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German Pages 268 [265] Year 1970
SCHRIFTEN UND QUELLEN DER ALTEN WELT HERAUSGEGEBEN VOM Z E N T R A L I N S T I T U T FÜR ALTE G E S C H I C H T E UND ARCHÄOLOGIE DER AKADEMIE DER W I S S E N S C H A F T E N DER DDR
BAND 25
OVID DIE LIEBESKUNST
L A T E I N I S C H U N D DEUTSCH VON
FRIEDRICH W A L T E R LENZ
Mit 8 Tafeln
Unveränderter Nachdruck der 1. Auflage
A K A D E M I E - V E R L A G • BERLIN i 973
Redaktor der Reihe: Günther Christian Hansen Gutachter dieses Bandes: Gerhard Perl und Fritz Plagemann Redaktor dieses Bandes: Gerhard Perl
Erschienen im Akademie-Verlag G m b H , 108 Berlin, Leipziger Straße 5—4 Copyright 1969 by Akademie-Verlag G m b H Lizenznummer: 202 • 100/305/73 Schutzumschlag und Einband: Marianne Gossow-Rodrian Herstellung: IV/2/14 V E B Druckerei »Gottfried Wilhelm Leibniz«, 445 Gräfenhainichen/DDR • 4090 Bestellnummer: 2066/25 • ES 7 M E D V - N r . 751 553 8
INHALT Einführung
7
Überlieferung
27
Ausgaben
j1
Literatur
32
Abkürzungen
34
Die Liebeskunst, lateinisch und deutsch 1 . B u ch
36
2. Buch
80
3. Buch
122
Erläuterungen
168
Register
239
Nachträge
245
Tafelverzeichnis
247
Tafel 1 - 8
EINFÜHRUNG Ovids 'Liebeskunst' gehört wie Boccaccios 'Decamerone', Chaucer's 'Canterbury Tales', Balzacs 'Contes drolatiques' und in einigem Abstand vielleicht noch ein paar andere, die hier nicht einzeln genannt zu werden brauchen, zu den Werken der Weltliteratur, an die der Durchschnittsleser mit einem Gefühl der Sensation herantritt, weil er sich von ihrer Lektüre einen Nervenkitzel und angenehme sinnliche Erregung verspricht. Dieses Gefühl mag im Falle Ovids noch dadurch gesteigert werden, daß der Dichter für sein Werk einen teuren Preis bezahlen mußte. Im Jahre 8 n. Chr. wurde durch seine Verbannung an die Küste des Schwarzen Meeres der Rest seiner irdischen und ein großer Teil seiner geistigen Existenz vernichtet. Wenigstens war die Abfassung der 'Liebeskunst' der offiziell angegebene Grund oder vielmehr Vorwand für anderes, was der Dichter nicht enthüllt hat. Er zog es aus Gründen der persönlichen Sicherheit vor, an der offiziellen Version festzuhalten und sich im übrigen mit Andeutungen zu begnügen, die der Phantasie einen weiten Spielraum lassen. Daß die amtliche Begründung ein schlechter Vorwan'd war, geht schon aus der Tatsache hervor, daß das Werk zweimal aufgelegt werden und etwa zehn Jahre in Rom ungefährdet zirkulieren konnte. Es empfiehlt sich, alle Sensationslust und das Staunen über die fast beispiellose Wirkung des Gedichtes auf das Mittelalter und die Renaissance auszuschalten und zu fragen, was Ovid zur Abfassung und zur Wahl der Form eines Lehrgedichtes bewogen haben kann. Es ist eine alte Beobachtung, daß einzelne Elegien Tibulls (i, 4), Properz' (4, 5) und Ovids selbst (Amores 1, 8) lehrhafte Elemente enthalten, und man hat in ihnen so etwas wie Keimzellen der 'Liebeskunst' gesehen. Das ist nicht unrichtig, aber es ist nur eine sehr unvollkommene Erklärung. Es ist ein Unterschied, ob Dichter in einer Elegie, die dem Bereich subjektiv erotischer Poesie angehört, nebenbei auch kurz angeben, wie man in bestimmten Fällen zweckmäßig liebt, oder ob ein Werk von mehr als 2300 Versen diesem Gegenstand gewidmet und in einzelne Bücher geteilt wird. Haben wir also ein systematisches Lehrbuch der Erotik vor uns? Eine Bejahung dieser Frage würde eine schlechte Kenntnis Ovids verraten. Weder das gesellschaftliche Leben in Rom gegen Ende der vorchristlichen Zeitrechnung noch Ovid selbst, der die Phänomene dieses Lebens gierig auffing und als Rohstoff zu Kunstwerken benutzte, haben mit Systematik viel zu tun. Das hatte vielleicht ein hellenistischer von Kallimachos nicht berührter Lehrdichter, der didaktische Gedichte über heilsame Kräuter oder Schlangen schrieb, ohne sich darum zu kümmern, ob er der Gefahr, langweilig zu werden, entging oder nicht.
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Einführung
Am Ende des dritten Buches (V. 809) sagt Ovid, daß das Spiel ein Ende habe. Wir dürfen das Wort lusus nicht leicht nehmen, sondern müssen es in seiner ganzen Bedeutung fassen. Noch der Ovid der Verbannungsgedichte hat sich in seiner Autor biographie (Tristia 4, 10, 1) und in der Aufschrift, die er vorgibt für sein Grab gedichtet zu haben (Tristia 3, 3, 73), als lusor, Spieler bezeichnet. Ist damit etwa gesagt, daß er als Künstler nicht ernst genommen werden wollte? Ganz im Gegenteil, die dichterischen Ansprüche, die ein Werk macht, das sich selbst Spiel nennt, werden dadurch nicht ausgeschlossen, noch nicht einmal gemindert. Der Anspruch auf künstlerische Bewertung schließt natürlich nicht aus, daß er hier ebenso wie in dem Gegenstück über die 'Heilmittel gegen die Liebe', die alles andere eher sind als eine Palinodie, die Einzelheiten mit der Überlegenheit des Humors behandelt, der sich bis zu Witz, Spott und sogar Ironie steigern kann. Nun würde es zweifellos langweilig, vielleicht sogar ernüchternd wirken, wenn die Rolle des witzigen Ironikers 2300 Verse hindurch gespielt würde, nachdem Paralleles und zum Teil Identisches in den 'Amores' bereits knapp und prägnant gesagt war. Darum ist es nötig und steigert die Wirkung, daß der Dichter zuweilen die Maske des Ernstes vornimmt und darüber hinaus an einzelnen Stellen mit unüberhörbarem Ernst spricht. Wie kann er seine Aufgabe am besten durchführen? Er kann es, indem er den Lehrer spielt und vorgibt, etwas lehren zu können, was im Grunde nicht lehrbar, sondern mit der Tatsache des Menschseins selbst gegeben ist. Die Hauptsache ist, daß es mit der nötigen Gelassenheit geschieht, nicht etwa mit moralischer Entrüstung über etwas, was nun einmal so ist und sich nie ändern wird. Dabei bietet sich genug Gelegenheit, auf Mißstände und dunkle Seiten in den Beziehungen zwischen den beiden Geschlechtern hinzuweisen, und Ovid deutet nicht ganz selten an, daß gewisse Dinge nicht nur nicht gut sind, sondern anders sein sollten, aber er gibt sich nicht der Illusion hin, durch ein Lehrbuch die Dinge in andere Wege lenken zu können. Sonst würde er nicht im ersten Verse des ersten Buches die skeptische Ausdrucksweise gewählt haben, daß es einen Lehrer gibt, w e n n einer in d i e s e m Volke die Kunst des Liebens nicht kennen sollte. Der Zusatz „diesem" spricht für sich selbst. Der Dichter will nur sagen: Was sie tun, das verstehe ich besser, weil ich die menschliche Seele tiefer kenne. Wenn dadurch verständlich wird, warum er für sein Werk die didaktische Form wählte, so werden auch zwei andere Tatsachen klar. Ovid folgt der in Lehrgedichten (Lukrez, Über die Natur der Dinge, und Vergil, Georgika) üblichen Formelsprache genau (ich habe in den Erläuterungen unter Hinweis auf die nützlichen Sammlungen E . J . Kenney's in Ovidiana [Herescu, vgl. unten S. 33] S. 202ff. darauf aufmerksam gemacht) und fast im Übermaß, und es ist gerade dieses Übermaß in Verbindung mit dem dadurch bewirkten Gegensatz zwischen Form und Inhalt, das Verdacht erregt. Es wirkt im Zusammenhange mit dem, was dann folgt, komisch und klingt so, als ob er dem Leser sagen wollte: „Siehst du, so muß man es machen, wenn rpan ein wirkliches Lehrgedicht schreibt." Nur darf man, und damit kommen wir zu dem zweiten Punkt, daraus nicht den Schluß ziehen, daß er mit seinem Werke die ernste und erhabene didaktische Dichtung Hesiods, Lukrez' und Vergils parodieren
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wolle. Gewiß, es finden sich genug Einzelbemerkungen, die nur dann sinnvoll sind, wenn man sie parodisch auffaßt, aber damit ist noch längst nicht gesagt, daß er die ernste didaktische Dichtung als Ganzes parodieren will. E r braucht die Maske des Lehrers, um besser und wirkungsvoller zu spielen. Wenn Ovid im Prooimion des ersten Buches, das ich an anderer Stelle (Lenz P., s. unten S. 33) eingehender behandelt habe, ausdrücklich erklärt, ihm sei die göttliche Inspiration nicht zuteil geworden, die Hesiod und wohl auch Lukrez empfangen haben (V. 25 fr.), und er statt dessen wagt, den usus, die mühselig erworbene lange Erfahrung, als seinen Lehrer einzuführen, ihm also göttliche Funktion zuzuerkennen, so geht er damit bis an die Grenze des Möglichen, überschreitet sie wahrscheinlich sogar. E r tut es aber nicht, um sich über diese Dichter lustig zu machen, sondern um unmißverständlich zu sagen, daß er Scherzhaftes in scheinbar feierlicher Form vorbringe. E r will dem Kunstwert und dem menschlichen Gehalt dieser erhabenen Dichtungen keinen Eintrag tun, sondern den Leser warnen, sich durch die für seinen Zweck aus dem oben dargelegten G r u n d e gewählte Form täuschen zu lassen. Der Leser soll das Bild der römischen Gesellschaft, das er ihm vorführen will, mit einem Lachen betrachten, das dem sehr nahe kommt, das Balzac nach seiner Erklärung in dem Prolog der 'Contes drolatiques' den Leser in einer von Politik und anderen unerfreulichen Dingen verseuchten Zeit wieder lehren will. Auch Ovid hat an den Bestrebungen, die in seiner Zeit am Werke waren, manches auszusetzen, nur drückt er das nicht so scharf aus wie Balzac. E r ist toleranter. E r ist viel zu einsichtig, um nicht zu wissen, daß der von Augustus unternommene und von vielen, die hinter ihm standen, unterstützte Versuch, Sittenreformen gesetzlich durchzuführen und das alte Römertum neu zu beleben, keinen nachhaltigen Erfolg haben konnte. E r hat natürlich wie ganz R o m gewußt, daß Augustus bei seiner Tochter (und später bei seiner Enkeltochter) Julia gerade in ihrer sittlichen Lebensführung sehr böse Erfahrungen zu machen hatte, vor denen er die Augen so lange wie möglich zu verschließen suchte. Ovid weiß sehr genau, daß das Rad der Geschichte und das Leben überhaupt sich nicht um Jahrhunderte zurückdrehen läßt, und er lehnt solche Versuche für sich ab, aber er drückt sich tolerant und zugleich konziliant aus, wenn er 3, 1 2 1 sagt, daß andere über das Alte ruhig Freude empfinden mögen, wenn es nur nicht von ihm erwartet werde. Es mache im Leben, wie es sich gestaltet hat, kein Vergnügen mehr, eine sabinische Bäuerin im Bett bei sich zu haben. Worten bitterer Kritik an dem Niveau der Vergangenheit geht er aber aus dem Wege, und wenn er Mißstände der eigenen Zeit rügt, so vermeidet er es nicht weniger, sich zu scharf auszudrücken. So wird auch hier eine Distanzierung von der Politik spürbar, mit der Augustus es sehr ernst nahm. Bereits in den 'Amores* hat er sich zu wiederholten MalenÄußerungen entschlüpfen-lassen (ich habe in den Erläuterungen der zweisprachigen Ausgabe immer wieder darauf aufmerksam gemacht), aus denen trotz einer gewissen Vorsicht in der Ausdrucksweise Ablehnung der augusteischen Innenpolitik spricht. In der 'Ars' geht er noch wesentlich weiter. Augustus sucht die alten Götterkulte planmäßig wiederherzustellen. Ovid hält das im Grunde für sinnlos, aber er sagt es nur verhüllt, wenn er den Glauben an die Staatsgötter als zweckmäßig
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bezeichnet (i, 637 f.), weil diese Fiktion zu einer anständigen Lebensführung beitrage. Daher läßt er, man möchte beinahe sagen, mit lässigem Lächeln, auch unblutige (das ist für ihn sehr bezeichnend) Opfer auf den Altären gelten. Es ist kein Wunder, daß sich in den Kreisen um Augustus und vermutlich bei diesem selbst so viel Zündstoff ansammelte, daß es nur noch des zündenden Funkens bedurfte, um den unbequemen und unvorsichtigen Menschen loszuwerden, der trotz Verhüllung zu offen sagte, was er dachte. Ovid selbst hat die Notwendigkeit der Aufrichtung eines Schutzwalles empfunden, nur hat er ihn für stärker gehalten, als er in Wirklichkeit war. Balzac erklärt im Prolog der 'Contes drolatiques', daß sie nicht für ein Mädchenpensionat bestimmt seien und daß man das Buch nicht einem jungen Mädchen in die Hand geben solle, nicht damit das junge Mädchen oder ein Fräulein mit drei Liebhabern Schaden nehme, sondern um das Buch vor Schaden zu bewahren. Ähnliche Erwägungen waren auch von Ovid anzustellen, nur daß er an die Stelle der jungen Mädchen die verheirateten Frauen treten lassen mußte, denn der intime Umgang mit einer matrona war ein mit schwerer Strafe bedrohtes Verbrechen. Daher erklärt Ovid bei jeder passenden Gelegenheit, daß die Ehefrauen, die zwar das Gedicht über die Pflege des Gesichtes ruhig lesen dürfen, die Hände von seinem Buche lassen sollen und daß es nicht für sie bestimmt sei. Er weiß natürlich genau, daß so eine Warnung nur zur Übertretung des Verbotes reizt, aber er glaubt, sich durch diese Beschränkung des Leserkreises salviert zu haben. Er hat zunächst überhaupt nicht die Absicht gehabt, für das weibliche Geschlecht zu schreiben. Es gibt heute wohl nur noch sehr wenige Erklärer, die glauben, daß Ovid die 'Ars' von Anfang an so geplant hat, wie sie uns jetzt vorliegt, d. h. in drei Büchern, von denen zwei sich an die Männer wenden, während das dritte den Mädchen gewidmet ist. Darüber ist unendlich viel geschrieben worden, so viel, daß es unmöglich ist, auf das Einzelne einzugehen. In dem Literaturverzeichnis, das ich auf eine Auswahl beschränke, gebe ich einige Hinweise. Hier genügt es, auf ein paar Tatsachen hinzuweisen. Hinter dem Prooimion gibt Ovid 1, 35—38 eine genaue Disposition des zu behandelnden Stoffes. Er teilt ihn in drei Abschnitte, von denen sich alle mit dem beschäftigen sollen, was die Männer zu tun haben. „Zu tun haben" sagt er nicht, sondern nennt es eine Anstrengung erfordernde Arbeit. Die Ausdrücke laborare und labor, die natürlich absichtlich zweimal (eigentlich sogar dreimal, denn labor ist in V . 37 zu Tertius hinzuzudenken) gebraucht werden, sprechen für sich und erinnern, vielleicht sogar absichtlich, daran, daß auch für dieses angenehme Spiel das hesiodische Mahnwort gilt, daß dem Menschen nichts von selbst in den Schoß fällt, sondern daß die Götter vor das erfolgreiche Gelingen den Schweiß gesetzt haben. Drei Aufgaben sind es also, die der Mann zu lösen hat. Er muß sich darüber klarwerden, wie die sein muß, die er lieben will. Ovid spricht mit absichtlicher Farblosigkeit nicht von der, die du lieben willst, sondern von dem, was du zum Gegenstand deiner Liebe machen willst. Die Mädchen sind also im Grunde nur „Dinger", wie wir sagen würden, selbst wenn er immer wieder betont, daß körperliche Reize ohne Ingenium und mores wertlos sind, wenn das "Mädchen mehr sein will
