Ovid: Die Liebeselegien [Reprint 2021 ed.] 9783112572962, 9783112572955


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German Pages 284 [289] Year 1966

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Ovid: Die Liebeselegien [Reprint 2021 ed.]
 9783112572962, 9783112572955

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BERICHTIGUNG

Auf S. 20 sind die beiden obersten Siglen fälschlich vertauscht.

2066/15 Lenz-Ovid, Liebeselegien

SCHRIFTEN UND QUELLEN D E R A L T E N WELT HERAUSGEGEBEN VON DER S E K T I O N FÜR

ALTERTUMSWISSEN SCHAFT

BEI DER D E U T S C H E N AKADEMIE DER ZU

WISSEN SCHÄFTEN

BERLIN

BAND

15

A K A D E M I E - V E R L A G 1965



B E R L I N

OVID DIE

LIEBESELEGIEN

LATEINISCH

UND

DEUTSCH

VON

FRIEDRICH WALTER

LENZ

Mit 8 Tafeln

A K A D E M I E - V E R L A G 1 9 6 5



B E R L I N

Redaktor der Reihe: Johannes Irmscher Gutachter dieses Bandes: Gerhard Perl und Fritz Plagemann Redaktor dieses Bandes: Gerhard Perl

Erschienen im Akademie-Verlag GmbH, 108 Berlin, Leipziger Straße 3-4 Copyright 1965 by Akademie-Verlag GmbH, Berlin Lizenznummer: 202-100/228/65 Gesamtherstellung: IV/2/14 • V E B Werkdruck Gräfenhainichen • 2139 Bestellnummer: 2066/15 • E S 7 M

VORWORT

Unmittelbar vor Beginn des endgültigen Druckes bin ich auf die Handschrift Hamilton 471 (Y) der Deutschen Staatsbibliothek in Berlin hingewiesen worden, die von Dr. H. Boese wiederentdeckt und als erstrangig erkannt worden ist. Sie gehört nicht, wie der Katalog irrtümlicherweise angibt, in das 14. Jahrhundert. Die photographische Reproduktion der Handschrift, die die Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin mir übersandt hat, hat mir auf den ersten Blick gezeigt; daß die Handschrift karolingisch ist. Sie enthält auf 69 Blättern die 'Ars amatoria' (mit einer Lücke von 146 Versen im zweiten Buch), die 'Remedie' und die 'Amores' vollständig und ist daher den beiden anderen karolingischen Handschriften R und P überlegen. Der Text, der nicht aus ihnen abgeschrieben ist, hat mindestens den gleichen Wert. Die Beziehungen zwischen den drei Handschriften können hier nicht im einzelnen diskutiert werden. Der Schreiber hat nicht sehr viel Latein verstanden, denn er hat in vielen Fällen nicht gewußt, wie er die fortlaufende Schrift seiner Vorlage abteilen sollte, und hat nicht selten auf der Grundlage des richtigen Wortlauts wahre Wortungeheuer gebildet. Eine spätere Hand hat in den meisten Fällen berichtigend eingegriffen. Die kleinen Buchstaben sind öfters in so auffallender Weise mit Majuskelbuchstaben durchsetzt (z. B. puE/fa), daß entweder der Schreiber selbst oder der Schreiber seiner Vorlage eine alte Majuskelhandschrift benutzt haben muß. Er hat es zu seinem Prinzip gemacht, auf jeder Seite 40 Verse unterzubringen, und weicht davon nur ab (38 Verse), wenn Titel und Unterschriften zu kopieren waren. Unmißverständliche Spuren weisen auf beneventanische Einflüsse, die zu zeigen scheinen, aus welcher Gegend die Vorlage stammte: z. B. 1, 7, 20 ipsat nihil-, 1, 14, 53 spectataque statt spectatque und 3, 5, zigarrulat statt garrula. Eine spätere Hand hat diese Fehler verbessert. Das Verlesen des beneventanisehen t in at oder ta ist jedem Paläographen bekannt. Der karolingische Text ist zuerst von einem annähernd gleichaltrigen Verbesserer geändert oder berichtigt worden. Später wurde er, meistens zu seinem Nachteil, von mehreren Händen der hochmittelalterlichen Version angepaßt. Der ursprüngliche Wortlaut läßt sich aber in der Mehrzahl der Fälle noch erkennen. In den 'Amores' — denn auf sie kommt es hier nur an — ist außerdem noch eine Glosse nachzuweisen, die in der typischen gotischen Schrift des 14. Jahrhunderts geschrieben ist. Die Vorgeschichte der Handschrift ist noch nicht sicher geklärt. Ich vermute, daß sie in die Bibliothek des Neapler Königshofes gehörte, als Sir William Hamilton

Vili

Vorwort

dort britischer Gesandter war, und daß sie von ihm in die Sammlung des Duke of Hamilton gelangte, die der König von Preußen käuflich erworben hat. Hamiltons Zeitgenosse William Beckford, der sich ebenfalls längere Zeit am neapolitanischen Hofe aufgehalten hat und durch den Hamilton viele Schätze erworben hat, nennt den Hof eine „hell of corruption". Doch bleibt abzuwarten, welche Aufschlüsse aus der weiteren Erforschung der Hamilton-Sammlung gewonnen werden. Eine Spezialuntersuchung der Handschrift steht von anderer Seite bevor. Ich teile nur die wichtigsten Lesarten mit und beschränke mich darauf, die Korrekturen der verschiedenen Hände mit der Sigle Y c zu bezeichnen. Das Entgegenkommen des Verlages hat es mir ermöglicht, einige Lesarten noch nachträglich im kritischen Apparat unter dem lateinischen Text zu notieren; wenige weitere stehen in den Ergänzungen auf S. 247k Mit besonderer Dankbarkeit möchte ich betonen, daß Dr. Gerhard Perl in Berlin mir ständig viele sehr nützliche und anregende Vorschläge gemacht und sich des Buches mit hingebender Sorgfalt angenommen hat. Meine Frau hat mir auch bei dieser Arbeit unermüdlich geholfen. Austin, Texas

F. W. Lenz

INHALT Vorwort Einführung

VII i

Überlieferung

14

Ausgaben und Übersetzungen

15

Nachtrag

16

Abkürzungen

19

Die Liebeselegien, lateinisch und deutsch

21

Vorspruch

22

1. Buch

22

2. Buch

68

3. Buch

116

Erläuterungen Anhang: Übersetzungen in Distichen (2, 3; 2, 4; 3, 7; 3, 13)

164 . . . . 242

Ergänzungen zum kritischen Apparat

247

Register

249

Tafelverzeichnis

255

Tafel 1 - 8

EINFÜHRUNG

Als Ovid die Klagegedichte (Tristia), die er aus der Verbannung einzeln an ungenannte Freunde nach Rom schickte, zu vier Sammlungen 1 zusammenfaßte, beabsichtigte er offenbar nicht, noch ein fünftes Buch hinzuzufügen. Daher hat er an das E n d e des vierten Buches als eine Art Siegel (Sphragis) eine Autobiographie gestellt, in der er über seine dichterische Entwicklung und, soweit es ihm möglich scheint, auch über einzelne Vorgänge seines äußeren Lebens Rechenschaft abgelegt hat 2. Diese beiden Bezirke seiner Existenz lassen sich nicht voneinander trennen. Jeder, der etwas von der entscheidenden Tatsache weiß, die als Katastrophe bestimmend in sein Leben einbrach und ihn bis in die letzte Tiefe aufwühlte, wird sich sagen, daß im Falle dieser Katastrophe eine Trennungslinie zwischen Dichten und Erleben von vornherein verfehlt wäre. Wir brauchen über die näheren Umstände der Verbannung, die der Dichter mit vollem Bewußtsein in Dunkel gehüllt hat, gar keine Einzelheiten zu wissen und sollten übrigens auch nicht immer wieder nach ihnen suchen. D i e Tatsache genügt. Der Dichter spricht in der Autobiographie unmißverständlich aus, daß er es nur seiner künstlerischen Gestaltungskraft zu danken habe, wenn es ihm gelungen sei, die kaum zu ertragenden Jahre der Verbannung zu durchleben. Wenn er dafür der Muse dankt, so meint er damit, daß diese Gestaltungskraft der Begnadung durch eine höhere Macht zu verdanken sei. Diese Begnadung hat ihn zu etwas erhoben, was höher ist, als daß es nur mit dem Worte poeta bezeichnet werden könnte. Sie hat ihn zu einem vates gemacht, dessen Spuren stärker und nachhaltiger sein werden als die zerstörende K r a f t der Erde. A m A n f a n g des autobiographischen Gedichtes redet er die posteritas an, die Nachwelt, wendet sich also an die kommenden Geschlechter, keinen individuellen Leser. E r will aussagen nicht nur, wozu er auf dieser E r d e angetreten ist, sondern er will festlegen, daß dieses künstlerische Erdenwallen nur ein erstes Stadium bedeute. So etwas pflegt ein Dichter nicht zu tun, wenn er nicht meint, was er sagt. E r spricht, als ob er nicht mehr dieser E r d e angehöre, und damit steht in Einklang, 1

Genauer drei, denn das zweite Buch ist an Augustus gerichtet. Sie ist vor kurzem ausführlich behandelt worden von E . Paratore, L'elegia autobiografica (Tristia 4, IO), Ovidiana. Recherches sur Ovide publiées par N. I. Herescu, Paris 1958, 353—378. Dieses Buch wird im folgenden um der Kürze willen als „Ovidiana (Herescu)" zitiert werden. 2

