Gesellschaftsrecht Und Konzentration (Schriften Zur Wirtschaftswissenschaftlichen Analyse Des Rechts) (German Edition) 3428064682, 9783428064687


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German Pages 236 [238] Year 1988

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Gesellschaftsrecht Und Konzentration (Schriften Zur Wirtschaftswissenschaftlichen Analyse Des Rechts) (German Edition)
 3428064682, 9783428064687

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FRIEDRICH KÜHLER · REINHARD H. SCHMIDT

Gesellschaftsrecht und Konzentration

Schriften zur wirtschaftswissenschaftlichen Analyse des Rechts herausgegeben von

Heinz Grossekettler, Münster · Bernhard Gro&feld, Münster Klaus J. Hopt, Bern · Christian Kirchner, Hannover Dieter Rückle, Wien · Reinhard H. Schmidt, Trier Band 3

Gesellschaftsrecht und Konzentration

Von Prof. Dr. Friedrich Kühler Prof. Dr. Reinhard H. Schmidt

Duncker & Humblot · Berlin

CIP-Ttitelaufnahme der Deutschen Bibliothek

Kühler, Friedrich:

Gesellschaftsrecht und Konzentration I von Friedrich Kübler u. Reinhard H. Schmidt.- Berlin: Duncker u. Humblot, 1988 (Schriften zur wirtschaftswissenschaftlichen Analyse des Rechts; Bd. 3) ISBN 3-428-06468-2 NE: Schmidt, Reinhard H.:; GT

Alle Rechte vorbehalten © 1988 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Druck: Werner Hildebrand, Berlin 65 Printed in Germany ISBN 3-428-06468-2

Vorwort Unsere Studie über die konzentrativen Wirkungen des Gesellschaftsrechts ist aus einem Gutachterauftrag der Monopolkommission hervorgegangen. Wir sind der Monopolkommission nicht nur für den Anstoß zur Befassung mit dem Thema, sondern auch für zahlreiche Anregungen dankbar, die wir in zwei ausführlichen Gesprächen mit der Kommission empfangen haben; dieser Dank gilt ganz besonders den Herren Immenga, Kantzenbach und von Weizsäcker sowie, für Hilfe bei der technischen Abwicklung, Herrn Greiffenberg. Die Zitierweise entspricht den juristischen Gepflogenheiten. Frankfurt, im Januar 1988 F. Kühler und R. H. Schmidt

Inhaltsverzeichnis

KAPITELA

Problemeinfiihrung und -abgrenzung /. Gesellschaftsrecht und Wettbewerbspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

//. Konzentration und Wettbewerbspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3

///. Vorüberlegungen zum Verhältnis von Gesellschaftsrecht und Konzentration

7

IV. Zu den sachlichen Schwerpunkten und methodischen Prämissen der Untersuchung

12

KAPITEL B

Gesellschaftsrechdiebe Begünstigung der Konzernierung? . . ......... ... . ................. .. . .. ............... . .

16

1. Die Grundvoraussetzungen einer konzentrativen Wirkung des Gesellschaftsrechts ... ... ................. .. ................ .. .

16

/. Grundlagen

.. .. .. . . .. ............ .

17

b) Preis und Wert als klärungsbedürftige Begriffe .............. .

18

2. Zur Bedeutung und zum Verhältnis von "Preis" und "Wert" .....

18

a) Die Bedeutung des Mehrheitsprinzips

3~

a) Der "Preis"

18

b) Der "Wert"

19

Konstellationen mit "Wert größer als Preis" a) Informationsvorteil (I)

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22

VIII

Inhaltsverzeichnis b) Zu enger Markt (II)

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22

c) "Synergie" im engeren Sinne (III) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 d) "Synergie" durch besseres Management (IV) . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 e) Reichtumsverschiebung zu Lasten der Minderheit (V) . . . . . . . . 24 f) Zur Unterscheidbarkeit der Konstellationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26

4. Die Entstehung von Minderheitspositionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 Il Regelungsansätze im englischen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30

1. Informationspflichten bei der Bildung, der Erweiterung und dem Erwerb von Paketen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31

2. Verhinderung der Entstehung von Minderheitspositionen durch die Regelung von take-over bids im City Code . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 a) Der Gleichbehandlungsgrundsatz

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32

b) Die Regelung von Teilangeboten ("partial bids") . . . . . . . . . . . . . 34 c) Die Regelung von Zwangsangeboten ("mandatory bids'') . . . . . 34 3. Die Erwerbspflicht der Mehrheit aufVerlangen der Minderheit

. . 36

a) Abfindungsanspruch gern. sec. 209 Companies Act . . . . . . . . . . . 36 b) Abfindungsanspruch bei "Oppression"

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37

4. Das Recht der Mehrheit auf Zwangserwerb der Anteile der Minderheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 a) Abfindungsrecht gern. sec. 209 Companies Act . . . . . . . . . . . . . . . 40 b) Abfindung bei Sanierung

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40

5. Grenzen der Mehrheitsmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 a) Die Bindung an das Unternehmensinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 b) Treuepflichten der Geschäftsführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 6. Fazit

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45

1/l. Regelungsansätze im Recht der USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47

1. Der Grundsatz der treuhändensehen Bindung der Mehrheitsmacht 48

a) Treuepflichten der Unternehmensleitung

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49

b) Deren prozessuale Durchsetzbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50

Inhaltsverzeichnis

IX

2. Der Ausschluß von Minderheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 a) Das "appraisal right" der Minderheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 b)

Möglichkeiten und Grenzen des "squeeze-out" der Minderheit durch die Mehrheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54

3. Der Verkauf der "corporate control"

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56

a) "Corporate office" als Gegenstand von Transaktionen . . . . . . . . 56 b) Ausplünderung der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 c) Der umstrittene Fall "Pearlman v. Feldman" . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 4. Tender Offer Regulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 00 a) Informationsregelungen . . . . . . . . . . . . . .. . .. . . . . . . . . . . . .. .. . . .. 62 b) Fristenregelungen

. . .. . .. . .. . . . . .. . . . .. .. .. . .. . . . . . . . . .. . . .. 63

c) Die Zulässigkeil von Abwehrmaßnahmen bei "hostile takeovers" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 d) Einzelstaatliche Regelungen . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . .. . . . 67 5. Fazit

