte, war die documenta 6, die vom 24.  Juni bis 2.  Oktober 1977 in Kassel stattfand.252 »Documenta was a big deal« erinnerte sie sich, »they [die Künstler*innen] got money, you know, real money for their performances«.253 Crawford war als Vermittlerin involviert und auch persönlich vor Ort. Vertraglich nachvollziehbar vermittelte sie die Künstler*innen Laurie Anderson, Jared Bark, Ralston Farina und Tina Girouard nach Kassel.254 Sie unterstützte aber auch Gordon Matta-Clark bei seinem Beitrag Jacob’s Ladder255 und assistierte Joan Jonas bei ihrer Performance Mirage (1976).256 Matta-Clark wurde vermutlich durch Holly Solomon und Joan Jonas durch Leo Castelli vermittelt. Eine Fotografie, die Crawford dabei zeigt, wie sie an Matta-Clarks Werk arbeitet, – ein riesiges Netz für eine Außeninstallation –, unterstreicht sinnbildlich die These Howard Beckers, dass Kunstwerke immer Produkte kooperativer Prozesse sind (Abb. 4.24).257 Die d6 war die erste documenta mit einem eigenständigen Performanceprogramm.258 Ihr Leitthema lautete Kunst in der Medienwelt – Medien in der Kunst. ›Medien‹ bezog sich dabei sowohl auf künstlerische Medien, im Sinne von Kunst­ gattungen, als auch auf neue Medien, insbesondere die Informations- und Kommu­ nikationstechnologien Video und TV. Manfred Schneckenburger, der künstlerische Leiter der d6 und sein Team verstanden ihr Konzept als Gegenwartsdiagnose und als eine direkte Antwort auf die von Harald Szeemann kuratierte documenta 5, 1972. Nach den »medienbegeisterten« 1960er-Jahren, hieß es, seien nun die »medienkri­

252 documenta GmbH (Hrsg.): documenta 6. Ausst. Kat. Kassel, Fridericianum u. a. (Bd. 1–3) Kassel: Dierichs 1977. 253 I-JC a, 00:55:44. 254 Verträge s. Anm. 276. In verschiedenen Briefen empfahl sie außerdem Chris Burden, Gordon Matta-Clark, Joan Jonas, Max Neuhaus und Dennis Oppenheim, die dann auch Projekte realisierten, sowie Peter Gordon, Julia Heyward, Charlemagne Palestine, Robert Wilson und Larry Miller, die letztlich nicht auftraten. In einem Brief von Jane Crawford an Elisabeth Jappe heißt es, dass Peter Gordon zunächst als Performer vorgesehen war, aber wegen Budgetkürzungen gestrichen wurde. Brief [28.08.1977]: Jane Crawford an Elisabeth Jappe. A-JC. 255 Jacob’s Ladder war eine großmaschige Netzstruktur, die sich von einer Wiese bis zur Spitze eines Industrieschornsteins aufschwang. Dies war die Minimallösung verschiedener Projektvorschläge. Zur Werkgenese s. Diserens 2007, S. 104– 108. 256 Zur Performance: Schmidt, Johann-Karl/Jahn, Andrea (Hrsg.): Joan Jonas. Performance, Video, Installation 1968–2000. Ausst. Kat. Stuttgart, Galerie der Stadt Stuttgart. Ostfildern: Hatje Cantz 2001, S. 124–133; Hinweis auf Crawford: Ebd., S. 228. Jonas war bereits im Rahmen der documenta 5 aufgetreten. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass Leo Castelli als ihr Galerist dafür verantwortlich war, der bereits zuvor mit Harald Szeemann zusammengearbeitet hatte. 257 Crawford dazu in einem Interview: »The next few days and nights we spent locked up in a hotel conference room that was completely filled with rope net. This we wove into a tube that would become a kind of ladder, a stairway to the sky.« Simon, Joan/Crawford, Jane: Interview. In: Jacob 1985, S. 111. 258 Auf der documenta 5 hatte es auch Performances gegeben, unter anderem von Vito Acconci, Ben Vautier, Joseph Beuys, James Lee Byars, Joan Jonas und Jannis Kounellis, allerdings nicht in einem kompakten Programm. Performances waren hier vor allem Teil der Sektion Individuelle Mythologien in einer Unterkategorie mit der Überschrift Selbstdarstellung / Performances / Activities / Changes. documenta GmbH (Hrsg.): documenta 5. Befragung der Realität, Bildwelten heute. Ausst. Kat. Kassel, Fridericianum u. a., Kassel 1972, S. 36.

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tischen« 1970er-Jahre gekommen.259 Es wurden deshalb, auch im Bereich Performance, vor allem Positionen ausgewählt, die ihr eigenes Medium thematisierten, die neue Medien und Technologien einbezogen und/oder sich kritisch mit diesen aus­ einandersetzten. Die Ausstellung sollte außerdem nach dem ›neutralen‹ Ordnungskriterium künstlerischer Medien gegliedert sein. Neben Performancekunst gab es Sektionen für Malerei, Plastik/Environment, Fotografie, Film, Video, Handzeichnungen, Utopisches Design und (Künstler*innen-)Bücher. Die Leitung der sogenannten Performancegruppe übernahm der Kunsthistoriker Joachim Diederichs (Abb. 4.25).260 In seinem Katalogtext Zum Begriff ›Performance‹ definiert er Performancekunst über eine Abgrenzung zu den vorausgegangenen Strömungen Happening, Fluxus und Body Art und verweist erneut auf die Medienund Werkwerdung von Performance und den neuen künstlerischen Pragmatismus, der oben im Zusammenhang mit Performance in SoHo bereits zur Sprache kam. Gegenüber der Entgrenzung der Künste in den 60er Jahren […] zeigt sich in den 70er Jahren eine Konsolidierung der von ›art and life‹-Auffassung geprägten Arbeiten. […] Die Arbeiten sind weniger entgrenzt und unterliegen weniger der Spontaneität, sondern werden sorgfältig durchgeplant und können wiederholt werden. Der Künstler geht mehr vom Individuellen und oft von seiner eigenen Person aus. Die Zeiten wirklichkeitsumfassender Kunstparti­ zipation scheinen vorbei zu sein, verschiedentlich sehen die Künstler ihre Arbeit als eine Art von Unterhaltung.261

259 »Der Medienaspekt bleibt ein archimedischer Punkt, auf den sich das breite Panorama der Gegenwartskunst beziehen läßt«. Schneckenburger, Manfred: O. T. [Einführung]. In: documenta GmbH (Hrsg.): documenta 6. Einführung; Malerei; Plastik/Environment; Performance. (documenta 6, Bd. 1) Kassel: Dierichs 1977, S. 17. Das Konzept der d6 wurde wiederholt als zu formalistisch und unsinnlich kritisiert. Georg Schwarzbauer schreibt zum Beispiel, Performance sei »[i]n puristischer Strenge […] abgehandelt« worden. Schwarzbauer, Georg: Performance. In: Kunstforum International, Bd. 24. 1977, S. 39–139, hier S. 41. 260 Diederichs hatte bei Max Imdahl in Bochum über Allan Kaprow promoviert (Diederichs, Joachim: Allan Kaprow. Werkgenese mit Theorie zu »Kunst und Leben«. Diss. Bochum 1975), und war an Harald Szeemanns Ausstellung Happening & Fluxus 1971 in Köln beteiligt gewesen. Sohm, Hans/Kölnischer Kunstverein (Hrsg.): happening & fluxus. Materialien [Zur gleichnamigen Ausstellung im Kölnischen Kunstverein]. Köln: o.V. 1970. Kasper König, der zuerst als Performancekurator vorgesehen war, sagte wegen Bedenken am Konzept ab. Folgenden Grund gab König in einem Brief an: »Zu oft musste ›Performanze‹ [sic] in den letzten Jahren in vielen internationalen Ausstellungen als Sahne auf dem Kuchen herhalten. Fuer das allgemeine Ausstellungspublikum war es narzisstisches Showbiz, oft in fremder Sprache und sich auf Sprache beziehend, alias ohne Vorinformationen unverbindlich. Unter den Auffuehrungskuenstlern kam es oft zu Honorarquerelen und Frustrationen ueber das gar ausbleibende oder nicht verstaendnisvolle Publikum.« Als größtes Problem sah König das Fehlen des familiären Kontexts, der Performance sonst umgebe und den er als »Lehr/Lernsituationen« bezeichnete, »die in einer Ausstellung wie der documenta nicht durchzufuehren sind.« König erkundigte sich jedoch nach den Möglichkeiten, künstlerische TV-Experimente durchzuführen. Brief [03.10.1975]: Kasper König an Manfred Schneckenburger. A-DOC, d6, Mappe 73. 261 Diederichs, Joachim: Zum Begriff ›Performance‹. In: documenta GmbH [Bd. 1], S. 281–283, hier S. 182–183.

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Abb. 4.1  Brief von Jane Crawford an Alene Valkanas, 18. Oktober 1976. Quelle: A-MCA P, General, Box 3, Mappe 23; Digitalisat: A-MCA.

Abbildungen 4.1– 4.35

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Abb. 4.2  Jane Crawford und Gordon Matta-Clark am Tag ihrer Hochzeit, 1978. Von links unten: Alex Hay, Joseph Kosuth, Richard Nonas, Keith Sonnier, John Giorno und Herb Broderick. Von rechts oben: Mosette Broderick, Anne Alpert (Matta-Clarks ­Mutter), ­Carol Crawford (Crawfords Schwester), Tina Girouard, Ritty Birchfield, Jackie Windsor, ­Suzanne Harris und Sarah Charlesworth. Foto: Richard Landry; Quelle: A-JC; Digitalisat: Jane Crawford.

Abb. 4.3  Anzeige für Art Performances Inc. in der Novemberausgabe des Artforum, 1976. Quelle: Artforum, 15. Jg. 1976, H. 3, o. S. (Anzeigenteil); Digitalisat: Bildstelle Frankfurt.

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Abbildungsteil 4

Abb.  4.4– 4.6  Titelseite, Rückseite und eine Doppelseite der Portfoliobroschüre von Art Performances Inc., ca. 1977. Quelle: A-MCA P, General, Box 3, Mappe 23; Digitalisate: A-MCA.

Abbildungen 4.1– 4.35

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Abb. 4.7– 4.8 Informationsblatt (recto/verso) von Art ­Performances Inc. zu Tina Girouard, ca. 1977. Quelle: A-JC; Digitalisate: Jane Crawford. © VG Bild-Kunst, Bonn 2021.

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Abbildungsteil 4

Abb. 4.9  Flyer für Laurie Andersons Performance Speak Softly, But Carry a Big Stick, MCA Chicago, 6. April 1977. Quelle: A-MCA P, 1977 Harrison, Anderson, Monk, Box 3, Mappe 18; Digitalisat: A-MCA.

Abb. 4.10  Rechnung von Art Performances Inc. an Laurie Anderson, 29. August 1977. Quelle: A-JC; Digitalisat: Jane Crawford.

Abbildungen 4.1– 4.35

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Abb. 4.11  Außenansicht des MCA Chicago, 237–43 East Ontario Street (links), rechts der zukünftige Erweiterungsbau in einem ehemaligen Wohnhaus. Foto: Gordon Matta-Clark; Quelle: A-JC; Digitalisat: Jane Crawford. © VG Bild-Kunst, Bonn 2021.

Abb. 4.12  Gordon Matta-Clark: Untitled (Elevation Plan for ›Circus or The Caribbean Orange‹), 1978, Tusche, Graphit und Umdruckbuchstaben auf Papier und Karton, 34,3 × 50,8 cm, MCA Chicago, Geschenk des Künstlers, 1980.38.2. Foto: Nathan Keay/© MCA Chicago. © VG Bild-Kunst, Bonn 2021.

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Abbildungsteil 4

Abb. 4.13  Gordon Matta-Clark: Circus or The Caribbean Orange (während der Entstehung), MCA Chicago, 1978. Foto: Gordon Matta-Clark; Quelle: A-JC; Digitalisat: Jane Crawford. © VG Bild-Kunst, Bonn 2021.

Abb. 4.14  Zuschauer*innen der Performance Spread von Tina Girouard, MCA Chicago, 25. Januar 1978. Foto: © MCA Chicago; Quelle/Bildquelle: A-MCA. © VG Bild-Kunst, Bonn 2021.

Abbildungen 4.1– 4.35

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Abb. 4.15– 4.16  Flyer (recto/verso) für Tina Girouards Performance Spread, MCA Chicago, 25. Januar 1978. Quelle: A-MCA P, 1978, Girouard, Oliveiros, Antin, Heyward, Box 3, Mappe 19; Digitalisat: A-MCA. © VG Bild-Kunst, Bonn 2021.

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Abbildungsteil 4

Abb. 4.17– 4.21  Szenen der Performance Spread von Tina Girouard, MCA Chicago, 25. Januar 1978. Foto: © MCA Chicago; Quelle/Bildquelle: A-MCA. © VG Bild-Kunst, Bonn 2021.

Abbildungen 4.1– 4.35

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Abb. 4.22  Kontaktabzug mit Szenen aus Julia Heywards Performance This Is My Blue Period, MCA Chicago, 26. Mai 1978. Fotos: © MCA Chicago/Tom Van Eynde; Quelle/Bildquelle: A-MCA.

Abb. 4.23  Auszug aus dem Konzept zur Performance This Is My Blue Period von Julia Heyward. Quelle/Digitalisat: Julia Heyward.

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Abbildungsteil 4

Abb. 4.24  Jane Crawford arbeitet an Gordon Matta-Clarks Werk Jacob’s Ladder für die documenta 6, Kassel, 1977. Foto: Gordon Matta-Clark; Quelle: A-JC; Digitalisat: Jane Crawford. © VG Bild-Kunst, Bonn 2021.

Abb. 4.25  Laurie Anderson und Joachim Diederichs während der documenta 6, Kassel, 1977. Foto: © documenta archiv/Dieter Schwerdtle; Quelle/Digitalisat: documenta archiv.

Abbildungen 4.1– 4.35

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Abb. 4.26  Vertrag zwischen der documenta GmbH und Laurie Anderson (vertreten durch Jane Crawford/Art Performances Inc.), 23. Mai 1977. Quelle: documenta archiv, Signatur: AA, d06, Mappe 74, fol. 106; Digitalisat: © documenta archiv.

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Abbildungsteil 4

Abb. 4.27  Laurie Anderson in Songs (Geschichten und Lieder) während der documenta 6, Kassel, September 1977. Foto: © documenta archiv/Dieter Schwerdtle; Quelle/Digitalisat: documenta archiv.

Abb. 4.28  Laurie Anderson in Songs (Geschichten und Lieder) während der documenta 6, Kassel, September 1977. Foto: © documenta archiv/Ingrid Fingerling; Quelle/Digitalisat: documenta archiv.

Abbildungen 4.1– 4.35

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Abb. 4.29  Performative Intervention von Tina Girouard und Gerard Murrell auf dem Dach der Orangerie in Kassel während der documenta 6, Kassel, gesamte Aktion: 14.–17. September 1977. Foto: Unbekannt; Digitalisat: Bonhams. © VG Bild-Kunst, Bonn 2021.

Abb. 4.30  Haftungsverzicht, unterzeichnet von Tina Girouard und Gerard Murrell, 16. September 1977. Quelle: documenta archiv, Signatur: AA, d06, Mappe 74, fol. 50; Digitalisat: © documenta archiv.

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Abbildungsteil 4

Abb. 4.32–4.33  Tina Girouard und Gerard Murrell in Tina Girouards Performance Cultural Kaleidoscope auf dem Rathausplatz in Kassel, documenta 6, Kassel, 17. September 1977. Fotos: © documenta archiv/­Ingrid Fingerling; Quelle/Digitalisate: documenta archiv.

Abb. 4.31  Gerard Murrell in Tina Girouards Performance Camouplage (sic) camouphlage in der Kasseler Karlsaue, documenta 6, Kassel, gesamte Aktion: 14.–17. September 1977. Foto: © documenta archiv/Ingrid Fingerling; Quelle/Digitalisat: documenta archiv.

Abbildungen 4.1– 4.35

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Abb. 4.34  Gordon Matta-Clark am Stand von Art Performances Inc. auf dem Internationalen Kunstmarkt Köln, 1977. Foto: Jane Crawford; Quelle: A-JC; Digitalisat: Jane Crawford.

Abb. 4.35  Informationswand zur Performancereihe Concept in Performance, kuratiert von Elisabeth Jappe in Zusammenarbeit mit Jane Crawford, Internationaler Kunstmarkt Köln, 1977. Foto: Jane Crawford; Quelle: A-JC; Digitalisat: Jane Crawford.

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Abbildungsteil 4

Im selben Text heißt es: In zunehmendem Maße erinnern sich die Künstler auch wieder der vielgeschmähten Institutionen; Kunsthallen werden als doch brauchbare Orte der Vermittlung akzeptiert. Auch die Dokumentation der Performances erhält einen neuen Stellenwert. Die Künstler, die nicht mehr – wie vielfach in den 60er Jahren – sich in ihrer Spontaneität und der Unwiederholbarkeit der Aktion durch Festgeschriebensein in Dokumenten gefährdet sehen, weisen ihr mehr Bedeutung zu. In manchen Fällen wird dabei das Dokument wichtiger als die Performance, namentlich beim Videotape.262 Diederichs konzentrierte sich für sein Programm dennoch ausschließlich auf LivePerformances. Im Gesamtbudget der d6 von etwa 5 Mio. DM schlug die Performancesektion mit einem Budget von knapp 100 000 DM nur marginal zu Buche. Das Hauptaugenmerk der Schau lag auf großen Installationen und Projekten, die zum Teil auch noch heute vor Ort sind, darunter Walther de Marias Vertical Earth Kilometer. Um eine Vergleichsgröße zum Performancebudget zu nennen: dieses Werk kostete etwa 750 000 DM, wurde allerdings durch Spenden finanziert. Diederichs stand bei der Zusammenstellung seines Programms unter zeitlichem und finanziellem Druck.263 Seine Arbeitsnotizen im documenta archiv lassen ver­ muten, dass er anstelle von teuren und zeitintensiven Recherchereisen auf ein inter­ nationales Netzwerk regional spezialisierter Berater*innen setzte.264 Jane Crawford gehörte zu seinen Kontaktpersonen für die US-amerikanische Ostküste, ebenso Holly Solomon (die Diederichs während der SoHo-Ausstellung in Berlin traf) und Lutze, die wiederum mit Holly Solomon zusammenarbeitete.265 An der Westküste stand Diederichs mit Tom Marioni in Kontakt, dem Leiter und Gründer des MOCA

262 Ebd., S. 281. 263 Seine Vorbereitungen begannen wahrscheinlich erst nach der Absage Kasper Königs im Oktober 1975, vermutlich im Frühjahr 1976, als das Konzept der d6 offiziell bekanntgegeben wurde. Interne Vorlage: Konzept der documenta 6. A-DOC, d6, Mappe 55. 264 Diederichs reiste nachweislich zur SoHo-Ausstellung in Berlin und er besuchte das De Appel in Amsterdam, um Videoaufzeichnungen von Performances zu sichten. Eine Reise nach New York scheint er nicht unternommen zu haben. In den documenta-Akten finden sich die Namen folgender Kontaktpersonen: Vito Acconci, Hugh Adams, Lawrence Alloway, David Antin, Jeffrey Deitch, Peter Frank, Kasper König, Max Kozloff, Jennifer Licht, Lucy Lippard, Hildegard Lutze, Stephan Reichardt, Moira Roth, Wies Smals und Willoughby Sharp. Interne Dokumente: Vorbereitungen Performance Gruppe. A-DOC, d6, Mappe 73–74. Das Whitney Museum, das Guggenheim und das MoMA sollten ebenfalls kontaktiert werden, bezüglich der Frage nach den Kosten und der Resonanz bisheriger Performanceveranstaltungen dort. Internes Dokument: 1. Künstlerliste der Einladungen für d6 (amerikanischer Bereich), A-DOC, d6, Mappe 73. In Chicago wurde bereits im Mai 1975 der Katalog zu Bodyworks angefordert. Korrespondenz: MCA Chicago (Katherine McHale) und Performancegruppe. A-DOC, d6, Mappe 105. Kontakt bestand auch zum alternativen Kunstraum 112 Greene Street sowie den Galerien M.L. D’Arc und Holly Solomon. Internes Dokument [1. Künstlerliste], s. o. 265 Solomon schrieb in diesem Zusammenhang: »Lutze has reviewed with me all the performing artists just last night and we both concluded that all important artists were either included at Berlin or well known to you already.« Brief [03.11.1976]: Holly Solomon an Joachim Diederichs. Ebd.

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in San Francisco.266 Weitere Kontaktpersonen gab es in Italien, Kanada, England und den Niederlanden.267 Aus finanziellen Gründen verkleinerte Diederichs im Laufe der Planung seine Künstler*innen-Auswahl und strich Positionen wie Robert Wilson oder Charle­magne Palestine, mit der Begründung, dass sie in seinen Augen »außerhalb des Bereichs bild. Kunst [sic] stehen«.268 Das Programm umfasste schließlich vierzehn Künst­ler*innen, von denen sechs aus den USA kamen, vier davon durch API vermittelt. Diederichs bündelte das Programm zu zwei Blöcken, die zum Auftakt und gegen Ende der Schau stattfanden. Damit erhielt das Medium Performance eine beacht­ liche Präsenz, trotz der eher geringen Gewichtung im Gesamtprogramm.269 Auch das Eröffnungswochenende der d6 stand ganz im Zeichen von Performance. Am Eröffnungstag gab es drei medienwirksame TV-performances von Nam June Paik (mit Charlotte Moorman), Joseph Beuys und Douglas Davis, die zur besten (deutschen) Sendezeit weltweit über Satellit ausgestrahlt wurden.270 Ebenfalls im Rahmen der Eröffnung, in einer Tiefgarage, fand die Performance Expansion in Space von Marina Abramovic´ und Ulay statt.271 Eine im Stadtraum besonders sichtbare Aktion war Antoni Miraldas Fest für Leda, eine »allegorische Prozession für 1000 Teilnehmer« vom Friedrichsplatz über die schöne Aussicht in die Karlsaue.272 Ben d’Armagnac zeigte zwei vierstündige Ritualperformances im Zwehrenturm des Fridericianum, wo er auch mehrere Tage in Klausur und ohne Publikum verbrachte. Weitere Performances im ersten Programmblock waren Auftritte und Inszenierungen von Stuart Brisley, Bruce McLean, HA Schult, Scott Burton, Reindeer Werk, Jürgen Klauke und Gina Pane. Die vier API-Künstler*innen Laurie Anderson, Jared Bark, Ralston Farina und Tina Girouard sowie der österreichische Künstler Helmut Schober waren dann Teil des zweiten Performanceblocks. Zu diesen Auftritten finden sich im documenta archiv vor allem technische Hinweise sowie ein anonymer handschriftlicher Augenzeugenbericht zu allen Positionen.273 Visuelles Dokumentationsmaterial liegt der Mediensammlung des documenta archivs zu den Auftritten von Tina Girouard und Laurie Anderson vor.274 Eine systematische Dokumentation der Auftritte fand seitens 266 Korrespondenz [1977]: Joachim Diederichs und Tom Marioni. A-DOC, d6, Mappe 74. 267 Das bezeugen diverse Briefwechsel im documenta archiv, deren Auswertung ein Forschungsdesiderat ist. A-DOC, d6, Mappe 73. 268 Internes Dokument [1. Künstlerliste], wie Anm. 264. 269 Eine ähnliche Programmierung hat sich heute für Performance auf Biennalen etabliert. 270 Diese Performances sowie eine Aktion von HA Schult am folgenden Abend (ein inszenierter Flugzeugabsturz bei New York, der als Realzeitaktion live nach Kassel übertragen wurde) gingen als die ersten künstlerischen Live-TV-Projekte in die Geschichte ein. 271 Die beiden Künstler*innen warfen sich dabei wiederholt mit ihren entblößten Körpern gegen zwei eigens dafür aufgestellte Pfeiler, die sich dabei Stück für Stück auseinanderbewegten. Abbildungen und Konzept der Performance in: Abramovic´, Marina/Ulay: Relation Work and Detour. Amsterdam: Idea Books 1980, S. 54–61. 272 Die Prozession fand am 25. Juni 1977 um 16 Uhr statt. Einladung [Presse]: documenta 6. A-DeAp. 273 Internes Dokument: O. A.: Augenzeugenbericht, d6-Performances. A-DOC, d6, Mappe 73. 274 A-DOC Bild digital. Die Performances von Tina Girouard wurden in über 300 Bildern festgehalten. Beide Bildkonvolute sind Spenden privater Fotograf*innen.

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der documenta offenbar nicht statt. Der Ausstellungskatalog widmet allen Künst­ ler*innen des Performanceprogramms eine Doppelseite mit einem einführenden Text und einigen Bildern.275 Knapp gehaltene Verträge, die im documenta archiv aufbewahrt werden, regelten die Rahmenbedingungen für die Teilnahme der Künstler*innen (Abb. 4.26).276 Dazu gehörte die Länge der Aufenthalte und die Übernahme der Reise- und Übernachtungskosten, die Honorare und die Zahl der Auftritte. Alle API-Künstler*innen sollten mehrfach auftreten. Die Honorare waren mit 2 000  DM, beziehungsweise 1 800  DM für Ralston Farina, verhältnismäßig großzügig bemessen.277 Zudem bestand die Möglichkeit, auf Anfrage eine Assistenzperson zu einem Stundenlohn von 20 DM zu beschäftigen. Als Auftrittsort wurde der Apollosaal der Orangerie angeboten, Probezeiten konnten auf Anfrage arrangiert werden. Alle Verträge wurden von Diederichs und Crawford (im Namen der Künstler*innen) am 23.  April 1977 in Kassel unter­ zeichnet.278 Der Ausstellungskatalog kündigt vier Performances von Laurie Anderson im Apollosaal der Orangerie an. Das war ein Auftritt weniger, als es der Vertrag vorsah.279 Dazu werden drei Titel aus Andersons Repertoire genannt: For Instants – Part IV, For Instants – Part V und Songs.280 For Instants – Part IV war auch der Titel von Andersons Auftritt im Whitney Museum, 1976.281 For Instants - Part V hatte sie im April 1977 im Rahmen des Symposiums an der University of Wisconsin und im Mai 1977 im De Appel Art Center gezeigt. Im Katalog der documenta heißt es dazu: In »For Instants – Part 5« werden in stärkerem Maße Film, Dia und Tonband benutzt. Die Violine und ihr Bogen stehen im Mittelpunkt; dabei ist der Bogen anstelle von Roßhaar mit einem Tonband bespannt und in der Geige ein elektrischer Tonkopf installiert. Dreißig verschiedene Bögen, jeder mit einer ande-

275 Da zwischen Drucklegung des Katalogs im Frühjahr 1977 und den Aufführungen mehr als ein halbes Jahr verging, sind die dort abgedruckten Angaben keine zuverlässige Quelle. Die vermutlich exakteste Orientierung zu den Titeln und Daten der Aufführungen geben kopierte Handzettel, die wahrscheinlich vor Ort in Kassel an Besucher*innen ausgegeben wurden. Einige davon werden im De Appel Achiv aufbewahrt. (Auch diese Daten sind nicht gesichert.) Georg Schwarzbauer kritisierte »spätere Verschiebungen […] Nichteinhalten bestimmter Angaben und Termine« und »Fehler einer oft mehr als schlampigen Organisation.« Schwarzbauer 1977, S. 39–139, hier S. 50. 276 Verträge: documenta GmbH und versch. Künstler*innen (vertreten durch Jane Crawford). A-DOC, d6, Mappe 74. 277 2000 DM 1977 wären in 2019 etwa 1200 EUR. Berechnet mit: Webseite: Inflationsrechner. Deutschland. https://web.ar chive.org/web/20201111171830/http://www.lawyerdb.de/Inflationsrechner.aspx (Zugriff: 11.11.2020). Warum Farina eine kleinere Gage erhielt, ist unklar, möglicherweise weil er weniger bekannt war oder da seine Auftritte kürzer waren. 278 Verträge [Art Performances], wie Anm. 276. 279 O. A.: Laurie Anderson. In: documenta GmbH [Bd. 1], S. 286–287, hier S. 286. Vertrag: documenta GmbH und Laurie Anderson (vertreten durch Jane Crawford). A-DOC, d6, Mappe 74. In den Handzetteln aus dem De Appel Archiv (s. Anm. 275) finden sich widersprüchliche Angaben zum Ort, möglicherweise performte Anderson auch im Fridericianum. Folgende Performancedaten geben die Handzettel an: Sa. 10.09., 12:00 Uhr und 16:00 Uhr; So. 11.09., 11:00 Uhr. Die im Katalog angegeben Performance am 13.09. fand möglicherweise nicht statt. 280 Ebd. 281 Im Katalogtext der documenta wird zu diesem Stück die Projektion des Fensters mit wehenden Gardinen erwähnt sowie die Kerzenflamme, die durch den Atem der Künstlerin einen Scheinwerfer zum Flackern brachte. O. A.: Laurie Anderson. In: documenta GmbH [Bd. 1], S. 286–287, hier S. 286.

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ren gespeicherten Information, werden in dem Stück benutzt und individuell experimentierend gehandhabt.282 Anderson zeigte auf der d6 also Ausschnitte aus ihrem Repertoire, die ähnlich wie zuvor im MCA Chicago oder im Whitney Museum von einer engen Verzahnung live vorgetragener Musik, Sprache und Bewegtbild lebten. Der Augenzeugenbericht beschreibt das Programm Songs: Zur Aufführung gelangten ›Songs‹ – da für andere Werke der Künstlerin das Filmmaterial abhanden kam – eine Anthologie von 14 Stücken, die meist mit Stimme und Geige arbeitend eher vom Ton (›Armchair-Song‹, ›Fifty Cycle Hum‹) oder eher vom Bild aus (›Duets‹) bestimmt waren und auch da zuweilen Text hinzu nehmen: I am / in my / body the way / most people drive / in their cars.283 Fotografien im digitalen Bildarchiv der documenta zeigen Ausschnitte von Andersons Auftritten.284 Auf einigen ist sie gemeinsam mit anderen Musiker*innen zu sehen, auf anderen steht sie dem Publikum allein gegenüber.285 Auf zwei der Bilder, vermutlich bei Einzelauftritten entstanden, trägt sie Alltagskleidung: ein braunes T-Shirt über einer weißen Bluse, dazu weite, dunkle Hosen (Abb. 4.27–4.28).  Auf dem ersten dieser Bilder steht sie, Violine spielend, vor einem Mikrofon. Neben ihr, auf einem grob gezimmerten Kasten, liegen eine Violine und drei ihrer manipulierten Geigenbögen. Am anderen Ende des Kastens sitzen und stehen einige junge Zuschau­ er*innen. Es herrschte offenbar keine Trennung zwischen Bühne und Publikum, sondern eher eine intime und informelle Atmosphäre, die an Andersons Straßenauftritte der Zeit erinnert. Das zweite Bild zeigt Anderson aus der Perspektive des Publikums, dem sie den Rücken zukehrt. Auch hier spielt sie auf der Violine und steht dabei vor einer Wand, auf die gerade eine große Zielscheibe projiziert wird. Am linken Rand des Projektionsfeldes ist Andersons Schatten zu sehen, der sich beim Bewegen des Bogens auf die Mitte der Zielscheibe zubewegt haben dürfte. Der Augenzeugenbericht kommentiert diese Szene mit: »die vernehmbare Essenz: ins Schwarze treffen.«286 Jared Barks Beitrag Krishna Concrete wurde an insgesamt drei Terminen im Erdgeschoss des Fridericianum aufgeführt.287 Auch hier hatte die Premiere schon zuvor, im Februar 1977, in The Kitchen in New York stattgefunden. Sally Banes, die die Premiere rezensierte, spricht von einem »rich, colorful mosaic, playing on incon­ gruities and ambiguities.«288 Titel und Thema des Stücks waren inspiriert von einer 282 Ebd. 283 Internes Dokument [Augenzeugenbericht], wie Anm. 273. 284 A-DOC Bild digital. 285 Die Bilder konnten den einzelnen Auftritten nicht zweifelsfrei zugeordnet werden. 286 Internes Dokument [Augenzeugenbericht], wie Anm. 273. 287 Sa. 10.09. um 19:30 Uhr und um 18:00 Uhr; So. 11.09. um 15 Uhr, alle Vorführungen im Apollosaal der Orangerie. 288 Banes, Sally (Hrsg.): Subversive Expectations. Performance Art and Paratheater in New York, 1976-85. Ann Arbor: U of Michigan P 1998. S. 32–33, hier S. 33.

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Indienreise des Künstlers und dem Namen einer indischen Beton-Marke namens ›Krishna Concrete‹, eine Anekdote, die während der Performance erzählt wird. Banes erklärt: The joke, of course, is that Krishna is the concrete form of the Hindu god Vishnu, the Sun and the Preserver. Krishna actually means dark, or black. Krishna Concrete explores with a wry, gentle humor the polarities and double meanings emerging in our culture as that curious hybrid, American Hinduism, gains popularity. Here Christ and Krishna are inextricably amalgamated.289 Einen Eindruck der Performance vermittelt die Aufzeichnung einer Neuinszenierung aus dem Jahr 2014 im Whitney Museum.290 Hier reihen sich viele recht unterschied­ liche Einzelszenen aneinander. Zu Beginn steht ein auf einen Sockel montierter Monitor im Mittelpunkt, der einen sprechenden Männerkopf zeigt. Auf den Sockel werden verschiedene Körper projiziert, meist Ausschnitte aus historischen Kunstwerken. Dazu erzählt der Mann kurze (autobiografische) Anekdoten, die sich um die Themen Religion und Licht drehen. In einer anderen Szene wird ein kleines Haus aus Streichhölzern vor den Augen der Zuschauer*innen entzündet und abgebrannt. Die Performance endet mit einem riesigen leuchtenden Gesicht, das sich aus zwei aufgespannten und beleuchteten (Regen-)Schirmen als Augen, einem Baustellenhütchen als Nase und zwei Neonröhren als Mund zusammensetzt. Darunter und dahinter verbergen sich drei schwarz gekleidete (und damit fast unsichtbare) Performer*innen, die die genannten Gegenstände halten. Einer von ihnen sitzt in einem Rollstuhl und wird von den beiden anderen geschoben, sodass sich das Gesicht auf das Publikum zubewegt. Zur musikalischen Begleitung der Performance gehörten »Indian and  Gregorian chants, a blues hymn, and ›The Road to Mandalay‹ sung by Frank Sinatra.«291 Wie Sally Banes betont auch der Augenzeugenbericht das Ineinanderweben oder Überblenden von Krishna- und Christusikonographie in Barks Performance sowie den vielfältigen Einsatz von Lichteffekten.292 Wie in der Inszenierung Zero G im Whitney Museum, 1976, handelte es sich bei Krishna Concrete um ein MultivisionsSpektakel. Der Künstler trat darin nicht selbst auf. Bark erklärte in einem Brief an Diederichs, dass er die Inhalte seiner Performances zwar aus persön­lichen Erfahrungen ableite, er es aber vorziehe, sich nicht selbst als Performer zu exponieren.293 Die

289 Ebd., S. 32. 290 Video: Krishna Concrete (1977) – by Jared Bark – Whitney Museum [2014]. Farbe, Ton, 31:27 Min. Online: https://web. archive.org/web/20210210191124/https://vimeo.com/84520030 (Zugriff: 10.02.2021). 291 Banes 1998, S. 33. 292 Internes Dokument [Augenzeugenbericht], wie Anm. 273. 293 Bark schreibt: »It’s painful for me to feel as vulnerable as I do as a performer. So I maintain a neutral persona. I feel too private to come forward. I attempt to make the images expressive rather than to express myself through my actions.« Bark, Jared: Letter to Joachim Diederichs, November 3, 1976. In: Pollack, Maika (Hrsg.): Jared Bark. Photobooth Works and Performance Videos, 1969–1976. O. O.: BLURB 2016, S. 1–5, hier S. 4. »In my work, I’m increasingly looking to my own experience for my material.« Ebd. »I value the teachings of others, but I feel the necessity of an art that springs from my self—no systems, no metaphysics.« Ebd., S. 5.

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Hauptrolle spielten stattdessen Licht- und Toneffekte sowie verschiedene Gegenstände, die zum Teil durch Helfer*innen animiert wurden. Der Beitrag von Tina Girouard, gemeinsam mit dem Performer Gerard Murrell, fand an verschiedenen Orten in Kassel statt.294 Das verbindende Element waren erneut die geblümten Seidenbahnen Solomon’s Lot. Eine waghalsige Szene fand auf dem Dach des Mittelrisalites der Kasseler Orangerie statt, wo Girouard und Murrell die Stoffe zwischen zwei Skulpturen auf der frontalen Brüstung spannten, die sie zu­ sätzlich mit Goldruten-Bündeln schmückten (Abb. 4.29).295 Um an diesem Ort auftreten zu dürfen, mussten die Künstler*innen einen Haftungsverzicht unterzeichnen (Abb. 4.30).296 Für ähnliche, kürzere rituelle Aktionen, die in der Mediensammlung des documenta archivs alle mit Camouplage [sic] camouphlage bezeichnet werden, hängten die Künstler*innen die Stoffbahnen in Bäume, legten sie im Gras aus oder zogen sie durch einen Wasserlauf in der Karlsaue (Abb. 4.31).297 Nachdem auf diese Weise die mitgebrachten Stoffe zur Kasseler Umgebung in Beziehung gesetzt waren, wurden sie Teil der Hauptperformance Cultural Kaleidoscope vor dem Kasseler Rathaus.298 In diesem mehrstündigen Performanceritual trugen die Performer*innen zunächst die Stoffbahnen von der Rathaustreppe hinunter auf den Rathausplatz und legten sie dort in einem großen Kreuz aus (Abb. 4.32–4.33). Anschließend trugen sie, in wechselnde Kostüme gekleidet, verschiedene Gegen­ stände in das Werk, darunter Kohlköpfe, Spielzeug und Blumen.299 Im Augenzeugen­ bericht heißt es: Die vorgegebene Idee ist, aus verschiedenen Richtungen charakterisierende Objekte zusammenzusuchen und diese auf einer Bodenfläche in ein Ordnungs­ gefüge mittels einer Kreuzform von Stoffbahnen zu bringen. Die Materialien werden auf der Freitreppe abgestellt, um dann nach und nach mit rituellen Gesten ins Werk getragen zu werden.300 Wie in zwei früheren Werken Girouards, Bowl and Belly (1976) und Pinweel (1977), sollte auch hier ein symbolisches Porträt des Ortes und seiner Menschen entste-

294 Vorbereitende rituelle Handlungen: Mi. 14.09. u. Fr. 16.09., jeweils um 15 Uhr; Hauptperformance: Sa. 17.09., um 16 Uhr. 295 Die Pflanze wählte sie möglicherweise wegen ihres Symbolgehalts, denn sie ist ursprünglich ein nordamerikanisches Gewächs. 296 Haftungsverzicht [16.09.1977]: Tina Girouard u. Gerard Murell – documenta GmbH, A-DOC, d6, Mappe 74. 297 Beide trugen tarnfarbene Kleidung und hatten eine Fotokamera bei sich. Als Ort der erstgenannten Handlungen nennt die Beschreibung »ein[en] Schutthügel«. Internes Dokument [Augenzeugenbericht], wie Anm. 273. Vermutlich handelte es sich um den sogenannten Motzberg, unweit der Innenstadt. Bei dem Wasserlauf handelte es sich wahrscheinlich um die kanalisierte Drusel in der Karlsaue. 298 Im Katalog der d6 wird das Stück als New York – Kassel bezeichnet. O. A.: Tina Girouard. In: documenta GmbH [Bd. 1] 1977, S. 300–301, hier S. 300. Girouard wählte den Rathausplatz wahrscheinlich wegen seines repräsentativen Charakters und seiner prominenten Lage in der Kasseler Fußgängerzone. In einem späteren Interview erklärte sie, dass ihr Interesse an Orten wie diesem aus ihrer Beteiligung an der Anarchitecture-Gruppe erwuchs. Simon/Girouard 1985, S. 121. 299 Weitere Gegenstände waren Gongs, eine Sense, Mehl, ein Radio, eine Kamera, Klappmesser, Schlüssel, Verbotsschilder, Patronen, Geld und Schafswolle. Internes Dokument [Augenzeugenbericht], wie Anm. 273. 300 Ebd.

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hen.301 Diese Praxis war Girouard zufolge inspiriert von den »religious paintings of Tibet, and by the rituals of the American Indian.»302 Auch Girouard bezog also, wie zuvor Jared Bark, Elemente ›fremder‹ Kulturen in ihre Performances ein, ein Inter­ esse, das in den 1970er-Jahren verbreitet war und damals nicht, wie dies heute vielleicht der Fall wäre, als kulturelle Appropriation, sondern eher als eine universalis­ tische Geste spiritueller Öffnung verstanden wurde. Das Kasseler Publikum, das in einem großen Kreis um Girouards Aufführung herumstand, wurde in einigen Szenen in die Performance einbezogen, zum Beispiel wurden Wunderkerzen herumgereicht, oder am Ende der Performance die verwendeten Gegenstände an das Publikum verschenkt.303 Ralston Farina sollte insgesamt fünf Auftritte absolvieren.304 Im Katalog wurde sein Beitrag unter dem Titel TIME // TIME – A Portrait of a Half Hour – Episode 1000 angekündigt. Dass Farina die tausendste Episode – wahrscheinlich eine fiktive Zahl – seiner Time//Time-Reihe für die documenta vorbehielt, verweist auf die Bedeutung, die er dem Auftritt dort zumaß. Farina, dessen erklärtes Medium die Zeit war, ist heute beinahe unbekannt, galt aber in den 1970er-Jahren als großes Talent.305 John Howell bescheinigte ihm 1977 herausragende Qualitäten als Entertainer und betonte zugleich eine besondere philosophische Tiefe seiner Werke.306 Zu Farinas Auftritten gibt es keine visuelle Dokumentation, was dem Wunsch des Künstlers entspricht, der eine Aufzeichnung seiner Auftritte ablehnte. Interessant ist, dass es ihm dabei nicht um die unwiederbringliche Authentizität des Live-Moments, sondern um das Copyright ging.307 Eine seltene Aufzeichnung einer späteren Per­ formance sowie der Augenzeugenbericht geben eine Idee davon, was Farina in Kassel präsentierte.308 Wie in allen seinen Time//Time-Performances trat er als eine Art Stand-up-Comedian auf und führte seinem Publikum auf unterhaltsame und humorvolle Weise verschiedene Qualitäten von Zeit vor Augen. Er hantierte dazu mit

301 Bowl and Belly: Sarah Lawrence College, New York, 1976. Aufführung mit Mercedes Deshotel. Pinweel: New Orleans Museum of Art, 1977. Aufführung mit Mercedes Deshotel, John Geldersma und Gerard Murrell. 302 Girouard über ihre rituelle Performancepraxis, in: New Orleans Museum of Art 1977, S. 8. 303 Die Wunderkerzen sind auf einem hier nicht abgebildeten Foto im documenta Bildarchiv zu sehen. Von den verschenkten Gegenständen berichtet der Augenzeugenbericht. Internes Dokument [Augenzeugenbericht], wie Anm. 273. 304 So. 11.09., Di. 13.09., Mi 14.09., Do. 15.09. jeweils um 17:00 Uhr; Sa. 19.09. um 11:00 Uhr, alle Auftritte im Apollosaal der Orangerie. Daten aus den Handzetteln im De Appel Archiv, wie Anm. 275. 305 Farina wurde vor wenigen Jahren im Rahmen einer Ausstellung des Whitney Museum ›wiederentdeckt‹, doch blieben dort seine Auftritte in Europa und auch seine documenta-Teilnahme unerwähnt. Bildstrecke zu Farina im Ausstellungskatalog: Sanders, Jay/Hoberman, J. (Hrsg.): Rituals of Rented Island. Object Theater, Loft Performance, and the New Psychodrama – Manhattan, 1970–1980. Ausst. Kat. New York, Whitney Museum of American Art. New York 2013, S. 60–65. 306 »Imagine a cross between Ernie Kovacs and Henri Bergson and you might come up with Ralston Farina. […] Whatever its ontological status, what takes place in a Farina performance moves toward theatre, being as much entertainment as philosophy.« Howell 1977, S. 36–37. 307 »Farina rarely allowed his quick and unexpected routines to be photographed, fearing that his ideas would fall into the hands of lesser artists«. Sanders 2013, S. 38. 308 Diese Performance fand 1980 in The Kitchen statt. Video: Ralston Farina »Aleatoire Je Ne Sais Quoi« at The Kitchen (May 8, 1980). S/W, Ton, 47:16 Min. Online: https://web.archive.org/web/20210210192505if_/https://vimeo.com/­ 221294727 (Zugriff: 10.02.2021).

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unterschiedlichen Gegenständen – Peter Frank spricht deshalb von »›Device‹Theater« –, er verließ die Bühne für eine bestimmte Dauer oder rauchte Zigaretten und machte so das Vergehen von Zeit sichtbar.309 Die Performances zeichneten sich zugleich durch einen intensiven Medieneinsatz aus, darunter Film- und Diaprojektionen sowie Musikeinspielungen. Farina selbst verglich seine Auftritte mit Episoden einer TV-Serie, was die Reihentitel erklärt.310 Folgende Szenen skizziert der Augenzeugenbericht: Mikadowürfe oder gelegte Lineale – Zeit Komposition à la Futurismus; ein Sammelsurium von Dingen, die aus einem Klappordner entgleiten – Zeit durch Abfolge; Kornflakes, die aus einer Tüte fallen eine Kornflakestüte die aus einer Schachtel fällt, eine Kornflakes-Schachtel die fällt – Zeit durch Modifikation; wenn ein Schirm aufspringt, ein Ball entgegenkommt oder ein, zwei, gar vierfach Zigaretten geraucht werden, wird auf die Zeit in ihrer Dauer gewiesen. Innerhalb der Spanne einer halben Stunde finden die Zeitelemente eine Ordnung von Langeweile bis zu einem Verfolgungsfinale hin.311 Der Vergleich der beschriebenen Positionen zeigt, dass sich die Arbeiten von Ralston Farina, Laurie Anderson und Jared Bark allesamt durch einen umfangreichen Einsatz neuer Medien auszeichneten und damit Diederichs These vom (TV-)Showcharakter damals aktueller Performancekunst stützten. Einige der europäischen Positionen standen dazu in deutlichem Kontrast. Die Auftritte von Ben d’Armagnac oder Marina Abramovic´ und Ulay, aber auch von Helmut Schober, der im zweiten Performanceblock auftrat und eine Körperaktion in der Tradition des Wiener Aktionismus zeigte, hatten einen ungleich existenzielleren Charakter.312 Sie bedienten sich einer symbolischen Bildsprache, verzichteten auf den Einsatz technischer Hilfsmittel und fokussierten ganz auf Körper und Psyche der Performer*innen. Dem Publikum wurde hier weniger Unterhaltung geboten, denn Einfühlung abverlangt. Die partizipa­ tiven Rituale von Tina Girouard oder auch Antoni Miralda stellten hier eine Art Mittelweg zwischen diesen beiden Extremen dar. Die von Diederichs benannte Wiederholbarkeit von Performanceaufführungen gilt dabei insbesondere für die mediengestützten Performances.

309 Frank, Peter: Kunst um des Lebens willen. Der Einfluß von Fluxus auf die zeitgenössische Kultur. In: Kunstforum International 1991, Bd. 115, S. 216–224, hier S. 216. 310 »The thirty minutes being one portrait of a duration with strategically embedded moments (similar to the TV commercials in a half hour series).« Informationsblatt des Künstlers zu einem seiner Auftritte. Informationsblatt: Ralston Farina. A-MCA  P, General. Zu den technischen Anforderungen für Kassel gehörten: 1 Diaprojektor Karussell, 2 Filmprojektoren Super 8mm, Lautsprecher, Verstärker, Schallplattenspieler. S. Vertrag: documenta GmbH und Ralston Farina (vertreten durch Jane Crawford). A-DOC, d6, Mappe 74. 311 Internes Dokument [Augenzeugenbericht], wie Anm. 273. 312 Eine Fotografie des Auftritts von Schober aus der Mediensammlung des documenta archivs zeigt, wie er, ganz in Weiß gekleidet, mit einem Messer, das er mit dem Mund führt, Linien auf dem Boden eines Innenraums zieht.

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Nach der documenta 6 / Performance auf Kunstmessen Wie ein Museum ist auch die documenta ein nicht-kommerzieller Ausstellungs­ kontext. Als internationale Großveranstaltung ist sie zugleich eine einflussreiche Prä­sentationsplattform, deren Funktion im Kunstfeld sich mit einer Kunstmesse vergleichen lässt. Der nicht-kommerzielle Charakter dürfte den Einfluss sogar noch vergrößert haben, da er für die Integrität der getroffenen Auswahl bürgt. Künstler*innen, Kurator*innen und Kunstmanager*innen, darunter auch Jane Crawford, nutzten die Veranstaltung, um neue Positionen kennenzulernen, um sich zu vernetzen und auch, um ihre persönlichen Qualitätsmaßstäbe zu festigen (wie Crawfords Brief an Valkanas zeigte, in dem sie ihre Skepsis gegenüber europäischer Performance schilderte). Die Funktion der documenta als mächtigem gatekeeper herauszukehren mag zunächst als ein Allgemeinplatz erscheinen. Es ist im Zusammenhang mit der Distribu­ tion von Performance aber wesentlich, denn nie zuvor wurde Performance(-Kunst) in dieser Breite und mit dieser Intensität auf einer internationalen Bühne präsentiert.313 Die d6 war der Höhepunkt des europäischen Kunstjahrs 1977, um den sich zahlreiche weitere Kunstveranstaltungen gruppierten. Viele davon organsierten ihrerseits Performanceprogramme und viele zeigten in etwa dieselben Künstler*innen. Für Crawford war 1977 deshalb ein besonders geschäftiges Jahr, das sie zu großen Teilen in Europa verbrachte. Direkt im Anschluss an die d6 vermittelte sie mehrere Künst­ ler*innen an die 10. Paris Biennale.314 Weitere größere Projekte im Frühjahr 1978 waren ein Performancefestival in Wien und Graz sowie Europa-Tourneen für Joan Jonas und Vito Acconci.315 Crawford stand außerdem mit der Venedig Biennale in Kontakt.316 In Bezug auf die Distributionsfrage ist bemerkenswert, dass nun auch Kunstmessen begannen, Performancekunst zu präsentierten. Die Settimana internazionale della Performance in Bologna, in deren Rahmen Marina Abramovic´ und Ulay ihre heute berühmte Arbeit Imponderabilia317 zeigten, fand zum Beispiel im Sommer 313 Auch hier zeichnet sich ab, dass ein Höhepunkt in der Performancegeschichte erreicht war. Die darauffolgende documenta 7, 1982, kuratiert von Rudi Fuchs, war wieder sehr viel ›musealer‹ und legte ihren Schwerpunkt auf die Malerei der Neuen Wilden. 314 10e Biennale de Paris. Manifestation internationale des jeunes artistes, 17.09.–01.11.1977, Palais de Tokyo / Musée d’Art Moderne de la Ville de Paris. Katalog: Musée d’art moderne de la ville de Paris (Hrsg.): 10e Biennale de Paris. Ausst. Kat. Paris, Palais du Tokio; Musée d’art moderne de la ville de Paris. Paris 1977. Teilnehmende Künstler*innen aus dem Portfolio von API waren u. a.: Laurie Anderson, Julia Heyward und Gordon Matta-Clark. 315 Im Frühjahr 1978 vermittelte Crawford Vito Acconci, Laurie Anderson, Charlemagne Palestine, Tina Girouard, Julia Heyward und Robert Kushner an das Internationale Performance Festival in Wien und Graz, 21.–30.04.1978. Programmübersicht zum Festival: Webseite: Medien Kunst Archiv Wien. Programm: Internationales Performance Festival Wien und Graz. https://web.archive.org/web/20201115183511/http://www.mka.at/quellen.php?vid=4001&t=3&e=1 (Zugriff: 15.11.2020). In der Schweiz arbeitete Crawford mit Adelina von Fürstenberg vom Centre D’Art Contemporain Salle Patino in Genf zusammen. Dorthin vermittelte sie unter anderem Joan Jonas und Vito Acconci. Brief [20.07.1977]: Jane Crawford an Adelina von Fürstenberg. A-JC. 316 Zum Festival in Wien und Graz und zu Performance auf der Venedig Biennale 1978 s. Schwarzbauer, Georg: Performance-Festival Wien – Workshop Graz 78. Überlegungen zum Form-Inhalt-Problem. In: Kunstforum International, Bd. 27. 1978, S. 184–212. 317 Während dieser Performance standen sich die Künstler*innen im Türrahmen des Galerieeingangs gegenüber und die Besucher*innen mussten sich durch den schmalen Raum zwischen ihren entblößten Körpern drängen. In der Galerie wurde eine Live-Übertragung der Szenen an der Tür gezeigt. Dazu: Abramovic´/Ulay 1980. 44–53.

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1977 anlässlich der Bologneser Kunstmesse Arte Fiera statt.318 In diesem Rahmen traten aus dem API-Portfolio auch Vito Acconci, Charlemagne Palestine, Laurie Anderson und Robert Kushner auf, wobei eine direkte Beteiligung Crawfords an dem Programm nicht nachweisbar ist.319 Einen wesentlichen Beitrag leistete sie dann aber zum Kölner Internationalen Kunstmarkt, der 1977 erstmals ein umfassendes Performanceprogramm einschloss.320 Der gesamte Eingangsbereich der Messe war für die Präsentation von Performance vorgesehen, sowohl live als auch in einem Kino.321 Performance rückte damit ins Zentrum des internationalen zeitgenössischen Kunstmarkes. Jane Crawford vermittelte insgesamt neun Künstler*innen für das Programm der Messe.322 Die Kuratorin des Programms mit dem Titel Concept in Performance war Elisabeth Jappe, die später ein breit rezipiertes Handbuch über europäische Performanceund Aktionskunst veröffentlichte.323 Auf ihre Einladung reisten Crawford und MattaClark nach Köln. Eine Fotografie aus Crawfords Archiv zeigt Gordon Matta-Clark am improvisierten Messestand sitzend (Abb. 4.34). Der Stand besteht im Wesent­ lichen aus zwei Stühlen vor einer weißen Wand, an die Informationsblätter, Poster und Zeitungsrezensionen sowie einige Fotografien von Matta-Clarks kurz zuvor in Antwerpen fertiggestellten Arbeit Office Baroque geheftet sind.324 Eine zweite Fotografie zeigt eine Informationswand zur Performancereihe Concept in Performance, die womöglich direkt an den Stand von API anschloss (Abb. 4.35). Die erfolgreichen Auftritte der API-Künstler*innen in Europa, insbesondere auf der d6, führten in einer Art Pendelbewegung zu einer wachsenden Aufmerksamkeit für diese Künstler*innen in den USA. Ein Hinweis darauf ist die Auswahl der Künstler*innen durch Alene Valkanas im MCA Chicago. Umgekehrt gewannen nun auch europäische Performer*innen an Sichtbarkeit in den USA. Ein einschlägiges Beispiel ist das Projekt European Performance Series im Brooklyn Museum, das vom 10. bis 14. Mai 1978 stattfand und von einer New Yorker Galerie und dem niederländischen Kulturministerium initiiert wurde.325 Alle Performer*innen, die dort

318 Festivaldaten: 01.–06.06.1977, Galleria comunale d’Arte Moderna, Bologna. 319 Ein kritischer, vergleichender Bericht und eine wichtige historische Quelle zu Performance in Bologna, Kassel und Köln ist der bereits zitierte Aufsatz: Schwarzbauer 1977, S. 39–139. 320 Internationaler Kunstmarkt Köln, 26.–31.10.1977. Zu diesem Anlass wurde der einleitend zitierte Text von John Howell (Howell 1977) in leicht veränderter Form im Katalog der Messe abgedruckt. Howell, John: Concept in Performance. In: Messe- und Ausstellungs-Ges. m.b.H. Köln (Hrsg.): Internationaler Kunstmarkt Köln. Köln 1977, S. 222–240. 321 Es gab Einzelkojen für die Künstler*innen Michael Buthe, Colette, Diego Cortez, Ernst Mitzka und Jack Smith sowie neben dem Performancekino auch zwei Performanceräume für das Live-Programm. 322 Dies waren: Colette, Richard Landry, David Gordon und Valda Setterfield, Peter Gordon, Jon Gibson, Diego Cortez, Julia Heyward und Jana Haimsohn. Crawford trat außerdem selbst in einer Performance von James Barth auf. S. Schwarzbauer 1977, S. 78. Weitere Performer*innen des Programms waren: Marina Abramovic´ und Ulay, Ben d’Armagnac, VALIE EXPORT, Robert Brown, Jochen Gerz, Jon Gibson, Peter Grass, Jürgen Klauke und Peter Weibel. 323 Jappe, Elisabeth: Performance – Ritual – Prozess. Handbuch der Aktionskunst in Europa. München: Prestel 1993. 324 API wird im Ausstellerverzeichnis des Katalogs nicht geführt. 325 S. Webseite: Barbara Heinisch. Pressemitteilung [28.04.1978], Brooklyn Museum: European Performance Series. https://web.archive.org/web/20191205104332/https://www.barbara-heinisch.de/gruppenausstellungen/index.html (Zugriff: 05.12.2019).

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auftraten, waren auch an der d6 beteiligt gewesen.326 Jane Crawford stand für dieses Projekt mit Marina Abramovic´ und Ulay in Kontakt, denen sie versprach, viele wichtige Kritiker*innen zu ihrem Auftritt zu locken.327 Das Künstlerpaar war nun inter­ national gefragt und trat im folgenden Jahr sogar im entfernten Australien auf. In Brooklyn zeigten sie die Performance Charged Space (1978), während der sich beide so lange sie konnten um die eigene Achse drehten und anschließend etwa eine halbe Stunde lang schwindelnd durch die Ausstellungsräume des Museums taumelten. Sie widmeten die Arbeit Jane Crawford und Gordon Matta-Clark.328 Nach dieser Veranstaltung werden die Aktivitäten von API zunehmend schwierig nachzuverfolgen. Crawford selbst gibt an, wegen der psychischen Belastung in ihrer damaligen Lebenssituation jegliche Erinnerung an diese Zeit verloren zu haben. Dennoch gibt es einige Anhaltspunkte für einen nachhaltigen Einfluss der Arbeit von API.329 API trug dazu bei, dass US-amerikanische Performancekünstler*innen und besonders die Szene von SoHo international ein Begriff wurden. Von der Etablierung dieser Performanceszene zeugt, dass bei den Festivals um 1977 immer wieder die­ selben Namen in den Programmen geführt werden. Es wäre allerdings falsch, von einer letztgültigen Etablierung und Institutionalisierung der genannten Künst­ler*innen zu sprechen, schließlich war zu Beginn der 1980er-Jahre wieder ein Rückgang an Performance in Ausstellungsprogrammen von Museen und Festivals zu verzeichnen. Erst aus heutiger Perspektive wird deutlich, dass der Beitrag von API zum goldenen Performancezeitalter wirkungsvoll gewesen ist, denn zahlreiche API-Klient*innen, von Vito Acconci und Joan Jonas, über Laurie Anderson bis zu Marina Abramovic´ und Ulay gehören heute fest zum Kanon früher Performancekunst.