Einführung

2

daß er sich selbst an anderen Stellen seiner Dichtungen aus der Zeit der Verbannung als lebenden Toten bezeichnet hat. Wenn seine ersten Worte in diesem Gedicht Ille ego qui fuerim sind, so sollte man auf die Wahl des Tempus achten und sich darüber klar sein, daß er, wenn er es gewollt hätte, sich auch anders hätte ausdrücken können. Ich war der und der: Ist es nicht, wie wenn er aus einer anderen Sphäre auf etwas zurückblickt, was ihn dorthin geführt hat? Wo ist hier noch der überzivilisierte und raffinierte Mensch, den wir uns nach dem allgemeinen Bilde, das wir uns von ihm zu machen pflegen, nur in der Atmosphäre der Großstadtluft denken können? Aber nun, als was führt er sich an dem Anfang dieses Gedichtes ein, und wie bezeichnet er sich? Er nennt sich einen tenerorum lusor Amorum und variiert leicht mit unmißverständlichen Anspielungen Wendungen, deren er sich in den Einleitungs- und Schlußgedichten des dritten (und jetzt letzten) Buches der 'Amores' bedient hat. Er hat sie bereits aus beiden für seine fiktive Grabaufschrift Tristia 3, 3, 73 geprägt und wiederholt sie hier. Offenbar ist ihm jedes der drei Worte gleich wichtig. Sehen wir sie näher an und seien wir uns dabei darüber klar, daß der Dichter, wenn er über sich selbst das ihm wesentlich Scheinende aussagt, indem er diese drei Worte an den Anfang stellt, nicht nur durch Erwägungen chronologischer Art veranlaßt worden sein kann. Die teneri Amores, deren lusor er war, müssen für ihn eine wichtigere Funktion haben. Sie sind es gewesen, die ihm dazu verholfen haben, den Weg zu dem zu finden, was er der Nachwelt als sein Eigenstes zu hinterlassen wünschte, weil der künstlerische Zwang ihn dorthin trieb. Wir sollten, wenn wir es könnten, das Wort Amorum zugleich mit großem und kleinem Anfangsbuchstaben drucken, denn es bedeutet einmal gedichtete Liebeserlebnisse im allgemeinen. Darin vermochten auch andere mit ihm zu konkurrieren, und vielleicht in ihrer Art nicht weniger geschickt. Aber es sind zugleich seine 'Amores', die Sammlung seiner Schöpfungen, und diese sind, so unendlich verschieden auch die ihm von außen gekommenen Anregungen sein mögen, sein persönlichstes Eigentum. Kein anderer hätte es so gestalten können. Diese 'Amores' sind teneri. Damit wir uns dem Bedeutungsgehalt dieses Wortes, das wir mit „zart" zu übersetzen pflegen, von allen Seiten nähern und ihn ausschöpfen, wollen wir zunächst feststellen, was der Dichter damit ausschließen will. Das erhaben Große, das stark bewegt Pathetische, das wild Einherstürmende, das in übermäßiger Erregung Ausbrechende und das Heroische soll der Leser in diesen Gedichten der 'Amores' nicht erwarten; und wenn er nach grob Realistischem Verlangen empfindet, soll er von meinem Werke sich fernhalten, will der Dichter sagen. Es entzieht sich jedem harten Zugriff. Wenn Ovid im letzten Gedicht der ursprünglich aus fünf Büchern bestehenden, dann aber in einer zweiten Ausgabe auf drei Bücher reduzierten und zugleich kondensierten Sammlung 1 , zweifellos absichtlich zu Beginn des letzten Distichons, sich von diesen Elegien verabschiedet, nennt er sie Melles (unkriegerisch). Liegt darin 1

Vgl. dazu die unten S. 164 gegebenen Hinweise.

•Einführung

3

nicht eine versteckte Anspielung auf das erste Wort Arma der ersten Elegie des ersten Buches? Hier lehnt er die epische Poesie, insbesondere die Dichtung Vergils — das erste Wort der 'Aeneis' ist Arma — als ihm nicht gemäß ab, obwohl er seine Bewunderung Vergils durch die Charakterisierung der 'Aeneis' als nobile opus (Remedia 396) zum Ausdruck gebracht hat. Man muß die Worte arma und Melles elegi zusammennehmen, um zu erkennen, daß er sich jetzt nach Abschluß der 'Amores' der Behandlung ganz anderer Stoffe zuwenden will, die mit heroischer Dichtung nichts zu tun haben. Die göttliche Kraft, die ihn zur Formung der Liebeselegien inspiriert hat, nennt er mit einem schwer in einer anderen Sprache wiederzugebenden Beiwort an derselben Stelle genialis. W. Marg hat sich in seiner Übersetzung 1 nicht mit Unrecht des Wortes „heiter" bedient. Wenn man bedenkt, daß dies eines der Lieblingsworte Goethes war und in welchem spezifischen Sinne er es gebraucht hat, so mag man diese Ersetzung in der Tat gelten lassen, nur sollte man sich gleichzeitig erinnern, daß das Wort genialis etymologisch mit „erzeugen, hervorbringen" zu tun hat, und wir legen vielleicht nicht zu viel hinein, wenn wir glauben, der Dichter wolle andeuten, daß ihm dieses Temperament innerer Harmonie und Heiterkeit durch eine Gnade des Geschickes von Geburt eigen war. Niemand, auch ein junger Mensch nicht, erreicht diese zur Meisterschaft gesteigerte Heiterkeit ohne innere Konflikte. Spuren davon lassen sich in den Gedichten auf zweifache Weise fassen. In dem einen Falle lassen sie sich als Ringen des Künstlers um sein Werk deutlich greifen, in dem anderen handelt es sich um seelische Leiden, wie sie die Berührung mit der Umwelt niemandem erspart, am wenigsten dem zum Dichter geborenen Menschen, der mit feineren Organen auf sie reagiert als der vom „Gemeinen Gebändigte". Im ersten Gedicht des dritten Buches stellt der Dichter den schweren Widerstreit, der sich in ihm abgespielt hat und bei dem es um die Frage geht, ob die Elegie oder die Tragödie 2 die seiner Wesensart gemäßere Ausdrucksform sei, in leichter Form, aber in fast dramatischer Bewegtheit vor uns hin. Dieser Konflikt wird in einer numinosen Waldlandschaft zwischen der als lebendige Macht empfundenen und fast vermenschlichten Elegeia und der Tragoedia ausgetragen, und jede der beiden begehrt den Dichter mit Ungestüm für sich. Was immer er unter „Tragoedia" verstanden haben mag (vgl. Anm. 2), auf jeden Fall werden wir hier Zeugen eines künstlerischen Kampfes, bei dem es um Ovids poetische Sendung geht. Und gerade hier, wo eine übereilte jugendliche Entscheidung seine ganze Laufbahn verhängnisvoll hätte beeinflussen können, läßt es sich deutlich machen, wie er das Beiwort tener gemeint hat. Denn der schwere 1

Publius Ovidius Naso, Liebesgedichte, lateinisch und deutsch von Richard Härder und Walter Marg, München 1956, vgl. S. 16. 2 Über die von U. Fleischer aufgeworfene Frage, ob unter Tragoedia die Tragödie im engeren Sinne des Wortes zu verstehen ist oder die pathetisch-heroische Dichtung im allgemeinen (Epos), wie er sie von Vergil abweichend verstand, vgl. die Erläuterungen zu dem Gedicht unten S. 2 1 1 .

4

Einführung

Kampf, der scheinbar mit erbitterter Leidenschaft ausgefochten wird, endet in einem heiter gelassenen Ausgleich: Ich habe der Elegie noch nicht alles gegeben, was ihr gebührt, ich muß es noch tun, und ich fühle, daß ich es tun kann. Erst dann soll der Gegnerin ihr Recht werden. So entscheidet er sich dafür, der Elegie noch die Treue zu halten, auch wenn sie einen kleinen Defekt hat, denn ihr eines Bein ist etwas zu kurz geraten, oder prosaisch gesprochen, sie hinkt ein wenig. Wir würden diese Bemerkung nicht erschöpfend deuten, wenn wir sie nur auf die verschiedene Länge des Hexameters und Pentameters beziehen wollten. Diese ist natürlich auch gemeint, aber nur an der Oberfläche. Ich weiß sehr genau, meint der Dichter, daß das anmutige kleine Mädchen gegen die imposante Würde der großen Dame aus der hohen Gesellschaft nicht aufkommen kann, aber diese Würde mag in einem bedingungslosen Dienstbarsein enden, dem ich mich nicht oder vielleicht noch nicht gewachsen fühle. Darum ziehe ich die andere noch vor, denn ihr kleiner Mangel wird durch so viele Vorzüge — er malt sie im einzelnen aus — aufgewogen, daß ich nicht widerstehen kann. Er handelt hier ganz nach der Überzeugung, die er nach dem glaubwürdigen Zeugnis des älteren Seneca, des Vaters des Philosophen, auf seine Weise auszudrücken pflegte. Wenn ihm die Wahl zwischen einem makellos vollkommenen Gesicht gelassen sei und einem, das eine kleine Beeinträchtigung durch ein Fleckchen aufweise, so wisse er, für welches der beiden er sich zu entscheiden habe. Erst der kleine Defekt gebe dem Gesicht seinen wirklichen Charme und die geziemende Anmut (decentior). Er wußte genau, warum er diese Überzeugung zu seinem Lebensgrundsatz machte. Er war in seinem Fühlen und Denken so diesseitig gerichtet, daß es ihm wesentlicher schien, das Irdische in eine künstlerische Sphäre zu erheben und es mit seinen Unzulänglichkeiten in höchster Vollendung zu formen. Er wußte genau, daß die Tragödie, die er nicht zögerte, ein erhabenes Werk zu nennen, seinem Wesen nicht entsprach, und es ist nicht grundlos, daß er es bei einem einzigen Versuch, der 'Medea', sein Bewenden haben ließ. Er zeigt in dem Gedicht, in dem er die beiden Frauen um die Seele des Künstlers streiten läßt, daß er es versteht, eine schwere, möglicherweise in sein ganzes künstlerisches Leben eingreifende Frage mit anmutiger Leichtigkeit zu behandeln, ohne daß etwas Wesentliches ungesagt bleibt. Es wäre sehr ungerecht, wenn wir hier nicht erwähnten, daß das Opfer, das er der „großen D a m e " für eine kurze Zeit gebracht hat, indem er die bis auf wenige Bruchstücke verlorene 'Medea' dichtete, nicht umsonst gebracht wurde, denn die Versenkung in die Gestalt der Medea hat ihn erst zu den Werken befähigt, in denen er die geheimsten Regungen und Strebungen in der Seele eines Mädchens oder einer Frau mit der Schonungslosigkeit eines Anatomen vor uns bloßlegt und doch mit einem dichterischen Schleier umhüllt, zwei heterogene Elemente, die nur ein ganz großer Künstler ohne Gewaltsamkeit zu vereinen fähig ist. — Aber damit sind wir über die Grenzen des Bezirkes, der durch das Wort tener bezeichnet wird, unvermerkt hinausgegangen und rufen uns lieber zu dem zurück, was über diesen Begriff noch zu sagen bleibt.

