Ockhams Weg zur Sozialphilosophie 9783110820140, 9783110012804


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German Pages 607 [612] Year 1969

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Table of contents :
Vorwort
1. Kapitel: Leben und Schriften
Das Studium in Oxford
Ockhams Schriften aus der akademischen Zeit
1. Die Sentenzenvorlesung
2. War Ockham Magister?
3. Die Schriften zum corpus Aristotelicum
4. Die Quaestionensammlungen
5. Letzte Schriften der akademischen Epoche
Der Prozeß in Avignon
1. Vorspiel in England
2. Der Verlauf des Prozesses
Ockhams Kampf gegen die Avignonesische Kirche
1. Der Kampf gegen Johannes XXII
2. Ockham unter dem Pontifikat Benedikts XII
3. Die politischen Hauptschriften Ockhams
4. Die letzten „kleinen“ Schriften
2. Kapitel: Grundzüge von Ockhams theoretischer Philosophie
Gottes allmächtige Freiheit
Die Kontingenz der Welt
Die Möglichkeit der Erkenntnis
Die Gewißheit der Erkenntnis
Die Geltung unserer Begriffe
Absolute und konnotative Begriffe
Methoden der Sprachanalyse
1. Die Suppositionslehre
2. „ Virtus sermonis“
3. Ockhams „Rasiermesser“
Die Wahrheit des Wissens
1. Ockhams Wissenschaftsbegriff
2. Die Gewißheit des Wissens
Wissen und Glauben
1. Theologie als Wissenschaft
2. Die Erkenntnis des Glaubens
3. Die Aufgaben des Theologen
4. Der Glaube der Kirche
Ockhams Ethik
1. Sittlichkeit als Freiheit
2. Sittlichkeit als Gehorsam
3. Moralischer Positivismus?
4. Die sittliche Einsicht als theoretische Wissenschaft
5. Sittlichkeit und „Tugend“
Gnade und Verdienst
3. Kapitel: Der Armutsstreit unter Johannes XXII
Die paupertas evangelica im Franziskanerorden
Der sogenannte theoretische Armutsstreit
1. Die Diskussion
2. Die Bulle Ad conditorem
3. Die neue Lage
4. Die päpstliche Entscheidung – neue Vermittlungsversuche
5. Der Armutsstreit im politischen Spannungsfeld
6. Der Bruch mit dem Papst
7. Die Verbindung mit Ludwig dem Bayern
4. Kapitel: Die Anfänge der politischen Theorie Ockhams
Die objektivierende Methode
Christliche Vollkommenheit
Das „dominium“ an Kirchengut
Das „dominium“ im Urstand
„Jus poli“ und „ius fori“
Ansätze zum Kirchenbegriff des Dialogus im Opus XC Dierum
1. Kollektive Einheit
2. Regnum Christi: Die Kirche und die zeitliche Gewalt
Ausblick auf die Sozialtheorie der späteren Schriften
Abkürzungsverzeichnis
Literaturverzeichnis
Register
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Ockhams Weg zur Sozialphilosophie
 9783110820140, 9783110012804

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JÜRGEN MIETHKE OCKHAMS WEG ZUR S O Z I A L P H I L O S O P H I E

JÜRGEN

MIETHKE

OCKHAMS WEG ZUR SOZIALPHILOSOPHIE

WALTER DE G R U Y T E R & CO. B E R L I N 1969

Gedruckt mit Unterstützung der Ernst-Reuter-Gesellschaft der Förderer und Freunde der Freien Universität Berlin e. V. und der Stiftung Volkswagenwerk.

D 188 Archiv-Nr. 32 39 691 Alle Redite, insbesondere das der Übersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten. O h n e ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es audi nicht gestattet, dieses Buch oder Teile daraus auf photomedianischem Wege (Photokopie, Mikrokopie) zu vervielfältigen. © 1969 by Walter de Gruyter & Co., Berlin 30 Printed in Germany Satz und Drude: Thormann & Goetsdi, Berlin 44

Meiner Mutter und dem Andenken meines Vaters

Alius locus ponitur locus ab auctoritate; et ille locus debilis est, nisi arguatur ab auctoritate illius qui fallere et f a l l i non potest. E t ideo non sequitur: „Aristoteles dicit hoc, ergo hoc est v e r u m " , quia ipse decipi potuit; nec sequitur: „Astrologus dicit hoc, ergo ita est", quia quilibet astrologus decipere et decipi potest. Propter quod non est necesse credere cuilibet, qui putatur expertus in arte vel scientia sua, quia in multis artibus et scientiis nullus potest esse perfectus, sed quilibet errare p o t e s t . . . Verumtamen expertis — et qui etiam experti communiter reputantur — ista est reverentia exhibenda, ut dieta eorum non spernantur, nec reprobentur nec negentur antequam constiterit quod sunt dissona veritati; sed suspensa teneatur sententia, sive sint dieta antiquorum vel modernorum, ut nec propter novitatem vilipendantur nec propter vetustatem teneantur, sed Veritas in omnibus extollatur, quia sive antiqui sive moderni, sive amici sive inimici fuerunt assertores, sanctum est praehonorare veritatem. (Elem. log., ed. E. M. Buytaert, FcS 2j,

1965,

27$

f.)

VORWORT An Darstellungen der Soziallehre Wilhelm Ockhams mangelt es nicht. Die acht Jahrzehnte, die seit der ersten ausführlichen Studie in neuerer Zeit 1 verstrichen sind, haben eine Fülle von Untersuchungen gezeitigt 2 . Allein in den letzten fünf Jahren sind zwei gründliche Monographien erschienen, die ausdrücklich den Gesamtzusammenhang der politischen Theorie Ockhams thematisieren 5 . Die vorliegende Untersuchung setzt sich demgegenüber ein begrenzteres Ziel, das sich aus der spezifischen Schwierigkeit jeglicher Deutung der politischen Schriften des englischen Franziskaners erklärt. Jeder, der auch nur einen flüchtigen Blick in die Hauptwerke aus Ockhams zweiter Lebenshälfte geworfen hat, wird verwirrt sein angesichts der unparteiischen Aneinanderreihung der widersprüchlichsten Standpunkte, die Ockham nacheinander abhandelt und jeweils mit einer Fülle von Argumenten begründet, um dann nodi diese verschiedenen Positionen gegeneinander argumentieren zu lassen, ohne daß doch am Ende unmittelbar klar würde, auf wessen Seite der Autor selber Partei ergriffen hätte. Wenn sich nun dieser Eindruck bei näherer Bekanntschaft als bloße literarische Fiktion verstehen ließe, wenn Ockham seinem geduldigen Leser zwar versteckte, aber auf die Dauer doch unmißverständliche Hinweise gäbe, die das Rätsel auflösten, so könnte die verwirrende Oberfläche doch allenfalls ein Probierstein für den Scharfsinn der Interpreten sein: der einmal gefundene Schlüssel gäbe die beruhigende Gewißheit, die verborgene Position Ockhams untrüglich aufspüren zu können. Aber 1

A . Dorner, D a s Verhältnis von Kirche und Staat nadi Occam, in: Theologische Studien und Kritiken 58 ( 1 8 8 y ) 6 7 2 — 7 2 2 — von den Auseinandersetzungen der früheren Jahrhunderte mit Ockhams politischer Theorie sehen w i r hier a b : vgl. etwa den T r a k t a t von J . Almain (zitiert unten, K a p . I, A n m . 4 2 7 a).

2

V g l . die bibliographische Firenze 1 9 5 3 , 3 2 2 ff.

3

W . Kölmel, Wilhelm Ockham und seine kirdienpolitischen Schriften, Essen 1 9 6 2 ; G . de Lagarde, L a naissance de l'esprit laïque au déclin du moyen âge. N o u v e l l e edition refondue et complétée, t. I V : Guillaume d'Ockham. Défense de l'empire. L o u v a i n — P a r i s 1 9 6 2 ; t. V : Guillaume d'Ockham. Critique des structures ecclésiales. L o u v a i n — P a r i s 1963 ( — zu dem Verhältnis dieser N e u ausgabe zu den Ockham betreffenden Bänden der vorangegangenen A u f l a g e n vgl. unten K a p . I V , A n m . 52). — Neuerdings vgl. die unten, S. y36 Α . 3 7 5 , zitierte Ph. D . thesis von Y . D . K n y s h .

Ubersicht

bei

C . Vasoli,

Guglielmo

d'Ockham,

Vorwort

χ

bisher hat sich solch eine Interpretationsmethode, die, mechanisch angewandt, alle Deutungsprobleme mit einem Schlage erledigte, noch nicht gefunden. Aus dieser Sachlage lassen sich die verschiedensten Schlüsse ziehen: einmal kann man vermuten, es sei noch nicht genug Scharfsinn aufgewandt worden, um den chiffrierten Code zu brechen — dodi setzt eine solche Folgerung voraus, was noch zu beweisen wäre: eine systematisch konstruierte Verrätselung eines »Klartextes«. Darum ist auf der anderen Seite der Vorschlag gemacht worden 4 , einmal von der entgegengesetzten Voraussetzung aus eine Deutung zu versuchen: man kann ja auch davon ausgehen, daß bei Ockham gar kein Klartext zu entschlüsseln sei, daß Ockham die verschiedensten Ansichten nur deshalb nebeneinander stelle, weil er sich seiner Sache eben gerade nicht sicher war und ihm von einer agnostizistischen Position her alle Thesen gleich richtig oder gut begründet erschienen. Diese Schlußfolgerung kann erst dann als vorzeitige Kapitulation gelten, wenn es ihr nicht gelingt, ihre Voraussetzung mit besseren Gründen zu belegen als mit den Schwierigkeiten der Ockham-Deutung. Sie müßte aus Ockhams Texten selbst zeigen können, daß sich die Annahme einer solchen agnostizistischen — oder doch zumindest rein enzyklopädisch-kompilatorischen Grundhaltung nicht allein in einem ersten Hinblick rechtfertigen läßt, sondern sich auch in einer Gesamtdeutung bewährt. N u n gibt es nicht allein Aussagen Ockhams, in denen er — im Zusammenhang der Begründung seiner objektivierenden Methode — ausdrücklich betont, er wolle mit der Wahrheit nicht hinter dem Berg halten, wenn er den Zeitpunkt für gekommen ansehe 5 ; Ockham hat auch in kürzeren polemisch gehaltenen Streitschriften »einseitig« Stellung bezogen. Doch diese Schwierigkeit ließe sich immer nodi durch eine sorgfältige Unterscheidung zwischen wissenschaftlichen und polemischen Schriften beheben. Es ließe sich argumentieren: wo der streitbare Parteigänger Stellung bezieht, da bleibt der vorsichtige Wissenschaftler unentschlossen, der methodischen Kritik bleibt eine voluntaristische Option transzendent, die sich theoretisch nicht mehr rechtfertigen läßt. 4

Diesen A u s w e g aus dem Dilemma schlug v o r allem J . B. Morrall v o r — vgl. die unten K a p . I V , A n m . 1 1 zitierten Arbeiten. W i r beziehen uns im A u g e n blick allerdings — darin, wie sich zeigen wird, der Methode Ockhams f o l gend — nicht ausschließlich auf seine explizite Position, sondern audi auf ihre impliziten Möglichkeiten.

5

V g l . dazu unten K a p . I V , A n m . 2 3 , 3 4 .

Vorwort

XI

Diese Deutung paßt sehr gut zu einem traditionellen Bild des »nominalistischen« und »voluntaristischen« Philosophen, als der Ockham in zahlreichen Arbeiten erscheint6. Was liegt also näher, als wenigstens von einer derart erschlossenen Grundhaltung her ein einheitliches Porträt zu zeichnen? Gewiß, das ist nicht zwangsläufig: ebensogut ließen sich andere Antworten ausdenken, die sich immer nodi im Rahmen des eben entwickelten Modells halten könnten. Es soll hier auch gar nicht versucht werden, abstrakte Interpretationsschemata durchzuspielen, die sich doch alle erst an ihrer Leistung für die konkrete Deutung von Ockhams Schriften messen lassen müßten. Der Versuch einer rein formalen Lösung der Interpretationsschwierigkeiten führt jedenfalls, und das kann dieses Beispiel doch deutlich machen, nicht aus der Schwierigkeit heraus, dem Text ein Verständnis abzugewinnen, das sich als Auslegung mit Plausibilität behaupten kann. So scheint sich zunächst ein sichererer Weg aus dem Dilemma darin zu öffnen, gerade nicht bei den formalen Problemen anzusetzen, sondern unmittelbar die hermeneutische Aufgabe in Angriff zu nehmen, aus dem gesamten literarischen Oeuvre Ockhams die Prinzipien der Interpretation zu gewinnen. Sobald man aber diesen Schluß zieht, ergeben sich neue Probleme: Ockhams literarisches Wirken gliedert sich recht deutlich in zwei Epochen, die scheinbar nur wenig miteinander gemein haben. In der ersten Hälfte seines Lebens hat sich Ockham als Theologe und Philosoph an der Universität O x f o r d mit spekulativen Problemen der Philosophie seiner Zeit beschäftigt. Zwei Jahrhunderte lang sollten die Universitäten ganz Europas noch in Anknüpfung und Widerspruch auf diese Leistung des jungen Dozenten bezogen bleiben. Aber im Gegensatz etwa zu Johannes Duns Scotus hat sich Ockham in diesen Jahren — selbst in seinen Quodlibets, die sonst so häufig willkommener • V g l . etwa die knappen Bemerkungen, die J . le G o f f in einer populären D a r stellung von Ockhams philosophischer Grundhaltung jüngst gegeben hat (Das Hochmittelalter, Fischer-'Weltgeschichte, Bd. i i , F r a n k f u r t / M a i n 1965, 292). — Die Interpretation, die der marxistische Philosophiehistoriker V . O . Trachtenberg vorlegte, ist demgegenüber nur die »Umkehrung« des »bürgerlichen« Ockhambildes des 19. Jahrhunderts (William of Occam and the Prehistory of English Materialism, in: Philosophy and Phenomenological Research 6, 1945/ 46, 2 1 2 — 2 2 4 ; es handelt sich um die Übersetzung einer Akademieabhandlung, die in russischer Sprache in Moskau 1944 erschienen ist). Ockham erscheint als der »empirico-sensualistische« V o r l ä u f e r des Materialismus und als H e r o l d der demokratischen Ideen des 1 7 . und 18. J h . , der die katholische Kirche als die Hauptstütze der Feudalgesellschaft unterminierte.

XII

Vorwort

Anlaß zur Erörterung politischer und sozialer Phänomene waren — niemals ausführlich zu den Problemen geäußert, die die Arbeit seiner zweiten Lebenshälfte völlig bestimmen sollten 7 . Selbst wenn man alle »obiter dicta« des akademischen Theologen sorgfältig zusammenstellte, so würde es doch nicht gelingen, aus diesen verstreuten Bemerkungen den Umriß eines sozialtheoretischen Fundaments f ü r seine späteren Äußerungen zu rekonstruieren. Die Fragen, die Ockham seit 1328 unablässig beschäftigten, traten als Probleme erst spät in seinen Gesichtskreis. Damit gesellt sich zu der Schwierigkeit der Auslegung von Ockhams späten Schriften das (im weitesten Sinne) »biographische« Problem des Zusammenhangs seiner philosophischen und politischen Lehren. Von vornherein ist der Versuch ausgeschlossen, beide Lebensepochen Wilhelm Ockhams in der Konstanz einer gemeinsamen Thematik miteinander zu vermitteln. Daraus kann man folgern, angesichts dieser Differenz sei davon auszugehen, daß der Bruch in Ockhams Lebensmitte nicht stark genug betont werden könne: man könnte daraufhin die beiden Arbeitsgebiete Ockhams, seine Philosophie und seine Polemik, scharf voneinander sondern und jeweils beide völlig isoliert darstellen. Das hermeneutische Problem der politischen Hauptschriften reduzierte sich demnach auf den Versuch, die persönlich gehaltenen Streitschriften mit den »unpersönlichen« Traktaten zu konfrontieren. Daß sich eine Darstellung der theoretischen Philosophie Ockhams relativ leicht von seinen politischen Überlegungen trennen läßt, kann f ü r die Legitimität dieser Folgerung keine Stütze sein. Als Ockham sein Kolleg in O x f o r d über die Sentenzen des Petrus Lombardus las, als er die logischen und naturphilosophischen Schriften des Aristoteles auslegte, da wußte er nichts von seinem späteren Geschick; die Auslegung der philosophischen Theorie Ockhams braucht also auf seinen späteren kirchenpolitischen Kampf zunächst nicht Rücksicht zu nehmen, ja es mag f ü r solches Bemühen ratsam sein, das Mißtrauen mancher Leser gegen die Philosophie Ockhams nicht noch durch eine Analyse seiner späteren Auseinandersetzung 7

V g l . dazu G . le Bras (Le droit canon dans la littérature quodlibétique, in: ZSRG

7 7 , K A 46, i960, 6i—80,

hier p. 63 A . 5), es finde sich »rien ou

presque rien pour le droit canon dans les 10 questions d ' H e r v é Nédellec, ni dans les 6 de Thomas de Bailly . . . dans les 7 de Guillaume d'Ockham . . . « — es ließe sich diese Bemerkung auf soziale Probleme überhaupt erweitern: vgl. allenfalls Bemerkungen wie die unten K a p . II, A n m . 583 a zitierten.

Vorwort

XIII

mit dem Papst und der offiziellen Kirchenregierung in Avignon zu verstärken 8 . Anders aber steht es, wenn dieser Kampf gegen die päpstlichen Ansprüche selbst untersucht werden soll. Hier ist zunächst eine völlige Isolierung der zweiten Lebensperiode Ockhams biographisch nicht zu rechtfertigen. Es war derselbe Mann, der in dem Armutsstreit seines Ordens gegen Johannes X X I I . Partei ergriff und der sich an der Universität O x f o r d gebildet hatte; derselbe Mann, der die »nominalistische« Theologie tiefgreifend beeinflußte, hat in seinen Schriften für lange Zeit einen Maßstab und f ü r viele auch die Kriterien einer Orientierung in kirchenpolitischen Fragen gesetzt. Darum hat die neuere Forschung mit Recht versucht, in der philosophischen Methode jene biographische Einheit von Ockhams Lebenswerk zu explizieren, und es sind auch eine Reihe von Verbindungslinien aufgezeigt worden, die eine hermetische Trennung der beiden Lebensphasen als unmöglich ausgewiesen haben 9 . Trotzdem bleibt es unbefriedigend, nur für die allgemeine Grundhaltung 10 oder in einigen spezifischen Thesen 11 auf Parallelen hinzuweisen. 8

Vgl. in diesem Sinne bereits Lucas Wadding, Annales Minorum, ad annum 1347, nr. 30 f. — einen Text, den 1945 Ph. Boehner nicht ohne Sympathie zitiert hat (In propria causa, FcS 5, 1945, 54 = Collected Articles on Ockham, St. Bonaventure—Louvain—Paderborn 1958, 319). ® Die beste Darstellung haben L. Baudry (Le philosophe et le politique dans Guillaume d'Ockham, in A H D L t. 12, a. 14, 1939, 209—230) und R.Scholz (Wilhelm von Ockham als politischer Denker und sein Breviloquium . . . , Leipzig 1944, p. 18—28) gegeben, vgl. auch W. Kölmel, Wilhelm von Ockham, passim, bes. 3 ff. und 1 7 3 — 1 8 1 . — Von einer anderen Auffassung von Ockhams Philosophie aus versucht G. de Lagarde den »naturalistischen« Verbindungsstrang zu betonen, vgl. Un exemple de logique Ockhamiste, in: Revue du moyen âge latin ι (1945) 237—257; vgl. auch die ersten beiden Auflagen seiner Naissance de l'esprit laïque . . . t. I V — V I , Paris ^ 9 4 2 — 1946, 2 I948. 10 So vermittelt z. B. G. de Lagarde Ockhams philosophische Theologie und seine Soziallehre in dem »esprit laïque« — und dementsprechend in einer philosophischen Grundhaltung, die er mit den Termini der traditionellen Ockhamdeutung als »volontarisme« (in der Ontologie) beschreibt. 11 Das geschieht etwa in Baudry's Aufsatz. Allerdings hatte Baudry geplant, eine Darstellung der »idées sociales et politiques« Ockhams vorzulegen, die konkret im einzelnen die Etappen der Entwicklung verfolgen sollte. Erscheinen konnte nur der i . B a n d , die hervorragende Biographie: Guillaume d'Occam . . . , I L'homme et les œuvres, Paris 1949 — die beiden Kapitel des II. Bandes, die aus dem Nachlaß veröffentlicht wurden (vgl. unten Kap. II, Anm. j 1 1 und Kap. IV, Anm. 64) lassen nur im groben Umriß erkennen,

XIV

Vorwort

Damit gewinnen wir noch nicht den Ansatzpunkt, der uns ein besseres Verständnis der politischen Schriften erleichtern könnte. Wir dürfen bei Ockham weder durchgängig ein einheitliches Problembewußtsein voraussetzen 12 , noch dürfen wir uns mit den späteren mehr oder weniger zufälligen Rückgriffen Ockhams auf seine früheren Schriften begnügen. Der Versuch, die zunächst ausschließlich biographisch aufweisbare Einheit in Ockhams Werk konkret zu bestimmen, setzt den Bemühungen ein zweifaches Ziel: wir müssen die Zeugnisse, die uns über Ockhams Biographie Aufschluß geben, sehr genau daraufhin überprüfen, welche Etappen sie in dem konkreten Lebensweg dieses Franziskaners erkennbar werden lassen. Wir müssen andererseits versuchen, die innere Motivation seines Denkens herauszuarbeiten, um so ein historisch zuverlässiges Bild zu gewinnen. Bei diesem Unternehmen einer historischen Rekonstruktion einer inneren Biographie Ockhams sind — angesichts der Quellenlage — unsere Möglichkeiten eingeengt. Für die Biographie sind die Nachrichten spärlich, und allzu viele Fragen bleiben offen. Wir werden trotzdem versuchen müssen, die Stationen dieses Lebens so deutlich zu umreißen, wie es nur möglich scheint. Die akademische Atmosphäre Oxfords, den Zusammenstoß Ockhams mit Lutterell, den Prozeß in Avignon, den Bruch Ockhams mit Johannes X X I I . und seine Münchener Jahre werden wir vergegenwärtigen müssen. Gerade wegen der mageren Quellen wird es dabei notwendig sein, auch ermüdende rein literarkritische Erörterungen nicht zu scheuen; denn oft ist es allein die Abfolge der Schriften, die uns einen Rückschluß auf die Lebensumstände des Autors erlaubt. Dies aber verbietet uns andererseits auch, Ockhams Lebensweg in einer anschaulichen »synthetischen« Darstellung zu schildern. Hier ließe sich kaum noch die unterschiedliche Gewißheit der Aufstellungen deutlich machen, die doch in unserem Zusammenhang schlechthin entscheiwelche konkrete Methode bar die Grundprinzipien gie — darstellen (»raison politischer Philosophie zu 12

eingeschlagen werden sollte: B a u d r y wollte offen— zuerst von Ockhams wissensdiaftlidier Theoloet foi«), um dann die Hauptthemen von Ockhams analysieren (»L'ordre franciscaine«).

Das tut etwa W . Kölmel, W . von Ockham, vgl. bes. 1 7 7 ff., der z w a r audi von der Konstanz des methodischen Ansatzes bei Ockham ausgeht, diesen aber in der Dialektik von Ordnung und Freiheit sehen möchte. — E s ist bezeichnend und v o n seinem A n s a t z her nur konsequent, daß Kölmel fast alle literarkritischen und biographischen Probleme ausklammert (vgl. bes. p. 49) — angesichts der durchgängig gleichbleibenden Thematik verlieren sie ihre spezifische Bedeutung und werden zu Fragen von sekundärem Rang.

Vorwort

XV

dend ist. Ein so gezeichneter Rahmen — und mehr als ein äußerer Rahmen läßt sich, wie sich zeigen wird, auf diesem Wege nur selten gewinnen — soll dann mit einem Versuch ausgefüllt werden, die zentrale Motivation des philosophisch-theologischen Systems von Ockham zu bestimmen, um schließlich den Ansatz plastischer hervortreten zu lassen, der Ockhams politische Reflexion in Gang brachte. Wenn wir versuchen, die Ockhamsche Philosophie und Theologie aus ihrem Zusammenhang heraus zu begreifen, so ist uns der Weg verschlossen, ausschließlich die abkürzenden geprägten Formeln zu benutzen, die zur Charakterisierung von Ockhams Bemühungen verwandt worden sind. Die Mißverständlichkeit scheinbar so griffiger Schlagworte wie »Nominalismus«, »Skeptizismus«, »Voluntarismus« oder »Positivismus« ergibt sich nicht nur daraus, daß sie in jedem Einzelfall verschieden modifiziert angewandt wurden. Die neuere philosophische Forschung 13 hat darüber hinaus auch gezeigt, wie unzureichend sie der philosophischen Methode Ockhams entsprechen. So muß versucht werden, aus den Texten des Venerabiiis Inceptor selbst die Deutung so ausführlich wie möglich zu belegen. Wir haben dabei weniger Wert darauf gelegt, den »Aristotelismus« des Ockhamschen Denkens konkret zu bestimmen, als vielmehr von neueren Positionen her die selbständige Leistung der Theorie herauszuarbeiten. Gottfried Martin hat 1938 in seiner Untersuchung über die »transzendentalen« Begriffe bei Ockham 14 gezeigt, wie fruchtbar eine solche Methode sein kann. Wir haben uns bemüht, etwa den Zeitbegriff oder die Ethik Ockhams ebenfalls von Kant her zu interpretieren — ein Verfahren, das es erst recht zwingend macht, Ockham so ausführlich wie möglich zu Wort kommen zu lassen, um diese Interpretation auch nachprüfbar zu machen. Als Interpretation läßt sich diese Methode nur in der Konfrontation mit den Texten rechtfertigen. Auch unser Ansatz bei der Lehre Ockhams von Gottes freier Allmacht als dem umgreifenden Prinzip seines Denkens läßt sich nur in der Durchführung der Deutung bestätigen. Der Einwand, mindestens ebenso wichtig seien Ockham die erkenntniskritischen Theoreme, müßte gegen die hier vorgelegte 13

14

Vgl. dazu die bibliographischen Angaben v o n V. Heynck, Ockham-Literatur 1919—1949; in FS 32 (19J0) 164—183; für das letzte Jahrzehnt sind besonders die jetzt gesammelten Aufsätze von Ph. Boehner heranzuziehen (vgl. Kap. I, Anm. 12). Wilhelm v o n Ockham, Untersuchungen zur Ontologie der Ordnungen, Berlin 1949 (als Phil.-Habil.-Sdirift für Köln 1938 abgeschlossen, vgl. p. VII).

XVI

Vorwort

These zeigen, wie sich dieser Problemzusammenhang aus Ockhams Texten konsistent auch ohne Hinsicht auf das theologische Axiom einer schlechthinnigen Geschöpflichkeit der Welt entfalten ließe. Wir wollen mit unserer Ortung der Probleme aber auf der anderen Seite nicht ihre theoretische Eigengewichtigkeit überspielen: auch das zwingt uns dazu, in der Darstellung und Analyse etwas weiter auszuholen. Der Abbruch der akademischen Karriere Ockhams war kontingent. Der Prozeß in Avignon bildet dazu nur den äußeren Anlaß; er hat auch erstaunlich wenig unmittelbare Spuren in Ockhams späteren Schriften hinterlassen. Der volle Umfang der Krise in Ockhams Lebensmitte läßt sich nur an einer ausführlicheren D a r stellung des sogenannten »theoretischen Armutsstreites« im zweiten Jahrzehnt des 14. Jahrhunderts deutlich machen. Eine Analyse des ersten Stadiums der Reflexion dieser Krise im Horizont einer sozialen Theorie, die die erste selbständige Äußerung Ockhams zu Fragen der politischen Theorie in diesem Zusammenhang erörtert, soll dann den Ausgangspunkt der Ockhamschen Soziallehre nachzeichnen, der auch in den späteren Gestalten seiner politischen Lehre immer grundlegend bleiben sollte. Eine Probe auf das Exempel, eine Interpretation der positiven politischen Positionen Ockhams, muß im Rahmen unseres Vorhabens unterbleiben — gerade hier können wir auch dort auf die gebündelte Darstellung dieser Thesen in den Arbeiten von Lagarde und Kölmel verweisen, wo wir uns die Interpretation dieser Autoren nicht zu eigen machen. Wenn wir unsere Analyse bis zum Ausgangspunkt der politischen Theorie verfolgt haben, können wir die Anwendung und Explikation dieses Ansatzes getrost späterer Bemühung überlassen. Sofern die D a r stellung des Weges, der Ockham zur Reflexion sozialer Phänomene geführt hat, stimmig ist, werden wir eine Orientierung gewonnen haben, die uns in dem unübersichtlichen Gelände der politischen Hauptschriften Markierungen erkennen läßt — und es ist zu hoffen, daß wir dann in der Identifikation von Ockhams eigenen Ansichten nicht mehr ausschließlich dem subjektiven Empfinden ausgeliefert bleiben. Da die Werke Ockhams bisher nur zum geringsten Teil in kritischen Editionen vorliegen, andererseits aber gerade in den letzten Jahren große Anstrengungen gemacht wurden, dieser philologischen Pflicht der Mediaevistik zu genügen15, könnte der Einwand erhoben 15

Das Franciscan Institute St. Bonaventure, N . Y. bereitet eine Ausgabe der

Vorwort

XVII

werden, man sollte doch mit dem Studium der Ockhamschen Theorien warten, bis die kritisch gesicherten Textausgaben vorliegen 10 . Uns erscheint eine solch puristische Einstellung allzu rigoros, so sehr auch wir Ausgaben für wünschenswert halten, die kritischen Ansprüchen standhalten. Angesichts der unabsehbaren Zeitspanne aber, mit der heute bei solchen Editionen gerechnet werden muß, würde uns eine solche Haltung allzu viele Arbeitsgebiete verschließen. Ockhams Schriften liegen heute zum größten Teil in der Fassung vor, die die Drucker der Inkunabeln herausgebracht haben 17 . Soweit wir das an den Pariser Handschriften in Stichproben feststellen konnten, läßt sich ein übertriebener Pessimismus angesichts der Textgestalt dieser alten Editionen nicht rechtfertigen. Die kritische Ausgabe des Opus XC Dierum zum Beispiel zeigt deutlich, wie gut die Handschrift gewesen sein muß, die der Herausgeber im späten 15. Jahrhundert zur Verfügung hatte. Die Herstellung des Textes auf Grund der beiden erhaltenen Handschriften (von denen das Baseler Manuskript zudem nur unvollständig ist) wäre ungleich schwieriger gewesen, wenn dieser alte Druck nicht zur Verfügung gestanden hätte. Natürlich dürfen wir mit einer Fülle Opera omnia philosophica et theologica vor, bisher ist erst ein einziger B a n d erschienen: Guillelmi de Ockham Scriptum in librum primum Sententiarum. . . . ed. G . G a l u. St. B r o w n , St. Bonaventure, N . Y . 1967 ( = Opera Theologica I, künftig zitiert O T I). Weiter ist die Ausgabe der Opera politica gediehen, die an der Universität Manchester von J . G . Sikes u. a. begonnen wurde und nunmehr, dank der tatkräftigen Energie von H . S. O f f l e r auf 3 Bände angewachsen ist. Insgesamt dürften die noch ausstehenden Schriften nodi einmal etwa 4—6 Bände (von jeweils ca. 400 Seiten) füllen (demnächst w i r d ein 4. Bd. erscheinen, der alle restlichen T r a k t a t e außer dem Dialogus umfassen wird). Ie

17

Mit dieser Begründung hat etwa W. Ulimann aus seiner f ü r ein breiteres Publikum geschriebenen Darstellung des Politischen Denkens im Mittelalter ( A History of Political Thought: The Middle Ages, H a r m o n d s w o r t h — B a l t i m o r e — R i n g w o o d 196$, Pelican Books A 778) Ockhams Theorien völlig ausgeklammert (vgl. p. 9) — ein Vorgehen, das um so mehr überraschen muß, als auch die Schriften des Bartolus etwa nur in den alten Ausgaben zugänglich sind, und auch die Schriften des »Conciliarism« ja keineswegs in Editionen vorliegen, die den Ansprüchen heutiger Philologen genügen könnten. Durch photomechanischen Nachdruck sind gerade in den J a h r e n seit i960 zahlreiche dieser seltenen Ausgaben wieder allgemein zugänglich geworden (vgl. das Literaturverzeichnis). Bisher nicht ediert sind nur die f ü r unseren Zusammenhang wichtige E x p . P h y s . ( — w i r benutzten sie nach Ms. Berlin, Staatsbibl., 2 0 4 1 ) und der Kommentar Ockhams zu den »Elenchi« des Aristoteles, den w i r hier unberücksichtigt lassen konnten (wir sahen Ms. Paris B N lat. 1 4 7 2 1 , f . 96 v a — 1 2 1 ra, ein).

XVIII

Vorwort

von wirklichen Verbesserungen des Textes der bisher noch in unkritischer Fassung vorliegenden Schriften rechnen. Revolutionäre Entdeckungen aber, die das bisherige Verständnis von Grund auf umstülpen würden, sind von einer bloßen Textrevision allein — so wichtig und dringlich sie auch ist — keinesfalls zu erwarten. Es war uns nicht möglich, jeden der angeführten Belege an den Handschriften zu überprüfen. So haben wir uns auch dort, wo wir geringfügige Abweichungen feststellen konnten, im allgemeinen an die Fassung der Editionen gehalten; nur in Ausnahmefällen, die besonders bezeichnet worden sind, haben wir diese Maxime verlassen. Das erschien uns auch methodisch die richtigere Lösung zu sein, als die zufällig im Besitz von Pariser Bibliotheken befindlichen Handschriften grundsätzlich für die sicherere Textgrundlage zu nehmen. Im Herbst 1966 wurde diese Arbeit der Philosophischen Fakultät der Freien Universität Berlin als Dissertation vorgelegt; f ü r den Druck ist sie geringfügig gekürzt worden, neuere Literatur fand vereinzelt noch in den Anmerkungen Berücksichtigung. Die Anregung zu der Untersuchung gab mein verehrter Lehrer, Herr Professor D r . Wilhelm Berges, der mich in allen Stadien der Arbeit mit R a t und ermunterndem Zuspruch in außergewöhnlichem Maße unterstützte. Ihm fühle ich mich daher zu besonders herzlichem Dank verpflichtet. Desgleichen gilt mein Dank den Freunden, Professor D r . Amos Funkenstein und D r . Wolfgang Marx, mit denen ich während der Niederschrift viele Probleme ausführlich erörtern konnte. Förderliche Hinweise verdanke ich außerdem Herrn Professor Dr. Reinhard Elze, Herrn D r . Wolfgang Hübener, Herrn Professor D r . Dietrich Kurze und Herrn Professor D r . Marcel Reding. Während eines sechs Monate langen Studienaufenthaltes in Paris, der mir dank einem Stipendium des Deutschen Historischen Instituts in Paris ermöglicht wurde, gaben mir Mademoiselle Marie-Thérèse d'Alverny, Herr Professor Maurice Patronnier de Gandillac und Madame Jeannine Quillet freundliche Ratschläge. Vor und während der Zeit der Niederschrift ermöglichte mir ein Stipendium der Studienstiftung des Deutschen Volkes ein von finanziellen Sorgen freies Arbeiten. Die Damen und Herren der hiesigen Universitätsbibliothek waren immer bemüht, mir bei der Beschaffung auswärtiger Literatur weitestgehend entgegenzukommen. Bibliotheken in Berlin, Deventer, Florenz, Gießen, Göttingen, Krakau, London, Lincoln, Paris und Tübingen habe ich für Auskünfte und die Überlassung von Mikrofilmen zu danken. An meinen Bemühungen um die Drucklegung des umfangreichen Manuskripts haben in selbstloser

Vorwort

XIX

Weise neben Herrn Professor Berges die Herren Professoren Dieter Henrich, Reinhard Elze und Stephan Skalweit Anteil genommen. Die Ernst-Reuter-Gesellschaft der Förderer und Freunde der Freien Universität e. V., der Herr Kurator der Freien Universität und die Stiftung Volkswagenwerk erleichterten durch namhafte Zuschüsse dem Verlag die Übernahme des finanziellen Risikos. Für Mithilfe bei den Korrekturen danke ich meiner Frau und Herrn stud. phil. Karl Ernst Lohmann. Gewidmet ist das Buch meiner Mutter, die nach dem frühen Tod meines Vaters in bedrängten Verhältnissen mit unermüdlicher Geduld und unter großen persönlichen Opfern mein Studium ermöglicht hat.

INHALTSÜBERSICHT Vorwort

IX

1. Kapitel: Leben und Schriften Das Studium in Oxford Ockhams Schriften aus der akademischen Zeit 1. 2. 3. 4. 5.

Die Sentenzenvorlesung War Ockham Magister? Die Schriften zum corpus Aristotelicum Die Quaestionensammlungen Letzte Schriften der akademischen Epoche

Der Prozeß in Avignon 1. Vorspiel in England 2. Der Verlauf des Prozesses Ockhams Kampf gegen die Avignonesisdie Kirche 1. Der Kampf gegen Johannes X X I I 2. Ockham unter dem Pontifikat Benedikts X I I 3. Die politischen Hauptschriften Ockhams 4. Die letzten „kleinen" Schriften 2. Kapitel: Grundzüge von Ockhams theoretischer Philosophie . . Gottes allmächtige Freiheit Die Kontingenz der Welt Die Möglichkeit der Erkenntnis Die Gewißheit der Erkenntnis Die Geltung unserer Begriffe Absolute und konnotative Begriffe Methoden der Sprachanalyse 1. Die Suppositionslehre 2. „Virtus sermonis" 3. Ockhams „Rasiermesser" Die Wahrheit des Wissens 1. Ockhams Wissenschaftsbegriff 2. Die Gewißheit des Wissens

1 3 15 15 29 34 37 43 46 46 58 74 74 98 112 125 137 137 156 163 177 194 201 228 228 231 238 245 245 260

Inhal tsiibersicht

XXII Wissen und Glauben 1. 2. 3. 4.

Theologie als Wissenschaft Die Erkenntnis des Glaubens Die Aufgaben des Theologen Der Glaube der Kirche

Ockhams Ethik 1. 2. 3. 4. 5.

Sittlichkeit als Freiheit Sittlichkeit als Gehorsam Moralischer Positivismus? Die sittliche Einsicht als theoretische Wissenschaft Sittlichkeit und „Tugend"

Gnade und Verdienst 3. Kapitel: Der Armutsstreit unter Johannes X X I I

264 264 270 280 284 300 300 305 312 325 330 335 348

Die paupertas evangelica im Franziskanerorden

350

Der sogenannte theoretische Armutsstreit

365

1. 2. 3. 4.

Die Diskussion Die Bulle Ad conditorem Die neue Lage Die päpstliche Entscheidung — neue Vermittlungsversuche 5. Der Armutsstreit im politischen Spannungsfeld 6. Der Bruch mit dem Papst 7. Die Verbindung mit Ludwig dem Bayern 4. Kapitel: Die Anfänge der politischen Theorie Ockhams

365 375 385 392 400 414 417 428

Die objektivierende Methode Christliche Vollkommenheit Das „dominium" an Kirchengut Das „dominium" im Urständ „Jus poli" und „ius fori" Ansätze zum Kirchenbegriff des Dialogus im Opus X C Dierum

430 444 458 467 477

1. Kollektive Einheit 2. Regnum Christi: Die Kirche und die zeitliche Gewalt . Ausbilde auf die Sozialtheorie der späteren Schriften

502 516 535

502

Abkürzungsverzeichnis

557

Literaturverzeichnis

562

Register

578

Erstes

Kapitel

LEBEN UND SCHRIFTEN Uber Wilhelm Ockhams Leben besitzen wir nur wenige sichere Daten 1 . Wann und wo er geboren wurde, läßt sich nur erschließen. Mindestens drei Ortschaften trugen zur Zeit Edwards II. den Namen »Ockham«2. Im allgemeinen nimmt man an, daß er aus dem Dorf

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Die nodi heute grundlegende kritische Untersuchung verdanken wir J . Hofer, Biographische Studien über Wilhelm von Ockham, O.F.M., A F H 6 (1913), 209—233, 439—465, 654—669; nur mit Vorsicht zu gebrauchen ist F. Federhofer, Ein Beitrag zur Bibliographie und Biographie des Wilhelm von Ockham, in: Ph. J b . 38 (1925), 26—48; zusammenfassende Ubersichten geben: E. Amann, art. »Occam«, D T h C X I , 1 (Paris 1 9 3 1 ) , 864—876, 889—904 u. Ph. Boehner, The Tractatus de Successivis attributed to William Ockham, St. Bonaventure N . Y . 1944, 1 — 1 5 ; zuletzt ders., Ockham, Philosophical Writings, a Selection, Edinburgh 1957 (u. ö.), p. X I — X V I (künftig zitiert als Ph. Boehner, Phil. Writ.) ; die biographisch-bibliographischen Probleme diskutiert eingehend in seinem monumentalen Buch L. Baudry, Guillaume d'Occam, Sa vie, ses oeuvres, ses idées sociales et politiques; tome 1 : l'homme et les œuvres, Paris 1949 (mehr Bände nicht erschienen; künftig zitiert als L. Baudry, Vie). Zuletzt gab A. B. Emden, A Biographical Register of the University of Oxford, II, Oxford 1958, 1384 b—1387 b (»BRUO«) eine knappe Zusammenfassung mit reidier Bibliographie, dort auch 1 3 8 4 b die zahlreichen Schreibarten des Namens, wobei zu bemerken ist, daß sich die Schreibweise »Olran« wahrscheinlich auf ein Versehen Copingers zurückführen läßt, der in seinem »Supplementum« zu Hains Repertorium (Bd. I, 355) die Ausgabe Oudendieks der Quodlibets (Paris 1487, Hain N r . 11940) als »Holran« liest: wir würden auf dem Titelblatt »Hokan« lesen, wobei das »K« in der Fraktur etwas unglücklich ausfiel. Vgl. auch das Explicit der Ausgabe, wo es wohl ebenso heißen muß: Expliciunt quotlibeta venerabilis inceptoris Guillermi »Okan« de ordine frm. minorum, emendata per eximium virum Cornelium oudendiick artium magistrum et in sacra pagina licentiatum.. .

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Nachweise bei L. Baudry, Vie, 18, Α. 6—8; vgl. auch E. Ekwall, The Concise Oxford Dictionary of English Place-Names, 4th edition, Oxford 1960, s. v. Oakham (347 a), s. v. Ockham (347 b), Ockley (347 b). Ph. Boehner, The Tractatus de Successivis, p. 4, betont, wie hypothetisch der Rückschluß sei, da in den meisten alten Handschriften Ockham »Guilielmus Ockham« und nicht als »Guilielmus de Ockham« genannt werde. Immerhin trägt er (ebda.) kein Bedenken, die Registereintragung (vgl. Anm. 6) auf Ockham zu beziehen, die von einem »Willelmus de Ocham« spricht. C. K . Brampton, The Probable Order of Ockham's Non-polemical Works. In: Traditio 19 (1963), 483, weist auf eine Ortschaft in der Nähe Newarks in der Diözese Winchester hin. Miethke,

Ockham

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Leben und Schriften

in der Grafschaft Surrey im Südwesten Londons3 stammt. Eine späte Tradition weiß davon zu berichten, daß Ockham in jungen Jahren in den Franziskanerorden eingetreten ist4, und diese Nachricht hat eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich5. Wir kennen nämlich eine Notiz aus dem Register des Erzbischofs von Canterbury Robert Winchelsey, nach der am 26. Februar 1306 ein gewisser »Willelmus de Ocham, O. F. M.« zum Subdiakon in der Ordenskirche St. Mary in Southwark (Diözese Winchester) ordiniert wurde6. Wenn sich dieser Eintrag auf unseren Wilhelm Ockham bezieht7, können wir 3

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D a f ü r spricht audi die gleich zu nennende Ordination in der Diözese Winchester, die unwahrscheinlich wäre, wenn Ockham in Norfolk oder Rutland als Geburtsort angenommen würde. »Guglielmus Ochamus iuvenis franciscanae religioni adjecit animae«. J . Leland, Commentarli de scriptoribus ecclesiasticis, Oxford 1529, Cap. C C C X X V I , p. 323 (zitiert bei J . Hofer, A F H 6, 1 9 1 3 , 212). — Woher L. Baudry, Vie, 19, schließt: »Cette opinion du chroniqueur se relie à une vieille tradition«, ist nicht ersichtlich. Hofer merkt ausdrücklich an, daß dies die älteste Nachricht vom »frühen Ordensberuf« Ockhams sei. Die Begründung, die Leland dafür gibt, paßt auch weder zu Ockham noch zum Ende des 13. Jh.: »ut liber tandem a multis curis, libris toto pectore incumberet. Et quoniam futurum videbat, ut id rectius faceret, si paulo remotius a suis viveret, lutetiam bonis avibus profectus e s t . . . « Das ist aus humanistischer Bücherleidenschaft gedacht und gewiß Lelands eigene Anschauung. — Ockham selbst allerdings schreibt in S. L. I 19 (Boehner, 60; zitiert Ο Τ Ι , 3$*): »Unde apud antiquos, ut puerulus didici, supposita termini communis alicuius duplicia sunt.« Das kann Ockham kaum anderswo als in einem Franziskanerstudium (in London?, vgl. unten Anm. 19) gelernt haben. Der Brief Bonifaz V I I I . , der am 30. Juli 1302 einem Magister Wilhelm Occam Rektor der Kirche in Langton den Dispens erteilt, das vakante Archidiakonat in Stow (Diözese Lincoln) zu übernehmen, scheint nicht unseren Wilhelm Ockham zu betreffen, vgl. J . Hofer, A F H 6 (1913), 2 1 1 f. u. die folgenden Anm. Mitgeteilt bei J . G. Sikes (ed.), Guillelmi de Ockham, Opera politica, vol. 1, Mancunii (Manchester) 1940 (künftig zitiert als OP I), 288; vgl. jetzt R . Graham (ed.) Registrum Roberti Winchelsey, Oxford 1940 (Canterbury and Y o r k Society), 981; Α. B. Emden, B R U O II, 1384 b. Das ist so ganz sicher nicht, wie L. Baudry, Vie, 260 meint, der argumentiert: »II est peu vraisemblable, que deux Guillaume d'Occam aient fait partie simultanément de l'Ordre franciscain«. A. B. Emden, B R U O II, 1384, weist auf einen »fr. Wm. Ocham (Okam) O. F. M., Reading Convent, licensed to hear confessions between 1 3 1 8 and 1320«. Dieser Franziskaner »Wilhelm Ockham« aber kann mit unserem Wilhelm Ockham kaum identisch sein, da er 1328 in einer Liste auftaucht, die die »nomina fratrum defunctorum« des Zeitraums zwischen 12. April und 8. September 1328 enthielt (Ms. London, British Museum, Cotton Charter X X X , 40, f. 1 v ; ed. A. G. Little in Collectanea I, British Society of Franciscan Studies 5, Aberdeen 1914, 1 4 9 — 1 5 3 , hier 149) — der Versuch C. K . Bramptons (Chronological Gleanings from

Das Studium in O x f o r d

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rückschließend annehmen, daß er zwischen 1280 und 1285 geboren wurde 8 — allerdings nur unter der weiteren Voraussetzung, daß die kanonischen Altersbestimmungen eingehalten wurden, nach denen zu jener Zeit ein Subdiakon zwischen 20 und 25 Jahre alt sein sollte8. Das Studium in Oxford Was Ockham zu dem Entschluß bestimmte, in den Franziskanerorden einzutreten, ist nicht zu ermitteln. Ockham spricht auch in seinen späteren Auseinandersetzungen mit dem Papsttum niemals von den individuellen Motiven, die seinem Ordensberuf zugrunde lagen. Diese Entscheidung für das franziskanische Leben ist aber für ihn immer eine unbefragbare Konstante seines Weges geblieben. Sie bildet gleichsam den ersten festen Punkt, den der Altgewordene überhaupt von seinem persönlichen Schicksal erwähnt. Als er sich am Ende seines Lebens bereit erklärt, vor einem gerechten Richter über alles, was er getan und geschrieben hatte, Rechenschaft zu legen und sich — da solch ein gerechter Richter in Avignon nicht zu erwarten war — an die gesamte rechtgläubige Öffentlichkeit wendet, die entscheiden soll, ob das, was er getan, von Gott war oder nicht, da bezieht er sich auf den Zeitraum »postquam regulae beati Francisci me subieci« 9 \ Wir wissen nicht, ob die Aufgeschlossenheit des Martival Episcopal Register, Salisbury I I , and Ms. London, British Museum, Cotton Charter X X X , 40, in: A F H $8, 1965, 3 6 9 — 3 9 3 , spez. 380—393), diesen Eintrag als Vermerk über die Apostasie des Venerabiiis Inceptor zu deuten, überzeugt uns nicht — wir müssen aber auf eine eingehende Diskussion verzichten. Bramptons Deutung der Randvermerke in dem Ms. scheint uns alles andere als gesichert zu sein, vgl. die weit plausiblere Erklärung bei A. B. Emden, B R U O I I , 138$ a. Darum gehen wir weiter von der Nichtidentität dieses Franziskaners mit dem Venerabiiis Inceptor aus. 8

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J . Hofer, der diese Notiz nodi nicht kannte, erschloß ein Geburtsjahr, das »vielleicht nur wenige Jahre vor 1300« zu suchen sei (232); F. Federhofer (Ph. J b . 38, 1925, 42) errechnete »etwa um 1290«. Die Grenze schwankte gerade zu dieser Zeit, vgl. P . Hinschius, System des katholischen Kirchenrechts, I, Berlin 1869 ( = Photomech. Nachdruck G r a z : 959)> rnit Anm. 11. O T I, 35* A. 4 zitiert die Constitutiones des Generalkapitels von Assisi 1316, die ein Alter von 25 Jahren fordern. Vgl. A F H 4 (1911). 517 nr. 31. Vgl. Imp. Pont. Pot., Prol. (ed. R . Scholz, Streitschr. I I , 453 f . ) : »De omnibus enim, que feci, scripsi vel dixi, postquam regule beati Francisci me subjeci, coram iudice minime recusando cupio reddere rationem, quatenus cuncti fideles agnoscant, an aliquid valeat contra me probari, propter quod inter

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Leben und Schriften

Ordens für das wissenschaftliche Studium ein Grund für die Profeß des jungen Mannes war. Je früher wir seinen Ordenseintritt ansetzen, desto unwahrscheinlicher wird diese Annahme. Auch läßt seine spätere Haltung in dem Streit des Ordens mit der Kirche nicht auf ein vorwiegend theoretisches Interesse schließen, das sein Franziskanertum begründet hätte. Wir werden zu verfolgen haben, wie die einmal getroffene Entscheidung für die Regel des Heiligen Franziskus Ockhams Leben und Denken später grundlegend bestimmen sollte. Für seine frühe Biographie könnten wir aber zu diesem Punkt nichts anderes als Vermutungen anstellen. Wann Ockham nach Oxford gekommen ist, der Stadt seines ersten akademischen Ruhms, ist ebenfalls dunkel10. Die frühere Meinung, Ockham sei ein Schüler des Merton-College gewesen, hat sich als Legende erwiesen11. Auch alle Nachrichten, die von einem persönlichen Lehrer-Schüler-Verhältnis zu Johannes Duns Scotus wissen wollten, haben sich nicht auf sichere Überlieferung zurückführen lassen12 und sind wohl als anekdotische Verdichtung der phi-

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filios lucís non debeam c o m p u t a n . . . « — Diese Stelle ist natürlich nicht eindeutig: Ockham verteidigt besonders seine Haltung in der Auseinandersetzung zwischen dem Papst und einem Teil des Franziskaner-Ordens (dazu vgl. Kap. III) — also brauchte er bei seiner »Lebensrechtfertigung« nicht auf Ereignisse vor seiner P r o f e ß zurückzugreifen: trotzdem halten wir diese Sätze für eine Bestätigung dafür, daß Ockham in jungen Jahren Franziskaner wurde. Vgl. auch oben A. 4. A. B. Emden, B R U O II, 1384 b, zitiert aus dem Reg. des Bischofs Dalderby (Line. III f. 390 v) einen Eintrag, nach dem Wilhelm Ockham 1318 die Erlaubnis erhielt, die Beichte zu hören — wir dürfen Ockham demnach spätestens um diese Zeit in O x f o r d (Diözese Lincoln) vermuten, ein Datum, das auch durch die Datierungsversuche der »lectura« bestätigt wird. Die Konstitutionen des Franziskaner-Generalkapitels von Assisi (1316) setzen für solche Lizenz ein Alter von 30 Jahren voraus: A F H 4 (1911), 517 nr. 31 (zitiert: Ο Τ Ι , 3$* Α. 4). Vgl. Β. Henderson, Merton College, London 1899, i j ff. nr. 287 ff.; J. Hofer, A F H 6 (1913), 212—215; L. Baudry, Vie, 19 f. — Vielleicht handelt es sich um eine späte Verwechslung mit Wilhelm Hothun, O. P., der ein Mertoniensis war, vgl. auch den Vermerk in Ms. Oxford, Merton Coll. 106, zitiert in Ο Τ Ι , 16*, nr. 12, dessen Entstehungszeit allerdings nicht festzustellen ist. J. Hofer, A F H 6 (1913), 21 j—218, L. Baudry, Vie, 20 f. — Mit der oben vertretenen Datierung von Ockhams Geburtsjahr ist zwar nicht mehr (wie für H o f e r 232) eine persönliche Begegnung beider großer Franziskanertheologen schon rein chronologisch ausgeschlossen (Scotus verließ ca. 1302 O x f o r d und starb 1308 in Köln), sie bleibt aber äußerst unwahrscheinlich. Anderer Auffassung ist P. Boehner, Collected Articles on Ockham (ed. by Ε. M. Buytaert), St. Bonaventure N.Y.—Louvain—Paderborn 1958 (künftig zitiert als »Coli. Art.«), 2, 24, der aber keine Argumente (außer der chronologischen

Das Studium in Oxford

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losophiegeschichtlichen Verbindung Ockhams zu dem Doctor Subtilis 13 anzusehen. Über die Zeit seiner wissenschaftlichen Ausbildung fehlen somit alle Nachrichten, da Ockham uns auch völlig im Stich läßt, wenn wir nach Selbstzeugnissen bei ihm suchen: was er berichtet, ist allenfalls einmal der Niederschlag der intellektuell erregenden Ereignisse der Universitätsgeschichte 14 oder die allgemeine Erfahrung des Nutzens der Logik für das Studium 15 ; persönliche

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Möglichkeit) für diese Meinung anführt. Wenn aber der Registereintrag (oben Anm. 6) auf Ockham bezogen werden soll (was Boehner annimmt), dann war Ockham nodi 1308 wahrscheinlich nicht in Oxford, sondern in der Diözese von Winchester. Dazu vgl. unten Kapitel II, besonders zum Problem der potentia-Dialektik und der Lehre von der notitia intuitiva. Die geringen Spuren, die sich finden, hat L. Baudry, Vie, 2 1 — 2 3 , zusammengestellt. Den präzisesten Hinweis gibt noch I Dial. I I 24 (f. 14 ra/b; p. 428, 22—24): »Saepe audivi a multis Anglicis et Britonibus ennarrare, quod de opinione Thomae de unitate formae — quando conclusiones, quae ex ipsa sequuntur, explicabantur — scandalum fuit in Anglia prope infinitum.« Vgl. auch die Bemerkungen zu den Zensuren Robert Kilwardby's in I Dial. II 22 (f. 13 va/b; p. 426 f.). — Vgl. auch B. Melier, Studien zur Erkenntnislehre des Peter von Ailly, Freiburg 1954, ( = Freiburger Theologische Studien 67), 231 A. 45. Vgl. die Nachweise bei L. Baudry, Vie, 22 f. (hinzuzufügen wäre heute noch z. B. Ockhams Bemerkung in seinem Elementarium Logicae, ed. E. M. Buytaert, FcS 2 j , 1965, 170) — allerdings handelt es sich hier nicht nur um eine für Ockham schlechthin charakteristische »Schwäche« für die Logik, die er so meisterhaft beherrschte: Johannes Luttereil bezeugt, daß die Logik zu jener Zeit gerade unter englischen Theologen sehr hoch geschätzt wurde. Vgl. seine Epistula de visione beatifica, § 20 f (ed. Hoffmann, Die Schriften des Oxforder Kanzlers Johannes Lutterell, Texte zur Theologie des 14. Jahrhunderts, Leipzig 1959), p. 1 1 7 , I i ff.: »Sed mihi opponitis, quod nobis Anglicis frequenter hic (d. h. doch wohl: in Avignon) opponunt: Ecce, secundum logicam respondisti. Tolle, tolle! Secundum theologicam responde ! . . . Audivi, cum essem iuvenis, quemdam magnum dicentem quod theologus sine bona logica asinus esset cornutus.« Dagegen kann die Bemerkung Richard Burys (zitiert bei H. Denifle, A. Chatelain, C U P II, 590 A. 4) von etwa 1344—1345, die Pariser Magister seiner Zeit »Anglicanas subtilitates, quibus palam detrahunt, vigiliis furtivis addiscunt« sich auch bereits auf ockhamistische Lehren beziehen. Vgl. auch im i j . Jh. Colluccio Salutatis Polemik gegen die terministische Logik, die aber nur in humanistischer Sprachkunde und nicht in einem besseren Verständnis der Logik selbst begründet ist, in De laboribus Herculis, lib I cap. ι § 2 (ed. B. L. Ulimann, Zürich 1 9 5 1 , Thesaurus Mundi. II, p. 3): Nam cum per logices, imo (ut corrupto vocabulo dicunt) loyce et philosophie cacumina volitare se iactent et de cunctis disputatione garrula discutere sint parati (proh pudor !), textus Aristotélicos nec intelligunt nec legunt, sed nescio quos tractatus apud »toto divisos orbe Britannos«, quasi noster eruditioni non sufficiat situs, querunt. Quos totis

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Leben und Schriften

Nachrichten, die seinen inneren oder auch nur äußeren Werdegang beleuchten könnten, sind nicht zu finden. So sind wir ausschließlich auf den Weg gewiesen, aus dem Gang der Studien, wie er uns aus den Universitätsstatuten 16 bekannt ist, und aus der relativen Datierung seiner Schriften 17 ein dürres Datengerüst zu ermitteln, das einige mehr oder weniger hypothetische Orientierungspunkte abzugeben vermag in dem Nebel, der über Ockhams früher Biographie liegt. Das Studium der Theologie in Oxford 1 8 kam franziskanischen lucu'brationibus amplectentes sine libris et sine testium adminiculis et dialecticam et physicam et quicquid transcendens speculatio rimatur ediscunt, sive potius edidicisse relictis sui magistri traditionibus gloriantur« (audi bei G. Pretri, Studi sulla logica formale nel medioevo I, R C S F 8, 1953, 365 A 50). Deutlicher kann man den Unterschied der logisdien Untersuchungen der Terministen gegenüber den philologischen Bestrebungen der Humanisten kaum ausdrücken. 16

Gedruckt bei H . Anstey, Munimenta académica or Documents illustrative of academic life and studies at O x f o r d . . ., 2 Bde., London 1868 ( = Rolls Series. 50) und S. Gibson, Statuta antiqua Universitatis Oxoniensis, O x f o r d 1 9 3 1 ; vgl. dazu H . Rashdall, The Universities of Europe in the Middle Ages, ed. F. M. Powicke and A . B. Emden, O x f o r d 1936, I I I , 140 ff.; die ausführlichste Darstellung der »academic or rather scholastic career of a Friar Minor ad O x f o r d « bei A. G . Little, The G r e y Friars in Oxford, O x f o r d 1892, 43— 47; A . G . Little, The Franciscan School at O x f o r d in the 13th Century, A F H 19, 1926, 803—874, bes. 8 2 $ — 8 3 1 , in dem Teildrudc dieses Aufsatzes in A. G. Little, Franciscan Papers, Lists and Documents, Manchester 1943 ( = Publications of the University of Manchester 234, Historical Series 81), 5 $ — 7 1 , ist diese Passage nicht enthalten. — Neuerdings audi C . Κ . Brampton in verschiedenen Miszellen, bes. vgl. The probable Date of Ockham's »Lectura Sententiarum«, A F H 55 (1962) 367—374 (373 f.).

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Dazu vgl. außer Baudry, (Vie, 24—9J, 261—270) besonders die Arbeiten von Ph. Boehner, Coli. Art., 3 ff., 96 ff., 168 ff. Vgl. audi E. Iserloh, U m die Echtheit des Centiloquium, in: Gregorianum 30 (1949) 7 8 — 1 0 3 , 309—346; A. Maier, Zu einigen Problemen der Ockhamforschung, A F H 46 (1953) 1 6 1 — 194; jetzt in A . Maier, Ausgehendes Mittelalter I, Rom 1964, 175—208, spez. 1 7 5 — 1 9 5 ; (vgl. audi 220 f., A . 28; p. 468; und A. Maier, Studien I V , 176 if.); E. Iserloh, Gnade und Eucharistie, Wiesbaden 1956, 1 2 — 2 6 ; zuletzt C. K . Brampton, The Probable Order of Ockham's nonpolemical Works, in: Traditio 19 (1963) 469—483.

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Die Aufstellungen über die Laufbahn Ockhams bei J . H o f e r , A F H 6 ( 1 9 1 3 ) 218 f., fußen auf H . Felder, Geschichte der wissenschaftlichen Studien im Franziskanerorden bis um die Mitte des 1 3 . Jahrhunderts, Freiburg i. Br. 1904, 539; Felder hat sich aber ausschließlich auf das Chartularium der Pariser Universität gestützt, darum sind seine Angaben nicht in allen Fällen auch für O x f o r d zutreffend. Daraus erklärt sich auch die von L. Baudry (Vie 66) konstatierte Diskrepanz zwischen H . Felder und F. Ehrle.

Das Studium in O x f o r d

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Studenten in der Regel nur zugute, wenn sie sich zuvor an Ordensstudien ausgezeichnet hatten. Wahrscheinlich wurden schon die fähigen Schüler, die sich in den bei den Konventen eingerichteten Schulen19 hervortaten, jeweils an das Provinzialkapitel gemeldet, das dann eine Auswahl von ihnen zum Universitätsstudium bestimmte 20 . Meist wurde audi das achtjährige Studium der artes, das dem eigentlichen Theologiestudium vorangehen mußte 21 , nodi in dem Heimatkloster oder einem anderen Ordensstudium absolviert, manchmal begannen dort sogar auch die theologischen Studien 22 . Ein Weltgeistlicher hatte audi hier, wie im artes-Studium zeitliche Vorteile. E r hörte zunächst drei Jahre lang kursorische Vorlesungen über die Bibel; am Ende des vierten Jahres, d. h. doch wohl nach dem Besuch einer Sentenzenvorlesung, konnte er frühestens als »opponens« zugelassen werden 23 . Ein Franziskaner dagegen mußte bis zum Ende des 6. Jahres warten, ehe er von seinem Magister dem Kanzler und den Procuratoren 2 4 der Universität präsentiert werden 19

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Für O x f o r d ist eine solche Schule allerdings nicht nachweisbar — vgl. A. G . Little, The Grey friars, 43. — Mit Recht vermuten Gài u. Brown in O T I, 35* das Studium in London, doch gibt es dafür keine Beweise. Little, The Grey friars, 43. S. Gibson, Statuta antiqua, 4 9 : E t ideo supradicta universi tas statuii et decrevit bachilarium facultatis theologiae, quem liberalium arcium honor magistralis minime decoravit, fore ad lecturam Sententiarum nullatenus admittendum, nisi prius dictas liberales artes per octo annos íntegros in universitate vel alibi rite a u d i e r i t . . . vgl. ibid. 3 4 : Si autem non determinaverit (seil, als Β. A.) audiat ad minus artes per octo annos ante suam inceptionem — D a Minoriten und die anderen »religiosi« nicht das Magisterium der Artes erwerben durften, galten diese Bestimmungen in erster Linie für sie. Vgl. dazu das spätere Statut (vor 1380) bei S. Gibson, Statuta antiqua, 178, 23 ff.: quidam in eorum primo adventu in villam O x o n i . . . ad opponendum in sacra theologia se offerunt inopinate. Vgl. dazu (außer Anm. 25) z. B. die Statuten für die »Scolares magistri Willelmi de Donelmia« vom 10. Juli 1311 (ed. H . E. Salter, Medieval A r chives of the University of O x f o r d I, O x f o r d 1920, 84—86), also einem Statut für Weltkleriker, wo neben dieser Mindestgrenze audi eine obere Zeitgrenze festgelegt ist: quod quilibet socius infra septennium sue audicionis in scolis opponat et alterius proficiat prout decet. D a für das Opponieren 2 Jahre vorgesehen waren, bedeutet das, daß die Studenten spätestens nach dem 5. J a h r diesen Grad erlangt haben mußten. D i e Prokuratoren waren die Vertreter der beiden Nationen, der »boreales« (»Northerner«) und der »australes« (»Southerner«) — vgl. S. Gibson, Statuta antiqua, p. L X X I V - L X X V I I ; A . B . E m d e n , Northerners and Southerners in the Organisation o f the University to I J 0 9 , in O x f o r d Studies presented to D . A. Callus, O x f o r d 1964, ( = O H S , n. s. 16) 1—30, vgl. die Liste der Prokuratoren, 19 ff.

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Leben und Schriften

konnte25. Es wurde geprüft, ob er sich die vorgeschriebene Zeit lang mit den artes beschäftigt hatte und ob seine Lebensführung zu keinen Beanstandungen Anlaß gab, dann konnte er als »opponens« in theologischen Disputationen auftreten. Nach weiteren zwei Jahren konnte er dann die Funktion eines »respondens« übernehmen. In den Disputationen legte der Magister eine Quaestio vor, der »respondens« gab eine erste Lösung des Problems und führte einige Argumente an, einer oder mehrere Opponenten machten Einwände, die der »respondens« zu widerlegen hatte. Am Ende gab der Magister entweder nur eine kurze Entscheidung, in der er sich etwa der Meinung des Respondierenden anschloß, oder er machte, dann allerdings meist kurze Zeit später, eine feierliche »determinatio«, die alle Seiten des Problems nodi einmal aufgriff und geordnet zur Entscheidung führte 26 . Nach einem Jahr, in dem er respondierte, also für einen Franziskaner nach insgesamt 9 Jahren seines Theologiestudiums, konnte der Student zur Sentenzenvorlesung zugelassen werden. Dafür war die Voraussetzung eine erste »deposicio« vor dem Kanzler und den Prokuratoren der Universität. Sein Magister mußte eidlich bekunden, daß er den Studenten kenne und daß dieser die nötige wissenschaftliche und persönliche Qualifikation besitze. Alle anderen magistri mußten schwören, daß sie diesem Zeugnis ihres Kollegen glaubten27. War diese »deposicio« überstanden, so blieb dem nunmehrigen »bachilarius« noch ein Jahr Zeit, während dessen er sich auf die Sentenzenvorlesung vorbereiten konnte und einige »sermones« in den Kirchen der Bettelorden bzw. in St. Mary halten mußte. Binnen eines Jahres hatte er dann mit seiner »lectura« zu beginnen, die über drei »termini«, d. h. ein volles Jahr 28 , fortzusetzen war. 25

S. Gibson, Statuta antiqua, 48 ; A . G . Little, T h e G r e y Friars, 44 f., H . Rashdall, T h e Universities . . ., 2 i 9 } 6 , I I I , 1 5 8 , F . Pelster in Little-Pelster, O x f o r d Theology, 34.



S o F . Pelster in Little-Pelster, O x f o r d Theology, 3 1 f., 4 0 — 4 2 , 1 3 3 f. (etwas anders schildert den V o r g a n g A . G . Little, T h e G r e y Friars, 45). V g l . audi P . Glorieux, L a littérature quodlibetique, I I , Paris 1 9 3 $ , 3 1 — 3 6 .

27

V g l . Gibson, Statuta antiqua, 48 ; . . . nullus de cetero ad lecturam sententiarum per Cancellarium admittatur, nisi unus saltem Magistrorum deponentium pro eodem utatur verbo scientiae deponendo, ceteris de credulitate saltem deponentibus ut est moris. Z u den »Termini« vgl. S. Gibson, Statuta antiqua, p. L X X X sq. V g l . die entsprechenden Statute v o m Beginn des 1 5 . Jh. (p. 1 9 5 ) und vom E n d e des 16. J h . (p. 4 5 3 ) — In Paris w a r ein Zeitraum von 4 Jahren vorgesehen — vgl. H . Felder, a. a. O .

28

D a s Studium in O x f o r d

9

In Paris war die Reihenfolge der Bücher I, IV, II, III — wahrscheinlich gilt das auch für Oxford 29 . Nach der Beendigung seiner »lectura« sollte der Bakkalar nun mindestens ein »biennium vel fere«30 ohne eigentliche Lehrverpflichtungen bleiben, eventuell mußte er eine kursorische Vorlesung über ein Buch der Bibel halten30*. Er hatte aber im zweiten Jahr nacheinander acht Magistern der Theologie zu respondieren, sei es bei den »ordentlichen« Disputationen oder bei den feierlichen Veranstaltungen anläßlich der Promotion eines Bakkalars zum Magisterium, den sogenannten »vesperiae« und »inceptiones«, die eine besonders ausführliche Disputation einschlossen31. Danach hatte der Bakkalar 32 alle Leistungen erbracht und konnte vom Kanzler der Universität zum Magisterium zugelassen werden. Bis er sich »magister actu regens« nennen durfte, waren drei, z. T. auch zeitlich verschiedene Akte zu vollziehen: die feierliche »deposicio«, die Erteilung der »licentia« durch den Kanzler und die »inceptio« mit den »vesperiae«33. Die »deposicio« war der korporative Akt, durch den die magistri regentes den jungen Mann in ihre Reihen aufnahmen. Vor dem Kanzler und den Procuratoren mußten a l l e Magister der Fakultät eidlich bezeugen, daß sie den Promovenden als jemanden kannten, der »tarn in scientia quam in vita« des Grades eines 29

V g l . A . Maier, Ausgehendes Mittelalter I, 1 8 1 . V g l . auch dies., D e r literarische Nachlaß des Petrus Rogerii (Clemens V I ) in der Borghesiana, I, R T h A M χ 5 (1948) 3 3 2 — 3 5 6 ,

(jetzt: Ausg. Mittelalter

II, 2 5 5 ff.), w o

A . Maier

die

Pariser Institution der »Disputatio collativa« nach dem Handexemplar des Petrus Rogerii in M s . Borgh. 39 untersucht: Bei der ersten Vorlesung zu jedem Buch, dem »principium«, f a n d jeweils eine Disputation zwischen zwei Sententiaren statt, in diesem Fall mit F r a n z von Mayronis. Z u r Edition von J . Barbet, François de Meyronnes —

Pierre Roger, Disputatio

(1320—1321),

Paris 1 9 6 1 ( = Textes philosophiques du moyen-âge, 10), vgl. jetzt A . Maier, Ausg. M A I I , 505 f. 30

S. Gibson, Statuta antiqua, 50: »Post lecturam insuper libri Sentenciarum ad minus per biennium vel fere studio incepturus insistât antequam scandat cathedram magistralem.«

30a

V g l . dazu A . G . Little, A F H 19 ( 1 9 2 6 ) , 826.

31

V g l . die Schilderung der Pariser »vesperiae« und (der O x f o r d e r »inceptio« entsprechenden) »aula« bei F . Pelster in Little-Pelster, O x f o r d

Theology,

45—47· 32

In Paris hieß er nach der Sentenzenvorlesung

»baccalarius formatus«, in

O x f o r d »inceptor«. 33

Z u m Folgenden vgl. bes. A . G . Little, The G r e y Friars, 4 7 ff.; F . Pelster in Little-Pelster, O x f o r d Theology, 4 2 — 5 3 .

10

Leben und Schriften

Magisters würdig sei34. Einstimmigkeit wurde in der theologischen Fakultät zumindest noch 1 3 1 7 gefordert, denn am 1 . November dieses Jahres beauftragte Papst Johannes X X I I . seine beiden Kardinallegaten, die u. a. auch im Streit der Dominikaner mit der Universität vermitteln sollten, daß sie die Universität dazu ermahnten, diese Regelung, die jeder Billigkeit und Vernunft widerspreche, fallen zu lassen und sich mit einer Mehrheitsentscheidung zu begnügen55. Von einem Erfolg der päpstlichen Ratschläge wird man nicht sprechen können, die Statuten jedenfalls haben nodi zu Beginn des 15. Jahrhunderts die Einstimmigkeit vorgeschrieben: audi wenn nur ein einziger Magister nicht schwören wollte, mußte man ein

34

V g l . S. Gibson, Statuta antiqua, 28 f . : D e licencia et repulsa presentati cuiuscumque facultatis. D e bachelariis licenciandis et ineepturis in quacumque facúltate, innovando prius statutum et optentum ita per universitatem est provisum ed ordinatum quod Cancellarius, qui pro tempore fuerit, nullum licenciet in aliqua facúltate nisi auditis deposicionibus magistrorum ipsius facultatis in presencia procuratorum universitatis, tarn in sciencia quam in vita, et coram eisdem procedat ad licenciam vel repulsam, et procuratores una cum Cancellarlo magistrorum deponencium scribant deposiciones. — H i e r w i r d der Sinn der Vorschrift deutlich, nach der der Baccalar reihum in den Schulen mit jedem einzelnen magister regens zu disputieren hatte: jeder M a g i ster mußte ja später aus eigener »scientia« f ü r oder gegen ihn »deponieren« können.

35

V g l . H . E . Salter, Formularies, 27 f. (nr. 1 8 ) — (Dieser Brief ist nicht in der Briefsammlung Richards von B u r y enthalten, sondern wurde aus dem Päpstlichen Register aufgenommen): » . . . i n t e r s t a t u t a . . . universitatis Magistrorum et scolarium Studii O x o n i e n ' . . . illud dinoscitur contineri, videlicet quod ille dumtaxat Baccalarius valeat in theologica facúltate magisterii licentiam obtinere quem omnes Magistri in facúltate ipsa ibidem actu regentes insimul congregati asserunt, in virtute iuramenti prestiti per eosdem, se scire ilium , qui ad magisterium in dicta facúltate tunc assumendus existit, ad i d moribus et scientia f o r e dignum; quod si forsan ex eis aliqui vel etiam unus solus super hoc dubitare vel n e s c i r e . . . se d i c a t . . ., licentiando tali huiusmodi licentia denegatur, nisi forte licentiandus ipse de gratia cancellarli et Magistrorum ipsorum ad quos huiusmodi licentie concessio pertinet ad dictum Magisterium assumatur. C u m igitur prefatum statutum si diligenter inspicitur ab equitatis et rationis dissonare tramite videatur, et ex ilio quod odiosum reputatur a pluribus, de facili possent scandala non absque nocimento dicti studii suboriri, N o s volentes super hiis . . . providere discrecioni vestre . . . mandamus quatenus vos . . . Magistros et scolares predictos ex parte vestra moneatis attentius et etiam inducatis, quod prefatum statutum ad hoc reducere studeant moderamen, scilicet quod eidem licentiando Baccalario quem maior pars Magistrorum ipsorum se scire dicunt eum ad id moribus et scientia . . . fore dignum . . . ad Magistratum ipsum . . . huiusmodi licentia M a gisterii concedatur.