326 Das wurde in der Pressemitteilung des Museums ausdrücklich hervorgehoben. Ebd. Die Künstler*innen waren: Marina Abramovic´ und Ulay, Gerrit Dekker, Ben d’Armagnac, Hans Eykelboom, Barbara Heinisch und Narten Hendriks. Parallel fand eine Galerieausstellung in der Avery Gallery statt. Ebd. 327 »I will arrange to have many art critics at your performance in Brooklyn […].« Brief [05.04.1978]: Jane Crawford an Marina Abramovic´ und Ulay. A-JC. 328 »This performance was dedicated to Jane Crawford and Gordon Matta-Clark.« Abramovic´ /Ulay 1980, S. 120. Konzept und Bildstrecke zur Performance: Ebd., S. 120–125. Videoausschnitt: Charged Space. Abramovic´ / Ulay, 1978. Farbe, Ton, 0:30 [von 12:32] Min. Online: https://web.archive.org/web/20191107165638/http://www.li-ma.nl/lima/catalogue/ art/abramovic-ulay/charged-space/731 (Zugriff 07.11.2019). 329 1979 und 1980 fanden weitere Auftritte und Ausstellungen verschiedener API-Künstler*innen in Europa und in den USA statt. Hinweise auf Auftritte im ICC Antwerpen, 1979, gibt Johan Pas: »Dankzij de contacten met Jane Crawford passeren vooral Amerikaanse performancekunstenaars de revue: James Lee Byars, Elaine Hartnett, Barbara Ess en Glenn Branca, Jon Gibson, Laurie Anderson en Julia Heyward, Connie Beckley, Michael en Paul Galasso, Tom Johnson, Richard Landry, Jana Haimsohn en Deborah Hay.« Pas 2005, S. 255. Crawford stieß auch noch eine Tournee Vito Acconcis im April und Mai 1979 an, der mit The peoplemobile, einem Lastwagen, der zur Bühne und zum Versammlungsort umfunktioniert werden konnte, auf Marktplätzen in den Niederlanden haltmachte. Vgl. Van Mechelen/Gibbs 2006, S. 151–153.

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Zusammenführung Die Untersuchungen dieses Kapitels konnten zeigen, dass Performancekunst bereits mit ihrer Entstehung, also ab den frühen 1970er-Jahren, in die Distributionsstrukturen des Kunstfeldes eingebunden war. In den kommerziellen Galerien von SoHo, die sich dort in ebendieser Zeit etablierten, waren Live-Performances, darunter Tanzaufführungen, Konzerte, Lesungen und Kunstperformances, ein wesentlicher Bestandteil der Ausstellungsprogramme. Ab Mitte des Jahrzehnts und mit der Etablierung von Performancekunst als eigenständigem Medium wurde die Kunstform sogar so populär, dass sie auf internationalen Festivals und im Kontext von Kunstmessen präsentiert wurde. Galerien zeigten Live-Performances vor allem zur Steigerung ihrer Bekanntheit und zur Verbesserung ihrer Reputation. Ein Vertrieb von Performancekunstwerken erfolgte zunächst, wenn überhaupt, nur in ›gefrorenen Aggregatzuständen‹, etwa als Foto-Editionen, Objekte, Relikte oder auch in Form von Videotapes oder Filmen. Jane Crawfords Agentur Art Performances Inc., deren Struktur sich an Vertriebsstrategien aus den darstellenden Künsten orientierte, bot erstmals die Möglichkeit, Performancekunst und temporäre Projekte in ihrer ›lebendigen‹ Form zu distribuieren. Mit diesem Konzept stieß sie sowohl bei Künstler*innen als auch bei einigen Institutionen auf Zuspruch. Diese Erkenntnisse stehen im Widerspruch zu einigen etablierten Stimmen im Performancediskurs, die Performance der 1970er-Jahre jenseits des Kunstmarktes und der Institutionen verorten. Während diese betonen, dass Performance den Markt und etablierte Institutionen durch ihre Ephemeralität und die Bindung des Werks an den Künstler*innenkörper unterlaufen habe, zeigte das Beispiel von API, dass LivePerformances sowohl kauf- als auch distribuierbar waren. Der Wert (beziehungs­ weise das Honorar) von Künstler*innen stieg dabei mit ihrem Erfolg, der sich an der Zahl der Auftritte im In- und Ausland, an erhaltenen Stipendien oder der Fürsprache namhafter Künstler*innen und Galerist*innen messen ließ. Insofern müssen die Distributionsmechanismen für Performance zunächst als quasi-analog zu den Kon­ ventionen für herkömmliche statische Kunstwerke gelten. Die Schriften einiger Chro­ nist*innen der Zeit, darunter Vito Acconci, John Howell oder auch RoseLee Goldberg zeigen, dass es sich bei dem Integriert-Sein von Performance in den Markt bereits in den 1970er-Jahren um ein offenes Geheimnis handelte. Es wurde in der spä­ teren Performanceforschung, hier wären noch einmal Kristine Stiles oder Peggy Phelan zu nennen, zunehmend ausgeblendet. John Howell ist Recht zu geben, wenn er eine besondere Popularität von Performance in den ausgehenden 1970er-Jahren feststellt. Zugleich ist seine These, dass Performance nun im Mainstream angekommen war und Performancekünstler*innen beste Aussichten auf kommerziellen Erfolg gehabt hätten, aus historischer Sicht zu relativieren. Der durchwachsene Vermittlungserfolg von API legte nahe, dass der Markt für Performancekunst im Vergleich zu anderen Kunstformen marginal war und

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die finanzielle Situation der meisten Performancekünstler*innen prekär blieb. Nur in wenigen Fällen stellte sich so etwas wie Ruhm und finanzieller Erfolg ein. Das Beispiel der d6 spiegelte diesen ambivalenten Stellenwert der Performancekunst: Die Form war wichtig genug, um als eigenständiges Medium vertreten zu sein, stand aber hinter objektförmigen Medien deutlich zurück. Implikationen (Künstler*innen; Medium; Institutionen) Die Distribution von Performancekunst geschah nicht gegen den Willen der Künst­ ler*innen. Die meisten API-Künstler*innen nahmen bereits die Unterstützung kommerzieller Galerien zum Vertrieb ihrer statischen Werke in Anspruch. Das Beispiel der Agentur zeigte, dass sie sich auch Unterstützung bei der Distribution ihrer ephemeren Werke wünschten, selbst wenn dies mit Kosten verbunden war. Der Zuspruch der Künstler*innen für das Angebot der Agentur überstieg dabei die Nachfrage der Institutionen bei weitem. Im Verlauf der 1970er-Jahre zeichnete sich eine zunehmend pragmatische Einstellung der Künstler*innen zum Markt und zu Kunstinstitutionen ab. Dies stand im Zusammenhang mit den prekären Lebensumständen, aber auch mit einer neuen Auffassung künstlerischer Arbeit und einer allgemeinen Professionalisierung des Kunstfeldes. Die wachsende Zahl professionell ausgebildeter Künstler*innen führte zu mehr Konkurrenz und Innovationsdruck. Peggy Phelan dürfte all diese Entwicklungen im Blick gehabt haben, als sie schrieb: »[t]he pressures brought to bear on performance to succumb to the laws of the reproductive economy are enormous.«330 Der von Phelan registrierte Druck ist allerdings erneut ein ambivalentes Phänomen. Er wurde nicht allein ›von außen‹ oder ›von oben‹ auf das künstlerische Feld ausgeübt. Das Streben nach Sichtbarkeit und nach Selbstverwirklichung, das desire to show, war vielmehr eine intrinsische Motivation, die zu einer Institutionalisierung ›von unten‹ führte. Performancekünstler*innen agierten selbst als Motor für die Herausbildung von Distributionsstrukturen, nicht zuletzt durch die Gründung oder Inanspruch­ nahme von co-op Galerien und alternativen Kunsträumen. Viele dieser Orte, zum Beispiel The Kitchen, Artists Space oder auch P.S. 1, wuchsen im Laufe der 1970er-Jahre zu wichtigen Institutionen heran und Performancekunst, als eine Kunstform, die dort ihren Ausgangspunkt hatte, etablierte sich mit ihnen.331 Auch in dieser Hinsicht war Performance Teil eines back-into-the-gallery-movement. Das neue Verhältnis von Künstler*innen zu Kunstinstitutionen schloss eine kritische und reflexive Haltung keineswegs aus, wie unter anderem das Beispiel der AnarchitectureKünst­ler*innen zeigt. Eine Voraussetzung für die Distribution von Live-Performance über die Kanäle des regulären Kunstmarktes und an größere Institutionen war die Benennbarkeit von Performance als Medium. Die Herausbildung von Performancekunst war Teil 330 Phelan 2005, S. 146. 331 Zur Institutionalisierung von The Kitchen s. Johnson, Tom: The Kitchen Grows Up. June 5, 1978. In: Johnson 1989, S. 323–326.

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einer Konsolidierungstendenz, die das gesamte Kunstfeld der 1970er-Jahre betraf. In diesem Zuge wurde Performance nicht trotz, sondern wegen ihrer Körperbindung, Liveness und Ephemeralität klassifizierbar und benennbar. Wie der Aufsatz Howells (1977), das Konzept der d6 (1977), die Gründung von API (1976) und auch das Erscheinen von Goldbergs Standardwerk über Performance (1979) beweisen, war Performance spätestens ab der zweiten Hälfte der 1970er-Jahre als eigenständiges Medium anerkannt. Ein wesentlicher Unterschied zu früheren performativen Ansätzen, die im Zeichen der Entgrenzung standen, war, dass Performancekunst sehr viel konzentrierter und in gewisser Weise regulierter war, zum Beispiel indem sie einem Plot folgte. Dies begünstigte sowohl die Mobilität als auch die Planbarkeit und damit die Vermittlung von Werken und Projekten. Waren die geschilderten Distributionsansätze für Performance nun eine Reaktion auf die Entwicklungen der Kunst, oder näherte sich umgekehrt Performancekunst den Möglichkeiten ihrer Distribution an? Vermutlich war beides der Fall. So entwickelten kommerzielle Galerien im Zusammenhang mit Konzept- und Performancekunst neue Editionskonzepte und die Gründung und Struktur von API war eine direkte Antwort auf die Herausforderungen, die Performance als lebendige Kunstform an den Markt stellte. Eine formative Wirkung von Vertriebskonzepten auf die Kunst zeichnet sich im zunehmenden Einsatz von Bildtechnologien, insbesondere des Mediums Video ab.332 Ähnliches gilt auch für Live-Performances. Unter den von API vermittelten Arbeiten lassen sich zwei Typen ausmachen: Die erste und insgesamt häufigere Form sind ›Repertoire-Performances‹, wie bei Laurie Anderson, Julia Heyward oder Ralston Fa­ rina. Diese wurden vorab erarbeitet und konnten mehrfach aufgeführt werden. Repertoire-Performances sind in zweifacher Hinsicht ›theatral‹. Erstens zieht sich hier, im Sinne Michael Frieds, das Werk auf sich selbst zurück, das heißt, es ist nicht partizipativ und eine ästhetische Distanz oder ein Resonanzraum zwischen Performer*in und Publikum bleibt stets gewahrt. Zweitens erinnern Repertoire-Performances strukturell an Tanz-, Musik- oder Theaterproduktionen, die in der Regel grundsätzlich auf Wiederholbarkeit ausgelegt sind. Dies zeigte das Programm der d6, wo einige Künstler*innen ihre Beiträge gleich mehrfach wiederholten. Da Repertoire-Per­ formances weder ortsspezifisch noch partizipativ sind, können sie überall stattfinden, wo bestimmte räumliche, technische und auch finanzielle Rahmenbedingungen erfüllt sind, also auch in Galerien oder im musealen white cube.333 Die Bindung des Werks an den Körper der Künstler*innen ist hier nicht nur eine Geste des Entzugs, sondern auch die entscheidende Voraussetzung für seine Mobilität. Peggy Phelans präsenzorientiertes Konzept der Singularität von Performance gilt für Repertoire332 Hier ließe sich an die These des Kunst- und Medienwissenschaftlers Philip Auslander zur Mediatisierung von Performance anschließen. Auslander, Philip: Liveness. Performance in a Mediatized Culture. London: Routledge 1999, S. 7. S. auch S. 25, Anm. 76. 333 Allerdings ist zu bemerken, dass sich die Bedeutungsebene eines Werks durch den veränderten Kontext drastisch ändern kann.

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Performances nur im Sinne einer Performance als Akt: jede individuelle Live-Performance ist im Moment ihres Stattfindens singulär. Eine Performance als Werk hin­ gegen, ist trotz ihrer Ephemeralität wiederholbar.334 Aus marktwirtschaftlicher Sicht verbessert die Wiederholbarkeit der RepertoirePerformances ihr Kosten-Nutzen-Verhältnis sowohl für die gastgebenden Institutionen als auch für die Künstler*innen. Dies ist ein Aspekt, der im Showgeschäft selbstverständlich ist, in der Kunstwelt aber nur hinter vorgehaltener Hand diskutiert wird. Repertoire-Performances ermöglichen Tourneen, die für beteiligte Institutionen die Produktions- und Reisekosten senken. Künstler*innen wiederum können von einem einmal entwickelten Konzept langfristiger profitieren. Besonders dann, wenn die Kunstproduktion, wie oben beschrieben, als Arbeit gilt und den Broterwerb sichern soll, wird diese Relation zwischen investierter Arbeitszeit und Ertrag zu einem relevanten Faktor. Der zweite und unter den hier behandelten Beispielen weniger häufige Typ, sind prozessuale und projektförmige Arbeiten, die als ›Residenz-Performances‹ bezeichnet werden können. Beispiele waren die Projekte von Tina Girouard und Gordon Matta-Clark. Auch solche Arbeiten knüpfen bei genauerer Betrachtung an ein künstlerisches Repertoire an, doch zeichnen sie sich durch eine besondere Ortsspezifik und partizipative Elemente aus. Im Vergleich zu Repertoire-Performances erfordern sie längere Aufenthalte der Künstler*innen vor Ort, was in institutionellen Kontexten durch Künstler*innen-Residenzen ermöglicht wurde. Residenz-Performances sind nicht oder nur schwer wiederholbar und ihre Zeitstruktur ist projektbasiert.335 Hier werden keine bestehenden Werke abgerufen, sondern die Werke entstehen im Moment ihres Stattfindens. Für Planbarkeit sorgen dabei Projektskizzen, die erst zur Umsetzung kommen, wenn die finanziellen und ört­ lichen Rahmenbedingungen geklärt sind. Am Beispiel von Matta-Clarks Cuttings zeigte sich, dass solche Werke stark von ihren Rahmenbedingungen bestimmt werden. Da es sich um eine Auftragsarbeit handelte, musste sich der Künstler zum Beispiel mit den Wünschen der Kuratorinnen bei der Wahl der zu realisierenden Arbeit arrangieren.336 Residenz-Performances können als projektförmiger, ortsspezifischer und oft partizipativer Werktypus als ein Anbruchspunkt für die Relational Art seit den 1990er-

334 Dies wäre eine Schnittstelle zum Diskurs um das Wiederaufführen von Performance. Vgl. u. a.: Widrich, Mechtild: GeSchichtete Präsenz und zeitgenössische Performance. Marina Abramovic´ s The Artist is Present. In: Daur, Uta (Hrsg.): Authentizität und Wiederholung. Künstlerische und kulturelle Manifestationen eines Paradoxes. Bielefeld: transcript 2013, S. 147–166, hier S. 166. 335 Aktuellere und kritische Auseinandersetzungen mit (künstlerischer) Projektarbeit in: Bayly, Simon: The End of the Project. Futurity in the Culture of Catastrophe. In: Angelaki: Journal of the Theoretical Humanities, 18. Jg. 2013, H. 2, S. 161–177 und Kunst 2015, darin insbesondere das Kapitel: 5.3. The Artist’s Time: Projective Temporality, S. 153 ff. 336 Wie der Fall von Matta-Clark zeigte, konnte Reputation auch zu bestimmten Erwartunngen und Festschreibungen führen. Erst so berühmte Künstler*innen wie Vito Acconci oder Chris Burden konnten es sich leisten, Projekte außerhalb ihres Repertoires zu realisieren.

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Jahren gelten, die oft durch eine enge Kooperation zwischen Künstler*innen, Kunstinstitutionen und Publikum gekennzeichnet ist.337 Das Beispiel API legt nah, dass beide Performancetypen in Reaktion auf die Distributions- und Finanzierungsmöglichkeiten der 1970er-Jahre entstanden. Beide ermöglichten eine Mobilität performativer Kunstwerke und die Zusammenarbeit mit Institutionen. Planbarkeit war dabei nicht nur die Vorbedingung für die Vermittlung/ Mobilität der Werke, sondern auch eine wichtige Voraussetzung für die Kompatibilität mit den komplexen Strukturen größerer Institutionen. Planbarkeit herzustellen bedeutete auch für die Institutionen neue Herausforderungen, etwa wenn es um Fragen der Räumlichkeiten, der technischen Ausstattung oder um Personal- und Sicherheitsfragen ging. Museen reagierten darauf mit einer Professionalisierung des Ver­ anstaltungssektors. Im Falle des MCA übernahm Alene Valkanas diese Aufgabe. Auch seitens der Festivals und Messen wurden ausgewiesene Spezialist*innen wie Joachim Diederichs oder Elisabeth Jappe für die Performanceprogramme engagiert. Diese Performancekurator*innen waren dann die institutionellen Ansprechpartner*in­ nen für Performer*innen, Agenturen und Galerien. Auch auf der Ebene der Institutionen zeichnete sich im Zusammenhang mit Performance ein (internationales) Netzwerk ab, das sich nur bedingt mit den Netzwerken ›herkömmlicher‹ Kunstformen überschnitt.338 Alternative Kunsträume spielten hier eine besondere Rolle. Im Zusammenhang mit Repertoire-Performances fällt auf, dass die Premieren dieser Stücke fast immer an Orten wie The Kitchen oder Artists Space stattfanden. Erst, was sich hier bewährt hatte, fand weiter Verbreitung. Eine Authentifizierung durch diese Orte war für größere Institutionen offenbar relevant. Es ist somit zu bestätigen, dass die alternativen Kunsträume der Nukleus der Per­ formanceszene der 1970er-Jahre waren. Allerdings ist zu relativieren, dass dies ein vollkommen alternatives System gewesen wäre. Alternative Kunsträume waren vielmehr ein Sprungbrett auf dem Weg in größere Institutionen. Einiges spricht dafür, dass Performances nicht nur für kommerzielle Galerien, sondern auch für die hier vordergründig betrachteten nicht-kommerziellen Museen und Institutionen ein Mittel waren, sich als innovativ zu zeigen und Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Hinweise darauf sind, dass die eigentlichen Inhalte der Performances bei der Planung meist keine Rolle spielten und die Planung in den Zuständigkeitsbereich der Öffentlichkeitsarbeit fiel. Nicht nur im MCA waren public programming und Öffentlichkeitsarbeit eng miteinander verzahnt, auch auf der d6 wurden Performances – wenn auch von einem Performancekurator geplant – vor allem für einen spektakulären Ausstellungsauftakt eingesetzt. Damit wäre erneut auf die Ambivalenz einer zunehmenden ›Eventisierung‹ des Museums verwiesen.

337 Als Standardwerk zu dieser Strömung gilt: Bourriaud, Nicolas: Relational Aesthetics [1. franz. Ausg. 1998]. Nachdr. Dijon: Presses du réel 2009. 338 Allerdings gab es auch einige Bindeglieder zwischen beiden Welten, wie die Holly Solomon Gallery.

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Art Performances Inc. als Missing Link? Die Aktivitäten von API waren, den verhaltenen Reaktionen großer Institutionen zum Trotz, strukturell darauf ausgerichtet, Performance ins Museum zu tragen. Allerdings hatte es bereits weitaus früher Performanceveranstaltungen in Museen gegeben und Jane Crawford hatte vor allem dort Erfolg, wo ohnehin feststand, dass Performances gezeigt werden sollten. Tendenziell waren eher kleinere Institutionen sowie Institutionen, die räumlich weiter vom Kunstzentrum New York entfernt lagen, am Angebot von API interessiert. Zusätzliche Affirmation, zum Beispiel durch die Holly Solomon Gallery, scheint bei der Vermittlung von Vorteil gewesen zu sein. API als Missing Link zwischen Performanceszene und Museen zu bezeichnen würde der Agentur zu viel Bedeutung und Macht zusprechen. Jane Crawford besaß nicht die Autorität eines Leo Castelli, der Künstler*innen auf direktem Wege in großen Museen platzieren konnte. Trotz einiger Überschneidungen mit dem Feld kommerzieller Galerien, handelte es sich bei API eher um eine alternative Kunstorganisation. Im gatekeeper-Modell agierte die Agentur also an der ›Basis‹. Crawford stand dem künstlerischen Feld nahe, war sogar selbst Künstlerin und vertrat mit der Agentur ihren Partner und ihre engsten Freunde. Ihr Antrieb waren ein desire to show und die Hoffnung, mit ihrer Arbeit den Lebensunterhalt verdienen zu können. Beides galt gleichermaßen für ihre Klient*innen. Gerade weil Crawfords Agentur eine alternative Kunstinstitution war und mit der Spezialisierung auf die Distribution von Live-Performances eine Monopolstellung einnahm, fungierte sie als gatekeeper für Performance im dealer-critic system der 1970er-Jahre. Der konkrete Einfluss von API auf die Institutionalisierung von Performance lässt sich zwar nicht in Zahlen ausdrücken, doch konnte gezeigt werden, dass Crawfords Netzwerkarbeit, insbesondere im transatlantischen Austausch, fruchtbar war. Insofern leistete API einen entscheidenden Beitrag dazu, die Performance-Avantgarde aus SoHo über die Grenzen New Yorks hinaus bekannt zu machen und damit mittelbar auch in Museen zu etablieren. Distributionsnetzwerke: ein Antrieb für den Eintritt von Performance ins Museum? Um den Faktor Distribution als Antrieb für den Eintritt von Performance ins Mu­seum systematisch fassen zu können, müsste der Blick auf die verzweigten Netz­werke und die komplexen Authentifizierungs- und Affirmationsprozesse ausgeweitet werden, die dazu beitrugen, Performancekunst zu einer ›Marke‹ zu machen. Insbesondere die Rolle der Kunstkritik ist hier ein Forschungsdesiderat, aber auch die Strukturen für die Distribution von Video und Film, die sich mit denjenigen für Performancekunst kreuzten.339 Nichtsdestotrotz lassen sich auf der Grundlage der erarbeiteten Erkenntnisse einige erste Schlüsse ziehen. 339 Zur Kunstkritik sind bereits zwei grundlegende Studien erschienen: Allen, Gwen: Artists’ Magazines. An Alternative Space for Art. Cambridge, Mass. 2011 und Balsom 2017. Isabelle Graw arbeitet an der Schnittstelle von Kunstkritik

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Der Blick auf den Mikrokosmos SoHo zeigte das professionelle Arbeitsethos und die großen Ambitionen der New Yorker Performanceszene. Das desire to show dieser Künstler*innen war die Triebfeder für die Herausbildung neuer Institutionsund Distributionsformen. Aus dieser Dynamik entstand auch API, mit dem Ziel, eine Nachfrage (willingness to watch) für die neuartigen künstlerischen Produkte zu schaffen. Crawfords Netzwerke werden aus dieser Perspektive als ein ›alternativer‹ Markt sichtbar, der sich auf alternative Kunsträume, Festivalauftritte und Residenzen konzentrierte, und der zumindest auf den ersten Blick vom herkömmlichen objektzentrierten Markt getrennt war. Im Gegensatz zur bisherigen Performanceforschung, die eine klare Trennlinie zwischen ›alternativen‹ und ›etablierten‹ Akteur*innen im Kunstfeld zieht, ermöglicht das gatekeeper-Modell eine graduelle Unterscheidung. Es schärft den Blick für den hierarchischen Aufbau des Kunstfeldes und das Gefälle der Setzungsmacht seiner Akteur*innen in unterschiedlichen Sektoren. Zugleich verflüssigen sich die Grenzen zwischen gemeinnützig und kommerziell, alternativ und etabliert, marktnah und marktfern. Alternative Kunsträume erscheinen dann als lediglich weniger mächtige Versionen großer Institutionen, die über die Jahre an Macht und Einfluss gewinnen können. Eine erfolgreiche künstlerische Karriere bedeutet, unterschied­ liche gatekeeper-Instanzen erfolgreich zu durchlaufen. Exemplarisch führt das die Karriere Laurie Andersons vor Augen, die mit Straßenperformances begann und über Auftritte in Alternativen Kunsträumen und auf Festivals in kleinere und schließlich große Museen führte.340 Ähnliche Prinzipien gelten für Performance als Kunstform, die vom Alternativen Kunstraum bis ins Museum ebendiese Instanzen durchlief. Große Museen sind also, wie von Howard Becker beschrieben, das finale Repositorium, auf das diese gatekeeper- beziehungsweise Institutionalisierungsprozesse zulaufen. Marcia Bystryns These, dass Akteur*innen in einem gatekeeper-System in der Regel mit Akteur*innen auf ›Augenhöhe‹ kooperieren, ließ sich am Beispiel der Aktivitäten von API bestätigen. Jane Crawfords Vermittlungsversuche wurden vor allem von kleineren Institutionen aufgegriffen. Zugleich, und hier offenbart sich der kapitalistisch-marktwirtschaftliche Kern des gatekeeper-Modells, werden alle Akteur*in­ nen von einem Streben nach Erfolg (materiell wie immateriell) geleitet, weshalb sie immer ›nach oben‹ orientiert sind. Daraus ergibt sich erneut ein dynamisches Moment, das Institutionalisierungsprozesse, in diesem Fall von Performance zur eigenständigen Kunstform, vorantreibt. Zugleich zeichnet sich ein Grund dafür ab, warum Performancekunst der 1970er- und 1980er-Jahre sich letztlich nicht in den Programmen von Museen etablieren konnte: es fehlten mächtige Galerist*innen von der Sta-

und Markt: Graw, Isabelle: Der große Preis. Kunst zwischen Markt und Celebrity Kultur. Köln: DuMont 2008 und Birnbaum, Daniel/Graw, Isabelle (Hrsg.): Canvases and Careers Today. Criticism and its Markets. Berlin: Sternberg 2008. Zur Videodistribution: Balsom 2017. 340 Weltberühmt wurde Anderson dann allerdings durch ihren Hit O Superman (1981).

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tur Leo Castellis, die sich intensiv für Performance eingesetzt hätten. Diese Zurückhaltung mag durchaus an den von Kristine Stiles und anderen betonen Schwierig­ keiten der Speicherung und Objektifizierung von Performance gelegen haben. Hinweise auf eine Verweigerung von Künstler*innen gegen eine Distribution ihrer Werke fanden sich keine. Abschließend zum Thema Distributions- und gatekeeper-Netzwerke sei auf einen besonderen Typus der Kunstmanagerin verwiesen, der sich im Zusammenhang mit Performancekunst herausbildete.341 In Museen waren dies Kuratorinnen wie Marcia Tucker, Alene Valkanas oder Elaine Varian, in Galerien Paula Cooper, Lutze, Holly Solomon oder auch Ileana Sonnabend, in alternativen Kunsträumen Alanna Heiss, Wies Smals, Martha Wilson und viele andere, in Agenturen Jane Crawford, Ana Canepa, oder Mimi Johnson.342 Zugleich waren es vor allem Kunsthistorikerinnen, darunter Lucy Lippard, RoseLee Goldberg, Cindy Nemser oder Barbara Rose, die eine Grundlagen für den heutigen Performancediskurs legten.343 Diese Frauen und ihre Ambitionen waren ein bedeutender Motor für die Institutionalisierung von Performance. Wenn sie ihr Ziel erreichten, nämlich Sichtbarkeit und Anerkennung für sich selbst und für die Kunst, die sie vertraten, verliert der Begriff der Institutiona­ lisierung den Beigeschmack des containment und des ›Hausarrestes‹. Vielmehr erhält die Institutionalisierung von Performance eine emanzipatorische Dimension, denn sie birgt Anbruchspunkte einer Verschiebung geschlechterbezogener Hierarchien im dealer-critic system und den Kunstinstitutionen. Diese Selbstermächtigung wäre durchaus im Sinne der Argumente Peggy Phelans und Amelia Jones, doch beschränkt sie sich nicht auf das Feld der Kunstproduktion, sondern betrifft auch das Feld der Kunstinstitutionen. Performance on Display im Kontext von Dienstleistungsökonomie und Performancezeitalter Die Herausbildung von Performance als Kunstform und die Prozesse ihrer Institutionalisierung sind im Kontext der größeren sozioökonomischen Entwicklungen der 1960er- und 1970er-Jahre zu sehen. Die Auseinandersetzung mit der Distribution von Performance ergab Hinweise, dass das sogenannte Performancezeitalter eng mit dem zeitgleich stattfindenden ökonomischen Paradigmenwechsel zum Dienstleistungszeitalter verbunden war. Einen ersten Ansatzpunkt bieten einige interessante Parallelen zwischen der Agenturform von API und dem Medium Performance. API orientierte sich strukturell 341 Crawfords Erinnerungen waren von einem unterschwelligen feministischen Selbstverständnis durchzogen, auch wenn dies ihre Arbeit nicht vordergründig bestimmte. Sowohl Crawford als auch Alene Valkanas aus dem MCA betonten kleine solidarische Akte zugunsten von Künstlerinnen, die wiederum der Nährboden für die Entstehung eines inter­ nationalen Netzwerks waren. 342 In Museen waren die Mitarbeiter*innen auch damals schon überwiegend weiblich, sie hatten jedoch fast nie Leitungspositionen inne und waren seltener als Kuratorinnen tätig. 343 Aus heutiger Sicht fällt auf, dass es trotz allen empowerments, im Hinblick auf afroamerikanische, lateinamerikanische und andere Performancekünstler*innen of color eine Leerstelle gab, auch in Crawfords Portfolio.

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an Organisationen aus dem Bereich der darstellenden Künste. Als Agentur verkaufte sie keine Werke, sondern vermittelte Projekte. Performancekunst verdankte den darstellenden Künsten ihrerseits wichtige Impulse. Hier wären vor allem die neue Zeitund Handlungsbasiertheit der Kunst und ihre Projektförmigkeit zu nennen. Als Informationszentrale ohne Ausstellungsraum war API eine quasi-immaterielle Insti­ tution, die lediglich an eine Person gebunden war. Als ein Ein-Frau-Unternehmen entsprach API dem Typus der Solo-Performer*in, den sie hauptsächlich vertrat. Performance als Medium ist schließlich in ganz ähnlicher Weise quasi-immateriell. Diese Analogien verweisen auf ein symbiotisches Verhältnis zwischen der Agentur und ihrem Gegenstand. Zusammengenommen reflektieren sie die Herausbildung des Dienstleistungszeitalters und seine Auswirkungen auf das Kunstfeld mit besonderer Deutlichkeit. Eine Agentur wie API ist ein Dienstleistungsunternehmen par excellence. Ihr Kapital sind keine materiellen Güter, sondern immaterielle Ressourcen, wie Kontakte und Netzwerke. Das Anbahnen und Ermöglichen von Projekten ist ihr ›Produkt‹. Ähnliches lässt sich über Performancekunst sagen, die aus der Marktperspektive eine käufliche Dienstleistung ist.344 Ihr Kapital ist ihr authentisches und widerständiges Image, das deshalb, so betonte Vito Acconci, besonderer Pflege bedarf. In der Tat zeigte sich, das Galerien und Museen Performance gerade wegen dieses Images schätzten. Monetärer Gewinn oder ein Zuwachs an materiellem Besitz trat zugunsten einer Befriedigung des erlebnishungrigen Publikums in den Hintergrund. Ein Hinweis auf das komplementäre Verhältnis von Dienstleistungs- und Erlebnisöko­ nomie, welches sich auch in Howells Wendung vom desire to show und der willingness to watch spiegelt. Aus dieser Marktperspektive ist die von Phelan betonte Geste des performativen Entzugs nicht nur eine Geste subversiver Verweigerung gegenüber dem Markt, sondern auch ein Verknappungsmechanismus und damit eine Marktstrategie. Auch der oben genannte virale Charakter von Performance lässt sich zugleich als subversive Guerilla-Taktik lesen, und – vor dem Hintergrund des heutigen Netzzeitalters und viralen Marketings – als eine wirkmächtige Distributionsstrategie. Wie Jon McKenzie das bereits für Performance als kulturelles Phänomen bemerkte, oszilliert auch Performance als Kunst stets zwischen Subversion und Affirmation.345 Eine Konsequenz der Dienstleistungsökonomie, die bereits andernorts zur Sprache kam, ist die Verschmelzung von Leben und Arbeit.346 Sie fand in der Performancekunst beziehungsweise im Zusammenfallen von Künstler*innenkörper und Kunstwerk eine frühe Zuspitzung. Wenn das ›Material‹ der Kunst so grundlegende

344 Eine komplexere Diskussion über Kunst (im Allgemeinen) als Dienstleistung aus ökonomischer Perspektive in: Bendixen, Peter/Weikl, Bernd: Einführung in die Kultur- und Kunstökonomie. 3. Aufl. Wiesbaden: Springer 2011, darin das Kapitel: 13.2 Der Dienstleistungscharakter der Kunst, S. 135 ff. 345 McKenzie 2001, S. ix. 346 Vgl. Lütticken, Sven: General Performance. In: e-flux Journal 2012, H. 31. Online-Publikation. https://web.archive.org/ web/20201115203535/https://www.e-flux.com/journal/31/68212/general-performance/ (Zugriff: 15.11.2020).

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Performance on Display im Spiegel der Ökonomie

Bedürfnisse wie Essen, Trinken und Schlaf hat, werden die biopolitischen Konsequenzen des neuen Wirtschaftsparadigmas sichtbar. Ein Sich-Entziehen aus den Gesetzlichkeiten des Sehens und Gesehenwerdens, das die Kunstwelt bestimmt, ist für Performer*innen kaum möglich, denn Unsichtbarkeit bedeutet zugleich den Entzug der Lebensgrundlage. Die Performanceökonomie der 1970er-Jahre weist insofern auf Entwicklungen voraus, die in Form ›permanenter Performance‹ im Zeitalter von Social Medial andauern.347

347 Vgl. Lesage, Dieter: Permanent Performance. In: Performance Research, 17. Jg. 2012, H. 6, S. 14–21.

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»Partially funded by the National Endowment for the Arts« – Performance on Display im Kontext US-amerikanischer Kulturpolitik und Kunstförderung

Einführung The Funding for this show [Bodyworks] was provided by a matching grant by the National Endowment for the Arts.1 The residency [Merce Cunningham and Dance Company] is made possible through a grant from the National Endowment for the Arts, coordinated by the Minnesota State Arts Council.2 The Trisha Brown Company is a participant of the National Endowment for the Arts Dance Touring Program.3 Bei Recherchen in US-amerikanischen Museumsarchiven stößt man im Zusammenhang mit Performanceveranstaltungen häufig auf solche und ähnliche Passagen. Sie verweisen auf eine Förderung durch das National Endowment for the Arts (NEA), diejenige staatliche Instanz, die in den USA auf nationaler Ebene für Kultur- und Kunstförderung zuständig ist. Einmal für solche Hinweise sensibilisiert, finden sie sich auf allen Ebenen der Produktion, Präsentation und Distribution von Performance. Viele der bekanntesten US-amerikanischen Performer*innen, darunter Merce Cunningham, Vito Acconci, Chris Burden oder Laurie Anderson – um nur einige zu nennen, die in den voran­ gegangenen Kapiteln thematisiert wurden – erhielten im Laufe der 1970er-Jahre

1 Brief [31.08.1976]: Thomas J. Van Eynde an Thom Sudato. A-MCA E, 1975, Bodyworks. Aus einem Briefwechsel im Zusammenhang mit der Ausstellung Bodyworks im MCA Chicago, 1975. 2 Pressemitteilung [21.02.1972, Nr. 67]: Walker Art Center: MCDC Residency March 6–12. A-WAC, Merce Cunningham Residency 1971–72, Mappe 1, S. 2. 3 Im Zusammenhang mit einer Lecture Demonstration der Tänzerin Trisha Brown im MCA Chicago am 2. November 1977, organisiert in Zusammenarbeit mit der School of the Art Institutite of Chicago. Pressemitteilung [21.10.1977]: MCA Chicago: Trisha Brown, Lecture Performance, 1977. A-MCA P, Dance, Box 2, Mappe 1.

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mehrfach Förderstipendien des NEA.4 Performance wurde darüber hinaus in weiter gefassten, für die Entwicklung der Kunstform nicht weniger relevanten Zusammenhängen unterstützt. Hier wären die im vorangegangenen Kapitel besprochenen alternativen Kunsträume zu nennen, die sich hauptsächlich durch öffentliche Gelder finanzierten. Die Agentur Art Performances Inc. erhielt Förderung durch das NEA und Jane Crawford beantragte, wie im vorangegangenen Kapitel beschrieben, nach eigenen Angaben regelmäßig NEA-Mittel für ihre Klient*innen. Auch die Kunstkritik und die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Performance wurde gefördert. Einschlägige Kunstmagazine, Symposien und Konferenzen über Performance wurden unterstützt;5 ebenso Buchpublikationen, darunter die frühen Performanceanthologien von Jean Dupuy und Gregory Battcock sowie die einflussreichen Schriften von Lucy Lippard (Six Years, the Dematerialization of the Art Ojbect) oder RoseLee Goldberg (Performance. Live Art 1909 to the Present).6 Dieser erste Überblick legt einen direkten Zusammenhang zwischen den Aktivitäten des NEA und der Erfolgsgeschichte von Performance in den 1970er-Jahren nahe. Diese Vermutung wird durch eine bemerkenswerte Kohärenz bestärkt, die das NEA und Performancekunst historisch verbindet. Das NEA wurde 1965 gegründet, also in jenem historischen Zeitraum, in dem sich Performance als Kunstmedium herauszubilden begann.7 In den 1970er-Jahren erlebte nicht nur Performance(-kunst), sondern auch das NEA ein goldenes Zeitalter.8 Das bedeutete eine besondere finanzielle Prosperität (der Kunst) sowie eine solide politische Basis und öffentliche Akzeptanz (des NEA), die, wie sich noch zeigen wird, keine Selbstverständlichkeit war. Ab den 1980er-Jahren traten beide in eine Phase der Destabilisierung und Neuorientierung ein. Performance verlor zunehmend an (institutioneller) Sichtbarkeit oder

4 Für das gesamte Kapitel gilt: Alle Fördersummen sind, wenn nicht anders angegeben, den Jahresberichten (Annual Reports) des NEA entnommen. Diese stehen online zum Download zur Verfügung. Webseite: National Endowment for the Arts. Annual Reports 1969–1980. https://web.archive.org/web/20200918093627/https://www.arts.gov/about/annualreports?page=4 (Zugriff: 18.09.2020). Zitate aus diesen Quellen werden wie folgt angegeben: NEA Annual Report 19##, S. ##. Die Angegebenen Fördersummen berücksichtigen keine Inflation. Zur Orientierung s. Inflationstabelle im Anhang, S. 498. 5 Das Magazin Art-Rite erhielt 1978 5 000 USD und 1979 3 000 USD. Das Magazin High Performance erhielt 1979 5 000 USD. Das Center for Twentieth Century Studies der University of Wisconsin-Milwaukee erhielt 1976 Förderung für das International Symposium on Postmodern Performance. 1980 wurde eine von Tom Marioni organisierte Konferenz auf der Südseeinsel Ponape (heute Pohnpei) gefördert (vermutlich via Crown Point Press). »…in 1979 I had applied to the NEA in a new category, Services to the Field, and proposed to document a conference. The grant paid to bring a sound technician and to produce the records. Crown Point Press, as publisher, paid to bring the artists.« Marioni, Tom: Beer, Art, and Philosophy. A Memoir. San Francisco: Crown Point 2003, S. 145. 6 Lippard und Goldberg erhielten beide Art Critics Fellowships. Lippard erhielt 1972 3 000 USD und später, 1976, noch einmal 5 000 USD. Goldbergs Stipendium, 1978, war mit 5 000 USD dotiert. Lucy Lippard über ihre Stipendien in: Oral History Interview [15.03.2011]: Sue Heinemann mit Lucy Lippard. Online: https://web.archive.org/web/20200226151539/ https://www.aaa.si.edu/collections/interviews/oral-history-interview-lucy-lippard-15936 (Zugriff: 26.02.2020). Lippards Buch behandelt nicht Performance im engeren Sinne, war aber für die Theoriebildung, insbesondere bei Goldberg, richtungsweisend. 7 Zwei Ikonen früher Performancekunst, Yoko Onos Cut Piece und Carolee Schneemanns Meat Joy, entstanden beispielsweise 1964. Für einen historischen Überblick über Performance in den 1960er-Jahren s. Goldberg, RoseLee: Performance. Live Art 1909 to the Present. New York: Abrams 1979, S. 86 ff. 8 Die Geschichte und Struktur des NEA werden weiter unten im Detail behandelt.

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Performance on Display im Kontext US-amerikanischer Kulturpolitik und Kunstförderung

diffundierte in weiter gefasste, installative oder soziale künstlerische Praktiken, während das NEA eine sukzessive Definanzierung erfuhr und einem zunehmenden Rechtfertigungsdruck seitens Politik und Öffentlichkeit ausgesetzt war. Waren das rein zufällige Parallelen oder lässt sich ein direkter Zusammenhang zwischen der Politik des NEA und dem goldenen Zeitalter der Performancekunst herstellen? Falls ein direkter Zusammenhang nachzuweisen ist, war Performance Teil einer (kultur-)politischen Agenda, ähnlich, wie dies bereits für den Abstrakten Expressionismus nachgewiesen wurde? Oder war Performance(-kunst) eher Trittbrett­ fahrerin breiterer Entwicklungen? Welche Rolle spielten indes Museen und inwiefern wirkte sich die Politik des NEA auf den Eintritt von Performance ins Museum aus? Dies sind einige der Fragen, mit denen sich dieses Kapitel auseinandersetzen wird. Die genannten Entwicklungen fügen sich in den Kontext der Nachkriegsjahrzehnte: die Ära des Kalten Kriegs, der Beginn des Medienzeitalters und des Zeitalters der Dienstleistungsökonomie. Im Gründungsjahr des NEA traten die USA in den Vietnamkrieg ein, im Innern wurde das Land von Bürgerrechts- und Protestbewegungen erschüttert. Nicht nur die Herausbildung von Performance als Kunstform stand mit diesen Ereignissen und Umbrüchen in direktem Zusammenhang. Auch kulturpolitische Entscheidungen waren davon geprägt. Die Auseinandersetzung mit diesen Entscheidungen und ihren Folgen erfordert deshalb den Einbezug einiger historischer Hintergründe und Zusammenhänge. Forschungsstand Die Literatur über das NEA und über US-amerikanische Kulturpolitik ist zu umfangreich, um sie hier als kompakten Forschungsstand vorzustellen. Sie wird stattdessen an entsprechender Stelle im Text eingeführt.9 Zunächst ist festzuhalten, dass Performancekunst dort nirgendwo als eine Priorität der Behörde erscheint. Anders verhält es sich mit modernem Tanz, der eine besondere Rolle für die US-amerikanische Kulturpolitik im 20. Jahrhundert gespielt zu haben scheint. Es überrascht deshalb nicht, dass es in der Tanzforschung bereits Ansätze gibt, Tanz im Kontext öffent­licher Förderung zu betrachten. Die Tänzerin und Tanzwissenschaftlerin Sarah Wilbur, die eine noch unveröffentlichte Monografie über Tanz und NEA-Förderung verfasst hat, veröffentlichte dazu zwei lesenswerte Artikel.10 Sie unterscheidet zwischen einer historischen (1965–80) und einer aktuellen Phase der Förderpolitik (ab 2000). Während mit der Tanzförderung in der frühen Phase noch vor allem kunst­geleitete Interessen verfolgt worden seien, sei die Förderung nach 2000 zunehmend als eine »finanzielle

 9 Ein umfassender und kritischer Überblick ist: Binkiewicz, Donna M.: Federalizing the Muse. United States Arts Policy and the National Endowment for the Arts, 1965–1980. Chapel Hill: U of North Carolina P 2004. 10 Wilbur, Sarah: Does the NEA Need Saving? In: The Drama Review, 61. Jg. 2017, H. 4, S. 96–106; Wilbur, Sarah: Endangered Strangers. Tracking Competition in US Federal Dance Funding. In: Dodds, Sherril (Hrsg.): The Oxford Handbook of Dance and Competition. New York: Oxford U P 2019, S. 87–110. Angaben zur erwähnten Monografie: Wilbur, Sarah: Funding Bodies. Five Decades of Dance Making at the National Endowment for the Arts. Middletown: Wesleyan U P 2021.

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Investition« (miss-)verstanden worden.11 Wilbur schließt sich damit dem Narrativ eines goldenen Zeitalters des NEA in den 1970er-Jahren an, das ab den 1980er-Jahren von einer zunehmend neoliberal geprägten Ära abgelöst wurde. Bezüge zwischen Performancekunst und dem NEA wurden in der einschlägigen Performanceliteratur bislang kaum berücksichtigt. John Howell betont in seinem Aufsatz Art Performance: New York, 1977, die Bedeutung eines »growing outright grant system«, das es Performancekünstler*innen ermöglicht habe, ihren Lebensunterhalt mit ephemerer Kunst zu bestreiten.12 Er untersucht jedoch weder die Ursachen noch die Konsequenzen dieser Tatsache. RoseLee Goldberg erwähnt das NEA in ihrem Standardwerk zur Performancegeschichte nicht. Sie streift das Thema indirekt in ihrem Aufsatz Performance: The Golden Years, wenn sie auf staatliche Subventionen für alternative Kunsträume verweist, die sie wiederum als »generating force behind the medium« bezeichnet.13 In einem zweiten Aufsatz erwähnt Goldberg dann ausdrücklich, dass performancebezogene Veranstaltungen in Museen häufig durch staatliche Gelder unterstützt worden seien. Allerdings relativiert sie ihre Aussage im selben Atemzug und verweist auf die Nonkonformität der Kunstform: Museums in the United States and Europe have acknowledged the importance of the form by staging festivals and conferences, often funded by government agencies. Despite this official recognition, however, performance remains a challenge to art critics and public alike, for it continues to question the basic criteria by which art is evaluated.14 Peggy Phelans Auseinandersetzung mit Performance und Ökonomie, die bereits mehrfach zur Sprache kam, geht von einer metaphorischen und negativen Ökonomie des Entzugs aus. Sie schreibt: »[p]erformance in a strict ontological sense is non-reproductive«.15 Phelan betont eine besondere ›Großzügigkeit‹ der Kunstform – »It saves nothing; it only spends«16 – und verschleiert damit die Frage nach den materiellen Ressourcen der Kunst. Und doch war die Förderpolitik des NEA ein zentrales Thema für ihre Überlegungen, möglicherweise sogar der Anstoß für ihr Hauptwerk Unmarked. The Politics of Performance. Dort schreibt sie:

11 »The economic rationales at play at the NEA today stand in sharp contrast to its inaugural approach to domestic arts subsidy, which dedicated taxpayer funds to preserving artistic ›excellence‹ and […] ›high art‹ traditions.« Wilbur 2019, S. 87. 12 Howell, John: Art Performance: New York. In: Performing Arts Journal, 1. Jg. 1977, H. 3, S. 28–39, hier S. 39. Ob er von staatlichen oder privaten Stipendien spricht, spezifiziert er nicht. 13 »[T]he 1970s produced artists who worked almost exclusively in the medium. It has produced a network of established venues, subsidized (until recently) by federal grants and attended by a regular audience. These venues have in turn become the generating force behind the medium; they guarantee that performance will continue to be produced«. Goldberg, RoseLee: Performance: The Golden Years [1983]. In: Battcock, Gregory (Hrsg.): The Art of Performance. A Critical Anthology. New York: Dutton 1984, S. 71–94, hier S. 72. 14 Goldberg, RoseLee: Performance: A Hidden History. In: Battcock 1984, S. 24–36, hier S. 36. 15 Phelan, Peggy: Unmarked. The Politics of Performance [1993]. London: Routledge 2005, S. 148. 16 Ebd.

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Perhaps nowhere was the affinity between the ideology of capitalism and art made more manifest than in the debates about the funding policies for the National Endowment for the Arts.17 Wie das Zitat zeigt, interessiert sich Phelan weniger für Kunstförderung an sich, sondern für den Diskurs darüber. Der Anlass dafür war ein um 1990 geführter Streit über die Aufgaben und Ziele staatlicher Kunstförderung, der sich an einigen umstrittenen Förderepisoden entzündet hatte, darunter eine Robert Mapplethorpe-Retro­ spektive, eine Skulptur im öffentlichen Raum von Richard Serra und ein Stipendium für den Künstler Andres Serrano.18 Ein wichtiger Denkanstoß für Phelan war der Fall der sogenannten NEA Four, vier Performancekünstler*innen, denen 1990 eine schon zugesagte Förderung aberkannt werden sollte, da ihre Werke als obszön wahrgenommen wurden. In einem Gerichtsprozess, der große mediale Aufmerksamkeit auf sich zog, berief sich das Lager um die Künstler*innen auf die Freiheit der Kunst und forderte die versprochenen Gelder ein. Die Gegenseite sah einen Missbrauch öffentlicher Gelder, da hier Kunst gefördert würde, die einem Großteil der Gesellschaft unzugänglich und sogar zuwider war.19 Obwohl die Künstler*innen, ihre Namen waren Karen Finley, John Fleck, Holly Hughes und Tim Miller, in diesem Fall Recht bekamen und ihre Stipendien ausbezahlt wurden, war die Folge dieser und einiger ähnlicher Episoden eine drastische Definanzierung des NEA und die Einstellung nahezu aller Förderprogramme für individuelle Künstler*innen. Die genannten Kontroversen stehen in den USA heute symbolisch für den Anbruch der Ära der sogenannten »Culture Wars«.20 Wenn in der Performanceforschung eine direkte Verbindung zwischen NEA und Performancekunst hergestellt wird, dann meist im Zusammenhang mit den NEA Four und den darauffolgenden Umbrüchen.21 Erst im Moment des Entzugs, so scheint es, wurde die existenzielle Bedeutung des NEA für die Performanceszene sichtbar. Der Theaterwissenschaftler Arnold Aronson bezeichnet die Definanzierung des NEA so-

17 Ebd. 18 Die Mapplethorpe-Ausstellung The Perfect Moment wurde 1989 wegen als obszön wahrgenommenen Fotografien an ihrer dritten Ausstellungsstation in der Corcoran Gallery of Art in Washington, D.C. abgesagt. Serras Skulptur Tilted Arc (1981) war eine über 35 Meter lange, gebogene Stahlwand, die auf dem Foley Federal Plaza in New York stand und 1989 nach politischen Kontroversen entfernt wurde. Serranos Fotografie Immersion (Piss Christ) (1987), die einen gekreuzigten Jesus in einer orange-gelblichen Flüssigkeit zeigt, wurde nach einer Ausstellung 1989 Blasphemie vorgeworfen. Zu diesen Fällen s. Bauerlein, Mark/Grantham, Ellen (Hrsg.): National Endowment for the Arts. A History, 1965– 2008. Washington, D.C.: NEA 2009, darin das Kapitel 6: Culture Wars, S. 89 ff. 19 Zu den NEA Four s. Bauerlein/Grantham 2009, S. 98–99. Eine Polemik gegen das NEA bei: Kramer, Hilton: Is Art Above the Law of Decency? [1989]. In: Smith, Ralph A./Berman, Ronald (Hrsg.): Public Policy and the Aesthetic Interest. Critical Essays on Defining Cultural and Educational Relations. Urbana: U of Illinois P 1992, S. 229–235. 20 Dazu: Hunter, James D.: Culture Wars. The Struggle to Define America. Nachdr. New York: Basic Books 1996 und Wallis, Brian/Weems, Marianne/Yenawine, Philip (Hrsg.): Art Matters. How the Culture Wars Changed America. New York: New York U P 1999. 21 Zum Beispiel in: Carlson, Marvin A.: Performance. A Critical Introduction. 2. Aufl. New York, London: Routledge 2009, S. 188–190 oder in: Goldberg, RoseLee: Performance. Live Art Since the 60s. London: Thames & Hudson 1998, S. 212 ff. Die Künstler*innenbiografien im Anhang dieses Überblickswerks nennen keinerlei Förderungen, erwähnen das NEA aber dort, wo Gelder verweigert wurden.

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gar dramatisch als eine »force of disintegration« für Avantgarde-Performance.22 Implizit formulieren er und andere damit ein Anrecht der Kunst auf eine Unterstützung durch die öffentliche Hand, die jedoch in einem streng juristischen Sinn nie gegeben war. Margare Wyszomirski schreibt dazu: Perhaps the most pervasive myth of arts policy holds that the rapid and relatively untroubled expansion of public support for the arts that occurred during the 1970s was normal and sustainable. Therefore, the threat and the relative stasis of the 1980s, followed by the controversial cuts and reallocations of the 1990s, were regarded by the agency and the arts community as abnormal. […] In the process, they paid scant attention to the systemic reasons for such budgetary decisions.23 Nicht nur in der Performanceliteratur, auch in Gesprächen mit Zeitzeug*innen fiel auf, dass sich die funding cuts der 1990er-Jahre als ein geradezu traumatisches Ereignis in das kollektive Gedächtnis der US-amerikanischen Performanceszene eingeschrieben haben.24 Damit wird nachvollziehbar, dass die 1970er-Jahre als ein goldenes Zeitalter erscheinen, in dem öffentliche Gelder der Kunst einen ökonomischen Schutzraum boten, in dem sich Performance unabhängig vom objektzentrierten Kunstmarkt und einem mehrheitsfähigen Kunstgeschmack herausbilden konnte. Mit dieser Ära verbindet sich eine Aura der Ursprünglichkeit und Authentizität, die dann im darauffolgenden Jahrzehnt durch wirtschaftliche wie politische Repressionen zunehmend verloren ging. Der neuen Performancekonjunktur, nach der Jahr­ tausendwende, wird oft eine andere, von Kommerz und Neoliberalismus gezeichnete Qualität bescheinigt, ganz ähnlich, wie dies Sarah Wilbur für den Tanz­bereich geltend machte.25 Die Persistenz dieses Narrativs im Performancediskurs lässt sich erneut aus der Produzent*innenperspektive erklären, aus der heraus die Mehrzahl der einschlä­gi­ gen Performanceliteratur, von RoseLee Goldberg über Peggy Phelan bis Amelia Jones, verfasst wurde.26 Sie mag der Grund für das Desinteresse an einem konstruk­ 22 Aronson, Arnold: American Avant-Garde Theatre. A History. London: Routledge 2000, S. 198. Aronson subsummiert Performancekunst unter dem Überbegriff ›Theater‹. 23 Wyszomirski, Margaret J.: Federal Cultural Support. Toward a New Paradigm? In: The Journal of Arts Management Law and Society, 25. Jg. 1995, H. 1, S. 69–83, hier S. 71. 24 Ich beziehe mich hier auf Gespräche mit Peter Taub und Lynn Warren, beide (ehemalige) Mitarbeiter*innen des MCA Chicago. I-PT; I-LW. 25 Claire Bishop schreibt in diesem Zusammenhang: »As performance has become an increasingly frequent phenomenon in US and European museums, it has also come under fire from art historians and critics who see its rise as a misguided fad and a cynical marketing gesture.« Bishop, Claire: Black Box, White Cube, Gray Zone. Dance Exhibitions and Audience Attention. In: The Drama Review, 62. Jg. 2018, H. 2, S. 22–42, hier S. 22. Alternativen zu diesem Narrativ des Bruchs suchen u. a. Catherine Wood, in: Wood, Catherine: Performance in Contemporary Art. London: Tate 2018; und Pamela Geldmacher, in: Geldmacher, Pamela: Re-Writing Avantgarde. Fortschritt, Utopie, Kollektiv und Partizipation in der Performance-Kunst. Bielefeld: transcript 2015. 26 Dies bestätigt Heike Roms (University of Exeter, Großbritannien), die zu frühen Performancehistoriografien forscht. Roms, Heike: How Performance Art Makes History: Artists’ Auto-histories of Happenings and Fluxus in the 1960s. In: Ferdman, Bertie/Stokic, Jovana (Hrsg.): The Methuen Drama Companion to Performance Art. London: Bloomsbury 2020, S. 37–57. Möglicherweise trug auch die queer-feministische Perspektive dazu bei.

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tiven oder gar konstitutiven Einfluss der NEA-Förderung auf die Entwicklungen der Kunstform sein, denn die Einbindung von Performance in den Kontext der Kulturpolitik und Kunstförderung verweist direkt auf das heikle Verhältnis von künstler­ ischer Autonomie und Kunstfinanzierung. Als einer modernen Form des Mäzenatentums hängt staatlicher Förderung, wenn auch in geringerem Maße als dem corporate funding, das dann in den 1980er-Jahren seinen Siegeszug antrat, zwangsläufig der Verdacht auf ideologische Vereinnahmung und Manipulation an.27 Aronson konstatiert unter Verweis auf eine Aussage des Avantgarde-Regisseurs Richard Schechner: »[an] oppositional art form funded and therefore implicitly condoned by the establishment becomes, ipso facto, an extension of that establishment.«28 Misst man Integrität und Authentizität von Kunst in dieser Weise am Maßstab ökonomischer Autonomie, führt das zwangsläufig zum hinlänglich bekannten Topos des Scheiterns der Neoavantgarden. In diesem Sinne argumentiert auch Lucy Lippard in ihrem Aufsatz Cashing in a Wolf Ticket, in dem sie staatliche Kunstförderung als »active [m]anipulation of high culture« und als »part of a state/corporate cooling-out process« bezeichnet.29 Sie bescheinigt Kunstförderung eine beschwich­ tigende Wirkung auf die kritische Avantgarde. Dieses Kapitel nimmt eine umgekehrte Perspektivierung vor. Der gedankliche Ausgangspunkt sind nicht die künstlerischen Einzelpositionen, sondern die Kunstpolitik und ihre Auswirkungen auf das Kunstsystem. Im Sinne eines ›positiv-ökonomischen‹ Zugangs wird davon ausgegangen, dass jegliche Form von Kunst auf Ressourcen angewiesen ist und einen finanziellen und/oder ideellen Nutzen hat oder haben kann. Der Politikwissenschaftler Stefan Toepler formuliert dazu: Kunst als Selbstzweck zu betrachten, mag aus einer idealistischen oder aus der Sicht des Künstlers heraus richtig sein. In einer ökonomischen Betrachtungsweise genügt dies allerdings nicht. Hiernach muß [sic] die Leistung der Finanzierung auch mit einem Nutzen verbunden sein. Dies gilt auch für Kunst und Kultur, die zudem in besonderem Maße von Förderung – sei es von privater

27 Grundlegend zu Mäzenatentum: Warnke, Martin: Hofkünstler. Zur Vorgeschichte des modernen Künstlers. 2. überarb. Aufl. Köln: DuMont 1996. Zur Verbindung zwischen traditionellem Mäzenatentum und moderner Kunstförderpolitik s. Cummings, Milton C./Katz, Richard S.: Government and the Arts: An Overview. In: Cummings, Milton C. (Hrsg.): The Patron State. Government and the Arts in Europe, North America, and Japan. New York: Oxford U P 1987, S. 3–16, hier S. 3–4. Corporate funding und Performance wäre eine lohnende weiterführende Untersuchung. Bereits Harald Szeemanns Konzeptkunst-Ausstellung When Attitudes Become Form in der Kunsthalle Bern, 1969, wurde von Philip Morris unterstützt, möglicherweise sogar initiiert. Dazu: Di Lecce, Claudia: Avant-Garde Marketing. ›When Attitudes Become Form‹ and Philip Morris’s Sponsorship. In: Rattemeyer, Christian/Beeren, Wim (Hrsg.): Exhibiting the New Art. ›Op Losse Schroeven‹ and ›When Attitudes Become Form‹ 1969. Köln: König 2010, S. 220–239. Prominente aktu­ elle Fälle sind die seit 2003 laufende Reihe BMW Tate Live in der Tate Modern, London, Webseite: Tate Modern, London. BMW Tate Live. https://web.archive.org/web/20200919093007/https://www.tate.org.uk/whats-on/tate-modern/ performance/bmw-tate-live (Zugriff 19.09.2020); oder die seit 2019 bestehende Partnerschaft zwischen dem HyundaiKonzern (bzw. Hyundai Card) und der Abteilung Media and Performance des MoMA. 28 Aronson 2000, S. 198. 29 Lippard, Lucy R.: Cashing in a Wolf Ticket. In: Lippard, Lucy R. (Hrsg.): Get the Message? A Decade of Art for Social Change. New York: Plume 1984, S. 303–314, hier S. 312.

