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German Pages 188 [193] Year 1995
Herta-Florence Pridat · Nicolas Rolin
Schriften zur Europäischen Rechts- und Verfassungsgeschichte Herausgegeben von Prof. Dr. Reiner Schulze, Trier, Prof. Dr. Elmar Wadle, Saarbrücken, Prof. Dr. Reinhard Zimmermann, Regensburg
Band 13
Nicolas Rolin 1376?- 1462 Kanzler von Burgund
im Schrifttum von fünf Jahrhunderten
Von Herta-Florence Pridat
Duncker & Humblot · Berlin
Gedruckt mit Unterstützung des Förderungs- und Beihilfefonds Wissenschaft der VG Wort
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme
Pridat, Herta-Fiorence:
Nicolas Rolin : 1376?- 1462 ; Kanzler von Burgund ; im Schrifttum von fünf Jahrhunderten I von Herta-Florence Pridat. - Berlin : Duncker und Humblot, 1995 (Schriften zur europäischen Rechts- und Verfassungsgeschichte ; Bd. 13) ISBN 3-428-08171-4 NE:GT
Alle Rechte vorbehalten © 1995 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0937-3365 ISBN 3-428-08171-4 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier gemäß der ANSI-Norm für Bibliotheken
Inhaltsverzeichnis I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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II. Historisches Zeitbild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1. Soziale und kirchliche Verhältnisse in Frankreich und Burgund im 15. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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2. Territoriale Situation des Hauses Valois-Burgund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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3. Das Haus Valois-Burgund im Spannungsfeld Frankreich-England . . . . . . .
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111. Rolin in Manuskripten, Chroniken und Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1. Rolin bis zu seiner Ernennung zum Kanzler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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a) Herkunft, häusliches Milieu der Eltern ....... . . . ...... .. . ·. . . . . . . . . . . . . . .
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b) Erziehung und Studien, Anfänge der beruflichen Laufbahn . . . . . . . . . . .
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c) Einführung am burgundischen Hof bis zu seiner Berufung zum Kanzler ........ ...... .. .. .. . .... ... .... ... ... .. . . .. . . ... ... .... ... .... . . . . ...
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2. Rolin als Kanzler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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a) Rolin in der Verwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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b) Rolin in der Politik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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3. Rolin im Privatleben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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4. Rolin als Mäzen
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IV. Zusammenfassung
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V. Anlagen
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VI. Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . .. .. . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 1. Rolin in Enzyklopädien, Biographien und Lexika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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2. Bibliographisches Verzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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I. Einführung Nicolas Rolin war zu seinen Lebzeiten eine viel beachtete Persönlichkeit des öffentlichen Lebens. Deshalb wurde bis zu seinem Tode und direkt danach von der Geschichtsschreibung im allgemeinen und insbesondere von der burgundischen über ihn berichtet. Es wurde über ihn aus verschiedenen Blickwinkeln als Politiker, Jurist, Finanzmann, Mensch und Mäzen geschrieben. Zeitgenössische Manuskripte und Chroniken, die fast alle aus Burgund stammen, sagen über ihn aus und lassen ein Bild seiner Persönlichkeit in einzelnen Situationen seines Lebens oder einzelnen Phasen seiner politischen Laufbahn erstehen. Jedoch die eigene burgundische Geschichtsschreibung, die ein naturgegebenes Interesse an Rolin hatte, fand mit dem Auslöschen des burgundischen Staates 1477 ihr Ende. Von der französischen und habsburgischen Geschichtsschreibung, die die Berichterstattung über die Territorien des burgundischen Herzogshauses von diesem Zeitpunkt an übernahm, wird in der von mir durchforschten Literatur Rolin in den letzten Jahrzehnten des 15. Jahrhunderts nicht erwähnt. Nur drei Werke aus dem 16. Jahrhundert konnte ich ausfindig machen, die Rolin anführen. Zwei dieser Autoren stammen aus Burgund, für den dritten wurde es die Wahlheimat. Im 17. Jahrhundert wird Rolin insbesondere als Vater des Kardinals Jean Rolin in Schriften des Klerus behandelt. Im 18. Jahrhundert wird er fast nur in allgemeinen Geschichtswerken über Burgund gewürdigt. Im 19. Jahrhundert geht die Anzahl der Werke, die sich mit Rolin befassen, sprunghaft in die Höhe. Es sind aber keine Zusammenfassungen. Einzelprobleme des Lebens und der Persönlichkeit Rolins werden in Aufsätzen von verschiedenen Gesichtspunkten aus beleuchtet. Es kommen Abhandlungen in Fachzeitschriften hinzu. Juristen interessieren sich für ihn als einen überragenden Vertreter ihrer Berufsgilde. Diese Art der Berichterstattung findet ihren Fortgang im erhöhten Maße in der Literatur des 20. Jahrhunderts. Gleichgültig, ob viel oder wenig über Rolin geschrieben wurde, die Mehrzahl der veröffentlichen Schriften ist jeweils von Burgundern geschrieben und in Burgund verlegt oder privat gedruckt worden. Hinzu kommt eine relativ geringe Anzahl in Belgien und in den Niederlanden veröffentlichter Werke und einige aus deutscher und englischer Feder. Von Kunsthistorikern wird Rolin in Werken über die Kunst des 15. Jahrhunderts als Mäzen und Stifter gewürdigt.
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I. Einführung
Das Schrifttum bietet also über Rolin, wie auch das bibliographische Verzeichnis zeigt, eine Fülle von unzusammenhängenden Einzeldarstellungen, deren Angaben sich zum Teil auch widersprechen. In der vorliegenden Monographie sind die verschiedenen Angaben zu sichten, auf ihre Gültigkeit zu prüfen, gegeneinander abzuwägen und mit bisher unveröffentlichten Manuskripten und Berichten zusammenzufügen. Nicht Werten, sondern Bemühen um Erkennen und Verstehen der Persönlichkeit Nicolas Rolin aus dem Geiste der sozialen, kirchlichen, geistigen und politischen Zeitsituation, war die Ausgangsbasis für die Forschung.