Einführung

5

Auch Ovid ist, wie Properz 1 und Tibull, durch Tränen und Leiden wissend geworden. Die Untertöne, die zuweilen in den Gedichten der 'Amores' anklingen und gelegentlich sogar so stark werden, daß sie die Melodie eines ganzen Gedichtes beherrschen, beweisen es, aber selbst dann will er eher verhüllen als enthüllen und distanziert sich von dem wirklichen Geschehen. In einem dieser Fälle dürfen wir sogar so weit gehen, daß wir ernstlich fragen, ob die Grenze des teuer noch gewahrt bleibt. Wenn er nämlich (3, 9) seinen Schmerz um die Trennung von Tibull, den der Tod ihm zu früh nahm, bevor Zeit war, daß sie wirklich Freunde wurden (so sagt er rückblickend in der Autobiographie Tristia 4, 10, 51 f.), zwar rückhaltlosen Ausdruck verleiht, so verbirgt er doch persönliches Fühlen hinter mythologischen Beispielen und Zitaten aus Gedichten Tibulls. Wir warten vergeblich darauf, daß er klar ausspricht, was Tibull ihm persönlich war, und das Wort amicus wird nicht gebraucht. In den persönlichen Briefgedichten aus der Verbannung ist er ganz anders verfahren. Dieser distanzierten Haltung entspricht auch der Schluß des Gedichtes. Er weiß natürlich um den nie wieder gutzumachenden Verlust, aber läßt ihn durch die Einführung der elysischen Felder, in denen Tibull jetzt weilt, in einem milderen und versöhnlicheren Licht erscheinen. Dabei ist es aber sehr charakteristisch, daß er hier das persönlichste Leid, das sich nur fühlen, aber nicht durch Worte ausdrücken läßt, in die Form des traditionellen Wunsches kleidet, daß die Erde auf dem Toten nicht als schwere Last liegen möge. Es ist eine Flucht hinter die Konvention, durch die er das, was kein anderer mit ihm empfinden kann, verhüllt. Diese Neigung oder sagen wir lieber dieser innere Zwang, Persönlichstes nicht unmittelbar zu äußern, wird auch in zwei anderen Gedichten greifbar, die zu den reifsten und vollendetsten der Sammlung gehören (2, 16 und 3, 14). Über beide habe ich an anderen Stellen ausführlich gesprochen 2. Wenn ein Dichter bekennt, indem er verdeckt, so treibt er mit dem Leser und vielleicht mit sich selbst ein Spiel. Wir dürfen nicht vergessen, daß Ovid, wenn er auf diese Dichtungen zurückblickt, sich selbst als lusor bezeichnet hat und, da er dabei die Nachwelt anredet, von ihr auch als das betrachtet sein wollte. Aber „Spieler" ist ein Begriff, der fähig ist, die verschiedensten Nuancen in sich aufzunehmen, die erhabenen und seelisch tiefen sowohl wie die mehr irdisch gearteten. Ovid wußte sehr genau, daß das Leben nicht nur aus dem zusammengesetzt ist, was der ernsten Sphäre angehört. Wenn ein römischer Mensch nach den Phänomenen des Lebens begierig war, so war er es; aber es genügte ihm nicht, sie nur in sich einzufangen, sondern da alles, was er aussprach, sich ihm von selbst zu Versen zusammenfügte — ich zitiere seine eigenen Worte Tristia 4, 10, 2 5 f. —, er also die Segnung und die Bürde des Dichtertums von Jugend an zu tragen hatte, so mußte er auch diese Phänomene des Lebens, die er in sich aufgenommen hatte, durch das Medium seines empfindlichen und auf die zarteste Berührung reagierenden Temperamentes gesehen, wieder aus sich herausstellen, nicht um Er1

Properz 1, 9, 7 und U. Knoche, Gymnasium 65 ( 1 9 5 8 ) 164.

2

Für die Einzelheiten verweise ich auf die Erläuterungen zu beiden Gedichten.

6

Einführung

lebnisdichtung im wörtlichen Sinne zu gestalten, sondern einem niemals aussetzenden Formtrieb gehorsam. Das konnte er nur, wenn er sich, im Gegensatz zu dem, was der Durchschnittsrömer für selbstverständlich hielt, von den drückenden Pflichten der vita activa zurückzog und sich dem Leitstern des otium anvertraute, gelegentlich nennt er es auch ignavia, spöttisch und stolz zugleich. Das hat er nach seinem Selbstzeugnis in der Autobiographie (Tristia 4, 10, 36) früh getan: Die Last des öffentlichen Lebens war für seine Kräfte zu schwer, sagt er. Als ein anderer Dichter einer früheren Generation, Catullus, das otium zum leitenden Prinzip seines Lebens machte, nannte er die kleinen Gedichte, deren Bedeutungsschwere durchaus nicht immer so gering ist, nugae, „Nichtigkeiten". Was Catull damit in seiner gegensätzlichen Stellung zum Leben in der Öffentlichkeit sagen wollte, hat U. Knoche vor wenigen Jahren mit treffender Knappheit schön charakterisiert1. Ovid hat den Ausdruck nugae niemals gebraucht; er hätte sich auch für die Elegie wenig geziemt. Aber Knoche hat auch mit Recht daran erinnert, daß nugari, „Nichtigkeiten daherschwatzen", mit ludere wesensverwandt ist. Wie großen Wert Ovid auf die Charakterisierung als lusor gelegt hat, zeigt außer der Autobiographie, von deren Worten wir ausgingen, die fiktive Grabschrift, die er sich selbst gesetzt hat (Tristia 3, 3, 73 ff.). Während er auf sein Lebenswerk, das nunmehr fast abgeschlossen vorliegt, zurückblickt, nennt er sich wiederum tenerorum lusor amorum. So großen Wert hat er auf dieses frühe Werk gelegt, in dem sich im Keime bereits seine ganze Wesensart ausprägt. Aber hier macht er einen merkwürdigen Zusatz, der in der Autobiographie unterdrückt worden ist. Er sagt nämlich, daß sein ingenium, die ihm eingeborene Wesensart, und damit die durch dieses bedingte Kunst, sein Verderben herbeigeführt habe. Von dem Künstler, dem seine eigene Kunst zum todbringenden Verderben geworden sei, spricht er auch an anderen Stellen der 'Tristia* und 'Epistulae ex Ponto'. Wir würden die Worte der Grabschrift mißdeuten, wenn wir sie auf die 'Amores' allein beziehen wollten, denn ihre Veröffentlichung hat ihm, trotz aller politischen Kühnheiten und unbedachten Bemerkungen — auf sie habe ich in den Erläuterungen immer wieder aufmerksam gemacht —, zunächst nicht geschadet, im Gegenteil, sie hat ihn zum populärsten Dichter Roms gemacht, auf den man mit Fingern wies, wenn er durch die Straßen der Stadt ging, wie er in 3, 1 die Tragoedia mit scherzhaft vorwurfsvoller Kritik oder Selbstkritik sagen läßt. Ich weiß auch nicht, ob man mit Recht behauptet hat, daß das Wort Amores in der Grabaufschrift im besonderen auch auf die 'Liebeskunst' zu beziehen ist. Träfe das zu, so würde der Dichter die von ihm mühsam aufrecht erhaltene Fiktion, daß diese 'Liebeskunst' seinen Untergang verschuldet habe, am Ende doch als zutreffend anerkannt haben. Es ist wahr, daß er in der 'Liebeskunst' das Spiel in genialer Weise bis zur letzten Möglichkeit und über sie hinaus gesteigert und dadurch fast ad absurdum geführt hat. Aber ich glaube trotzdem nicht, daß er sich auf ein einziges Werk beschränkt, wenn er an 1

Gymnasium 69 (1958) x j j f .

Einführung

7

einer so entscheidenden Stelle über sich selbst urteilt. Das Wort ingetiium, das er hier mit Bedacht gewählt hat und das man nicht mit Kunst übersetzen sollte, spricht dagegen. Was er sagen will, ist vielmehr, um es mit Goethe auszudrücken: So mußte ich sein, ich konnte mir nicht entfliehen, selbst um den Preis meines Lebens, den ich dafür zahlen mußte, denn man hat mich vorzeitig tot gemacht, weil ich nach meinem innersten Wesen das nicht sagen konnte, was man von mir erwartete. So weit zu denken ist er noch nicht fähig, als er die 'Amores' schreibt. Aber wenn wir sie so ansehen, wie er es später gewollt hat, als Spiel im oberflächlichen und tiefen Sinne des Wortes, dann gewinnt die Folge der Gedichte auf einmal ein ganz anderes Gesicht. Dabei treten die Spuren aufwühlender Erlebnisse zurück gegenüber dem geistreichen und bis in die letzte Einzelheit raffinierten Spiel mit der Liebe zu der Frau schlechthin, denn die Liebe zu dem eigenen Geschlecht interessiert ihn nicht und reizt ihn nicht zur Darstellung. Dieses Spiel mit der Liebe treibt er mit allen Mitteln, die ihm Natur und Bildung überreich zur Verfügung gestellt haben. Er kennt die Literatur der Griechen, die große sowohl wie die auf illusionsloser Beobachtung des wirklichen Lebens beruhende und das Reale verfeinert ausdrückende Kleinkunst, die wir in den hellenistischen, noch bis in seine eigene Zeit weiterentwickelten und noch raffinierter gestalteten Epigrammen fassen; er kennt auch die Schöpfungen früherer Generationen, die in lateinischer Sprache gedichtet und römisch, aber unter der Einwirkung griechischen Geistes, gedacht haben. Das alles vollzieht in ihm, dank einer unvergleichlichen Formungskunst, die weder vor ihm noch nach ihm ein antiker Mensch so besessen hat, eine unlösliche Bindung mit dem, was sein eigenes Leben an ihn herantrug, mag er es gesucht oder mag es sich ihm ungesucht dargeboten haben. Aus dieser Überlegung folgt, daß wir völlig in die Irre gehen würden, wenn wir glauben wollten, er habe in diesen Gedichten so etwas wie einen autobiographischen Liebesroman gestalten wollen. Es wäre ihm nie in den Sinn gekommen, seine Beziehungen zu hochstehenden Frauen der römischen Gesellschaft, wenn er sie überhaupt gehabt hat, unter Maskierung Wort und Gestalt werden zu lassen1. Es erscheint mir fast absurd, auch nur denken zu wollen, eine dieser Damen habe heimlich ein Kind von ihm empfangen und dann das Nötige getan, um sich,'^selbst unter Gefährdung ihres eigenen Lebens, von den unerwünschten Folgen des Verkehrs zu befreien, oder sie sei überraschend zur Zeit der Mittagsruhe zu ihm gekommen und habe sich von ihm entkleiden lassen, bevor sie ihm ihre Reize auf dem Lager darbot. Wer hier auch nur an die Möglichkeit einer Liebesaffäre mit einer bestimmten Dame glaubt, der macht sich nicht klar, welche persönliche Geschmacklosigkeit und Stil1

Erklärer haben immer wieder behauptet, Ovid habe auf intime Beziehungen zu Mitgliedern der

regierenden Familie (Iulia) hingedeutet oder gar, um nur ein Beispiel herauszugreifen, eine Hetäre Lycinna gemeint, die Properz als Jugendgeliebte erwähnt, noch seltsamer ist es, die absichtlich widersprechenden Angaben Ovids zu einem Bilde zu gestalten und aus ihnen die Lebensgeschichte und äußeren Verhältnisse einer bestimmten Dame zu konstruieren.