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oder öffentlicher Seite – abhängig sind. Kunst ist also keineswegs ›in einer höheren Sphäre‹ dem Zugriff der Realität entzogen, sondern »in das lebendige Wechselspiel einer Gesellschaft, in das politische Zusammenleben, in die Machtstrukturen, in die gesellschaftlichen Veränderungen eingebunden« (Strachwitz 1990, 10).30 Nicht ob, sondern wie und mit welchen Konsequenzen Performance in kulturpolitische Zusammenhänge und das »lebendige Wechselspiel einer Gesellschaft« eingebun­ den war, ist dann von Interesse. Die Künstlerin Martha Rosler reflektiert die komplexen Zusammenhänge von Kunst und Kunstförderung umsichtig in ihrem Thesen­ papier Thesis on Defunding. Mit ihr gelte folgende Grundannahme: Artists are as sensitive as anyone to changes in wind direction and as likely to adjust to them. The production of artists depends on conditions ›in the field‹ of art as a sector of the economy as well as a sector of the ideological. There are more chances to enter and pursue a life of art making when there is more money devoted to art. There are more places in school and more jobs in education, more general attention to a broader range of art activities.31 Wie bei Rosler geht es auch hier nicht darum, (Performance-)Kunst als finanziell abhängig oder gar manipuliert zu entlarven. Da Kunst, wie bereits angemerkt, immer auf finanzielle Ressourcen angewiesen ist, bleiben Fragen künstlerischer Integrität und Qualität ausdrücklich unberührt. Eine ähnliche Sensibilität und Anpassungsfähigkeit, so sei weiter angenommen, gilt für Museen. Wie sich noch zeigen wird, war die Geschichte des modernen Kunstmuseums in den USA im 20. Jahrhundert eng mit Fragen staatlicher Förderpolitik verbunden. Um sich als private Institutionen für den Erhalt staatlicher Gelder zu qualifizieren, mussten Museen ihre Gemeinnützigkeit unter Beweis stellen und sich dabei im Spannungsfeld von Elitismus und Demokratie verorten.32 Konkret bedeu­ tete das die Herausbildung und Konsolidierung eines Selbstverständnisses als öffent­ liche Bildungseinrichtung unter den Leitprinzipien von Demokratie und Diver­sität. Die Untersuchung von Performance und Museen im Kontext staatlicher Förderpolitik verspricht, dem Phänomen Performance on Display eine weitere politischökonomische Facette hinzuzufügen. Eine zentrale These dieses Kapitels ist, dass die Finanzierung durch das NEA eine katalytische Wirkung entfaltete. Dies gilt sowohl für die Herausbildung von Performance als einer lebendigen Kunstform als auch für die Entwicklung von Museen und Kunstinstitutionen zu Bildungseinrichtungen mit

30 Toepler, Stefan: Kulturfinanzierung. Ein Vergleich USA – Deutschland. Wiesbaden: Gabler 1991, S. 2. 31 Rosler, Martha: Theses on Defunding. In: Kester, Grant H. (Hrsg.): Art, Activism, and Oppositionality. Essays from »Afterimage«. Durham: Duke U P 1998, S. 94–102, hier S. 97. Zuerst im Rahmen einer Podiumsdiskussion der MidAmerica Art Association 1980. 32 Für eine Geschichte der US-amerikanischen Kunstmuseen in diesem Spannungsfeld s. Einreinhofer, Nancy: The Ame­ri­­can Art Museum. Elitism and Democracy. London: Leicester U P 1997.

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betont demokratischem Selbstverständnis. Dabei oszillierte die Wirkung der Finanzierung zwischen formativer Kraft und Möglichkeitsraum. Wie von der Historikerin Donna Binkiewicz vorgeschlagen, fungiert das NEA im Folgenden als »window through which to view art historical developments«.33 Die Behörde soll dabei stellvertretend für Kunstförderung durch die öffentliche Hand stehen.34 Selbstverständlich gab und gibt es in den USA auch viele weitere staatliche wie private Einrichtungen, die ähnliche Aufgaben übernehmen.35 Dies sind neben Einzelpersonen, Stiftungen und Unternehmen (corporate funding) vor allem die State Arts Agencies (SAAs), die für Kunstförderung auf bundesstaatlicher Ebene zuständig sind. Vor allem letztere stehen in politischer und finanzieller Abhängigkeit vom NEA.36 Unter Berufung auf die Isomorph-Theorie der Soziologen Paul DiMaggio und Walter Powell wird hier angenommen, dass die Förderpolitik der nationalen Instanz des NEA eine Vorbildfunktion erfüllte und deshalb argumentativ mit Kunstförderung im Gesamten gleichgesetzt werden kann.37 Aufbau des Kapitels Der erste Teil des Kapitels erarbeitet die historischen Hintergründe bis zur Gründung des NEA, 1965. Diese Hintergründe zu kennen ist notwendig, um die Struktur und Förderpolitik des NEA zu verstehen. Zentrale Themen werden die Legitimierung und die verschiedenen Ziele staatlicher Kunstförderung sein. Zugleich werden erste Anbruchspunkte für staatliche Performance- und Museumsförderung aufscheinen. Die so gewonnenen Einblicke in das sich wandelnde Gefüge von Kunst, Künstler*innen, Museen und Staat werden später auf das Phänomen Performance on Display zugespitzt.

33 Binkiewicz 2004, S. 2. 34 Für eine hilfreiche Definition von Kultur und Kulturpolitik s. Fuchs, Max: Kulturpolitik. Wiesbaden: Springer 2007, S. 10 ff. »Kulturpolitik ist staatliche Politik. Sie besteht aus verschiedenen Feldern. Sie hat eine klare Aufgabenstellung, die neben Integration auch etwas mit der Herstellung von Massenloyalität zu tun hat (›Legitimation‹). Sie dient der Herstellung nationaler Identität.« Ebd., S. 28ff: 35 Staatlich: Smithsonian Institutions, Historic Preservation Fund; privat: Stiftungen wie die Ford, Mellon, oder Rocke­ feller Foundations. Eine Übersicht über Förderinstanzen in den frühen 1980er-Jahren bei Mulcahy, Kevin V.: Government and the Arts in the United States. In: Cummings, Milton C. (Hrsg.): The Patron State. Government and the Arts in Europe, North America, and Japan. New York: Oxford U P 1987, S. 311–368, hier S. 313. Zu Förderung durch Stiftungen: DiMaggio, Paul: Support for the Arts from Independent Foundations. In: DiMaggio, Paul (Hrsg.): Nonprofit Enterprise in the Arts. Studies in Mission and Constraint. New York: Oxford U P 1986, S. 113–139. 36 »State arts agencies (SAAs) have played a key role within the U.S. system of direct public support for the arts. They have broadened the reach of the federal arts agency, the National Endowment for the Arts (NEA), by implementing its programs at the state level.« Lowell, Julia: State Arts Policy. Trends and Future Prospects. Santa Monica: Rand 2010, S. 1. Für eine kompakte Darstellung des Zusammenhangs von NEA und SAAs s. Bauerlein/Grantham 2009, S. 23; umfassender in: Mulcahy, Kevin V./Wyszomirski, Margaret J.: The Organization of Public Support for the Arts. In: Mulcahy, Kevin V./Wyszomirski, Margaret J. (Hrsg.): America’s Commitment to Culture. Government and the Arts. Boulder: Westview 1995, S. 121–143, hier S. 132 ff. Webseite: State Arts Agencies. https://web.archive.org/web/20201101035259/ https://nasaa-arts.org/ (Zugriff: 08.11.2020). Zum Thema NEA und Dezentralisierung s. DiMaggio, Paul J.: Decentralization of Arts Funding from the Federal Government to the States. In: Benedict, Stephen (Hrsg.): Public Money and the Muse. Essays on Government Funding for the Arts. New York: Norton 1991, S. 216–256. 37 DiMaggio, Paul/Powell, Walter W.: The Iron Cage Revisited. Institutional Isomorphism and Collective Rationality in Organizational Fields. In: American Sociological Review, 48. Jg. 1983, H. 2, S. 147–160.

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Der zweite Teil des Kapitels widmet sich zuerst den Leitlinien und der Organisationsstruktur des NEA. Dem folgt ein Überblick über konkrete Förderprogramme und Förderepisoden, die für Performance und für Museen in den 1970er-Jahren relevant waren. Bis zu diesem Punkt werden die Stränge Performance und Museum weitestgehend getrennt voneinander verfolgt. Im dritten Teil des Kapitels erfolgt die argumentative Zusammenführung der Stränge. Zunächst steht die oben gestellte Frage nach der katalytischen Wirkung des NEA auf das Phänomen Performance on Display im Vordergrund. Im zweiten Schritt gilt es aus einer Makroperspektive die systemischen Zusammenhänge zu betrachten, die Performance, Museen und staatliche Förderung verbanden. Vor dem Hintergrund staatlicher Kunstförderung erscheint Performance on Display dann nicht mehr als paradoxes, sondern historisch gewachsenes und eingebettetes Phänomen. Vor dem Hintergrund des erarbeiteten historischen Kontextes rückt abschließend Performance on Display als ein historisches Phänomen in den Blick, das in einem engen Zusammenhang mit der Herausbildung eines ›Kreativitätsdispositivs‹ stand.38 Daraus ergibt sich ein Erklärungsansatz für die besondere Konjunktur für Performance on Display in den 1970er-Jahren und ihr vorläufiges Abklingen im darauffolgenden Jahrzehnt.

Kulturpolitik und staatliche Kunstförderung in den USA Historischer Hintergrund Für das Verhältnis zwischen Kunst und Staat in den USA gilt grundlegend, dass eine Zuständigkeit des Staates für Kunst und Kultur nie selbstverständlich war.39 Dies erklärt sich aus der besonderen Geschichte der Nation, die sich in wesentlichen Punkten von derjenigen moderner europäischer Staaten unterscheidet. Die Mehrzahl der europäischen Staaten ›ererbten‹ ihren Umgang mit Kunst und Hochkultur, einschließlich entsprechender Kunstschätze, in einem mehr oder weniger bruchlosen Übergang von der Monarchie zur Demokratie. Institutionen, wie die nationalen Kunstmuseen, aber auch die Kulturministerien, die vielerorts eingerichtet wurden, zeugen davon, dass hier die Kunst geradezu selbstverständlich in die Verantwortung des Staates fiel.40 38 Die Verwendung dieses Begriffs erfolgt in Anlehnung an den Soziologen Andreas Reckwitz, der die Herausbildung dieses Dispositivs als eine zentrale Entwicklung des 20. Jahrhunderts identifiziert hat. Reckwitz, Andreas: Die Erfindung der Kreativität. Zum Prozess gesellschaftlicher Ästhetisierung [2012]. 5. Aufl. Berlin: Suhrkamp 2017. 39 Kontroversen darüber, ob und wenn ja, wie viel die Kunst einen Staat kosten darf, gab es in den USA bereits im 19. Jahrhundert. Einschlägige Episoden in: Cummings, Milton C.: Government and the Arts: An Overview. In: Benedict 1991, S. 31–79, hier S. 33 ff. 40 Für eine vergleichende Darstellung der Kulturfinanzierung in Deutschland und den USA s. Toepler 1991.

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Die Vereinigten Staaten hingegen waren aus einem bewussten Bruch mit den kle­ rikalen und monarchischen Strukturen der Alten Welt hervorgegangen.41 Die spe­zi­elle Ausformung des US-amerikanischen Liberalismus verband eine angelsächsisch-puritanische Weltanschauung mit den rationalistischen und humanistischen Idealen einer Demokratie im Geiste der französischen Aufklärung. Daraus ergaben sich zunächst stichhaltige Gründe für eine Trennung von Kunst und Staat. So waren auch die frühen US-amerikanischen Kunstmuseen im Gegensatz zu ihren europä­ischen Schwesterinstitutionen keine staatlichen Einrichtungen, sondern gehen auf ein System privater Finanzierung zurück, das die Museumslandschaft in den USA bis heute prägt.42 Damit geht eine enge Verbindung der wirtschaftlichen Eliten zum Feld der Kunst einher, die stets einen großen Einfluss auf kulturpolitische Entscheidungen ausübten. Wenn Kunst, wie in der vormodernen Alten Welt in erster Linie Eliten zur Distinktion diente, musste sie in einem demokratischen Staat als Privatangelegenheit gelten. Eine Betonung der Freiheit der Kunst bedeutete, eine Einmischung des Staates in diesen Bereich auszuschließen. Auch das Ideal eines freien und deregulierten Marktes schloss eine staat­liche Subventionierung von Kunst kategorisch aus. Wurde Kunst jedoch als Möglichkeit des individuellen kreativen Ausdrucks in einen Zusammenhang mit Bildung gebracht, konnte im Namen der Demokratie und der Forderung nach gleichen Chancen auf Bildung und Wohlstand ein Engagement des Staates im Bereich der Kunst gerechtfertigt werden. Das Verhältnis von Kunst und Staat steht also in den USA im Spannungsfeld sich teilweise widersprechender USamerikanischer Grundwerte, wie das Recht auf Gleichheit und das Streben nach Glück, Meinungsfreiheit und die Freiheit der Kunst sowie die Freiheit des Marktes. Damit erklärt sich, warum die Diskussionen um staatliche Kunstförderung hoch­ gradig ideologisch aufgeladen sind, und warum es in den USA lange Zeit überhaupt keine Instanz für staatliche Kunstförderung gab. Im Laufe der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts fand ein bemerkenswerter Wandel von einer nachdrücklichen Heraushaltungspolitik zu einer systematischen Förderpolitik statt, die schließlich in der Gründung des NEA kulminierte. Diese Entwicklung, in die nun knapp eingeführt werden soll, lässt sich in zwei große historische Abschnitte gliedern: Die ersten Vorstöße durch einer indirekte Kunstförderung sowie die Förderprogramme des New Deal, etwa 1918 bis 1945 und die Ära kultureller Diplomatie im Zeichen des Kalten Kriegs in den Nachkriegsjahrzehnten von etwa 1945 bis 1965.

41 Cummings differenziert aufschlussreich zwischen ehemals royal-absolutistischen Staaten (z.B. Frankreich und Österreich) und solchen mit einer plutokratisch-merkantilen Tradition (z.B. Großbritannien und die Niederlande). Aus letzterer Tradition leitet er das US-amerikanische Kunstfördersystem ab. Cummings 1991, hier S. 31–32. 42 Cummings spricht von einem »remarkable system of private philanthropy«. Cummings 1991, S. 31. Zur Rolle der Philanthropie in der US-amerikanischen Wirtschaft/Gesellschaft s. Bremner, Robert H.: American Philanthropy. 2. Aufl. Chicago: U of Chicago P 1988 und Zunz, Olivier: Philanthropy in America. A History. Princeton: Princeton U P 2012. Zu verschiedenen US-amerikanischen Finanzierungsmodellen für Museen s. Alexander, Victoria D.: Museums and Money. The Impact of Funding on Exhibitions, Scholarship, and Management. Bloomington: Indiana U P 1996, S. 19 ff., darin das Kapitel: From Philanthropy to Funding. Changes in Museum Patronage, S. 19 ff.

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Indirekte Kunstförderung – Hinwendung zur Gegenwart und Zusammenbindung von Kunst und Bildung Mit dem Ende des Ersten Weltkriegs und mit dem Aufstieg der USA zur Weltmacht fand in Bezug auf Kultur ein Umdenken statt.43 Es wurden zunehmend Stimmen laut, die Kunst und Kultur, immer im Zusammenhang mit Bildung, als einen integralen Bestandteil einer gesunden Demokratie und Gesellschaft betrachteten. Exemplarisch sei hier auf die Ideen und Schriften des Reformpädagogen und Philosophen John Dewey verwiesen. In seinem Werk Democracy and Education von 1916 verbindet Dewey ein US-amerikanisches Demokratieverständnis mit dem Ideal erfahrungs­ basierter Bildung, für die Kunst und Kreativität eine Schlüsselrolle spielen.44 In seinem Werk Art As Experience von 1934 nimmt er eine Zuspitzung dieser Ideen auf die Kunst vor.45 Deweys Gedanke der Förderung von Kreativität (als Kompetenz) und individuellem Ausdruck zugunsten eines aufgeklärten und mündigen Individuums sollte sich für das 20. Jahrhundert als wegweisend herausstellen. Diese und ähnliche Überlegungen zur gesellschaftlichen Relevanz der Kunst führten dazu, dass der US-amerikanische Staat ab etwa 1920 die Künste durch Steuer­ vergünstigungen bei Kunstinvestitionen zu fördern begann.46 Obwohl das ein zaghafter Vorstoß war, bedeutete er für die Kunstszene eine enorme Bestätigung. Erstmals wurde der Kunst offiziell eine gesellschaftliche Relevanz zuerkannt. Diese Form der Förderung bedeutete auch eine direkte Kopplung des Kunstfeldes an wirtschaftliche Konjunkturen. Es war kein Zufall, dass ausgerechnet mit dem Börsencrash 1929 und der folgenden Weltwirtschaftskrise die US-amerikanische Kunstszene aufzublühen begann. Steigende Steuerlasten begünstigten zum Beispiel die Gründung bedeutender Museen durch private Mäzene, darunter das MoMA und das Whitney Museum in New York.47 Zeitgleich kam auch der Kunstmarkt in Schwung. Sammler*innen, oft in symbiotischer Verbindung mit den genannten Museen, begannen sich für aktuelle Kunst zu interessieren, insbesondere der europäischen Moderne und bald auch lebender US-amerikanischer Künstler*innen. Diese Hinwendung zur Gegenwart wurde durch eine weitere indirekte Förderstrategie unterstützt. Es war dies eine gezielte Einwanderungspolitik, die zahlreiche Avantgarde-Künstler*innen sowie Intellektuelle und Wissenschaftler*innen aus Europa in die USA lockte. Marcel Duchamp, der bereits 1915 nach New York gekom-

43 Vgl. Kentgens-Craig 2001, darin das Kapitel: Expectations of an American Renaissance, S. 214 ff. 44 Dewey, John: Democracy and Education [1916]. Radford: Wilder Publications 2008. S. auch: Dewey, John: Experience and Education [1938]. New York: Simon & Schuster 1997. 45 Dewey, John: Art as Experience [1934]. New York: Perigee 2005. Deweys Ansatz übertrug Bildungsideale der französischen Aufklärung auf das ebenfalls auf individuelle Freiheit ausgerichtete US-amerikanische System. 46 Cummings nennt hier drei Schritte: »The first was the passage of the Federal Income Tax Law of 1916; the second was the advent of the Federal Inheritance Tax in 1918; and the third was the subsequent establishment of the principle that contributions to arts organizations would be tax deductible like contributions to hospitals, educational institutions, and welfare agencies.« Cummings 1991, S. 41. 47 Zu dieser Gründungswelle s. Einleitung, S. 31. Ebenso in die 1930er Jahre fällt die Gründung der National Gallery of Art nach einer umfangreichen Spende von Andrew Mellon.

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men war und dessen Einfluss auf die dortige Kunst- und Museumsszene enorm war, kann hier als ein erster Vorbote gelten.48 Ab etwa 1930 folgten zahlreiche Exil­ant*in­ nen auf der Flucht vor nationalsozialistischer Verfolgung. Wie der Exilforscher ClausDieter Krohn herausgearbeitet hat, wurden für diese kulturelle Elite die strengen Einwanderungsquoten außer Kraft gesetzt. Ziel war, »den im Inneren des Landes begonnenen Wandlungsprozess vom bisherigen reinen business country hin zur modernen Kulturnation zu befördern.«49 Es ist hinlänglich bekannt, dass von diesen exilierten Künstler*innen wesentliche Impulse für die US-amerikanische Avantgarde und damit letztlich auch die Herausbildung der Performancekunst ausgingen.50 Ein einschlägiges Beispiel hierfür wären die Einflüsse der Surrealist*innen, die für die Aktionsmalerei Jackson Pollocks wichtig waren sowie die multidisziplinären Ansätze des Bauhauses, die vor allem im Kontext höherer Bildungseinrichtungen Kunst, Design und Gesellschaftstheorie miteinander verbanden. Ein bedeutender Ort war in diesem Zusammenhang das Black Mountain College in North Carolina, wohin die Bauhaus-Lehrenden Josef und Anni Albers (für Kunst und Design) sowie Xanti Schawinsky (für Theater und Tanz) berufen wurden.51 In New York bildete sich an der New School of Social Research, unter Mitarbeit exilierter Wissenschaftler*innen, das intellektuelle Umfeld heraus, in dem später John Cage in seiner Kompositionsklasse künstlerische Impulse an Allan Kaprow oder Dick Higgins weitergab.52 Es waren nicht zuletzt solche Liberal Arts Colleges und Forschungsuniversitäten, die ihren Schwerpunkt auf die Geisteswissenschaften und die Künste legten, die nun im Zentrum eines kulturellen Aufschwungs standen. Da es in den USA, anders als in Europa, zuvor kein ausgeprägtes Akademiesystem gab, studierten die meisten der später bekannten US-amerikanischen Avantgardekünst­ler*in­ nen an solchen multidisziplinären Forschungseinrichtungen. Die staatliche Förderung dieser Orte (meist gemeinsam mit großen privaten Stiftungen, wie der Rocke­ feller Foundation) war Teil der New Deal Politik Franklin D. Roosevelts, die kein geringeres Ziel verfolgte, als die Gesellschaftsmodelle von morgen zu entwerfen und 48 Duchamp arbeitete in den USA als Berater für Sammler*innen und Museen und wurde zum Vorbild für die Pop Art, die Fluxus-Bewegung und später auch die Body Art. 49 Krohn, Claus-Dieter: Emigration 1933–1945/1950. In: Europäische Geschichte Online (EGO), hrsg. vom Institut für Europäische Geschichte (IEG), Mainz 31.05.2011. Online-Publikation. URN: urn:nbn:de:0159-2011050975 (Zugriff: 18.11.2020). 50 Salvador Dalí kam 1940, Max Ernst und André Breton kamen 1941 nach New York. Das MoMA zeigte 1941 eine Doppelretrospektive von Salvador Dalí und Joan Miró. RoseLee Goldberg betont: »Performance in the United States began to emerge in the late thirties with the arrival of European war exiles in New York«. Goldberg 1979, S. 79. Zum Einfluss von Surrealismus und Bauhaus auf die US-amerikanische Kunstwelt s. Einreinhofer 1997, darin das Kapitel: The Development of American Modernism and its Influence on the American Art Museum, S. 81 ff. 51 Anni und Josef Albers kamen 1933 mit nicht-quotierten Visa in die USA. Dabei wurden sie durch zwei Mitarbeiter des MoMA, Philip C. Johnson und Edward M. Warburg unterstützt. S. Duberman, Martin B.: Black Mountain. An Exploration in Community [1972]. Evanston: Northwestern U P 2009, S. 55–56. Möglicherweise unterstützte auch Abby Rockefeller ihre Einwanderung. Ebd., S. 424–425, Anm. 5. Schawinsky kam auf Einladung von Josef Albers 1936 an das College. Ebd., S. 98. Er setzte mit seinen Studierenden die Bauhaus-Experimente für ein interdisziplinäres ›Totaltheater‹ fort. Für eine Aufstellung von Bauhaus-Emigrant*innen in die USA s. Kentgens-Craig, Margret: The Bauhaus and America. First Contacts, 1919–1936. Cambridge: MIT 2001, S. 90. 52 Vgl. Goldberg 1979, S. 82.

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eine »cultural and intellectual renaissance« herbeizuführen.53 Kreativität und Selbstreflexives Denken und Handeln gehörten dabei zu den leitenden Idealen. Die New-Deal-Ära, 1933–38: Kunst als Arbeit und Visuelle Bildung für Konsument*innen Der New Deal, ein politisches Maßnahmenpaket, das auf die damalige Weltwirtschaftskrise antwortete, brachte in den USA den ersten direkten staatlichen Vorstoß im Bereich Kunstförderung mit sich. Auf die Forderung von Künstler*innenverbänden hin wurden ab 1934 Programme aufgelegt, darunter das Federal Art Project (FAP), um arbeitslose Künstler*innen in Arbeit zu versetzen.54 In einem Zeitraum von etwas weniger als zehn Jahren arbeiten über 40 000 Künstler*innen direkt für den Staat. Sie schufen Kunstwerke, oft für den öffentlichen Raum, oder arbeiteten im pädagogischen Bereich sowie in staatlichen Designinitiativen.55 Ihre Kunst sollte erbaulich und volksnah sein.56 Bekannte Beispiele wären hier die Wandgemälde, die für staat­ liche Gebäude und Postämter entstanden, meist im figurativ-narrativen Stil des Sozial­realismus.57 Eine ähnlich direkte Bildsprache pflegten Theaterproduktionen, die das Federal Theatre Project förderte und die im ganzen Land auf Tournee gingen. Sie waren ein wichtiger Anstoß für das Erstarken der Tanz- und Theaterszene in dieser Zeit.58 Das FAP brachte einen neuen Typus der Kunstinstitution hervor: die Community Art Center.59 Diese Institutionen sollten abseits der Metropolen ein lokales Publikum ansprechen. Ähnlich wie das Walker Art Center, das ein Vorzeigeprojekt dieser Politik war, boten sie neben Ausstellungen ein breites Veranstaltungsprogramm für alle Altersstufen, einschließlich praktischer Kunstworkshops.60 Dabei wurden Arbeits-

53 Kentgens-Craig 2001, S. 214. Barbara Newsom stellt fest: »During the 1930s, a combination of New Deal money and private foundation funds was injected into all kinds of experimental educational programs.« Newsom, Barbara Y./ Silver, Adele Z. (Hrsg.): The Art Museum as Educator. Berkeley: U of California P 1978, S. 15. 54 Zu den Protesten von Künstler*innen für Arbeitsplätze s. Rosenberg, Harold: The Profession of Art: The W.P.A. Art Project. In: Ders. (Hrsg.): Art on the Edge. Creators and Situations. London: Secker & Warburg 1976, S. 195–205. Persönliche Überzeugungsarbeit leistete der Maler George Biddle, der ein Schulfreund Franklin D. Roosevelts gewesen war. Vgl. Marling, Karal A.: Wall-to-Wall America. A Cultural History of Post-Office Murals in the Great Depression. Minneapolis: U of Minnesota P 1982, S. 30ff. 55 Cummings 1991, hier S. 42. 56 Dazu Lisanne Gibson: »[A]rt created by FAP programs was characterized as ›art for the people‹—that is, art that depicted the life of the ›people‹ (understood as citizens) participating in the reconstruction of the nation.« Gibson, Lisanne: Managing the People. Art Programs in the American Depression. In: The Journal of Arts Management Law and Society, 31. Jg. 2002, H. 4, S. 279–292, hier S. 281–282. 57 Viele der involvierten Maler*innen orientierten sich am mexikanischen Muralismus. Vgl. Marling 1982, S. 30ff. 58 Dazu: DeHart Mathews, Jane: The Federal Theatre, 1935–1939. Plays, Relief, and Politics. Princeton, New Jersey: Princeton U P 1967; O’Connor, John/Brown, Lorraine (Hrsg.): Free, Adult, Uncensored. The Living History of the Federal Theatre Project. New York, Washington, D.C.: New Republic Books 1978 und Witham, Barry B.: The Federal Theatre Project. A Case Study. Cambridge: Cambridge U P 2003. 59 Vgl. Harris, Jonathan: Nationalizing Art. The Community Art Centre Programme of the Federal Art Project 1935–1943. In: Art History, 14. Jg. 1991, H. 2, S. 258–269. 60 Vgl. White, John F. (Hrsg.): Art in Action. American Art Centers and the New Deal. Metuchen: Scarecrow 1987, S. 1–8. Die Umwandlung des Walker zu einem Art Center geschah mit finanzieller Unterstützung durch das Community Art Center Program des FAP. Zur Renovierung des Museumsbaus wurden außerdem WPA-Arbeitskräfte eingesetzt.

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plätze für Künstler*innen geschaffen und die Kreativität der Bevölkerung gefördert. Im Falle des Walker Art Center begann damit die Dynamisierung des Ausstellungsprogramms und der Einbezug der darstellenden Künste in die Strukturen der Kunstinstitution. Die New-Deal-Programme waren mehr als reine Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen. Sie zielten auf einen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Nutzen der Kunst. Das heißt, die Künste sollten zur allgemeinen ›Kultivierung‹ der Nation beitragen und moralische Erbauung in schwierigen Zeiten bieten. Zugleich sollte die verstärkte Präsenz von Kunst und Design im Alltag die visuelle Bildung der Bevölkerung vorantreiben und so aufgeklärte Konsument*innen formen.61 Lisanne Gibson erläutert: The art projects operated as a mechanism to equip the New Deal citizen with a variety of capacities. For instance, the New Deal citizen would become a discerning consumer. Citizen-consumers would be educated to participate in the workings of a reconstructed American nation through the exercise of their social and political responsibilities, but also through the pracice of thrifty expenditure of their capital and the sensible expenditure of their leisure time. […] These aims would result in the production and consumption of better design, and more widely accessible cultural products. In sum, the project would advocate and create »useful culture.«62 Die klassischen Museen, elitäre Orte der Kunst, waren nicht das Hauptaugenmerk der New-Deal-Programme. Die neuerliche Verfügbarkeit öffentlicher Gelder im Bildungssektor regte aber viele Museen dazu an, den Aspekt der Kunstvermittlung zu betonen.63 Museen begannen sich damit für breitere Bevölkerungsschichten zu öffnen und ihr Programm vielfältiger und inklusiver zu gestalten. Dabei konnten ihnen die neuen Community Art Center mit ihrer ›lebendigen‹ Programmgestaltung als Vorbild dienen. Ende der 1930er-Jahre wurden die New-Deal-Programme eingestellt. Im Schatten des Zweiten Weltkriegs, in den die USA 1941 eintraten, bestimmte die Abgrenzung von den konkurrierenden Staatssystemen des Faschismus einerseits und des Kommunismus andererseits die Politik. Eine direkte Einflussnahme des Staates auf die Künste und eine staatliche Erziehung des Volkes durch die Kunst wurde neuerdings als Missbrauch der Kunst zu Propagandazwecken gewertet und nachhaltig verwor-

S. White, John F.: The Walker Art Center. A Crowning Achievement. In: White [Art in Action] 1987, S. 9–36. Über den New Deal und das Walker Art Center s. Carpenter, Elizabeth: An American Legacy: The WPA Collection. In: Rothfuss/ Carpenter 2005, S. 14. 61 Im Walker Art Center wurde zum Beispiel 1946 die sogenannte Everyday Art Gallery eingerichtet, die den Besucher*in­ nen aktuelles Design näherbrachte, einschließlich Kaufempfehlungen zur Weihnachtszeit. Dazu: O. A.: Everyday Art Gallery. https://web.archive.org/web/20201118214321/https://walkerart.org/minnesotabydesign/objects/everyday-artgallery (Zugriff: 18.11.2020). 62 Gibson 2002, S. 281–282. Gibson betrachtet Kunstförderung durch die Linse von Michel Foucaults Konzept der Gouvernmentalität. 63 Vgl. Newsom/Silver 1978, S. 15.

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fen. Dasselbe galt für die realistische und figurative Kunst, die das FAP und die an­ deren Förderprogramme propagiert hatten. Die ideologisch gescheiterten Kunst-­ programme des New Deal wurden damit zu einer Abgrenzungsfolie, an der sich alle späteren kulturpolitischen Maßnahmen messen mussten. Ohne ihre Kenntnis wären die offensive Heraushaltungspolitik des NEA und die auf den New Deal folgenden Jahrzehnte abstrakter und ›neutraler‹ Innovation in der Kunst kaum nachvollziehbar. Was vom New Deal blieb, war der Leitgedanke einer demokratischen, alltagswirksamen Kunst, der sich bald in neuen abstrakteren Bildsprachen und schließlich auch der Performancekunst niederschlug. Des Weiteren war der Grundstein für eine flächendeckende visuelle Bildung und ›Kreativisierung‹ der Gesellschaft gelegt. Ebenso bleibend war das gestärkte Selbstbewusstsein US-amerikanischer Kunstschaffender, die über mehrere Jahre die offizielle Anerkennung des Staates genossen hatten. Wie Harold Rosenberg überzeugend darlegt, wandelte sich das Künst­ ler*innenselbstbild nachhaltig vom Bohemien zum/r professionellen Kunstarbei­ ter*in.64 Dieses Selbstverständnis kam bereits im vorangegangenen Kapitel als wichtiges Identifikationsmoment der New Yorker Downtown-Szene zur Sprache. Es war der Nährboden für vielfältige künstlerische Initiativen, von den co-op-Galerien und alternativen Kunsträume bis zu Verbandsorganisationen wie der Art Workers Coa­li­ tion (AWC). Die zwei Jahrzehnte der Absenz offizieller staatlicher Kunstförderung nach dem New Deal dürften diese Tendenz zur Eigenitiative sogar noch verstärkt haben. Kunstförderung im Kalten Krieg – Die Freiheit der Kunst als US-amerikanisches Monopol Die Nachkriegsjahre markierten den Anbruch der Ära des Kalten Kriegs und brachten drängende System- und Identitätsfragen mit sich. Für die Künste war zunächst nicht ausgemacht, welchen Stellenwert sie dabei einnehmen würden. Die erstarkenden antikommunistischen Tendenzen standen dem Feld der politisch traditionell links orientierten Künstler*innen und Intellektuellen feindlich gegenüber und  denun­ zierten jegliche Form von Kunst als kommunistische Propaganda.65 Wegen dieser aufgeladenen Atmosphäre fand zwischen dem Ende der New-Deal-Programme und der Gründung des NEA keine offizielle Positionierung des Staates zur Kunst statt.66 Die Kunst verschwand aber nicht von der politischen Agenda. Mit der Zuspitzung des Kalten Kriegs und dem Bedürfnis nach ideologischer Abgrenzung, beziehungsweise dem Beweis systemischer Überlegenheit gegenüber der Sowjetunion, kam die 64 Rosenberg [The Profession] 1976, S. 195–205, hier S. 195. 65 Viele Künstler*innen waren Mitglieder der Kommunistischen Partei. Das notorische House Un-American Activities Committee (HUAC) richtete sich ab 1934 zunächst gegen den Nationalsozialismus und ab 1938 zunehmend gegen den Kommunismus. Insbesondere der Politiker Joseph McCarthy schürte die Angst vor kommunistischer Unterwanderung. 66 Sämtliche Initiativen für eine Neuauflage staatlicher Kunstförderung in diesen Jahren scheiterten am Kongress. Für eine detaillierte Darstellung dieser Aushandlungsprozesse s. Larson, Gary O.: The Reluctant Patron. The United States Government and the Arts, 1943–1965. Philadelphia: U of Pennsylvania P 1983. Über gescheiterte Initiativen zwischen 1935 und 1960 Ebd., S. 64 ff.

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Kunst als Imagefaktor und Gegenstand kultureller Diplomatie in der Außenpolitik ins Spiel.67 Kunst war sowohl Teil des Marshallplans (ab 1948), der einen pro-amerikanischen Aufbau Deutschlands und (West-)Europas zum Ziel hatte, als auch einer weltumspannenden ›Freiheitsoffensive‹.68 Diese »greatest sales campaign in history«69 sollte im Ausland den technischen wie kulturellen Fortschritt der USA demonstrieren und damit Überzeugungsarbeit für das US-amerikanische Staats- und Wirtschafts­ system leisten. Das Schlagwort ›Freiheit‹ wurde dabei auf alle Bereiche des US-amerikanischen way of life übertragen und fand in der Freiheit der Kunst ein besonders sinnfälliges Demonstrationsobjekt. Welche Form der Kunst aber nun die US-amerikanische Freiheit repräsentieren sollte, war Gegenstand erbitterter Diskussionen.70 Einige Kernbegriffe, um die gestritten wurde, waren Figuration und Abstraktion, Demokratie und Diversität, Qualität und Qualitätsverlust durch Vermassung, Exzellenz und Elitismus. Als Fürsprecher der Tradition des Modernismus und einer abstrakten Kunst taten sich insbesondere Kunstkritiker wie Meyer Schapiro und Clement Greenberg hervor sowie Museumsmänner wie Alfred Barr Jr. und René d’Harnoncourt für das MoMA oder Lloyd Goodrich für das Whitney Museum. Während diese Diskussionen zu komplex sind, um sie hier in Kürze darzustellen, waren ihre Ergebnisse umso eindeutiger: eine scharfe Ablehnung gegenständlicher Kunst, eine Gleichsetzung der Abstraktion mit dem Topos künstlerischer Freiheit und in diesem Zusammenhang die Idee einer erstmals genuin US-amerikanischen Kunst.71

67 Ein historischer Überblick zur kulturellen Diplomatie der Vereinigten Staaten ist: Krenn, Michael L. (Hrsg.): The History of United States Cultural Diplomacy. 1770 to the Present Day. New York: Bloomsbury 2017. Einer der ersten und einschlägigen Artikel über US-amerikanische Kulturpolitik im kalten Krieg ist: DeHart Mathews, Jane: Art and Politics in Cold War America. In: The American Historical Review, 81. Jg. 1976, H. 4, S. 762–787. 68 Es handelte sich dabei um eine Gegenkampagne zur sogenannten ›Friedensoffensive‹ der UdSSR. 69 »We are presently engaged in the greatest sales campaign in history: we are striving to convince hundreds of millions of people around the world that the American way of life is superior to the slave existence that the totalitarian aggressors would thrust upon them.« Senator James Murray, 1951, zitiert nach Larson 1983, S. 72. Larson selbst bezeichnet den Kalten Krieg als »one of the major selling points used by art advocates in building support for public subsidy.« Ebd. 70 Ein Auslöser dafür waren die ikonoklastischen und antimodernistischen Hassreden des Senators George Dondero vor dem Kongress. Dazu: DeHart Mathews 1976, S. 766 und Barnhisel, Greg: Cold War Modernists. Art, Literature, and American Cultural Diplomacy. New York: Columbia U P 2015, S. 62 ff. 71 Eine facettenreiche Quellensammlung und Diskussion dieser Debatten bietet: Frascina, Francis (Hrsg.): Pollock and After. The Critical Debate. 2. überarb. Ausg. London: Routledge 2000. Darin zum Kampf um die Deutungshoheit über Moderne Kunst und Abstraktion: Shapiro, David; Shapiro, Cecile: Abstract Expressionism. The Politics of Apolitical Painting [1978], S. 181–196; zur Befreiung moderner Kunst vom Kommunismus-Vorwurf s. Guilbaut, Serge/Biesenkamp, Ulla: Wie New York die Idee der modernen Kunst gestohlen hat. Abstrakter Expressionismus, Freiheit und Kalter Krieg [1. franz. Ausg. 1989]. Dresden: Verl. der Kunst 1997, darin das Kapitel: New York 1953–1941: Die Ent-Marxisierung der Intelligenz, S. 39–70. Schlüsseltexte zur Debatte: Barr, Alfred H., JR. (Hrsg.): Cubism and Abstract Art. Painting, Sculpture, Constructions, Photography, Architecture, Industrial Art, Theatre, Films, Posters, Typography. Ausst. Kat. New York, The Museum of Modern Art. New York 1936; Schapiro, Meyer: Nature of Abstract Art. In: Marxist Quarterly, 1. Jg. 1937, H. 1, S. 77–98; Barr, Alfred H., JR.: Is Modern Art Communistic? [1952]. In: Harrison, Charles (Hrsg.): Art in Theory, 1900–2000. An Anthology of Changing Ideas. 12. Nachdr. der Neuaufl. Malden: Blackwell 2011, S. 670–673. Lloyd Goodrich schreibt: »As the AFA [American Federation of Arts] statement says: ›Freedom and diversity are the most effective answers to totalitarian thought control and uniformity, and the most effective proof of the strength of democracy‹.« Lloyd Goodrich, in: Barr Jr., Alfred H./Goodrich, Lloyd: Artistic Freedom. In: College Art Journal, 15. Jg. 1956, H. 3, S. 184–189, hier S. 189. Zur Frage Exzellenz und Demokratie u. a. Greenberg, Clement: The

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Die Verbreitung US-amerikanischer Kunst im Ausland und die Rolle des MoMA Damit war der Weg frei für eine Vielzahl staatlicher Kunstinitiativen. Die 1953 gegründete Behörde USIA (United States Information Agency) propagierte über unterschiedliche Kanäle und Medien US-amerikanische Kultur und Politik im Ausland.72 Ähnliche Ziele verfolgte der 1950 in Westberlin gegründete Congress of Cultural Freedom, ein weltumspannendes Netzwerk namhafter Intellektueller, die sich für eine freie (= antikommunistische) Kultur und für eine ›objektive Weltkunst‹ im Sinne einer internationalen Moderne einsetzten.73 Die Aktivitäten dieses Netzwerks standen unter dem Leitstern kulturellen Austauschs und umfassten zahlreiche Projekte, Veranstaltungen und Publikationen, aus denen eine ›natürliche‹ Überlegenheit des US-amerikanisch-demokratischen Systems hervorgehen sollte. Die in erster Linie staatliche Finanzierung dieser Initiativen wurde unter vorgehaltener Hand über einen sogenannten ›Notfall-Fonds‹ oder sogar ganz im Geheimen über die CIA abgewickelt.74 Eine offizielle Vergabe staatlicher Mittel war aus politischen Gründen nicht möglich. Zugleich kam Unterstützung von mächtigen privaten Stiftungen wie der Ford Foundation und der Rockefeller Foundation, die im Namen internationaler Handelsbeziehungen an einer weltumspannenden US-amerikanischen (Wirtschafts-) Kultur interessiert waren.75 Museen spielten für diese Initiativen eine zentrale Rolle. Insbesondere das MoMA war federführend bei der Konzeption und Organisation international tourender Ausstellungsprogramme.76 Die Kunsthistorikerin Eva Cockcroft stellt deshalb provo­

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Plight of our Culture. In: Greenberg, Clement (Hrsg.): Affirmations and Refusals, 1850 – 1956. Chicago: Chicago U P 1995, S. 122–160. Zu dieser Kampagne gehörten unter anderem die Amerika Häuser in Deutschland und Österreich. Zu den Programmen und Ausstellungen in Deutschland: Ruby, Sigrid: »Have we an American art?«. Präsentation und Rezeption US-amerikanischer Malerei im Westdeutschland und Westeuropa der Nachkriegszeit. Weimar: VDG 1999. Das Engagement des Staates und des Museum of Modern Art begann laut Serge Guilbaut bereits 1947. Guilbaut 1997, S. 26. Dazu: Coleman, Peter: The Liberal Conspiracy. The Congress for Cultural Freedom and the Struggle for the Mind of Postwar Europe. New York: Free 1989. Eine deutsche Perspektive: Hochgeschwender, Michael: Freiheit in der Offen­ sive? Der Kongreß für kulturelle Freiheit und die Deutschen. München: Oldenbourg 1998. Eine internationale Per­ spektive hatte die Ausstellung Parapolitik. Kulturelle Freiheit und Kalter Krieg im Haus der Kulturen der Welt, Berlin, 03.11.2017–08.01.2018. Katalog: Franke, Anselm/ Ghouse, Nida et al. (Hrsg.): Parapolitics. Cultural Freedom and the Cold War. Berlin: Sternberg 2021. Zu einer komplementären Geschichte von Performance in Osteuropa forscht das Projekt Performance Art in Eastern Europe (1950–1990) an der Universität Zürich unter der Leitung von Sylvia Sasse. Ein aus diesem Projekt hervorgegangenes Ausstellungsmagazin ist: Arns, Inke; Krasznahorkai, Kata; Sasse, Sylvia: Artists & Agents, Performancekunst und Geheimdienste. Dortmund: Kettler 2020. Der 1954 unter Präsident Eisenhower eingerichtete Emergency Fund stellte 5 mio. USD für Kultur- und Industrieausstellungen im Ausland bereit. S. Larson 1983, S. 73; 97 u. 103. Zur Kunstfinanzierung durch die CIA s. Cockcroft, Eva: Abstract Expressionism, Weapon in the Cold War [1974]. In: Frascina 2000, S. 147–154. Vgl. Cummings 1991, S. 44. Zum 1933 gegründeten Department of Circulating Exhibitions: »In 1952, a grant from the Rockefeller Brothers Fund made possible a five-year project, the International Circulating Exhibitions Program, expanding the scope of the Museum’s traveling exhibitions to include Europe and Latin America. […] Twenty-two of the first twenty-five exhibitions prepared under this project were circulated outside the United States; the remaining three, devoted to arts of other countries, circulated in the United States.« Finding Aid: Department of Circulating Exhibitions. A-MoMA, Department of Circulating Exhibitions Records. Online: https://web.archive.org/web/20191211201550/https://www.moma.org/re search-and-learning/archives/finding-aids/CEf.html (Zugriff: 11.12.2019).

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kant, aber nicht unbegründet, fest: »[i]n terms of cultural propaganda the functions of both the CIA cultural apparatus and MOMA’s international programs were similar and, in fact, mutually supportive.« 77 Nach anfänglichen Kontroversen über den Inhalt der internationalen Kunstinitiativen kristallisierten sich, dank unermüdlicher Fürsprache von Sammler*innen, Galerien und des MoMA, ab Ende der 1940er-Jahre der Abstrakte Expressionismus und als dessen wichtigster Vertreter Jackson Pollock heraus.78 Die organisierten Wanderausstellungen und international vertriebenen Medien propagierten diese neue USamerikanische Kunst. Für die Herausbildung von Performancekunst war hier bekanntlich die fotografische Inszenierung des Malprozesses Jackson Pollocks zentral, die über Magazine wie das LIFE-Magazine international Verbreitung fanden.79 Diese Fotografien inspirierten nicht nur Allan Kaprow zur Entwicklung seiner Happenings, sondern auch die Wiener Aktionisten oder die Gutai-Gruppe in Japan. Im Kunstdiskurs weniger präsent, jedoch für die Etablierung von Performancekunst entscheidend, waren umfangreiche Förderinitiativen im Bereich Tanz. Analog zum Feld der bildenden Kunst war auch hier in der Ära des New Deal ein Grundstein gelegt worden.80 Dass im politischen Wettstreit mit der UDSSR gerade der Tanz besondere Aufmerksamkeit erhielt, mag daran liegen, dass dies eine traditionell russische Domäne gewesen war. Als Gegenentwurf zum klassischen Ballett wurden insbesondere Modern Dance-Ensembles auf Welttournee entsandt. Die Tanzwissenschaftlerlin Ann Dils schreibt: Modern dancers moved away from social commentary and embraced abstraction. When dance was again funded at the national level, it promoted American excellence and cultural sophistication. This was specially true during the Eisenhower administration when dance companies, including American Ballet Theatre, New York City Ballet, José Limón Dance Company, Martha Graham Dance Company, and Alvin Ailey American Dance Theatre, were sent overseas by the State Department as part of Cold War cultural diplomacy.81

77 Cockcroft 2000, S. 151. Zur Rolle des MoMA und der Rockefellers s. Ebd., S. 147–154. Das MoMA hatte ab 1953 einen International Council. 78 Ein Beispiel für diese Kontroversen ist die Ausstellung Advancing American Art, deren 1946 begonnene Tournee 1947 abgebrochen wurde, da sie einigen als unamerikanisch galt. Dazu: Littleton, Taylor/Sykes, Maltby (Hrsg.): Advancing American Art. Painting, Politics, and Cultural Confrontation at Mid-Century. Tuscaloosa, London: U of Alabama P 1989 und Cockcroft 2000, S. 147–154. 79 Vgl. Seiberling, Dorothy: Jackson Pollock: Is He the Greatest Living Painter in the United States? In: LIFE Magazine, 08.08.1949, S. 42–45. 80 Dazu: Schmeer, Samantha: Dance and the New Deal. In: The Proceedings of GREAT Day, Jg. 2019, Art. 11, 2020, S. 111–115, hier S. 113–114. Zu US-amerikanischem Tanz im Ausland s. Prevots, Naima: Dance for Export. Cultural Diplomacy and the Cold War. Middletown: Wesleyan U P 2012, darin das Kapitel: Eisenhower’s Fund, S. 11 ff. 81 Dils, Ann: The Federal Dance Project (FDP, 1936–1939). Dance Heritage Coalition, 2012. Online-Publikation. https:// web.archive.org/web/20210211135624/https://webarchive.loc.gov/all/20190104094357/http://treasures.danceheritage.org/federaldanceproject2 (Zugriff: 11.02.2021).

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Die Experimentierfreude hatte allerdings Grenzen. Noch in den 1950er-Jahren galt beispielsweise Merce Cunninghams Tanzästhetik als zu avantgardistisch, um die Nation im Ausland würdig zu repräsentieren.82 Auch die Tanzpionierin Anna Halprin fand erst nach 1960 ›offizielle‹ Anerkennung. Die erste Welttournee von Cunninghams Ensemble fand 1964 statt. Sie war nicht – zumindest nicht direkt – staatlich finanziert. 1954 gelang es Alfred Barr Jr. anlässlich des 25-jährigen Jubiläums des MoMA, Präsident Dwight D. Eisenhower für ein öffentliches Statement zur Kunst zu gewinnen. Angesichts des bis dahin gepflegten Schweigens der Politik zu kulturellen Angelegenheiten war dies ein denkwürdiger Moment. In seiner Rede bediente sich Eisenhower einer für die Ära des Kalten Kriegs typischen Rhetorik systemischer Abgrenzung, die für die Kunstpolitik der folgenden beiden Jahrzehnte Gültigkeit behielt: Freedom of the arts is a basic freedom, one of the pillars of liberty in our land. For our Republic to stay free, those among us with the rare gift of artistry must be able freely to use their talent. Likewise, our people must have unimpaired opportunity to see, to understand, to profit from our artist’s work. As long as our artists are free to create with sincerity and conviction, there will be healthy controversy and progress in art. […] How different it is in tyranny. When artists are made the slaves and the tools of the state; when artists become chief pro­pagandists of a cause, progress is arrested and creation and genius are de­stroyed.83 Die Auswirkungen der hochpolitisierten Kunstinitiativen des Kalten Kriegs – zu denen schließlich auch die Gründung des NEA gehörte – bleiben bis heute präsent. Zu ihnen gehört das Primat US-amerikanischer Kunstproduktion ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, der Aufstieg New Yorks zur Welthauptstadt der Kunst und des MoMA zum weltweit tonangebenden Museum für moderne und zeitgenössische Kunst. Für die unmittelbar folgenden Jahrzehnte war außerdem die Etablierung eines neuen modernen Kunstbegriffs entscheidend. Im Sinne der bereits mehrfach zitierten aesthetic of indifference84 galt Kunst nicht nur als autonom, sondern auch als im Kern unpolitisches, nicht-ideologisches Konzentrat purer Innovation. Die ›Dematerialisierung‹ der Kunst und die Konzentration auf die Idee und den künstlerischen Schaffensakt, die oft als Akt der Verweigerung und der Institutionskritik interpretiert wurden, sind immer auch vor dem skizzierten politischen Hintergrund zu sehen.

82 Vgl. Naima 2012, darin das Kapitel: The Avantgarde Conundrum, S. 53 ff. 83 Aus der Rede Eisenhowers zum 25-jährigen Jubiläum des MoMA, am 19. Oktober 1954. Eisenhower, John D.: Freedom of the Arts. Front Matter. In: College Art Journal, 14. Jg. 1955, H. 2, S. 95. 84 Roth, Moira: The Aesthetic of Indifference [1977]. In: AND Journal of Art & Art Education 1990, H. 22, S. 3–12.

390

Performance on Display im Kontext US-amerikanischer Kulturpolitik und Kunstförderung

Nelson Rockefeller und John F. Kennedy – Kontrahenten im Dienste der Künste Mit dem wachsenden Ansehen US-amerikanischer Kunst ›zuhause‹ und in der Welt, bildete sich im Laufe der 1950er-Jahre eine politische Lobby für die Einrichtung eines Kulturministeriums heraus. New York übernahm hier eine Vorreiterrolle. 1960 wurde dort mit dem New York State Council on the Arts (NYSCA) das erste durch öffentliche Gelder finanzierte Kunstförderprogramm seit dem New Deal eingerichtet. Das stiftungsähnliche Modell von NYSCA, das an das britische Modell eines Arts Council angelehnt war, wurde fünf Jahre später zum direkten Vorbild für das NEA.85 Wesentlich verantwortlich für das NYSCA und die in vielerlei Hinsicht kunst­ nahe Politik im Bundesstaat New York war Nelson Rockefeller, Gouverneur von 1959–73.86 In seiner Rolle als Sammler zeitgenössischer Kunst und Museumsfunk­ tionär kannte er den Markt- und Markenwert einer florierenden Kunstszene, aber auch ihr kritisches und politisches Potenzial, mit dem er mehrfach persönlich konfrontiert war. Er war überzeugt von der Wichtigkeit von Lohn, Brot und Anerkennung sowie von bezahlbarem Wohn- und Arbeitsraum für Künstler*innen.87 Die Mischung aus politischem und wirtschaftlichem Kalkül sowie einem emphatischen Kunst­ verständnis, die Rockefeller als Person verkörperte und die er in New York implementierte, kann als Blaupause für die Kulturpolitik der folgenden beiden Jahrzehnte gelten. 1964 publizierte der Rockefeller Brothers Fund, eine Art Thinktank, der sich nach eigenen Angaben in den Dienst sozialen Wandels stellt, eine Studie mit dem Titel The Performing Arts. Problems and Prospects. Rockefeller Panel Report on the Future of Theatre, Dance, Music in America.88 Geleitet wurde dieses Projekt von Nancy Hanks, die später als Chairman des NEA für dessen goldenes Zeitalter ver­

85 Deshalb und wegen der besonderen Bedeutung von New York für die Geschichte US-amerikanischer Performancekunst ist eine genauere Untersuchung des NYSCA ein Forschungsdesiderat. 86 Sharon Zukin schreibt: »Governor Nelson Rockefeller almost single-handedly built NYSCA into an umbrella agency for distributing the state’s largesse.« Zukin, Sharon: Loft Living. Culture and Capital in Urban Change [1982]. Jubiläumsausg. New Brunswick 2014. S. 105. 87 Rockefellers Unterstützung der Kunstszene ist nicht ohne historische Ironie, immerhin war er es, gegen den sich viele der GAAG-Aktionen 1968/69 in richteten. Rockefeller war Präsident und Vorstandsmitglied des MoMA (1932–1979 Trustee, 1935–1939 Schatzmeister, 1939–1941 sowie 1946–1953 Präsident). Er saß außerdem im Vorstand des Metropolitan Museum. Rockefeller gilt zugleich als Mitbegründer der modernen kulturellen Diplomatie. Er war ab 1940 Coordinator of Inter-American Affairs (CIAA) und warb im Namen der Regierung für einen demokratisch-liberal geprägten PanAmerikanismus. 88 Rockefeller Brothers Fund (Hrsg.): The Performing Arts. Problems and Prospects. Rockefeller Panel Report on the Future of Theatre, Dance, Music in America. New York 1965. Das Dossier war Teil einer Serie an Studien, die Nelson Rockefellers Präsidentschaftskandidatur vorbereiten sollten. Zwischen 1950 und 1960 erschienen: The Mid-Century Challenge to US Foreign Policy; International Security: The Military Aspect; Foreign Economic Policy for the Twentieth Century; The Challenge to America: its Economic and Social Aspects; The pursuit of Excellence: Education and the Future of America und The Power of the Democratic Idea. Veröffentlicht als: Rockefeller Brothers Fund (Hrsg.): Prospect for America. The Rockefeller Panel Reports. New York: Doubleday 1961. Der Rockefeller Brothers F u n d heute: Webseite: Rockefeller Brothers Fund. Über die Organisation. https://web.archive.org/web/20201112112529/ https://www.rbf.org/about (Zugriff: 12.11.2020).