Das Studium in O x f o r d

11

volles Jahr warten, bevor die »deposicio« wiederholt werden konnte 30 . Die Universität versuchte schon bald, durch strenge Geheimhaltungspflicht den feierlichen Akt der Selbstdarstellung der Korporation vor allzu großen Pressionen zu schützen. Der Kanzler und die Prokuratoren waren verpflichtet, niemandem den Inhalt der deposicio eines oder der Magister mitzuteilen oder audi nur anzudeuten; andererseits waren auch die Magister selbst gehalten, gegenüber dem Promovenden und vor jedermann vor und nach der Deposicio strenges Stillschweigen zu bewahren 37 . Den Vorgang selbst müssen wir uns so vorstellen, daß sich alle »magistri regentes« der Fakultät vor dem Kanzler und den Prokuratoren versammeln. Jeder einzelne Magister schwört dann zuerst, daß er ein wahrhaftiges Zeugnis (fidele testimonium) ablegen werde und der Wahrheit gemäß, unbeeinflußt von Bitten oder Geschenken, Freundschaft oder H a ß , Furcht oder Hoffnung auf irgendwelche in Aussicht gestellte Belohnungen auf die Frage des Kanzlers antworten werde. Keinen Würdigen wolle er zurückweisen, keinen Unwürdigen promovieren, nichts Wahres verschweigen und nichts Falsches sagen. Darauf verpflichtet der Kanzler die Prokuratoren eidlich, jeden Wahlbetrug (fraus) zu verhindern 38 . Ein Magister präsentiert dann den Promovenden 39 und die anderen Magistri »deponieren« auf die Frage des Kanzlers hin40 »de certa scientia«, indem sie auch den Grund für ihre Kenntnis angeben 41 . Ist die »deposicio« erfolgreich verlaufen, erfolgt der zweite Akt: der Kanzler der Universität erteilt kraft seines Amtes und kraft der Autorität der gesamten universitas dem Promovenden die »licencia« zu inzipieren und alle Rechte und Pflichten eines Magisters wahrzunehmen, sofern er die nodi ausstehenden Leistungen erbracht habe 42 . 36 37 38 39

40

41 42

S . G i b s o n , Statuta antiqua, 225 (Statut zwischen 1 4 1 $ und 1430). ibid., 3 1 (Statut v o r 1 3 5 0 ? ) ibid., 30 (Statut v o r 1 3 5 0 ) ibid., 29 (vor 1350). D a s geschieht mit den Worten: »Domine Cancellarle, presento vobis istum badiilarium talis facultatis ad incipiendum in tali facúltate, quem scio ydoneum, tam in sciencia quam in moribus, ad incipiendum in eadem facúltate in fide prestita universitati«. Die Frageformel v o m A n f a n g des 1 5 . Jahrhunderts findet sich bei S. Gibson, Statuta antiqua, 224 f. ( 1 4 1 5 — 1 4 3 0 ) . ibid., 29 f. D i e Formel (vor 1 3 5 0 ? ) bei Gibson, 36: A d honorem Domini nostri Jesu

12

Leben und Schriften

Was nun noch ausstand, waren die beiden feierlichen Akte, in denen der Lizentiat nunmehr seinerseits seine »inceptio« als magister feierte, indem er einmal vor der gesamten Öffentlichkeit der Universität in besonders solemner Disputation seine Fähigkeiten unter Beweis stellte und andererseits auch durch entsprechende Gaben und ein Festmahl für alle magistri in die Lebensgemeinschaft der universitas eintrat. Binnen eines Jahres nach seiner Lizenzierung 43 mußte der zum magisterium Zugelassene seine »inceptio« begehen. Zu dem festgesetzten Termin lud der »incipiens« alle magistri regentes persönlich ein44. A m Vortage der eigentlichen »inceptio« fanden in der Kirche St. Mary 4 5 unter dem Vorsitz eines Magisters die »vesperiae« statt, eine öffentliche Disputation, zu der der praesidierende Magister durch den Fakultätsdiener seine Kollegen hatte einladen lassen40. Bei dieser Gelegenheit teilte er auch gleich die Quaestionen mit, die anläßlich der »vesperiae« disputiert werden sollten47. Offenbar also setzte sie in O x f o r d nicht wie in Paris der »incipiens« fest, sondern sein Mentor 48 . Als »opponens« fungierten in O x f o r d Christi ac beate Virginis et omnium Sanctorum et ad profectum sacrosancte ecclesie et studii, auctoritate mea et tocius universitatis do tibi licenciam incipiendi in tali facúltate, legendi et disputandi, et omnia faciendi que ad statum magistri in eadem facúltate pertinent, cum ea compleveris que ad talem pertinent solempnitatem. In nomine Patris et Filii et Spiritus Sancti. Amen. 43 44

45

48 47 48

V g l . unten A n m . n 6. V g l . S. Gibson, Statuta antiqua, 36 f . (vor 1 3 5 0 ? ) : Item consuetudo est quod omnes incipientes cum fuerint licentiati in quacumque facúltate scolas omnium magistrorum, quatenus intersint suis incepcionibus, debeant supplicare. Serviens eciam illius facultatis, nomine magistri vesperias tenentis, debet ilio tempore dicere quod talis magister supplicat magistro illarum scolarum quatenus suis intersit versperiis, si debeat interesse. Quod si incipiens festum teneat magistris in suis hospiciis, quatenus sue intersint incepcioni, debet similiter supplicare. Jedenfalls seit dem A n f a n g des 1 4 . J h . , vgl. S. Gibson, Statuta antiqua, j 2 (c. 1 3 1 1 ) : »Item statutum est quod singuli doctores sacre theologie teneantur in ecclesia beate Virginis sue facultatis vesperias celebrare« — im 1 3 . J h . hielten Dominikaner und Franziskaner ihre Vesperiae jeweils in ihrer O r denskirche; v g l . A . G . Little, The G r e y Friars, 48; F . Pelster in Little-Pelster, O x f o r d Theology, 48. V g l . A n m . 44. S. Gibson, 37, 1. 30 f f . (vor 1 3 5 0 ? ) B z w . der praesidierende Magister. D a ß dieser aber mit dem incipiens in der Regel besonders verbunden w a r , beweisen die bei F . Pelster in Little-Pelster, O x f o r d Theology, 45, Α . 4 u. 5 zitierten Belege.

Das Studium in Oxford

13

bei den »vesperiae« die magistri, an erster Stelle der »senior«49. So können die Vesperien nodi als Veranstaltung betrachtet werden, in der die Magister die wesentliche Rolle spielen und sich der Lizentiat zum letzten Male in seiner Rolle als Bakkalar vorstellt. Bei der feierlichen Disputation am nächsten Tage nämlich tritt das Kollegium der magistri in den Hintergrund. Wurden die »vesperiae« nach dem offiziellen Sprachgebrauch vom präsidierenden Magister gehalten 50 , so fällt die »inceptio« in die Verantwortung des Lizentiaten, sie ist seine Veranstaltung. Er gibt durch eine kurze »lectura« eine Einführung und bestimmt dann das Thema der Disputationen, die sich anschließen. Zunächst fungiert sein nächster »Konkurrent« — wenn wir so sagen dürfen — der Bakkalar, der die nächste »inceptio« halten wird — als respondens 51 . Der »incipiens«, der die Disputation — zum ersten Male als Magister — leitet, opponiert zunächst. Dann gibt er die Frage an den jüngsten Magister der Theologie weiter (sofern dieser noch an keiner »inceptio« in dieser Funktion teilgenommen hat) und opponiert wiederum gegen dessen Lösung. Schließlich — und das zeigt, daß er bei der Disputation den Vorsitz führt — »determiniert« er die Frage, allerdings in einem abgekürzten Verfahren: er wiederholt nur das wichtigste Argument, um dann in kollegialer Solidarität sich f ü r die weitere solutio auf die Antwort der magistri zu beziehen. »Ad hec et ad alia sufficiat responsio magistrorum D2 .« Am Ende der inceptio schwört der incipiens öffentlich, die Satzungen, Gewohnheiten und Freiheiten der Universitas einzuhalten 53 , und ist dann in die Ge49

50 51

52 53

S. Gibson, 37. — Den Beweis, daß es sich um den »senior« der magistri, nicht um den der Bakkalare handelte, hat F. Pelster, a. a. O., 49 A. 5 erbracht. Vgl. Anm. 44. Vgl. S. Gibson, Statuta antiqua, 38 (1. 3—23), vgl. 37 (1. 1 3 — 1 8 ) — Jedenfalls ist dies die Regel bei der theologischen Fakultät, während in den anderen höheren Fakultäten auch hier ein Magister als respondens auftritt, und zwar derjenige, der zuletzt inzipiert hat. — Vgl. auch die Darstellung für die Kirchenjuristen bei L. Boyle, The Curriculum of the Faculty of Canon Law at Oxford in the First Half of the 14th Century, in: Oxford Studies presented to Daniel Callus, Oxford 1964 ( = O H S n. s. 16), 1 5 5 — 1 6 2 , hier 156 f. Für die Theologen vgl. F. Pelster, a. a. Ο., p. 50. Für die Artisten: J . Α. Weisheipl, Curriculum of the Faculty of Arts at Oxford in the Early Fourteenth Century, MS 26 (1964) 1 4 3 — 1 8 5 . Gibson, 38 (1. 22 f.) Gibson, 67 (1. 6—10) — bei den Theologen war dieser Eid ein »sacramentum« (d. h. doch wohl ein Eid auf die Bibel), während in den anderen Fakultäten eine »fides« genügte, (d. h. ein Treuegelöbnis). Die Formel, mit der der Prokurator den Magister verpflichtet, findet sich bei Gibson, 19 (Statut vor

14

Leben und Schriften

meinschaft der Magister aufgenommen. Für die zwei folgenden Jahre 54 muß er alle Lehrverpflichtungen als »magister actu regens« erfüllen. Am Ende dieser Zeit hat er, wenn er den Statuten entsprechend vorangeschritten ist, mindestens 23 bis 24 Jahre Studien und Lehrveranstaltungen hinter sich. Dies also ist etwa das Bild, das die Statuten von der ordentlichen Karriere eines Magisters der Theologie entwerfen — leider fehlen alle Anhaltspunkte dafür, wieweit diese Bestimmungen audi wirklich eingehalten wurden. Erst für die zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts liegen die Register vor, die uns eine Konfrontation der Norm mit den tatsächlichen Verhältnissen ermöglichen, und damals ist die Variationsbreite beträchtlich, audi im Sinne einer Abkürzung des erforderlichen Zeitraumes55. So sind alle Rechnungen, die die Karriere Ockhams aus den Bestimmungen der Statuten erschließen möchten, nur mit der nötigen Vorsicht aufzufassen: mehr als die Aussage, daß seine Studien etwa in dieser Weise abgelaufen sein könnten, ist nicht zu gewinnen56. Da wir zudem nicht wissen, wann Wilhelm Ockham in den Orden eingetreten ist, fehlt uns ein sicherer terminus post quem für unsere Rechnungen57.

54 55 56

57

1 3 5 0 ? ) : Magister, tu iurabis, quod observabis statuta, privilegia consuetudines et libertates istras universitatis, ponendo manum ad pectus. (In den anderen Fakultäten hieß es nur: M., tu dabis fidem ad observandum . . . universitatis.) Gibson, 54 (1. I i — 2 2 ) — (Statut von 1350). V g l . A . G . Little, The G r e y Friars, j o f. Diese methodische Vorsicht lassen die verschiedenen A u f s ä t z e von C . K . Brampton zu sehr in den Hintergrund treten: A l l z u leicht nimmt Brampton etwas, das nur wahrscheinlich oder auch nur möglich ist, als Grundlage seiner Berechnungen (vgl. z. B . charakteristisch in A F H 55, 1962, 373 f.), um dann das Ergebnis seiner Überlegungen als Wirklichkeit zu suggerieren. Z u den Schwierigkeiten, in die eine solche z w a r ergebnisreiche aber doch allzu hypothetische Methode kommt, vgl. auch unsere Kontroverse mit Brampton in A F H 60 (1967), 55—78 u. in A F H 61 (1968), 88—94. Brampton stützt sich auf die Statuten, die ein Mindestalter von 18 Jahren f ü r den Ordenseintritt vorsehen (M. Bihl, Statuta generalia Ordinis, edita in capitulis generalibus celebratis N a r b o n a e an. 1260, Assisi an. 1 2 7 9 atque Parisiis an. 1 2 9 2 , A F H 34, 1 9 4 1 , p. 1 3 — 9 4 , 2 8 4 — 3 5 8 , hier p. 39 [§ 2 ] — ) ; allerdings hat schon L . Öliger, D e pueris oblatis in Ordine Minorum, A d d i t a mentum A F H 10, 1 9 1 7 , p. 2 7 1 — 2 8 5 zahlreiche Beispiele f ü r die Durchbrechung dieser Regel angeführt, v g l . z. B. p. 274 (ein Beispiel aus der P r o vinz Anglia Mitte des 1 3 . Jh.) und p. 275 f . (Beispiele aus dem 1 4 . J h . : Ubertin von Casale, A b o r Vitae V 3 u. A l v a r o Pelayo, D e Planctu I I 73). Vgl. auch weitere Beispiele bei G . Mollat, Exodes de l'Ordre des Frères M i neurs au X I V siècle, A F H 60 (1967), 2 1 3 — 1 5 , hier 2 1 4 A . 4 f.

15

Die Sentenzenvorlesung

Ockhams Schriften aus der akademischen Zeit ι . Die Sentenzenvorlesung Der zweite Weg, der Versuch einer relativen Chronologie von Ockhams Schriften verspricht etwas weniger hypothetische Ergebnisse58. Sicher wissen wir, daß 1323 Ockhams Sentenzenkommentar vorgelegen hat59, und daß seine Summa Logicae vor 1329 (vermutlich sogar vor 1327) geschrieben wurde60. Für die relative Chronologie, die Ockhams Schriften in diesen Rahmen einordnet, sind wir hauptsächlich auf die Hinweise angewiesen, die Ockham selbst gibt, indem er sich in Rück- und Querverweisen auf seine früheren Schriften oder auf literarische Pläne bezieht. Ein absolut sicheres Argument sind solche Verweise natürlich nicht; vor allem ist es gefährlich, aus dem Fehlen solcher Verweise vorschnell Schlüsse zu ziehen. Das zeigt allein schon das Ergebnis, zu dem Léon Baudry gelangte, der sich fast ausschließlich auf diese Methode zur chronologischen Bestimmung stützte und der zu der Ansicht kam, Ockham müsse die meisten seiner Schriften zum aristotelischen Korpus vor der Sentenzenvorlesung geschrieben haben61. Philotheus Boehner hat dagegen auf ein weiteres Moment aufmerksam gemacht. Eine der wenigen nachweislichen Wandlungen in Ockhams Lehranschauungen ist in seiner Ansicht über die Natur der Allgemeinbegriffe zu erkennen. Ockham vertritt etwa in II—IV Sent, ausschließlich die sogenannte »Fictum«-Theorie, d. h. die Allgemeinbegriffe haben nur ein »esse obiectivum« als Gegenstand des Denkaktes, keine eigene Wirklichkeit, z. B. als Akzidentien der Seele. Diese Ansicht wird später von 58

Die neuere Literatur in A n m .

59

P . Boehner, C o l i . A r t . ,

17.

3 — Johannes Luttereil ist in diesem J a h r mit seiner

Anklageschrift nach A v i g n o n aufgebrochen, die sich auf I — I V Sent, stützt. D a z u vgl. unten A n m . 204 f. 60

V g l . P. Boehner, T h e Tractatus de Successivi, 4 ; Ph. Boehner (ed.) William Ockham, Summa Logicae, pars prima, St. Bonaventure N . Y . - L o u v a i n

1951,

p. X I I I . Dies stützt sich auf eine Anmerkung des Schreibers im Kolophon des Ms. E r f u r t , A m p i . O . 67, das 1 3 3 9 geschrieben wurde (vgl. W . Schum, Beschreibendes Verzeichnis der Amplonianisdien Hss.-Sammlung zu E r f u r t , Berlin 1 8 8 7 , 7 2 6 ) , nach der Walter Burleigh seinen Logiktraktat, der

1329

vorlag, gegen Ockhams S. L . geschrieben habe. V g l . dazu L . Baudry, Vie, 260 f . ; P . Boehner, C o l i . Art., 98 f.; und Ph. Boehner (ed.) Walter Burleigh, D e puritate artis l o g i c a e . . . , St. Bonaventure, N . Y . - L o u v a i n 1 9 5 5

(Franc.

Inst. Pubi., T e x t Ser. 9) p. V I I sq. 111

Vgl. Vie, 2 4 — 9 $ , 2 6 1 — 2 7 0 ;

und das chronologisch geordnete Verzeichnis

( 2 7 3 — 2 S 5 ) , w o die Sent, erst an 7. Stelle (276) erscheinen.

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Ockhams Schriften aus der akademischen Zeit

Ockham entschieden und eindeutig zurückgewiesen, etwa in den Quodlibets oder den Quaestiones in libros physicorum, und Ockham vertritt dafür eine »Intellectio«-Theorie, d. h. er identifiziert die Allgemeinbegriffe nun mit dem Denkakt selbst, der intellectio, nicht mehr mit deren Gegenstand, und kann sie daher als Akzidentien der anima, d. h. als realpsychisch Seiendes auffassen 62 . Im I. Buch des Sentenzenkommentars und in einigen anderen Schriften finden sich — jedenfalls in ihrer heute vorliegenden Form — beide Theorien nebeneinander, ohne daß Ockham eindeutig Stellung bezöge. Der Schluß ist zwingend, daß diese verschiedenen Meinungen die Geschichte seiner Entwicklung widerspiegeln, die von der »Fictum«-Theorie zur »Intellectio«-Theorie der Allgemeinbegriffe verlaufen sein muß. Ockhams Sentenzenkommentar liegt uns heute in dem Druck Johannes Trechsels, Lyon 1495 e 3 Υ 0 Γ · Dabei ist das I. Buch als ein Scriptum, bzw. eine Ordinatio, d. h. als eine eigene Ausarbeitung Ockhams anzusehen64, Buch I I — I V dagegen liegen als Reporta62

V g l . besonders deutlich P h . Boehner, Coli. Art., 99 f . (in Auseinandersetzung mit B a u d r y ) , vgl. auch C o l i . A r t . 1 4 6 — 1 4 8 , 1 6 8 — 1 7 0 . (Die Qdl. und Q u . Phys. sind eindeutig nach den Sent, anzusetzen, vgl. L . B a u d r y , Sur trois manuscrits Occamistes, A H D L t. 10, a. 1 0 — 1 1 , 1 9 3 5 — 3 6 , 1 2 9 — 1 6 2 , spez. 1 4 2 ; L . B a u d r y , Vie, 67 ff.) — Die Kontroverse zwischen B a u d r y und Boehner hat C . Κ . Brampton, Guillaume d'Ockham et la »Prima redactio« de son commentaire sur les Sentences, R H E j 6 ( 1 9 6 1 ) , 470—476, zusammengefaßt und hat sich auf G r u n d einiger zusätzlicher Argumente aus den zwei Fassungen von I Sent. d. 2 q. 8 zugunsten von Boehners Ansidit entschieden.

63

H a i n N r . 1 1 9 42 f., photomech. Nachdruck in Guillelmus de Occam, O . F . M., Opera plurima, L y o n 1 4 9 4 — 1 4 9 6 , tomus I I I u. I V , London 1 9 6 2 ; (zitiert als I — I V Sent.); I Sent, ist auch in Straßburg 1483 gedruckt worden (Hain N r . 1 1 9 4 5 ) ; Die kritische Edition von Prolog und I. Distinctio liegt mit O T I v o r . Kritische Teileditionen: Ph. Boehner, Guillelmi Ockham quaestio prima principalis prologi in primum librum Sententiarum, Zürich-Paderborn — N e w Jersey 1939 ( = Textuum Guilelmi Ockham, fase, i ) ; Ph. Boehner, The T e x t Tradition of the Ordinatio, in: The N e w Scholasticism 1 6 , 1 9 4 2 , 2 0 3 — 2 4 1 , spez. 222 fi. ( = I Sent. d. 2 q. 8); Ph. Boehner, The N o t i t i a Intuitiva of Non-Existents according to William Ockham, in: Traditio 1 (1943), 2 2 3 — 2 7 5 , spez. 245 ff. ( = I I Sent. q. 1 4 — 1 5 ) ; P. Boehner, Phil. Writ., 1 0 2 — 1 0 6 ( = I Sent. d. 2 q. 9 Ρ sqq.) 1 3 3 — 1 3 5 ( = I Sent. d. 38 q. u. L — N ) , 1 3 9 — 1 4 1 ( = I I Sent. q. 26 Ν sqq.) 1 0 6 — 1 1 3 ( I I I Sent. q. 8 L sqq.) — Die vollständigste Liste von 1 7 Handschriften findet sich in O T I, I i * — 1 8 * . Hinzuzufügen ist dort Ms. Glessen 773 (saec. X V ) , f . 1 — 3 3 0 v a ; vgl. unsere Rezension zu O T I in Z K G , 1969.

64

Als »Ordinatio« w i r d I Sent, schon in I V Sent. q. ult. in Ms. O x f o r d , Merton Coll. 100, f. 202 zitiert ( = Trechsel, I V Sent. q. 1 4 , H , f. x 6 r b : »patet ex primo«) und im E x p l i c i t des Ms. Bruxelles, Bibl. R o y a l e 1680 (1284), f . 405

Die Sentenzenvorlesung

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tionen vor, d. h. als — eventuell von Ockham überarbeitete, aber im wesentlichen von Schülerhand verfaßte Nachschriften seines Kollegs05. Schon Michalski hat bemerkt, daß uns die Ordinatio zum I. Buch in einer überarbeiteten Fassung überliefert ist66. Mit einer anderen Begründung hat Philotheus Boehner diese Vermutung zur Gewißheit gemacht 61 .Er entdeckte im Ms. Florenz,Bibl.Naz.,Conv. Soppr. A . I I I 801 eine Fassung der Ordinatio, die sich gegenüber dem Text der anderen Handschriften und der Edition durch bemerkenswerte Auslassungen unterscheidet. Einige dieser Auslassungen betreffen nun gerade solche Passagen, in denen Ockham nach dem bisher bekannten Text die Intellectiotheorie der Universalbegriffe als wahrscheinlich neben die Fictumtheorie stellt. Der Schluß, daß uns in der Florentiner Handschrift 68 ein Repräsentant der ι . Redak-

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ββ

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r°; vgl. K . Michalski, Le Criticisme et le scepticisme dans la philosophie du X l V e siècle, in: Bull. Int. Pol. 1 9 2 5 , C r a c o v i e 1926, 44 f. A n diesen Stellen scheitert u. E . der Versuch von V . Richter (Zu Ockhams Handschrift V a t . Borghese 68, in: Gregorianum 46, 1965, 7 6 6 — 8 1 6 , hier 7 8 1 — 7 8 4 ) , I. Sent, »als zur Geschichte eines Reportationstextes zugehörig zu betrachteil« (p. 783). V g l . aber unten Anm. 94. Die Hrsgbr. von O T I haben gezeigt, das 1 1 von 1 7 Mss. die Schrift als »scriptum« bezeichnen, d. h. als eigenhändige N i e d e r schrift (vgl. O T I, 3 3 * f.). A l s »Reportata« werden I I — I V Sent, im Incipit von Ms. Bruxelles, Bibl. R o y a l e , 1679 ( 3 J 1 2 ) f . 1 r°, bezeichnet und auch von den Zeitgenossen als »reportationes« zitiert, z. B . von A d a m Woodham, später von Marsilius von Inghen und Peter von A i l l y . (vgl. K . Michalski, a. a. O., 43 f.). In I I Sent, q. 8 Ν (f. c 2 v a ) bezieht sich Ockham auf die »reportationes nostrae«, vgl. P . Boehner, Coli. Art., 5. a. a. O., 43, gestützt auf I Sent. d. 27 q. 3 Η » . . . Q u a m materiam tractavi et fere omnes alias de primo libro, antequam vidi opinionem hic recitatam.« D a Ockham aber auch vorher (ζ. Β. I Sent. d. 1 q. 3 Β ; O T I, 405 f f . — Die Passage gehört hauptsächlich bereits der » 1 . Redaktion« an!) Aureoli zitiere, sei bewiesen, »que le premier livre a été remanié par l'auteur luimême . . . « (a. a. O., 43). V g l . auch K . Michalski, Die vielfachen Redaktionen einiger Kommentare zu Petrus Lombardus, in Miscellanea F r a n z Ehrle, I, R o m 1924 ( = Studi e Testi 37), 260. In der Einleitung zu seiner Ausgabe von I Sent. d. 2 q. 8, jetzt in Coli. Art., 1 1 0 — 1 2 7 , spez. 1 1 9 — 1 2 5 . Dieses Ms. ist nicht das einzige, das diese Textstufe repräsentiert. P. Boehners (Coli. Art., p. 6) und A . Maiers Vermutung, daß das Ms. V a t . Borgh. 68 eine Abbreviation dieser ersten Redaktion enthält (Ausgehendes Mittelalter I, 1 7 6 A . 2, 1 8 0 — 1 8 7 und A . Maier, Codices Burghesiani, R o m 1 9 5 2 , 88), ist z w a r von V . Richter, Z u Ockhams Handschrift V a t . Borgh. 68, Gregorianum 46, 1965, 773 bestritten w o r d e n : seiner Ansicht nach haben w i r in ihr eine Abbreviation der 2. Redaktion v o r uns. V g l . jetzt aber A . Maier, Ausg. M A I I , $ 2 3 — 5 2 6 u. G . G a l u. S. B r o w n in O T I, 2 3 * — 2 6 * , w o diese A u f fassung eindeutig widerlegt wird.

2 Μ ¡ e t h k e , Odcham

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tion vorliegt, ist nicht von der H a n d zu weisen und ist auch allgemein akzeptiert worden. Die Beobachtung, daß manche der Zusätze der 2. Redaktion in alten Manuskripten noch teilweise als Marginalnoten zu finden sind, bestärkt diese Vermutung, denn das läßt den Rückschluß zu, daß sie aus einer Handschrift abgeleitet sind, in der alle diese Zusätze noch als Marginalien des Autors zu finden waren 69 . Die auffälligste Lücke in dem Text der Florentiner Handschrift ist zwischen I. Sent. d. 27 q. 3 und d. 30 q. 1 zu finden, in denen sich der Text der Edition (und der anderen Hss.) mit Peter Aureolis »esse apparens«-Theorie der Universalbegriffe auseinandersetzt 70 . Diese Lücke ist nicht zufällig, denn die Behandlung der Lehre Aureolis ist im Florentiner Ms. gar nicht vorgesehen gewesen 71 . In der zweiten Redaktion dagegen ist sie ausführlich ausgebreitet. Dabei bemerkt Ockham ausdrücklich, wenn seine Polemik gegen Aureoli eher dessen Worte als seine Intention treffen sollte, so könne er nur darauf hinweisen, daß er sich nur sehr wenig Zeit genommen habe, Aureolis Text zu studieren, denn er habe nur insgesamt etwa 24 Stunden seine »dicta« gelesen72. Diese Notizen nun helfen uns 69 70

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Vgl. P. Boehner, Coli. Art., 120 f. P. Boehner, Coli. Art., 123. Der Text setzt wenige Zeilen nach dem Beginn von q. 3 aus (bei Si d i c a t u r . . . secundum realem emanationem vel generationem; § B) und überspringt dann noch d. 28 q. u. und d. 29 q. u., um erst mit d. 30 q. ι wieder einzusetzen. Darauf hat E. Iserloh, Gnade und Eucharistie, 15 mit A. 63, aufmerksam gemacht und hat schon 1956 daraus die Vermutung ausgesprochen, daß demnach Cod. Vat. Borgh. 68 nicht derselben Textstufe zuzurechnen ist wie Ms. Florenz, Bibl. Naz. A. 3. 801. Vgl. dazu jetzt aber A. Maier, Ausg. M A II, 523 f., A. 3; u. G. Gal u. S. Brown, in Ο Τ Ι , 23* ff. I Sent. d. 27 q. 3 H : Ista opinio . . . videtur mihi falsa. Quia tarnen pauca vidi de dictis illius doctoris — si enim omnes vices, quibus respexi dicta sua, simul congregarentur, non complerent spacium unius diei naturalis ideo contra opinantem istum nolo multum arguere. Possem enim leviter ex ignorantia dictorum magis contra verba quam contra mentem suam arguere. Quia tarnen conclusio, sicut sonat, apparet mihi falsa, arguam contra eam, sive argumenta procédant contra mentem opinantis sive non . . . Vgl. § J : . . . Ad argumenta prioris opinionis est dicendum — ex quibus responsionibus forte apparebunt aliqua contra mentem dicentis, non tarnen sum certus, quia non vidi cum in aliis locis de illa materia. — Ad primum d i c o . . . Das gleiche berichtet Ockham auch in I Sent. d. 7 q. 1 Y (zur Frage, ob die essentia divina das pricipium formale elicitivum der generatio divina sei) : (. . . sed non est formaliter). Et si quaeratur quid sit dicendum de virtute sermonis, dico quod illud vocabulum »elicitum«, sicut usitatur in quaestione, raro vel numquam invenitur in philosophis vel sanctis. Et ideo utendum est eo sicut homines

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ein wenig weiter: wir wissen73, daß Aureoli, der in Bologna ( 1 3 1 2 ) oder in Toulouse (1314) die Sentenzen gelesen hatte, noch im Jahre 1 3 1 6 sein großes Editum oder Scriptum über das 1. Sentenzenbuch abgeschlossen haben muß, denn die Prachthandschrift der Vatikani-

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communiter utuntur. Et si varii vario modo utantur, sicut iste doctor ( = Peter Aureoli) aliter quam alii utitur, quantum mihi videtur ex dictis suis hic — quamvis certitudinem de eis non habeam pro eo, quod in respiciendo dicta sua numquam ad spacium unius diei expendi — distinguendum est, et tunc secundum varias significationes potest de virtute sermonis utrumque concedi. Et tamen iste, quantum mihi apparet ex dictis suis, hic non discordât ab aliis nisi in voce. Quae tamen fuerit intentio sua, nescio. (Ad secundum dubium . . . ) (Auf diese Stelle hat L. Baudry, Vie, 63, aufmerksam gemacht, irrtümlich verweist er nur auf I Sent. d. 17, q. 1 Y ; C. K . Brampton, A F H 55, 1962, 372 zitiert die Stelle richtig). Herr Professor Casamassima teilte mir freundlich mit, daß sich dieser ganze Passus nicht in Ms. Florenz, Conv. Soppr. A 3. 801 (f. 68 r, ursprünglich f. 67 r) findet: Nach der Antwort auf das 2. Argument geht Ockham zugleich zum 2 m dubium über ( . . . non est formaliter. Ad secundum dubium dico . . . ) . Hier fällt auf, daß sich der Zusatz der 2. Redaktion nicht in den Argumentationsgang der Quaestio einschaltet, sondern daß Ockham eine Anmerkung über Aureolis Sprachgebraudi einfügt, nachdem er sich schon vorher mit seinen Argumenten auseinandergesetzt hat — vielleicht hatte er bemerkt, oder war aufmerksam darauf gemacht worden, daß seine Polemik Aureoli nicht traf? (Vgl. Anm. 82.) Zur Chronologie der verschiedenen Rezensionen von Aureolis Sentenzenkommentaren vgl. E. M. Buytaert (ed.), Peter Aureoli, Scriptum super primum Sententiarum St. Bonaventure, N . Y.-Louvain 1952, p. X V I — X X I , u. A. Maier, Ausgehendes Mittelalter I, 65 f. A. 60; 265—289. — Die Miszelle von C. K . Brampton, A note on Auriol, Ockham and Ms. Borghese 329, Gregorianum 41, i960, 7 1 3 — 7 1 6 , ist dagegen nur mit größter Vorsicht zu gebrauchen, da sie Aureolis Pariser Karriere unzulässig dramatisiert: Das Interesse des Papstes an Aureoli erklärt sich gewiß nicht aus dem großen Fleiß, der im Brief des Papstes nun wirklich nur topisch angeführt wird: wir brauchen aus dem Satz: » . . . i n studio theologiae facultatis diebus insudavit et noctibus sie per continuationem studii et exercitium lectionum profecit laudabiliter« keineswegs zu schließen, der Sentenziar habe tags sein Kolleg gelesen und nachts studiert (Brampton 714), sonst müßten z. B. auch alle englischen Magistri zu jener Zeit in Paris vor Schlaflosigkeit erschöpft gewesen sein: denn Luttereil schmeichelt ihnen in einem Brief: »noctes insompnes ducitis et vires vestras gravis studii expenditis in labore« (ed. H. E. Salter, Formularies, 79, nr. 68). Diese Protektion findet vielmehr ihre zwanglose Erklärung in der landsmannschaftlichen Verbundenheit Aureolis mit Johannes X X I I . (vgl. unten Kap. III, Anm. 57 a, Maier Ausg. MA I, 66 Α. 6o f.). Die Kritik Wyltons bezog sich ja gerade nicht auf die »esse apparens«-Theorie, sondern auf die Realdistinktion — solche akademischen Auseinandersetzungen gehörten zum »normalen« Universitätsbetrieb. Und inwiefern das mit päpstlicher Fürsprache (!) 1318 erlangte Doktorat die »troubles« Aureolis beendet haben soll, »when as a doctor of theology he rose to be

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sehen Bibliothek, die entweder Aureoli selbst dem gerade gewählten Papst dedizierte, die wahrscheinlicher aber Johannes X X I I . selbst für seine Bibliothek herstellen ließ, ist von dem Schreiber im Mai 1 3 1 7 beendet worden, muß also im Herbst 1 3 1 6 im Text dem Schreiber vorgelegen haben74. Auf dem Generalkapitel des Minoritenordens 1 3 1 6 wurde Peter Aureoli als Baccalar zur Sentenzenvorlesung in Paris bestimmt — vielleicht auf Grund dieser schon vorliegenden Ausarbeitung 75 . Von Aureolis Pariser Lectura ( 1 3 1 6 bis 1 3 1 8 ) sind uns zum I. Sentenzenbuch drei Handschriften erhalten76, die im wesentlichen bis zur Distinctio 32 übereinstimmen. Die Erklärung, die Anneliese Maier für die näheren Abhängigkeitsverhältnisse gegeben hat, ist einleuchtend: wahrscheinlich haben wir in dem Borghesianus 123 eine Textstufe vor uns, die einer Ordinatio gleichkommt, und die das Handexemplar des Aureoli gewesen sein könnte. Der Text dieser nicht völlig ausgearbeiteten Fassung wurde wohl zur Zeit der Pariser Vorlesung nur bis zur Dist. 32 bekannt (weil er f ü r die weiteren Distinctionen noch nicht vorlag?) und verdrängte alle Reportationen 77 . Das letzte Drittel des Buches wurde equal of his critics« (Brampton, 7 1 6 ) ist gänzlich unerfindlich. Eher w i r d Aureolis Promotion zum E B von A i x (am 27. 2. 1 3 2 1 ) ihn der akademischen Diskussion enthoben haben (ganz abgesehen davon, daß zumindest Ockham, auf dessen K r i t i k sich B r . beruft ( 7 1 4 ff.) ja bestimmt auch nach Bramptons A u f f a s s u n g 1 3 1 8 kein doctor w a r ) — Gänzlich mißverstanden sind A . Maiers Ergebnisse, wenn Brampton meint, »it w o u l d seem that Ms. V a t . lat [6768] was used by Auriol f o r a portion or the whole of his second year of lecturing, and that the whole of this M s . . . . was discarded by the time that Ms. Borgh. 1 2 3 was completed by Auriol.« Ms. V a t . lat. 6768 ist eine Abbreviation aus einer Reportation der Pariser Vorlesung (vgl. Maier, 277 f.), die wohl in den Gedanken, nicht aber in der konkreten Behandlung der Einzelprobleme mit Ms. Borgh. 1 2 3 , einer späteren, nicht vollendeten Ausarbeitung Aureolis, übereinstimmt. 74

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Es handelt sich um Ms. V a t . Borgh. 329; das Explicit ist abgedruckt bei A . Maier, Ausgehendes Mittelalter I, 65 A . 60, 144 f. A . 1 5 ; 266 f . ; E . M . Buytaert, Peter Aureoli, scriptum . . . , p. X I I A . 24. A . Maier, Ausgehendes Mittelalter I, 66 A . 60; E . M . Buytaert, Scriptum . . p. X I I I A . 25, X V . Ms. V a t . Borgh. 1 2 3 , Ms. Berlin theol. lat. fol. 536 (jetzt Tübingen), u. Ms. P a d u a , S. Antonio, 292 — vgl. zu den Einzelheiten A . Maier, Ausgehendes M A I, 267 ff., 289 ff. A . Maier, Ausgehendes M A I, 179, 286 f. mit A . 54—56. F ü r die Entstehungszeit dieses Teiles w ä r e somit der terminus ante 1 3 1 6 . Die Meinung Bramptons (The Probable Date of Ockham's »Lectura Sententiarum«, A F H y 5, 1962, 3 7 ° ; vgl- Gregoriarum 4 1 , i960, 7 1 5 ) , daß Borgh. 1 2 3 »had superseded Ms. Borghese 329« ist weit übertrieben. Α . Maier rechnet damit, daß der Borgh.

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dann nach jeweils vorliegenden Reportationen 78 im Berliner und im Paduaner Manuskript verschieden ergänzt, weil die (spätere?) Ausarbeitung Aureolis, wie sie uns im Borghesianus 123 vorliegt, nicht an die Öffentlichkeit gelangte. Ockham konnte also sehr wohl ab 1 3 1 7 etwa die Kenntnis von Aureolis Lehrmeinungen erlangen. Wir haben demnach einen terminus post quem79. Die näheren Umstände, unter denen er wahrscheinlich eine Reportado der Pariser Vorlesung benutzen konnte, sind allerdings nicht zu erschließen80. Ockham hat ja nicht behauptet, er hätte die »dicta« Aureolis nur einen Tag in Händen gehabt 81 , sondern sagt, er hätte insgesamt nur relativ kurze Zeit diesen Autor studiert, sodaß der Einwand, seine Polemik gegen Aureolis Thesen träfe nicht den Kern der Sache82, möglicherweise berechtigt sein

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123 schon zur Zeit, als Aureoli dies »Editum« ausarbeitete, — wenigstens im ersten Teil (bis Dist. 32) — bestand (a. a . O . , 288 Α. 5 6). Der Niederschlag einer vollständigen Reportation ist die Abbreviation des Ms. Vat. lat. 6768 und das Quaestionenverzeichnis zum I. Buch, das in Ms. Vat. lat. 946 enthalten ist. Vgl. A. Maier, a. a. O., 278 ff. Vgl. audi unten Anm. 84. Dieser Terminus ließe sich — diesmal aber ausschließlich für die zweite Redaktion — noch herabdrücken: Ockham nennt Aureoli mehrfach »doctor«, Aureoli ist aber zwischen dem 14. Juli und dem 13. November 1 3 1 8 »doctor« geworden — vgl. L. Baudry, Vie, 65; Ε. M. Buytaert, Peter Aureoli, Scriptum . . . , p. X V mit Α. 32 u. 34 (Η. Denifle— Α. Chatelain, C U P II, 225, 227 f., nr. 772 u. 776). Vgl. jetzt O T I, 36*. Auch aus den in Anm. 72 zitierten Stellen nicht. C. K . Brampton hat daraus einen phantasievollen Rekonstruktionsversuch gemacht (Gregorianum 4 1 , i960, 7 1 4 f.; A F H $ j , 1962, 370—372), nach dem zwei Minoriten, zum Studium in Paris abgeordnet, im Frühjahr 1 3 1 7 oder 1 3 1 8 nach England zurückkehrten und Ockham bei ihrem kurzen Aufenthalt in Oxford die Gelegenheit gaben, ihre Reportata einzusehen. Diese fleißigen Studien enden dramatisch: »On the last of these days Ockham made a note concerning Auriol's esse apparens, expecting that on the next day he would be able to copy out Auriol's actual words. But there was no next day. The visiting friars, if our explanation is correct, had departed as suddenly as they had come.« Das scheinen uns wahre »angeli ex machina« zu sein, die auftauchen oder verschwinden, wie der Interpret es nötig hat. Der Schluß scheitert im übrigen auch daran, daß in dem parallelen Passus in I Sent. d. 7 q. 1 Y gar nicht von der esse apparens-Lehre Aureolis die Rede ist. So A . B . E m d e n , B R U O II, 1385 a. So A. Maier, Ausgehendes Mittelalter I, 183 f., 187. Diese Erklärung paßt auch besser zu der zweiten, oben Anm. 72 zitierten Stelle: audi hier sagt Ockham ja nicht, daß er erst nach Abschluß seiner Ordinatio Aureolis Thesen kennengelernt hätte, sondern »entschuldigt« seine vorangehende Polemik: hätte er die Thesen, wie Brampton meint, aufschreiben wollen, aber nicht können, dann hätte er doch — einmal aufmerksam geworden — wenigstens

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könnte. Es geht ihm ja auch nicht um eine Erörterung der Meinung Aureolis, sondern um das Sachproblem, das zur Verhandlung steht83. Darum bringt er so ausführlich wie möglich die fremden und eigene Argumente vor, die er streng auf ihren Wahrheitsgehalt untersucht84. Er hat auch nicht gesagt, er habe verzweifelt nach dem Text Aureolis gesucht, ihn aber nicht zu Gesicht bekommen85, sondern bemerkt nur, die Position, die er hier schildere, sei möglicherweise nicht exakt diejenige, die sein Ordensbruder in Paris vertreten habe. Diese Haltung zu den historisch konkreten Lehrmeinungen zu bestimmten Problemen wird später durchgängig die Methode des Dialogas bestimmen. Auch dort wird es Ockham mehr darauf ankommen, mögliche Argumentationen zu entfalten, als historisch wirklich vorgebrachte Meinungen im Stile eines Kompendiums nebeneinander zu stellen86. Haben wir also als terminus post für die Ordinatio etwa 1 3 1 7 einzusetzen, so ist Walter Chattons Sentenzenkommentar von 1322/ 1323 der terminus ante: Chatton, ein Mitbruder Ockhams in Oxford, setzt sich in seiner lectura, von der uns eine Reportation erhalgewußt, wie sie zu interpretieren sind, und allein darum geht es in diesen Texten. 83

Eine ähnliche Entschuldigung, diesmal nicht auf Aureoli bezogen, findet sich in I Sent. d. 30 q. 2 D (zum Problem des Kontinuums): Unam tarnen solutionem omitto ad praesens, quia non vidi illud factum a tenentibus contrariam opinionem, quamvis forte fecerunt et me lateat. Sicut forte multa dixi quae iam dicta sunt ab aliis quamvis nesciam ea dieta ab eis. — Die Unmöglichkeit, alle Meinungen der philosophischen Diskussion zu kennen, bedrückt audi hier das wissenschaftliche Gewissen Ockhams, ohne ihn zu hindern, die Sachprobleme zu diskutieren.

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Mit Aureolis Meinungen setzt sich Ockham relativ häufig auseinander: vgl. L. Baudry, Vie, 61 Α. ι—8 und die Diskussion zu I Sent. q. 17 bei P. Vignaux, Justification et prédestination au 14e siècle; Duns Scot, Pierre d'Aureole, Guillaume d'Occam, Grégoire de Rimini; Paris 1934, 9 9 — 1 1 8 . Auf jeden Fall sind auch die d. 17 q. 1 sqq. in der Florentiner Hs. enthalten, so daß sich auch für die »1. Redaktion« der Terminus post quem 1 3 1 7 ergibt.

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Brampton (Gregorianum 4 1 , i960, 7 1 5 ) mißversteht Ockhams »apology « (»quia non vidi eum in aliis locis de ilia materia«) gründlich, wenn er meint: . . . it is no wonder that Ockham failed to find Auriol's ipsissima verba when he looked for them »in aliis locis« — natürlich handelt es sich nur darum, daß Ockham bemerkt, er könne seine Auffassung der Aureolischen Thesen nicht durch andere einschlägige Stellen von Aureolis Kommentar belegen, da er diesen nur flüchtig durchgesehen habe. (Vgl. schon P. Boehner, Coli. Art., 123 und L. Baudry, Vie, 64 f.)

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Zur Methode des Dialogus vgl. ausführlicher Kap. IV, unten S. 434 ff.

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ten ist, ausführlich mit Ockhams Lehren auseinander 87 . Damit ist aber natürlich noch nicht Ockhams lectura selbst datiert. Die Randnotiz in der Reportatio von Chattons Vorlesung, die ein Argument Ockhams gegen Wilhelm von Alnwick gerichtet sein läßt, ist auch keine große Hilfe, da wir nur wissen, daß Wilhelm Alnwick, nachdem er in Paris 1 3 1 4 eine Sentenzenvorlesung gehalten hatte, etwa 1 3 1 6 in O x f o r d seine »inceptio« feierte und während des Jahres 1 3 1 6 / 1 7 Lector des Franziskanerkonvents war. 1 3 1 7 / 1 8 ist er wieder als magister regens in Paris nachweisbar 88 . Immerhin bestätigt sich unser terminus post quem für die lectura: 1 3 1 7 . Eine genaue Datierung bietet scheinbar die Beobachtung, die Anneliese Maier machte, als sie feststellte, daß sich Ockham in den Reportationen zu I I - I V Sent, mit der berühmten Impetustheorie der Projektilbewegung auseinandergesetzt hat, die der Franziskaner Franciscus Rubeo de Marchia (oder: von Ascoli) zum ersten Male 1 3 1 9 / 2 0 in Paris vorgetragen hat89. Daß Marchia hier der Gegner 87

Vgl. L. Baudry, Gauthier de Chatton et son commentaire des Sentences, A H D L t. 14, a. 18—20 (1943—1945), 337—369; Α. Β. Emden, B R U O I, 395 b—396 a. Von der Vorlesung des Jahres 1322/23 ist uns eine Reportatio zu I — I V Sent, (in Ms. Paris B N lat. 15887 erhalten: vgl. Baudry, a. a. O., 3 J 2 f.). Dieser Vorlesung scheint eine andere vorangegangen zu sein, die sich ebenfalls mit Ockham auseinandergesetzt haben muß, vgl. Ms. cit., fol. 68 ra, zit. bei Baudry, 353, wo Chatton zu I Sent. d. 33—34 bemerkt: »et unam [seil, viam respondendi] omisi quam non dicam hoc anno«, Baudry schließt daraus, daß Ockham ein volles Jahr las, bis er zu d. 33—35 des ι . Buches kam, dagegen mit Redit schon A. Maier, Ausgehendes Mittelalter I, 182 A . 10, vgl. audi C. K . Brampton, A F H 55 (1962), 369 f., zu Parallelen einer zweifachen lectura in aufeinander folgenden Jahren. — Das andere Pariser Ms. (BN lat. 15886), das nur eine Reportatio (?) zum I. Buch enthält, bezieht sich bereits auf Ockham's S. L. und stammt daher wohl aus der Zeit, in der Chatton in Avignon wirkte (Baudry, p. 354 f.). Vgl. audi Baudry, Vie, p. 70 Α. 4, γι Α. ι . Zu den Hss. vgl. audi O'Callaghan, in: J . R. O'Donnell (ed.), Nine Mediaeval Thinkers, Toronto 1955 ( = Pontifical Institute of Mediaeval Studies and Texts. 1.) hier 233—269. Zum Verhältnis Ockhams zu Chatton vgl. jetzt O T I, 26* bis 3 1 * und G. Gài in FcS 27 (1967) 1 9 1 — 2 1 2 , hier 191 A . 1, auch weitere Literatur.

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Diese Marginalie findet sich in Ms. Paris B N lat. 15887, f. 71 v : »Contra primum argumentum Okam contra Alnwich« (vgl. L. Baudry, Vie, 65 Α. ι). Zu Alnwick vgl. Α. B. Emden, B R U O I, 27 a—b, mit weiterer Literatur. Das Verhältnis Alnwicks zu Ockham hat neu untersucht S. F. Brown, Sources for Ockham's Prologue to the Sentences. II, FcS 27 (1967) 39—107, bes. 61—107. Ausgehendes Mittelalter I, 180 f. Vgl. schon Studien II, 158 f. Es handelt sich um die Texte II Sent. q. 18 J und II Sent. q. 26 M — beide Stellen gehören nach den Hss. in das III. Buch, also an das Ende der Sentenzenvorlegung

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Ockhams Schriften aus der akademischen Z e i t

ist, den Ockham meint, kann schlecht bezweifelt werden. Wenn also Ockham eine Lehre angreift, die erst im Januar 1 3 2 0 in Paris bekannt wurde, und wenn die beiden Stellen tatsächlich zur ursprünglichen Reportation gehören und nicht spätere Zusätze Ockhams zum Text der Reportationen seiner Vorlesung sind90, müßten wir die lectura in das akademische Jahr 1 3 1 9 — 1 3 2 0 datieren 91 . Das scheint ein relativ später Zeitpunkt zu sein, wenn wir berücksichtigen, daß Ockham schon 1324 O x f o r d verlassen hat und demnach binnen 4 Jahren die sehr umfangreichen Schriften zum Corpus Aristotelicum, die Quodlibets und die Traktate zum Sakrament der Eucharistie verfaßt haben soll, die in der geplanten kritischen Ausgabe etwa 15 der mindestens 20 Bände in Anspruch nehmen dürften. Wenn dazu noch die Ausarbeitung seiner Ordinatio und die eventuelle Revision seiner Reportationes und schließlich auch die Quaestiones disputatele hinzukommen, wird selbst die offenbar gewaltige Arbeitskraft Ockhams wohl doch überfordert 92 . Nun hat Anneliese Maier eine Möglichkeit gezeigt, dieser chronologischen Schwierigkeit zu entgehen. Entgegen der weitverbreiteten überhaupt (vgl. P . Boehner, C o l i . A r t . , 4). B e i Marchia findet sich die I m p e tustheorie im I V . Buch, das in der R e i h e n f o l g e der K o m m e n t i e r u n g (I, I V , I I , I I I ) an zweiter Stelle steht. V g l . dazu A . M a i e r , Studien I I , 1 6 1 — z o o , mit dem T e x t 1 6 6 — 1 8 0 . Wenn Marchia seine Theorie im J a n u a r 1 3 2 0 in Paris v o r g e t r a g e n hat, k a n n Ockham im H e r b s t 1 3 2 0 d a v o n gewußt haben. 90

A . M a i e r , Ausgehendes Mittelalter I , 1 8 1 diskutiert auch diesen E i n w a n d und meint, bei Ockham »liegt sonst kein A n h a l t s p u n k t v o r , der eine entsprechende A n n a h m e f o r d e r n oder auch nur erlauben w ü r d e « . — D a s ist ohne F r a g e übertrieben: 1 . A l l e Handschriften enthalten im Wesentlichen dieselbe Rezension der Reportationes, die also sehr w o h l eine v o n Ockham selbst autorisierte A u s f e r t i g u n g gewesen sein kann. 2. Es gibt sogar einen F a l l einer wahrscheinlich späteren Überarbeitung des R e p . - T e x t e s (vgl. unten K a p . I I , A n m . 1 4 7 ) in I I Sent. q. 1 4 — 1 5 . — D a h e r bleibt durchaus auch ein — allerdings nicht u m mehr als ein oder z w e i J a h r e differierender — A n s a t z möglich. D i e beiden Quaestionen gehören nicht zu den v o n Boehner sog. Quaestionae disputatae aus späterer Zeit. V g l . C o l i . A r t . , 296.

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Boehner, der das A r g u m e n t aus der Impetustheorie noch nicht berücksichtigt hat, datiert (Coli. A r t . , 6) »etwa 1 3 1 8 oder sogar ein etwas früherer Z e i t p u n k t « . D i e D a t i e r u n g v o n F . F e d e r h o f e r (Ph. J b . 38, 1 9 2 5 , 42) auf 1 3 1 7 bis 1 3 2 0 basiert ausschließlich auf den A u f s t e l l u n g e n H . Felders zum S t u diengang in Paris, so daß sie keine selbständige Bestätigung dieser Datierung sein können (E. Iserloh, G r e g o r i a n u m 30, 1949, 94 schließt sich F e d e r h o f e r an). B r a m p t o n s D a t i e r u n g auf 1 3 1 8 stützt sich ausschließlich auf seine K o n struktionen anläßlich der Berührung mit Aureolis »esse apparens«-Theorie, die die historische Wahrscheinlichkeit überanstrengen (vgl. oben A n m . 80).

92

Dies A r g u m e n t brachte auch L . B a u d r y , Vie, 270, zugunsten seiner Datierung der aristotelischen K o m m e n t a r e v o r die Sentenzenvorlesung v o r .

Die Sentenzenvorlesung

25

Ansicht, nach der eine Ordinatio immer erst die nachträgliche Ausarbeitung einer Vorlesung wäre, hat sie in verschiedenen Fällen — und gerade bei Ordenstheologen — für das 14. Jahrhundert nachgewiesen, daß die Ordinatio vor dem Beginn der Lectura anzusetzen ist03. Wenn wir bei Ockham dasselbe zeitliche Verhältnis annehmen, so muß er seine Ordinatio etwa zwischen 1 3 1 7 und 1 3 1 9 in der 1. Redaktion94 ausgearbeitet haben. Anneliese Maier hat weiterhin darauf hingewiesen, daß Franziskus Rubeo von Marchia in seiner Sentenzenvorlesung im IV. Buch eine Ansicht über die Quantität zurückweist, die große Ähnlichkeit mit Ockhams Auffassung hat95. Dabei zeige die Darstellung der Gegenargumente eine weit größere Nähe zu Ockhams 2. Traktat De sacramento altarism als zu der Behandlung dieses Problems in IV. Sent. q. 4 und in den Schriften Ockhams zu Aristoteles. Marchia 93

V g l . A . Maier, Ausgehendes Mittelalter I, 65 A . 60, 144, 266 f ü r Aureoli; 1 5 1 — 1 5 3 f ü r Durandus von S. Porciano, O . P., schließlich R T h A M 1 5 (1948), 355 f ü r Franciscus Mayronis, O . F. M . und Petrus Rogerii — Die A n w e n d u n g auf Ockham in Ausgehendes Mittelalter I, 1 7 9 ; Studien II, 164 A . 1 0 ; E . Iserloh, G n a d e und Eucharistie, 1 5 f., hat diese Ansicht ebenfalls aufgegriffen.

94

Terminus post quem ist audi f ü r sie Aureolis Sentenzenkommentar, vgl. oben Anm. 84. Die »2. Redaktion« ist ja nicht eigentlich eine völlig neue Schrift, sie ist eine Überarbeitung durch Zusätze: von einer eigenen »Redaktion« zu sprechen, ist nur darum erlaubt, weil Ms. Florenz, Bibl. N a z . C o n v . Soppr. A . I I I . 801 beweist, daß schon die frühere Textstufe abgeschrieben und verbreitet wurde (das Ms. ist englischer Provenienz; vgl. P. Boehner, Coli. Art., 294). — Zum Begriff der »Redaktion« vgl. audi Α . Maier, Ausgeh. Mittelalter I, 1 7 6 . — V . Richters Versuch, die »Ordinatio« überhaupt zu streichen und nur mit »Reportationes« zu rechnen (vgl. oben A . 64), ist z w a r u. E . zurückzuweisen, hat aber insofern eine gewisse G r u n d lage, als auch diese Ordinatio gewiß nicht der vom Autor als endgültig angesehenen Textfassung in allen Punkten entspricht.

95

Ausgehendes Mittelalter I, 1 8 8 — 1 9 5 ; Studien I V , 200—209. Z u den Einleitungsproblemen von D e sacram vgl. L. B a u d r y , Sur trois manuscrits Occamistes, A H D L t. 10, a. 1 0 — 1 1 ( 1 9 3 5 — 1 9 3 6 ) , 1 2 9 — 1 4 1 ; Vie, 8 j — 9 5 ; P . Boehner, Coll. A r t . , 1 0 f . ; E . Iserloh, G n a d e und Eucharistie, 20—26. Die Hss. von D e sacram. I bespricht C . K . Brampton, A N o t e on the Manuscript Tradition of Ockham's Tractatus » D e quantitate«. A F F I 57 (1964), 3 8 3 — 3 9 1 . — Unbrauchbar dagegen ist das Florilegium von Zitaten, das T . Bruce Birdi seiner schön gedruckten, aber in der Textherstellung unzureichenden Edition (The D e Sacramento Altaris of William of Ockham, Burlington, I o w a 1930) als »Introduction« (p. X I — X X X V ) beigab — ganz zu schweigen von der Übersetzung, die v o n Fehlern geradezu strotzt (z. B . übersetzt Birch, wenn Ockham den Liber E x t r a der Dekretalen als » E x t r a « zitiert, konstant mit »in the margin«, z. B . 3, 2 7 ; 1 7 5 , 1 2 ; 445, 1 2 — als Beispiel einer sinnentstellenden Ubersetzung vgl. K a p . I I , A . 7 2 8 ) ; vgl. schon

"

26

Ockhams Schriften aus der akademischen Zeit

zitiere zwar, wie es seiner Gewohnheit entspreche, nicht wörtlich, aber man könne doch Ockham mit Sicherheit als denjenigen identifizieren, gegen den Marchia sich wende. Ockham greife zwar mit seiner Lehre nur auf die schon früher von Petrus Johannis Olivi vertretene Auffassungen zurück, die er offenbar über Richards von Mediavilla Polemik 87 kennengelernt habe, aber trotzdem lasse Marchias Darstellung keinen Zweifel, daß er sich »nicht gegen Olivi, sondern gegen Ockham« 98 wende. Wenn diese Identifikation richtig sei, müsse aber der jetzige 2. Traktat von De sacram. noch vor die Oxforder lectura datiert werden. D a nun Ockham im Prolog dieses Traktates ausdrücklich bemerkt, er wolle hier keine profanen »novitates« verkünden, sondern nur zeigen, »quam innocenter et sobrie de hoc altissimo sacramento, quando Sententias legi, fuerim locutus«99, schließt Maier, daß offenbar vor der Oxforder lectura eine L. Baudry, A H D L (193y—36), 129, 137 f.; E. Iserloh, Gnade, 20 f. mit A. 97 f. — Neuerdings hat F. de P. Sola (De sacramento altaris. Dos manuscritos ockhamistas. Ripoll 7 1 , del Archivo Histórico de la Corona de Aragón de Barcelona. Ms. lat. 15888 París, Biblioteca Nacional) in: Pensamiento 22 (ι966), 279—352 zwei Abbreviationen von De sacram. II herausgegeben von denen die eine (Ms. Ripoll) sogar von Ockham selbst stammen dürfte (vgl. p. 289 mit A . 16). Sola redinet dementsprechend nicht mit einer Entstehung von De sacram. in Avignon! 97

Α. Maier beweist das (Ausg. M A I, 192 f.) durch Textvergleich von De sacram. q. 3 (Birdi, 1 1 6 , 2 2 — 1 1 8 , 22) — also aus dem »1.« Traktat (wir zitieren den ι . Traktat als »De sacram. q. 1—3«, den 2. Traktat als »De sacram c. ι — 4 1 « ) der Editionen — mit Richards von Mediavilla I V Sent. d. 1 2 art. i q. ι (Ed. Brixiae 1591 = Frankfurt/Main 1963, 149 b sq.). Auch sonst hat sidi Ockham im Zusammenhang mit dem Problem der Quantität in der Eucharistie vielleicht auf Richard gestützt: vgl. De sacram. c. 36 in Ms. Paris B N lat. 15888 (einer Abbreviation aus dem 2. Traktat) f. 179 va, zitiert bei L. Baudry, A H D L (1935—1936), 1 3 5 ; Sola [vgl. A. 96], 346, die Authentizität dieses Zusatzes bleibt allerdings zweifelhaft.

98

Ausgehendes Mittelalter, I., 194 A. 27.

99

De sacram. I I prol. (Birch, 160, 8—12) vgl. audi De sacram. c. 10 (Birch, 210): »Omnia praedicta possent multis aliis auctoritatibus confirman, de quibus supersedeo ad quaedam philosophical properans, in quae incidi, dum legendo Sententias quaestiones de Eucharistia petractavi, propter quae perscrutanda et explicanda, ut notificem nescientibus quae et qualia et quomodo et quod sine assertione et tantum recitative dixi ad exercitandum studiosorum ingenia, (propter calummiam aliquorum) praesens suscepi negotium.« (Variante: a ) so wohl statt 'physica'. Vgl. Boehner, Coli. Art., 38) Der Text bei Birch ist fehlerhaft, wie allein aus seinem kritischen Apparat, p. 5J7, hervorgeht. Seine Übersetzung ( 2 1 1 ) ist konfus u. z. T. sinnwidrig. Die Satzaufteilung ist zu ändern. Der eingeklammerte Satz steht nur in der Edition Straßburg 1481, nicht in den Mss.

Die Sentenzenvorlesung

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weitere, in einem englischen Ordensstudium gehaltene Sentenzenvorlesung angenommen werden müsse100. Hier aber überanstrengt sie doch die Analogie zur Karriere Aureolis. Wir haben keinerlei anderen Hinweis auf diese postulierte älteste Sentenzenvorlesung Ockhams 101 : es bleibt der einfachste Weg, diesen Hinweis als einen Rückbezug auf die Oxforder lectura und damit auf die reportado zu I V . Sent, zu verstehen 102 . Audi andere Gründe sprechen nicht gerade für einen so frühen Ansatz des 2. Traktats von De sacramento Altaris103. Wenn aber diese Schrift nicht die Quelle f ü r Marchias Polemik gewesen ist, und 100 101

102

Studien I V , 177 A. 3, 1 7 7 — 1 7 9 . ; Ausgehendes Mittelalter I, 221 A. 28. Die Analogie, die A. Maier zu den Pariser Verhältnissen sieht, wird ganz deutlich in Ausgehendes M A I, 221 Α. 28, wo sie nun auch die »große Ordinatio« vor der Oxforder Lectura für einen »Niederschlag« einer in einem Ordensstudium gehaltenen Vorlesung auffaßt. A. Maier beruft sich dafür auf die Ordinationes Benedikts X I I . vom Jahre 1336, der bestimmte, daß kein Franziskaner in Paris, Oxford oder Cambridge über die Sentenzen lesen dürfte, wenn er nicht zuvor an einem Ordensstudium sich in einer solchen Vorlesung bewährt habe (BF V I , 30 b—31 a, nr. 51, jetzt ed. M. Bihl in A F H 30, 1937, 346—352, bes. 349 nr. 14; eine Stelle, auf die übrigens schon A. G. Little, The Grey Friars, 35 Α. 3, hingewiesen hat). Aber A. Maier geht zu weit, wenn sie — unter Hinweis auf die Pariser Verhältnisse — schließt, diese Bestimmung scheine »auch schon 20 Jahre vorher die Regel gewesen zu sein, als Petrus Aureoli, Ockham (H), Franciscus de Mayronis ihre Sentenzenvorlesungen hielten«. Jacques Fournier, d. h. Papst Benedikt X I I . , war Student und Magister am Collegium des Zisterzienserordens (S. Bernhardi) in Paris gewesen. Seine ganze Gesetzgebung zeichnet sidi durch den Versuch der Systematisierung aus. Vgl. ζ. Β. B. Guillemain, La Politique beneficiale du Pape Benoît X I I , 1 3 3 4 — 1 3 4 2 , Paris 1952, passim; es liegt näher zu vermuten, daß er seine Pariser Erfahrungen nadi England übertrug, als daß wir in England schon die Tradition voraussetzen dürften. Zu seiner Gesetzgebung über die Ordensstudien vgl. jetzt die (sehr wohlwollend urteilende) Studie von Cl. Schmitt, Un pape réformateur, Quaracchi-Florence 1959, 20—28, der allerdings unser Problem nur ganz summarisch behandelt (24: A u moyenâge (!) . . . les futurs maîtres quittaient...«) und sich für die Frühgeschichte der Studien wiederum auf Hilarin Felder beruft (A. 1). Wir glauben nicht, daß es angesichts des Charakters Benedikts X I I . gerechtfertigt wäre, von diesem Statut her zurückzusdiließen, solange nicht Oxforder Beispiele für dieses Verfahren nachgewiesen werden.

Vgl. schon E. Iserloh, Gnade und Eucharistie, 25 f., der allerdings Studien I V (erschienen 1955) nidit kennt. Iserloh schlägt vor, den ersten Traktat als Grundlage für Marchias Polemik anzunehmen, dem aber widersprechen die Hinweise auf eine relativ späte Abfassungszeit audi dieses Traktates, die Boehner, Coli. Art., 10, gegeben hat. 103 v g l . unten Anm. 1 9 1 .

28

Ockhams Schriften aus der akademischen Zeit

wenn andererseits die Oxforder lectura Ockhams ältester erhaltenen Schrift entspricht, geraten wir in ein gewisses Dilemma, wenn wir ihre Beziehungen zu Franz von Marchias Pariser Vorlesung näher zu bestimmen versuchen. Die entscheidende Frage ist, wie wir Ockhams Auseinandersetzung mit Marchias Impetustheorie einordnen. Entsprechend den beiden Möglichkeiten ergeben sich im wesentlichen zwei alternative Lösungen des Problems. Entweder bezog sich Ockham in seiner Vorlesung von 1 3 1 9 / 2 0 selbst auf Franz von Marchias Impetustheorie, die im Januar 1 3 2 0 in Paris vorgetragen wurde, dann kann sich Franz nicht schon im I V . Buch seiner Sentenzenvorlesung auf Ockhams Quantitas-Lehre bezogen haben, sondern muß unmittelbar Olivi oder einen uns unbekannten Pariser Verfechter seiner Lehre gemeint haben 104 . Die andere Möglichkeit bleibt, daß Ockhams Auseinandersetzung mit Marchia erst nach Abschluß seiner lectura durch einen Zusatz im Manuskript erfolgte 103 — dann kann Marchia sich auf eine Reportation von Ockhams Vorlesung bezogen haben 10 ". So ist also aus diesen Beziehungen zu Franziskus de Marchia für 104

Diese Möglichkeit glaubte A . Maier, Ausgehendes M A I, 194 A . 27, ausschließen zu können. Z w a r räumt sie ein: »Die Ubereinstimmung in der Doktrin als solcher ist in der T a t eine vollkommene« (vgl. Studien I V , 187), meint aber, die Unterschiede in der begründenden Argumentation erlaubten »mit Bestimmtheit zu sagen«, daß Marchia sich gegen Ockham wende. Maiers Hauptargument d a f ü r allerdings ist nicht stichhaltig. Sie meint: »So findet sich v o r allem von dem Lieblingsargument Ockhams, das auf die potentia Dei absoluta zurückgreift, und das Marchia an erster Stelle nennt, bei O l i v i k e i n e S p u r . « (Hervorhebung v o n uns.) Richard von M e d i a v i l l a aber referiert Olivis Meinung (in I V Sent. d. 1 2 a. i q. ι , zitiert bei Maier, a. a. O., p. 293 in Studien I V , p. 1 5 6 ) folgendermaßen: »Alii autem . . . ipsam quantitatem substantiae negant posse a substantia separari per quamcumque virtutem . . F ü r einen Scotus-Sdiüler, der Marchia w a r (vgl. Maier, Studien I I , 1 6 1 ; Ausgehendes M A I, 68, 238 f.), lag es nahe, dies Argument mit der Potentia-Dialektik zu interpretieren, selbst wenn O l i v i es nicht ausdrücklich in diesen Begriffen gefaßt hatte. — Übrigens ist sich A . Maier (Studien I V , 1 7 5 , 200 A . 2) nicht ganz klar darüber, ob sich eine Stelle im Sentenzenkommentar Aureolis zum I V . Buch (Reportât, nach der Pariser Vorlesung), die auch diese Quantitas-Theorie angreift, gegen O l i v i oder gegen Ockham richtet — könnte das nicht ein Hinweis auf einen (skotistischen ?) Vertreter der Lehrmeinung Olivis in Paris sein?

105

V g l . oben A n m . 90.

106

Dagegen spricht allerdings die von A . Maier, Studien I V , 203, hervorgehobene D i f f e r e n z des Argumentationsganges. Die Z w e i f e l F. Federhofers (Ph. J h . 38, 1 9 2 5 , 4 1 f.) sind nicht stichhaltig.

W a r Ockham Magister?

29

die zeitliche Fixierung nicht mehr zu gewinnen, als wir auch ohne diesen Hinweis wußten: eine genaue Datierung läßt sich nicht mit Sicherheit geben. Wir können nur mit hinreichender Gewißheit sagen, daß Ockham, auf Grund seines wohl schon vorher ausgearbeiteten scriptum zum ersten Buch (sog. i . Redaktion) zwischen 1 3 1 7 und 1 3 1 9 mit seiner Sentenzenvorlesung begonnen haben muß, deren Reportation zu Buch I I — I V in den meisten Handschriften die Ordinatio zu Buch I ergänzen. Im Anschluß an die Sentenzenvorlesung folgten die zwei Jahre der Vorbereitung auf die »inceptio«, die mit verschiedenen Disputationen ausgefüllt waren. Vielleicht stammen aus dieser Zeit die sogenannten Quaestiones disputatae, d. h. diejenigen Quaestionen, die in der Lyoner Edition unter den Reportationen stehen, aber auf Grund der handschriftlichen Überlieferung nicht zu ihnen gerechnet werden dürfen 107 . 2. War Ockham Magister? Obwohl also Ockham anscheinend alle »Leistungen« für das Promotionsverfahren erbracht hat, ist er trotzdem als magister actu regens, bzw. Lektor der Theologie am Franziskanerkonvent in Oxford nicht nachzuweisen 108 . Keine der erhaltenen Listen der franziskanischen Magister in O x f o r d führt seinen Namen auf 109 . Von den Zeitgenossen und von Autoren der zweiten Hälfte des 14. Jahr107

108

D e r N a m e ist von Boehner vorgeschlagen worden und natürlich nur ein Hilfsbegriff. V g l . Coli. A r t . , 4 f., 2 9 6 — 2 9 8 . E s handelt sich um I I Sent, qq. 3, 8, 2 5 , I I I Sent. q. 5, qq. 1 2 — 1 5 und die Dubitationes additivae am E n d e von I V Sent. I I I Sent, q 1 2 findet sich auch in der Straßburger Edition der Quodlibets ( 1 4 9 1 ) als Q d l . I V 6, dagegen nur in einer einzigen H a n d schrift (Vat. Chigi Β V I I 93), die Pariser Ausgabe ( 1 8 4 7 ) der Qdl. enthielt diese Quaestion ebenfalls mcht (Coll. Art., 4 0 5 ) , sie gehört audi nach Form und U m f a n g nicht zu den übrigen Qdl. Ockhams (vgl. C o l i . Art., 298) . — Die Arbeit von O . Suk (Connection of Virtues according to Ockham, F c S io, 1 9 5 0 , 9 — 3 2 , 9 1 — 1 1 3 ) die diese Quaestio untersucht, beschränkt sich leider ausschließlich auf das Inhaltliche und läßt alle literaturgeschichtlichen Fragen beiseite. Z u m Magisterium Ockhams vgl. schon A . G . Little, The G r e y Friars, 2 2 4 . J . H o f e r , A F H 6, 2 1 9 — 2 2 4 ; F . Ehrle, Der Sentenzenkommentar Peters von Candia, Münster i. W . 1 9 2 5 , 8 0 — 8 3 ; P . Boehner, T h e Tractatus de S u c cessives, 2 f.; L . Baudry, Vie, 8 0 — 8 5 ; C . K . Brampton, Guillaume d'Ockham, fut-il maître en théologie? Études franciscaines, n. s. 1 3 , 1 9 6 3 , 5 3 — 5 9 .

109

A . G . Little, T h e G r e y Friars, 1 3 4 ; C . Κ . Brampton, Études franc. 1 9 6 3 , 53, A . 4.

30

Ockhams Schriften aus der akademischen Zeit

hunderte wird Ockham zwar mehrfach als »inceptor«110, nur selten aber als »doctor« 111 oder gar als »magister«112 bezeichnet. Da Bartholomäus von Pisa in seinem Liber de conformitene Ockham als 110

Aus diesem technischen Titel seiner akademischen Karriere, der schon zu Ockhams Lebzeiten als »venerabilis inceptor« nachzuweisen ist (vgl. L. Baudry, Vie, 84 Α. ι , und C. K . Brampton, Études franc. 1963, 55 Α. 23)» wird schließlich durch Umdeutung der »sacrae scholae invictissimorum N o minalium inceptor« (so im Kolophon der Summa totius logicae, Bologna 1498, Hain N r . 11949, zitiert auch bei J . Hofer, a . a . O . , 223). Andere Ehrentitel Ockhams waren im Spätmittelalter: »inceptor singularis«, bzw. »doctor singularis«. Vgl. die Listen bei F. Ehrle, Die Ehrentitel. . ., SB München, phil.-hist. K l . 1919, H . 9, 55 bzw. 37, 41, 43, 47.

111

Das bekannteste Beispiel ist das Explicit von Ms. Erfurt, Ampi. O. 67 (vgl. W. Schum, Beschreibendes Verzeichnis . . ., 726): »Explicit tractatus logice fratris Willialmi Ockham de provincia Anglie, doctoris sacre theologie« (Das Ms. ist 1339 geschrieben) — das »doctoris« ist radiert, und eine Marginalnote anderer Hand bemerkt: Quidam invidus delevit hic nomen doctoris, quod tarnen videtur hic debere stare ut patet per prologum huius libri. Im Prolog, d.h. dem Brief eines Ockhamsschülers ( = Adam Woodham? vgl. F. Ehrle, Der Sentenzenkommentar, 99—102; S. L. ed. Boehner, p. X , mit Nachweisen zur handschriftlichen Überlieferung) heißt es tatsächlich (S. L. ed. Boehner, 2, 1. 42 ff.): Inter quos sane praeeipuum existimo venerabilem doctorem Fratrem Guilielmum, natione Anglicum, ordine Minorem . . . « . Das »doctorem« ist nach Ausweis des kritischen Apparates in allen Hss., die den Prolog überhaupt haben, zu finden. Vgl. auch O T I, 12* das Colophon von Ms Florenz, Bibl. Naz., Conv. Soppr. 3.801 und die übrigen Nachweise bei L. Baudry, Vie, p. 84 Α . ι (Mss. Bruges 499; Vat. lat. 947; Vat. lat. 948; Avignon, lat. 186).

112

Immerhin finden sich solche Titulierungen: So im Explicit des Ms. Krakau, Bibl. Jag. 736, f. 266. Laut freundlicher Auskunft von Herrn Dr. Zathey sind die letzten lesbaren Worte des durch Feuchtigkeit stark mitgenommenen Manuskripts: »Über Phisicorum magistri Wylhelmi de Ockam« (es handelt sich um ein Ms., saec. X I V der Summ. phys.). Vgl. auch Ms. Erfurt, Ampi. F. 301 (Schum, a . a . O . , 206): Explicit loyca Wilhelmi Ockham, qui fuit de ordine f. m. Ipse etiam fuit magister sacre scripture. Anno Christi 1348 completa est logica . . .« und das Explicit des Elementarium Logicae im Clm. 4379 (Ms. von ca. 1347/1348, vgl. E. M. Buytaert, The Elementarium logicae . . ., FcS 25, 1965, 165, 161). »Explicit logica Magistri Wilhelmi Okkam Ordinis Fratrum Minorum. Explicit médius tractatus logicae Magistri Gwilhelmi Okkam«. Ebenso das Incipit (Buytaert, FcS 25, 1965, 1 6 1 , 190 A). Vgl. auch Ms. Paris B N lat. 16130, f. 142 va. Die ausführlichste Titulatur findet sich im Expl. von Ms. Erfurt, Ampi. Q 259 (Schum, a. a. O., jo8): Explicit Summa supra totam logicam compilata a venerabile ineeptore theologiae magistro Guillermo Okam, Anglico fratre Ordinis minorum fratrum, completa anno domini 1339 more Gallicorum vicésima tertia mensis Februarii« [ = 1340]. Bezeichnungen aus Mss. des i j . Jh. sind natürlich leicht anzuführen, aber haben keine Beweiskraft, vgl. nur z. B. jenes Schriften-

War Ockham Magister?

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»bachalarius formatus Oxoniae« bezeichnet 113 und damit auf Ockham die in Paris übliche Bezeichnung für die mit der Sentenzenvorlesung fertigen und auf die Promotion zum Magister wartenden Bakkalare anwendet, die allerdings in O x f o r d nicht üblich war, liegt der Gedanke nahe zu folgern, daß Ockham das magisterium in O x f o r d nicht erreichte 114 . Darüber besteht auch allgemein Einigkeit. Differenzen tauchen nur dort auf, wo versucht wird, über diese negative Aussage hinaus den genauen akademischen Grad festzulegen, den Ockham bekleidet hat. Der Begriff »inceptor« war ja mehrdeutig. Und so finden wir denn auch drei verschiedene H y p o thesen, die aber alle reine Vermutungen bleiben: Einmal nimmt man an, Ockham habe nur noch die »inceptio« gefehlt, seine Karriere sei also genau zwischen der vom Kanzler erteilten licentia und dem Antritt des magisteriums abgebrochen 115 . Das würde bedeuten, daß dann die Lizenz höchstens knapp ein Jahr vor Ockhams Reise nach Avignon erteilt worden sein kann, jedenfalls wenn wir den Statuten glauben, die festlegen, daß wenn ein Lizentiat nicht binnen Jahresfrist seine »inceptio« begangen habe, der A k t der »deposicio« und Lizenzierung ungültig werde und in Gänze wiederholt werden müsse 118 .