II. Historisches Zeitbild 1. Soziale und kirchliche Verhältnisse in Frankreich und Burgund im 15. Jahrhundert Nur aus der Ideologie ihrer Zeit heraus ist eine historische Persönlichkeit, wenn überhaupt, in ihren Handlungen und verstandes- und gefühlsbedingten Reaktionen zu verstehen. Sitten, Gewohnheiten, Lebensbedingungen der Epoche sind zu erlassen und mit zu berücksichtigen. Deshalb ist es wichtig, um über Nicolas Rolin zu schreiben und ihm psychologisches Verständnis entgegenbringen zu können, zuerst eine Skizze des Geistes der Zeit zu entwerfen, deren Kind er war. Die wichtigsten Faktoren, die den Geist der Zeit prägten, waren eine um innere und äußere Erneuerung ringende Kirche und der Hundertjährige Krieg zwischen Frankreich und England. Die Periode war gekennzeichnet von Zerrissenheit und Unausgeglichenheit. Einer diesseits gläubigen Lebensfreude, oft sogar Lebensgier, stand ein allgegenwärtiger Hauch von Todesahnung gegenüber, einem fest eingewurzelten Glauben eine rein äußerliche Religionspraxis. Aber diese Gegensätze sind nicht auf verschiedene Landstriche oder Bevölkerungsschichten verteilt, sondern sie finden Platz in ein und demselben Individuum. Ludwig von Orleans, der jeden weltlichen Genuß in vollen Zügen auskostete, hatte seine Zelle im Dormitorium der Cölestiner, hörte mit ihnen die Mitternachtsmesse und oft noch 5-6 Messen am Tag. Gilles de Raiz, der 1440 auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde, weil er über 200 Kinder teils aus Vergnügen an ihrem Jammer, teils um durch ihr Blut mystische Begegnungen mit dem Teufel herbeizuführen, ermordet hatte, stiftete 1432 einen Orden, gewidmet den "Saints Innocents". Er glaubte fest an die Vergebung seiner Sünden in der Stunde seines Todes. 1 Philipp der Gute, in seinem Privatleben von maßloser Freiheit, er hatte 35 nachweisbare Mätressen, die ihm 17 Nachkommen bescherten, fastete häufiger als es die Kirche vorschrieb und besuchte mindestens einmal täglich die Messe. "La religion chez lui reste vivante; elle demeure un facteur qui entre en ligne de compte" 2 sagt von ihm Joseph Toussaint, S. J. Sein Gewissen erlaubt ihm nur dann einen Sonderfrieden mit Karl VII. in Arras zu schließen, wenn ihn I
2
Gabory, La vie et Ia mort de Gilles de Raiz . . . Toussaint, Relations diplomatiques ... , S. 212.
II. Historisches Zeitbild
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Papst Eugen IV. und die Kardinäle Nicolas Albergati und Hugues de Lusignan persönlich von seinen Eiden Bedford und Heinrich V. gegenüber befreien. Philipp der Gute liebte Luxus und Prunk, doch war er unbeeindruckt davon, daß die hierfür erforderlichen Geldmittel aus dem durch den Krieg notleidenden Volk geradezu erpreßt wurden. Trotzdem feierte ihn die Kirche als einen ihrer getreuesten Söhne. "Unus mihi uidetur super omnes laudandus princeps Philippus Burgundiae dux ... cui sunt opes infinitae .. . Sed est hic religiosus princeps, amat Ecclesiam matrem suam." 3 Er unterstützte Nicolaus von Cues, als er 14501452 in den Niederlanden reiste, um die Glaubenspraxis in der Kirche zu reformieren. Man kann ein Gedicht des gläubigen Molinet über die Bettelorden, die eine Stütze der spätmittelalterlichen Kirche waren, als einen Spiegel des in die Institutionen der Kirche erschütterten Vertrauens ansehen: "Prions Dieu que les Jacobins Puissent manger les Augustin (sie) Et les Carmes soient pendus Des Cordes des Freres Menus." 4 Sogar die fromme Christine de Pisan, die in ihren "Epistre au Dieu D 'Amours" Jean de Meun(g) wegen des zweiten Teiles des "Roman de la Rose" tadelt, da er die Frauen diffamiert, fand nichts anstößiges daran, daß man nur deshalb in die Kirche geht, um die Geliebte zu sehen. 5 In der ersten Strophe eines Rondos beginnt sie: Se souvent vais au moustier, C'est toutpour veoir Ia belle Fresche com rose nouvelle" und sie schließt ihr Rondo mit folgendem Gedanken: "Il n 'est voye ne sentier Ou je voise que pour elle Falz est qui fol m'en appelle Se souvent vais au moustier." Die kriegerischen Ereignisse und irisbesondere die Hungersnot, die von 1419 war neben der von 1351 die schwerste der Jahrhunderte, hatten die Menschen grausam und hart gemacht. Die Bevölkerung Frankreichs zählte zur Zeit des Regierungsantritts von Kar! VII. im Jahre 1422 nur noch halb so viele Seelen wie im Jahre 1300. In Burgund mögen die Zahlenverhältnisse ähnlich gewesen sein. "Une paysanne deroba plusieurs enfants et !es demembra piece par piece pour les saler comme l'on fait des pourceaux." 6 3 4
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Aeneas Sylvius, Piccolomini, Epistolae, Nr. 127, S. 655. Molinet, Les faicts et Dicts, fol. 188 v. Pisan, Chr. de, Oeuvres poet. T. I. S. 172, Rondeau XLVI.