Kulturpolitik und staatliche Kunstförderung in den USA

391

antwortlich zeichnete.89 Beteiligt war auch der konservative Kulturexperte August Heckscher, der sich für die Anerkennung von Kunst und Kultur als integrale Bestandteile eines guten und glücklichen Lebens einsetzte.90 Am Beispiel der darstellenden Künste präsentiert der Rockefeller-Report empirische Belege für eine positive Wirkung von Kunst auf die Gesellschaft.91 Am Ende heißt es: The panel recommends that the artistic goal of the nation be the day when the performing arts are considered a permanent year-round contribution to communities throughout the country, and our artists are considered as necessary as our educators.92 Diese und weitere Ergebnisse des Berichts finden sich später in den Statuten des NEA wieder. Das Ziel einer demokratischen ›Flutung‹ der Nation mit Kunst und die enge Verknüpfung von Künstler*innen mit Lehrenden erinnern an Ideale des New Deal. Die beschriebenen Initiativen, die zunächst auf New York konzentriert waren, wurden auf nationaler Ebene durch John F. Kennedy aufgegriffen, der 1961 sein Amt antrat.93 Er ließ sich als erster Präsident von einem Special Consultant on the Arts beraten, eine Aufgabe, die an den bereits genannten August Heckscher fiel. Heckscher bereitete das später eingesetzte System eines nationalen Beirats für die Künste und damit auch die Struktur des NEA vor und überzeugte Kennedy, die Künste in seine New Frontier-Politik aufzunehmen.94 Kennedy war der erste Präsident, der Künst­ ler*innen zu Empfängen und Auftritten ins Weiße Haus einlud. Er empfing dort auch den dama­ligen französischen Staatsminister für Kultur, André Malraux. Kennedy war ebenfalls verantwortlich für die erste millionenschwere staatliche Kulturinvestition, das heu­tige John F. Kennedy Center for the Performing Arts, und er hielt 1963 eine glühende Rede für die Freiheit der Kunst, die das NEA bis heute zu seiner Legitimierung heranzieht.95

89 Hanks bevorzugte es, als ›Chairman‹ bezeichnet zu werden. Zu Nancy Hanks s. Straight, Michael W.: Nancy Hanks. An Intimate Portrait: The Creation of a National Commitment to the Arts. Durham: Devon 1988. 90 Heckscher, August: The Public Happiness. New York: Atheneum 1962. »We live in an age of material abundance, which should be rich in the rewards provided by education, art, leisure, and by an environment which answers man’s needs for order, brightness and variety. If we cannot find our way to enjoying these benefits, we are in a poor state indeed.« Ebd., S. vii. Heckscher war außerdem von 1957 bis 1967 Direktor des Twentieth Century Fund, ein einfluss­ reicher public policy think tank. 91 Der Report erfasst Theater und Institutionen und vergleicht ihre Dichte in städtischen und ländlichen Gebieten. Er nimmt zudem eine Pro-Kopf-Bedarfsanalyse für Kultur vor. 92 Rockefeller Brothers Fund 1965, S. 3. 93 Zu Kennedys Kulturpolitik s. Cummings, Milton C.: To Change a Nation’s Cultural Policy. The Kennedy Administration and the Arts in the United States, 1961–1963. In: Mulcahy, Kevin V./Wyszomirski, Margaret J. (Hrsg.): America’s Commitment to Culture. Government and the Arts. Boulder: Westview 1995, S. 95–120. 94 Später als soft power Instrument bezeichnet, nach: Nye, Joseph S.: Soft Power. The Means to Success in World Politics. New York: Public Affairs 2004. 95 Kennedy, John F.: Remarks at Amherst College. Öffentlicher Vortrag. Amherst College, 26.10.1963. https://web.archive. org/web/20201104094413/https://www.jfklibrary.org/learn/about-jfk/historic-speeches/remarks-at-amherst-collegeon-the-arts (Zugriff: 04.22.2020).

392

Performance on Display im Kontext US-amerikanischer Kulturpolitik und Kunstförderung

Kennedy selbst war – im Gegensatz zu seiner Frau Jackie – alles andere als ein ausgewiesener Kunstkenner, doch verstand er es wie kein Präsident vor ihm, Kultur als Imagefaktor zu nutzen.96 Gründe dazu hatte er viele. Sein Image war in Folge der gescheiterten Invasion in der Schweinebucht auf Kuba schon kurz nach dem Amtsantritt angeschlagen und Nelson Rockefeller, der ausgewiesene Kunstkenner und Kunstpolitik-Experte, schickte sich an, sein Gegenkandidat bei der nächsten Prä­ sidentschaftswahl zu werden. Die 1960er-Jahre waren zudem das Jahrzehnt des zivilen Ungehorsams, dessen Vordenker*innen vielfach aus dem künstlerisch-akademischen Feld stammten. Eine Reintegration der Künste in den staatliche Verantwortungsbereich erschien deshalb geradezu zwingend. Dass Kennedy vor allem auf die darstellenden Künste setzte, überrascht nicht. Schließlich bewies er bei seinen öffentlichen Auftritten, dass er selbst ein ausgezeichneter Performer war (wenn auch nicht mit künstlerischem Anspruch). Der Politikwissenschaftler Edward Arian stellte in diesem Zusammenhang eine interessante Verbindung zwischen performing arts und performance culture her: [W]hen modern U.S. elites do support art, they overwhelmingly support performance art, rather than creative art, because they live in a highly mobile and competitive society that grants recognition and status to personal effort rather than birth or divine right. The performance culture, with its high visibility, public prestige, and formalized rituals in imposing palaces of culture, is the ideal vehicle for public recognition.97 Die Zusammenkunft von performing arts und performance culture, die sich bei Kennedy, aber auch im oben erwähnten Rockefeller Report abzeichnete, ist nicht zuletzt als ein Symptom des anbrechenden Medienzeitalters zu lesen, in dem öffentliche Sichtbarkeit und eine ›gute Performance‹ von wachsender Bedeutung sind. Kennedy erlebte die Einrichtung des NEA nicht mehr, doch hatte er die entscheidenden Weichen gestellt: Die nationale und internationale Wertschätzung US-amerikanischer Kunst hatte in den frühen 1960er-Jahren einen Höhepunkt erreicht. Die USA waren auf Weltkunst-Events, wie der documenta III (1964) oder der Kunstbiennale in Venedig präsent, wo mit Robert Rauschenberg 1964 erstmals ein US-Amerikaner den ersten Preis gewann.98 Der Kunstmarkt florierte. Entscheidend für die Gründung des NEA war letztlich die politische Situa­tion. Der andauernde Kalte Krieg forderte weiterhin die kulturelle Abgrenzung zur Sowjet­ union. Mit dem militärischen Eingreifen in Vietnam, ab 1963, drohte den USA zugleich ein herber Imageverlust. Im Innern bahnte sich eine Eskalation der Bürgerrechts- und Protestbewegungen an. Ein staatliches Engagement für Kultur, so war 96 Über die Kennedys und Kultur: Webseite: Twentieth Century Fund. Kennedy und Kultur. https://web.archive.org/ web/20201108223033/https://www.jfklibrary.org/learn/about-jfk/jfk-in-history/arts-and-culture-in-the-kennedywhite-house (Zugriff: 08.11.2020). 97 Arian, Edward: The Unfulfilled Promise. Public Subsidy of the Arts in America. Philadelphia: Temple U P 1989, S. 108. 98 Er erhielt den Preis für den besten ausländischen Maler.

Kulturpolitik und staatliche Kunstförderung in den USA

393

die Hoffnung, sollte eine Imageverbesserung nach außen bewirken und Spannungen im Innern abfedern. Dies war der historische Hintergrund, vor dem Präsident Lyndon B. Johnson am 29. September 1965 das Gesetz für die Einrichtung des NEA und seiner Schwesterbehörde, dem National Endowment for the Humanities (NEH) unterzeichnete.99 Das weitere Schicksal des NEA im Detail zu beleuchten, führte an dieser Stelle zu weit. Festzuhalten ist, dass die Behörde nach den ersten formativen Jahren in den 1970er-Jahren in ihr goldenes Zeitalter eintrat. Sie blieb dabei eng an politische Konjunkturen gekoppelt. Damit erklärt sich, warum ausgerechnet Richard Nixon, alles andere als ein Kunstfreund, dieses goldene Zeitalter einläutete. Mehr noch als seine Vorgänger stand Nixon unter enormem öffentlichen Druck, den er durch die Förderung der Künste abzubauen hoffte.100 Er war deshalb, gemeinsam mit Chairman Nancy Hanks, die zwischen 1969 und 1977 amtierte, für eine enorme Expan­ sion des NEA verantwortlich.101 Auch Nixons Amtsnachfolger setzten bei ihrer Politik auf Kultur, wenn auch weniger zielstrebig. Es war nun eine zunehmende Konzentration auf die Förderung großer Institutionen zu verzeichnen. Mit dem Ende des Vietnamkriegs und der sukzessiven Zerrüttung der UdSSR um 1990 brach eine neue Ära an, die eine kulturpolitische Neuorientierung verlangte. Dies ist der politische Hintergrund für den Anbruch der oben genannten culture wars, die eine Definanzierung des NEA und erneute Diskussionen über die Freiheit der Kunst und die Ver­ antwortung des Staates für die Kunst mit sich brachten. Das NEA: Leitprinzipien und Struktur Die Förderpolitik des NEA basierte auf einigen universellen Leitprinzipien. Sie wurden in einem Gründungspapier niedergelegt, das zugleich Absichtserklärung und politische Rechtfertigung ist.102 Kultur und Bildung werden dort als wesentliche Ele-

99 Beide Behörden waren unter dem Dach der National Foundation on the Arts and Humanities zusammengefasst. Das NEH ist für Bildungseinrichtungen und die Geisteswissenschaften zuständig. Es wäre lohnend, die Einflüsse dieser Behörde auf die Kunstgeschichte und auf eine interdisziplinäre akademische Einbindung der Künste zu untersuchen. 100 Im Jahr 1974 verzeichneten lediglich das Department of Defense und das NEA wachsende Budgets. Vgl. Binkiewicz 2004 S. 162. Nixon war mit dem politischen Druck der Antikriegsproteste konfrontiert, für deren Organisation und Außendarstellung Künstler*innen und Intellektuelle wichtig waren. GAAG, Robert Morris, Poppy Johnson, Richard Serra oder Carl Andre gehörten zu den besonders aktiven Partizipient*innen. Vgl. Israel, Matthew W.: Kill for Peace. American Artists Against the Vietnam War. Austin: U of Texas P 2013, S. 147 ff. Bereits 1969 hatte die AWC ein Moratorium durchgesetzt, während dem viele Museen geschlossen blieben. 1970 fand der New York Art Strike Against ­Racism, War, and Oppression statt. Zum Moratorium: Israel 2013, S. 154. Allgemeiner dazu: Greene, Alexis: The Arts and the Vietnam Antiwar Movement. In: Tischler, Barbara L. (Hrsg.): Sights on the Sixties. New Brunswick: Rutgers U P 1992, S. 149–161. 101 Unter Hanks’ Leitung wurde das Budget des NEA von ursprünglich etwa 11 Mio. USD (1969) auf rund 114 Mio. USD (1977) erhöht. Unter Gerald Ford (Amtszeit: 1974–77) setzte sich die Expansion des NEA fort. Jimmy Carter (Amtszeit: 1977–81) und der neue Chairman Livingston Biddle (Amtszeit 1977–81) erhöhten das Budget und förderten zunehmend große Institutionen. Biddle über seine Zeit als Chairman: Biddle, Livingstone L.: Our Government and the Arts. A Perspective from the Inside. New York: ACA Books 1988. S. auch Cummings 1991, S. 31–79, hier S. 53. 102 Webseite: National Endowment for the Humanities. National Foundation on the Arts and the Humanities Act of 1965 (P.L. 89–209). https://web.archive.org/web/20201102024854/https://www.neh.gov/about/history/national-foundationarts-and-humanities-act-1965-pl-89-209 (Zugriff 02.11.2020).

394

Performance on Display im Kontext US-amerikanischer Kulturpolitik und Kunstförderung

mente einer funktionierenden Demokratie beschrieben und die gesamte kulturelle Produktion des Landes zum Besitz der Bevölkerung erklärt. Kultur sei neben Wissenschaft und Technik der Beweis einer fortschrittlichen Zivilisation. Die Künste und Geisteswissenschaften seien dabei nicht nur Spiegel kultureller Diversität, sondern förderten auch einen reflektierten Umgang mit technischem Fortschritt und der eigenen Geschichte. In diesem Sinne aufgeklärte Bürger*innen seien der Grundstein einer soliden Demokratie, weshalb ästhetische Bildung als eine demokratische Kernkompetenz auch in Schulcurricula integriert werden müsse. Des Weiteren wird ausgeführt, dass gute Künstler*innen oder Wissenschaftler*innen nicht ›hergestellt‹ werden könnten, der Staat solle aber ein Klima geistiger Freiheit und die materiellen Voraussetzungen für die ›Ausschüttung‹ kreativen Potenzials schaffen. Obwohl die Finanzierung der Künste zuerst Aufgabe privater und lokaler Initiativen sei, sei es Aufgabe des Staates, die »Werte der Zivilisation« von gestern heute und morgen zu fördern und für alle zugänglich zu halten.103 Aus diesen Grundgedanken wurden drei Prämissen abgeleitet, die für alle Finanzierungsentscheidungen des NEA maßgeblich waren: 1. auf der Ebene der Produk­ tion: die Unterstützung der Herausbildung kulturellen Erbes durch die Förderung kreativer Individuen. 2. auf der Ebene der Institutionen: die nachhaltige Entwicklung und Professionalisierung kultureller Ressourcen und institutioneller Rahmenbedingungen und 3. auf der Ebene der Rezeption: die Gewährleistung des Zugangs zu Kunst und ästhetischer Bildung für alle Bürger*innen.104 In Abgrenzung zu den direkten Interventionen des New Deal und der geheimen Kulturpolitik in den 1950er-Jahren sollte das NEA eine neutrale und transparente Instanz sein und die ›natürliche‹ Entwicklung der Künste vorantreiben. While no government can call a great artist or scholar into existence, it is necessary and appropriate for the Federal Government to help create and sustain not only a climate encouraging freedom of thought, imagination, and inquiry but also the material conditions facilitating the release of this creative talent.105 Auf diesem Ideal baut die gesamte Organisationsstruktur auf, die im Wesentlichen bis heute ähnlich geblieben ist. Die folgende Beschreibung dieser Struktur bezieht sich auf den historischen Zeitraum der 1970er-Jahre. Die Namen der Förderpro­ gramme und Unterprogramme werden zugunsten der besseren Lesbarkeit in der Originalsprache übernommen und kursiv gesetzt. Das NEA ist kein Ministerium, sondern eine unabhängige Behörde. Es untersteht formal dem Präsidenten der Vereinigten Staaten und wird vom National Council on

103 Ebd. 104 »Advancement of our Cultural Legacy: To provide support that encourages creativity among our most gifted artists and advances of the quality of life of our Nation«; »Resources Development: To assist our major arts institutions to improve artistic and administrative standards and to provide greater public service«; »Availability of the Arts: To encourage broad dissemination of the arts of the highest quality across the country«. NEA Annual Report 1971, S. 1. 105 National Foundation on the Arts and the Humanities Act of 1965, Abs. 7. Wie Anm. 102.

Kulturpolitik und staatliche Kunstförderung in den USA

395

the Arts beaufsichtigt, einem Gremium sachverständiger Persönlichkeiten, dem ein vom Präsidenten eingesetzter Chairman vorsitzt.106 Dieser Führungsebene sind verschiedene inhaltliche und administrative Zweige nachgeordnet. Das operative Herzstück bildeten bis 1996 die sogenannten Program Offices, die für verschiedene Ressorts zuständig waren, darunter Kunstgattungen wie Architektur, bildende Kunst, Musik oder Tanz. Andere Program Offices hatten übergreifende Aufgaben, zum Beispiel Education; Expansion Arts (für die Förderung lokaler Kunstinitiativen); Public Media (Radio und TV) oder Federal-State-Partnership (die Schnittstelle des NEA zu den SAAs). Zwei Übersichten über alle in den 1970er-Jahren aktiven Programme, ihre Entwicklung und ihre jeweiligen Budgets geben einen Eindruck von der Breite und Gewichtung der verfügbaren Förderung (Tab. 1 u. 2).107 Alle Programme fächerten sich weiter in verschiedene Unterprogramme auf, die sich mitunter erneut in spezialisierte Förderlinien aufspalteten. Im Folgenden werden das Dance Program, das Visual Arts Program und das Museum Program im Vordergrund stehen. Die Leitung dieser Abteilungen oblag hauptamtlichen directors, die von wechselnden advisory panels beraten wurden.108 Um eine direkte staatliche Intervention auszuschließen, wurden alle Systemstellen, die für inhaltliche Entscheidungen verantwortlich waren, durch ausgewiesene Expert*innen der jeweiligen Bereiche besetzt. Künstler*innen (und Kurator*innen) entschieden beispielsweise über Stipen­ dien für Künstler*innen und Museumsleute entschieden über Fördergelder für Museen. Diese Struktur war dafür verantwortlich, dass bisweilen erstaunlich ›avantgardistische‹ Förderentscheidungen getroffen wurden, aber auch dafür, dass persönliche Netzwerke, wie sie im vorangegangenen Kapitel Thema waren, eine wichtige Rolle für die Vergabe von Förderungen spielen konnten. Die Finanzierungsstruktur des NEA ähnelte der einer Stiftung. Das Budget wurde jährlich im Rahmen des Staatshaushaltes neu festgesetzt und verabschiedet.109 Die Ausschüttung von Geldern erfolgte ebenfalls nur einmal jährlich und nur auf Bewerbung. Jegliche Form der Verstetigung von Subventionen, wie sie beispielsweise in Deutschland in der Kulturförderung üblich sind, war ausgeschlossen. Förderungswürdig waren ausschließlich US-Staatsbürger*innen und US-amerikanische gemeinnützige Organisationen.110 Wegen des hohen administrativen Aufwands war dieses

106 Die Mitgliederzahl des Councils liegt zwischen 26 und derzeit 18 Mitgliedern. Sie werden für jeweils sechs Jahre bestellt. Über die Rolle des Chairman: Pankratz, David B./Hanzal, Carla: Leadership and the NEA. The Roles of the Chairperson and the National Council on the Arts. In: Mulcahy/Wyszomirski 1995, S. 144–168. 107 Mein Dank gilt Anna-Lena Habermehl für die Unterstützung beim Erstellen dieser und der folgenden Tabellen. 108 Eine Diskussion des Panelsystems in: Mulcahy, Kevin V.: The Public Interest and Arts Policy. In: Mulcahy/Wyszomirski 1995, S. 205–228, hier S. 217 ff. 109 Über einen treasury fund konnten zusätzlich private Geld- und Sachspenden aufgenommen werden. Vgl. National Endowment for the Arts (Hrsg.): National Endowment for the Arts. Guide to Programs 1976–1977. Washington, D.C., o.V. 1976, S. 1. 110 NEA Annual Report 1972, S. 7. Genauer: sogenannte non profit, tax-exempt organizations des Typs 501c-3.

396

Performance on Display im Kontext US-amerikanischer Kulturpolitik und Kunstförderung

Tab. 1  Entwicklung der Förderprogrammstruktur des National Endowment for the Arts, 1969 –1980. Datenquelle: NEA Annual Reports, 1969–1980.

Kulturpolitik und staatliche Kunstförderung in den USA

397

Visual Arts

Theater



> Inter-Arts

> Media Arts: Film-Radio-Television

> Media Arts

> Artists > in Education

Public Media

Folk Arts

> Design Arts > Architecture, Planning and Design

Opera-Musical Theater

Special Projects

Museums

Expansion Arts

> Architecture + Environmental Arts



Music



Literature





Education

Dance

Architecture, Planning and Design

1969      1970      1971      1972      1973      1974     1975     1976      1977     1978          1979         1980

Tab. 2  Jahresbudget des NEA; Budgets aller Programmeinheiten des NEA im Vergleich und Gesamtsummen der Ausschüttungen pro Jahr, 1970–1980. Datenquelle: NEA Annual Reports, 1970–1980.

398

Performance on Display im Kontext US-amerikanischer Kulturpolitik und Kunstförderung 6.310.363 USD

4.543.970 USD

5.612.687 USD

3.618.853 USD

95.617.421 USD

4.652.348 USD

5.998.736 USD

3.656.142 USD

114.451.507 USD

5.075.254 USD

6.980.631 USD

4.068.963 USD

148.894.700 USD

Total funds obligated

Other

Federal-State Partnership/ State Programs

Visual Arts

Theatre

12.982.667 USD

79.644 USD

1.963.602 USD

970.244 USD

2.891.000 USD

17.644.935 USD

310.275 USD

4.062.981 USD

552.141 USD

2.021.482 USD

538.529 USD

1.264.455 USD

33.113.035 USD

892.558 USD

5.476.020 USD

940.505 USD

2.696.000 USD

656.228 USD

1.979.877 USD

42.030.998 USD

925.687 USD

6.871.260 USD

1.980.576 USD

3.335.122 USD

1.002.308 USD

2.766.558 USD

67.616.004 USD

1.808.388 USD

10.558.296 USD

2.335.721 USD

4.957.051 USD

894.144 USD

4.681.803 USD

81.665.448 USD

1.800.323 USD

14.669.527 USD

3.198.856 USD

6.371.815 USD

3.493.696 USD

5.422.929 USD

92.646.702 USD

2.377.771 USD

15.640.694 USD

3.588.955 USD

6.346.890 USD

5.390.214 USD

9.312.374 USD

94.644.284 USD

2.422.113 USD

16.341.050 USD

4.330.728 USD

6.905.440 USD

4.746.319 USD

8.071.211 USD

105.576.817 USD

372.637 USD

18.946.292 USD

4.959.433 USD

7.488.328 USD

4.029.152 USD

8.937.863 USD

118.528.887 USD

2.880.413 USD

22.758.058 USD

4.715.808 USD

8.251.341 USD

3.316.448 USD

505.711 USD

11.551.582 USD

Special Projects / Inter-Arts

17.332.202 USD

12.428.258 USD

3.903.110 USD

9.387.468 USD

17.249.296 USD

10.969.402 USD

2.908.230 USD

195.000 USD

14.894.833 USD

11.460.099 USD

2.130.857 USD

Public Media / Media Arts

16.116.311 USD

10.836.336 USD

1.746.778 USD

6.617.800 USD

10.382.210 USD

9.050.907 USD

1.393.647 USD

Opera-Musical Theater

9.745.797 USD

4.615.041 USD

774.789 USD

16.375.408 USD

5.188.383 USD

4.149.273 USD

636.050 USD

2.443.858 USD

8.155.914 USD

5.639.477 USD

8.120.905 USD

4.343.532 USD

179.634.100 USD

1979

19.457.000 USD

2.525.195 USD

926.957 USD

Museums

Music

470.450 USD

513.121 USD

4.000.174 USD

5.373.972 USD

4.753.639 USD

6.126.540 USD

2.652.417 USD

86.946.671 USD

Literature

5.697.759 USD

3.576.425 USD

3.942.327 USD

4.202.353 USD

71.817.983 USD

1.532.537 USD

4.098.629 USD

2.529.970 USD

2.759.010 USD

1.563.921 USD

45.289.183 USD

Folk Arts

2.524.556 USD

1.750.736 USD

2.267.741 USD

785.162 USD

36.321.887 USD

1977   1978

8.223.679 USD

1.137.088 USD

571.831 USD

1.251.170 USD

178.681 USD

20.482.542 USD

1971       1972          1973             1974                   1975                           1976

7.300.295 USD

307.600 USD

1.240.000 USD

Education

Expansion Arts

1.751.350 USD

347.750 USD

15.718.477 USD

1970

Dance

Architecture / Design

Available for Obligation



115.612.558 USD

2.654.465 USD

22.121.305 USD

7.252.229 USD

8.417.593 USD

4.193.836 USD

8.446.200 USD

5.597.000 USD

13.572.300 USD

11.234.167 USD

4.727.750 USD

2.270.000 USD

5.306.125 USD

7.993.768 USD

3.669.906 USD

188.138.978 USD

1980

System relativ schwerfällig, sodass zwischen Bewerbung und Ausschüttung mehrere Monate vergehen konnten. Das NEA bezeichnet sich heute selbst als größten Geldgeber für die Künste in den Vereinigten Staaten.111 Im Vergleich zu anderen Behörden in den USA und auch zu den Kulturbudgets der meisten europäischen Nationen, fiel das Budget des NEA jedoch selbst in den finanzstärksten Jahren eher schmal aus. Dies ist nicht zwangsläufig mit einer geringeren Wirksamkeit gleichzusetzen, da das gesamte System nie auf eine flächendeckende Subventionierung ausgelegt war, sondern auf dem Prinzip der Anreizfinanzierung aufbaut.112 Dies bedeutet, dass eine Förderung des NEA die Signalwirkung eines Qualitätssiegels haben sollte, um zusätzliche private Geld­geber*innen zu gewinnen. Nur so ließ sich überhaupt legitimieren, staatliche Gelder in Kultur zu investieren. Der tatsächliche Umfang der Wirkung von NEA-Förderung auf das Kunstfeld ist deshalb schwer zu ermessen. Erschwerend kommt hinzu, dass sich die Initiativen der Behörde in die weit verzweigten Programme der SAAs und in die Aktivitäten zahlreicher gemeinnütziger Stiftungen fortschrieben, die Gelder nach eigenen Maßgaben verteilten, zugleich aber ihrerseits durch NEA-Gelder be­zuschusst wurden und sich auch inhaltlich und strukturell am NEA orientierten.113

NEA-Förderung für Performance und Museen in den 1970er-Jahren Indirekte Unterstützung durch Infrastrukturförderung Das NEA unterstützte Kunst und Kunstinstitutionen auf vielfältige Weise. Neben direkter Förderung für Künstler*innen und Museen, auf der im Folgenden der Schwerpunkt liegen wird, war das NEA wesentlich dafür verantwortlich, günstige Rahmenbedingungen für die Künste und damit auch für die Herausbildung von Performance (-kunst) zu schaffen. Ein knapper Einblick in einige ausgewählte Förderinitiativen kann einen Eindruck der Bandbreite dieser Förderung vermitteln und einige der

111 National Endowment for the Arts (Hrsg.): How the United States Funds the Arts. Washington, D.C. 2004, S. 3. https:// web.archive.org/web/20201118211315/https://www.arts.gov/impact/research/publications/how-united-states-fundsarts (Zugriff: 18.11.2020). 112 Vgl. Toepler, Stefan: Kulturförderung in den USA. In: Strachwitz, Rupert G./Toepler, Stefan (Hrsg.): Kulturförderung. Mehr als Sponsoring. Wiesbaden: Gabler 1993, S. 71–79, hier S. 35. 113 Ein solches Programm war CETA (Comprehensive Employment and Training Act), das zunächst in San Francisco, dann auch in New York City und andernorts, in Anlehnung an die New-Deal-Programme, Künstler*innen über Stipendien für lokale Projekte beschäftigte. Forschung zu CETA ist ein Desiderat und verspräche Erkenntnisse über die Rahmenbedingungen von Performances im öffentlichen Raum. Zu CETA in San Francisco s. Kurcfeld, Michael: Visible Means of Support. In: New West 1978, 9. Oktober, S. 106–108. Eine ähnliche Initiative war CAPS (Creative Artists Public Service Program) in New York, ein Programm, das durch NYSCA und die städtische Cultural Council Foundation finanziert wurde. Dazu: O. A.: And Now the Good News. 101 Signs that the City isn’t Dying. In: New York Magazine, 07.02.1972.

NEA-Förderung für Performance und Museen in den 1970er-Jahren

399

Ziele benennen, die sich damit verbanden. Wie bereits bei den Kunstinitiativen des New Deal ging es aus staatlicher Sicht in erster Linie um die Förderung von Kreati­ vität, eine Professionalisierung des Kunstfeldes und eine Integration von Künst­ ler*in­nen in den Arbeitsmarkt. Bildung und Bildungspolitik waren Bereiche, in denen sich das NEA von Beginn an intensiv engagierte. Wie bereits in vorangegangenen Kapiteln erwähnt, hatten fast alle Performancekünstler*innen eine akademische Ausbildung durchlaufen. Fördergelder des NEA (und des NEH) waren für die Erweiterung dieser akademischen Ausbildungsmöglichkeiten zentral. Ähnliches gilt für die Herausbildung eines theoretischen und kritischen Diskurses. Hier wurden (kunst-)wissenschaftliche Forschung und Kunstkritik gefördert, beispielsweise über Art Critics Fellowships, die das ­Visual Arts Program vergab.114 Für viele Performancekünstler*innen waren außerdem teaching jobs, neben direkten Stipendien und gelegentlichen Gagen für Auftritte, eine verlässliche Einnahmequelle. NEA-Förderung trug auf vielfältige Weise zur Vermittlung solcher Arbeitsplätze bei, beispielsweise über das finanzstarke, im Education Program angesiedelte Unterprogramm Artists-in-Schools. Hier wurden ab 1969 Künstler*innen aller Medien als Lehrende auf Zeit an Schulen vermittelt.115 Mit solchen Maßnahmen sollten nicht nur Künstler*innen in Arbeit versetzt, sondern auch ihre Kompetenzen für die Förderung der visuellen und kreativen Bildung der Gesellschaft fruchtbar gemacht werden. NEA-Förderung begünstigte per Statut interdisziplinäre Zusammenarbeit, was für Performance als hybride Kunstform von besonderer Bedeutung war. Ein herausragendes Beispiel für eine Förderinitiative dieser Stoßrichtung war das Programm Visual Arts in the Performing Arts, ein Teil des Visual Arts Program. Dort konnten sich darstellende Künstler*innen um Gelder für die Gestaltung von Kostümen oder Bühnenbildern durch bildende Künstler*innen bewerben, was beispielsweise Merce Cunningham und sein Ensemble regelmäßig taten.116 Noch umfangreicher fiel die Förderung für Projekte zwischen Kunst und Technologie aus, ein Bereich, der um 1970 geradezu explosionsartig anwuchs. Ein Beispiel dafür sind Projekte des 1967 gegründeten Center for Advanced Visual Studies (CAVS) des Massachusetts Institute of Technology (MIT) oder des Projektes Experiments in Art and Technology (E.A.T.).117 Aus beiden Projekten gingen auch performative Arbeiten hervor, welche

114 Vgl. Anm. 6. 115 Eine kritische Auseinandersetzung mit dem Programm und seiner Evaluierung in: Day, Michael: Point with Pride or View with Alarm? Notes on the Evaluation of the NEA’s Artists-in-Schools Program. In: The Journal of Aesthetic Education, 12. Jg. 1978, H. 1, S. 63–70. 116 Zwischen 1974 und 1979 erhielt das Ensemble jährlich zwischen 1 000 und 5 000 USD in dieser Kategorie. Kein*e Künstler*in erhielt je mehr NEA-Förderung als Cunningham. Gemeinsam mit seinem Ensemble und der Cunningham Dance Foundation erhielten allein in den 1970er-Jahren weit über 2 Mio. USD aus verschiedenen NEA-Programmen. Zugleich war er besonders häufig in verschiedenen Auswahlgremien präsent. 117 Die Gründer von E.A.T. waren Billy Klüver, Fred Waldhauer, Robert Rauschenberg und Robert Whitman. »A grant of $50,000 was given to a service organization, Experiments in Art and Technology, to promote collaboration between artists and scientists. A similar program was supported in a matching grant of $10,000 to the Smithsonian Institution for a special exhibition on art and technology, prepared in collaboration with the Center for Advanced Visual Studies

400

Performance on Display im Kontext US-amerikanischer Kulturpolitik und Kunstförderung

die später verstärkt auftretende Zusammenbindung von Performance und Medienkunst vorwegnahmen. Ein weiterer wichtiger Förderbereich war infrastruktureller Natur. Gemeinsam mit den SAAs setzte sich das NEA für bezahlbaren Wohn- und Arbeitsraum für Künst­ ler*innen ein.118 Über die Sammelkategorie General Programs des Visual Arts Program wurden beispielsweise die bereits erwähnten New Yorker Atelierprojekte Westbeth (wo Merce Cunningham sein Studio hatte)119 und Project Studios One intensiv gefördert.120 Ohne diese Förderung hätte es die Downtown-Szene in SoHo in ihrer historischen Form nicht gegeben. Dasselbe gilt für die alternativen Kunst­ räume als Keimzelle der US-amerikanischen Performanceszene. Der Zusammenhang zwischen diesen Orten und staatlicher Förderung ist hinlänglich bekannt und erforscht.121 Das zentrale Förderprogramm für alternative Kunsträume war im Visual Arts Program angesiedelt und firmierte ab 1972 unter dem Titel Workshops, ab 1978 unter Workshops/Alternative Spaces. Bemerkenswert ist hier, dass der Initiator dieser Förderlinie der Konzeptkünstler und Theoretiker Brian O’Doherty war, der das Visual Arts Program von 1969 bis 1977 leitete.122 Ein Blick auf die Zuwendungen des NEA für The Kitchen zwischen 1975 und 1980 zeigt exemplarisch, wie die Intensität der Förderung eines alternativen Kunstraums (in diesem Fall ein besonders erfolgreicher, der bis heute existiert) im Verlauf der 1970er-Jahre stetig zunahm, parallel zum goldenen Zeitalter der Performancekunst (Tab. 3). Beginnend mit Fördersummen im dreistelligen Bereich, wurden hier um 1980 Gesamtsummen im fünfstelligen Bereich ausbezahlt.123 Voraussetzung für eine Förderung war die Registrierung als gemeinnützige Organisation sowie eine professionelle Verwaltungsstruktur. Dies ist wichtig, da wie schon erwähnt, die allgemeine Professionalisierung des künstlerischen Feldes zu den wichtigsten Zielen des NEA gehörte. Wie der Kurator und Kunstwissenschaftler Brian Wallis betont, war die Etablierung professioneller Standards für Künstler*innen und Kunstinstitutionen ein Impuls zur »Selbstregulierung« und damit ein »effektiver of the Massachusetts Institute of Technology.« NEA Annual Report 1969, S. 39. Das MIT erhielt 1972 100 000 USD aus dem Unterprogramm Workshops des Visual Arts Program. NEA Annual Report 1972, S. 114. 118 Bereits im ersten Jahresbericht des NEA wurde die Wichtigkeit hervorgehoben, bezahlbaren Wohnraum für Künstler*innen zu schaffen, und zwar in Form von Lofts. NEA Annual Report 1964–65, S. 39–40. Zu den Verstrickungen des frühen NEA in den New Yorker Immobilienmarkt s. Zukin 2014, S. 114. 119 Das Westbeth eröffnete 1971. Der finanzielle Beitrag des NEA betrug 750 000 USD, das Projekt wurde vom Kaplan Fund kofinanziert. NEA Annual Report 1970, S. 50–51. 120 Dort gab es etwa fünfzig Ateliers. Zur Administration und Vergabe der Ateliers s. Verwaltungsakten: Ateliervergabe. A-MoMA, MoMA PS1, Series IV, Mappe 2. 121 Dazu: Larson, Kay: Rooms With a Point of View. In: Artnews, 76. Jg. 1977, H. 8, S. 32–38; Wallis, Brian: Public Funding and Alternative Spaces. In: Ault, Julie (Hrsg.): Alternative Art. New York 1965–1985. A Cultural Politics Book for the Social Text Collective. Nachdr. New York: Drawing Center 2009, S. 161–181. »The alternative space movement exploded with this support« heißt es in: O. A.: 1970s. In: Rosati, Lauren/Staniszewski, Mary A. (Hrsg.): Alternative Histories. New York Art Spaces, 1960 to 2010. New York, 1989. Nachdr. Cambridge: MIT 2012, S. 125. 122 Eine Untersuchung von O’Dohertys Rolle als Kulturmanager ist ein Forschungsdesiderat. Nach dem Visual Arts Program übernahm er die Leitung des Media Program. In dieser Funktion zeichnete er unter anderem für die televisuelle Verbreitung von Tanz durch die TV-Produktion Great Performances: Dance in America verantwortlich. 123 Diese Summen setzen sich aus Zuwendungen verschiedener Förderlinien zusammen.

NEA-Förderung für Performance und Museen in den 1970er-Jahren

401

Tab. 3  Fördergelder des NEA für The Kitchen (Haleakala Inc.), 1975–1980. Datenquelle: NEA Annual Reports, 1975–1980.

402

Performance on Display im Kontext US-amerikanischer Kulturpolitik und Kunstförderung

Gesamt 1975:

Workshop Program

Visual Arts /

Programm / Kategorie

1975

15.000 USD

15.000 USD

Förderung

Gesamt 1976:

Workshops

Visual Arts /

Special Projects

Programm / Kategorie

1976

34.500 USD

13.000 USD

21.500 USD

Förderung

Visual Arts /

Gesamt 1977:

Alternative Spaces

Workshops /

Visual Arts /

Performance

50.000 USD



15.000 USD

Gesamt 1978:

Services to the Field

Media Arts /

78.000 USD

15.000 USD

26.000 USD

Gesamt 1979:

134.000 USD

Gesamt 1980:

Production

Media Arts /

Artists Spaces

Visual Arts /

Services to New Music

Music / 38.000 USD

Music /

Media Arts

Programming in the Arts

Media Arts /

Programming in the Arts

Media Arts /

Special Projects

Interdisciplinary /

and Festivals

Arts Centers

Inter-Arts /

Services to the Field

Visual Arts /

Media Arts / Major Media Centers

1980

Programm / Kategorie

New Music

12.000 USD

25.000 USD

32.000 USD

3.000 USD

5.000 USD

4.000 USD

15.000 USD

Förderung

Contemporary Music

Music /

Production Aid

Media Arts /

Major Media Centers

Media Arts /

General Programs

Dance /

Major Media Centers

Media Arts /

5.000 USD

Music / Contemporary Music

in the Performing Arts

Visual Arts

Services to the Field

Visual Arts /

Alternative Spaces

Workshops /

Visual Arts /

Programm / Kategorie

Workshops

15.000 USD

12.000 USD

10.000 USD

Förderung

1979

General Programs

10.000 USD

Media Arts /

Music /

Music

Music / Contemporary

Programm / Kategorie

Contemporary Music

10.000 USD

10.000 USD

Förderung

1978

Media Studies

Media Arts /

Regional Development

Media Arts /

Programm / Kategorie

1977

148.000 USD

30.000 USD

15.000 USD

5.000 USD

12.000 USD

6.000 USD

10.000 USD

25.000 USD

10.000 USD

25.000 USD

10.000 USD

Förderung

Weg, Widerständigkeit zu neutralisieren«.124 Alternative Kunsträume waren für Künst­ ler*innen eine Chance, selbstbestimmt zu arbeiten und ihre Werke öffentlich zu zeigen. Für die Politik waren diese Orte eine Möglichkeit, der diffusen kritischen Energie der Kunstszene einen Ort zuzuweisen und diese zugleich nach und nach in das bestehende Kunstsystem einzugliedern. Im Falle einiger Institutionen, wie dem P.S. 1, gelang diese Integration besonders eindrücklich.125 Hinter der Professionalisierungspolitik stand aber auch ein offen wirtschaftliches Interesse. Eine Professionalisierung des künstlerischen Feldes und der gesamten Kunstwelt sollte die Künste in volkswirtschaftliche Zusammenhänge einbinden und dabei nicht nur den Kunstmarkt und die Kreativwirtschaft ankurbeln, sondern auch zu einem generellen Wachstum des kulturellen Kapitals der Nation beitragen. Brian Wallis schreibt dazu: Professionalism also had an economic aspect: ›professional artists‹ contributed to the general economy not only through the artistic products they made but also through their cultural capital, a certain level of competence or expertise based on degrees of education and experience. Many alternative spaces, such as Artists Space in New York, were established primarily to help young and unaffiliated artists become established in their professional field, the implication being that gallery representation was a desirable goal. Others regularly sponsored programs like Just above Midtown’s popular seminar ›The Business of Being an Artist.‹ The NEA regularly provided information and specialized training for artists, arts administrators, and arts educators to increase their ›professional‹ skills.126 Alle Unterprogramme der medienspezifischen Programme vergaben unter dem Label Services to the Field Gelder für Projekte und Veranstaltungen, wie Konferenzen, Workshops, Publikationen und Fortbildungsangebote, die zur genannten Professionalisierung des Kunstfeldes beitragen sollten. Diese Angebote konnten sich sowohl an Künstler*innen aller Medien als auch an Mitarbeiter*innen von Kunstinstitu­ tionen, Kunstpädagog*innen und Kunstmanager*innen aller Art richten. Ein letzter wichtiger Förderbereich, der hier zur Sprache kommen soll, sind Residenzstipendien. Das NEA trug wesentlich dazu bei, dieses (heute international gängige) Format zu etablieren.127 Residenzen waren aus staatlicher Sicht eine Möglich-

124 »Even while providing subsidies to experimental artists, the NEA effectively neutralized dissent by instilling a self-regulating standard of professionalization«. Wallis 2009, S. 174. 125 Für andere Institutionen, zum Beispiel LAICA (Los Angeles Institute of Contemporary Art), bedeuteten die funding cuts der 1990er-Jahre aber auch das Ende. 126 Wallis 2009, S. 174. 127 Die Residenz-Programme des NEA gab es ab 1971. Bereits zuvor gab es das Fulbright-Programm (seit 1952) und das NASA Art Program (ab 1962). Zum Thema Residenzen s. Glauser, Andrea: Verordnete Entgrenzung. Kulturpolitik, Artist-in-Residence-Programme und die Praxis der Kunst. Bielefeld: transcript 2009. Den Begriff Residenz führt Glauser auf die Abkürzung A.I.R. (=Artist in Residence) zurück, die New Yorker Künstler*innen auf Schildern an ihren Lofts anbrachten, um diese als legal genutzten Wohn- und Arbeitsraum zu markieren. Ebd., S. 15. Vgl. S. 296.

NEA-Förderung für Performance und Museen in den 1970er-Jahren

403

keit, Künstler*innen einen temporären Arbeitsplatz zu vermitteln und zugleich einen Austausch zwischen Kunstproduzent*innen und Rezipient*innen beziehungsweise künstlerischem Nachwuchs zu ermöglichen. Alle medienspezifischen Programme besaßen entsprechende Unterprogramme. Zum Visual Arts Program gehörte beispielsweise ab 1971 das Unterprogramm Artists, Critics, Photographers and Craftsmen in Residence. Hier konnten sich Institutionen, wie Kunsthochschulen, Theaterhäuser und auch Museen um Gelder bewerben, meist in Form sogenannter match­ing grants128, um Künstler*innen und Kunsttheoretiker*innen einzuladen. Die Aufenthalts­ dauer konnte mehrere Tage, seltener mehrere Wochen betragen.129 Die im vorangegangenen Kapitel behandelten Auftritte von Tina Giroard und Gordon Matta Clark im MCA Chicago, 1978, wurden auf diese Weise finanziert. Besonders erfolgreich und für Performance on Display einschlägig, war das Coordinated Residency Touring Program, das im Dance Program angesiedelt war.130 Während anfänglich nur vier Ensembles daran teilnahmen, waren es 1971 bereits 22. Im Jahr 1976 war das Portfolio auf 92 Ensembles angewachsen, in den ausgehenden 1970er-Jahren nahmen weit über hundert Ensembles teil. Mit einem Budget von 3 Mio. USD war es das am umfangreichsten finanzierte Unterprogramm der Sparte Tanz.131 Das NEA trat in diesem Zusammenhang als eine Art Agentur auf.132 Jährlich erschien ein Programmheft mit einer Übersicht aller teilnehmenden Ensembles. Von Merce Cunningham über Trisha Brown und die Grand Union bis zu Viola Farber oder Twyla Tharp waren all jene Ensembles darin vertreten, die auch Auftritte in Museen absolvierten – und natürlich viele mehr, die sich auf klassische Theater­ bühnen konzentrierten. Auf je einer Doppelseite wurden knappe Informationen über die Künstler*innen und Ensembles gegeben sowie die Kontaktdaten und Hinweise auf absolvierte und geplante Auftritte. Ergänzend gab es einen Überblick über die je-

128 Das heißt, dass mindestens die Hälfte der für ein Projekt benötigten Gesamtsumme von der empfangenden Institution selbst aufgebracht oder eingeworben werden musste. 129 Im Jahresbericht von 1975 heißt es: »To assist art schools university art departments and other organizations to invite artists, art critics, photographers, or craftsmen of national reputation for short-term stays to instruct and stimulate students and faculty while practicing their professions.« NEA Annual Report 1975, S. 99. 130 Im Jahresbericht von 1969 heißt es: »This program was initiated in a pilot project in Illinois for the 1967-68 season. Its purpose is to improve touring practices; its method is to develop regional circuits of local sponsors through the cooperation of state arts councils. Each local sponsor engages at least two companies for at least a half week each, during which time the dance company provides a variety of services such as master classes, lecture demonstrations, music and design workshops, and special sessions for teachers.« NEA Annual Report 1969, S. 16. Im Jahresbericht von 1976 findet sich folgende kurze Beschreibung: »Dance Touring funds are available to state, local and private agencies—sponsors—which agree to engage a touring professional dance company for a visit of at least 2 ½ days, during which time a variety of activities can be held, including performances, open rehearsals, master classes, lecture demonstrations, seminars, and children’s programs. Dance Touring is intended to bring each community not just a dance performance, but an awareness and appreciation of dance itself.« NEA Annual Report 1976, S. 21. 131 Zu den ersten Ensembles im Programm gehörten Nikolais Dance Theater, Merce Cunningham and Dance Company, Tharp/Rudner/Wright, Paul Taylor Dance Company und Alvin Ailey American Dance Theater. NEA Annual Report 1971, S. 20. 132 Das Programm war zwar eine Initiative des NEA, wurde aber über die SAAs lokal implementiert und verwaltet. Die Gelder wurden deshalb durch die SAAs an die Institutionen ausbezahlt. Nur die großen nationalen Ensembles wurden direkt über das NEA gebucht.

404

Performance on Display im Kontext US-amerikanischer Kulturpolitik und Kunstförderung

weiligen Konditionen, über notwendige Probenzeiten, Honorare und technische Anfor­derungen.133 Die meisten Ensembles machten auch Angaben zu möglichen Ver­ anstaltungsformaten und den entsprechenden räumlichen Voraussetzungen. In einigen Fällen wurden neben dem öffentlichen Raum auch ausdrücklich Museums- oder Galerieräume genannt.134 Auffällig ist, dass im Verlauf der 1970er-Jahre immer mehr Ensembles das Museum als möglichen Auftrittsort angaben. Während im Programm von 1974 das Stichwort ›Museum‹ lediglich viermal vorkommt, fällt es im Programm von 1979 fast sechzigmal. Wie Suzanne Weil schildert, die nach einigen Jahren als Performing Arts Coordinator am Walker Art Center Leiterin des NEA-Dance Program wurde, war diese Förderung ein »enormer Anreiz« für Institutionen, Tanz zu zeigen.135 Die Förderung von Tanz-Residenzen war ungleich intensiver als diejenige in anderen künstlerischen Feldern. Das NEA schreibt sich deshalb auf die Fahnen, den Tanz-Boom der 1970er-Jahre durch eine Art Schneeball-Effekt ausgelöst zu haben. Asheley B. Smith beschreibt diesen Boom in einer Online-Publikation des NEA und macht die erhöhte Sichtbarkeit bereits aktiver Ensembles für eine Gründungswelle neuer Ensembles verantwortlich.136 Die Anreize des Coordinated Residency Touring Program, die damit einhergehende allgemeine ›Verbreiterung‹ der Tanzproduktion und die gleichzeitige Öffnung der Museen für neue Veranstaltungsformate sind ein plausibler Erklärungsansatz für das Phänomen Tanz im Museum in den 1970er-­Jahren. Individuelle Stipendien für Performancekünstler*innen Zwischen 1967 und 1995 förderte das NEA Künstler*innen ganz direkt durch indi­ viduelle Stipendien, sogenannte artists fellowships. Diese wurden in allen medien-

133 Für die Cunningham Company heißt es beispielsweise: »TOURING PERSONNEL: 12-15 dancers; 2 musicians; designer; 2 stage managers; and one technician. The Company Manager and Artistic Director always tour with the company.« NEA Dance Touring Program 1976, S. 49. 134 Im Programmheft für 1976 ist auf der Doppelseite zu Trisha Browns Ensemble zum Beispiel vermerkt: »PERFORMING SPACES: Company will perform in many non-proscenium spaces of at least 30’ × 40’ — gymnasiums, galleries, museums, barns, schools, patios, etc.« NEA Dance Touring Program 1976, S. 29. Die Grand Union gibt an: »Proscenium stage can be used but Company prefers large open space such as gym, gallery or studio.« NEA Dance Touring Program 1974, S. 55. 135 »[T]hat was enormous [Hervorhebung Weil] incentive. So I wasn’t any more interested in dance as I was in theater or music or anything but it was so much easier to bring dance and of course and [sic] dance was bubbeling up. But I think that it was synergistic.« Video: Walker Art Center: Suzanne Weil in Conversation with Philip Bither. 2001. Farbe, 55 Min. Online: https://web.archive.org/web/20210210193400/https://www.youtube.com/watch?v=-DjJEYu-bJk&­ feature­­=youtu.be (Zugriff: 30.12.2020), hier Min. 00:16:25. 136 »The 1970s, thus, became a time of incredible expansion for the [sic] all the arts, including dance. In 1965, there were thirtyseven professional dance companies in the United States; by 1975, this number had increased to 157. […] One reason for the formation of new companies was the increasing visibility of existing companies. From the late 1960s to early 1980s, the NEA’s Dance Touring Program enabled dance companies to not only perform throughout the country, but also conduct teaching residencies at dance presenters in cities nationwide.« Smith, Asheley B.: National Endowment for the Arts (NEA). Online-Publikation. https://web.archive.org/web/20160804142156/http://www.danceheri tage.org/treasures/nea_essay_smith.pdf (Zugriff: 27.07.2018). 1975 heißt es im NEA-Jahresbericht über die Wirksamkeit der Tanz-Förderung: »The federal contribution amounts to $3.6 million this year and each federal dollar generates between $4 and $5 in local matching funds. This year 94 companies toured in all 50 states and two special jurisdictions for an aggregate of more than 4000 weeks.« NEA Annual Report 1975, S. 3.

NEA-Förderung für Performance und Museen in den 1970er-Jahren

405

spezifischen Unterprogrammen vergeben. Im Folgenden wird es vor allem um das Fellowship Program des Visual Arts Program gehen. Ähnliche Förderungen gab es auch in den Bereichen Tanz137, Theater und Musik, wo im Wesentlichen dieselben Kriterien beziehungsweise Selektionsmechanismen galten. Individualstipendien waren zweckungebunden und sollten es Künstler*innen ermöglichen, nach eigenem Gutdünken in zeitliche oder materielle Ressourcen zu investieren und ihre »Karrieren voranzutreiben«.138 Der Jahresbericht von 1970 gibt an, dass ein Vollstipendium in Anlehnung an ein »average sabbatical leave for associate professors engaged in academic work« bemessen war, also den Lebensunterhalt einer Person für etwa ein Jahr sichern konnte.139 Oft wurden aber auch kleinere Beträge ausgegeben, in der Regel jedoch nie weniger als 1 000 USD. Zunächst soll nun ein erster Überblick über relevante Förderepisoden gegeben werden. Das Bewerbungsverfahren und die Selektionsmechanismen, die zur Auswahl dieser Künstler*innen geführt hat, ist dann Thema der folgenden Abschnitte. Das erste NEA-Stipendium, das nachweislich mit der Entstehung performativer Kunstwerke in Verbindung gebracht werden kann, ging 1968 an Bruce Nauman und war mit 5 000 USD dotiert.140 Nauman, der in Kalifornien studiert hatte und damals noch ganz am Anfang seiner Karriere stand, schilderte später in einem Interview, dass ihm das Stipendium ermöglicht habe, für ein Jahr in New York zu leben und zu arbeiten. Während dieser Zeit entstanden seine frühen Performancevideos, darunter Wall Floor Positions, Walk with Contrapposto oder Stomping in the Studio (alle 1968). Die notwendige Videoausrüstung lieh sich Nauman von seinem Gale­ risten Leo Castelli, den Arbeitsraum stellten ihm befreundete Künstler zur Verfügung.141 Das Stipendium verschaffte ihm den notwendigen finanziellen und zeit­ lichen Freiraum, den er als Grundvoraussetzung für seine künstlerischen Experimente bezeichnete.142 Verglichen mit späteren performancebezogenen Förderungen war Bruce Naumans Stipendium ein Sonderfall. In den ersten fünf Jahren des NEA war es nämlich üblich, Stipendien nicht auf Bewerbung, sondern durch Nominierung zu vergeben. In diesen Jahren wurden ausnahmslos Maler*innen oder Bildhauer*innen aus­gezeichnet, die,

137 Das Dance Program vergab beispielsweise Choreography Fellowships, eine Kategorie, in der erneut Merce Cunningham mit insgesamt neun Stipendien zu den am häufigsten geförderten Einzelkünstler*innen gehörte. 138 »[T]o set aside time and/or purchase materials and generally to advance their careers as they see fit.« NEA Annual Report 1977, S. 127. 139 NEA Annual Report 1970, S. 50. 140 NEA Annual Report 1968, S. 75. Das Stipendium erfolgte im selben Jahr wie Naumans erste New Yorker Einzelausstellung in der Galerie von Leo Castelli. 141 Die beiden Künstler waren Paul Waldman und Roy Lichtenstein. Vgl. Angelus, Michele D.: Interview With Bruce Nauman, May 27 and 30, 1980. In: Nauman, Bruce/Kraynak, Janet (Hrsg.): Please Pay Attention Please. Bruce Nauman’s Words Writings and Interviews. Cambridge, US, London, UK: MIT 2005, S. 243–295, hier S. 244. 142 Nauman, Bruce: Kunst, die eigentliche Tätigkeit. Ein Interview mit Ian Wallace und Russel Keziere. In: Nauman, Bruce/Hoffman, Christine (Hrsg.): Interviews 1967–1988. Hamburg: Philo 1996, S. 102–117, hier S. 113.

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Performance on Display im Kontext US-amerikanischer Kulturpolitik und Kunstförderung

wie Nauman, einen minimalistischen und/oder konzeptuellen Ansatz vertraten.143 Nancy Princenthal beschreibt die Ästhetik der Werke früher NEA-Stipendiat*innen folgendermaßen: A primary commitment was to presentation, at the expense of representation; not just mimesis, but all kinds of metaphor were rejected outright. The new work celebrated the art object in itself, as a material presence, as a document of the labor invested in it by the artist, and as the occasion for a physical and/ or perceptual experience for the viewer.144 Bevorzug wurde also offenbar jene nicht-referenzielle Kunst, die für den US-amerika­ nischen Kontext in den Jahren des Kalten Kriegs so typisch war. Naumans Stipendium ist auch deshalb ein Sonderfall, da nur selten eine so direkte Zuordnung von Förderung und daraus resultierenden Werken möglich ist, schließlich galt die Prämisse, projektungebunden zu fördern. Die Ausgangslage für eine Untersuchung des Einflusses von NEA-Förderung auf Performancekunst ist auch deshalb komplex, da sich die Fluidität und Hybridität des Mediums einer Zuordnung in die vorgegebenen Medienkategorien entzieht. Die folgenden Hinweise basieren auf den Jahresberichten des NEA und einer Publikation über das Fellowship Program.145 Auf dieser Grundlage ließ sich eine Zusammenschau jener Stipendien erstellen, die an Künstler*innen gingen, die ganz oder teilweise performativ arbeiteten. Dabei wurden alle Stipendien berücksichtigt, die in der genannten Übersichtspublikation in den Kategorien Performance- oder Videokunst gelistet werden (Tab. 4).146 Zusätzlich wurde gezielt nach Stipendien für diejenigen Künst­ler*innen gesucht, die in den vorangegangenen Kapiteln eine Rolle spielten. Stichprobenhafte Recherchen zu einigen einschlägigen Positionen lassen zudem partiell Hinweise auf die Verwendung und Auswirkungen der Förderung zu.147 Ab 1973, es galt nun ein offenes Bewerbungsverfahren, wurde ein merklich breiteres Spektrum künstlerischer Medien und Ausdrucksformen berücksichtigt. Zu den ersten Künstler*innen, die sich erfolgreich um Stipendien bewarben, gehörten John Baldessari, Peter Campus, Joan Jonas und William Wegman. Sie alle experimentierten in diesem Zeitraum mit Videoperformances und erhielten jeweils kleinere Sum-

143 Zum Beispiel Dan Flavin, Agnes Martin oder Robert Morris. S. Princenthal, Nancy: Artists’ Artists. The NEA Visual Artists’ Fellowship Program. In: Westbrook, Adele/Princenthal, Nancy/Dowley, Jennifer (Hrsg.): A Creative Legacy. A History of the National Endowment for the Art’s Visual Artists’ Fellowship Program, 1966–1995. New York: H.N. Abrams 2001, S. 9–25, hier S. 9. »Grants of $5,000 were given to 60 individuals in Fiscal 1967, to 29 individuals in Fiscal 1968 and to 30 individuals in Fiscal 1969. In Fiscal 1970, the National Council agreed to stress fellowships for future work, rather than awards for past achievement.« NEA Annual Report 1970, S. 50. 144 Princenthal 2001, S. 11. Princenthal setzt hier und an anderer Stelle das commitment der Künstler*innen und des NEA gleich, offenbar in der Annahme, dass die NEA-Förderung die Entwicklungen im Kunstfeld ›neutral‹ abbilde. 145 Westbrook/Princenthal/Dowley 2001. 146 Diese Differenzierung nach Medium (Princenthal spricht von »application options«, [Princenthal 2001, S. 19]) findet sich nur in der Überblickspublikation, nicht aber in den Jahresberichten des NEA. 147 Die Untersuchung von Einzelkarrieren wäre ein lohnender komplementärer Ansatz, führte an dieser Stelle aber zu weit.

NEA-Förderung für Performance und Museen in den 1970er-Jahren

407

408

Performance on Display im Kontext US-amerikanischer Kulturpolitik und Kunstförderung

1977

1976

Jahr

Skip Blumberg; Nancy Cain; Maxi Cohen; Peter D’Agostino; Cara DeVito; Colen Fitzgibbon; Joel Glassman; Beryl Korot; Charles Lord; Christa Maiwald; Linda Montano; Kit Fitzgerald/John Sanborn; Christina Potoski; Frederick Simon; John Sturgeon

Laurie Anderson; Lowry Burgess; Donald Burgy; James Collins; Ralston Farina; George Maciunas; Douglas Michels; William Morrison; Carolee Schneemann; Allan Sekula; Lawrence Weiner; Douglas Wheeler

Colette; Susan Enlsey; Thomas Hatch; Paul Kagawa; Michael McClard; Ana Mendieta; Cynthia Sherman; Mierle Ukeles

7 500 USD

3 000 USD

Mary Ashley; Suzanne Bloom; James Byrne; Lowell Darling; Davidson Gigliotti; Eileen Griffin; Martha Haslanger; Julia Heyward; Beth Horowitz; Rodger Klein; Shigeko Kubota; William Leavitt; Jay McCafferty; Rita Myers; John Orentlicher; Ilene Segalove; Hartley Shearer

Mac Adams; Kathryn Bigelow; John Blake; Michael Krugman; Curtis Fisher; James Pavlicovic; Samuel Samore

2 000 USD

Nam June Paik

Vito Acconci; Billy Adler; Juan Downey; Terry Fox; Joel Herman; Richard Landry; Keith Sonnier; Bill Viola

Chris Burden; Marion Cajori; Sarah Charlesworth; Tina Girouard; Howard Jones; Tom Marioni; Paul McCarthy; Andrew Menard; Alexis Smith

5 000 USD

Raymond Johnson

Peter Campus; Frank Gillette; Paul Kos

Robert Barry; Geoffrey Hendricks; Mel Ramsden; Robert Watts

10 000 USD

10 000 USD

Video

Conceptual / Performance / New Genres

Fördersumme

Tab. 4  Individuelle NEA-Stipendien der Kategorien Performance und Video im Fellowship Program des Visual Arts Program, 1976–1980. Datenquelle: Westbrook/Princenthal/Dowley 2001.

.