113

114

115

116

Verzeichnis Ockhams aus dem 1 5 . J h . in Ms. Paris B N lat. 1 4 6 1 9 f . 1 2 1 v a , das beginnt: »Subscripta opera compilavit magister G u i l l e [ l m u s ] okkam«, um dann u. a. audi den Defensor pacis und den Dialogus inter clericum et militem Ockham zuzuschreiben. ed. in Analecta Franciscana I V , Quaracchi 1906, p. 339 — Bartholomäus führt an dieser Stelle die gefeierten Ordenslehrer auf und erwähnt unmittelbar v o r Ockham auch Petrus Johannis O l i v i als »bachalareus formatus Parisius« — eine Nachricht, der F. Ehrle in seiner Abhandlung zu Olivis Leben ( A L K G 3, 1887, p. 4 1 2 ) folgt — vgl. aber die gegenteilige Ansicht bei V . Heynck, Zur Datierung der Sentenzenkommentare des Petrus J o h a n nis O l i v i und des Petrus de Trabibus, F S 38 (1956), 3 7 1 — 3 9 8 , spez. 376 bis 378. V g l . schon A . G . Little, The G r e y Friars, 224 und bes. J . H o f e r , a. a. O., 2 1 9 f . F. Ehrle, S B München 1 9 1 9 , 14 f . ; ders., Petrus von C a n d í a , 81 ff. S o z. B . P . Boehner, The Tractatus de Successivis, 2 f. unter Berufung auf F. Pelster, R o g e r Marston (f 1 3 0 3 ) ein englischer Vertreter des Augustinismus, Scholastik 3 (1928), 543. S. Gibson, Statuta antiqua, p. 29 (vor 1 3 5 0 ) : De tempore quo debent licencie fieri. Statutum e s t . . . nec aliquis licencietur in aliqua facúltate, nisi promiserit se fideliter proponere hie incipere i n f r a annum. Quod si forte non contingat illum incipere i n f r a annum, iterum licencietur per deposicionem magistrorum modo debito et statuto. Allerdings scheint das nur die N o r m , nicht unbedingt die Wirklichkeit gewesen zu sein, denn noch v o r 1 3 8 0 setzt ein Status f ü r säumige Licentiaten (u. a. auch f ü r die Theologische Fakultät)

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Odkhams Schriften aus der akademischen Zeit

Vorsichtiger war mit Recht Franz Ehrle, der meinte, wir müßten den »inceptor« als den Bakkalar vor der »deposicio« verstehen. Ockham hätte also bereits die Lizenz nicht erhalten. Das sei bei Ordensklerikern sogar die Regel gewesen: »Manche von ihnen verblieben lebenslang »baccalarei formati« der Theologie oder, wie man in England und besonders in O x f o r d zu sagen pflegte, >inceptorestabulas< vocant, in quibus omne quod ex libris queretur, facillimum esset inventu.« O b in dem Wort »defloratos« nicht doch eine K r i t i k spürbar wird? — Ockham hat später auch die allgemeine Scheu seiner Zeitgenossen vor umfangreichen Abhandlungen beklagt — und darin mochten seine Avignoneser Erfahrungen nachklingen: vgl. z. B. A n Princeps (ed. O f f ler, O P I , 2 3 0 ) : . . . quia gaudent brevitate moderni, super prolixis operibus nauseantes, abbreviatum faciendo sermonem . . . V g l . J . Koch, R T h A M 7 ( 1 9 3 5 ) , 362 f . ; vgl. die Einleitung des zweiten G u t achtens bei Koch, R T h A M 8 (1936), 8 1 . — Diese Liste macht es möglich, das zweite Gutachten ziemlich exakt in den M ä r z / A p r i l 1 3 2 6 zu datieren, vgl. A . Pelzer, R H E 18 ( 1 9 2 2 ) , 242.

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Der Prozcß in A v i g n o n

ebenfalls landsmannschaftlich verbundenen) Peter Aureoli, auf den erzbischöflichen Stuhl von A i x transferiert worden 217 . N u n also scheint Jakob damit betraut gewesen zu sein, den »Aktenumlauf« — wenn wir so sagen dürfen — zu dirigieren, denn in dem zweiten Gutachten, das das Theologengremium vorlegte, wird ausdrücklich berichtet, daß er es war, der der Kommission im päpstlichen A u f trag die Prozeßunterlagen zuleitete 218 . Es ist höchst wahrscheinlich, daß das bereits für den Beginn des Prozesses gilt 219 . Wenn diese Vermutung zutrifft, dann erhielt also die Kommission von dem Erzbischof von A i x eine Liste von Irrtümern zugestellt, die sich im Sentenzenkommentar Ockhams befinden sollten. Diese dem Gremium vorgegebene Irrtumsliste kann nicht mit Luttereils Liste identisch gewesen sein, was die vorliegenden Gutachten beweisen. Fast alle rein philosophischen Differenzen zwischen dem Oxforder Exkanzler und Ockham sind beiseite gelassen, von den 5 6 Artikeln Lutterells finden sich in den beiden Gutachten nur 33 wieder, dafür sind 18 neue Artikel in sie aufgenommen worden. Immerhin läßt sich zeigen, daß der Kompilator der Liste sich nach Luttereils Anklageschrift gerichtet hat, ohne ihr sklavisch zu folgen222 — es dürfte also kaum Luttereil selbst gewesen sein. Wir haben keine Anhaltspunkte, die uns gestatten würden, diesen zweiten Zensor Ockhams, der doch wohl auch der Kommission angehörte, zu identifizieren. Der Kommission war nun vom Papst die Aufgabe gestellt, zwei Fragen zu klären. Um es prozeßrechtlich auszudrücken: sie hatte zuerst die »quaestio facti« zu prüfen, d. h. zu untersuchen, ob die inkriminierten Artikel überhaupt in Ockhams Schriften zu finden waren. Danach sollte sie sich auch zur »quaestio iuris« äußern, d. h. die Frage beantworten, ob die verdächtigen Artikel wirklich eine kirchliche Zensur verdienten 223 . •217 Vgl. β Guillemain, L a C o u r pontificale d ' A v i g n o n , Paris 1962, 339 mit A n m . 386. sie Vgl. R T h A M 7 ( 1 9 3 5 ) , 81 f.: Dudum ex parte sanctitatis vestre per reverendum dominum Jacobum, archiepiscopum Aquensem, fuit nobis exhibitus quidam quaternus continens multos artículos, qui dicebantur extract! de quodam libro ( = Ockhams Sentenzenkommentar) et de quibusdam quaternis nobis per predictum dominum archiepiscopum exhibitis . . . (Forts, in Anm. 223). 219 Der »quaternus« mit der Irrtumsliste lag schon dem ersten Gutachten zu Grunde, vgl. A . 225. 222 Vgl. die Nachweise bei J . Koch, R T h A M 7 ( 1 9 3 5 ) , 363 f. 223 Die Kommission berichtet — wieder nur im zweiten Gutachten von dieser

Der Verlauf des Prozesses

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Das Ergebnis dieser Beratungen ist uns bekannt. Wir besitzen zwei Gutachten dieser Kommission, richtiger gesagt ist es dasselbe Gutachten in einer doppelten Rezension 224 ; die erste Fassung wurde dem Papst in einem öffentlichen Konsistorium vorgelegt, die zweite schriftlich und besiegelt eingereicht. Substanziell stimmen beide Dokumente überein. Ihr Hauptunterschied ist äußerlich gesehen die völlig verschiedene Anordnung der einzelnen Artikel: die zweite Liste (V) stellt die 29 wichtigsten »Irrtümer« Ockhams an den Anfang und geht dann zu den unwichtigen über, die sie im wesentlichen in der Reihenfolge bringt, die schon das erste Gutachten (R) zeigte223. Im Text unterscheidet sich V von R hauptsächlich durch größere Ausführlichkeit und größere Präzision sowohl in den Zitaten aus Ockhams Text als auch in der Begründung der Zensuren. Während sich R an einigen Stellen damit begnügt, summarisch Ockhams Argumente zu wiederholen, macht V sich die Mühe, wörtlich zu zitieren, um auf dieser sicheren Grundlage seine Zensuren auszusprechen. Die Zensuren selbst zeigen in zahlreichen Artikeln ebenfalls eine schärihrer doppelten A u f g a b e (im unmittelbaren Anschluß an A n m . 2 1 8 ) : et ex parte eiusdem sanctitatis vestre impositum, quod [ i . ] diligentius videremus, an prefati articuli contineantur prout iacent in libro et in quaternis predictis et [2.] de eisdem articulis inter nos [deliberaremus] et scriberemus, quid nobis videretur de singulis faciendum (Vgl. die Forts. Anm. 238). Allerdings darf auch f ü r das erste Gutachten eine ähnliche Abzweckung angenommen werden: Die substanzielle Identität beider Dokumente erlaubt diese Annahme, außerdem deutet audi die kurze Überschrift dort auf die gleiche Fragestellung: » R e s p o n s i o n e s . . . de a r t i c u l i s . . . r e p e r t i s . . . « V g l . auch J . Koch, Phil. u. theol. Irrtumslisten, Melanges Mandonnet II, 3 2 5 ; und Anm. 224, 264. 224

Die zeitliche Folge hat J . Koch, R T h A M 7 ( 1 9 3 5 ) , 364 f., 368 eindeutig geklärt. Größeres Gewicht als er würden wir auf die Überschrift des i . G u t achtens legen, das er » R « ( = Responsiones) nennt (siehe R T h A M 8, 81). Sie lautet: Responsiones doctorum sacre theologie in R o m a n a C u r i a facte domino pape in consistorio de articulis obiectis fratri Willelmo Ockam repertis in libro qui dicitur esse de opere suo. — Im zweiten Gutachten ist in der Einleitung von einem Konsistorium keine R e d e (ibid. 81 f.), und am Schluß wird von einem Besiegelungsakt gesprochen (ibid. 194) — so ist die Annahme zwingend, daß » R « der Vortrag der Kommission im Konsistorium, das zweite Gutachten (Kochs »V«) dagegen eine spätere Überarbeitung dieses Vortrags ist, über die Gründe dieser Überarbeitung vgl. unten bei Anm. 237 f f .

225

V g l . J . Koch, R T h A M 7 ( 1 9 3 5 ) , 365. Überhaupt vgl. die Untersuchung Kochs, 362 ff., die von der gesamten übrigen Forschung fast unverändert in ihren Ergebnissen übernommen wurde, vgl. z. B. R . Guelluy, Philosophie et Théologie, 9 f.; F. H o f f m a n n , Die Schriften, 124.

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D e r Prozeß in A v i g n o n

fere Form als die der ersten Fassung; der unmittelbare Haeresievorwurf taucht in V häufiger auf als in R 22e . Es ist jedoch bemerkenswert, daß sich diese Verschärfung oft in kleinen Zusätzen findet, während im übrigen der Text der ursprünglichen Zensur unverändert bleibt 227 . Man darf wohl behaupten, daß beide Gutachten etwa der gleichen Beurteilung von Ockhams Lehre entspringen, es ist nur die Formulierung, die in der zweiten Liste härter und eine Spur gereizter klingt 228 . Davon jedenfalls, daß zuerst »eine ziemlich milde Beurteilung des Ockhamismus« geherrscht habe, die dann »einer weit schärferen weichen mußte«229, wird man nicht sprechen dürfen. Eher haben wir den Eindruck, daß die magistri nur allmählich wenigstens einige Nuancen der Ockhamschen Theorie zu fassen bekamen, ohne ihr doch im wesentlichen gerecht werden zu können 230 . Woraus ist nun diese Verschärfung des Tons zu erklären, die zugleich eine Verhärtung der Position der magistri anzudeuten scheint?231 Um diese Frage — wenn auch nur vermutungsweise — zu 229 227

228

229 230

V g l . J . Koch, a. a. O., 367—369. Mandimal w i r d audi nur eine Umformulierung vorgenommen. Wir können im Gegensatz zu J . Koch (367) z. B . zwischen R 43 und V 4 keine tiefgreifende Differenz erkennen: beide beziehen sich auf die Zensur zu R 7, b z w . V 2 , w o beide Listen nur eine bedingte Verurteilung aussprechen, ja die Einschränkung in V 2 noch präziser ist, vgl. K a p . I I , A n m . 706. D a s bemerkenswerteste Beispiel der Veränderungen haben w i r unten K a p . I I Anm. 703 f f . analysiert: hier hält die Kommission an ihrer Verurteilung von Ockhams Gnadenlehre fest, obwohl sich inzwischen offenbar herausgestellt hatte, daß die Begründung dieser Verurteilung Odthams Lehre gar nicht betraf. — Allgemein zur theologischen Haltung der magistri vgl. jetzt D . Burr, Ockham, Scotus and the Censure at A v i g n o n , in: Church History 37 (1968), 1 4 4 — 1 5 9 . So Koch, R T h A M 7, 369. V g l . z . B . das harte Urteil von V . R i c h t e r , Gregorianum 46 (1965), 781 Α . 70, oder audi Ph. Boehner, Coll. Art. 289, der allerdings nur indirekt zeigt, wie wenig es den magistri gelang, mit ihrem E i n w a n d zum Kern des P r o blems, in diesem Fall der intuitiven Erkenntnis des Niditexistenten, vorzustoßen. Sdion der Schreiber der Vatikanischen Hs. des 2. Gutachtens, setzte mehrfadi an den R a n d zu den Begründungen der Magistri: »non dixit« (V 2, 3, 5, 6, 7, 8, 9, 1 4 , 1 5 , 16, 19, 20 etc.) oder audi präziser ein »dixit conclusionem, sed non rationem« (V 4) oder »dixit recitando« ( V u ) , »dixit cum exposicione« ( V 3 1 ) — vgl. den kritischen A p p . bei J . Koch, R T h A M 8 (1938), passim. F ü r eine solche Verhärtung scheint audi zu sprechen, daß die neben der Änderung der Begründung des Pelagianismusvorwurfes einzige wesentliche sadiliche Änderung nicht von der gesamten Kommission, sondern nur von ihrer Mehrheit gegen Durandus kurz v o r der Besiegelung aufgenommen w i r d : 5

Der Verlauf des Prozesses

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beantworten, müssen wir auf die Situation des Prozesses zurückgreifen. Wir wissen nur durch einen Rückschluß aus seinem eigenen späteren Bericht282, daß Ockham im Laufe des Jahres, spätestens im Herbst 13 24 in Avignon eingetroffen sein muß. Sein Prozeß machte offenbar nur sehr langsame Fortschritte, denn noch im Sommer 1 3 2 5 antwortet der Papst selbst König Edward II., der brieflich Johannes Luttereil zurückbeordert hatte233, die Verzögerung der Rückkehr Lutterells sei allein daher zu erklären, daß der Magister vor seinen Augen einen Prozeß gegen eine pestilenziöse Irrlehre zu führen habe. Der König könne aber beruhigt sein, denn mit diesem Vorhaben werde keinesfalls irgend etwas zum Nachteil oder Ärgernis des Königs oder des Königreiches bezweckt, sondern eher könne es der englischen Kirche zur Ehre und zum Vorteil gedeihen231. Hier ist deutlich die Absicht zu spüren, den Herrscher darüber zu beruhigen, daß Lutterell keineswegs seine alten Streitigkeiten mit der Universität vor päpstlichen Tribunalen auszutragen gedachte235, sondern einen »Privat«-prozeß führe, der den König nicht tangiere. Leider aber läßt sich über das Stadium des Prozesses selbst aus dem der Theologen erklären dort, daß ihnen ihre eigene Zensur z u V 4 o ( = R 25) nun ungenügend durchdacht erscheine (vgl. R T h A M 8, 194 u. 188; außerdem J . Kodi, R T h A M 7, 370). 2 3 2 In der Epistola von 1 3 3 4 , vgl. unten K a p . I I I , S. 348. 233 v g l . Calendar of the Close Rolls o f Edward I I , 1 3 2 3 — 1 3 2 7 (Bd. 4), London 1898, 372 f., unter dem Datum des 12. Mai 1 3 2 5 . 234

Brief von 1326 Aug. 26, zum ersten Male (aus Reg. Vat. 1 1 3 fol. 240) veröffentlicht von A . Pelzer, R H E 18 (1922), 246 f. A. 3; jetzt auch in A. Pelzer, Etudes d'histoire l i t t é r a i r e . . . , 516 Α. 2 1 : Regi Anglie. Dilectum filium Joannem Lutterell, sacre pagine professorem, super mora, quam causam suam contra quandam doctrinam pestiferam in nostra presencia prosequendo probabiliter, ipsum quem pro huiusmodi et aliis certis negociis usque modo retinuimus, benivolencie Regie velut ipsius honoris relatorem sedulum commendamus, volentes regalem excellentiam non latere, quod ex his, que dictus Johannes proposuit coram nobis nec tibi nec Regno tuo preiudicium aliquod vel scandalum contingere poterit, sed potius honor et utilitas provenire sperantur verisimiliter Ecclesie anglicane. Datum avinione V I I kal. septembr. anno novo. — Das »coram nobis« deutet wohl entweder auf die Konsistorialsitzung, in der Luttereil seinen Anklagelibell vorlegte, oder auf das K o n sistorium, in dem R vorgelegt wurde. Brampton, Personalities, 22, nimmt an, der Brief falle in die Zeit zwischen R und V. Das muß bloße Vermutung bleiben.

235 Wiederum bestätigt es sich, daß Edward bei seinem Eingreifen gar nicht daran dachte, etwa den Franziskaner Ockham zu schützen, wie es J . B. Morrall (FcS 9, 1949, 339) vermutete, sondern nur verhindern wollte, daß ein päpstliches Gericht in innerenglische Verhältnisse unmittelbar eingriffe. 5 M ¡ e t h k e , Odtham

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D e r Prozeß in A v i g n o n

Brief kein Schluß ziehen; wir sehen nur, daß die Theologenkommission zu dieser Zeit gewiß schon ihre Arbeit aufgenommen hatte. In einem öffentlichen Konsistorium muß sie dann ihre Entscheidung vorgelegt haben236. Nun wissen wir aber, daß Ockham sich vor dem Papst im Konsistorium verteidigt hat 237 , und die Vermutung liegt nahe, daß er dabei mit dem Tätigkeitsbericht der Kommission konfrontiert wurde und Gelegenheit erhielt, auf den mündlichen Bericht der magistri zu antworten. Die Änderungen und Präzisierungen des zweiten schriftlich vorgelegten Gutachtens wären dann auf diese Verteidigung Ockhams zurückzuführen 238 . Ockham hat sich im Konsistorium offenbar hauptsächlich darauf berufen, daß er die inkriminierten Sätze so, wie sie von der Kommission vorgebracht wurden, gar nicht vertreten habe239. Zum Beweis für diese 236 237

238

D . h. das erste Gutachten (»R«), vgl. oben Anm. 224. Das berichtet der franziskanische K a r d i n a l Bertrand della Torre in einem Brief v o m 18. J u n i 1 3 2 8 , also kurz nach Ockhams Flucht aus A v i g n o n . V g l . B. Giordani, N o v u m documentum, A F H 8 ( 1 9 1 5 ) , 674: »Predictum etiam Guillelmum Ocham vocatum ad R o m a n a m curiam p r o eo quod delatus erat (!!) quod multa herronea et hereticha docuerat et scripserat, que etiam defendebat, pluriesque super dictis herroribus prius commissis nonnullis sacre theologie doctoribus auditus fuerat in consistorio, causaque pendebat in curia supradicta . . ., dominus noster (d. h. der Papst) excommunicavit . . .« (auf diesen Bericht macht auch L . B a u d r y , Vie, 100 mit A . 4 aufmerksam).

Ob die Kommission Ockham selbst verhört hat, bleibt ungeklärt. Ein solches Verhör setzen J . Koch ( R T h A M 7, 3 7 1 ) und L . B a u d r y (Vie, 100) offenbar voraus, und die Vorstellung, daß die Theologen Ockham aus dem Franziskanerkloster kommen ließen, liegt nicht fern. Trotzdem berichten weder Bertrand della Torre (vgl. vorige Anm.) noch die magistri selbst in der E i n leitung zu V irgend etwas von einer persönlichen Fühlungnahme mit dem Angeklagten, ihre A u f g a b e w a r ja auch, wie sie betonen, zunächst eine P r ü f u n g der Akten. Sie schreiben (im unmittelbaren Anschluß an Anm. 2 2 3 ) : N o s autem obedientie filii pluries in unum convenimus et cum diligentia qua potuimus, predictos artículos in libro, multos autem ex ipsis in quaternis exhibítis contineri [comperimus] ex habita collatione et discussione diligenti tandem concorditer iudicio nostro scripsimus in modum, qui sequitur . . . Z w a r berichten sie hier v o n einer »sorgfältigen Erörterung«, nichts aber von einem Verhör Ockhams. V g l . aber Anm. 2 4 1 . 239 V g l . d a z u besonders V 1 (ed. Koch, R T h A M 7, 8 j ) , w o sich die Kommission auf eine lange Diskussion einläßt. U . a. erklärt sie: non potest excus a n per illam additionem quam ponit »de potentia Dei absoluta« quia argumentum suum aeque procedit absque illa conditione sicut cum illa. Propositio autem, quam assumit, est heretica et conclusio heretica — das deutet doch entschieden darauf hin, daß Ockham seine Potentia-Dialektik erläutert hat, ohne aber offenbar d a f ü r Verständnis zu finden: Die Kommission bezieht sich auch hier ausschließlich auf den schriftlich vorliegenden Text, nicht auf mündliche Erläuterungen.

D e r Verlauf des Prozesses

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Behauptung hat er wohl sein Handexemplar vorgelegt, das er aber, wenn wir der Überschrift eines Kommissionsberichtes glauben240, dem Papst überreichte und nicht der Gutachterkommission241, die diesen Text ja erst von Jakob von Concoz erhalten haben will242. Jene im schriftlichen Kommissionsbericht erwähnten Qnatemi 243 , von denen im Bericht vor dem Konsistorium noch keine Rede gewesen war, sind nämlich nichts anderes als dieses Handexemplar, der »Uber quem dicit (seil. Ockham) esse suum«244. Das wissen wir darum245, weil die von Ockhams Taktik vielleicht etwas düpierte 240 241

242 24:1

244 2,5

V g l . unten Anm. 246. Allerdings heißt es in den » E x t r a c t a « (vgl. A n m . 246) in § [ 1 8 ] (ed. Koch, R T h A M 7, 1 9 7 ) : quamvis . . . in libro primo exhibito sic diceretur (folgt Zitat) . . . In libro autem, quem dicit esse suum, et quem magistris tradid.it, est noviter additum, ut videtur . . . — Die Diskrepanz zu der Überschrift der E x t r a c t a und der Bemerkung im schriftlichen Kommissionsbericht läßt sich verschieden interpretieren: Entweder hat Ockham seine »Quaterni« (bzw. den »über quem dicit esse suum«) dem Papst, d. h. der päpstlichen Gutachterkommission eingereicht, ohne persönlich zu erscheinen, oder w i r haben hier zu ergänzen »et quem magistris tradidit (seil, p a p a b z w . Jacobus archiep. Aqu.)». — Eine solche Ergänzung ist nicht gewaltsamer als die von J . Koch ( R T h A M 7, 370) vorgeschlagene und uns überzeugend erscheinende Ergänzung zur E x t r . § [ 2 1 ] : »in libro tradito magistris (seil, a papa)« — oder Ockham hat seine Quaterni nicht alle zusammen zu den Akten gegeben, sondern zuerst im Konsistorium einige vorgelegt und dann den Magistri weitere Hefte nachgereicht (vgl. unten A n m . 249). V g l . oben Anm. 2 1 8 . Was ein »quaternus« im 1 3 . / 1 4 . J h . konkret gewesen ist, haben F. Pelster (in Little—Pelster, O x f o r d Theology, 57 Α . 4) und A . G . Little (ibid., 2 1 9 ff., spez. 220 f.) deutlich gemadit. Ursprünglich bestand ein »quaternus« — wie der N a m e besagt — (ebenso wie die »pecia«) aus zwei gefalteten ineinander gelegten Bogen Pergament oder Papier, w a r also ein H e f t von 4 Blättern oder 8 Seiten. Ende des 1 3 . J h . aber hatten beide Bezeichnungen längst die weitere Bedeutung von »Heft« überhaupt gewonnen: E i n Quaternus konnte 2, 3, 4 oder mehr Bogen (d. h. 8, 1 2 , 16 etc. Seiten) umfassen. D a s von Little (a. a. O.) beschriebene Ms. Worcester, Cath. Libr. Q 99, (das zwischen 1 3 0 0 und 1 3 0 2 entstand und Reportationen von Quaestionen enthält, vgl. Little, a. a. Ο., p. 229, 236) enthält »quaterni« von 3, 6, 7 und 8 Bogen, zwei quaterni haben sogar einen U m f a n g von 1 1 Blatt, d. h. 5 V2 Bogen. So ist es schwer zu sagen, wie die von Ockham eingereichten Quaterni selbst ausgesehen haben. Die gleich zu nennenden »Extracta« erwähnen insgesamt 7 Hefte, von denen eines (das 7.) mindestens 1 0 Blatt gehabt haben muß (auch das 2. H e f t hatte mindestens 9 Blatt), aber wir wissen ja nicht, ob alle Quaterni denselben U m f a n g hatten. V g l . oben A n m . 2 4 1 . D a m i t sind die v o r der A u f f i n d u n g der »Extracta« geäußerten Vermutungen von A . Pelzer ( R H E 18, 1 9 2 2 , 243) und E . Hochstetter (Studien, 6), nach denen die »Quaterni« die Qdl. gewesen wären, hinfällig geworden.

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Kommission sich ausführlich mit den Abweichungen zwischen dem ihr ursprünglich vorliegenden »Über« (d. h. dem von Lutterell mitgebrachten Exemplar des Sentenzenkommentars) und den von Ockham als authentischen Text vorgelegten Quaterni befaßt hat. Uns ist eine Aufstellung überliefert, in der die Kommission festhält, wo sich in Ockhams Heften an den inkriminierten Stellen offensichtliche Zusätze oder verdächtige Rasuren finden ließen. Diese Liste 216 ist natürlich keine textkritische Kollation: einmal bezieht sie sich nur auf Änderungen, die an den für die Kommission interessanten Stellen in Ockhams Heften zu finden waren, außerdem macht sie nicht immer deutlich, welche Worte oder Sätze genau in diesen Heften fehlten247. Die Additiones, die die Kommission gefunden haben will, sind im allgemeinen in den übrigen Handschriften, und also auch im Text unserer Edition nicht zu finden248. Wahrscheinlich 246 Veröffentlicht von J . Koch, R T h A M 8, 1 9 $ — 1 9 7 ; das Dokument ( — ebenfalls aus dem Prager C o d e x stammend — ) ist überschrieben : E x t r a c t a de una parte libri quem f r a t e r Willelmus Ockam exhibuit papae designatis locis suis, ubi in libro suo sunt nove rasure et additiones nove et suspecte. — Z u den E x t r a c t a vgl. auch J . Koch, R T h A M 7, 357 f., 3 7 0 — 3 7 2 . 247

V g l . die Feststellung der Magistri in E x t r a c t a , § [ 1 ] : 6 quaterno, f o l i o 7, ubi agit »si actus possit esse meritorius sine habitu caritatis» est abrasum signo o. — V g l . auch § [ 5 ] : Item »quod videns divinam essentiam, carens tarnen per potentiam D e i absolutam dilectione D e i potest nolle Deum« cum declaratione et probatione eiusdem, quaterno eodem [ = 2 ] f o l i o 8, signo 19. — Soll man e t w a daraus schließen, Ockham habe den ganzen Passus (I Sent. d. ι q. 6 T) radiert (etwa Vs Kolonne der Edition) — oder meint die Kommission nur, daß sie diese Passage nicht in den Quaterni gefunden habe? 248 V g l . ρ Boehner, C o l i . A r t . , 1 2 0 ; allerdings findet sich eine der additiones sogar nodi in der E d i t i o n : vgl. E x t r . § [ 1 8 ] : Item dicit non esse »concedendum quod paternitas, filiatio, spiratio, passio, actio sunt quattuor relationes distincte«. H i c est noviter additum: »sicut nec est concedendum quod essentia et paternitas sunt due res« . . . Beide Sätze finden sich in I Sent. d. 1 7 , q. 1 D — allerdings der verdeutlichende Zusatz, den die E x t r . dann anführen »(plures relationes) distincte realiter«, fehlt in I Sent, d. 1 7 q. ι B . — V . Richter hat vermutet, daß w i r in den Quaterni »ein auf G r u n d von B [ o r g h . ] 68 verfertigtes und im Hinblidt auf den Prozeß korrigiertes E x e m p l a r seiner (seil. Ockhams) . . . endgültigen Redactio des Sentenzenkommentars« v o r uns haben (Gregorianum 46, 196$, 7 8 1 ) , weil auch im Borghesianus zwei längere Passagen fehlen, die in den E x t r . (§§ ι und 1 5 ) als größere Rasuren gekennzeichnet sind. Leider hat V . Richter nicht angemerkt, ob sich die verschiedenen »Additiones«, wenn schon nicht am R a n d (vgl. 779), so dodi vielleicht im T e x t befinden. Außerdem wäre es, wenn schon ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen Quaterni und Β 68 angenommen werden soll, näherliegend, ein umgekehrtes Verhältnis

Der Verlauf des Prozesses

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beschäftigte sich die Kommission mit diesen Quaterni unmittelbar nach der Abgabe ihres ersten (mündlichen) Gutachtens249 und vor der schriftlichen Berichterstattung.

249

zu vermuten, wenn in den Quaterni dort, wo Β 68 eine Passage ausließ, wirklich radiert worden war (vgl. aber Anm. 247). — Richter druckt im Anhang aus Β 68 u. a. I Sent. d. 17 q. 1 ab (787—796) und teilt dabei jeweils die aus dieser Quaestion in den Quaterni auftauchenden Textstücke mit (790, 791, 792), ohne darauf zu verweisen, daß im 1. und 3. Fall Β 68 mit dem Text der Edition gegen die Quaterni steht (vgl. I Sent. d. 17 q. ι J, L). Im zweiten Fall (791) vermerken die Extr. (§ 16) gerade, daß in den Quat. ein Text fehlt, den aber Β 68 enthält. — Neuerdings vgl. die Ergebnisse von A. Maier u. G. Gài oben A. 68. Zu dem von J. Koch (RThAM 7, 372) angeführten Argument (der chronologischen Anordnung der Stücke im Prager Codex) ließe sich dafür audi die Anordnung der Extr. anführen, die weder mit der Reihenfolge in Ockhams Text (diese bei J. Koch, a . a . O . , 357), nodi mit der der Artikel in beiden Gutachten übereinstimmt, aber R näher als V steht: Ockham Extr. R V Luttereils I Sent. Liste d. 17 q. 2 I vgl. 19 I 16 d. 2 q. I 2 29/30 42 29 8 d. 2 q. I 43 3 31 12 28 d. ι q. 5 4 27 d. ι q. 6 ç 46 28 25 6 d. ι q. 5 26 41 27 d. 2 q. I — 44 7 3* d. 2 q. 3 8 — 33 29 d. 2 q. I — 45 34 9 d. 2 q. 4 10 30 35 13 d. 3 q. 2 II — 14 3« d. 2 q. 2 I 12 25 9 d. 2 q. 2 2 26 10 13 d. 7 q. I — 14 27 3 d. 17 q. 2 d. 27 Prol. Prol. Prol. Prol.

q. q. q. q. q.

I I I 2

15 16

16

I

19

17 18

17?

19

22 21

20

18 18

37? 38 10

II 26 2

II 4 23 6 24 39 3 Extr. § 1—3 steigt mit R (R 16—R 31]); Extr. § 4 — I i m i t R 2 7 — R 36 (einzige Ausnahme: Extr. § 6); Extr. § 12—22 m i t R ι — 2 4 (Ausnahme : Extr. § 19). Alle anderen Listen zeigen wesentlich weniger Übereinstimmung. Warum Extr. § 1—3 vorangestellt wurden, läßt sich nur vermuten: § ι entspricht ohnehin dem von Ockham offenbar am heftigsten angegriffenen Punkt des 1. Gutachtens (vgl. dazu Kap. II Anm. 70$). — Dort mag die Kommission zuerst geprüft haben. — Jedenfalls macht die Liste, wenn 21 22

70

D e r Prozeß in A v i g n o n

Ockham erreichte mit der Vorlage seiner Hefte sein Ziel nicht: die Kommission zumindest glaubte, die Änderungen seien rein taktischer Natur und nur nachträglich eingefügt. Ob dieser Verdacht bei allen monierten Stellen berechtigt ist, erscheint zweifelhaft. Sicher hat Ockham auch zweimal eine besonders »gefährliche« Stelle durch ein »secundum unam opinionem«250 zum Referat abgeschwächt oder auf einer Rasur seine Antwort auf die quaestio durch ein »(respondeo) sine assertione et salvo iudicio saniori« 251 eingeschränkt, aber auch mit solchen Zugeständnissen hat Ockham ja substanziell an seinem Text nichts geändert. Auch in dem uns vorliegenden Scriptum zum I. Sentenzenbuch252, in seinen Quodlibets253 — ganz zu schweigen von seinen philosophischen Werken — hat Ockham häufig solche vorsichtigen Einschränkungen gemacht. A m besten bezeichnet vielleicht folgende Bemerkung seine Einstellung, die sich in der Or dinatio findet: »Sed quicquid dico de tali esse ficto ponendo vel non ponendo, recitative dico, quamvis hoc non explicam semper«254. Später in seinem Dialogus hat Ockham audi diese Vorsicht verteidigt, weil sie gegen alle Verleumdungen (!) die Rechtunscre Vermutung stimmt, daß sie auf G r u n d der Reihenfolge von R erstellt wurde, den Eindruck, als w ä r e sie erst in mehreren A n l ä u f e n entstanden. Sie scheint audi nicht ganz vollständig zu sein, denn in V 38 ( = R 22) w i r d in der Zensur (vgl. ed. J . Koch, R T h A M 8, 186) ein additum erwähnt, das in den E x t r . nicht verzeichnet ist, und nach der A n o r d nung von R an das Ende der Liste gehört (eigentlich ist es zu E x t r . § 19 gehörig, das aber auch nicht ganz «richtig» eingeordnet ist). Vielleicht hat Ockham auch nicht sofort alle Quaterni eingereicht. Den drei Gruppen der E x t r . entsprechen folgende Quaterni: E x t r . ι — 3 = Quat. 2, 6 E x t r . 4 — I i = Quat. (2), 3, 4 E x t r . 1 2 — 2 2 = Quat. 1 , 5, (6), 7 (Eingeklammert haben w i r jeweils den Quat., der schon in einer früheren Gruppe aufgetaucht war). Das macht jedenfalls die Hypothese schwierig, daß die Kommission sich geteilt hätte. — Die oben A n m . 247 zitierte Bemerkung der Magistri, nach denen Ockham ihnen die H e f t e übergeben hätte, findet sich in E x t r . 18, d . h . in der 3. G r u p p e unserer Aufstellung und bezieht sich auf Quat. 7, der zum ersten Male in dieser Gruppe auftaucht. 250

E x t r . 21 ( R T h A M 8, 1 9 7 ) ; vgl. E x t r . 19 (197) »secundum aliquos«.

251

E x t r . 1 7 (p. 196).

252

Vgl. z . B . I Sent. Prol. q. 1 Ζ ( O T I, 30 ff., bes. 30, 8 — 1 1 ) ; I Sent. d. 3 q. 8 D ; d. 8 q. 3 H ; d. 1 3 q. i J .

253

Qdl. I V 1 9 ( = Paris I V 35).

254

I Sent. d. 27 q. 3 J — dieser T e x t gehört offenbar zur 2. Redaktion (Ms. Florenz Bibl. N a z . , C o n v . Soppr. 3. 801 bricht ja in dieser Quaestion schon ganz am A n f a n g ab).

Der Verlauf des Prozesses

71

gläubigkeit des Autors bestätige 235 . In den anderen »additiones« aber zieht sich Ockham nicht hinter die unpersönlich vorgebrachte wissenschaftliche Diskussion zurück, sondern präzisiert nur seine Ansicht, die aus einem hinreichend gründlichen Studium seines Textes ohnehin zu erheben ist256. Die sechs magistri der Kommission ließen sich durch ihre Funde nur in dem einmal gefaßten Urteil bestätigen: sie ordneten ihr Gutachten um und reichten es besiegelt ein. Der weitere Verlauf des Prozesses ist in Dunkel gehüllt. Wir wissen nur noch, daß Jacques Fournier, ab 1 3 2 7 Kardinal und später Nachfolger Johannes' X X I I . , ebenfalls ein Gutachten abgegeben hat, dem aber die zweite Liste der Theologenkommission bereits vorgelegen haben muß. Dieses Gutachten ist uns nicht erhalten 257 . N u r dadurch, daß der Augustinereremit Johannes von Basel, genannt de Hiltaltlingen (t 1392), in seinem Sentenzenkommentar einige Ansichten Fourniers bekämpft und Ockham verteidigt hat, wissen wir Näheres von 255

I D i a l . I I I 9 (f. 2 1 ra, p. 442) Tertio contingit aliquem praedicare publice contra fidem protestando quod nihil intendit contra fidem orthodoxam tenere aut defendere temere. E t quia non errat ex malicia et pertinacia . . . non est haereticus manifestus nec ex sola tali publica praedicatione debet haereticus reputari. E t propter hoc tales protestationes faciunt his temporibus — quibus quamplurimi ex odio, rancore, invidia, malicia moliuntur meliores et sapientiores sic de haeresi d i f f a m a r e — complures docentes, praedicantes et scribentes ut coram omnibus se ostendant nullatenus pertinaces. — Z w a r handelt es sich hier um die Protestationen (vgl. unten K a p . I I Anm. 521 ff.), aber audi das recitative dicere steht auf dieser Linie, vgl. contra Joh. c. 2 (ed. H . S. O f f l e r , O P I I I , 35 f.), w o die Hermeneutik solchen »recitative dicere« entwickelt w i r d . Nach dieser Darlegung durchbricht z w a r ein dubito, dico, assero etc. das »recitative« Vorgebrachte; an den Stellen, w o Ockham sein »secundum aliquos« einfügte, w a r aber schon ursprünglich unpersönlich formuliert: »dubium est« (Extr. 19), b z w . »sciendum est« (Extr. 21).

256 V g l . d a z u ¿Je längste »additio« in E x t r . 4 (Koch, 195) mit I d. 2 q. 9 Ρ f ï . ; um hier Qdl. V 1 gar nicht zu nennen (ed. P . Boehner, Phil. Writ., 9 7 — 1 0 2 , spez. 100). 257

A u f diese Exzerpte machte F. Ehrle aufmerksam, vgl. ζ. B . D e r Sentenzenkommentar des Petrus von C a n d í a , 87 f., J . Koch hat in R T h A M 7 ( 1 9 3 5 ) , 369, diesen Hinweis a u f g e g r i f f e n ; jüngst hat er alle Nachrichten über Fourniers theologische Gutachten zusammengestellt; vgl. J . Koch, Jacques Fournier (Papst Benedikt X I I . ) als Gutachter in theologischen Prozessen. I n : Die Kirche und ihre Ä m t e r und Stände, Festschrift S. E . Josef K a r d i n a l Frings, K ö l n i960, 4 4 1 — 4 5 2 (zum Ockham-Prozeß 447—449). Eine Edition des Sentenzenkommentars des Johannes von Basel w i r d von D . T r a p p , O. E . S. Α., vorbereitet.

72

Der Prozeß in A v i g n o n

diesem Traktat 258 , der gleichsam als Obergutachten zu dem Schriftstück der Kommission angesehen werden muß. Die Bruchstücke sind aber zu gering, um viel mehr zu sagen, als daß auch Jacques Fournier sich bemühte, die zensierten Irrtümer zu widerlegen. Weiter können wir den Gang des Prozesses nicht verfolgen. Eine Verurteilung Ockhams ist nie ausgesprochen worden259, gewiß nicht deshalb, weil Ockham am 26. Mai 1328 im Gefolge Michaels von Cesena aus Avignon floh — Johannes X X I I . hat audi noch den 1327/28 (wahrscheinlich in Avignon) verstorbenen Meister Eckhart260 am 27. März 1329 verurteilt 261 . Und die Verurteilung der Apokalypsenpostille des Petrus Johannis Olivi erfolgte erst mehr als zwanzig Jahre nach dem Tode des Verfassers262. Es ist unklar, warum der Papst diese schärfste Waffe gegen den exkommunizierten Flüchtling nicht angewandt hat. Johannes X X I I . selber scheint nicht 258

In den Inventaren der päpstlidien Bibliothek aus dem Jahre 1369 und 1375 ist Fourniers Traktat gegen Ockham aufgeführt, vgl. die bei K o d i , FringsFestschrift, 441 f. zitierten Texte aus der Edition v o n F. Ehrle, Historia bibliothecae Romanorum Pontificum, Rom 1890, 316, 358, 499.

Darauf berufen sidi noch die Pariser Vertreter der via moderna in einer Supplik an K ö n i g L u d w i g X I . v o n 1474, in der sie die Wiederzulassung ihrer Lehre an der Pariser Universität erbitten, die 1473 verboten worden war. V g l . den T e x t der Supplik in C . du Plessis d'Argentré, Collectio Judiciorum, Paris 1728, t. I, col. 286 b : »Jussit etiam idem Papa doctrinam huius O k a m examinari per quendam Cardinalem. Q u i — licet multa disputaverit contra eundem O k a m , nihil tarnen reperuerunt, quod ausi fuerint condemnare. Neque secuta est aliqua damnatio articulorum per eundem Cardinalem examinatorum«. (Die ganze Supplik ist audi bei F. Ehrle, D e r Sentenzenkommentar, 322—326, abgedruckt, das Zitat 324. Ebda. 310—321 der T e x t des kngl. Verbots von 1473.) 260 v g l . j Koch ¡ n : A r d i i v u m Fratrum Praedicatorum 30, 1960, p. 50 f.

259

261

262

263

In agro dominico, ed. M. H . Laurent, Autour du procès de Maître Eckhart, les documents des Archives Vaticanes, D i v u s Thomas (Piacenza) 39 (1936), 331—348, 430—447; spez. 436—444 nr. 8; Auszüge bei Denzinger—Sdiönmetzler, nr. 950—980. — Ockham hat von dieser Verurteilung übrigens nichts gewußt, er rückt vielmehr Johannes noch in C o n t r a Ben. I V 4 (Offler O P III, 250 f.) und III. Dial. II ii 8 (f. 251 rb, p. 909) vor, er habe Eckharts »Haeresien« geduldet. A m 8. Februar 1326 (vgl. Baluze—Mollat, Vitae Paparum Avenionensium, I, Paris 1914, 142, 1 6 6 ) . C . Eubel, BF V , 346 a, nr. 7 1 1 : C u m Guillielmus O k a m de ordine fratrum Minorum qui super crimine heresis in curia Romana delatus(!) extiterat, pendente negotio in eadem curia contra ipsum, tamquam sibi male conscius inde nuper occulte absque licentia nostra recesserit, se de dicto crimine reddendo convictum. — Z u diesem Schreiben vgl. audi J. H o f e r , A F H 6 (1913), 4J2 f.

D e r Verlauf des Prozesses

73

abgeneigt gewesen zu sein, denn zwei Tage nach der Flucht Michaels schreibt er ausdrücklich, daß Odkham wegen des Verbrechens der Haeresie angeklagt, während des schwebenden Inquisitionsverfahrens unerlaubt aus Avignon verschwunden sei; damit zeige er sein schlechtes Gewissen und habe sich selber überführt 263 . Und noch 1 3 3 0 schreibt der Papst an Johann von Böhmen, die Doktoren, die mit der Prüfung von Ockhams Lehren beauftragt waren, hätten viele von ihnen f ü r haeretisch erklärt. E r scheint also noch entschlossen, den Prozeß zu Ende zu führen 264 . Was dann seinen Abschluß verhindert hat, bleibt ein Rätsel. Ob sich im Kardinalkollegium ein einflußreicher Gönner fand, der sich einer Verurteilung widersetzte? Natürlich w a r unter den gegebenen Umständen nicht mit einem Freispruch zu rechnen, aber daß die Entscheidung in der Schwebe blieb, w a r allein zunächst ein großer Erfolg. Später beherrschte die Ockhamsche Philosophie und Theologie so sehr die Universitäten des gesamten Kontinents 265 , daß an eine Fortführung des Prozesses nicht zu denken war. Die historische Entwicklung hat ihn zu einer Episode gemacht, die auf ganz andere Weise zu einer geschichtlichen Epoche wurde, als es die Initiatoren des Prozesses sich ursprünglich gedacht hatten. Ockham w a r durch den langjährigen Prozeß aus der stillen Arbeit des Universitätslehrers gerissen, die dodi im wesentlichen »nur« die Universitätsgeschichte des folgenden Jahrhunderts bestimmen sollte. In Avignon nun fand Odkham darüber hinaus seinen Platz in der großen kirchenpolitischen Auseinandersetzung seiner Zeit, in der sich die spätmittelalterliche Kirchenspaltung schon ankündigte. Als Fran2.4

2 2 . Juli 1 3 3 0 : C . Eubel, B F V , 480, nr. 8 7 6 ( A n m . j ) L u d w i g der B a y e r habe sidi die sdileditesten Berater ausgesucht, darunter . . . guilelmum quoque O k a m , Anglicum Ordinis fratrum Minorum, haeresiarcham qui hereses varios dogmatizabat publice et scripta fecerat haeresibus et erroribus plena: propter quae fuerat vocatus ad curiam eiusque scripta fuerant pluribus doctoribus assignata (ut ea deberent examinare cum diligentia et quae invenirent haeretica seu erronea declarare, qui iam multos artículos declaraverunt haereticales), qui quidem male sibi conscius, fugae praesidio se confidens, vitare voluit canonicam ultionem. — V g l . die ähnlichen Formulierungen in der Exkommunikationsbulle von 6. Juni 1 3 2 8 ( B F V , 3 4 6 b — 3 4 9 b, nr. 7 1 4 ) und dem Brief v o m 5. A p r i l 1 3 2 9 an die Bischöfe Englands (BF V , 380 a — 3 8 1 a, nr. 7 8 4 ) .

2.5

D a z u vgl. besonders F. Ehrle, D e r Sentenzenkommentar des Petrus von C a n d í a , passim; und — für Deutschland — die Untersuchungen v o n G . Ritter, besonders: V i a antiqua und v i a moderna auf den deutschen Universitäten des i j . Jh., S B Heidelberg, phil.-hist. K l . , J g . 1 9 2 2 , Abh. 7 ; jetzt photomech. nachgedr. Darmstadt 1 9 6 3 .

74

Ockhams K a m p f gegen die Avignonesische Kirche

ziskaner ergriff er entschlossen Partei für die Position seines Ordens in der Auseinandersetzung mit Papst Johannes X X I I . M 6 Anders als seine Kampfgefährten aber ließ er es bei dieser Option allein nicht bewenden: Der Kirchenbegriff, den er auf Grund dieser Option theoretisch ausarbeitete, sollte weit in die K ä m p f e des Schismas hineinwirken und eine theoretische Fassung des politischen Selbstverständnisses seiner Zeit werden, die in ihren unmittelbaren und mittelbaren Wirkungen schwerlich überschätzt werden kann. Ockhams Kampf

gegen die Avignonesische

Kirche

ι . Der Kampf gegen Johannes X X I I . Ockhams Bruch mit Papst Johannes X X I I . ist nicht persönlichen Ursprungs. In keiner einzigen seiner zahlreichen »politischen Streitschriften« hat Ockham später unmittelbar auf seinen Prozeß Bezug genommen268. Seine theologisch-philosophische Lehre hält er in dem K a m p f , der nun beginnt, f ü r akzidentiell; denn Ockham weiß sich in einer Auseinandersetzung, die weit über die Frage der wissenschaftlichen Wahrscheinlichkeit gewisser Lehrmeinungen hinausgeht. Es geht um den Glauben der Kirche269. Seit er erkannt hatte, daß das »Ungeheuerliche«270 geschehen war, daß der Papst in Avignon selbst Irrlehren verkündete und der Haeresie verfallen war, schrieb Ockham unermüdlich Streitschriften, arbeitete an öffentlichen Protesten und Schriftstücken seiner Gesinnungsfreunde mit und verfaßte seine beiden großen Darstellungen der theoretischen Diskussion dieser Probleme, den Dialogus und die Octo Quaestiones. Sechs Jahre nach dem Beginn dieses Kampfes oder 15 Jahre vor seinem Tode schildert Ockham selbst, wie er 2,6 2 8

«

269

270

Zu diesem K a m p f unser K a p i t e l I I I . V g l . unten K a p . I I , A n m . 58. Charakteristisch ist hierfür seine Diskussion der Lehre von den Successiva in O N D c. 67 (Offler, O P I I , $80—589, spez. 587): C i r c a solutionem autem rationis sophisticae, quam adducit, nolunt multum insistere. Quia illa ratio ab exponentibus quartum librum Physicorum dissolvitur; et ideo, secundum quod exponentes circa naturam temporis et aliorum successivorum diversimode opinantur, secundum hoc diversimode ad rationem praedictam respondent. Aliter enim respondent i l l i . . . ; aliter i l l î . . . Sed istorum opinantium rationes pertractare, et quae illarum sit probabilior indagare ad praesens non expedit; sed hoc, in quo praedicti opinantes concordant cum scriptura divina . . . fideliter est fatendum. Vgl. auch K a p . I V , Anm. 2. Vgl. unten A n m . 352.

Der K a m p f gegen Johannes X X I I .

75

unter dem Druck dieser umstürzenden Erfahrung arbeitete. In seinem Rechenschaftsbericht an das Generalkapitel, das die dem Papst treu gebliebene Ordensmehrheit in Assisi abhalten wollte, schrieb Ockham im Frühjahr 1334: Est enim mihi per viros litteraturae egregiae evidenter ostensum, quod propter praedictos errores et haereses praedictus pseudopapa haereticus (d. h. Johannes X X I I . ) papatu privatus et excommunicatus ipso iure absque omni nova sententia est censendus, quia in cánones latae sententiae tarn generalium conciliorum quam summorum pontificum incidit manifeste. Ad quae probanda plura volumina sunt edita; et ego de haeresibus et erroribus memoratis et eis annexis de tenuitate ingenii mei scripsi manu mea quinquaginta sexternos de communi forma papyri, et adhuc habeo scribere quadraginta et amplius. Nam contra errores pseudopapae praefati posui faciem meam ut petram durissimam (Js. 50,7): ita quod nec mendacia nec falsae infamiae nec persecutio qualiscumque, quae personam meam corporaliter non attingit, nec multitudo quantacumque credentium sibi aut faventium, vel etiam defendentium me ab impugnatione et reprobatione errorum ipsius, quamdiu manum cartam, calamum et atramentum habuero, numquam in perpetuum poterunt cohibere. Ante enim quam omnes praedictos errores compossibiles fidei reputarem, totam fidem Christianam omnesque promissiones Christi de fide catholica usque ad finem saeculi duratura ac totam ecclesiam Dei in paucis, immo in uno, posse salvari putarem«271. Offenbar haben Ockham während der folgenden Jahre weder Feder, Papier und Tinte noch gar der Wille gefehlt, seine Position ausführlich darzulegen. Die lange Reihe seiner Streitschriften aus dem kirchenpolitischen Kampf bezeugt nicht allein die erstaunliche Ausdauer und Energie, mit der er die Auseinandersetzung führte, sie läßt zugleich auch erkennen, wie Ockham sich rasch und sicher in dieses für ihn neue Gebiet der Reflexion einarbeitete. Das Opus XC Dierum, die älteste unter den uns erhaltenen Schriften aus Ockhams zweiter Lebenshälfte272, verdankt seinen Titel der Schluß271

Epistola (Offler, O P I I I , 6 — 1 7 , hier 1 5 ) .

272

Für die Chronologie dieser Schriften sind besonders heranzuziehen: S. Riezler, Die literarischen Widersacher der Päpste zur Zeit L u d w i g des Baiers, Leipzig 1 8 7 4 , 2 4 1 — 2 7 7 ; E . Knotte, Untersuchungen zur Chronologie von Schriften der Minoriten am H o f e Kaiser Ludwigs des Bayern, Phil.-Diss. Bonn 1 9 0 3 , spez. 1 8 — 4 2 ; R . Scholz, Unbekannte kirchenpolitische Streitschriften aus der Zeit L u d w i g s des Bayern ( 1 3 2 7 — 1 3 5 4 ) , Bd. I, II, R o m 1 9 1 1 , 1 9 1 4

76

Ockhams Kampf gegen die Avignonesische Kirche

bemerkung Ockhams, in der er berichtet, daß er seine Schrift in 90 Tagen niedergeschrieben habe273. Diese Mitteilung wirft ein Licht auf das erstaunliche Gedächtnis, das Ockham gehabt haben muß, audi wenn wir den besonderen Charakter dieses Werkes in Rechnung stellen, das im Aufbau und in vielen Einzelheiten seinen Vorgängern in der Polemik viel verdankt. Das Opus XC Dierum bezieht sich unmittelbar auf die Bulle Quia vir reprobus274, in der Papst Johannes X X I I . ausführlich auf die Pisaner Appellationen Michaels von Cesena und seiner Gefährten275 geantwortet hatte und seine vorher bezogene Position noch einmal in weitläufigen Erörterungen zu verteidigen versuchte. Diese Bulle, die sich in einem für Papst Johannes überraschend hohen Grade auf eine argumentierende Diskussion einläßt — mit der er die Haeresie und Unvernunft seiner Gegner der gebildeten Öffentlichkeit nachweisen will — hat Ockham nun Stück für Stück vorgenommen und ihre einzelnen Argumente zerpflückt. Er zitiert in jedem Kapitel zuerst einen überschaubaren Abschnitt der Schrift des Papstes, faßt anschließend knapp den Gedankengang dieses Abschnitts zusammen, um dann eine allgemeine Widerlegung zu geben. Dann folgen noch einige Bemerkungen »ad litteram«, das heißt Notizen und Polemiken gegen die Einzelformulierungen der Bulle278. In dieser Methode ist beschlossen, daß sich der Traktat in seinem Aufbau eng an den Gegenstand seiner Kritik anschließt und seine Theorien nicht in systematischer Entfaltung, sondern in polemischer Absetzung gegen das päpstliche Schriftstück entwickelt, das ja seiner-

273

274

275 27β

(zitiert als »Streitschr.« I bzw. II) spez. I, 1 4 1 — 1 8 9 ; L. Baudry, Vie, 1 2 4 — 240, passim; zusammenfassend zuletzt Cl. Schmitt, Un pape réformateur, 197—z66. Außerdem sind die Einleitungen zu den in den erschienenen Bänden der »Opera Politica« Bd. 1—3, Manchester 1940, 1963, 1956 (zit. als O P I, II, III) edierten Traktaten heranzuziehen. O N D c. 124 (Off 1er, O P II, Β 57): » H o c opus nonaginta dierum quamvis cursim et sermone nullatenus falerato multo tarnen compievi labore*. Promulgiert am 16. November 1329, gedruckt u. a. bei C. Eubel, B F V, 408 a — 4 4 9 b, nr. 820. Vgl. unten Kap. III Anm. 302. Vgl. O N D , Prol. (Sikes, O P I, 2 9 3 ) : U t autem apertius dictae constitutionis sciatur intentio, qualiterque contra ipsam obiectiones adversariorum procedunt magis appareat, ne quis dicat, quod verba, non mentem, impugnant, tota constitutio per partículas cum reprobationibus est ponenda; deinde objectiones et responsiones, scilicet impugnantium, annectuntur. Ad subiiciendas vero obiectiones [seil. Johannis X I I ] , cum nesciam, minime respondebo, sed quod constitutionis conditor antedictae respondeat, ardenter affecto.

D e r K a m p f gegen Johannes X X I I .

77

seits sowohl auf die vorangehenden Konstitutionen zum Armutsstreit2'7, als auch auf Michaels Appellationen ständig Bezug nimmt. Es ist bewunderungswürdig, wie Ockham angesichts dieser verwirrenden Fälle von Polemiken, Rückbezügen und Argumentationen noch einen Text zustande bringt, der einerseits in klarer Gedankenführung die ausgedehnte Debatte zum Armutsstreit aus seiner Sicht zusammenfaßt278, andererseits bereits die Grundpositionen absteckt, die er später zwar mannigfach nuancieren, fortbilden und mit neuen Problemen und Perspektiven anreichern wird, die er aber bis in seine letzten Kampfschriften hinein im Prinzip festhalten wird. Wir dürfen uns diese Beobachtung nicht durch Ockhams eigene Worte verdunkeln lassen, in denen er den referierenden Charakter seiner Schrift unterstreicht und eine spätere Zusammenfassung seiner persönlichen Auffassung in Aussicht stellt279. Damit kündigt er nur an, daß er die Schlußfolgerungen, die sich aus dem hier aufgearbeiteten Material ergeben, nicht scheuen wird280. Ockham konnte sich bei der Abfassung seines Traktats bereits auf zwei umfangreiche Antworten auf die päpstliche Bulle stützen, die in seiner nächsten Umgebung in München entstanden sind, und die er zweifellos gekannt und benutzt hat. Michael von Cesena selbst hatte schon am 26. März 1330, nur 4 Monate nach der Promulgation von Quia vir reprobus, in München öffentlichen Protest eingelegt und an die »Heilige Römische Katholische und Apostolische Kirche« 277

V g l . unten K a p . I I I A n m . 2.

278

D e r Stolz auf diese Leistung klingt in dem N a c h w o r t Ockhams durch, wenn er bemerkt ( O N D c. 124, Offler, O P II, 857). Sane pro hoc opere ambae partes grates mihi referre deberent. N a m impugnantium (d. i. der Anhänger Michaels) rationes scripturae mandavi et, quantum in me est, omnibus public a v i : quod ipsi, ut audio, toto desiderio cordis affectant. Impugnati (d. i. Johannis X X I I ) vero exercitare volui intellectum et sibi occasionem cogitandi ac mentem suam circa omnia exprimendi praebere.

279

OND

c.

124 (857 f., I.460—466, 470—474)



A l l z u wörtlich haben

z.B.

S. Riezler, D i e literarischen Widersacher, 244 und R . Scholz, Wilhelm von Ockham als politischer Denker und sein Breviloquium de principatu tyrannico, Stuttgart 19J2 (zit. als »Brev.«), 7, diese Worte genommen, wenn sie meinen, Ockhams eigene Meinung sei aus dem O N D kaum zu erheben. V g l . L. B a u d r y , Vie, 158. 280 V g l . d a 2 u audi O N D , Prolog (Sikes, O P I, 2 9 3 ) : Diligenter itaque examinanda sunt omnia et probanda, ne praecipitanter falsa pro veris a nimis credulis approbentur; tunc autem efficacius examinantur omnia et probantur exagitata, quia »veritas magis splendescit in lucem« cum pro utraque parte contradictionis ac fortius ac acutius allegatur.

78

Ockhams Kampf gegen die Avignonesische Kirche

gegen Johannes' Bulle und alle seine Entscheidungen appelliert281. Er hatte in diese Appellation eine »magna scriptura« eingefügt, die er zur Widerlegung der Irrtümer und Haeresien Johannes'XXII. hatte »redigieren lassen«283. Wir dürfen vermuten, daß Ockham schon bei der Abfassung dieser Schrift beteiligt war, jedenfalls hat sie ihm vorgelegen, als er sein Opus XC Dierum schrieb283. Wichtiger noch könnte ihm eine weitere Verteidigungsschrift aus dem Kreise seiner Kampfgefährten gewesen sein, die auch im Jahr 1330 entstanden sein dürfte und jedenfalls vor den 24. Januar 1 3 3 1 zu datieren ist, die Improbado . .. contra libellum domini Johannis, qui incipit >Quia vir reprobusanimalalbumaliquid informatum albedine< vel >aliquid habens albedinemnomen connotativum< kann keine eigentliche (propriissima) Realdefinition haben; selbst wenn wir eine Realdefinition der einzelnen Bestandteile geben können, bleibt die zusammengesetzte Realdefinition doch von der vorausgesetzten Nominaldefinition abhängig 234 . Außerdem können diese Begriffe kein einzelnes Individuum haben, das ihren Sinn unabhängig von allem anderen Existierenden erfüllen könnte, wie »sortes« den Sinn von »homo« erfüllt: sie bedürfen des im mitbezeichnenden respectus angegebenen anderen Gegenstandes, um an der Wirklichkeit überprüfbar zu sein235. Ockham kennt eine ganze Reihe von solchen konnotativen Begriffen, die keineswegs untereinander gleicher Art sind, er zählt an einer Stelle 236 einmal verschiedene Gruppen auf, die wir zu drei Arten zusammenfassen möchten: einmal jene konkreten qualitativen Begriffe wie »iustus«, »albus«, »animatus«, die nicht für die Qualitäten als solche stehen, sondern für den qualitativ bestimmten Gegenstand 237 . Zu einer zweiten Gruppe können wir alle jenen Vgl. S. L. 126 (Boehner, 80, Z. 1 1 9 ff.): Definitio autem exprimens quid nominis est oratio explicite declarans, quid per unam dictionem importatur. Sicut aliquis volens docere alium, quid significat hoc nomen >albumaliquid habens albedinem«. 2 3 4 S. t. L. I I I ii 33, zitiert bei Moody, Logic, 276 f. A. 2. 235 Vgl. S. L. I 49 (Boehner, 1 4 1 ) . . . aliqua nomina sic sua significata significant, quod absolute possent praedicari, absque hoc quod addatur eis aliquis casus o b l i q u u s . . . Aliqua autem nomina sic sua significata significant, quod de nullo verificari possunt, nisi vere et convenienter possit eis addi casus obliquus alterius dictionis . . . ita quod ista nomina >pater< et >filiuscausacausatumsimilis< et huiusmodi de nullo possunt vere affirm a » , si significative summantur, nisi vere et convenienter possit eis addi respectu eiusdem aliquis casus obliquus.

233

236

S. L. I 1 0 (Boehner, 34 f.), vgl. die Analyse bei G. Martin, Wilhelm von Ockham, 223 f., der sogar sechs Klassen unterscheiden möchte, dabei aber neben Ockhams Haupteinteilung unterschiedslos die Unterklassen behandelt: audi die »Transzendentalien« gehören zu jener Gruppe, die sich mit den Seelenvermögen und seinen Akten, bzw. deren Gegenständen beschäftigen.

237

In seinem Tractatus minor logicae, ed. Buytaert, Fe S 24 (1964), 58, zeigt Ockham im Vergleich zu dieser Klasse die Nichtrealität von abstrakten Begriffen wie »equinitas«, die eben keine qualitativen Bestimmungen sein kön-

204

Grundzüge von Ockhams theoretischer Philosophie

Bestimmungen zusammenfassen, die nicht unter die Kategorien der Substanz oder Q u a l i t ä t fallen 2 3 8 — ja auch einige qualitative B e stimmungen, nämlich die formalen, gehören hierher, d a sie auch kein Sein möglicher Selbständigkeit f ü r sich beanspruchen können 2 3 9 . D a s Gleiche gilt v o n den quantitativen Bestimmungen, da auch der Quantität kein eigenes Sein zukommt 2 4 0 , und v o r allem v o n den Relationsbegriffen, den nomina relativa, w i e »simile« oder » d i versus«, »pater«, »filius«, »causa« usw. 2 4 1 E i n e dritte G r u p p e bilden schließlich alle jene Begriffe, die sich auf die Seelenvermögen, ihre A k t e und deren Objekte beziehen, w i e »potentia«, »actus«, »intellectus«, »intelligibile«, »voluntas«, »volibile« und »verum, bonum, unum«, sofern sie mit »ens« konvertibel sind. E s ist angesichts der W e i t e dieser Bestimmungen deutlich, w i e wichtig die K o n n o t a t i v b e g r i f f e f ü r Ockhams D e n k e n sind: sie allein ermöglichen ein Wissen, das über die bloße A p p e r z e p t i o n

von

Einzeldingen hinausgeht: Sie fassen jeweils verschiedene Einzeldinge zu Aussagen oder Beziehungen zusammen, ohne daß diese Beziehungen selbst in der Wirklichkeit als selbständig seiende D i n g e existieren könnten. Ist damit nicht behauptet, daß sie ein bloßes

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nen: nomina abstracta sunt proprie illa quae correspondentibus nominibus concretis solummodo significant in recto illam rem, quae significatur per concretum in obliquo. Propter quod talia >equinitasanimalitasdeitasSimile< est >aliquid ha'bens qualitatem talem qualem habet aliudaliquid potest ridere« . . . ita quod quicquid importatur per hoc complexum, importatur etiam aliquo modo per illud incomplcxum. (Zitiert auch bei Guelluy, 188 f. A. 1). Nominalismus? in: Fe S 9 (1949), 370—403, bes. 387 ff. A. a. O., 390. (Sperrungen von Hochstetter).

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Grundzüge von Ockhams theoretischer Philosophie

Ockham »incomplexa« und » c o m p l e x a « nicht an dem Kriterium des Erkenntnisvorganges unterscheidet, sondern beide Begriffe nur nach ihrer Funktion im Urteil bestimmt: »Stricte dicitur incomplex u m simplex dictio, hoc est una dictio sine additione alterius dictionis, sicut homo, currit, disputât, leo; et per oppositum dicitur complexum omne compositum ex diversis dictionibus« 2 7 9 : I n k o m plex ist jedes Urteilsglied, k o m p l e x jeweils das ganze Urteil, das Urteilsglieder enthält 280 . O b die Bildung der inkomplexen Urteilsglieder immer »naturaliter« v o r sich geht unter Ausschaltung jeder spontanen (und das ist willentlichen) Tätigkeit der Seele, läßt sich nicht v o n vornherein behaupten! W i r wollen das am Begriff der » Z e i t « überprüfen 2 8 1 . Ockham geht in seiner A n a l y s e des Zeitbegriffes 2 8 2 mit der gesamten Scholastik v o n der in der aristotelischen P h y s i k gegebenen Bestimmung der Z e i t als des M a ß e s oder der Z a h l der B e w e g u n g aus. N u n hatte O c k h a m schon in seiner Lehre v o n der B e w e g u n g festgestellt, daß »motus« nichts bezeichnet, w a s v o n dem bewegten K ö r p e r selbst unterschieden w ä r e , der sich v o n einem O r t sukzessiv zu einem anderen O r t hinbewegt 2 8 3 . D e r Begriff der B e w e g u n g meint keine ihm entsprechende singulare R e a l i t ä t neben dem bewegten D i n g , und doch ist das »aliquid movetur« ein unzweifelhaft »wirklicher« V o r gang. Dementsprechend hat Ockham auch die Z e i t bestimmt 2 8 4 : D i e 279

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Exp. Aur. fol. 40 b: large dicitur incomplexum terminus propositionis, sive sit una dictio, sive plures, sicut >homo albus« . . . Per oppositum dicitur complexum compositum ex nomine et verbo faciens aliquem intellectum in animo audientis. Auch die oben, Anm. 276 angeführte Stelle aus Prol. Sent q. 3 L schließt dodi die Aequivalenz aus dem gleichen Bezeichnungsbezug, die Verschiedenheit aus der sprachlichen Formulierung. Eine ausgezeichnete Übersicht über die Zeitvorstellungen der Scholastik gibt A. Maier, Studien IV, 47—137; zu Ockham vgl. 83 ff., 129 ff. Die wichtigsten Texte finden sidi in II Sent. q. 12 u. q. 13. Außerdem in Exp. Phys. zum IV. Buch — diese Analysen sind, etwas gekürzt, aber im wesentlichen unverändert in den »Tractatus de successivis« übernommen worden (ed. Ph. Boehner, St. Bonaventure N . Y . 1944, p. 96—122); eng verwandt damit sind die betreffenden Qu. Phys.: vgl. F. Corvino (ed.) Questioni inedite di Occam sul tempo ( = qq. 37—57 nach der Zählung des Ms. Vat. lat. 956), R C S F 11 (1956), 41—67; 12 (1957), 42—63; außerdem vgl. die Erörterungen in Summ. Phys. I V 1 — 1 7 (p. 85 b—102 b). Zu Ockhams Bewegungslehre vgl. die in Anm. 406 genannte Literatur. Vgl. dazu S. Moser, Grundbegriffe, 140—175 (der aber allzu stark davon bestimmt scheint, bei Ockham eine ontologische Auslegung der Zeit zu suchen, die der Venerabiiis Inceptor in den Summ. Phys., auf die Moser sich ausschließlich stützt, aber gar nicht geben will), Abbagnano, Guglielmo di

»Absolute« und »konnotative« Begriffe

215

Z e i t ist ein »Konnotativbegriff« 2 8 ", der nicht irgend ein besonderes extramentales D i n g meint, sondern der zuerst die kontinuierliche und einförmige B e w e g u n g bezeichnet — d. h. aber ein »mobile«, das sich kontinuierlich und einförmig bewegt — und außerdem nodi die Seele, die das » f r ü h e r « und »später« dieser B e w e g u n g zählt 2 8 6 . A l l e s w a s »tempus« an extramentaler Wirklichkeit bezeichnet, das bezeichnet auch der Begriff »motus« 2 8 7 . T r o t z d e m fallen beide B e g r i f f e nicht zusammen, denn bei der Z e i t ist mitgesagt, daß die Seele diese B e w e g u n g nach ihrem »Früher u n d S p ä t e r « zählt: »tempus potest esse motus sine anima, sed nullo modo tempus potest esse tempus sine anima 2 8 8 .« D a s heißt: ohne die messende Seele kann z w a r alles das existieren, w a s als ein extramental Vorhandenes im Begriff Z e i t bezeichnet w i r d , nicht aber verdient dann die B e w e g u n g den N a m e n Zeit. D a h e r kann O c k h a m schreiben: »>Tempus est< non est aliud intelligendum, nisi quod aliquid movetur, unde anima potest intelligere, quantum m o v e t u r aliud 2 8 8 .« S o ist die Z e i t das » M a ß « einer B e w e g u n g , insofern auf eine unbekannte B e w e g u n g das vorher aus einer anderen B e w e g u n g bekannte M a ß a n g e w a n d t wird 2 9 0 . W i e sieht dieses Messen nun k o n -

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Occam, 225—233; H . Shapiro, Motion, Time and Place . . . , FcS 16 (1956), spez. 319—339, 371 f. L. Baudry, Lexique, 265—269. Qu. Phys. q. 37 (Corvino, R C S F 1 1 , 1956, 42, 1. 45 f.). Vgl. z. B. Tract, de succ. (Boehner, n o ) : Non enim . . . hoc nomen »tempus« significat aliquam rem unam distinctam secundum se totam a rebus permanentibus, eius natura vel esse possit exprimi per definitionem, sed est imaginandum, quod hoc nomen »tempus« significat primum motum continuum et uniformem, et etiam significat vel consignificat ipsam animam numerantem prius et posterius illius motus et motum medium; hoc est: significat aliquid continue et uniformiter moveri velocissime, cuius partes dicit anima prius esse in uno situ et postea in alio . . . Vgl. dazu Qu. phys. q. 47 (ed. Corvino, R C S F 1 1 , 1956, 6$ ff.). Z. B. Tact, de succ. (Boehner, 1 1 3 ) : » . . . tarnen hoc est certum, quod .tempus' non significat aliam rem quam importatur per hoc nomen ,motus'.« Trac, de succ. (Boehner, 99); vgl. auch Qu. Phys. q. 49 (Corvino, R C S F 12, 1957, 45); auch schon I Sent q. 12 DDD. Tract, de succ. (Boehner, 100); vgl. Qu. Phys. q. 39 (audi Corvino, R C S F l i , 1956, 46: . . . per illam propositionem »tempus est« nihil aliud est intelligendum, nisi quod aliquid movetur, unde potest anima cognoscere, quantum aliquod aliud mobile movetur. — Ähnlich Summ. Phys. V 5 (p. 89 b). Vgl. Qu. Phys. q. 48 (Corvino, R C S F 12, 1957, 42): . . . dicendum est quod »mensurare« proprie loquendo est intellectum certificare per quantitatem notam de quantitate ignota, sicut per quantitatem ulnae certificamur de quantitate panni. (Der Text wurde korrigiert nach A. Maier, Studien IV, 130).

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Grundzüge von Ockhams theoretischer Philosophie

kret aus? Ockham analysiert zur näheren Bestimmung dessen den Begriff »numerus«: Unter der Zahl »zehn« kann ich zuerst den »numerus numeratus«,also etwa die ι o Menschen oder die ι o Hunde verstehen, die ich zähle, dieser numerus unterscheidet sich nicht von den Individuen der gezählten Menge 291 . Andererseits begreife ich unter dieser Zahl den »numerus extra animam quo numeramus« 292 , d. h. eine bekannte Anzahl von Individuen einer Art, im Vergleich zu der mir unbekannte Mengen derselben Art durch Vergleich nach ihrer Anzahl bekannt werden können. Es ist ein konkretes »physikalisches« Maß, das aus einer Beobachtung gewonnen wurde und uns nodi nicht bekannte Dinge zu erkennen hilft. Diese beiden Zahlbegriffe lassen sich bei der Zeit aufweisen. Einmal ist sie als numerus numeratus identisch mit dem »prius et posterius« der Bewegung, als numerus quo numeramus ist sie die bekannte »Zahl« einer Bewegung, die wir auf eine andere Bewegung anwenden 293 . Dabei hält Ockham grundsätzlich an der Theorie 291

Z. B. Qu. Phys. q. 46 (Corvino, R C S F 1 1 , 1956, 63): numerus quo modo accipitur pro numero numerato extra animam . . . et iste numerus non est alia res a rebus istis, videlicet decern hominibus vel canibus, inhaerens eis, sed est isti homines vel canes, sicut populus est homines et non est accidens inhaerens hominibus nec est aliquod separatum ab hominibus. — Zum Zahlbegriff bei Ockham vgl. außer L. Baudry, Lexique, 180 ff. besonders G. Martin, Wilhelm von Ockham, 47—59.

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Ibid.: Alio modo accipitur numerus pro numero extra animam quo numeramus. Et isto modo accipitur pro aliquibus rebus extra animam, quarum numerus notus est: quo numero noto devenimus in notitiam numeratorum vel ignotorum ad modum, quo per notitiam quantitatis ulnae nobis notae devenimus in notitiam panni et aliarum rerum, quarum quantitates sunt nobis ignotae, quomodo motus diurnus est numerus et mensura aliorum motuum. Et talis numerus non inhaeret rebus numeratis, sed est loco et situ distinctus. — Die weiteren zwei Begriffe des »numerus numerans« wendet Ockham nicht auf die Zeit an, daher lassen wir sie hier beiseite. Zu einer ähnlichen Lehre des Petrus Johannis Olivi vgl. A. Maier, Studien IV, 164 f.

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Qu. Phys. q. 47 (Corvino, ibid. 66) : . . . tempus est numerus quo numeramus secundo modo praefato accipiendo numerum . . . Et isto modo dicit [seil. Commentator] tempus esse numerum, quia anima prius numerat prius et posterius in motu diurno — et ita ille motus est numerus numeratus — et post per motum diurnum mensurat prius et posterius in aliis motibus, et ita est numerus quo numeramus, non existens in anima subiective, sed extra animam. Sehr ähnlich in Exp. Phys. (Ms. Berlin lat. fol. 4 1 , f. 1 7 1 va) — vgl. die Exzerpte bei Baudry, Lexique, 180 f. — Vgl. audi Summ. Phys. I V 16 (p. 101 b) und II Sent. q. 12, F. G, wo ausdrücklich der numerus multitudinis vom numerus magnitudinis unterschieden wird, als die »Zahl« einer Menge vom »Maß« einer Größe.