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68

IV. Regelungsansätze im deutschen Recht

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71

1. Besonderheiten des deutschen Rechts der Abhängigkeits- und Konzernverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71

a) Die geringe empirische Bedeutung von (feindlichen) Übernahmeangeboten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 b) Die explizite Regelung des AG-Konzernrechts . . . . . . . . . . . . . . . 72 c) Die Rechtsformabhängigkeit der faktischen Ausgestaltung des Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 2. Ansätze im Aktienrecht

. .. . .. . . .. .. . . .. . .. . .. . . .. .. . . . . . .. . .. . 74

a) Minderheitenschutz, wenn der Mehrheitsaktionär kein Unternehmen ist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 b) Informationspflichten gern.§§ 20ff. AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 c) Vertragskonzerne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 d) Faktische Konzerne

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85

e) Stimmrechtsbeschränkungen und Überfremdungsschutz . . . . . . 91 3. Ansätze im GmbH-Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93

Inhaltsverzeichnis

X

a) Die Regelung der Entstehung von Mehrheitspositionen b) Die Treuepflicht zwischen den Gesellschaften

94

. . . . . . . . . . . . . . . 96

c) Abfindungsrecht der Minderheit

100

d) Vergleich zum Aktienkonzernrecht

101

4. Ansätze im Personengesellschaftsrecht 5. Fazit

102

................ . ................ . ................ .. ..... 104 KAPITEL C

Rechtsfonnbedingte Wachstumsbarrieren als Konzentrationsursache? l Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 Il Die These von der Eigenkapitallücke

1. Begriffliche Grundlagen

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115

....................................... 115

2. Die Problematik der These von der Eigenkapitallücke

119

a) Zur Kennzeichnung der These

119

b) Der Kapitalbegriff in der These

121

c) Die mangelnde Berücksichtigung der Substituierbarkeit von Kapital . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 d) Eigenkapitalrendite und Eigenkapitalkosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 3. Die Gegenthese von der "richtigen" Kapitalstruktur und eine Beweisskizze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 4. Determinanten einer optimalen Kapitalstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 5. Kapitalkosten ........... . ..................................... 147 6. Fazit

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152

1/l Rechtsform, Finanzierungsmöglichkeiten und Kapitalstruktur

. . . . . . . . . 157

1. Ausgestaltung und Auswahl von Rechtsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . 157

2. Zur Ausgestaltung von Rechtsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 a) Das Konzept einer "guten Rechtsform" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159

Inhaltsverzeichnis

XI

b) Beispiele ftir "gute Rechtsformen" ........................... 165 c) Grundsätzliche Konsequenzen ........... . .................. 167 d) Einzelvorschläge zur rechtsformspezifischen "Verbesserung" der Eigenkapitalausstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1) Erleichterung des Börsenzugangs ftir Aktiengesellschaften .. 2) Genußscheine als Finanzierungsinstrument von Aktiengesellschaften ............................. . ................. . . 3) "Deregulierung" der Aktiengesellschaft ............ .. ..... 4) Vollausschüttungspflicht ftir Gewinne .............. . ...... 5) Börsenmäßiger Handel von GmbH-Anteilen . . . . . . . . . . . . . . 6) Börsenmäßiger Handel von GmbH-Genußscheinen 3. Zur Wahl der Rechtsform

170 171 176 181 183 186 192

............ ... ............... . ...... 194

a) Determinanten der ökonomisch optimalen Rechtsform . . . . . . . 194 b) Effiziente Rechtsformen .................................... 195 c) Die faktische Rechtsformwahl ............................... 200 d) Die Beeinflussung der Rechtsformwahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 e) Der Wechsel der Rechtsformen ...... ...... ................. 207 4. Fazit

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 KAPITEL D

Zusammenfassung der Ergebnisse und Empfehlungen /. Zum Verhältnis von Gesellschaftsrecht und Konzentration ....... . .... 210 1/. Zur Konzentrationswirkung des deutschen Konzernrechts ............. 212 /I/. Zur Entstehung von Mehrheitspositionen ... .... ..... . .......... .. ... 215

IV. Zur Relevanz und Vermeidbarkeif rechtsformbedingter Wachstumsbarrieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220

Kapitel A: Problemführung und -abgrenzung I. Gesellschaftsrecht und Wettbewerbspolitik

In der vorliegenden Studie sollen wichtige Aspekte des Verhältnisses von Gesellschaftsrecht und Wettbewerbspolitik untersucht werden. Auf den ersten Blick erscheinen beide Größen als unverbundene Themenbereiche. Das Gesellschaftsrecht regelt die interne Struktur derjenigen Gebilde, der Unternehmungen oder Firmen, die in der Wettbewerbspolitik und ihrer Theorie als strukturlose, homogene "Wirtschaftseinheiten" behandelt werden. Daher ist zur Einordnung des speziellen Themas "Konzentrati·onswirkungen des Gesellschaftsrechts" zuerst nach Verbindungen zwischen Gesellschaftsrecht und Wettbewerbspolitik zu fragen. Gesellschaftsrecht und Wettbewerbspolitik weisen eine formale Gemeinsamkeit auf: beide betreffen Organisationsstrukturen, d.h. sie sind darauf gerichtet, den Prozeß der Abstimmung wirtschaftlicher Aktivitäten und des Einsatzes von Ressourcen zur Erzeugung von Gütern und Dienstleistungen regelnd zu erfassen. Und beide sind - freilich nicht ausschließlich - am Ziel der Wohlfahrtssteigerung orientiert. Gesellschaftsrecht und Wettbewerbspolitik haben aber unterschiedliche Anwendungsbereiche und erscheinen insofern doch getrennt. Gesellschaftsrecht als "Unternehmungsrecht"1 regelt die - bzw. einen wesentlichen Teil der - Koordination in Unternehmungsgesellschaften, Wettbewerbspolitik und Wettbewerbsrecht regeln die Koordination über Märkte. Aus der "neuen" Theorie der Unternehmung 2 ergibt sich jedoch immerhin eine breite Überschneidung der Regelungsbereiche von Gesellschaftsrecht und Wettbe-

1

Zur inhaltlichen und terminologischen Abgrenzung von Gesellschafts- und Unternehmensrecht vgl. Kühler, Gesellschafterecht (2. Aufl. 1985), 1 II 2.