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als eine Eintagsfliege. Wir sehen sofort, es kommt ihm nicht darauf an, die Rolle des Eheberaters zu übernehmen. Die zweite Arbeit ist, wie der Mann das begehrte Mädchen — hier wird das Wort puella gebraucht — durch Bitten gewinnen kann, und die dritte, ja, nun kommt das Überraschende, die dritte ist, darauf hinzuarbeiten, daß die Liebe eine lange Zeit andauere. In diesen Worten liegt ein wichtiger Aufschluß. Ovid will dem jungen Manne nicht sagen, wie man zu einem Mädchen geht, das jeden Tag und jede Nacht einem anderen zur Verfügung steht, die meretrix, um es mit einem Worte zu sagen; er würde in einem solchen Falle von einem mos incultarum non dignus laude ferarum, von einem nicht preisenswerten Brauche ungezügelter Tiere sprechen, sondern er hat nur an den Mädchen Interesse, deren gehobenere soziale Stellung eine lange Verbindung ermöglicht und begehrenswert macht. Der Römer pflegt sie nach dem Vorbilde der in einer Ehe üblichen Bräuche und Anschauungen zu gestalten (daher auch der häufige Gebrauch der Worte vir tuus, maritus und uxor), abgesehen natürlich von dem Hauptzweck der römischen Ehe, der Fortpflanzung der Familie. Der Wert, der auf den Ausdruck longus amor, lange andauernde Liebe, gelegt wird, soll den Gedanken, er wolle zügelloser Laszivität das Wort reden, ausschließen. Im dritten, weiblich orientierten Buche spricht er dagegen nicht nur von dieser Klasse von Mädchen, sondern wenn er erwähnt (3, 615), daß ein Mädchen vor kurzer Zeit noch Sklavin war, so macht er es deutlich, daß er auch Mädchen mit einschließt, die ihre Gunst jedem zu schenken pflegen, der sie bezahlen kann. Das ganze Niveau des dritten Buches ist also verschieden, und es ist nicht Zufall, daß er die Einzelvorschriften über das Verhalten bei dem intimsten Vorgang diesem Buche vorbehalten hat (769—808), wobei er so tut, als ob er sie wider seinen Willen nur unter Venus' Druck gebe. Wenn er am Anfang dieses Buches einen fiktiven Sprecher den Einwand machen läßt: Wie kannst du nur den Mädchen Waffen gegen die armen, unschuldigen Männer in die Hand geben?, und wenn er dabei das Sprichwort verwendet: Du machst ja den Schafstall für die rasende Wölfin auf (8), so dürfen wir nicht vergessen, daß das Wort lupa, Wölfin, für den Römer zugleich eine Bedeutung hatte, die von der des Wortes „Hure" nicht sehr wesensverschieden ist. Der Gedanke, daß er im Grunde gegen seinen eigenen Vorteil und gegen die Interessen seines Geschlechtes handle, wenn er die Mädchen zu viel wissen lasse, kehrt nach mehr als 550 Versen (577) fast beiläufig noch einmal wieder. Der gegen mich (angeblich) ausgesprochene Tadel mag schon berechtigt sein, aber als unparteiischer Lehrer kann ich auf dem Wege, den ich eingeschlagen habe, nicht mehr zurück. Ich muß in der Inkonsequenz konsequent sein, treulos und treu in einem. Wir fragen wieder, mit welcher Seite es ihm ernst ist, wenn er die Dinge unter beiden Gesichtswinkeln ansieht, und sollten nicht vergessen, daß ein so pointierter Hinweis auf gerechtes Handeln eben nicht ernst genommen werden darf. Es ist natürlich längst gesehen worden und bedarf daher nur einer kurzen Erwähnung, daß der Dichter 2, 73} nicht von dem Ende des Buches oder zweier Bücher spricht, sondern von dem Ende des ganzen Werkes, wenn er 739ff. erklärt, das am Anfang gegebene Versprechen eingelöst zu haben, d. h. mit den Worten Naso
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magister erat, Naso war der Lehrer, drückt er das Siegel auf (744). Das Distichon 745 f., dessen abrupter Beginn mit Ecce das Fehlen der Verbindung mit dem Vorhergehenden schlecht verhüllt, ist erst hinzugesetzt worden, als der Dichter, vermutlich durch den Erfolg der beiden Bücher angeregt, beschloß, das Werk um ein drittes Buch erweitert noch einmal erscheinen zu lassen. Die Bedenken, die Th. Birt (Berliner Philologische Wochenschrift 43, 1913, 1223, vgl. i499ff.) gegen diese Beurteilung des Distichons ausgesprochen hat, sind nicht überzeugend. Aus den Anspielungen auf Zeitereignisse 1, 171—176 und 177—228 (über die Einzelheiten vgl. die Erläuterungen) dürfen wir schließen, daß er 2 v. Chr. an dem Werke arbeitete, d. h. zu einer Zeit, in der er die Vierzig bereits überschritten hatte, und die zweite Ausgabe schon vor 2 n. Chr. veranstaltet hatte. Es ist eine schwierige und mit unseren Mitteln nicht sicher zu beantwortende Frage, ob beide genannten Versgruppen erst bei der zweiten Auflage in das erste Buch eingefügt worden sind oder nur die zweite. Wenn es Ovid auch einigermaßen gelungen ist, die beiden Abschnitte mit dem Thema, wo ein Mann leicht Damenbekanntschaften machen kann, zu verbinden, so gehören doch die Ausmalung eines Triumphzuges, der durch die Ereignisse des Jahres 2 n. Chr. unmöglich wurde, und die sehr unnötige, in ihrem Tone fast peinlich wirkende Verbeugung vor dem jungen Enkelsohn und Adoptivsohn des Augustus zu dem, was ich oben S. 10 Schutzwall genannt habe. Es ist sehr leicht möglich, daß der Dichter entweder eigenem Antriebe folgend oder auf den Rat von Freunden eine schützende Verstärkung für zweckmäßig gehalten hat 1 . Auf jeden Fall empfindet der für höfische Schmeicheleien nicht empfängliche Leser ein Gefühl der Erleichterung, wenn der Dichter 229 mit etiam zu den convivia, Banketten übergeht. Wir sind nicht so günstig gestellt, daß wir nachweisen können, wo Ovid im ersten und zweiten Buche sonst noch Überarbeitungen vorgenommen und Zusätze gemacht hat. Daß er die erste Ausgabe nicht mechanisch wiederholt hat, ist an sich wahrscheinlich. Wenn die genaue Disposition in den Versen 1, 35—38, von der die Rede war, eine ebenso genaue Durchführung der Anordnung erwarten läßt, so wird sich dieser Erwartung nur der hingeben, der Ovid für einen schematischen Systematiker oder Pedanten hält, und er wird angenehm enttäuscht werden. Ovid ist, wie schon einmal gesagt wurde, viel zu gierig, Phänomene des Lebens in sich einzufangen und sie dann in künstlerischer Formung wieder aus sich herauszustellen und als überlegener Psychologe, man könnte auch sagen Kenner männlichen und weiblichen Verhaltens und menschlicher Schwäche (ich erinnere unter zahllosen Fällen nur an den berühmten Vers 1, 99 Spectatum veniunt, veniunt spectentur ut ipsae von den Zuschauerinnen bei Theaterveranstaltungen), als daß er nicht geneigt wäre, aus Freude daran und im Bewußtsein voller Herrschaft über Sprache und Vers und die in ihnen liegenden bildnerischen Möglichkeiten Dinge um ihrer selbst willen vorzuführen. In der Regel 1
Es gibt Erklärer, die dem Dichter ein leichtfertigeres und gefährlicheres Motiv unterstellt haben, nämlich höfisch gesinnten Lesern zu zeigen, was für ein langweiliges Zeug bei solchen konventionellen Lobpreisungen herauskomme. Diese Deutung scheint erwägenswert.
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ist er geschickt genug, sie durch eine kleine Bemerkung mit dem Hauptgegenstand zu verklammern. So kommt es, daß er einer Assoziation folgend das eigentliche Thema verläßt und sich sorglos den durch diese Assoziation geweckten Bildern hingibt, bis er sie erschöpft hat. Erst dann ruft er sich wieder zurück und tut zuweilen so, als ob er sich tadle. Ein Exkurs oder eine Abschweifung dieser Art, wenn man diese Neigung zu nicht lehrhafter Behandlung in der Form des Lehrgedichtes mit solchen rhetorischen Termini bezeichnen will, wird gelegentlich durch das verräterische (vgl. das oben S. 12 zu 2, 745 Gesagte) Ecce eingeleitet, das mit anderen Worten eine Aufforderung an den Leser ist: Paß auf, jetzt kommt etwas Besonderes. So kann eine Geschichte, die angeblich als Beispiel für eine vorhergehende Behauptung oder psychologische Beobachtung dient, eingeführt werden, während sie ihr Erscheinen in dem Buche in Wirklichkeit der Freude am elegischen Erzählen verdankt und oft als kleine Liebesnovelle viel reizvoller ist, als wenn sie in mehr epischer Stilisierung noch einmal in dem großen Werk der 'Metamorphoses' erscheint. Das trifft z. B. auf die Erzählung von Kephalos und Prokris (3, 685 ff.) zu. In den Erläuterungen habe ich gezeigt, warum die Behandlung in der 'Ars' stärker wirkt als die Darstellung in den 'Metamorphoses'. Durch sie wird das Niveau des Buches stark gehoben: es geht, wie gesagt, von der lupa aus und endet, abgesehen von den Schlußversen 809—812, die das wichtige Wort ¡usus (vgl. oben S. 8) enthalten und absichtlich an das ursprüngliche Ende im zweiten Buch angeglichen sind, mit dem Benehmen im Bett. Es war ein glücklicher Gedanke des Dichters, diese Erzählung mit der sie einleitenden anmutigen Landschaftsschilderung fast an den Schluß zu verlegen. Durch diese Hebung des Niveaus wird ein künstlerisches Gleichgewicht hergestellt. Enden konnte und wollte Ovid, dem es in dem Werke um alles andere als um tragischen Ausklang geht, mit der Geschichte nicht. Der Höhepunkt, dem das Ganze zustrebt, ist und bleibt der Vorgang im Bett. Noch lockerer, sogar fast gewaltsam hat Ovid sich die Möglichkeit geschaffen, die Liebesgeschichte des Dionysos und der Ariadne einzufügen. Dies ist einer der Fälle, in denen das Wort Ecce verdeckend helfen muß (1, 525). Er gibt vorher Ratschläge für anständige Körperpflege. Dabei deutet er mit Ablehnung auf das Verhalten einer lasziven puella hin (man sieht wieder, daß er in diesem Buche andere Mädchen meint) und auf das Benehmen gleichgeschlechtlich gerichteter Männer, für die er niemals Sympathie gehabt hat. Plötzlich ruft Liber (Dionysos) ihn und verlangt nach dem Künder, der ihm gerecht wird (suum vateni), denn er hilft dem Liebenden und begünstigt die Glut. Das heißt in einfacher Prosa ausgedrückt: Eigentlich sollte ich jetzt von Weingelagen sprechen und ergänzen, was ich oben (229—252) gesagt habe, aber das wäre trockene Lehrdichtung. Das muß auf feierliche Weise geschehen. Daher wird Liber persönlich eingeführt. Das bietet die Gelegenheit zu erzählen, woran ihm wirklich liegt, die Liebesgeschichte von Bakchos und Ariadne. Daher sagt er: Liber begünstigt die Flamme, von der er selbst glüht. Dann folgt 527 ohne Verbindung die Geschichte, die mit der Umschreibung des Namens Ariadne (Cnosis, die aus Knossos auf Kreta stammende Prinzessin) einsetzt und ihren Seelenzustand malt, nachdem
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Theseus sie auf der Insel Naxos verlassen hat. Dabei vergißt er nicht, mit leisem Spott ganz nebenbei zu bemerken, wie schnell Ariadne den ersten vergaß (551), und flicht die heiteren Vorgänge ein, die sich mit Silenos abspielen, der betrunken von seinem Esel fällt. Dabei findet das von Ariadne 539 gesagte Excidit illa metu in scherzhafter Weise 547 durch das anklingende, aber ganz anders zu verstehende cecidit ein Gegengewicht. Die ganze Szene ist nicht auf tragische Wirkung angelegt. Diese lockere Art, sich gehen zu lassen und systematisches Abhandeln zu vermeiden, wird besonders deutlich, wenn er 565 mit zurücklenkendem Ergo da wiederansetzt, wo er 526 aufgehört hat. Daß er dort mit den Worten qua calet ipse die Liebe zu Ariadne meint, hätte jeder Leser auch ohne die folgende Erzählung verstanden. Sehr aufschlußreich für Ovids Art, ein sogenanntes Lehrbuch zu komponieren und dabei den Leser völlig vergessen zu lassen, daß der Dichter Anweisungen gibt, ist der Anfang des zweiten Buches (1—98). Hier wird auch die Form des Lehrgedichtes durchbrochen, und nur wenige Bemerkungen in den ersten Versen erinnern daran. Glaube nicht, daß du schon am Ende bist, sagt er zu dem Liebesschüler und fügt mit Benutzung des bekannten Schiffahrtstopos hinzu: Wir können uns zwar über das Erreichte freuen und Paian rufen, aber der Hafen, auf den ich zusteuere, ist noch fern. Jetzt brauche ich mehr denn je die Gunst Cythereas (Venus, Aphrodite, von der griechischen Insel Kythere) und der Muse, deren Name Liebe kündet (vgl. die Erläuterungen zu 2, 16). Mit der Bitte um Hilfe ist es ihm nicht so ernst, denn dieselbe Aphrodite, die ihm jetzt helfen soll, hat ihn am Anfang des ersten Buches zum Lehrer ihres Sohnes Amor bestellt, weil er so vollkommen ist, und die Musen haben es ihm nicht so leicht gemacht wie Hesiod, den sie inspirierten, während sie es bei ihm nicht taten (1, 27). Mit der sprichwörtlich gewordenen Formulierung Nec minor est virtus, quam quaerere, parta tueri (2, 13), der im Mittelalter ein seltsames und erheiterndes Schicksal beschieden war (vgl. die Erläuterungen), erinnert er an die 1, 35—38 gegebene Disposition. Dadurch weiß der Leser, was er im folgenden zu erwarten hat. Amor ist leicht und hat Flügel, er ist also schwer zu halten, fügt Ovid noch hinzu. Diese Feststellung steht in vollkommenem Einklang mit dem in V. 13 formulierten Thema. Wenn man will, mag man die ersten zwanzig Verse als Prooimion des Buches bezeichnen. Dieser Einleitung folgt aber nicht sofort die Behandlung, mit ihr hat der Dichter es gar nicht eilig. Er beginnt mit ihr erst V. 99 oder, da das Distichon 97 t. vorwärts und rückwärts zugleich orientiert ist, mit V. 97. Dazwischen steht die Erzählung von Daidalos und Ikaros, die lehren soll, daß es nicht möglich ist, Menschen gegen ihren Willen festzuhalten, um wieviel weniger also einen geflügelten Gott. Diese zwischen die Vorbemerkung und die eigentliche Behandlung gestellte und mit beiden verbundene Erzählung für einen Teil des Prooimions zu erklären halte ich für keinen besonders glücklichen Gedanken R. Heinzes, der sonst in seiner hervorragenden Untersuchung über Ovids elegische Erzählung 1 über die Daidalosgeschichte S. 74f. mit wenigen Worten das Entschei1 Berichte über die Verhandlungen der Sächsischen Akademie der Wissenschaften, Philologischhistorische Klasse 71,7, Leipzig 1919.