8

Einf ührung

Widrigkeit er einem Dichter zutraut, dem die Kunst, wie er sie versteht, über alles im Leben geht. In den wenigen Gedichten, die die Spuren persönlicher seelischer Konflikte ahnen lassen, ist das Wirkliche in den Schleier der Anonymität gehüllt. In den Gedichten, die die zwischen Mann und Frau üblichen Vorgänge im künstlerischen Spiele sublimieren, ist Anonymität in der Regel durch Pseudonymität ersetzt. Das ist nicht die Erfindung des Dichters. Catulls Lesbia, Gallus' Lycoris, Propere' Cynthia und Tibulls Delia und Nemesis wiesen den W e g . D a ß wir im Falle Catulls über Lesbia mehr wissen, ist ein besonderer Fall, der uns aber nicht dazu berechtigt zu glauben, Catull habe den realen Verlauf seiner Beziehungen zu ihr in Gedichten darstellen wollen. O v i d nennt sein Mädchen Corinna und bemerkt gelegentlich, daß dies nicht der wirkliche Name gewesen sei. D a ß er mit dieser Corinna ein Mädchen gemeint hat, das tatsächlich seinen Lebensweg gekreuzt hat, läßt sich nicht bestreiten, aber es ist sehr unwesentlich. Was er mit diesem an Pindarlegenden erinnernden Namen andeuten wollte, ist, daß sie für ihn eine Quelle der Inspiration wurde, die ihn befähigte, jede denkbare Situation des erotischen Spieles im Bilde festzuhalten. Wer glaubt, widersprechende Angaben über ihre soziale Stellung feststellen zu können, und sich daraufhin fragt, wie sich denn das alles zu dem Bilde eines wirklichen Menschen zusammenfügen lasse, sieht die Dinge so an, wie er sie nach dem Willen des Dichters eben nicht ansehen soll. Darum hat er auch ein künstlerisches Recht dazu, von Situationen im Geschlechtsleben des Mannes zu sprechen, übrigens er nicht als erster, v o n denen jeder schweigt, wenn sie ihm zustoßen (3, 7). Und wenn er die zeitweilige körperliche Unfähigkeit des Mannes trotz innerer Bereitschaft, den A k t zu vollziehen, und die Bemühungen des Mädchens, ihm aus der Verlegenheit zu helfen, ausmalt, so sollte gerade die fast behagliche Breite, mit der er es tut, davor warnen, an mehr zu denken als an ein in der Tat vollendet dargestelltes Spiel. D a ß Goethe sich gerade, trotz eines auf eine Tibullstelle hinweisenden Mottos, durch dieses Gedicht hat anregen lassen, den krassen Inhalt ins Ethische umzuformen und dadurch in eine ganz andere Sphäre zu erheben, ist eine Frage, der wir hier nicht nachzugehen haben. Wichtig ist nur, daß der antike Mensch unbefangen genug war, auch dieses Spiel in seine Sammlung mitaufzunehmen, während der nicht antike Mensch Hemmungen empfand, die ihn zur Sekretierung des Gedichtes bestimmten. Wenn O v i d aussagt, daß ganz Rom von Corinna sang, so bleibt für mich ein leiser Zweifel, ob er diese Feststellung seiner Volkstümlichkeit wirklich mit Befriedigung gemacht hat oder ob darin nicht eine leise Selbstverspottung und Selbstkritik liegt, mit anderen Worten, ob er nicht andeuten will, er habe nicht gewollt, daß etwas, was als raffinierteste und formvollendetste Kunst konzipiert und durchgeführt war, zum Schlager herabsank. Mir scheint, daß er dieser A r t Ruhm etwas skeptisch gegenübersteht. Indem O v i d der Elegie so das letzte abgewinnt, dessen sie überhaupt fähig ist, führt er sie zum Extrem, man könnte paradox fast sagen: über sich selbst hinaus. Höhepunkt wird Ende. Er hat wahr gemacht, was er im ersten Gedicht des dritten Buches, von dem wir gesprochen haben, mit scherzender und zugleich ernsthafter

Einführung

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Bitte zur hochstehenden Dame Tragoedia sagt, die ihn für sich begehrt. Niemand durfte es in den kommenden Jahrhunderten des Altertums mehr wagen, dem anmutigen Mädchen mit dem unwiderstehlich graziösen Wesen und den so schön duftenden wohlparfümierten Haaren, aber dem ein wenig zu kurzen Beine ungestraft zu dienen, und wer es wagte, wie gegen Ende der Antike der alternde Maximianus, der lief ernstlich Gefahr, leblose Geschöpfe in die Welt zu setzen, die von dem Blute ihres Vorfahren zehrten und schnell siechten, da sie ihm kein frisches zuführen konnten. Wenn wir das vollendete Werk lesen, sind wir geneigt zu glauben, es sei ihm mühelos gelungen, es zu vollbringen, aber dieser Schein ist trügerisch. Selbst kurze Gedichte, die bei flüchtigem Lesen den Eindruck eines rasch hingeworfenen Impromptu machen, erweisen sich bei schärferem Hinsehen als künstlerisch komplizierte Gebilde, die sehr genaue Überlegung erkennen lassen und beweisen, daß sie nicht infolge eines kleinen Erlebnisses spontan entstanden sind. Zu ihnen gehört die Aufforderung des Dichters an Corinnas anmutige Magd (ancilla, Lessing würde von einem Kammerkätzchen gesprochen haben) Cypassis, die ihm bereits zu wiederholten Malen, und zwar offenbar sehr rückhaltlos, angehört hat, sich seinem Verlangen wieder zu fügen, obwohl die Gefahr der Entdeckung durch die Herrin sehr groß ist (2, 8). Dieses einfache Geschehen wird auf sehr subtile Weise dargestellt. Es wird nicht etwa eine bloße Anrede an das Mädchen gegeben, das einer sozialen Schicht angehört, in der eine weniger stilisierte Sprechweise besser und schneller zu dem gewünschten Ziele führen würde. Durch das, was der Dichter zu Cypassis sagt, und die Art, wie er sie rühmt, fällt auf die wirklich Geliebte, nicht nur Begehrte, helleres Licht, und da ihm, während er sein Anliegen äußert, Bedenken kommen, ob das, was er von dem Mädchen will, richtig ist, unterbricht er die Anrede fast unvermerkt durch einen Monolog, in dem er durch Hinweise auf berühmte Gestalten der Mythologie, die nicht anders gehandelt haben, sich vor sich selbst innerlich rechtfertigt. Erst dann setzt er das Werben um die Gunst des Mädchens nachdrücklicher fort, unterbricht es aber wiederum, nicht indem er das Mädchen als sprechend einführt, sondern indem er es eine ablehnende Bewegung machen läßt. Aber diese Ablehnung erfolgt nicht aus moralischen Gründen, er selbst ist es, der eine verneinende Bewegung oder vielleicht ein hingeworfenes Wort des Mädchens als Angst vor der Entdeckung durch die Herrin deutet und, um diese Angst in ihr zum Schweigen zu bringen, einen erpresserischen Druck auf sie ausübt, indem er ihr androht, er werde der Herrin alles schonungslos bis in die intimste Einzelheit enthüllen. Wenn er das Gedicht mit diesen Worten schließt, überläßt er es dem Leser, den richtigen Schluß zu ziehen. Es ist hier wie so oft bei Ovid: nicht was er sagt, sondern wie er es sagt, läßt die scheinbar einfache Anrede zu einem wohlüberlegten und lebhaft bewegten Spiel werden, in dem nur einer der Akteure wirklich spricht, während auf alle drei der Beteiligten helles Licht fällt. Diese Struktur ist verhältnismäßig einfach. Es gibt aber noch andere Gebilde, deren sorgfältig bedachter harmonischer Bau sich erst dann langsam erschließt, wenn man den künstlerischen Intentionen des Dichters Vers für Vers nachgeht. Dann er2