NEA-Förderung für Performance und Museen in den 1970er-Jahren

409

1980

1979

1978

3 000 USD

Mac Adams, Erica Beckman; Dianne Blell; Kevin Boyle; Sarah Charlesworth; Ping Chong; Stefan Eins; Douglas Huebler; Peter Ivers; Ulysses Jenkins; Ellen/Lynda Kahn; Les Levine; Joyce Lightbody; Gary Lloyd; Fred Lonidier; Cynthia Luber; Tom Marioni; Matt Mullican; Lil Picard; Jane Reynolds; Brian Routh; Bonnie Sherk; Stuart Sherman; Lewis Stein; Mark Thompson; Francesc Torres; Martin von Haselberg; Reese Williams; Ann Wilson

Laurie Anderson; Ida Applebroog; Harry Gamboa; Robin Winters

10 000 USD

10 000 USD

Jules Backus; Benjamin Bergery; Skip Blumberg; Jane Brettschneider; Timothy Broderick; Nancy Buchanan; Barbara Buckner; Maxi Cohen; John Dennehy; Nick Despota; Cara DeVito; Hildegarde Duane; Jo Ann Gillerman; Joel Gold; Shalom Gorewitz; Ernest Gussella; Bob Harris; Mildred Iatrou; Takahiko Iimura; Mitchell Kriegman; Barbara Latham; Joan Logue; Mary Lucier; Theresa Mack; Christa Maiwald; William Marpet; Michael McClard; Melvin McCray; Lisa Nelson; Guillermo Pulido; Martha Rosler; Cynthia Rush; Daniel Sandin; Bradley Stensberg; Edin Velez

Bill Beirne; Chris Burden; Dena Crane; Lowell Darling; Juan Downey; Howard Fried; Barton Friedman; Frank Gillette; Joan Jonas; Shigeko Kubota; Charles Lord; Susan Milano; Rita Myers; Charlemagne Palestine; Daniel Reeves; John Sturgeon

Ante Bozanich; James Byrne; John Caldwell; Theresa Cha; Dieter Froese; Shalom Gorewitz; Gary Hill; Marilyn Kemppainen; Jennifer Kotter; Mitchell Kriegman; Alan Lande; Philip Markanna; Larry Miller; Paul Rutkousky; Karen Simon-Peterson; Ann Volkes

Dana Atchley; Peter D’Agostino; Ed Emshwiller; Kit Fitzgerald/John Sanborn; Beryl Korot; Ira Schneider; Ilene Segalove; Robert Snyder; William Walker

Terry Allen; Eleanor Antin; Joan La Barbara; Guy De Cointet; Allan Kaprow; Adrian Piper; James Pomeroy; Emmett Williams

3 000 USD

3 000 USD

Barbara Buckner; Doug Hall; Steve Koplan; Kenneth Leback; John Sanborn; Norie Sato; Diane Spoderek

John Alberty; Connie Beckley; Nancy Blanchard; Nancy Buchanan; Robert Clark; James Collins; Paul DeMarinis; Paul Forte; Peter Grass; Willy Heeks; Joe Hobbs; Channa Horwitz; Douglas Huebler; Kenneth Kashian; Stephen Laub; Robert Longo; Matt Mullican; Pat Oleszko; Joseph Procter; Karen Shaw; Cynthia Sherman; Michael Smith; Mimi Smith; Reese Williams; Martha Wilson; Marian Zazeela

Jo Harvey Allen; Jacki Apple; Mark Boulding; Troy Brauntuch; Dorit Cypis; William Farley; Jack Goldstein; Steven Gwon; Julia Heyward; Leandro Katz; David Lackey; Suzanne Lacy; Stephen Laub; David Lurie; Michael Meyers; Rosa Patino; Kirk Roberts; Darryl Sapien; Cynthia Sherman; Howard Smagula; Barbara Smith; Lew Thomas; Bernard Tschumi; John White; Robert White; Hannah Wilke; Reese Williams

Vito Acconci; Jaime Davidovich; David Haxton; Nancy Holt; Joan Jonas; Suzanne Kuffler; Shigeko Kubota; Joan Logue; Mary Lucier; Andrew Mann; Stefan Moore; Tony Philips; Jane Tavarelli/Jery Hudson

Bill Beckley; Paul Cotton; Eleanor Dube; Dan Graham; Hans Haacke; Suzanne Hellmuth/Jock Reynolds; Charlotte Moorman; Douglas Michels; William Morrison; Allan Sekula; Douglas Wheeler

Bill Viola

7 500 USD

10 000 USD

men (3 000 USD) für sogenannte short term activities.148 Im Folgejahr, 1974, erhielt Chris Burden ein Vollstipendium (7 500 USD). Er war erst seit drei Jahren als Künstler tätig, doch war er mit Arbeiten wie Five Day Locker Piece oder Shoot (beide 1971) rasch zu Bekanntheit gelangt. Im Jahr des Stipendiums schuf er eine seiner ersten Museumsarbeiten, Oh Dracula, für das Utah Museum of Fine Arts. Im Frühjahr 1975 zeigte er dann Doomed im MCA Chicago. Laurie Anderson und Julia Heyward, ebenfalls Newcomerinnen, erhielten 1974 jeweils kleinere Fördersummen (3 000 USD). Für Anderson, die im selben Jahr einen CAPS Grant erhielt, war es das erste Jahr, in dem sie konsequent als Performerin arbeitete, vornehmlich im öffentlichen Raum oder in alternativen Kunsträumen.149 Sie produzierte darüber hinaus ihren Performancefilm Dearreader, unternahm mehrere Reisen und unterzeichnete bei der Holly Solomon Gallery.150 Ihr erstes größeres Museumsengagement war im Folgejahr der Auftritt im MCA Chicago während der Ausstellung Bodyworks. Zu den etablierteren Positionen, die 1974 gefördert wurden, gehörten Allan Kaprow (7 500 USD), Yvonne Rainer (3 000 USD) und Carolee Schneemann (3 000 USD). Kaprow produ­ zierte in diesem Jahr seine erste Video-Arbeit151, Rainer veröffentlichte ihren Film About a Woman Who … und Schneemann arbeitete an verschiedenen Versionen von Up to and Including Her Limits, einer performancebasierten Malerei-Installation, die später zu einer Video-Installation wurde. 1975 erhielt Scott Burton ein Vollstipendium (8 000 USD). Möglicherweise floss das Geld in die Produktion seines Pair Behaviour Tableaux, das er im selben Jahr im Guggenheim Museum zeigte.152 Ein weiteres, identisch dotiertes Vollstipendium erhielt Gordon Matta-Clark. Er führte 1975 seine Guerilla-Aktion Day’s End durch, für die er einen mehrere Meter großen Halbkreis aus der Wand einer leerstehenden Lagerhalle am Hudson River in New York schnitt. Im selben Jahr war er auf der Paris Biennale vertreten und schuf dort eines seiner größten Cuttings, Conical Intersect. Kleinere Stipendien erhielten 1975 Martha Rosler (4 000 USD), die in diesem Jahr ihr ikonisches Video Semiotics of the Kitchen schuf sowie Bonny Sherk und James 148 Baldessari über sein zwiegespaltenes Verhältnis zu Performance in: Roth, Moira: Interview with John Baldessari [1973]. In: X-TRA, 8. Jg. 2005, H. 2. Online: https://web.archive.org/web/20201031155113/http://x-traonline.org/article/in terview-with-john-baldessari-1973/ (Zugriff: 31.10.2020). Peter Campus schuf im selben Jahr das Video Three Transitions. Joan Jonas schuf 1974 die Arbeit Funnel, eine Performance, die von Babette Mangolte gefilmt wurde und in dieser mediatisierten Form in Museen gezeigt werden konnte. 149 Zu CAPS s. Anm. 113. Anderson trat 1974 unter anderem im Artists Space, in The Kitchen und im Clocktower auf. 150 Zum Film: Anderson 1994, S. 14–18. Anderson trampte 1974 (fast) bis an den Nordpol und hatte verschiedene Auftritte in Europa. 151 Vgl. Furmanski, Jonathan: Video before Then. Getty Research Journal, 2009, H. 1, S. 205–210, hier S. 205. Ebenfalls 1974 veröffentlichte Kaprow einen Text, in dem er bisherige Videokunst wegen eines in seinen Augen fehlenden künstlerischen Mehrwerts kritisierte. Kaprow, Allan: Video Art: Old Wine, New Bottle [1974]. In: Kaprow/Kelley 2003, S. 148–153. 152 Audio: Pair Behavior Tableaux (1975–1976), 1976 [Mimi Poser spricht im Rahmen der Radiosendung Round and About the Guggenheim mit dem Künstler Scott Burton und der Kuratorin Linda Shearer über Performancekunst und Burtons Pair Behavior Tableaux 1975–1976 im Guggenheim Museum]. 1976. 23:49 Min. Online: https://web.archive. org/web/20210209174635if_/https://www.guggenheim.org/audio/track/pair-behavior-tableaux-1975-1976-1976 (Zugriff: 09.02.2021). Im selben Jahr schuf Burton mit dem Bronze Chair einen seiner ersten Möbelentwürfe, eventuell ebenfalls mit Hilfe des Stipendiums.

410

Performance on Display im Kontext US-amerikanischer Kulturpolitik und Kunstförderung

Pomeroy (jeweils 3 000 USD), zwei Performancekünstler*innen aus San Francisco. Alle diese Künstler*innen waren einem breiteren Publikum zu diesem Zeitpunkt noch unbekannt. Die bisher genannten Förderungen wurden alle über die allgemeine Förderlinie Artists Fellowships vergeben. Diese wurde 1971 durch die Kategorie Photography erweitert. In Reaktion auf die Entwicklungen im künstlerischen Feld und zeitlich bemerkenswert synchron zur Aufnahme von Performance in Museumsprogramme, wurde das Förderportfolio Mitte der 1970er-Jahre um zeitbasierte Medien ergänzt, zunächst, 1975, durch eine Förderlinie für Videokunst, ein Jahr später durch die Sammelkategorie Conceptual and Performance.153 Zu den ersten Stipendiat*innen in der Kategorie Video gehörten erneut Joan Jonas (4 000 USD) und William Wegman (8 000 USD) sowie Roger Welch, Nancy Holt (beide 8 000 USD) und Douglas Davis (4 000 USD).154 Zu den ersten Vollstipendiat*innen in der Kategorie Conceptual/ Performance zählten 1976 ›Fluxus-Veteranen‹ wie Geoffrey Hendricks und Robert Watts oder Mel Ramsden von der Künstlergruppe Art & Language (alle 10 000 USD). Mittlere Beträge erhielten Tina Girouard, Tom Marioni und erneut Chris Burden sowie Sarah Charlesworth und Paul McCarthy (alle 5 000 USD). Auffallend viele der in diesem und im Folgejahr ausgezeichneten Künstler*innen, darunter Tina Girouard, Chris Burden, Ralston Farina und Laurie Anderson sowie ein Großteil der Stipendiat*innen in der Kategorie Video, nahmen 1977 an der documenta 6 teil.155 Douglas Davis und Nam June Paik (mit Charlotte Moorman) gehörten sogar zu den opening acts. 1978 erhielten Bill Beckley, Dan Graham, Hans Haacke und Charlotte Moorman mittlere Stipendien (jeweils 7 500 USD). Mit Cindy Sherman und Robert Longo wurden mit kleineren Beträgen (jeweils 3 000 USD) Vertreter*innen der sogenannten Picture Generation gefördert.156 1979 gingen die Vollstipendien der Kategorie Conceptual/Performance an Terry Allen, Eleanor Antin, Allan Kaprow, Adrian Piper und James Pomeroy (jeweils 10 000 USD). Für Antin und Piper war es das erste NEAStipendium, obwohl beide bereits verhältnismäßig bekannt und etabliert waren. Julia Heyward, Suzanne Lacy und Hannah Wilke sowie erneut Cindy Sherman erhielten kleinere Beträge (jeweils 3 000 USD). Ralston Farina erhielt unter seinem bürger­lichen Namen Robert Snyder ein Vollstipendium (10 000 USD) in der Kategorie Video. 1980 erhielt Laurie Anderson ein Vollstipendium in der Kategorie Conceptual/Per­formance (10 000 USD). Andere Künstler*innen in dieser Kategorie erhielten kleinere Beträge,

153 Vgl. Princenthal 2001, S. 18–19. 154 Jonas schuf in diesem Jahr Twilight und im Jahr darauf Mirage, beide für das Theater des Anthology Film Archive und beide eine Synthese aus Live-Performance, Video und Film. Dazu: Jonas, Joan: Transmission. In: Malloy, Judy (Hrsg.): Women, Art, and Technology. Cambridge: MIT 2003, S. 114–133, hier S. 126. 155 Laurie Anderson und Ralston Farina erhielten 1977 jeweils 7 500 USD. Unter den genannten Videokünstler*innen waren Vito Acconci, Billy Adler, Juan Downey, Terry Fox, Richard Landry, Keith Sonnier und Bill Viola, die 1976 mit jeweils mit 5 000 USD gefördert wurden sowie Nam June Paik, der 1977 10 000 USD erhielt und Beryl Korot, die 1977 mit 7 500 USD gefördert wurde. 156 Beide gründeten 1974 gemeinsam den Alternativen Kunstraum Hallwalls.

NEA-Förderung für Performance und Museen in den 1970er-Jahren

411

darunter Sarah Charlesworth, Ping Chong, Ulysses Jenkins, Les Levine, Tom Marioni, Lil Picard und Bonnie Sherk (jeweils 3 000 USD). Die in­zwischen etablierten Künstler*innen Chris Burden, Joan Jonas sowie Charlemagne Palestine erhielten Vollstipendien in der Kategorie Video (jeweils 10 000 USD).157 Die Anzahl der Bewerber*innen auf individuelle Stipendien des Fellowship Program stieg im Laufe der 1970er-Jahre stetig.158 Die Popularität der Stipendien war nicht allein der Aussicht auf finanzielle Unterstützung geschuldet, sondern auch dem Prestigegewinn, den ein staatliches Stipendium bedeutete. Laurie Anderson, eine der wenigen Performancekünstler*innen, die mehrfach über ihre NEA-Förderung sprach, betont: »It was that somebody said that my work was worth some­ thing.«159 Ähnlich argumentiert die Bildungsforscherin Joan Jefri, die sich auf empirische Studien beruft: [The] recognition factor from grants and awards has an importance independent of the income. […] particularly grants from the NEA, as providing an imprimatur and a recognition that artists value.160 Die große Zahl an Bewerber*innen und das zunehmend heterogene mediale Spek­ trum, in dem sie arbeiteten, führte zu einer Diversifizierung der Förderlinien des NEA und auch zur Einrichtung einer eigenen Förderlinie für Performancekunst. Umgekehrt ist anzunehmen, dass die Einrichtung dieser Förderlinie Mitte der 1970erJahre für einige Künstler*innen ein Impuls war, sich im Medium Performance zu ver­ suchen. Auffällig ist, dass fast alle US-amerikanischen Performancekünstler*innen, die heute zum Kanon der Performancekunst gehören, in den 1970er-Jahren durch das NEA gefördert wurden, zum Teil sogar mehrfach und oft bereits früh in ihrer Kar­ riere. Auch dieser Befund ist zunächst einmal ambivalent zu bewerten. Einerseits mag die Auswahl dieser Künstler*innen für Stipendien von der besonderen Qualität ihrer Arbeit zeugen, andererseits dürfte auch die NEA-Förderung zu ihrem Erfolg beigetragen haben. Insgesamt wurden auffallend viele Performerinnen mit Stipendien ausgezeichnet. So bemerkt auch Nancy Princenthal: »performance in the early and mid-seventies was an area in which the balance of power tipped, for the first time, towards women.«161 Allerdings fällt auf, dass die hoch dotieren Stipendien, auch in der Gruppe der Performancekünstler*innen, insgesamt häufiger an Männer gingen. Dies war nicht das einzige Ungleichgewicht. In der Gesamtschau kamen beispielsweise mehr 157 Der gesetzte Untersuchungszeitraum endet hier. Die individuelle Förderung für Künstler*innen wurde noch weitere fünfzehn Jahre fortgeführt. 158 Von 1 868 Bewerber*innen, 1975, stieg die Zahl der Bewerbungen bis 1980 auf 4 808, 1981 waren es sogar 6 313. Vgl. Princenthal 2001, S. 17. 159 Howell, John/Anderson, Laurie (Hrsg.): Laurie Anderson. New York: Thunder’s Mouth 1992, S. 86. 160 Jeffri, Joan: The Artist in an Integrated Society. In: Benedict 1991, S. 96–117, hier S. 101. Nur 16 Prozent der befragten Künstler*innen hätten allerdings Auskunft zu der Frage nach verschiedenen Förderquellen gegeben. Ebd. 161 Princenthal 2001, S. 17.

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Performance on Display im Kontext US-amerikanischer Kulturpolitik und Kunstförderung

Künstler*innen aus den urbanen Kunstzentren zum Zug, als Künstler*innen aus abgelegeneren Gegenden. Deutlich unterrepräsentiert sind auch artists of color, deren Zahl in manchen Jahren gegen null geht. Diese Ungleichgewichte stehen im Widerspruch zu den Statuten des NEA, wo stets von Inklusion und Gleichberechtigung die Rede ist.162 Ob eine direkte Diskriminierung in den Auswahlprozessen stattfand, oder eher eine Form struktureller Diskriminierung vorliegt, sich also bestimmte Künstler*innen gar nicht erst bewarben oder Künstlerinnen von vornherein niedri­ gere Summen beantragten als ihre männlichen Kollegen, lässt sich anhand des erhaltenen Archivmaterials nicht mehr nachvollziehen.163 Im Vergleich zu Museums- oder Galerieprogrammen der 1970er-Jahre ist die relative Diversität der NEA-geförderten Künstler*innen allerdings durchaus bemerkenswert. Gremienstrukturen, Bewerbungs- und Auswahlprozesse Die erstaunliche Treffsicherheit der Auswahlgremien für später erfolgreiche Künst­ ler*innen, die relative Diversität der Stipendienempfänger*innen und die Tatsache, dass Performancekunst als eine Kunstform außerhalb des Mainstreams überhaupt im nationalen Fördersystem des NEA berücksichtigt wurde, lassen sich aus der besonderen Gremienstruktur erklären, die für die Selektionsprozesse zuständig war. Eine Schlüsselposition besetzten hier die Leiter*innen der medienspezifischen Programme. Im Falle des Visual Arts Program war es Brian O’Doherty, der die Ausrichtung des Programms in den 1970er-Jahren entscheidend prägte. Er stand als Künstler und Theoretiker bereits vor seinem Amtsantritt in engem Kontakt mit der New Yorker Avantgarde, und seine Berufung zum Programmleiter, 1969, war ein klares Signal in diese Richtung.164 Sein Nachfolger, James Melchert (Amtszeit: 1977–1981), war als Bildhauer schon NEA-Stipendiat gewesen und hatte auch in verschiedenen Auswahlgremien mitgearbeitet.165 Den Leitungspositionen waren die sogenannten advisory panels nachgeordnet. Kevin Mulcahy schreibt dazu: Panels have been the administrative bedrock on which the NEA has rested. […] advisory panels were supposed to ensure a high degree of independence from political and bureaucratic interference. Instead of an ›official culture,‹

162 Auch in seiner Außendarstellung bemühte sich das NEA, ein Zeichen für Diversität zu setzen. Ein beliebtes Motiv in den Jahresberichten sind beispielsweise Kinder und Jugendliche mit diversen ethnischen Wurzeln. So ist im Jahres­ bericht von 1969 gegenüber dem einleitenden Grußwort von Chairman Nancy Hanks an den Präsidenten ein schwarzer Junge mit einer Gitarre abgebildet. Annual Report 1969, S. 2–3. 163 Die entsprechenden Akten wurden nach einer Frist von 25 Jahren 2014 vernichtet. Webseite: Smithsonian Online Virtual Archives. National Endowment for the Arts Artists Archive, 1967–1997. https://web.archive.org/web/­ 20201115182406/https://sova.si.edu//record/SAAM.Photo.NEA#Bibliogra (Zugriff 15.11.2020). 164 O’Doherty verkehrte in New York mit Künstlern wie Mark Rothko und Marcel Duchamp. Oral History Interview [08.10.2013]: James McElhinney mit Barbara Novak. Online: https://web.archive.org/web/20201201215246/https:// www.aaa.si.edu/collections/interviews/oral-history-interview-barbara-novak-16149 (Zugriff 01.12.2020). 165 Melchert kam aus San Francisco nach Washington und setzte unter dem neuen Chairman Livingston Biddle zunächst den bereits eingeschlagenen Expansionskurs fort. Angesichts der steigenden Bewerber*innenzahlen in den ausgehenden 1970er Jahren zeichnete er vor allem für eine Neustrukturierung des Auswahlverfahrens verantwortlich. Vgl. Princenthal 2011, S. 130.

NEA-Förderung für Performance und Museen in den 1970er-Jahren

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with a national minister of the arts imposing aesthetic preferences, panels were designed to foster pluralism in grant awards.166 Diese Gremien hatten in erster Linie eine beratende Funktion. Sie konnten beispielsweise die Einrichtung und Ausgestaltung von Förderlinien vorschlagen. Für diese, darunter auch Conceptual/Performance/New Genres, wurden dann weitere Untergremien gebildet, deren etwa fünf bis sieben Mitglieder in der Regel jährlich neu berufen wurden. Dies waren die Jurys, die letzlich über Erfolg oder Misserfolg einer Bewerbung entschieden. Wie wurden diese Gremienmitglieder ausgewählt? James Melchert zufolge war die wichtigste Voraussetzung »aesthetic judgment« und ein »intimate knowledge of the field«.167 Wie später veröffentlichte Aufstellungen der Gremienzusammensetzungen zeigen, wurden diese Qualitäten vor allem Künstler*innen und Museumsleuten zugeschrieben, seltener Kunsthistoriker*innen oder Kunstkritiker*innen. Gremienplätze für Kunstfeldexterne oder Laien waren nicht vorgesehen. Die Idee der Professionalität war also auch hier leitend. Es war zudem gängige Praxis, dass Persön­ lichkeiten berufen wurden, die selbst bereits in der Vergangenheit ein NEA-Stipen­ dium erhalten hatten, das System also bereits von innen kannten. Einige über die Jahre im Gremium Conceptual/Performance/New Genres vertretene Künstler*innen waren 1974 Eleanor Antin und Joseph Kosuth; 1977 Scott Burton, Robert Cumming und Robert Rauschenberg oder 1978 Robert Irwin und Robert Watts. Unter den Kurator*innen waren 1976 Jane Livingston (Corcoran Gallery of Art) und Kynaston McShine (MoMA); 1977 erneut Jane Livingston, Robert Johnson (Fine Arts Museum, San Francisco) und William Lieberman (MoMA) oder 1978 RoseLee Goldberg (The Kitchen). Bekannte avantgardenahe Namen finden sich auch in den Gremien der allgemeinen Kategorie Artists: 1975 Robert Irwin und Robert Morris; 1976 noch einmal Robert Irwin und 1978 Bruce Nauman und Nancy Graves. Unter den Kurator*innen, die in dieser Kategorie aktiv waren, sind 1974 Barbara Haskell (Whitney Museum), Diane Waldman (Guggenheim Museum) und Stephen Prokopoff (MCA Chicago); 1975 Marcia Tucker (Whitney Museum) oder 1977 John Neff (Detroit Institute of Arts).168 Eine zumindest annähernde Geschlechterparität in den Gremien spiegelt den Versuch des NEA wieder, in seiner Personalstruktur eine Vorbildfunktion in Sachen Diversität zu erfüllen.169 Allerdings wird auch hier, wie zuvor bei den Stipendiat*in­ nen deutlich, dass dieses Ideal nicht erreicht wurde. Dasselbe gilt für die stets be­

166 Mulcahy, Kevin V.: The NEA and the Reauthorization Process. Congress and Arts Policy Issues. In: Mulcahy/Wyszomirski 1995, S. 169–188, hier S. 173. 167 James Melchert im NEA Annual Report 1979, S. 241. 168 Diese Namen sind Listen der Gremienmitglieder des Fellowship Program entnommen, veröffentlicht in: Westbrook/ Princenthal/Dowley 2001, S. 134–151. Selbstverständlich waren stets auch weniger avantgardistisch orientierte Gre­ mienmitglieder präsent. 169 Auch wurde versucht, Gremienmitglieder und Künstler*innen aus allen Bundesstaaten zu berücksichtigen und deren Wohn- oder Wirkungsorte in den Jahresberichten transparent zu machen.

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Performance on Display im Kontext US-amerikanischer Kulturpolitik und Kunstförderung

tonte Objektivität und Qualitätsorientierung der Entscheidungsprozesse, denn das beschriebene Vergabeprinzip der Gremienplätze an Expert*innen bedeutete, die im Kunstfeld bereits bestehende Stratifizierung über die Gremien zu reproduzieren und so einmal bestätigte Strömungen weiter zu verstärken. Damit erklärt sich, warum Künstler*innen aus bestimmten Szenen und Kontexten eher erfolgreich waren, als andere. Das im vorangegangenen Kapitel beschriebene gatekeeper-System galt damit auch für den Kontext staatlicher Kunstförderung. Diese kanonbildende Wirkung der NEA-Förderung wirkte sich auf Performance- und Videokunst, als die beiden wichtigsten Avantgarde-Trends der 1970er-Jahre, förderlich aus. Die Bewerbungs- und Auswahlprozesse für Stipendien folgten einem streng regulierten Ablauf. Bewerber*innen mussten zunächst eine Reihe an Materialien und Informationen einreichen. Folgende Aufstellung an Bewerbungsunterlagen gibt Jennifer Dowley für die mittleren 1970er zu Protokoll: basic biographical information, educational background, and brief exhibition histories, all contained on a simple one-page form. The most important part of the application was the slides and these were accompanied by a list giving date, title, medium, and dimensions, as well as a short statement describing the work. Project descriptions were not requested, since the nature of a fellowship was an open-ended investment in an artist’s ongoing creative work.170 Die geforderten Informationen waren knapp zu halten und doch waren Herkunft, Ausbildung und bisherige Erfolge von Bedeutung. Das Bewerbungsraster war dabei auf Einzelkünstler*innen ausgerichtet, Bewerbungen von Kollektiven waren, zumindest im Bereich der bildenden Kunst, nicht vorgesehen. Wie Dowleys Statement andeutet, waren die Lichtbilder die wichtigste Grundlage zur Beurteilung einer Bewerbung. Die Gremienmitglieder unternahmen also keine Atelier- oder Ausstellungsbesuche, um sich Werke im Original anzusehen, sondern trafen ihre Entscheidungen allein auf der Basis von Reproduktionen. Das bedeutet, dass bereits ein sichtbares und – das ist für Performance besonders interessant – reproduzierbares Werk vorliegen musste, um überhaupt für eine Förderung in Frage zu kommen. Das bestehende Werk fungierte als eine Art Rückversicherung, da die geplante Verwendung von Fördergeldern ja nicht offengelegt werden sollte. Dieser Offenheits- und Neutralitätsgrundsatz wurde gegen Ende der 1970er-Jahre schrittweise unterlaufen, als das NEA wegen umstrittener Förderentscheidungen zunehmend unter öffentlichen Beschuss geriet. Stipendienempfänger*innen mussten nun in einem Abschlussbericht Rechenschaft über die Verwendung der Gelder ablegen. Einer Förderzusage an Tom Marioni von 1980 liegt ein Schreiben bei, in dem es heißt: […] the Visual Arts Program requires a one-page statement from you (two copies) at the end of your fellowship period indicating what was accomplished

170 Dowley 2001, S. 131. Ebd. auch weitere Informationen zum Bewerbungsverfahren.

NEA-Förderung für Performance und Museen in den 1970er-Jahren

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with grant funds. The statement should explain if the fellowship was useful to you and if it had an impact on your career. Please be specific. It would be helpful to us to have slides of work undertaken during the course of your fellowship, should they be available. You also may wish to submit catalogues and reviews of recent work. […] Critics fellowship recipients are required to submit copies of research undertaken and/or articles published during the grant period.171 Während die schriftlichen Bewerbungsunterlagen heute verloren sind, wird ein Großteil der Lichtbilder aus den Bewerbungen heute im Archiv des Smithsonian American Art Museum, Washington D.C. aufbewahrt.172 Aus diesem Archiv geht hervor, dass Chris Burdens Bewerbung für das Jahr 1974 eine Reihe fotografischer Einzelbilder verschiedener Performances enthielt. Darunter waren interessanterweise fast alle seine bis dato entstandenen Arbeiten, nicht aber Shoot (1971).173 Joan Jonas reichte 1975 ein undatiertes Video mit dem Titel Disturbances; Glass Puzzle ein. Laurie Anderson bewarb sich 1974 erfolgreich mit Bildern von insgesamt fünf Objekten, also keiner Performance.174 Zwei Jahre später fügte sie ihrer Bewerbung auch Performancenotizen bei sowie Liedtexte, Partituren und Pressebesprechungen ihrer Arbeit bei, doch blieb diese Bewerbung erfolglos. Ein weiteres Jahr später, 1977, reichte sie – für ihre diesmal erfolgreiche Bewerbung – eine halbstündige Tonbandaufzeichnung ein. In jährlich abgehaltenen Konferenzen wurde das gesamte eingereichte Material, tausende Lichtbilder, Videos und Filme, in einem mehrstufigen Verfahren durch die Jurys, deren Mitglieder dafür aus der gesamten Nation persönlich zusammenkommen mussten, gesichtet und diskutiert. Der erste Schritt war die individuelle Sichtung des Bildmaterials. Bei diesem ersten Augenschein konnten bereits einige Posi­ tionen aussortiert werden. Im zweiten Schritt wurden Bilder und Bewerbungsunterlagen noch einmal gemeinsam gesichtet. Erst im dritten Schritt erfolgte eine Beratung der Jury und die Festlegung der endgültigen Auswahl. Der gesamte Auswahlprozess war nicht anonym.175 Die Namen der Bewer­ber*in­nen wurden von vornherein mit den eingereichten Werken genannt. Allerdings ist davon auszugehen,

171 Brief [10.06.1980]: Livingston L. Biddle, Jr. an Tom Marioni. A-BAMPFA, Inv. No. 995.46.12.25.a-d, dazu die Anlage: General Information and Instruction: Fellowships. 172 Webseite: Smithsonian Online Virtual Archives. National Endowment for the Arts Artists Archive, 1967–1997. https:// web.archive.org/web/20201115182406/https://sova.si.edu//record/SAAM.Photo.NEA#Bibliogra (Zugriff 15.11.2020). Mein Dank gilt Alida M. Brady, Photograph Archives Coordinator des Smithsonian American Art Museum, für die Zusammenstellung und Herausgabe der Informationen zu den Bewerbungsunterlagen. 173 Die eingereichten Arbeiten waren: Five Day Locker Piece, I Became a Secret Hippy, Prelude to 220 or 110, You’ll Never See My Face in Kansas City (alle 1971); Bed Piece, Deadman (beide 1972); Fire Roll und Through the Night Softly (beide 1973). 174 Das Unterprogramm Conceptual/Performance/New Genres gab es zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Die Titel der eingereichten Arbeiten waren: Issuing Pressure On from the Mudra Series (1972), Pressing the Issue from the Mudra Series (1972), March 3, 1972 (1972), The Amsterdam News and Wall Street Journal (1972) und March Newspaper (1972). 175 Vgl. Dowley 2001, S. 131.

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Performance on Display im Kontext US-amerikanischer Kulturpolitik und Kunstförderung

dass die Jurymitglieder viele der Bewerber*innen ohnehin kannten. Nachdem die Entscheidungen getroffen waren, wurden Förderempfehlungen an den Aufsichtsrat des NEA weitergereicht, der ihnen in der Regel folgte. Formal erfolgte die Stipendienvergabe schließlich durch den Chairman des NEA. Bezüglich der Form und der Inhalte geförderter Positionen machte das NEA entsprechend seiner Neutralitätsprämisse keine Vorgaben und verwies allein auf »qua­ lity« und »exceptional talent«.176 Dennoch wurde implizit ein durch und durch avantgardistisches Kunstverständnis zugrunde gelegt, das Neuheit und Innovation handwerklicher oder gestalterischer Perfektion vorzog. Gegen Ende der 1970er-Jahre, als mit den sprunghaft anwachsenden Bewerbungszahlen auch die Zahl der Absagen anstieg und den Rechtfertigungsdruck auf die Behörde gegenüber den (am System gescheiterten) Künstler*innen erhöhte, legte James Melchert diese Priorisierung folgendermaßen offen: The first, and numerically smallest group, is the investigators. These are the people involved in radical research into the nature of art. (…) These people are so in advance of what is usually labeled new (not to be confused with modish or even avant-garde) that they may be totally unknown. To me, these are potentially the most important group, and I am tremendously interested in them. A second group to which we pay close attention might be termed the innovators. These artists are not experimenting radically with the nature of art itself so much as taking a familiar form and re-examining it in a highly individual way. (…) The third group of applicants, and the largest, are the followers. They are usually competent artists working with a tradition whether classical, impressionist, neo-constructivist, or what have you, but without submitting it to any radical revisions. (…) the fourth and final group are those concerned with preserving our artistic heritage [design and craft].177 Wie im letzten Kapitel beschrieben, waren Innovation und Pioniergeist Eigenschaften, mit denen sich die Performance-Avantgarde der 1970er-Jahre besonders identifizierte. Ihre Kunst kann geradezu als die Essenz einer, wie Melchert es nannte, ›radikalen Untersuchung des Wesens der Kunst‹ gelten. Der Erfolg von Perfor­mance­ künstler*innen im System des NEA überrascht insofern kaum. Das NEA wurde nicht müde zu betonen, keinen direkten Einfluss auf die Kunstproduktion nehmen zu wollen. Und doch sind die Auswirkungen der erläuterten Förderstrukturen auf das gesamte Kunstfeld, einschließlich die Form und den Inhalt der Kunst, nicht zu unterschätzen. Diese Auswirkungen sind hochgradig ambivalent. Das NEA erscheint zum einen als treibende Kraft, die künstlerische Innovationen, darunter auch Performance, aktiv förderte, zum anderen als institutionelle Struktur,

176 NEA Annual Report 1973, S. 22–23. Hier zeichnet sich eine Parallele zur modernistischen Fortschritts- und Qualitätsrhetorik ab, wie sie das MoMA pflegte. 177 James Melchert in Anlehnung an eine Aussage Robert Irwins im NEA Annual Report 1979, S. 241–242.

NEA-Förderung für Performance und Museen in den 1970er-Jahren

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die stark konsolidierend und kanonbildend wirkte. Bruce Nauman, der in einem Interview von seiner Erfahrung als Jurymitglied berichtet – er war 1978 Juror in der Kategorie Artists178 –, bescheinigt dem Fördersystem des NEA eine nivellierende Wirkung, die der von Melchert geäußerten Absicht, Innovationen zu fördern, diametral entgegensteht: I think the saddest thing was that all the artists were trying to look like they had just come out of an art magazine. It was almost as if they were thinking that if we make it look this way it will be acceptable. The edges had been taken off (…) no one was willing to make a mistake.179 Nauman zufolge geschah hier eine Angleichung künstlerischer Positionen untereinander, ein Effekt, der auf den systeminhärenten Erfolgsdruck und eine zunehmende Konkurrenz unter Künstler*innen in dieser Zeit zurückzuführen ist. Einen weiteren Angleichungseffekt, diesmal zwischen Fördernden und Geförderten, beobachtet Martha Rosler: The parts of the system adjust to one another: artists learn the language of the accountants, and their thinking becomes more like accountants’ (or sales-­ persons’) thinking. Art institutions and art makers adapt their offerings to the tastes of grant givers (that is, to the current ideological demands of the system).180 Wie Rosler impliziert, ist dieser Prozess nicht zwangsläufig rational oder intentional gesteuert, sondern ein strukturelles Phänomen. Ein konkretes Beispiel hierfür wären die festgeschriebenen Antragsformalitäten und die Ende der 1970er-Jahre eingeführte Selbstevaluation, über die das Fördersystem des NEA die Bewerber*innen zwang, von vornherein bestimmte administrative Kriterien zu erfüllen. Brian Wallis stellt in diesem Zusammenhang fest: Through the granting process, they [artists] were encouraged to give institutionally acceptable shape to their practices through the conventional managerial means of planning, performance, and accountability.181 Performance wurde immer wieder ein zwiespältiges Verhältnis zu ihrer Dokumentation nachgesagt. Im Zusammenhang mit den beschriebenen Auswahlprozessen wird deutlich, dass das Fördersystem des NEA – und ebenso weitere, nach ähnlichen Prinzipien organisierte Fördersysteme – starke Anreize zur Werkdokumentation und zur künstlerischen Selbsthistorisierung setzten. Für den Bewerbungsprozess spielte es keine Rolle, ob ein Werk gegenständlich oder ephemer war. Ausnahmslos alle 178 S. Westbrook/Princenthal/Dowley 2001, S. 139. 179 Nauman im Zusammenhang mit seinem eigenen Einsatz als Jurymitglied, 1979, in: Wallace, Ian/Keziere, Russell: Bruce Nauman Interviewed, 1979 (October 1978). In: Nauman/Kraynak 2005, S. 185. 180 Rosler 1998, S. 100. 181 Wallis 2009, S. 174.

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Performance on Display im Kontext US-amerikanischer Kulturpolitik und Kunstförderung

Werke mussten in dokumentierter Form eingereicht werden. Um Fördergelder erhalten zu können, was für Performancekünstler*innen, die keine verkäuflichen Objekte herstellten, überlebensnotwendig sein konnte, war also eine positive oder zumindest neutrale Einstellung gegenüber der Dokumentation des eigenen Werks gefordert. Möglicherweise bevorzugte das bildgestützte Auswahlsystem sogar solche Positionen, die sich über visuelle Dokumentation besonders eindrücklich vermitteln ließen. Für diese These spräche der Erfolg von Chris Burden oder auch Laurie Anderson, Joan Jonas und Carolee Schneemann, die dokumentarische Medien und Praktiken zum integralen Bestandteil ihrer Werke machten. Im Bereich Tanz setzte das NEA mit eigenständigen Förderlinien sogar ganz gezielte Anreize zur Dokumentation und Konservierung.182 Die Unterstützung des NEA dürfte hier wesentlich dafür verantwortlich gewesen sein, dass sich von Tänzer*innen wie Merce Cunningham oder den Judson Dance-Künstler*innen hochwertiges Dokumentationsmaterial erhalten hat.183 Aus der Übersicht der geförderten Positionen lässt sich eine (implizite) ästhetische Präferenz staatlicher Förderung (sowie der dafür verantwortlichen Gremien) in den 1970er-Jahren ablesen. Joan Jonas war mit insgesamt sechs NEA-Stipendien die am häufigsten individuell geförderte Künstlerin im Visual Arts Program aller Zeiten. Auch Laurie Anderson war mit drei individuellen und weiteren indirekten Stipen­ dien besonders erfolgreich.184 Verbindende Elemente der Werke beider Künstlerinnen sind ihre mediale Hybridität (beide bewegten sich zwischen Theater, Tanz, Skulptur, Film und Video), ihre Selbstreferenzialität und ihr experimenteller Charakter, besonders im Bereich neuer Technologien.185 Beide betonen das Moment künstlerischer Forschung, während Inhalt und Referenzialität – vor allem bei Jonas – in den Hintergrund treten. Ähnliches kann auch für Naumans ›Gehversuche‹ geltend gemacht werden, für Ralston Farinas Investigationen zum Thema Zeit oder Chris Burdens Frage nach dem Körper als Kunstwerk. Damit zeigt sich, dass in der US182 Ab 1974 wurden in der Förderlinie Dance Film (ab 1975 Dance/Film/Video) Mittel für »projects that capture dance on film or videotape for the purpose of recording, documenting and preserving dance performances« bereitgestellt. NEA Annual Report 1975, S. 21. Erneut gehörte Merce Cunningham zu den regelmäßig Geförderten in dieser Kategorie. Seine Kooperationen mit Charles Atlas – gemeinsam entwickelten beide ein besonderes Verfahren zur Aufzeichnung von Tanz – wurden mehrfach durch das NEA unterstützt. Zu dieser Kooperation: Becker, Nancy F.: Filming Cunningham Dance. A Conversation with Charles Atlas. In: Dance Theatre Journal, 1. Jg. 1983, H. 1, S. 22–24. 183 Die New York Public Library, die seit 1944 das nach eigenen Angaben weltgrößte Archiv für US-amerikanischen Tanz aufgebaut hat, gehörte zu den regelmäßigen Förderempfänger*innen des NEA. Sie erhielt im Untersuchungszeitraum mehrfach Förderungen zwischen 60 000 und über 100 000 USD in der Kategorie Dance/Film/Video. Ein Höhepunkt ist das Jahr 1978 mit 65 000 USD »[f]or continued support of the film services program in the dance collection«; 33 000 USD »[f]or continued support of the efforts to create a body of masterworks on film« und 38 000 USD »[f]or the filming of a work by Merce Cunningham.« NEA Annual Report 1978, S. 78. 1979 erhielt sie 63 580 USD »[f]or film services, including the recording of works by established choreographers, acquiring rare footage, and continuing the evening film series.« NEA Annual Report 1979, S. 25. 184 Anderson erinnert sich: »I’ve gotten so many NEA grants—several individual ones and a bunch that were hidden, you know, you go to a university or a theater and it’s sponsored by the National Endowment in some way.« Howell, John/ Anderson, Laurie: Laurie Anderson. New York 1992. S. 34–35 185 Joan Jonas betont in einem Videointerview des MoMA über die Arbeiten Twilight (1965) und Mirage (1967–): »They are not a narrative, there is no story, so they are more abstract. They are about light and dark and the idea of opposites – black and white.« Video: Joan Jonas Discusses Mirage. Museum of Modern Art. 2010. Farbe, Ton, 01:52 Min. Online: https://web.archive.org/web/20210210191500/https://youtu.be/yiYsGBMHNqI (Zugriff: 10.02.2021).

NEA-Förderung für Performance und Museen in den 1970er-Jahren

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amerikanischen Konzept- und Performancekunst der 1970er-Jahre das Ideal neutraler Innovation (oder kritisch: einer aesthetic of indifference) wirksam blieb, das mit Moira Roth ein Effekt der Kulturpolitik des Kalten Kriegs war.186 RoseLee Goldbergs Aussage, dass ein verbindendes Element früher Performancekunst ein »apparent lack of meaning« gewesen sei, gewinnt vor dem Hintergrund ihres Erfolgs im staatlichen Fördersystem des NEA eine politische Konnotation.187 Zugleich lässt sich dieses Fehlen einer Bedeutungsebene als Bestätigung für Lucy Lippards These eines »state/ corporate cooling-out process« durch staatliche Kunstförderung lesen.188 Da im Falle des NEA Vertre­ter*innen des Kunstfeldes selbst für die Setzung ästhetischer Standards verantwortlich waren, wird ersichtlich, dass auch dieser Prozess, den Lippard allein dem Staat und der Wirtschaft anlastet, ein höchst ambivalentes Phänomen war.189 Zwischenfazit zur Künstler*innenförderung Je nach Blickwinkel erscheint Performance als eine Priorität oder als Trittbrettfahrerin weiterreichender Entwicklungen. Für die ›Prioritäts-These‹ spricht, dass Künst­ ler*innen wie Joan Jonas oder Merce Cunningham besonders intensiv gefördert wurden. Auch die intensive Förderung der darstellenden Künste, die in diesem Kapitel nicht im Vordergrund stand, spricht dafür. Hier zeigt ein Seitenblick auf das Layout der Jahresberichte des NEA, dass Bilder von Tänzerinnen und Tänzern zur bevorzugten visuellen Repräsentation der Behörde zählten.190 Live-Künsten ist ein kommunikatives und demokratisches (im Sinne von Teilhabe) Moment zu eigen, das die vom NEA formulierten pädagogischen Ansprüche an die Künste in besonderer Weise einzulösen versprach. Performancekunst im Speziellen verkörperte als betont avantgardistisches und intermediales Experimentierfeld zudem geschätzte Werte wie künstlerische Freiheit, Kreativität und Innovation. Allerdings förderte das NEA proportional weitaus mehr Künstler*innen, die in traditionellen Medien arbeiteten. Auch konnte nur ein sehr kleiner, exklusiver Kreis an Performancekünstler*innen das System des NEA erfolgreich durchlaufen und direkt davon profitieren. Diejenigen, die am System scheiterten oder nicht daran teilnehmen wollten, bleiben in den Jahresberichten unsichtbar. Mit etwa zwanzig Stipendien pro Jahr in der Kategorie Performance kann letztlich auch nicht von einer flächendeckenden Finanzierung der Szene die Rede sein. Es wäre also verfehlt, Performance als hochsubventioniert oder gar staatlich instrumentalisiert zu bezeichnen. Performance muss vielmehr weiterhin als Teil einer alternativen Szene gelten,

186 Roth 1990. 187 Goldberg 1979, S. 83. 188 Lippard [Wolf Ticket] 1984, S. 312.

189 Im Bereich Kunstkritik war Lucy Lippard 1975 selbst für das NEA als Jurorin tätig. NEA Annual Report 1975, S. 109. 190 Das Bild einer Szene aus Alwin Nicholais Stück Imago findet sich auf dem Rückcover des Berichts von 1969. Die Deckblätter der Jahresberichte von 1970 und 1974 zeigen Tänzer*innen. Im Jahresbericht von 1973 wird der Abschnitt zu Expansion Arts durch eine Fotografie von Trisha Browns Roof Piece (1971) eingeleitet.

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Performance on Display im Kontext US-amerikanischer Kulturpolitik und Kunstförderung

die auf unterschiedlich direkten Wegen von öffentlichen Geldern profitierte. Damit ist von einem Trickle-down-Effekt auszugehen: Je mehr Geld und Aufmerksamkeit für Kultur insgesamt zur Verfügung stand und in kunstbezogene Infrastrukturen floss, von Kunstschulen über alternative Kunsträume bis zu großen Museen, desto mehr kam auch die freie oder alternative Szene in Gang – sei es im Bestreben, sich in diese institutionellen Strukturen ›vorzuarbeiten‹, sei es in Abgrenzung zu ihnen. Retrospektiv scheint es, als habe das System der Kunstförderung, wie es das NEA etablierte, das Leben von Künstler*innen eher mehr als weniger prekär gemacht. Die Künstlerin Babette Mangolte beschrieb zum Beispiel das ›Hangeln‹ von einem Stipendium zum nächsten als zermürbend und frustrierend.191 Die Projektförmigkeit, die künstlerischer Arbeit schon immer inhärent war, erhielt mit solchen – heute selbstverständlich gewordenen – Förderstrukturen eine neue, ökonomisch konno­ tierte und formalisierte Qualität. Auch hat das NEA sehr wahrscheinlich zu einem zunehmend kompetitiven Klima unter Kunstproduzent*innen beigetragen. Während im Verlauf der 1970er-Jahre immer mehr Künstler*innen auf den Markt strömten, seinerseits ein Effekt staatlicher Kunstförderung, stand das Wachstum der Förder­ kapazitäten dazu in keinem Verhältnis. Schlussendlich waren es aber nicht die explodierenden Bewerber*innenzahlen, die die Stipendienprogramme zu Fall brachten, sondern einige wenige Skandale, wie der um die NEA Four.192 Trotz der Auslagerung inhaltlicher Entscheidungen und der gestaffelten Hier­ archieebenen stellte die schlichte Tatsache öffentlicher Förderung die geförderten Künstler*innen unweigerlich in ein diffuses Auftragsverhältnis zum Staat und zur Öffentlichkeit. Das hatte unter anderem zur Folge, dass sich ›die Steuerzahler*innen‹ in Debatten über die Qualität von Kunstwerken einzumischen begannen. Zugleich änderten sich im Laufe der 1970er-Jahre die politischen Vorzeichen unter denen Kunstförderung betrieben wurde. So betont Donna Binkiewicz: »The ideal of a federalized muse had been conceived during a specific historical period and by the 1980s no longer held sway over the political leadership in the United States.«193 Tatsächlich wandelten sich aber nicht nur die politischen Rahmenbedingungen. Die künstlerische Produktion um 1990 unterschied sich deutlich von derjenigen der Generation des goldenen Zeitalters. Die konzeptuellen und puristisch-modernis­ tischen Ansätze wichen insbesondere im Bereich Performance zunehmend dem visuellen Vokabular der Postmoderne, des Postpunk, offensiver Queerness und einer sexualisierten Körperlichkeit. Exemplarisch zeigen lässt sich das an einer Gegenüber-

191 Babette Mangolte in einem Impulsvortrag auf der Konferenz Inventur 2, Tanzhaus NRW, Düsseldorf, 01.–03.06.2017. Die These vom NEA als finanziellem Schutzraum ist damit zumindest ambivalent zu bewerten. 192 Um weitere Skandale zu vermeiden, wurde zunächst gefordert, dass Bewerber*innen eine Art Eid darüber ablegen sollten, dass sie die Grenzen des guten Geschmacks einhalten würden, was wiederum als Beschneidung künstlerischer Freiheit interpretiert wurde. Künstler*innen, die vor Gericht zogen, um eine Förderung einzuklagen, erhielten mehrfach Recht. Wahrscheinlich wurde das Stipendienprogramm nicht zuletzt deshalb eingestellt, da die Gerichtskosten und der administrative Aufwand ein zu hoher Preis dafür waren. Individuelle Künstler*innenstipendien sind heute nur noch im Bereich Literatur üblich. 193 Binkiewicz 2004, S. 222.

NEA-Förderung für Performance und Museen in den 1970er-Jahren

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stellung von Joan Jonas’ Performance Mirror Check (1970), einer intimen und poetisch anmutenden Erforschung des eigenen Körpers mit einem kleinen Handspiegel, und Performances von Karen Finley, wie The Constant State of Desire oder We Keep Our Victims Ready (1990), während denen Finley ihre düstere Prosa vortrug und diese in einer aggressiven und körperlichen Bildsprache ausagierte. Die schonungslose Drastik, mit der Finley extreme Themen wie Vergewaltigung, Inzest, Abtreibung oder die AIDS-Epidemie vor Augen führte, provozierte und polarisierte in bislang ungekannter Weise.194 Innerhalb des Kunstfeldes und damit auch innerhalb der Entscheidungsstruk­ turen des NEA stießen auch diese neuen Positionen auf Akzeptanz und erhielten weiterhin Förderempfehlungen. Keine Akzeptanz gab es aber seitens der konserva­ tiven Gegner staatlicher Kunstförderung, die nun eine breite Öffentlichkeit gegen das NEA mobilisieren konnten. Wie Hilton Kramer in seinem reaktionären und doch aufschlussreichen Essay Is Art Above the Law of Decency? andeutet, war das NEA und letztlich auch die Kunst an dem ambitionierten Ziel gescheitert, die breite Öffentlichkeit in die Entwicklungen der Kunst einzubeziehen.195 Ob der einleitend erwähnte ›Entzug‹ staatlicher Gelder ab den mittleren 1980erJahren tatsächlich, wie Aronson argumentierte, eine zersetzende Wirkung auf die US-amerikanische Performanceszene hatte, ist schwer zu beweisen. Nachvollziehbar scheint, dass Performance zumindest vorübergehend an öffentlicher Sichtbarkeit und Anerkennung verlor. Jennifer Dowley betont als ehemalige Mitarbeiterin des NEA diesen Effekt als besonders dramatischen. Die Abschaffung der Individualstipendien habe sich negativ auf die Moral junger Künstler*innen ausgewirkt und es für viele von ihnen sogar unmöglich gemacht, weiterhin Kunst abseits des Marktes herzustellen, sodass letztlich auch Museen und Institutionen nun weniger innovative Werke für ihre Ausstellungen zur Verfügung gestanden hätten.196 Förderung für Museen: Verlebendigung im Namen von Bildung und Demokratie Die Förderung von (Kunst-)Museen gehörte von Anfang an zu den obersten Priori­ täten des NEA. Man könnte sogar sagen, beide unterhielten – und unterhalten bis heute – eine symbiotische Beziehung. Die Gründe dafür sind vielfältig. Aus der kulturpolitischen Perspektive des NEA können Museen als »Symbol der Demokratie« die Fortschrittlichkeit US-amerikanischer Kultur weithin sichtbar (re-)präsentieren.197 Wenn es das Ziel der Kunstförderung ist, kulturelles Erbe hervorzubringen, ist es die Aufgaben der Museen, dieses zu bewahren und allen Bürger*innen zugänglich zu machen. Museen sind aber auch für die Legitimierung des NEA als Institution 194 Zu diesen beiden Arbeiten s. Neely, Kent: Review. We Keep Our Victims Ready by Karen Finley; Border Brujo by Guillermo Gómez-Peña; Everything That Rises Must Converge by John Jesurun. In: Theatre Journal, 42. Jg. 1990, H. 4, S. 494–497, hier S. 495 und Finley, Karen: The Constant State of Desire. The Drama Review, 32. Jg. 1988, H. 1, S. 139–151. 195 Kramer 1992, S. 229–235. 196 Dowley 2001, S. 132. 197 Wendung übernommen von: Einreinhofer 1997.

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Performance on Display im Kontext US-amerikanischer Kulturpolitik und Kunstförderung

entscheidend, denn ihre Vorstände, die directors und trustees, sind einflussreiche Persönlichkeiten, deren Fürsprache für die Behörde von existenzieller Bedeutung ist. Museen haben ihrerseits ein nachvollziehbares Interesse an den finanziellen Zuwendungen und der Legitimierung durch das NEA. Die American Association of Museums (AAM, heute: American Alliance of Museums), der mächtigste Museumsverband in den Vereinigten Staaten, erhebt sogar ausdrücklich den Anspruch auf Förderung durch die öffentliche Hand. Dieser Anspruch leitet sich, wie bereits erwähnt, aus der Übernahme öffentlicher Aufgaben ab, insbesondere im Bereich der Bildung. An dieser Stelle ist noch einmal zu betonen, dass Museen in den USA keine staatlichen, sondern private Einrichtungen sind, die sich als gemeinnützige Institutionen in den Dienst der Öffentlichkeit stellen. Anders als beispielsweise in Deutschland, wo viele Museen jährliche Festbeträge aus öffentlichen Kulturbudgets erhalten, gab es solche Subventionen in den USA nie. Auch nach der Etablierung der Förderung durch das NEA mussten sich Museen dort jährlich und projektweise bewerben. Seitens des NEA wurde stets betont, das private Finanzierungssystem der Museen um keinen Preis antasten zu wollen. Deshalb erfolgte die Förderung von Museen ausschließlich in Form von matching grants, das heißt, Museen mussten mindestens die Hälfte der für ein Projekt benötigten Summe anderweitig einwerben. In den ersten etwa fünf Jahren förderte das NEA ausschließlich Kunstmuseen über das Visual Arts Program. 1971 wurde dann ein eigenes Museum Program eingerichtet, das zumindest nominell sämtliche Museumstypen unterstützte. Das Budget dieses Programms war im Gesamtvergleich aller NEA-Programme immer eines der finanzstärksten (s. Tab. 2, S. 398). Eine Zusammenschau der Unterprogramme gibt einen kompakten Einblick in die Breite der verfügbaren Förderung. Die Unterprogramme waren: Aid to Special Exhibitons (für Ausstellungsproduktionen oder Übernahmen); Conservation; Museum Purchase Plan (zur Unterstützung für Ankäufe von Kunstwerken lebender Künstler*innen); Museum Training (für die Ausbildung von Personal, bevorzugt in Zusammenarbeit mit Universitäten); Visiting Specialists (für externe Beratung); Wider Availability of Museums (für pädagogische Programme und outreach-Maßnahmen) und Special Projects (für Projekte, die nicht in die anderen Förderlinien passten).198 Zu den etwas später eingeführten Kategorien gehörten: Catalogues (für Sammlungskataloge); Cooperative Programs (für Kooperationen zwischen Institutionen); Renovation (mit Schwerpunkt auf Klimatechnik und Sicherheit); Fellowships for Museum Professionals (Beurlaubung von Museumspersonal für Recherchen oder Publikationen); Utilization of Museum Collections (für Neupräsentationen von Sammlungsausstellungen und die Einrichtung von Studiensammlungen); Museum Education und Service to the Field (für wissenschaftliche Publikationen, Workshops oder Fortbildungsangebote).199 NEAFörderung deckte folglich alle musealen Aufgabenbereiche ab, vom Sammeln über 198 Vgl. NEA Annual Report 1971, S. 47. 199 Vgl. NEA Annual Report 1976, S. 67–68.

NEA-Förderung für Performance und Museen in den 1970er-Jahren

423

das Bewahren bis zum Ausstellen und Vermitteln. Die Übersicht der Budgetallokation auf diese Unterprogramme zeigt eine deutliche Priorisierung des Unterprogramms Aid to Special Exhibitons (Tab. 5).200 Für den Ausstellungsbereich, der im Folgenden im Vordergrund stehen wird, wie auch für alle weiteren Unterprogramme des Museum Program ist anzunehmen, dass die Selektionsprozesse im Wesentlichen strukturanalog zu denjenigen im Visual Arts Program abliefen. So dürfte etwa die Zusammensetzung der Auswahlgremien ähnlich zustande gekommen sein. Allerdings galt die Prämisse projektungebundener Förderung hier nur bedingt, da Bewerbungen für Ausstellungen und andere Vor­ haben zwangsläufig projektbezogen waren. Darin und im genannten matchinggrant-Verfahren lag auch der Grund für den etwas höheren buchhalterischen Aufwand einer Bewerbung. Als Beispiel kann hier der Förderantrag des MCA Chicago für die Ausstellung Bodyworks, 1975, dienen.201 Es handelt sich dabei um einen vierseitigen Vordruck, auf dessen ersten Seite eine kurze Projektbeschreibung (maximal eine Viertelseite), eine Übersicht der erwarteten Einnahmen und Ausgaben sowie die benötigte Fördersumme angegeben werden mussten. Auf den folgenden drei Seiten waren dann einzelne Posten, wie Honorare, Öffentlichkeitsarbeit, Ausstellungskatalog oder Reisekosten weiter aufzuschlüsseln. Insgesamt scheint die Antragstellung aber, wie zuvor bei den Individualstipendien, verhältnismäßig unbürokratisch gewesen zu sein. Da selbst bei einer Einschränkung auf den Ausstellungssektor das Spektrum der Förderungen immernoch extrem breit ist, ist eine individuelle Aufstellung, wie sie für die Künstler*innenförderung vorgenommen wurde, hier nicht sinnvoll. Stattdessen soll nun der bereits andernorts beschriebene Strukturwandel von Museen und ihrer Ausstellungsprogramme in den 1970er-Jahren aufgegriffen und in einen Zusammenhang mit der Förderpolitik des NEA gestellt werden. Anschließend werden einige exemplarische Förderepisoden zur Sprache kommen. Mit der zunehmenden Verfügbarkeit öffentlicher Gelder für Museen ab den ausgehenden 1960er-Jahren geriet die gesamte US-amerikanische Museumslandschaft in Bewegung. Im Namen von Demokratie und Bildung entfaltete sich eine neue Dynamik und Lebendigkeit, die alle musealen Aufgabenbereiche ergriff. Nach außen wurde dieser Wandel vor allem in einer veränderten Programmgestaltung sichtbar. Schlaglichtartig seien noch einmal einige Beispiele genannt: Das Whitney Museum gründete mit dem Bezug seines Neubaus, 1966, eine Abteilung für Bildung und Vermittlung und bald darauf sein bis heute bestehendes Independent Study Program.202 1968 folgten Experimente mit Abendöffnungszeiten und die sogenannten Tuesday Nights, in deren Rahmen die Musik- und Tanzveranstaltungen der Composers’ 200 1972 nahm dieses Unterprogramm rund ein Viertel des Gesamtbudgets (4 149 325 USD) des Museum Program in Anspruch. NEA Annual Report 1972, S. 73. 201 Förderantrag: MCA Chicago an NEA. A-MCA E, 1975, Bodyworks. 202 Dazu: Whitney Museum of American Art (Hrsg.): Independent Study Program. 40 Years. Whitney Museum of American Art 1968–2008. New York 2008.