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dende gesagt hat. Der Vergleich mit den Metamorphoses 8, 183ff. drängt sich von selbst auf. Er zeigt, daß Ovid einzelne Verse oder Versteile (es sind nur wenige, da der Dichter auf Variierung bedacht ist) wörtlich oder fast wörtlich in die 'Metamorphosen' übernommen hat und andere Stellen episch steigert. Diese Übernahme war möglich, weil der Dichter sich bereits hier in der 'Ars' nicht ausschließlich des elegischen Stiles bedient, den z. B. die entzückende Szene zwischen Kalypso und Odysseus (2, 123) so klar erkennen läßt, sondern den Ton und die Ausdrucksweise gegen die ersten zwanzig Verse und das Folgende stark absetzt und sich der epischen Weise annähert, nur daß er in den 'Metamorphosen' von dem Stilmittel der Alliteration einen weit konsequenteren Gebrauch macht. Man muß natürlich bedenken, daß die Umformung der Pentameter in Hexameter die Notwendigkeit einzelner stilistischer Änderungen in sich schloß, aber auch davon abgesehen zeigt eine Stelle, für die Heinze sich nicht interessiert hat, in den 'Metamorphosen' eine Änderung, für die es schwer ist, einen überzeugenden Grund einzusehen. In der 'Ars' heißt es von Daidalos: „Icare" clamat (2, 94) und unmittelbar darauf noch einmal „Icare" clamabat. Das wirkungsvolle Bild des ratlos ins Leere schreienden Vaters ist durch das farblosere dixit und dicebat ersetzt. Für alles, was danach noch zu sagen ist, braucht Ovid in der 'Ars' noch einen halben Hexameter und zwei Pentameterhälften, in denen jedesmal etwas Neues mit stärkster Dramatik unverbunden nebeneinandergestellt wird: er sieht die Federn auf den Wellen, die Erde deckt die Knochen (des Sohnes), das Meer hat (seinen) Na'men. In den 'Metamorphosen' sind daraus 2^2 Hexameter geworden, weil der Dichter an dem Vater mehr Interesse hat. Er ist es, der nicht nur die Knochen der ans Land gespülten Leiche in der Erde birgt, sondern er verwünscht noch dazu seine Kunstfertigkeit. Mit diesen Worten sagt der Dichter also deutlich, daß eine tragische Schuld des Vaters am Tode seines Sohnes besteht. Es ist von vornherein zu erwarten, daß Ovid in diesem Werk eine passende Gelegenheit finden wird, die berühmte Geschichte von der ehebrecherischen Liebe der Aphrodite und des Ares auf seine Weise zu erzählen und in der richtigen Weise einzufügen. In dieser Erwartung werden wir nicht enttäuscht. R. Heinze (oben S. 14 Anm. 1) S. 15 hat sehr treffend gesagt, daß die Geschichte durch die Odyssee (8, 261—369) sozusagen episch legitimiert worden ist. Es überrascht daher nicht, daß Ovid sich auch in den 'Metamorphosen' die Möglichkeit geschaffen hat, die Geschichte, die mit einer Verwandlung nichts zu tun hat, einzuflechten, aber der Unterschied in der Länge ist sehr auffallend. In den 'Metamorphosen' sind es nur 19 Verse (4, 171—189), in der 'Ars'. 30 (2, 561 — 590). Dazu kommt noch ein Anhang von zwei Distichen, von denen das zweite gleichzeitig der Verknüpfung mit dem Thema dient. Dieses Verhältnis von fast 2:1 stellt uns vor die Frage, ob der Unterschied zufällig oder beabsichtigt ist. Ovid gehört für gewöhnlich nicht zu den Dichtern, die etwas absichtslos tun. In den 'Metamorphosen' wird die Geschichte zur Vorbereitung einer anderen erzählt, die trägischen Ausgang hat. In beiden sind der Gott Sol und Aphrodite von entscheidender Bedeutung. In der 'Ars' soll sie äußerlich gesehen einen Rat illustrieren. Der Dichter warnt die Männer, ihre Geliebten auf frischer Tat zu überraschen, wen sie wissen, daß sie hintergangen werden. Sie
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erreichen damit nur das Gegenteil: Scham verwandelt sich in Trotz, und das Mädchen tut offen, was es bisher heimlich getan hat. Wenn also Mars und Venus als Beispiel für die Richtigkeit dieser Erfahrung genannt werden, so wissen wir, was er sagen will, wenn sich der aus dem Netz befreite Mars nach Thrakien und Venus sich nach Paphos (a^t Kypros) zurückziehen, scheinbar so weit voneinander getrennt wie möglich. Bei Homer, der das 8, 361 ff. ebenfalls erwähnt, fehlt jeder zweideutige Unterton, und in den 'Metamorphosen' hat Ovid gar kein Interesse an dem, was die befreiten Götter tun. Äußerlich ist also die Erzählung in der 'Ars' geschickt in ihre Umgebung eingefügt. In Wirklichkeit kommt es Ovid aber nicht darauf an, sie als warnendes Beispiel zu benutzen, sondern er erzählt um der Sache willen. Dabei macht er aus der Liebesaffäre, um es modern auszudrücken, eine Novelle im Stile Boccaccios und mischt persönliche Bemerkungen über die Dummheit des Angebers Sol und des Gatten Vulcanus hinein. Sie sind von so köstlicher Frivolität, daß es sich lohnt, auf sie einen Blick zu werfen. Zunächst scheint in der Verwendung des Namens Mulciber (577) eine besonders witzige Pointe zu liegen, sofern die von Georg Wissowa zu wiederholten Malen gegebene und von Mielentz 1 gebilligte Deutung des Beinamens richtig ist, daß Vulcanus nicht nur das Feuer und der Herr des Feuers ist, sondern das Feuer auch wohltätig dämpft und besänftigt (mulcet). Wie tut er es hier? Dadurch daß er die Liebenden in actu coeundi in einem Netz fängt und sie hilflos dem allgemeinen Gelächter preisgibt. Er übt also sein Amt als Dämpfer und Besänftiger nach Ovid nicht nur sehr schlecht aus, sondern bewirkt das Gegenteil von dem, was er gewollt hat, denn von nun an tun sie es nicht mehr heimlich, sondern trotzig offen, und du, Vulcan, bedauerst die Dummheit deiner List. Die persönliche Stellungnahme mit der direkten Anrede an Vulcan (V. 5 89 ff.) wie im Stile Balzacs ist der Höhepunkt. Derselben Form bedient Ovid sich zum innigen Vergnügen des Lesers, wenn er Sol, der Vulcan die Sache verraten hat, anredet (575f.): Dumm hast du gehandelt, du hättest dir dein Schweigen erkaufen sollen, sie würde schon mit ihrer Gunst bezahlt haben, es hätte sie ja nicht viel gekostet (576 quoddarepossit habet). Weder die 'Odyssee' noch der Ovid der 'Metamorphosen' könnte eine solche Form der Darstellung zulassen. Aber Ovids Vergnügen, Göttliches allzu menschlich zu sehen, macht auch vor den beiden Hauptbeteiligten nicht halt. Venus äfft vor ihrem Liebhaber den hinkenden Gang ihres Gatten nach, und das steht ihr gar nicht schlecht, im Gegenteil (570). Mit Behagen malt Ovid aus, wie die beiden ertappten Sünder sich im Bett nicht rühren und nichts verdecken können. Wieder steht das weder in der 'Odyssee' noch in den 'Metamorphosen', die hier so dezent wie möglich sind. Und daß Venus, während Mars hilflos auf ihr liegt und sie nicht weniger hilflos ist, die Tränen kommen, ist wieder einer der Höhepunkte, die nur der 'Ars' eigen sind. 1
Real-Encyclopädie der classischen Altertumswissenschaft X V I 1 , 1933, 494: hier gibt er auch die Stellen, an denen Wissowa seine Deutung vorgetragen hat; vgl. auch Walde-Hofmann, Lateinisches Etymologisches Wörterbuch, 3. Aufl., Bd. II, Heidelberg 1948, i2of.
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Und schließlich Mars. Er war einmal ein terribilis dux (564), aber der Dichter kann es nicht recht glauben; amator zu sein ist ihm jetzt wichtiger. Wir müssen auch darauf achten, daß er nicht nur Mars genannt, sondern mit zwei anderen Namen bedacht wird, Gradivus (566) und Mavors (585). Die wirkliche Etymologie des Namens Gradivus mit langem a (vgl. Walde-Hofmann I 616) ist hier ganz gleichgültig, denn Ovid denkt natürlich an die Volksetymologie, die den Namen von gradi mit kurzem a ableitet und den im Kriegstanz Schreitenden darunter versteht. Hierin liegt wieder ein Witz. Der so wild Weitausschreitende hat es gar nicht eilig, von seiner weichen Venus wegzukommen, die gegen ihn so wenig bäuerisch und so leicht zu handhaben ist. Und wenn Mars schließlich von einem neidischen Götterkollegen, der gern seine Fesseln übernehmen möchte, mit dem höchst feierlich klingenden Namen Mavors angeredet und in dieser komisch peinlichen Situation noch dazu fortissime genannt wird, so ist es mit der Feierlichkeit eine etwas heikle Sache. Der Name Mavors wirkte zwar für den Durchschnittsgläubigen in Ovids Zeit altertümlich und erhaben, aber nicht für den Ovid der 'Ars*. Er benutzt ihn, um sich lustig zu machen. Um den Spott, der in dem Attribut fortissime liegt, ganz auszukosten, muß man an Horaz, Sermones 1 , 1 , ioo-denken. Dort handelt es sich um den reichen Geizhals, der aus Angst, er könne verhungern, als Ärmster der Armen lebt, bis seine Freigelassene und vermutlich Bettgenossin ihn mit dem Beil spaltet. Und wer ist diese Heldin? fortissima Tyndaridarum. Sie hat sogar Klytaimestra noch übertroffen. Es ist nicht zu viel behauptet, wenn wir sagen, daß die Darstellung dieser Liebesaffäre einer der künstlerischen Höhepunkte, vielleicht der Höhepunkt der 'Ars' ist. Die Frage drängt sich auf, mit welchen Gefühlen der religiöse Reformator Augustus diese Darstellung gelesen hat. Ich denke, die Betrachtung dieser Erzählungen, zu der wir sogleich noch eine Prüfung der Geschichte vom Raube der Sabinerinnen (1, 101—134) hinzufügen werden, zeigt mit genügender Deutlichkeit, daß es Ovid nicht darauf ankam, ein Lehrbuch oder Handbuch für Liebende zu schreiben, sondern unter äußerlicher Wahrung und häufiger souveräner Durchbrechung der didaktischen Form ein bis in die letzte Einzelheit überlegtes Kunstwerk zu schaffen. Dieses Streben nach formaler Vollendung läßt sich, wie es scheint, auch durch eine andere Beobachtung erkennen. 'Wie es scheint' muß mit Einschränkung gesagt werden, denn wir stehen hier vor einer Frage, auf die wir mit unseren Mitteln keine eindeutige Antwort geben können. Die Schwierigkeiten erwachsen aus den Versen 1, 171—176 und 177—228, der Erwähnung der Naumachie und des Feldzuges gegen die Parther mit dem ihm folgenden Triumph, der in Wirklichkeit nicht stattfand. In den Erläuterungen ist im einzelnen gesagt, welche Folgerungen daraus möglicherweise für die Stelle zu ziehen sind. Hier sei nur betont, daß es sich um zwei Gruppen von 6 und 5 2 Versen handelt. Das eigentliche Prooimion, in dem das dritte Buch nicht berücksichtigt wird, umfaßt 34 Verse. Wenn wir die folgende Disposition 35—38 und 39—40, die ebenfalls nur den beiden Büchern gilt, und die sich anschließende und ebenfalls für beide Bücher geltende Laus Komae als Liebeszentrum der Welt (41—66) zusammennehmen, so haben wir 4 + 2 + 2 6 = 32 Verse. Von 67 ab werden die Plätze, Stät2
Lenz: Ovid, Liebeskunst
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ten und Veranstaltungen behandelt, an und bei denen der Mann Mädchen treffen und sich mit ihnen bekanntmachen kann, die Säulenhallen, Feste, der Isistempel, die Fora und die Theater. Das geschieht in den Versen 67—100, also 34 Versen. Damit ist die Stelle erreicht, an der die Erzählung vom Raub der Sabinerinnen am Platze ist. Sie umfaßt wieder 34 Verse (101—134). Dann folgen der Zirkus und die Gladiatorenkämpfe, zusammen 36 Verse, was mit der vorher genannten Gruppe von 32 Versen einen Durchschnitt von 34 Versen ergibt. Vielleicht wird man geneigt sein, dies für Zahlenspielerei zu halten, aber auf jeden Fall ist es merkwürdig, denn wir sind bei V. 170 angelangt, d. h. vor der Naumachie und dem Triumph über die Parther, die mit 6 und 5 2 Versen völlig aus der Symmetrie herausfallen. Dürfen wir darin ein gewisses sekundäres Indizium sehen, daß beide Abschnitte erst für die zweite Ausgabe geschrieben und eingefügt sind? Es wird nämlich noch merkwürdiger, wenn wir sehen, daß die drei noch übrigen Gelegenheiten zu Bekanntschaften, das Gelage, der Badeort Baiae und der Hain der Diana von Aricia, von 229 bis 262 reichen, d. h. wieder 34 Verse umfassen. Das Distichon 263 f. bildet den Abschluß des ganzen Teiles, und 265 beginnt eine Untersuchung der Mittel, durch die man ein Mädchen fangen kann. Hier liegen die Dinge ganz anders, und wir brauchen sie für den ersten Teil nicht zu berücksichtigen. Eine äußerliche Verknüpfung der Theater mit der Geschichte vom Raube der Sabinerinnen ist an sich kaum nötig, erfolgt aber trotzdem durch die Rückbeziehung von V. 134 auf V. 100: Die Theater sind eine Gefahr und Falle für den castus pudor. Damit kann es übrigens nicht so schlimm sein, denn die Mädchen gehen ja dorthin, spectentur ut ipsae, wie es unmittelbar vorher heißt (V. 99), und daß es ihnen auf das spectari nicht allein ankommt, sondern auf etwas mehr, versteht sich von selbst. Auch die Erzählung selbst ist in sich dadurch abgerundet, daß am Anfang (V. 101) und am Ende (V. 131) eine direkte Anrede an Romulus steht. Die erste klingt fast vorwurfsvoll: Du, Romulus, hast dafür gesorgt, daß es bei den ersten Spielen stürmisch herging; die zweite ist für den Ovid der erotischen Dichtung sehr bezeichnend: Romulus, du hast nicht nur die ersten Spiele stürmisch gemacht, heißt es V. 101, jetzt fügt er hinzu (V. 131 f.): Du» Romulus, hast auch den Heeresdienst angenehm gemacht; wenn man sich dabei ein Mädchen rauben kann, so will ich gern unter deinem Kommando Soldat sein. Die Einlage ist keine Einlage mehr, sie ist wie von selbst organischer zweiter Teil des Abschnittes Theater geworden. Properz 2, 6, 19—22, an dessen direkte Anrede an Romulus Ovid sich erinnert haben kann, sagt weniger und mehr zugleich; weniger, wenn er bemerkt: Du hast gelehrt, unberührte Sabinermädchen zu rauben; jeder Hinweis auf die Spiele fehlt; mehr, wenn er hinzufügt: Du hast dafür gesorgt, daß man jetzt in Rom in der Liebe alles wagt. Ovid hat sich in seiner Erzählung eines dezenteren Tones bedient; nur V. 116 deutet mit der Nebeneinanderstellung von Virginibus und cupidas iniciunt manus darauf hin, daß die durch die Notlage erzwungene Handlungsweise zugleich ein Akt der Sinnlichkeit ist. Offenbar wollte er am Anfang des Buches das SinnlichLüsterne nicht zu stark betonen. Daher widmet er die ersten vier Verse einer sachlichenBeschreibung des primitiven Theaters, die wörtlich in den 'Fasti' stehen könnte.