1. Soziale und kirchliche Verhältnisse
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Der "Bourgeois von Paris", 7 Domherr von Notre-Dame, gibt in seinem Tagebuch von 1405-1449 folgende Äußerung eines Bauern wieder: "Que ferons nous? Mettons tout en la main du deable, ne nous chault que nous devenons; autant vault faire du pis qu'on peut comme du mieulx. Mieulx nous vaulsist servir les Sarazins que les Chrestiens, et pour ce faisons du pis que nous pourrons. Aussi bien ne nous peut on que tuer ou que prendre; ..." 8 Dieser Ausspruch wirft ein Schlaglicht auf die haltlose Verzweiflung des Volkes. Eben dieser Domherr von Notre-Dame hat auch die Grausamkeiten der Armagnacs im Verlauf der Straßenkämpfe bei der Eroberung von Paris durch die Bourguignons in seinem Tagebuch festgehalten: "Item, vray fut que les aueuns desdiz gens d'armes furent plains de si grant cruaulte et tyrannye qu'ilz rostirent hommes et enfans au feu quant ilz ne povoient paier leur ranc;;on ..." 9 "tant hayoient ceulx qui gouvemoient ceulx qui n 'estoient de leur bande qu 'ilz proposerent que par toutes les rues ilz les prendroient et tueroient sans mercy, et les femmes ilz noieroient". 10 Der Henker Capeluche hatte sadistisches Vergnügen daran, Frauen hinzurichten. Man muß den Eindruck gewinnen, daß er nur noch aus Lust am Töten und nicht als Vollzugsorgan der "gerechten Ordnung" seinen Beruf ausübte. Man kann annehmen, daß die Nichtachtung menschlichen Lebens, wie sie der Henker Capeluche zeigt, eine damals allgemein verbreitete Zeiterscheinung war. Ein menschliches Leben galt so wenig, daß sogar die Wertschätzung des eigenen Lebens aus dem Bewußtsein gestrichen war. Capeluche gab kaltblütig seinem Nachfolger Anweisungen, wie er ihn selbst hinzurichten habe. "Et ordonna le bourreau la maniere au nouveau bourreau comment il devoit copper teste, et fut deslie et ordonna le tronchet pour son coul et pour sa face, et osta du boys au bout de la doloaire et a son coustel, tout ainsi comme s'il voulsist faire Iadicte office a ung autre, dont tout Je monde estoit esbahy; apres ce, cria mercy Dieu et fut decolle par son varlet." 11 Bigarne, Etude historique sur le chancelier, S. 15. Journal d'un bourgeois de Paris 1405-1449. Das Original des Journal d'un bourgeois de Paris ist verschollen, doch sind drei etwas voneinander abweichende Abschriften vorhanden. Die aus dem 15. Jahrhundert befindet sich im Vatikan, bei ihr wurde die Orthographie des Originals beibehalten. Die zweite Abschrift, diese aus dem 17. Jahrhundert, wird in Paris im "fonds fran~ais ms. no. 3480" aufbewahrt. Das dritte Exemplar, welches zu ungefähr gleichen Teilen aus dem 16. und dem 17. Jahrhundert stammt, befindet sich in Aix. Der Veröffentlichung von Tuetey diente das römische Manuskript als Vorlage. Der Autor des Journal d'un bourgeois de Paris war zuerst englisch-burgundisch eingestellt, wechselte aber 1436 zur national-französischen Partei über. Man kann aus mehreren Indizien schließen, daß Jean Chuffort, der Domherr von Notre-Dame de Paris, der Autor war. s ibid. 1422 pars 329. 9 ibid. 1418 pars 187. 10 ibid. 1418 pars 189. 11 ibid. 1418 pars 224. 6 7
li. Historisches Zeitbild
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Das Volk war verroht, es ergötzte sich an einer Hinrichtung wie an einem Schauspiel, das dem täglichen Leben die Eintönigkeit nahm. Die Kirche hatte an Ansehen verloren. Jacques Du Clercq, dessen Bruder Domherr von Arras war, schrieb: "Tout alloit tres malen 1'Eglise, car !es benefices estoient donnes a Ia requette des princes et sieurs ou par forche d'argent; et avoit ung cardinal ou ung evesque plusieurs benefices; par especial, les cardinaux tenoient en commanderie vingt ou trente que evesques, que abbayes, que priores conventueulx; et n'y avoit nul preslat eleu par les colleges ou couvents. Plusieurs fils de prince on faisoit archevesques ou evesques sans estre prestres, et tenoient abbayes en commanderies. Et en ce temps le plus de gens d'eglise, les grands jusques aux moindres mendians et aultres, estoient y abbandonnes et oultrageulx en orgueil, Iuxure et convoitise, qu'on ne polroit plus dire: en ce passaoient oultre mesure toutes gens seculiers." 12 Die hohe Geistlichkeit hatte uneheliche Kinder; so erfreute sich z. B. der Bischof von Lüttich, Johann von Heinsberg, an 12 und Johann von Burgund, Bischofvon Cambrai, sogar an 36 Nachkommen. Doch in dieser Zeit lebten auch der selige Dionysius van Ryckel, der Karthäuser, und die heilige Colette. Beide wurden von Philipp dem Guten in Ehren gehalten und auch um Rat gefragt. In den kleinen Städten lebte das Kleinbürgertum in einem einfachen Lebensstil. Seinen Lebenszweck fand es im Schoße der Familie, die ihm den Fortbestand des eigenen Lebens in den Nachkommen sicherte. Für die familiäre Gemeinschaft wurde gelebt und geschafft. Die "Bourgeoisie", durch den Handel in den Städten reich geworden, hatte bereits seit dem dreizehnten Jahrhundert in immer mehr Gegenden das Recht zuerkannt bekommen, Lehen zu erwerben. Sie hatte also an Ansehen und Reichtum ständig zugenommen. Sie beneidete den Adel und imitierte ihn; sie bemühte sich, ihre Töchter in adelige Familien zu verheiraten, denen oft der Reichtum sehr gelegen kam. Sie trieb großen Luxus, der insbesondere in der Mode beider Geschlechter und opulenten Festmahlen zum Ausdruck kam. Der burgundische Hof, der glanzvollste seiner Zeit, Treffpunkt des hohen Adels, war das Zentrum einer übersteigerten Kultur. Das burgundische Hofzeremoniell, dem eine Verherrlichung der Herrscherpersönlichkeit zugrunde liegt, bildete später das Modell der abendländischen Hofordnungen des absolutistischen Zeitalters. Von Philipp II., im Auftrage Karls V., an den spanischen Hof verpflanzt, fand es über Madrid den Weg nach Wien. Philipp der Gute bediente sich in einem Urteil 1453 der Formel: "Car ainsy nous plaist-il et le voulons estre faict!" 13 und sogar folgender Formel: "Ainsi nous plait, malgre certains privileges. 14 Hofdijk führt diese beiden Formeln als 12 13
Du Clercq, Memoires, T. IV S. 65, 66. Lokeren, Chartes et documents, T. li. S. 246.