•Absolute« und »konnotative« Begriffe

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des Averroes 294 fest, der gelehrt hatte, daß die Zeit als der numerus motus secundum prius et posterius als »passio« im eigentlichen Sinne nur der Bewegung des primum mobile, des äußersten Fixsternhimmels, zukommt und nicht etwa jeder beliebigen anderen Bewegung. Zu allen anderen Bewegungen verhält sich dann die Zeit nicht mehr wie eine passio zu ihrem Subjekt, sondern wie eine mensura zu einem mensuratum. Auch für Ockham ist die Bewegung der äußersten Himmelssphäre der numerus numeratus der Zeit im strengsten Sinn. Aber er stellt neben diese Zeit im strengsten Sinn (strictissime) auch andere Bewegungen, die geeignet sind, das Maß f ü r andere Bewegungen abzugeben. Dabei kommt einmal (large) jeder gleichförmige motus inferior in Frage, und außerdem — und hier nimmt Ockham einen augustinischen Gedanken auf — (largissime) kann sogar ein bloßer motus imaginatus genügen203. Dabei gibt es — anders als bei Avicenna und Averroes — nicht eigentlich einen ontologischen Grund dafür, daß die Bewegung des Fixsternhimmels als des primum mobile die mensura für alle anderen Bewegungen liefert. Für die arabischen Philosophen begründete ein kosmologisches Modell diese These, das alle Bewegungen von der Bewegung des äußeren Himmels abhängig sah 2% . Für Ockham ist es nur mehr die unvergleichlich vollkommene Gleichförmigkeit seiner Bewegung, die ihn auszeichnet2®7. So ist eine andere Formulierung 284

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Zu diesem Problem vgl. A. Mansion, La théorie aristotelienne du temps chez les péripatétitiens médiévaux. In: Hommage à . . . Maurice de Wulf, Louvain 1934, 2 7 5 — 3 0 7 , und im Anschluß an Mansion, Α . Maier, Studien IV, 92 ff., spez. 94. Qu. Phys. q. 48 (Corvino, RCSF 12, 1957, 42): . . . distinguo istum terminum »tempus«: N a m uno modo accipitur strictissime; et sic tempus est primus motus uniformissimus et regularissimus et velocissimus inter omnes motus . . . Alio modo accipitur »tempus« large; et sic quilibet motus potest vocari tempus, quo possunt alii motus mensurari et certifican . . . Tertio modo accipitur tempus largissime pro motu imaginato, quo anima mensurat alios motus exteriores ad modum, quo geometer* expertus per magnitudinem imaginatam mensurat magnitudines exteriores . . . D e n drei motus als Maß der Bewegung hat Ockham jeweils eine Quaestion gewidmet, nämlich die qq. 42, 43, 44 (Corvino, RCSF 11, 1956, 5 2 — J 9 ) . Vgl. audi Summ. Phys. IV 3 (p. S 7 a - 8 9 a). a So ist aus dem Apparat zu korrigieren. D a z u vgl. außer den zitierten Arbeiten von Mansion und A. Maier audi H . Blumenberg, D i e kopernikanische Wende, Frankfurt/Main 1965, 16 f., w o dieses kosmische Modell anschaulich beschrieben wird (ohne daß wir Thomas v o n Aquin mit Blumenberg dieses selbe Modell zuschreiben wollten). Vgl. II Sent. q. 12, O O . : U n d e theologi habent dicere quod deus po-

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Grundzüge von Ockhams theoretischer Philosophie

für den eigentlichen Zeitbegriff nur folgerichtig: »Accipitur propriissime et strictissime pro motu velocissimo maxime noto, sive sit motus octavae sphaerae, sive nonae, sive solis sive lunae, qui sit nobis maxime notus 298 .« Ockham nimmt damit die These des Averroes von der ursprünglichen Bekanntheit der Himmelsbewegung in der je eigenen Erfahrung des »esse in esse transmutabili« auf 299 , die er aber charakteristisch interpretiert: in dieser Selbsterfahrung gelangen wir zu einem »conceptus compositus proprius« der Bewegung des ersten Himmels. Indem wir auf die Möglichkeit einer einförmigen Bewegung schließen, erkennen wir die Bewegung des Fixsternhimmels zwar nicht in particulari, sondern in composito, d. h. in einem Begriff, dessen Bestimmung immer zugleich mehreren Dingen zukommt. Nehmen wir dann eine gleichförmige Bewegung wirklich wahr, dann haben wir ein M a ß auch für ungleichförmige oder nichtkontinuierliche andere Bewegungen, also einen Zeitbegriff. »Et ita . . . apparet quomodo existens in tenebris et etiam caecus a nativitate motum caeli potest apprehendere et tarnen nescire propositionem: caelum movetur« 300 . Mit anderen Worten: ein Blindgeborener kann sich den Begriff einer höchst gleichförmigen Bewegung bilden und hat damit einen Begriff, der objektiv der Bewegung der äußersten Himmelssphäre zukommt, ohne sich subjektiv seiner versichern zu können 301 . test facere alium motum ita regulärem et uniformem sicut est primus motus iam factus — et forte motum velociorem, licet non forte maps uniformem. — Vgl. auch II Sent q. 13 N . 298 II Sent q. 12 L. 299 Vgl. ij es Tract, de succ. (Boehner, p. 105 ff.) und Summ. Phys. I V 1 1 . Vgl. dazu Thomas von Aquin I Sent. d. 19 q. 2 art 1 (zitiert bei Mansion, a. a. O., 297)· 300 Tract, de succ. (Boehner, 107), vgl. Qu. Phys. q. 45 (ed. Corvino, R C S F I i , 1956, 61) aber vorher hat Ockham sogar ausdrücklich festgestellt (60): Tertia conclusio est quod aliquis percipiens tempus non necessario apprehendit motum caeli in conceptu compositu proprio motui caeli, quia potest percipere motum orologii et per illum mensurare alios motus, non formando aliquem conceptum proprium motui caeli. — (Forts, in Anm. 314). — Also der Zeitbegriff ist prinzipiell von der Bewegung des Fixsternhimmels unabhängig. Das zeigt, daß die Interpretation von S. Moser, H . Shapiro und F. Corvino nicht die ontologische Struktur der Zeit nach Ockhams Auffassung trifft. 301

Auf die Strukturgleidiheit dieses conceptus compositus proprius mit dem Gottesbegriff der natürlichen Theologie macht schon E. Hochstetter, Studien, 11 j f. aufmerksam. Vgl. auch M. C . Menges, The Concept of Univocity regarding the predication of God and creature according to William Ockham, St. Bonaventure N . Y . — Louvain 1952.

Absolute« und »konnotative« Begriffe

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Es ist nicht verwunderlich, daß Ockhams »Schüler« diese Lehre folgerichtig fallen ließen und grundsätzlich jede gleichförmige Bewegung als »tempus« anerkannten 302 . Ockham hat das zwar nicht prinzipiell getan, aber faktisch hat er den Begriff der Zeit durchaus nicht nur »strictissime« verstanden und gleichberechtigt auch die motus inferiores, z. B. die gleichförmige Bewegung der Uhr, ohne Bedenken als »tempus«, d. h. als Maß für andere Bewegungsvorgänge anerkannt 303 ; und wenn noch einmal wie zu Zeiten Josuas Gott die Sonne und alle Himmelskörper stillstehen ließe (Jos. 10, 1 2 f), so könnte jede andere Bewegung — etwa die Drehung einer Töpferscheibe oder ein motus imaginatus hinreichend als Zeitmesser dienen304. Insofern ist zwar die Bewegung des Fixsternhimmels eine besonders ausgezeichnete Möglichkeit, die Zeit der anderen Bewegungen zu bestimmen, aber sie ist keineswegs die einzig vorstellbare »Uhr« für den Menschen305: sie ist gleichsam in ihrer denkbar größten Regelmäßigkeit und Gleichförmigkeit der »objektive« Zeitmesser. 502

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Z . B . Albert von Sachsen oder Marsilius von Inghen — zu den Einzelheiten vgl. A . Maier, Studien I V , 1 3 2 . Qu. Phys. q. 43 (Corvino, R C S F 1 1 , 1956, 54): aliquis motus inferior, per cuius notitiam possumus devenire in cognitionem alicuius motus caelestis nobis ignoti, potest dici »tempus«. H a e c conclusio patet per experientias multas. T u m quia per motum orologii nobis notum mensuramus motum solis et operationes nostrae, maxime quando innotescit nobis, quod iste motus est uniformis et regularis. N a m facienti orologium est notum quantum sol transivit de circulo, etiam si sol continue sit sub nube; per motum etiam solis mensurat motum orologii et ordinat ipsum sic, quia cum primum mobile complet motum diurnum, orologium compleret circulum suum, et ita mensurat motum orologii per motum diurnum. Q u o motu orologii noto potest postea mensurare alios motus — puta motum diurnum et motum solis — et per consequens uterque motus potest vocari »tempus« respectu alterius. — D a s Beispiel der U h r taucht auch in E x p . Phys. (Ms. Berlin lat. fol. 4 1 , f. 1 7 2 rb) auf, w o es am Ende dann sogar heißt: E t de talibus motibus (seil, »inferioribus«) iste (seil, »motus orologii«) esset magis uniformis et minus improprie vocaretur tempus (zitiert audi bei L . B a u d r y , Lexique, 266).

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Qu. Phys. q. 42 (Corvino, R C S F 1 1 , 1956, 53) . . . si omnia corpora caelestia starent simul, sicut dicitur quod fuerit in tempore Josue, adhuc aliquis motus inferior posset mensurare alios motus, puta motus rotae figuli et aliquis motus imaginatus. Sed isto casu posito, tune non esset tempus, quod esset idem cum motu caelesti. — V g l . auch I I Sent. q. 1 2 SS.

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Die abweichende Interpretation von H . Shapiro, Moser, Grundbegriffe, 1 4 1 , die die Bewegung des anderen Bewegungen schlechthin zur N o r m macht, sich beide Interpreten überwiegend auf die Summ. tatsächlich die relativ »stärksten« Textbelege f ü r

a. a. O., 326 f. und S. primum mobile f ü r die erklärt sich daraus, daß Phys. stützen, in denen diese These auftaudien

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Grundzüge von Ockhams theoretischer Philosophie

Dabei wird aber sowohl diese Gleichförmigkeit als auch das Bekanntsein dieser Bewegung nur vorausgesetzt, ohne weiter begründet zu werden: Ockham beruft sich dafür nicht auf das kosmologische Schema, sondern auf die Evidenz des natürlichen Zeitbewußtseins auch der Ungebildeten, und damit radikalisiert er den erkenntnistheoretischen »subjektivistischen« und »relativistischen« Zug, den man schon bei Averroes' Theorie hat beobachten wollen 306 . Die »Zeit« ist ja, wie das natürliche Bewußtsein bekundet, nicht etwa etwas »Verborgenes und Unerkennbares«, sondern sie muß — gerade wegen der Sicherheit, mit der jedermann mit diesem Begriffe umgeht — etwas »valde notum« sein307. Ockham hat auch die Einheit der Zeit nicht, wie Averroes, in dem kosmologischen Schema der Wirkursächlichkeit der ersten Bewegung für alle anderen Bewegungen gesucht — ein weiteres Indiz dafür, daß er in der Himmelsbewegung einen zwar ontisch ausgezeichneten, aber nicht ontologisch fundamentalen »motus« gesehen hat. Die verschiedenen bekannten gleichförmigen Bewegungen, die dem Intellekt als »Zeit«, d. h. als Maß für andere Bewegungen, dienen, sind für Ockham nicht in der kosmologischen Verursachungskette, sondern rein »methodologisch« (per aequivalentiam) eine Einheit. (vgl. ζ. Β . I V / ) — wir wollen hier nicht entscheiden, ob diese Erscheinung ihren Grund in der von F. Corvino, Le q u a e s t i o n e s . . . , R C S F 1 2 , 1 9 5 7 , 392 f. beobachteten Entwicklung Ockhams zur Objektivierung seiner Zeitvorstellung zusammenhängt, die in den späten Summ, demnach gipfeln würde — der Wahrheit scheint uns allerdings eine Erklärung näherzukommen, die auf das im Prooemium der Summ. Phys. niedergelegte Programm abstellt, die principia der Naturphilosophie »vestigiis Aristotelis inhaerendo . . . secundum intentionem philosophi« aufzuschreiben. Die aristotelischaverroistische Ausgangsbasis zumindest müßte demnach in dieser Schrift besonders deutlich zutage treten. 306 v g l . dazu A. Maier, Studien I V , 95. Zu der allgemeinen Tendenz der Scholastik, die Himmelsbewegung nicht ihrer Kausalität wegen zur »mensura« der motus inferiores zu machen, vgl. A. Maier, Studien I V , 1 1 9 fi., die das wiederum besonders an Wilhelm von Ware verdeutlicht. 307

Vgl. Summ. Phys. I V 3 (p. 87 b). E x quibus sequitur, quod cum quantitas mensurae debeat esse nobis notior, quam quantitas mensuran, quia propter quantitatem mensurae certificamur de qualitate [lies: quantitate] mensuratorum, quod natura temporis — quantum ad suam quantitatem — sit notior nobis quam quantitas motuum mensuratorum; ex quibus sequitur, quod tempus non est res latens, incognoscibilis, sicut aliqui dicunt, immo est nobis notum. E t non est notum sapientibus tantum, sed ratione omnibus utentibus . . . Oportet ergo quod tempus sit aliquod notum valde, quia omnibus sapientibus et insipientibus est causa et occasio tot cognitionum, sicut experimur. . . . Im weiteren zeigt Ockham gerade nicht, wie wir durch die H i m -

Absolute« und »konnotative« Begriffe

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In der Quaestio 1 2 der Reportationen zum zweiten Sentenzenbuch hat Ockham ausführlich entwickelt, was er darunter versteht: als mensura ist die Zeit die gleichförmigste und schnellste Bewegung. Für Aristoteles und Averroes ist das die Bewegung des äußersten Himmels, und darum hat jeder, der mit dem Zeitbegriff Bewegungen mißt, »per aequivalentiam« den gleichen Begriff als Grenzbegriff der Bewegung überhaupt 308 . An dieser These hält Ockham auch später fest 309 : »diversa mobilia moventur diversis motibus, et tarnen est unus motus velocissimus et uniformissimus, per quem contingit mensurare alios motus . . . et isto modo est idem tempus apud omnes.« Auch hier hat die Zeit ihre Einheit nicht allein in der Bewegung des Fixsternhimmels: Si tarnen tempus accipitur pro motu imaginato, sicut prius dictum est, sic concedo quod sunt plura tempora; realiter unum tarnen est per aequivalentiam, quia tantum valet si esset unum omnia 310 . Der Maßcharakter der Zeit als numerus quo numeramus abstrahiert von Schnelligkeit oder Langsamkeit der Bewegung und stellt auf die Gleichförmigkeit der Bewegung ab — diese aber gestattet dann, als eine bekannte, eine sichere Erkenntnis der »Duratio«, d. h. der rein sukzessiven Erstreckung des Bewegungsvorgangs 311 . melsbewegung die motus inferiores messen, sondern wie w i r durch eine bekannte Bewegung andere messen können. — V g l . dazu auch Qu. Phys. q. 48 (Corvino, R C S F 1 2 , 1 9 5 7 , 42): Sed tempus quocumque modo aeeeptum est mensura cuiuslibet alterius motus a se, sed non sui ipsius (nisi intelligendo quod partes motus mensurent totum categorice acceptum), quamvis tempus, quod est primus motus caeli, sit mensura omnium aliorum motuum, vel saltern quod potest esse, et e contrario. — Z u der N ä h e dieses Zeitbegriffes zu dem der Newton'schen Physik vgl. S. Moser, Grundbegriffe, 169 f., der es aber versäumt, auch den Zeitbegriff Leibnizens, des Gegners der »absoluten Zeit« Newtons vergleichend heranzuziehen: erst das Ungeniigen beider P o sitionen w i r d in Kants transzendentaler Ästhetik aufgehoben. Die Linien von Ockham zu Leibniz zieht G . Martin, Wilhelm von Ockham, passim (vgl. 67 ff., 92 ff., 176 ff.), berücksichtigt aber nicht den Zeitbegriff. 308

I I Sent. q. 1 2 , O O und R R — der E i n w a n d , hier argumentiere Ockham noch im Rahmen der »fictum«-Theorie der Allgemeinbegriffe, verschlägt nicht, weil das auf die Argumentation gar keinen Einfluß hat, sondern nur auf die konkrete Gestalt der psychologischen Vorstellung: der Satz » et ideo quicumque fingit sie (seil, als motus uniformis et velocissimus) conceptus motus, pereipit motum primum, quia ille conceptus in nullo alio salvatur« ist ohne die Aussage »fingit« audi später f ü r Ockham verbindlich, vgl. die oben A n m . 300 angeführten Stellen.

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Qu. Phys. q. 51 (Corvino, R C S F 1 2 , 1 9 5 7 , 48 f.). Ibid. (49). Qu. Phys. q. 43 (Corvino, R C S F 1 1 , 1956, 56): Sed adhuc dubium est quare

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Grundzüge von Ockhams theoretischer Philosophie

Es ist also nicht so irrig, wie H . Shapiro annahm 312 , wenn man Ockhams Auffassung als »Subjektivierung« der Zeit beschreibt313. Der numerus motus ist freilich nicht vollständig subjektiviert, insofern Ockham immer daran festgehalten hat, daß für die Zeit als (bekanntes) Maß der Bewegung eines anderen Körpers eine objektive Entsprechung in der Wirklichkeit der Bewegung des Fixsternhimmels vorhanden ist — der numerus quo numeramus ist in der Regel die wirklich existierende gleichförmige Bewegung der Himmelssphäre, die wir beobachten können. Hier tritt uns das Maß für die Bewegungen gleichsam objektiv in idealer Reinheit entgegen 314 . Was sich in räumlicher Sukzession bewegt oder ruht, kann hinsichtlich dieser Bewegung oder Ruhe an der Beobachtung eines uns bekannten sich bewegenden Dinges »gemessen« werden. So hat also auch dieser Konnotativbegriff »Zeit« durchaus objektive Geltung in der Wirklichkeit, denn er meint objektiv aufweistempus non dicitur v e l o x nec tardum, sicut motus — ex quo supponat pro eodem? Respondeo quod de virtute sermonis haec est concedenda »tempus est v e l o x vel tardum« (quia illud quod est tempus est v e l o x vel tardum), non tarnen secundum intentionem philosophi, cuius ratio est, quia tempus est mensura motus: nunc autem de ratione mensurae durationis est, quod sit uniformis et regularis, sed velocitas et tarditas impediunt rationem mensurandi, quia . . . tempus, ut est mensura, abstrahlt a veloci et tardo, immo velox et tardum impediunt tempus sie aeeeptum. — »Duratio« ist hier, wie in der gesamten Scholastik, ohne jede zeitliche Nebenbedeutung f ü r die sukzessive Erstreckung der res permanens gebraucht. V g l . f ü r den scholastischen Begriff A . Maier, Studien I V 96 A . 1 2 ; f ü r Ockham L . B a u d r y , L e x i que, 88. 312

313

314

Motion, Time and Place, F c S 16, 1956, 339 A 53. Die Behauptung eines »subjectivist approach« sei ein Irrtum, denn »>Time) sit subiectum logicae et similiter subiectum( a ) philosophiae naturalis: quod est manifeste falsum, quia nihil unum est subiectum totius, sed diversarum partium diversa sunt subiecta. Unde quaerere, quid est subiectum philosophiae naturalis, est simile quaestioni qua quaerereturM, »quis est rex mundi«, quia sicut nullus u n u s ( b ) numero( b ) est rex mundi, sed unus aliusC>) est rex unius regni et alterius alter, sie est de subiectis diversarum partium talis scientiae. N e c plus scientia, quae est talis collectio, habet unum subiectum quam mundus habet (a> unum regem vel ( a ) quam ( a ) unum! 1 ) regnum< a ) habetW unum( a ) comitemW. [Varianten: (a) Β om. — (b) Mohan, Boehner om. — (c) Β quaeritur.] — Dasselbe Argument: Prol. Sent. q. 9 Ν ( Ο Τ Ι , 259, ¡ — 1 4 [2. R e d a k t i o n ] ) . E t tunc est simile de quaestione qua quaeritur, quid est subiectum metaphysicae vel libri praedicamentorum, et de quaestione, qua quaeritur, quis est rex mundi vel quis est rex totius christianitatis; quia sicut diversa regna habent diversos reges, et nullus est rex totius, et tarnen aliquando hi reges possunt habere ordinem inter se, quia scilicet unus est potentior alio vel ditior, ita nihil est subiectum totius metaphysicae, sed diversarum partium sunt diversa subiecta. E t tarnen illa subiecta possunt habere ordinem inter se, sicut dictum est prius. — Ebenso Summ. Phys., I 2 (p. 3 a) : Sed forte dices, si aliquod est subiectum primum alicuius scientiae, sequitur, quod illud sit subiectum illius scientiae. Respondeo et dico quod intellectis antecedente

Ockhams Wissenschaftsbegriff

257

sie von einem einzigen »ersten« Subjekt einer dieser Wissenschaften sprachen, das nur in uneigentlichem Verstände meinen können: sie müssen damit gemeint haben, daß unter den verschiedenen Subjekten der verschiedenen Teilbereiche der Disziplin jeweils eines unter einem bestimmten Gesichtspunkt als das »erste« bezeichnet werden kann: Unter dem Gesichtspunkt der Prädikation ist ζ. B. in der Metaphysik das Prädikat »ens« das erste, weil allgemeinste, unter dem Gesichtspunkt der Vollkommenheit aber ist in derselben Wissenschaft Gott das erste Subjekt dieser Wissenschaft — so wie in der Naturphilosophie das erste Subjekt nach der Praedikation die Substanz ist und das erste nach der Vollkommenheit entweder der Mensch oder die Himmelskörper oder dergleichen431. Wenn die Wissenschaft derart als kollektive Einheit von Sätzen bestimmt ist, so wird die Frage nach der alten Unterscheidung in scientia realis und scientia rationalis problematisch. Ockham beschäftigt sich ausführlich mit dieser Frage 432 , und es ist dabei sein Bestreben, diese alte Distinktion von seiner Position aus aufzunehmen und zu erklären. Richtet sich eine Realwissenschaft auf die Sachen? Ockham geht aus von einem Satz der Naturphilosophie: »Omnis substantia sensibilis componitur ex materia et forma«: Hier kann Subjekt sein (subicitur) entweder ein extramentales Ding oder ein Begriff oder auch ein Wort. Wenn ein extramentales Ding Subjekt wäre, so könnte es von vornherein keine irgendwie geartete res et conséquente sub bona intelligentia, non valet consequentia ista; sicut non sequitur: iste primus rex mundi, ergo iste est rex mundi, quia antecedens est verum et consequens falsum, cum tantum sit rex unius partis mundi. Sic est de multis aliis, quod tales consequentiae non valent. In Quodl. V I I 1 3 ( = Paris V I I 8) entwickelt Ockham seine Vorstellung von der E i n heit der W e l t auch im Blick auf dieses politische Beispiel, dessen Relevanz uns später noch beschäftigen muß. 431

V g l . E x p . Phys., Prol. (Mohan, 2 4 3 ; Boehner, 1 0 ; B, f. 86 v a ) — oder Summ. phys. I 2 (ρ. 2 b — 3 a). In Prol. Sent. q. 9 Ν ( O T I, 2 5 6 f.) finden wir Ockhams charakteristische Interpretation: E t ista forte est causa — schließt er die Darlegung dieser Theorie — quare aliqui posuerunt quod ens est subiectum metaphysicae, et alii, quod Deus: quia inter omnia subiecta deus est primum primitate perfectionis, et ens est primum primitate praedicationis. — Es ist interessant, daß dort, w o nicht G o t t als das vollkommenste Wesen in Frage steht, audi der Gesichtspunkt der perfectio nicht zu einheitlichem Ergebnis führt. — Z u dieser Interpretationsmethode Ockhams v g l . auch Prol. Sent. q. 9 B B ( Ο Τ Ι , 2 7 1 ) : Per praedicta possunt aliquo modo verific a n fere omnes opiniones de subiecto theologiae, licet forte non ad intentionem ponentium eas . . .

432

E x p . Phys., Prol. (Mohan, 2 4 3 fr.; Boehner, u f i . ; Β f. 86 v a ) und I Sent, d. 2 q. 4 Μ , Ν , O .

17

M i e t h k e , Ockham

258

Die Wahrheit des Wissens

communis sein, denn eine solche gibt es nicht, also müßte es eine res singularis sein: mit welchem Grund aber ein besonderes Ding mehr als ein anderes? Also muß es entweder jedes Ding sein, das Substanz heißt, oder keines. Nun kann es nicht jedes sein: quia multae res sunt, quae non intelliguntur a sciente talem propositionem, quia multae sunt de quibus numquam cogitavit, ergo nulla talis res subiicitur. Und damit ist erwiesen, daß es entweder die Begriffe oder die Worte sind, die das Subjekt dieses Wissenssatzes sind433. Der Einwand, daß sich eine scientia realis auf die res zu richten hätte und gerade in diesem Punkt von der Logik zu unterscheiden sei, ist leicht abzuweisen: scientia realis non est de rebus, sed est de intentionibus supponentibus pro rebus quia termini propositionum scitarum supponunt pro rebus. Dagegen beschäftigt sich die Logik mit diesen Termini, den Argumenten und dem Syllogismus überhaupt, ihre Subjekte sind also nur intentiones, die für andere intentiones supponieren434. Daß damit keine Realwissenschaft mehr im eigentlichen Sinne vorläge — diesen Vorwurf 435 hätte Ockham entschieden zurückgewiesen. Wissenschaft, die notwendige Wahrheiten über kontingente Dinge weiß, kann sich auf die Objektivität der Erkenntnis verlassen: um über die Wahrheit oder Falschheit ihrer Sätze ein Urteil zu ermöglichen, ist es nicht nötig, einen relativistischen Standpunkt einzunehmen, der diese Wahrheit nur von meiner Betrachtungsweise 433

V g l . dazu etwas weiter im Prol. der E x p . Phys. (Mohan, 2 4 4 ; Boehner, 1 3 ) : nulla res extra praedicatur de pluribus nisi forte v o x vel scriptum ad placitum instituentium [ B : institutum]. — A l s o nur als psychische oder materielle Realitäten! D e n T e x t aus Prol. Sent. q. 1 Q Q ( Ο Τ Ι , 49 f.), w o Ockham sagt: Si praedicaretur a tali intellectu pater de D e o (si tarnen res possit praedicari) dicendo: Deus est p a t e r . . . hat Hodistetter, Studien, 8 0 f f . als »Praedicatio rei de re« a u f g e f a ß t ; mit Unrecht hat dem R . Guelluy, Philosophie et Théologie, 108, Α . ι , widersprochen. V g l . Prol. Sent. q. 2 Y ( O T I, 1 0 9 — i n , bes. 1 1 0 f.). Die eingeklammerten Worte gehören erst der »2. Redaktion« an und zeigen somit die von Guelluy bestrittene Entwicklung an!

434 Y g i besonders ibid. (Mohan, 2 4 j ; Boehner, 1 3 ) Sed ideo negatur [seil, logica] esse scientia realis, quia non est de intentionibus supponentibus pro rebus. — V g l . audi I Sent. d. 2 q, 4 M : Sciendum quod scientia quaelibet, sive sit realis sive rationalis est tantum de propositionibus tanquam de illis quae sciuntur, quia solae propositiones sciuntur. 435 v i e l e Ockham-Interpreten erheben ihn auch heute noch, vgl. z. B. selbst R . Guelluy, Philosophie et Theologie, 3 4 1 , u. ö., der nur nodi in Parenthese v o n der Möglichkeit einer »science reelle« bei Ockham spricht.

Ockhams Wissenschaftsbegriii

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der Welt abhängig machte: Unter Voraussetzung dieser Ansicht wäre ein bestimmtes Denken, das den Dingen ihre Identität wahrt, nicht mehr möglich436. Der Standpunkt des Beobachters und die Weise seiner Betrachtung macht die Gegenstände der Erkenntnis nicht zu dem, was sie sind, wohl aber ermöglicht es uns die Weise, in der unser sprachlicher Ausdruck für diese Gegenstände im Urteil eintritt, dieses unser Urteil zu überprüfen 437 . Es ist Ockham ganz unzweifelhaft, daß das, was wir wissen, ein objektives Wissen ist, wie sich die Dinge der Außenwelt wirklich verhalten. Aber der strenge Begriff, den er an das anlegt, was Wissen ist, läßt ihn nicht optimistisch darüber denken, wie groß der Umfang unseres faktischen Wissens für uns ist. Schon das Feld demonstrierbarer Urteile ist nicht übergroß: jede Demonstration endet bei den Prinzipien, die, sofern sie nicht Urteile aus Begriffen sind, (principia per se nota) auf die unmittelbare Erkenntnis in der experientia zurückverwiesen bleiben. Die Möglichkeit unmittelbarer menschlicher Erfahrung ist nun aber begrenzt, da wir nur eine begrenzte Anzahl von Objekten in unmittelbarem Gegenüber erkennen können. Ockham kritisiert also den strengen Begriff des Wissens von der Beschränktheit unserer aktuellen Evidenz im intuitiven Erkennen aus, das sich nicht auf alle einzelnen Gegenstände richten kann, viele Gegenstände bleiben mir in ihrem konkreten Sein unbekannt; so weiß ich nicht, ob ein Maultier in Rom existiert, kann also auch nicht »wissen«, daß dieses Maultier unfruchtbar ist, denn wenn es nicht ist, bleibt die affirmative Prädikation der passio »sterilis« sinnlos, der Satz wird falsch, und er ist nur in der Modalität de possibili von notwendiger Wahrheit438. Andere Gegenstände 436

E x p . Phys., Prol. (Mohan, 2 4 5 ; Boehner, 1 4 ; B f . 66 v b ) : E t ideo multae distinctiones quibus distinguitur quod res mobiles et mutabiles, possunt conciderari sic vel sie, et quod uno modo sunt mutabiles et alio modo immutabiles, uno modo sunt contingenter, alio modo sunt necessariae, nihil valent, nam eadem facilitate diceremus quod homo, si consideratur sic est angelusM, si aliter, est bos, si tertio modo, est capra. (a) asinus, Mohan, Boehner.

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Im unmittelbaren Ansdiluß: U n d e intelligendum quod consideratio mea vel tua nihil facit ad hoc quod res sit mutabilis vel immutabilis vel ad hoc quod sit necessaria et incorruptibilis vel contingens — non plus quam facit ad hoc quod tu sis albus vel niger, nec plus quam facit ad hoc, quod tu sis extra domum vel in domo. Sed diversa suppositio terminorum bene facit ad hoc quod de termino aliquod praedicatum vere praedicetur vel vere negetur. 438 Y g ] Q j i ¡ y 3 : A d aliud dico quod haec universalis est vera et per se nota a me: quaelibet res est talis, qualem deus vult eam esse. E t tamen ilia est 17*

260

Die Wahrheit des Wissens

sind meiner intuitiven Anschauung pro statu isto überhaupt entzogen, wie etwa die Engel 439 : D a ist also eine »experientia« überhaupt zur Uberprüfung meiner Aussagen ausgeschlossen. Aber so streng Ockham den Begriff der eigentlichen »demonstratio« auch faßt, so wenig will er damit alle Wissenschaft auf ein System von demonstrierbaren Sätzen reduzieren. Für ihn ist die demonstratio zwar ein methodischer Weg zum evidenten Erfassen der Wahrheit bestimmter Urteile (— und deshalb bedarf es großer Sorgfalt und genauer Kenntnis seiner Regeln —). Aber sie ist nicht die einzige, ja nicht einmal die vornehmste Weise der Erkenntnis: Gott benötigt kein diskursives Denken, er schafft und schaut alle seine Geschöpfe, die vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen in unmittelbarer intuitiver Anschauung, so bedarf er des Wissens im strengsten Sinn nicht, das insofern unvollkommen ist, als es von den Praemissen abhängig bleibt440. Auch hier wieder mißt Ockham Vollkommenheit an der Unmittelbarkeit der Einsicht. 2. Die Gewißheit des Wissens Angesichts der Begrenztheit des Feldes möglicher Demonstration ist Ockham aber gerade nicht gewillt, den Begriff eines eigentlichen (weil demonstrierbaren) Wissens aufzugeben und nun die verschie-

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440

falsa: de qualibet re scitur quod est talis qualiter vult eam deus esse. Quia multae sunt res, de quibus nescio utrum sint. . . sicut haec scita a me: quaelibet mula est sterilis; et tarnen haec est falsa: »de qualibet mula scitur a me ipsam esse sterilem«, quia nescio utrum haec mula sit, quae est Romae, et per consequens utrum sit sterilis. Vgl. dazu Qdl. I I 3 [ad septimum] »Ita angelus continetur sub ente, et pro eo distribuitur ens, et tarnen angelum in se non possumus cognoscere et distincte.« Die »distributio« meint, daß der Begriff ens unmittelbar in personaler Supposition für angelus stehen kann. Vgl. z. B. S. L. I 70, (Boehner, 1 9 1 , 66 ff.) Elem. Log. (ed. Buytaert, FcS. 25, 210). Prol. Sent. q. 2 C ( Ο Τ Ι , 79): Secundo arguì potest quod illa condicio sit falsa, quia si omnis propositio scibilis scientia proprie dicta est dubitabilis, igitur ille intellectus qui non posset errare, non posset scire aliquam propositionem scientia proprie dicta. Consequens est falsum, quia tunc intellectus divinus nullam propositonem sciret scientia proprie dicta, quod falsum est, quia scientia proprie dicta nullam imperfectionem ponit, igitur non debet negari a divino intellectu. — Auf diesen Selbsteinwand (»argui potest«) antwortet Ockham in § E (83): concedo quod intellectus divinus non habet scientiam sic stricte sumptam. Nec ista scientia dicit perfectionem simpliciter, sed includit imperfectionem, scilicet quod sit nata produci ab alia notitia complexa. — Zu Gottes Art der Erkenntnis vgl. De Fut. Cont. (ed. Boehner, 13 f.) u. oben Anm. i j i .

Die Gewißheit des Wissens

261

denen möglichen Weisen der Gewißheit über eine Wahrheit generell als eigentliche »scientia« zu bezeichnen. Innerhalb des argumentativen Gangs seiner Analysen macht er daher eine sehr genaue Unterscheidung zwischen »demonstratio«, »probatio« und »persuasio«. Es ist dies eine Unterscheidung nach der Zuverlässigkeit der angeführten Gründe und nicht nach einer unterschiedlichen Wahrheit der Urteile441. Diese Distinktion kommt aus der dialektisch-forensischen Technik der Zergliederung der Argumente des Gegners. Auch bei Ockham scheint dies noch durch, wenn er in seinem Tractatus minor Logicae schreibt: Et ponuntur quattuor genera disputationum, scilicet doctrinalis, quae procedit ex necessariis propositionibus, dialéctica, quae procedit ex probabilibus; tentativa, quae procedit ex his, quae videntur (respondenti possibilia; et sophistica, quae procedit per argumenta, quae videntur) vera et non sunt442. — Ein Beweis »ex probabilibus« meint nicht unbedingt, daß die Urteile nur den Gewißheitsgrad einer unverbindlichen Wahrscheinlichkeit haben443, vielmehr kann er durchaus eine zweifelsfreie — wenn eben auch nicht-evidente Gewißheit bedeuten444. Als solche nichtevidente, auf probable Gründe gestützte Argumentation ist sie nicht stringent und gegen jeden »protervus« zwingend. Wo eine solche persuasio möglich ist, dort ist sie auf dem weiten Feld der Kritik und Widerlegung der gegnerischen Argumente ein dialekti441

Vgl. dazu Qdl. IV 3 : »Utrum articuli fidei possint demonstrari« — wo diese Unterscheidung die Basis für Ockhams Argumentation bildet, denn der beatus mag Sätze demonstrieren können, die der viator nur weiß propter consuetudinem credendi dictis aliorum. 442 Tract. Min. Log. (ed. Buytaert, FcS 24, 82); das eingeklammerte Stück ist eine Konjektur Buytaerts, um das offensichtliche Homoioteleuton aufzufüllen. — Vgl. auch S. L. III i 1 (Boehner, 327 f.) — zu diesen Begriffen bei Aristoteles vgl. die Stellenangaben bei Bonitz, Index Aristotelicus, 79 a, s. ν. αποδεικτικός, 193 b, s. ν. διδασκαλικός, 183 a—b, s. ν. διαλεκτικός, 575 b, s. ν. πειραστικός, 689 a, s. ν. σοφιστικός. 143 Vgl. g. L. III i i (Boehner, 327) Et sunt »probabilia« quae videntur vel omnibus, vel pluribus, vel sapientibus — et de his vel omnibus, vel pluribus vel maxime sapientibus. Et est ista descriptio sic intelligenda, quod probabilia sunt ilia, quae cum sint vera et necessaria, non tarnen per se nota nec ex per se notis syllogizabilia nec etiam per experientiam evidenter nota nec ex talibus sequentia, tarnen propter sui veritatem videntur esse vera omnibus vel pluribus, etc. Zu Aristoteles vgl. H. Scholz, Die Axiomatik, 36 mit A. 22. 444

S. t. L. III, i, ι (328). Sequitur etiam aliud, quod non omnis syllogismus topicus facit semper praecise dubitationem et formidinem, sed etiam frequenter facit firmam fidem sine omni dubitatione, quia ita aliquando adhaeremus probabilibus sicut evidenter notis.

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Die Wahrheit des Wissens

sches Hilfsmittel, die eigene Argumentation zu sichern445. D i e Logik ist dafür das wesentliche »instrumentum« 446 , sie hilft das Wahre v o m Falschen zu unterscheiden, sie ermöglicht in der Disputation eine sichere und rasche A n t w o r t , sie erkennt formal falsche Schlüsse und durchschaut auch den zweideutigen Sprachgebraudi 447 . Jedenfalls ist sie viel wichtiger als ein exzessiver Gebrauch von Autoritäten (sofern es sich nicht um die unfehlbare Autorität der christlichen Wahrheit handelt). Ockham zeigt nicht nur Duns Scotus448 gegenüber jene charakteristische Freiheit, die aus kritischer Distanz und Achtung v o r der fremden Leistung rührt: Dieselbe Freiheit w a h r t er sich Aristoteles gegenüber 449 , und erst recht weiß er sich in der Diskussion mit den »moderni«, den zeitgenössischen Gesprächspartnern 450 , unbefangen. A m Ende seines Lebens faßte er seine Haltung zu den wissenschaftlichen Autoritäten in Sätze, die seine faktische H a l t u n g zu den experti gerade in jener kritischen Dialogbereitschaft treffender kennzeichnen als jede Beschreibung 451 : Alius locus452 ponitur locus ab

Darum umfaßt die Wissenschaft als Disziplin nicht nur die notwendigen Prinzipien und deren Konklusionen im engeren Sinn: vgl. den aus Exp. Phys. Prol. in Anm. 423 zitierten Text. 446 So in der Epistola prooemialis der S. L. (Boehner, 7) : Logica enim est omnium artium instrumentum, sine qua nulla scientia perfecte sciri potest. 447 Vgl. das Prooem. in E x p . artis log. (ed. E. A . Moody, 4 f.) . . . istius scientiae sunt multae utilitates, inter quas una est facilitas discernendi inter verum et falsum . . . Secunda utilitas est promptitudo r e s p o n d e n d i . . . Per istam etiam artem solutio omnium argumentorum peccantium in forma d o c e t u r . . . alia utilitas logicae est facilitas virtutem sermonis et proprium modum loquendi p e r c i p i e n d i . . . (vgl. oben, bei A . 346). 445

Vgl. dazu oben Anm. 117. 44« V g l . dazu die Prologe zu Exp. Phys. u. Summ. Phys. 448

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E. A . M o o d y , Logic, 7 Α . 1 ; ders. Ockham and Egidius of Rome, Fe S. 9, 418 ff.; Ph. Boehner, Coll. Art., 39 f. identifizieren als >moderni< »usually . . . fourteenth century Scotists« — das ist z w a r nicht falsch, insofern diese Scotisten Ockhams Zeitgenossen waren, aber die Bezeichnung läßt sich bei Ockham nicht auf eine bestimmte Schule eingrenzen. V g l . die Z w e i f e l bei L. Baudry, Lexique, 143. Α . Maier Studien I V , 184 A . 23, stellt den Sprachgebraudi Ockhams als Sprachgebrauch der Zeit fest. — V g l . audi E. Iserloh, Gnade, 34 f. A . 31. Demgegenüber ist die Auffassung C . K . Bramptons abwegig, der unter >moderni< Ockhams Schüler verstehen will (FcS 26, 1966, 13). V g l . oben Anm. 364.

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Element. Log. (ed. Buytaert, FcS 2 j , 275); ebenfalls bei P. Boehner, Coli. Art., 78 f.; Vgl. unten A n m . 481. »Locus« ist hier der τόπος aus der aristotelischen Topik, als »sedes argumentorum« (Fe S. 25, 253).

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Die Gewißheit des "Wissens

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auetoritate; et ille locus debilis est, nisi arguatur ab auetoritate illius qui fallere et falli non potest. Et ideo non sequitur: »Aristoteles dicit hoc, ergo hoc est verum« — quia ipse decipi potuit; nec sequitur: »Astrologus dicit hoc, ergo ita est«, quia quilibet astrologus decipere et decipi potest. Propter quod non est necesse credere cuilibet, qui putatur expertus in arte vel scientia sua, quia in multis artibus et scientiis nullus potest esse perfectus sed quilibet errare potest. Sunt tarnen multi qui452' putantur experti esse qui non sunt, sed vel omnino sunt errantes et ignari, vel solummodo habent memoriam litterarum vel illorum quae audierunt et viderunt, de eis certum et clarum iudicium non habentes. Multi enim vigent memoria, quae bestiis et hominibus, viris et mulieribus, pueris et adultis, stultis et sapientibus est communis; et tamen in iudicio omnino deficiunt vel habent iudicium valde debile. Vidi enim aliquos pueros et mulieres, ac etiam naturaliter stultos, quibusdam viris intelligentibus et profundi iudicii in potentia memoriae praevalere453. Verumtamen, expertis — et qui etiam experti communiter reputantur — ista reverentia exhibenda, ut dieta eorum non spernantur nec reprobentur nec negantur, antequam constiterit quod sunt dissona veritati; sed suspensa teneatur sententia, sive sint dieta antiquorum vel modernorum, ut nec propter novitatem vilipendantur nec propter vetustatem453" teneantur, sed Veritas in omnibus extollatur, quia sive antiqui sive moderni, sive amici sive inimici fuerunt assertores, sanctum est praehonorare veritatem. Die Wissenschaft ist als methodisch voranschreitende Untersuchung der WahriS2

*Em. Buytaert; Ms: Sic tamen quia multi; Boehner: sicut quia multi. »Memoria« und »iudicium« stellt Ockham audi in I Dial. VII 73 (p. 739, 16 ff.; f. 164 va) einander gegenüber: Multi enim quamvis memoria vigeant, ut literas multas retineant et prompte quae voluerint recitent et allegent, carent tamen iudicio et acumine rationis, ita ut ad verum intellectum aliquando per seipsos nesciant p e r v e n i r e . . . Auf Johannes X X I I . zugespitzt heißt es schließlich in Contra Ben. I 8 (ed. Off 1er, O P III, 1 9 0 ) . . . auetor ipsius [d. h. von Quia quorundam] stultus et nihil sciens seu intelligens — licet quarundam scripturarum, quas non intellexit, habuit memoriam — et fantasticus est c e n s e n d u s . . . Der Grund ist in Ockhams Unterscheidung der notitia apprehensiva und der notitia iudicativa zu suchen: vgl. z . B . Prol. Sent. q. 7 R ( O T I , 202) : . . . cum discursus sit praecise inter complexa et nullo modo inter incomplexa, per discursum nullo modo adquiritur notitia incomplexa cuiuscumque termini, quia quaelibet talis praesupponitur ante finem discursus. N e c etiam notitia apprehensiva complexi acquiritur, quia ilia potest praehaberi; sed praecise per discursum acquiritur notitia iudicativa.

453

453

aEm. Buytaert; Ms: veritatem; Boehner: reverentiam.

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Wissen und Glauben

heit nur an dieses Ziel gebunden: affektive Momente sind sorgfältig auszuscheiden, keine Schulmeinung oder persönliche Zuneigung oder Verachtung dem Vertreter einer bestimmten Meinung gegenüber darf diese geduldige Analyse der vorgetragenen Argumente stören454. Wir stehen hier vor dem tiefsten Grund der so oft beklagten verwirrenden Methode des »Dialogus«, die sich schon im komplizierten Aufbau des Prologs zum Sentenzenkommentar ankündigt: Erst in der — möglichst vollständigen — Erörterung vorgebrachten Gründe und Gegengründe haben wir dort eine Chance, die Wahrheit zu erkennen, wo uns der schmale Weg einer demonstratio nicht offen steht.

Wissen und Glauben ι . Theologie als Wissenschaft Es ist nicht unwichtig, daß Ockham seinen Wissenschaftsbegriff zwar am aristotelischen Begriff der επιστήμη orientiert, aber seinen eigentlichen Umfang in einer kritischen Analyse der Möglichkeit einer Theologie als Wissenschaft im strengen Sinne entwickelt hat455. Im Verhältnis von Glauben und Wissen läßt sich daher Ockhams Wissenschaftsbegriff und vor allem sein Begriff von »veritas« näher bestimmen. Die Anwendung des aristotelischen Wissenschaftsbegriffes auf die Theologie hatte schon Thomas von Aquin zum Problem erhoben: wie waren die Wahrheiten des christlichen Glaubens gegenüber den Wahrheiten des Philosophus — und der Philosophie! — zu beurteilen, wie konnte die Theologie bei ihrer Sache bleiben und trotzdem den Ansprüchen einer wissenschaftlichen Theorie genügen? Thomas hatte die Lösung gesucht45®, indem er sich an der Möglichkeit 154

455

458

V g l . E x p . Phys. Prol. (Mohan, 2 3 8 ; Boehner, 2 ; Β f. 86 ra): C a v e a t tarnen corrector, ne in malis principas aut consuetudo aut f a v o r aut odium de correctore nonnumquam faciat perversorem. Die Prologe zu seinen Aristoteleskommentaren fassen in der Regel nur ausführliche Erörterungen von Prol. Sent, zusammen. V g l . dazu besonders neben R . Guelluy, Philosophie et théologie, 3 5 bis 4 3 : M . - D . Chenu, L a Théologie comme science au X I I I e siècle, Paris ' 1 9 5 7 ( = Bibliothèque thomiste. 3 7 ) 7 1 — 9 2 ; und Y . M . - J . C o n g a r , art. »Théologie« in D T h C 1 5 ( 1 9 4 3 ) , 3 7 8 — 3 9 2 . A . Lang, Die Gliederung und die Reichweite des Glaubens nadi Thomas von A q u i n und den Thomisten, in D i v u s Thomas (Frbg) 20 ( 1 9 4 2 ) . 2 0 7 — 2 3 6 ; 3 3 5 — 3 4 6 ; 2 1 ( 1 9 4 3 ) , 7 9 — 9 7 ; V g l . bes. S. T h I q. ι u. 1 — I I q. 1 8 0 a. 3 u. 6.

Theologie als Wissenschaft

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orientierte, daß verschiedene Wissenschaften einander derart zugeordnet sind, daß die eine Wissenschaft ihre Prinzipien unbesehen von der anderen übernehmen kann, da sie dieser subordiniert ist, während in der »höheren« Wissenschaft diese Prinzipien durchaus demonstriert werden können. In vergleichbarer Weise übernimmt die Theologie ihre Prinzipien, ζ. B. die Artikel des Glaubensbekenntnisses, ohne sie demonstrieren zu können — aber auch ohne sie demonstrieren zu müssen — in dem sicheren Bewußtsein, daß diese Wahrheiten Gott selbst und den comprehensores evident sind. Während nun in dem Felde der irdischen Wissenschaften der Forscher selbst die Prinzipien in der übergeordneten Wissenschaft (scientia subalternans) überprüfen kann, ist das in der Theologie als der scientia subalternata nicht mehr möglich, da das Wissen Gottes und der beati den viatores unzugänglich bleiben muß: sie kann ihre Prinzipien nur durch die Autorität der göttlichen Offenbarung erhalten, aber ihre Gewißheit braucht nicht geringer zu sein als die der aristotelischen Wissenschaft. Vom Glauben unterscheidet sich die Theologie nicht primär in ihrem Objekt, sondern in ihrer Methode 457 : als diskursives Denken ist sie eine Wissenschaft, während der Glaube seine Wahrheit unmittelbar hat 458 . Ockham will sich weder dieser Lehre noch auch den Ansichten derer anschließen, die nicht nur die Konklusionen der Theologie, sondern auch ihre Prinzipien dank göttlicher Erleuchtung zum Gegenstand einer eigentlichen Wissenschaft werden lassen und so der Theologie als einer deduktiven Wissenschaft (bei Thomas) die Theologie als deklarative Wissenschaft gegenüberstellen 459 . Er lehnt eine 457 V g l . d a z u besonders Guelluy, 4 1 f . ; M . - D . Chenu, a. a. O., 83 f. 458 Y g i ¿ A Z U j a s R e s u m ^ das Ockham von der thomistischen Position gibt, in Prol. Sent. q. 7 Β ( O T I, 1 8 4 , 7 ff.): . . . quidam dicunt quod habita fide primorum principiorum theologiae, respectu quorum non est scientia proprie dicta nec cognitio evidens in nobis, adquiritur scientia conclusionum sequentium ex illis primis principiis, ita quod conclusiones sciuntur scientia proprie dicta, quamvis principia non sint evidenter nota. Ideo dicitur: quod duplex est genus scientiarum. Quaedam enim procedunt ex principiis notis lumine naturali intellectus, sicut geometria; quaedam procedunt ex principiis notis lumine superioris scientiae, sicut perspectiva procedit ex principiis notificatis per geometriam. E t hoc modo theologia est scientia quae procedit ex principiis notis lumine superioris scientiae, quae scilicet est dei et beatorum. U n d e sicut musicus credit principia tradita sibi ab arithmetico, ita doctrina sacra credit principia revelata a deo. — V g l . dazu S. T h . I, q. ι a. 2. 459

Die E d . L y o n , nennt in Marginalnoten zu Prol. Sent. q. 7 F r a n z v o n M a r chia und Heinrich von G e n t ; G a l u. B r o w n verweisen in Ο Τ Ι , i 8 j n. 3,

266

Die Wahrheit des Wissens

derartige Übertragung des scientia-Begrifïes strikt ab: ein Wissen ist evident, und daher müßte, w ä r e die Theologie Wissenschaft in diesem Sinne, jeder infidelis den Wahrheiten des Glaubens

zu-

stimmen 460 , sind doch alle Quellen evidenten Wissens, die Urteile aus Begriffen und die aus ihnen gezogenen Schlüsse w i e auch die notwendigen Sätze, die sich auf unsere E r f a h r u n g gründen, dem Ungläubigen in gleicher Weise offen w i e dem Christen. A u ß e r d e m : diese Meinung geht d a v o n aus, daß man die E r k e n n t nis der notwendigen allgemeinen Glaubenswahrheiten (also ζ. B . des Trinitätsdogmas oder der Lehre v o n der Inkarnation) im eigentlichen Sinne »Wissen« nennen kann, daß aber kontingente G l a u benserkenntnisse (etwa die aktuelle G e g e n w a r t Christi in der Hostie der Eucharistie oder meine G e w i ß h e i t über den Gnadenstand) diese Bezeichnung nidit verdienen. Solche Unterscheidung aber ist völlig willkürlich: non est maior ratio . . . ! W e n n solche kontingenten Erkenntnisse des Glaubens »credibilia« sind, dann im selben Sinne auch die allgemeinen Glaubenswahrheiten, die in der Theologie als die »principia« der Erkenntnis zu G r u n d e liegen: Auch sie können nicht im eigentlichen Sinne » g e w u ß t « werden 4 6 1 . Ockham argumen-

480

461

auf die ähnlidie Stelle bei Duns Scotus, Rep. Par. I, Prol. q. 2, nn. 6—12. Einen weitergestreuten Uberblick gibt R . Guelluy, a. a. O., 44—65; die Traditionsgeschichte der Theorie Heinrichs von Gent verfolgt J . Beumer, Erleuchteter Glaube, Die Theorie Heinrichs von Gent und ihr Fortleben in der Spätscholastik, FS 37 (1955), 129—160. Vgl. neuerdings audi S. R. Streuer, Die theologische Einleitungslehre des Petrus Aureoli. Werl 1968, bes. 60 ff. Prol. Sent. q. 7 Ε ( Ο Τ Ι , 187 f.): Contra conclusionem principalem in qua omnes istae opiniones concordant arguo: primo, quod quantumcumque de potentia dei absoluta posset esse scientia proprie dicta de veritatibus theologicis, et forte in aliquibus ita sit de facto quantum ad aliquas veritates, tamen quod non sit secundum communem cursum, arguo primo sic: Omne quod est evidenter notum aut est per se notum aut notificatum per per se nota, aut per experientiam mediante notitia intuitiva et hoc mediate vel immediate. Sed nullo istorum modorum possunt ista credibilia esse nota. Quia non sunt per se nota: manifestum est. Tunc enim essent nota infidelibus. Nec notificantur per per se nota, quia tunc quicumque infidelis ordinate interrogatus de eis assentiret secundum beatum Augustinum I o retractationum, c. 8. [ = C S E L 36, 35]. Nec sunt nota per experientiam notitia intuitiva mediante, quia omnem notitiam intuitivam quam habet fidelis, habet infidelis, et per consequens, quidquid potest fidelis scire evidenter mediante notitia intuitiva, et infidelis. Et ita infidelis posset evidenter scire ista credibilia. Ibid. (188): Praeterea, non est maior ratio quod necessaria credibilia sint scita scientia proprie dicta, quam quod veritates contingentes credibiles sint evidenter notae modo suo. Sed istae non sunt evidenter notae; tunc enim

Theologie als Wissenschaft

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tiert hier ganz von der Evidenz als letztem Kriterium des Wissens her: Läge Evidenz vor, könnte kein Ungläubiger widersprechen, kein Theologe zweifeln. Nun kann aber auch der gebildete Theologe allein durch seinen Willensentschluß Glaubenswahrheiten f ü r falsch halten ohne tieferen Grund, oder ohne daß er sie nicht mehr gegenwärtig hätte. Das beweist, daß auch er kein evidentes Wissen hat: Evidenz ist auch durch langes Studium nicht zu ersetzen462. So wie die analoge Übertragung des aristotelischen Wissensbegriffes auf die theologischen Wahrheiten lehnt Ockham aber auch auf der anderen Seite die Einschränkung der »mere credibilia« auf einen Bereich ab, der von dem Bereich der Vernunft auch potentiell ausgeschlossen ist, so daß grundsätzlich keine Glaubenswahrheit evident gewußt werden könnte. Eine solche Position muß der Theologie schlechterdings den Charakter als Wissenschaft absprechen483. Diese Meinung der »philosophi« kann zwar »per rationes naturales« nicht hinreichend widerlegt werden, sondern nur »per auetoposset quilibet scire se esse in caritate, quod corpus Christi est in altari, quae videntur simpliciter falsa. Igitur necessaria theologica non sunt scita scientia proprie dicta. Vgl. zur Gleichartigkeit notwendiger und kontingenter theologischer Wahrheiten audi Prol. Sent. q. 9. A A ( O T I , 269 f.). 462 Prol. Sent. q. 7 H (192, 1 1 ff.): Praeterea, quicumque seit evidenter aliquod complexum, non potest dissentire illi complexo solo imperio voluntatis, sed oportet, quod persuadeatur per rationem fortius moventem intellectum suum ad dissentiendum, vel oportet quod obliviscatur alieuius evidenter noti. Sed theologus — quantumeumque studuerit in theologia — solo imperio voluntatis potest dissentire credibilibus etiam sine ratione fortius movente; quia nulla ratio ex falsis potest fortius movere quam ratio ex veris evidenter notis (!); nec oportet quod obliviscatur alieuius ad hoc quod dissentiat: Ergo non habet notitiam evidentem respectu alieuius talis. «63 prol. Sent. q. 7 J ( Ο Τ Ι 192 f.): Alii tenent partem negativam /seil.: daß die Theologie keine Wissenschaft ist/: et hoc dupliciter. Quidam, sicut philosophi tenent quod ad omnem scientiam nobis possibilem possumus naturaliter attingere, et ideo nihil est credibile mere quod potest sciri evidenter. Sed ista opinio non potest improbari per rationes naturales, sed tantum per auetoritates, sicut alias patebit. — Die Edition Tredisels liest im vorletzten Satz statt »quod« ein sinnwidriges »quin«, audi R . Guelluy, a. a. O., 238 Α. ι paraphrasiert dementsprechend. Aber diese Lesart widerspricht der Aussage, diese Position halte »partem negativam« der Quaestio; darum halten wir auch die Entscheidung der Hrss. von O T I, 193, 2, die ein »nisi quod« setzen, nicht für riditig und lesen mit Ms. Florenz, Conv. Soppr. A. III. 801 und Ms. Paris, Maz. 894 ein bloßes »quod« — in dieser A u f f a s sung haben wir immerhin Gabriel Biel auf unserer Seite, wie das von ihm geschriebene Ms. Gießen 773, f. 29 v a zeigt. Vgl. auch G. Biel, Epitome et collectorium ex Occamo circa I V Sent, libros, Tübingen 1501 (Photomedi. Nachdr. Frankfurt/Main 1965), I Sent. Prol. q. 7 A, f. ce V i l i va.

268

Wissen und Glauben

ritatem« — d. h. durch die Schrift und die Lehre der Kirche, aber diesen Ausschluß der Theologie auch aus dem Bereich möglicher Wissenschaft hält Ockham für verfehlt. Er lehnt die Lehre von der »doppelten Wahrheit«464 hier deshalb ab, weil sie die nur faktische Wissenschaft des Viators für die schlechthin mögliche hält, und weil sie vergißt, de potentia dei absoluta das Feld des möglichen Wissens in Erwägung zu ziehen460. Die Lehre von einer doppelten Wahrheit, die die Erkenntnisse dieser Wissenschaft den Wahrheiten des Glaubens unvermittelt entgegensetzt, läßt sich mit den Mitteln der bloßen natürlichen Vernunft zwar nicht stringent widerlegen — aber wie sollte das auch geschehen können, wenn es hier nach Ockhams Überzeugung darum geht, die faktische Nichtevidenz der mere credibilia in ihrer möglichen Evidenz aufzuheben. Daher schließt sich Ockham in diesem Punkte entschieden an die Lehre des Duns Scotus an, nach der die credibilia an sich wohl evident »gewußt« werden könnten, faktisch aber in der Regel (de communi lege) nicht von uns (pro statu isto)466. Beide Einschränkungen sind wichtig: sie zeigen den Ort der Möglichkeit einer Theologie als scientia proprie dicta: einmal in dem Wissen der beati und dann in einer besonderen gnädigen Ofïenbarungstat Gottes, die einzelnen viatores schon auf Erden unmittelbare Evidenz theologischer Einsichten einräumt467. Diese an sich mögliche »scientia« der Theologie, 164

Vgl. dazu am ausführlichsten A. Maier, Studien I V , 3—44, wo Ockhams Haltung aber nur (12) in einem Satz gestreift wird, in dem Ockham als »Antiaristoteliker« charakterisiert wird. A. Maier interessiert sich vor allem für die Averroisten des frühen 14. Jh. und für die Pariser Naturphilosophen. Vgl. audi Α. Maier, Studien V , 3 77 f . Die Lehre von der doppelten Wahrheit bei Johannes Jandun hat jüngst L. Schmugge, Johannes von Jandun, Stuttgart 1966 (Pariser Historische Studien, $), 47—52 untersucht; dort findet sich die von Ockham hier so bekämpfte Scheidung der beiden Wahrheitssphären. Vgl. auch M. Grignaschi, Il pensiero politico e religioso di Giovanni di Jandun, in: B I S I 70 (1958), 42J—496; spez. 4J5—476, 474 fi. 465 Vgl. dazu schon oben Anm. 460 die Einschränkung: »quantumcumque de potentia dei absoluta posset esse scientia proprie dicta de veritatibus theologicis...« 4ββ p r o l_ Sent. q. 7 Κ ( Ο Τ Ι , 193): Alia est opinio quae ponit, quod quamvis credibilia possint evidenter sciri, non tamen a nobis pro statu isto de communi lege, et ideo theologia, secundum quod communiter addiscimus earn, non est scientia proprie dicta respectu talium credibilium, quamvis respectu aliquorum posset esse scientia. Et istam opinionem reputo veram. Vgl. Quodl. V 3 Utrum aliqua Veritas theologica . . . sit eredita a viatore et evidenter scita a comprehensore? 467 Schon Scotus hatte das gelehrt. Vgl. Ordin. Prol. p. I q. u., nr. 61 (Balie I, 37 f.). Für Ockham vgl. Prol. Sent. q. 1 (OT I, 5): . . . intellectus viatoris est

Theologie als Wissenschaft

269

jene » T h e o l o g i e der Seligen« — w e n n w i r so sagen d ü r f e n — k a n n a b e r unserer irdischen T h e o l o g i e nicht d e n C h a r a k t e r einer Wissenschaft geben: E s ist unsinnig, v o n »Wissen« zu sprechen, w e n n ich die K o n k l u s i o n e n u n d ein a n d e r e r die P r i n c i p i e n » w e i ß « . E b e n s o w e n i g d a r f m a n sagen, d a ß w i r die theologischen K o n k l u s i o n e n » w i s s e n « , w e i l G o t t ihre P r i n z i p i e n w e i ß , u n d w i r ihnen g l a u b e n , w e i l er sie o f f e n b a r t : Wissen m u ß E v i d e n z h a b e n ; das Sichverlassen auf a n d e r e f ü h r t nicht z u m eigentlichen Wissen 4 6 8 . G e g e n dieses A r g u m e n t verschlägt der E i n w a n d nicht, d a ß es der W ü r d e unserer T h e o l o g i e A b b r u c h tut, w e n n sie ihrer K o n k l u s i o n e n nicht in E v i d e n z g e w i ß ist. D e n n dieser E i n w a n d m ü ß t e ebenso noch t r e f f e n , ille, qui non habet notitiam intuitivam deitatis sibi possibilem de potentia dei ordinata. — Die »lex communis« wird durchbrochen z. B. im »raptus Pauli« (vgl. I Sent. d 4 i q. u. G ; III Sent. q. 8 C ; Quodl. V I i ; wo aber überall nur die Akzeptation des Sünders Paulus betont wird). Vgl. aber II Dial. I, 2 (f. 165 vb—166 ra, p. 742, 6—y8, spez. 39 ff.), wo ausdrücklich festgestellt wird, daß im »raptus« Paulus die divina essentia gesehen habe. (Die abweichende Auffassung von Johannes X X I I . wird in der Predigt deutlich, die E. Pasztor, Le polemiche sulla »Lectura super Apocalypsim« . . ., BISI 70 (1958), 417—24 ediert hat, vgl. auch die Bemerkungen ibid. p. 414 f.). Mit einer besonderen Offenbarung rechnet Ockham in der Eucharistielehre in Qdl. IV 35 ( = Paris IV 19) — Text oben Anm. 383, und in De sacram. c. 3 (Birch, 172) . . . quod substantia pañis in corpus Christi realiter convertitur vel transsubstantiatur, in canone bibliae non invenitur expressum; sed hoc sanctis patribus creditur divinitus revelatum — allerdings setzt Ockham hinzu: vel ex auctoritatibus bibliae diligenti et sollerti inquisitione probatum. — A. v. Leeuwen, L'église, règle de foi . . ., Eph. Theol. Lov. 1 1 (1934), 264 übersieht diese Disjunktion, wenn er mit dieser »sollers et diligens inquisitio« die »revelatio« identifiziert. Ockham rechnet in De Sacram. mit beiden Möglichkeiten, im Quodl. IV 3 5 dagegen hauptsächlich mit der ersten, dodi heißt es audi dort: »ut suppono«!! — Für die Münchener Zeit vgl. I Dial. II $ (f. 8 va, p. 416, 6 ff.): Quintum [seil, genus] est earum [seil, veritatum] quas deus praeter veritates revelatas apostolis aliis revelavit vel etiam inspirava ac noviter revelaret vel etiam inspiraret... Der Papst z. B. soll sich bei Glaubensfragen audi vel divina inspiratione vel propria meditatione vel librorum inspectione aut aliorum informatione aut aliquo alio modo stützen (I Dial. II 29, f. 16 rb, p. 432, 60 ff.). Vgl. audi die ausführliche Erörterung in III Dial. I iii 16—17 (f. 212 ra—213 va, p. 832—834). ice prol. Sent. q. 7 Q (ΟΤΙ, 199): Quando primo dicitur quod duplex est genus scientiarum, unum quod procedit ex principiis per se notis lumine superioris scientiae etc., dico quod quamvis hoc sit verum in scientia subalternata, tarnen numquam aliquis seit illas conclusiones evidenter, nisi sciateas per experientiam vel per aliquas praemissas evidenter notas. Unde nihil est dicere quod ego scio conclusiones aliquas, quia tu scis principia qùibus ego credo, quia tu dicis ea. Et eodem modo puerile est dicere quod ego scio conclusiones theologiae, quia deus seit principia quibus ego credo, quia ipse révélât ea.

270

Wissen und Glauben

wenn die Theologie nur ihre Prinzipien nicht mit E v i d e n z wüßte 4 6 9 . D e r M a n g e l an E v i d e n z kann die G e w i ß h e i t der Theologie nicht einschränken, ja mit Recht heißen die anderen Disziplinen

die

M ä g d e der Theologie. D i e Theologie hat über sie zu urteilen, weil sie die größere W a h r h e i t und die sicherere G e w i ß h e i t hat als sie alle 470 . W e n n die Heiligen die Theologie eine »scientia«

genannt

haben, so taten sie das extendendo nomen »scientiae« ad notitiam certam et habitum apprehensivum illorum, quorum — quantum est ex se — nata esset esse scientia et sapientia 4 7 1 . 2. D i e Erkenntnis des Glaubens Indem Ockham derart die Theologie als eine m ö g l i c h e Wissenschaft begreift, braucht er keine Lehre v o n einer doppelten W a h r «69 p r o j Sent, q-7 Q (199): A d aliud dico quod non derogat dignitati theologiae nostrae, quod conclusiones non sciuntur evidenter, sicut nec derogat dignitati notitiae principiorum theologiae, quod ipsa non sciuntur evidenter . . . 470

471

Prol. Sent. q. 7 Q (200) : Et quando dicitur quod excedit alias et secundum dignitatem materiae et secundum certitudinem... (so gilt das ebenfalls für die Prinzipien): ideo dico quod »certitudo« aeeipitur vel pro adhaesione vel pro evidentia: primo modo excedunt [seil, veritates theologiae], non secundo m o d o . . . Ad confirmationem dico quod aliae artes dicuntur eius ancillae, et quod de aliis habet iudicare propter maiorem veritatem in cognitis et propter firmiorem adhaesionem. — Vgl. dazu I Dial.I, 2—10 (f. i vb—4 vb, p. 400—407), wo immer von der »scientia subalternata« der »canonistae« gegenüber der Theologie als »scientia superior« gesprochen wird, die sich allerdings zu diesem Geschäft einer scientia superior mit der philosophia (moralis) verbündet — vgl. auch I Dial. V I 100 (f. m rb, p. 630, 58 ff.). Prol. Sent. q. 7 Q ( Ο Τ Ι , 200, 12 ff.); vgl. ibid. (200 f.): auf die Frage, warum Aristoteles in E N V I 3 ff. (bes. 1 1 3 9 b 16 f.) unter die j habitus veridici die fides nicht aufnahm, antwortet Ockham: . . . potest dici quod philosophus tantum loquitur de habitibus evidentibus et certis, qualis non est theologia respectu credibilium, quia non est evidens, quamvis sit certus. Außerdem vgl. Prol. Sent. q. 12 Ν (OT I, 342 ff.) u. Qdl. II 3. — Die Theologie als eine »scientia in se« findet sich auch sdion bei Wilhelm von Ware, I Sent. q. 3, mitgeteilt bei R . Guelluy, Philosophie et théologie, 68 Α. 3: . . . Quod autem theologia non est nobis scientia, non est ex parte sua ex defectu aliquo, sed propter parvitatem intellectus nostri, qui non potest in via attingere ad artículos fidei de quibus est, ut intelligat ea sicut intelligibilia secundum se . . . unde unice nobis non est scientia, et hoc quia non habemus cognitionem principiorum . . . quod tarnen oportet ad hoc quod esset nobis scientia. (Aus Ms. Toulouse, Bibl. de la ville 242. Vgl. auch OT I, 193, A. 3) — Auch hier — wie in der Allmachtslehre —läuft also eine Linie von Wilhelm von Ware über Duns Scotus zu Ockham.

Die Erkenntnis des Glaubens

271

heit, um gegebenenfalls Widersprüche zwischen der Lehre der Kirche und den Ansichten des Philosophus oder seines Kommentators zu erklären: Während das Wissen Wahrheit evident praesent hat, hat sie der Glaube zwar unevident, dafür aber nur umso gewisser. Es gibt nicht zwei verschiedene Wahrheiten, die ohne möglichen Ausgleich hart neben-, ja gegeneinander zu setzen wären, es gibt nur zwei verschiedene Weisen der unmittelbaren Präsenz von Wahrheit: in der Evidenz der unmittelbaren oder aus Gründen erschlossenen Einsicht oder im Glauben an Gottes Offenbarung 472 . Ockham faßt die fides, in der der Mensch Gott glaubt, mit der ganzen Scholastik als Gottes Tat, als wunderbare Eingießung eines Gnadenhabitus, als »fides infusa« 473 . Er ist ein einziger und wesentlich eins (unus numero) und richtet sich auf das Grundprinzip des Glaubens: omne revelatum esse verum 474 . Aber dieser Grundsatz bleibt leer, solange wir durch die fides acquisita nodi nicht wissen, was im einzelnen Gott als Wahrheit geoffenbart hat: Aus diesem Grundsatz in dem von Gott wunderbar gegebenen Habitus und dem richtigen Vernunftgebrauch allein kann kein konkreter einzelner Glaubensakt gesetzt werden, solange die articuli fidei unbekannt sind. Ein als Säugling Getaufter, der nie von den Glaubenswahrheiten hören konnte, hat seit der Taufe die fides infusa und kann sich doch keine konkrete Glaubenswahrheit aneignen. Daher gehört zum konkreten Glaubensakt notwendig die in der kirch472

Diese Unterscheidung nach der Weise der Präsenz macht Ockham explizit wiederum für die cognitio supernaturalis : Prol. Sent. q. 7 O (OT I, 197 f.) : Si dicatur quod tunc praeter fidem nulla esset cognitio supernaturalis, quod non videtur verum, respondeo: quod cognitio supernaturalis dupliciter accipitur. Uno modo, quia non potest naturaliter adquiri; et isto modo nulla cognitio supernaturalis de communi lege, praeter fidem infusam, est nobis necessaria. Alio modo dicitur cognitio »supernaturalis«, quia est de veritatibus, quae non ex puris naturalibus, sed supernaturaliter possunt evidenter cognosci: et isto modo cognitio supernaturalis est necessaria nobis praeter fidem. — Die erste Weise der cognitio supernaturalis sieht auf den übernatürlich gewirkten habitus adhaesivus, die zweite Weise auf die übernatürlich mögliche Evidenz theologischer Wahrheiten, in der die Objekte dieses Habitus, d. h. die Wahrheiten selbst, dem Geiste gegenwärtig sein können.

4,3

Vgl. zum folgenden bes. I I I Sent. q. 8 Κ ff.; u. Quodl. III 7. R. Seeberg, Dogmengesch. III, 7 1 8 — 2 0 . III Sent. q. 8 L : Ita habitus fidei infusae cuius hoc complexum [seil, den im Text zitierten Satz] est immediatum obiectum, inclinât mediate ad actum elicitum [lies: eliciendum] circa omnem articulum in speciali . . . et sic est una fides omnium articulorum fidei — mediate, sed non immediate.

474

272

Wissen und Glauben

liehen Verkündigung oder im Studium gewonnene Kenntnis der Glaubenswahrheiten in der fides acquisita 475 . Die fides acquisita ist, da sie sich auf die einzelnen konkreten Glaubensartikel richtet, — analog zur scientia im strengen Sinn — nicht una numero, sondern der je verschiedene Habitus, der den jeweils aktuellen Akten des Glaubens an die einzelnen Wahrheiten der Offenbarung entspricht. Die Einheit der fides acquisita ist wiederum eine kollektive, denn so viele Glaubenswahrheiten es gibt, so viele »fides acquisitae« gibt es auch — es ist unmöglich, alle Artikel auf einmal in einem A k t zu erfassen. Darum inkliniert der übernatürliche habitus der fides infusa jeweils unmittelbar zu jedem einzelnen Glaubensakt in uns, der konkret in der Verkündigung der Kirche hervorgerufen seinerseits einen habitus kausiert, den natürlichen habitus der fides acquisita478. Als natürlicher habitus ist die fides ex auditu in gleicher Weise dem Gläubigen wie dem Ungläubigen zugänglich: Wieder ist das Beispiel ein Knabe, diesmal ein Heidenkind, das unter Christen aufwächst; er wird alle Glaubenswahrheiten »glauben«, ohne Christ zu sein: sein »Glauben« ist eine naturaliter erzielte Neigung, gewisse Sätze für wahr zu halten477. Die fides acquisita ist also primär 475

II Sent. q. 8 L. Nam parvulus baptizatus, nutritus solitarie alieubi, ubi numquam instruitur in articulis fidei, ille habet fidem infusam et usum rationis, et tarnen nullum actum credendi circa quemeumque articulum potest elicere. Igitur ad actum eliciendum circa articulum specialem necessario requiritur fides acquisita circa illum articulum, puta per auditum, quia »fides« acquisita — secundum Prophetam [ = richtig Rm. io, 1 7 ] — est »ex auditu« vel per visum, puta si videat aliquem actum (!) scriptum in libro et ei credat. Für die theologische Bewertung dieses Glaubensbegriffes vgl. H . A. Oberman, Harvest, 68 ff., der die Ockham an diesem Punkt sehr nahe Position Biels gegen die traditionelle Bewertung (z. B. K . Link, Luthers Ringen um die Freiheit der Theologie von der Philosophie, Berlin 2 i 9 J 4 , 302) neu eingeschätzt, indem er mit Recht betont: »acquired faith is objective and not existential« (73).

476

I I I Sent. q. 8 O : Sed non potest esse fides infusa inclinans ad unum actum respectu omnium articulorum immediate, quia omnes articuli non possunt uno actu credi: quia quot sunt articuli, tot sunt fides acquisitae, quarum quaelibet inclinât tantum ad unum articulum et non alium, quia fides infusa non inclinât ad aliquem actum nisi mediante fide acquisita. Vgl. dazu I Dial I I 14 (f. i l rb, p. 4 2 1 , 64—422, 2): . . . articulus fidei aeeipitur stricte pro veritate catholica in symbolo authentico sub propria forma inserta, . . . aliter potest accipi articulus fidei large pro omni veritate catholica. I I I Sent. q. 8 D : . . . Sicut nihil debet poni, nisi quando habetur experientia vel demonstratio vel auctoritas ad hoc, ita nihil debet negari, quando habetur certa experientia ad hoc ponendum, sed ad ponendum fidem acquisi-

477

Die Erkenntnis des Glaubens

273

auf — der natürlichen Vernunft nicht evidente — Wahrheiten gerichtet, als solche ist sie intellektiv und nicht eine bloße Willensfunktion 47 ". Wo Evidenz vorliegt, hat die Seele eine hinreichende Triebfeder, dem Urteil ihre judikative Zustimmung nicht zu versagen, aber das bedeutet nicht, daß der A k t der Zustimmung immer mit der Wahrnehmung der Evidenz identisch ist479. Auch ein Willensakt kann die Triebfeder solcher Zustimmung sein — entweder auf Grund spontaner Entschließung oder auf Grund einer Achtung vor der Autorität, der der Wille zu folgen entschlossen ist480. Eben darum ist ja der christliche Glaube von dem »credere« der natürlichen Vernunft so weit unterschieden: während die Vernunft sich im allgemeinen nur auf die Spontaneität des Willens oder auf tarn . . . habetur certa experientia; nam paganus, nutritus inter christianos, ita credit omnes artículos fidei, similiter hereticus circa unum articulum potest vere credere alium, sed neuter istorum habet fidem infusam, patet igitur acquisitam. — V g l . Prol. Sent. q. 7 L ( O T I, 193 f.): . . . omnem habitum, praeter fidem, quam acquirit theologus fidelis posset acquirere etiam infidelis . . . si esset nutritus inter christianos vel exercitatus in theologia . . . Ideo dico quod omnem notitiam actualem tarn complexam quam incomplexam, praeter solam fidem, quam potest habere fidelis, potest habere infidelis. 178

V g l . I I Sent. q. 2$ L : Si sit contingens (scil. propositio neutra, quae non infertur ex aliquo medio, cui intellectus assentir), tunc illi assentit intellectus aliquando propter auctoritatem, aliquando propter voluntatem, quia vult credere. Si primo modo, assensus respectu auctoritatis causat assensum re· spectu illius propositionis; si secundo modo, tunc v o l i d o cum notitiis incomplexis et apprehensione complexi causat assensum illum. — V g l . auch Qdl. V 6: duplex est assensus: unus, quo intellectus assentit aliquid esse vel aliquid non esse, vel aliquid esse bonum vel album; alius, quo intellectus assentit alicui complexo. «9 V g l . I I Sent. q. 25 Y : Sed dubium est quomodo potest aliquis alicui proposition! assentire sine cvidentia, quia actus assentiendi et evidentia in tali actu non distinguuntur, ut patet intuenti. Respondeo quod assensus non distinguitur ab evidentia in actu quando sunt respectu eiusdem objecti evidenter cogniti; quia proprie loquendo de noticia evidenti non est nisi noticia causata aliquo praedictorum trium modorum, vel ex terminis quocumque modo cognitis sicut in propositione contingenti, vel ex notitia praecise praemissarum evidenter notarum vel aliquo alio modo consimili. E t in omnibus istis patet quod evidentia in actu assentiendi non distinguitur ab ipso actu, sed distinguitur sicut superius et inferius: quia sequitur »evidenter assentit, ergo assentii«, sed non sequitur econverso, quia aliquis potest firmiter et certitudinaliter assentire alicui complexo sine omni evidentia. — H i e r ist nidit, das sei angemerkt, von einem eigentlichen A k t des Glaubens die Rede, sondern von jenem »credere« im weiteren Sinne des Fürwahrhaltens nichtevidenter Urteile. 480 V g l . Anra. 470 und 478.