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Performance on Display im Kontext US-amerikanischer Kulturpolitik und Kunstförderung

Tab. 5  Ausgeschüttete Summen der Unterprogramme des Museum Program, 1971–1980. Datenquelle: NEA Annual Reports, 1971–1980.

NEA-Förderung für Performance und Museen in den 1970er-Jahren

425

Gesamt

926.957 USD

4.149.273 USD

481.391 USD

181.757 USD

Wider Availability of Museums

4.615.041 USD

702.262 USD

9.050.907 USD

758.801 USD

150.629 USD

181.790 USD

98.250 USD

Visiting Specialists Program

91.593 USD

699.726 USD

697.700 USD

548.061 USD

Utilization of Museum Collections

1.534.378 USD

290.144 USD

30.932 USD

66.221 USD

724.012 USD

173.569 USD

Services to the Field

125.080 USD

Special Projects 11.000 USD

648.440 USD

Renovation (Climate ­Control, Security, Storage)

118.745 USD

10.836.336 USD

563.677 USD

109.598 USD

816.127 USD

295.524 USD

3.201.368 USD

470.832 USD

655.000 USD

10.785.767 USD

1.589.888 USD

131.213 USD

1.497.655 USD

150.220 USD

2.775.808 USD

320.880 USD

550.000 USD

8.779.842 USD

107.076 USD

133.390 USD

559.483 USD

253.990 USD

1.263.960 USD

596.190 USD

98.000 USD

835.000 USD

Museum Training

405.000 USD

388.890 USD

620.000 USD

500.000 USD

337.600 USD

90.000 USD

224.065 USD

137.741 USD

Museum Purchase Plan

60.887 USD

146.686 USD

71.370 USD

23.370 USD

107.493 USD

Museum Education

General Programs

140.627 USD

1.217.330 USD

114.780 USD

163.150 USD

344.125 USD

781.990 USD

2.477.793 USD

  1977

Fellowship for Museum Professionals

1.515.291 USD

813.763 USD

2.136.874 USD

   1976

193.600 USD

784.360 USD

574.343 USD

2.263.603 USD

  1975

Cooperative Programs

443.291 USD

3.328.568 USD

818.387 USD

100.300 USD

806.327 USD

  1974

Conservation

939.325 USD

  1973

435.962 USD

347.650 USD

 1972

Catalogue

Aid to Special Exhibitions

 1971

10.346.826 USD

198.830 USD

537.740 USD

276.150 USD

434.100 USD

600.410 USD

690.000 USD

816.030 USD

308.786 USD

83.500 USD

708.960 USD

1.371.580 USD

1.027.310 USD

3.293.430 USD

  1978

10.973.582 USD

181.600 USD

1.006.380 USD

194.470 USD

538.400 USD

588.070 USD

830.000 USD

1.034.290 USD

269.000 USD

75.440 USD

756.720 USD

1.277.190 USD

1.197.670 USD

3.024.352 USD

  1979

9.843.967 USD

445.000 USD

98.600 USD

1.017.330 USD

281.081 USD

90.050 USD

504.830 USD

303.790 USD

123.850 USD

527.400 USD

1.274.720 USD

1.261.510 USD

3.915.806 USD

 1980

Showcase-Reihe stattfanden. Die Vermittlungsabteilung eröffnete 1973 mit dem Downtown Branch eine Außenstelle in Lower Manhattan, wo kostenlose Veranstaltungen, überwiegend Performances, angeboten wurden.203 Das MoMA unternahm 1968 eine outreach-Initiative in Harlem.204 1970 organisierte das Museum mit Information seine erste große Konzeptkunst-Ausstellung und ließ dort sowie ein Jahr darauf mit der Ausstellung The Artist as Adversary, deren Thema Protestkunst war, erstmals einen institutionell-selbstreflexiven Zug erkennen. 1971 wurde die Kabinett-Ausstellungsreihe Projects initiiert, in deren Kontext Nachwuchs-Kurator*innen junge, aufstrebende Künstler*innen präsentierten.205 Die Reihe umfasste keine LivePerformances, aber konzeptuelle Installationen und parti­zipative Projekte. Ebenfalls Reihe sein erstes verstetigtes 1971 initiierte das Museum mit der Summergarden-­ Live-Programm, mit einem Schwerpunkt auf Musik und Tanz. Die im Kapitel zu Tanz im Museum behandelte Erweiterung des Walker Art Center 1969–71 und die Gründung einer Abteilung für darstellende Künste ebendort fielen ebenfalls in diesen Zeitraum. Das MCA Chicago wurde 1967 gegründet und setzte von Anfang an auf ein vielfältiges und experimentelles Programm mit zahlreichen Live-Veranstaltungen und eine eigenständige Vermittlungsabteilung. Die auffallende zeitliche Kongruenz dieser Initiativen ist kein Zufall. Sie verdankt sich einem Paradigmenwechsel, der durch eine grundlegende kulturpolitische Neubewertung der Rolle von Museen im Staat angestoßen worden war. Diese Neubewertung erhielt mit der Gründung des NEA den entscheidenden Auftrieb. Sie manifestierte sich schließlich in einem 1969 veröffentlichten Dossier mit dem Titel America’s Museums: The Belmont Report, die Grundlage für das 1971 eingerichteten Museum Program.206 Die AAM trug in diesem Bericht, im Auftrag von Präsident Lyndon B. Johnson und des Federal Council on the Arts and the Humanities, Argumente und empirische Belege für die Notwendigkeit staatlicher Unterstützung für Museen zusammen. Der NEA-Jahresbericht von 1971 fasst diese folgendermaßen zusammen: Record attendances, coupled with sharply increased expenses, caused cutbacks in exhibitions and services as pressures mounted for a wider availability of what museums have to offer. Attendance records -- an estimated 600 million in 1970 -- added to the expenses of museums, while supportive funds were unable to keep pace with the demand. […] [O]ther matters are equally press­ ing. Museums are making substantive appraisals of their functions and directions. Traditionally, museums have existed to accumulate valuable objects and to preserve them, to present exhibitions in a scholarly and attractive manner, 203 Verantwortlich für das Programm war der Leiter des Education Department, David Hupert. Akten zum Downtown Branch: A-WHIT, Series 5, Downtown Branch Performances 1976–82. 204 Der Harlem Children’s Carnival ging auf ältere Initiativen des Museumspädagogen Victor D’Amico zurück, der das Museum 1970 verließ. S. Newsom/Silver 1978, S. 59 ff. 205 Hinweise zu diesen Projekten auf S. 66. Die Projects-Reihe präsentierte keine Live-Performances, aber mitunter partizipative Arbeiten, wie Andersons Installation Handphone Table (1978). 206 American Association of Museums: America’s Museums. The Belmont Report. Washington, D.C. 1969.

426

Performance on Display im Kontext US-amerikanischer Kulturpolitik und Kunstförderung

and to educate the public through programs of various kinds. Today, it is apparent that the museum’s role is expanding. Museums, increasingly sensitive to the needs of their communities, are trying to initiate programs that reach out into those segments of the population which rarely visit museums.207 Wie Schulen oder Bibliotheken galten Museen nun als Institutionen, die gemeinnüt­ zige Bildungsaufgaben übernehmen, was sie nominell für öffentliche Förderung quali­ fizierte. This formal governmental recognition of museums as educational institutions became a catalyst for innovation in museum interpretation and educational programming, supported by federal education funding and funding from the National Endowments for Arts and Humanities.208 Das bedeutete allerdings keine staatliche Carte blanche. Im Gegenteil, Museen wurde die Einführung und Einhaltung quantifizierbarer Qualitätsstandards abverlangt.209 In enger Zusammenarbeit mit dem NEA erarbeitete der Museumsverband entsprechende Leitlinien und ein Akkreditierungssystem, das alle Museen, sofern sie staat­ liche Förderung erhalten wollten, durchlaufen mussten. Mary und Edward Alexander beschreiben den Prozess in ihrem Buch Museums in Motion wie folgt: The accreditation process begins with an individual museum conducting a rig­ orous self-examination of its administration, curatorship, exhibitions, inter­ pre­tive program, and organizational planning. It answers a long and searching questionnaire devised by the commission composed of experienced museum leaders appointed by the association. […] the commission sends an onsite evaluation committee of two or more museum professionals to verify the facts by talking with museum board and staff members and examining the plans and procedures.210 In diesen Anforderungen steckt zugleich ein Anreiz für eine vielschichtige Optimierung von Kultureinrichtungen, die nicht zufällig an Praktiken ökonomischer Prozess­ optimierung erinnern. Planbarkeit, Kostenkontrolle oder Kosten-Nutzen-Rechnungen, auch und insbesondere in schwer messbaren Bereichen wie der Museumspädagogik, gehörten zu den Folgen. Eine weitere Folge war die beschriebene Öffnung der

207 NEA Annual Report 1971, S. 46. ff. Zum Belmont Report und Museumspädagogik: Hein, George E.: Learning in the Museum [1998]. London: Routledge 2000, S. 8 ff. 208 Alexander, Edward P./Alexander, Mary: Museums in Motion. An Introduction to the History and Functions of Museums. 2. Aufl. Lanham: AltaMira 2008, S. 259. 209 Im Belmot Report heißt es: »It is urgent that the American Association of Museums and its member institutions develop and agree upon acceptable criteria and methods of accrediting museums.« American Association of Museums 1969, S. 62. 210 Alexander/Alexander 2008, S. 311. Diese Akkreditierung ist bis heute gängige Praxis in US-amerikanischen Museen. Zum aktuellen Prozedere s. Webseite: American Alliance of Museums. Akkreditierungsprogramm. https://web.archive. org/web/20201110192034/https://www.aam-us.org/programs/accreditation-excellence-programs/ (Zugriff: 15.11.2020).

NEA-Förderung für Performance und Museen in den 1970er-Jahren

427

Museen für neue Formate, zu denen auch Veranstaltungen und Live-Performances zählten. Konkrete Spuren einer solchen musealen (Selbst-)Evaluation finden sich im Archiv des SFMOMA. Das Museum veranstaltete 1971 unter der Leitung des NEAMuseumsexperten Ralph Burgard ein sogenanntes Plan-in. Bei dieser Veranstaltung sollten Museumsexpert*innen gemeinsam mit Mitarbeiter*innen und der Öffentlichkeit über das Museum der Zukunft diskutieren.211 Ein internes Memorandum fasst einige der daraus hervorgegangenen Fragen zusammen: »Do we want to take the ›holiness‹ out of art and the museum?«; »Could the 3rd floor auditorium be converted into a multipurpose room for movies, projections, feelies, glue-ins, etc?« oder »Could the Museum provide outreach through other existing institutions by giving advice, guidance, suggesting programs and know how?«212 Weitere Überlegungen betreffen museumspädagogische Initiativen wie einen »briefing room«, der in die aktuellen Programme des Museums einführen sollte, eine »lecture series« für Erwachsene und eine »acoustiguide installation«, also ein Audioguide-System.213 All das sind Über­ legungen, die auf ein lebendigeres Besucher*innenerlebnis abzielen. Im selben Do­ kument ist in wenigen Sätzen auch die Antwort des Vorsitzenden des Board of Directors, William M. Roth, festgehalten. Während er lapidar einräumt, dass das Museum sich schon die »ein oder andere innovative Veranstaltung ausdenken werde«, stellt er klar, dass der Einsatz von Arbeitskraft und Geldern des Museums dafür nicht zur Verfügung stehe und eine Finanzierung solcher Initiativen allein über externe Quellen bestritten werden müsse.214 Im Nachgang dieser Veranstaltung richtete das Museum ein Community Involvement Commitee ein und initiierte das outreach-Programm MIX (Museum Intercommunity Exchange). In diesem Zusammenhang wurden, allerdings nur über wenige Jahre und finanziert durch eine lokale Stiftung, Veranstaltungen im Museum und in der Stadt präsentiert. Viele waren LiveProgramme, wie Musik-Events und andere Performances, oft unter Einbezug der in San Francisco besonders präsenten latino-communities. Unter den Vorzeichen der Förderpolitik des NEA wird der skizzierte (mitunter nur bedingt freiwillige) Erneuerungsdrang, der US-amerikanische Museen in den frühen 1970er-Jahren erfasste, nachvollziehbar. Ähnlich, wie dies zuvor Martha Rosler für die Künste formulierte, interpretiert die Soziologin Victoria Alexander die Wandlungsprozesse in den Museen als Reaktion auf die Anforderungen der Förderland-

211 Akten: Plan-in. Today’s Museum Tomorrow, 07.02.1971. A-SFMOMA Ad. Office of the Director Records, 1966–1972, Box 8, Mappe 19. In diesen Akten findet sich eine Notiz von Ralph Burgard, Museumsberater des NEA, an Gerald Nordland, Direktor des SFMOMA. Burgard setzt darin auf eine Rhetorik der Herrenfreundschaft, um Nordland für sich zu gewinnen: »Dear Gerry: I am tempted to send you a case of gin in advance after contemplating all the plagues that beset museum directors these days including visiting lecturers from the East filled with ideas on new museum programs […] you have been universally praised by your ladies as they scurry around for the Plan-In.« Ebd. 212 Ebd. 213 Ebd. 214 Wortlaut im Englischen: »[w]e should be able to come out with a few imaginative programs«. Ebd.

428

Performance on Display im Kontext US-amerikanischer Kulturpolitik und Kunstförderung

schaft. Allerdings betont sie auch den Einfluss komplexer interner Aushandlungs­ prozesse: What happens in museums is not simple acquiescence to funder pressures. Instead, funders offer inducements to museums to which managers adapt in a context of internal dissension, by fashioning the most palatable redefinition of missions that is consistent with their organization’s needs and the resources available to it.215 Angesichts der heterogenen Ziele der verschiedenen Akteur*innen in einem Museum ist es kaum möglich zu unterscheiden, ob programmatische Veränderungen nun intrinsisch motiviert oder nur ein Lippenbekenntnis waren. Der Effekt war jedoch in beiden Fällen gleich: Neben den herkömmlichen Prämissen Qualität und Exzellenz etablierten sich nun Demokratie und Diversität als zentrale Leitkategorien. Leben­ dige Kunst, darunter auch Performance, eignete sich für diesen neu gesteckten Rahmen besonders. Im Zusammenhang mit den neuen musealen Leitkategorien ist interessant, dass sich hier eine sprechende Parallele zu den Forderungen von Künstler*innen nach Öffnung, Zugänglichkeit und Diversität abzeichnet. Möglicherweise reagierten die neu formulierten Qualitätskriterien für Museen auf einige dieser Forderungen und machten sie damit, zumindest vordergründig, obsolet. Auch wenn es ein historischer Zufall sein mag, so scheint vor diesem Hintergrund bezeichnend, dass die Art Workers Coalition, deren Forderungen an Museen besonders lautstark und auch einflussreich waren, ihre Aktivitäten 1971 einstellte, also in dem Jahr, in dem das Museumsprogramm des NEA die Arbeit aufnahm. Inwiefern war das NEA nun direkt an der Finanzierung performancebezogener Veranstaltungen in Museen beteiligt? Eine spezifische Förderlinie, beispielsweise als Teil des Unterprogramms Aid to Special Exhibitions, gab es keine. Für die Recherche kommt erschwerend hinzu, dass die ausgewiesenen Förderungen in den Jahresberichten des NEA erst ab 1978 mit Angaben zu den jeweils geförderten Projekten versehen sind. Aber auch dann finden sich, unter jährlich weit über hundert geförderten Projekten, kaum einschlägige Hinweise. Im Jahresbericht von 1978 ist eine Joseph Beuys-Retrospektive im Guggenheim Museum vermerkt216; eine Ausstellung partizipativer Video-Installationen im La Jolla Museum of Contemporary Art; ein Projekt mit Kooperationen zwischen bildenden und darstellenden Künstler*innen im Philadelphia College of Art und eine Ausstellungsreihe mit Projekten und Performances aus der Bay Area im SFMOMA.217 Ebenso wird auf die oben genannte Serie

215 Alexander 1996, S. 114. 216 Jene Ausstellung, die wegen der harschen Beuys-Kritik Benjamin Buchlohs zu notorischer Bekanntheit gelangte. Vgl: Buchloh, Benjamin H. D./Krauss, Rosalind/Michelson, Annette: Joseph Beuys at the Guggenheim. In: October, 12. Jg. 1980, Frühjahr, S. 3–21. Ich danke Mechtild Widrich für den Hinweis. 217 NEA Annual Report 1978, S. 171–178.

NEA-Förderung für Performance und Museen in den 1970er-Jahren

429

Projects des MoMA verwiesen.218 In den beiden Folgejahren finden sich noch weniger solcher Projekte,219 dafür vermehrt Hinweise auf die umfangreiche Förderungen großer Blockbuster-Ausstellungen.220 Als aufschlussreicher erwies sich die Auswertung von Archivmaterial in Museumsarchiven. Hinweise auf NEA-Förderung – sowie anderweitige staatliche Förderung – fanden sich dort im Zusammenhang mit beinahe allen einschlägigen Performanceveranstaltungen sowie experimentelleren Ausstellungen. Die entsprechenden Gelder wurden dabei nicht zwangsläufig über das Museum Program vergeben, sondern konnten auch, das gilt insbesondere für den Bereich Tanz, aus den medien­ spezifischen Programmen kommen. Einige Beispiele aus dem Archiv des MCA Chicago sind die Performance Illinois Central von Carolee Schneemann, 1968221; Auftritte und Residenzen der Theatergruppen The People Show (1973) und Mabou Mines (1975)222; die Ausstellung Bodyworks (1975) und eine Lecture demonstration Trisha Browns (1977).223 Ebenfalls vom NEA gefördert wurde die gemeinsame Performancereihe des MCA Chicago mit dem Center for Twentieth Century Studies der University of Wisconsin-Milwaukee und die damit verbundene Konferenz Per­ formance in Postmodern Culture. 1979 wurde eine Serie von Musikperformances, unter anderem mit Charlemagne Palestine gefördert, und 1980 ein Auftritt von Julia Heyward.224 Im Walker Art Center wurde 1970 die Ausstellung Works for New Spaces unterstützt, in deren Kontext die Gruppe Grand Union auftrat.225 1979 erhielt ein Auftritt

218 Ebd. 219 Darunter 1979 eine Überblicksausstellung zu Vito Acconci im MCA Chicago; eine Ausstellung mit Künstler*innen, die eine »sensation, alteration of perceptual processes, or visual situation rather than an object for viewing« ankündigte, im New Museum [NEA Annual Report 1979, S. 154 u. 155] und 1980 eine Ausstellung mit Licht-und-Raum-Environments im Whitney Museum; nicht näher spezifizierte kleine Wechselausstellungsprojekte im MoMA und eine Ausstellung über New Yorker Alternative Kunsträume der 1960er- und 1970er-Jahre im New Museum [NEA Annual Report 1980, S. 182 u. 185]. 220 Um einige Beispiele zu nennen: Das Metropolitan Museum, New York, erhielt 1978 200 000 USD für die Ausstellung The Splendor of Dresden, 100 000 USD gingen an das Walker Art Center für eine gemeinsam mit dem MoMA organisierte Picasso-Ausstellung, für die das MoMA seinerseits 150 000 USD erhielt. NEA Annual Report 1978, S. 171–178. 221 Das Projekt wurde durch ein »grant-in-aid from the Illinois Arts Council« gefördert. Pressemitteilung [15.01.1968]: MCA Chicago: Carolee Schneemann – Illinois Central, 1968. A-MCA P, Box 3, Mappe 12. 222 Die Gruppe The People Show trat am 19. und 20. Oktober 1973 auf. In der Pressemitteilung wird der Illinois Arts Council als Förderer genannt. Pressemitteilung [01.10.1975]: MCA Chicago: The People Show. A-MCA T, Box 3, Mappe 3. Die Mabou Mines-Residenz, 04.–06.10.1975, war ein Pilotprojekt und eine Kooperation mit der Northwestern University und dem Illinois Arts Council. Pressemitteilung [10.04.1975]: MCA Chicago: Mabou Mines. A-MCA T, Box 3, Mappe 7. 223 Für Bodyworks (1975) wurde in der offiziellen Kommunikation des MCA nicht auf das NEA verwiesen. Der Grund dafür ist nicht bekannt. Es gibt Fälle, in denen das NEA Förderhinweise tilgen ließ. Suzanne Weil schildert einen solchen Fall für das Walker Art Center in Zusammenhang mit einem Auftritt der Grand Union 1971. Video: Walker Art Center: Suzanne Weil in Conversation with Philip Bither. 2001. Farbe, 55 Min. Online: https://web.archive.org/ web/20210210193400/https://www.youtube.com/watch?v=-DjJEYu-bJk&feature=youtu.be (Zugriff: 30.12.2020), hier Min 00:22:00. 224 Ein Hinweis auf diese Förderepisode im NEA Annual Report 1979, S. 198. Die Förderung betrug 1 000 USD und kam aus dem Music Program. 225 Die Ausstellung wurde mit 8 500 USD gefördert. NEA Annual Report 1970, S. 53. Zum Grand-Union-Auftritt s. Anm. 223.

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Performance on Display im Kontext US-amerikanischer Kulturpolitik und Kunstförderung

von Carolee Schneemann Förderung.226 Die meisten Förderhinweise im Walker Art Center finden sich im Zusammenhang mit Tanz-Veranstaltungen. Darunter waren mehrere Gastspiele von Merce Cunningham und seinem Ensemble oder auch ein einmonatiger Aufenthalt der Twyla Tharp Dance Company.227 Im SFMOMA gab es, trotz oben genannter Initiativen, nur wenige experimentelle Programme und auch nur wenige entsprechende Förderhinweise. Für das outreachProgramm MIX wurde 1972 zumindest NEA-Förderung beantragt. 1976 wurde das Festivalprojekt Exchange DFW/SFO vom NEA unterstützt, auf dessen Programm Performances und experimentelle Theater- und Musikaufführungen von Künst­ler*in­ nen aus San Francisco, Dallas und Fort Worth standen.228 Eine größere Konzeptkunst-Ausstellung mit dem Titel Space/Time/Sound (1979) erhielt ebenfalls NEAFörderung. Im Whitney Museum unterstützte das NEA vier Teile der Veranstaltungsreihe Composers’ Showcase im Frühjahr 1969.229 1971 und 1973 kam Förderung für dieselbe Reihe vom NYSCA.230 Ebenfalls das NYSCA förderte 1972 das Spring Festival at the Whitney mit Auftritten von Viola Farber, Yvonne Rainer und der Gruppe Mabou Mines.231 Auch die Performancereihe Four Evenings Four Days, 1976, wurde durch das NYSCA gefördert.232 Der Downtown Branch und die Veranstaltungen dort wurden vom Lower Manhattan Cultural Council finanziert, ein vom NYSCA teil­ finanzierter Zusammenschluss von Unternehmen zur Kulturförderung in dieser Gegend. Nicht alle lebendigen Museumsveranstaltungen waren jedoch staatlich finanziert. Häufig fanden sich auch Hinweise auf nicht-staatliche Förderung. Die Ausstellung Art By Telephone (1969), die erste Ausstellung des MCA Chicago mit einem Per­ formanceprogramm, musste zunächst um ein halbes Jahr verschoben werden, da ihre Finanzierung nicht gesichert war. Letztlich sprang mit der American National Bank – deren Werbe-Slogan The Idea Bank zur konzeptuellen Ausrichtung der Ausstellung passte – ein corporate sponsor ein.233

226 Carolee Schneemann: Moon in a Tree: A Friendship of Artifacts of Joseph Cornell, 23. Januar 1979. Die Performance fand im Rahmen einer Filmreihe mit Filmen von Cornell statt und wurde von der Film-Abteilung des Museums organisiert. Im Flyer zur Veranstaltung heißt es: »This program is supported in part by grants from the National Endowment for the Arts and the McKnight Foundation.« Flyer: Homage to Joseph Cornell, Carolee Schneemann. A-WAC, Homage to Joseph Cornell, Mappe 283. 227 NEA Annual Report 1975, S. 17. 228 Flyer: Exchange DFW/SFO. A-SFMOMA Ex. 1934–, Box 79, Box 1, Mappe 1. 229 Pressemitteilung [01.03.1969]: Whitney Museum: Panoramic View of American Music at Whitney Museum. A-WHIT CS, Mappe 13. Weitere Unterstützung kam vom Martha Beard Rockefeller Fund for Music. 230 Composers’ Showcase 1973 u. a. mit Christian Wolff und Merce Cunningham, am 18. Mai 1973. Weitere Förderung von: Martha Baird Rockefeller Fund for Music; Fromm Music Foundation und CAPS. Pressemitteilung [o. D.]: Whitney Museum: Composers’ Showcase Returns. A-WHIT CS, Mappe 63. 231 Viola Farber Dance Company am 15.04.1972; Yvonne Rainer am 21.04.1972 und Mabou Mines am 22.04.1970. Flyer: A Spring Festival at the Whitney. A-WHIT CS, Mappe 55. 232 Pressemitteilung [17.02.1976]: Whitney Museum: Performances: Four Evenings, Four Days – Begin at Whitney Today, 1976. A-WHIT CS, Mappe 85. 233 Korrespondenz: Art By Telephone. A-MCA E, Administrative Files, Box 7, Mappe 14.

NEA-Förderung für Performance und Museen in den 1970er-Jahren

431

Auch in den New Yorker Museen fanden sich Verweise auf Förderung durch Stiftungen oder Unternehmen. Im MoMA sponserte beispielsweise die Mobil Founda­ tion Inc. die Summergarden-Reihe. Im Whitney Museum wurden die bereits erwähnten Dienstagabende ab 1968 durch eine private Spende ermöglicht.234 Die Veranstaltung 911. A Dance Concert by Deborah Hay, 1969, mit einem Talk des Künstlers Douglas Davis, wurde privat und durch die Organisation Experiences in Art and Technology Inc. (EAT) unterstützt.235 Keine Angaben finden sich zur Performancereihe der Ausstellung Anti-Illusion, 1969, in deren Rahmen Bruce Nauman und Meredith Monk Bouncing in the Corner (1969) aufführten.236 Im Programm zu ihrem Auftritt Continuous Project Altered Daily (1970) bedankt sich Yvonne Rainer bei der Guggenheim Foundation für ein Jahresstipendium.237 Trisha Browns Walking on the Wall (1970) wurde von Change Inc. gefördert, einer von Robert Rauschenberg gegründeten Stiftung für Künstler*innen in Not.238 Das Behaviour Tableaux von Scott Burton im Rahmen eines Sommer-Festivals, 1972, ermöglichte ebenfalls eine private Stiftung.239 Lebendige Veranstaltungen in Museen wurden demnach oft, aber nicht immer durch öffentliche Gelder finanziert. Wegen des matching grant-Modells kamen meist Fördergelder von privaten Geldgebern und Stiftungen hinzu. Viele Veranstaltungen wurden aber auch ganz durch private Gelder finanziert. Die Tatsache, dass sich fast immer Förderhinweise der einen oder der anderen Art finden, legt nahe, dass experimentelle Veranstaltungen in der Regel nicht aus den regulären Budgets der Museen finanziert wurden. Dieser Befund verweist darauf, dass die oben beschriebene Haltung der SFMOMA-Leitung verbreitet war: experimentelle Programme konnten stattfinden, so lange sie das Museum nichts kosteten. Zwischenfazit zur Museumsförderung Die Verfügbarkeit öffentlicher Gelder veränderte die US-amerikanische Museumslandschaft grundlegend. Im Bereich der Programmgestaltung führte sie im Namen von Demokratie und Bildung zu einer zunehmenden Besucher*innenorientierung. Lebendige Ausstellungsformate, wie sie bereits während des New Deal in den Art Centers erprobt worden waren, etablierten sich damit auch in großen Museen.

234 Pressemitteilung [13.02.1968]: Whitney Museum: Whitney Museum to Open Tuesday Evenings. A-WHIT, Series 2, Tuesday Nights at the Whitney, Mappe 6. Als Geldgeberin wird Mrs. Bernard F. Gimbel genannt. 235 Programmzettel: Deborah Hay: 911. A Dance Concert by Deborah Hay. A-WHIT CS, Mappe 23. 236 Dies war die wahrscheinlich erste Kunstperformance im Whitney Museum. Weitere Veranstaltungen dieser Reihe waren ein Konzert von Philip Glass mit einem extended time piece von Richard Serra, Filme von Michael Snow, ein Vortrag von Max Kozloff und ein Konzert von Steve Reich. Programmübersicht: Four Evenings of Extended Time Pieces and a Lecture. A-WHIT CS, Mappe 13. 237 Programmzettel: Yvonne Rainer: Continous Project Altered Daily. A-WHIT CS, Mappe 34. 238 Programmzettel: Trisha Brown: Another Fearless Dance Concert. A-WHIT CS, Mappe 44. Robert Rauschenberg war besonders geschickt darin, Stiftungen zu gründen, über die er staatliche und private Gelder an andere Künstler*innen weitergeben konnte. 239 Die Jerome Robbins Foundation. Programmzettel: Scott Burton: Behavior Tableaux (1970–72). A-WHIT CS, Mappe 59.

432

Performance on Display im Kontext US-amerikanischer Kulturpolitik und Kunstförderung

Externe finanzielle Unterstützung war für die Umsetzung unkonventioneller Programmentscheidungen, zu denen auch Performanceveranstaltungen gehörten, wesentlich. Dabei war staatliche Förderung, im Gegensatz zur privaten Finanzierung oder dem corporate funding, nicht an inhaltliche Bedingungen geknüpft und ließt deshalb experimentellere Programme eher zu. Victoria Alexander bestätigt das in ihrer vergleichenden Studie zum Effekt öffentlicher und privater Finanzierung auf Museen. Sie zeigt, dass sich die Zahl der Ausstellungen in Kunstmuseen zwischen 1960 und 1986 verdoppelt hat.240 Ein beson­ derer Anstieg ist um 1966, mit dem Beginn der Verfügbarkeit von NEA-Geldern zu verzeichnen und zwar vor allem im Sektor »Postmodern Contemporary«, wie  Alexan­ der den Bereich zeitgenössischer Ausstellungen nennt.241 Ein Statement Tom L. Freudenheims aus dem Jahr 1979, seinerzeit Direktor des NEA-Museumsprogramms, bestätigt eine entsprechende Priorisierung: Museums, it was implicitly recognized, are not organized to win popularity contests. They symbolize disinterested excellence; they are places where scholarship can be conducted for its own sake, where quality matters more than anything else. (…) But the box-office star is more likely to attract a sponsor. The project of artistic significance but limited popular appeal may not, unless it can find public funds.242 NEA-Förderung sollte also Projekte ermöglichen, die außerhalb der Reichweite einer Selbstregulierung durch den Markt standen. Dem widerspricht allerdings der Befund, dass der Großteil der vergebenen Gelder letztlich doch in Blockbuster-Ausstellungen floss, wie Edward Arian kritisiert: [T]he winners of public arts funding constitute a small, elite segment of the population whose cultural milieu—that is, white Western European non-contemporary art in traditional settings—receives the bulk of the public arts sub­ sidy. (…) This situation is contrary to the rhetoric in the enabling legislation that created these programs and agencies.243 Mit Victoria Alexander ist deshalb von einer doppelten Wirkung staatlicher Förderung auf Museumsprogramme auszugehen: Government sponsorship has led to bigger, more popular exhibits. But government panels, along with museum curators, want to support art that is scholarly or that is at the cutting edge of current trends in art. Consequently, museums are able to organize more exhibitions in traditional art-historical formats. In addition, museums mount small exhibitions of contemporary artists. This

240 Alexander 1996, S. 47–48. 241 Ebd., S. 58 ff. 242 Tom L. Freudenheim im NEA Annual Report 1979, S. 141. 243 Arian 1989, S. ix.

NEA-Förderung für Performance und Museen in den 1970er-Jahren

433

type of exhibition is more difficult to fund, but government funders may have encouraged it.244 Aus dieser Perspektive wird das bereits andernorts beobachtete Phänomen der Aufspaltung und Ausdifferenzierung von Museumsprogrammen als ein Effekt staatlicher Förderung sichtbar. Der experimentelle Sektor und damit auch per­for­mancebezogene Veranstaltungen waren dabei immer vom Umfang der Gesamtverfügbarkeit externer Finanzierung abhängig, sodass auch hier von einem Trickle-down-Effekt die Rede sein kann. Performance on Display war in den 1970er-Jahren Teil eines allgemeinen Wandels und einer vorsichtigen Experimentierfreude in Museen. Ein Grund, dass diese Tendenz nicht zu einer flächendeckenden und nachhaltigen Etablierung von LiveEvents und Performances in Museen führte, dürfte erneut ein ökonomischer gewesen sein. Bis heute gilt, dass die Produktion von singulären Veranstaltungen, im Vergleich zu populäreren Ausstellungen mit längerer Laufzeit, aus marktwirtschaftlicher Sicht nicht lukrativ ist. Museen nehmen dieses Risiko in Kauf, wenn ein ideeller Wert und/ oder externe Förderung dieses Defizit ausgleichen. Mit dem Skandal um die NEAFour und die sinkende öffentliche Akzeptanz für Performancekunst drohte beides zu schwinden, weshalb Museen nun wieder verstärkt auf traditionelle Medien setzten.245

Zusammenführung Das NEA als Katalysator für Performance on Display Die Auswirkungen von NEA-Förderung auf die US-amerikanische Performance­ szene werden nicht erst im Moment ihres Entzugs greifbar. Im Gegenteil, es fanden sich viele Anhaltspunkte für eine konstruktive und formative Wirkung dieser För­ derung. Das NEA trug dazu bei, dass es ab Mitte der 1970er-Jahre mehr Performancekünstler*innen denn je gab, und dass sie an mehr Orten denn je auftreten konnten. Das NEA beförderte die Herausbildung eines wissenschaftlichen Diskurses über Performance und den Zugang eines wachsenden Publikum zu Performanceveranstaltungen. Das NEA setzte auch Anreize für den Eintritt von Performance ins Museum. Eher indirekt wirkten zunächst die individuellen Förderstipendien, die zur Omnipräsenz von Performance in den geförderten alternativen Kunsträumen, auf Festivals, in Magazinen oder der Kunstliteratur beitrugen. Performance wurde damit zu einer bedeutenden Kunstströmung und rückte als relevantes kulturelles Erbe in den musealen Zuständigkeitsbereich. Ganz direkt förderte das NEA die Zusammenarbeit zwischen

244 Alexander 1996, S. 132. 245 Eine weitere Erklärung wäre die zunehmende Bedeutung des corporate funding.

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Performance on Display im Kontext US-amerikanischer Kulturpolitik und Kunstförderung

Performancekünstler*innen und Museen durch Residenz- und outreach-Programme im Rahmen experimenteller Ausstellungen und pädagogischer Projekte. Das Gratifizierungssystem des NEA und ähnlicher Förderinstanzen unterstützte die Professionalisierung des künstlerischen Feldes. Dies erleichterte nicht nur die Zusammenarbeit zwischen Künstler*innen und etablierten Institutionen, sondern setzte auch Anreize für eine künstlerische Selbsthistorisierung. Im Zusammenhang mit Performance waren hier die Impulse zur Dokumentation und damit Objekt­ werdung ephemerer Aufführungen bedeutsam, denn diese Objektwerdung bildet die Grundvoraussetzung für einen nachhaltigen musealen Zugriff auf Performancewerke im Sinne des Zeigens, Sammelns und Bewahrens.246 In Bezug auf Museen konnte gezeigt werden, dass das NEA dort Anreize für mehr Demokratie und Diversität auf allen Ebenen setzte. Neben dem Bestreben, eine möglichst breite Öffentlichkeit zu erreichen, wuchs seitens der Museen eine Sensibilität für die zeitgenössische Kunstproduktion und für eine größere Diversität künst­­ le­­r­ischer Ausdrucksformen. Mit Hilfe staatlicher Förderung wurde eine Ausdifferen­ zierung musealer Programmportfolios angestoßen, sodass sich neben den herkömmlichen Sammlungs- und Sonderausstellungen neue, flexiblere Ausstellungs- und Vermittlungsformate etablieren konnten.247 Das Phänomen Performance on Display, das in besonderer Weise für eine direkte und lebendige Begegnung der Kunst mit dem Publikum steht, ist eng mit der Demokratisierung und ›Pädagogisierung‹ des Museums verknüpft. Ohne die Förderung und die Anreize des NEA hätte es weder Performance in diesem Umfang, noch Museen in dieser Form gegeben und damit auch nicht Performance on Display als historisches Phänomen. Das NEA war in den 1970er-Jahren Katalysator für die jeweilige Entwicklung und Vermittlungsinstanz zwischen Per­ formance und Museum. Performance wurde dabei musealer und das Museum per­ formativer. Eine Systemperspektive auf Performance, Museen und das NEA Die bisherige Literatur zur Performancegeschichte tendierte dazu, die Entstehung von Performance als Kunst ›aus sich selbst heraus‹ zu erklären. Dem Ideal künstler­ischer Autonomie verpflichtet, vermied sie eine Auseinandersetzung mit dem Wechselverhältnis zwischen Kunstproduktion und Institutionen. Der Blick durch das ›Fenster‹ des NEA eröffnet eine alternative Perspektive und zeigt, dass sich Performancekunst, ihrem Sonderstatus zum Trotz, nur vor dem Hintergrund einer bestimmten historischen Situation etablieren konnte und dabei durchaus in die Kunstwelt mitsamt ihren Institutionen integriert war. Im Kontext staatlicher Kunstförde246 Dabei ist zu anzumerken, dass sich, trotz der Verfügbarkeit objektförmiger Werke und trotz der Unterstützung des NEA für Ankäufe aktueller Kunst, in den Jahresberichten der 1970er-Jahre keine Hinweise auf den Ankauf eines Performancewerkes, auch nicht in Form von Videos oder anderen Medien finden. 247 Ab etwa 1980 kam angesichts dieser Expansion bereits die Sorge auf, Museen seien zu eventorientiert, da sie den Vorwurf elitär zu sein scheuten. Dazu Tom L. Freudenheim in: NEA Annual Report 1980, S. 169.

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rung steht Performance als eine mögliche künstlerische Ausdrucksform neben vielen und es wird ersichtlich, dass das goldene Zeitalter der Performancekunst Teil einer Expansion des gesamten Kunstfeldes war. Aus der Makroperspektive staatlicher Kunstförderung sind Performance und Museum dann zwei Entitäten, die gleichermaßen dem Kunstsystem angehören. Individuelle Künstler*innen und Museen werden aus dieser Perspektive zu kleinen und mittleren Kulturunternehmer*innen, die sich im Feld der Kunst behaupten und legitimieren müssen. Beide bemühen sich, mitunter gemeinsam, um dieselben Gelder und arbeiteten dabei mitunter an gemeinsamen Projekten. Eine kategorische Trennung zwischen Kunst/Künstler*innen und Institutionen wird aus dieser Perspektive unmöglich. Tritt man noch einen weiteren Schritt zurück, wird auch das NEA als eine Kunstinstitution erkennbar, die sich gegenüber anderen Institutionen und Behörden behaupten muss. Während aus künstlerischer Perspektive Museen und Staat als rahmende und möglicherweise manipulative Instanzen erscheinen, sind aus volkswirtschaftlicher Perspektive alle drei Kulturproduzent*innen, die auf einer Mikro-, Meso- oder Makroebene agieren. Die Kontroverse um die NEA Four führte diese Schicksalsgemeinschaft besonders deutlich vor Augen. Es waren nicht nur die Künst­ ler*innen, denen ein Missbrauch von Steuergeldern vorgeworfen wurde, sondern die Vorwürfe und ihre weitreichenden Folgen trafen die Museen und das NEA gleichermaßen. Ein nachvollziehbares Erklärungsmodell für diese Zusammenhänge und Abhängigkeiten sowie für die erstaunliche Synchronizität der Entwicklungen im künst­ lerischen Feld und im Feld der Kunstinstitutionen bietet die von Paul DiMaggio und Walter Powell entwickelte Isomorph-Theorie.248 Ihre These ist, dass sowohl konkurrierende als auch voneinander abhängige Akteure in einem Feld dazu tendieren, sich einander anzugleichen: »[R]ational actors make their organizations increasingly similar as they try to change them.«249 Dies gelte besonders im gemeinnützigen Bereich und bei einer Zentralisierung verfügbarer Mittel. Beides trifft auf das Feld der Kunst seit der Einrichtung des NEA als zentrale Finanzierungsstelle zu. Künstler*innen als Kleinstunternehmer*innen bildeten gemeinsam ›alternative‹ Strukturen und Zusammenschlüsse aus. Sie orientierten sich an Museen, die sich nach den Standards des NEA ausrichteten, das sich wiederum an der jeweiligen politischen Führung orien­ tierte. Sowohl die künstlerischen Praktiken als auch die Institutionen wurden sich dabei untereinander ähnlicher. DiMaggio und Powell unterscheiden nun in ihrem Modell drei sich teilweise überschneidende Formen der Anpassung. Als »zwingend« bezeichnen sie solche Anpassungsbewegungen, die durch politische Einflussnahme beziehungsweise die Notwendigkeit einer Legitimierung gegenüber diesem Einfluss ausgelöst werden. Als 248 DiMaggio/Powell 1983. 249 Ebd., S. 147

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»mimetisch« bezeichnen sie solche Formen, die auf Momente der Unbestimmtheit oder Unsicherheit antworten. Als »normativ« gelten ihnen schließlich Anpassungen, die im Zusammenhang mit einer allgemein gefassten Professionalisierung stehen.250 In diesem Kapitel schienen konkrete Beispiele für alle diese Formen auf. Als zwingend waren die staatlichen Maßgaben zu betrachten, die das NEA, die Museen und die Kunst gleichermaßen beeinflussten. Wer gefördert werden wollte, musste sich entsprechend legitimieren. Künstler*innen mussten für eine Bewerbung ihre Kompetenz und Professionalität unter Beweis stellen, Museen mussten einen Akkreditierungsprozess durchlaufen. Als eine mimetische Reaktion kann gelten, wenn Institutionen die Leitlinien des NEA übernahmen oder sich an erfolgreichen Vorbildern im eigenen Feld orientierten. Künstler*innen eigneten sich wiederum die Verwaltungssprache an, um in dem Fördersystem bestehen zu können, oder, wie Bruce Nauman beklagte, imitierten sich gegenseitig. Je mehr Performancekünstler*innen Erfolg in diesem Fördersystem hatten, desto wahrscheinlicher wurde, dass sich auch weitere Künstler*innen der Kunstform zuwandten. Normativ wirkte insbesondere die all­ gemeine Professionalisierungstendenz und Verwissenschaftlichung des Kunstfeldes. Diese schlug sich sowohl auf die künstlerische Praxis als auch auf die Museums­ praxis und das NEA selbst nieder. Die künstlerische Selbstbeschreibung und Dokumentation des eigenen Werks, aber auch die zunehmend akademisch geprägte Ausbildung von Künstler*innen und Museumspersonal führten zu einer impliziten Akzeptanz akademischer Standards, beispielsweise Exzellenzförderung und Bestenauslese, und erhöhte den Kompatibilitäts-Effekt zwischen allen beteiligten Akteur*innen im Kunstfeld – und zugleich die Inkompatibilität mit Akteur*innen, die aus diesem Feld ausgeschlossen waren. Aus dieser Perspektive waren die zeitliche Koinzidenz des goldenen Zeitalters der Performancekunst und des NEA sowie die gleichzeitige Öffnung und Demokrati­ sierung der Museen in den 1970er-Jahren kein Zufall, sondern standen miteinander in Wechselwirkung. Das Phänomen Performance on Display war deshalb kein histo­rischer Sonderfall in der Entwicklungsgeschichte von Museen oder von Performance, sondern ein integraler Bestandteil der beschriebenen Aushandlungs- und Anpassungsprozesse. Performance on Display als historisches Phänomen und Symptom eines Kreativitätsdispositivs Der Einblick in die Geschichte der Kunstförderung in den USA konnte zeigten, dass einige wesentliche Meilensteine der US-amerikanischen Performancegeschichte in einem engen Zusammenhang mit staatlich geschaffenen Nischen oder Möglichkeitsräumen für die Kunst standen. Dies ist nicht zu verwechseln mit einer Implementie-

250 »1) coercive isomorphism that stems from political influence and the problem of legitimacy; 2) mimetic isomorphism resulting from standard responses to uncertainty; and 3) normative isomorphism, associated with professionalization.« Ebd., S. 150.

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rung oder direkten Förderung performativer Kunst ›von oben‹. Die genannten Möglichkeitsräume entstanden vielmehr, indem die US-amerikanische Politik, konfrontiert mit den vielfältigen Problemstellungen der Moderne, immer wieder auf das Prinzip künstlerischer Kreativität zurückgriff und diese im Sinne politischer, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Zielsetzungen (um-)deutete oder anpasste. Die Rolle der Künste im Staat wandelte sich im Laufe des 20. Jahrhunderts von einem Medium der Distinktion für die Eliten zu einer ›Kunst für alle‹, einem Medium flächendeckender kreativer Bildung, für die das NEA von Anfang an aktiv eintrat. Damit scheinen die bildungstheoretischen und humanistischen Ideale, die Theore­ tiker wie John Dewey oder August Heckscher mit der Kunst verbanden, zunächst erfüllt. Allerdings wurde auch deutlich, dass eine staatliche Anerkennung und Förderung der Künste nie Selbstzweck war (und aus staatsideologischen Gründen auch nicht sein durfte), sondern nur in Verbindung mit dem Versprechen eines ökono­ mischen und/oder politischen Mehrwertes der Kunst durchgesetzt werden konnte. Von Anfang an war außerdem im Kontext staatlicher Kunstförderung eine enge Verzahnung von Politik und Wirtschaft zu erkennen, die sich auch im kulturellen En­gagement mächtiger Stiftungen, wie die der Rockefeller Foundation zeigten. Die wirtschaftlichen Eliten spielten also weiterhin eine wichtige Rolle für die Kunst. Die Kulturpolitik im Kalten Krieg veranschaulichte, dass staatliche Kunstförderung lange Zeit nicht offen, sondern nur im Geheimen und unter vorgehaltener Hand geschah. Mit der Gründung des NEA brach 1965 eine neue Ära an, die weit in die 1970er-Jahre ausstrahlte. An diesem historischen Moment teilten Künstler*innen, Kunstinstitutionen sowie politische und wirtschaftliche Eliten die Hoffnung, drängende Fragen der Gegenwart mit Hilfe der Kunst beantworten zu können.251 Die intrinsische Motivationen dieser Akteur*innen konnten zwar sehr unterschiedlich sein, doch trafen sie sich in einer ideologischen Aufladung von Kunst mit einer ganzen Batterie an (US-amerikanischen) Werten oder Idealen: Demokratie, Diversität, Inklusion, Freiheit, Individualität, Singularität, Kreativität, Innovation, Exzellenz, Professionalität, Fortschritt und das Primat des Neuen. Performancekunst war von diesen Idealen ebenso durchdrungen wie die sich demokratisierenden Museum und das staatliche Engagement für die Kunst. Die Hintergrundfolie für diese besondere historische Konstellation war die Ära nach 1968, die von einer nationalen Identitätskrise und der Aushandlung systeminhärenter Widersprüche geprägt war. Unter diesen veränderten gesellschaftlichen und politischen Vorzeichen konnte die Rolle der Kunst für den Staat nicht mehr die einer demonstrativen Vorzeigekunst sein, wie das noch für den Abstrakten Expressionismus im Kontext kultureller Diplomatie galt. Die heroische Geste des weißen männ­ lichen Einzelkünstlers war kaum mehr angemessen. Stattdessen vollzog sich in mehrfacher Hinsicht eine Wendung nach innen. Ein selbstreflexiver Zug zeigte sich auf politischer Ebene in einer Hinwendung zur Innenpolitik, mit der auch die Kul251 Ähnliche Ideen von einer universell positiven Wirksamkeit der Kunst schienen bereits im Zusammenhang mit den New-Deal-Programmen und in den geheimen Kulturprogrammen der Nachkriegsjahre auf.

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turpolitik an Bedeutung gewann. Selbstreflexion stand nun nicht nur im Zentrum der NEA-Politik, die auf eine größtmögliche Transparenz und fortwährende Selbst­ evaluation und -optimierung setzte, sondern auch im Zentrum künstlerischer Interessen. Die Befragung des eigenen Mediums und die Auseinandersetzung des Künst­ ler*innen-Individuums mit sich selbst zog sich durch alle Kunstgattungen und manifestierte sich ganz besonders in der Performancekunst. Sogar in den Museen zeichnete sich neuerdings eine Tendenz zur Selbstbefragung ab. Zeitgleich forderte die Entfaltung des Konsum- und Medienzeitalters neue Kompetenzen und Qualitäten der Repräsentation und Rezeption, Felder, für die traditionell die Künste zuständig waren. Die Virtualität medialer Räume beförderte eine zunehmende Sensibilisierung für reale und authentische Erfahrungen. Damit ging der Siegeszug der von Jon McKenzie und anderen benannten performance culture einher.252 John F. Kennedy, als erster ›Medien- und Performance-Präsident‹, verkörperte diesen Anbruchspunkt sinnbildlich. Im Feld der Kunst war das goldene Zeitalter der Performancekunst ein Ausdruck dieser Entwicklungen, das in der parallel expan­ dierenden Video-Kunst ein entsprechendes Komplementärphänomen besaß. Die neuen Anforderungen der Konsum- und Medienkultur und das heikle politische Klima nach 1968 waren die wesentlichen Voraussetzungen dafür, dass der US-amerikanische Staat ein offenes Bekenntnis zur Kultur und zur Kunst wagen und durchsetzen konnte. Ästhetische Bildung und Kreativität galten als zentrale Kompetenzen sowohl für eine funktionierende Demokratie als auch für eine funktionierende Wirtschaft. Neben Schulen und Universitäten waren Museen diejenigen Orte, an denen diese Ziele implementiert werden konnten. Die These von Performance als einer widerständigen Kunstform steht nicht im Widerspruch zur Integration von Performance in die genannten Zusammenhänge. Widerständigkeit kann sogar als eine notwendige Voraussetzung für den institutionellen Erfolg der Kunstform gelten. Wie dieses Kapitel zeigen konnte, strebte die aus dem Zeitalter des Kalten Kriegs erwachsene freiheitsbetonte Kulturpolitik danach, freies Denken, Meinungsfreiheit und sogar Widerspruch nicht nur zuzulassen, sondern zu fördern. Dabei war es die Strategie des NEA, die kreative Energie, die sich mit dieser Widerständigkeit verband, in das Staatssystem einzugliedern, sie zu kanalisieren und produktiv nutzbar zu machen.253 Die Produktivitätssteigerung durch die Integration kreativen Potenzials, die sich einerseits, mit Lucy Lippard als state/­ corporate cooling-out process bezeichnen lässt, war andererseits ein wesentlicher Schritt für die Implementierung eines Kreativitätsdispositivs und einer Performancekultur weit über das Feld der Kunst hinaus.254

252 McKenzie 2001. 253 Vgl. dazu: Boltanski, Luc/Chiapello, Ève: Der neue Geist des Kapitalismus [1. franz. Ausg. 1999]. Konstanz: UVK 2006, darin das Kapitel: Auf dem Prüfstand der Künstlerkritik, S. 325 ff. und Nairne, Sandy: The Institutionalization of Dissent. In: Greenberg, Reesa (Hrsg.): Thinking About Exhibitions. Nachdr. London: Routledge 2010, S. 387–410. 254 Vgl. Reckwitz 2017.

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Andreas Reckwitz spricht in Bezug auf die Avantgarden der Moderne und ihre Fortsetzung in der Kunst der 1960er- und 1970er-Jahre von einem »zentrifugalen« Kunstfeld, das in alle gesellschaftlichen Bereiche ausstrahlte und damit einen »Kre­ ativitätsimperativ« begründete.255 Diese These wurde durch die vorliegende Unter­ suchung – es war immerhin die mächtigste Wirtschaftsnation der Welt, die hier Kreativitätsförderung betrieb – gestützt. Es zeigte sich aber auch, dass dieses aktive staatliche Engagement für eine Herausbildung von flächendeckender visueller Bildung und Kreativität weit bis in die 1930er-Jahre zurückreichte. Reckwitz identifiziert drei »Aggregatzustände« einer »ästhetischen Form des Sozialen«, die die Herausbildung des Kreativitätsdispositivs historisch durchlaufen habe: als »soziale Nische, als Gegenkultur und als soziale Steuerungsform.« 256 In diesem Modell markierte das goldene Zeitalter der Performancekunst der 1970erJahren denjenigen Moment, an dem die gegenkulturelle Phase in die Phase einer sozialen Steuerungsform umschlägt. Dies deckt sich mit den Thesen Jon McKenzies zur Etablierung einer performance culture, die sich im Sinne der genannten Produktivitätssteigerung durch Kreativität eng mit dem Kreativitätsimperativ verbindet. Dies war also der Kontext, in dem Performancekunst in den 1970er-Jahren florieren konnte und der zugleich das Phänomen Performance on Display hervorbrachte. Unabhängig von den Intentionen individueller Künstler*innen (diese können mit den staatlichen und ökonomischen Zielsetzungen, in die sie unweigerlich verwickelt waren, durchaus im Widerspruch gestanden haben), war Performance als Gesamtphänomen immer auch das Resultat einer staatlichen Investition in Kreativität und die Kunstförderung ein Mittel zum Zweck der Etablierung des Kreativitätsdispositivs. Die funding cuts markierten aus dieser Perspektiven den historischen Moment, an dem dieser Prozess hinreichend angestoßen und zum Selbstläufer geworden war. Aus heutiger Sicht wird deutlich, dass diese Zäsur, trotz der weitreichenden Verän­ derungen, die sie für das Kunstfeld und die Performanceszene bedeutete, nur bedingt als eine force of disintegration zu bezeichnen ist, denn auch Performance als Kunstform hatte sich inzwischen etabliert und entwickelt sich bis heute weiter.

255 »Das soziale Feld der Kunst ist im Lauf des 20. Jahrhunderts, insbesondere seit den 1970er-Jahren, zentrifugal geworden«. Ebd., S. 123. »Über die Berufs-, Arbeits- und Organisationswelt hinaus ist das Doppel von Kreativitätswunsch und Kreativitätsimperativ seit den 1970er Jahren immer tiefer in die kulturelle Logik der privaten Lebensführung der postmaterialistischen Mittelschicht (und darüber hinaus) eingesickert.« Reckwitz 2012. S. 12. 256 »[D]ie ästhetische Form des Sozialen [existierte] im Verlauf der Entwicklung zum Kreativitätsdispositiv in drei verschiedenen ›Aggregatzuständen‹, nämlich als soziale Nische, als Gegenkultur und als soziale Steuerungsform.« Reckwitz 2017, S. 325.

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Performance on Display im Kontext US-amerikanischer Kulturpolitik und Kunstförderung

Schluss

Wie kam Performance ins Museum? Wie und warum wurde die Kunst im Museum lebendig? Diese Fragen waren der Ausgangspunkt für das vorliegende Buch. Die Suche nach Anbruchspunkten für das Phänomen Performance on Display führte in das US-amerikanische Kunstsystem der 1970er-Jahre. Rekonstruktionen von Performance­veranstaltungen in Museen und die Analyse ihrer Kontexte gaben Einblicke in das ebenso facetten- wie spannungsreiche Verhältnis zwischen lebendiger Kunst und der Institution Museum. Ergänzend zu den Auseinandersetzungen mit Performance on Display als zeitgenössischem Phänomen wurde damit ein historischer Zugang eröffnet. Sowohl im Performance- als auch im Museumsdiskurs wurden die Kunstform und das Museum bisher als gegenläufige Prinzipien aufgefasst, weshalb der Eintritt von Performance ins Museum den negativen Beigeschmack einer Eroberung wider Willen erhielt. Eine genauere Betrachtung konnte zeigen, dass die Institutionalisierung von Performance ein komplexer Aushandlungsprozess ist, der sowohl das Feld der Künstler*innen als auch die Museen zu einem produktiven Wechselspiel von Aktionen und Reaktionen veranlasste. Zum Abschluss sollen die gewonnenen Erkenntnisse noch einmal zusammengetragen und reflektiert werden. Zunächst wird eine kritische Evaluation des methodischen Zugangs den Geltungsrahmen der Erkenntnisse abstecken und Ansatzpunkte für weiterführende Forschungen benennen. Zur Rekapitulation schließt sich eine kompakte Synopse der Kapitel an. Das Resümee ist dann nach den drei Argumentationsebenen des Buchs strukturiert und schlägt abschließend einen Bogen zurück in die Gegenwart.

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Reflexion der Methode und Ansätze für weiterführende Forschung Die diesem Buch zugrunde gelegte Methode einer ästhetischen Archäologie erwies sich als fruchtbar. Das archivbasierte und materialgeleitete Vorgehen erschloss Zu­ gänge zum komplexen Untersuchungsgegenstand und ermöglichte die Analyse ephemerer Ausstellungen und Performances. Von Museumsarchiven auszugehen, eröffnete eine neue Perspektive auf die Performancegeschichte. Neben den indivi­duellen Künst­ ler*innen und ihren Werken rückten auch nicht-künstlerische Akteur*innen, innerhalb und außerhalb von Museen, sowie institutionelle, ökonomische und politische Kontexte ins Blickfeld. Damit ließ sich vermeiden, die Entwicklungen der Kunstallein aus sich selbst heraus zu erklären. Der Blick ›hinter die Kulissen‹ der Museen ermöglichte es des Weiteren, der Tatsache Rechnung zu tragen, dass Museen komplexe und dynamische Gebilde sind, deren ›Handeln‹ immer die Summe der Aktivitäten und Ziele Vieler ist. Insgesamt begünstigte das konsultierte Material die systematische Auseinandersetzung mit ausgewählten Einzelveranstaltungen. Im Umkehrschluss konnte deshalb auf die individuellen Karrieren einzelner Künstler*innen oder die Entwicklungen der Programmgestaltung einzelner Museen nur schlaglichtartig eingegangen werden.1 Die Ergebnisse des Buchs wären durch monografische Studien zu einzelnen Künst­ ler*innen (und ihres Verhältnisses zum Museum) und Museen (und ihres Verhält­ nisses zu Performance) zu durchkreuzen und zu erweitern. Bereits in der Einleitung wurde auf die kanonbildende Wirkung der Ausstellungsund Sammlungstätigkeit von Museen verwiesen. Eine Betrachtung von Performancegeschichte durch die Linse von Museumsarchiven kann diese Prozesse sichtbar machen – und vollzieht sie doch unweigerlich mit. Für die Bewertung der Ergebnisse dieser Publikation sind deshalb zwei Grundbedingungen archivbasierter Forschung in Erinnerung zu rufen. Diese sind: erstens, die angelegten Suchkriterien, wie die Auswahl der Archive und die gewählten ›Filter‹ bei der Durchsicht des Materials. Zweitens gilt für jedwede archivbasierte Forschung die strukturelle Grundbedingung, dass in Archiven nur zu finden ist, was war, und nicht, was nicht war. Performancepositionen, die nicht in den untersuchten Institutionen auftraten, blieben damit unsichtbar. Ebenso unsichtbar blieben Veranstaltungen und Aktivitäten, die zwar im Museum stattgefunden haben, aber keine materiellen Spuren im Archiv hinterließen. Das leitende Kriterium bei den Recherchen war, nach möglichst frühen und einschlägigen Beispielen von Performance on Display zu suchen. Dies führte in Bezug auf Institutionen zu einer Verdichtung von Erkenntnissen über Museen der Ostküste

1 Es fanden sich mehrfach Hinweise, dass sich die Gewichtung von Performance als Ausdrucksform im Verlauf künstle­r­ischer Karrieren ebenso änderte wie das Verhältnis von Künstler*innen zum Museum. Ähnliches gilt für den Stellenwert von Performance in den Gesamtprogrammen von Museen.