1. Soziale und kirchliche Verhältnisse
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Beweis der willkürlichen Herrschaft von Philipp dem Guten an. Wenn man jedoch von der Bedeutung des französischen Wortes "plait" ="gefallen" abgeht und auf die ursprüngliche Bedeutung von "placet" = "Beschluß" zurückgreift, so drückt diese Formel wohlüberlegtes Handeln aus. Im Spätmittelalter war der Übergang dieser beiden Bedeutungen fließend. Die mittelalterlichen Ideale lebten während dieses letzten großen Aufflammens einer zum Untergang reifen Zeit nochmals auf. Philipp der Gute fühlte sich durch ein Gebot der Ehre und Blutrache nach dem Mord von Montereau auf die englische Seite gedrängt. Er fand für sein Rachebedürfnis die Anerkennung von Aeneas Sylvius Piccolomini: "Cupit ulcisci patemum uulnus." 15 Der Adel pflegte ritterliche Tugenden in Turnieren und lebte in stilisierten Lebensformen, die die graue Wirklichkeit überdecken sollten. Jedoch, welche Ironie des Schicksals, das Ideal der Ritter Burgunds, Jacques de Lalain, der in keinem Turnier im Kampf von Mann zu Mann unterlag, wurde während der Kampfhandlungen bei Rupelmonde durch das Geschoß einer kleinen Kanone getötet. 16 Bei all' dem ist auch nicht unerwähnt zu lassen, daß der Adel und, als dessen Vorbild, Philipp der Gute den ritterlichen Gedanken im Kampf in die Tat umsetzten, "Non roy, mais de courage empereur", äußerte sich über ihn Chastellain. 17 Bis in sein hohes Alter bedauerte Philipp der Gute, daß ihn sein Vater von der Schlacht bei Azincourt ferngehalten hatte, in der seine beiden Onkel den Heldentod gefunden hatten. "II estoit desplaisant de ce qu'il n'avoit eu fortune d'avoir este a ladicte bataille, fust pour la mort Oll pour la vie." 18 Die Ritter erwählten galante Devisen, die sie ihren Damen widmeten, jedoch mit der ehelichen Treue nahmen sie es nicht allzu genau. Auch die Liebe wurde stilisiert. Der Adel gründete "Salons d'amours" und "Cours d'amours", um dort Liebestheorien in Verflachung und Geziertheit zu diskutieren und über fingierte Streitfragen zu richten. Das Ritterideal wurde sublimiert in der Ordensgründung von Philipp dem Guten, dem "Toison d'Or", anläßlich seiner Heirat mit Isabella von Portugal. Diese Gründung bot auch Anlaß zu luxuriösen Festen, deren Pracht an keinem anderen Hof des 15. Jahrhunderts erreicht wurde, jedoch die Staatskasse schwer erschütterte. 19 Besonders hervorgehoben wird von diesem Fest: "Un grand paste, ou il y avoit un mouton tout vif, teinct en bleu, et les cornes dorees de fin or.
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16
Hofdijk, Ons voorgeslacht. in zijn dagelyksch leven geschilderd, T. V., 8. Aeneas Sylvius, Epistolae, Nr. 127. S. 665. Michaud, Biog. Univ. T. XXII, S. 602: "il fut atteint Ia tete d'un eclat de bois
a
ou d'une pierre lancee par un veuglaire (un fauconneau) et expira sur-le-champ le 3 juillet 1453, a l'äge de 32 ans.". 17 Chastellain, Oeuvres, T. I. S. 187. 18 Lejevre de Saint-Remy, Chronique T. I. S. 239. 19 Fredericq, Essai, S. 54.