18 Miethke, Ockhr.m

274

Wissen und Glauben

die fragwürdige Autorität von Menschen verlassen kann, die irren konnten oder sogar täuschen wollten 481 , hat die christliche fides ihre Wahrheit verbürgt in der auctoritas quae falli non potest482. Deshalb ist »fides« keineswegs gleich »fides« — es gibt einen natürlichen habitus, der sich auf das testimonium narrantium stützt und damit eine nicht evidente Wahrheit »glaubt« 483 — aber solche fides ist von der christlichen fides scharf zu unterscheiden. Demgemäß kennt Ockham eine dreifache Bedeutung dessen, was »Glauben« heißen kann: im weitesten Sinne umfaßt »fides« audi jenes Wissen aus dem testimonium narrantium. Eng mit dieser Bedeutung verwandt und derselben Stufe des »Glaubens« angehörend ist jene Erkenntnis von notwendigen Wahrheiten, die nur »ex probabilibus« zu gewinnen ist, und die im übereinstimmenden Urteil der gutwilligen »sapientes« ihren Erkenntnisgrund besitzt484: 481

V g l . dazu oben A n m . 4 5 1 über den locus ex auctoritatibus. V g l . audi I D i a l I I 4 (Trechsel f. 7 vb/8 ra; Goldast, p. 4 1 4 , 53 ff.): non est necesse putare aliquid esse verum propter hoc quod il li, qui possunt errare, hoc sentiunt; nam propter solam aestimationem illorum qui possunt asserere falsum pro v e r o non est eo ipso aliquid asserendum pro vero, quia tales sic sentiunt. 41,2 Vgl. oben A n m . 3 8 1 . 483 V g l . die in A n m . 397 zitierten Sätze aus E x p . Phys., Prol. 4(14 S. L. I l l i ι (Boehner, 327 f . ; auch bei Ph. Boehner, Phil. Writ., 83 f.): P r o babilia sunt necessaria, nec principia nec conclusiones demonstrationis, quae propter sui veritatem videntur omnibus vel pluribus etc. /scil. vel sapientibus, et de his vel omnibus vel pluribus vel maxime sapientibus/ . . . per tertiam /scil. particulam/ excluduntur quaedam necessaria, quae tamen omnibus apparent falsa vel pluribus etc. E t sic articuli fidei nec sunt principia demonstrationis, nec conclusiones, nec sunt probabiles, quia omnibus vel pluribus vel maxime sapientibus apparent falsi et hoc, accipiendo >sapientes< pro sapientibus mundi et praecise innitentibus rationi naturali, quia ilio modo accipitur >sapiens< in descriptione >probabilisLectura super Apocalipsim< di Pietro di Giovanni Olivi fino alla sua condanna, in: B I S I 70 (1958), 380, Anm., nennt als Fundstelle allerdings (entgegen Eubel) Ardi. Segr. Vat. Arm. X X X I , 42, ff. 92—96. 185 De planctu, II art. $9; Die Identität hat, wie N . Iung, Alvaro Pelayo, 44, A. 2 berichtet, Alejandro Amaro (Alvaro Pelagio, su vida, sus obras y su posicion respecto de la cuestión de la pobreza teorica en la Orden Franciscana bajo Juan X X I I . , Madrid 1916) zuerst bemerkt; vgl. auch L. Öliger. Documenta inedita ad historiam Fraticellorum spectantia, A F H 3 (1910), 507, A. 4. 186 Gestützt auf folgenden Passus der Responsione s (BF V, 257 b, nota): Porro post editionem et publicationem dictae constitutionis Cum inter nonnullos [12. I i . 1323] ipse dominus papa de Consilio sacri collegii dominorum cardinalium in condempnatione, quam fecit de postilla quam Petrus Johannis Olivi super apocalypsim conscripsit, habuit consilium magistorum in sacra pagina, quibus examinationem illius postillae commisit. Die etwas abweichende Fassung in Alvarus Pelagius, De planctu II 59 ist abgedruckt bei E. Pásztor, Le polemiche, 379. A. Amaro, a. a. O., 52 datiert ebenfalls in das Jahr 1328. 1M

187

Der Verfasser und die Entstehungszeit der Responsiones ad oppositiones eorum etc., FS 4 (1917), 93—98.

Der sogenannte »Theoretische Armutsstreit«

394 der

»novissime«

erfolgten

Kanonisation

Thomas'

von

Aquins

( 1 8 . J u l i 1 3 2 3 ) 1 8 8 . H o f e r möchte daher den T r a k t a t in das J a h r 1 3 2 4 setzen. Demgegenüber hat L i v a r i u s Öliger 1 8 9 daran festgehalten, daß in den Responsioneη

deutlich auf eine Verurteilung O l i v i s nach 1 3 2 3

B e z u g genommen w e r d e (nicht auf eine Verurteilung v o r

13x9),

außerdem sei das »novissime« sehr relativ in seiner Beweiskraft, es könne einen Z e i t r a u m v o n wenigen T a g e n ebensogut w i e v o n mehreren J a h r e n bezeichnen 190 . D a s letzte A r g u m e n t ist nicht z w i n g e n d . M i t R e d i t hat E d i t h Pásztor 1 9 1 darauf hingewiesen, daß es sich um ein D o k u m e n t der Polemik um die Bulle Cum

inter nonnullos

nächste päpstliche Bulle Quia

quorundam

handele und daß die (10. November

1324)

noch nicht e r w ä h n t werde 1 9 2 . S o muß also der T r a k t a t mit größter Wahrscheinlichkeit in das J a h r 1 3 2 4 gesetzt werden. D a g e g e n ist über die Autorschaft sehr viel weniger auszumachen. D a ß A l v a r u s Pelagius den T r a k t a t in sein De planctu

aufnahm,

führte zu der V e r m u t u n g , er selbst sei der V e r f a s s e r dieser Schrift 1 9 3 ; aber bei dem notorisch kompilatorischen C h a r a k t e r des

Planctus

müssen w i r eine Ü b e r n a h m e mit gleicher Wahrscheinlichkeit a n nehmen 194 . D e r Versuch H o f e r s , in dem T r a k t a t eine Schrift B o n a gratias zu sehen 195 , ist mit Recht v o n L . Öliger entschieden zurück188 g p y , 258 a, nota: Porro novissime praefatus dominus papa venerabilem doctorem fratrem Thomam de Aquino cathalogo sanctorum adscripsit. 189 190 191 192

193

194 195

Frater Bonagratia de Bergamo, A F H 22, 315 f. a . a . O . , 316. Le polemiche, 379—381, Α. ζ, hier 381. Demnach wäre also der Terminus post quem der 12. Nov. 1323, der Terminus ante quem der 10. Nov. 1324. — Gegen das Argument, die Verurteilung von Olivis Postille müsse bereits vorliegen, vgl. E. Pásztor, 380. So z . B . L. Öliger, A F H 3 (1910), 507 A. 4; vgl. auch L. Baudry, Vie, 109 Α. 2. D. L. Douie, The Nature and Effect, 164 A. 4 (doch vgl. 197). FS 4 (1917), 96. Hofer begründet das damit (96 f.), daß Jesselin de Cassagnes in seiner 1 3 1 5 erschienenen Glosse zu den Extravaganten Johannes' X X I I . gegen eine Position polemisiert, »die sich mit allerlei Distinktionen an der päpstlichen Entscheidung über die Armut Christi herumzudrücken« versuchte. Das sei aber genau die Haltung der Responsiones. Weil nun Bonagratia die Glossa des Jesselin hart angegriffen habe, d. h., so meint Hofer weiterschließen zu dürfen, die Responsiones verteidigt habe, dürfe er als Verfasser der Responsiones gelten! Eine, in der Tat, haltlose Konstruktion! Bonagratia konnte auch andere Gründe haben, gegen die Glossa vorzugehen, als eine eigene Schrift zu verteidigen. Vgl. unten Anm. 248 ff.

Die päpstliche Entscheidung — neue Vermittlungsversuche

395

gewiesen worden 196 , der auch die von ihm ursprünglich angenommene Verfasserschaft des Pelagius zuletzt nicht mehr eindeutig festhält. Solange es nicht gelingt, Alvarus Pelagius mit neuen Argumenten als Verfasser wahrscheinlich zu machen, werden wir die Responsiones also in der T a t als anonyme Schrift ansehen müssen. Immerhin, daß eine solche Schrift vorliegt, zeigt allein, wie weitgehend man im Franziskanerorden dem Papst entgegenzukommen bereit war. Ein Widerspruch zwischen seiner Bulle Cum inter nonnullos und der kirchenrechtlich durch die Aufnahme in den Liber E x t r a sanktionierten Bulle Nikolaus' III. Exiit, die auch durch Clemens V. in Exivi bestätigt war, besteht nach unserem Autor nicht. Der Verfasser führt wiederum die franziskanische Distinktion der verschiedenen »modi« des »Habens« ein 197 : Johannes meinte mit seiner Entscheidung natürlich nur, daß Christus und seine Apostel »quantum ad usum facti« etwas gehabt hätten, bzw. »in quantum fuerunt praelati ecclesiae militanti«. Weiterhin gilt aber die Lehrentscheidung von Exiit, daß Christus und seine Apostel nichts nach positivem Recht besessen hätten, weil sie in ihrer Vollkommenheit auf dieses Recht, das »ex iniquitate« rührt, verzichteten. Die päpst196

A F H 22 (1929), 316. Insofern also bedarf das Urteil von F. Hofmann, Der Anteil der Minoriten, Phil. Diss. Münster 1959, 68 einer Differenzierung: Hofmann meint, die Argumentation Hofers gegenüber der Oligers erschiene »stichhaltiger«. Das gilt wohl für die Datierungsfrage, nicht aber für die Autorschaft.

197 Β ρ γ ) p. 256 a ff.: U n o modo, quantum ad usum facti simplicem, et hoc modo servi et religiosi [dicuntur habere] . . . E t secundum hunc modum Christus et apostoli habuerunt in speciali et etiam in communi aliquando l o c u l o s . . . — Alio modo accipitur habere quantum ad ius administrationis et dispensationis; et hoc modo praelati sive e p i s c o p i . . . dicuntur habere . . — Tertio modo sumitur habere, scilicet quantum ad dominium. E t hic modus habendi subdistinguitur: uno modo dicitur habere, scilicet quantum ad dominium, quod est de iure divino, et hoc modo res Deo sive ecclesiae oblatae propter Deum et decimae dicuntur h a b e r i . . . E x hoc etiam iure divino apostolis et eorum vitam professis (!) competiit et competit tempore necessitatis emere et vendere . . . — Alio modo dicitur quis habere dominium et proprietatem, de iure scilicet positivo, scilicet de iure imperatorum . . . et de hoc iure habendi datur et competit in iudicio actio et except i o . . . E t huiusmodi dominium et proprietatem abdicare sicut una privata persona potest et ad perfectionem pertinet, sic et unum collegium singulare hominum, quod obtinent vicem singularis p e r s o n a e . . p o t e s t a suo toto collegio abdicare, et ad culmen perfectionis pertinet. (Dagegen kann niemand auf das Haben kraft ius divinum verzichten). — Die Unterschiede zur Einteilung Bonagratias sind deutlich!

396

Der sogenannte »Theoretische Armutsstreit«

liehe Bulle Cum inter nonnullos erwähnt ja Exiit gar nicht, um so mehr muß man nach der juristischen Hermeneutik die constitutio subsequens secundum praecedentem auslegen, da ja die jüngere nicht ausdrücklich die ältere abschaffte198. Johannes X X I I . hat vielmehr durch eine Theologenkommission die Apokalypsenpostille Olivis prüfen lassen, und diese Kommission hat die These Olivis von der vollkommenen Übereinstimmung der Franziskanerregel mit dem Evangelium zwar insofern verworfen, als sie besagen könnte, kein Papst habe das Recht, die Regel zu ändern, nicht aber, sofern diese These nur die Lehre der Bulle Exiit wiederholte (daß nämlich diese von der Regel vorgeschriebene Armut wie die Armut Christi und daher verdienstlich sei). Der Papst habe auch im Konsistorium, in dem er Cum inter nonnullos verlesen ließ, ausdrücklich geleugnet, daß ein Widerspruch zu der Bulle Exiit in seiner neuen Entscheidung gelegen sei199. Außerdem habe der Papst mit der Kanonisierung des Thomas von Aquin einen Theologen heilig gesprochen, der eine Lehre von der »perfectio« und von der »paupertas evangelica« entwickelte, die durchaus der Lehre der Bulle Exiit entspreche. In diesem Prozeß sei aber damit auch die Katholizität dieser Position bestätigt worden200. Eine ausführliche Thomasexegese soll beweisen, daß dessen Armuts198 Bp v ) 2 J 7 b, Zitat u. a. aus X , i , 29, 27 (Friedberg II, 1 7 1 f.) u. Cod. 8, 10, 1 3 ; D. 34, 4, 30. ige Bp γ , p. 258 a: Idem etiam dominus papa, quando in consistorio legebatur dicta constitutio Cum inter nonnullos, ad dictum cuiusdam cardinalis dicentis eidem domino papae, quod in ipsa constitutione exprimat, haereticum fore pertinaciter affirmare, Christum et apostolos non habuisse proprietatem et dominium rerum in speciali nec in communi, respondit: »non faciemus. — Der Text von Alvarus Pelagius (De Planctu I I 59, zitiert bei N . Valois, H L F 34, 456 A . 2) liest als bedeutendste Variante das letzte Wort »faciamus«. — Valois schließt daraus, die Fortlassung von »proprietas etc« im Text der Bulle sei »intentionelle et réfléchie«, audi L. Baudry, Vie, 109 übersetzt: »Pressé par un cardinal d'introduire dans sa constitution les mots non habuisse proprietatem et dominium, il s'était nettement refusé.« Diese Interpretation ist nicht eindeutig aus dem Text zu erheben. Ebensogut könnte die Antwort des Papstes auch einem Einwand eines Kardinals gelten (dann wäre allerdings der Prohibitiv »faciamus« als Lesart vorzuziehen), gegen den Johannes seine Bulle verteidigt. 200 B p γ , 258 b, nota: . . . Si autem huiusmodi doctrina dicti doctoris fuisset contra fidem evangelii aut scripturae divinae aperte adversa, ac per consequens erronea et haeretica, non est verisimile nec credendum, quod praefatus sanetissimus pater dominus Johannes papa ipsum cathalogo sanctorum aliqualiter adscripsisset.

Die päpstliche Entscheidung — neue Vermittlungsversuche

397

lehre tatsächlich d e r franziskanischen A u f f a s s u n g in keinem P u n k t e f u n d a m e n t a l widerspricht. D i e feierliche P r o t e s t a t i o n , m i t der die Responsionen

schließen,

unterstellt die entwickelten G e d a n k e n d e m U r t e i l des P a p s t e s u n d der sedes apostolica 2 0 1 . A b e r das k a n n den k ü h n e n Versuch nicht verschleiern, die neue Situation, in die J o h a n n e s X X I I . den M i n o r i t e n o r d e n m i t seinen Entscheidungen Mitteln

d e r franziskanischen

drängen

Tradition202

mit

den

zu i n t e r p r e t i e r e n

wollte,

und

d a m i t i m G r u n d e ihre N e u h e i t zu bestreiten. D i e

weitgefaßten

Begriffe d e r päpstlichen Bulle mochten zu diesem Versuche e r m u tigen, der in der F o l g e z e i t noch häufig u n t e r n o m m e n w e r d e n sollte 2 0 3 . A u d i die P o l i t i k des Generalministers Michael v o n C e s e n a scheint zu dieser Z e i t einen Ausgleich noch für möglich gehalten zu haben, u n d a u f welcher a n d e r e n Basis als a u f einer solchen, wie sie die Responsiones

anbieten, w ä r e er w o h l f ü r ihn d e n k b a r

gewesen?

N o d i a u f d e m K a p i t e l v o n L y o n 1 3 2 5 h a t Michael die F r a n z i s k a n e r z u d e m gebührenden R e s p e k t v o r der P e r s o n u n d den K o n s t i t u tionen des P a p s t e s verpflichtet 2 0 4 u n d h a t persönlich bis ins J a h r Ibid. 2J9 b, nota: Et praedicta dicuntur et dicta semper intelligantur salvo iudicio et sub correctione et emendatione domini papae et sedis eius. 202 Der Autor der Resp. beruft sich zu Beginn seiner Schrift ausdrücklich auf Bonaventuras Apologia Pauperum und auf Pechams Armutstraktat und führt an einer Stelle (257 b) auch die Lehre Bonaventuras an, Christus habe die berühmten »loculi« nur in göttlicher Kondeszendenz besessen, nicht kraft positiv-rechtlicher proprietas. 203 Vgl. z g den Traktat des Florentiner Franziskaners Andreas Ricchi (ca. 1480), ed. Livarius Öliger in AFH 3, (1910), und die Bemerkungen von N. Valois, HLF 34, 465 f.,; ganz in der Tradition dieser Harmonisierungstendenz steht noch R. M. Huber, A documented history..., Milwaukee 1944, 228—231, der darauf hinweist, daß noch zur Zeit des I. Vaticanums die Diskrepanz zwischen Exiit und Cum inter nonnullos zu Auseinandersetzungen um die Infallibilität des Lehramtes führte (228 A. 38). 201

204 Ygj_ Bp y , 326 a, nota; Die Nachricht stammt aus einem Traktat, der nach Michaels Flucht zur Verteidigung Johannes' X X I I . geschrieben wurde — vgl. den Text aus Ms. Vat. lat. 4009, fol. 29 ν bei Η. Kämpf, Die Codices latini 4008—4010 der Vatikanischen Bibliothek, QFIAB 26 (1935—36), 143— 171, hier 145 f. (nr. 7 a): Monet insuper generalis minister cum generali capitulo universo omnes fratres et singulos ac per obedienciam salutarem eis mandat, quominus de sacra Romana ecclesia et sanctissimi domini nostri pape persona ac de constitucionibus eius cum debitis sobrietate et reverentia loquantur, et quicumque huius mandati fuerit transgressor inventus, per ministrum suum statim pena carceris puniatur, ad quod exequendum ministri per obedienciam teneantur, denunciaturi eidem generali ministro nichilominus delinquentem. Weitere Fundorte verzeichnet z. B. M. Bihl, Formula et Documenta . . . , AFH 23 (1930), 125 A. 11.

398

Der sogenannte »Theoretische Armutsstreit«

1 3 2 8 hinein den Anordnungen des Papstes Gehorsam gezeigt 205 . W i r dürfen also zumindest für die frühen Jahre der Auseinandersetzung durchaus die Hoffnung auf Ausgleich und eine daraus resultierende Politik der Vermittlung bei Michael voraussetzen 200 . Der Papst allerdings zeigte wenig Neigung, dieser Politik des dissimulierenden Ausgleichs — wenn wir sie einmal so nennen dürfen 206 " — entgegenzukommen. E r wollte seine Entscheidung unmittelbar durchsetzen. A l s er kurz nach der Veröffentlichung seiner Bulle Cum inter nonnullos erfährt, daß ein Franziskanermönch in Bologna, ein gewisser »Guillelmus dictus Anglicus«, vor Klerus und V o l k in Predigten die alte franziskanische Lehre über Christi 205 v g l . audi die bei L. Baudry, Vie, 109 Α. 4 zitierte Stelle aus der Appell. Maior (mit Parallelen), wo Michael erklärt, daß er erst spät die H a r t näckigkeit der Irrlehren Johannes' erkannt habe. 206

L. Öliger ( A F H 22, 1929, 300, vgl. 292 f.) bezieht sich auf das spätere Selbstzeugnis Bonagratias (aus dem Clypeus, ed. A. Mercati, A F H 20, 1927, 273 u. 290), wo es heißt: » . . . huiusmodi iusto metu, qui caderet etiam in constantes viros, tali haeretico et dictis eius constitutionibus paruit, in corde suo a veritate quam tenet ecclesia catholica nullatenus deviando«. U m den Wert dieses »testimonium« zu bestimmen, müssen wir zweierlei in Rechnung stellen: 1. Der Clypeus richtet sich gegen jenes Argument, das gerade (Anm. 204) zitiert wurde, das Midiael einen SelbstwiderspruA und »Fautoria haeresis« vorwirft, weil er zu lange Johannes gefolgt sei. Bonagratia bezieht den Vorwurf zunächst auf sich selbst und weist auf seine Protestation und anschließende Kerkerhaft hin und sagt von sich, »in hac parte totum ordinem repraesentat« (272, 290), um dann mit der rechtlich zulässigen Furcht die communicatio mit dem Haeretiker Johannes zu begründen, die zwar als »peccatum mortale« gewertet werden könne, nicht aber als fautoria haeresis. Dezidiert spricht Bonagratia nur von sich selbst als demjenigen, an dem sich das Geschick des Ordens stellvertretend erfüllte. 2. Bonagratia führt zur Entlastung Michaels diesen »metus iustus« nur indirekt an, indem er eben auf seine eigenen bitteren Erfahrungen Bezug nimmt, unmittelbar entschuldigt er das Statut von Lyon dadurch, daß er kräftig das »sobrie loquantur« (so sein T e x t ) unterstreicht, das er mit H i l f e der juristischen Hermeneutik interpretiert (Verba igitur generalia dicte constitutionis non debent trahi ad illum intellectum, qui foret iuri divino et humano contrarius . . . 273, 291). — D e r Clypeus ist eine ingeniöse juristische Verteidigung ex post und darf nicht als unmittelbares historisches Zeugnis aufgefaßt werden. Selbst Bonagratia mag im Nachhinein sein eigener Weg gradliniger erschienen sein, als er in Wahrheit war. Erst recht aber kann dieser T r a k t a t nicht auf Michaels Haltung zurückprojiziert werden.

20ea

E s muß offen bleiben, ob alle Vertreter diese Politik subjektiv als dissimulierend empfanden, zu ungewöhnlich war das Vorgehen des Papstes; objektiv kann ihr Versuch kaum anders bezeichnet werden, auch wenn das erst ex post eindeutig klar geworden sein mag — vgl. unten Anm. 245.

Die päpstliche Entscheidung — neue Vermittlungsversuche

399

Armut verkündete und ausdrücklich die Behauptung, der Herr oder die Apostel hätten etwas »in proprio vel communi« gehabt, für haeretisch erklärte, da beauftragt Johannes X X I I . die Bischöfe von Ferrara und Bologna mit einer Nachprüfung dieses Vorfalls. Dem Mönch hätte es nicht unbekannt sein können oder doch nicht unbekannt bleiben dürfen, daß in dieser Frage ein Lehrstreit an der römischen Kurie anhängig sei und daß Rom nun zuerst entscheiden müsse207. Sollte sich die Nachricht als zutreffend erweisen, befiehlt der Papst den Bischöfen, so sollen sie ihm binnen Monatsfrist den besagten Franziskaner nach Avignon zum weiteren Prozeß überstellen208. An diesem Brief ist weniger bemerkenswert, daß die Franziskaner auch weiterhin an ihrer Armutslehre festhielten — das wird in den nächsten Jahren noch mehrfach zu Zusammenstößen führen209 —, sondern vielmehr, wie entschlossen der Papst alle ihm zur Verfügung stehenden disziplinären Mittel einsetzt, um seine Entscheidung, ja schon seine Entscheidungsbefugnis durchzusetzen. 207

»Quaestionem subortam super hoc esse in Romana curia et in ea terminari debere« (BF V, 259 b). — Daß der Papst damit keinen durchaus neuen Anspruch erhob, beweist neben der in Kap. II Anm. 548 zitierten Äußerung Ockhams audi die Stelle, die J . Koch aus Franz' von Mayronis Qdl. I 3 aus Ms. Vat. lat. 901, f. 7 ra zitiert (RThAM 8, 1936, 82 A. j ) : Circa istam quaestionem, quia de facto versatur coram Christi vicario summo pontífice, ideo reducendum est ad memoriam illud quod dicit salvator noster eius predecessori Mt. 16 0 Quodcumque solveris super terrain, erit solutum etc. . . . et ideo ad determinandum exspectandum est eius iudicium. Immerhin ist es bemerkenswert, daß der Papst diesen disziplinären Anspruch hier audi nach der Bulle Cum inter noch durchsetzen will.

208 B F V , 259, nr. 520, (1. Dez. 1323). — Zur Identität des Guillelmus, den man früher allzu voreilig mit Wilhelm Ockham gleichsetzen wollte (so z. B. auch vermutungsweise C. Eubel, a. a. O., A. 4), vgl. J . Hofer, Biographische Studien..., A F H 6 (1913), 421 f. u. 455, wo Hofer auch (wie ebenfalls schon Eubel a. a. O.) erwägt, ob es sich dabei um Wilhelm Alnwick gehandelt haben könnte. Alnwick weilte 1323 auch in Bologna, vgl. A. Maier, Ausgehendes MA I, i f f . ; II, 325, 336 ff. Audi A.B.Emden, BRUO I, 27 identifiziert Alnwick mit unserem »Guillelmus«. Dodi gegen die Identifizierung könnte sprechen, daß noch Johannes X X I I . selbst Alnwick 1329 zum Bischof von Giovinazzo promovierte u. an Robert von Neapel empfahl (BF V, 537, nr. 1001, mit Anm. 6) — vgl. dazu D. L. Douie, The Nature and Effect, 202 (Douie hält allerdings an Alnwicks Identität fest, vgl. 165 A. 1). Vielleicht blieben ja die bischöflichen Recherchen auch ohne Ergebnis? 209

Vgl. die von D. L. Douie, The Nature and Effect, 180 A. 6, 184 f., 186 f., geschilderten Beispiele, um von den unmittelbaren Anhängern Michaels von Cesena zu schweigen.

400

D e r sogenannte »Theoretische Armutsstreit«

j . Der Armutsstreit im politischen Spannungsfeld Es konnte auch die Kompromißbereitschaft Johannes' X X I I . , wenn eine solche überhaupt angenommen werden darf, nicht erhöhen, daß nun der Armutsstreit eine politische Akzentuierung erhielt, die kaum die Linie der Vermittlung befördert haben dürfte. In der letzten großen Auseinandersetzung zwischen Kaisertum und Papsttum im Mittelalter210 geriet nämlich die Armutslehre in ein Spannungsfeld, in dem sie nicht mehr als sie selbst zur Entscheidung stand, sondern zunächst nur Argumente für die Polemik abwerfen konnte. Johannes X X I I . hatte gleich zu Beginn seines Pontifikats nicht allein die päpstliche Autorität in der Kirche wiederherstellen wollen, in vollem Umfange suchte er auch die von der dekretalistischen Wissenschaft des 13. Jahrhunderts ausgearbeitete Theorie über die Rechte des Papstes dem Imperium gegenüber Wirklichkeit werden lassen. Wie schon im 1 3 . Jahrhundert bildete die italienische Frage den Ansatzpunkt für die Anwendung der dekretalistischen Theorien über das Reichsvikariat des Papstes 211 . Ausgehend von einer Dekretale Innozenz' III. hatte die Kirchenrechtswissenschaft212 auf der Basis der schon von den Dekretisten ausgearbeiteten Grundsätze der Subsidiarität geistlicher Gerichtsbarkeit für den Fall eines »defectus« des weltlichen Richters und der besonderen Stellung des Papstes gegenüber dem römischen Kaiser 213 die Lehre einer allgemeinen Devolution der kaiserlichen Rechte auf den Papst — »vacante imperio« 210

Es ist uns unmöglich, den K a m p f zwischen L u d w i g dem B a y e r n und J o hann X X I I . hier audi nur im Umriß nachzuzeichnen. — Eine knappe, ausgezeichnete Übersicht gibt H . Grundmann, in H . Grundmann (ed.), B . G e b hardt, Handbuch der deutschen Geschichte, 8. A u f l . , I, Stuttgart 1 9 5 4 (u. ö.), 4 2 6 — 4 5 4 . D i e politischen Aspekte der Auseinandersetzungen, besonders im Hinblick auf die italienischen Probleme, behandelt vortrefflich H . S. Offler, Empire and P a p a c y , the Last Struggle, T R H S V , 6 ( 1 9 5 6 ) , 2 1 — 4 7 .

211

D a z u vgl. besonders die Studie von F . Baethgen, D e r Anspruch des Papstes auf das Reichsvikariat, Untersuchungen zur Theorie und Praxis der potestas indirecta in temporalibus, Z S R G 4 1 , K A 1 0 ( 1 9 2 0 ) , 1 6 8 — 2 6 8 ; jetzt zu benutzen in der (geringfügig) ergänzten Fassung in: F . B., Mediaevalia, Stuttgart 1960 1 1 0 — 1 8 5 ; v g l . dort 1 4 0 ff. zum Reichsvikariat, das Clemens I V . 1 2 6 6 K a r l von A n j o u übertrug, u. 1 6 3 ff. zum Reichsvikariat Roberts von A n j o u , das 1 3 1 4 Clemens V . vergab.

212

C o m p . I I I , 2, 2, i =

213

Z u r »kirchlichen« Kaiseridee bei den Dekretisten am E n d e des 1 2 . und zu Beginn des 1 3 . Jhds. vgl. die T e x t e bei A . M . Stickler, Imperator vicarius papae, M I Ö G 6 2 ( 1 9 5 4 ) , 1 6 5 — 2 1 2 .

X , 2, 2, 1 0 — vgl. Baethgen, Mediaevalia, 1 1 3 f.

401

D e r Armutsstreit im politischen S p a n n u n g s f e l d

— entfaltet 214 . Innozenz IV. hat dann die Theorie in seinem gelehrten Kommentar voll ausgebildet, während er seine praktisch politischen Eingriffe in das Reichsrecht mit anderen Argumenten begründete215. Heinrich von Segusia, der »Hostiensis«, entwickelte — wie so häufig — auch diesen Gedanken Innozenz' IV. weiter und sicherte ihm breite Wirkung in der kanonistischen und publizistischen Literatur 216 . Die Lehre, daß der Papst dann, wenn das Imperium verwaist sei, die kaiserlichen Vorrechte217 wahrnehmen könne oder wahrnehmen lassen könne, erwies in der Verbindung mit der kanonistischen Approbationstheorie 218 erst ihre volle Durchschlagskraft. Nach dieser Auffassung war zur rechtlichen Gültigkeit der Wahl des römischen Königs die Approbation des Gewählten durch den päpstlichen Stuhl 214

Wir

lassen h i e r d i e S t r e i t f r a g e n a c h d e m

tischen« H i n t e r g r u n d

»dualistischen«

dieser T h e s e n beiseite —

oder

»hierokra-

diese B e g r i f f e d e r

neueren

Forschung sind ohnedies z u e n g : V g l . d a z u v o r l ä u f i g H . B a r i o n , Z S R G 7 7 , KA

46 (1960), 4 8 5 — 5 0 9

Continuity

(Ree.), spez. 487, 491 ff., 503); B. T i e r n e y ,

of P a p a l Political T h e o r y

in the

13th

Century, Some

The

Metho-

d o l o g i c a l C o n s i d e r a t i o n s , M S 2 7 ( 1 9 6 5 ) , 2 2 9 — 2 4 5 , s p e z . 229 f . (dieser

Auf-

s a t z richtet s i d i m i t R e c h t g e g e n die gleich z u n e n n e n d e A r b e i t v o n J. Cantini);

u. H .

Hoffmann,

Die

zwei

Schwerter

im

Hohen

MA,

A.

D A 20

(1964), 7 8 — 1 1 4 . 215

Vgl. Baethgen, Mediaevalia,

118 A . 27 f. u. 132 ff. D i e Glosse z u X ,

2, 2,

10 b e h a n d e l t a u d i a u s f ü h r l i d i J . A . C a n t i n i , D e a u t o n o m i a i u d i c i s s a e c u l a r i s et de R o m a n i

Pontificis plenitudine

potestatis in

temporalibus

secundum

I n n o c e n t i u m I V . , i n : S a l e s i a n u m 23 ( 1 9 6 1 ) , 4 0 7 — 4 8 0 , s p e z . 428 f f . , 4 6 1 f .



D i e I n t e r p r e t a t i o n C a n t i n i s k ö n n e n w i r u n s a l l e r d i n g s nicht z u e i g e n m a c h e n . 216

Z u i h m v g l . B a e t h g e n , 1 2 0 f . ; z u r T h e o r i e des m o n a r c h i s c h e n P a p a t e s b e i m Hostiensis

vgl.

zuletzt

J. W a t t ,

The

Theory

of

Papal

Monarchy

in

the

T h i r t e e n t h C e n t u r y , T h e C o n t r i b u t i o n o f t h e C a n o n i s t s , T r a d i t i o 20 ( 1 9 6 4 ) , 1 7 9 — 3 1 7 , spez. 2 8 1 — 3 0 8 . 217

E s h a n d e l t sich h a u p t s ä c h l i c h u m d i e F r a g e d e r L e g i t i m i e r u n g v o n B a s t a r d e n und —

weit

Reichsitalien,

wichtiger dann



um

die administrativen

(theoretisch)

im

gesamten

Befugnisse zunächst

Imperium.

Vgl.

in

Baethgen,

126 ff., 130 ff. 218

I m A n s c h l u ß a n I n n o z e n z ' D e k r e t a l e Venerabilem Χ , ι , 6, 34 =

ed. F. K e m p f , R o m der

Analogie

( C o m p . I I I , 1, 6, 19

=

Regestum Innocenti! I I I p a p a e super negotio R o m a n i Imperii, der

1947

[Misc. Hist. Pont.

Bischofswahlen

schon

von

12],

166—175,

Laurentius

v o l l a u s g e b i l d e t . V g l . S. M o c h i - O n o r y , F o n t i c a n o n i s t i c h e , schofswahl bei H u g u c c i o v g l . Approbationslehre

E n d e des

iji

n r . 62)

Hispanus

nach z.

B.

186 ff. (zur

Bi-

A . 1). Z u r praktischen A n w e n d u n g

der

1 3 . u. A n f a n g

des

14. Jahrhunderts v g l .

be-

s o n d e r s H . E . F e i n e , D i e A p p r o b a t i o n d e r l u x e m b u r g i s c h e n K a i s e r in ihren R e c h t s f o r m e n a n d e r K u r i e , Z S R G 58, K A 2 7 ( 1 9 3 8 ) , 3 6 4 — 3 9 7 ; z u L u d w i g d e m B a y e r n 392 f . ( j e t z t in H . E . F . , R e i d i u. K i r c h e , A a l e n 1 9 6 6 , 96 f f . ) . 26

M i e t h k e , Ockham

77—99,

402

Der sogenannte »Theoretische Armutsstreit«

unmittelbare Voraussetzung. H a t t e die D o p p e l w a h l von 1198 diesen Gedanken in der päpstlichen Politik verankert, so bot nun die D o p p e l w a h l von 1314 2 1 9 Johannes X X I I . willkommenen A n l a ß , den päpstlichen Vikariatsanspruch entschieden zu erheben. Die beiden deutschen »Prätendenten« L u d w i g der Bayer und Friedrich der Schöne waren mit der Auseinandersetzung um ihr Recht am Reich so sehr beschäftigt, daß sie in die italienischen Verhältnisse nur selten und eher zufällig als in systematischer Politik eingreifen konnten. Johannes X X I I . aber erließ bald nach seiner W a h l , noch im Frühjahr 1317, seine Konstitution Si fratrum, in der er »die Vikariatstheorie mit aller Schärfe proklamierte und mit Bestimmtheit aus den in ihr enthaltenen Ansprüchen die praktischen Folgerungen zog« 220 . D e r Papst erklärte, wenn das Imperium v a k a n t sei, devolviere »imperii predicta iurisdictio, regimen et dispositio« an den summus pontifex. A l l e Redite, die der letzte Kaiser verliehen habe, dürften nun, nach seinem Tode, nur noch mit ausdrücklicher Erlaubnis des Römischen Stuhls ausgeübt werden. D e r Papst droht jedem, der sich unterstehen sollte, solche Rechte weiterhin zu üben oder gar zu usurpieren, mit der Exkommunikation. Die Bedeutung dieses Erlasses kann schwerlich überschätzt werden. Noch Clemens V I . w i r d in einer Konsistorialrede am 10. A p r i l 1343 über L u d w i g den Bayern erklären, »quod iam fere X X V I annis et ultra dimissus Sathanae nec ad matrem rediens lapsus est de peccato in peccatum . . .«221. D a m i t kommen wir nicht auf das Jahr des ersten päpstlichen Prozesses (1323) gegen Ludwig, sondern auf 1 3 1 7 zurück. Clemens V I . deutet also an, d a ß L u d w i g schon bald nach Erlaß dieser Bulle nach kurialer Ansicht der E x k o m m u nikation verfallen sei. Zunächst allerdings hatte die Bulle ihre Bedeutung vornehmlich für die päpstliche Interventionspolitik in Italien. D a s Reichsvikariat Roberts v o n A n j o u wurde noch 1317 219

220

221

Zu den reichsreditlichen Problemen dieser Wahl vgl. H . Mitteis, Die deutsche Königswahl und ihre Rechtsgrundlagen bis zur goldenen Bulle, Brünn, München, Wien ! i 9 4 4 , 213 f. F. Baethgen, Mediaevalia, 169, vgl. die Bulle v o m 31. M ä r z 1317 (ed. Schwalm in M G H , Const. V , 340 f., nr. 401). V g l . H . S. O f f l e r , T R H S V , 6 (1955), 25; die »Collatio« ist ediert bei H . S. O f f l e r , A Political »collatio« of Pope Clement V I . , O . S . B . , in: Revue Bénédictine 65 (195 $), 1 2 6 — 1 4 4 , der T e x t 130 ff.; unser Zitat 133, Z . 79 ff. — O f f l e r weist darauf hin, daß der »Liber processuum«, das Register der päpstlichen Prozesse gegen L u d w i g (in Martène-Durand, Thesaurus N o v u s Anecdotorum II, 641 ff.) als erstes Dokument ebenfalls die Konstitution Si fratrum enthält.

Der Armutsstreit im politischen Spannungsfeld

403

erneuert 222 , nachdem päpstliche Legaten im F r ü h j a h r keinen E r f o l g hatten erzielen können. Johannes strengte gegen die ghibellinischen Signori inquisitorische Prozesse an, z. B . gegen die Visconti v o n M a i l a n d oder gegen die Este v o n Ferrara 2 2 3 . Schließlich griff er (ab 1 3 2 0 ) mit einer eigenen Interventionsarmee unter dem K a r d i n a l legaten B e r t r a n d du Poujet in die oberitalienischen Auseinandersetzungen ein, allerdings weitgehend ergebnislos 224 . N a c h d e m in der Schlacht v o n M ü h l d o r f die luxemburgische Partei das habsburgische L a g e r erfolgreich ausgeschaltet hatte, griff L u d w i g der B a y e r nun auch aktiver in die italienischen Verhältnisse ein. Johannes zögerte nicht lange: am 8. O k t o b e r 1 3 2 3 veröffentlichte er seinen ersten Prozeß gegen L u d w i g 2 2 5 , der B a n n und A b s e t z u n g androhte. In der Hauptsache erhebt der P a p s t drei V o r w ü r f e gegen 222

Am 26. Juli; ed. C. Erdmann, Vatikanische Analekten zur Geschichte Ludwigs des Baiern, Archivalisdie Zeitschrift 41 (1932), 44 f. (nr. C). Die Fassung vom 16. Juli 1317 ( M G H , Const. V, 367, nr. 443) scheint weder registriert noch abgesandt worden zu sein, vgl. C. Erdmann, a. a. O., p. 44, A. 126 u. F. Baethgen, Mediaevalia, 171 A. 293 (F. Bock, Q F I A B 26, 1935/36, 23 f. A. 4 beharrt allerdings bei der alten Meinung, daß das in Const. V nr. 443 überlieferte Dokument als authentisch zu gelten habe). Hier interessiert uns nur die Absicht der päpstlichen Politik, nicht ihr (geringer) praktischer Erfolg. Einen kurzen Überblick über die italienischen Aktionen Johannes' X X I I . (von 1316—1334) gibt — allerdings ohne intensive Benutzung der Forschungen der 30er Jahre, G. Mollat, Les Papes d'Avignon, 156—200; vgl. auch E. Dupré-Theseider, I papi di Avignone e la questione romana, Firenze 1939, 57 fi. u. E. G. Léonard, Les Angevins de Naples, Paris 1954, 230 ff.

223

Michael von Cesena wird in der großen Pisaner Appellation vom 18. September 1328 zuspitzend klagen (Baluze-Mansi, Mise. III, 302 a/b): Notorium est fere ubique per orbem terrarum quod ipse d. Johannes falso et malitiose et pro libito et ex abrupto ac sine causae cognitione crimen haeresis . . . imposuit et quotidie imponere non desistit magnae parti fidelium christianorum. Ita quod, si eius falsi et mendosi processus . . . haberent efficaciam, in tota diristianitate invenirentur paucae personae notabiles quae catholicae dici possent. — Vgl. zu den politischen Inquisitionsprozessen H . Otto, Zur italienischen Politik Johannes' X X I I . , QFiAB 14 (1911), 140—265, hier 148 ff.; F. Bock, Studien zum politischen Inquisitionsprozeß Johannes' X X I I . , QFiAB 26 (1935/36), 21—142; ders., Der Esteprozeß von 1321, Arch. Fratr. Praed. 7 (1937), 41— i n , hier p. 43 ff. 50 ff.; ders., I processi di Giovanni X X I I contro i Ghibellini Italiani, Arch. d. R. Deput. Rom. 63 (1940), 129—140 u. F. Bock, Reichsidee u. Nationalstaaten, 181—189, 194—198.

224

Vgl. G. Mollat, Les Papes d'Avignon, 166 ff.; — Bertrand du Poujet, der aus dem Quercy stammend, dieser Herkunft wohl auch sein Kardinalat verdanken dürfte (vgl. B. Guillemain, La cour pontificale, 188), wurde nachgesagt, er sei ein Sohn des Papstes — dazu vgl. aber B. Guillemain, a. a. O., 211 A . 1 6 4 . M G H , Const. V, 616—619, n r · 79*·

225

26*

404

Der sogenannte »Theoretische Armutsstreit«

den Wittelsbacher. O b w o h l er »in discordia« gewählt worden sei, habe er noch v o r der rechtlich notwendigen päpstlichen A p p r o b a tion »Romani regni nomen sibi et titulum regium« 226 usurpiert. A b e r damit nicht zufrieden, habe er sich auch »administrationem iurium regni et imperii predictorum« angemaßt, obwohl diese doch w ä h rend einer V a k a n z der Kirche zustehe. A l s Beispiele zählt Johannes die von L u d w i g in Deutschland und Italien geforderten H u l d i gungen auf und die Vergabe der M a r k Brandenburg an seinen Sohn 2 2 '. Außerdem habe L u d w i g die Visconti und andere Haeretiker unterstützt. »Ipso facto« soll L u d w i g der Bann treffen, wenn er nicht binnen drei Monaten von der »administratio« des Reiches und dieser » f a u toría« der Haeretiker ablasse. D e r Papst werde nicht zögern, die entsprechenden Strafen zu verkünden, denen L u d w i g verfallen sollte, wenn er dieser peremptorischen A u f f o r d e r u n g nicht Folge leiste. A l l e geistlichen und weltlichen Personen entbindet Johannes unterdessen ihrer Gehorsamspflicht, ob sie nun aus einem Lehnseid (iuramentum fidelitatis) oder anderer eidlicher Bindung rühren und droht den Klerikern mit Suspension. In seinen Appellationen von 1 3 2 3 und 1 3 2 4 2 2 8 protestiert L u d w i g mit Nachdruck und Entschiedenheit gegen diese neue päpstliche 826

227

228

Ibid., p. 617, 1. Ii. — H . Mitteis, Die deutsche Königswahl, 214 f., meint, diese Formulierung zeige, »daß man unter dem nomen regium nodi das Königstum als solches im strikten (!) Gegensatz zum königlichen Titel verstand« — das hat, soweit wir sehen, keinen Anhalt im Text, vgl. audi den unmittelbaren Ansdiluß (1. 11—15) : Quamvis priusquam alterutrius eorum per sedem apostolicam fuisset approbata vel reprobata persona, neutri electorum ipsorum assumere licuit nomen et titulum prelibatum, cum nec interim Romani reges existant, sed in reges electi, nec sint habendi pro regibus nec reges etiam nominandi. Weil es vor der päpstlichen Approbation keine römischen Könige gibt, steht den »electi« audi »nomen et titulus« nicht zu. Auch später wird der Papst dieses Beispiel immer wieder als Verletzung des päpstlichen Vikariatsredits zitieren, vgl. die Stellen bei Baethgen, Mediaevalia, 178 A. 271 ff. Es handelt sich um die Appellation von Nürnberg vom 18. 12. 1323 (MGH, Const. V, 642—647, nr. 82), die Appellation von Frankfurt vom 5. Januar 1324 (MGH, Const. V, 655—659, nr. 836) und um die Sachsenhäuser Appellation v o m 2 2 . 5 . 1 3 2 4

(MGH,

C o n s t . V , 7 2 2 — 4 4 , 7 4 5 — 7 5 4 , n r . 909 f.).

Das verwickelte Problem des Verhältnisses der einzelnen Appellationen zueinander und das ihrer Quellen ist hier nidit zu lösen. Vgl. dazu bes. K. Zeumer, Zur Kritik der Appellationen Ludwigs des Baiern, N A 37 (1912), 219— 272; J. Hofer, Zur Gesdiidite der Appellationen König Ludwigs des Baiern, HJb. 38 (1917), 486—J31; zuletzt F.Bock, Die Appellationsschriften König L u d w i g s I V . in d e n J a h r e n 1323/24, D A 4 (1940), 1 7 9 — 2 0 5 .

Der Armutsstreit im politischen Spannungsfeld

405

Politik der entschlossenen Anwendung der Vikariatstheorie. E r stützte sich dabei in erster Linie auf Argumente aus dem seit »unvordenklichen Zeiten« gewohnheitsrechtlich geltenden Reichsrecht, so wie sie in legistisch gebildeten Kreisen der ghibellinischen Signori Oberitaliens schon formuliert vorlagen 229 , um das Recht des Erwählten an der administratio der Reichsrechte zu verteidigen. Der König stellt klar, daß von einem »Mangel seines Rechts« nicht die Rede sein kann 230 . Den Vorwurf der Haeresiebegiinstigung aber gibt Ludwig an den Papst zurück. In der ersten Appellation noch wirft er Johannes vor, er begünstige den vielfachen Bruch des Beichtgeheimnisses durch die Franziskaner 231 . Diese recht ungeschickte und durchsichtige Erwiderung des päpstlichen Vorwurfs läßt Ludwig in der Frankfurter Appellation ersatzlos fallen, um dann in der Sachsenhäuser Appellation einen ganzen Traktat einzurücken, der sich teils auf Olivis Armutsquästionen, teils auf Bonagratias Protestation gegen Ad conditorem stützt und dem Papst nun geradezu die Verfolgung der minoritischen Armutslehre als »fautoría haeresis« vorwirft 232 . Daß diese Vorwürfe einander widersprachen, mochte nicht allzusehr aufgefallen sein, denn die Appellation von Nürnberg ist gar 229

Auf die engen Beziehungen der ersten Appellation von Nürnberg mit einem Gutachten des Legisten Ugolino von Celle für Castruccio Castracane, den Signor von Lucca, (das gegen die Ansprüche des Kardinallegaten Bertrand du Poujet gerichtet war) hat F. Bodt, D A 4 (1940), 186 ff. aufmerksam gemacht. Zu den Quellen dieses Gutachtens vgl. die Bemerkungen von R . Most, D A 4 (1941), 467 A. 2. Der Traktat findet sich bei E. E. Stengel, N o v a Alamanniae, I, Berlin 1924, 71—79, nr. 123.

230

Zu den rechtserheblichen Behauptungen Ludwigs vgl. H . Mitteis, Königswahl, 2 1 5 f. M G H Const. V, 646, nr. 82, c. 19. Ibid., p. 730—741, nr. 909 c. 28. Die Übernahme aus einem ursprünglich selbständigen Traktat haben F. Ehrle, A L K G 3 (1887), 541—544; J . Hofer, H J b 38 (1917), j o i f. angenommen. Erhalten ist dieser Traktat aber nur in dem Zusammenhang der Appellation selbst, vgl. F. Bock, D A 4 (1940), 188. — Sowohl die Frage, wer der Autor des ursprünglichen Traktats ist, als audi, wer für seine Übernahme in die (längere) Fassung der Sachsenhäuser App. letztlich verantwortlich ist, bleibt offen, vgl. D. L. Douie, The Nature and Effect, 165 f.; L. Baudry, Vie, 1 1 0 A . j . — Der Rückschluß von H. S. Offler, aus der Verteidigung dieses Traktats durch Wilhelm Ockham in O N D c. 123 ergebe sich, daß eine nicht-michaelitische Herkunft schwerlich angenommen werden könne (OP II, p. X V I I ) , erscheint uns nicht zwingend. Ockham spricht an dieser Stelle von »adversarii« des Papstes, nicht von den »impugnantes«, wie er in der Regel im O N D die Parteigänger Michaels bezeichnet (OP II, 833). In Contra Joh., c. 27 (Offler, OP III, 1 1 8 , 19 f.) sagt Ock-

231 232

406

Der sogenannte »Theoretische Armutsstreit·

nicht verbreitet worden233. Auch dienten die Appellationen nicht in erster Linie als amtliche Prozeßschriften, sondern als Mittel der publizistischen Propaganda 234 . Immerhin zeigt die Austauschbarkeit der Vorwürfe gegen den Papst, daß es Ludwig bzw. seinen Beratern nicht so sehr auf die konkreten Probleme selbst ankam, als vielmehr darauf, an Johannes die Anklage der Haeresie zu retournieren235. Der rechtliche Kern der Appellationen war ohnedies die Berufung auf das unvordenklich gültige Reichsrecht, die Minoritenkapitel haben demgegenüber nur »akzidentellen Wert«236. Obwohl Johannes zunächst die Prozesse gegen Ludwig ohne Verzögerung fortführte 237 , würdigte er doch auch den Armutsexkurs der Sachsenhäuser Appellation238 einer eingehenden Widerlegung. Am ham nach einem langen Zitat aus der Sachsenh. App. schließlich distanzierend: »de quibus an aliquod falsum vel falsa, iuris aut facti, contineant, non est discutiendum ad praesens. Sed hoc est manifestum . . . « — das spricht nicht für Offlers Vermutung. 233 Vgl. κ . Zeumer, N A 37 (1912), 245 ff.; K . Hauck, Kirchengeschichte Deutschlands, V, 488. Die Frankfurter Appellation ist eine überarbeitete Fassung und enthält gerade das Kapitel über die franziskanische Beichtpraxis nicht. 234 Dies unterstreicht F. Bock, D A 4 (1940), 195 ff. stark und wohl doch etwas einseitig: es mag für die Sachsenhäuser App. in gewissem Umfang zutreffen, die Frankfurter App. war auch dann rechtserheblich, wenn sie nicht nach Avignon offiziell übersandt wurde. Daß der Papst den Prozeß unbeirrt weiterführte, spricht nicht gegen diese These, vgl. dazu die (späteren) Klagen Michaels von Cesena und seiner Anhänger, daß ihre Appellationen beim päpstlichen Vorgehen keine Berücksichtigung fänden, z. B. den Traktat des Nikolaus Minorità, Quoniam omnis humana sententia, Ms. Paris B N lat. 5154, f. 274 r—v. Der Papst ging davon aus, daß gegen ihn grundsätzlich keine Appellation statthaft sei. Vgl. G. Frotscher, Die Anschauungen . . ., p. 16 f. mit A. 76. 235 In diesem Zusammenhang ist natürlidi auch das Vorgehen Philipps des Schönen gegen Bonifaz V I I I . von Bedeutung. Dazu vgl. K . Zeumer, N A 37 (1912), 233 f. u. F. Bock, D A 4 (1940), 195 ff. 236 F. Bock, D A 4 (1940), 195. — Der Versuch von F. Hofmann, Der Anteil der Minoriten, Phil. Diss. Münster 1959, jo—62, »innere Voraussetzungen« (61 A. 2) bei Ludwig aufzuspüren und die beiden entgegengesetzten Minoritenkapitel jeweils auf spirituale Gedanken zurückzuführen, bleibt im Bereich der reinen Hypothese. Die »Sinnesänderung« Ludwigs war ja auch gar nidit so gewichtig, was die aus den diametral entgegengesetzten Vorwürfen gezogene Konsequenz betrifft, als daß man sie mit Spekulationen hinweginterpretieren müßte. 237 D¡ e Publikation des 2. Prozesses vom 12. Jan. 1324 (MGH, Const. V nr. 841, p. 664—66o); 3. Prozeß am 23. März 1324 (Const. V nr. 881, p. 692—699). 238 Es ist unwahrscheinlich, daß Johannes sich unmittelbar gegen den ursprünglichen Traktat wendet, audi wenn er seine Gegner niemals wörtlich nennt. Vgl. sdion C. Müller, Der K a m p f , I, 96 f., 360 f.

Der Armutsstreit im politischen Spannungsfeld

407

io. November 1324 publizierte er die Bulle Quia quorundam239, in der er seine Erlasse in der Armutsfrage verteidigte und ihre Übereinstimmung mit der Intention seiner Vorgänger ausführlich darzulegen versuchte. Die größte Schwierigkeit war es naturgemäß, die Bulle Exiit in seinem Sinne zu interpretieren, und Johannes mag empfunden haben, daß das ohne Gewaltsamkeit nicht abgehen mochte, denn am Ende seiner exegetischen Bemühungen, die alle seine alte These verteidigen, ein simplex usus facti sei vom dominium nicht abzutrennen, wenn anders der Gebrauch von Verzehrgütern »gerecht« sein soll, versucht er wie in einem juristischen Plädoyer zu zeigen, daß die Bulle Exiit dennoch ungültig wäre, wenn seine Gegner recht hätten. Nach ihren eigenen Maximen, so meint Johannes, wäre ja nicht nur er selbst, sondern auch Nikolaus an die Definitionen der Vorgänger gebunden gewesen, und daher wäre dessen Stellungnahme, wenn sie wirklich von der herauspräparierten Linie abwiche, nichtig, ohne Verbindlichkeit und irrig240. Außerdem gehöre die Frage nach der Armut Christi und seiner Apostel weder implizit noch gar explizit zu Glaube und Sitten, wie seine Gegner behaupteten241, denn in der Hlg. Schrift lasse 23» B p v j 271 b—280 a, nr. 554; E x t r a v a g . Jo. X X I I . , 14, j (Friedberg II, 1230 bis 1236). 240 BF V , 278 a: E t adhuc sie loquentes . . . constitutiones illas quibus se adiuvant, ostendunt, si eorum falsae assertiones verae existerent, fore invalidas, erróneas (!) et infirmas. Si enim nobis non licuit contra Constitutionen! Nicolai III, in qua se fundant praeeipue, statuere aliquid: certe nec sibi licuit contra statuta Gregorii, Innocentii et Alexandri praedictorum statuere aut aliquid d e c l a r a r e . . . — Das dialektische Doppelargument, das zuerst in der Appellation von A v i g n o n und dann z. B. auch bei Ockham, Contra Joh. c. 29 (Ofïler, O P III, 121 ff., dort auch in der Anmerkung Parallelstellen; vgl. außerdem z. B. Dial. V , 3, f. 35 vb, p. 473, 23 ff.) auftaucht und das dahingeht, wenn Johannes recht hätte, wäre Nikolaus III. ein Ketzer und umgekehrt, so daß auf jeden Fall die römische Kurie derzeit nicht rechtmäßig sei, hat also schon hier, bei Johannes selbst ein V o r b i l d ; auch wenn Johannes hier nur ganz hypothetisch spricht, allein daß er mit der Möglichkeit eines Irrtums des Papstes rechnet, ist beachtenswert. (Vgl. dazu Contra Ben. I 7, O f f l e r O P III, 188, 15 ff.). 241

Vgl. Const. V , nr. 909 c. 28, p. 737, 1. 19 ff., spez. 1. 28 ff.: Et ideo quod semel est diffinitum verum esse in ipsa fide vel moribus, in eternum verum est et inmutabile per quemcumque. Secus autem in hiis, que stauuntur per clavem potencie. N a m sepe quod uno tempore expedit fieri, alio tempore expedit prohiberi. Constat autem predictos pontífices et generalia concilia secundum clavem sciencie contrarium apertissime diffinisse . . . — Diesen T e x t zitiert ausführlich Ockham, Contra Joh. c. 28 (Offler, O P III, 117, 2 9 — 1 1 8 , 18) und geht auch in Contra Ben. I, 7 (Offler, O P III, 187) u. O N D c. 123 ( O P II, 833) auf ihn ein.

408

Der sogenannte »Theoretische Armutsstreit«

sich keine Stelle finden, auf die solch ein Glaubensartikel zurückgeführt werden könne242. Das gilt natürlich erst recht von den Minoriten: hier haben die Päpste in der Regel sogar ohne Konzilien243 entschieden, und zwar rein disziplinar244. Darum könne er jederzeit diese Anordnungen widerrufen. Schließlich verkündet Johannes, jeder der noch zu behaupten wage, Christus und seine Apostel hätten nichts gehabt, sei der Haeresie verfallen und als Haeretiker zu meiden. Wie mag diese Bulle auf die Männer gewirkt haben, die einen Ausgleich der Positionen immer noch erhofften? Wir wissen es nicht. Michael wird später in seiner »großen« Appellation von Pisa schreiben, so als trauere er einer vergangenen Hoffnung nach, der Papst habe keine »concordia« zwischen der Bulle Nikolaus' III. Exiit und seiner eigenen Entscheidung in Cum inter nonullos zugelassen, und einige Argumente, die zugunsten einer solchen Vermittlung vorgebracht wurden, habe er in Quia quorundam »expresse« verurteilt. Aber wann ihm diese Erkenntnis bewußt geworden ist, ist damit noch nicht gesagt. Noch ein halbes Jahr nach dem Publikationsdatum von Quia quorundam hat Michael in Lyon die offenbar unruhig gewordenen Franziskaner jedenfalls zu striktem Gehorsam dem Papst gegenüber verpflichtet246. Der Verdacht des Papstes war allerdings geweckt; er zumindest glaubte nicht an die Aufrichtigkeit der Politik Michaels, und die 242 g p V ) 275 a, vgl. 277 b. Joh. hatte zuerst die Deutung der »clavis spiritualis« als »scientia« energisch zurückgewiesen und darauf beharrt, daß jede »clavis« »potestas« sei (272 f.). 243 244

BF V, 278 b—279 a. BF V, 279 a.

Baluze-Mansi, Mise. III, 273 a: Nec concordiam aliquam quae fieret inter dictam suam constitutionem Cum inter et ilia, quae continentur in dicta decretali Exiit, admisit, sed contrafacientes et sibi non consentientes persecutus fuit, sicut ostendi poterit suo loco et tempore per legitima documenta. Quaedam etiam contenta in quadam concordantia, quam quidam est conatus facere inter praedictas constitutiones, expresse improbavit in constitutione ultima, quam contra appellationem serenissimi prineipis regis Romanorum, quae incipit Quia quorundam, publice promulgavit. — Der Bezug des letzten Satzes auf die Responsiones (vgl. oben Anm. 184), den L. Baudry, Vie, p. 109 Α. 2 herstellt, ist möglich, die Datierung aber, die Baudry (ibid.) daraus folgert (1326—28), wäre durch unseren Text ausgeschlossen, vielmehr bestätigte sich unser oben angenommener terminus ante auch hier: 10. Nov. 1324 (vgl. Anm. 192). 24e Vgl. oben Anm. 204. 245

Der Armutsstreit im politischen Spannungsfeld

409

Sachsenhäuser Appellation mochte ihm v o r Augen geführt haben, daß eine Verbindung der franziskanischen Opposition mit dem deutschen König nicht ungefährlich sein würde. D a ß die Sachsenhäuser Appellation sich ausdrücklich auf die Minoritischen M a n i feste v o n Perugia stützte, konnte Michaels Position nicht gerade verbessern. A u d i scheint an der Kurie überhaupt das K l i m a f ü r einen Ausgleich nicht günstig gewesen zu sein. Neben Männern, die die päpstliche Armutsauffassung entschieden verteidigten, wie ζ. B . dem früheren General des Karmeliterordens, dem Bischof v o n Majorca und späteren Bischof v o n Elna, Guido Tereni 247 , gab es auch Stimmen, die schlechthin die päpstliche Entscheidung f ü r verbindlich hielten. D e r Kanonist Jesselin de Cassagnes, w i e Johannes X X I I . aus dem Quercy stammend und wohl auch v o n ihm an den päpstlichen H o f geholt 248 , sammelte zwischen 1 3 2 4 und 1 3 2 5 zwanzig E x t r a v a ganten Johannes' X X I I . und versah sie mit einer Glosse 249 . In diesem Kommentar hat Jesselin den Bogen überspannt, indem er den 147

248

249

Guido schrieb zwei Traktate zur Armutsfrage. Sein De perfectione vitae evangelicae hat Bonagratia von Bergamo angegriffen, vgl. Michaels App. (Baluze-Mansi, Mise. III, 302 a) u. L. Öliger, Frater Bonagratia, 308 (mit Literatur). Zu dem Defensorium tractatus de perfectione vitae evangelicae, das Guido nach der Flucht Michaels und Bonagratias schrieb, vgl. auch D. L. Douie, The Nature and Effect, 169 f. Zu Jesselin vgl. außer J. F. Schulte, Die Geschichte der Quellen und Literatur des canonischen Redits II, Graz 1 9 5 6 ( = Stuttgart 1 8 7 7 ) , 1 9 9 f., besonders P. Fournier, Jesselin de Cassagnes, H L F 35, Paris 1921, 348—361; zusammenfassend R. Naz, D D C 6, Paris 1957, 130 f. — Jesselin, wahrscheinlich aus der Gegend von Cahors stammend (HLF 35, 349), war bis 1317 als Doktor beider Rechte angesehener Lehrer an der Universität von Montpellier. Seit Anfang 1318 ist er als Kaplan in der familia des Kardinals Arnald de Via, des Neffen Johannes' XXII., nadizuweisen (ibid. 3J1, vgl. audi dort die Aufzählung seiner verschiedenen Pfründen). Ab 3. Februar 1327 erscheint er als Kaplan des päpstlidien Haushalts »et devait, un peu plus tard, recevoir le titre et les fonctions d'auditeur des causes du Palais apostolique« (351 f., unter Verweis auf eine Nadiricht von 1 3 3 3 ) . Zur Institution des auditor causarum vgl. B. Guillemain, La cour pontificale, 346—355; da ein auditor nach Guillemain (347) in der Regel päpstlicher Kaplan war, wird man diesen Wechsel wohl mit der Übernahme des neuen Amtes identifizieren dürfen. Vgl. audi Michaels App. mai. (unten Anm. 250), der Jesselin schon 1328 als Auditor nennt. Im Laufe des Jahres 1334 muß Jesselin gestorben sein (HLF 3Í.3Í3)· Vgl. dazu auch N . Valois, Jacques Duèse, H L F 34, 518 f. — Die Sammlung enthielt als letztes der chronologisch geordneten Stüdce Quia quorundam (10. Ii. 1324) und muß vor dem 24. April 1325 fertiggestellt worden sein. Vgl. die Angaben von P. Fournier, H L F 3$, 354 f. Danach ist auch die Bemerkung von Fournier, 354 u. 358 zu berichtigen, der — entgegen seiner

410

Der sogenannte »Theoretische Armutsstreit«

kanonistischen Begriff der päpstlichen Vollgewalt audi auf die Lehrautorität des Papstes in vollem Umfang übertrug. Michael von Cesena hat in seiner großen Appellation diese Glosse Jesselins als notorischen Beleg dafür angeführt, daß Johannes offenkundige Haeretiker nicht nur nicht verfolgt, sondern sogar gefördert hat250. Diese Argumentation ist nicht ganz von der Hand zu weisen, denn obwohl Johannes Jesselin im Jahre 1327 eigens auffordert, seine Glosse entsprechend zu überarbeiten251, hat doch dieser Zwischenfall Jesselin nicht eigentlich geschadet252. Erst nach der Publieigenen Tabelle (355) — behauptet, die letzte Bulle der Sammlung sei Cum inter nonnullos, während es sich in Wahrheit um Quia quorundam handelt. Dieser lapsus calami wird ζ. Β. nodi von R . N a z in D D C 6, Paris 1957, 130 wiederholt. 250

Baluze-Mansi, Misc. I l l , 301 b—302 a (abgedruckt auch bei C . Eubel, BF V , 408 a/b, nota) : Unter den »exempla manifesta et notoria« für weitere Haeresien neben der Armutslehre wird dort an erster Stelle (gleich darauf folgt Guido Tereni) folgendes berichtet: » . . . q u i d a m haereticus nomine Jesolinus de Casanis (Eubel liest: Josolinus de Cascinis) Diócesis Biterrensis, quem dictus D . Johannes haereticus Auditorem Causarum in Curia Avinionis constituit, fecit quendam apparatum diversis haeresibus fermentatum super constitutiones editas in concilio Viennensi (d. i. die Clementinen, beendet am 7. Sept. 1323, vgl. H L F 34, j i 8 A . 7; H L F 35, 354 A . 2), et etiam super Constitutiones per dictum D . Johannem promulgatas, quae Extravagantes in dicta curia nuncupantur . . . In quo apparatu contra fidei artículos inter caeteras haereses super ipsa constitutione Cum inter asserebat et dogmatizabat patenter infrascriptas haereses: Prima videlicet quod papa poterat novum articulum fidei facere, insinuans quod poterat contrarium facere his quae erant per ecclesiam d i f f i n i t a . . . Secunda haeresis erat quod ante . . . constitutionem Alexandri papae I I I . . . dici forte poterat, quod Christus non fuerat verus Deus et verus h o m o . . . Insinuans etiam in ipso apparatu suo, quod haereticum erat deinceps (!) asserere, quod in saepe dieta decretali Exiit § Porro [Friedberg II, 1 1 1 2 ] diffinitur . . . — T r o t z einer Gegenschrift Bonagratias sei Johannes niemals gegen Jesselin eingeschritten, . . . sed etiam pluribus honoribus et beneficiis exaltavit et in audientia causarum de facto iudicem esse permisit.

251

G . Mollat, Lettres Communes, nr. 28199 ( £ · V I , Paris 1912, 483). Das Ergebnis dieser Redaktion zeigt deutlich die Gegenüberstellung bei P. Fournier, H L F 35> P· 359 f-i der einen markanten Textabschnitt in beiden Fassungen abdruckt.

252

Fournier meint allerdings (352 f.), Jesselin habe mit seinen Lehren einen Bischofssitz verspielt, zu dem seine Karriere »naturellement« hätte führen müssen — doch vgl. B. Guillemain, La cour pontificale, 348 f., der als durchschnittliche Amtsdauer der Auditoren 5 Jahre errechnet: wenn Jesselin 1327 Auditor geworden w a r und 1334 gestorben ist, wäre das keine außergewöhnlich lange Amtszeit. V o n 164 Auditoren in 70 Jahren (p. 348) wurden nur 36 zu Bischöfen (p. 354), etwa 10 zu Kardinälen (p. 355).

Der Armutsstreit im politischen Spannungsfeld

411

k a t i o n seiner Glosse253 w i r d Jesselin z u m »auditor causarum« ern a n n t , u n d er e r h ä l t a u c h w e i t e r h i n z a h l r e i c h e P f r ü n d e n 2 5 4 . J e d e n f a l l s h a t t e sich d e r K a n o n i s t m i t s e i n e n g e w a g t e n T h e s e n k e i n e s w e g s ernstlichen Pressionen ausgesetzt gesehen. Jesselin hatte w o h l W i d e r s p r ü c h e z w i s c h e n d e n b e i d e n B u l l e n Exiit nullos

u n d Cum

inter

die non-

bemerkt, daraus aber d e n emphatischen Schluß gezogen, der

P a p s t h a b e das Recht, durch neue Erlasse nicht nur i m R ä u m e des Kirchenrechts 2 5 5 , s o n d e r n a u c h i n G l a u b e n s f r a g e n d i e E n t s c h e i d u n g e n 253 Vgl. Michaels App. mai. (Misc. III, 301 a) ». . . quem apparatum haeresibus fermentatum publice et notorie exhibuit stationariis p u b l i c i s . . . « (was etwa 1325 geschehen sein muß). 234 Vgl. H L F 3J, 351 A. 5 f., 353 A. 2; audi Fournier gibt zu (352): »Quelle qu'ait été la portée de cet incident, il n'entraîna point pour Jesselin une véritable disgrâce.« 255

Also Kraft der >clavis potentiaeScimus quod tu vis esse papa in LombardiaEgo sum magister in theologia, quamvis minus sufficiens, et credo firmiter, quod vos estis solus minister Dei in terris0 imperator, defende me gladio, ego te defendam verboRespondetur< am Schluße der Erörterung . . . ganz klar ausgesprochen, alles andere nur technisches Beiwerk.« Es hat sich eine opinio communis gebildet, die dieses mechanische Verfahren, das ohne abwägende Interpretation auszukommen glaubt, wenigstens für die Ocio Quaestiones f ü r bündig hält 37 . Vor einer allzu schematischen Anwendung dieser Interpretationsmethode muß allein die Aufstellung warnen, die Georges de Lagarde für die jeweils letzten Kapitel der einzelnen Quaestiones gegeben hat38. Hier zeigt sich, daß zumindest in drei der acht Fragen das letzte Kapitel nicht Ockhams Position vertritt, wenn auch nicht zu bestreiten ist, daß im jeweiligen Aufbau der Quaestio die Meinung, die wir als Ockhams Position identifizieren können, erst nach den anderen Thesen entwickelt und auch viel breiter entfaltet wird. Im Dialogus jedoch ist uns solcher Rückschluß aus der Anordnung der Argumente — wenigstens im ersten Teil — weitgehend versperrt; Ockham scheint ihn ausdrücklich ausschließen zu wollen 39 . 36

Papsttum und Kirchenreform I, Berlin 1 9 1 3 , 77 mit A . 2 ; schon S. Riezler, der wesentlich vorsichtiger urteilte als Haller, hat diese Methode der Interpretation befolgt (vgl. Widersacher, 267).

37

Vgl. z . B . J . G . Sikes, O P I, 3; P. Boehner, Coli. Art., 447; J . B. Morrall, Some N o t e s . . . , FcS 9 (1949), 3 5 1 ; E. F . Jacob, Essays in the Conciliar Epodi, Notre Dame, Indiana 99.

38

Défense, 66 Α . 36. — Allerdings beachtet Lagarde nur die jeweils letzten Kapitel und nicht die letzte ausführlich entwickelte Position. Erweitert man aber die Betrachtung in dieser Richtung, so gilt etwa bei O Q q. 1, daß dort die opinio tertia in c. 5 — 1 7 (p. 26—66) entwickelt wurde, worauf nur noch 3 kurze Kapitel folgen, die Einwände der anderen opiniones gegen diese Position formulieren. Das Gleiche gilt f ü r q. I I ; hier entwickelt Ockham seine These in c. 5—6 (77), um dann c. 7 — i j (82—95) die Gegenthese ausführlich zu beantworten, worauf dann diese noch einmal kurz zu Worte kommt (c. 16, p. 96 f). Bei q. I I I bietet sich das gleiche Bild, auch hier ist c. 13 ( 1 2 4 — 126) nur eine nachgeholte Antwort auf die ausführlich entwickelte These, q. V ist etwas komplizierter aufgebaut, da sidi c. 7 — 1 0 mit dem secundus articulus der Frage beschäftigen.

39

I Dial. Prol. (f. 1 rb, p. 399, i f f . ) : Mag.: Affectas, ut video, quatinus ex serie dicendorum nemo possit colligere, quam partem dissentientium circa fidem catholicam reputem iustiorem. — Das bezieht sich z w a r unmittelbar auf die Abfolge der Bücher, gilt aber in diesem Teil auch f ü r die Abfolge der Argumente, vgl. das instruktive Beispiel der »Connexio virtutum« in I Dial. V I 77—79, analysiert bei L . Baudry, Le philosophe et le politique, A H D L a. 14, t. 1 2 (1939), 209—230, hier 224—228.

440

Die Anfänge der politischen Theorie Ockhams

Es bleibt als einziges äußeres Kriterium 40 für die persönliche Position Ockhams hier nur die relativ umfangreichere Ausführung einer bestimmten Seite der Argumentation 41 — aber dieser Maßstab ist ja im Einzelfall nicht immer mit Sicherheit anzuwenden, ohne daß man auch Gründe der inneren Gewichtigkeit der Argumente bemüht. Trotzdem wäre es gründlich verfehlt, wollte man angesichts solcher Unsicherheit bei den äußeren Kriterien schlechthin darauf verzichten, den Dialogus oder die Octo Quae stione s bei der Analyse von Ockhams politischen Vorstellungen heranzuziehen. Ockham hat ausdrücklich vermerkt, daß er seine eigene Meinung nicht übergehen werde 42 , er hat auch betont, daß die Methode des Dialogus nicht darin begründet sei, daß er selber sich außerstande sehe, eine eigene Stellung zu beziehen 43 , und er hat schließlich eine Reihe von knappen polemischen Traktaten vorgelegt, in denen seine Stellungnahme an Klarheit nichts zu wünschen übrig läßt. D i e Methode des Dialogus und der Octo Quaestiones ist nicht aus der Unentschiedenheit des Autors zu erklären 44 , sondern sie entspringt seinem bewußten Entschluß. D i e Meinung Ockhams müßte sich demnach auch in diesen Werken finden lassen.

40

41 42 43

44

Den Vorschlag von C. Koser (Die älteste bekannte Deutung theologischer N o t e n . . . , FS 38, 1955, 66—77, hier 69) lassen wir hier beiseite. Koser glaubt, daß Ockham »seine eigene Meinung . . . dem >Discipulusobscurity< . . . is out of place . . . Ockham may be difficult, but he is never obscure« (ibid., 247). Das ist auch auf die Charakteristik Morralls zu antworten, der von dem »baffling treatise«, dem »enigmatic magnum opus« (FcS 9, 350 f.), einer »enigmatic dialogue form« (Cambridge Journal j , 742) und einem »baffingly constructed magnum opus« (Medieval Studies presented to A . G w y n n , Dublin 1961, 481) spricht. Eine hervorragende Studie über ein Problem, das Ockham nur im Dial., aber in keiner »persönlichen Streitschrift« behandelt hat, hat nach dieser Methode G. Tabacco vorgelegt: Pluralità di papi ed unità di chiesa nel pensiero di Guglielmo di Occam, Torino 1949. Einen knappen Uberblick über den im Dialogus behandelten Stoff gibt W. Kölmel, Wilhelm Ockham und seine kirchenpolitischen Schriften, Essen 1962, 66—124.