2

Ihr Ausgangspunkt ist Coase, The Nature of the Firm, 4 Economica N.S. (1937),

s. 386 ff.

Kap. A: Problemführung und -abgrenzung

2

werbspolitik: Die Koordinationsformen "Hierarchie" (Unternehmensorganisation) und "Markt" sind Substitute. Unternehmen sind vorteilhaftere Formen der Koordination - und empirisch eher anzutreffen - als Märkte, wo für bestimmte Aktivitäten die Koordinationsform Unternehmen geringere gesamtwirtschaftliche Kosten bewirkt als die Koordinationsform Markt. 3 Aus diesem Grundgedanken ergibt sich, daß jede Verbesserung der Koordination in Unternehmen etwa durch leistungsfähigere Planungstechniken oder durch ein besseres Gesellschaftsrecht der Tendenz nach den Markt als Koordinationsform zurückdrängt. 4 Daraus kann freilich nicht folgen, daß ein möglichst wenig leistungsfähiges Gesellschaftsrecht wettbewerbspolitisch erwünscht wäre. Gesellschaftsrecht und Wettbewerbspolitik sind nicht nur durch die formale Kongruenz ihrer Regelungszuständigkeit, sondern auch durch materielle Wechselwirkungen aufeinander bezogen: Das Verhalten von Unternehmen in Märkten kann von ihrer internen Struktur und insofern auch vom Gesellschaftsrecht abhängen, wie umgekehrt die - durch Wettbewerbspolitik beeinflußte - Struktur der Märkte, auf denen ein Unternehmen agiert, Auswirkungen auf das zweckmäßigerweise zu wählende innere Gefüge und damit auch auf den Gegenstand des Gesellschaftsrechts haben kann. Ein naheliegendes und sachlich wichtiges Beispiel ist die Bedeutung der Kapitalmarktstruktur für die Wahl der Rechtsform. 5 Wir können nicht alle angesprochenen Zusammenhänge untersuchen, insbesondere müssen wir diejenigen weitgehend ausgrenzen, die sich über die gedankliche Kette vom Gesellschaftsrecht über die interne Struktur

3

Vgl. außer Coase besonders Williamson, Markets and Hierarchies: Analysis and Antitrust lmplications (1975).

4

Vgl. insb. Chandler, The Visible Hand (1977) und Williamson, The Modern Corporation: Origins, Evolution, Attributes, 19 J. of Econ. Literature (1981) , S. 1537 ff.

5

S. unten Kap. C, Teillll.

li. Konzentration und Wettbewerbspolitik

3

und über das Marktverhalten zum Wettbewerbsergebnis nachweisen ließen. Wir haben uns vielmehr auf die Zusammenhänge zu beschränken, bei denen die Konzentration ein gedankliches Zwischenglied bildet. Und auch diese können nur zum Teil erfaßt werden, weil der Zusammenhang zwischen Konzentration und Marktergebnis überaus komplex und umstritten ist.6 Konzentration ist ein gemeinsames Element von Gesellschaftsrecht und Wettbewerbspolitik. Gesellschaftsrecht läßt sich als Instrument der Konzentration verstehen: Es stellt Rechtsformen für die Zusammenfassung von Ressourcen (insbes. Kapital) und die für ihren Einsatz erforderliche Bündelung von Entscheidungsbefugnissen in Unternehmungen zur Verfügung. Wettbewerbspolitik verfolgt andere Ziele: ihr geht es primär darum, Marktanteils- und Unternehmenskonzentration zu begrenzen. Die Unternehmenskonzentration liegt im Schnittfeld beider Bereiche: sie steht im Mittelpunkt unserer Untersuchung.

II. Konzentration und Wettbewerbspolitik

Die - von wettbewerbspolitischem Interesse geleitete - Analyse des Zusammenhangs von Gesellschaftsrecht und Konzentration würde durch eine Wettbewerbstheorie erleichtert, der eindeutige Maßstäbe für die Bewertung von Konzentrationsvorgängen, -formen und -graden entnommen werden könnten. Aber der Begriff der Konzentration verweist auf einen weitverzweigten, vielschichtigen und damit wenig übersichtlichen Sachverhaltsbereich, dessen normative (ordnungspolitische) Bewertung den Gegenstand sich immer wieder neu belebender Kontroversen bildet. Diese faktische Komplexität und das auf ihr beruhende Problem 6

Vgl. z.B. die kontroversen Positionen in den Beiträgen in Goldsmith/Manne/Weston, Industrial Concentration: The New Learning (1974) .

Kap. A: Problemführung und -abgrenzung

4

einer weit verstandenen Wettbewerbspolitik können hier nur in groben Umrissen angedeutet werden: Es ist evident, daß Konzentration nicht als ein ausschließlich negatives Phänomen betrachtet werden darf. Aufwendige Technologien und zunehmend komplizierte Wirtschaftsprozesse verdeutlichen seit langem, daß die Zusammenfassung produktiver Ressourcen den Ertrag ihres Einsatzes wesentlich steigern kann. Wo dabei die gesamtwirtschaftlich optimale Betriebsgröße liegt, ist variabel. Insbesondere im Bereich von "economies of scale" wird auch Unternehmenskonzentration durch die Erhöhung einzel- und gesamtwirtschaftlicher Effizienz legitimiert. Wesentlich weniger klar sind die Reichweite dieser Legitimation und ihre Bedeutung für eine auf die Beeinflussung der Konzentration - insbesondere auf ihre Beschränkung - ausgerichtete Wettbewerbspolitik. Die schon angesprochene neuere mikroökonomische Theorie der Unternehmung7 erklärt das Entstehen und das Wachstum von Unternehmungen mit dem Transaktionskostenvorteil einer generellen und hierarchischen Regelung von Austauschbeziehungen gegenüber einer Vielzahl vereinzelter marktmäßiger Transaktionen.8 Im Extrem wird Konzentration damit zu einem generell positiven Phänomen und einer Politik der Konzentrationsverhinderung der Boden entzogen, denn der jeweilige Stand der Konzentration kann als das sich am Markt herausbildende Gleichgewicht der Kostenbelastung durch eine Vielzahl von Vertragsverhältnissen auf der einen oder durch eine planmäßig operierende Unternehmensor-