Lenz: Ovid, Liebeselcgien

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kennt man, wie er die Disticha zu symmetrischen Gruppen zusammenfaßt und wie sich diese Gruppen ihrerseits zu Teilen zusammenschließen, bis das Ganze als einheitliches Werk vor uns steht, und wie ein in einer Gruppe angeschlagenes Motiv in der folgenden variiert, erweitert und zuweilen im Gegensinne fortgeführt wird. Das ist eine Art des ästhetischen Spieles, in der Ovid den ihm nahe stehenden Vorgängern überlegen ist. Die vollkommensten Schöpfungen dieser Art sind das bereits erwähnte Gedicht auf Sulmona (2, 16) und das Gedicht, das ich an anderer Stelle „Junofest" genannt und ausführlich behandelt habe 1 . Dieses Gedicht ist innerhalb der ganzen Sammlung der Liebesgedichte sehr merkwürdig, denn es ist kein Liebesgedicht. Es beschreibt die religiösen Riten, die im Kulte der Göttin Juno üblich waren, und spürt aitiologisch ihrem Ursprung nach. Da jeder Römer bei dem Namen Juno sofort an die Funktion der Göttin als Schützerin der Ehe denkt, so wird der Leser den Schluß zu ziehen haben, daß der Dichter sich hier mit Bedacht und souveräner Gleichgültigkeit über die Grenzen des Bezirkes hinwegsetzt, die durch das Liebesspiel mit Corinna bezeichnet sind. Dagegen gilt das Beiwort tener auch für dieses Gedicht, denn die Darstellung der Riten und die Erforschung ihrer Herkunft und Bedeutung wird in einer so heiteren Weise gegeben und in einem so harmonischen Tone durchgeführt, daß dieses Gedicht eine der ausgeglichensten Schöpfungen Ovids geworden ist. Es ist ein Zeuge des Seelenfriedens, den er zur Zeit seiner Abfassung genoß. Er sagt uns auch, warum das so ist. Er besuchte die Stadt Falerii, in der diese Juno verehrt wurde, weil sie die Heimatstadt seiner Frau war, und diese begleitete ihn auf der Reise. Es ist ein doppelter Durchbruch, den der Dichter hier vollzieht: Er ist dabei, die Welt zu verlassen, in deren Mittelpunkt die amica und domina steht, und läßt das Werk in dem Preise einer Reise seinen Höhepunkt finden, die durch seine Frau inspiriert wurde. Und gerade diese Reise erwies sich als fruchtbar und schöpferisch; denn die liebevolle Beobachtung der kultischen Vorgänge, ihre Rückverfolgung bis in die ferne Vorzeit griechischen und vorgriechischen Altertums und ihre gefällige Darstellung unter dem Einfluß des hellenistischen Dichters Kallimachos, der in Ovids Zeit längst als der unerreichbare Klassiker auf diesem Gebiet erzählender Dichtung galt, all das zeigt, daß der Dichter innerlich damit beschäftigt ist, sich zu einer neuen Stufe seiner schöpferischen Kunst durchzuringen, die einmal in dem großen Werke der 'Fasti' sichtbar werden wird. In dem Facettenspiel dieser Sammlung, die von dem sichtlichen Behagen an dem Genießertum in der Schwüle der Großstadt über das unbeschwerte Spielen des Mannes mit der Frau, der seine Mißerfolge nicht sehr ernst nimmt, zu harmonisch subjektiver Spiegelung objektiven Geschehens und vereinzelt sogar zu Hindeutungen auf innere Konflikte führt, gibt es zwei Gedichte, die bisher absichtlich außer acht gelassen worden sind. Sie nehmen eine Sonderstellung ein. Sie sind im Mittelalter so beliebt gewesen, daß sie aus der Sammlung herausgenommen wurden und in nicht wenigen Handschriften ein Sonderdasein führen. Diese Tatsache fordert 1

V g l . die Literaturangaben in den Einzelerläuterungen unten S. 203 und 237.

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v o n uns, daß wir den Gründen nachspüren. Im Falle des einen (3, 5) ist die Frage nicht allzu schwer zu beantworten. Für den Inhalt und den Bau des Gedichtes verweise ich auf die Übersetzung und die Einzelerläuterungen. Ich lasse die Frage, ob O v i d die bittere Erfahrung, v o n einer Geliebten zugunsten eines reicheren Liebhabers verlassen zu werden, selbst zu machen hatte, als unbeantwortbar und von sekundärer Bedeutung dahingestellt. N u n hat dieses Gedicht, das wegen seiner allegorisierenden Darstellungsweise das Mittelalter und noch die Renaissance besonders angezogen hat, v o n jeher bei den Erklärern einen gewissen Verdacht erregt. Das Argument, die überspitzte Darstellungsweise sei nicht ovidisch, ist subjektiv. Das Fehlen des Gedichtes in einzelnen Handschriften und sein Erscheinen an verschiedenen Stellen in anderen bleibt dagegen merkwürdig. Weder der positive noch der negative Beweis läßt sich mit Sicherheit führen. Das andere Gedicht, das nicht weniger das Interesse des Mittelalters und der Renaissance erregt hat, gilt dem toten Papagei Corinnas (2, 6). E s ist fraglich, aber nicht mit Sicherheit zu entscheiden, ob es sich hier wirklich nur um die K l a g e um ein totes Tier handelt, wie sie sich in antiker Dichtung nicht ganz selten findet. A u c h hier besteht die Möglichkeit, daß der Dichter sich der allegorischen Darstellungsweise bedient hat, um etwas ganz anderes auszudrücken. A u c h Catulls K l a g e um Lesbias toten V o g e l stellt uns vor die gleiche Frage. W e n n der Dichter den Papagei mit den Worten „Corinna, leb w o h l " sterben läßt und wenn er 3, 15 ähnlich v o n der elegischen Dichtung Abschied nimmt, so rückt die Frage, ob er in 2, 6 einen anderen Abschied allegorisch und parodisch zugleich habe darstellen wollen, in greifbare Nähe. Eine andere Erklärung habe ich in den Einzelerläuterungen in Betracht gezogen, aber über das A b w ä g e n v o n Möglichkeiten läßt sich nicht hinauskommen. W i r werden den Dichtern dieses Zeitalters nicht gerecht, wenn wir glauben, daß sie mit ihren Worten nur das meinen, was sie an der Oberfläche zu sagen scheinen. Ohne A n t w o r t bleibt auch eine andere Frage, die mit den ' A m o r e s ' zusammenhängt, o b w o h l über sie unendlich viel geschrieben worden ist und noch geschrieben w i r d 1 , ich meine die Frage, ob O v i d sich bei der zweiten A u s g a b e der Sammlung in drei Büchern statt fünf nur damit begnügt hat, jugendlich Unreifes zu streichen und nur das Epigramm am A n f a n g voranzustellen, oder ob er neue Gedichte hinzugefügt hat. E s läßt sich auch nicht entscheiden, ob und wieweit er Elegien der ersten Sammlung für die neue Ausgabe umgestaltet hat, aber man wird nicht leicht und nicht gern glauben, daß es seiner A r t entsprochen haben sollte, nur mechanische Arbeit des Streichens durchzuführen. O v i d erzählt uns in seiner Autobiographie, daß er dreimal verheiratet war, und charakterisiert die Frauen mit wenigen Worten. W e n n wir mit Sicherheit behaupten könnten, daß er Z e u g e des Junofestes in Falerii zusammen mit seiner dritten Frau wurde, mit der er trotz der durch Verbannung erzwungenen Trennung in harmonischer E h e bis an das E n d e seines Lebens ver1

V g l . zuletzt Salvatore D'Elia, II problema cronologico degli Amores, Ovidiana (Herescu)

2ioff. 2*

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bunden blieb, so würden wir klarer sehen, denn es hat sich gezeigt, warum dieses Gedicht zu den reifsten und zugleich auf Neues weisenden Stücken der Sammlung gehört. Auch die Anordnung der Gedichte innerhalb der drei Bücher und ihre zahlenmäßige Verteilung stellt uns vor Probleme, die wir zwar sehen, aber nicht befriedigend lösen können. Den fünfzehn Gedichten des ersten Buches entsprechen zwar, wenn wir 3, 5, den „Traum", mitzählen dürfen, fünfzehn des dritten, aber die neunzehn Gedichte des zweiten Buches lassen sich durch keine Zahlenspielerei damit in Einklang bringen. Die Absicht, das eine Gedicht durch das andere weiterzuführen und zu ergänzen, oder das Streben nach Kontrastwirkung lassen sich wohl in einzelnen Fällen, aber nicht bei der Gesamtanordnung erkennen. Ich habe nicht ohne Absicht von dem Facettenspiel der Sammlung gesprochen. Seine in allen Farben und Lichteffekten spielende Vielfältigkeit entzieht sich dem Zugriff des ordnenden Verstandes, und gerade das ist es, was zu den am meisten charakteristischen Eigentümlichkeiten des Dichters in seiner sogenannten erotischen Periode gehört. Wenn es uns also nicht gelingt und nicht gelingen kann, ein Ordnungsprinzip an die Reihenfolge der Gedichte heranzutragen, so heißt das mit anderen Worten, daß wir jedes von ihnen als ein in sich abgerundetes Kunstwerk um seiner selbst willen betrachten sollen, obwohl er gelegentlich in einem Gedicht auf ein anderes anspielt. Er selbst hat uns für dieses Bemühen ein Hilfsmittel zur Verfügung gestellt, die Kunst des Wortes. Es gibt viele Dichter, aber unter ihnen sind wenige, denen die Muse auch die Kraft verliehen hat, schöpferische Sprachbildner zu sein. Ich meine damit nicht, daß auch Ovid zu denen gehört, die den Bestand der Sprache durch neue Wortbildungen vermehrt haben. Wesentlicher scheint mir, daß er einer der Begnadeten war, die Worte der alltäglichen Sprache durch die Art, wie er sie verwendete, mit neuem Leben und neuem Gehalt zu erfüllen, so daß sie nur noch nach ihrer Lautzusammensetzung etwas mit dem gemeinsam haben, was sie bisher gewesen waren. Das gilt auch für die bis ins letzte überlegte Anordnung der Worte innerhalb des Distichons. Ich habe in den Erläuterungen immer wieder darauf aufmerksam gemacht. Wahrscheinlich gehört auch diese Gabe zu dem, was nicht dem poeta, sondern dem vates eigen ist. Aber hier setzt die etwas bürgerliche Kritik ein. Ihr Wortführer ist der schon einmal erwähnte ältere Seneca, ein tüchtiger, aber etwas hausbackener Mann. Er bewunderte Ovid, aber er machte seine Vorbehalte. Da es sich bei seinem Bericht um einen Vers der 'Amores' handelt, haben wir das Recht, hier davon zu sprechen. Er nennt Ovid einen Mann summi ingenii und spendet ihm damit das höchste Lob, das man einem Künstler spenden kann. Aber dann fügt er hinzu, daß dieser Mann summi ingenii die Gefahr des Übermaßes nicht ganz vermieden habe, nicht weil er es nicht gekonnt, sondern weil er es nicht gewollt habe, denn es habe ihm nicht an der nötigen Urteilskraft (Judicium) gefehlt, sondern an der nötigen Selbstzucht. Seneca spricht von der licentia der Gedichte. In dieser Kritik liegt eine gewisse Wahrheit, der wir uns nicht verschließen dürfen. Seneca will sagen, daß Ovid im vollen Wissen