Die objektivierende Methode

443

Ockhams und vor allem ihr Motiv in Rücksicht stellen. Ockham beginnt mit seinem Nachdenken über Phänomene des gesellschaftlichen Lebens nicht als Kommentator der aristotelischen Politik oder Ethik. Er betritt den Plan als ein engagierter Franziskaner, der den Standpunkt seines Ordens verteidigt — und umfassend zu begründen versucht. Es bedarf für diese Feststellung keines -weiteren Beleges als der bloßen Chronologie der Schriften seiner zweiten Lebenshälfte51. Wenn wir den inneren Zusammenhang seines Nachdenkens über politische Fragen begreifen wollen, werden wir uns selbst auf diesen seinen Weg einlassen müssen. Bei diesem Versuch ergeben sich spezifische Schwierigkeiten. Ockham hat sich mit den entscheidenden Fragen der konkreten Kontroverse unermüdlich beschäftigt und dabei neue Probleme und Aspekte berücksichtigt, die ihm zunächst noch nicht bewußt gewesen sein mögen. Die Versuchung liegt nahe, jeweils die reifste Form seines Nachdenkens vorzuführen und damit eine Systematisierung seiner Positionen vorzunehmen, die ihre konkrete Gestalt vornehmlich dem anordnenden Geschick des Interpreten verdankt und die Schriften aus verschiedenen Zeiten und mit je verschiedener Absicht auf eine einzige Ebene stellt. Die Gefahr dieses Verfahrens ist, daß die Antriebe, die sich in den verschiedenen Stufen seines Nachdenkens manifestieren, aus dem Blick geraten. Georges de Lagarde hat in der letzten Auflage seines Werkes über die »Geburt des laizistischen Geistes am Ausgang des Mittelalters« Ockhams konkreter politischer Philosophie zwei Bände gewidmet. In dem ersten behandelt er die »Verteidigung des Imperiums«, um dann im zweiten Ockhams »Kritik an der Kirchenverfassung« zu untersuchen52. Allein in dieser Anordnung der Themen zeigt sich die eben geschilderte Methode der Darstellung. Lagarde ist sich natür51 52

Vgl. dazu oben Kapitel I. G. de Lagarde, La naissance de l'esprit laïque au déclin du moyen-age, Nouvelle édition, refondue et complétée, t. 4: Guillaume d'Ockham, Défense de l'empire, Paris 1962; t. j : G. d'O., Critique des structures ecclésiales, Paris 1963. — Diese beiden Bände entsprechen nicht den Bänden 4—6 der ersten beiden Auflagen. L'individualisme Ockhamiste fase. 1: Ockham et son temps; fase. 2: Bases de départ; fase. 3: La morale et le droit (Paris 1942—1946), sondern sind wohl als der 7. Band des ursprünglichen Planes anzusehen, der die eigentliche politische Philosophie Ockhams umfaßt. So erklärt sich auch, daß sich Lagarde in den neuen Bänden ständig auf seine früheren Auflagen wie auf gesonderte Schriften beruft. (Wir zitieren die 1. Auflage als »La naissance [ I V — V I ] « , die letzte Auflage als »Défense«, bzw. »Structures ecclésiales«.)

444

Die A n f ä n g e der politischen Theorie Ockhams

lieh bewußt, daß er zuerst die zeitlich späteren Theoreme über das Verhältnis von Imperium und sacerdotium analysiert, meint aber, man könne unmöglich den Kirchenbegriff des I. Teiles des Dialogus begreifen, ohne seine späteren Nuancierung und Vertiefung durch die Reflexionen des III. Teils und der Oc to Quaestiones zu berücksichtigen53. Wir wollen diesen Gesichtspunkt nicht unterschätzen, glauben aber, daß sich der innere Zusammenhang der Sozialtheorie Ockhams spezifischer erfassen läßt, wenn man ihr in der historischen Folge ihrer Entwicklung nachgeht. Die methodische Synthese54, die Lagarde unternimmt, ist ihrerseits durch ein ganz bestimmtes Vorurteil über das Ockhamsche Denken, ja die allgemeine geistesgeschichtliche Situation seines Jahrhunderts geleitet, das meint, gerade von der franziskanischen Option Ockhams weitgehend absehen zu können55. Wir wollen dagegen untersuchen, wie der franziskanische Theologe zu seinen Thesen zur politischen Theorie gelangte, um ihren Stellenwert in der Intention des Autors näher zu umreißen. Die Frage der Aufnahme und Weiterbildung dieser Gedanken im Zeitalter der abendländischen Kirchenspaltung muß demgegenüber als ein völlig anders geartetes Problem ganz ausgeklammert bleiben. Christliche

Vollkommenheit

Die erste Streitschrift, mit der Ockham in den Kampf eingriff, hatte schon in der unmittelbaren Wirkungsgeschichte von Ockhams Sozialtheorie gegenüber seinen großen späteren Schriften einen 53

54

55

Défense, 4 3 : Il est impossible de comprendre la théorie de l'Eglise esquissée par O . dans la I a Pars du >Dialogus< en 1 3 3 4 si on ne l'éclairé par le >De potestate papae et cleri< [ d . h . I l l Dial. I ] de 1 3 3 8 et les >Octo Quaest.< de 1 3 4 1 . Les réflexions auxquelles O . a été conduit en étudiant les rapports de la papauté et de l'empire, l'ont amené à nuancer, développer et approfondir sa doctrine de l'Eglise. V g l . auch 4 2 die methodologische Erörterung über die Anordnung. V g l . Défense, 4 2 : » . . . n o u s tenterons la synthèse méthodique des thèses ecclésiologiques et politiques écloses à l'ombre de Guillaume d'Ockham.« Abgesehen v o m Titel des Gesamtwerkes, der seine These enthält, die in den Bänden selbst v o r der allzu einseitig gefärbten Folie der thomistischen Soziallehre durchgeführt wird, sei hier nur auf die »conclusions« am E n d e von »Structures ecclésiales«, 2 6 7 — 2 8 9 hingewiesen, w o die Armutsfrage überhaupt nicht mehr auftaucht. Bei der Darstellung des Nachlebens (ibid. 2 9 0 — 3 3 7 ) betont L a g a r d e z w a r mit Recht, daß Ockhams Armutslehre für die Wirkungsgeschichte seiner Theorie eine verschwindend geringe Rolle spielte, schreibt dabei aber auch den bezeichnenden S a t z : »Ockham a beaucoup (peutêtre trop) écrit sur la pauvreté.« (302)

Christliche Vollkommenheit

445

schweren S t a n d . W i r besitzen heute nur noch z w e i H a n d s c h r i f t e n u n d eine ( v o n diesen M a n u s k r i p t e n nicht unmittelbar abhängige) f r ü h e E d i t i o n 5 8 , die w o h l ü b e r h a u p t nur deshalb veranstaltet w u r d e , w e i l ihre H e r a u s g e b e r glaubten, die Schrift als einen » E r s a t z « f ü r den im P r o l o g z u m I I I . T e i l des Dialogas De gestis fratris 56

Michaelis

de Cesena57

angekündigten 6. T r a k t a t ansehen zu können 5 8 . N o c h

Zu der hsl. Oberlieferung vgl. J . G. Sikes, O P I, 291 f.; mit den wichtigen Ergänzungen von H . S. Offler, O P II, p. X I I — X I V . Nach Offlers Aufstellungen läßt sich schematisch folgendes Stemma zeichnen (die eingeklammerten Minuskeln repräsentieren erschlossene Zwischenglieder): (a) Archetypus

(x)? I Ms. Paris B N lat. 3387 ( X I V saec.)

(y)

(e)

Ed. Lyon

(d) I Ms. Basel Univ. Bibl. Β II 24 ( X I V saec.) (unvollständig)

14 95

Goldast 1614

57 58

Daß die Ed. von mehr als einem Manuskript abhängt, ist unwahrscheinlich, kann aber nicht ausgeschlossen werden (vgl. H . S. Offler, O P II, p. X I I I ) . Vgl. I I I Dial. Prol. (f. 181 ra; p. 7 7 1 , 32). Vgl. O N D (gedruckt bei Joh. Trechsel, Lyon 1495, Hain N r . 1 1 9 3 5 f.; jetzt photomech. nachgedruckt in: Opera plurima, London 1962, Bd. II) am Ende (f. q [ V I I I ] rb): Explicitum est opus nonaginta dierum c o r r e s p o n d e n s sexto tractatui dialogi M[agistri] Guilhelmi de Ockam . . . (derselbe Text auch bei Goldast, Monachia II, 1236, 23; H . S. Offler, O P II, 858, nota). — In gleicher Weise die Überschrift, die die Editoren über das O N D gesetzt haben (Trechsel, f. a i r a ; Goldast, p. 993, 16 ff.): »Sexti tractatus tertie partis dyalogi magistri Guillermi Ockam, . . . In quo de gestis fris.michaelis de cezena more recitatoris subtiliter pertractat c o r r e s p o n d e n t e r ad i d q u o d s p o p o n d e r a t se facturum in sexto tractatu tertie partis d y a l o g i . . . « Noch Riezler (Widersacher, 242) hat angenommen, Ockham selbst habe das O N D »dem großen Sammelwerke des Dialogs einverleibt« (allerdings gibt er A . 3 zu, daß die Oberschrift »vom ersten Herausgeber« herrühre). Die Selbständigkeit der Schrift hat ausführlich festgestellt E. Knotte, Untersuchungen, 36 f.

446

Die Anfänge der politischen Theorie Ockhams

Richard Scholz hat die »rein theologische Arbeit über die christliche Armutslehre und den Begriff des dominium« 59 in seiner Darstellung des »politischen Denkens« Ockhams weitgehend unberücksichtigt gelassen60. Auf der anderen Seite hat Alois Dempf die fundamentale Bedeutung dieser Schrift für Ockhams Soziallehre scharf herausgestellt61. Gewiß, Ockham beschäftigt sich in diesem Werk hauptsächlich damit, die Armutslehre der »konsequenteren Minderheit des Franziskanerordens« 62 darzutun. Seine Antworten zu den Fragen der konkreten Kontroverse unterscheiden sich etwa von der Position Bonagratias 63 kaum nennenswert 64 . Allein ein Blick in den historischen Apparat zu Offlers Ausgabe zeigt, daß auch das »Rohmaterial«, d. h. Belegstellen und Einzelargumentationen von Ockham weitgehend aus der vorliegenden Diskussion übernommen wurden. Was Ockhams Opus jedoch vor allem auszeichnet, ist nicht die Originalität der Thesen, sondern die dialektische und methodische Kraft, mit der er sie begründet und den allgemeineren Hintergrund der 59

Brev., p. 7; vgl. die ähnliche Charakteristik von J. G. Sikes, O P I, 290 und schon S. Riezler, Widersacher, 243. 60 Auch Ph. Boehner beschränkt sich bei seiner Übersicht über die »Political Ideas« (Coll. Art., 442—68) auf die späteren Streitschriften (vgl. 456 A. 23). 61 Sacrum Imperium, 512—516; vgl. audi J. B. Morrall, Some N o t e s . . . , FcS 9 ( I 949)> 34 2 —3í ι, spez. p. 350: » . . . T h e real interest of the O.N.D. lies in the fact that it enables us to see at their origin the pivots around which the whole later thought of Ockham moves.« Außerdem L. Baudry, Vie, 157 f. — Eine allgemeine Würdigung der Armutsproblematik für die politische Theorie des Spätmittelalters versucht W. Kölmel, Wilhelm von Ockham . . . , 50—66, bes. 61 ff., wobei wir uns seine Beurteilung der Position Johannes' X X I I . nicht zu eigen machen können. • 2 So M. A. Schmidt, Staat und Kirche bei Wilhelm von Ockham, Theologische Zeitschrift 7 (1951), 268. 03 Vgl. zu ihr oben Kap. III. 84 Die Antworten Ockhams sind erst jüngst in einem posthumen Aufsatz von L. Baudry zusammenfassend dargestellt worden: L'ordre franciscain au temps de Guillaume d'Occam, MS 27 (1965), 184—21, ein nachgelassenes Kapitel aus dem geplanten 2. Band des Occamwerkes (vgl. 184 Anm.). Leider haben es die Herausgeber versäumt, die Belege auf die »Opera politica« umzustellen : das O N D wird immer nodi nach Goldast zitiert, und die beiden Traktate Contra Joh. und Contra Ben. (letztere Schrift nennt Baudry Tractatus ostendens) werden entweder nach den Auszügen bei R. Scholz, Streitschr. II, 396—417, oder nach dem (allerdings einzig vorhandenen) Ms. Paris BN lat. 3387 zitiert, was die Verifikation nicht gerade erleichtert. Baudry stellt Ockhams Armutslehre auf der Grundlage des gesamten Œuvres Ockhams dar und differenziert die einzelnen Phasen nicht, was aber nicht gravierend ins Gewicht fällt, da hier nur eine einzige wesentliche Nuance verloren geht (zu ihr vgl. unten Anm. 413).

Christliche Vollkommenheit

447

Kontroverse schon hier herausarbeitet, so daß wir von einer »ersten Fassung« seiner Sozialtheorie sprechen dürfen. Ockham beginnt die eigentliche Darstellung der Kontroverse 65 — und das kann den nicht überraschen, der die sprachanalytische Methode der akademischen Schriften ernst genommen hat — mit einer nuancierten und nuancierenden Definition der zentralen »termini« der Diskussion; denn, so sagt er, der Papst habe in seinen Erlassen die Mehrdeutigkeit der Wörter ausgenutzt, um Irrtümer einzuführen und die Wahrheit niederzuschlagen, darum wolle er vorweg »ad evidentiam dicendorum« diese Begriffe klären (exponere), »considerando videlicet quid sit >ususius utendiiusticiam< et >iustumregum) damit interpretiert, daß er sagte: quia per iniquitatem non intelligitur ius gentium, cum sit aequum, sed intelligitur peccatum primorum parentum, per quod natura corrupta fuit, et post non fuit contenta communibus, sed sibi propria voluit possidere. C. 92 (669, 21 fi.): Hoc glossa . . . exponit duppliciter: uno modo sic: >Per iniquitatem< i. e. per consuetudinem iuris gentium aequitati naturali contrariant, id est quae consuetudo est contraria illi aequitati naturali, quae fuisset in statu innocentiae, et etiam illi aequitati naturali, quae deberet esse inter homines in omnibus sequentes rationem; aequitati autem naturali, quae est inter homines pronos ad dissentiendum et male agendum, non est contraria ista consuetudo. Et ita contrarietas est secundum genus naturae et non secundum genus moris; quia talis consuetudo non est iniqua neque mala . . . In diesem Text haben wir eine Vorstufe der berühmten Naturrechtslehre Ockhams in I I I Dial. II iii 6 vor uns. Im Rosarium Guidos de Baysio findet sich ein juristisches Vorbild für diese These: vgl. ad Di. 1 c. 7 nr. 6 (Ed. Venedig 1602 f. 4 vb) (Im Anschluß an den unten Anm. 214 zit. Text): Aliter dictât [seil, lex naturalis] secundum communionem et proprietatem aliquid quia bonum: quia in statu naturae bene institutae dictabat, omnia esse communia. In statu vero naturae corruptee dictabat quod bonum est aliqua

486

Die Anfänge der politischen Theorie Ockhams

zwischen der gefallenen Welt und ihrem in der recta ratio normativ immer noch gegenwärtigen Urbild. Die andere Erklärung der Glosse, die die »iniquitas« des Canons mit der subjektiven Besorgnis um die Güter identifiziert, streift Ockham nur kurz203, um dann das Verhältnis dieser Erklärungen zu der Exegese Johannes' X X I I . zu analysieren. Johannes hatte die »iniquitas« mit dem Sündenfall selbst gleichgesetzt204. Das aber kann dann, sagt Ockham, keinen ursächlichen Zusammenhang meinen, sondern nur eine Beschreibung des historischen Vorgangs. Anläßlich des Sündenfalls wurde zwar die Besitzverteilung vorgenommen, nicht aber durch ihn verursacht, denn Ursache ist allein die »voluntas humana sequens« (seil, peccatum primorum parentium)205. Damit bestreitet Ockham ausdrücklich, daß die Einführung des Eigentums nach dem Sündenfall u n m i t t e l b a r e Wirkung der

803

204 205

esse propria, alioqui[n] boni egerent, et non staret societas humana, quia mali omnia raperent. Et ita secundum diversos status dictât bonum esse, quod omnia sunt communia et quod aliqua sint propria. (Forts, oben Anm. i 6 i ) . Vgl. auch unten Anm. 214. G . de Lagarde (Naissance V I , 1 $0 mit A. 26) schließt zu Unrecht, das Gemeineigentum des Urstandes sei für Ockham moralisch indifferent. Dagegen vgl. schon W. Kölmel (FS 35, 48 A. 43), der aber seinerseits das »genus naturae« auf die »natura« des Menschen bezieht (»weil das Eigentum nicht schlecht ist — also muß es entsprechend dem genus naturae, für das es gilt, gut sein«.). — Diese Interpretation, so ansprechend sie scheint, überanstrengt den Text: Ockham spricht hier von der »in-iquitas« einmal in der Praedikation der Quidditas (genus naturae), einmal in der Praedikation der moralischen Kategorien: der kanonische Text meint, so sagt die Glosse nach Ockhams Auffassung, nur die erste Weise. — Das ist auch gegen M. A . Shepard (William of Occam and the Higher Law, in: The American Political Science Review, 26, 1932, 1 0 0 5 — 1 0 2 3 ; 27, 1933, 24—38; hier 1 0 1 4 mit Α. 36) festzuhalten, der »the contradiction according to nature« als »here meaning the ideal state of things« erklärt. Shepard verkennt zudem, daß es sich bei der Einführung des Begriffs des »ius gentium« noch um ein Zitat aus der Glosse handelt. C. 92 (669, 30—32); er zitiert die Glosse nur, ohne sie zu erläutern und ordnet sie dann nur grob als eine Exegese ein, die das ,per iniquitatem' »quodam modo causaliter« versteht (32—36; — es ist dies übrigens die Auslegung des Huguccio, vgl. G. Couvreur, Les P a u v r e s . . . , (vgl. unten Anm. 212), 141 f., bes. A . 448. Vgl. oben Anm. 201. C. 92 (669, 36—43) : Tertio modo potest exponi, sicut iste exponit, ut >iniquitas< aeeipiatur ibi pro peccato primorum parentum; et tunc >per iniquitatem< non aeeipitur proprie causaliter, sed aeeipitur occasionaliter; quia iniquitas primorum parentum fuit o c c a s i o divisionis dominiorum: si enim non peccassent, numquam fuisset dominiorum divisio; et tarnen non fuit c a u s a divisionis, sed voluntas humana sequens fuit causa . . . Aliquorum

lus poli« und »ius fori«

487

Sünde war. Eigentum entspricht nur den durch die Sünde geschaffenen Bedingungen menschlicher Gemeinschaft 206 . Alois Dempf zieht also eine höchst einseitige Schlußfolgerung, wenn er schreibt, Ockham sehe »die weltliche Ordnung . . . von vornherein als etwas Unideales und etwas Unerlöstes« an, »dem aber dennoch vom Christen kein Widerstand geleistet werden darf « 207 . Gewiß gehört die Eigentumsordnung nicht der »erlösten Welt« zu, aber das ist nicht die Pointe der Ockhamschen Lehre. Das positiv-rechtliche dominium ist nicht unmittelbarer Ausfluß göttlichen Redites (wenn es das wäre, dann könnte heute nodi keiner diesen Ubereignungsakt ohne göttliche Sonderoffenbarung vornehmen) 208 . In seiner konkreten Ausprägung ist das Eigentum menschlichen Ursprungs: also hat auch der Mensch die Eigentumsverteilung zu verantworten. Die erste Verfügungsberechtigung über die Dinge rührt von Gott her, aber die Aufteilung des Eigentums ist menschliche Satzung 209 . Solche Satzung hat nun ihre eigene Geltung — das liegt in ihrem Begriff begründet. Niemand darf gegen seinen eigenen Willen ohne schuldhaftes Tun oder ohne einen anderen Grund seiner Rechte aus dieser Satzung (im allgemeinsten Sinne) beraubt werden 210 . Auch die menschliche Satzung darf nicht

206

207 208

209

210

autem dominiorum voluntas divina sola fuit causa. — Ockham ordnet also diese Interpretation in das z. B. oben Anm. 200 oder 202 entwickelte Schema ein. Dazu vgl. später Brev. III 7 (Scholz, 127, 26—32): . . . multitude est mala et prona ad malum et ideo a pluribus communia minus diliguntur et per consequens minus curantur quam propria, propter quod inter tales melior est appropriatio rerum quam communio. Sed in multitudine perfectorum — vel totis viribus ad perfectionem tendentibus secus est, quia perfecti plus diligunt et curant communia quam propria. Sacrum Imperium, 513. Vgl. OND c. 89 (p. 664, 24 fi.) : Super litteram. Solum divino — scilicet iure — dominium temporalium rerum potuerit hominibus dart. Istud non habet veritatem de omni dominio; quia tunc modo nullus posset licite transferre dominium alicuius rei in alium, nisi Deus sibi revelaret, quod hoc sibi placeret — quod est erroneum. Ibid. (664,330.): . . .quando solus Deus erat rerum temporalium dominus, nullus potuit eas dare hominibus nisi Deus . . . ; sed postquam homines primi effecti fuerunt aliquuo modo domini in communi temporalium rerum, potuerunt post peccatum illas res dare et inter se dividere. Et ita prima collado temporalium facta hominibus fuit a solo Deo; sed divisio earundem quoad dominia fuit a iure humano. Ζ. Β. c. 2 (304, 9 ff.) : ius utendi est potestas licita utendi re extrínseca qua quis sine culpa sua et absque causa rationabili privari non debet invitus.

488

Die Anfänge der politischen Theorie Ockhams

»ad placitum« verletzt werden 2 1 1 ; als »ius« ist sie gültig, solange die Bedingungen ihrer Geltung gegeben sind. Das positive menschliche Recht kann jedoch dort nicht mehr gelten, w o ein Mensch unter unmittelbarer Todesgefahr durch den Gebrauch einer (positivrechtlich) »fremden« Sache sein Leben fristen kann. Die Lehre vom außer-, oder richtiger übergesetzlichen N o t stand, der die Eigentumsrechte aufhebt, ist im 1 4 . Jahrhundert allgemein akzeptiert. Erst jüngst hat Gilles Couvreur die Geschichte der Entwicklung dieses Gedankens bei den Theologen, Kanonisten und Legisten des 1 2 . und frühen 1 3 . Jahrhunderts minutiös verfolgt 2 1 2 . E r konnte zeigen, daß jenes »Broccardum« »iure naturali . . . omnia sunt communia, id est tempore necessitatis (indigentibus) communicanda« zum ersten Male stringent von Huguccio von Pisa formuliert worden ist, der mit diesem Prinzip die im Decretum Grattarti überlieferten Vorstellungen über Eigentum und »superfluum«, »necessitas« und das Notrecht des Gütergebrauchs zur Lebensfristung zu einer einprägsamen Formel Zusammenschloß, die die Erörterungen der Kanonisten fortan beherrschte und die auch von den Legisten und Theologen schon bald übernommen wurde 2 1 3 . Im 1 4 . Jahrhundert ist dann dieser Satz Allgemeingut in der Diskussion 214 . 2,1

C. 65 (574, 45—68) . . . istud ius per pactionem seu ordinationem humanam constituitur: postquam pactionem seu ordinationem consuetudine aut lege firmatam violari ad placitum cuiuscumque non debet . . . et ita etiam iura humanitus instituta non sunt ad placitum Violanda. 212 G. Couvreur, Les pauvres ont-ils des droits? Recherches sur le vol en cas d'extrême nécessité depuis la concordia de Gratien (1140) jusqu'à Guillaume d'Auxerre (f 1231), Rom 1961 ( = Analecta Gregoriana m ; Series facultatis theologicae, B. 34). 213 Vgl. dazu besonders 91—154 und den Text aus Hugguccios Summa, ad di. 47 c. 8 (Sicut hü) 293—296; vgl. auch Richardus Anglicus, Summa quaestionum, q. 2 (»an de iure naturali sint omnia communia«), 287—290, bes. 288. 214 Yg] etwa das Rosarium des Guido de Baysio (f 1313) zu di. 1 c. 7 (ius naturale) nr. j (ed. Venedig 1601, f. 4vb): . . . lex naturalis circa communionem et proprietatem dictât differenter. Dictât enim aliquid quia debitum, aliquid quia bonum, aliquid quia aequum: quia debitum dictât quod in statu necessitatis omnia sunt communia, in statu enim isto sunt omnia communicanda, et hoc modo in praecepto est communicatio, et hoc est dictamen respectu rerum ad sustentationem personarum . . . (Forts. Anm. 202). Eine lehrreiche Zusammenstellung der juristischen Argumente zur Lehre von der »Necessitas« — hauptsächlich aus dem Corpus Iuris Civilis — bietet Lucas de Penna (1320—ca. 1390) später in seiner »Lectura . . . super tribus libris Codicis, X videlicet, X I et XII«, ed. J. Myt, s. 1. 1538; ad Cod. 10,

»lus poli« und »ius fori«

489

Bei O c k h a m läßt sich in den akademischen Schriften z w a r noch nicht dieser S a t z selbst nachweisen, aber es ist d o r t O c k h a m schlechthin evident, d a ß es unmittelbare Pflicht ist, dem N ä c h s t e n

»in

e x t r e m a necessitate« zu helfen — dieser S a t z braucht nicht abgeleitet oder bewiesen zu w e r d e n , seine W a h r h e i t ist unmittelbarer I n h a l t jeden sittlichen Bewußtseins, er ist »evidens ex notitia termin o r u m « 2 1 5 u n d gehört d a m i t in jenen engen K r e i s v o n S ä t z e n , die die »scientia moralis d e m o n s t r a t i v a « bilden 2 1 6 . I n seinen politischen Schriften substantiiert O c k h a m diese M e i n u n g mit H i l f e der juristischen L e h r e n über das Gemeineigentum des N o t s t a n d e s , das dem V e r h u n g e r n d e n das Recht gibt, sich auch f r e m d e r Sachen zu bedienen. A u c h im Opus

XC

Dierum

beruft sich O c k h a m sehr häufig

direkt o d e r indirekt auf den G r u n d s a t z 2 1 7 .

215

2le 217

32, 25 (curiales), s. ν. nécessitas (f. 46 va—b) — ein Text, der zu umfangreich ist, als daß wir ihn hier zitieren können, wir beschränken uns auf die Hauptmaximen (und lassen auch die Belege Lukas' fort): »Necessitas« quae legem non h a b e t . . ., i. e. cessât lex ubi necessitas v e n i t . . . , et facit licitum quod alias non esset licitum . . . Et nota quod nomine necessitatis omne iustum impedimentum continetur . . . Quod etiam ex necessitate fit non est ex ordine legitimo, sed usurpato, unde cessante necessitate cessare debet . . . nisi eadem vel maior sit ratio in casu non e x p r e s s o . . . Amplius, in necessitate extrema sacramenta poenitentibus non sunt neganda . . . Et necessitas facit aliena propria, quia tempore necessitatis omnia sunt communia . . . Vgl. dazu auch die Texte von Bartolus, Baldus, Johannes Andreae und Panormitanus bei Couvreur, 2 j é f. mit A. 5—12. I I I Sent. q. 13 K : Ponatur aliquis habens istam rationem universalem rectam: >Omni indigenti in extrema necessitate est benefaciendum ne pereatlicentia< quae revocari a concedente non p o t e s t . . . ; et per talem licentiam ius quoddam acquiritur. Alia est licentia, quae ad placitum concedentis revocari potest; et per talem nullum ius videtur acquiri. — Vgl. auch nächste Anmerkung. Die gleiche Argumentation wie in c. 61 begegnet auch schon bei Franz von Marchia, Improbado, Ms. F., f. 40 rb: dicendum quod duplex est licentia, scilicet licentia iuris, data secundum formam et apicem iuris, que postquam data est . . . revocari non potest nec dependet amplius ex volúntate concedentis, et talis licentia bene includit vel conferì ius ei, cui datur . . . Sed est alia licentia simplex facti quae pendet ex sola volúntate concedentis et potest revocari, quandocumque placet sibi.

492

Die Anfänge der politisdien Theorie Ockhams

kaner ermöglicht, die erbettelten Almosen zu benutzen. Unmittelbar ist es natürlich der f r e i w i l l i g e Verzicht des dominus darauf, seine eigene Sache selbst zu verbrauchen — aber wenn die franziskanische Armutsauffassung Wahrheit beanspruchen will, dann darf solch ein Verzicht ja nicht bedeuten, daß der Eigentümer das dominium an der Sache überträgt. Die Überlegung, daß der dominus »ad placitum« seine »licentia« entziehen kann, zeigt nun, daß audi rechtlich keine Eigentumsübertragung konstruierbar ist. Also, so folgert Ockham, gewinnt jeder, der eine bloße Gebrauchserlaubnis bekommt, nicht eigentlich ein neues (positives) Recht, sondern hat sein Gebrauchsrecht bereits; vom dominus wird ihm nur die Ausübung dieses (naturrechtlichen) Rechts gestattet, das er sonst allenfalls in casu necessitatis kraft eigenen Rechts ausüben dürfte 222 . Ermöglicht wird der Gedanke einer solchen Gebrauchserlaubnis, die gültig wird, ohne daß ein besonderes »Recht« übertragen werden müßte, durch eine rein restriktive Auffassung des positiven Rechts, das f ü r Ockham nichts anderes ist als eine kraft menschlicher »pactio« oder »ordinatio« gültige »Einschränkung« der naturrechtlichen Gebrauchsbefugnis des Menschen an den zeitlichen Gütern 2 ". So wie im Notstand diese Einschränkung des naturrechtlichen Gütergebrauchs des Menschen objektiv aufgehoben wird 224 , weil die positiv-rechtliche Einschränkung niemals das Naturrecht »gänzlich 22

" C. 65 (578, 218 ff.): Ubi autem uti aliqua re temporali determinata aliquis per hoc solummodo impeditur, quod res ilia est aliena (quia nullus re aliena in qua nullum ius habet praeter ius naturale, extra casum necessitatis extremae uti debet ipso invito, cuius est res ilia), sola permissio illius, cuius est res, quae per licentiam declaratur, sufficit ad hoc quod iure poli utatur eadem re . . . per talem permissionem seu licentiam constat quod non confertur ius divinum nec ius poli sive naturale; ergo, si confertur aliquod ius habenti licentiam, tale ius pertinet ad ius fori, ergo talis uteretur re illa iure fori: quod constat esse falsum, quia per omne ius fori potest quis in iudicio litigare; talis autem non habet aliquod ius quo valeat in iudicio litigare, ergo non utitur re illa iure fori, utitur ergo solummodo iure poli.

223

C. 6$ nemo possit exeat

224

C. 65 (578, 200 fï.): . . . Communis omnium possessio et omnium una libertas ( = di. i c. 7 = Isidor, Etym. j, 4 , 1 ) ad ius pertinet naturale. Et tarnen istud ius quodam modo coartatur, quia et temporalia appropriantur et multi servitud subduntur. Non tarnen istud ius naturale potest totaliter evacuari, quia nunquam sie possunt temporalia appropriari, quin tempore necessitatis debeant esse communia. . . .

($77, 197 ff.): . . . u t i rebus temporalibus pertinet ad ius naturae, cui licite renuntiare potest: non tarnen sic pertinet ad ius naturale, quin in multis casitbus limitari et quodam modo coartari, et ne in actum licite impedire . . .

»lus poli« und »ius fori«

493

entleeren kann« 2 2 5 , kann der Mensch z w a r auch kraft seiner Freiheit durch allgemeines Gesetz oder auch durch ein Verzichtgelübde seine naturrechtliche

Gebrauchsbefugnis

freiwillig

einengen,

nicht

so

jedoch, daß sie z. B . im N o t s t a n d nicht w i e d e r auflebte 2 2 6 . D i e A u f hebung der positiven Einschränkung der allgemeinen anthropologischen Gebrauchsbefugnis, die der N o t s t a n d

objektiv

bewirkt,

kann nun auch der Eigentümer in der »licentia« — f ü r einen konkreten F a l l und nach Belieben widerruflich —

bewerkstelligen.

E r kann die positiv-rechtlichen Schranken, die sein Eigentum v o r fremdem Z u g r i f f sichern, aus freien Stücken durchlässig machen 227 . In dieser Struktur liegt es begründet, daß die Franziskaner, die auf alles positiv-rechtliche

dominium

verzichtet haben,

allein

kraft

Naturrechts — auf das kein Mensch verzichten kann, weil es zu seinem Menschsein gehört — die D i n g e gebrauchen, die ihnen durch die licentia des jeweiligen Eigentümers zugänglich gemacht werden, oder die als herrenloses G u t jedem zum Gebrauch offenstehen 2 2 8 . ass Vgl. l e t z t e u n ( J folgende Anm. — Der Unterschied zur Naturrechtslehre des Marsilius fällt sogleich auf — vgl. zu dieser Theorie, die das positive Gesetz allein zur Quelle jeglichen erzwingbaren Rechts macht, A. Gerwirth, Marsilius of Padua, The Defender of Peace, I, New York 1951 ( = Records of Civilization, Sources and Studies, 46) 132—166, spez. 147—152. 228 C. 65 (578, 206 ff.) : sic posse uti temporalibus potest per legem humanam et voluntatem propriam liberi hominis quodam modo coartari et aliquando ne in actum utendi exeat, impediri — sic enim potest aliquis voto firmare quod a carnibus abstinebit; sic etiam homines prohibentur uti rebus alienis — ; posse tamen uti temporalibus totaliter evelli non potest, et ideo iure poli potest quilibet uti re temporali quacumque, qua uti neque iure naturae ñeque iure humano neque iure divino neque facto proprio prohibetur. Et ideo tempore necessitatis extremae potest quilibet iure poli uti qualibet re temporali, sine qua vitam suam conservare non posset; quia ad non utendum re temporali in hoc casu neque iure quocumque neque facto proprio obligatur. 227

228

C. 65 (578 f., 236 ff., im Anschluß an Anm. 222): Tunc tamen primo, quando est licentiatus seu permissus, utitur licite iure poli tali re, et non prius, quia modo est amotum prohibens ius naturale, ne exiret in actum utendi, quod ante amotum minime f u i t . . . C. 65 (578 f., 239 ff., spez. 245 ff.): . . . Qui (d. i. die Minoriten) si re aliena uti debeant, oportet removere prohibens, quod per permissionem seu licentiam illius, ad quem spectat permittere vel dare licentiam, amovetur; quo amoto, iure poli possunt in actum. Si autem utuntur re aliqua, quae occupanti conceditur vel pro derelicta habetur, utuntur ipsa iure poli, quia respectu talis rei nullum est impedimentum prohibens ne ius naturale utendi in eis exiret in actum utendi. — Vgl. auch oben Anm. 162 und 163. — Ockham hält sich mit dieser Interpretation im äußeren Rahmen franziskanischer Antworten auf die päpstlichen Erlasse, füllt diesen Rahmen aber mit seiner Theorie neuartig aus — vgl. z. B. Bonagratia (Kap. III, Anm. 106, 1 3 1 ) oder

494

Die Anfänge der politischen Theorie Ockhams

D a m i t hat O c k h a m aus dem Streit um das franziskanische A r mutsideal seine Theorie des Naturrechts entwickelt, das als u m greifende O r d n u n g die restriktive menschliche O r d n u n g überragt und das dort, w o die menschlich-positive O r d n u n g — aus welchen G r ü n d e n auch immer — außer K r a f t tritt, v o l l zur W i r k u n g gelangt 2 2 9 . In der »potestas utendi«, im »ius utendi naturale« ist der Mensch ursprünglich auf die T o t a l i t ä t der zeitlichen D i n g e bezogen, die ihm zu mannigfachem Gebrauch zur V e r f ü g u n g stehen. U n t e r den Bedingungen der »natura corrupta« ist dieses unmittelbare Gegenüber der Selbstsucht des Menschen w e g e n modifiziert. Durch Übereinkunft haben die Menschen restriktive Schranken gesetzt, die dem Einzelnen einen individuellen Verfügungsbereich ausgrenzen, doch solcher A u s g r e n z u n g kann keine absolute G e l t u n g zukommen, sie ist nicht göttlichen Rechts — v o n wenigen A u s n a h m e n in der Geschichte des V o l k e s Israel abgesehen, w o G o t t durch einen speziellen A u f t r a g seinem V o l k solche Ausgrenzungsrechte selbst übertrug, doch ist diese göttliche A n o r d n u n g dann nur nach A n a l o g i e des Eingreifens der causa prima in die W i r k u n g e n der causae secundae zu begreifen, als »lex divina pure positiva«, d. h. sie ersetzt nur die ordinatio oder pactio der Menschen durch einen unmittelbaren

Walter Chatton (ibid. Anm. 171). — Die Interpretation, die J . B. Morali (Some notes . . . , FcS 9, 345—347) gibt, übersieht, daß die licentia des Eigentümers, in diesem Fall der römischen Kirche, nötig ist, es sei denn, die Kirche gäbe das dominium auf, ohne es einem anderen »dominus« zu übertragen — dann wären die Güter »pro derelictis habendae« — oder sie brächte die Franziskaner durch Entzug der »licentia« in die Gefahr des Verhungerns: dann erwachte das naturrechtlidie Gebrauchsrecht kraft Notstand. Die Zuweisung des Unterhalts an die Prediger kraft göttlichen Rechts spielt in diesem Zusammenhang gar keine Rolle — sie begründet nur das Dispensationsrecht des Papstes an Kirdiengut allgemein — vgl. zu den Einzelheiten oben, Anm. 107 fí. — So ist eine Änderung des gegenwärtigen Rechtsstatus des Ordens wohl denkbar, und durch das Naturrecht nicht verboten (anders steht es mit der kirchenrechtlichen Frage der Constitution Exiit!), aber die Franziskaner behielten auch unter solch veränderten Bedingungen ihre Existenzmöglichkeit kraft Naturredits. 229

M. A. Schmidt, Kirche und Staat bei Wilhelm von Ockham, Theol. Zeitschr. 7 (1951), 264—284, bes. 271—278, interpretiert das Verhältnis von umgreifender Ordnung und repressiver Satzung (nach den späteren Schriften Ockhams, bes. nach dem Brev.) als ein System von »Instanzen«, wobei immer die »Appellation« von der niedrigeren zur höheren Instanz offen bleibt. Dies Bild deckt zwar nicht voll das von Ockham Gemeinte, kann es aber dennoch durch seine Anschaulichkeit dem heutigen Rechtsbewußtsein leichter machen, Ockhams Lehre zu verstehen.

»lus poli« und »ius fori«

495

göttlichen E i n g r i f f , dem damit das charakteristische Spezifikum des menschlichen Rechts, die Positivität, erhalten bleibt. E s zeigt sich, w i e vielfältig O c k h a m das Verhältnis des Menschen zu den D i n g e n betrachten kann. S o ist die A u f s t e l l u n g der v e r schiedenen Weisen des H a b e n s , die O c k h a m im Opus entwickelt 2 3 0 , nichts anderes als eine A n w e n d u n g

XC dieses

Dierurn Grund-

schemas auf die konkrete Beschreibung der V i e l f a l t der Aspekte. O c k h a m benutzt hier wiederum die Methode, das Bedeutungsfeld eines Begriffs zu analysieren 2 3 1 . Interessant ist, daß er nicht das im theoretischen Armutsstreit schon so oft diskutierte »habere

ali-

quid« 2 3 2 , sondern den weiteren Begriff des »esse alicuius« heranzieht 2 3 3 . D a s ermöglicht es ihm, an erster Stelle jenen S a t z Augustins zu erörtern, nach dem kraft göttlichen Rechts dem Gerechten alles gehört 2 3 4 . A u s diesem S a t z , den G r a t i a n in sein D e k r e t aufgenommen hatte, w a r im L a u f e des 1 3 . Jahrhunderts eine Theorie entwickelt worden 2 3 5 , nach der die »iusti«, denen alles gehören soll, die recht230

231

2S2 2SS

254

235

C. 65 ($75 ff., 1 1 5 — 1 6 2 ) ; vgl. dazu G. de Lagarde, Défense, 213 f. mit A. 87—91; wir können allerdings Lagardes Interpretation nicht voll übernehmen, wie sidi zeigen wird. C. 65 (57j, i i j f.): Tertio ostendunt quomodo res temporales dicuntur diversimodo esse diversorum. Vgl. oben Kap. III, z. B. Anm. 7 1 , 80 ff., 9$ ff., 181 ff., 197. Es ist schwer, den Ausdruck im Deutschen hinlänglich wiederzugeben: wir übersetzen mit »gehören«, obwohl das eine etwas engere Bedeutung hat als es der Intention Ockhams entspricht. C. 23 q. 7 c. ι (Friedberg I, 950) = Augustin, Sermo 93, 12, 50 (MPL 33, 345): Quamvis res quecumque terrena non recte a quoquam possideri possit, nisi vel iure divino quo cuneta sunt iustorum, (vel iure humano, quod in potestate est regum terrae . . .) Vgl. auch Serm. 153, 6,16 (MPL 33, 665); zum Sinn der Stelle vgl. A. Hamman, La doctrine de l'Eglise et de l'état chez Occam, 109 f. Vgl. ζ. Β. Jakob von Viterbo, De regimine Christiano (ed. Η . X . Arquillière, Le plus ancien traité de l'Eglise, Paris 1926, 242); Aegidius Romanus, De eccles. potestate I I 7 (ed. R. Scholz, Weimar 1929, photomech. Nachdruck Aalen 1961, 74 f.); zu den Kanonisten vgl. besonders W. Ullmann, Medieval Papalism, London 1948, 1 2 $ — 1 5 7 : Ein früher Vertreter des radikalen Standpunktes ist der Engländer Alanus Anglicus. Zu seinem Apparat Jus naturale vgl. bes. S. Kuttner, Repertorium, 67—75; jetzt auch Α. M. Stickler, Alanus Anglicus als Verteidiger des monarchischen Papsttums in: Salesianum 21, 1959, 346—406, zu dem App. Jus naturale bes. 348—350, 371 ff. Hier heißt es zu C. 24 q. 1 c. 39 (sed, istud, wir zitieren nach Ms. Paris Bibl. Mazz. 1 3 1 8 , f. 297 vb sq., d. h. der Redaktion von ca. 1202, vgl. Stickler, 373): Bene solvit Gratianus : Generaliter autem est tenendum quod apud haereticos vel alia ratione ab ecclesia per maiorem excommunicationem separates non est aliqua iurisdictio, nec ecclesiastica . . . nec civilis . . . Unde si talis aliquis

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Die Anfänge der politischen Theorie Ockhams

gläubigen Katholiken unter der Leitung des Papstes waren, so daß kein »wahres« dominium außerhalb der Kirche denkbar wäre238. Ockham hat diese Lehre später im größeren Zusammenhang der Legitimität weltlicher Verfügung und Herrschaft auch bei den Ungläubigen immer wieder erbittert bekämpft237. Im Opus XC Dierum allerdings beschäftigt er sich allein an dieser Stelle (soweit wir sehen) mit diesem Text und interpretiert ihn, ohne polemische Spitze, nur gleichsam im Vorbeigehen. Ob er sich seine Implikationen noch nicht vergegenwärtigt hatte?

236

237

sententiam aliquam protulerit sive diffinitivam, sive excommunicationis sive praeceptionis, ipso iure non tenet nec est tenenda, ut hic, sive in causa civili sive in criminali sive s p i r i t u a l i . . . (erst wenn ein katholischer iudex den Satz bestätigt, ist er gültig; allerdings:) debet earn confirmare, si viderit quod secundum iuris ordinem lata e s t . . . De illis qui nequaquam fuerunt in ecclesia ut // f. 298 ra// sunt Saraceni, an jurisdictionem habeant magis dubium est, et dicunt magistri fere omnes, quod habent. Ego autem contra. Puta autem universaliter, quod extra ecclesiam catholicam nulla sit iurisdictio vel gladii potestas. Certum est tarnen quod ipsi quedam iura observant, quibus nos utimur cum eis contrahendo (!!). — Diese Anschauungen dürfte Stickler mit seiner Interpretation des »gladius materialis« bei Alanus nicht mehr decken können! (Der Text ist bei ihm nicht erwähnt.) — Vgl. dagegen etwa 40 Jahre später die relativ gemäßigte Position Innozenz' IV., Commentarli ad X, 3, 34, 8 (ed. Frankfurt/Main 1570, f. 429 vb—430 vb); und die wiederum sehr viel schärfere Zuspitzung bei dem Hostiensis, Lectura ad X, 3, 34, 8, nr. 14 fï. (Venedig i j 8 i , III, f. 128 va—b). Vgl. zum letzteren auch den Traktat Rex pacificus aus der Zeit Philipps des Schönen, bei P. Dupuy, Histoire du différend d'entre le pape Boniface VIII. et Philipe le Bel, Roy de France, Épreuves, Paris i 6 j j ( = photomedi. Nadidr. Tucson 1963), 669: Quidam enim dixerunt, dominum Papam esse dominum omnium non solum in spiritualibus, sed etiam in temporalibus. Et istius opinionis multum adhaesive fuit dominus Host. . . . Material stellt zusammen: J. A. Watt, The Use of the Term »plenitudo potestatis« by Hostiensis, in: Proceedings of the 2nd International Congress of Medieval Canon Law (wie oben Kap. IV Anm. 126), 161—187, vgl. 204—206. W. Kölmel nennt dieses Theorem mit einem unschönen und sprachlich nicht zu rechtfertigenden Ausdrude »soliustistisdi« z.B. in: W. Ockham, 23, 216, 243 Α. ι, 240 Α. 24 u.ö., vgl. audi seine Aufsätze, z.B.: Über spirituale und temporale Ordnung, FS 36 (19J5), 171 £F.; oder: Einheit und Zweiheit der Gewalt, H J b 82 (1963), 138 f. (zur Haltung des Augustinus Triumphus); oder: Potestas und Paupertas, FS 46 (1964), 70 ff. (zur Haltung des Alvaro Pelayo). — Kölmel versudit, aus neueren christologisdien Thesen die Berechtigung des Theorems zu zeigen, ohne seine Durchführung verteidigen zu wollen. Nun kommt es aber — gerade in der Theologie — entscheidend auf die Nuancen an, und es ist wohl richtiger, hier die Folgerungen als die eigentliche Intention der kurialistischen Theologen aufzufassen statt solche hineininterpretierte Motivationen. Vgl. G. de Lagarde, Défense, 213 Α. 88: »Le texte a tourmenté Ockham.«

lus poli« und »ius fori«

497

Jedenfalls meint Ockham, der Ausdruck »esse alicuius« bezeichne zunächst das, was jemandem zugehört, weil er dessen wert ist. »Nach Würdigkeit und Verdienst« gehört alles den Gerechten; denn Gott hat alles allein um der Gerechten willen geschaffen. Der Sünder ist nicht einmal des Brotes wert, das er ißt. Darum also konnte Augustin jenen Satz prägen238. Mehr ist an dieser Stelle nicht gesagt — erst später, im Breviloquium239, wird Ockham den Gedanken vertiefen. Augustin sprach von den »Gerechten« und nicht von den »Gläubigen«240. »Gerecht« aber wird der Sünder in der Rechtfertigung durch die »gratia gratum faciens«241. Wer nicht in diesem Sinne, als Gerechtfertigter, gerecht ist, der ist, ob er nun rechtgläubiger Christ ist oder Heide, des dominium über die Güter nicht wert. Jeder, der eine Todsünde begeht, wird sofort — ohne daß er damit von der fides auch nur ein Jota weichen müßte, seines dominium »unwürdig«, denn er »verdient« dieser Sünde wegen nicht allein, das dominium zu verlieren, das er besaß oder besitzt, sondern darüber hinaus mit ewiger Verdammnis bestraft zu werden242. Wenn Gott einem Sünder, weil er ein Werk tut, das — soweit es in seinen Kräften steht — gut ist, mit zeitlichen Glücksgütern 238

C . 6 5 ( 5 7 J f., 1 1 6 ff.): . . . res temporales dicuntur esse aliquorum ex meriti dignitate; et isto modo omnia sunt iustorum, hoc est: iusti digni sunt omnia possidere; et isto modo nulla res temporalis est impii, quia impius non est dignus etiam pane quo vescitur. E t ideo, quia Deus omnia fecit propter iustos, dicitur quod aliquo modo omnia sunt iustorum ex iure divino, sicut dicit A u g u s t i n u s . . . (vgl. oben A n m . 2 3 4 ) hoc est cunctis terrenis iusti soli sunt digni.

23'

Auch in III Dial. II i. 2 7 (f. 2 4 5 rb, p. 9 0 0 , 1 2 ff.) bleibt Ockham knapp, vgl. aber Brev. III 1 2 (Scholz, 1 3 2 ff.). Brev. III 1 2 ( 1 3 2 , 2 3 — 2 j ) : Verba enim illa non proferuntur generaliter de fidelibus sive veteris legis sive nove, sed specialiter loquuntur de iustis, quia non dicit, >cuncta fidelium suntcuncta iustorum suntquod omnes tangit< in Bracton, Traditio 4 (1946), 197—2JI, hier bes. 223 A. 125 f. (jetzt in G. Post, Studies in Medieval Legal Thought, Princeton Ν. J. 1964, 199 f.). Vgl. z.B. auch die oben, Kap. III, Anm. 160 ff. (bes. Anm. 170) dargestellte Position Walter Chatton's, für den eine juristische Person als bloße persona repraesentata bestimmt audi ein undenkbarer Begriff gewesen wäre. — (Die Quaestio Chatton's konnten wir nur in ihren Fassungen vor Quia quorundam benutzen!).

·· Im OND c.6 (OP I, 371, 3 0 - 3 7 3 . i ) ; c. 62 (OP II, J 7 é f f . , 1 9 7 - 2 7 4 ; 579, 280—285); audi später häufiger: vgl. Epistola (OP III, 9, 1. 29—io, 1. 3);

508

Ansätze zum Kirchenbegriff des Dialogus im Opus X C Dierum

Thesen erscheinen ihm »ita ridiculosa ut nequaquam improbatione, sed risu indigeant«270. Trotzdem, da sie nicht allein lächerlich sind, sondern »nach offenbarer Haeresie klingen«271, widerlegt sie Ockham ausführlich. Marchias Text hat er dabei benutzt272, ohne ihm durchwegs zu folgen. Es ist ein Irrtum, den Orden der Franziskaner als eine bloße »persona repraesentata et imaginaria« zu begreifen, denn wäre dies richtig, so müßte aus dem gleichen Grund audi die Kirche und jede andere menschliche Gruppe als solches Phantasiegebilde, das keine Entsprechung in der Wirklichkeit hat, aufgefaßt werden. Wäre aber die Kirche etwa solch ein pures Phantasiewesen, so könnte sie auch keine »iurisdictio« haben — und das zu behaupten wäre blasphemisch. Entspricht aber dem Begriff der Kirche in der Wirklichkeit etwas, so muß das entweder ein singuläres Einzelding oder es müssen mehrere Dinge sein; auf keinen Fall aber kann sie dann eine bloße Phantasieperson sein, denn weder ein Einzelding noch mehrere Einzeldinge entsprechen einem Phantasiegebilde273. Contra Joh. c. 24 (OP III, 102, 27—103, 12); Contra Ben. I 8 (OP III, 189, 2 6 — 1 9 1 , 39); Comp. Errorum, c. 4 (p. 962, 44—56); O Q V I I I 7 (Sikes, O P I, 212, ι — 1 4 ) ; Imp. Pont. pot. c. 27 (ed. W. Mulder, A F H 17, 1924, 81). Auf die Wichtigkeit dieser Widerlegung haben G . de Lagarde (L'idée de réprésentation dans les œuvres de Guillaume d'Ockham, in: Bulletin of the International Committee of Historical Sciences 9, 1937, 436—440) und L. Baudry, (Le philosophe et le politique dans Guillaume d'Ockham, in: A H D L 1 . 1 2 , a. 14, 1939, 211 ff.; und L'ordre franciscain . . . MS 27, 1965, 188—190) besonders aufmerksam gemacht. 270 So fast an allen der eben bezeichneten Stellen; das Zitat in O N D c. 6 (OP I, 371, 31 f.) — N u r in der Epistola, und den O Q beschränkt er sich auf die Charakteristik »fantasticus« — im Comp. Err. gibt er keine Qualifikation. Unvermindert scharf dafür in seiner letzten Streitschrift, Imp. Pont. Pot. c. 27 (Mulder, 81): errores fantastici et irrationales sommiis, magis derisione quam improbacione digni 2 7 1 So die Epistola (OP III, 9, 29 f.): . . . quaedam, quae fantastica mihi videntur, et tarnen haeresim sapiunt manifestam, a s s e r i t . . . (Der Haeresievorwurf bezieht sich auf den Kirchenbegriff). 172 Vgl. O N D c. 6 (OP I, 372, 2 2 — 2 6 ) . . . dicunt, quod interdum unicus usus facti, sicut unus actus comedendi vel bibendi, non requirit unicam personam, sed plures personas, sicut de tractu navis, quae non unicam personam sed multas personas veras requirit, et ita omnis actus requirit veram personam et hoc vel unam vel plures. In diesem Referat der Improbado vgl. oben Anm. 26j) verkürzt und präzisiert Ockham die Ausdrucksweise Marchias. 273 C. 62 (568, 206 ff.) . . . si ordo Fratrum Minorum est persona repraesentata et imaginaria, eadem ratione ecclesia et quaelibet communitas esset persona repraesentata et imaginaria: quod est absurdum. Quod enim est tantum repraesentatum et imaginarium, est fantasticum et non est in re extra animam. Sed ecclesia non est quid fantasticum non existens extra animam

Kollektive Einheit

509

Ockham weist also (auf der Grundlage seiner Theorie über die Geltung unserer Begriffe) das juristische Kunstwort zurück. Zwar kann sich der Mensch Phantasiebegriffe bilden, die wie der »hircocervus« oder die »chimaera« reine Gedankenwesen sind, aber wahre Aussagen über solche nichtseiende Gegenstände sind unmöglich274. Dem gegenüber läßt sich aus der Heiligen Schrift und den Cánones der Kirchenväter zeigen, daß ausdrücklich Gruppen, wie der Kirche, einem Konzil, einem Volk, einer Menschenmenge, einem Königreich und dergleichen, reale faktische Akte zugesprochen werden. In gleichem Maße aber können sie auch dem Minoritenorden zukommen275. . . . Confirmatur: quia aut ecclesia est extra animam, aut in anima tantum, aut aliquid compositum ex ente in anima et ente extra animam. Si est in anima tantum vel aliquid compositum ex ente in anima et ente extra animam, ergo nullum reale nec iurisdictionem realem potest habere: quae dicere de ecclesia est impium et blasphemum. Si autem ecclesia est extra animam, vel ergo est una res vel plures; et sive sit una sive plures, non est persona repraesentata et imaginaria, quia nec una res est persona imaginaria, nec plures res sunt una persona repraesentata et imaginaria. Ecclesia ergo non est persona repraesentata et imaginaria, et eadem ratione ordo Fratrum Minorum non est persona repraesentata et imaginaria. — Vgl. c. 6 (OP I, 372, 6 ff.): . . . quia illud, quod potest habere actum realem, non est persona imaginaria et repraesentata. Sed ecclesia est quaedam communitas quae multos potest actus reales exercere; habet ecclesia iurisdictionem magnam per quam potest iudicare inter litigantes, res ecclesiae defensare et multa alia facere, quae personae imaginariae et repraesentatae convenire non possunt. — Die gleiche Argumentation in Contra Ben. I 8 (OP III, 191, 5—10). 274 Vgl. oben Kap. II, S. 235. — zu »Chimaera« und »hircocervus« vgl. bes. Quaest. Phys., q. 3 (ed. F. Corvino, RCSF 10, 19 j$, 278 ff.) in der Diskussion der Argumente »contra« z. B. die Exposition (278): Sed contra: Chimaera et hircocervus et huiusmodi sunt imaginabilia ab intellectu et sunt conceptus, et tarnen non sunt qualitates mentis, quia si sic, verum essent in rerum natura, sicut homo vel populus vel exercitus. — Und dann in der Antwort die Unterscheidung (279): Sed tunc una res non dicitur magis figmentum quam alia, quia una sit res positiva et alia non, sed quia uni non correspondet aliquid in re, quale denotatur sibi correspondere; et isto modo ista vox »mons aureus« dicitur figmentum, quia sibi non correspondet mons aureus in re et ita est de omnibus aliis. 275 C. 62 (568 f., 225—256):... si ea, quae sunt facti, ordini nequeunt convenire, eadem ratione ea, quae sunt facti, nulli communitati vel collegio possunt convenire et per consequens... nec ecclesiae, nec concilio generali, nec congregationi fidelium, nec populo, nec turbae, nec plebi, neque civitati, regno vel cuicunque alii universitati aut communitati poterunt convenire, quod scripturae sacrae et sacris canonibus ac doctrinae sanctorum noscitur repugnare . . . (folgen zahlreiche Belege)... Ex hiis aliisque innumerabilibus auctoritatibus et sacris canonibus luce clarius constat, quod ea, quae facti sunt, possunt ecclesiae, concilio, synodo, populo, multitudini, communitati et collegiis convenire.

510

Ansätze zum Kirchenbegriff des Dialogus im Opus X C Dierum

O c k h a m geht noch weiter. E r greift die juristische Konstruktion einer »persona repraesentata« überhaupt an. E i n e m Phantasiegebilde kann streng genommen auch kein »ius« zukommen, da jedes »ius« — als rechtliche Befugnis — einem realen A k t entspricht: w e m ein faktischer A k t nicht zukommen kann, der kann aber a fortiori auch keinerlei »ius« besitzen, so daß sich Johannes mit seiner These selber widerspricht 2 7 6 . W e n n also der Franziskanerorden keine Phantasieperson ist, auch keine einzelne wirkliche Person, so ist deutlich, daß dieser Begriff nichts anderes meint als eine A n z a h l v o n w a h r e n Personen. E i n d r a stisches Beispiel verdeutlicht das. A u c h eine H e r d e v o n Schweinen ist kein bloßes Phantasiegebilde, ebenso w e n i g eine S t a d t oder die Gemeinschaft der Gläubigen 2 7 7 . W e n n P a p s t N i k o l a u s sagte, der » O r d e n « habe einen Gebrauch, so heißt das nichts anderes, als daß die Minderbrüder diesen Gebrauch haben, quia fratres sunt ordo. Sicut enim secundum apostolum a d Hebraeos I I I . [ 6 ] fideles sunt 278

C. 62 (569, 2J7—263): Quartus error, ut dicunt, est quod, licet ordini non possint convenire ea, quae sunt facti, ei tarnen convenire possunt ea quae sunt iuris. Hoc enim dicunt esse erroneum. Quia omne ius ad actum aliquem ordinatur. Cui ergo illud, quod facti est, convenire non potest, nec illud, quod iuris est, eidem poterit convenire . . . — c. 6 (372, 14—18): Hoc etiam, ut dicunt, dictis istius impugnati répugnât, nam in constitutione sua Quia quorundam asserit manifeste, quod Ordo Minorum in rebus quibus utitur habet ius utendi; sed ius utendi non potest personae repraesentatae et imaginariae convenire, ergo Ordo Minorum non est persona imaginaria et repraesentata. — Vgl. Contra Ben. I 8 (OP III, 190, 39—191, 5). — Zum »ius« vgl. die Definition oben Anm. 75 ff. — Zu dieser Argumentation vgl. audi die Kritik Gierkes am fiktiven Reditssubjekt (Genossenschaftsrecht III, 366). — G. de Lagarde (Bull. Int. Comm. Hist. Sc. 9, 1937, 439 A 3 ) bemerkt: »Cet argument est particulièrement vigoureux var il atteint la théorie de la fiction au point sensible . . . « — das gilt aber nur wenn die Einschränkung des Bartolus (oben Anm. 266) nicht beachtet wird, nach der diese Fiktion nidit »realiter, vere, et proprie« (also um mit Ockham zu sprechen, »de virtute sermonis«) gedacht ist. Von einer solchen Einschränkung gibt das Argument des Papstes allerdings nidit die leiseste Andeutung.

277

C. 6 (OP I, 372, 27—373, 5): Cum vero dicit quod communitas non gerit veram personam, dicunt quod communitas non est una vera persona, sed est plures verae personae. Unde populus est multi homines congregati in unum, sicut communitas fidelium est multi fideles unam fidem profitentes. Et ideo cum dicit quod communitas gerit personam imaginariam seu repraesentatam, dicunt quod istud est ridiculosum, quia communitas non est aliquid fantasticum, nec imaginarium, sed est verae personae, sicut grex porcorum non est aliquid fantasticum, nec civitas est aliquid fantasticum aut fictum, sed est vere [lies: verae] res plures, non unica.

Kollektive Einheit

511

domus Dei... ita fratres sunt ordo et ordo est fratres . . . ordo est verae personae reales278. Ockham unternimmt seine Analyse der Struktur des Franziskanerordens, indem er prüft, was eine Gruppe von Menschen überhaupt sein kann: »eadem ratione«, mit derselben Begründung, müßten alle Gruppen als Phantasiewesen gedacht werden, hätte Johannes X X I I . mit seiner Argumentation recht279. Eadem ratione wären ein Volk, ein Heer, eine Stadt etwa einerseits und die Kirche andererseits eine bloße »persona imaginaria et repraesentata«. Der erste Vergleich läßt uns auf das zurückgreifen, was Ockham in seinen philosophischen Schriften zur kollektiven Einheit, die in solchen Begriffen gefaßt ist, zu sagen hatte. Der zweite Vergleich weist voraus auf spätere Erörterungen im Dialogus. In seiner »akademischen« Zeit hatte Ockham die kollektive Einheit (eines »populus« etwa) nicht ausdrücklich untersucht280. E r hatte den Begriff nur dann als sinnfälliges Beispiel herangezogen, wenn er das Wesen der Einheit in einem compositum abstrakter A r t verdeutlichen wollte, etwa die Einheit von Materie und Form 2 8 1 oder 278

C. 62 (p. J69, 267—273) — aus dem Abschnitt »ad litteram«; vgl. ibid. (p. 570, 280ff.): Ordo autem vera persona non est: Verum est quod ordo non est unica vera persona sed est verae personae, sicut populus non est unus homo sed est plures homines . . . ordo est verae personae sicut ecclesia est verae personae. — Nach diesen Texten ist audi Mulders Ausgabe wie folgt zu berichtigen (Imp. Pont Pot. c. 27, A F H 17, 1924, 81): . . . quod non sit (seil, ordo) persona ymaginaria et repraesentata, sed est ver[a]e persona [e], quamvis non sit una persona sola . . . Hinc beatus Augustinus... (C 24 q. ι c. 2 0 ) . . . ut ipsi eciam sint eadem domus, que dicitur edificari super petram, supra quam non edificatur persona ymaginaria et representata, sed ecclesia, quae vera[e] persona[e] est, de qua dixit Christus ad Petrum: Super banc . . . (Mt. 16, 18). Die Mss. bestätigen bezeichnenderweise nur jeweils eine dieser Emendationen: Τ (f. 268 ν) die erste u. D (f. 10 va) die zweite, während D im ersten Fall aus »-e« in persona »verbessert«. 278 Zu »eadem ratione« vgl. audi die Erläuterung Ockhams zum Begriff des »eiusdem speciei«, der Gleichartigkeit, in Quaest. phys., zitiert oben, Kap. II, Anm. 268 ff., spez. 274; Außerdem vgl. das von Guelluy so betonte Prinzip der Analyse: »non est maior ratio« in den philosophisdien Schriften (Philosophie et théologie, passim, bes. 3J9), ein Prinzip, das auch Marchia in der Auseinandersetzung mit Johannes X X I I anwendet, vgl. z. B. Improbado, Ms. cit., f. 2 vb. 280 Vgl. d¡ e Zusammenstellung der Texte bei L. Baudry, A H D L t. 12, a. 14 (1939), 212. — Außerdem vgl. die Analyse bei G. Martin, Wilhelm von Ockham, passim, spez. 228—243 (hier zu »populus«, etc. 229 ff., 239). 281

So in den von Baudry zitierten physikalischen Schriften: vgl. bes. Summ, phys. I 25 (p. 29 b—31 a).

512

Ansätze zum Kirchenbegriff des Dialogus im Opus X C Dierum

die Einheit einer wissenschaftlichen Disziplin 282 . Immer hatte Ockham unterstrichen: »populus est homines«283. Die Einheit dieser Vielheit ist nichts, was den einzelnen »besonderen Dingen« zu ihrem jeweiligen Sein nodi hinzukäme. Der Konnotativbegriff begreift mehrere Seiende in ihrer konkreten Einheit. Man hat aus diesen Thesen zu Unrecht gefolgert, Ockham könne solche Einheiten nicht anders denn als regellose Anhäufung von einzelnen Dingen denken, und hat den »atomisierenden« Zug seiner Analyse kritisiert284. Dabei hat man aber die Pointe von Ockhams Polemik nicht beachtet, die sich gegen eine Übersteigerung der »realistischen« Auffassung der Relationsbegriffe richtete. Ockham sagt dort, wo er sich mit dem Begriff einer solchen Einheit ausführlicher auseinandersetzt285, fast immer ausdrücklich, daß die in dieser Einheit begriffenen besonderen Dinge durch ihren »determinatus ordo« erst zu dieser Einheit werden. Die Ordnung ist nur nicht etwas den Dingen selbst äußerliches; als sie selbst bilden sie die Einheit in einem »certus ordo«. So läßt sich auch das Universum als Ordnung der göttlichen Kreaturen von den einzelnen Geschöpfen Gottes nicht trennen. Jedoch auch ohne daß der Begriff »Ordnung« 282 v g l . populus est homo< vel >populus est animal vel ensuniversum esse unum< est partes sic ordinari, non quod ordo vel unitas sit aliquid in re distinctum ab omni parte et ab omnibus partibus universi — sic enim esset procedere in infinitum. — . . . tarnen ista intentio >unitas< vel >ordo< vel conceptus in anima relativa est, sine quo tamen conceptu nihil minus est unum vel ordinatum . . .

287

Summ. phys. l mines dicuntur multi homines numero. íes y g L o b e n A n m .

i

(p. 2 a/b, zitiert K a p . II, A n m . 4 2 6 ) : . . . sicut multi hounus populus propter determinatum ordinem inter se, et ad unum regem [seil, ordinati] dicuntur unum regnum

280.

288

D a s gesteht audi Ph. Boehner, C o l l . A r t . , 2 1 , in seiner Bemerkung zu M a r tins Untersuchung implizit zu.

280

O N D c . 2 7 ( O P I I , 4 8 7 , J 3 ff.; 4 8 9 f., i j 9 f f . ) ; c. 88 (661 f., 3 2 9 ff.); vgl. I D i a l . V 5 (f. 37 ra, p. 4 7 6 , 4 — 1 0 ) ; B r e v . I I I 15 (Scholz, 1 3 9 ) .

33

M i e t h k e ,

Ockham

514

Ansätze zum Kirchenbegriff des Dialogus im Opus X C Dierum

andererseits einer Mehrzahl von Personen, sondern das dominium proprium ist dadurch ausgezeichnet, daß eine Sache derart einem bestimmten Menschen zu eigen ist, daß sie ohne eine ausdrückliche Willenserklärung des Besitzers niemand anderem zur Verfügung steht281. Bei einem dominium commune dagegen steht das V e r f ü gungsrecht der communitas zu (bzw. ihren praelati), und wenn die Gemeinschaft zeitweilig nur aus einem einzigen Menschen besteht, so hält er nur den Platz f ü r diejenigen Glieder, die später hinzu kommen mögen. Z w e i Beispiele machen das deutlich. Gründet ein reicher Mann ein Kloster und beschenkt es mit reichem Besitz, so erwirbt der erste Mönch, der dort eintritt, keineswegs ein persönliches Eigentum am Klostergut, denn jeder, der hinzukommt, erhält dieselben Rechte, ohne daß eine gesonderte Übertragung in einem Rechtsgeschäft (contractus) nötig wäre 282 . Das gleiche gilt auch für den Fall, daß alle Mönche eines Klosters »praeter unum« sterben oder gewaltsam umkommen: der Uberlebende behält nur ein » aliquale dominium«, das dem dominium commune entspricht283. Die Gemeinschaft lebt in ihrem einzigen überlebenden Gliede fort, und damit bleibt der Bezug zu anderen Gliedern virtuell in dem einzelnen vorhanden 294 . Ockham formuliert schließlich im Breviloquium 291

OND c. 27 (487, 58 ff.) Non ergo dicitur >dominium propriumpropriumdecernens< zu lesen] inter unum officium sibi commissum et aliud beatum Petrum vicarium suum instituit.. . Ergo Christus quantum ad omne officium, quod habuit inquantum homo respectu subditorum suorum, beatum Petrum vicarium suum instituit...

526

Ansätze zum Kirchenbegriff des Dialogus im Opus X C Dierum

in diesen beiden Beweisgängen in knappen Umrissen einmal ein Vorentwurf zur Theorie irdischer Herrschaft, wie sie Ockham später, im zweiten Traktat des dritten Teils des Dialogus ausführen sollte (allerdings hier noch auf den rex, nicht auf den imperator bezogen), andererseits führt er im zweiten Beweisgang bereits im Ansatz jene Lehre der kasuellen Interaktion von spiritualer und temporaler Gewalt innerhalb der Christenheit ein, die er später so minutiös ausarbeiten sollte. Christus, der gekommen ist, um das Himmelreich seinen Gläubigen zu geben, hat nicht die irdischen Herrscher in ihrem Besitzstand schmälern wollen. So singt es die Kirche am Epiphaniasfest 337 , so hat es Christus selbst vor Pilatus bekannt. Die Römer, die zur damaligen Zeit in Palästina die Herrschaft ausübten, waren zwar eifersüchtig auf ihre weltlichen Ansprüche bedacht, um das (geistliche) Recht der Juden aber scheinen sie sich — wie aus der Apostelgeschichte gezeigt werden kann — nur wenig, ja allzu wenig gekümmert zu haben. Wenn die Juden Christus nur angeklagt hätten, er beanspruche Gott zu sein oder ein »König« in einem nicht zeitlichen Sinn, so hätten sie Pilatus nicht zum Einschreiten gegen ihn veranlassen können; denn Pilatus hätte dann ihre Anklage für »frivol« gehalten, weil er erkannt hätte, daß Christus nichts gegen den Caesar oder gegen die »pax publica temporalis« unternommen hatte338. Der primäre Zweck der weltlichen Ordnung, so deutet Ockham hier an, ist also die Wahrung der zeitlichen »pax publica« ; 337

C . 9 j (p. 7 1 8 , 94 ff.): Nach einem Beleg aus der Glossa Ordinaria zu Joh. 18, 3 6 : Hiis concordat Ambrosius in hymno Epiphaniae dicens: >Hostis Merodes impie, Christum venire quid times? N o n arripit mortalia, qui regna dat caelestia!< Diesen Hymnustext, den man audi in Michaels Appellation von 1 3 3 0 (f. 1 9 1 r) und in Michaels »Littera deprecatoria« (ed. M . Goldast, Monarchia II, p . 1 3 4 8 , 6 — 8 ) findet, hat Ockham immer wieder angeführt: vgl. De caus. matr. ( O P I , 278, 2 2 ) ; Brev. I V 8 (Scholz, 1 5 7 , 1 7 f.); O Q II 6, II 15 ( O P I, 8 1 , 6 f., 97, 1 1 ) ; I I I Dial. I I iii 23 (Streitsdir.il, 3 9 4 ) ; Imp. Pont. Pot. (Streitschr. II, 459) — Es handelt sich um eine Strophe aus einem Hymnus des Coelius Sedulius: vgl. die Nachweise in A p p a r a t bei H . S. Offler, O P I, 278, O P II, 7 1 8 ; R . Scholz, Brev., 1 5 7 ; J . G . Sikes, O P I, 8 1 .

338

C . 93 (677, 2 6 6 — 2 9 1 ) . Die Rekonstruktion einer historischen Situation, in diesem Falle des Prozesses Jesu vor Pilatus (nach dem Johannes-Evangelium) ist von bemerkenswerter Klarheit — die Heranziehung von Parallelen aus dem Prozeß des Paulus vor Festus nadi der Apostelgeschichte zeigt ein geschärftes historisches Bewußtsein, wie es Ockham auch sonst beweist.

Regnum Christi: die Kirche und die zeitliche Gewalt

527

der C a e s a r u n d seine B e a m t e n (nuntii) sorgen f ü r diese bürgerliche R u h e , das ist ihre H a u p t a u f g a b e 3 3 9 . D i e R ö m e r jedenfalls traten nur d a n n in A k t i o n , w e n n ihr A n s p r u c h auf das » d o m i n i u m o m n i u m r e g n o r u m « in F r a g e stand, d. h. w e n n j e m a n d sich z u m

König

a u f w a r f , ohne seine (weltliche) M a c h t v o m römischen C a e s a r a b z u leiten 3 4 0 . C h r i s t u s aber h a t nicht allein v o r Pilatus zu

erkennen

gegeben, d a ß er sein K ö n i g t u m nicht in diesem — f ü r die R ö m e r allein relevanten — S i n n v e r s t a n d , er h a t sich auch selbst niemals in die B e l a n g e eines irdischen K ö n i g s eingemischt: » Q u i a

ñeque

tenebat p a r l i a m e n t a et curias, ñeque de rebus temporalibus iudicabat, neque de m a l e f a c t o r i b u s iusticiam f a c i e b a t , neque e x p u g n a v i t hostes, neque militibus stipendia tribuebat, neque alia, quae

ad

regimen pertinent saeculare, aliqualiter exercebat« 3 4 1 — eine k n a p p e Beschreibung der königlichen T ä t i g k e i t , zugespitzt auf die jurisdiktionelle Seite u n d die militärische A u f g a b e des Herrscheramtes 3 4 2 . A u d i die A u f g a b e der weltlichen H e r r e n ist repressiv, w i e

das

E i g e n t u m positiven Rechtes 3 4 3 — eine genauere A n a l y s e gibt O c k h a m im Opus

339

340 341

342

343

XC

Dierum

nodi nicht.