7

S. oben FN 2 und 3.

8

Die neuere Theorie der Unternehmung als Institution im Marktzusammenhang stellt nicht notwendigerweise Transaktionskosten in den Mittelpunkt der Untersuchung. Auf die Differenzierung zwischen verschiedenen Ausprägungen kommt es hier jedoch nicht an; vgl. dazu Schauenberg/Schmidt, Vorarbeiten zu einer Theorie der Unternehmung als Institution, in Kappler, Rekonstruktion der Betriebswirtschaftslehre als ökonomische Theorie (1983) , s. 247 ff.

li. Konzentration und Wettbewerbspolitik

5

ganisation auf der anderen Seite verstanden werden. 9 Gegenüber derartigen Auffassungen ist auf die vielfältig belegte Erfahrung zu verweisen, daß Konzentration zumindest dort effizienzmindernd in Erscheinung tritt, wo sie den Allokationsmechanismus von Faktor- und Gütermärkten aufhebt oder wesentlich beeinträchtigt. Darüber hinaus ist daran zu erinnern, daß Konzentration auch unerwünscht sein kann, wo ihre Effizienzeffekte unklar oder sogar eindeutig positiv sind. Das wird besonders deutlich am Beispiel der privatwirtschaftlich verfaßten Bereiche der Massenkommunikation: für sie sieht die verfassungsmäßige Ordnung demokratischer Gemeinwesen normative Prämissen vor, die sich weniger am Ziel der ökonomischen Effizienz als an den Postulaten politischer Fairneß und kultureller Vielfalt orientieren.10 Es besteht mehrfacher Anlaß zu der Annahme, daß die Maßgeblichkeit derartiger nichtökonomischer Ziele der Wettbewerbspolitik nicht auf die Medienmärkte beschränkt ist, weil die zunehmende Konzentration wirtschaftlichen Potentials generell in politische Macht umgesetzt werden kann, die das sensible Gefüge demokratischer Ordnungen nachhaltig zu stören vermag. Diese sehr knappen und pauschalen Andeutungen lassen immerhin erkennen, caß sich Wettbewerbspolitik in einem Spannungsfeld komplementärer oder konfligierender Ziele zu bewegen und zu bewähren hat: es gibt jeweils eine mehr oder minder komplexe Gemengelage von Gründen, die für und gegen die Zulassung oder die Bekämpfung weiterer Konzentration sprechen. Die Auflösung dieses Bündels diffuser rechtspolitischer Zwecke, die Erarbeitung einer verbindlichen Hierarchie der

9

10

Zu den wettbewerbspolitischen lmplikationen vgl. Kirchner, "Ökonomische Analyse des Rechte" und Recht der Wettbewerbsbeschränkungen (antitrust law and economics), 144 ZHR (1980), S. 563 ff. Zu derartigen verfassungsrechtlichen Vorgaben vgl. etwa BVerfGE

322 ff; 73, 118, 172 ff.

20, 162, 175 f; 57, 295,

6

Kap. A: Problemführung und -abgrenzung

für Wettbewerbspolitik maßgeblichen Zielvorstellungen ist nicht die Aufgabe dieser Untersuchung. Eine einigermaßen verläßliche und operationale normative Vorgabe bezüglich der Konzentration ist auch den konkurrierenden wettbewerbspolitischen Leitbildern11 nicht zu entnehmen: - Der Überlieferung der neoliberalen Auffassung von Wettbewerbspolitik läßt sich eine einigermaßen deutliche Aussage über das wünschenswerte Maß an Konzentration nicht entnehmen. Das Ziel der Konzentrationsvermeidung ist erkennbar, es wird aber mehr aus Erwägungen der Machtverteilung als aus Gründen der vermuteten Wettbewerbswirkungen hergeleitetP Auch die - über die erkenntnistheoretische Position von Hayeks 13 vermittelte - Skepsis gegenüber dem Glauben an die Erkennbarkeit komplexer Zusammenhänge führt dazu, daß eine Operationale Norm nicht formuliert wird. Die Vertreter der workable-competition-Richtung 14 haben eine deutlichere Vorstellung von den Beziehungen zwischen Konzentration und Marktergebnis. Doch auch dieser Zusammenhang ist komplex, und seine empirische Bestätigung ist immer wieder angegriffen worden. Soweit eine bestimmte Marktform wie das weite Oligopol als wettbe-

11

12

Vgl. dar:u r;.B. Borchers/Grossekettler, Preis- und Wettbewerbstheorie (1985), Il. Teil, mit umfangreichen Nachw. Vgl. insbes. Hoppmann, Fusionskontrolle (1972), S. 63 ff, und ders., Marktmacht und Wettbewerb (1977), S. 26 ff.

13

Vgl. insbes. v . Hayek, Theorie komplexer Phänomene (1972) .

14

Vgl. insbes. Bain, lndustrial Organization (2. Auf!. 1968), und Blair, Economic Concentration: Structure, Behavior and Public Policy (1972). Einen guten Überblick gibt Poeche, Das Konzept der werkable competition (1970) .

III. Vorüberlegungen zum Verhältnis von Gesellschaftsrecht und Konzentration

7

werbspolitisch ideal angesehen wird 15 , läßt sich daraus auch keine einfache Regel wie die, mehr Konzentration sei unerwünscht, ableiten. Aber allenfalls eine solche einfache Regel könnte für unsere Untersuchung hilfreich sein. Die Vertreter der Chicago-Schule der Wettbewerbspolitik sind, wie bereits angedeutet, nicht der Meinung, daß Konzentrationsvermeidung überhaupt ein sinnvolles Unterziel der Politik ist.16 Aus alldem ziehen wir die Konsequenz, daß sich unser Thema nicht durch eine wettbewerbstheoretische Ableitung stützen und konkretisieren läßt. Wir gehen deshalb im folgenden von einer - gewiß vereinfachenden - Arbeitshypothese aus. Sie besagt, daß weitere Konzentration jedenfalls dort als unerwünscht gelten und Anlaß zur Erwägung rechtlicher Abhilfen sein sollte, wo sie keine Verbesserung der Ressourcenallokation, d.h. keine wie auch immer beschaffeneo Effizienzvorteile bewirkt.