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Erst dann geht er zu den Männern über, die sich mit den Augen ihre Beute auswählen, aber wenn er von ihnen sagt, daß in ihrem Inneren vieles vorgehe (V. 110), so deutet er an, daß sich in die Begierde eine ängstliche Spannung mischt, und dieser Eindruck verstärkt sich noch, wenn wir hören, daß slzanimum clamore fatenturQJ. 115), als ob sie sich erst Mut zuschreien müßten. Bevor es überhaupt so weit kommt, werden wieder drei das Spiel beschreibende Verse eingeschaltet ( 1 1 1 —113). Auch bei der Darstellung des Raubes selbst interessiert den Dichter viel mehr der Seelenzustand der Mädchen und ihre aus diesem folgenden verschiedenen Handlungsweisen. Er bedient sich dabei nicht nur zweier Vergleiche mit Tauben und Adlern und jungen Lämmern und Wölfen (V. 117—119), sondern auch der zugespitzten Ausdrucksweise, daß alle von e i n e r Furcht beherrscht seien, daß diese Furcht aber nicht nur eine Erscheinungsform habe; und wenn schließlich nach dem einen vorbereitenden Vers 116 die Mädchen den Männern als Beute zufallen (erst V. 125), so ist in den noch bleibenden sechs Versen 125—130 (die vier letzten mit der Anrede an Romulus sind, wie wir gesehen haben, anders zu beurteilen) jede Lüsternheit vermieden, im Gegenteil, Vers 130 „Und was dein Vater deiner Mutter ist, das werde ich dir sein" drückt das den Mädchen Bevorstehende so vorsichtig wie möglich aus, mit zarter Diskretion, möchte man sagen. Aber Ovid müßte nicht Ovid sein, wenn er nicht'wenigstens einmal ein bezeichnendes Tüpfelchen aufgesetzt hätte. Wie in den Amores 3, 1, 10 der Defekt am Fuß für die Elegia eine Quelle besonderer Anmut wird und wie in der Ars 2, 569 fr. Venus reizvoller wird, wenn sie ihren Gatten vor ihrem Liebhaber karikiert, so werden die bedrohten Mädchen durch die Furcht, die ihr Gesicht ausdrückt, anmutiger und daher begehrenswerter (V. 126). Die 26 Verse 41—66, die von der Disposition 35—38 und 39—40 zu dem ersten Hauptteil 67—262 überleiten, sind so merkwürdig, daß sie über die Einzelerklärungen hinaus zusammenfassend betrachtet werden müssen. In dem ersten Hauptteil handelt es sich um die scheinbar systematisch behandelte Frage: Wo kannst du ein Mädchen finden? Darauf wird natürlich auch in dem überleitenden Teile hingedeutet, und in Übereinstimmung mit der bekannten rhetorischen yorschrift, der Sprecher solle sein Thema als besonders schwierig hinstellen, wird betont, daß die Aufgabe des Suchens und Findens nicht leicht ist und daß das gewünschte Mädchen nicht vom Himmel fällt. Wenn das aber so ist, so liegt darin implicite, daß die Aufgabe, den Suchenden richtig zu beraten, nicht weniger schwierig ist. Der Dichter spricht also, ohne es direkt zu sagen, auch für die Aufgabe, die er sich gestellt hat. Wenn Ovid übrigens in V. 43 sagt, das Mädchen falle nicht aus der Luft herunter, und wenn er unmittelbar vorher den Rat gibt: Wähle dir in Ruhe eine aus, zu der du sagen kannst: „Du bist die einzige, die mir gefällt", so erinnern wir uns der Tibullischen Elegie 3, 19, in der in V. 3 dieselbe Formel der Liebesbeteuerung gebraucht wird und zehn Verse später die vom Himmel herabgeschickte Freundin erscheint. Aber das sind nur Einzelheiten, die den Zweck des ganzen Abschnittes nicht erklären. Ovid macht dem Suchenden die Schwierigkeit der Aufgabe immer von neuem klar. Die drei Vergleiche mit dem Jäger, Angler und Vogelsteller (V. 45—48, 45 und 2«
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46 mit Anapher) sollen klarmachen, daß alles darauf ankommt, richtig zu suchen, nicht nur in der richtigen Weise, sondern am richtigen Ort. Damit kommen wir zu dem Entscheidenden, auf das hin das Ganze ausgerichtet ist. Es gibt nämlich nur einen Ort in der ganzen Welt, an dem es sich lohnt zu suchen. Dieser Ort ist Rom. Urbs und orbis werden nicht nur identisch, sondern die Urbs tritt an die Stelle des orbis. Daher kommt in V. 56 in den Worten quidquid in orbe fuit dem Perfekt eine stärkere Bedeutung zu als die ihm eigene Qualität, einen guten jambischen Versschluß zu bilden. Worauf Ovid hinaus will, wird dadurch klar. Er will an der ersten Stelle des Gedichtes, an der es möglich ist, eine haus Romae, einen Lobpreis Roms geben, ein Enkomion, das zwar infolge seiner einseitigen erotischen Orientierung als Enkomion etwas merkwürdig ist und vermutlich dem an andere Enkomia gewöhnten Augustus nicht allzu sehr gefallen hat (das gilt besonders von einem Distichon wie 5 9 f.), dem wir aber nicht gerecht werden, wenn wir es nur als Parodie üblicher Rom-Enkomia auffassen. Gewiß, mit ihnen verglichen, wirkt es parodisch, besonders die beiden mythologischen Beispiele der Andromeda und Helena, die sagen, daß man sich heutzutage nicht mehr so anzustrengen braucht wie Perseus und Paris, von denen sich der eine ein schwarzes Mädchen, der andere eine verheiratete Frau (puella\) holte, zeigen das nicht weniger als die hyperbolischen Vergleiche mit den Sternen am Himmel (V. 59), den Saaten um Gargara und den Weinbergen von Methymna (V. 57). Mag das alles auch noch so nonchalant geäußert sein, aus einem Werk, das die Kraft des weltumspannenden geschlechtlichen Spieltriebes vorführen will, ist ein solches Enkomion nicht wegzudenken. W. Gernentz hätte in seine umfassende Behandlung der Laudes Romae (Dissertation Rostock 1918) auch diese eigenartige Laus einbeziehen sollen. Aber auch hier ist es wieder mehr als der weltbeherrschende Spieltrieb, dessen soeben gedacht wurde, denn nicht ohne Grund wird in V. 49 die materia für eine l a n g e Liebe als Gegenstand des Suchens bezeichnet, mit anderen Worten, auch hier wird das höhere Niveau, auf das in V. 38 hingedeutet wurde, von neuem betont. Man sieht, daß diese eigenartige Laus Romae eine größere Bedeutung hat als die, nur Vorbereitung des ersten Hauptteiles zu sein. Wer das Gedicht nur um des Stoffes willen liest, der mag zwar auf seine Kosten kommen, und viele haben es so gelesen. Sie haben damit vielleicht ihren Nerven den erwünschten Kitzel verschafft, aber dem Kunstwerk, in dem sich Kenntnis der männlichen und weiblichen Seele mit dem Wissen des Dichters um das, was in einer solchen Form möglich ist, verbindet, sind sie damit nicht gerecht geworden. Das gilt in gleicher Weise von den Jahrhunderten des Altertums, des Mittelalters und der neueren Zeit. Man kann das Gedicht verstehen, wenn man es stofflich liest, aber den formenden Künstler versteht man dadurch noch lange nicht. Uns fehlt heute das Gefühl für die Selbstverständlichkeit, mit der man im Rom des ersten vorchristlichen Jahrhunderts diese Dinge nicht nur betrachtete, sondern auch offen aussprach. Nur wenn es uns gelingt zu vergessen, daß die Dinge, die hier behandelt werden, zu denen gehören, von denen „man" nicht spricht, nur dann wird es uns auch gelingen zu erkennen, daß sie für Ovid nichts waren als das Rohmaterial, aus
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dem ein Kunstwerk geschaffen werden konnte, an dem wir das eine oder andere auszusetzen haben mögen wie zu große Länge einzelner Teile, zu viele Einzelheiten, Wiederholungen, zu viele mythologische Beispiele. Wir müssen das Ganze, um ihm gerecht zu werden, nicht anders ansehen als Correggios Berliner Bild, das Leda in actu coeundi mit dem in einen Schwan verwandelten Zeus darstellt, und Botticellis Londoner Bild, das Aphrodite und Ares nach der Vereinigung zeigt. Das 15. und 16. Jahrhundert besaßen noch die Spannweite, um zu verstehen, daß dieselben Künstler die polar entgegengesetztesten Erscheinungsformen des Lebens darstellen und in Kunstwerken Szenen dieser Art ebenso schaffen konnten wie Heiligenbilder und die Heilige Nacht. Wir Menschen des 20. Jahrhunderts müssen uns aus Gründen, die in der Geschichte der dazwischen liegenden Jahrhunderte zu suchen sind, erst von dem einen auf das andere umstellen. Im Mittelalter und noch in der Frührenaissance läßt sich eine zwiespältige Haltung beobachten. Beide Extreme treten in Erscheinung. Was für die einen gleichsam ein Evangelium der Liebe war und als selbstverständlich bejaht wurde 1 , wird für die anderen zu einem verwerflichen Buch. Diese Entwicklung hat F. Munari in seinem kleinen sehr lebendig geschriebenen Buch „Ovid im Mittelalter" (Zürich und Stuttgart i960) so allgemeinverständlich skizziert, daß ich mich mit einem Hinweise und wenigen Bemerkungen begnügen kann. Wenn Boccaccio in vorgerückteren Jahren von der Begeisterung, die er früher für die 'Ars' empfunden hat, nichts mehr wissen will, so ist es eine Art von Entschuldigung vor sich selbst ebenso wie vor anderen, wenn er sagt, in dem lasziven Buche würden viele ruchlose Dinge empfohlen, d. h. mit anderen Worten, man könne es lesen, um rechtzeitig und eindringlich vor Untaten gewarnt zu werden. Ein anderer Weg, sich mit dem Gedicht auseinanderzusetzen, ist die Umdeutung. In den Kreisen, die eigentlich das Gefühl haben, daß sie lesen, was sie nicht lesen sollten, versucht man, es zu moralisieren, indem psychologische Bemerkungen oder Erfahrungen, die das Liebesleben mit sich bringt, aus ihrem Zusammenhange herausgenommen und zu Allgemeinweisheiten gemacht werden, die sogar in Schulflorilegien passen ; und wenn das nicht genügt, so wird das Ganze allegorisch gedeutet, d. h. verfälscht. Wieweit diese allegorischen Erklärer, die ihre Arbeit in erster Linie auf die 'Metamorphosen' verwendeten (Johannes von Garland 2 ), aber auch andere Werke Ovids, unter ihnen die 'Ars', interpretierten (Arnulf von Orléans 3 ), selbst an das glaubten, was sie sagten, und wieweit sie eigenes erotisches Gefühl dahinter nur verbergen, ist eine Frage, die sich mit Sicherheit nicht beantworten läßt. Wenn man freilich bedenkt, daß auch die Dichtungen Vergils einer solchen Auslegung anheimfielen, so wird man geneigt sein, an subjektive Ehrlichkeit zu glauben. Der 'Liebeskunst' Ovids, wie sie wirklich ist, nützen Versuche, 1 Der Ausdruck wird von Walter von Chatillon (12. Jahrhundert) in dem Concilium Romarici moncium (Das Liebeskonzil von Remiremont) V . 26 gebraucht (leicht zugänglich bei Horst Kusch, Einführung in das lateinische Mittelalter I, Berlin 1957, 354). 2
Giovanni di Garlandia, Integumenta Ovidii a cura di Fausto Ghisalberti, Messina-Milano 193}.
Fausto Ghisalberti, Arnolfo d'Orléans. Un cultore di Ovidio nel secolo XII, Memorie del R. Istituto Lombardo di Scienze e Lettere, Classe Lettere, voi. 24, 4 (1932), 157—234 besonders i66ß. 3
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sich mit ihr in dieser Weise auseinanderzusetzen, nichts. Nur in e i n e m Punkt können wir mit Sicherheit urteilen. Wenn Ovid zum Papst erhoben wird und seine Vorschriften für Dekrete erklärt werden, denen besonders von dem weiblichen Geschlecht Folge zu leisten ist, so müssen wir damit rechnen, daß Dichter, die selbst unbefangen genug waren, an dem Werk Freude zu empfinden, sich über Moralisten lustig machten oder über andere, die dem weltlichen Leben angeblich entsagt hatten, gleichgültig welchem Geschlecht sie angehörten, wegen ihres heimlichen und verbotenen Tuns spotteten, mit anderen Worten, wir müssen immer mit der Möglichkeit der Satire gegen Klerus, Mönche und Nonnen rechnen, von denen nicht wenige das Gedicht genauso kannten wie die Bibel. In gewisser Weise hat Ovid selbst denen, die in ihm denpoeta etbicus sahen und ihn als diesen propagierten, vorgearbeitet. Wir finden im zweiten Buche eine sehr aufschlußreiche Stelle, an der er unter leichtem Scherz seine wirkliche Meinung zu äußern scheint. Scheint, sage ich, denn bei den Äußerungen eines elegischen Liebesdichters sollten wir nie vorschnell das tatsächlich Gesagte mit wirklich Erlebtem gleichsetzen. Wenn einer dieser Dichter Ich sagt, so haben wir durchaus nicht das Recht, darin Dinge zu finden, die wir für seine Biographie (im weitesten Sinne des Terminus) verwerten dürfen. Es ist oft gesagt worden, daß die Dichter eine allgemeine Wahrheit, die sie aus einem individuellen Falle ableiten oder zu dessen Bekräftigung anführen, als persönliche Erfahrung zu geben scheinen, indem sie die Verse mit den Worten „Mit eigenen Augen habe ich gesehen" eröffnen. Diese Ausdrucksweise hat nicht den geringsten persönlichen Wert, und der moderne Leser muß immer wieder vor diesem Irrtum gewarnt werden. Im zweiten Buch sind die Verse 145 ff. dem Rate gewidmet, Streitigkeiten mit der amica zu vermeiden. Sie sind nicht nur nutzlos, sondern auch häßlich. Diese Feststellung benutzt der Dichter fast spitzbübisch zu einem Ausfall gegen die Ehemänner und ihre Frauen. Ihnen sei es angemessen, sich zu zanken, und Lust am Streiten sei eine der schönen Mitgiften, die die Frauen in die Ehe mitbringen. Daß er damit eine persönliche Grundüberzeugung zum Ausdruck bringe, brauchen wir durchaus nicht zu glauben, aber es gibt ihm wieder einmal eine erwünschte Gelegenheit, daran zu erinnern, daß er nicht für die nupta schreibe, und außerdem läßt sich dadurch der Gegensatz zwischen nupta und amica so schön betonen. Anders aber scheinen die Dinge zu liegen, wenn er in demselben Abschnitt offen seine Abneigung gegen die Geldsäcke ausspricht, die sich jedes Mädchen wie eine Ware kaufen können. Gegen die kann ich nicht an, meint er, sie brauchen mich auch nicht, denn sie haben in dem Geld ihr ingenium für sich, d. h. anderswo findet man ingenium bei ihnen nicht. Hier scherzt er schwerlich, sondern drückt seine wahre Meinung über diese Sorte von Menschen aus. Nun dient diese Verurteilung einer solchen Lebenshaltung gleichzeitig als Folie für einen Preis derer, die er pauperes nennt, und hier scheinen sich zwei Ströme zu vereinigen. Persönliches wird von Literarischem untrennbar. Vor allem müssen wir daran denken, daß paupertas für den Römer nicht nur Armut in unserem Sinne bedeutet, sondern auch Beschränktheit der Mittel. Wenn Tibull am Anfang seines ersten Gedichtes (V. 5) sich wünscht, daß seine paupertas