Allerdings schreibt Ockham, sie kümmerten sich »parum« um die Lex Judaeorum. Damit kritisiert er diese Indifferenz des weltlichen Regiments gegenüber dem geistlichen Bereich. C. 93 (677, 292—29 $, vgl. audi 702 f., 1. 1301 fi.). C. 93 (681 f., 436—482, Zitat 440—444). Es folgen drei »auctoritates«, die den rein spiritualen Charakter von Christi Königtum bezeugen. Ockham entnimmt sie wiederum aus Michaels Appellation bzw. aus Marchias Improbado — ein Argument wie das hier angeführte, findet sich allerdings bei diesen beiden nicht. Diese beiden Seiten werden für Ockham audi später den Charakter des weltlichen Herrscheramtes bestimmen: Ockham erörtert die Weltkaiseridee an dem Problem der einheitlichen Jurisdiction (vgl. I I I Dial. II i 1 — 1 3 ) . Die militärische Seite des Amtes (Exercitus facit imperatorem) wird später allerdings hauptsächlich durch den »defensio«-Begriff interpretiert. — Die legislatorisdie Gewalt, die etwa Marsilius von Padua so stark unterstreicht (vgl. dazu zuletzt S. Gagner, Studien zur Ideengeschidite der Gesetzgebung, Stockholm—Uppsala—Göteborg i960, 73 f., 1 2 1 ff., u. ö.), spielt bei Ockham nur eine sehr geringe Rolle. Eine explizite Parallele zwischen beiden findet sich erst im Brev. Im O N D und in I Dial, stellt Ockham die Jurisdiktion und das dominium (im Sinne der »proprietas«) noch nebeneinander, und untersucht auch nicht ihre verwandte Struktur. Vgl. O N D c. 93 (690, 790 f.) Porro, quia inter >regere< et >dominari< sive >dominium< et >proprietatem temporalium rerum habere< differentia i n v e n i t u r . . . Über den Inhalt dieser Differenz wird nichts gesagt. Die Verbindung von >divitiae< und politischer Macht wird mehrmals als evident angeführt, ohne entwickelt zu werden. (Vgl. z. B. c. 93,

528

Ansätze zum Kirchenbegriff des Dialogus im Opus X C Dierum

Christus, der selber nichts mit weltlicher Herrschaft zu tun hatte und auf alles Eigentum verzichtet hatte, hat Petrus, als er ihn zu seinem V i k a r einsetzte, keinerlei Rechte gegenüber dem weltlichen Ordnungsgefüge zugesprochen. E r hat ohne Frage Petrus als seinen V i k a r eingesetzt und hat bei diesem V i k a r i a t nichts und niemand ausgenommen 344 , aber der Apostel hat niemals eine Jurisdiktion über die Ungläubigen besessen, wie Paulus »in persona omnium prelatorum ecclesiae« es klar ausgesprochen hat (I. C o r . 5, 12) 3 4 5 . Auch die Päpste haben, obwohl sie dodi als Petri Nachfolger alles Recht, das Christus diesem einräumte, voll ausüben können, weder über den römischen Kaiser, noch über die anderen Herrscher der Welt die irdische Oberhoheit (jurisdictio temporalis) 348 zu beanspruchen. D a s läßt sich aus dem kanonischen Recht 347 und aus Bernhards von C l a i r v a u x De consideratione ad Eugenium Papam348 klar belegen. Gegen diese Zeugnisse kann die Liste von Cánones 349 , die die

344

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p. 699, 1. 1175 f.). Audi in I Dial. V I 8 (f. 54 va—b, p. $13, 45 ff.) wird das genaue Verhältnis von jurisdictio und dominium nicht bestimmt. Vgl. oben Anm. 336. C. 93, (686, 644-655). C. 93 (686, 656 ff.). Ockham zitiert den bekannten Beleg für die »dualistische« These: di. 96, c. 6 (cum ad verum), um zu beweisen, daß »Romanus pontifex ex successione beati Petri non habet iurisdictionem temporalem super imperatorem«, um dann die berühmte Dekretale Innozenz' III. Novit (zu ihr vgl. etwa H. Hoffmann, Die beiden Schwerter im Hohen Mittelalter, DA 20, 1964, 102 ff.) zu zitieren, die Ockham aus X , 2, 1 , 1 3 anführt, um zu zeigen, daß »papa super regem Franciae iurisdictionem non obtinet temporalem«. Schon hier ist die charakteristische Argumentation der OQ vorgebildet, die aus dem Verhältnis des Papsttums zu den »regna« das Verhältnis des Papsttums zu dem »imperium« erschließt, wenn auch hier diese Pointe nicht auftaucht, da das Problem des Imperiums gar nicht ins Auge gefaßt ist. Ockham zitiert De consid. I 6 (MPL 182, 736 AB; Bernardi Opera III, ed. J . Leclercq u. H. M. Rochais, Rom 1963,402,11—18), einen Text, den er etwa in Brev. II 12 (Scholz, 76, 3—10) in wortwörtlich gleichem Auszug wieder einrücken wird. Vgl. auch die kürzere Wiederholung in OQ VIII 6 (OP I, 205, 19—22) und in Imp. Pont. Pot. c. 2 (Scholz, Streitschr. II, 457). C.93 (687, I.696—707). Vgl. auch OQ II ι (OP I, 70, 5—25); H. S. Offler verweist darauf, daß bei Johannes Quidort, De potestate regia et papali, c. Ii, bereits dieselben Texte fast in derselben Anordnung auftauchen: vgl. die Ed. von J. Leclercq, Jean de Paris et l'ecclésiologie du XHIe siècle, Paris 1942, ( = L'église et l'état au moyen-âge 5), p. 202, nr. 6, 8, 9, 7 — ebenso vgl. bei Huguccio, Summa, ad di. 96, cum ad verum (c. 6) ; hier zit. nach Ms. Paris B N lat. 3892, f. 103 vb—104 ra (zum Zeitpunkt und zu den Handschriften vgl. S. Kuttner, Repertorium, 155—160. Das Datum ist nach

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Dekretalisten immer wieder zu Gunsten einer päpstlichen O b e r hoheit über den K a i s e r anführen, nichts besagen; denn alle diese T e x t e müssen anders ausgelegt werden, als es die Gegner behaupten. Jener Satz, nach dem Christus an Petrus »terreni simul et caelestis imperii iura« übergeben hat 350 , k a n n nicht meinen, d a ß Petrus die iurisdictio über den imperator empfing, denn das imperium caeleste k a n n nicht die »boni existentes in ecclesia triumphante« betreffen, da Petrus über sie keinerlei H o h e i t (iurisdictio) erlangte. A l s o betrifft das imperium caeleste Petri die Christen (boni) in der »ecclesia militans«, und analog das »imperium terrenum« die Bösen in der »ecclesia militans«, und so bedeutet dieser C a n o n , »quod (Petrus) super bonos et malos in ecclesia militante iurisdictionem habuerit spiritualem« 3 5 1 . Jener P r ä z e d e n z f a l l , die A b s e t z u n g des letzten M e r o w i n g e r k ö n i g s durch P a p s t Zacharias 352 , der schon sehr f r ü h die A u f m e r k s a m k e i t der Kanonisten auf sich gezogen hatte 353 , und der immer wieder z u r Begründung des päpstlichen Anspruches gegen den K a i s e r ange1188 und v o r dem Erscheinen der C o m p i l a d o I a, 1 1 8 7 — 1 1 9 2 , anzusetzen). Schon bei Huguccio findet sich (s. v. imperator gladium non habet ab apostolico) als A r g u m e n t u m contra) diese Liste: »22 di. c. 1 et di. 63, tibi domino (c. 33), in synodo (c. 23); et 1 j q. 6 alius (c. 3), vos sanctorum (c. 4) iuratos (c. 5 ) . . . (usw.) Huguccio vertritt die gegenteilige Auffassung — Alanus Anglicus zeigt exakt dieselbe Liste und entscheidet sich für die Huguccio entgegengesetzte Ansicht: A p p . Jus naturale, ad di. 96, c. 6 (Ms. Paris, Bibl. Maz. 1318, f. 96 va, ed. A . M. Sticker, Salesianum 21, 1959, 361 ff.): — Also wird w o h l Johannes Quidort, ebenso wie auch Ockham, seine Liste aus kanonistischer Sdiultradition genommen haben. V g l . auch I Dial. V I 6 — 9 (f. 54 r a — 55 va, 5 1 2 — 15). 350

Di. 22 c. i (Friedberg I, 73) angeblich ein Brief Nikolaus' II., wahrscheinlich aus Petrus Damiani, Opuse, quint, ad Hildebrandum (MPL 1 4 5 , 9 1 ) ; diesen T e x t hatte Johannes X X I I . in seiner Bulle Si fratrum von 1317 (vgl. oben K a p . III, Anm. 220 f.) zur Begründung des Vikariatsanspruches in Italien angezogen — Ockham widmet diesem Text im Brev. ein ganzes Kapitel: V I ι (Scholz, 1 9 4 — 1 9 7 ) . Ebenso in III Dial. II i 19 (f. 239 v a — 2 4 0 ra, p. 887 f.); vgl. audi die knappen Bemerkungen in O Q II 7 ( O P I, 84, 4 — 2 1 ) . Ockham hat im Laufe der Zeit seine Argumentation erweitert und bietet neben der im O N D gegebenen Interpretation noch weitere Deutungsmöglichkeiten an, an der Grundthese ändert sich nichts Wesentliches.

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C . 93 (688, 1. 7 1 2 — 7 2 3 , Zitat, 1. 722 f.). Berichtet in C 15, q. 6 c. 3 (Alius). V g l . z. B. Huguccio, Summa ad i j q. 6, Alius (3), zitiert bei S. Mochi-Onory, Fonti canonistiche, 15 5 f. Α . 2 — vgl. audi die Erläuterung von H . Barion, in Z S R G 77, K A 46 (i960), 494 ff. — die Verbesserung des Textes, die Barion aus Clm. 10247, f. 187 V anbringt, bestätigt sich in Ms. Paris B N lat. 3892, f. 228 va).

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34 Miethke, Otkham

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Ansätze zum Kirchenbegriff des Dialogus im Opus X C Dierum

wandt worden ist, läßt sich — nach der Aussage des Opus XC Dierum354 — auf zweierlei Art erklären. Einmal kann gesagt werden, »quod ratione criminis imperator Christianus subest papae, et idem dicunt de aliis regibus«; solche Unterwerfung »ratione criminis«355 aber bedeutet keine temporale Jurisdiction, sondern eine rein geistliche — eine These, die Ockham aber offenbar in seinem Opus XC Dierum noch nicht voll reflektiert hat. Mit gutem Grund wird er später nicht mehr schon das »crimen«, selbst ein »crimen haeresis« des Herrschers, als die eigentliche Grundlage eines päpstlichen Eingriffsrechtes ansetzen; denn dann wäre die scharfe Trennung zwischen spiritualer und temporaler Jurisdiktion nicht aufrechtzuerhalten, die er als fundamentalen Unterschied der beiden Ordnungen ansieht. Ein Delikt nämlich hätte die Unterwerfung unter den Papst zur Folge, von dem es dann abhinge, ob er eingreifen möchte oder nicht. Darum begründet Ockham später das Verhältnis anders. Das Eingriffsrecht des Papstes erwächst zwar mittelbar »ratione criminis«, aber es erwächst nicht aus der konkreten geistlichen Jurisdiktionsgewalt, sondern ist ein devolviertes Recht: erst wenn jene, »ad quos spectat de imperio ordinäre«, ihre Pflicht versäumen, fällt dem Papst ein kasuelles Eingriffsrecht auch in den weltlichen Bereich zu356. Die geistliche Gerichtsbarkeit des Papstes bleibt dabei natürlich ungeschmälert, nur hat eine Kirchenstrafe nicht unmittelbare zeitliche Folgen in der Herrschafts- und Eigentumsordnung. Mit dieser späteren Lösung vermittelt Ockham beide hier in Opus XC Dierum noch hart nebeneinander vorgebrachten Interpretationsmöglichkeiten; denn neben die These der Dekretalisten von der Jurisdiktion des Papstes »ratione peccati« stellt er schon hier eine zweite Auslegungsmöglichkeit, die er ebenfalls aus der kanonistischen Diskussion entnimmt357. Die päpstliche Entscheidung 554

355

358 357

C. 93 (688, I.724—739). Audi hier wieder bietet das Brev. eine sehr viel ausführlichere und differenziertere Erörterung in V I 2 (Scholz, 1 9 7 — 2 0 1 ) ; desgl. I I I Dial. II i 18 (f. 238 vb—239 v a ; p. 885—887); eine knappe Antwort in OQ II 9 (OP I, 87, 13 ff.). Ockham nimmt die Theorie der Kanonisten auf, die seit Innozenz III. das Redit des Papstes, in den weltlichen Bereidi einzugreifen, zum Angelpunkt ihrer Erörterungen gemacht hatten — allerdings betont er sofort radikal und sdiarf den geistlichen Charakter auch dieser Jurisdiktionsgewalt. Brev. V I 2 (198 f.), ebenso I I I Dial. I I i 18. C. 93 (688, I.727—737) . . . licet papa non habeat iurisdictionem temporalem super imperatorem et reges alios, tarnen talem iurisdictionem temporalem habere sibi non r é p u g n â t . . . Et ideo populus — tarn Romanus quam

Regnum Christi: die Kirche und die zeitliche Gewalt

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gegen Childeridi rührt nicht aus der Stellung des Papstes als solcher, sondern bedeutet nur einen Konsens zu dem Urteilsspruch anderer. Ockham zitiert ausdrücklich die Glossa ordinaria (des Johannes Teutonicus), wo s. v. déposait angemerkt war: »dicitur deposuisse, quia deponentibus consensit«358. Das meint, so erklärt Ockham, daß der Papst »auctoritate populi reputantis regem deponendum eundem regem deposuit«, denn jedes Volk, das römische so gut wie irgend ein anderes, kann die »jurisdictio«, die es über den Kaiser oder über den König »in casu noscitur obtinere«, auf den Papst übertragen, der dann zwar nicht aus eigenem Recht eine weltliche Jurisdiktion über den Kaiser oder einen anderen souveränen König (rex non habens personam superiorem) besitzt, dem solche Jurisdiktion aber audi nicht widerstreitet, wenn sie ihm übertragen wird358. In einem solchen Fall nun setzt der Papst den weltlichen Herrscher nicht kraft seines geistlichen Amtes ab, sondern dank der Übertragung einer entsprechenden Vollmacht durch den populus. Auf diese Weise aber kann z. B. auch ein Erzbischof oder Bischof einen König absetzen360. D a ß die Kanonisten die Hauptquelle für diese Auffassung waren 361 , kann nicht zweifelhaft sein. Trotzdem scheint gerade der alius — iurisdictionem tarn super imperatorem quam super regem non habentem personam superiorem, quam in casu noscitur obtinere, potest in personam papae transferre; et tunc auctoritate populi potest imperatorem vel regem deponere . . . ase Y g j d a z u bereits Huguccios Summa, ad 15 q. 6, Alius (bei S. Mochi O n o r y , Fonti canonistiche, 156, Anm.) s . v . in istum; substituit; und absolvit; vgl. auch Alanus Anglicus, A p p . lus naturale, ibid., besonders die 2. R e daktion, s. V. deposuit, w o ausführlich die verschiedenen Meinungen diskutiert werden (ed. A . M. Stickler, Salesianum 21, 366 f.) und w o es sogar u. a. schon heißt: . . . illud quoque sciendum quod quidam dicunt, quod subditi principis ex iusta causa ipsum possunt deponere iure suo, de papae consensu, sicut romani tarquinium superbum expulerunt et omnes leges eius abrogav e r u n t . . . Item in ipsum potestatem contulerunt, quare videtur quod revocare, quando volunt, possunt: a r . i f . d e iudi. Iudicum solvitur ( = 0 . 3 , 1 , 3 8 ) . Set hoc non p l a c e t . . . — V g l . auch Guido de Baysio, der sich in seinem Rosarium zu i j q. 6 Alius, ganz an Huguccio anschließt. 359

D a z u vgl. bes. die Analyse in O Q 1 , 1 ( O P I, 14): quaeritur utrum potestas spiritualis suprema et laicalis suprema ex natura rei in tantum ex opposito distinguantur, quod non possint formaliter et simul cadere in eundem hominem.

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C . 93 (688, I . 7 3 7 — 3 9 ) . Et ilio modo posset archiepiscopus vel episcopus aliquem regem deponere, non ratione officii spiritualis, sed auctoritate populi sibi potestatem huiusmodi conferentis. D i e Verbindungslinien zwischen den späteren großen Schriften und der

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34»

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Ansätze zum Kirchenbegriff des Dialogus im Opus XC Dierum

letzte Satz darauf hinzudeuten, daß Ockham nicht nur im abstrakten Irrealis einer juristischen Theorie spricht. Im Jahre 1 3 2 7 w a r in England der Staatsstreich Isabellas und Edwards III. gegen E d w a r d II. geglückt. Ockham w a r z w a r zu jener Zeit in Avignon, trotzdem dürfen wir voraussetzen, daß er aus der Ferne diese umstürzenden Ereignisse in seiner Heimat mit Interesse verfolgte. N u n hat aber bei der Absetzung Edwards II. im Parlament von Westminster362 der Erzbischof von Canterbury eine bedeutsame Rolle gespielt. E r hat die Liste der Anklagen gegen E d w a r d II. vorgetragen 363 , die dann zu einem Absetzungsbeschluß führten — jeden-

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kanonistischen Tradition des 13. Jh. haben besonders herausgearbeitet C. C. Bayley, Pivotal Concepts in the Political Philosophy of William of Odcham, in: Journal of the History of Ideas 10 (1949), 199—218, u. B. Tierney, Ockham, the Conciliar Theory and the Canonists, in: Journ. of the Hist, of Ideas 15 (1954). 4°—7°· Zum Hergang des Umsturzes vgl. jetzt z. B. M. Mc Kisack, The Fourteenth Century, 1307—1399, Oxford 1959 ( = The Oxford History of England, j), p. 88—91. Vgl. den Bericht des »Pipewell Chronicle« (1. Hälfte 14. Jh.), Cotton Ms. Julius A i , f. 56 r—ν, hier zitiert nadi M. V. Clarke, Committees of Estates and the Deposition of Edward II., in: Historical Essays in Honour of James Tait Manchester 1933, 27—4J, hier 44 (abgedr. auch bei S. Β. Çhrimes, Α. L. Brown [edd.], Select Documents of English Constitutional History 1307—1485, London 1961, 36 f., nr. 21, hier 36): Et sur la fest de seint Hilleir ( = 1327, Jan. 13), lan de nostre seigneur mille CCC XXVI vindrent en la grand salle de Weymunstre les ercevesques, evesques, contez, et barons, abbeez et prieurs et touz altres auxi bien des citeez, comme des bourghes ensemblement oue toute la communaltee de la terre. Illoqes par commun assent de touz pronuncie fu par lercevesque de Cantuarbires coment le bon roy Edward [I.] a son decees avoit lesse a son filz en bon pees les terres d'Engleterre, Irland, Gales, Gascoigne et Escoce, et coment les terres de Cascoigne et d'Escoce sount sicome perdu de ly par malvéis conseill et malveise garde, et ensement coment par malvéis conseill il ad fait destur grand partie del bon saunk de la terre, a deshonur et damage de ly et de son reialme et de tute le pople, et multz des altres mervelles f a i t . . . Vgl. auch das Lichfield Chronicle, Ms. Oxford, Bodl. 956, f. 205 sq. (bei M. V. Clarke, a . a . O . , 36 A. 3): . . . I n quo concilio ad clamorem tocius populi unanimiter in ipso clamore perseverantis ut rex Edwardus quintus regni solio omnino deponeretur eo quod . . . (folgen die Anklageartikel ähnlich wie o b e n ) . . . Sicque Waltero Cantuariensi archiepiscopo huiusmodi artículos pronunciante, assensu et consensu omnium rex Edwardus quintus a regni gubernaculo omnino depositus est. . . Ähnlich die Londoner Chronik (bei Chrimes-Brown, a . a . O . , 35 f., nr. 20, hier 35): Issint que le marzdy le jour de seint Hillare l'ercevesqe de Caunterbury pronuncia à Weimouster devant tot le barnage de la tere plusours articles encountre le roy. Par quey tot le people graunta et cria q'il ne devereit plus regner . . .

Regnum Christi: die Kirche und die zeitliche Gewalt

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falls wenn wir den zeitgenössischen Berichten glauben dürfen3®4. Da Ockham später im Achtfragentraktat und im Breviloquium auf die Absetzung Edwards II. zurückkommt365, und zwar ebenfalls im Zusammenhang einer Erörterung des Canons Alius, sehen wir uns in der Vermutung bestärkt, daß Ockham auch hier im Opus XC Dierum schon auf dieses revolutionäre Ereignis anspielt. Wenn Ockham dann auch noch zwei weitere Argumente der Kurialisten widerlegt366 — auch hier bringt er Argumente vor, die er später noch ausführlicher ausarbeiten wird887 — so geht er entschieden davon aus, daß dem Papst alle Gewalt, die er über die ihm von Christus übertragene spirituelle Leitung der Gemeinde hinaus besitzt, kraft menschlichen Rechtes durch eine spezielle Ubertragung von Befugnissen zugewachsen ist und also nicht als unveränderlich und von Gott selbst sanktioniert angesehen werden darf. 364

365

Edward III. datiert seinen Regierungsantritt erst auf den 25. Januar, also auf den Tag, an dem Edward II. seine Adankungsurkunde vollzogen hat: für uns ist hier die Frage nach der staatsrechtlichen Konstruktion des Hergangs nicht entscheidend, wichtig ist nur, daß, wie die angeführten Stellen bezeugen, derartige Berichte im Umlauf waren; und Ockham war ja — ob in Avignon oder in München — auf solche Berichte angewiesen. OQ II 9 (OP I, 87, 25—30): »nostris autem temporibus quidam de potestate sua nullatenus dubitantes, regem suum sententialiter deposuerunt, papa nullatenus requisito, quia, ut dicunt isti, nec instituere, nec destituere reges spectat ad papam, quando ipsis circa institutionem et destitutionem regum suorum non interveniunt pericula nec sunt damnabiliter negligentes«. Und in prägnanter Zuspitzung II 8 (p. 86, 6—9): Rex enim superior est regulariter toto regno suo, et tarnen in casu est inferior regno, quia regnum in casu necessitatis potest regem suum deponere et in custodia detinere. Hoc enim habet ex iure n a t u r a l i . . . vgl. auch I Dial. V I 58 (f. 76 vb, p. 562), I Dial. V I 63 (f. 80 va, p. 570), OQ II 2 (OP I, 73, 7—10), und Brev. V I 2 (Scholz, 200, 27—31).

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C. 93 (688 f., I.740—47). Es handelt sich um die Theorie der Translatio imperii (X, 1, 6, 34) und das »iuramentum fidelitatis« (nach d. 63, c. 33). Für die »translatio imperii« gilt: quod papa transfert imperium Romanum non inquantum successor beati Petri, sed auctoritate Romanorum, qui sibi potestatem huismodi concesserunt. (Zur frühen Geschichte der Translationslehre vgl. P. A. van den Baar, Die kirchliche Lehre der Translatio Imperii Romani bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts, Rom 1956, = Analecta Gregoriana. 78; allgemeiner W. Goez, Translatio Imperii. Ein Beitrag zur Geschichte des Geschichtsdenkens und der politischen Theorien im Mittelalter und in der frühen Neuzeit, Tübingen 1958). — Den Eid hat der erste Imperator »ex devotione vel humilitate aut ex ordinatione Romanorum« geleistet, also jedenfalls nicht dem Papst als dem Rechtsnachfolger Petri.

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Vgl. die Nachweise bei Offler im Apparat, wo noch etwa I I I Dial. II i 29 f. (f. 246 ra—vb) nachzutragen wäre.

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Ansätze zum Kirchenbegriff des Dialogus im Opus X C Dierum

Ein markantes Beispiel schließt die Reihe von Argumenten ab. Wenn der Papst im Kirchenstaat temporale Jurisdiktion besitzt368, so kann aus dieser unbestreitbaren Tatsache doch gerade nicht geschlossen werden, daß er diese zeitliche Gewalt »ratione successionis« hat. In seiner geistlichen Vollmacht (potestas) kann der Papst den heiligen Petrus zwar gewiß nicht übertreffen, aber »quoad temporalia« hat er durchaus größere Rechte (potestas), er ist ja auch reicher als der arme Fischer369! Der Papst hat seine zeitliche Hoheit (iurisdictio) aus einer »collatio fidelium« und nicht von Christus; er ist darin — Ockham schließt sich hier an ein viel zitiertes Wort Bernhards von Clairvaux an — »non Petro sed Constantino« Nachfolger und demnach in den Temporalien nicht »vicarius Christi« 370 . Es ist bemerkenswert, wie maßvoll an dieser Stelle die Kritik Ockhams an der reichen Kirche, an der »abundantia divitiarum« des Papstes ist. E r hat audi hier nicht rigoristisch die weltliche Kirchenverfassung verurteilt; vorsichtig deutet er zwar eine gewisse Distanzierung an, aber viel wichtiger w a r ihm in diesem Zusammenhang, hier wie audi sonst, den menschlichen Ursprung der kirchlichen Institution seiner Zeit zu unterstreichen 371 . Erst später wird 368 £) e r Einwand der Gegner: (687 f., I. 707 fi.). 36

' (689, 1 . 7 4 8 0 . ) : . . . dicunt quod papa Romanus illam iurisdictionem temporalem, quam noscitur obtinere, non habuit ex successione beati P e t r i . . . Non ergo ratione successionis, sed collatione fidelium papa habet iurisdictionem in diversis regionibus temporalem... Et cum dicitur quod papa non est maioris potestatis quam fuerit beatus Petrus, dicunt quod quoad spiritualia papa non est maioris potestatis.. . sed quoad temporalia maiorem habet potestatem, sicut ditior est quam fuerit beatus Petrus. Vgl. audi Imp. Pont. Pot. c. 26 (Streitschr. II, 479). 370 (697 f., 1. 1094 ff.): A quo autem papa abundantiam divitiarum habuit, declarat idem Bernardus (De cons. I V 3, M P L 182, 776; S. Bernardi Opera III, 453) . . . ex quo concluditur quod papa in quibuscumque temporalibus non est vicarius C h r i s t i . . . — Das Thema der Konstantinischen Schenkung wird Ockham später sehr viel schärfer beleuchten: vgl. OQ I 1 2 (OP I, 53 f.) Brev. V I 3—5 (Scholz, 201—205, die interessante Erörterung bricht leider ab), I I I Dial. II i 27 (f. 244 vb—245 vb, p. 899 f.), De caus. matr. (OP I, 278 f.). Vgl. zuletzt G. de Lagarde, Défense, 1 3 6 — 1 4 2 (mit weiterer Literatur). 3,1 Die vieldiskutierte Frage nach dem päpstlichen Primat bei Ockham können wir ausklammern: der Primat Petri ist — sofern er geistlich ist — durchaus göttlicher Herkunft, auch das aber schließt später, in I I I Dial., nicht Überlegungen aus, ob nicht auf Zeit auch eine Mehrheit von Päpsten gleicher spiritualer Vollmacht dem Gemeinwohl angemessen sein könnte. — Vgl. zu dieser Frage besonders G. Tabacco, Pluralità di Papi ed unità di chiesa nel pensiero d> Guglielmo di Occam, Torino 1949.

Ausblick auf die Sozialtheorie der späteren Schriften

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er prüfen, ob denn der imperator überhaupt zu einer solchen Übertragung berechtigt war, ja ob das im kanonischen Recht als Einschub des Paucapalea überlieferte Constitutum Constantini372 überhaupt Authentizität beanspruchen darf373. Aber auch dann noch wird es ihm eher darauf ankommen zu zeigen, daß man auch diesen Text richtig verstehen kann, wenn man ihn nicht zu einer Theorie der politischen Weltherrschaft des Papstes mißbraucht373", als die historische Kritik wirklich durchzuführen, nachdem er ihre Möglichkeit angedeutet hat. Wir brauchen solche Weiterungen und Differenzierungen der Argumentation in diesen Spezialfragen hier nicht näher zu verfolgen. Es hat sich gezeigt, wie sich schon in der ersten großen politischen Schrift Ockhams Themen seiner späteren ausgearbeiteten Theorie im groben Umriß, oft auch nur mit wenigen Worten angedeutet, feststellen lassen. Bemerkenswert ist die Wandlung der Bedeutung, die diese Themen im logischen Argumentationsgang erfahren. Während sie im Opus XC Dierum dazu dienen, ein zusätzliches Argument zur Entscheidung einer theologischen Frage zu geben — sie sollen zeigen, daß das regnum Christi nicht temporalen Charakters war, weil das des Papstes auch nur spiritual zu verstehen ist — werden sie später zum eigentlichen Thema der Erörterung werden374. In den späteren Schriften wird die theologische These vom spiritualen Charakter des regnum Christi das Fundament der herben Kritik an den weltlichen Ansprüchen der Kirche sein. Diese »Umfunktionierung« der Kirchenkritik bedeutet keine Relativierung der theologischen These. Die geistliche Königsherrschaft Christi ist schon im Opus XC Dierum auch ohne diese Hilfsargumentation rein theologisch aus der Schrift und ihrer authentischen Auslegung gesichert worden. Dieses Fundament hat Ockham auch später nicht verlassen. Ausblick auf die Sozialtheorie

der späteren

Schriften

Wir haben uns bemüht, den Grundfragen der sozialen Theorie Ockhams in seinem ersten politischen Traktat nachzugehen. Dieser 372

Di. 96, c. 14 (Constantinus). Brev. V I 4 (Scholz, 205) . . . verba praefata sunt apocripha, ut rationi aut cronicis et historiis aliisque scripturis fidedignis sint penitus postponenda... "3a Vgl. z. B. den Beginn dieser Erörterung in Brev. V I 5 (Scholz, 206 f.) — das (einzig erhaltene) Manuskript bricht in diesem Kapitel ab. 374 Vgl. G. de Lagarde, Défense, i 6 j A . j6. 373

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Ausblick auf die Sozialtheorie der späteren Schriften

Versuch leidet notwendig an der spezifischen Schwierigkeit, daß diese Kampfschrift einmal wegen der Eile bei ihrer Niederschrift in nur drei Monaten, zum anderen wegen der polemischen Fixierung an die vorliegende Diskussion des theoretischen Armutsstreites gegenüber den großen Werken der späteren Jahre, besonders gegenüber dem Dialogas, nur als »Rohform« der Sozialphilosophie Odkhams betrachtet werden kann und ihren vorläufigen Charakter unbestreitbar zu erkennen gibt. Umso bemerkenswerter aber ist, daß Ockham schon in dieser Schrift fast alle Hauptthemen seiner späteren Werke gleichsam präludierend anschlägt, und daß er dies im Zusammenhang der Armutsfrage tut. Wir haben im Opus XC Dierum nicht allein »biographisch« den Ausgangspunkt der politischen Philosophie Ockhams vor uns, wir können in ihr bereits deutlich die treibenden Motive seiner Reflexion über die soziale Ordnung der Welt fassen. Was Ockhams Nachdenken über die brennenden politischen und konstitutionellen Probleme seiner Zeit in Bewegung bringt, ist nicht primär ein rein theoretisches Interesse, sondern seine franziskanische Option. Ockhams Größe als »politischer Denker« wird aber dadurch gekennzeichnet, daß es ihm gelingt, diesen persönlichen Anstoß in eine Reflexionsbewegung aufzuheben, die in dem allgemeineren Horizont einer sozialen Theorie sein persönliches Geschick und die Erfahrungen seiner bewegten Zeit zu einer Einheit vermittelt. Wir wollen hier nur noch die Stationen dieser Bewegung in groben Strichen markieren, ohne im einzelnen den Prozeß der allmählichen Ausbildung der reifen Theorie zu verfolgen 375 . Schon in der nächsten großen Schrift unternimmt es Ockham von der methodischen Anlage her und also im vollen Bewußtsein dessen, was er tut — die Fundamente seines Kirchenbegriffs in einem umfassenden Rahmen zu klären. Der I. Teil des Dialogus prüft in einer Erörterung aller erreichbaren Argumente, was die Kirche zur 375

Die positiven Aussagen Ockhams zur Soziallehre hat zuletzt G . de Lagarde, Defense, und Structures écclésiales, dargestellt. W i r können uns, wie angedeutet, die Interpretation in vielen Punkten nicht zu eigen machen, verweisen aber trotzdem auf diese bisher vollständigste Bestandsaufnahme der Aussagen Ockhams zur politischen Theorie. Jetzt ist besonders zu v e r gleichen die nodi unveröffentlichte ausgezeichnete Arbeit von Y . D . Knysh, Political Authority as Propriety and Trusteeship in the Works of William of Ockham, Ph. D . thesis, University of London 1 9 6 8 , die mir durch die Freundlichkeit des Autors während der Korrekturen zugänglich wurde, und die in ihren Ergebnissen häufig mit unseren Auffassungen konvergiert.

Ausblick auf die Sozialtheorie der späteren Schriften

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Kirche macht, d. h. w i e die Kirche theologisch verantwortlich gedacht w e r d e n muß und w i e v o n der so erreichten Position aus der K a m p f der franziskanischen Opposition gegen die Haeresien des Papstes zu beurteilen ist. Ockham hat dabei »fundamentaltheologisch« — w e n n w i r diesen Begriff der heutigen katholischen S y s t e matik einmal aufnehmen dürfen — N e u l a n d erschlossen 376 , indem er den Haeresiebegriff, der bei den Kanonisten eine bedenklich formalistische Einengung erfahren h a t t e 3 " , zum A n l a ß nimmt, die theologische Diskussion um die veritates theologicae systematisch zu durchdenken. Ockham entwickelt seine Position 3 7 8 in einer d o p pelten Problemstellung: einmal f r a g t er sich, w a s überhaupt als »katholische W a h r h e i t « zu gelten habe 3 7 9 , z u m anderen prüft er, w i e groß der U m f a n g der den Christen verpflichtenden Wahrheiten ist 380 . Ausdrücklich schließt er den G e d a n k e n aus, eine »determinatio ecclesiae« sei eine eigenständige Quelle f ü r solche verpflichtende Wahrheiten, vielmehr kann sich auch die Kirche in ihrer lehramtlichen Entscheidung nur an jene Wahrheiten halten, die Wahrheiten 376 Y g j d a z u d; e oben Kap. I I Anm. 565 zitierte Literatur, vgl. auch unten Anm. 380. 377

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379 380

Vgl. z . B . Hostiensis, Lectura, a d X , 1, 6, 34 (De elect., Venerabilem) ed. Venedig 1581, I, f. 60 vb, nr. 23 (im Ansdiluß an den Canon Alius): ... multofortius imperatorem, qui subest ei (d. i. dem Papst), pro suis iniquitatibus poterit removere . . . de contemptu clavium planum est, quod sufficit, quia qui Romanae ecclesiae privilegio detrahit, hic proculdubio in haeresim labitur; fidem quippe violât, qui adversus earn agit, quae mater est f i d e i . . . Daß dies die Auffassung Ockhams selber ist, daran kann angesichts der Ausführlichkeit der Darlegung und audi angesichts seiner Ansicht über das Verhältnis von Glauben und Wissen (dazu vgl. oben S. 268 ff.) kein Zweifel sein. I Dial. I I 1—3 ; bes. I Dial. I I 2 (f. 6 va—7 ra, p. 4r ι f.). I Dial. I I j (f. 8 va—b, p. 41 j f.) — P. de Vooght (Les Sources de la doctrine chrétienne, Bruges 1954, 213 f.) hat diesen Unterschied in der Fragestellung (vgl. dazu audi C. Koser, Die älteste bekannte Deutung theologischer Noten, FS 38, 1956, 66—77, hier 71 f.) nicht beachtet, und konstatiert einen Widerspruch zwischen den beiden Listen, was ihn dazu verführt, ohne jeden Anhalt in der hsl. Oberlieferung die zweite Liste Ockham abzusprechen und Heinrich Totting von Oyta zuzuschreiben: »C'est celle-là (d. i. die Liste in c. 5), qui s'harmonise mal avec le développement du Dialogue, que Totting a servilement copiée, à moins que, par un processus que je ne puis expliquer pour l'instant, l'exposé de Totting soit passé dans les manuscrits, puis dans les imprimés d'Occam«, um dann aus dieser noch vorsichtigen Vermutung zu schließen (213 A. 3): » . . . Totting ne s'est donc pas seulement inspiré de la liste d'Occam, comme l'écrit le P. van Leeuw e n . . . « . A. Lang (Das Verhältnis von Schrift, Tradition und kirchlichem Lehramt nach Heinrich Totting von Oyta, in: Scholastik 40, 1965, 214—234,

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sind ohne und vor ihrer Entscheidung881. Ockham hält an seinem emphatischen veritas-Begriff der frühen philosophischen Schriften fest. Nicht eine menschliche auctoritas kann Wahrheit zur Wahrheit machen, sondern die Wahrheit, auch die Wahrheit des Glaubens, hat objektive Geltung. W o solche Geltung allein aus der göttlichen Offenbarung fließen kann, wie bei den Glaubenswahrheiten, da ist nur die unmittelbare Einheit von Erkennendem und Erkanntem nicht in der Evidenz gesetzt, sondern in den objektiven Quellen der Offenbarung. Diese Quellen hat Ockham als die Heilige Schrift, die apostolische Tradition und die einhellige Überzeugung der universalen Kirche bestimmt382. In dieser Objektivität der Geltung ist es begründet, daß die Kirche als eine einzige communitas fidelium durch die Zeiten bestehen kann 383 . Die Kirche ist ja durch nichts anderes definiert als dadurch, »universitas fidelium« zu sein, d. h. — so hat es Ockham schon im Opus XC Dierum formuliert — »multi fideles unam fidem Profiten tes«384. Die fides begründet die Kirche, nicht verfügt die Kirche über die fides. Als objektive Wahrheit bestimmt die fides den aktuellen Umfang der Kirche so unmittelbar, daß es geschehen kann, daß nur noch ein einziger die Kirche voll in sich repräsentiert, weil er allein noch den Glauben hat. So wie es damals geschehen ist, als Maria unter dem Kreuz allein den Glauben bewahrte 385 , kann hier 225 A . 39 — vgl. aber 233) übernimmt diese Vermutung, obwohl er sonst mehrfach den engen Anschluß Tottings an den Dialogus hervorhebt (z. B. 223, 227) — vgl. bei ihm aber die Nachweise über weitere Autoren, die diese Liste Ockhams übernommen haben (224 f., 226 A. 41). 381 I Dial. II 5 (f. 8 va, p. 416): . . . putant quod ecclesia rite procedens nullam veritatem determinai aut diffinit, nisi in scriptura sacra, aut traditionibus apostolorum aut dironicis hystoriis vel relationibus indubitabilibus fidelium, vel his quae sequuntur ex praedictis aut aliquo praedictorum, vel in revelatione seu inspiratione divina modo debito manifesta, valeant se fundare . . . vgl. I Dial. II 12 u. oben Kap. II, Anm. 541 ff., und (für eine vergleichbare Auffassung bei Walter Chatton) Kap. I I I , Anm. 173. 382 Y g [ T e x t e bei G. de Lagarde, Structures ecclésiales, 147 f., Α. 96 ff. 383 Diesen Gedanken hat Ockham besonders ausgeprägt in Contra Joh. c. 14 (OP III, 62—68, bes. 66, $ ff.) entwickelt. Vgl. die Parallelstellen im Apparat Offlers O P III, 65, 1. 33. Ockham interpretiert mit diesem Gedanken einen Canon Augustins (di. 1 1 c. 9, Friedberg I, 9). 384 Vgl. oben Anm. 277. 385 Über die Geschichte dieses Problems hat Y . M.-J. Congar eine ausgezeichnete Studie vorgelegt: Incidence ecclésiologique d'un thème de dévotion mariale, in: Mélanges de Science Réligieuse 7 (Lille 1950), 277—92, wo der Ursprung dieser Vorstellung bis in die Sdiule Anselms von Laon zurückverfolgt w>rd (281 f.), zu Ockham vgl. 286—288. Wir können und möditen

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audi heute noch die fides und also die Kirche »in uno solo« bewahrt werden386. Daß der Glaube nicht aufhören wird, ist dabei nur auf Grund der Verheißung Christi zu glauben und keineswegs selbstverständlich: »ex sola potentia Dei ecclesia catholica ab erroribus praeservatur«387. Christi Verheißung an Petrus, daß sein Glaube nicht aufhören werde, bezieht sich nicht auf die Kleriker allein oder auf die Hierarchie oder gar auf Petri Nachfolger, den Papst: es bezieht sich auf die Gesamtheit der Gläubigen, auf die ganze Kirche. Ockham verwendet das gesamte V. Buch auf die sorgfältige Untersuchung der Frage, wer in der Kirche der Gefahr ausgesetzt ist, der Irrlehre zu verfallen, und er kommt zu dem Ergebnis, daß keiner durch sein Amt oder seine Stellung oder durch irgend etwas anderes gefeit ist: nicht der Papst, nicht die Kardinäle, die Kleriker nicht und nicht die Gelehrten; Gott könnte den Glauben noch in den Ungebildeten, den Armen, den Einfältigen bewahren, wie er Abraham aus Steinen Kinder erwecken kann. Und die Verheißung Christi bliebe bestehen, daß die Pforten der Hölle die Gemeinde nicht überwältigen sollen. »Ille autem, qui reprobatis filiis carnalibus Abrahae potest de lapidibus suscitare filios Abrahae spirituales, iuxta baptistae sententiam, potens est et omnibus ad generale concilium convenientibus in haeresim lapsis, immo omnibus clericis mundi et potentibus saecularibus falsitate damnatis haeretica de lapidibus, id est laicis rudibus et abiectis, pauperibus et despectis catholicis, dei filios suscitare. Sicut enim in idiotis (sacerdotibus et religiosis ac magistratibus repudiatis) fidem primitus fundavit catholicam: ita omnes literatis et potentibus datis in reprobum sensum, potest dare pauperes, simplices, illiterates, rústicos in aedificationem fidei orthodoxae«388. Und so wie die Priester, die Gebildeten, die Mäch-

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387

· 188

uns in die Diskussion um die »Katholizität« des Ockham'schen Standpunktes nicht einmischen, aber Congar verzerrt dodi den Kirchenbegriff Ockhams, wenn er ihn, in Ansdiluß an Lagarde (vgl. 288 Α . i ) als bloße Anhäufung von Individuen faßt. V g l . am Beispiel Marias: I Dial. I I 25 (f. 14 vb, p. 429, 50 ff.); I Dial. V 23 (f. 44 v b ; p. 492, 15 ff.); I Dial. V 3 2 (f. 50 r b — v a ; p. 503, 4 9 — 5 5 ) ; I Dial. V I 1 2 (f. $6 va, p. 5 1 7 , 5 4 — 6 ) ; I I I Dial. I i i i i i (f. 209 V b; p. 828, 24 f.) — A m Beispiel Elias (III Reg. 19, 1 4 ) : I Dial. V I I 4 7 (f. 1 4 7 r a ; p. 704, ι f.); Epistola ( O P II, 15 f.); — als allgemeine Aussage: I Dial. I V 9 (f. 24 v b ; p . 4 5 1 , 6 ff.), I Dial. V 7 (f. 37 v a — 3 8 ra; p. 4 7 7 , 5s ff.); I I I Dial. II iii 8 (f. 265 v b ; p. 9 3 7 , 50 f.). I Dial. V 2 j (f. 46 rb; p. 496, 22 f.). I Dial. V 28 (f. 48 ra, p. 498, 30 ff.).

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tigen von Gott verworfen werden können, so auch möglicherweise alle Männer, so daß nur noch bei den Frauen der wahre Glaube zu finden ist, ja — und Ockham scheut sich nicht, diese Konsequenz zu ziehen, um es ganz deutlich zu sagen, wie schlechthin die Kirche von der »praeservatio Dei« lebt — auch alle Erwachsenen können verworfen werden und Er, der sich aus dem Munde der Unmündigen sein Lob zurichtet, kann den »parvuli« seine Wahrheit offenbaren und sie zur »defensio« des wahren Glaubens rüsten389. Gott hat die Kirche aus einer Handvoll armer Fischer zu einem großen Volk werden lassen; wer kann sagen, ob Gott nicht seine Gläubigen bis auf ganz wenige den Heiden und Sarazenen unterliegen läßt? Er könnte von Neuem seine Kirche wachsen lassen und sie auch dann über weitere Regionen der Erde ausbreiten, als Christen sie heute bewohnen. Gott allein weiß das sicher (— und der, dem Gott es offenbart —), doch wer könnte mit Gewißheit diese M ö g l i c h k e i t ausschließen390? Ockham verbindet in diesem Gedanken den eschatologischen Pessimismus der Spiritualen, die Missionserfahrungen seines Ordens und die franziskanische Vorstellung von der paupertas evangelica der Urgemeinde zu einem kritischen Argument gegen jede Selbstsicherheit der verfaßten Kirche. Er kündet nicht das Gericht Gottes über die Kirche an, er ist kein prophetischer Eiferer, aber er hält der Kirche vor, daß jeder hierokratische Optimismus angesichts der Aussagen des Neuen Testaments ebensowenig wie angesichts der historischen Erfahrungen der Kirchengeschichte einen Anhalt in Gottes Verheißung hat. Gewiß, die Kirche wird bis ans Ende der Welt dauern, aber wer garantiert dem Einzelnen, daß er zu den 389

V g l . z. B. I Dial. V 25 (f. 4 6 r b — v a ; p. 4 9 5 , 32 ff.).

390

I Dial. V 34 (f. j o v a — j i rb, p. 504 f.): Quid autem de praedictis eveniet? N o l u n t dicere se spiritum prophetiae habere, nec reputant divinare . . . neutrum est certum nisi deo et cui deus revelabit. Q u a m v i s dicant nonnulli quod tempore antidiristi tanta erit persecutio et extinctio catholicorum, quod omnis regio in universo orbe erit per infideles vel per apostatas occupata. E t an simile quid eveniet vel non eveniet ante tempus antidiristi, dicunt, quod per scripturam divinam vel doctrinam universalis ecclesiae sciri non potest . . . fides catholica Christi poterit remanere in catholicis dispersis, et latitantibus in terris ab infidelibus occupatis, quemadmodum nunc judaei aliqui et saraceni etiam publice in terris Christianorum manent. V g l . dazu audi I Dial. V 84 (f. 97 ra, p. 603, 1 3 ff.): universalis ecclesia posset ad tam parvum numerum devenire, quod posset insimul convocari. N a m in tam p a r v o numero fuit aliquando post ascensionem Christi, igitur non est impossibile quod ad talem numerum iterum perveniat. . .

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»electi« gehört, die der Herr bewahren wird? Der Gedanke des »unus solus«, der zu Zeiten die wahre Kirche Gottes repräsentieren kann, ist ein kritisches Argument, das die Relativität der konkreten Gestalt und des konkreten Umfangs der sichtbaren Kirche zeigen soll3902. In dem eschatologischen Horizont, in dem die Frage nach Gottes »praeservatio« notwendig steht, hat keine Lehre Raum, die Gottes Entscheidung enger eingrenzt, als er sie selber in seiner Selbstoffenbarung eingegrenzt hat. Er hat verheißen, die Kirche bis ans Ende der Tage bestehen zu lassen, aber niemand als er allein weiß, wie und an wem er diese seine Verheißung im Laufe der Zeiten wahr machen wird. Die Kirche gründet auf der fides und steht damit in Gottes Kraft, wie es Paulus gesagt hat: »fides vestra non est in sapientia hominum, sed in virtute Dei« (ι. Cor. 2, 5)391. Nichts neben und außer Gott kann die Kirche und kann den Einzelnen in der Gnade halten. Die Existenz der fides und damit auch der Kirche als der »universitas fidelium« ist Gottes Werk. Es ist in diesem Zusammenhang nicht verwunderlich, daß Ockham — im Gegensatz etwa zu Marsilius von Padua — dem Konzil nicht die schlechthinnige Unfehlbarkeit zusprechen kann, die die Gesamtkirche dank der Verheißung des göttlichen Beistandes ohne jeden Zweifel in Glaubensfragen besitzt. Das Konzil ist nur ein T e i l der Gesamtheit und als solcher nicht mit dem »totum« identisch. Konzilien können irren und haben geirrt, und neben dem Beleg, den schon die kanonistische Wissenschaft für diesen Satz angeführt hatte392, bringt Ockham ein Argument aus dem Armutsstreit: gerade MOa 391

392

So jetzt auch G . Lefif, Heresy II, 432 mit A . 5. I Dial. V 25 (f. 46 v a ; p. 495, 32 ff.): . . . q u i a Deus saepe révélât parvulis, quae a sapientibus et prudentibus absconduntur. Licet ergo omnes in generali concilio errarent, et solum parvuli et illitterati ad concilium minime conven i e n t , non esset adhuc desperandum, quin Deus veritatem catholicam parvulis revelaret, vel eisdem veritatem notam defendere inspiraret. H o c enim esset ad gloriam D e i qui in hoc ostenderet fidem nostram non esse in sapientia hominum ad concilium generale vocatorum, sed in virtute Dei, qui nonnumquam quae stulta sunt mundi, elegit ut confundat sapientes (1. Cor. ι , 27). Vgl. oben K a p . II, Anm. 562 f. N o d i Nikolaus de Tudeschis (1386—1453?), audi »Panormitanus« genannt, führt dieses Argument in seinen Commentarla ad primum librum decretalium an, vgl. ad X , 1, 6, 4, nr. 3 (Ed. Lyon 1546, f. 119 v b sqq., hier f. 121 v b sq., zitiert auch bei K . W. N ö r r , Kirche und K o n z i l bei Nikolaus de Tudeschis. K ö l n - G r a z 1964, S. 1 0 5 — 1 0 7 ) : . . . Sed in his quae non dependent a plena potestate, non est simpliciter dicendum quod papa sit supra concilium. Ideo in concernentibus fidem concilium est supra papam, unde non potest papa disponere contra dispositum per concilium . . . Hinc est quod concilium

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die kurialen Gegner müßten solche Irrtumsfähigkeit zugestehen, da dann, wenn Johannes X X I I . mit seinen Erlassen Redit hätte, die Väter des allgemeinen Konzils von Lyon, die die Regel des Franziskanerordens approbierten, ebenso geirrt hätten wie die Väter des Konzils von Vienne, die die Konstitution Exiit durch ihre Dekretale Exivi de paradiso bestätigten393. Was Ockham im Einzelnen über die Zusammensetzung und die Befugnisse eines Konzils und die Verbindlichkeit seiner Beschlüsse lehrt, ist hier nicht zu verfolgen 394 . Wichtig ist, daß Ockham bei allen Überlegungen, die er darüber anstellt, nie die Grundthese seiner Ekklesiologie aus den Augen verliert, daß die Kirche als Werk Gottes nicht in den Beschlüssen irgend eines ihrer Organe gründet, sei es nun des Papstes oder sei es des Konzils. In einer frühen Arbeit hat Georges de Lagarde aus dieser Grundthese Ockhams geschlossen, Ockham löse damit den von den Juristen seiner Zeit entwickelten Repräsentationsgedanken auf. Wie er das Konzil nicht mehr als das Organ der »universitas fidelium« verstehe, dem in einem A k t kollektiver Delegation sämtliche Befugnisse der Gesamtheit übertragen sind (so wie es etwa Marsilius von Padua gesehen hatte), so fasse er die Delegation überhaupt nur noch als eine individuelle Übertragung von Rechten durch die jeweils einzelnen Gruppenglieder auf 395 . Für das Konzil der Kirche trifft das zwar ohne Frage potest condemnare papam de h e r e s i , . . . Puto tarnen, quod si papa moveretur melioribus rationibus et auctoritatibus quam concilium, quod standum esset sententiae suae, nam et concilium potest errare, sicut alias erravit super matrimonium contrahendum inter raptorem et raptam. E t dictum H i e r o n y m i melius sentientis postea f u i t prolatum statuto concilii ut probatur 36 q. 1 in c. tria, iuncto c. placuit; f a c i t quod legitur et notatur 20 di. c. 1 ; N a m et in concernentibus fidem etiam dictum unius privati esset praeferendum dicto papae, si ille moveretur melioribus rationibus novi et veteris testamenti, quam papa. — N e c obstat, si dicatur quod concilium non potest errare, quia Christus oravit p r o ecclesia sua, ut non d e f i c e r e t . . . quia dico quod licet concilium generale repraesentet totam ecclesiam universalem, tarnen in veritate ibi non est vere universalis ecclesia, sed repraesentative: quia universalis ecclesia constituitur ex collectione omnium fidelium. Unde omnes f i d e les Orbis constituunt istam ecclesiam universalem, cuius caput et sponsus est ipse Christus. P a p a autem est vicarius Chriti et non caput e c c l e s i a e . . . Unde possibile est quod v e r a fides Christi remaneret in uno solo . . . — D a s liest sich wie eine kanonistische Zusammenfassung des Kirchenbegriffs Ockhams. 393 394 395

I D i a l . V 26 (f. 46 v b , p. 4 9 J f.) Die letzte ausführliche Darstellung gab G . de Lagarde, Structures, $ 3 — 8 6 . G . de Lagarde, L'idée de représentation dans les œuvres de Guillaume d'Ockham, in: Bulletin of the International Committee of Historical Sciences 9

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insofern zu, als die Irrtumslosigkeit der Gesamtkirche nicht im Konzil wiederholt werden kann. Trotzdem ist die Frage nach dem Verhältnis von der Repräsentation und Delegation in der sozialen Ordnung für Ockham damit noch keineswegs abschließend geklärt. Er untersucht dieses Problem auch gar nicht im Zusammenhang der konziliaren Frage, sondern in einer Analyse des Papstwahlrechts der Römer, das im Notfall in verschiedenen Abstufungen vom Kardinalskollegium kraft Naturrechts auf Volk und Klerus von Rom (und damit etwa auch auf den christlichen Kaiser) und schließlich auf die »universitas fidelium« devolvieren kann, wodurch zuletzt, wenn nur noch ein einziger Kleriker oder Laie der wahren Kirche zugehört, dieser das Wahlrecht erhält396. Es ließe sich nur in einer eingehenden Analyse der im III. Teil des Dialogas entwickelten Naturrechtslehre Ockhams zeigen, wie Ockham Inhalt und Umfang möglicher Delegation von Einzelrechten an ein repräsentatives Organ der Gruppe bestimmt, und unter welchen Umständen solche — in ihrer Konkretion auf individuelle Personen i m m e r positivrechtliche Übertragung — im Notfall zugunsten der ursprünglich Delegierenden außer Kraft tritt. Erst dort, wo Ockham den konkreten Umfang der »plenitudo potestatis« des Papstes untersucht, einen Begriff also, der selber mit dem Delegationsgedanken in engster Verbindung steht397, wird er im einzelnen der Frage nach der inneren Struktur der sozialen (1937), 42 j — 5 1 , bes. 440—48. Später hat Lagarde die Struktur des Konzils nicht mehr ganz so unbedenklich als Struktur einer repräsentativen Versammlung schlechthin angesetzt, vgl. etwa: Ockham et le Concile genérale, in: Album H . M. Cam, I, Louvain—Paris i960 ( = Etudes présentés à la Commission International pour l'Histoire des assemblées d'états, 23), 83—94. Vgl. aber noch Structures, 74: »on ne pouvait plus catégoriquement rejeter le principe même de la réprésentation . . . » see Ygi J a z u m Dial. II ii passim, bes. c. 6 sqq.; der »unus solus clericus vel laicus« in c. 8 (f. 265 vb; p. 937, jo—56) — auf die Bedeutung dieser Erörterung hat auch M. Grignasdii aufmerksam gemacht, vgl. La limitazione dei poteri del principans in Guglielmo d'Ockham e Marsilio da Padova, in: X e Congrès International des Sciences Historiques, Rome 1955. Etudes présentés à la Commission Internationale pour l'histoire des assemblées d'états 18, Louvain—Paris 1958, 3 5 — 5 1 , hier 38—45, bes. 43 ff. Für die »plena potestas« hat G. Post, Plena potestas and Consent in Medieval Assemblies, Traditio 1 (1943), 355—408 (leicht überarbeitet in: Studies in Medieval Legal Thought, 9 1 — 1 6 2 ; vgl. ibid. 163—238), nachgewiesen, daß diese Formel aus dem prozessualen Verfahrensrecht stammt; G. B. Ladner hat auf die Herkunft der »plenitudo potestatis« aus der Gegenüberstellung mit den anderen kirchlichen Ämtern, die »in partem sollicitudinis« berufen seien, hingewiesen (The Concepts of E c c l e s i a . . . , in: Miscellania Historiae

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Gruppen nachgehen. Im I. Teil des Dialogus kommt es ihm weit mehr darauf an zu klären, wie die Kirche reagieren kann und muß, wenn an ihrer Spitze »de facto« ein Haeretiker steht. Die Kirche ist in ihrer eigentlichen Bedeutung als die »collectio catholicorum quae mulleres et laicos nequaquam excludit«398 bestimmt; die Trennung von Klerikern und Laien in der Kirche ist zwar gewiß nicht aufgehoben399, doch sie ist in keiner Weise konstitutiv für das, was Kirche ist. Als »universitas fidelium« ist die Kirche das »corpus Christi mysticum«. Dieser Begriff, der seit dem 12. Jahrhundert die Ekklesiologie tief beeinflußt hat400, ist für Ockham weniger eine Metapher für die »potestas iurisdictionis« des Priesters über die Gemeinde als ein Bild für die unmittelbare Einheit der Gläubigen, sie seien Kleriker oder Laien, unter dem einen Haupt Christus. Die »similitudo« zwischen dem mystischen Leib Christi und einem corpus naturale besteht nicht darin, daß in der Kirche lebenswichtige von entbehrlichen Gliedmaßen unterscheidbar wären; denn wenn der rechtgläubige Papst als das alleinige Haupt der Kirche gelten müßte, so wäre das corpus Christi mysticum bei jeder Sedisvakanz ohne Kopf. Das wahre Haupt der Kirche ist aber Christus selbst. Alle anderen Glieder des corpus mysticum sind insofern entbehrlich, als ihr Fehlen nicht die Lebendigkeit des mystischen Leibes zerstört, der sein Leben aus der Gnade Gottes empfängt und nicht aus der Funktionsfähigkeit seiner irdischen Organe401.

398

Pontificiae, 1 8 , R o m 1 9 5 4 , 4 9 — 7 7 ) . V g l . weitere Literatur bei J . W a t t (wie oben, A . 2 3 5 ) , 1 6 1 f. A . I Dial. V 3 1 (f. 49 v b ; p. 502, 1 4 f.). V g l . audi ζ. Β. I Dial. V I 100 (f. 1 1 1 v a ,

p. 6 3 1 , 3 7 f.). •we Y g j ¿2.ZU audi oben A n m . 1 1 9 ff. 400 D a f ü r ist besonders die Arbeit von H . de Lubac, Corpus Mysticum, Paris 2 1 9 4 9 heranzuziehen, vgl. audi Ε . H . K a n t o r o w i c z , T h e King's T w o Bodies, 1 9 3 — 2 0 6 ; das Zitat, das K a n t o r o w i c z , 205 A . 3 7 , Ockham zuschreibt, stammt aus den »Allegationes de potestate imperiali« (vgl. dazu oben K a p . I, A n m . 3 8 1 ) . — Ockham selbst spricht in I Dial, nodi v o m corpus Christi mysticum, bleibt also hier im Rahmen der traditionellen Terminologie. In den Schriften nach 1 3 3 8 w i r d eine Tendenz erkennbar, die Kirche nur noch als corpus mysticum zu bezeichnen. — Z u r Bedeutung des Terminus für die Juristen vgl. B. Tierney, Foundations, 1 3 4 ff. 401

In Beantwortung eines Arguments von I Dial. V 1 3 (f. 40 rb; p. 4 8 2 , 48 ff.) in diesem Sinne bereits in I Dial. V 24 (f. 45 v b , p. 494, 9 ff.). V g l . dazu die spätere Erörterung in I I I Dial. I ii 1 (f. 1 9 0 ra p. 7 8 7 , 40 ff.), die die »Quinta opinio« — Ockhams eigene Meinung — zur Frage des Primats näher a u f schlüsselt. V g l . audi I I I Dial. I ii 2 5 (f. 202 rb sqq.; p. 8 1 2 , 60 ff.). D a z u vgl. J . Bohatec, Calvins Lehre von Staat und Kirdie, Breslau 1 9 3 7 ( = Gierkes Untersuchungen . . ., 1 4 7 ) , 585 ff.

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Das organologische Modell ist Ockham nicht primär in Ansehung der Differenzierung der Organe nach ihrer Funktion und ihrer dementsprechenden hierarchischen Ordnung wichtig. Schon im I. Teil des Dialogus legt er den T o n (im Anschluß an I. C o r . 12, 13) ganz auf die E i n h e i t des Lebenszusammenhanges, der an dem Leiden des einen Gliedes alle anderen mit-leiden läßt 402 . Das hat aber die unmittelbare Folge, daß dann, wenn die Gesamtheit an irgendeiner Stelle von Gefahr oder gar von der Krankheit der Haeresie betroffen ist, alle wahren Glieder am Leibe Christi verpflichtet sind, dieser N o t zu wehren und sich persönlich nicht v o n der A u f g a b e der defensio fidei403 dispensieren können. Versagen die dazu eigentlich berufenen Organe, in diesem Falle also der Papst und die kirchliche Organisation, so muß jeder für die fides eintreten. Plastisch — und drastisch — drückt Ockham das später aus404: »Sicut in corpore naturali uno membro deficiente aliud membrum, si aliquo modo potest, supplet defectum eiusdem — qui enim non potest pedibus ambulare, aliqualiter repit vel volvit se, ut potest, ut mancus accipit de terra vel alio loco cibum sibi necessarium, et qui non potest scindere cultello panem suum, lacerat dentibus, si potest — sic in corpore mystico et in collegio vel in universitate, uno deficiente, alius, si habet posse naturale, supplet defectum eius. U b i autem non sunt milites, rustici pugnant pro patria, si possunt, et deficien402

403

V g l . I Dial. V I 3 7 ( f . 6 j v a / b , p. 5 3 8 , 7 ff.). Ebenso III Dial. II iii 4 (f. 2 6 1 vb, p. 9 3 0 , 2 5 ff.), w o zusammenhängend der Begriff des »corpus ecclesiae« zum letzten Male (?) expliziert wird. Mehrfach vergleicht Ockham die defensio fidei mit der »pugna pro patria« (vgl. dazu allgemein bes. E. H . Kantorowicz, >Pro patria mori< in Medieval Political Thought, A H R 4 5 , 1 9 5 1 , 4 7 2 — 4 9 2 ; jetzt in Selected Studies, 3 0 8 — 3 2 4 ) , und immer argumentiert er dabei von der selbstverständlichen Verpflichtung der »pugna pro patria« her (»um wieviel mehr dann für die defensio fidei«), vgl. z. B. I Dial. V I 3 7 (f. 6 5 r b : v a , p. J 3 7 , 2 5 ff.), V I 9 9 (f. 1 0 9 rb; p. 6 2 6 , 51 ff.). A n princeps c. 8 sq. ( O P I, 2 5 8 ff.); III Dial. II i 2 7 (f. 2 4 5 ra, p. 8 9 9 , 5 8 ff.), — w o die »pugna pro patria« als unmittelbare Verpflichtung auch andere Notmaßnahmen rechtfertigt (Einzug von Kirchengütern durch den princeps, Konstituierung eines sonderbevollmächtigten »defensor« durdi den populus).

404

O Q V I I I 6 ( O P I, 2 0 4 , 13—25); ausdrücklich auf das Bild des corpus mysticum bezogen: . . . licet casualiter aliis deficientibus [»papa«] se possit huiusmodi negotiis [ d . i . »temporalibus«], quando urgens nécessitas vel evidens utilitas, quae necessitati valeat comparari, hoc exposcit, quia s i c u t . . . In dieser späten Schrift wird also ausdrücklich vom Corpus mysticum ( = ecclesia) analog auf die anderen »universitäres« geschlossen: ein weiterer Beleg für die grundlegende Bedeutung der Ekklesiologie für Ockhams Soziallehre.

35

M i e t h k e , Odcham

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tibus viris, mulieres, si valent, patriam et seipsas defendunt . . .405.« Hier ist bildhaft auf eine Formel gebracht, was das kasuelle Eingriffsrecht der geistlichen Gewalt in die weltliche (und ebenso analog der weltlichen Gewalt in die geistliche) Sphäre begründet, die Einheit des corpus Christi mysticum. Diese Einheit übergreift die Unterscheidung von Klerikern und Laien in der Kirche: die »causa fidei« geht ebensosehr die Laien an wie die Kleriker; denn Gott ist nicht nur Gott für die Kleriker, sondern ebensosehr für die Laien. Gewiß, zunächst haben die Kleriker, die sich besonders mit dem Gottesdienst beschäftigen, vor den Laien die Pflicht, sich um die Glaubensfragen zu kümmern, aber das heißt nicht, daß die Laien grundsätzlich ausgeschlossen wären. Wo die Kleriker irren oder der Haeresie verfallen sind, dort haben die Laien sich der Sache Gottes anzunehmen406. Darum ist es eine Erfindung herrschsüchtiger Kleriker zu behaupten, niemals und nirgendwo dürfe eine Glaubensfrage einen weltlichen Richter beschäftigen. Damit wollen sich die Kleriker nur zu den Herren (domini) über die Laien in der Kirche aufwerfen 407 . Kleriker und Laien sind nicht zwei corpora diversa, sondern nur ein Leib (Rm. 12, 5). Die Unterscheidung in Kleriker und Laien rührt, wie Ockham später andeuten wird, auch aus einer sozialen Notwendigkeit angesichts der Menge der Gläubigen, aber es kann der Fall eintreten, daß eine dieser Gruppen vollständig der Haeresie anheimfällt, und dann wäre diese Differenzierung zeitweise aufgehoben 408 . 405

Dasselbe Beispiel — auch in dem gleichen Zusammenhang — in O Q I 1 1 ( O P I, 49, ι — 6 ) : die fast gleichlautende Formulierung legt es nahe, an ein Sprichwort zu denken, das Ockham herangezogen hätte.

406

I Dial. V I 85 (f. 98 ra; p. 604, 5 3 ff.): . . . causa fidei non solum ad clericos, sed etiam spectat ad laicos sicut etiam deus non solum est deus clericorum, sed etiam et laicorum. Verumtamen causae dei principalius spectant ad clericos quam ad laicos.

407

I Dial. V I 100 (f. m v a , p. 6 3 1 , 33 ff.): C u m vero dicitur quod ad iudicem saecularem non pertinet causa fidei vel dei: respondetur quod dicere causam fidei nullo modo spectare ad iudicem saecularem vel laicos, omnino esset insanum, et est verbum clericorum avarorum et superborum, qui ideo ab ecclesia dei laicos conantur excludere, ut ipsis laicis exclusis possent ab ecclesia laicorum domini reputari, cum . . . in scriptura sacra numquam laici ab >ecclesiae< nomine ecludantur, sed ubicumque . . . nomen >ecclesiae< viros et mulieres et laicos comprehendat. Causa igitur fidei et d e i . . . spectat ad laicos. E t sicut deus est deus clericorum, ita est deus laicorum . . . (folgt wieder die Differenzierung in »principalius . . . ad praelatos ecclesiae« und »secundario . . . ad laicos. . .«).

408

O Q I 5 ( O P I, 2 7 ) , ein T e x t , der entgegen der Annahme von J . Bohatec

A u s b l i c k a u f die S o z i a l t h e o r i e der späteren Schriften

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Von dem Gedanken der Einheit der Kirche, die nicht in der strengen hierarchischen Ordnung gesichert ist, sondern die in der una fides ihr objektives Fundament findet, lassen sich Unterschiede ebenso wie die gemeinsame Grundlage der sozialtheoretischen Position in den beiden Phasen von Ockhams kirchenpolitischer literarischer Aktivität besser verstehen. In diesem Problem läßt sich audi die Gesamtstruktur des Dialogus sowohl nach seinem ursprünglichen Entwurf als auch nach seiner uns heute vorliegenden Form erfassen: der Dialogus, der beiden Phasen angehört, spiegelt in der perspektivischen Veränderung und in der Konstanz des Grundthemas deutlich den Weg, den Ockhams Reflexionen in der Sozialphilosophie vorangeschritten ist. Ockham selbst deutet uns unmißverständlich die Akzentverlagerung von der ekklesiologischen Analyse der ersten Jahre des Münchener Exils zu der »konstitutionellen« Problematik (wenn wir sie so nennen dürfen) der späteren Zeit präzise in den »Themen« seiner Schrift an. Der gesamte Dialogus sollte nach dem ursprünglichen Plan die »controversia, quae de fide catholica . . . nunc vertitur« behandeln, wobei der I. Teil die theoretischen Grundlagen in einer Abhandlung »De haereticis« abstecken sollte, woraufhin dann die beiden folgenden Hauptteile von der gesicherten Position aus in der historischen Konkretion die zeitgenössische Wirklichkeit analysieren sollten409. Als Ockham, Jahre später, an die Arbeit geht, den Dialo-

409

35»

( C a l v i n s L e h r e . . 5 8 6 A . 26) die eigene M e i n u n g O c k h a m s e n t w i c k e l t : . . . potestas spiritualis s u p r e m a et potestas laicalis s u p r e m a n o n necessario e x n a t u r a rei constituunt d u o c a p i t a c o r p o r u m d i v e r s o r u m , scilicet c l e r i c o r u m et l a i c o r u m , t u m q u i a c l e r i c i et l a i c i sunt u n u m c o r p u s i u x t a i l l u d A p o s t o l i a d R o m a n o s X I I . [ 5 ] . . . ; t u m q u i a , licet d e b e a n t esse distincti, clerici et l a i c i sunt u n u m c o r p u s p r o p t e r m u l t i t u d i n e m C h r i s t i a n o r u m q u a e n u n c est et f u i t t e m p o r i b u s b e a t i I e r o n y m i , t a m e n p u t a n t q u i d a m q u o d n o n esset impossibile clericos v e l laicos a v e r t i a f i d e et q u o d s o l u m m o d o r e m a n e r e t u n u m genus i p s o r u m respectu q u o r u m posset, q u a n t u m est e x n a t u r a rei, i d e m h o m o h a b e r e tarn p o t e s t a t e m s u p r e m a m s p i r i t u a l e m q u a m l a i c a l e m . E s ist zu beachten, d a ß O c k h a m hier ausschließlich die F r a g e e r ö r t e r t , ob die höchste geistliche u n d die höchste weltliche G e w a l t sich e x n a t u r a rei in einer P e r s o n ausschließen. O c k h a m a n t w o r t e t d a m i t , d a ß er bei g r u n d s ä t z l i c h e m F e s t halten a n der distinctio z e i t w e i l i g gleichsam eine P e r s o n a l u n i o n f ü r möglich h ä l t , ein G e d a n k e , der n o t w e n d i g ist, w e n n d a s M o d e l l des unus solus k o n sequent zu E n d e gedacht w i r d . B e i dieser z e i t w e i l i g e n L ö s u n g bleibt die distinctio v i r t u e l l v o r h a n d e n , so w i e bei einer M e h r h e i t v o n P ä p s t e n die E i n heit d e r s u p r e m a potestas spiritualis v i r t u e l l g e w a h r t bleibt ( v g l . d a z u G . T a b a c c o , P l u r a l i t à d i p a p i , 16 f.). V g l . oben K a p . I, A n m . 3 1 8 , 320.

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gus zu Ende zu führen, schließt er sich scheinbar eng an den ursprünglichen Grundriß des Werkes an, ja bezieht sich ausdrücklich auf seine alten Pläne410. Er hat aber eingesehen, daß angesichts des Fortgangs der Zeit — und seiner eigenen Erkenntnis — die ursprüngliche Planung nicht mehr ausreichte, die uns in der Tertia pars nur einen Bericht »de gestis« erwarten ließ. Er stellt daher den geplanten umfänglichen sieben Traktaten mit »res gestae« zwei andere voran, »praeparatorii et praeambuli ad sequentes«, die Wesen und Umfang der »potestas« des Papstes und des Klerus sowie der »potestas« und der »iura« des römischen Imperiums und der übrigen weltlichen Fürsten behandeln sollen411. Uber diese »Präambeln« zu einer historischen Darstellung sollte Ockham allerdings nicht mehr hinauskommen; aber diese Vorbereitung der Zeitkritik war ja auch nichts anderes als der Versuch, die schon im I. Teil des Dialogus entwickelte Theorie der sozialen Gestalt der Kirche zu einer konkreten Analyse der innerhalb der sozialen Ordnung dem Einzelnen kraft seiner Stellung zukommenden Befugnisse und Gestaltungsmöglichkeiten weiter zu entwikkeln412. Offenbar hielt er die allgemeine ekklesiologische Theorie, die er vormals entfaltet hatte, als Grundlage der konkreten Kirchenkritik, die nun folgen sollte, für nicht mehr voll ausreichend. Die kurialistische Anschauung von der »plenitudo potestatis Papae« einerseits und die Thesen des Marsilius von Padua etwa andererseits zu widerlegen, dazu bedurfte es einer genaueren Untersuchung der historisch konkreten Wirklichkeit der Kirche und der politischen Ordnung im Imperium Romanum. Die Leistung der Ockhamschen Sozialtheorie besteht darin, daß sie dem historischen Wechsel der politischen Konstellationen nicht eine anschauliche hierarchische Ordnung gegenüberstellt, an deren statischer Harmonie alle politische Entscheidung kritisch gemessen werden könnte, sondern vielmehr die Soziallehre aus einer T h e o r i e d e s p o l i t i s c h e n H a n d e l n s entfaltet. Der zentrale Begriff seiner Soziallehre wird mehr und mehr der Begriff der 110 411

412

III Dial. Prol. (f. 181 ra; p. 7 7 1 , 16 ff.). Ibid.: primi namque duo erunt praeparatorii et praeambuli ad sequentes . . . vgl. dazu audi III Dial. II Prol. (f. 229 vb; p. 870, 48 f.). Es scheint angesichts dessen kein Zufall zu sein, daß Ockham zuerst die potestas der kirchlichen Amtsträger untersuchte und diesen Traktat auch abgeschlossen hat — während er erst danach die weltliche Ordnung analysiert hat. Den Abbruch des Textes in III Dial. II iii 16 allerdings würden wir nicht auf solche theoretischen Probleme zurückführen.

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»potestas« als einer Gestaltungsfreiheit, die der anthropologischen Grundbestimmung menschlicher Existenz im sozialen Bereich korrespondiert. Hatte Ockham im Opus XC Dierum als die Grundlage göttlichen Rechtes für die Eigentumsordnung schon die »potestas acquirendi dominii« angesetzt, um von ihr aus die konkrete Eigentumsordnung in ihrer objektiven Geltung zu analysieren, so wird er später, analog zu dieser Struktur auch die Grundlage politischer Organisation beschreiben. Im Breviloquium hat Ockham schließlich die Herrschaftssetzung explizit in Analogie zur Eigentumsbildung verstanden413. Neben die »potestas appropriando tritt gleichursprünglich (und ebenfalls nach dem Sündenfall den Menschen von Gott eingeräumt) die »potestas instituendi rectores«. In dieser potestas gründet jegliche politische Ordnung, aus ihr folgt »in casu necessitatis« die Möglichkeit einer Absetzung des Herrschers durch den populus. Im III. Teil des Dialogas schließlich wird Ockham auch noch die Regierungsform selber aus dieser potestas ableiten. Er wird von einer »potestas variandi principatus«414 sprechen, die bei der Ge413

Besonders deutlich Brev. I I I 7 sqq. (Scholz, 125 ff.) IV 10 (161), dazu vgl. OQ II 6 (OP I, 78 ff., bes. 80), II 16 (96, 14 ff.) und I I I Dial. II i 27 (f. 24 j rb; p. 900, 14 ff.), wo die Legitimität einer Herrschaft selbst bei »intentio mala« aus den Eigentumserwerb bürgerlichen Rechts erwiesen wird. Es finden sich (aus kanonistischer Theorie aufgenommen) auch schon in I Dial. Bemerkungen, die auf diese Analogie indirekt zielen. Vgl. z. B. I Dial. V I 84 (f. 97 ra, p. 603, 5 ff.). Hier ist allerdings nicht vom dominium oder einer jurisdictio die Rede, sondern von der Konstitution einer repräsentativen Körperschaft (Konzil).

414

I I I Dial. I ii 20 (f. 199 ra; p. 806, 40 ff.) — vgl. dazu audi I I I Dial. I ii 27, wo nur für die Kirche diese potestas verneint wird: Ockham selbst aber scheint solche potestas auch für die universitas fidelium bejaht zu haben: vgl. G. Tabacco, Pluralità di papi, 7 ff. — A. Dempf (Sacrum Imperium, 521), spricht in diesem Zusammenhang von der »Souveränitätsidee«, deren Inhalt er aber (nach einem Lesefehler?) als »potestas variandi potestates« beschreibt — ein Irrtum, der bei Dempf nicht allzu schwer wiegt, der aber F. A. von der Heydte (Die Geburtsstunde des souveränen Staates. Ein Beitrag zur Geschichte des Völkerrechts, der allgemeinen Staatslehre und des politischen Denkens, Regensburg 1952, 3 1 2 f.) dazu verleitet, als Ockhams These eine Theorie vorzustellen, die wir nirgends in Ockhams Werken gefunden haben: »Damit wird die Königsgewalt, die Souveränität, zum >dominium potestativum< — d. h. zur >potestas variandi potestates«, zur Macht, Macht zu verändern — zur Kompetenz-Kompetenz . . . als potestas variandi potestates definiert Wilhelm von Occam die königliche Gewalt (!): und erst durch diese neue Wesensbestimmung . . . wird der Souveränitätsbegriff des modernen Staats in seinem ganzen Umfang erfaßt.« V. d. Heydte gibt keinen einzigen Beleg für diese These an, daher steht zu vermuten, daß er seine

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samtheit liegt, und die die Möglichkeit einschließt, von dem theoretisch besten »principatus« (dem monarchischen) auch in der Kirche für eine Zeit lang abzugehen, wenn es die »necessitas« oder eine »utilitas e ν i d e η s« gebietet 415 . Denn wenn auch mit zahlreichen Gründen gezeigt werden kann, daß die monarchische Regierungsform objektiv der »principatus optimus« ist, so ist damit noch nicht gesagt, daß das schlechthin Beste audi in jedem Einzelfall konkret das Beste ist416. Wiederum wie innerhalb der Kirche bei der »distinctio« zwischen Klerikern und Laien, gilt aber, daß solche kasuelle Abweichung vom »optimus principatus simpliciter« nicht über die Zeit der »necessitas« hinaus Gültigkeit beanspruchen darf: »cessante causa cessare debet effectus« 417 . Auch wenn die necessitas oder die evidens utilitas erst nach langer Zeit aufhört, hat keine »praescriptio« gegen die theoretisch beste Verfassung eingesetzt: die Ordnung des monarchischen Principats in der Welt und in der Kirche verjährt niemals. Demgegenüber aber kann die »Ausnahmesituation« sehr lange dauern. Selbst für die Papstwahl gilt: »ex causa licita potest deferri ad centum annos vel ducentum vel plures« 418 . Trotzdem wird nach der Zeit der Ausnahme wieder der optimus principatus seine Geltung haben. An diesem Beispiel einer Grundthese aus der späten Form von Ockhams Sozialphilosophie zeigt sich zugleich, wie Ockham methodisch die konkrete historische Lage mit der politischen Theorie seiner Tradition, die nach »der besten Staatsform« gefragt hatte, vermittelt, und wie er diese Tradition aufhebt in eine Analyse mögKonstruktion aus einer flüchtigen Lektüre von D e m p f s Aufstellungen zog: für Ockham aber hat die »potestas variandi principatus« mit dem »dominium potestativum« unmittelbar nichts zu tun — und steht audi mit dem werdenden Souveränitätsbegriff nur in sehr losem Zusammenhang (insofern als eben jede communitas die potestas eigener Rechtssatzung besitzt). 415

D a z u vgl. bes. I I I Dial. I ii 20 — daß die utilitas evident sein muß, ist im strengen Sinne von Ockhams Evidenz-Begriff zu verstehen.