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um seine Fähigkeit zur Formung die Grenze nicht immer respektiert habe, die nun einmal zwischen Spiel und Spielerei gezogen ist und die man nicht ungestraft überschreitet. Seneca erzählt von einem scherzhaften Streit, von dem ein gemeinsamer Freund, Albinovanus Pedo — Ovid schreibt ihm aus der Verbannung —, ihm erzählt habe. Mehrere Freunde forderten den Dichter auf, bestimmte Verse in seinen Gedichten zu streichen, weil sie ästhetischer Kritik nicht standhalten könnten. Ovid erklärte sich bereit, ihre Wünsche entgegenzunehmen, aber unter der Bedingung, daß drei Verse, an denen ihm besonders viel liege, nicht in Betracht gezogen werden dürften. Die Freunde notierten die beanstandeten Verse auf einem Schreibtäfelchen, und der Dichter tat dasselbe mit den Versen, die er für unantastbar erklärt hatte. Als sie verglichen, ergab sich, daß es sich um dieselben Verse handelte. Der eine steht in der 'Liebeskunst' (2, 24) und spricht von dem kretischen Ungeheuer Minotauros als semibovemque virum semivirumque bovem, dem halbstierischen Manne und dem halbmännlichen Stier. Es ist wohl nicht möglich, die monströse Erscheinung mit zweimal zwei Worten plastischer vor den Leser zu stellen. Ein bildender Künstler hätte es leichter gehabt, aber es bleibt zu fragen, ob der vom Dichter für diese Art Vollendung gezahlte Preis nicht ein wenig zu hoch war, und doch wollte Ovid gerade diesen Vers auf keinen Fall missen. Wenn ein mit Worten bildender Künstler sich der Unbegrenztheit seiner Fähigkeiten allzu bewußt ist, setzt er sich der Gefahr aus, daß die Gewalt des Wortes sich zum Klang verflüchtigt, aber trotz allem, das Bild bleibt und wirkt auf uns. Der zweite Vers stammt aus einem Gedicht der 'Amores' (2, n , 10). Corinna will eine Seefahrt unternehmen, und der Dichter wird die Winde fürchten, mögen sie aus Westen oder Osten kommen, und den kalten Nordsturm und den lauen Südwind. Das klingt aber im Lateinischen ganz anders und wahrscheinlich so, daß es das empfindliche Ohr vieler Römer verletzen mußte: et gelidum Borean egelidumque Notum. Über den dritten Vers läßt sich nichts sagen, da Senecas Bericht infolge lückenhafter Überlieferung nicht ganz vollständig ist 1 . Man versteht, warum das 19. Jahrhundert glaubte, dem Dichter Genüge zu tun, wenn es ihn als rhetorisch abstempelte und klassifizierte. Daß man in den letzten Jahrzehnten angefangen hat, Ovid nicht mehr mit der Einseitigkeit dieses Schlagwortes zu sehen, habe ich in der Einführung zu der Ausgabe der 'Heilmittel gegen die Liebe' 2 ausführlicher gesagt. 1

In diesem Zusammenhange läßt sich auf einen Vers hinweisen, der genau dieselben Eigen-

tümlichkeiten in seinem Bau und seiner Ausdrucksweise aufweist. D e r Dichter nennt Amores 3, 4, 40 Romulus und Remus, um die engste brüderliche Be2iehung zwischen ihnen zu bezeichnen,

Komuluj lliades lliadesque Remus.

Die chiastische Anordnung der beiden den Vers einrahmenden

Namen und die Bezeichnung ihrer Herkunft von derselben Mutter unter Wahrung des korrekten Einschnitts im Pentameter sind Dinge, die den Dichter veranlassen konnten, den Vers von jedem Änderungsversuch auszuschließen. 2

Diese Reihe, Band 9, Berlin i960.

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ÜBERLIEFERUNG Wir kennen oder wissen von mehr als 75 Handschriften der 'Amores'. Zu ihnen kommen noch Florilegienhandschriften, in denen Disticha oder einzelne Verse für den Schulgebrauch zusammengestellt sind. Daher handelt es sich meistens um Sentenzen oder allgemeine Wahrheiten, aus denen mittelalterliche Schüler eine Nutzanwendung ziehen sollten. Der Redaktor dieser Florilegien verfügte natürlich mindestens über eine vollständige Handschrift, die nicht jünger gewesen sein kann als das 12. Jahrhundert, denn eines dieser Florilegien, der Parisinus Latinus 7647 der Nationalbibliothek, gehört noch dem Ende dieses Jahrhunderts an. Über den Wert dieser Florilegien für den Text wird verschieden geurteilt. E. J . Kenney ist geneigt, ihn verhältnismäßig hoch einzuschätzen, und glaubt an einzelnen Stellen noch alte Überlieferung erkennen zu können. Was er bisher darüber veröffentlicht hat, läßt noch kein definitives positives Urteil zu. Wir müssen immer mit der Möglichkeit rechnen, daß der Redaktor den Text seinem Zwecke anpaßte und ihn nicht immer in der vom Dichter gewollten Form in den Händen der Studenten wissen wollte. Dabei sind ihm zuweilen Änderungen gelungen, die an sich ausgezeichnet sind. Aber es gibt, z. B. auch in den 'Remedia', Fälle, in denen die Lesarten der Florilegia mit denen der ältesten Handschriften übereinstimmen und zweifellos richtig sind. Daher läßt sich der Standpunkt derer nicht billigen, die die Florilegia aus Prinzip verwerfen. Die älteste Handschrift ist der Parisinus Regius 73 n der Nationalbibliothek (R), eine Pergamenthandschrift aus dem Ende des 9. Jahrhunderts, aber in der Form, in der sie auf uns gekommen ist, enthält sie nur noch den Anfang der 'Amores' und bricht bereits 1, 2, 50 ab. Durch einen sehr merkwürdigen Zufall beginnt der etwa gleichaltrige, vielleicht ein wenig jüngere Parisinus Latinus 8242 (P), ein Puteaneus, wo der Regius abbricht. Er reicht bis 3, 12, 26 und hat dann infolge Blattverlustes nur noch 3, 14, 3 — 15, 8. Von Heinsius ab ist er immer wieder verglichen worden. Die zuverlässigsten Angaben hat in der neueren Zeit F. Munari in einer Sonderkollation gemacht (Studi Italiani di Filologia Classica 23, 1948, 113 ff.). Über hundert Jahre jünger ( 1 1 . Jahrhundert) ist der leider ebenfalls unvollständige Sangallensis 864(S), in dem 1, 6, 46 — 8, 74 und die Gedichte von 3, 9, 1 1 ab verlorengegangen sind. Auch für ihn besitzen wir eine Sonderkollation von F. W. Lenz (Rendiconti Istituto Lombardico 69, 1936, 633ff.). — Über Y vgl. das Vorwort. Es gibt heute wohl keinen Herausgeber mehr, der glaubt, daß ein einigermaßen gesicherter Text der Gedichte nur aus diesen Handschriften herzustellen und nur im Falle offensichtlicher Irrtümer auf die anderen Handschriften zurückzugreifen ist. Es hat sich immer deutlicher gezeigt, daß auch P und S nicht von bösen Entstellungen frei sind, die durchaus nicht immer in die Handschriften des 12.—15. Jahrhunderts eingedrungen sind, und zwar deswegen nicht, weil ein ganzer Teil von ihnen nicht auf P oder S oder deren Vorlage zurückgeht, sondern auf ältere Originale, die wir nicht mehr haben. Sogar in einer Handschrift, die so jung ist wie der

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Parisinus Latinus 7997 der Nationalbibiliothek, der Sarravianus Heinsii, der vielleicht erst dem Beginn des 16. Jahrhunderts, auf jeden Fall aber dem Ende des 15. Jahrhunderts angehört, lassen sich noch Spuren alter Überlieferung finden. Es ist eine ungeheure Aufgabe, diese Handschriften, zu denen noch die kommen, die wir nur durch unvollständige und nicht immer zuverlässige Angaben Gelehrter früherer Jahrhunderte kennen, systematisch zu vergleichen und zu klassifizieren. Wahrscheinlich würde der Ertrag die Mühe nicht lohnen. E s ist daher zu verstehen, daß die Herausgeber sich immer davor gescheut haben, an diese Arbeit heranzugehen, und daß sie nur wenige ausgewählt und die übrigen unter der allgemeinen Bezeichnung 5 oder recentiores zusammengefaßt haben.

AUSGABEN UND

ÜBERSETZUNGEN

Während des Übersetzens habe ich absichtlich von früher erschienenen Übersetzungen keinen Gebrauch gemacht, sondern sie erst nachher zum Vergleich herangezogen. Dabei ergab sich, daß ich an einzelnen Stellen, an denen es kaum möglich ist, Abweichendes zu finden, mit ihnen zusammengetroffen war. In diesen Fällen habe ich nicht nachträglich versucht zu variieren, wenn eine Verschlechterung die Folge gewesen wäre. Besonders genau habe ich die klare, aber etwas nüchterne Übersetzung H. Bornecques (Paris, Les Belies Lettres 1930) und die sich an sie ziemlich eng anschließende Übersetzung F. Munaris (Firenze, L a Nuova Italia, 2. Aufl. 1955) verglichen, während ich von dem lateinischen Texte Bornecques an sehr vielen Stellen abweiche. Der hier vorgelegte Text stimmt mit dem von Munari, so gut und zuverlässig er ist, nicht überall überein. Die kritischen und erklärenden Anmerkungen geben darüber Auskunft. Für die Sacherklärung sind die Ausgaben G . Nemethys (Budapest 1907 mit Supplement 1922) und P. Brandts (Leipzig 1 9 1 1 ) noch immer nützlich, für die Erklärung der Gedichte als Kunstwerke und Äußerungen eines schöpferischen Menschen geben sie wenig aus. Besonders Nemethy ist an diesen Fragen vorbeigegangen. Im Jahre 1956 haben R. Härder und W. Marg (s. S. 3 Anm. 1 ; vgl. unten S. 16) einen auf Munari beruhenden, aber ihm nicht sklavisch folgenden lateinischen Text ohne kritischen Apparat veröffentlicht. Die Gedichte sind in deutschen Distichen wiedergegeben. Diese Versübertragung läßt sich selbstverständlich mit einer Prosafassung nicht vergleichen, hat mich aber veranlaßt, vier Gedichte ganz verschiedenen Charakters (2, 3 und 4; 3, 7 und 13) in Distichen wiederzugeben, die ich als Anhang beigegeben habe. Auch in diesem Falle habe ich Harder-Margs Übersetzung erst verglichen, nachdem ich meine eigene abgeschlossen hatte. In dem Anhang „Dichter und Dichtung" (S. 148 ff.) geben die Verfasser eine sehr individuelle Würdigung des Liebesdichters Ovid, die mit der hier in der Einführung versuchten in wesentlichen Fragen übereinstimmt, aber viele Einzelheiten in anderem Lichte sieht. V o r allem scheint mir ihre Überbetonung eines nur artistischen Spieles bei richtigem Grundgedanken etwas zu weit zu gehen. In den Anmerkungen

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beschränken sie sich im wesentlichen auf Sacherklärung, zeigen aber dem philologischen Leser durch einzelne Formulierungen, daß sie die Probleme sehr genau kennen. U m unnütze Wiederholungen zu vermeiden, habe ich mit den W o r t e n „ v g l . zu Remedia" öfters auf die Erläuterungen in der oben S. 13 genannten zweisprachigen Ausgabe hingewiesen. Für sprachliche Einzelheiten, bei denen Munari (oben S. 15) das N ö t i g e im Apparat bemerkt hat (z. B. zu 1, 5, 14), verweise ich auf seine Ausgabe.