ßl. Vorüberlegungen zum Verhältnis von Gesellschaftsrecht und Konzentration

Auszugehen ist von dem Befund, daß die privatrechtliehen Institutionen des modernen Gesellschaftsrechts darauf angelegt sind, die unternehmerische Zusammenfassung produktiver Ressourcen zu ermöglichen. Schon die historisch frühen Ausprägungen des Rechts der Personengesellschaften gestatten es den Erben eines Kaufmanns, das von ihm aufgebaute Unternehmen gemeinsam, d .h. ungeteilt, fortzuführen. Im Hinblick auf das ausdifferenzierte Gefüge moderner Unternehmungen lassen sich

15 Vgl. insbes. Kantzenbach, Die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs (2. Aufl. 1967). 16 Vgl. Kirchner, aaO (FN 9) S. 574, und die dort angegebenen Q1.1ellen.

Kap. A: Problemführung und -abgrenzung

8

mehrere Aspekte der gesellschaftsrechtlich ermöglichten Konzentration auch dort begrifflich unterscheiden, wo sie faktisch vielfältig ineinander übergehen: Vor allem diejenigen Rechtsformen, die die Rolle des Anlegers - als stillem Gesellschafter, Kommanditisten oder Aktionär - explizit regeln, zielen darauf ab, die Transformation individueller Ersparnisse in langfristig gebundenes Unternehmens-(Eigen- )Kapital zu ermöglichen. Diese institutionelle Zweckbestimmung ist besonders ausgeprägt bei der AG; sie ist schon im 19. Jahrhundert zum Prototyp der "Kapitalsammelstelle" und damit bis heute zum wichtigsten Instrument der Kapitalkonzentra-

tion geworden. Aber auch dort, wo das investierte Kapital bei rechtlich selbständigen Unternehmen bleibt, läßt sich sein Einsatz durch rechtsgeschäftliche Vereinbarung sehr weitgehend koordinieren. Das klassische Beispiel derartiger Konzentration von Verfügungsmacht 11 sind die Kartelle; in diesem Zusammenhang sind jedoch auch die Rechtsform der Genossenschaft sowie Stimmbindungsverträge und Stimmrechtvollmachten zu erwähnen.18 Schließlich lassen sich mittels Gesellschaftsrecht nicht nur Kapital und (einzelne) Dispositionsbefugnisse, sondern ganze Unternehmen wirtschaftlich integrieren. Die bei weitem wichtigsten Entstehungstatbestände derartiger Unternehmenskonzentration sind die Fusion und die Konzernierung.

17 Genauerist hier von Konzentration der Verlügungsmacht ohne gleichzeitige Kapitalkonzentration zu sprechen.

18

Vgl. die Hinweise bei Immenga, Rahmenbedingungen der Konzentration - zur Frage der Unternehmenskonzentration durch das Gesellschaftsrecht - (Typoskript 1981), S. 2 f.

III. Vorüberlegungen zum Verhältnis von Gesellschaftsrecht und Konzentration

9

Neben einem Gesellschaftsrecht, das die Konzentration von Kapital, Verfügungsbefugnissen und ganzen Unternehmen durch die Bereitstellung geeigneter Rechtsformen ermöglicht, steht in den hochentwickelten Rechtsordnungen ein Recht gegen Wettbewerbsbeschränkungen, das darauf abzielt, den unerwünschten Gebrauch dieser Gestaltungsmöglichkeit tatbestandlieh zu erfassen und durch an diese Tatbestände gebundene Verbote und Sanktionen zu verhindern. Deshalb knüpft das Recht gegen Wettbewerbsbeschränkungen vielfältig an Grundbegriffe des Gesellschaftsrechts an; 19 und es sieht sich - etwa im Recht der Personengesellschaften20 und der Genossenschaften 21 - mit dem Konflikt spezifisch gesellschaftsrechtlicher und spezifisch kartellrechtlicher Regelungsziele konfrontiert. Die sich aus solchen Verschränkungen der beiden Materien ergebenden rechtsdogmatischen und rechtspolitischen Probleme sind nicht Gegenstand dieser Untersuchung. Gegenstand der vorliegenden Studie ist vielmehr die Frage, ob die Konzentration durch bestehende gesellschaftsrechtliche Regelungen gefördert wird, oder ob das Gesellschaftsrecht durchweg konzentrationsneutral ist. Hinter der plausiblen Unterscheidung von Konzentrationsför-

derung und Konzentrationsneutralität steht ein schwieriges methodisches Problem22: was ist die sinnvolle Vergleichsbasis, an der die eventuelle Konzentrationsförderung durch das geltende Gesellschaftsrecht zu mes-

19

Vgl. etwa § 1 GWB, der ebenso wie § 705 BGB auf den Abschluß von Verträgen "zu einem gemeinsamen Zweck" abstellt, oder die AnknOp!ung an Tatbestände des Ceseilschaftsrechts in § 23 II und III G WB.

20

Dazu BGHZ

21

Vgl. etwa Sandrock, Kartellrecht und Genossenschaften

38, 306, 312; 70, 331, 335 !.

schaften Kartelle?

22

(1976);

Groß!eld/Strümpell, Ge-

nossenschaften, Kartellgesetz und Mittelstandsempfehlungen (1976); Beuthien, Gesellschaftsrecht und Kartellrecht, 142 ZHR (1978), S. 259 ff; Steindor!f, Sind Handelsgesell-

(1978).

Dieses Problem wird ausführlich in bezug auf die Neutralität der Besteuerung diskutiert von D . Schneider, Grundzüge der Unternehmensbesteuerung (3. Auf!. 1982), S. 71-78.