li. Historisches Zeitbild
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En ycelle paste avoit place un homme nomme Hansse, le plus appert que on sceut, vestu en habit de beste saulvaige. Et quant la paste fut ouvert, le mouton saillant en bas, et l'homme sur le bout de la table; et alla, au long de l 'appuye du banc, Iutter et riber a Madame d'Or une moult gracieuse folle." 20 Philipp der Gute glaubte an seine Berufung, in einem Kreuzzug gegen die Türken das Christentum verteidigen zu müssen und meinte erst dadurch seinem Hause den höchsten Glanz verleihen zu können. Auf einem Fest in Lilie am 17. Februar 1454, dem "Voeux de Faisan" wurden die Eide zur Teilnahme von den Edelsten seines Landes geleistet. Dieses Fest übertraf allen bisher dagewesenen Luxus. Es zeigte monumentale Dekorationen, die Olivier de la Marche beschreibt. 21 Chastellain beschreibt auch diesen Aufwand und meint, daß Philipp der Gute alle Herrscher seiner Zeit damit in den Schatten stellte und daß selbst die Völker des fernen Asiens ihn deshalb rühmten. 22 Diese Epoche voller Widersprüche, der Todes- und Höllenängste, der sinnfälligen Lebensfreude, der Sittenlosigkeit und andererseits der Versenkung in religiöse Kontemplation, wie sie die Nachfolger Geert Grootes (1340-1384) in der Devotio moderna praktizierten, war eine Blütezeit der Kunst. Neben der zeitbedingten geistigen Bereitschaft hatten auch der Luxus und der zur Schau gestellte Reichtum eine Förderung der Kunst zur Folge. Man pflegte Literatur und Musik. Zeugen der Architektur in den burgundischen Niederlanden sind unter anderem in den Rathäusern der wohlhabenden Städte zu finden. Das von Brüssel wurde 1402 - 1444 erbaut, Löwen etwa 1448. Auch die von Mons, Alost und Arras stammen aus dieser Zeit. Das Brügger Rathaus wurde 1420 fertiggestellt Im Herzogtum Burgund ist das von Rolin gegründete Hötel-Dieu in Beaune zu erwähnen. Welche Fülle an erhabenen Werken bietet die Malerei! Hubert van Eyck läßt sich 1424, aus Limburg kommend, in Gent nieder, sein Bruder Jean wählte 1425 Brügge als seinen Wohnsitz, nachdem Johann von Bayern, sein bisheriger Förderer, gestorben war. Roger van der Weyden verließ 1435 seinen Meister, Robert Campin, in Tournai und machte sich in Brüssel selbständig. Das Mäzenatentum wirkte sich auf diesem Sektor der Kunst besonders aus. So war z. B. Jan van Eyck Kammerherr von Philipp dem Guten, er wurde von ihm auch für diplomatische Dienste eingesetzt und bezog eine Pension. Mäzene glaubten, entsprechend dem Geiste und der Religiosität ihrer Zeit, durch die Stiftung eines Andachtsoder Votivbildes sich von Sünden loskaufen zu können. Hierfür möchte ich einige Beispiele geben und zwar von: Van Eyck "Madonna des Canonikus Georg van der Paele", "Die Anbetung des Lammes" gestiftet von Jodocus Vijd und seiner Frau und auch die "Madonna des Kanzlers Rolin". Von Roger van der Weyden wäre u. a. zu nennen "Die Sieben Sakramente" die das Wappen von 2o 21 22
Lejevre de Saint-Remy, Chronique, T. li. S. 168. La Marche, de, Memoires, T. II. S. 168. Chastellain, Oeuvres, T. li. S. 41.
2. Territoriale Situation des Hauses Valois-Burgund
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Jean Chevrot tragen und das Polyptychon in Beaune "Das Jüngste Gericht" das Rolin für das Hötel-Dieu in Beaunein Auftrag gab. Eine derartige Stiftung war auch das Hötel-Dieu selbst. In der Malerei spiegelt sich die ernste, jenseits gerichtete Seite des Geistes jener Zeit wieder, in der Architektur, besonders in Flandern, in der Ausstattung der Rathäuser mit zahllosen Verzierungen, der gewollt zur Schau gestellte Wohlstand der Städte.
2. Territoriale Situation des Hauses Valois-Burgund Philipp der Kühne hatte von seinem Vater, König Johann dem Guten, das Herzogtum Burgund als Lehen erhalten in Anerkennung seiner Tapferkeit in der Schlacht bei Poitiers im Jahre 1356. "A quel moment l'idee de refaire un duc de Bourgogne distinct du roi de France emergea-t-elle du cerveau confus de Jean le Bon? 11 est difficile de le dire exactement. 23 Durch Heirat von Philipp dem Kühnen mit Margarete von Flandern erbte das Haus Valois-Burgund 1384 Flandern, Artois, Nevers, Rethel und die FrancheComte. Durch die letztere wurde Valois-Burgund auch Lehensträger des römischdeutschen Kaisers; 1390 kommt die Grafschaft Tonnerre durch Beschlagnahme dazu. Kraft eines Schutzvertrages mit Johanna von Brabant erhält Valois-Burgund die Erbzusage für Brabant. 1404 wird Antoine, der zweite Sohn von Philipp dem Kühnen, Herzog von Brabant. Durch burgundisch-bayerische DoppelhochzeitWilhelm IV., Graf von Holland-Seeland, Hennegau, mit Margarete von Burgund und der Schwester Margarete von Wilhelm IV. mit Johann ohne Furcht, -hatte das Haus Valois-Burgund auch auf diese Gebiete Einfluß gewonnen, der durch die geschickt eingefädelte Heirat von Jacobäa von Bayern mit Johann IV. von Brabant im Jahre 1418 noch gesichert wird. Das Imperium war zu schwach um einzugreifen, insbesondere fehlten die erforderlichen Soldaten. Nach dem Mord an Johann ohne Furcht wird Philipp, Graf von Charolais, Herzog von Burgund. Im ersten Jahr seiner Regierung gelingt es ihm, einen günstigen Erbvertrag mit seiner Tante, Katharina von Burgund, abzuschließen. Sie war die Witwe von Leopold von Österreich. Sie verpflichtete sich, ihr Erbgut, so wie es zur Zeit ihres Todes beschaffen sein würde, dem Hause Valois-Burgund zukommen zu lassen. Die Aussichten im Elsaß waren also günstig. 1421 sicherte sich Philipp die Grafschaft Namur durch finanzielle Unterstützung von Johann III. von Namur. Die Hoffnungen auf zukünftigen territorialen Gewinn waren 1420 gefestigt und wohlbegründet.