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ihn durch ein Leben führen möge, in dem er Herr seiner Zeit und seines Tuns sei (das ist, was er unter vita iners versteht), und wenn der aus alter Ritterfamilie stammende Ovid von sich sagt pauper amavi (V. 165), so bedarf es keines langen Redens darüber, was sie meinen und nicht meinen. Wenn nun Ovid an derselben Stelle sagt, er wolle den pauperes guten Rat geben, wie auch sie der Segnungen der Liebe teilhaftig werden können, so meint er das wirklich so, und diesen pauperes will er helfen. Darum n ennt er sich hier auch feierlich, halb ernst und halb scherzend, den vates der pauperes. Das ist das Persönliche, aber wir dürfen nicht vergessen, daß auch Tibull in einem anderen Gedicht (1, 5, 61 ff.) den Preis der treuen, unselbstischen Liebe des pauper gesungen hat — die Stelle ist natürlich im Mittelalter für den Tibullus etbicus ausgenutzt worden—,und mit Tibull will Ovid hier auf seineWeisekonkurrieren,indem er gute Eigenschaften des pauper noch mehr zu ihrem Recht kommen läßt als Tibull. Das ist, was ich meinte, daß sich hier persönliche Anschauungen und Literarisches untrennbar verbinden. Mein Freund Tibull hat ja so recht gehabt, will Ovid sagen, und ich brauchte eigentlich nur zu wiederholen, was er gesagt hat, aber das ist nicht Ovids Art. Er kann dasselbe auch anders ausdrücken. Aber dieser Ernst ist nicht von langer Dauer, der Schalk bricht wieder durch. Mangel an indulgentia, Nachsicht, Duldsamkeit ist nichts Gutes. Das habe ich mühsam lernen müssen. Und nun erzählt er, um das zu illustrieren, etwas, was ihm angeblich persönlich passiert ist. Ich erinnere mich (V. 169, vgl. das oben S. 22 Bemerkte), ich habe meiner Freundin einmal die Haare zerrauft und ihr sogar das Kleid zerrissen. Ich weiß zwar nichts davon aber sie behauptet es, und dann muß es ja auch wahr sein. Tatsache ist, ich habe ihr ein neues kaufen müssen. Höchst ärgerlich. Ich mußte viel Zeit opfern und viel Geld ausgeben. Die zerrauften Haare sind bereits in Amores 1 , 7 , 1 1 verwendet, und wenn ein Leser aus beiden Stellen einen Schluß auf konkretes Erlebnis ziehen wollte, so würde Ovid ihm den Rat geben: Lies mich lieber nicht, du verstehst mich nicht. Aber daran läßt sich der Gedanke so schön und so leicht knüpfen, an dem ihm wirklich liegt: Wie könnte ich euer gut qualifizierter Lehrer sein, wenn ich nicht meine Erfahrungen gemacht und teuer bezahlt hätte? So wird die Stelle, bei der wir an V. 29 des Prooimions des ersten Buches zurückdenken, wichtig für das ganze Gedicht, abgesehen davon, daß sie es leichter machte, in Ovid den poeta etbicus zu sehen. Wenn Ovid an den sittlichen Zuständen seiner Zeit Kritik übt und auf die offenkundigen Defekte hinweist, so tut er das in der Regel mit wenigen Worten und drückt seine Mißbilligung ohne Bitterkeit aus. Er neigt mehr dazu, die Dinge so zu nehmen, wie sie nun einmal sind, obwohl sie nicht so sein sollten. Wir müssen scharf hinhören, wenn wir in solchen Fällen richtig hören wollen. Um so bemerkenswerter ist eine Stelle am Ende des zweiten Buches, d. h. am Ende des Werkes, wie es ursprünglich war. Dort erzählt er die oben S. 1 j f. behandelte Geschichte von der ehebrecherischen Liebe des Ares und der Aphrodite, um zu zeigen, daß Hephaistos dumm handelte, als er seine Frau und seinen Rivalen bloßstellte, und um vor einer unzweckmäßigen Behandlung eines Rivalen zu warnen, obwohl er selbst zugibt, als Mensch die Ideale nicht verwirklichen zu können, die er predigt. Dann folgt 601 ff. die eigentlich selbst-
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verständliche Mahnung, in Liebesdingen diskret zu sein. Dazu hätte er nicht 40 Verse gebraucht, wenn es ihm nicht um Wesentlicheres gegangen wäre, denn diesmal scherzt er nicht. Die Mahnung zur Diskretion entwickelt sich zu einer fast bitteren Invektive gegen Männer, die sich ein Vergnügen daraus machen, den Rufeines Mädchens grundlos zu beflecken, häßliche Dinge, die sich nie abgespielt haben, prahlend zu kolportieren und, wenn sie es körperlich nicht können, mit dem Namen des Mädchens Unzucht zu treiben (V. 637 adulter bedeutet hier nicht Ehebrecher) und schließlich zu behaupten, jedes Mädchen habe ihnen gehört. Hier spricht der Dichter ganz unmißverständlich aus, daß es nicht der Ehrgeiz eines jungen Mannes sein dürfe, so viele wie möglich zu haben. Die Worte veros amores (V. 639) sind bedeutungsvoll auch für ihn selbst. Als Ovid den Danaern Waffen gegen die Amazonen in die Hände gegeben hatte, wie er 3, 1 f. sagt, und sich, vielleicht nicht lange danach, aber wir können das nicht ganz sicher sagen, entschloß, auch die Amazonenkönigin und ihre Schar mit Waffen auszurüsten, mit anderen Worten, als er sich entschloß, zu den zwei Büchern ein drittes hinzuzufügen, war es ihm von vornherein klar, daß es einige gefährliche Punkte gab, die er auf jeden Fall vermeiden mußte. Zwar war für ihn eine Gefahr nicht sehr groß. Goethe nennt sie in den „Xenien" Nr. 32 so schön das entsetzlichste von allen entsetzlichen Dingen, wenn es einen Pedanten „jückt, locker und lose zu sein", und es zu machen wie der Breslauer Schulmeister Manso (Xenien Nr. 31 und 33) kam für einen Menschen und Dichter wie Ovid nicht allzusehr in Frage. Die ersten beiden Bücher sind an die Männer gerichtet und beschäftigen sich mit ihren Beziehungen zu Mädchen. Das dritte ist an die Mädchen gerichtet und beschäftigt sich mit ihren Beziehungen zu Männern. Obwohl der Ausgangspunkt entgegengesetzt war, mußten in beiden Abteilungen zum Teil dieselben Dinge behandelt werden, und es erforderte nicht wenige Überlegungen und dichterisches Können,, ermüdende Wiederholungen zu vermeiden. Wenn Ovid im dritten Buche die öffentlichen Hallen, das Theater, den Zirkus und die Gelage wieder zu behandeln hat, so geht er zwar über die meisten dieser Topoi mit auffallender Kürze hinweg, gelegentlich verweist er sogar auf die vorhergehende Behandlung, aber auch in dem, worauf er näher eingeht, findet sich kaum eine Wiederholung, fast alles ist variiert. Das Entscheidende ist aber, wie H. Fränkel in seinem Buche über Ovid (unten S. 33) S. 64 ff. gut beobachtet und ausgeführt hat, daß der Gesamtcharakter des Buches verändert ist. Auf der einen Seite betont Ovid wie in Buch 1 und 2 immer wieder, daß er mit den Ehefrauen nichts zu tun haben wolle, obwohl er genau weiß, daß Warnungen dieser Art nicht starke Wirkung zu haben pflegen, sondern eher anreizen, aber er bezieht, wie ich schon betont habe, in das Buch auch eine Klasse von Mädchen ein, die vorher geringe Bedeutung gehabt haben, und fühlt sich dadurch berechtigt, auch von pudenda loqui, wie er es nennt, von Anstößigem zu sprechen. Dieses Niveau beherrscht aber das Buch nicht. Es zeugt vielmehr von dem ästhetischen Feinempfinden des Dichters, daß sich gerade in diesem Buche zwei nicht ganz kurze Stellen finden, die mit dem Hauptgegenstand zwar verbunden sind, aber im Grunde anderswo genauso gut am Platze wären, weil der Dichter
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eigenes Empfinden und persönliche Überzeugungen zum Ausdruck bringt, und darum verdienen sie zum Schluß einen besonderen Hinweis. Es handelt sich um 3, 387fr. Hier rät er den Besuch öffentlicher Plätze an, da verborgene Schönheit von geringem Nutzen sei (bis 402). Dann hätte er ohne weiteres mit dem Beispiel der Danae fortfahren können, die berühmt wurde, weil sie, zwar als werdende Mutter, aber trotzdem, aus ihrem Turm herauskam. Dazwischen stehen aber 12 Verse, in denen von dem Ringen der Dichter um Anerkennung, von durchwachten Nächten und von der Stellung, die die Dichter einmal hatten, aber jetzt nicht mehr haben, die Rede ist, von Dingen also, die die Mädchen vermutlich nicht allzusehr interessieren. Wenn er 411 sagt, daß hederae sine honore iacent, so spricht er zwar nicht für sich selbst, denn er gehörte nicht zu den Dichtern, die erst lange und schwer kämpfen mußten, bis sie sich durchsetzten, aber er wird so etwas wohl oft genug miterlebt haben, auch wenn er es nicht offen sagt. Hier war eine gute Gelegenheit, das einmal vor den Hörern auszusprechen, auch wenn er klug genug war zu wissen, daß er die Haltung des Publikums im ganzen nicht ändern würde. Es war vermutlich wirkungsvoller, gerade die Musa iocosa auch einmal etwas sagen zu lassen, was der Hörer nicht erwartete und worüber der eine oder andere vielleicht einmal nachdenklich werden würde. So häufig Ovid auch das Wort numen im Singular und Plural in der Bedeutung „Gottheit(en)" oder „göttliche Macht" anwendet, so sparsam ist er mit der Ausdrucksweise numen inest oder numen habet, „eine göttliche Macht wohnt inne" oder „etwas hat eine göttliche Macht". Wenn dieser Ausdruck daher in der 'Ars' erscheint, in der wir ihn am wenigsten erwarten, so lohnt es sich, die Stelle näher anzusehen. Nur wenige andere Stellen kommen für den Vergleich in Betracht. Ex Ponto 2, 8, 6 sagt er in Bestätigung des Empfangs einer kleinen Darstellung des Augustus, Tiberius und der Livia, die Cotta Maximus ihm geschickt hat: Die Darstellung ist zwar nicht von großem Wert, aber numen habet. Von ihr geht eine mehr als menschliche Kraft aus. In den 'Amores' drückt er die geheimnisvolle Macht, die sich in einem unberührten Walde offenbart, zweimal (3, 1, 2 und 3, 13, 8) durch die Worte numen inesse loco aus. 3, 3, 12 kommt nicht in Betracht, da die Worte forma numen habet, die Schönheit der Mädchen hat eine göttliche Kraft, höhnisch gebraucht sind. In den 'Fasti' macht er von der Ausdrucksweise häufiger Gebrauch, aber diese Stellen lehren für unseren Zweck nichts Neues. Dagegen sagt er in der Elegie auf den Tod des jung gestorbenen Tibull (Amores 3, 9) in V. 18 mit Bitterkeit, daß selbst die göttliche Kraft, die nach dem Glauben mancher den Dichtern innewohnt, nicht vor frühem Tode schützen kann. Dieser Vers ist für die Stelle der Ars 3, 548 am wichtigsten. Der Gegenstand, den er hier behandelt (525 fT.), ist an sich gar nicht göttlich. Jedes Mädchen soll seinen Bewerber nach seinem beruflichen Können einschätzen und bebundeln. Je nach dem, was er durch seine Tätigkeit leisten kann, soll er sich erkenntlich erweisen. Nur von den Dichtern sollen die Mädchen nicht viel Materielles erwarten, sie haben nämlich selbst nichts, aber sie sind durch ihr Tun besonders gut qualifiziert für die Liebe, fügt er scherzend hinzu (V. 534). Statt aber sofort weiterzugehen, wie er es erst 553
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tut, und den Mädchen zu raten, daß sie ihre Habgier nicht allzu offen zeigen sollen, verliert er sich, möchte man fast sagen, auch wenn er gelegentlich an das Thema erinnert (547), in eine Auseinandersetzung über die Sonderstellung des Dichters in dieser Welt. Er kann sie sich nicht erklären, wie das etwas ironische Scilicet (545), der bestimmt nicht nur sich selbst verspottende Ausdruck Vatibus Aoniis (547) und vor allem das sicherlich ernst gemeinte spiritus (5 50) und die Worte Numen inest Ulis (548) zeigen. Nur zwei Dinge machen dieses an sich ernst gemeinte Bekenntnis in seinem Zusammenhang etwas leichter. Die Nachdrücklichkeit, mit der er die Dichter immer wieder als besonders geeignet für die Liebe empfiehlt, und die halb ernste, halb scherzhaft resignierende Feststellung (V. 552), daß es in dieser Welt et\fras anders zugeht und daß er Unerreichbarem nachjagt. Ovid ist kein Mensch, der sich an Illusionen verliert. Das tarnen, mit dem er sich V. 5 5 3 zurückruft, spricht eine deutliche Sprache. Ich wollte es nicht unterlassen, die Aufmerksamkeit des Lesers auf diese beiden Stellen besonders zu lenken, denn sie bereichern das unaufhörlich wechselnde Spiel des Lichtes in diesem Gedicht um eine eigenartige Nuance, die der Berücksichtigung wert ist. Was den Reiz des Werkes besonders erhöht, ist, daß es von scheinbar krasser Sinnlichkeit, die mit spielender Leichtigkeit zum Ausdruck gebracht wird, aber durchaus nicht immer als bare Münze zu nehmen ist, ausgeht und ohne Bitterkeit oder gar Entrüstung zu einer Kritik an den Formen des Lebens der römischen Gesellschaft wird. Sie werden mehr als unabänderliche Tatsachen verzeichnet als aus dem Glauben an die Möglichkeit einer Sittenreform; denn wir dürfen uns auch das nicht verhehlen, daß der Dichter viel zu sehr an die Lebensweise der Zeit gebunden ist, in der er aufgewachsen ist, als daß er nicht auch an ihr Freude und Vergnügen empfinden sollte, obwohl er immer wieder versucht, sich davon zu distanzieren. Im Grunde weiß er sich in der Überzeugung von der Notwendigkeit sittlicher Reformen mit Augustus und seinem Kreise einig, nur glaubt er mit Recht nicht an die Möglichkeit, daß sich so etwas durch gesetzliche Maßnahmen erzwingen läßt. Hat er bedacht, daß dieser Skeptizismus ihn in einen unüberbrückbaren Konflikt mit den Machthabern bringen mußte? Zum Schluß möchte ich noch ein paar Worte über die Übersetzung sagen. Ich habe es wieder vorgezogen, sie in Prosa zu geben, aber die Ausdrucksweise, wo es ohne Zwang möglich war, über das Niveau der alltäglichen Sprache zu heben. Die in vielem gelungene Übersetzung in Distichen von Hertzberg lehrt, daß der Übersetzer sich zu Umänderungen jeder Art gezwungen sah, bei denen man nicht selten das Original nicht mehr erkennt. Ich habe diesmal angesichts der Schwierigkeiten, die die Herstellung des Textes mit sich bringt, und der vielen Doppeldeutigkeiten die französische Übersetzung H. Bornecques und die englische J . H. Mozley's bei der Übersetzung selbst, nicht erst wie bei den 'Remedia' nachher, herangezogen, denn kritische Auseinandersetzung mit der ihren Übersetzungen zugrunde liegenden Interpretation war unausweichlich. Jede Zeile des ganzen Buches habe ich mit meiner Frau durchgesprochen. Ihr verdanke ich nicht weniger als G. Perls und auch G. Chr. Hansens Ratschlägen.
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Der lateinische Text ist hergestellt worden, bevor E. J . Kenney's seit langem angekündigte Ausgabe in den Oxford Classical Texts erschien. Sollte ich in einzelnen Fällen bei der Entscheidung an schwierigen oder zweifelhaften Stellen mit ihm zusammengetroffen sein, so ist das Zufall oder das Ergebnis von Überlegungen, die er und ich unabhängig voneinander angestellt haben.