NACHTRAG Seitdem das Manuskript dieses Buches sich nicht mehr in meinen Händen befindet (Ende i960), sind nicht wenige wichtige Veröffentlichungen erschienen, Ausgaben mit oder ohne Übersetzung und Untersuchungen über O v i d s Liebesgedichte. Es war daher unmöglich, sich mit allen eingehend auseinanderzusetzen, ich konnte sie nur sporadisch berücksichtigen. Damit dem Leser aber ein Weiterarbeiten leichter gemacht werde, sollen sie hier kurz angeführt und charakterisiert werden. A n erster Stelle ist E. J. Kenney's kritische Ausgabe in der Scriptorum Classicorum Bibliotheca Oxoniensis (1961) zu nennen, auf die schon oben hingewiesen ist, und die sie begleitende Untersuchung: T h e Manuscript Tradition o f O v i d ' s Amores, A r s amatoria and Remedia, Classical Quarterly 1962, 1—31. A u f beides habe ich oft zustimmend oder abweichend, manchmal mit stillschweigender A b l e h n u n g , Rücksicht genommen. E s ist unmöglich, an dieser Leistung, die für den Text der Liebesgedichte eine wahrhaft reinigende W i r k u n g hat, vorbeizugehen, auch wenn man sich Kenney bei individuellen Entscheidungen und Interpretationen nicht anschließen kann. D i e Benutzung wird leider dadurch sehr erschwert, daß die A n g a b e n über die Handschriften und die Beurteilung einzelner Stellen durch neuere Gelehrte auf den kritischen Apparat und einen kritischen A n h a n g hinter dem Text verteilt sind. D i e ausgezeichnete Ausgabe mit italienischer Prosaübersetzung v o n Franco Munari ist inzwischen zum dritten Male erschienen (1959). Die in meinen Erläuterungen berücksichtigte Tusculumausgabe v o n R. Härder und W . Marg, München 1956, mit einer Übersetzung in deutschen Distichen, ist nach dem T o d e Härders v o n Marg 1962 neu bearbeitet worden (hier als „ M a r g 2 " bezeichnet). A b gesehen v o n einem systematischen Ausbau der erklärenden Anmerkungen, der sich als sehr nützlich erweist, ist Marg auch darauf bedacht gewesen, Unrichtigkeiten und Unebenheiten zu beseitigen (ein typisches Beispiel ist 2 , 1 1 , 40, w o Übersetzung und Text — aestus, nicht eurus — aneinander angeglichen sind). Der Gesamtcharakter der deutschen Verse ist wenig geändert worden. D i e 'Amores' als Ganzes sind dreimal in verschiedener Weise behandelt worden, in zwei Veröffentlichungen im Rahmen der Liebeselegie überhaupt und einmal in einer Sonderuntersuchung: G e o r g Luck, T h e Latin L o v e Elegy, zuerst L o n d o n 1959, dann N e w Y o r k i960 (Barnes and Noble). Der Index auf S. 179 der amerikanischen Ausgabe, die mir zur V e r f ü g u n g steht, zeigt, daß eine sehr große Zahl v o n

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Stellen der 'Amores' besprochen ist. Einige Hinweise auf wichtige Bemerkungen zu einzelnen Versen habe ich noch einfügen können. Die zweite Veröffentlichung ist eine Sammlung: Critical Essays on Roman Literature: Elegy and Lyrics, herausgegeben von J . P. Sullivan, Cambridge (Mass.) 1962. Hier wird von englischer, australischer und amerikanischer Seite der Versuch gemacht, durch eine literarkritische Neubewertung Catulls, Tibulls, Properz', Ovids und Horaz' zu zeigen, daß es sich bei diesen Dichtern und ihren Werken nicht um „academic instances", sondern um „living literature" handelt und daß der moderne Mensch daher vor die Notwendigkeit einer Neuauseinandersetzung gestellt ist. Die Frage drängt sich auf, ob frühere Gelehrtengenerationen, besonders seit dem Ende des ersten Weltkrieges, sich dieser Aufgabe entzogen haben. Das Kapitel über Ovid ist unter dem Titel „ T E N E R O R U M L U S O R A M O R U M " von A . G . Lee in Cambridge (Großbritannien) geschrieben worden (S. 149—179). Lee hat durch eine Reihe früherer Einzeluntersuchungen, auf die in den Erläuterungen gelegentlich Bezug genommen ist, gezeigt, daß er ein befähigter Beurteiler ovidischer Kunst ist. Obwohl er in diesem Essayband nicht mit Unrecht meint, es sei in neuerer Zeit über Ovid so viel geschrieben worden, daß man nur ungern das Wort noch einmal ergreife, hat er seine Bedenken überwunden. E s ist ihm gelungen, Ovids Eigenart durch Interpretation einzelner Gedichte in der Weise herauszuarbeiten, daß er die Behandlung derselben Topoi (sie stammen zum Teil aus hellenistischer Dichtung) durch Catull, Properz, Tibull und Ovid vergleichend und unterscheidend einander gegenüberstellt. Ich bemerke mit Staunen, daß er S. 179 Anm. 9 unter den nach seiner Meinung am besten gelungenen Gedichten des zweiten Buches die Sulmoelegie 2, 16 nicht nennt. In seinem Urteil, ob 3, 1 1 ein oder zwei Gedichte sind, neigt er zwar zu der zweiten Ansicht (vgl. unten S. 233 die Vorbemerkung zu diesem Gedicht), gibt aber zu, daß auch die erste Auffassung nicht grundlos ist. Die Frage der Echtheit von 3, 5 (vgl. unten S. 2 1 9 ^ die Vorbemerkung) ist von Lee leider nicht behandelt worden, obwohl gerade hier eine literarkritische Beurteilung wertvoll gewesen wäre. Kenney bestreitet in der Praefatio seiner Ausgabe S. X die Echtheit des Gedichtes mit Nachdruck und macht sich mit anmaßendem Spott über die lustig, die es wagen, anderer Meinung zu sein. Trotzdem hat Marg 2 S. 218 sich nicht überzeugen lassen. Lee diskutiert auch mit Recht die in neuerer Zeit immer wieder gestellte Frage, inwieweit den Gedichten der 'Amores' Intellektualismus und persönlichste Emotion des Dichters zugrunde liegen. Ich bin der Meinung, daß das eine das andere nicht ausschließt und daß in keiner Sammlung an alle Gedichte der gleiche Maßstab zu legen ist. Mit Recht betont Lee auch, daß die Abstempelung der einzigartigen Kunst Ovids als „rhetorisch" nur ein Schaden stiftendes Schlagwort ist. Schließlich hat Karl Büchner in der Gedenkschrift für Georg Rohde, Tübingen 1961, 57—81 „Ovids A m o r e s " in einer feinsinnigen Sonderuntersuchung behandelt, die als Seiten- und Gegenstück neben dem hier Gesagten gelesen werden muß. Büchner betont mit Recht, daß wir in der Sammlung der 'Amores' durchaus viel Ernstes finden, aber daß dieser Ernst im Schwung der Jugend leicht und fast leichtsinnig überwunden wird. So wird Ovid der erste in der abendländischen Welt, der

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die „Komödie der Liebe" als selbsterlebt voragiert (S. 79). Besonders gut ist der Schluß, zu dem er auf S. 8of. kommt: „Für uns, für die Autonomie der Kunst nichts Neues ist, für uns, die wir Provokationen ganz anderen Ausmaßes offenbar nötig haben, erscheint die kecke und mutwillige Dreistigkeit des immer wieder bezaubernden Ovid, entspringend letztlich einem zärtlichen und grundgütigen Gemüt, eine geniale Frechheit, die mit ihrer Schmeichelei, mit ihrer mollitia und ihren blanditiae immer wieder versöhnt und zum entwaffneten Lachen reizt, fast als klassische Verkörperung poetischen Spieles mit einer Eleganz, Tiefe und Präzision wie Mozartische Musik." Büchner betont auch mit Recht, daß damit die letzte in der Elegie liegende Möglichkeit erreicht ist und daß Augustus dafür kein Verständis haben konnte. Im Gegensatz zu Kenney und Lee vertritt Büchner mit guten Gründen die Auffassung, daß 3, 11 nicht in zwei Gedichte zerlegt werden darf, während die Dinge bei 2, 9 anders liegen. Mit dieser Auffassung kommt er zu dem Ergebnis, daß 20 Gedichte des zweiten Buches von je 15 des ersten und dritten Buches absichtlich umgeben sind. Der Zahl nach stimmt er also mit Kenney überein, aber der große Unterschied ist, daß Kenney zu seinem Ergebnis nur durch die erwähnte Unechtheitserklärung von 3, 5 und die Teilung von 3, 11 kommt. Das Corinnaproblem hat J . P. Sullivan von neuem behandelt: Two Problems in Roman Love Elegy: 1. Ovid's Corinna, 2. Romantic Love in the Roman Elegists, Transactions and Proceedings of the American Philological Association 92, 1961, 522—536. Ovids Liebesdichtung muß in Beziehung zum Leben schlechthin, nicht zu Ovids persönlichem Leben verstanden werden. Sullivan geht bei dieser Betrachtung von der absolut richtigen Überzeugung aus, daß Poesie und Biographie nicht identisch sind und daß es daher eine Frage von geringer Bedeutung ist, wer das Mädchen, das Corinna genannt wird, gewesen ist. Im zweiten Abschnitt wendet Sullivan sich gegen die Kritiker, die dem Altertum romantische Liebe absprechen. Er findet sie bei Catull und Properz, nicht bei Ovid. „Ovid represents a debasement of the elegiac tradition; he is a parody of his predecessors, not representative of them." Diese Beurteilung scheint mir nur auf wenige Gedichte zuzutreffen. Im übrigen verweise ich auf die Darlegungen Büchners, der Ovids Eigenart wirklich gerecht wird.