Kap. A: Problemführung und -abgrenzung

10

sen ist und an der sie so gemessen werden kann, daß aus der Diagnose einer vorliegenden konzentrationsfördernden Wirkung die Therapieempfehlung ihrer Beseitigung abgeleitet werden kann? Gemessen an einer fiktiven Situation, in der Konzentrationsvorgänge nicht möglich wären, ist das geltende Gesellschaftsrecht zweifellos konzentrationsfördernd, denn es eröffnet Möglichkeiten, die auch genutzt werden. Täte es das nicht, wäre es überflüssig. Aber die fiktive Situation "ohne ermöglichendes Gesellschaftsrecht" ist keine sinnvolle Vergleichsbasis, und die Diagnose wäre belanglos, da ein Zustand ohne Gesellschaftsrecht aus offensichtlichen Gründen nicht erstrebenswert sein kann. Ebensowenig kann als Vergleichsbasis eine ideale Situation herangezogen werden, in der die Koordination wirtschaftlicher Aktivitäten in Unternehmen und über Märkte ohne Einschränkungen und ohne Reibungsverluste gelingt. Eine solche Situation wiese die Probleme nicht auf, für die das Gesellschaftsrecht notwendigerweise unvollkommene Lösungen bereithält; sie wäre nicht realisierbar, eine Utopie 23 . Eine Vergleichsbasis zur Messung von Konzentrationsneutralität kann nur eine realisierbare Situation, d.h. ein mögliches Gesellschaftsrecht, sein, das nicht weniger Chancen zur produktiven Zusammenfassung von Ressourcen eröffnet als unser gegenwärtiges Gesellschaftsrecht. Nur bezogen auf diese vergleichbare und realisierbare Alternative kann man sinnvollerweise untersuchen, ob unser Gesellschaftsrecht "unnötige" Tendenzen zur Unternehmenskonzentration auslöst. Die mögliche Aussage, daß es in diesem Sinne Konzentrationsanreize gibt, wäre gleichbedeutend mit der Aussage, daß sich diese Anreize aufheben lassen. Soweit sich die Literatur mit der Frage der Konzentrationsneutralität des deutschen Gesellschaftsrechts befaßt, wird die Meßproblematik nicht

23

Demset~

(Information and Efficiency. Another Viewpoint, 12 J .L . & Econ. (1969), (S. 1 ff) hat nachdrücklich auf die Gefahr hingewiesen, daß mit unrealistischen Alternativen verglichen wird, wenn Institutionen auf ihre Effizienz untersucht werden. Er spricht von der "nirwana fallancy" .

III. Vorüberlegungen zum Verhältnis von Gesellschaftsrecht und Konzentration

11

gesehen. Das - soweit ersichtlich - einheitlich erreichte Ergebnis, daß das bestehende (deutsche) Gesellschaftsrecht nicht als konzentrationsneutral anzusehen sei, kann folglich auch nicht vorbehaltlos übernommen werden. Dies kann an drei Vermutungen über Konzentrationswirkungen verdeutlicht werden. Es sind die drei bisher am ausführlichsten erörterten Berührungspunkte von Gesellschaftsrecht und Konzentration. (I) Vor allem im wirtschaftswissenschaftlichen Schrifttum wird nicht

hinreichend zwischen der Ermöglichung und der darüber hinausgehenden Förderung der Konzentration unterschieden. Die Folge ist, daß das Recht der Kapitalgesellschaften und insbesondere der Aktiengesellschaft mehr oder weniger pauschal als ein besonders gewichtiger Konzentrationsfaktor eingestuft 24 und mit dem Postulat einer Ausgestaltung konfrontiert wird, die wesentliche Aufgaben des Kartellrechts in das Gesellschaftsrecht verlagert. 25 Hier wird offenbar mit einer Situation verglichen, in der es kein Aktiengesetz gibt. (2) Für eine vorwiegend in der rechtswissenschaftliehen Literatur vorgetragene Auffassung beruhen die vom Gesellschaftsrecht bewirkten Konzentrationsimpulse vor allem auf dem unzureichenden Schutz der Minderheitsgesellschafter; dadurch werde die Chance eröffnet,

24

So etwa Meierjohann, Konzentrationswirkungen des Aktienrechts in der Bundesrepublik Deutachland (1974) ; Hoffmann, Gesellschaftsrecht und Konzentration - Ein Ländervergleich (Dias. Berlin 1977); ähnlich Böhm, Die Kapitalgesellschaften als Instrument der Unternehmenszusammenschlüsse, FS für Günther (1976), S. 149 ff.

25

So verlangt etwa Fischer, Die Unternehmenskonzentration als Gegenstand wirtschaftsordnender, gesellschaftsrechtlicher und steuerlicher Gesetzgebung (1960), S . 8 (These IX), daß das Aktienrecht zur Entlastung der staatlichen Wettbewerbspolitik "die Aufgabe einer automatisch wirkenden Selektion zwischen volkswirtschaftlich gerechtfertigten und unnötigen und deshalb zu verhindernden Konzernierungsvorgängen" übernehmen solle.

12

Kap. A: Problemführung und -abgrenzung

sich durch Erwerb der bloßen Stimmrechtsmehrheit die Verfügungsmacht über die gesamten Ressourcen einer Gesellschaft zu verschaffen. 26 Wirksame Abhilfe wird vor allem von der Verschärfung des Konzernrechts erwartet. (3) In weiten Teilen der Literatur 27 wird es als eine Konzentrationswirkung des Gesellschaftsrechts angesehen, daß die Finanzierungsmöglichkeiten kleiner und mittlerer Unternehmen ungünstiger seien als die großer Publikums-AG'en. Kleinere und mittlere Unternehmen würden dadurch behindert und zur Suche nach "kapitalkräftigen Partnern" getrieben. Hier wird offenbar implizit mit dem nicht erreichbaren Ideal vollkommener, transaktionskostenloser Kapitalmärkte verglichen.