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und des Mittleren Westens und in Bezug auf Künstler*innen über die New Yorker Performanceszene. Zwei besonders naheliegende Erweiterungen wären hier Untersuchungen zu der regen Performance- und Museumsszene Kaliforniens sowie zu US-amerikanischen Universitätsmuseen, insbesondere an Universitäten, die auch künstlerische Studiengänge anboten.2 Auch eine Ausweitung der Untersuchungen über den US-amerikanischen Kontext hinaus wäre möglich und wünschenswert. Zu den – aus feministischer Perspektive erfreulichen – Erkenntnissen der Publikation gehört, dass mit dem Eintritt von Performance ins Museum erstmals eine größere Zahl an Künstlerinnen Zugang zum Museum erhielt und sich auch innerhalb der Institutionen die Machtverhältnisse zwar keineswegs umkehrten, aber doch zugunsten einer neuen Generation an Kuratorinnen verschoben. Vielfach wurde aber deutlich, dass andere im Museum marginalisierte Gruppen auch im Zusammenhang mit Performance kaum Berücksichtigung fanden. Es liegt damit auf der Hand, dass noch weitere, zu diesem Buch alternative Geschichten von Performance on Display zu schreiben wären und der hier thematisierte Anbruchspunkt für Per­ formance in Museum nur für eine bestimmte Gruppe an Künstler*innen gilt. Dies schmälert gewonnenen Erkenntnisse nicht, ist aber im Sinne einer Leer- oder Fehlstelle im Bewusstsein zu halten, wenn im Folgenden generalisierend von US-ameri­ kanischer Performancekunst der 1970er-Jahre und ihrem Verhältnis zum Museum die Rede ist.

Synopse der Kapitel In der Exposition wurden schlaglichtartig einige historische Zusammenhänge zwischen dem Streben der modernen Avantgarden nach einer lebendigen Kunst und künstlerischer Museumskritik hergestellt. Es wurde auf eine dialektische Verkettung verwiesen, die beide miteinander verbindet. Am Beispiel der ›frühen‹ Museumsperformances von Yayoi Kusama, der Gruppe GAAG und Mierle Laderman Ukeles ließ sich dies auf das Verhältnis von Performance und Museum zuspitzen. Für alle genannten Künstler*innen zeichnete sich ein ambivalentes Verhältnis zum Museum ab und eine Tendenz, Museumskritik in ihre Kunstpraxis zu integrieren. Anhand der Reaktionen der jeweiligen Museen ließ sich zeigen, dass sich auch hier um 1970 eine Tendenz zur Integration kritischer künstlerischer Praktiken abzeichnete. So ließ sich für das folgende Jahrzehnt auf ein Verhältnis zwischen Performance und Museum vorausweisen, das eher von Kooperation als von Konfrontation geprägt war.

2 Mögliche Ausgangspunkte könnten sein: das Berkeley Art Museum and Pacific Film Archive (BAMPFA) und das California Institute of the Arts (CAL Arts) oder zwei inzwischen geschlossenen Institutionen, das Los Angeles Institute of Contemporary Art (LAICA) und das Finch College Museum of Art, New York, deren Akten in den Archives of American Art in Washington D.C. aufbewahrt werden.

Synopse der Kapitel

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Im Zentrum des ersten Kapitels stand das Verhältnis zwischen modernem Tanz und Museum am Anbruch der Postmoderne. Konkretes Beispiel war eine Aufführung der Merce Cunningham Dance Company im Walker Art Center, 1972. Über eine Parallelführung von Cunninghams choreografischer Praxis und der Museums­ architektur des Walker konnten anhand von Strategien wie ›Reduktion‹ oder ›Flexibilität durch Modularisierung‹ diverse konzeptuelle Parallelen aufgezeigt werden. Als geteilte Anliegen ließen sich kontrollierte Gesten der Grenzüberschreitung sowie eine Individualisierung des Kunst- und Museumserlebnisses benennen. Zugleich zeigte sich eine beiderseitige Tendenz zu Theatralität (im Sinne Michael Frieds) und Performanz. Die besondere Kompatibilität (post-)modernen Tanzes und (post-)moderner Museumskonzeptionen, auf die in der Forschung bislang eher vage hingewiesen wurde, ließ sich anhand dieses konkreten historischen Beispiels untermauern. Das zweite Kapitel widmete sich dem musealen Ausstellen von Performance. Am Beispiel von Bodyworks im MCA Chicago, 1975, der ersten Body-Art-Ausstellung in einem Museum, konnten Erkenntnisse über die Herausbildung von Ausstellungsstrategien für körper- und zeitbasierte Kunst gewonnen werden. Konkret zeichnete sich hier der Ansatz eines hybriden Ausstellungstypus’ zwischen liveness und medialer Vermittlung ab. Darüber hinaus ergaben sich Hinweise auf einen spezifisch US-amerikanischen Zugang zur Body Art, der sich durch einen betont rationalen Umgang mit Medien- und Materialfragen und eine ›kühle Ästhetik‹ auszeichnete. Die viel­ fältigen Strategien der Mediatisierung und die intensive Zusammenarbeit vieler Body-Art-Künstler*innen mit Galerien legten nahe, dass die Body Art eine Kunstform war, die von vornherein auf (museale) Ausstellbarkeit angelegt war. Das dritte Kapitel befasste sich mit einem Performancefestival im Whitney Mu­ seum, 1976. An diesem Beispiel zeigten sich die unterschiedlichen Erwartungs- und Möglichkeitsräume der beteiligten Künstler*innen und des Museums. Eine Verortung des Festivals im Gesamtprogramm des Museums gab Aufschluss über den ambivalenten Stellenwert von Performance in der musealen Programmgestaltung, die sich als präsent, nicht aber prominent erwies. Im Vergleich zum halb-kommerziellen Bodybuilding-Symposium Articulate Muscle ließen sich dann Aspekte einer ›Even­ tisierung‹ des Museums herausarbeiten. Die Öffnung des Museums für eine leben­ digere Programmgestaltung wurde als eine Suchbewegung fassbar, die nicht nur avantgardistische Kunst, sondern auch populäre Events ermöglichte. Das vierte Kapitel widmete sich der Distribution von Performance in der zweiten Hälfte der 1970er-Jahre. Ausgangspunkte waren die Agentur Art Performances Inc. und der soziale sowie institutionelle Kontext, in dem sie agierte. Das kunstinhärente desire to show wurde als wesentlicher Antrieb jeglicher Kunstdistribution identi­ fiziert und damit betont, dass Performance, anders als dies die Forschung oft implizierte, nie außerhalb des Marktes stand. Es ließ sich nachweisen, dass viele Per­ formancekünstler*innen der 1970er-Jahre an der Distribution und Vermarktung ihrer Kunst interessiert waren und dass Performance auch in ihrer Live-Form distri­ buiert werden konnte. Neben den Museen zeichnete sich ein internationales

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Netzwerk an Kunsträumen, Festivals, Biennalen und Kunstmessen als Abnehmer für Live-Performances ab. Diese Institutionen bildeten somit einen Markt jenseits des objektbasierten Kunsthandels und trugen zur Bekanntheit und Popularität von Performance bei. Auf der Makroebene wurde auf einen Zusammenhang zwischen Performance und dem anbrechenden Dienstleistungszeitalter verwiesen. Die Immaterialität von Performance wurde dabei als eine höchst ambivalente Eigenschaft zwischen Marktentzug und Marktwert sichtbar. Im fünften Kapitel standen die staatliche Kunstförderung und ihr Einfluss auf Performance on Display im Fokus. Ausgehend von dem besonderen historischen Verhältnis zwischen Staat und Kunst in den USA konnte gezeigt werden, dass eine ab den mittleren 1960er-Jahren einsetzende intensive Kultur- und Kunstförderpolitik die Herausbildung von Performance(-kunst) ebenso begünstigt hat wie eine Diversifizierung und Dynamisierung der Programmgestaltung von Museen. Das goldene Zeitalter der Performancekunst und Performance on Display standen also in einem direkten Zusammenhang mit diesen Fördermaßnahmen, allerdings keineswegs in ihrem Zentrum. Das Besondere an diesem historischen Moment war vielmehr, dass Kunstwelt, Gesellschaft und Politik die Überzeugung teilten, dass Kunst und Krea­ tivität ein wichtiger Beitrag zu einer freien, demokratischen und leistungsfähigen Gesellschaft sind.

Wie kam Performance ins Museum? Auf der Ebene historischer Ereignisse lässt sich festhalten, dass der Weg von Performance ins Museum nicht über Ankäufe oder Schenkungen führte. Performance wurde in Museen anfangs ausschließlich in Form von Veranstaltungen oder Aus­stel­ lungen gezeigt, als Performance on Display. Hier lassen sich nun drei Wege be­schrei­ ben, die jeweils von einer anderen Dynamik im Beziehungsgefüge von Künst­ler*innen, Institutionen und Kontextfaktoren gekennzeichnet sind. Weg 1: Künstlerische Initiativen Ein erster Weg für Performance ins Museum zeichnete sich in den ausgehenden 1960er-Jahren ab, als sich Künstler*innen wie Yayoi Kusama oder die GAAG den musealen Raum unaufgefordert durch performative Aktionen aneigneten. Unabhängig davon, ob diese Guerilla-Aktionen als Protestkunst, eigenständige Kunstwerke oder als künstlerisches Selbstmarketing interpretiert werden, erschienen hier erstmals lebendige Körper als Kunst im einflussreichen MoMA. Diese Aktionen sind somit als Anbruchspunkte für das Phänomen Performance on Display zu werten. Da  nachweislich keine Einladung seitens des Museums erfolgte, trat Performance hier, metaphorisch gesprochen, durch die Hintertür ins Museum ein. Ähnliches galt für die Performances von Mierle Laderman Ukeles, die zwar im Einvernehmen mit

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dem Museum (dem Wadsworth Atheneum) ausgeführt wurden, jedoch allein auf die Initiative der Künstlerin zurückgingen. Die Mehrheit ›früher‹ Kunst-Performances fand nicht in Museen, sondern in alternativen Kunsträumen statt. Viele dieser Orte wurden von Künstler*innen gegründet, die sich damit eine öffentliche Plattform schufen und sich selbst zu einem grö­ ßeren Mitbestimmungsrecht im Kunstsystem verhalfen. Anders, als es der Vorsatz des ›Alternativen‹ impliziert, bildeten diese Orte kein vollkommen neues, tatsächlich alternatives System, sondern gliederten sich als Instanzen oder Mikro-Institutionen in das bestehende Kunstsystem ein. Mit ihrer zunehmenden Institutionalisierung (gemeint ist hier vor allem die Festigung und Professionalisierung institutioneller Strukturen) näherten sie sich strukturell dem Konzept Museum an. Damit etablierten sich auch die Szenen, die dort verkehrten und die Kunst, die dort gezeigt wurde. Sie wurde ›museumsreif‹. In beiden Fällen war die Eigeninitiative von Künstler*innen der Antrieb für den Eintritt von Performance ins Museum, sodass von einer Institutionalisierung ›von unten‹ oder einer Selbstinstitutionalisierung die Rede sein kann. Weg 2: Einladung durch Museen Die Initiativen für die in den Kapiteln untersuchten Fallbeispiele gingen von den gastgebenden Institutionen beziehungsweise ihren Mitarbeiter*innen aus. Hier kam Performance auf Einladung, das heißt durch die institutionellen Strukturen und Rahmenbedingungen, ins Museum. Erneut metaphorisch lässt sich von einem Eintritt durch die Vordertür sprechen. Unter den untersuchten Museen übernahmen das MCA Chicago und das Walker Art Center dabei eine Vorreiterrolle. Mit dem Whitney Museum war aber auch eines der großen US-amerikanischen Museen früh involviert. Das MoMA folgte etwas später und weniger entschlossen, war aber keineswegs, wie von Amelia Jones vermutet, vollkommen »performance-resistant«.3 In all diesen Museen lassen sich zwei weitestgehend getrennte Entwicklungsstränge verfolgen: Performances aus der Tradition der bildenden Kunst und Performances aus der Tradition der darstellenden Kunst. Für Performance aus dem Bereich der bildenden Kunst ließen sich in keinem der Museen Veranstaltungen vor 1967 nachweisen. Die ersten Beispiele, wie die Eröffnungsperformance von John Cage, Alison Knowles und Dick Higgins für das MCA Chicago, 1967, oder der Live-Auftritt Bruce Naumans mit Meredith Monk im Whitney Museum, 1969, waren, ähnlich, wie die zuvor genannten Guerilla-Performances, Performancekunst avant la lettre. Sie standen nicht im Zentrum dieser Publikation, sind aber im Sinne von Anbruchspunkten wichtig. Auffällig ist, dass solche besonders frühen Museumsperformances meist Teil von Begleitprogrammen waren und/ oder im Kontext von Prozess- und Konzeptkunst-Ausstellungen stattfanden, die sich in unterschiedlichen Variationen für alle untersuchten Museen zwischen 1967 und 3 S. Einleitung, S. 16.

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Schluss

1971 nachweisen lassen und in Bezug auf ihre Live-Bestandteile eine eigene Unter­ suchung verdienten.4 Erst ab den mittleren 1970er-Jahren gab es Projekte wie Bodyworks im MCA Chicago oder das Performancefestival im Whitney Museum, die Body Art beziehungsweise Performancekunst als eigenständige Kunstformen präsentierten. Im MCA Chi­ cago war für die Jahre nach der Bodyworks-Ausstellung ein besonderes Engagement im Bereich Performancekunst zu verzeichnen, meist in Form von Veranstaltungsreihen oder kleinen Festivals. Aufführungen der darstellenden Kunstformen Tanz, Theater und Musik lassen sich in den untersuchten Museen bereits früher nachweisen. Ein verstärktes Auftreten ihrer avantgardistischen Ausprägungen fand aber auch hier erst ab den aus­ gehenden 1960er-Jahren statt. 5 Das Walker Art Center nahm dabei eine Vor­reiterrolle ein. Bereits 1969 wurde dort eine eigenständige Abteilung für darstellende Künste eingerichtet und Performance damit ein fester Platz im Museumsprogramm eingeräumt. Das Whitney Museum gehörte ebenfalls zu den Pionieren in diesem Bereich. Hier ist vor allem auf die Veranstaltungsreihe Composers’ Showcase zu verweisen, die ab 1969 Neue Musik und zeitgenössischen Tanz präsentierte. Diese Veranstaltungen waren, im Vergleich zum Walker, weniger ein integraler Bestandteil, sondern eher ein Zusatz zum bestehenden Programm und setzten stärker auf den Unter­ haltungswert der Performances. Ähnliches galt auch für die Summer Garden-Reihe des MoMA (ab 1971), die sich auf Tanz und Konzerte konzentrierte. Weg 3: Die Unterstützung Dritter Der Eintritt von Performance ins Museum wurde durch die direkte und indirekte Unterstützung von Galerien, Agenturen und Kulturpolitik befördert. Um bei der gewählten Metaphorik zu bleiben, trug hier die Unterstützung Dritter Performance an die Schwelle des Museums. Die Agentur Art Performances Inc. war eine Akteurin, die Performance ganz direkt an Museen vermittelte. Diese Agentur fand im Bereich der darstellenden Künste eine Entsprechung in der Organisation Performing Artservices Inc. Die Untersuchung der Ausstellung Bodyworks legte nahe, dass für eine Zusammenarbeit zwischen Museen und Künstler*innen eine professionelle Vertretung wichtig war. Nicht nachzuweisen war eine nennenswerte Unterstützung durch mächtige Galerien und Sammler*innen, die notwendig gewesen wäre, um Performance ›von oben‹ in den großen Museen zu etablieren. 4 Folgende Ausstellungen könnten hier Ausgangspunkte sein: Pictures to be Read/Poetry to be Seen, MCA Chicago, 1967; Art by Telephone, MCA Chicago, 1969; Information, MoMA, New York, 1970; Software, Jewish Museum, New York, 1970; Works for New Spaces, Walker Art Center, Minneapolis, 1971. 5 Avantgarde-Theater war kein Schwerpunkt dieser Publikation, spielt jedoch für Performance on Display eine wichtige Rolle. Ein Ausgangspunkt für weiterführende Untersuchungen könnte die Theatergruppe Mabou Mines sein, die besonders häufig in Museen auftrat. Das Archiv des MCA Chicago hat in seinen Performanceakten eine eigene Kategorie für Theater und auch das Archiv des Walker Art Center, Minneapolis könnte ein lohnender Startpunkt sein. Analog zum Tanz gab es auch Förderstrukturen für Theater, die ebenfalls interessant zu untersuchen wären.

Wie kam Performance ins Museum?

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Die staatliche Kunstförderung war ein weiterer Faktor, der zu einer Annäherung von Performance und Museum beitrug. Die Auswirkungen der Förderung reichten von Anreizen zu einer allgemeinen Professionalisierung (für das künstlerische wie das institutionelle Feld) über die Schaffung ökonomischer Frei- oder Möglichkeitsräume für Künstler*innen durch Stipendien und Tournee- und Residenz-Programme bis hin zur Förderung von performancebezogenen Veranstaltungen in Museen. Der Effekt dieser Initiativen wurde durch ihre Vorbildfunktion für weitere staatliche und private Förderung noch verstärkt. Ein drittes Feld, dessen unterstützende Funktion für Performance on Display noch näher zu untersuchen wäre, ist das der Bildung, Bildungspolitik und Museums­ pädagogik. An verschiedenen Stellen der Publikation wurde deutlich, dass die akade­ mische Künstler*innenausbildung und die kulturwissenschaftliche Theoriebildung der Zeit eine wesentliche Voraussetzung für die Herausbildung von Body Art und Performancekunst waren. Museen wiederum zeigten Performance im Kontext von outreach-Programmen und anderen museumspädagogischen Initiativen. Beides, die Akademisierung der Künstler*innenausbildung und die pädagogische Ausrichtung von Museen, wurde durch die staatlichen Förderprogramme des NEA und dessen Schwesterbehörde, des NEH, vorangetrieben. To be or not to be in the museum? Der Performancebegriff und das Medium Performance sind zu fluid, um ein festes Eintrittsdatum für Performance ins Museum oder ein Datum ihrer Etablierung im Museum zu bestimmen. Treffender scheinen das Bild einer nicht-linearen Suchbewegung oder eines Wechselspiels. Weitet man den Blick auf das gesamte Jahrzehnt der 1970er-Jahre, wird eine Gesamttendenz zur Integration sichtbar, die ab den aus­ gehenden 1960er-Jahren beginnt und um 1977 einen Höhepunkt erreichte. Aus der historischen Distanz zeigt sich, dass dies keine letztgültige Etablierung von Per­ formance im Museum bedeutete, sondern dass ab den mittleren 1980er-Jahren wieder ein Rückgang lebendiger Veranstaltungen in Museen zu verzeichnen war. Dies würde für das Bild einer Wellenbewegung sprechen, wie es Claire Bishop für Tanz im Museum feststellte.6 Künstlerische Initiativen gingen der Einladung von Performance ins Museum häufig voraus. Deshalb ist anzunehmen, dass das künstlerische Feld die entschei­ dende Triebfeder für den Eintritt von Performance ins Museum gewesen ist. Museen waren für Performancekünstler*innen mehr als nur eine institutionelle Abgrenzungsfolie. Als öffentliche Plattformen versprachen sie Sichtbarkeit und Anerkennung. Indem sie die Realisierung von Werken anstießen und/oder finanzierten, konnten sie sogar zu Kooperationspartnern und Kollaborateuren werden. Damit ist erneut darauf verwiesen, dass das Bild einer Institutionalisierung ›von oben‹ zu korrigieren ist.

6 S. Einleitung, S. 16.

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Schluss

Fruchtbarer scheint es, stattdessen an Oskar Bätschmanns Konzept des ›Ausstellungs­ künstlers‹ anzuschließen, das die Verlebendigung und Erfahrungsorientierung der Kunst und ihr Drängen ins Museum als sich gegenseitig bedingende Dynamiken beschreibt, die aus der Notwendigkeit des (Sich-)Zeigens erwachsen, einer struk­ ­tur­ellen Grundbedingung des modernen Kunstsystems.7

Produktive Momente Auf der zweiten Argumentationsebene (des Mediums und der Institutionen) werden einige der produktiven Momente greifbar, die sich im Zuge der Aushandlungsprozesse zwischen lebendiger Kunst und der Institution Museum ergeben. Sie lassen sich jeweils als Reaktionen auf die spezifischen Anforderungen lesen, die beide aneinander stellten. Museum und Performance: Mobilität und Permanenz Der institutionelle Rahmen des Museums fordert Kunst, die dort gezeigt werden soll, konkrete Eigenschaften ab, insbesondere die Fassbarkeit und Benennbarkeit als Werk. Um den Weg ins Museum zu finden, müssen Werke mobil sein sowie aus­ reichend plan- und berechenbar. Sollen sie Teil einer statischen Ausstellung oder einer Sammlung werden, ist Permanenz ein zusätzliches Kriterium. Die untersuchten Kooperationen zwischen Performer*innen und Museen ließen keinen Zweifel daran, dass lebendige Kunst der 1970er-Jahre diesen Anforderungen nachkommen konnte und auch nachgekommen ist. Im Tanz, in der Body Art und in der Performancekunst entwickelten sich jeweils besondere Strategien in Bezug auf Mobilität und Permanenz, die eine Kompatibilität mit dem Museum als Aufführungs- und Ausstellungsort ermöglichten. Im Bereich des Tanzes, einer traditionell körperbasierten Kunstform, ist die Mobilität choreografischer Werke eine Selbstverständlichkeit. Tanzstücke lassen sich auf beliebigen Theaterbühnen aufführen, sofern die benötigten räumlichen und tech­ nischen Voraussetzungen erfüllt sind. Da für Museen andere räumliche und zeitliche Bedingungen und Rezeptionskonventionen gelten, ist hier eine Mobilisierung auf konzeptioneller Ebene gefordert. Am Beispiel der choreografischen Praxis Merce Cunninghams zeigte sich, dass Stücke, die für die Theaterbühne entstanden waren, entsprechend angepasst oder sogar völlig neu konzipiert wurden. Der Aufführungsort Museum begünstigte räumlich und zeitlich dezentrale Choreografien und nicht-line­ are (narrative) Strukturen. Die faktische Mobilität von Tanz nahm im Untersuchungszeitraum durch die Unterstützung staatlicher Förderprogramme zu.

7 S. Exposition, S. 46.

Produktive Momente

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Im Gegensatz zum Tanz galt in der bildenden Kunst traditionell eine klare Trennung von Künstler*in und Werk. Im Verlauf des 20. Jahrhunderts wurde diese Trennung zunehmend in Frage gestellt und im Zuge unterschiedlicher Grenzverschiebungen zwischen Kunst und Leben erprobt. Die radikale Verbindung von Körper und Werk in der Body Art war ein besonderer Kulminationspunkt dieser Entwicklungen. Im Abgleich mit den ›entgrenzten‹ Kunstformen der 1960er-Jahre ist das Zusammenfallen von Künstler*in und Werk nicht nur als eine absolute Entgrenzung der Kunst (auf das Leben) zu verstehen, sondern auch als eine Anpassungsbewegung an den Ausstellungsraum und das Museum.8 Besonders im Vergleich zu den vorausgegan­ genen körperbezogenen Kunstströmungen, wie dem Happening oder dem Environment, die durch ihre relationalen und partizipativen Elemente ein komplexes Beziehungsgeflecht mit dem Ort ihrer Entstehung und/oder Aufführung verband, waren Body-Art-Kunstwerke, die sich auf den Körper eines Künstlers oder einer Künstlerin ›zurückzogen‹, ortsunabhängiger und mobiler. Diese Mobilität ließ sich durch die Übertragung des Werks in Aggregatzustände zusätzlich vergrößern. Body-Art-Kunstwerke konnten dann auch unabhängig von ihren Autor*innen zirkulieren und aus­ gestellt werden. Performancekunst leitete sich aus beiden Traditionen, der darstellenden und der bildenden Kunst, ab. Auch hier galt eine Konzentration des Werks auf den Künst­ ler*innenkörper, wobei häufiger als in der Body Art Requisiten und technische Medien zum Einsatz kamen. Und doch blieb Performancekunst eine im Kern theatrale und weitestgehend ortsunabhängige Kunstform. Wie in der Body Art bestand die Möglichkeit der Übertragung in Aggregatzustände. Im Zusammenhang mit der Vermittlung von Performancekunst an Museen ließen sich hier zwei ›Mobilisierungsstrategien‹ für Live-Performances identifizieren. Repertoire-Performances konnten als eine Art ›lebendige Edition‹ von Museen gebucht werden. Demgegenüber wurden Residenz-Performances über einen längeren Zeitraum entwickelt und bezogen häufiger partizipative Elemente ein. Sie waren deshalb ortsspezifischer und schwie­ riger zu wiederholen. Die Mobilität des Werks bezog sich hier weniger auf seine Realisierung, sondern auf das Konzept, das ihr vorausging. Beide Typen sind selbst­ verständlich nicht absolut, sondern konnten ineinander übergehen. Eine dritte Möglichkeit der Mobilisierung von Live-Performances ist die delegierte Performance, die in den 1970er-Jahren zunächst vereinzelt vorkam, etwa bei Scott Burton oder Jared Bark, und die in Museen heute gängige Praxis ist. Diese Form lässt sich als Live-­ Aggregat beschreiben. Permanenz können Performancewerke nur in objektförmigen Aggregatzuständen erreichen.9 Die Herstellung von Performancedokumentation, etwa in Form von  Fo8

Die Body Art war zudem wegen ihrer besonderen Lebensnähe erst recht auf Kunstinstitutionen angewiesen, um als Kunst erkennbar zu bleiben. Darin spiegelt sich die in der Exposition erläuterte dialektische Verkettung ›entgrenzter‹ Kunst mit Orten der Kunst. 9 Die eben genannten delegierten Performances sind eine Ausnahme von der Regel. Sie können als Konzept zirkulieren und werden heutzutage auch als solches von Museen angekauft.

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tografie, Film, Video oder auch Texten, ist deshalb die Grundbedingung für eine dauerhafte Präsenz von Performance im Museum. In allen Kapiteln fanden sich Hinweise, dass die Werkdokumentation ein zentrales Anliegen vieler Künstler*innen war. Dies galt für die Guerilla-Performer*innen ebenso wie für Tänzer*innen, BodyArt- und Performancekünstler*innen. Der Bedarf an professioneller Performancedokumentation führte sogar dazu, dass sich einige Fotograf*innen auf dieses Feld spezialisierten.10 Insbesondere im Falle der Body Art war die Werkdokumentation ausdrücklich auf eine Ausstellbarkeit und Sammelbarkeit ausgerichtet. Die streitbare These, dass sich frühe Performance einer Dokumentation verweigert oder entzogen habe, ist auf der Ebene konkreter historischer Praxis als Mythos zu verwerfen. Es gehört zu den besonderen Erkenntnissen dieser Publikation, dass ganz unterschiedliche institutionelle Kontexte gezielt Anreize für eine professionelle Dokumentation und Archivierung performativer Kunst setzten. Museen forderten Bildund Textmaterial von Performancekünstler*innen sowohl für Ausstellungen als auch für die Projekt-Planung und die Öffentlichkeitsarbeit. Sie stellten mitunter sogar selbst Per­formancedokumentation her oder produzierten Aggregate für Ausstellungen und be­teiligten sich damit aktiv an der Werkproduktion. Andere Bereiche, die eine Dokumentation von Performancewerken erforderten, waren Kunstmagazine, Galerien, Agenturen und die Kunstförderung. Für alle diese Zusammenhänge benötigten Künstler*innen aussagekräftige Portfolios. Darüber hinaus fanden sich mehrfach Hinweise, dass eine adäquate Archivierung dieses Materials ein zunehmend verbreitetes Anliegen unter Künstler*innen und Institutionen gewesen ist, was wiederum eine notwendige Voraussetzung für den späteren Zugriff durch das Museum und die Kunstgeschichtsschreibung war. Wenngleich es für den Untersuchungs­ zeitraum noch keine konkreten Hinweise auf das Sammeln von Performance durch Museen gab, wurde dieser Schritt durch die Objektwerdung von Performance sowie ihre Distribution als Objekt und Event vorbereitet. Performance und Museum: Aktualität und Flexibilität Die Anforderungen, die nun umgekehrt Performance an die Institution Museum stellte, waren sowohl ideeller als auch praktischer Natur und lassen sich unter den beiden Stichworten Aktualität und Flexibilität zusammenfassen. Museen gerieten in den ausgehenden 1960er-Jahren unter einen massiven Innovationsdruck, der nicht zuletzt von Künstler*innen ausging. Die in der Exposition diskutierten Protestaktionen im MoMA, 1969, zeigten das besonders deutlich. Gefor­ dert wurde eine Demokratisierung des Museums und seine Hinwendung zur Gegenwart, im Sinne einer stärkeren Berücksichtigung aktueller Kunst. Zudem sollten Museen ihre Relevanz für die Gegenwart beweisen, indem sie zu aktuellen Themen Haltung bezogen und sich einem diverseren Publikum sowie einem breiteren Spek­

10 S. Einleitung, S. 26, Anm. 84.

Produktive Momente

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trum an Künstler*innen öffneten. Performance war hier auf unterschiedlichen Ebenen involviert: zunächst ganz konkret als ein neues und aktuelles Kunstmedium, das es zu berücksichtigen galt, dann als Ausdrucksform einer bestimmten künstlerischen Szene und ihrer politischen Ideale und schließlich symbolisch als Verkörperung derjenigen Lebendigkeit, die dem Museum stets in Abrede gestellt wurde. Performance zu zeigen, war folglich für Museen ein Weg, Aktualität und Lebendigkeit zu beweisen und zugleich, im Namen von Demokratie und Inklusion, in einen direkten Dialog mit Künstler*innen und Publikum zu treten. Als ein konkreter Ausdruck dieser Bemühungen ist hier noch einmal das Format der Künstler*innenResidenz hervorzuheben. Beispiele für dieses Format fanden sich vor allem im Walker und im MCA Chicago. Gleich, ob für Tanz, Theater oder Performancekunst boten Residenzen die Möglichkeit, das Museum als Atelier zu inszenieren und künstlerische Kreativität und Produktivität gleichsam an der Wurzel zu fassen und ins Museum zu ›transplantieren‹. Die Unmittelbarkeit von Live-Performances forderte von Museen, deren institu­ tionelle Konventionen sich aus dem Umgang mit statischen Objekten heraus entwickelt hatten, ihre Zeit- und Planungshorizonte anzupassen. Wie sich am Beispiel des Festivals im Whitney oder der Performance von Chris Burden im Rahmen von Bodyworks im MCA Chicago zeigte, musste bei einer Zusammenarbeit mit lebendigen Performer*innen mit Überraschungen und kurzfristigen Abweichungen gerechnet werden. In allen Museen kam es im Zusammenhang mit Performances zu Verschiebungen der regulären Öffnungszeiten, oft in die Abendstunden hinein, im Falle Burdens sogar die Nacht hindurch. Daran knüpfte sich ein erhöhter Personalbedarf und es ergaben sich neuartige Sicherheits- und Versicherungsfragen. Eine wesentliche Erweiterung des musealen Aufgabenspektrums im Zusammenhang mit Performance betraf den Bereich des Veranstaltungsmanagements. Am Beispiel des Whitney-Fes­ tivals zeigte sich, dass einige Performances komplexe Veranstaltungstechnik benötigten, dass Probenzeiten koordiniert werden mussten oder eine andere Form des Be­ such­er*innenmanagements notwendig war. Diese neuen Aufgabenbereiche führten in den Museen zu Verschiebungen von Personalstrukturen. Die Einrichtung einer eigenen Abteilung für darstellende Kunst, wie im Walker, 1969, war hier ein besonders sichtbarer Schritt, blieb aber zunächst die Ausnahme. Im MCA Chicago war das Live-Programm im Kontext der Öffentlichkeitsarbeit angesiedelt und dort die Aufgabe einer darauf spezialisierten Mitarbeiterin. Im Whitney Museum waren sowohl Mitarbeiter*innen aus dem kuratorischen als auch aus dem pädagogischen Bereich in die Programmierung von Performance involviert. Am Beispiel der Kuratorin Marcia Tucker zeigte sich, dass es in Museen eine interne, kuratorische Avantgarde geben konnte, die zwischen den Anliegen und Ideen der Künstler*innen und der Museumsleitung vermittelte. In allen unter­ suchten Museen zeichneten sich Anbruchspunkte für das Berufsbild der*des Performancekurator*in ab.

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Schluss

Lebendige Kunst forderte Museen auch auf räumlicher Ebene Flexibilität ab. Der Neubau des Walker, 1970, der ein Auditorium besaß und für dessen Ausstellungsräume auf Multifunktionalität Wert gelegt wurde, entstand ausdrücklich als Reaktion auf eine zunehmende Lebendigkeit der Kunst. Aus heutiger Perspektive war dieser Ansatz für viele weitere Museumsbauten wegweisend.11 In der damaligen Zeit konnte der Erfolg dieses Konzeptes mit dem Auftritt der Merce Cunningham Dance Company eindrücklich unter Beweis gestellt werden. Eine solche Präsentation von Performance in installierten Ausstellungen war allerdings hier wie andernorts die Ausnahme. Eine gängigere Strategie der Museen war es, leere Ausstellungssäle in Übergangszeiten für Performance zu nutzen oder als Produzenten aufzutreten und externe Veranstaltungsorte anzumieten. Das Whitney richtete mit seinem Downtown Branch eine Außenstelle ein, die sich auf Performances und Veranstaltungen konzentrierte. Damit ergibt sich ein ambivalentes Bild. Die Aufnahme von Performance in museale Programmportfolios, zu der auch die Kunstförderung wesentliche Anreize setzte, bedeutete einerseits eine Verbreiterung und Dynamisierung, andererseits bestanden die herkömmlichen Programmelemente beinah unberührt weiter fort. Die Anforderungen und Anreize zu Mobilität und Permanenz, die mit der muse­ alen Aufmerksamkeit für performative Kunstformen einhergingen, dürften maßgeblich zur Verfestigung und Etablierung von Performancekunst als eigenständigem Medium beigetragen haben. Umgekehrt wäre die Entwicklung des Museums zum Veranstaltungs- und Erfahrungsort ohne die Impulse lebendiger Kunst und damit auch Performance nicht zu denken. Diese Erkenntnisse gilt es historisch zu perspektivieren. Die Verlebendigung der Kunst und die Erfahrungs- und Ereignisorientierung von Museen begannen beide nicht erst in den 1970er-Jahren. Im Bereich der Kunstproduktion war das Prinzip der Annäherung von Kunst und Leben für alle Avantgardebewegungen – und genau genommen bereits für viel frühere Künstler*innengenerationen – leitend und fand in der Performancekunst eine besondere Verdichtung. Die Ereignisorientierung des Museums kam bereits spätestens um 1900 mit der Einführung von Wechselausstellungen in Gang und fand in Performanceveranstaltungen, die noch stärker auf eine Kunsterfahrung im Hier und Jetzt abzielten, ihrerseits eine Intensivierung. Das Phänomen Performance on Display trat in dem Moment in Erscheinung, als sich die Tendenzen zu mehr Lebendigkeit und Lebensnähe in der Kunst und im Museum fruchtbar trafen.

11 Zum Beispiel das ›neue‹ MoMA. S. Einleitung, S. 13, Anm. 11.

Produktive Momente

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Performance on Display als historisches Phänomen Ziel der dritten Argumentationsebene war es, das Wechselspiel von Performance und Museum in seinem historischen Kontext zu betrachten. Die 1970er-Jahre wurden als ein Jahrzehnt politischer und gesellschaftlicher Aushandlungs- und Konsolidierungsprozesse gefasst, die die Entgrenzungs-tendenzen des vorausgegangenen Jahrzehnts ablösten. Am Konzept der documenta 6, das die Festigung neuer Mediengrenzen in der Kunst betonte, zeigt sich besonders konkret, dass dieses Bild auch auf das Feld der Kunst übertragbar war. Performance on Display lässt sich deshalb als ein Phänomen beschreiben, dessen Dynamik sowohl von den künstlerischen und gesellschaftlichen Entgrenzungstendenzen der 1960er-Jahre als auch von den damit in Gang geratenen Aushandlungs- und Konsolidierungsprozessen geprägt war. Im Dialog mit dem gesellschaftstheoretischen Diskurs der Zeit verarbeitete Performance der 1970er-Jahre auf inhaltlicher wie formaler/medialer Ebene Impulse des Kommunikations- und Medienzeitalters und der Me Decade. Viele Perfor­mance­ künstler*innen bewiesen ein forschendes Interesse an Identitätsfragen und am Verhältnis von Ich und Gegenüber. Auffällig war zudem der vielfältige Einsatz von Medientechnologie und die Reflexion medienbezogener Phänomene in Performancekunstwerken. Zugleich lässt sich das goldene Zeitalter der Performancekunst als eine Gegenbewegung zur zunehmenden Mediatisierung und Virtualität des Medienzeitalters lesen. Performance erscheint dann als eine Form der Rückbesinnung auf Präsenz, Authentizität und Körperlichkeit, die sich sowohl in der Kunst als auch in nicht-künstlerischen Phänomenen, beispielsweise dem Sport, spiegelten. Das für Performancekunst kennzeichnende Oszillieren zwischen Präsenz und Mediatisierung, zwischen Theatralität und Wirklichkeit, zwischen Sichtbarkeit und Entzug sowie zwischen Leistung und Leistungsverweigerung (oder auch: skilling und de-skilling) wird aus der Makroperspektive als Ausdruck der erstarkenden Performancekultur am Anbruch des Performancezeitalters sichtbar. Ähnliches gilt für das Performativwerden des Museums. Die beobachtete Hinwendung zur Gegenwart und die damit verbundene Dynamisierung der Ausstellungsprogramme lassen sich als Reaktionen auf ein wachsendes Bedürfnis nach Aktualität, Präsenz und direkter Kommunikation interpertieren. Vor diesem Hintergrund erweist sich das Phänomen Performance on Display als eine besonders augenfällige Manifestation der Performancekultur im Kunstfeld. Betrachtet man nun die Institution Museum, einschließlich der Kunst, die dort gezeigt wird, als Spiegel einer Gesellschaft, reflektiert das Phänomen Performance on Display in seinen sich wandelnden Ausprägungen dieses Performancezeit­ alter und seine Konjunkturen.

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Rückkehr in die Gegenwart Als sich Barak adé Soleil 2018 in Chicago die Treppenstufen des Art Institute hinaufund hinunterbewegte, knüpfte er aus der Perspektive dieser Publikation an die Tradition von Performance on Display an. Einige Elemente seines Auftritts geben Anlass, eine Brücke zu den Museumsperformances der 1970er-Jahre zu schlagen. Hier wäre zunächst die performative Auseinandersetzung mit dem Museum zu nennen, die darauf abzielte, die strukturelle Exklusivität der Institution offenzulegen. Parallelen ergaben sich auch mit Blick auf den performativen Einbezug der Museums­mit­arbei­ ter*innen und die Verwicklung des Publikums als Voyeur*innen in die Performance. Auf der Ebene des Mediums lassen sich Bezüge zum postmodernen Tanz, zur Body Art und zur Performancekunst herstellen. Die Integration der Werke von Daniel Buren und Grace Jones in die Performance, die beide im Jahr 1977 entstanden, verweist sogar direkt auf das goldene Performancezeitalter. Burens Arbeit kann stellver­ tretend für die institutionskritische und lebendigwerdende – in diesem Falle eher konzep­tionell als körperlich – Kunst dieser Zeit stehen, während Grace Jones die medien- und populärkulturelle Seite der Körper- und Performancekultur repräsentiert. Die Tatsache, dass adé Soleils Performance auf Einladung des Museums stattfand, deutet auf die beobachtete Tendenz einer institutionellen Integration von Kritik hin. Adé Soleils Performance war selbstverständlich mehr als ein schierer Rückgriff auf die 1970er-Jahre. Er knüpfte an eine schwarze und queere Performancetradition und die sogenannte disability performance an – Strömungen, die sich ab den 1980erJahren herausbildeten und heute, im 21. Jahrhundert, etabliert sind.12 Blackness, queerness und disability sind für adé Soleil keine gewählten, experimentellen Rollen, sondern integraler Bestandteil seiner Identität.13 Im Vergleich zu den histo­ rischen Performances scheint hier deshalb die Kopplung von Performer und Per­ formance noch enger, was als ein erneuter Verweis auf die gewachsene Bedeutung permanenter Performance gelten mag. Für das Verhältnis zwischen Künstler, Werk und Museum lässt sich ebenfalls eine Intensivierung feststellen. Dem Kurator zu­ folge entstand die Performance im Dialog mit dem Künstler, sodass ein Teil der Autor*innenschaft am Werk beim Museum lag.14 Die Einladung für die Performance erfolgte zudem im Rahmen einer etablierten Veranstaltungsreihe, mit der das Mu­ seum Künstler*innen ausdrücklich zu einer kritischen Auseinandersetzung mit seiner Sammlung aufforderte. Die Präsentation der Performance an prominenter Stelle im Museum lässt sich schließlich als ein Hinweis darauf lesen, dass Museen Perfor-

12 Ein einschlägiger Reader zum letztgenannten Feld ist: Sandahl, Carrie/Auslander, Philip: Bodies in Commotion. Disability u. Performance. Ann Arbor: U of Michigan P 2005. 13 Zum Vergleich lässt sich hier auf den Umgang mit blackness bei Eleanor Antin und Dennis Oppenheim (Vgl. S. 147 Anm. 42 u. S. 161, Anm. 104) sowie auf das Phänomen des de-skilling verweisen (Vgl. S. 251, Anm. 215). 14 »I invited Barak to perform at the museum and worked with him to develop the performance.« E-Mail [21.11.2019]: Michael Green an Lisa Beißwanger. A-A.

Rückkehr in die Gegenwart

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mance heute ins Zentrum der Aufmerksamkeit stellen. Insgesamt lässt sich festhalten, dass sich das Phänomen Performance on Display in vielerlei Hinsicht potenziert hat. Für Performance on Display in den 1970er-Jahren überwog zunächst das Bild einer zögerlichen Annäherung oder einer Suchbewegung. Am Ende des Jahrzehnts zeichnete sich sogar ein Rückgang des Phänomens ab. Erst aus der heutigen Perspek­ tive, vor dem Hintergrund der skizzierten Verbreiterung, erscheint das historische Phänomen nicht mehr als marginal, sondern als bedeutender Anbruchspunkt. Von hier aus, dies konnte der Brückenschlag in die Gegenwart andeuten, ließe sich nun fruchtbar weiter über Verbindungslinien und Veränderungen reflektieren. Eine wesentliche Kontinuität zwischen dem historischen und dem aktuellen Phänomen ist in der Performancekultur des fortschreitenden Medien- und Körperzeitalters zu suchen. So lange Künstler*innen, Museen und Publikum gleichermaßen auf der Suche nach Präsenz und Gegenwart sind, bringen sich Performance und Museum gegen­ seitig hervor und schreiben das Phänomen Performance on Display weiter fort.

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Anhang

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Audio- und Videoquellen

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A-MCA T = MCA Library and Archives, Per­ forming Arts Events Files 1967–1980, Theater, Museum of Contemporary Art, Chicago. A-MoMA = The Museum of Modern Art Archives, Museum of Modern Art, New York. A-NARA = National Archives and Records Administration, Washington D.C. A-SFMOMA Ad = San Francisco Museum of Modern Art Archives, Administrative Records, San Francisco Museum of Modern Art, San Francisco. A-SFMOMA Ex = San Francisco Museum of Modern Art Archives, Exhibition Records, San Francisco Museum of Modern Art, San Francisco. A-WA = Wadsworth Atheneum Museum of Art Archive, Wadsworth Atheneum, Hartford. A-WAC = Walker Art Center Archive, Performing Arts Coordinator Sue Weil, Walker Art Center, Minneapolis. A-WAC digital = Walker Art Center Archive, digi­ tale Datei, vom Archiv zur Verfügung gestellt. Walker Art Center, Minneapolis. A-WHIT = Whitney Museum of American Art, Frances Mulhall Achilles Library, Performance Series Archives, Whitney Museum of American Art, New York. A-WHIT CS = Whitney Museum of American Art, Frances Mulhall Achilles Library, Performance Series Archives, Series 3, Composers’ Show­ case and Performance, Whitney Museum of American Art, New York.

Verzeichnis der Archivquellen Sortierung nach Archivkürzel und Dokumenttyp

A-A: Privates Archiv der Autorin Flyer: Barak adé Soleil: up n down. Artists Connect, 15.03.2018. A-A. E-Mail [11.07.2018]: Jane Crawford an Lisa Beißwanger. A-A. E-Mail [03.11.2018]: Tom Marioni an Lisa Beißwanger. A-A. E-Mail [19.02.2019]: Robert C. Morgan an Lisa Beißwanger. A-A. E-Mail [20.02.2019]: Martha Wilson an Lisa Beißwanger. A-A. E-Mail [21.02.2019]: Martha Wilson an Lisa Beißwanger. A-A. E-Mail [26.03.2019]: Jane Crawford an Lisa Beißwanger. A-A. E-Mail [10.04.2019]: Jane Crawford an Lisa Beißwanger. A-A. E-Mail [24.04.2019]: Cee S. Brown an Lisa Beißwanger. A-A. E-Mail [24.04.2019]: Jane Crawford an Lisa Beißwanger. A-A. E-Mail [07.09.2019]: Julia Heyward an Lisa Beißwanger. A-A. E-Mail [26.03.2021]: Archivist APRA Foundation Berlin an Lisa Beißwanger. A-A. A-AAA: Archives of American Art, Smithsonian Institution Oral History Interview [15.03.2011]: Sue Heine­ mann mit Lucy Lippard. Online: https://web. archive.org/web/20200226151539/https:// www.aaa.si.edu/collections/interviews/oralhistory-interview-lucy-lippard-15936 (Zugriff: 26.02.2020).

Oral History Interview [08.10.2013]: James McElhinney mit Barbara Novak. Online: https://web.archive.org/web/20201201215246/ https://www.aaa.si.edu/collections/interviews/ oral-history-interview-barbara-novak-16149 (Zugriff 01.12.2020). Oral History Interview [17.–18.05.2017]: Liza Zapol mit Martha Wilson. Online: https://web. archive.org/web/20210120003926/https:// www.aaa.si.edu/collections/interviews/ oral-history-interview-martha-wilson-17463 (Zugriff: 20.01.2021). A-BAMPFA: University of California, Berkeley Art Museum and Pacific Film Archive Brief [10.06.1980]: Livingston L. Biddle, Jr. an Tom Marioni. A-BAMPFA, Inv. No. 995.46.12. 25.a-d. A-DeAp: De Appel Archive, De Appel Art Center Einladung [Presse]: documenta 6. A-DeAp. Plakat: Bodyworks Events. A-DeAp. A-DOC: documenta archiv, Aktenarchiv, documenta und Museum Fridericianum gGmbH Brief [03.10.1975]: Kasper König an Manfred Schneckenburger. A-DOC, d6, Mappe 73. Haftungsverzicht [16.09.1977]: Tina Girouard u. Gerard Murell – documenta GmbH, A-DOC, d6, Mappe 74. Interne Dokumente: Vorbereitungen Performance Gruppe. A-DOC, d6, Mappe 73–74. Internes Dokument: 1. Künstlerliste der Einladun­ gen für d6 (amerikanischer Bereich), A-DOC, d6, Mappe 73.

Verzeichnis der Archivquellen

491

Internes Dokument: O. A.: Augenzeugenbericht, d6-Performances. A-DOC, d6, Mappe 73. Interne Vorlage: Konzept der documenta 6. A-DOC, d6, Mappe 55. Korrespondenz [1977]: Joachim Diederichs und Tom Marioni. A-DOC, d6, Mappe 74. Korrespondenz: MCA Chicago (Katherine McHale) und Performancegruppe. A-DOC, d6, Mappe 105. Pressemitteilung: M. L. D’Arc Gallery: Galerie­ eröffnung. A-DOC, d6, Mappe 102. Vertrag: documenta GmbH und Laurie Anderson (vertreten durch Jane Crawford). A-DOC, d6, Mappe 74. Vertrag: documenta GmbH und Ralston Farina (vertreten durch Jane Crawford). A-DOC, d6, Mappe 74. Verträge: documenta GmbH und versch. Künstler*innen (vertreten durch Jane Crawford). A-DOC, d6, Mappe 74. A-GRI: Getty Research Institute, Getty Research Institute Brief [21.06.1975]: Judy Padow an Marcia Tucker. A-GRI MTP, Box 48, Mappe 4. Brief [12.01.1976]: Guerilla Art Action Group an Jean Dupuy; cc an: Marcia Tucker, Tom Armstrong, Luis Lefkowitz und Eleanor Holmes Norton. A-GRI MTP, Box 48, Mappe 6. Brief [28.01.1976]: Pamela Adler an Mimi Johnson. A-GRI MTP, Box 48, Mappe 4. Brief [02.1976]: Terry Allen an Marcia Tucker. A-GRI MTP, Box 48, Mappe 3. Brief [08.02.1976]: Stuart Sherman an Marcia Tucker. A-GRI MTP, Box 48, Mappe 4. Brief [15.03.1976]: Marcia Tucker an Michael Smith. A-GRI MTP, Box 48, Mappe 6. Briefvorlage [1975]: Absage [betr. Bewerbungen zur Whitney Biennale 1975] von Marcia Tucker und Barbara Haskell. A-GRI MTP, Box 48, Mappe 1. Einladungskarte: David Gordon at Paula Cooper [1974]. A-GRI MTP, Box 48, Mappe 1. Einladungskarte: Guy de Cointet presents [1974]. A-GRI MTP, Box 48, Mappe 1. Empfangsbescheinigung [17.02.1976]. Whitney Museum an Times Square Theater Corp. A-GRI MTP, Box 48, Mappe 7. Flyer und Einladungskarten. A-GRI MTP, Box 48, Mappe 1. Flyer: Laura Dean in The Kitchen [1976]. A-GRI MTP, Box 48, Mappe 1.

492

Anhang

Flyer: Ontological-Hysteric Theater. Richard Foreman: Rhoda [o. D.]. A-GRI MTP, Box 48, Mappe 1. Fragebogen [Aufbauskizze]: Adrian Piper. A-GRI MTP, Box 48, Mappe 4. Fragebogen [Aufbauskizze]: David Gordon/Valda Setterfield. A-GRI MTP, Box 48, Mappe 3. Fragebogen [Aufbauskizze]: Judy Padow. A-GRI MTP, Box 48, Mappe 4. Fragebogen [Aufbauskizze]: Julia Heyward. A-GRI MTP, Box 48, Mappe 3. Fragebogen [Aufbauskizze]: Laura Dean. A-GRI MTP, Box 48, Mappe 3. Fragebogen [Aufbauskizze]: Medicine Show Theatre Ensemble. A-GRI MTP, Box 48, Mappe 4. Fragebogen [Aufbauskizze]: Nancy Lewis/Richard Peck. A-GRI MTP, Box 48, Mappe 4. Fragebogen [Aufbauskizze]: Noa Ain. A-GRI MTP, Box 48, Mappe 3. Fragebogen [Aufbauskizze]: Robert Wilson/Chris­ topher Knowles/Lucinda Childs. A-GRI MTP, Box 48, Mappe 4. Fragebögen. Diverse. A-GRI MTP, Box 48, Mappe 3–4. Fragebogen: Guy de Cointet. A-GRI MTP, Box 48, Mappe 3. Fragebogen: Jared Bark. A-GRI MTP, Box 48, Mappe 3. Fragebogen: Julia Heyward. A-GRI MTP, Box 48, Mappe 3. Fragebogen: Laura Dean. A-GRI MTP, Box 48, Mappe 3. Fragebogen: Medicine Show Theatre Ensemble. A-GRI MTP, Box 48, Mappe 4. Fragebogen: Noa Ain. A-GRI MTP, Box 48, Mappe 3. Fragebogen: Richard Foreman. A-GRI MTP, Box 48, Mappe 3. Fragebogen: Richard Landry. A-GRI MTP, Box 48, Mappe 3. Fragebogen: Terry Allen. A-GRI MTP, Box 48, Mappe 3. Interne Kommunikation [01.12.1975]: Marcia Tucker an Walter Poleshuck. A-GRI MTP, Box 48, Mappe 3. Interne Kommunikation [03.07.1975]: Marcia Tucker an Walter Poleshuck. A-GRI MTP, Box 48, Mappe 7. Interne Kommunikation: Kein Alkoholausschank. A-GRI MTP, Box 48, Mappe 7. Interne Kommunikation: Künstlerlisten zu Jean Dupuys Event. A-GRI MTP, Box 48, Mappe 3.

Interne Kommunikation: Marcia Tucker an Tom Armstrong, Palmer Wald und Doris Wilk Palca [Betr.: Dokumentation]. A-GRI MTP, Box 48, Mappe 7. Interne Kommunikation: Nightwatchman. A-GRI MTP, Box 48, Mappe 7. Internes Dokument: CAPS-geförderte Künstler*innen. A-GRI MTP, Box 48, Mappe 1. Internes Dokument: Gagen für Künstler*innen. A-GRI MTP, Box 48, Mappe 3. Internes Dokument: Produktionsplan. A-GRI MTP, Box 48, Mappe 7. Notiz: N.N. an Tom [Armstrong]. A-GRI MTP, Box 48, Mappe 7. Notiz: Pam Adler an Marcia Tucker. A-GRI MTP, Box 48, Mappe 4. Praktikumsausschreibung. A-GRI MTP, Box 48, Mappe 7. Programmzettel [17.02.1976]: Dean (Dance Company). A-GRI MTP, Box 48, Mappe 5. Programmzettel [21.02.1976]: Morgan; Sherman; Lewis/Peck; Beckley; Smith; Overlie. A-GRI MTP, Box 48, Mappe 5. Programmzettel [22.02.1976]: Wilson; Padow (Dance Company); Dupuy. A-GRI MTP, Box 48, Mappe 5. Programmzettel [24.02.1976]: Foreman. A-GRI MTP, Box 48, Mappe 5. Programmzettel [26.02.1976]: Ain; Allen. A-GRI MTP, Box 48, Mappe 5. Programmzettel [28.02.1976]: Cointet; Anderson; Piper; Heyward; Gordon/Setterfield. A-GRI MTP, Box 48, Mappe 5. Programmzettel [29.02.1976]: Bark; Haimsohn; Medicine Show Theatre Ensemble. A-GRI MTP, Box 48, Mappe 5. Skript: Guy de Cointet: At Sunrise a Cry was Heard. A-GRI MTP, Box 48, Mappe 5. Skript: Martha Wilson: Queen. A-GRI MTP, Box 48, Mappe 5. A-JC: Privates Archiv von Jane Crawford Brief [01.09.1976]: Jane Crawford an das De Appel Art Center. A-JC. Brief [21.09.1976]: Jane Crawford an Wies Smals. A-JC. Brief [04.10.1976]: Jane Crawford an Chris Burden. A-JC. Brief [22.11.1976]: Jane Crawford an John Cage. A-JC. Brief [20.07.1977]: Jane Crawford an Adelina von Fürstenberg. A-JC.

Brief [28.08.1977]: Jane Crawford an Elisabeth Jappe. A-JC. Brief [05.04.1978]: Jane Crawford an Marina Abramovic´ und Ulay. A-JC. Informationsblatt [ca. 1977]: Art Performances Inc. über Tina Girouard. A-JC. Rechnung [29.08.1977]: Art Performances Inc. an Laurie Anderson. A-JC. A-MCA: MCA Library and Archives Brief [22.01.1975]: Rodolphe Stadler an Ira Licht. MCA Library and Archives, Exhibition Archive, 1975, Bodyworks. Brief [23.01.1975]: Ira Licht an Dennis Oppen­ heim. A-MCA P, 1975, Bodyworks. Brief [03.02.1975]: Ira Licht an Curtis Fisher und Ross Hamilton. A-MCA P, 1975, Bodyworks. Brief [07.02.1975]: Ira Licht an Vito Acconci. A-MCA P, 1975, Bodyworks. Brief [10.02.1975]: Tom Marioni an Ira Licht. A-MCA P, 1975, Bodyworks. Brief [17.02.1975]: Ira Licht an Pablo Stähli. A-MCA P, 1975, Bodyworks. Brief [18.02.1975]: Ira Licht an Rodolphe Stadler, A-MCA P, 1975, Bodyworks. Brief [12.03.1975]: Ira Licht an Vito Acconci. A-MCA P, 1975, Bodyworks. Brief [31.08.1976]: Thomas J. Van Eynde an Thom Sudato. A-MCA P, 1975, Bodyworks. Brief [18.10.1976]: Jane Crawford an Alene Val­kanas. A-MCA P, General, Box 3, Mappe 23. Brief [03.11.1976]: Wayne Harrison an Alene Valkanas. A-MCA P, General, Box 3, Mappe 23. Brief [25.01.1977]: Alene Valkanas an Laurie Anderson. A-MCA P, 1977 Harrison, Ander­ son, Monk, Box 3, Mappe 18. Brief [15.11.1977]: Jane Crawford an Alene Val­kanas. A-MCA P, 1977 Cage [sic] (Corre­ spondence), Box 3, Mappe 17. Brief [23.12.1977]: Cee S. Brown an Alene Val­kanas, A-MCA P, General, Box 3, Mappe 23. Brief [02.06.1978]: Alene Valkanas an Jane Craw­ ford. A-MCA P, 1978, Girouard, Oliveiros, Antin, Heyward, Box 3, Mappe 19. Brief [05.06.1978]: Alene Valkanas an Jane Craw­ ford. A-MCA P, 1978, Girouard, Oliveiros, Antin, Heyward, Box 3, Mappe 19. Brief [o. D.]: Stephen Prokopoff an Bruce E. Mitchell. A-MCA P, 1975, Bodyworks. Broschüre: Art Performances Inc., ca. 1977. A-MCA P, General, Box 3, Mappe 23. Findhilfe: Performance and Special Events History 1967–1979. A-MCA P.