E i n f üh r u n g

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ABKÜRZUNGEN Zur Vermeidung von Unklarheiten habe ich für die Bezeichnung der Handschriften dieselben Sigla benutzt wie F. Munari. Y P R S

A B C D E F Fr. Cr H N O V

X Flor.

= Berolinensis Hamiltonianus 4 7 1 , 9. (?) Jahrhundert. Er enthält die 'Amores' vollständig; vgl. Vorwort. = Parisinus lat. 8242, Ende des 9. oder Anfang des 10. Jahrhunderts, Puteaneus. Er enthält 1, 2, 51—3, 12, 26 und 3, 14, 3—3, 15, 8. = Parisinus lat. 7 3 1 1 , 9 . Jahrhundert, der Regius. Er enthält das Epigramm, 1 , 1 , 3 — r> 2> r 9 u n d r> 2> 2 5 ~~ 5°= Sangallensis 864, U.Jahrhundert. Er enthält das Epigramm, 1 , 1 , 1 - 1, 6, 45 und 1, 8, 75 - 3 , 9, 10. = Laurentianus 33, 31, 14. Jahrhundert, geschrieben von Boccaccio = Vaticanus Barberinianus lat. 26, 13. Jahrhundert. Er enthält das Epigramm, 1, i , i - i , 2, 20; 1, 3, 25 - 1, 8, 96; 1, 9, 39 - 3, 15, 20. = Vaticanus Chisianus H V I 205, 14. Jahrhundert = Divionensis (Dijon) 497 (288), 13. Jahrhundert = Etonensis 91 (B. k. 6. 18), 13. Jahrhundert = Londinensis, Britisches Museum Add. 11975, 13. Jahrhundert = Francofurtanus, Ms. Barth. 110, 12./13. Jahrhundert = Londinensis, Britisches Museum Add. 21169, 1 3- Jahrhundert = früher Holkhamicus 322, jetzt Londinensis, Britisches Museum Add. 49368, 13. Jahrhundert = Neapolitanus (Neapel, Nationalbibliothek) IV F 13 (Borbonicus 261), 13. Jahrhundert = Oxoniensis, Bodleianus Canonicianus class. lat. 1 (Summary Catalogue 18582), 13. Jahrhundert = die verlorene sogenannte alte Handschrift (Vetustus) Angelo Polizianos aus dem Florentiner Kloster San Marco. Sie ist zu rekonstruieren aus der erhaltenen Originalkollation Polizianos in seinem Exemplar der Ausgabe von Parma 1477 (jetzt in der Bodleiana in Oxford) und aus verschiedenen Abschriften: F. W. Lenz, Parerga Ovidiana, Rendiconti Accademia Lincei, Classe sc. morali, s. VI, v. 13, Roma 1938, 320—356. = Vaticanus Palatinus lat. 1655, 13. Jahrhundert = Florilegium des 12. Jahrhunderts, vertreten durch Atrebaticus (Arras) 64 (65) und die Parisini lat. 17903 (aus der Bibliothek von Notre Dame) und 7647, ein Thuaneus. In dem Traumgedicht 3, 5 sind Lipsiensis (Leipzig) Rep. I, 4 0 , 74, 9./10. Jahrhundert, und Parisinus lat. 9344, u . Jahrhundert, gemeint.

Einführun g

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Flete meos casus: tristes rediere tabellae. Infelix hodie littera posse negat. Omina sunt aliquid: modo cum discedere vellet, Ad limen digitos restitit icta Nape, Missa foras iterum limen transire memento Cautius atque alte sobria ferre pedem. Ite hinc, difficiles, funebria ligna, tabellae, Tuque, negaturis cera referta notis, Quam, puto, de longae collectam flore cicutae Melle sub infami Corsica misit apis. At tamquam minio penitus medicata rubebas; Ille color vere sanguinulentus erat. Proiectae triviis iaceatis, inutile lignum, Vosque rotae frangat praetereuntis onus. Ilium etiam, qui vos ex arbore vertit in usum, Convincam puras non habuisse manus. Praebuit ilia arbor misero suspendia collo, Carnifici duras praebuit ilia cruces; Ilia dedit turpes raucis bubonibus umbras, Volturis in ramis et strigis ova tulit. His ego commisi nostros insanus amores Molliaque ad dominam verba ferenda dedi? Aptius hae capiant vadimonia garrula cerae, Quas aliquis duro cognitor ore legat; Inter ephemeridas melius tabulasque iacerent, In quibus absumptas fleret avarus opes. Ergo ego vos rebus duplices pro nomine sensi; Auspicii numerus non erat ipse boni. Quid precer iratus, nisi vos cariosa senectus Rodat et inmundo cera sit alba situ?

28 an Y f a t YC)P 12, 3 velles Yf-et Yc) 4 ipsa S 18 diras Hei. 19 rasis Yfrauds Y c J P S ravis Hei. 21 insanus] infamis S 28 in numetis . . . bonis Y c | ille Y C S £

Elegie

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i, Ohne Zögern will ich die Sieg kündenden Täfelchen mit Lotbeer umwinden und mitten im Heiligtume der Venus niederlegen. Darunter schreiben will ich: „Der Venus weiht Naso die ihm treu ergebenen [Helferinnen." Und doch wäret ihr noch vor kurzem ein wertloses Stück Ahornholz.

12 Beweint mein Unglück: traurig kamen die Täfelchen zurück. Die unseligen Buchstaben melden, daß sie heute nicht kann. Vorzeichen bedeuten etwas: eben noch, als Nape das Haus verlassen wollte, stieß sie sich die Zehen an der Schwelle und blieb stehen. 5 Lasse ich dich wieder einmal herauskommen, so denk daran, die Schwelle vorsichtiger zu überschreiten und achtsam den Fuß hochzuheben. Weg mit euch, widrige Tafeln, Holz gut für das Feuer bei einer Bestattung, und du, Wachs vollgekritzelt mit ablehnender Meldung. Dich hat wohl eine korsische Biene aus der Blüte des langstengeligen Schierlings gesammelt und unter dem berüchtigten Honig hierhergeschickt. Aber du warst doch rot, als wärest du ganz mit Zinnober durchfärbt; in Wirklichkeit war es die Farbe des Blutes. Weggeworfen sollst du auf dem Dreiweg liegen, unnützes Holz, und das Gewicht eines vorüberfahrenden Wagenrades soll dich zerbrechen. m Auch ihn, der dich aus dem Holz eines Baumes zum Gebrauch gefertigt hat, will ich unreiner Hände überführen. Dieser Baum bot einem Verzweifelnden den Platz, sich mit einem Strick um den dem Henker lieferte er das Holz für das gefühllose Kreuz; [Hals zu erhängen; er gab heiser krächzendem Uhu schändlichen Schatten 2° und trug auf seinen Ästen die Eier des Geiers und der Eule. Denen habe ich umnachtet meine Liebesworte anvertraut? Sie ließ ich zärtliche Worte zu der Herrin tragen? Passender enthielte euer Wachs langausgedehnte Bürgschaften, die ein Rechtsvertreter mit hartem Munde läse. Unter den Tageskonten und Abrechnungen wären sie besser aufgehoben, bei deren Anblick der Geizhals das Schwinden seiner Schätze beweint. So habe ich es zu spüren bekommen, daß ihr zwiespältig seid, wie man euch doppelt schon die Zweizahl verhieß mir nichts Gutes. [nennt; Was soll ich in meinem Ingrimm wünschen, als daß zersetzendes Alter euch 30 benage und das Wachs sich weißlich mit einer unsauberen Staubschicht bedecke?

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Lenz: Ovid, Liebeselegien

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lam super oceanum venit a seniore marito Flava pruinoso quae vehit axe diem. Quo properas, Aurora? mane! sic Memnonis umbris Annua sollemni caede parentet avis, Nunc iuvat in teneris dominae iacuisse lacertis; Si quando, lateri nunc bene iuncta meo est. Nunc etiam somni pingues et frigidus aer, Et liquidum tenui gutture cantat avis. Quo properas, ingrata viris, ingrata puellis? Roscida purpurea supprime lora manu. [Ante tuos ortus melius sua sidera servat Navita nec media nescius errat aqua. Te surgit quamvis lassus veniente viator, Et miles saevas aptat ad arma manus.] Prima bidente vides oneratos arva colentes, Prima vocas tardos sub iuga panda boves. Tu pueros somno fraudas tradisque magistris, Ut subeant tenerae verbera saeva manus, Atque eadem sponsum multos ante Atria mittis, Unius ut verbi grandia damna ferant. Nec tu consulto nec tu iucunda diserto: Cogitur ad lites surgere uterque novas. Tu, cum feminei possint cessare labores, Lanificam revocas ad sua pensa manum. Omnia perpeterer; sed surgere mane puellas Quis, nisi cui non est ulla puella, ferat? Optavi quotiens ne Nox tibi cedere vellet, Ne fugerent vultus sidera mota tuos; Optavi quotiens aut ventus frangerei axem Aut caderet spissa nube retentus equus. [Quid, si Cephalio numquam flagraret amore? An putat ignotam nequitiam esse suam?] Invida, quo properas? quod erat tibi filius ater, Materni fuerat pectoris ille color.

1 3 , 1 a < Y ( + a Y"JPS, vgl. Ebn>.,Burs. 167, 1914, iSj; Eisenhut, Gnomon 7953, 441 3 um4 aves Y("-is Y cJP 5 tenebris S bris Mie. Hei. - a s Y P B H N - a m E O - a S X -ae Ha. 7 aer] humor S 1 1 / 1 4 vgl.Erl. 1 2 nescius errat P 4 nescit an errct 5 Q 1 4 Et miles 4 c saevas P Miles et armiferas Y £ 1 9 sponsos P 2 N O | multos Witbof cultos P stultum Y consulti Y C S ? 2 0 ferat Y^S