416

D a s ist besonders prägnant in O Q I I I 1 1 I I I Dial. I I i 8 (f. 2 3 4 rb; p. 8 7 7 , 7 ff.).

417

I I I Dial. I ii 20 (f. 1 9 9 v a ; p. 607, 3S). — Z u r Vorgeschichte dieses G r u n d satzes in der juristischen Diskussion vgl. H . Krause, Cessante causa cessât lex, in: Z S R G 7 4 , K A 46 (1960), 8 1 — i n , das Prinzip wurde zum ersten Male voll von Innozenz I I I . ausgeprägt ( 8 j f.) und bestimmt dann seit den Glossatoren die Unterscheidung von ius commune und lex positiva (88) bei den Legisten. I I I Dial. I I i 8 (f. 2 3 4 rb; p. 8 1 8 , j 8 ff.)· Bezeichnend ist hier die methodische Erweiterung des »casus« der Sedisvakanz zu einer allgemeinen möglichen Ausnahmeverfassung.

418

( O P I, 1 1 5 f.) gesagt, vgl. dazu

Ausblick auf die Sozialtheorie der späteren Schriften

551

licher Ordnungen, die zwar nicht theoretisch gleichberechtigt sind, die aber nebeneinander für das politische Handeln, für den politisch Handelnden in bestimmten Situationen als Möglichkeiten in Betracht kommen. Die Analyse der jeweiligen potestas des politisch Handelnden geschieht im Horizont der jeweiligen Rechtssphäre, innerhalb deren seine potestas konstituiert ist. Tritt ein Fall ein, der durch die Normen dieser Rechtssphären nicht mehr geregelt ist, so greift das »höhere Recht« ein, also entweder das »ius gentium« oder schließlich, »in casu necessitatis«, das Naturrecht als vernünftige Satzung, die in der recta ratio gegenwärtig ist. Die Auslegung und Anwendung der jeweiligen potestas — auch der positiv-rechtlich übertragenen — ist für Ockham im konkreten Einzelfall in erster Linie eine Frage der Erkenntnis der Sachlage. Es erfordert »discretio«, der richtigen Norm zu folgen, und keine schematisch angewandte Regel erlaubt es dem Unerfahrenen, ohne solche Erkenntnisbemühung das Richtige schon im voraus zu wissen419. Entscheidend für ein angemessenes Verständnis dieses Gedankens in der sozialen Theorie Ockhams ist es, daß solche »casus«, in denen die notwendigen Maßnahmen erlaubt, ja geboten sind, keineswegs einem dezisionistischen Voluntarismus entsprechen, der es dem jeweiligen Inhaber der potestas gestatten würde, nach Belieben irgendwelche Maßnahmen zu treffen, um sie dann durch ihren Ausnahmecharakter zu rechtfertigen. Es ist Ockham unzweifelhaft, daß in solchen Notzeiten (oder angesichts einer »evidens utilitas«) im Grunde nur eine einzige Maßnahme getroffen werden muß und kann, die der Lage entspricht. Versagen vor dieser Aufgabe diejenigen, die eigentlich kraft ihres Amtes die Entscheidung zu treffen haben, so devolviert die rechtliche Handlungsbefugnis (für diesen und keinen anderen Fall) an die nächsten Beteiligten in einem (auch 419

V g l . dazu die berühmte zusammenfassende Beschreibung der »potestas« des Papstes in Imp. Pont. Pot. c. 1 3 (Streitschr. I I , 468 f.): Die »sublimitas apostolici principatus« besteht » . . . in hoc quod papa iure divino regulariter vel casualiter omnia potest quae sunt necessaria regimini et gubernationi fidelium, quamvis eius potestati ordinarie et regulariter certi termini constituti sint, quos regulariter transgredí sibi non licet; et qui sunt illi, claret ex predictis, licet non liqueat, qui sint casus in quibus licent sibi ilia, que nequaquam sibi regulariter sunt concessa. E t forte de eis non potest dari certa regula generalis, sed in eis est cum maturitate maxima procendendum iuxta discretionem et consilium sapientissimorum virorum iustitiam sincerrime, sine omni personarum acceptione zelantium, si possunt haberi, sive pauperes sint sive divites, sive subiecti sive prelati. V g l . im gleichen Sinne auch I I I Dial. I i 16 (f. 188 v b ; p. 7 8 6 , 29 ff.).

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Ausblick auf die Sozialtheorie der späteren Schriften

jeweils nach den »casus« verschiedenen) Instanzenzug. Der Ausnahmezustand gibt nicht eigentlich eine unbeschränkte Rechtsmacht, in freiem Belieben Akte zu setzen; er gibt nur auch denen ein Recht, das Notwendige zu tun, die im Regelfall solche Befugnisse nicht besitzen. So wird das eigentliche Problem der politischen Theorie Ockhams die Frage, wie solche »casus« in ihrer unmittelbaren Evidenz auch konkret e r k a n n t werden können. Nach der optimistischen Erkenntnislehre, derzufolge in der Evidenz die Wirklichkeit mindestens prinzipiell erschlossen ist, überrascht es nicht, daß Ockham auch auf dem Felde der praktischen Politik die Erkenntnism ö g 1 i c h k e i t der richtigen, weil von der Situation geforderten H a n d lung optimistisch beurteilt. Die grundsätzliche Möglichkeit, das Richtige zu erkennen, schließt aber nicht aus, daß im Einzelfall die Wahrheit nur aus reifer Erfahrung (maturitas) und dank scharfer Urteilsfähigkeit (discretio) wirklich zu erheben ist. Gerade darum ist ja die Beratung mit den »sapientissimi« für die Regierenden in Kirche420 und Welt 421 unerläßlich. Jede Durchbrechung der im Regelfall gesetzten Schranken muß sich am Kriterium des Rechtes messen lassen, das solche Durchbrechung allererst ermöglicht. Bei dem Papst also an der Glaubenswahrheit und am göttlichen Recht, beim weltlichen Herrscher am Naturrecht; andernfalls wird die Handlung ipso iure nichtig. So fordert Ockham von den Inhabern der potestas eine genaue Kenntnis der Grundlagen ihrer regulären und kasuellen Befugnisse422. Ein gefährliches Grundübel der zeitgenössischen kirchlichen Zustände sieht er darin, daß Bischöfe und Prälaten oft die Heilige Schrift nicht kennen 423 . Dabei wird die wissenschaftliche Erörterung dieser Fragen ihnen nur nützlich sein424. Wie solche wissenschaftliche 420

Imp. Pont. Pot. c. 1 3 (im unmittelbaren Anschluß): Si autem talium copia haberi non possit, supersedendum est, ne papa ex ignorantia, qua de facto sepe laborat, periculose términos transgrediatur antiquos et sententias ferat, que ipso iure sunt nulle.

421

Bes. I I I Dial. I I i 1 5 (f. 2 3 6 v b — 2 3 7 v b , p. 8 8 3 — 8 8 j ) , w o von dem Herrscher besonders die Kenntnis des Naturrechts und eine »experientia saecularium negociorum« verlangt wird, erst sekundär kommt die eigentliche »Bildung« (z. B. eloquentia, litteratura, ja auch die Kenntnis der iura civilia) in Betracht.

122

Z . B. B r e v . I 3 (Scholz, 4 3 f.). So I D i a l . V I I 36 (f. 1 3 8 ra; p. 6 8 $ , 6 1 ff.). — F ü r den Fürsten fordert Ockham ebenfalls die discretio ( I I I Dial. I I i 15 u. 17).

423

424

V o r allem Brev. I 1 — 1 0 (Scholz, 4 0 — 5 1 ) , w o die erlaubte, ja nötige »disputado« über die potestas des Papstes begründet w i r d und zugleich die Frage

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553

Analyse aussehen muß, dafür legen Ockhams eigene Schriften deutlich Zeugnis ab. Es geht — auch in der politischen Theorie — um die Wahrheit und nicht um die Macht. Da aber die Wahrheit in den wechselnden Konstellationen nur mühsam zu erkennen ist, wird Ockham nicht müde, dem Leser verschiedene casus vorzuführen, die entweder nach dem Zeugnis der Heiligen Schrift oder nach Auskunft der im kanonischen Recht gesammelten Cánones schon einmal eingetreten sind, oder die doch eintreten können, um an ihnen zu überprüfen, was geschehen muß, und um im Laufe der Auseinandersetzung auch zu untersuchen, wer das, was geschehen muß, auch durchzusetzen das Recht — und damit in casu auch die Pflicht hat. Aus der Erörterung extremer Situationen wird sich audi der N o r malfall besser in seiner konkreten Abgrenzung der Rechtssphären durchschauen lassen425. Die Frage ist müßig, ob für Ockhams Theorie die Ausnahmesituationen oder die reguläre Ordnung das eigentliche Ziel der Analyse sind. Es geht Ockham nicht um eine Theorie, die der Wirklichkeit als die »eigentliche« politische und soziale Ordnung gegenüber gestellt werden könnte; es geht ihm um eine Erkenntnis der rechtlich zulässigen Möglichkeiten des Handelns. Das Naturrecht ist im politischen Bereich nicht eine Sollensordnung des Ideals, sondern der normative Rahmen, innerhalb dessen die konkrete positive Ordnung vom Menschen frei konstituiert wird. Im Ausnahmefall bleibt allein dieser Rahmen verbindlich; aber das bedeutet nicht, daß eine gesellschaftliche Ordnung sich unter der multitudo peccatorum ausschließlich aus den generellen Bestimmungen des Naturrechts aufbauen ließe. Allein schon die historische Konkretion der naturrechtlichen Befugnis zur politischen Organisation in der Setzung eines bestimmten Herrschers ist notwendig positiv42®. Die Ausnahmesigeprüft wird, welche »periti« für eine solche Erörterung zuständig sind. Vgl. auch Imp. Pont. Pot. c. 15 sq., 26 (Streitschr. II, 470 f., 479). 425 Vgl. etwa I Dial. V I 100 (f. 1 1 2 vb; p. 633, 44 ff.): Disc.: Tu ponis exempla quae numquam acciderunt. Mag.: Respondetur quod propter duo talia ponuntur exempla: primo quia talia — licet numquam acciderunt, tarnen possunt accidere; secundo quia per exempla tam aperte manuducitur intellectus ad discernendum, quid in aliis est tenendum. — Oder III Dial. II iii 10 (f. 267 ra, p. 940, 10 ff.): Disc.: Videtur aliis quod illa obiectio non est ita fantastica quod — quamvis casus ille numquam evenerit — posset tamen accidere, et temerarium est dicere, quod numquam eveniet... (Man sieht, daß der Disc, in III Dial, vom Magister zumindestens methodisch einiges »gelernt« hat!) Dazu vgl. Anm. 419 f. 426 Y g j J a z u Jen fü r Ockhams politische Hermeneutik bezeichnenden Text

554

Ausblick auf die Sozialtheorie der späteren Schriften

tuation zeigt die r e l a t i v e Bedeutung der regulären K o m p e t e n z verteilung, ohne in sich selber schon mehr bereitzustellen als eine S o n d e rkompetenz, die das, w a s nötig oder evidentermaßen nützlich ist, auch durchzusetzen gestattet. D i e individuell bestimmte L a g e fordert manchmal Maßnahmen, die das Ü b e r k o m m e n e überschreiten. In diesem F a l l darf der H a n delnde v o r n o v i t a t e s

nicht zurückschrecken. E i n e novitas hat

sich nicht v o r dem H e r k o m m e n allein zu rechtfertigen, sondern in der necessitas oder in der evidens utilitas zu bewähren.

Hätte

A l e x a n d e r der G r o ß e sich v o r neuen M a ß n a h m e n gescheut, nie hätte er ein Weltreich errungen; w ä r e R o m v o r N e u e m zurückgeschreckt, nie hätte es den Erdkreis befriedet — und w e n n die Apostel und Heiligen nicht neue W e g e gesucht hätten, so hätten sie dem E v a n gelium, der » n o v a lex«, niemals die H e i d e n w e l t erschlossen. D e r politisch H a n d e l n d e darf sich also v o r »novitates perutiles, necessariae et salubres« nicht fürchten, der M a ß s t a b seines H a n d e l n s darf nicht bloß das Althergebrachte sein: allein das »rectum iudicium« ist das entscheidende Kriterium 4 2 7 . Zugleich enthalten diese Sätze eine Einschränkung. D a s redite Urteil ist eine Erkenntnisfunktion; seine rectitudo ist f ü r O c k h a m nicht unterschieden v o n der klaren Erkenntnis selbst 428 . D a s politische H a n d e l n hat — w i e das sittliche H a n d e l n — seine »regula« in der Erkenntnis. D a m i t gewinnt O c k h a m in der Sozialphilosophie

128

in III Dial. I ii 17 (f. 196 vb—197 ra; p. 802, 15—42). Ebenso die Analyse, ob der Kaiser seine Gewalt »a solo Deo« oder »a populo« habe: OQ II (OP I, 69 ff.) — die eigene Ansicht entwickelt Ockham in II, 3 (74 f.). Vgl. dazu besonders I Dial. V I I 72 (f. 163 va/b; p. 737 f.) : . . . N o n sufficit autem impugnatori ydoneo papae haeretici contra ipsum vias extraneas invenire, nisi cum fuerit expediens, ipsas curaverit effectui mancipare, ut videlicet non timeat aggredì novitates. Quamvis enim novitates inutiles, perniciosae et periculosae sint omnino vitandae, novitates tamen perutiles, necessariae et salubres sunt carius amplectendae. Non est aptus ad quaecumque ardua peragenda, qui omnes horret novitates: Si Alexander Macedo aggredì novitates timuisset, maiorem partem mundi sibi nullatenus subdidisset. Si civitas Romana novitates minime accepisset, nunquam pacem in universo orbe fecisset. Quid loquar de sanctis hominibus et apostolis? Si novitates inducere formidassent ad novam legem gentes nullatenus convertissent. Non sunt ergo novitates penitus respuendae, sed sicut vetusta cum apparuerint onerosa sunt omnímodo abolenda, ita novitates, cum utiles fructuosae necessariae et expedientes secundum rectum iudicium videbuntur, sunt animosius amplectendae . . . Auf diese Stelle machte schon A. Hauck, Kirchengeschidite Deutschlands, V, 541, aufmerksam. Zu Ockhams Auffassung des iudicium vgl. ζ. B. L. Baudry, Lexique, 132—135.

Ausblick auf die Sozialtheorie der späteren Schriften

555

eine theoretische Basis, die nicht auf eine rein voluntative Entscheidung des politisch Handelnden abstellt, und die doch der Vielfalt menschlicher Gestaltungsfreiheit gerecht werden kann. In der konkreten »evidenten« Erkenntnis der Situation gewinnt der H a n delnde die Einsicht in das Notwendige und kann dann dieser Einsicht entsprechend agieren. Die wissenschaftliche Erörterung kann ihm — so wie die ethische Theorie dem sittlichen Willen — nicht diese konkrete Erkenntnisbemühung, die sich auf die individuelle Lage richtet, abnehmen, aber sie braucht auf der anderen Seite keineswegs in einer »politischen Mystik« 4 2 9 von vornherein von der Identität des Herrscherwillens mit der »Richtigkeit« seiner H a n d lungen auszugehen 430 . In der Analyse der potestas seiner Stellung im Horizont ihrer naturrechtlichen und positivrechtlichen Bedingungen kann sie die legitimen Eingriffsmöglichkeiten für den Einzelfall präzise bestimmen, da sie die konstitutiven Elemente der politischen Ordnung exakt zu beschreiben vermag. Damit hat sie Anspruch auf Gehör; sie kann den politisch Handelnden in der Beratung jeweils die Schranken seiner Kompetenz genau angeben. Dies gilt im Falle der zeitlichen Gewalt. Im R a t des Fürsten nehmen die Theologen und Juristen Platz, die die naturrechtlichen und positivrechtlichen Bestimmungen überblicken; doch ebenso gilt das für die Leitung der Kirche, die auch nur unter Beachtung der ihr gesetzten Schranken verfahren darf und dazu den R a t der sapientissimi benötigt 431 . D i e wissenschaftliche Analyse der potestates ist nicht allein für den Fürsten und sein Beratergremium von Wichtigkeit; jedem einzelnen Untergebenen ist es von großem Vorteil, U m f a n g und Möglichkeiten zu kennen, die in der Kompetenz der Herrschenden liegen. Daher dient die vorurteilslose Analyse dem allgemeinen Nutzen, ja die kritische, allein der Wahrheit verpflichtete Untersuchung der Befugnis des Papstes wird eine eminent theologische Aufgabe, die dem höchsten Anspruch aller theologischen Bemühung, dem honor Dei zu dienen, gerecht wird. D i e kritische 429

Z u r »politischen M y s t i k « des spätmittelalterlichen Denkens vgl. bes. E . H . K a n t o r o w i c z , Selected Studies, 3 8 1 — 3 9 8 ( = Mysteries of State, A n A b solutist Concept and its Late Medieval Origins, in: The H a r v a r d Theological R e v i e w 48, 1 9 5 5 , 6 5 — 9 1 ) .

430

Charakteristisch d a f ü r ist der Gebrauch, den Ockham von dem Satz des römischen Redites macht, nach dem der Princeps »lex animata« genannt w i r d ( = N o v . I O J ) . Ockham zitiert den S a t z nur, ohne ihn besonders zu betonen, z. B. I I I Dial. I I i ι (f. 2 3 0 Tb, p. 8 7 1 , 5 2 — 5 4 ) . Z u r juristischen Tradition vgl. E . H . K a n t o r o w i c z , T h e King's T w o Bodies, 1 2 7 ff.

431

V g l . oben A n m . 4 1 9 .

556

Ausblick auf die Sozialtheorie der späteren Schriften

Ekklesiologie des I. Teils des Dialogas schließt der Schüler mit den Worten432: . . . Omnibus legentibus materia da tur cogitandi. Puto enim, quod cum ista fuerint divulgata, tum propter raritatem, tum propter utilitatem viri litterati et intelligentes zelum veritatis et boni communis habentes, quae vera sunt, rationibus manifestis et testimoniis scripturarum apertis satagent confirmare. Tu etiam — ut aestimo — cum mentem tuam ceperis aperire de praedictis, opera facies manifesta et praeclara, plana veritate referta, ad omnium utilitatem fidelium et dei omnipotentis honorem, cui sit gloria laus et imperium in saecula saeculorum. Amen. Ockham selbst begreift seine sozialphilosophische Reflexion als unmittelbaren Inhalt seiner theologischen Existenz. Dem »honor« und der »gloria Dei« dient er gerade in der kritischen Analyse der ekklesiologischen Fragen und, davon ausgehend, in der Untersuchung der Möglichkeiten sozialer Ordnungen. Ockham glaubt erkannt zu haben, daß es zu seiner Zeit unmittelbarer Auftrag der Theologie ist, dem weltlichen Anspruch des universalen Papsttums entgegenzutreten, und er verzehrt sich im Bemühen, das in einer allein der Wahrheit und dem christlichen Glauben verpflichteten kritischen Denkbewegung zu erhärten. Am Ende seines Lebens begründet er, warum er seine theologische Arbeit diesem Problem zugewandt hat433: Autumo vero, quod [qui] nequaquam ferventer desiderai434 ad publicam deduci notitiam, qua et quanta et quo iure papa polleat potestate, zelum christianitatis non habet vel non secundum scientiam (Rom. 10, 2). Quamobrem omnes literati circa ipsam indagandam435 hiis periculosis temporibus occupari deberent propter infinita mala, que ab antiquis temporibus inter christianos ex ipsius ignorantia provenerint. Aliter enim alligatum erit verbum Dei in ore ipsorum, et erunt sicut canes muti non valentes latrare (Is. 56, ιο)43β. 432 433 434

435

43t

I Dial. V I I 73 (f. 164 vb, p. 739, 52 ff.). Imp. Pont. Pot. c. 26 (Streitschr. II, 480). Alle 3 Mss. lesen »desiderat« (L, f. 100 ν ; D , f. 8 ra; Τ , f. 264 ν), D läßt am Satzbeginn eine Lücke, Τ vereinfacht in »Qui vero nequaquam . . . « . Der Text von L ist nur durch unsere Konjektur oder durch die Emendation von R. Scholz zu heilen: »Autumo vero, quod nequaquam ferventer desiderans . . . « Scholz liest »scientias« u. »indigandam« — ersteres ist nach D (f. 8 ra, vgl. Mulder in A F H 16, 492) u. Τ (f. 264 v) zu korrigieren, das zweite ist Druckfehler (vgl. L, f. 100 ν u. die Edition Bramptons, p. 46). »muti« ist aus dem Is.-Zitat in D (f. 8 ra) u. Τ (f. 265 r) aufgenommen und wohl in den Text zu setzen, obwohl D und Τ gegenüber L nidit den Wert zweier Zeugen beanspruchen dürfen.

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS ι. Verzeichnis der Abkürzungen für Zeitschriften, Publikationsreihen, Kollektionen und häufiger zitierte Handschriften AFH AHDL AHR ALKG

Archivum Franciscanum Historicum Archives d'histoire doctrinale et littéraire du moyen-âge The American Historical Review Archiv für Literatur- und Kirchengeschichte des Mittelalters

Β

Ms. Berlin, Staatsbibliothek, lat. fol. 41 ( = Cod. elect. 974) Stephani BALUZII . . . Miscellanea, novo ordine digesta et . . . aueta opere ac studio Joannis Dominici M A N S I . . t. II u. III, Lucca 1761 u. 1764

Baluze-Mansi, Mise. II-III BB BF BISI Β RUO Bull. Int. Pol.

Cone. oec. deer.

Beiträge zur Geschichte der Philosophie und Theologie des Mittelalters vgl. Eubel Bulletino dell'Istituto Storico Italiano per il Medio Evo e Archivio Muratoriano vgl. Emden Bulletin International de l'Académie Polonaise de Sciences et de Lettres, Classe de Philologie, Classe d'Histoire et de Philosophie Conciliorum oecumenicorum decreta, edidit Centro di documentazione, Instituto per le scienze religiose, Bologna, curantibus Josepho ALBERIGO, Perikle-J. JOANNOU, Claudio LEONARDI, Paolo PRODI, consultante Huberto JEDIN, Editio altera, Basel — Barcelona — Freiburg (Br.) — Rom — Wien 1962

CUP

vgl. Denifle

D

Ms. Deven ter, Stads-of Athenaeum-Bibliotheek, Inc. 10. Χ . ι, nr. 4

DA

Deutsches Archiv für Geschichte (seit 1950/51: für Erforschung) des Mittelalters

DDC

Dictionnaire du Droit Canonique

Η. Denifle-Ae. Chatelain, CUP

Heinrich DENIFLE, Emile C H A T E L A I N (ed.), Chartularium Universitatis Parisiensis, I u. II, Paris 1889 u. 1891 ( = photomedi. Nachdruck Bruxelles 1964) Heinrich DENZINGER, Enchiridion symbolorum, definitionum et declarationum de rebus fidei et morum . . . quod

DenzingerSchönmetzler :

558

Abkürzungsverzeichnis

DThC

funditus retractavit, auxit, notulis ornavit Adolfus SCHÖNMETZLER, S. J., Editio X X X I I a , Barcelona—Freiburg (Br.)—Rom—New York 1963 (und seither öfter) Dictionnaire de Théologie Catholique

EHR

The English Historical Review

Α. Β. Emden, BRUO

Alfred Brotherston EMDEN, A Biographical Register of the University of Oxford to A. D. 1500, I — I I I , Oxford

F

1957. 1958, 1959 Conrad EUBEL (ed.), Bullarium Franciscanum sive Romanorum Pontificum Constitutiones, Epistolae, Diplomata tribus ordinibus Minorum, Clarissarum Poenitentiarum . . . concessa t. V u. V I , Rom 1898, 1902 Ms. Florenz, Bibl. Laur., Plut. X X X I sin. cod. 3

FcS

Franciscan Studies, new series

Franc. Inst. Pubi.

Franciscan Institute Publications (Philosophy Series, bzw. Text Series)

Friedberg

Aemilius FRIEDBERG (ed.), Corpus Iuris Canonici t. I, Decretum Magistri Gratiani t. II, Decretalium Collectiones, Leipzig 1879 ( = photomech. Nachdr. Graz 1959)

FS

Franziskanische Studien

Hain

Ludwig HAIN, Repertorium bibliographicum. Bd. 1—4, Milano 1948 ( = Stuttgart u. Paris 1826—1838) Walter Arthur COPINGER; Supplementum to Hain's Repertorium bibliographicum. Bd. 1—2, Milano 1950 ( = London 1895—1902)

C. Eubel, B F V u. V I

Hain-Copinger

HJb

Historisches Jahrbuch der Görresgesellschaft

HLF

Histoire Littéraire de la France, ouvrage commencé par les religieux bénédictins de la congrégation de Saint-Maur, et continué par des Membres de l'Institut

MGH

Monumenta Germaniae Histórica

Misc. I I - I I I

vgl. Baluze-Mansi

MPL

J . P. MIGNE (ed.), Patrologiae cursus completus... Series latina, Paris 1844—1864 (u. ö.)

MS

Medieval Studies

Muratori, R I S S

Ludovicus Antonius MURATORI (ed.), Rerum Scriptores

NA

Neues Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche schieh tskunde

OHS

Oxford Historical Society Publications

OP I-III

Guillelmi de Ockham Opera Politica vol. I, ed. J . G. SIKES (u. a.), Manchester 1940 ( = Publications of the University of Manchester. 273); vol. II, ed. J . G. SIKES und H . S. OFFLER, Manchester

Manchester 1956

Italicarum

1 9 6 3 ; vol. I I I , ed. H . S.

Ge-

OFFLER,

559

Abkürzungsverzeichnis OT I

G u i l l e l m i de O c k h a m O p e r a philosophica et theologica. O p e r a theologica I : Scriptum in librum primum Sententiarum. O r d i n a t i o . Prologus et Distinctio prima. E d . G e deon G Á L , adlaborante Stephano B R O W N . St. Bonaventure, N . Y . 1967

Phjb

Philosophisches Jahrbuch der Görresgesellschaft

Phil. Writ.

O c k h a m , Philosophical Writings, A Selection, edited and translated b y Philotheus

BOEHNER,

O . F. M . ( t ) , Edinburgh,

L o n d o n , Melbourne 1957 (u. ö.) ( =

The N e l s o n Philoso-

phical Texts) QFIAB

Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven Bibliotheken

RCSF

R i v i s t a critica di storia della filosofia

RHD

R e v u e d'histoire du droit français et étranger

RHE

R e v u e d'histoire ecclésiastique

RISS

vgl. M u r a t o r i

RThAM

Recherches de théologie ancienne et médiévale

SB

Sitzungsberichte der A k a d e m i e . . .

Streitsdir. II

R.

SCHOLZ,

Unbekannte

kirchenpolitische

aus der Zeit L u d w i g s des B a y e r n

und

Streitschriften

(1327—1354),

Bd. I I :

T e x t e , R o m 1914 ( = Bibliothek des K g l . Preußischen H i storischen Instituts in R o m . 10) Τ

Ms. Tübingen, Universitätsbibliothek, M c 194

TRHS

Transactions of the R o y a l H i s t o r i c a l Society

ZKG

Zeitschrift f ü r Kirchengeschichte

ZSRG (GA, K A , RA)

Zeitschrift der S a v i g n y - S t i f t u n g f ü r Rechtsgeschichte (Germanistische A b t e i l u n g , Kanonistische A b t e i l u n g , R o m a n i stische A b t e i l u n g )

2. Verzeichnis der f ü r Ockhams W e r k e v e r w a n d t e n A b k ü r z u n g e n und der benutzten Editionen A n princeps

A n Princeps p r o suo succursu, scilicet guerrae, possit recipere bona ecclesiarum, etiam invito papa, ed. H . und R . H . S N A P E , in O P I, p. 2 2 3 — 2 7 1

S.

OFFLER

Brev.

B r e v i l o q u i u m de principatu tyrannico super divina et humana, specialiter autem super Imperium et subiectos imperio, a quibusdam vocatis summis pontificibus usurpato; ed. R . S C H O L Z in: W i l h e l m v o n O c k h a m als politischer D e n k e r und sein B r e v i l o q u i u m de principatu tyrannico, L e i p z i g 1944 ( = u n v e r ä n d . N a c h d r . Stuttgart 1952), 39 bis 220

C o m p . err.

C o m p e n d i u m Errorum Papae, zitiert nach M . G O L D A S T , Monarchia S. R o m a n i Imperii, II, F r a n k f u r t / M a i n 1614 ( = photomech. Nachdruck G r a z 1960), 9 5 7 — 9 7 6

560

Abkiirzungsverzeichnis

Contra Ben.

Tractatus contra Benedictum, ed. H . S. OFFLER, in OP III,

Contra Joh.

Tractatus contra Johannem, ed. H. S. OFFLER, in OP III,

De caus. matrim.

Consultatio de causa matrimoniali, ed. H . S. OFFLER, in

157—322 19—156 O P I, 273—286

De sacram.

Beide Traktate »De sacramento altaris«, in: T. BRUCE BIRCH, The de sacramento Altaris of William of Ockham, Burlington, Iowa 1930 (verglichen mit der Ed. Straßburg 1941, Hain Nr. 11941, photomech. Nachdruck Louvain

I-III Dial.

Dialogus, pars I—III; nadi der Ed. Lyon 1496 ( = Hain Nr. 11935 f.), photomech. Nachdr. in: Guillelmus de Occam, Opera plurima (Lyon 1494—1496), London 1962, t. I; außerdem (in demselben Text) bei Melchior GOLDAST, Monarchia S. Romani Imperii . . . II, Frankfurt/Main 1614 ( = photomech. Nadidr. Graz I960), 394—957. — Die Ausgabe von Goldast ist photomedi. abgedruckt: Guilielmus ab Occam, Dialogus de potestate papae et imperatoris, Torino 1959 ( = Monumenta politica rariora, ex optimis editionibus phototypice expressa, curante Luigi FIRPO, ser. I, nr. 1)

1962)

Elem. Log.

Guillelmi

Ockham

Elementarium

Logicae, ed. Eligius

M a r i a BUYTAERT. I n : F c S 25 ( 1 9 6 5 ) , 1 7 0 — 2 7 6 ; 26 (1966), 66—173

Exp. artis log.

Expositionis in libros artis logicae prooemium et Expositio in librum Porphyrii De praedicabilibus, ed. Ernest A(ddison) MOODY. St. Bonaventure, N. Y. 1965 ( = Francisc. Inst. Pubi.)

Exp. aur.

Expositio aurea et admodum utilis super artem veterem edita per venerabilem fratrem Guilielmum de Occkam cum quaestionibus Alberti parvi de Saxonia, Bologna 1496 ( = Hain Nr. 11950, photomech. Nadidr. Ridgewood N. J. 1965)

Exp. Phys.

Expositio in libros Physicorum, noch ungedruckt, hier benutzt nach Ms. Berlin, Staatsbibliothek, lat. fol. 41 ( = Β). P r o l o g : e d . G . E . MOHAN in F c S 2 3 5 — 2 4 6 , u. P h . BOEHNER in P h i l . W r i t . , 2 — 1 6 .

Imp. Pont. Pot.

5

(1945),

Tractatus de Imperatorum et Pontificum Potestate c. 1 bis 26, e d . R SCHOLZ in Streitschr. I I , 4 5 3 — 4 8 0 ; c. 27, e d . W. MULDER, in A F H 1 7 ( 1 9 2 4 ) , 7 2 — 9 7

Log. min.

Tractatus Logicae minor, ed. E. M. BUYTAERT, in FcS 24

OND

Opus nonaginta dierum, c. 1—6, ed. R. F. BENNET U.

(1964), 5 5 — 1 0 0 J . G . SIKES in O P I , 2 8 9 — 3 7 4 ; c. 7 — 1 2 4 , e d . R . F . BENNETT U. H . S. OFFLER, in O P I I , 3 7 5 — 8 5 8

561

A b k ü r z u n g s Verzeichnis

OQ

Octo quaestiones de potestate papae, ed. J . G . SIKES, in O P I,

Prol. Sent.

I—221

Prologus zum »Scriptum in librum I. Sententiarum«, ed. G . G A L u. S t . BROWN in O T I,

Qu (aest.) Phys.

3—370

S.L. I - I I I i

Quaestiones in libros physicorum, noch nidit vollständig gedruckt, hier benutzt nach Ms. Paris B N lat. 17841 und nach den Editionen von Francesco CORVINO, in R C S F 10 (1955), 265—288; I I (1956), 4 1 — 6 7 ; 1 2 (1957), 42 bis 63; 13 (1958), 1 9 1 — 2 0 8 Quodlibeta Septem, Edition Straßburg 1 4 9 1 ( = Hain N r . 1 1 9 4 1 ) , photomech. Nachdruck Louvain 1962 Summa Logicae, Pars Prima, Pars Secunda et Tertiae

I Sent. d. 1

u. 1954 ( = Franc. Inst. Pubi., Text Ser. 2) Scriptum in librum primum Sententiarum, distinctio 1 a,

Qdl.

prima,

ed.

Ph.

BOEHNER,

St.

Bonavanture

e d . G . G A L U. S t . B R O W N i n O T I ,

I - I V Sent.

S. t. L. I I I ii-iv. Summ. Phys.

Tract, de Praed.

N.

Y.

1951

371—507

Quaestiones et decisiones in I V libros S e n t e n t i a r u m . . . Edition Lyon 149$ ( = Hain N r . 1 1 9 4 2 — 4 4 ) photomech. Nachdr. in Guillelmus de Occam, O. F. M., Opera plurima (Lyon 1494—1496), London 1962, t. I I I (I Sent.) und I V ( I I — I V Sent.) Summa totius Logicae. O x f o r d 1675 Summulae in libros Physicorum, hier zitiert nach der Ausgabe: Philosophia Naturalis Guilielmi Occham, Angli Min. Con. ( ! ) . . . a M. F. Bonaventura THEULO Veliterno, Ord. S. Francisci Min. Conv. See. et Assist. . . . edita, Rom 1637, photomech. Nachdruck London 1963 The Tractatus de praedestinatione et de praescientia Dei et de futuris contingentibus of William Ockham, ed. Ph. BOEHNER, St. Bonaventure, N . Y . 1945 ( = Franc. Inst. Pubi., Phil. Ser. 2)

Tract, de Succ.

The Tractatus

de Successivis

ham,

BOEHNER,

ed.

Ph.

St.

Attributed to William OckBonaventure

N.

Y.,

1944

( = Franc. Inst. Pubi. Phil. Ser. 1). — Dieser Traktat ist k e i n e originale Schrift, enthält aber fast ausschließlich Texte aus der noch unedierten E x p . Phys.

36

Miethke,

Ockham

LITERATURVERZEICHNIS Bemerkung: Es gibt mehrere neuere bibliographische Übersichten zur OckhamLiteratur: vgl. Valens HEYNCK, Ockham-Literatur 1 9 1 9 — 1 9 4 9 , in FS 32 (1950), 1 6 4 — 1 8 3 , und die Literaturverzeichnisse in den unten zitierten Arbeiten von Robert GUELLUY (p. X I I — X X I V ) und Cesare VASOLI (p. 304—332); darum wurde in diesem Verzeichnis auf bibliographische Vollständigkeit kein Wert gelegt. Von der Literatur sind i. a. nur die mehrmals zitierten Werke aufgenommen. Grundsätzlich fortgelassen haben wir Standardwerke wie GEBHARDTS Handbuch der Deutschen Geschichte o. ä., ebenso Artikel in Lexika (z. B. D T h C ) oder in Sammlungen wie der Histoire Littéraire de la France. Die Texte, die aus MIGNES Patrologie oder aus einer Ausgabe der Monumenta Germaniae Histórica herangezogen wurden, sind hier gleichfalls nicht aufgeführt, ebensowenig die Texte, die wir aus Baluze-Mansi, Mise. II u. I I I zitieren, oder die im Abkürzungsverzeichnis bereits genannten Titel. Nicola ABBAGNANO: Guglielmo di Ockham. Lanciano o. J . ( 1 9 3 1 ) ALBERTUS MAGNUS: Opera Omnia, bei A . Borgnet, Paris 1890—1899 Marie-Thérèse d'ALVERNY: Les écrits théoriques concernant la pauvreté évangelique depuis Pierre Jean Olieu jusqu'à la bulle Cum inter nonnullos (12. novembre 1323). In: École Nationale des Chartes. Positions des Thèses soutenus par les élèves de la promotion de 1928 pour obtenir le diplôme d'archiviste paléographe, Paris 1928, 5—8 ALEXANDER von HALES: Summa theologica (ed. Collegium Sti. Bonaventurae). Quaracchi—Florenz 1924—1948 ARISTOTELES: Opera. Edidit academia regia Borussica. Aristoteles graece ex recognitione Immanuelis BEKKERI, vol. I, II. Berlin 1 8 3 1 ( = photomech. Nachdr., Darmstadt i960) Johannes AUER: Die Entwicklung der Gnadenlehre in der Hochscholastik mit bes. Berücks. des Kardinals Matteo d'Aquasparta. I : Das Wesen der Gnade. I I : Das Wirken der Gnade. Freiburg (i. Br.) 1942 u. 1951 ( = Freiburger theol. Studien 62 u. 64) Johannes TURMAIR, genannt AVENTINUS: Sämtliche Werke, auf Veranlassung Sr. Majestät des Königs von Bayern hrsg. von der K . Akademie der Wissenschaften. (5 Bde.) München 1 8 8 1 — 1 8 8 6 Friedrich BAETHGEN: Der Anspruch des Papstes auf das Reichsvikariat. In: Z S R G 4 1 , K A 10 (1920), 168—268. Abgedruckt in: F. B.: Mediaevalia. Aufsätze, Nachrufe, Besprechungen. Stuttgart 1960 ( = Schriften der Monumenta Germaniae histórica. 17, 1.—2.) 1 1 0 — 1 8 5 K a r l BALTHASAR: Geschichte des Armutsstreites im Franziskanerorden bis zum Konzil von Vienne. Münster i. W. 1 9 1 1 ( = Vorreformationsgeschichtliche Forschungen. 6)

Literaturverzeichnis

563

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a.

14. t. 12 (1939). 210—230 — : Gauthier de Chatton et son commentaire des Sentences. In: A H D L a. 18 à 20, t. 14 (1943—194$), 337—369 — : Guillaume d'Occam. Sa vie, ses œuvres, ses idées sociales et politiques. I: L'homme et les œuvres. Paris 1949 ( = Études de Philosophie Médiévale. 39·) — : Lexique philosophique de Guillaume d'Ockham. Étude des notions fondamentales. Paris 19 58. — : Les rapports de la raison et de la foi selon Guillaume d'Occam. In: A H D L t. 29 a. 38 (1962), 33—92 — : L'Ordre franciscain au temps de Guillaume d'Occam. In: MS 27 (1965), 184—211 Hans-Jürgen BECKER: Zwei unbekannte kanonistische Schriften des Bonagratia von Bergamo in Cod. Vat. lat. 4009. In: Q F I A B 46 (1 $66), 219—276 BERNHARD von Clairvaux: Sancti Bernardi Opera, vol. I I I : Tractatus et opuscula, edd. Jean LECLERCQ, H . M. ROCHAIS. Rom 1963 Midiael BIHL: Formulae et documenta e cancellarla Fr. Michaelis de Cesena, O. F. M., ministri generalis 1 3 1 6 — 1 3 2 8 . In: A F H 23 (1930), 1 0 6 — 1 7 1 Hans BLUMENBERG: Die kopernikanisdie Wende. Frankfurt/Main 1965 ( = edition suhrkamp. 138.) — : Die Legitimität der Neuzeit. Frankfurt/Main 1966 Friedrich BOCK: Die Prokuratorien Kaiser Ludwigs IV. an den Papst Benedikt X I I . In: Q F I A B 25 (1933), 2 5 1 — 2 9 1 — : Die Appellationsschriften König Ludwigs I V . in den Jahren 1323/24. In: D A 4, 1940—21, 179—205 — : Reichsidee und Nationalstaaten vom Untergang des alten Reiches bis zur Kündigung des deutsch-englischen Bündnisses im Jahres 1 3 4 1 , Mündien 1943 — : Das deutsch-englische Bündnis von 1 3 3 5 — 1 3 4 2 . I: Quellen (mehr nicht erschienen). München 1956 ( = Quellen und Erörterungen zur bayerischen Geschichte, N. F. 12.) Johann Friedrich BOEHMER (ed.): Fontes rerum Germanicarum, Bd. IV. Stuttgart 1868 Philotheus BOEHNER (ed.): The Tractatus de successivis, attributed to William Ockham. New Y o r k 1944 ( = Franc. Inst. Pubi., Phil. Ser. 1.) — : The Text Tradition of Ockham's Ordinatio. (1942), 203—241

In: The New Scholasticism 16

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564

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— : Ockham and his Alleged Authorship of the Tract Quia saepe iuris. In: A F H 53 ( I 9 6 0 ) . 3 0 — 3 8

— : Traditions Relative to the Death of William of Ockham. In: A F H

53

(I960), 44^—449

— : Guillaume d'Ockham et la Prima

redactio

de son Commentaire sur les

Sentences. I n : R H E 56 ( 1 9 6 1 ) , 4 7 0 — 4 7 6

— : The Probable Date of Ockhams Lectura

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37 Miethke, Odtham

REGISTER actus (a. interior u. a. exterior:) 305. — (a. virtuosus:) 303 f. — (a. necessario virtuosas:) 306 ff., 310, 320 f. — (bonitas a.:) 311. — (rectitudo a.:) 308 ff., 554 Adam Woodham: 17, 30 Aegidius Romanus: 495 aequitas naturalis: 480 f., 485 per aequivalentiam: 213, 220 f. „Adademie", Münchener: 426 f. Akzeptation: 336 f., 340, 457, 499 u. ö. Alanus Anglicus: 290, 412, 475, 495,

Arnald de Pelagru: 376 Arnald von Verdale: 111 auctoritas: 262 f., 274, 288, 291, 435, 538 u. ö. Aurelius Augustinus: 141, 228, 280, 479 f., 498 Augustinus von Regensburg: 118 Augustinus Triumphus: 435 Authentizität: 294 Averroes: 217 f., 220 f., 223, 243 Avicenna: 217

529, 531 Albertus Magnus: 142 Albertus parvus: 219 Albredit II., Hg. v. Österreich: 121 f. Alexander von Haies: 142, 238 Alle gat ione s de potestate imperiali (1338): 102 ff., 429 Allegationes religiosorum virorum (1328): 80, 424 f., 429 Allegorese: 277 Almain, Jacob: 114 Alvaro Pelayo: 14, 375, 391, 393 ff. Andreas Ricchi: 367, 397 Angelo von Clareno: 356, 359, 364 Anonymus, Continuatio der Determinatio compendiosa: 115 Anonymus, Quoniam omnis: 80 ff., 84, 363, 406, 415, 424, 447 Anonymus, Quoniam scriptura: 86 Anonymus, Quoniam ut ait: 95 f. Anonymus, Rex paci ficus: 496 Anonymus, Ut in composicione: 86 Anonymus, Responsiones: 393 ff. Anonymus, Tractatus de principiis theologiae: 140 f., 159, 243 Annibaldo Caietani de Ceccano: 90 Anselm von Canterbury: 141, 302 Anselm von Laon: 538 apprehensio: 210, 223 ff., 263 Approbationstheorie: 401 f. Aristoteles: 158 f., 164, 191, 196, 238 ff., 251, 262, 302, 317 f.

Baldewin von Luxemburg (EB v. Trier): 131 Baldus de Ubaldis: 489 Bartholomäus von Pisa: 30 f. Bartolus von Sassoferrato : 372, 489, 506 f. Benedikt X I I : 71 f., 81, 90 f., 97 f., 126, 360, 363, 420 u. ö. — (Benedictas Deus [1336]:) 91, 96. — (Redemptor noster [1337]:) 107, 111, 116, 123, 132, 298 f. Berengar Frédol: 366, 376 Berengar Talon: 365 f. Bernhard von Clairvaux: 528, 534 Berthold von Tuttlingen: 83 Bertrand della Torre: 59, 66, 366, 369, 392 f., 416, 424 f. Bertrand du Poujet: 403, 414, 418 Boethius: 228 Bonagratia von Bergamo: 86, 356, 371 f., 379 ff., 394, 398, 405, 410, 416, 426, 461, 493 Bonaventura: 143 f., 160, 238, 342, 353, 357, 371, 397 u. ö. Bonifaz V I I I : 108, 373, 406 caritas: 333 f., 336 ff., 346 f., 452 ff., u. ö. Castruccio Castracane: 405 causa fidei: 546 certitudo: 190, 192 f., 327 f. u. ö. chimaera: 235, 509

Register Clemens IV.: 400 Clemens V.: 362, 374, 400 u. ö. (Exivi:) 357 f. u. ö. Clemens VI.: 9, 25, 46, 50, 81, 126 f., 131, 402, 425 u. ö. Coelestin V.: 356 Coelius Sedulius: 526 communio: 514 f. conceptas communes: 196 ff. u. ö. conceptus connotativus: 202 ff., 311, 512 u. ö. conscientia: 330 constitutum Constantini: 534 f. consuetude: 483, 488 corpus Christi mysticum: 544 ff. creatio: 160 f., 211 credere: 185, 273 f. u. ö. (vgl. auch fides) cuncta iustorum: 495 ff. Dante Alighieri: 360, 519 Descartes, René: 193 Delegation: 542 ff. determinano: 8, 292, 295, 532, 537 diligere deum super omnia: 307,320 f., 346 u. ö. discretio: 552 Dominicus Grima (B.el. v. Pamiers): 61 dominium: 450, 458 ff. u. ö. — (Urgeschichte des d.:) 476 f., 484 ff. — (d. im Urständ:) 469 ff. u. ö. — (d. in der Urkirche:) 451, 458, 465, 472 u. ö. — (d. an Kirchengut:) 113, 460 ff. u. ö. — (d. commune:) 354, 373, 381 f., 390, 513 f. u. ö. — (d. mundanorum:) 459 f., 483, 514 u. ö. — (d. naturale:) 469 u. ö. — (d. temporale regis:) 461, 525 f. Doppelwahlen von 1198 ». 1314: 402 Durandus von St. Porciano: 25, 61, 64, 90 ecclesia: 390 f., 464, 536 ff. u. ö. — (e. Avinionica:) 132, 296, 299, 429, 431 — (e. Romana:) 288 ff., 297 u. ö. — (e. universalis:) 289, 297 u. ö. Meister Eckhart: 46, 72 Edward der Bekenner, Kg. v. England: 457 37 F. M i e t Κ k e , Octham

579

Edward II., Kg. v. England: 1, 56, 65, 532 f. Edward III., Kg. v. England: 100, 112, 116, 532 f. Elias von Cortona: 417 f. Empirismus: 241 Erkenntnisrelation: 170 f. Étienne Tempier (B. v. Paris) : 46 f., 154, 157, 194 Evidenz: 182, 188 ff., 245 ff., 266 f., 273, 287, 320, 327 f., 335 u. ö. experientia: 192, 219, 241, 250 ff., 266, 327 f. u. ö. fictio iuris: 504 fictum-Theorie der Allgemeinbegriffe: 15 ff., 36, 200, 206, 210 u. ö. fides: 271 ff., 538 ff., 546 u. ö. — ( f . acquisita:) 272 ff., 281 — ( f . infusa:) 271 f., 280 Francesco Bartholi d'Assisi: 426 Francesco Petrarca: 61, 93, 127 Franciscus von Assisi: 350 f. Franciscus Rubeo de Marchia (bzw. v. Ascoli): 23 ff., 127, 240, 265, 281, 416, 426 u . ö . —(Improbado:) 78 f., 378, 430, 468 f., 470, 484, 505 f., 508, 511, 517, 521, 525, 527 Franciscus de Mayronis: 9, 25, 399 Franciscus Zabarella: 507 Freiheit: 301 f. Friedrich der Schöne: 402 Friedrich III., Kg. v. Sizilien: 421 Gabriel Biel: 150, 267, 272, 279, 286 f., 288 Gaucelin (Gaucelmus Joannis) : 50, 376 Gerard von Abbé ville: 374 Gerlach von Nassau (EB v. Mainz): 131 Gfilbert] de Middelton: 52 Gleichartigkeit (esse eiusdem speciei): 211 f., 470 u. ö. Gottesbegriff (Allmacht:) 138 ff. — (Allwirksamkeit:) 156 ff. — (intellektuelle Anschauung:) 176, 260 — (Freigebigkeit:) 498 f., 501 — (Freiheit:) 314 ff. — (Voluntarismus:) 138 ff. — (Satz vom Widerspruch:) 139 f., 321

580

Register

gratia: 341 f., 497, 499 u. ö. Gregor I. Magnus: 289 Gregor VII.: 289 Gregor IX.: 351, 356, 418 Gregor (B. v. Belluno-Feltre) : 61 Gregor von Rimini: 341 Guido de Baisio: 47, 412, 475, 485, 488, 531 Guido Terreni: 409 GuiralOt: 84, 91, 127, 363, 391, 417 f., 425 f. u. ö. — (Operarti subdoli:) 80 — (Quid niteris:) 80, 415 u. ö. habere, modus habendi: 367 ff., 371 ff., 395 (vgl. 499 f.) u. ö. Haeresiebegriff: 280, 293 f. u. ö. Heinrich II., Kg. v. England: 519 Henricus Bohic: 110 Heinrich Burwash (B. v. Lincoln): 56 Heinrich von Dießenhoven: 92, 98, 99 f. Heinrich von Gent: 265 f. Heinrich von Gower: 55 f. Heinridi von Harclay: 49, 157, 161, 182, 198 f., 206 Heinrich von Segusia (Hostiensis) : 115, 294, 380 f., 401, 461 f., 464, 479, 496, 518, 537 Heinrich von Thalheim: 426 Heinridi Totting von Oyta: 537 f. Herrschaflssetzung: 491, 549, 553 Herrscherabsetzung: 529 ff. Hervaeus Natalis: 178, 182, 374, 385 hircocervus: 235, 509 honor dei: 280, 555 (vgl. 278) Hugo von St. Viktor: 276 Huguccio von Pisa: 47, 108, 290, 486, 488, 528, 531 Induktion: 250 f. Innozenz III.: 400 f. Innozenz IV.: 352, 380 f., 401, 418, 461, 496, 503 f. Inquisition: 292 Intellectio-Theorie der Allgemeinbegriffe: 15, 17, 36, 200 Intellekt: 195 ff., 209 u. ö. Isidor von Sevilla: 475 Jacobo Capocci (Jakob von Viterbo): 495

Jacob Concoz (EB von Aix): 61, 67 Jacques Duèse: s. Johannes X X I I . Jacques Fournier: s. Benedikt XII. Jesselin von Cassagnes: 394, 409 ff. Joachim von Fiore: 355 Jodokus Badius Ascensius: 118 Johannes X X I I : 10, 19, 46, 61, 92ff., 348—427 passim, 447, 504 f. u. ö. — (Predigten:) 82, 86, 89 f., 147 f., 269, 363, 517. — (Si fratrum:) 402, 529. — (Licet iuxta doctrinam:) 516. — (Quia nonnumquam:) 366. — (Ad conditorem:) 94, 348, 377 ff., 384 f., 452, 477. — (Cum inter nonnullos:) 94, 348, 392. — (Quia quorundam:) 94, 348, 407 f. — Quia vir reprobus:) 76, 94, 153, 451, 468, 517. — (Prozesse gegen Ludwig d. Bayern:) 403, 406, 418 Johannes Andreae: 380, 489, 518 Johannes von Basel (genannt de Hiltaldingen): 71 Johannes Bassoli: 150, 182 Johannes von Belna: 365 Johannes Buridan: 190 ff., 236 u. ö. Johannes Dalderby (B. v. Lincoln): 4 Johannes Duns Scotus: 4 f., 32, 138, 145 f., 152, 157, 160 f., 164 ff., 170, 196, 208, 254 f., 262, 266, 268, 276, 279, 288, 305, 341 f., 474 f., 479 u. ö. Johannes Gerson: 299 Johannes Jandunus: 420 f. Johannes Luttereil: 5, 19, 34, 48 ff., 54 ff., 61, 91, 185 f., 188, 337 ff. Johann von Luxemburg, Kg. von Böhmen: 73, 131 Johann Heinrich von Luxemburg, Graf von Tirol: 128 f. Johannes von Mirecourt: 46, 191 f. Johannes Cajetani Orsini: 376 Johannes von Parma: 353 Johannes Paynhota: 61 Johannes Pecham: 46, 194, 353 f., 371, 397 Johannes Quidort: 528 f. Johannes von Salisbury: 519 Johannes Teutonicus: 485, 518, 531 Johannes von Viktring: 121 f. judicium: 263

Register Jurisdiktion: 402. — (J. des Kaisers:) 527 f. — (J. des Papstes:) 47, 289, 528 ff. Juristen: 282, 360, 555 u. ö. ius fori: 480, 482 ff., 500 f. ius poli: 480 ff., 500 f. ius positivum: 483, 490 f. ius re gum: 484 iustitia: 331, 478 f. Kant, Immanuel: 205, 221, 312, 513 Karl IV.: 131, 133 Karl von A n j o u : 400 Kirchengut: 113, 372, 380 ff., 460 ff. u. ö. K o n r a d von Megenberg: 133 f., 431, 525 K o n r a d von O f f i d a : 356 f. Kontingenz: 158 ff. Konzilstheorie: 541 ff. Laien und Kleriker: 464 ff., 546 Lambert von Auxerre: 231 Laurentius Hispanus: 47, 401 Leibniz, Gottfried Wilhelm: 192, 221 lex digna, lex regia: 146 Liberato von Macerata: 356 licentia: 449 f., 491 ff. Logik: 5, 60, 428 u. ö. Lucas de Penna: 488 f. Ludwig der Bayer: 95, 131, 402 u. ö. (Appellationen:) 85, 404 ff. — (Italienzug:) 418 ff. — (Konzilspläne:) 85 f., 89. — (Rekonziliationsverhandlungen:) 98 f., 131, 420, 423. — (Politik von Rhense:) 100 ff. — (Fidem catbolicam:) 102. — [Licet iuris:) 103 Ludwig IX., Kg. von Frankreich: 72, 457 Ludwig von A n j o u : 373 Ludwig d. Ä., Markgr. v. Brandenburg: 128 f. Lupoid von Bebenburg: 114 f. Luther, M a r t i n : 279, 339, 345 f. Maria sub cruce: 538 f. Margarethe Maultasch, Erbin Tirol: 128 ff. Markus von Benevent: 34 37 E*

von

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Marsilius von Inghen: 17, 219 Marsilius von P a d u a : 102, 108, 124, 128 f., 419 ff., 427, 493, 516 Matthäus von Aquasparta: 182 Melanchthon, Philipp: 279 memoria: 263 (vgl. 172 ff.) meritum: 335 ff. — (ratio meriti:) 338 ff. — (meritum de condigno:) 338 ff. — (meritum de congruo:) 337 ff., 498 Michael von Cesena: 72, 90 f., 359, 362, 297, 413 f., 416, 424, 426 u. ö. — (Teste Salomonis:) 80, 369, 415. — (Appellation von Avignon:) 416, 424. — (Pisaner Appellationen:) 76, 403, 408, 411, 424, 467, 505 u, ö. — (Münchener Appellation [1330]:) 77 f., 517, 521, 525, 527. — (Litterae deprecatoriae:) 86, 526. — (Münchener Appellation [1337]:) 105. — (Münchener Appellation [1338]:) 105, 433 Michael Monachus: 362 f. moderni: 198, 236 f., 262 Ms. Assisi, Bibl. Comm., Vetus 690: 126 Ms. Avignon, lat. 186: 30 Ms. Barcelona, Archivio Hist, de la Corona de Aragon, Ripoll 71: 26 Ms. Basel, Univ.-Bibl. Β II 24: 445 Ms. Berlin, Staatsbibl., lat. 2° 41: 36 f., 168, 196 f., 205, 216, 219, 227, 239 ff., 245 ff., 252 ff., 285, 302. — Theol. lat. 2° 536: 20 Ms. Bruges, 208: 238. — 499: 30, 35 Ms. Brüssel, Bibl. Royale, 1613: 387. — 1679: 17. — 1680: 16 Ms. Deventer, S tads- of Athenaeumbibl. Inc. 10. X. 1, nr. 4: 88, 132, 299, 428, 511, 556 Ms. Durham, Bishop Cosin's Libr. Vili 18: 386 ff. Ms. Erfurt, Ampi. F. 301: 30. — Q259: 30. — O 67: 15, 30 Ms. Florenz, Bibl. Med. Laur., Plut. XXXI sin. cod. 3: 78, 378, 388, 469, 484, 491, 505 f., 511, 521 Ms. Florenz, Bibl. Naz., Conv. Soppr., A. III. 801: 17 ff., 25, 30, 70, 174,

582

Register

267. — Β. IV. 1618: 35. — C. V. 367: 388 Ms. Gießen, Univ.-Bibl. 773: 16, 267 Ms. Kassel, Landesbibl. jiir. 2° 25: 104 Ms. Krakau, Bibl. Jag., 736: 30 Ms. London, Brit. Mus., Cotton, Charter XXX, 40: 2 f. — Cotton, Julius A 1: 532. — Royal 10. Α. XV: 132, 556 Ms. London, Lambeth Palace 70: 35 Ms. München, Staatsbibl. lat. (Clm.) 1201: 423. — 4379: 126. — 10247: 529 Ms. Neapel, Bibl. Reale, Vili E 26: 36 Ms. Oxford, Balliol Coll., 299: 44. — Bodl., 816: 57. — Bodl., 956: 532. — Bodl., can. misc. 558: 35. — Bodl., Lord Harlech: 52. — Merton Coll., 100: 16. — 106: 4. — 137: 44. — Oriel Coll., 15: 240 Ms. Padua, S. Antonio, 292: 20 Ms. Paris, Bibl. Maz., 894: 267. — 1318: 290, 495, 529. — 3522: 110 Ms. Paris, Bibl. Nat., lat. 3387: 94, 96, 106, 153, 156, 445 f. — 3892: 528 f. — 3920: 147, 363, 517. — 4046: 373. — 5154: 78, 80 f., 84, 95, 105, 154, 363, 365, 406, 415 424, 433, 447, 517, 521, 526. — 14313: 89. — 14619: 31. — 14721: 35, 230. — 15882: 191. — 15886: 23. — 15887: 23, 388 ff. — 15888: 26, 44. — 16130: 30. — 16398: 326. — 17841: 37 f., 42 f., 211, 227, 233 f., 238, 241, 303, 305, 308 f. Ms. Prag, Metropolitankapitel CCV (537): 48, 69 Ms. Rom, Vat., Arch. Segr., arm. XXX (bzw. XXXI), 42: 392 Ms. Rom, Vat., Borgh. 39: 9. — Borgh. 68: 17 f., 35, 68 f., 163. — Borgh. 123: 20. — Borgh. 151: 35, 44. — Borgh. 329: 20 Ms. Rom, Vat. Chigi Β. VII. 93: 29 Ms. Rom, Vat., lat. 901: 399. — 946: 21. — 947: 30. — 948: 30. — 956: 39, 42 f., 211, 214, 284. — 3075: 40, 48. — 3740: 367, 376. — 4006:

90. — 4008: 78. — 4009: 78, 397. — 4115: 120 f. — 6768: 20 f. Ms. Rom, Vat., Ottobon. 179: 44. — Vat., Pal. lat. 340: 101. — 679: 104 Ms. Rouen 561: 44 Ms. Soisson, Bibl. munie. 8: 416 Ms. Stettin, Marienstiflsgymn., can. 13: 36 Ms. Toulouse, Bibl. de la ville, 242: 270 Ms. Tübingen, Univ.-Bibl., Me 194: 88, 132, 299, 428, 511, 556 Ms. Turin, Bibl. univ. IV 28: 191 Ms. Uppsala, Univ.-Bibl. C 665 (cod. med. 7): 36 Ms. Venedig, Bibl. Marciana VII 176: 376 Ms. Wien, Dominikanerkloster, 153: 38, 42 f., 211, 238, 241, 243 Ms. Wien, Nationalbibl., 809: 367. — lat. 1424: 144. — 4613 (Univ. 687): 104. — Pal. lat. 5640 (Univ. 911): 42 Ms. Worcester, Cath. Libr., Q 99: 67 Napoleon Orsini: 86 f., 366, 376 natura corrupta: 453, 455, 473 ff., 494 ex puris naturalibus: 344 f. Naturrechtslehre: 125, 477 ff. necessitas: 488 ff., 500, 502, 533, 549ff. u. ö. Newton, Isaac: 221 Nicolaus III., Exiit: 353, 356 f., 366 u. ö. Nicolaus von Autrecourt: 46, 190, 212 Nikolaus Minorità: vgl. Ms. Paris, BN lat. 5154 Nikolaus de Tudeschis (Panormitanus) : 489 nomina absoluta: 201 ff. nomina connotativa: 202 ff. notitia intuitiva: 163 ff., 167 ff. u. ö. — (n. i. imperfecta:) 172 ff., 189. — (n. i. de rebus non existentibus:) 179 ff. novitates: 554 numerus: 216 Ockham, Biographie, (Geburtsort:) 1 f. — (Geburtsdatum:) 2 f. — (Subdiakonat:) 2. — (Ordensberuf:) 3 f.,

Register 14. — (Prozeß:) 47 ff., 153'. — (Pr., 1. Konsistorium:) 59, 65. — (Pr., 2. Konsistorium:) 63, 65 f. — (7V., Extracta u. Quaterni:) 67 ff. — (Pr., Ende:) 72 ff. — (1. Auftreten im Armutsstreit:) 416. — (Flucht aus Avignon:) 416. — (Treffen mit Ludwig d. B. in Pisa:) 422 f. — (Münchener Jahre:) 74 ff., 426 f. — („Schreibverbot" ή 82, 105. — (Anteil an der Reichspolitik:) 101 ff., 427. — (Tod:) 136 Ockham, Auseinandersetzung mit Peter Aureoli: 18 f., 21 f. — A. mit M a r silius von P a d u a : 105 ff. Ockham, Schriflen: An Princeps: 112 f. — Breviloquium: 115 f. — Compendium errorum: 110 ff. — Contra Benedictum: 106 ff. — Contra Johannem: 96 f. — De causa matrimoniali: 128 ff. — De electione Caroli IV: 134 f. — De imperatorum et pontificum potestate: 132 f. — De sacramento altaris: 25 f., 43 f. — I Dialogus: 84 ff., 547 f. — II Dialogus (De dogmatibus): 87 ff., 93. — III Dialogus: 117 ff., 547 f. — (Methode:) 22, 431, 434 ff., 439 ff. — Epistola: 94, 428. — Expositio in libros artis logicae: 34 ff. — Expositio super libros Physicorum: 36 f. — Ocio Quaestiones: 113 f. — (Methode:) 438 f. — Opus XC Dierum: 75 ff., 445 ff. — (Methode:) 433. — Quaestiones disputatae: 29. — Quaestiones in libros Physicorum: 42 f. — Quodlibets: 37 ff. — Sentenzenkommentar: 15 ff. — Summa Logicae: 15, 45. — Kleine Logiktraktate: 125 f., 428 f. — Summulae in libros Physicorum: 44 f. Ps.-Ockham, Ρ rol. zu Comp. Err. (Secundum Bokkyng): 110 f. odium dei: 315 ff., 319 ff. u. ö. O d o Rigaldus: 238 Ökonomieprinzip: 238 ff., 343. — (Ö. u. Gottesbegriff:) 242 f. OFM-Generalkapitel, Assisi (1316): 3 f. — Marseille (1319): 364. — Perugia (1322): 369 ff., 377, 393,

409. — Bologna (1329)·. 391. — (1337): ordo: 254

583 Lyon (1325): 397 f., 408. — (1328): 414, 424. — Paris 424. — Perpignan (1331): Assisi (1334): 94. — Cahors 108, 111, 425 ff., 510 f., 512 f.

pactio und ordinatio: 483, 485, 488, 492, 494, 502 papa Deus: 411 f. paupertas evangelica: 350 ff. pax publica: 526 f. Pelagianismus: 336 ff. perfectio: 340,368,374 f., 377 f.,450 ff., 521. — (perfectio actualis:) 452 — (perfectio essentialis:) 452. — (perfectio secundaria:) 457. — (status perfectionis:) 374 f., 454 f., 457 f. persona repraesentata et ymaginaria (juristische Person): 503 f., 506 ff. P e t r a r c a : s. Francesco P. Peter von Ailly: 17, 191 f., 279, 288 Peter Aureoli: 18 ff., 25, 62, 157, 163, 180, 182, 208, 240 Peter von C o r v a r o (Gegenpapst N i k o laus [V.]): 82, 416, 419 Petrus D a m i a n i : 529 Petrus Hispanus: 230 f. Petrus Johannis Olivi: 26, 28, 31, 46, 72, 216, 354 ff., 366, 393 Petrus Lombardus: 142, 336 Petrus de la Palude: 90, 150 Petrus de P r a t o : 376 Petrus Rogerii: s. Clemens VI. Phänomene, Rettung der: 240, 244 Philipp IV. le Bei, Kg. von Frankreich: 406 Philipp VI. von Valois, Kg. v o n F r a n k reich: 99 f., 108, 116 Positivismus: 286, 298, 312 ff. Potentia-Dialektik: 66, 141 ff., 150 ff., 242, 318, 335 ff., 342, 441, 522 ff. u. ö. potestas: 548 f., 552. — (p. acquirendi:) 344, 475. — (p. utendi:) 471 ff., 477, 490, 494 u. ö. — (p. appropriandi:) 473, 475, 477, 498 f., 549. — (p. instituendi rectores:) 491, 549,

584

Register

553. — (p. variandi principatus:) 549 f. praeceptum divinum: 312 ff., 322 f., 335 u . ö . Prädestination: 341 f. praelati: 380, 461 ff., u. ö. praeparatio cordis: 313, 333 ff., 456 praeservatio dei: 539, 541 Primat des Papstes: 534 (vgl. 289 f.) Probabilität: 261 f., 274 Protestationen: 285 f., 296 ff., 383 u. ö. prudentia: 328 ff. Raimundus Bequini: 61 R a y m u n d Fronsac 356, 364 f. Raimundus Lullus: 231 Raimund de R u f f o : 376 rationabilitas: 316, 318 Rationalismus: 330 ratio recta: 277, 308, 313, 316 f., 322 ff., 330, 333 f., 481, 500, 551 regnum Christi: 516 ff., 520 ff. Reicbsvikariat des Papstes: 400 ff., 529 relatio: 204 ff., 512. — f r . rationis, r. realis:) 206 ff. respondens: 41 rex imperator: 518 f. rex mundi: 256 Richardus Anglicus: 488 Richard von Bury: 5, 10, 48 Richard C o n y n g t o n : 386 f. Richard Fitz R a l p h : 240 Richard von Mediavilla: 26, 28 Robert von Anjou, Kg. von N e a p e l : 373, 386, 399, 400, 402 f., 421 Robert H o l c o t : 118 Robert K i l w a r d b y : 5, 46, 194, 353 Robert Winchelsey (EB v. Canterbury): 2 Roger II., Kg. von Sizilien: 519 Rudolf I., H g . von Sachsen-Wittenberg: 131 Salutati, Colloccio: 5 f. Sciarra Colonna: 419 scientia: 245 ff., 253 ff. — (sc. realis:) 257 ff. — (sc. moralis:) 325 ff. Singularität: 157 f., 161 f., 194 ff., 205, 241

Skeptizismus: 177 ff., 286 u. ö. suppositio: 229 f., 233 f. Statut, Pariser (1340): 232 Stephan de Kettelbergh: 50, 57 f. Tankred von Bologna: 411 f. tempus: 214 ff. Terminus: 183 f., 229 f. u. ö. Theologe: 280 ff., 555 u. ö. Theologenkommission: 61 ff., 181, 185 f., 188, 193 f., 338 f., 349 theologia naturalis: 283 f., 287 Theologie: 264 ff., 277 f., 280 ff., 555 f. u. ö. Thomas von Aquin: 5, 44, 89, 138, 140, 142 f., 149, 160, 164, 196, 217, 254, 264, 276, 279, 286, 342, 394, 396 Thomas W y l t o n : 19 Trechsel, Johannes: 118 ff. Trithemius, Johannes: 118, 422 Turmair, Johannes, gen. Aventin: 422 Tyconius: 469 Ubertino von Casale: 14, 354, 358, 366 ff., 480 Ugolino von Celle: 405 unitas collectionis: 253 ff., 507 ff., 511 ff. universitas (nomen iuris): 503 f. Universität Oxford: 6 ff., 49 ff., 54 ff. u. ö. U r b a n V.: 55 usus: 385, 448 f., 471 ff. u. ö. — (u. arctus:) 353 f. — (u. facti:) 503. — (simplex u. facti:) 374 f., 381 f., 395, 450 u. ö. — (ususfructus:) 381 f., 448. — (usus iuris:) 503 f. — (u. moderatus:) 354. — (u. pauper:) 354, 357. utilitas evidens: 550 f. Veritas: 284 f., 296, 432, 537 f. — (als Urteilsfunktion:) 195 f., 225 Vidal du F o u r : 366, 369, 376, 393 vota monastica: 451 voluntas: 226 f., 301, 306 u. ö. Voluntarismus: 551 virtus: 330 ff. — (virtus perfecta:)

Register 331, 333 f. — (connexio 301, 332 ff., 439 virtus sermonis: 232 ff. u. ö. visio beatifica: 89 ff.

virtutum:)

Wahrheit: s. Veritas Wahrheit, doppelte: 267 f., 270 f., 275 f., 507 Walram von Jülich (EB von Köln): 131 Walter Burleigh: 127, 230 Walter C h a t t o n : 22 f., 41, 91, 386 ff., 393, 494

585

Walter Reynolds (EB v. C a n t e r b u r y ) : 532 Weisthum, Braunschweiger (1152): 115 Guillelmus dictus Anglicus: 398 f. William Alnwick: 23, 399 Wilhelm Fortanerius: 127, 426 William H o t h u n : 4 Wilhelm Ockham: passim, vgl. unter Ockham William Ockam, O F M (Reading Convent): 2 Wilhelm von Shyreswood: 231 Wilhelm von Ware: 144, 220, 270

Wilhelm von Ockham Untersuchungen zur Ontologie der Ordnungen V o n G O T T F R I E D MARTIN

O k t a v . X I V , 260 Seiten. 1949. D M 8,50

Miscellanea Mediaevalia Veröffentlichungen des Thomas-Instituts an der Universität Köln H e r a u s g e g e b e n v o n PAUL WILPERT u n t e r M i t a r b e i t v o n WILLEHAD PAUL ECKERT

Antike und Orient im Mittelalter Vorträge der Kölner Mediaevistentagungen 1956—1959 H e r a u s g e g e b e n v o n PAUL WILPERT u n t e r M i t a r b e i t v o n WILLEHAD PAUL ECKERT

G r o ß - O k t a v . X I V , 274 Seiten. 1962. Neuauflage geplant. (Band 1)

Die Metaphysik im Mittelalter Ihr Ursprung und ihre Bedeutung Vorträge des II. Internationalen Kongresses f ü r Mittelalterliche Philosophie, Köln 31. August — 6. September 1961 Im Auftrage der Société Internationale pour l'Etude de la Philosophie Médiévale (S.I.E.P.M.) H e r a u s g e g e b e n v o n PAUL WILPERT u n t e r M i t a r b e i t v o n WILLEHAD PAUL ECKERT

G r o ß - O k t a v . X X I I , 795 Seiten. 1963. Ganzleinen D M 84,— (Band 2)

Beiträge zum Berufsbewußtsein des mittelalterlichen Menschen Vorträge der Mediaevistentagungen in Köln 1960 und 1962 H e r a u s g e g e b e n v o n PAUL WILPERT u n t e r M i t a r b e i t v o n WILLEHAD PAUL ECKERT

G r o ß - O k t a v . X I I , 360 Seiten. 1964. Ganzleinen D M 56,— (Band 3)

Judentum im Mittelalter Beiträge zum christlich-jüdischen Gespräch H e r a u s g e g e b e n v o n PAUL WILPERT u n t e r M i t a r b e i t v o n WILLEHAD PAUL ECKERT

G r o ß - O k t a v . X I I , 484 Seiten. 1966. Ganzleinen D M 98,— (Band 4)

Universalismus und Partikularismus im Mittelalter Herausgegeben

v o n PAUL WILPERT F

G r o ß - O k t a v . V I I I , 320 Seiten mit einem Frontispiz und 2 Tafeln. 1968. Ganzleinen D M 82,— (Band 5)

Lex et Sacramentum E t w a 240 Seiten. 1969. E t w a D M 64,—. Im Druck (Band 6)

Walter de Gruyter & Co · Berlin 30

H E I N R I C H BORNKAMM

Thesen und Thesenanschlag Luthers Geschehen und Bedeutung Oktav. VIII, 70 Seiten. 1967. DM 6,80 (Theologische Bibliothek Töpelmann, Band 14)

GUIDO

KISCH

Melanchthons Rechts- und Soziallehre Groß-Oktav. Mit 5 Tafeln. 307 Seiten. 1967. Ganzleinen DM 48,—

Luthers Werke in Auswahl Unter Mitwirkung von A L B E R T L E I T Z M A N N Herausgegeben von O T T O C L E M E N 8 Bände. Oktav. Ganzleinen D M 144,—

1: Schriften von 1517—1520. 6., durchgesehene Auflage. X X X I I , 512 Seiten, 1 Faksim. 1966. DM 16,— 2: Schriften von 1520—1524. 6., durchgesehene Auflage. VI, 464 Seiten. 1967. DM 16,— 3: Schriften von 1524—1528. 6., durchgesehene Auflage. VI, 516 Seiten. 1966. DM 16,— 4: Schriften von 1529—1545. 6., verbesserte Auflage. VI, 428 Seiten. 1968. DM 16,— 5

: Der junge Luther. Hrsg. von E R I C H XI, 434 Seiten. 1963. DM 20,—

VOGELSANG F · 3 .

6: Luthers Briefe. Hrsg. von H A N N S RÜCKERT. XVI, 459 Seiten. 1966. D M 20,— 7:

Predigten. Hrsg. von EMANUEL H I R S C H . XII, 420 Seiten. 1962. D M 20,—

8: Tischreden. Hrsg. von O T T O CLEMEN. X, 387 Seiten. 1962. DM 20,—

3.

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verbesserte Auflage.

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Auflage.

Walter de Gruyter & Co • Berlin 30

Quellen und Studien zur Geschichte der Philosophie Herausgegeben von

PAUL WILPERT

Groß-Oktav · Ganzleinen

Die Ästhetik des Thomas von Aquin Eine genetische und systematische Analyse. Von X, 279 Seiten. 1961. DM 32— (Band 3)

FRANCIS JOSEF K O V A C H .

Boetii de Dacia Tractatus de aeternitate mundi Editio altera auctoritate quinqué codicum manu scriptorum revisa et emendata. Edidit GÉZA SAJÓ. VIII, 70 Seiten. 1964. DM 18— (Band 4)

Nikolaus von Kues, Werke (Neuausgabe des Straßburger Drucks von 1488) herausgegeben von PAUL WILPERT. 2 Bände. I: XII, 366 Seiten. II: VIII, Seiten 367—770. Mit 3 Tafeln. 1967. DM 128,— (Band 5/6)

Die Anthropologie Bernhards von Clairvaux Von

WILHELM H I S S .

VIII, 148 Seiten. 1964. DM 22,— (Band 7)

Realismus undApriorismus in Nicolai Hartmanns Erkenntnistheorie Von INGEBORG W I R T H . Mit einer Bibliographie der seit 1952 über Hartmann erschienenen Arbeiten. VIII, 154 Seiten. 1965. DM 28,— (Band 8)

Kants Metaphysik der Natur Von

LOTHAR SCHÄFER.

VIII, 197 Seiten. 1966. DM 38,— (Band 9)

Forschungen zum Neuplatonismus Von

WILLY THEILER.

X, 336 Seiten. 1966. DM 48,— (Band 10)

Ein Kommentar zur Physik des Aristoteles Aus der Pariser Artistenfakultät um 1273. Herausgegeben und eingeleitet von ALBERT L, 106 Seiten. 1968. DM 32,— (Band 11)

ZIMMERMANN.

ΤΕΧΝΗ und ΑΡΕΤΗ Sophistisches und platonisches Tugendwissen Von J Ö R G K U B E . X , 2 5 5 Seiten. 1 9 6 9 . D M 4 2 , — (Band

12)

Seneca und die griechisch-römische Tradition der Seelenleitung Von

ILSETRAUT H A D O T .

Etwa 264 Seiten. 1969. Etwa DM 38,— (Band 13)

Walter de Gruyter & Co • Berlin 30