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Calmette. Les Grands Ducs, S. 43.
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II. Historisches Zeitbild
3. Das Haus Valois-Burgund im Spannungsfeld Frankreich-England Frankreich hatte in Karl VI. einen geistig labilen, um nicht zu sagen, schwachsinnigen König, dessen Name aber zur Deckung der Regierungsgeschäfte notwendig war. Dadurch entstand ein Kampf um die effektive Macht zwischen seinen Onkeln Ludwig, Herzog von Anjou, Johann, Herzog von Berry und Philipp dem Kühnen von Burgund. Den Höhepunkt erreichte dieser Kampf in der nächsten Generation in den beiden Protagonisten Ludwig von Orleans und Johann ohne Furcht. Die Parteien Orleans bzw. Armagnacs und Bourguignons erschütterten Frankreich durch Bürgerkriege. Nur aus dieser inneren Zersplitterung Frankreichs heraus, zurückzuführen auf Kar! VI., ist unter Heinrich V. das Wiederaufleben des Hundertjährigen Krieges, der durch einen 28jährigen Waffenstillstand ruhte, verständlich. Heinrich V. findet erst in den Armagnacs und dann in den Bourguignons eine "Fünfte Kolonne". Der Mord an Johann ohne Furcht, im Jahre 1419, für den der Dauphin mitverantwortlich gemacht wird, ist der äußere Anlaß, der Philipp den Guten auf die Seite Englands treibt. Er fühlt sich verpflichtet, seinen Vater zu rächen; doch darf nicht übersehen werden, daß auch politische Erwägungen, zusätzlich auch die Trostlosigkeit der Lage Frankreichs unter dem Einfluß der Armagnacs, ihn dazu bewegen. Der zwischen Heinrich V. einerseits und Kar! VI. bzw. Isabella von Bayern und Philipp dem Guten andererseits geschlossene Vertrag von Troyes erklärt Heinrich V. als adoptierten Thronfolger Frankreichs. Dadurch ist es Philipp möglich, sich auf die Seite eines offiziell anerkannten Königs von Frankreich zu stellen, der freilich auch König von England ist. Es ist eine Streitfrage, ob dieser Vertrag als rechtlich wirksam anzusehen ist. Doch bei den schwankenden rechtlichen Begriffen des Mittelalters hängt das meistens von den nach Vertragsabschluß wirksamen politischen Kräften, die die eine oder andere Partei ins Spiel bringt, ab, ob ein Pakt später als offiziell und rechtswirksam angesehen wird. Für die Tragweite des Vertrages von Troyes und die zukünftige politische Entwicklung war von entscheidender Bedeutung, daß, als Heinrich V. starb, sein minderjähriger und außerdem noch schwachsinniger Sohn Heinrich VI. in England seine Nachfolge antrat und, als Kar! VI. starb, der spät mündig werdende Karl VII. in Frankreich sein Nachfolger wurde. Noch zu erwähnen ist, daß die wirtschaftlichen Interessen Flanderns von Philipp dem Guten ein gutes Verhältnis zu England verlangten. Die flämische Tuchindustrie benötigte die für sie lebenswichtige, englische Wolle als Rohstoff. Also dürfte sich auch aus diesem Blickwinkel eine Annäherung Burgund-England als erforderlich erwiesen haben. Es oblag Philipp dem Guten und seinem Kanzler Nicolas Rolin, die oben angeführten Faktoren zu kombinieren und unter Ausnützung der günstigen Voraussetzungen für eine territoriale Entfaltung, Burgund zu Blüte und Macht zu verhelfen.
111. Rolin in Manuskripten, Chroniken und Literatur 1. Rolin bis zu seiner Ernennung zum Kanzler a) Herkunft, häusliches Milieu der Eltern Über die Herkunft Rolins und das häusliche Milieu erfahren wir aus den Schriftstücken des 15. und 16. Jahrhunderts nichts. Für die damalige Zeit war er der Seigneur d 'Authume und es war unwesentlich, wo er geboren wurde. Die beiden Fragen nach seiner Herkunft und seinem Geburtsort werden erst in den späteren Jahrhunderten laut und dann widersprechend beantwortet. Jules Chifflet 1 gibt im 17. Jahrhundert eine genealogische Aufzeichnung der Familie von Rolins Eltern bis Ende des 16. Jahrhunderts. Dieses unveröffentlichte Dokument ist in Abschrift als Anlage Nr. 1) beigefügt. Da Chifflet aus Besanvon stammte und 1648 zum "Chancelier de l'ordre de la Toison d'Or" ernannt wurde, also ein Amt übernahm, das auch Rolin innehatte, war er persönlich interessiert. Eigentümlicherweise gibt er Nicolas Rolin aber ein Elternpaar, das sonst nirgends in der Literatur zu finden ist. Der Name des Vaters, Jean Rolin, ist das einzige, was sich mit anderen diesbezüglichen Angaben deckt. Wenn Chifflet den Vater Rolins als Sieur de Chapyro und die Mutter als Yolante de Mahaut, Dame de Monetoy, bezeichnet, bringt er damit zum Ausdruck, daß Rolin nicht kleinbürgerlicher