ÜBERLIEFERUNG Vieles von dem, was in der zweisprachigen Ausgabe der 'Remedia' (unten S. 33 unter Lenz R.) S. 15 ff. über den Text dieser Dichtung zu sagen war, gilt auch für die 'Ars'. Eine Wiederholung ist daher unnötig. Ich gebe nur einige Ergänzungen und betone das Abweichende. Die „alte" Handschrift E, die wir für die 'Remedia' neben dem Regius (R) haben, enthält die 'Ars' nicht. Da die Fähigkeiten des karolingischen Schreibers von R und seine geistigen Qualitäten begrenzt sind, dürfen wir uns nicht einem Götzenglauben an R hingeben, um von den Einfällen der zweiten Hand zu schweigen, die sich im 12. Jahrhundert nicht immer mit der Verbesserung offenkundiger Schreibversehen und Irrtümer begnügt hat. Neben R tritt aber, wie in den 'Remedia' E, leider nur für das erste Buch, eine zweite Handschrift, die wir als „alt" bezeichnen dürfen und die wahrscheinlich dieselbe Vorlage voraussetzt. Sie gehört noch dem 9. Jahrhundert an. Es handelt sich um den Oxoniensis Bodleianus F. 4.32 (O). Eine zusammenfassende Beschreibung hat S. Tafel in seiner noch immer wichtigen Dissertation (unten S. 33) S. 7 f. gegeben. Die Kollation des Textes ist von R. Ellis im Hermes 15, 1880, 425—432 veröffentlicht und vonE. J. Kenney in seiner Ausgabe, Oxford 1961 und 1965, berichtigt und ergänzt worden. Der Text, dem man keineswegs allzu vertrauensselig folgen darf, ist von zwei insularen Händen geschrieben (1—361 und 362—746), die letzte Seite (747—772) stammt von einer kontinentalen Hand. Wir sind leicht geneigt, den Text in O zu überschätzen, weil er oft gerade das gibt, was wir erwarten. Wenn nicht — das ist häufig der Fall — offenkundige Fehler, die sich in R finden, vermieden sind, dürfen wir eine unverkennbare Neigung des Schreibers oder Redaktors, den Text zu glätten und zu verschönern, nicht ohne weiteres ausschließen. Dieses traditionelleBild hat sich im Jahre 1964 stark geändert. H.Boese ist bei einer Neukatalogisierung der Hamiltonsammlung in Berlin auf die Handschrift 471 gestoßen und hat sofort gesehen, daß die in dem Inventar vorgenommene Zuweisung an das 14. Jahrhundert falsch ist. Die Handschrift (Y) ist mindestens 200 Jahre, wahrscheinlich 300—400 Jahre älter. Sie enthält auf 69 Blättern die 'Ars', die 'Remedia' und die 'Amores'. Für diese habe ich sie noch nachträglich (unten S. 3 3 unter Lenz A.), für die 'Remedia' in der Ausgabe des Corpus Paravianum, Torino 1965, und jetzt für die zweite Auflage in dieser Schriftenreihe benutzen können. Bei der 'Ars' war eine systematischere Heranziehung möglich. Der Text, an dem mindestens bis in das 16. Jahrhundert hinein herumgeändert worden ist, muß ebenso hoch bewertet wer-
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den wie der des Regius und Oxoniensis und in den 'Amores' der des Puteaneus. E r ist, um nur dies im allgemeinen zu sagen, aus keiner der anderen Handschriften abgeschrieben und stellt uns vor eine Reihe von Problemen, die hier nicht im einzelnen besprochen werden können 1 . Auch die Vorgeschichte der Handschrift und der Ort ihrer Entstehung sind bisher nicht geklärt. Wenn wir nachweisen könnten, wie die Handschrift in die Beckford-Hamilton-Sammlung gekommen ist, würde vielleicht manches weniger rätselhaft sein, aber bisher scheinen Dokumente sich nicht gefunden zu haben. Ob sie überhaupt existieren, steht nicht fest 2 . Die Zahl der erhaltenen oder indirekt bekannten Handschriften aus der Zeit zwischen dem Ende des 12. und dem Anfang des 16. Jahrhunderts (ich wähle diese untere Zeitgrenze wegen des durchaus nicht immer unwichtigen Parisinus Bibliothecae Nationalis latinus 7997, des Sarravianus Heinsii, der vielleicht nicht mehr in das 15. Jahrhundert zu setzen ist) ist so groß, daß sich bisher niemand an eine systematische Katalogisierung und Erforschung ihrer Beziehungen gewagt hat. Nach dem, was bis jetzt bekannt geworden ist, sieht es nicht so aus, daß wir bei der aus naheliegenden Gründen bis in die Renaissance zerlesenen und dann von den humanistischen Erklärern nicht immer zum Vorteil des Textes großzügig behandelten 'Ars* in dieser Beziehung so günstig gestellt sind wie bei den 'Remedia', bei denen wir an dem „praestantissimus Puteaneus" (der Ausdruck stammt von N. Heinsius) eine ¡Leithandschrift des 13. Jahrhunderts gewonnen haben, die zu weitreichenden Schlüssen berechtigt 3 . Ich begnüge mich daher damit, nur auf ein paar Handschriften hinzuweisen, die zweifellos individuellere Behandlung, wenn auch durchaus nicht blindes Vertrauen verdienen (es könnten noch beträchtlich mehr erwähnt werden): der Plantinianus latinus D. 68 in Antwerpen, der vielleicht noch dem Ende des 12. Jahrhunderts angehört und die 'Ars' hinter den 'Remedia' enthält; der vor einigen Jahren mysteriös verschwundene, aber in einem Mikrofilm (im Institut de recherche et d'histoire des textes in Paris) erhaltene Bernensis Bibliothecae Civicae 478; der Berolinensis Diez B. Sant. 1 ; der Divionensis (Dijon) 497 (288), den man neuerdings geneigt ist ziemlich hoch, vielleicht zu hoch, einzuschätzen, auch in ihm stehen die 'Remedia' vor der 'Ars'; der Francofurtanus Bibliothecae Civicae M. S.Barth. 1 1 0 , dessen Ovidtext durch die verbessernden und immer neue Lesarten einführenden Hände zwar sehr lehrreich, aber oft so zugerichtet ist, daß es schwer ist, ihn zu benutzen; der frühere Holkhamicus 322, der jetzt als Add. 49368 dem British Museum gehört 4 ; die „alte" verlorene Handschrift des Klosters San Marco in Florenz, die Angelo Poliziano benutzt hat, die wir aber nur durch Lesarten kennen, die er in das jetzt in Oxford befindliche Exemplar der Parmaer Ausgabe von 1477 eingetragen 1
Vgl. jetzt F. Munari, II codice Hamilton 471 di Ovidio, Roma 1965 (Note e Discussioni Erudite a cura di A. Campana 9). Zu Boeses Katalog siehe die folgende Anmerkung. 2 Vgl. zu diesen Fragen jetzt H. Boese, Die lateinischen Handschriften der Sammlung Hamilton zu Berlin, Wiesbaden 1966. 3 Vgl. F. W. Lenz, Studi Italiani di Filologia Classica 29, 1957, 1—30; einige modifizierende Ergänzungen bei E . J . Kenney, ebenda 30, 1958, 172—174. * Vgl. F. W. Lenz, Eine übersehene Ovidhandschrift des Nicolaus Heinsius, Eranos 55, 1957, 61.
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hat 1 ; der zweite („alter" : so Heinsius) Regius und der Mentelianus der Pariser Nationalbibliothek (Parisini Bibliothecae Nationalis latini 7993 und 7994) und schließlich der um 1200 geschriebene Turonensis (Tours) 879. Es läßt sich nur durch textkritische Einzeluntersuchungen feststellen, wieweit bei den Lesarten der jüngeren Handschriften vertikale, möglicherweise in die Jahrhunderte des Altertums zurückreichende Überlieferung vorliegt oder sogenannte Querüberlieferung, d. h. Einwirkung eines mittelalterlichen Überlieferungsstranges auf den anderen. Diese Aufgabe kann natürlich hier nicht in Angriff genommen werden. Zu diesen Handschriften kommen noch andere, die Exzerpte aus der 'Ars' enthalten oder geeignete Verse in Florilegiensammlungen bieten. Obwohl mindestens zwei dieser Handschriften vorhochmittelalterKch sind, ist unter ihnen keine, deren Nutzen für den Text sehr wesentlich ist. Von ihnen gehört der Bambergensis M. V. 18 noch dem 9. Jahrhundert an. Abgesehen von der Beschreibung der Handschrift bei F. Leitschuh (Katalog der Handschriften der Königlichen Bibliothek zu Bamberg I 2,1895—1906, 3off.) ist das Wichtigste bei Tafel S. 9 ff. wiedergegeben. Die Exzerpte aus der 'Ars' sind erst im 10. Jahrhundert geschrieben und stehen am Rande. Da dieser beschnitten ist, sind die Verse z. T. nicht vollständig erhalten, 8} aus dem ersten, 3 3 aus dem zweiten und 3 aus dem dritten Buch. Die Handschrift gehörte derDombibliothek und ist in diese wohl aus Frankreich (Reims?) gelangt. Bei der Bewertung der Lesarten darf man nie vergessen, daß es sich um Exzerpte handelt, die oft nur mit Hilfe von Änderungen des Textes einzufügen waren. Der Text selbst gehört dem Überlieferungszweig R an, stellt sich aber zu dem in O, wenn R Fehler gemacht hat, die erst von R 2 verbessert worden sind. Kenney hat nicht mit Unrecht in seiner Ausgabe noch den Londinensis Mus. Brit. Add. 14086 (A) hinzugefügt, auf den zuerst A. Boutemy (Revue des Études latines 14, 1936, 271—273 und 15, 1937, 92—102) hingewiesen hat. Obwohl diese anscheinend um 1100 geschriebene Handschrift den Text prinzipiell nicht sehr anders behandelt als ihre jüngeren Nachfolgerinnen, die soeben genannt worden sind, lassen sich vereinzelt Spuren nachweisen, die die durch R Y und etwas anders durch O vertretene Überlieferung noch erkennen lassen. Es ist daher durchaus zu rechtfertigen, daß diesem Londinensis neben der Menge der Handschriften des 13. Jahrhunderts ein Sonderplatz zuerkannt wird. Leider ist der von Tafel erschlossene und in seiner Dissertation S. 8 — die anderen Stellen in Tafeis Handschriftenverzeichnis S. 80 — im Anschluß an G. Scherer (Verzeichnis der Handschriften der Stiftbibliothek, Halle 1875, S. 278) kurz beschriebene Sangallensis 821 des 1 1 . Jahrhunderts fragmentarisch. Er enthält auf den letzten Blättern (es sind im ganzen 48) hinter einem Werk des Boethius nur 1, 1—230. Trotz dieses geringen Umfanges reicht der von Tafel angeführte Fall V. 9 oui statt qui (natürlich Majuskelkorruptel) wohl zu einem Schluß auf eine gemeinsame Grund1
Vgl. F. W. Lenz, Parerga Ovidiana, Rendiconti Accademia Lincei, Classe sc., morali Sier. 6, Vol. 13, Rom 1938, 320—410. Dort ist auch die Möglichkeit behandelt, die verlorene Handschrift des Poliziano mit Hilfe von Abschriften aus dem 15. Jahrhundert zu rekonstruieren.
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läge mit R Y und O aus, obwohl in demselben Vers der Konjunktiv repugnet durch den Indikativ erset2t ist wie in A und fast allen Handschriften vom 12. Jahrhundert ab. In Y ist übrigens der Konjunktiv von erster Hand geschrieben, dagegen qui erst durch Korrektur aus oui hergestellt. Die jüngeren Florilegien (vgl. Lenz R., S. 19 Anm. 1 und S. 23) sind erst v o n Kenney herangezogen worden. Es lohnt sich, durch ein paar Beispiele zu zeigen, nach welchen Gesichtspunkten der Redaktor des 12. Jahrhunderts verfahren ist. Ein charakteristischer Fall findet sich 1, 181 ff. Der Redaktor hat einige Verse aufgenommen, in denen der junge Gaius Caesar, der gegen die Parther ins Feld ziehen soll, gepriesen wird. Nun vergleicht Ovid den sehr jugendlichen prinzlichen Heerführer mit dem tirynthischen Helden (Herakles), der noch in der Wiege zwei Schlangen zerdrückte, und mit Dionysos, der Indien unterwarf. Nach dieser Unterbrechung fährt er mit dem Preise Caesars fort. Der Redaktor ließ die beiden Vergleiche (V. 187—190) aus und zog 181—186 und 191—192 zu einer Einheit zusammen. D e r Leser oder der das Florilegium benutzende Schüler soll hier nicht mit mythologischen Einzelheiten behelligt werden. 1, 159 spricht Ovid eine allgemeine Erfahrung aus: Kleinigkeiten fangen ein leichtes Gemüt, darum leiste ihr im Zirkus allerlei kleine Dienste. Das paßt sich natürlich nicht, wenn man moralischer Erzieher sein will. Daher bleiben nur die Worte übrig: Kleinigkeiten fangen leichte Gemüter. Aus dem Rate des Dichters, sich durch Höflichkeiten, die nichts kosten, in die Gunst des Mädchens hineinzustehlen, wird eine Warnung, sich leichtsinnig durch Kleinigkeiten fangen zu lassen. Diese Beispiele lassen sich lange fortsetzen, aber das ist unnötig; denn die bei der Auswahl vorherrschende Absicht ist bereits klargeworden. Nur weil er so lustig ist, sei noch ein dritter Fall angefügt. A m Anfang des ersten Buches wird der Dichter von Venus zum Lehrer Amors bestellt. Dieser Schüler ist unleugbar ungebärdig und lehnt sich oft gegen mich auf, sagt Ovid V . 9, aber dann fügt er V . 10 begütigend hinzu: Aber er ist noch ein Knabe, noch weich und zart an Jahren und lenksam. Das erscheint in dem Florilegium so, daß V . 9 ganz und „aber" in V . 10 wegbleiben, so daß es nur heißt: Er ist ein Knabe, sein Alter zart und lenksam. Das hat in der Florilegienhandschrift n der zweiten Hand noch nicht genügt, denn sie hat Puer in Puero geändert, so daß nunmehr die schöne Wahrheit dasteht: Der Knabe besitzt ein Alter zart und lenksam. Es zeigt sich, daß wir diese Textquelle mit Skepsis heranzuziehen haben. Da sie im 12. Jahrhundert entstand, wird der Redaktor eine vollständige Handschrift vor sich gehabt haben, die in diesem Jahrhundert geschrieben war, d. h. in einer Zeit, in der die systematische Überarbeitung des Ovidtextes in vollem Gange war. Viele Lesarten, die der Redaktor wählte, zeigen das, obwohl zweifellos ein Teil der sogenannten Vulgata in viel frühere Zeit zurückreicht. Trotzdem ist mit der Möglichkeit zu rechnen, daß auch in dieser Handschrift in einzelnen Fällen altes und wertvolles Gut steckt, und es lassen sich z. B. auch in den 'Remedia' und 'Amores' Fälle nachweisen, in denen die Florilegienhandschriften mit ganz wenigen anderen das Richtige bewahrt haben. Noch größere Skepsis empfiehlt sich gegen die beiden Florilegia, die erst aus dem 14. Jahrhundert stammen, d. h. aus einer Zeit, in der man es mit der Pietät gegen den
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überlieferten Ovidtext noch weniger genau nahm. Es handelt sich um den Leidensis Vulc. 48 und den Berolinensis Diez. B. Sant. 60, über dessen Tristientext schon S. G . Owen in den Prolegomena seiner Tristienausgabe, Oxford 1889, S. L X V nichts Günstiges sagen konnte. Bei der Gestaltung der kritischen Anmerkungen unter dem Text bin ich im wesentlichen den Grundsätzen gefolgt, die ich in Lenz R. (S. 20) und Lenz A . (S. i4f.) angewendet habe. Dabei war natürlich der Tatsache, daß die Überlieferung nicht identisch ist, Rechnung zu tragen.
AUSGABEN Was ich über die alten Ausgaben in R. A . kurz bemerkt habe, gilt auch für die 'Ars'. Es ist hier nicht der Platz, eine kritische Geschichte der Ausgaben von der Renaissance bis zum 20. Jahrhundert zu geben. Ich begnüge mich mit wenigen Bemerkungen. Die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde durch die Teubneriana von R. Merkel (von 1850 ab) beherrscht, die trotz vieler offenkundiger Fehler und Willkürlichkeiten einen Meilenstein bedeutet, an dem auch A . Riese in seiner Tauchnitzausgabe von 1871 trotz vieler berechtigter Änderungen und Einwände nicht gerüttelt hat. Den Mut, Merkels Text auf Grund der Erkenntnisse seiner Zeit neu zu gestalten, hat R. Ehwald in der Teubneriana von 1888 besessen, die einen gesunden Konservativismus zeigt, aber darin oft die Grenzen des Möglichen überschreitet und daher den vom Dichter gewollten Pointen und Zweideutigkeiten nicht immer gerecht wird. Die Behandlung des Distichons 3, 775f. z . B . zeigt, daß man mit fast spinöser Stellungnahme dem Ovid der 'Ars' nicht gerecht wird. Die Bemerkungen, die Ehwald in der Praefatio critica gegeben hat, sind viel zu knapp und trotz aller Einzelgelehrsamkeit als Ganzes nicht ausreichend. Das sind heute längst bekannte Dinge, die besonders von A . E . Housman scharf, manchmal unberechtigt scharf, gerügt worden sind. Die zweisprachigen Ausgaben von Hertzberg in der neuen Bearbeitung durch F. Burger, München 1923, und von H. Bornecque, Paris 1924, können, wie von den Rezensenten sofort bemerkt worden ist, auf die Bezeichnung als kritische Ausgaben keinen Anspruch machen. Bei Hertzberg-Burger widersprechen lateinischer Text und deutsche Übersetzung einander häufig, und die Anmerkungen beschränken sich mit wenigen Ausnahmen auf Trivialerklärung. Bornecques kritischer Apparat ist kein kritischer Apparat, aber seine Übersetzung ist für die Interpretation im Positiven wie im Negativen hilfreich wegen der klaren und mit wenigen Ausnahmen eindeutigen Formulierungen, aus denen man sieht, wie er die Worte des Dichters verstanden hat. Ihm gegenüber bedeutet die Ausgabe von J. H. Mozley in der englischen, jetzt amerikanischen Loeb Library (1929) eher einen Rückschritt, nicht so sehr wegen der sorgfältig überlegten, obwohl durchaus nicht immer einwandfreien Übersetzung, sondern wegen der ganz willkürlich und sporadisch beigegebenen Anmerkungen über Lesarten, mit denen sich kaum etwas anfangen läßt, und wegen der ebenso sporadischen Erklärungen, die sich selten über das Niveau
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Einf ü hrung
des Trivialen erheben. Einen wesentlichen Fortschritt stellt die Ausgabe von Concetto Marchesi im Corpus Scriptorum Latinorum Paravianum (1933) dar. Er wahrt sich seinen Vorgängern gegenüber eine bemerkenswerte Selbständigkeit im Urteil und der Interpretation, aber die Auswertung des Anhangs mit den kritischen Noten, die den fehlenden kritischen Apparat ersetzen sollen, ist infolge des Druckes eine Qual für den B e n u t z e r W e d e r bei Ehwald noch bei Marchesi ist ein Versuch gemacht, den Aufbau des Werkes durch Einführung von Absätzen leichter erkennbar zu machen. Ein ganz neues Stadium der Textkritik ist durch die mehrfach genannte Ausgabe E . J . Kenney's, Oxford 1961 (verbesserter Nachdruck 1965), erreicht worden. Hätte er Y schon gekannt, so würde in dem kritischen Apparat und in dem Anhang, der einen zweiten ergänzenden Apparat bildet, manches anders aussehen. Die Benutzung der Ausgabe wird durch diese Teilung nicht gerade erleichtert. Ob Kenney sich durch Y veranlaßt gesehen hätte, den Wortlaut seines Textes an verschiedenen Stellen zu ändern, läßt sich nicht sagen. Seinen Vorgängern, besonders Marchesi, läßt er nicht immer zuteil werden, was ihnen gebührt, aber das beeinträchtigt den Wert dieser Leistung, die in der Neuzeit zum erstenmal ein wirkliches Bild dessen gibt, was wir haben, nur wenig. Ein Wort für sich erfordert schließlich noch die erklärende Ausgabe von P. Brandt, Leipzig 1902, die merkwürdigerweise in der Bibliografia Ovidiana, Sulmona 1958, 33 nicht erscheint. Obwohl sie schon zu Anfang des Jahrhunderts erschienen ist, bleibt sie infolge der Fülle des erklärenden Materials noch immer unentbehrlich, mag es auch Brandt nicht gelungen sein, die unnachahmlichen und einmaligen Feinheiten des Dichters in ihrer sprachlichen und künstlerischen Höhe so herauszuarbeiten, daß der Leser sofort fühlt und versteht, daß er es mit einem Werk zu tun hat, das mehr will, als ephemeren Sinnenkitzel und Lüsternheit in ihm zu wecken.