IV. Zu den sachlichen Schwerpunkten und methodischen Prämissen der Untersuchung

Sieht man von dem Konzernproblem ab, dann läßt sich der angeführten Literatur nichts entnehmen, was als Fundament einer generellen Einschätzung des Verhältnisses von Gesellschaftsrecht und Konzentration dienen könnte. Mit anderen Worten: Angesichts des referierten Meinungsstandes lassen sich weder vom Gesellschaftsrecht ausgehende Konzentrationsimpulse noch eine generelle Konzentrationsneutralität dieses

26 So etwa Großfeld, Aktiengesellschaft, Kleinaktionäre und Unternehmenskonzentration (1968), insbes. S. 22 ff, und 30 f; Kronstein, Aktienrechtliche und wettbewerbsrechtliche Aspekte der Konzentration, FS für Gessler (1971), S. 219 ff; Koppensteiner, "Faktischer Konzern" und Konzentration, 2 ZGR (1973), S. 1 ff, insbes. S. 5 ff und 17 ff; Immenga, Der Preis der Konzernierung, FS für Böhm (1975). S. 253 ff, 254 ff; Hahn, Rahmenbedingungen der Konzentration - Konzernrecht und Konzentration (Typoskript 1983). 27 Dazu ausführlich Kapitel C.

IV. Zu sachlichen Schwerpunkten und methodischen Prämissen der Untersuchung

13

Rechtsgebietes vermuten. In dieser Lage empfiehlt es sich, einschlägige Einzelprobleme zu untersuchen: (a) Das soll in Kapitel B für die erwähnten Konzernprobleme geschehen. Da die einschlägige Literatur28 Anlaß zu der Annahme gibt, daß es sich dabei um den wichtigsten Gegenstand der Untersuchung handelt, ist hierzu auf die z.T. erheblich abweichenden Regelungsansätze des englischen und des amerikanischen Rechts einzugehen. Ein besonders interessantes Element der angelsächsischen Ansätze sind geregelte Verfahren des Erwerbs bzw. des Aufbaus von Mehrheitspositionen. Das Recht der "take-overs" bzw. "tender offers" könnte Möglichkeiten zur Schädigung von Minderheiten frühzeitig, d.h. schon in der Entstehung verhindern und damit ein eventuell wichtiges - ökonomisch und politisch nicht gerechtfertigtes - Konzentrationsmotiv ausschalten oder zumindest abschwächen. (b) Darüber hinaus ist - in Kapitel C - ein weiterer Aspekt des Themas aufzugreifen. Die Entwicklung der gesellschaftsrechtlichen Struktur der deutschen Unternehmen - insbesondere der beständige Rückgang börsennotierter Gesellschaften - drängt die Frage auf, ob es für mittelgroße Unternehmen strukturbedingte Wachstumsbarrieren gibt, die sie etwa gegenüber zusätzlichen Finanzierungsbedürfnissen veranlassen oder zwingen, ihre Selbständigkeit aufzugeben und Anlehnung bei einem der Großunternehmen zu suchen, die sich über die Börse zusätzliche Eigenmittel verschaffen können. Vorab ist auf methodische Schwierigkeiten hinzuweisen, mit denen sich die Untersuchung durchweg konfrontiert sieht:

28 S. oben FN 26.

Kap. A: Problemführung und -abgrenzung

14

(a) Der Wirtschaftsablauf im allgemeinen und Konzentrationsprozesse im besonderen werden nicht agein und nicht primär von rechtlichen Normen, sondern von einer Vielzahl faktischer Randbedingungen - der Technik, den Marktverhältnissen, den sich wandelnden Bedürfnissen der Abnehmer usw. - bestimmt. Aber der Einfluß, das effektive Gewicht, dieser "constraints" ist ebenfalls nicht vorgegeben, sondern hängt von zahlreichen Faktoren ab, zu denen wiederum rechtliche Regelungen zu zählen sind. Derartige mittelbare Auswirkungen des Rechts sind freilich nicht leicht zu identifizieren und noch schwieriger zu gewichten. Sie lassen sich im Rahmen unserer Untersuchung deshalb nur unvollständig und annäherungsweise berücksichtigen. (b) Gesellschaftsrecht wird durch eine Vielzahl normativer Bezüge bestimmt, deren Komplexität durch die geläufigen Begriffe des Gläubiger- und Anlegerschutzes oder die Verpflichtung der Unternehmungsleitung auch auf Arbeitnehmer- und Allgemeininteressen noch nicht einmal angedeutet wird. Im vielfach diffusen Gefüge dieser Vorgaben kann das Regelungsziel der Konzentrationsverhinderung (Mit-)Berücksichtigung, aber nicht Priorität verlangen. Deshalb ist, wo diese "policies" konfligieren, eine Abwägung unverzichtbar, die wiederum kaum je auf ein festes Fundament empirisch einwandfreier Befunde gestützt werden kann. Methodisch steht die vorliegende Untersuchung der ökonomischen Analyse des Rechts nahe. Wie deren Vertreter29 versuchen wir, - soweit das möglich ist - Allokations- und Verteilungsfragen zu trennen, Marktmechanismen zu erfassen und von einfachen und konsistenten Annahmen über das Verhalten der betroffenen Wirtschaftssubjekte auszugehen. Es

29

Vgl. die Beiträge in Assmann/Kirchner/Schanze, Ökonomische Analyse des Rechts

(1978) .

IV. Zu sachlichen Schwerpunkten und methodischen Prämissen der Untersuchung

15

scheint uns jedoch nicht angemessen,· der von Posner30 geprägten stark vereinfachenden Variante dieser Analyserichtung zu folgen. Dafür gibt es vor allem zwei Gründe: Zum einen ist die partialanalytische oder preistheoretische Betrachtung zu restriktiv, wenn Gesamtmarktphänomene - wie im Kapitel C - zu behandeln sind. Zum anderen unterstellt diese Variante, daß es viele der Informations- und Anreizprobleme, derentwegen Gesellschaftsrecht wichtig und problematisch ist, überhaupt nicht gibt. Wir gehen statt dessen von einem komplexeren Modell von Marktprozessen und Organisationen aus, wie es der Informationsökonomik31 und der "theory of agencies" 32 zugrunde liegt.

30 31 32

Vgl. insbes. Posner, Economic Analysis of Law (2. Aufl. 1977). Vgl. zum Überblick R .H. Schmidt, Die Rolle von Informationen und Institutionen auf Finanzmärkten, Habilschrift Frankfurt (1979), Kap. 2. Vgl. zum überblick Barnea/Haugen/Senbet, Agency Problemsand Financial Contracting (1985) .