Herkunft war, was von anderen Historikern häufig behauptet wird. Für eine Entscheidung in der Streitfrage, ob die Familie aus Poligny oder Autun stammte, gibt Chifflet keine Anhaltspunkte. Die Meinungen über das Milieu gehen sehr weit auseinander und zwar von einer Familie "de petit lieu" oder "souche plebeienne" über wohlsituierte Familie der Bourgeoisie bis zu adliger Abstammung. Die Klärung dieser Frage wird dadurch erschwert, daß der Begriff "bourgeoisie" im Sprachgebrauch offensichtlich nicht eindeutig ist. So spricht Pirenne von einer "bourgeoisie de petit lieu" und für Arbaumont ist "petit lieu" auf einer Ebene mit "source obscure". Für Valat hat aber, im Gegensatz zu Pirenne, "bourgeoisie" die Bedeutung von einer begüterten, angesehenen Familie des gehobenen Mittelstandes. Mit dieser Uneinigkeit über das Milieu steht eine weitere Frage, ob die Familie aus Autun oder aus Poligny stammt, in enger Verbindung. Chevalier schreibt im 18. Jahrhundert, daß man in Poligny viele Hinweise dafür habe, daß Rolin 1 Ms. Chifflet, 13, Bibi. Mun. Besan' !:l
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V. Anlagen
Anlage 5 Roger van der Weyden, "Stifterbildnis des Kanzlers Rolin" vom Polyptychon ,,Jüngstes Gericht" in Hötel-Dieu, Beaune
Anlage 6
Anlage 6 Jan van Eyck, .,Madonna des Kanzlers Rolin" Musee du Louvre, Paris
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V. Anlagen
Anlage 7 Ms. Chifflet 74, feuillet 4. Bibliotheque Municipale Ville de Besan90n, 15. Jahrhundert Ex manuscripto libre Actorum Concilii Basiliensis incipiente per h~c verba: In nomine domini Amen. Anno a nativitate domini 1432 die vero Veneris s• mensis Februarii pontificatus etc. Et finiente per hec: Et fuerunt pr~sentes ambassiatores seculares domini imperatoris Grecorum. Extractum fuit quod sequitur: Anno a nativitate domini millesimo quadragentesimo trigesimo secundo, indictione decima, die Veneris octava mensis Februarii in congregatione generali tenta in magna stupha conventus Predicatorum huius civitatis Basiliensis-in qua residet concilium qualein Spiritu Sancto legitime congregatum - comparuerunt ambassiatores domini ducis Austri~. qui per organum alterius promolorum concilii pro parte dicti domini ducis obtulerunt sponte, tenere et adimplere treugas initas et ducaturas per sexcennium inter dominum ducem Burgundi~ et eundem dominum ducem Austri~, requirendo quod concilium induceret ad hoc prefatum dominum ducem Burgundi~. Super quo in dicta congregatione fuit conclusum, mittere pro parte concilii ad dieturn dominum ducem Burgundie venerabiles viros magisttos Jo. Pulchri Patris et magistrum Henricum Nithard nationis Germani~e similiter ad requirendum eundem dominum ducem, quod vellet inducere et invitare prelatos et alios viros ecclesiasticos suorum dominorum ad veniendum ad concilium. Die Jovis 6• martii fuit congregatio generalis in loco consueto domus Fratrum Predicatorum, in qua magistri et domini Jo. Pulchri Patris et Hemicus Nithard missi ad dominum ducem Burgundi~ reversi ad concilium audientiam amplam habuerunt presentando litteras ipsius domini ducis et ipsius cancellarii. Quo quidem dominus Burgundi~ requestis omnibus concilii benigne annuit offerens, mittere in brevi notlabilem ambassiatam ad hoc sacrum concilium, item scribere prelatis et viris ecclesiasticis suorum dominorum pro veniendo huc, similiter principibus et aliis dominis sibi conf~deratis et etiam domino nostro pappe mittere ambassiatem pro continuatione et stabilimento huius concilii. Die Jovis decima mensis Julii dominus legatus exposuit quod omnes de concilio debent vigilare et intendere circa promotionem et augmentum huius sacri concilii et quia dominus dux Burgundi~. alias verbo et in scriptis promisit, se velle adherere concilio irrevocabiliter, quod tarnen hucusque non fecit. Visum est bonum dominis, quod unus mitteretur ad excellentiam suam propter hoc, ut mittat ambassiatam, et ad hoc elegit et nominavit magistrum Jo. Pulchri Patris. Placuit omnibus dominis opinio domini legati rogantis, ut acceptaret ipse magister Jo. onus huiusmodi. Die Veneris 12• mensis decembris fuit congregatio generalis, in qua ambassiatores electorum sacri Romani imperii comparuerunt, videlicet domini decanus munguntensis et officialis Colloniensis et nonnulli alii nomine prefatorum dominorum archiepiscorum, qui more solito concilio fuerunt incorporti et sedem sive locum habuerunt post reges Franci~ et Aragonum.