LITERATUR Veröffentlichungen, die in der Einführung und den Erläuterungen immer wieder erwähnt werden, sind in folgender Weise zitiert: Alt on = E . H.Alton, Quaestiunculae Ovidianae, Hermathena 20, 1930, 2 7 8 f r . Att 1 = Atti del Convegno Internazionale Ovidiano, Rom 1959, 2 Bände Axelson = B. Axelson, Unpoetische Wörter. Ein Beitrag zur Kenntnis der lateinischen Dichtersprache, Publications of The New Society of Letters atLund 29, Lund 1945 D'Elia = S . D'Elia, Ovidio, Napoli 1959 (infolge des Fehlens eines Index und Stellenregisters leider sehr schwer zu benutzen) 1
Ausführlicher habe ich meine Meinung ausgesprochen und begründet in Bursians Jahresberich-
ten 264, 1939, 7ff. A u c h jetzt habe ich mich wieder davon überzeugt, daß er im Prinzip R gegenüber zu großen Autoritätsglauben hat. In vielen Einzelfällen dagegen ist er durch scharfsinniges Interpretieren, wie ich jetzt gesehen habe, den Lesarten in R gerecht geworden.
Einführung
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Fränkel
= H. Fränkel, Ovid. A Poet Between Two Worlds, Berkeley and Los Angeles 1945 Heinze = R. Heinze, Ovids elegische Erzählung, Berichte über die Verhandlungen der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig 71, 7, 1919 ; dazu die wichtige und eingehende Rezension von E. Fraenkel, Jahresberichte des Philologischen Vereins zu Berlin 1920, 86—89 Klimt = A. Klimt, De Artis amandi Ovidianae libri primi compositione, Dissertation Leipzig 1913 Kraus = W . Kraus, Ovidius Naso, Paulys Real-Encyclopädie XVIII 2, 1943, 1907—1986; über die 'Ars' 1933 fr. Lenz A. = F. W. Lenz, Ovid: Die Liebeselegien, lateinisch und deutsch, 2. Aufl. Berlin 1966 LenzB. = F . W. Lenz, Ovid: Bericht über das Schrifttum der Jahre 1928—1937, Bursians Jahresberichte 264, 1939, 1—168 Lenz M. = F. W. Lenz, Kephalos und Prokris in Ovids Ars amatoria, Maia 1962, 177-186 Lenz Mn. = F . W.Lenz, Ovid Ars amatoria II 725—6; Nux n o , Mnemosyne, S. 4, 19, 1966, 389-394 Lenz 0 . = F . W. Lenz, Ovidiana, Wiener Studien N. F. 1 (80), 1967, 190-201 Lenz P. = F. W. Lenz, Das Prooemium von Ovids Ars amatoria, Maia 1961, 131-142 Lenz R. = F . W. Lenz, Ovid : Heilmittel gegen die Liebe und Die Pflege des weiblichen Gesichtes, lateinisch und deutsch, Berlin i960, 2. Auflage 1969 (ich glaube jetzt mit Ehwald, Kenney und anderen, daß der von Ovid gewählte Titel 'Medicamina faciei femineae', nicht 'De medicamine faciei femineae' ist; zitiert: Med.) Luck = G. Luck, Gnomon 35, 1963, 261 Munari = F. Munari, Ovid im Mittelalter, Zürich und Stuttgart i960 Ovidiana (Herescu) = Ovidiana. Recherches sur Ovide publiées par N. I. Herescu, Paris 1958 Pohlenz = M. Pohlenz, De Ovidi carminibus amatoriis, Universitätsprogramm Göttingen 1913 Tafel = S. Tafel, Die Überlieferungsgeschichte von Ovids Carmina amatoria, verfolgt bis zum 11. Jahrhundert, Dissertation München 1909, Tübingen 1910 Wilkinson = L . P. Wilkinson, Ovid Recalled, Cambridge 1955 Andere Veröffentlichungen, z. B. die Kenney s, sind an den betreffenden Stellen mit Titelangabe zitiert.
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Lenz: Ovid, Liebeskunst
Einfühlung
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ABKÜRZUNGEN R Y
= Parisinus lat. 7 3 n , 9. Jahrhundert, der „Regius" = Berolinensis Hamiltonensis 471, 1 1 . (oder 10.) Jahrhundert, vgl. oben S. 27 f . 1 = Oxoniensis Bodleianus Auct. F. 4. 32, 9. Jahrhundert, enthält nur das 1. Buch = Sangallensis 821, 1 1 . Jahrhundert, enthält 1, 1—230 = Londinensis Mus. Brit. Add. 14086, Ende des 1 1 . oder Anfang des 12. Jahrhunderts, vgl. oben S. 29
O S A
Hochgestellte Exponenten hinter den Siglen bezeichnen die Hand des Korrektors.
Gelegentlich genannte Handschriften des 12./13.—16. Jahrhunderts Aa Ba D F H
= = = = =
N
=
Pa Pb Pc Pd Ra T V ü) o Ç
= = = = = = = = = =
Antverp. Plant, lat. D. 68, 12./13. Jahrhundert Bernensis 478, 12./13. Jahrhundert Divionensis (Dijon) 497 (288), 13. Jahrhundert Francofurtanus Barth. 110, 12./13. Jahrhundert Holkhamicus 322, jetzt Londinensis Mus.Brit. Add. 49368, 13. Jahrhundert Neapolitanus(Neapel,Nationalbibliothek)IVFi3(Borbonicus26i), 13. Jahrhundert Parisinus lat. 7993, 13. Jahrhundert, der „alter Regius" Parisinus lat. 7994, 13. Jahrhundert, ein Mentelianus Parisinus lat. 7997, 15./16. Jahrhundert, der „Sarravianus" Parisinus lat. 8430, 13. Jahrhundert Riccardianus (Florenz) 489, 13. Jahrhundert Turonensis (Tours) 879, um 1200 Vaticanus lat. 3140, 15. Jahrhundert alle Handschriften oder alle außer den individuell genannten Mehrzahl der Handschriften aus dem 12.—14. Jahrhundert jüngere Handschriften Florilegien, Exzerpte, Fragmente
B b e
= Bambergensis M. V. 18, 10. Jahrhundert = Berolinensis Diez. B. Sant. 60, 13./14. Jahrhundert = Escorialensis Q. I. 14, 14. Jahrhundert 1
Für viele Auskünfte bin ich dei unermüdlichen Hilfsbereitschaft C . Perls sehr zu Dank verpflichtet.
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Parisinus lat. 17903 (Nostradamensis 188), 12./13. Jahrhundert Parisinus 7647 (Thuaneus), Ende des 12. Jahrhunderts Florilegium, Übereinstimmung von e, n und p Exzerpte des Puteanus, benutzt von N. Heinsius Exzerpte Scaligers, benutzt von N. Heinsius Ausgaben erste Ausgabe, Bologna 1471 Aldina, Venedig 1502 Namen Iur. Ken. Madv. Merk. Mic. Naug. Ri. Salm.
Bentley Burman Ehwald Gronovius N. Heinsius Hilberg Housman Itali
= = = = = = =
Iuretus Kenney Madvig Merkel Micyllus Naugerius (Navagero) Riese - Salmasius
Andere Abkürzungen auf Rasur auspunktiert Handschrift(en) interpungiert am Rande über'der Zeile verbessert
/
+
.
Cogeris (-es O ) + et O)
60 et 64 Co-
Vers 29—64 wissenden Künders; Wahres werde ich singen, dem Beginnen sei geneigt, Mutter Amors 1 31Bleibt fern, feingewobene Binden, Kennzeichen sittlicher Scheu, und du, langer Besatz, der du die Füße umhüllend bedeckst. 33 Gefahrlose Liebe und erlaubte Heimlichkeiten werde ich besingen, und an meinem Gedicht wird kein Grund zum Anstoß sein. ^Zunächst mußt du eine Anstrengung machen, zu finden, was du lieben willst, wenn du jetzt als Soldat unter neue Waffen trittst. 37 Der zweite mühevolle Schritt ist, das Mädchen, an dem du Gefallen gefunden hast, durch Bitten zu gewinnen; der dritte: sieh zu, daß die Liebe lange Zeit andauere. 39Dies ist das Verfahren, auf dieser Fläche wird unser Wagen seine Spuren eindrücken, dies wird der Wendepunkt sein, den das Rad bei gestrafftem Zügel eng umfahren muß. 41
Solange du frei bist und du mit lockeren Riemen überall einherfahren kannst, suche dir die aus, zu der du sagen magst: „Du allein gefällst mir." 43Sie wird nicht durch das dünne Reich der Lüfte zu dir heruntergleiten, suchen müssen deine Augen das richtige Mädchen. 45 Genau weiß der Jäger, wo er für die Hirsche die Netze ausspannen muß, genau weiß er, in welchem Tale der schnaubende Eber sich aufhält; 47 den Vogelstellern sind die Büsche bekannt; wer den Angelhaken hält, weiß, welche Gewässer von vielen Fischen durchschwömmen werden. 49 Auch du, der du einen Gegenstand für lange Liebe suchst, lerne zuvor, an welchen Stätten die Mädchen in Schwärmen zu finden sind. 51 Nicht werde ich dem Suchenden die Weisung geben, die Segel dem Winde zu lassen, und du brauchst dich mit keinem langen Wege zu plagen, um zu finden. SSLaß nur Perseus die Andromeda ruhig von den dunkelhäutigen Indern hinweggebracht haben und laß das griechische Mädchen von dem phrygischen Manne geraubt sein, 55so viele und so schöne Mädchen wird Rom dir geben, daß du sagst: „Diese Stadt birgt in sich, was in der ganzen Welt zu finden ist." 57Soviel Saaten es um Gargara gibt, soviel Trauben um Methymna, soviel Fische vom Meer, soviel Vögel vom Laube verdeckt werden, 59soviel Sterne der Himmel, soviel Mädchen hat dein unvergleichliches Rom; die Mutter hat die Stadt ihres Aeneas als ständigen Sitz gewählt. 61 Du wirst gefangen von der ersten Blüte noch wachsender Jahre: vor deine Augen wird ein wirkliches Mädchen treten. 63 Du begehrst eine Junge: tausend Junge werden dir gefallen, es wird unvermeidlich sein: du kennst deine eignen Wünsche nicht mehr. ^Dich erfreut vielleicht ein
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Seu te forte iuvat sera et sapientior aetas, Hoc quoque, crede mihi, plenius agmen erit.
T u modo Pompeia lentus spatiare sub umbra, Cum Sol Herculei terga Leonis adit, A u t ubi muneribus nati sua munera mater 70 Addidit, externo marmore dives opus; Nec tibi vitetur quae priscis sparsa tabellis Porticus auctoris Livia nomen habet, Quaque parare necem miseris patruelibus ausae B'elides et stricto stat ferus ense pater. 7j Nec te praetereat Veneri ploratus Adonis Cultaq'ue Iudaeo séptima sacra Syro. Nec f u g e linigerae Memphitica tempia iuvencae: Multas ilia facit, quod fuit ipsa Iovi. Et fora conveniunt (quis credere possit?) Amori, Flammaque in arguto saepe reperta foro. Subdita qua Veneris facto de marmore tempio Appias exptessis aera pulsat aquis, Ilio saepe loco capitur consultus Amori, Quique aliis cavit, non cavet ipse sibi; 8> Ilio saepe loco desunt sua verba diserto, Resque novae veniunt, causaque agenda sua est. Hunc Venus e templis, quae sunt confinia, ridet; Qui modo patronus, nunc cupit esse cliens.
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Sed tu praecipue curvis venare theatris: Haec loca sunt v o t o fertiliora tuo. Illic invenies quod ames, quod ludere possis, Quodque semel tangas, quodque tenere velis. Ut redit itque frequens longum formica per agmen, Granifero solitum cum vehit ore cibum, 95 A u t ut apes saltusque suos et olentia nactae Pascua per flores et thyma summa volant, Sic ruit ad celebres eultissima femina ludos, Copia iudicium saepe morata meum est. Spectatum veniunt, veniunt, spectentur ut ipsae; 100 Ille locus casti damna pudoris habet. 90
76 syro O ». Z. uiro R 2 f R ungewiß) Y « S A o deo Y O P a 80 foro + est Y o 81 qua Naug. quo R a quae tú 8 { amore R 2 A ^ amare Y c amoris £ 92 quod retiñere A g 4 solidum R Y O S P a 97 in ß 98 est < C,
V e r s 65—100
höheres und besser erfahrenes Alter: auch dieses wird sich, glaube mir, in reicherer Fülle bieten. 67 Geh
nur gemächlich einher im Schatten, den wir Pompeius verdanken, wenn die Sonne zum Rücken des herkulischen Löwen kommt; 69 oder dort, wo zu den Geschenken ihres Sohnes die Mutter ihre eigenen gefügt hat, ein Werk reich durch fremden Marmor. 71 Meide auch die Halle nicht, die mit alten Tafeln bedeckt ist, sie trägt den Namen ihrer Stifterin Livia, 73 und nicht die, in der die Beliden, die es wagten, ihren armen Vettern den Tod zu bereiten, und mit gezücktem Schwert ihr wilder Vater stehen. 75 Laß dir weder das Fest entgehen, bei dem Venus um Adonis klagt, noch den siebenten Tag, der vbn den syrischen Juden feierlich begangen wird. 77 Meide auch nicht den memphitischen Tempel der linnentragenden Kuh, viele Mädchen macht sie zu dem, was sie selbst Jupiter war. 79 Auch
die öffentlichen Plätze — wer könnte es glauben? — sind passend für Amor; auf dem Markt, wo der Lärm nicht aufhört, geriet gar oft einer in Brand. 81 An der Stätte, an der unterhalb des Marmortempels der Venus Appias mit herausgepreßten Wasserstrahlen die Luft trifft, 83 fällt oft ein Rechtsberater Amor als Beute zu; für andere war er vorsichtig, für sich selbst ist er es nicht. 85An dieser Stätte fehlen dem Beredten oft die richtigen Worte, neue Fälle treten an ihn heran, seine eigene Sache muß er führen. 87 Über ihn lacht Venus von ihrem angrenzenden Tempel; soeben war er noch Anwalt, jetzt möchte er Klient sein. 89 Vor
allem aber jage in den runden Theatern, diese Jagdgründe sind reicher, als du dir wünschst. 91 Dort wirst du etwas zum Lieben und etwas zum Spielen finden, etwas für flüchtige Berührung und etwas zum Festhalten. 93 Wie ein Gewimmel von Ameisen in langem Zuge hin und her läuft, wenn sie die gewohnte Körnernahrung im Munde befördern, 95 oder wie Bienen, die die ihnen willkommenen Waldtriften und duftenden Weiden glücklich gefunden haben, über die Blumen und die Spitzen des Thymians dahinfliegen, 97 so stürzen im besten Aufputz die Frauen zu den Spielen, zu denen die Menge sich drängt, so viele sind ihrer, daß ich mich oft nicht entscheiden konnte. " Z u sehen kommen sie, sie kommen, um selbst gesehen zu werden; dieser Ort tut sittigem Anstand Abbruch.