Verzeichnis der Archivquellen

493

Flyer [1975]: Body Works, MOCA San Francisco, 18.10.1970. A-MCA P, 1975, Bodyworks. Flyer [1977]: Laurie Anderson: Speak Softly, But Carry a Big Stick. A-MCA P, 1977 Harri­ son, Anderson, Monk, Box 3, Mappe 18. Flyer [1978]: T. Girouard: Spread. A-MCA P, 1978, Girouard, Oliveiros, Antin, Heyward, Box 3, Mappe 19. Förderantrag: MCA Chicago an NEA. A-MCA P, 1975, Bodyworks. Informationsblatt: Ralston Farina. A-MCA P, General. Interner Bericht [1975]: Report from the Public Relations Department. A-MCA A, 1975, Box 3, Mappe 12. Internes Dokument [17.01.1978]: Purchase Order. A-MCA P, 1978, Girouard, Oliveiros, Antin, Heyward, Box 3, Mappe 19. Internes Dokument: Konzeptpapier, Namensliste. A-MCA P, 1975, Bodyworks. Internes Dokument: Transportliste »New York Returns«, A-MCA P, 1975, Bodyworks. Korrespondenz [Tournee]: Stephen Prokopoff und verschiedene Museumsdirektoren. A-MCA P, 1975, Bodyworks. Korrespondenz: Art By Telephone. A-MCA P, Administrative Files, Box 7, Mappe 14. Korrespondenz: Ira Licht und Terry Fox, A-MCA P, 1975. Leihkorrespondenz: A-MCA P, 1975, Bodyworks. Leihkorrespondenz: Ira Licht und Castelli-Sonn­ abend Tapes and Films Inc. A-MCA P, 1975, Bodyworks. Leihkorrespondenz: Ira Licht und Rodolphe Stadler. A-MCA P, 1975, Bodyworks. Presseartikel [Leserbrief]: Desow-Fishbein, Lillian: Questionable Art. In: Tribune, 30.03.1975. A-MCA Press, Bodyworks 1975. Presseartikel: Artner, Alan G.: Making the Most (and Worst) of the Human Condition. In: Chicago Tribune, 23.03.1975. A-MCA Press, Bodyworks 1975. Presseartikel: Auer, James: Bodyworks. Not for the Timid. In: Milwaukee Journal, o. D. A-MCA Press, Bodyworks 1975. Presseartikel: Borgzinner, Jon: Bodywork at Rest. In: The Art Gallery, März 1975, H. 3, S.90. A-MCA Press, Bodyworks 1975. Presseartikel: Ebert, Roger: ›Body Artist‹ Moves His Audience–Right Out the Door. In: Chicago Sun Times, 13.04.1975. A-MCA Press, Bodyworks 1975.  

494

Anhang

Presseartikel: Ebert, Roger: The Danger Man of Art. In: Midwest Magazine, Chicago Sunday Sun-Times, 25.05.1975. A-MCA Press, Bodyworks 1975. Presseartikel: Forwalter, John: Exhibits Take Varied Approach to the Human Body. In: The PostTribune, Freitag, 28.03.1975. A-MCA Press, Bodyworks 1975. Presseartikel: Haydon, Harold: Simplistic stuff? Emotional depth? In: Sun-Times, 02.03.1975. A-MCA Press, Bodyworks 1975. Presseartikel: Schulze, Franz: ›Bodyworks‹: Do-it-to-yourself art. In: Chicago Daily News, 22./23.03.1975. A-MCA Press, Bodyworks 1975. Pressemitteilung [01.10.1975]: MCA Chicago: The People Show. A-MCA T, Box 3, Mappe 3. Pressemitteilung [10.01.1978]: MCA Chicago: Girouard, Oliveiros, Antin, Heyward. A-MCA P, 1978 Girouard, Oliveiros, Antin, Heyward, Box 3, Mappe 19. Pressemitteilung [10.04.1975]: MCA Chicago: Mabou Mines. A-MCA T, Box 3, Mappe 7. Pressemitteilung [15.01.1968]: MCA Chicago: Carolee Schneemann – Illinois Central, 1968. A-MCA P, Box 3, Mappe 12. Pressemitteilung [21.10.1977]: MCA Chicago: Trisha Brown, Lecture Performance, 1977. A-MCA P, Dance, Box 2, Mappe 1. Pressemitteilung [27.02.1975]: MCA Chicago: Bodyworks, 1975. A-MCA P, 1975 Bodyworks. Pressemitteilung [o. D.]: MCA Chicago. Museum of Contemporary Art Sponsors Program at Second City October 23 [1967]. A-MCA P, 1967, Cage, Knowles, Higgins, Box 3, Mappe 11. Programm: Performance and Postmodern Culture. A-MCA P, 1976 – Center for 20th C. Studies/ MCA Series, Box 3, Mappe 13. Programmzettel: Laurie Anderson, 1977. A-MCA P, 1977 Harrison, Anderson, Monk, Box 3, Mappe 18. Vertrag [05.06.1975]: MCA Chicago und Chris Burden. A-MCA P, 1975, Bodyworks. Videoaufzeichnung [11.–13.04. 1975]: O. A.: Chris Burden, Doomed. S/W, Ton, mehrere Bänder, digitalisiert. A-MCA. A–MoMA: The Museum of Modern Art Archives Aktensammlung: Art Workers Coalition and Protest Groups. A-MoMA, John B. Hightower Papers, Series III, Gruppe 1, Mappen 1–13.

Brief [17.04.1970]: L. Kenneth Simsarian an John B. Hightower, Wilder Green u. Elizabeth Shaw. A-MoMA, John B. Hightower Papers, General Activities I.1, Mappe 14. Finding Aid: Department of Circulating Exhibi­ tions. A-MoMA, Department of Circulating Ex­ hibitions Records. Online: https://web.archive. org/web/20191211201550/https://www.moma. org/research-and-learning/archives/findingaids/CEf.html (Zugriff: 11.12.2019). Presseausschnitte: Summer Garden, 1971. A-MoMA, PI, Series II A, Mappe 497. Presseausschnitte: Summer Garden, 1973. A-MoMA, PI, Series II A, Mappe 601. Presseausschnitte: Yayoi Kusama: Grand Orgy to Awaken the Dead at MoMA. A-MoMA, PI, Series II A, Mappe 368. Verwaltungsakten: Ateliervergabe. A-MoMA, MoMA PS1, Series IV, Mappe 2. A-NARA: National Archives and Records Adminis­ tration Jahresberichte: NEA Annual Reports 1964–1991. A-NARA, Record Group 288, Entry #19, Box 1–4. A-SFMOMA: San Francisco Museum of Modern Art Archives Akten: Plan-in. Today’s Museum Tomorrow, 07.02.1971. A-SFMOMA Ad, Office of the Director Records, 1966–1972, Box 8, Mappe 19. Flyer: Exchange DFW/SFO. A-SFMOMA Ex, 1934–, Box 79, Box 1, Mappe 1. A-WA: Wadsworth Atheneum Museum of Art Archive Pressemitteilung [13.07.1973]: Wadsworth Athe­neum: A conceptual art event. AWA, Peter Marlow Curatorial Papers, Box 66, Mappe 10A. A-WAC: Walker Art Center Archive Brief [24.02.1972]: Robert Beidler (Chairman Concerts Committee University of Wisconsin– RF) an Suzanne Weil, A-WAC, Merce Cunning­ ham Residency 1971–72, Mappe 1. Flyer: Homage to Joseph Cornell, Carolee Schnee­ mann. A-WAC, Homage to Joseph Cornell, Mappe 283. Informationsblatt: MCDC: Basic Requirements, ca. 1972. A-WAC, Merce Cunningham Resi­dency 1971–72, Mappe 1.

Korrespondenz: Suzanne Weil und David Hawkin­ son (Tyrone Guthrie Theater). A-WAC, Merce Cunningham Residency 1971–72, Mappe 1. Presseartikel: Steele, Mike: The Merce Cunning­ ham Dancers are an Institution Now, But After 30 Years… He’s Still ›Just Beginning‹. In: Minneapolis Tribune 1972, S. 1D u. 3D. A-WAC, Merce Cunningham Residency 1971–72, Mappe 2. Pressemitteilung [21.02.1972, Nr. 67]: Walker Art Center: MCDC Residency March 6–12. A-WAC, Merce Cunningham Residency 1971–72, Mappe 1. Programmzettel: Merce Cunningham and Dance Company, 09.03.1972. A-WAC, Merce Cunningham Residency 1971–72, Mappe 2. Tourneeplan [11.01.1972]: MCDC, Frühjahr 1972 (Entwurf). A-WAC, Merce Cunningham Residency 1971–72, Mappe 1. Veranstaltungskalender [Mai 1974]: Walker Art Center. May 1974. A-WAC, Performing Arts Coordinator Sue Weil, Fiscal Year 1973–1974, Box 18. Vereinbarung [07.05.1971]: Jean Rigg und Suzanne Weil. A-WAC, Merce Cunningham Residency 1971–72, Mappe 1. Videoaufzeichnung [12.03.1972]: O. A.: MCDC, Event #32, Walker Art Center, Minneapolis. S/W, Ton, 31:19 Min, digitalisiert. A-WAC digital. A-WHIT: Whitney Museum of American Art, Frances Mulhall Achilles Library Aktensammlung: Downtown Branch Perfor­ mances, 1974–82. A-WHIT, Series 5. Brief [01.06.1972]: Catherine Farinon Smith an Stephen Weil. A-WHIT CS, Mappe 52. Flyer: A Spring Festival at the Whitney. A-WHIT CS, Mappe 55. Korrespondenz [1968]: Douglas Davis und Stephen E. Weil. A-WHIT CS, Mappe 13. Pressemitteilung [01.03.1969]: Whitney Museum: Panoramic View of American Music at Whit­ ney Museum. A-WHIT CS, Mappe 13. Pressemitteilung [13.02.1968]: Whitney Museum: Whitney Museum to Open Tuesday Evenings. A-WHIT, Series 2, Tuesday Nights at the Whitney, Mappe 6. Pressemitteilung [17.02.1976]: Whitney Museum: Performances: Four Evenings, Four Days – Begin at Whitney Today, 1976. A-WHIT CS, Mappe 85.

Verzeichnis der Archivquellen

495

Pressemitteilung [o. D.]: Whitney Museum: Arti­culate Muscle, Whitney Museum, 1976. A-WHIT CS, Mappe 86. Pressemitteilung [o. D.]: Whitney Museum: Composers’ Showcase Returns. A-WHIT CS, Mappe 63. Pressemitteilung [o. D.]: Whitney Museum: Second Week of Performances. A-WHIT CS, Mappe 85. Programmübersicht: Four Evenings of Extended Time Pieces and a Lecture. A-WHIT CS, Mappe 13.

496

Anhang

Programmzettel: Deborah Hay: 911. A Dance Concert by Deborah Hay. A-WHIT CS, Mappe 23. Programmzettel: Scott Burton: Behavior Tableaux (1970–72). A-WHIT CS, Mappe 59. Programmzettel: Trisha Brown: Another Fearless Dance Concert. A-WHIT CS, Mappe 44. Programmzettel: Yvonne Rainer: Continous Project Altered Daily. A-WHIT CS, Mappe 34.

Verzeichnis der Interviews und Interviewkürzel Sortierung nach Archivkürzel und Dokumenttyp

Eigene Interviews (Kürzel; Gesprächspartner*in; Datum; Ort, Quelle) I-JC a = Interview mit Jane Crawford, Leiterin von Art Performances Inc., Aufzeichnung a, 27.02.2018, bei Crawford zuhause, Weston, Connecticut. A-A. I-JC b = Interview mit Jane Crawford, Leiterin von Art Performances Inc., Aufzeichnung b, 27.02.2018, bei Crawford zuhause, Weston, Connecticut. A-A. I-LW = Interview mit Lynn Warren, Kuratorin am MCA Chicago, 19.03.2018, MCA Chicago. A-A.

I-PT = Interview mit Peter Taub, Theatermacher, ehemaliger Mitarbeiter des MCA Chicago, 20.03.2018, bei Taub zuhause, Chicago. A-A. I-TM = Interview mit Tom Marioni, Künstler, Leiter des alternativen Kunstraums MOCA; 22.01.2018; in Marionis Studio, San Francisco. A-A.

Nicht-publizierte Interviews anderer (Kürzel; Gesprächspartner*innen; Datum; Ort; Archivquelle) I-AV-DM = Interview von Dominic Molon mit Alene Valkanas, 28.07.1995, The Illinois Arts Alliance Offices. A-MCA digital.

I-AV-LW = Interview von Lynn Waren mit Alene Valkanas, 29.06.2012, bei Valkanas zuhause, Union Pier, Michigan. A-MCA digital.

Verzeichnis der Interviews und Interviewkürzel

497

Inflationstabelle

1970

1.000,00 USD

2021

6.800,00 USD

1971

1.000,00 USD

2021

6.600,00 USD

1972

1.000,00 USD

2021

6.400,00 USD

1973

1.000,00 USD

2021

6.100,00 USD

1974

1.000,00 USD

2021

5.600,00 USD

1975

1.000,00 USD

2021

5.000,00 USD

1976

1.000,00 USD

2021

4.700,00 USD

1977

1.000,00 USD

2021

4.500,00 USD

1978

1.000,00 USD

2021

4.200,00 USD

1979

1.000,00 USD

2021

3.800,00 USD

1980

1.000,00 USD

2021

3.400,00 USD

498

Anhang

Kaufkraft von 1 000 USD in den 1970er-Jahren im Jahr 2021. Datenquelle: US Bureau of Labor Statistics, https://data.bls.gov/ cgi-bin/cpicalc.pl (Zugriff: 12.05.2021). Die Zahlen sind gerundet, als Referenzmonat wurde jeweils der Januar gesetzt.

Personen- und Institutionenregister

10. Paris Biennale   322, 324, 357, 410 98 Greene Street   304 112 Greene Street   159, 217, 294, 297, 301–302, 308, 313, 349 A Space Gallery, Toronto   317 A.I.R. Programm   296, 403 Abramovi´c, Marina   15–16, 26, 167, 170, 190, 311, 324–325, 330, 350, 356–359, 363 Acconci, Vito   136, 139, 146, 147, 155–161, 169–173, 176, 177, 179, 183, 184, 187–189, 194, 195, 199, 235, 252, 285–286, 299, 302, 304, 306, 309–311, 317, 331, 349, 357–360, 363, 368, 371, 408–411, 430 Adams, Hugh   349 Adé Soleil, Barak   11–13, 97, 450 Adler, Pamela   212, 240, 243 Adorno, Olga   221–222 Agamben, Giorgio   38, 40 Ain, Noa   224–225, 232, 234– 236, 245, 266 Albers, Anni   72, 383 Albers, Josef   72, 383 Allen, Terry   224–225, 232, 234– 235, 245, 251, 409, 411 Alloway, Lawrence   130, 294, 349, Anarchitecture Gruppe   294, 296, 326, 328, 354, 361 And/Or Gallery, Seattle   317

Anderson, Laurie   136–139, 152, 154–155, 162–164, 169–170, 175, 185, 187–188, 202, 212, 226–228, 230, 233, 235–236, 239, 242, 250, 252, 267, 275–276, 281–282, 294–296, 298, 300–302, 304–305, 311, 318, 320–323, 325, 329–331, 337, 343–345, 350–352, 356–359, 362, 366, 371, 408–412, 416, 419, 426 Andre, Carl   62, 299, 394 Andrew W. Mellon Foundation   279 Antin, David   149 Antin, Eleanor   136, 141, 146– 148, 152, 181, 185, 196, 234, 291, 325, 409, 411, 414 Archives of American Art, Na­ tional Archives and Records Administration   37, 291, 443 Armstrong, Tom   212, 236, 241, 244, 273 Art & Language   411 Art Gallery, University of Cali­ fornia, Irvine   226 Art Institute of Chicago   11–12, 30, 97, 165, 317, 455 Art Performances Inc. (s. The Foundation of Art Perfor­ mances and Projects Inc.) Art Resources Center (s. Whit­ ney Museum, Art Resources Center) Art Workers Coalition   57–58, 62, 64–65, 299, 386, 394, 429 Artaud, Antonin   183–184

Arte Fiera, Bologna   358 Artforum   136, 172, 174, 187, 275, 131, 313, 319, 334 Artists Space   164, 209–210, 218, 243, 301, 329, 361, 364, 403, 410 Atlas, Charles (Künstler)   80, 221, 222, 419 Avalanche   137, 170–175, 182, 185, 187, 204–205, 315 Baigell, Matthew E.   147–248 Balanchine, George   74 Baldessari, John   44, 147, 407, 410 Ball, Hugo   141, 143, 194 Baran, Roma   322 Barbosa, James   231 Bark, Jared   230, 233, 240, 251, 269, 275, 281, 300, 304, 311, 330–331, 350, 352–353, 355–356, 450 Barnes, Edward Larrabee   125– 129 Barr Jr., Alfred   120, 127, 387, 390 Barry, Robert   235, 408 Barth, James   221–222, 264, 358 Bartlett, Jennifer   301 Bauhaus   47, 72, 120, 122, 125, 127, 383 Baum, Ziska   231 Béar, Elizabeth   170, 175, 313, 315 Beckley, Bill   235, 409, 411 Beckley, Connie   214, 215, 217– 218, 232, 263, 281, 311, 324, 330, 359, 409

Personen- und Institutionenregister

499

Benamou, Michel   320 Benglis, Lynda   129, 233 Berg, Karin   322 Bergman, Jo   322 Beuchat, Carmen   219 Beuys, Joseph   16, 136, 141, 145– 146, 152, 171–172, 176, 179, 191, 195, 307, 324, 331, 350, 429 Bex, Florent (Flor)   330 Biesenbach, Klaus   26, 191 Black Mountain College, North Carolina   72, 383 Blau, Herbert   320 Block, René   275, 294, 302, 307 Boston Museum School   317, 322 Branca, Glenn   359 Brandt, Bill   78–79, 83, 102 Brandt, Chris   231 Brentano, Robyn   297, 299 Breuer, Marcel   125–126, 213, 258 Brilliant, Richard   247 Brisley, Stuart   350 Britain, Laura   216 Brodthaers, Marcel   48 Brooklyn Academy of Mu­ sic   214 Brooklyn Museum   325, 358– 359 Brown, Carolyn   74, 78–81, 90, 93, 103–104, 115–116 Brown, Cee S.   283–284, 302 Brown, Rande   322 Brown, Robert   358 Brown, Trisha (und Ensemb­ le)   17, 72, 124, 134, 179– 180, 218, 229, 235, 237, 295, 304, 311, 371, 404–405, 420, 430, 432 Brus, Günter   136, 141, 145, 179, 181, 183–184, 187, 189, 195 Brutten, Milton   230 Buckminster Fuller, Richard   72 Burckhardt, Jacqueline   322 Burden, Chris   26, 136, 139, 141, 150–152, 155–156, 158, 165–170, 174, 176, 183–184, 186, 188–189, 191, 197, 203, 235, 281, 286, 308–309, 311,

500

Anhang

316–317, 319, 322, 331, 363, 371, 408–412, 416, 419, 452 Buren, Daniel   11–13, 50, 97, 309, 455 Burgard, Ralph   428 Burliuk, David   141, 143, 194 Burton, Jim   311 Burton, Scott   18, 247–249, 350, 410, 414, 432, 450 Bussmann, Georg   190 Buthe, Michael   358 Butler, George   245–246 Byars, James Lee   331, 359 Cage, John   72, 74, 78–79, 83, 85, 89–90, 94–95, 113–116, 132, 168, 304, 306, 311–313, 319–320, 383 Calder, Alexander   238 Campus, Peter   311, 407–408, 410 Canepa, Anna   185, 292, 307, 367 Caponigro, Angela   214, 259 CAPS (s. Creative Artists Public Service) Carey, Norman   221, 223 Carmine, Al   221 Castelli, Leo   (s. Leo Castelli Gallery) Castelli-Sonnabend Tapes and Films   147, 155, 307, 319 Center Arts Courncil (CAC)   121–123 Center for Advanced Visual Stu­ dies   (CAVS) 400 Center for Contemporary Music, Mills College, Oakland   317 Center for Theatre Arts, Itha­ ca   317 Center for Twentieth Century Studies, University of Wis­ consin-Milwaukee   317, 320, 372, 430 Center Opera Company   122 Centre d’Art Contemporain Sal­ le Patino, Genf   357 Chaikin, Joseph   235 Chamberlain, John   306 Charlesworth, Sarah   334, 408, 411–412 Chernovitch, Nicholas   72 Childs, Lucinda   214–215, 220, 235, 237, 251, 260, 311

Chong, Ping   409, 412 Christo   309 Clocktower (s. The Clocktower) Cochrane, David   230 Cointet, Guy de   226, 233, 243, 266, 409 Colab   313 Colbert, Margot   231 Colette   358, 408 Collins, Michael   230 Collins, James   408–409 Community Art Center   384–385 Composers’ Showcase   72, 210, 237, 241, 249, 274, 424, 431, 447 Congress of Cultural Freedom (CCF)   388 Cooley, Mason   247–248 Cooper, Alice   177 Cooper, Paula (s. Paula Cooper Gallery) Coordinated Residency Touring Program   91, 124, 133, 371, 404–405 Cornell, Joseph   431 Corney, Ed   237, 245, 247–249 Cortez, Diego   221–222, 281, 311, 313, 358 Courbet, Gustave   45, 47, 176 Crawford, Jane   231, 275, 281– 284, 287–288, 290-297, 300, 302-304, 308, 310–320, 322– 326, 329–331, 333–337, 343–344, 348, 349, 351, 356–360, 365–367, 372 Crawford, Stephen   221–222 Creative Artists Public Service Program (CAPS)   228, 236, 399, 410, 431 Crystal Violence   55 Cultural Council Foundation, New York   399 Cunningham Dance Foundati­ on   84, 92, 400 Cunningham, Merce (und En­ semlbe)   5, 71–96, 100–106, 113–119, 122–125, 128–129, 131–134, 217–218, 229, 307, 371, 390, 400–401, 404–406, 419–420, 431, 444, 449, 453 Curiger, Bice   322 D’Arc, Mary Lea (geb. John­ son)   291–292

D’Armagnac, Ben   311, 324, 330, 350, 356, 358–359 D’Harnoncourt, René   387 David Hyckes and the Harmo­ nics Choir   324 Davis, Douglas   237, 350, 411, 432 Davis, Dustin   78 Davis, Ron   57 DeAk, Edit   315, 322 De Appel Art Center, Amster­ dam   37, 190, 231, 284, 322, 330, 349, 351, 355 De Maria, Walther   349 Dean, Laura   213–214, 232, 234–235, 259 Dearing, Jamie   230 Deitch, Jeffrey   349 DeJong, Constance (Con­ nie)   221, 311, 324 Deleon, Anne   315 Deshotel, Mercedes   355 Devoni, Michael   78 Di Suvero, Mark   129, 238, 274 Diederichs, Joachim   332, 343, 349–351, 353, 356, 364 Dill Dough   55 Documenta   29, 187, 293, 330, 351, 357 Documenta III (d3)   393 Documenta V (d5)   77, 136, 178, 306, 331 Documenta VI (d6)   190, 275, 293, 308, 322, 325, 331–332, 343–347, 349–359, 361–362, 364, 411, 454 Documenta VII (d7)   357 Documenta Archiv   29, 37, 318, 349–352, 354, 356 Dove, Ulysses   78, 81, 104 Downtown Branch (s. Whitney Museum, Downtown Bran­ ch) Drew, Nancy   322 Duchamp, Marcel   32, 47, 58– 59, 62, 64, 74, 95, 114, 141, 143–144, 175– 176, 179, 182–183, 194, 382–383, 413 Duncan, Isadora   71 Dunn, Douglas   78–79, 102, 235 Dupuy, Jean   219–223, 232–233, 239–245, 247, 251, 253, 264–165, 273, 309, 372

Eisenhower, Dwight D.   388– 390 Eisler, Colin   247 Electronic Arts Intermix   307, 329 Eliasson, Olafur   92 Emmerich, André   305 Entertainment Center, CA   317 Ess, Barbara   359 Evans, Jane   235 Experiments in Art and Techno­ logy (EAT)   400 Farber, Viola (s. Viola Farber Dance Company) Farina, Ralston   281–282, 308, 311, 313, 331, 350–351, 355356, 362, 408, 411, 419 Farinon Smith, Catherine   311 Federal Art Project (FAP)   121, 384, 386 Federal Council on the Arts and the Humanities   426 Federal Theatre Project   384 Feldman, Eugene   175 Feldman, Ronald (s. Ronald Feldman Gallery) Film-Makers’ Cooperative   307 Finley, Karen   375, 422 Fiore, Jessamyn   292 Fiore, Robert (Bob)   245–246, 292 Fisher/Hamilton   150, 185, 197 Flash Art   136, 178, 190 Flavin, Dan   129, 407 Fleck, John   375 Flynt, Henry   47–48 FOOD Restaurant   294, 296, 300 Ford Foundation   379, 388 Foreman, Richard   224, 232, 234–236, 245, 265, 311 Forti, Simone   235 Foss, Camille   224 Foundation for Contemporary Performance Arts, Inc.   306–307 Foundation of Art and Urban Resources Inc.   302 Fox, Terry 147, 172–174, 176, 179, 183, 235, 311, 408, 411 Frank, David   243 Frank, Peter   222–223, 232, 242–243, 252, 309, 349, 356

Franklin, Aretha   228 Frascone, Angela   221–222 Freed, Hermine   281, 311 Freudenheim, Tom L.   433, 435 Fridericianum, Kassel   29, 350– 352 Fried, Michael   95–96, 119, 132–133, 362, 444 Friedman, Martin   129 Friedman, Mildred   123 Fromm Music Foundation   431 Fulbright-Programm   403 Fuller, Loïe   71 Fürstenberg, Adelina v.   357 Gaines, Charles   245–247 Galasso, Michael   359 Galasso, Paul   359 Galerie Stadler, Paris   144–145, 150–151, 183–184, 187, 206 Galleria Salvatore Ala, Mai­ land   322 Geldersma, John   355 General Idea   281, 311 Gerz, Jochen   358 Getty Research Institute, Los Angeles   37, 210 Ghost Films   315 Gibson, John (s. John Gibson Gallery) Gibson, Jon   311, 358–359 Gilbert & George   136, 141, 146, 179, 195, 306, 309 Gimpel & Weitzenhoffer   291 Giorno, John   281, 291, 311, 334 Girouard, Tina   235, 281–282, 294, 296, 299, 304, 311, 315, 318, 323–329, 331, 334, 336, 339–341, 346–347, 350, 354–357, 363, 408, 411 Glass, Philip   214, 217, 296, 302, 304, 306–307, 311, 432 Goffman, Erving   27, 177, 252, 320 Goldberg, RoseLee   15–16, 21, 47, 49, 72, 188, 209, 216, 218, 226, 229, 242, 275, 284–286, 289, 295, 299, 303, 315, 322, 360, 362, 367, 372, 374–376, 383, 414, 420 Goldberg, Vicky   247 Goldstein, Linda   322, 409 Gollobin, Jeannie   221

Personen- und Institutionenregister

501

Gonzalez, Luis   214, 259 Gonzalez Torres, Felix   249 Gooden, Caroline (Carol)   300 Goodrich, Lloyd   387 Gordon, David   124, 226, 229, 232–235, 251, 268, 275, 311, 358 Gordon, Peter   311, 331, 358 Gormley, Tom   304 Gottlieb, Gordon   218 Grace, Trudie   301 Graham, Dan   172, 176, 235, 304, 409, 411 Graham, Martha   71, 74, 83, 93–94, 124, 218, 389 Grand Union   117, 119, 124, 130–131, 134, 217–218, 404– 405, 430 Grass, Peter   315, 358, 409 Graves, Nancy   414 Green, Michael   12, 455 Green, Wilder   57, 65 Greenberg, Clement   95, 138, 387 Greenwald, Ted   311 Gropius, Walter   125 Guerilla Art Action Group (GAAG)   56–64, 98, 243– 245, 391, 394, 443, 445–446, 451 Guevara, Che   62 Guggenheim Foundation   31, 432 Guggenheim Museum, New York (s. Solomon R. Gug­ genheim Museum) Gutai-Gruppe   176, 389 HA Schult   350 Haacke, Hans   65, 409, 411 Haimsohn, Jana   230, 233, 257, 281, 311, 324, 330, 358–359 Hallwalls, Buffalo   317, 411 Halpern, Andrea   221–222 Halprin, Anna   390 Hanks, Nancy   391, 394, 413 Hansen, Al   308 Harper, Meg   78 Harris, Suzanne   219, 221, 294, 334 Harrison, Wayne   282, 311 Hartnett, Elaine   359 Haskell, Barbara   237, 414 Hassall, Nanette   78

502

Anhang

Hassan, Ihab   320 Hay, Deborah   304, 359, 432 Hayman-Chaffey, Susana   78–79, 103 Hedstrom, Cynthia   219–221 Heighstein, Jene   296 Heinisch, Barbara   359 Heiss, Alanna   295, 302, 322, 367 Hendricks, Geoffrey   408, 411 Hendricks, Jon   8–9, 56–57, 61, 63–64, 98, 243 Hershman Leeson, Lynn   299 Heyward, Julia (Duka)   212, 226, 228–229, 233, 244, 251, 268, 275, 281–282, 311, 318, 323–331, 342, 357–359, 362, 408–411, 430 Higgins, Dick   221, 223, 319, 383, 446 Holly Solomon Gallery, New York   283, 300, 304–305, 309, 315, 318, 321–322, 325–326, 331, 349, 364–365, 367, 410 Holmes Norton, Eleanor   244 Holt, Nancy   409, 411 Hosseini, Naaz   214, 259 Howell, John   221, 223, 282– 283, 287, 297, 302–303, 355, 358, 360, 362, 368, 374 Hughes, Holly   375 Hunt, Richard   11–12, 97 Hutchinson, Peter   141, 148, 196 Hykes, David (and the Harmo­ nics Choir)   311 Ileana Sonnabend Gallery, New York   146–147, 155, 158, 305–307, 310, 312, 319, 367 Independent Curators Inc.   311–312 Infra Red   55 Institute of Contemporary Art, Boston   60 Internationaal Cultureel Cent­ rum (ICC), Antwerpen   284, 322, 330 Internationaler Kunstmarkt Köln   324, 348, 358 Iolas Galerie, Paris   311 Jappe, Elisabeth   322, 331, 348, 358, 364

Jaremba, Thomas   320 Jefri, Joan   412 Jenkins, Ulysses   409, 412 Jerome Robbins Foundation   432 John Gibson Gallery, New York   149, 170, 304, 309 John Weber Gallery, New York   305, 309 Johns, Jasper   74, 113–114 Johnson, Lyndon B.   426 Johnson, Mimi   243, 311, 367 Johnson, Poppy   57, 306, 394 Johnson, Ray   308 Johnson, Tom   359 Johnson, Shelby   228 Jonas, Joan   16, 123, 183, 191, 281, 306–307, 311, 319, 331, 357, 359, 407, 409–412, 416, 419–420, 422 Jones, Grace   12, 455 Journiac, Michel   183–184 Judd, Donald   129, 176 Judson Church   221–222, 243, 253 Judson Dance Theater   72, 76, 95, 113, 117, 134, 229, 234, 295, 419 Kandinsky, Wassily   17 Kaprow, Allan   41, 43–53, 61, 63–64, 130, 143, 176, 235, 281, 291–292, 311–312, 319, 332, 383, 409–411 Kardon, Janet   322 Kaye, Pooh   221, 223 Keller, Dany   322 Kelly, Kathleen   231 Kennedy, Jackie   392 Kennedy, John F.   391–393, 439 Kipper, Harry   235 Kirk, Robin   322 Kirstein, Lincoln   73–74, 134 Kitchen (s. The Kitchen) Klauke, Jürgen   350, 358 Klein, Yves   143, 147, 176, 182– 183, 194 Klosty, James   77, 79–80, 102– 103, 307 Klüver, Billy   400 Knowles, Alison   221, 223, 295, 308, 319, 446 Knowles, Christopher   214–215, 251, 260 Koch, Stephen   241, 294, 298

Kölner Kunstmarkt (s. Interna­ tionaler Kunstmarkt Köln) Komar, Kris   78–79, 102 König, Kasper   332, 349 Kostelanetz, Richard   294 Kosuth, Joseph   311, 334, 414 Kounellis, Jannis   306, 310, 331 Kozloff, Max   136, 349, 432 Kramer, Hilton   125, 422 Kunsthistorisches Museum, Wien   29 Kusama, Yayoi   54–57, 59–66, 97, 171, 443, 445 Kushner, Robert   304–305, 311, 318, 324, 330, 357–358 La Jolla Museum of Contem­ porary Art   186, 429 Lachaise, Gaston   140, 155, 157, 160, 162–163, 165, 167, 186– 198, 202, 320 Lacy, Suzanne   409, 411 Laderman Ukeles, Mierle   58– 64, 99, 308, 443, 445 Landry, Richard (Dickie)   215, 217, 235, 243, 281, 294, 296, 306–307, 311, 324, 326, 334, 358–359, 408, 411 Lasar Beam   55 Led Zeppelin   123 Lefkowitz, Luis   244 Leo Castelli Gallery, New York   144, 147, 155, 210, 241, 305–308, 312, 319, 331, 365, 367, 406 Levine, Les   281, 291, 311, 409, 412 Lew, Jeffrey   301 Lew, Rachel   219 Lewis, Nancy   215, 217, 232, 251, 263 Lewitzky, Bella   179–180 Licht, Ira   136, 138, 140, 143– 145, 152–153, 155–156, 164– 165, 168–170, 172–178, 181– 186, 191 Licht, Jennifer   349 Lichtenstein, Roy   306, 406 Light, Derry   231 Limon, José   217–218, 389 Lindahl, Kristine   214, 259 Lippard, Lucy   49, 51, 60, 190, 294, 297, 322, 349, 367, 372, 377, 420, 439

Lloyd, Barbara   219 Lloyd, Davidson   231 London, Barbara   322 Long and Thorshov   107, 120 Longo, Giovanni   230 Longo, Robert   409, 411 Looney Tunes   55 Los Angeles Institute of Con­ temporary Art (LAI­ CA)   317, 403, 443 Lucier, Alvin   235, 304, 409 Lunar Eclipse   55 Lüthi, Urs   148, 181–184 Lutze (Lutze-Froese), Hilde­ gard   308, 330, 349, 367 Lyotard, Jean-François   320 M. L. D’Arc Gallery, New York   291–292, 349 Mabou Mines   17, 219, 235, 243, 304, 311, 430–431, 447 Maciunas, George   47, 174, 221, 223, 233, 253, 295, 408 Maillol, Aristide   54–55 Malevich, Kasimir   56–57 Malraux, André   392 Man Ray   143, 147, 153, 176, 194 Mangolte, Babette   26, 212, 230, 269, 410, 421 Manzoni, Piero   143, 176, 183 Mapplethorpe, Robert   146, 375 Marcuse, Herbert   62 Marinetti, Tommaso   47 Marioni, Tom   173–174, 349– 350, 372, 408–409, 411–412, 415–416 Marquis de Sade   154, 183 Marshall, Ingram   311 Martha Beard Rockefeller Fund for Music   431 Martin, Susan   322 Mascatello, Tony   221, 223 Matta-Clark, Gordon   281–282, 291–292, 294–296, 300–302, 304, 308, 311, 323, 325–331, 334, 338–339, 343, 348, 357–359, 363, 404, 410 Matthiessen, Erin   214, 259 Matturi, John   224 McCarthy, Joseph   95, 386 McCarthy, Paul   408, 411 McDonagh, Don   218, 220, 232 McGourty, Patricia   231

McHale, Katherine   349 McKnight Foundation   431 McLean, Bruce   171–172, 350 McShine, Kynaston   65, 137, 414 Medicine Show Theatre Ensem­ ble   320–232, 235, 269 Melchert, James   413–414, 417– 418 Mendieta, Ana   408 Merleau-Ponty, Maurice   177, 182 Merz, Mario   77–79, 81, 102 Messerschmidt, Franz Xa­ ver   179–181 Metropolitan Museum, New York   30, 48, 210, 391, 430 Metropolitan Opera, New York   214, 302 Michelangelo   247, 251 Miller, Dick   221, 223 Miller, Larry   281, 311, 330–331, 409 Miller, Tim   375 Milton, Jim   231 Miralda, Antoni   311, 350, 356 Mitzka, Ernst   358 Mobil Foundation Inc.   432 MoMA P.S.1   302, 403 Monk, Meredith   17, 123, 311, 320, 432, 446 Moore College of Art, Philadel­ phia   60 Moorman, Charlotte   137, 350, 409, 411 Morgan, Robert   215–216, 233– 234, 244, 261 Morris, Daniel   231 Morris, Robert   52, 88, 95, 129, 141, 143, 144, 176, 194, 291, 297, 306, 377, 394, 407–409, 414 Morse, Carl   231 Mumma, Gordon   78, 83, 85, 127 Munkacsi, Kurt   220 Murrell, Gerard   346–347, 354– 355 Museum des 20. Jahrhunderts, Wien   89 Museum of Conceptual Art, San Francisco (MOCA)   167, 172–173, 204, 349

Personen- und Institutionenregister

503

Museum of Contemporary Art Chicago (MCA Chica­ go)   37, 41, 75, 135–191, 193–203, 205, 208, 281–283, 293, 313, 318–329, 333, 337–342, 349, 352, 358, 364, 367, 371, 376, 404, 410, 414, 424, 426, 430, 431, 444, 446–447, 452 Museum of Fine Arts, Bos­ ton   30 Museum of Modern Art, New York (MoMA)   13, 16, 20, 30–31, 34, 37, 47–48, 50, 53–58, 62, 64–66, 72–73, 97– 98, 127–128, 131, 134, 147, 167, 187, 190, 210, 226, 246, 276, 283, 302, 326, 349, 377, 382–383, 387–391, 414, 417, 419, 426, 430, 432, 445–447, 451 Nabakowski, Gislind   190 Namuth, Hans   143 NASA Art Program   230, 403 National Endowment for the Humanities (NEH)   394– 395, 400, 427, 448 National Endowment for the Arts (NEA)   41, 85, 90–91, 96, 123–124, 236, 238, 313, 318, 320–321, 371–440, 448 National Foundation on the Arts and the Humani­ ties   394–395 National Gallery of Art, Wa­ shington D.C.   30, 382 National Gallery, London   29 Nationalgalerie, Berlin   29 Natural History Improvisation Co.   235 Natural History of the American Dancer   217, 219, 235 Nauman, Bruce   52, 136, 141, 144, 147, 152, 155, 158, 171–173, 176, 179, 182–183, 189, 191, 193-194, 196, 235, 304, 306–307, 406–407, 414, 418, 419, 432, 437, 446 NEA Four   375, 421, 436 Nebelthau, Alan   231 Neels, Sandra   78 Nemser, Cindy   175–178, 267 Neue Galerie, Kassel   29

504

Anhang

Neuhaus, Max   281, 311, 324, 331 New Orleans Museum of Art   355 New School of Social Re­ search   383 New York State Council on the Arts (NYSCA)   236, 243, 318, 391, 399, 431 Nikolais, Alwin   122, 404 Nitsch, Hermann   145, 183–184 Nixon, Richard   65, 394 Noland, Kenneth   306 Nonas, Richard   294, 296, 334 Norbert, Monsa   311 Nordland, Gerald   428 Nosei Weber, Anna   315 O’Doherty, Brian   127–128, 130, 132, 140, 162, 254, 401, 413 O’Shea, Dennis   166 Obrist, Hans Ulrich   26, 191 Ogle, Philip   78–79, 82, 102 Oldenburg, Claes   48, 147, 306 Oliveiros, Pauline   325 Olson, Charles   72 Onnasch, Reinhard (s. Reinhard Onnasch Gallery) Ono, Yoko   292, 372 Oppenheim, Dennis   136, 139, 141, 147, 149, 152, 155, 158, 159–162, 169–173, 176, 179, 183–184, 187–189, 196–197, 200–201, 205, 281, 291–292, 299, 304, 309, 311, 319, 331, 455 Otis Art Institute, Los Ange­ les   322 Overlie, Mary   215–216, 218– 220, 232, 234, 250, 305, 309 Padow, Judy   219–221, 232, 235 Paik, Nam June   137, 350, 408, 411 Palestine, Charlemagne   235, 281, 311, 324, 330–331, 350, 357–358, 409, 412, 430 Pane, Gina   16, 136, 141, 150– 152, 183–185, 188–189, 197, 350 Park Place Gallery, New York   304 Pasadena Art Museum   51 Paula Cooper Gallery, New York   179, 134, 296, 303– 304, 367

Paxton, Steve   72, 124 Peck, Richard   215–217, 232, 251, 263 People Show (s. The People Show) Performing Arts Department, Walker Art Center   123, 130 Performing Artservices Inc. (Art­ services)   243, 311, 447 Pèsle, Bénedicte   311 Pezold, Friederike   179–180 Pfaff, Judy   230 Phelan, Peggy   24–25, 50, 60, 138, 283, 286–187, 360–262, 367–368, 374–376 Philadelphia College of Art   429 Picard, Lil   409, 412 Piper, Adrian   141, 148, 185, 189, 196–197, 212, 226–228, 233, 242, 250, 252, 267, 275, 409, 411 Pluchart, François   151, 183– 184 Poleshuck, Walter   235–236 Pollock, Jackson   44, 130, 141, 143, 176, 194, 383, 389 Pomeroy, James   409, 411 Pope.L, William   13 Portland Center for Visual Arts, Portland   317 Pozzi, Lucio   311 Project Studios One (P.S.1, heute MoMA PS1)   302, 361, 401 Raay, Jan van   56, 98 Rainer, Arnulf   141, 149, 179– 184, 189, 197 Rainer, Yvonne   17, 72, 76, 87, 117, 124, 218, 229, 237, 304, 410, 431–432 Ramsden, Mel   408, 411 Rauschenberg, Robert   72, 74, 90, 94, 113, 116, 129, 306, 312, 326, 393, 400, 414, 432 Ray Martin, Ann   56 Reichardt, Stephan   349 Reindeer Werk   350 Reinhard Onnasch Gallery, New York   307–308 Rensselaer Newman Foundation and Cultural Center, Troy   317 Richards, Mary Caroline (M.C.)   72

Riley, Terry   235 Rinke, Klaus   141, 149–150, 179, 181-184, 194, 196–197, 205 Rivlin, Robert   228 Robinson, Mike   315 Robinson, Walter   315 Rockefeller (Familie)   30, 57, 62, 223, 239, 242–244, 273, 389 Rockefeller Brothers Fund   391–393 Rockefeller Foundation   122, 379, 383, 388, 438 Rockefeller, Abby   383 Rockefeller, Mr. and Mrs. John D. 3rd   238 Rockefeller, Nelson   56, 391, 393 Rodin, Auguste   247–248, 251 Ronald Feldman Gallery, New York   99, 150, 167, 308–309, 310, 317, 319 Roosevelt, Franklin D.   383–384 Rose, Barbara   17, 96, 367 Rosenquist, James   306 Rosler, Martha   378, 409–410, 418, 428 Roth, Moira   95, 118, 132, 299, 349, 390, 410, 420 Roth, William M.   428 Rudner, Sara   235, 404 Sacker, Elion   224 Samaras, Lucas   141, 144, 179, 181–183, 189, 194, 205 San Francisco Museum of Mo­ dern Art (SFMOMA)   31, 37, 428–432 San Francsisco Mime Trou­ pe   57 Sandler, Irving   301 Sarah Lawrence College, New York   355 Saret, Alan   301 Sartre, Jean-Paul   182 Schaeffer, Naomi   216 Schapiro, Meyer   387 Schawinsky, Alexander Victor (Xanti)   72, 383 Schechner, Richard   27, 377 Schiele, Egon   179–180, 182 Schneckenburger, Man­ fred   331–332 Schneemann, Carolee   52, 123, 138, 171, 297, 319, 372, 408, 410, 419, 430–431

Schober, Helmut   350, 356 School of the Art Institute of Chi­ cago (SAIC)   156, 320, 327 Schoolman, Carlota   230 Schwarzbauer, Georg   332, 351, 357–358 Schwarzenegger, Arnold   211, 237, 245–250, 254, 271, 274 Schwarzkogler, Rudolf   141, 144–145, 154–155, 179, 182– 184, 189, 194–195, 198 Scott, Dale   221–223, 264 Seaman, Leslie   216 Serra, Richard   129, 235, 299, 304, 306–307, 375, 394, 432 Serrano, Andres   375 Setterfield, Valda   78, 80, 103, 226, 229, 232–234, 251, 268, 358 Shamberg, Michael   230 Sharp, Willoughby   147, 170– 178, 204, 349 Shaw, Elizabeth   57, 65 Sherk, Bonnie   409–410, 412 Sherman, Cindy   411 Sherman, Robert   231 Sherman, Stuart   215–216, 233, 235, 262, 408–409 Shiraz Arts Festival   91, 114 Silverman, Warren   212, 223, 228, 259–269 Simsarian, Kenneth   L. 65 Sleigh, Sylvia   247 Smals, Wies   190, 330, 349, 367 Smith, Jack   47, 308, 358 Smith, Larry   172 Smith, Michael   215, 218, 233, 244, 263, 273, 409 Smith, Roberta   306 Smith College Museum of Art, Northampton   60 Sokolow, Anna   217 Solomon R. Guggenheim Muse­ um   16–17, 31, 78, 95, 126, 210, 249, 410, 414, 429 Solomon, Holly (s. Holly Solo­ mon Gallery) Solomon, Horace (s. Holly Solo­ mon Gallery) Sonfist, Alan   141, 147, 189, 196 Sonnabend, Ileana (s. Ileana Sonnabend Gallery)

Sonnier, Keith   172–173, 281, 296, 311, 326, 334, 408, 411 Stadler, Rodolphe (s. Galerie Stadler) State Arts Agencies (SAAs)   379, 396, 399, 401, 404 State Arts Council, Minneso­ ta   371 Stefanotty, Robert   307 Steirischer Herbst   179–181, 187, 206 Stella, Frank   113, 306 Stiles, Kristine   49–50, 284–286, 303, 360, 367 Strider, Marjorie   304 Sudato, Thom   371 Suicide, Alan   315 Szeemann, Harald   46, 137, 178–179, 307, 331–332, 377 Tai, Danny   220 Tarshis, Jerome   172–173 Taub, Peter   376 Tharp, Twyla (s. Twyla Tharp Dance Company) The Clocktower   295, 302, 410 The Foundation of Art Perfor­ mances and Projects Inc. (API)   281–332, 333–348, 349–369, 372, 444, 447 The Kitchen   210, 234, 241, 243, 301, 317, 352, 355, 361, 364, 401, 402, 410, 414 The People Show   430 The Video Distribution, Inc.   307 The Who   123 Toche, Jean   56–57, 51, 63, 98, 243 Tucker, Marcia   65, 137, 209– 212, 218–219, 225–226, 233–237, 240–246, 270, 273–275, 292, 322, 367, 414, 452 Tudor, David   13, 78, 83, 85, 87, 90, 311 Turner, Victor   27, 320 Twyla Tharp Dance Compa­ ny   124, 217, 404, 431 Tyrone Guthrie Theater   87–88, 109, 122–125 Ulay   170, 311, 324–325, 330, 350, 356–359

Personen- und Institutionenregister

505

United States Information Agen­ cy (USIA)   388 University of California, Berke­ ley   317 University of Iowa, Iowa City   317 Ursin, Marya   214, 259 Utah Museum of Fine Arts   167, 410 VALIE EXPORT   25, 138, 178– 179, 286, 358 Valkanas, Alene   166, 191, 281– 283, 317, 319–325, 329, 333, 357–358, 364, 367 Van Eynde, Thomas J.   342, 371 Vann, Barbara   231 Varian, Elaine   291, 367 Vaughan, David   74, 90, 117 Vautier, Ben   48, 141, 145–146, 179, 182, 189, 195, 331 Venedig Biennale   55, 90–91, 357, 393 Vergine, Lea   143, 182–184, 187 Video Distribution, Inc. (s. The Video Distribution, Inc.) Viola Farber Dance Compa­ ny   404, 431 Volunteer Lawyers for the Arts   312 Von Benken, Elizabeth   231 Vostell, Wolf   184 Wadsworth Atheneum, Hart­ ford   30, 58, 60, 99, 156, 446 Wald, Palmer   212, 246 Waldhauer, Fred   400 Walker Art Center   15, 17, 37, 41, 60, 71–92, 100–112,

506

Anhang

118–134, 214, 317, 322, 371, 384, 405, 426, 430-431, 444, 446–447, 452–453 Walker Art Gallery, Minneapo­ lis   107–108, 120–121 Walker, John A.   137 Walker, Thomas Barlow   108, 120 Wallis, Brian   401, 403, 418 Warhol, Andy   113–114, 176, 306 Warren, Lynn   139 Washington Square Repertory Dance Co.   216 Watts, Robert   308, 411, 414 Weber, John (s. John Weber Gal­ lery) Wegman, William   141, 147–149, 172–173, 176, 179, 189, 196– 197, 281, 304, 311, 319, 407, 411 Weibel, Peter   178, 358 Weil, Suzanne   84–85, 87–88, 123–124, 130–131, 405, 430 Weil, Stephen E.   237, 311 Weiner, Hannah   304 Weiner, Lawrence   408 Welch, Roger   281, 291–292, 411 Western Front, Vancouver   317 White, David   214 White, John   235 Whitman, Robert   400 Whitman, Sylvia   221, 235 Whitney Museum, Art Resources Center   226, 300

Whitney Museum, Downtown Branch   213, 237–238, 274, 426, 431, 453 Whitney Museum of American Art   13, 16–18, 31, 37, 41, 59, 65–66, 72–73, 75, 126, 134, 144, 163, 187, 209–256, 257–272, 273–276, 292, 300, 307, 311, 320, 349, 351–355, 382, 387, 414, 424, 430–432, 444, 446–447, 452–453 Wiener Secession   45 Wilke, Hannah   221, 223, 244– 245, 251, 253, 265, 409, 411 Wilkins, Susan   231 Williams, Emmett   409 Williams, Reese   409 Williams, Roy   54 Wilson, Martha   218–220, 233, 241, 244, 251–252, 264, 367, 409 Wilson, Robert   214–215, 224, 232, 234–235, 251, 260, 302, 311, 331, 350 Woman’s Club, Minneapo­ lis   122 Wood, Catherine   15, 376 Wood, Margaret   311 Woodberry, David   220 Wright, Haviland   220, 264 Yee, Lydia   295 Yockel, Jane   311 Young, La Monte   235 Zane, Frank   237, 245, 247–249 Zappa, Frank   123

Detaillierte Kapitelübersicht

Einleitung Annäherung aus der Gegenwart   11 Konturierung des Gegenstands   19 Performance und Museen   22 Performance und lebendige Kunst   22 Performance als künstlerisches Medium   23 Performance als Gegenstand im Kunstdiskurs   24 Performance als kulturelles Phänomen   26 Die Institution Museum und Hinweise zur Ausstellungsforschung   28 Das Museum als Institution und als Ort   28 Das Museum als Instanz und als Metapher   31 Zur Ausstellungsforschung  34 Perspektive, Argumentationsebenen und Thesen   35 Quellen und Methode   36 Zur Quellenlage  36 Ästhetische Archäologie – Entwurf einer Methode   37 Kapitelübersicht  41 Exposition: Lebendige Kunst und die Institution Museum – ein kritisches Verhältnis? Der ‚Fall Allan Kaprow‘ – Museumskritik im Namen von Kunst und Leben   43 Eine kleine Geschichte künstlerischer Museumskritik   45 Das Museum als Gegenspieler von Performance im Performancediskurs   49 “But speaking practically …” Kaprows Dialog mit dem Museum   51 Drei Fälle performativer Museumskritik um 1970   54 Yayoi Kusama  54 The Guerilla Art Action Group (GAAG)   56 Mierle Laderman Ukeles   58 Qualitäten und Stoßrichtungen performativer Museumskritik   60 Die Integration von Kritik   63 Schlussfolgerung und Ausblick   66

Detaillierte Kapitelübersicht

507

1. Teil: Anbruchspunkte Tanz im white cube? Die Merce Cunningham Dance Company zu Gast im Walker Art Center, Minneapolis, 1972 Einführung  71 Event #32 im Walker Art Center   77 Rekonstruktion der Veranstaltung   77 Die organisatorischen Rahmenbedingungen der MCDC-Residenz   84 Die Werkgruppe der Events im Kontext von Cunninghams Werk   89 Zur Entstehung der Events  89 Events und Cunninghams Werkästhetik   92 Konzept Reduktion  92 Konzept Koexistenz  96 Konzept Zufall  114 Zwischenfazit zu den Events  118 Das Walker Art Center als Ort für Performance   120 Historischer Hintergrund  120 Die Jahre 1969–1972: Eine neue Abteilung und ein neues Gebäude   123 Das Performing Arts Department   123 Der Museumsneubau  125 Analogien und Synergien   131 Zur Museumskompatibilität der Body Art – Die Ausstellung Bodyworks im Museum of Contemporary Art Chicago, 1975 Einführung  135 Rekonstruktion der beiden Ausstellungsteile   139 Die statische Ausstellung   140 Zwischenfazit zur statischen Ausstellung   151 Live-Performances (Acconci; Oppenheim; Anderson; Burden)    155 Vito Acconci: Projection Room, 21. März 1975, 20:00 Uhr   156 Dennis Oppenheim: Black Skin – Black Walls, 2. April 1975, 20:00 Uhr   159 Laurie Anderson: Songs and Stories for the Insomniac, 4. April 1975, 20:00 Uhr   162 Chris Burden: Doomed, 11.–13. April 1975, 20:00 Uhr   165 Zwischenfazit zu den Live-Performances   169 Bodyworks im Kontext des Kunst- und Ausstellungsdiskurses der Zeit   170 Das Magazin Avalanche und der frühe Body-Art-Diskurs in den USA   170 Body-Art-Ausstellungen in Europa   178 Body Art und das Museum   186 Ausblick  190

508

Anhang

Zur ‚Eventisierung‘ des Museums – Avantgarde-Performance trifft Bodybuilding im Whitney Museum of American Art, New York, 1976 Einführung  209 Rekonstruktion des Festivals Performances: Four Evenings, Four Days  211 Räumlicher und zeitlicher Rahmen   213 Die Performances  213 Dienstag, 17. Februar 1976, 20:30 Uhr: Laura Dean   213 Donnerstag, 19. Februar 1976, 20:00 Uhr: Robert Wilson; Christopher Knowles; Lucinda Childs   214 Samstag, 21. Februar 1976, 12:00–18:00 Uhr: Robert Morgan; Stuart Sherman; Nancy Lewis & Richard Peck; Connie Beckley; Michael Smith; Mary Overlie   215 Sonntag, 22. Februar, 12:30–14:45: Martha Wilson; Judy Padow Dance Company; Jean Dupuy und 19 weitere Performer*innen   219 Dienstag, 24. Februar, 20:30 Uhr: Richard Foreman   224 Donnerstag, 26. Februar, 20:00 Uhr: Noa Ain; 21:00 Uhr: Terry ­Allen  224 Samstag, 28. Februar, 12:00–17:00 Uhr: Guy de Cointet; Laurie ­Anderson; Adrian Piper; Julia Heyward; David Gordon (mit Valda Setterfield)   226 Sonntag, 29. Februar, 12:30 – 18 Uhr: Jared Bark; Jana Haimsohn; Medicine Show Theatre Ensemble   230 Synopse und Bemerkungen zum kuratorischen Konzept   232 Verortung des Festivals im Museumsprogramm   236 Downtown-Performance an der Madison Avenue – Institutionalisierung der Avantgarde?   239 Das Symposium Articulate Muscle – Bodybuilding im Museum   245 Der Körper als Ereignis   249 Das Museum als Plattform und Marktplatz   253 Zur historischen Bedeutung des Festivals   273

2. Teil: Ökonomie und Politik Performance on Display im Spiegel der Ökonomie – The Foundation of Art Performances and Projects Inc. und die Distribution von Performance Einführung  281 Zum umstrittenen Verhältnis von Performance und Ökonomie   284 Institutionen und Netzwerke aus der Perspektive der Kunstsoziologie   287 Material- und quellenbezogene Hinweise   290 Aufbau des Kapitels   293

Detaillierte Kapitelübersicht

509

Performance in SoHo – Zur soziökonomischen Situation von Performancekünstler*innen  294 SoHo als Künstler*innenkolonie   295 “Where the Avant-Gardest Work the Hardest” – Kunst als professionelle Arbeit   298 Alternative Strukturen und das Ringen um Sichtbarkeit   300 Performance in kommerziellen Galerien   303 The Foundation of Art Performances and Project Inc.   310 Die Vermittlungsarbeit von API, 1976–1979   319 Zusammenarbeit mit dem MCA Chicago   319 Vermittlung der US-amerikanischen Performance-Avantgarde nach Europa  330 Zusammenarbeit mit der documenta 6  331 Nach der documenta 6 / Performance auf Kunstmessen   357 Zusammenführung  360 Implikationen (Künstler*innen; Medium; Institutionen)   361 Art Performances Inc. als Missing Link?   365 Distributionsnetzwerke: ein Antrieb für den Eintritt von Performance ins Museum?  365 Performance on Display im Kontext von Dienstleistungsökonomie und Performancezeitalter  367 “Partially funded by the National Endowment for the Arts” – Performance on Display im Kontext US-amerikanischer Kulturpolitik und Kunstförderung Einführung  371 Forschungsstand  373 Aufbau des Kapitels   379 Kulturpolitik und staatliche Kunstförderung in den USA   380 Historischer Hintergrund  380 Indirekte Kunstförderung – Hinwendung zur Gegenwart und Zusammenbindung von Kunst und Bildung   382 Die New-Deal-Ära, 1933–38: Kunst als Arbeit und Visuelle Bildung für Konsument*innen   384 Kunstförderung im Kalten Krieg – Die Freiheit der Kunst als US-amerikanisches Monopol  386 Die Verbreitung US-amerikanischer Kunst im Ausland und die Rolle des MoMA   388 Nelson Rockefeller und John F. Kennedy – Kontrahenten im Dienste der Künste   391 Das NEA: Leitprinzipien und Struktur   394

510

Anhang

NEA-Förderung für Performance und Museen in den 1970er-Jahren   399 Indirekte Unterstützung durch Infrastrukturförderung   399 Individuelle Stipendien für Performancekünstler*innen   405 Gremienstrukturen, Bewerbungs- und Auswahlprozesse   413 Zwischenfazit zur Künstler*innenförderung   420 Förderung für Museen: Verlebendigung im Namen von Bildung und Demokratie  422 Zwischenfazit zur Museumsförderung   432 Zusammenführung  434 Das NEA als Katalysator für Performance on Display  434 Eine Systemperspektive auf Performance, Museen und das NEA   435 Performance on Display als historisches Phänomen und Symptom eines Kreativitätsdispositivs  437 Schluss Reflexion der Methode und Ansätze für weiterführende Forschung   442 Synopse der Kapitel   443 Wie kam Performance ins Museum?   445 Weg 1: Künstlerische Initiativen   445 Weg 2: Einladung durch Museen   446 Weg 3: Die Unterstützung Dritter   447 To be or not to be in the museum?   448 Produktive Momente  449 Museum und Performance: Mobilität und Permanenz   449 Performance und Museum: Aktualität und Flexibilität   451 Performance on Display als historisches Phänomen   454 Rückkehr in die Gegenwart   455

Detaillierte Kapitelübersicht

511