Anlage 8
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Anlage 8 Brief vom 2. April 1432, geschrieben in Dijon von Nicolas Rolin an Herzog Wilhelm 111. von Bayern Bayerisches Staatshauptarchiv Kurbaiern Äußeres Archiv Nr. 1944, früher: Bayerisches Staatsarchiv,H StA München, Allg. St. A. Fürstenbücher, tom V, 64
Illustris et magnifice princeps ac domine metuende. Humilima recommendatione praemissa litteras vestras per nuntium vestrum, latorem praesencium, nuper recepi, per quas michi significatis qualiter scribitis domino meo metuendissimo, domino duci Burgundiae, ne velit egre fere et male contentari super mora et dilatione facta per dominum ducem Fredericum Austrie, suas mittendi litteras eidem domino meo duci, super treugis secum initis vel ineundis, me petentem et exhortantem, licet principem possetis, quatenus prefatum dominum meum inducere velimus quod, non obstante mora et dilatione praedicta, nichil attemptare vel hostiliter agere velit contra dieturn ducem in remotis agentem. De quo vos facitis fortem quod dicte littere debeant intra breve ad manus vestras pervenire et eas eidem domino meo duci confestim destinare. Super quo, illustris et magnifice princeps ac domine metuende, scire placeat, quod super preemissis omnem diligentie et Iaborern impendam, nam eo in facto et quolibet alio vestro vellem mendato possetenus obedire. Et quia praefatus dominus meus dux suam super hiis intencionem vobis ad plenum scribit, non jam opus est, ea resumere, nec scriptis amplioribus uti. Ne forte in eorum resumpcionem vestram dominacionem fastidiam, unum tarnen ne omittam, scire placeat, quod idem dominus meus dux, quod in dictarum facto treugarum cum ipso dux Austrie agit, est propter reverenciam et honorem sacri concilij Basiliensis et vestri similiter, cuius estis protector. Doleret enim idem dominus quod propter se vel sua quantumcunque ardua negocia idem sacrum concilium, cui summopere afficitur, quoquo modo impediretur. Illustris et magnifice princeps ac domine metuende, Altissimus vestram dominacionem praeclaram conservare dignetur faliciter et votive. Scripturn raptim. Divionensi, die secunda aprilis. Vester humilis servitor N. Rolin, dominus de Anthuma cancellariusque domini ducis Burgundie, etc. Illustri et magnifico principi domino V, comiti palatino Rheni et Bavarie duci, sacri generalis concilii basiliensis protectori, domino meo metuendo. Anmerkung: Die Adresse befindet sich auf der Rückseite der Urkunde.
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V. Anlagen
Anlage 9 Brief vom 16. April 1432, geschrieben in Autun von Nicolas Rolin an Herzog Wilhelm 111. von Bayern Bayerisches Staatshauptarchiv Kurbaiern Äußeres Archiv Nr. 1944 früher: Bayerisches Staatsarchiv, H StA München, Allg. St. A. Fürstenbücher, tom V, 65
Illustris et magnifice pfinceps, domine mi metuende, obsequiosa humilique semper recommendatione praemissa, litteras vestras per nuncium vestrum, latorem praesencium, michi nuper missas recepi, tfia in effectu continentes. Primum super incursu per nonnullos domini mei metuendissimi domini ducis Burgundie subditos fefia quartapost dominicam de Ietare nuper elapsam facto certis in locis et villis baillivatus de Tattenreude, duci Fredefico Austrie pertinentis: Secundum, super reparatione debita dampnorum perdietos ipsius domini mei subditos in locis et villis predictis factorum. Tercium et postremum, super missione litteramm treugamm per eiundem dominum mecum ducem, tenofis et substancie similium illis prefati domini ducis Austfie iuxta modum et formam copie cum Iittefis vestris praedictis michi transmissis. Super quibus, illustris et magnifice pfinceps ac domine metuende, scire placeat primum quod de pfimo michi summopere displicet nec minus displicuisse scio memorato domino meo duci, de cuius sei tu, permissione vel monitu huiusmodi incursus minime credatis processisse nec idem sane factus et perpetratus fuisset, si littere praedicte abstinenciamm ipsius domini ducis Austfie tempestive debitoque tempore misse fuissent, prout properabat et expectabat praefatus dominus meus dux, qui suas super huiusmodi treugis litteras ad vestras preces incontinenti post vestramm receptionem litteramm et Ionge ante missionem eamndem ducis Austrie vel sattem notitiam de hiis habitam suas misit apud Basiliam et in sua patria Burgundie publicare fecit; quemadmodum circa principium huius mensis idem dominus meus dux vobis scfipsit et ego una cum domino marescallo Burgundie per alium quendam nuncium vestrum in idipsum conformiter scfipsimus. Et propterea vos illustfis et magnifice pfinceps et quilibet alius debetis eundem dominum meum ducem super incursu predicto praeter suam intencionem et scienciam facto et perpetrato mefito excusatum habere, qui nichilominus in favorem sacri concilii Basiliensis, necnon vestri contemplatione, pro illius reparatione facienda, gentibus suis suum presens pariamenturn Döle tenentibus, per suas patentes litteras expresse scfibit ad finem, quod omni mora postposita diligenter inquirant qui sunt illi infractores treugamm praedictamm, et veritate per eos scita, celefiter procedant ad reparacionem et restitucionem condignemque pugnicionem faciendam, ut sie adhibeatur omne diligencia possibilis, quod res ipsa debite reparetur, turn ad observacionem dictarum treugamm iuxta ipsius domini mei ducis continenciam litterarum, turn ad preservacionem dicti sacri concilii ab impedimento, quod inde posset supervenire, turn denique ad morem gerendum vestre benivole voluntati. Super ultimo autem puncto, de Iittefis similibus praedictis concedendis et mittendis per dieturn dominum meum ducem illis super huiusmodi treugis praefati domini ducis Austrie, iuxta formam dicte copie, alias super hoc respondit idem dominus meus dux per suas litteras reverendis in Christo patribus, episcopo Constanciensi et abbati Virziliacensi, prout vestra dominacio potefit, si placuerit, per eos licencius informari. Verumque tarnen me ad eundem dominum meum reverso post instantem festurn pasche libenter super hac sibi matefia loquar, commodam apud ipsum dilienciam faciendo. Nam super huius modi
Anlage 9
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negocio et quovis alio michi possibili praefate dominetioni vestre vellem obsequi et complacere optima et humili voluntate. lllustris et magnifice princeps ac domine metuende eandem vestram dominacionem dignetur altissimus conservare feliciter et votive. Scripturn Edue, die XVIa aprilis. Vester humilis Nicolaus Rolinii, dominus de Authuma, cancellarius domini ducis Burgundie, etc. Illustri et magnifico principi domino Willermo Bavarie duci, comiti palatino Reni protectorique sacri generalis concilii basiliensis, domino meo metuendo. Anmerkung: Die Adresse befindet sich auf der Rückseite der Urkunde.
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