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Primus sollicitos fecisti, Romule, ludos, Cum iuvit viduos rapta Sabina viros. Tunc neque marmoreo pendebant vela theatro, Nec fuerant liquido pulpita rubra croco, Illic, quas tulerant nemorosa Palatia, frondes Simpliciter positae, scaena sine arte fuit. In gradibus sedit populus de caespite factis, Qualibet hirsutas fronde tegente comas. Respiciunt oculisque notant sibi quisque puellam, Quam velit, et tacito pectore multa movent. Dumque rüdem praebente modum tibicine T u s c o Ludius aequatam ter pede pulsat humum, In medio plausu (plausus tunc arte carebant) Rex populo praedae signa petenda dedit. Protinus exiliunt animum clamore fatentes Virginibus cupidas iniciuntque manus. Ut fugiunt aquilas, timidissima turba, columbae, Utque fugit visos agna novella lupos, Sic illae timuere viros sine lege ruentes; Constitit in nulla, qui fuit ante, color. Nam timor unus erat, facies non una timoris: Pars laniat crines, pars sine mente sedet; Altera maesta silet, frustra vocat altera matrem; Haec queritur, stupet haec; haec manet, illa fugit. Ducuntur raptae, genialis praeda, puellae, Et potuit multas ipse decere timor. Si qua repugnarat nimium comitemque negabat, Sublatam cupido vir tulit ipse sinu Atque ita „quid teneros lacrimis corrumpis ocellos? Quod matri pater est, hoc tibi" dixit „ero". Romule, militibus scisti dare commoda solus: Haec mihi si dederis commoda, miles ero. Scilicet ex ilio sollemnia more theatra Nunc quoque formonsis insidiosa manent.
«ss Nec te nobilium fugiat certamen equorum: Multa capax populi commoda circus habet. 1 0 1 Primos R (verb. R 2 j O S R2YcjOS$
1 0 5 Illae R Y (verb. R 2 Y c 2 J O S Iliac Y « |
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Madv. petente Burm. praedam . . . dor O A (verb. A 2 J o rubor T lemni Y f - i a Yc) Madv. Ebw.
1 1 3 carebat Y c A o petente (?) Ken.
1 0 6 posila Yd (verb.
1 1 4 f petenda f Ken.
I I Q sine more £ | furentes
1 2 7 repugnabat oder -ret £ | negarat
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petita Btl. 1 2 6 pu1 3 3 sol-
Vers 101—136 101 Du
hast den Anfang damit gemacht, Romulus, daß es bei den Spielen unruhig zuging, als die geraubten Sabinerinnen den frauenlosen Männern Lust brachten. 103 Damals hingen weder Tücher über dem marmornen Theater, noch war das Brettergerüst mit flüssiger Krokusessenz rot gefärbt. 105 Dort war nur das Laub, das auf dem waldigen Palatium gewachsen war, einfach angeordnet, die Bühne kunstlos. 107 Auf Stufen aus Rasenschollen saß das Volk, das erstbeste Laub umkränzte struppiges Haar. 109 Sie drehen sich um, und jeder nimmt das Mädchen aufs Korn, das er haben will, und bewegt wortlos viele Gedanken in der Brust. 11:LWährend der tuskische Flötenspieler eine kunstlose Weise ertönen ließ und der Spieler dabei dreimal auf den geebneten Boden stampfte, 113 gab inmitten des Beifallssturmes (auch er folgte damals noch keiner Regel) der König der Volksmenge das wünschenswerte Zeichen, Beute zu machen. lisOhne Zögern springen sie auf, ihr Geschrei zeigt ihren wilden Mut, und legen ihre gierigen Hände an die Mädchen. 117 Wie ein Taubenschwarm in höchster Furcht vor Adlern flieht und wie ein junges Lamm flieht, wenn es Wölfe gesehen hat, 119so ergriff sie Furcht vor den wild heranstürzenden Männern, und keine behielt ihre natürliche Farbe im Gesicht; 121 denn alle hatten die gleiche Furcht, nur zeigte sie sich auf verschiedene Weise: ein Teil zerrauft sich das Haar, ein Teil sitzt da wie bewußtlos. 123 Eine ist in trauriges Schweigen versunken, vergeblich ruft eine nach der Mutter; diese jammert, vor Entsetzen starr ist diese; diese ist wie festgewurzelt, jene flüchtet. 125 Hinweggeführt werden die geraubten Mädchen, eine erfreuliche Beute für das Ehebett, und vielen vermochte selbst die Furcht Anmut zu verleihen. 127 Hatte eine zu sehr dagegen angekämpft und wollte auch jetzt ihren Begleiter noch ablehnen, so hob der Mann sie hoch und trug sie an seiner verlangenden Brust. 129 Dabei sagte er: „Wozu verdirbst du mit Tränen deine zarten Augen? Was deiner Mutter dein Vater ist, das werde ich dir sein." 131 Romulus, nur du wußtest deinen Soldaten Vorteile zu verschaffen; gewährst du diese Vorteile mir, dann will ich Soldat sein. 133 Kein Wunder, seit jener Veranstaltung sind die nach dem Herkommen feierlichen Theatervorstellungen bis auf den heutigen Tag für die Schönen reich an Fallen geblieben. i^Laß dir auch den Wettstreit der edlen Pferde nicht entgehen, viele Vorteile bietet der Zirkus, der eine große Volksmenge in sich faßt.
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Nil opus est digitis, per quos arcana loquaris, Nec tibi per nutus accipienda nota est. Proximus a domina, nullo prohibente, sedeto, lunge tuum lateri qua potes usque latus. Et bene, quod cdgit, si nolis, linea iungi, Quod tibi tangenda est lege puella loci. Hie tibi quaeratur socii sermonis origo, Et moveant primos publica verba sonos. Cuius equi veniant, facito studiose requiras, Nec mora, quisquis erit, cui favet ilia, fave. At cum pompa frequens caelestibus ibit eburnis, Tu Veneri dominae plaude favente manu. Utque fit, in gremium pulvis si forte puellae Deciderit, digitis excutiendus erit, Et si nullus erit pulvis, tamen excute nullum; Quaelibet officio causa sit apta tuo. Pallia si terra nimium demissa iacebunt, Collige et inmunda sedulus effer humo; Protinus, officii pretium, patiente puella Contingent oculis crura videnda tuis. Respice praeterea, post vos quicumque sedebit, Ne premat obposito mollia terga genu. Parva levis capiunt animos: fuit utile multis Pulvinum facili composuisse manu; Profuit et tenui ventos movisse tabella Et cava sub tenerum scamna dedisse pedem.
Hos aditus circusque novo praebebit amori Sparsaque sollicito tristis harena foro. 165 Illa saepe puer Veneris pugnavit harena, Et, qui spectavit vulnera, vulnus habet. Dum loquitur tangitque manum poscitque libellum Et quaerit posito pignore, vincat uter, Saucius ingemuit telumque volatile sensit 170 Et pars spectati muneris ipse fuit. 1 3 9 ad dominam A o 14 Qua A o 1 4 7 caelestibus R2Ao 1 5 3 terrae O -um Y « T I tabella Y C A -am neris A o
quo oder quam g 1 4 1 nolit Y (verb. Y c J O £ 1 4 2 Quo Y ° . . . eburnis R Y O S ^ certantibus (oder plaudentibus ) . . . ephebis 1 6 0 Puluinar Y c O 1 6 1 tenuis ß | uento ~RY(veri. R 2 Y c j O S < ; C R Y O S flabello Y R d . A 2 0 (vgl. Amores 3, 2, 3 7 / J 1 7 0 uul-
Vers 137—170 i37Nicht bedarf es der Finger, um geheime Zwiesprache zu üben, und du brauchst auch keine Mitteilung durch Winke zu empfangen. 139Sitze in nächster Nähe der Herrin, keiner verwehrt es, dränge deine Seite so nahe du kannst an ihre Seite. 141Wie gut, daß der Einschnitt auch gegen deinen Willen Nähe erzwingt und daß der Raum Berührung des Mädchens unabweisbar macht. 143Hier sollst du den Ausgangspunkt suchen, ein helfendes Gespräch anzuknüpfen, und was man bei solchen Gelegenheiten so sagt, soll zuerst Wort werden. ^Wessen Pferde kommen, sollst du mit Interesse erfragen, und ohne Säumen, gleichgültig wer er ist, zeige deine Gunst dem, den sie begünstigt. 147Aber wenn die dichtgedrängte Prozession mit den Götterbildern aus Elfenbein einherzieht, spende du der Herrin Venus mit frommer Hand Beifall. 149Und wie das so geht, vielleicht fällt Staub auf den Schoß des Mädchens: den mußt du mit deinen Fingern herausschütteln, 151und wenn kein Staub da ist, schüttle keinen heraus: laß dir jeden Vorwand dazu dienen, ihr so behilflich zu sein. 153Senkt ihr Gewand sich zu tief und liegt es auf der Erde, so nimm es zusammen und entferne es geschäftig von dem unsauberen Boden. 155Dabei wird dir sogleich als Lohn für die Hilfeleistung (das Mädchen muß es dulden) zuteil werden, daß du ihre Beine sehen darfst. 157Sieh dich auch nach dem um, der hinter euch sitzt, damit er sein Knie nicht gegen ihren zarten Rücken stemme. 159Kleinigkeiten fangen ein leichtes Gemüt, für viele hat es sich als nützlich erwiesen, mit geschickter Hand das Polster zurechtzurücken. ^Nützlich ist es auch, mit dem feinen Fächer Luftzug zu erregen und ein hohles Bänkchen unter ihre zarten Füße zu stellen. 163
Diese Annäherungen wird der Zirkus für eine neue Liebe bieten und der Trauriges verheißende Sand, der auf das unruhige Forum gestreut ist. 165Auf diesem Sande hat der Sohn der Venus schon oft seine Kämpfe ausgeführt, und wer Wunden mit angesehen hat, hat eine Wunde. 167 Et spricht, berührt eine Hand, erbittet das Programm, macht seinen Einsatz und wettet, wer siegt: 169 verwundet seufzt er dabei auf und spürt das geflügelte Geschoß und wird selbst ein Teil der öffentlichen Schau.
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Quid, modo cum belli navalis imagine Caesar Persidas induxit Cecropiasque rates? Nempe ab utroque mari iuvenes, ab utroque puellae Venere, atque ingens orbis in Urbe fuit. 17y Quis non invenit turba, quod amaret, in ilia? Eheu, quam multos advena torsit amori
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Ecce, parat Caesar, domito quod defuit orbi, Addere, nunc, Oriens ultime, noster eris. Parthe, dabis poenas: Crassi gaudete sepulti Signaque barbaricas non bene passa manus. Ultor adest primisque ducem profitetur in annis Bellaque non puero tractat agenda puer. Parcite natales timidi numerare deorum: Caesaribus virtus contigit ante diem. Ingenium caeleste suis velocius annis Surgit et ignavae fert male damna morae. Parvus erat manibusque duos Tirynthius angues Pressit et in cunis iam love dignus erat. Nunc quoque qui puer es, quantus turn, Bacche, fuisti, Cum timuit thyrsos India vieta tuos! Auspiciis annisque patris, puer, arma movebis Et vinces annis auspiciisque patris. Tale rudimentum tanto sub nomine debes, Nunc iuvenum princeps, deinde future senum. Cum tibi sint fratres, fratres ulciscere laesos, Cumque pater tibi sit, iura tuere patris. Induit arma tibi genitor patriaeque tuusque, Hostis ab invito regna parente rapit. Tu pia tela feres, sceleratas ille sagittas; Stabit pro signis iusque piumque tuis. Vincuntur causa Parthi, vincantur et armis, Eoas Latio dux meus addat opes. Marsque pater Caesarque pater, date numen eunti, nam deus e vobis alter es, alter eris. Auguror, en, vinces, votivaque carmina reddam, Et magno nobis ore sonandus eris. Consistes aciemque meis hortabere verbis (O desint animis ne mea verba tuis),
1 8 5 tuis R Y f f e r i . Y c X ) S A R a 1 8 9 tu Ri* 1 9 5 caesos Y 1 9 8 capit oder tulit Ç petit D
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Vers 171—208 171 Hat nicht vor kurzem Caesar den Seekrieg im Bilde vorgeführt, die persischen und kekropischen Schiffe? 173Kamen dazu nicht Jünglinge von beiden Meeren und von beiden auch Mädchen, und drängte sich nicht die ganze große Welt in Rom zusammen? 175Wer fand in dieser Menge nicht etwas zum Lieben? O ja, wie vielen bereitete Amor Qual um eine, die als Gast gekommen war. 177 Und jetzt macht Caesar sich bereit hinzuzufügen, was an der Bezwingung der Welt noch fehlte, nun wirst du unser sein, fernster Osten. 179 Parther, du wirst Buße leisten: freue dich, Crassus, mit den Deinen im Grabe, und ihr Feldzeichen, die ihr unrühmlich Barbarenhände dulden mußtet. 181Der Rächer ist da und verspricht schon in seipen frühesten Jahren ein Führer zu werden, das Handwerk des Krieges, nicht Sache von Knaben, meistert er noch als Knabe. 183Laßt ab, furchtsam die Geburtstage von Göttern zu zählen, Caesaren haben den Vorzug, vor der Zeit mannhafte Helden zu sein. 185Göttlicher Geist, schneller als seine irdischen Jahre, schwingt sich auf und fühlt den Schaden hemmenden Verzögerns mit Unwillen. 187 Klein war noch der Tirynthier und erdrückte zwei Schlangen mit seinen Händen, noch in der Wiege war er schon Jupiters würdig. 189Du, auch jetzt noch ein Knabe, wie groß warst du damals, Bacchus, als das besiegte Indien vor deinem Thyrsos Furcht empfand! 191Mit dem Glück deines Vaters und gleich ihm in jungen Jahren wirst du ins Feld ziehen, Knabe, und wirst siegen mit den jungen Jahren und dem Glück des Vaters. 193Dieses Erstlingswerk unter so erhabenem Namen mußt du leisten, jetzt der Erste unter der Jugend, künftig der Alten. 195Da du Brüder hast, sollst du die Kränkung der Brüder rächen; da dein Vater am Leben ist, schütze des Vaters Rechte. 197Die Waffen legt dir an der Vater des Vaterlandes, der auch dein Vater ist; der Feind raubt von dem Vater gegen seinen Willen die Herrschaft. 199Du wirst pietätvolle Waffen führen, er verbrecherische Pfeile; vor deinen Feldzeichen werden Recht und Frömmigkeit schützend stehen. 201ES unterliegen die Parther durch ihre Sache, unterliegen sollen sie auch mit den Waffen, des Ostens Reichtum möge mein Führer Latium zu eigen geben. 203 Vater Mars und Vater Caesar, gebt ihm göttliche Macht, wenn er ins Feld zieht, denn von euch beiden bist du ein Gott, du wirst es sein. 205fji er meine Weissagung: Du wirst siegen, ich gelobe Gedichte und werde das Gelübde einlösen, und mit vollen Tönen wirst du von mir zu preisen sein. 207 Du wirst vor die Reihe treten und sie mit meinen Worten mahnen, mögen meine Worte nicht zu gering sein für dein Heldentum. 209 Von den Parthern werde ich sprechen, die
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Tergaque Parthorum Romanaque pectora dicam Telaque, ab averso quae iacit hostis equo. Qui fugis, ut vincas, quid vieto, Parthe, relinques? Parthe, malum iam nunc Mars tuus omen habet. Ergo erit ilia dies, qua tu, pulcherrime rerum, Quattuor in niveis aureus ibis equis. ni Ibunt ante duces onerati colla catenis, Ne possint tuti, qua prius, esse fuga. Spectabunt laeti iuvenes mixtaeque puellae, Diffundetque animos omnibus ista dies; Atque aliqua ex illis cum regum nomina quaeret, 220 Quae loca, qui montes quaeve ferantur aquae, Omnia responde, nec tantum, si qua rogabit, Et quae nescieris, ut bene nota refer: „Hie est Euphrates, praecinctus harundine frontem; Cui coma dependet caerula, Tigris erit. 22j Hos facito Armenios, haec est Danaèia Persis; Urbs in Achaemeniis vallibus ista fuit. Ille vel ille duces", et erunt quae nomina dicas, Si poteris, vere, si minus, apta tamen.
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Dant etiam positis aditum convivia mensis: Est aliquid praeter vina, quod inde petas. Saepe illic positi teneris adducta lacertis Purpureus Bacchi cornua pressit Amor, Vinaque cum bibulas sparsere Cupidinis alas, Permanet et capto stat gravis ille loco. 235 Ille quidem pinnas velociter excutit udas, Sed tamen et spargi pectus Amore nocet. Vina parant animos faciuntque caloribus aptos: Cura fugit multo diluiturque mero. Tunc veniunt risus, turn pauper cornua sumit, 240 Turn dolor et curae rugaque frontis abit; Tunc aperit mentes, aevo rarissima nostro, Simplicitas, artes excutiente deo. Illic saepe animos iuvenum rapuere puellae, Et Venus in vinis ignis in igne fuit.
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24j Hie tu fallaci nimium ne crede lucernae:. Iudicio formae noxque merumque nocent. 2 1 0 auerso £ ad- R Y O S A o 2 1 1 Quid