Kapitel B: Gesellschaftsrechtliche Begünstigung der Konzernierung? I. Grundlagen 1. Die Grundvoraussetzungen einer konzentrativen Wirkung

des Gesellschaftsrechts

Die konzentrative Wirkung der

g~sellschaftsrechtlichen

Konzernregelung

wird auf das Mehrheitsprinzip zurückgeführt: es eröffnet die Möglichkeit, ein Unternehmen kraft einfacher Kapitalmehrheit zu beherrschen, und bedeutet damit "wirtschaftlich gesehen, daß ein Unternehmen über die Produktionsmöglichkeiten eines anderen Unternehmens verfügen kann und für diese Möglichkeit lediglich den halben Preis entrichtet" 1 . Konzentrationsfaktor ist der "Preis der Konzernierung": "Solange das Gesellschaftsrecht die Zurechnung unternehmerischer Ressourcen unter ihrem wirklichen Wert erlaubt, wird die Konzentration als externes Wirtschaftswachstum gefördert. Es handelt sich um verbilligte Investitionen, die bei internem Wachstum nur über den vollen Preis hätten durchgeführt werden können" 2 • Verkürzt formuliert: Die gesellschaftsrechtlich eröffnete Möglichkeit des Mehrheitserwerbs ist konzentrationsfördernd, wenn und soweit der Preis für die Mehrheit generell hinter dem Wert der damit erlangten Befugnisse zurückbleibt und wenn dieser Effekt gerade für Unternehmen als Erwerber gilt.

Immenga, Rahmenbedingungen, aaO (A. FN 18) S. 4; ähnliche Erwägungen vor allem bei Stütze!, Aktienrechtsreform und Konzentration, in: Arndt (Hrsg.), Die Konzentration in der Wirtschaft, Bd. Il: Ursachen der Konzentration (1960), S. 907 ff, 911 ff und 939 ff sowie bei Koppensteiner, aaO (A. FN 26) S. 5 ff. 2

lmmenga, Der Preis der Konzernierung, aaO (A. FN 26) S. 255.

I. Grundlagen

17

a) Diese im folgenden zu überprüfende Grundthese verweist auf das Recht der Kapitalgesellschaften, das im Prinzip der einfachen Kapitalmehrheit die Disposition zumindest über die Geschäftsführung eröffnet. aa) Dabei kommt es auf die quantitativen Voraussetzungen dieser Mehrheit nicht entscheidend an. Zu Recht wird darauf hingewiesen, daß der Konzernierungspreis sinkt, wenn die Beteiligungsrechte breit gestreut sind und deshalb teilweise nicht geltend gemacht werden: dann reichen u.U. schon 40% oder noch weniger der durch Kapitalbesitz vermittelten Stimmrechte zur Beherrschung des Unternehmens aus. 3 Auch das gesetzliche Erfordernis qualifizierter Mehrheiten, etwa für die "Grundlagenentscheidungen"\ vermag die Geltung der Grundthese nicht aufzuheben. Zwar ist davon auszugehen, daß der zu entrichtende Preis absolut wie relativ (d.h. auch im Verhältnis zu dem erwarteten Ertrag) steigt, wenn das Gesetz für die zu treffenden Maßnahmen eine Dreiviertelmehrheit verlangt, die grundsätzliche Möglichkeit einer Diskrepanz von Preis und Wert der erworbenen Beteiligung wird dadurch aber nicht tangiert. Es handelt sich nur um eine Verschiebung: Ein Teil der "Mehrheitsrendite" wächst nunmehr der Sperrminorität zu, die sich ihre Vetobefugnisse u.U. gegen Sonderzuwendungen abkaufen lassen kann. bb) Im Personengesellschaftsrecht gilt zwar grundsätzlich das Einstimmigkeitsprinzip. Es ist aber nicht zwingend angeordnet; vielmehr kann der Gesellschaftsvertrag eine nach Mehrheit entscheidende Gesellschafterversammlung vorsehen. Das ist regelmäßig dort der Fall, wo eine größere Zahl von Gesellschaftern beteiligt ist; ein besonders ausgeprägtes Beispiel bildet die Publikums-KG. Deshalb kann von der Erörterung derartiger Personengesellschaften nicht völlig abgesehen werden. 5 3

Vgl. Immenga, Rahmenbedingungen, aaO.

4

Zur Bedeutung dieses Begriffs vgl. Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. I (1981) S. 323 ff.

5

Dazu näher unter IV.

18

Kap. B: Gesellschaftsrechtliche Begünstigung der Konzernierung?

b) Das zweite Element der Grundthese ist die generelle Diskrepanz von "Preis" und "Wert" dieser Mehrheitsbeteiligung. Beide Begriffe werfen im konkreten Zusammenhang Fragen auf, die im folgenden wenigstens ansatzweise zu klären sind, um das Problem zu präzisieren und Lösungsmöglichkeiten einschätzen zu können.

2. Zur Bedeutung und zum Verhältnis von "Preis" und "Wert"

Beim Beteiligungserwerb ist von den folgenden Überlegungen auszugehen: a) Als "Preis" ist zu verstehen der effektive Gegenwert, etwa der Geldbetrag, der für die erworbene Beteiligung entrichtet worden ist. Diese für den konkreten Erwerbsvorgang maßgebliche Gegenleistung kann in unterschiedlicher Weise bestimmt werden. aa) Es kann sich um einen durch eine Vielzahl von Transaktionen bestimmten Marktpreis, etwa den amtlichen Börsenkurs handeln: ein Unternehmen kauft - möglicherweise über einen längeren Zeitraum - Aktien zum jeweiligen Tageskurs auf, um sich einen beherrschenden Einfluß auf ein anderes Unternehmen zu verschaffen. Für den Erwerber liegt die Schwierigkeit dieses Vorgehens in dem Umstand, daß der ständige Zukauf den Börsenkurs in aller Regel nach oben treibt. bb) Es kann sich um einen vom Erwerber einseitig angebotenen Preis handeln. Das ist der Fall des öffentlichen Übernahmeangebotes (takeover bid, tender offer), auf den im folgenden zurückzukommen ist. Derartige Angebote beziehen sich auf Publikumsgesellschaften; sie haben nur dann Aussicht auf Erfolg, wenn der versprochene Preis über dem Börsenkurs liegt.

I. Grundlagen

19

cc) Der Preis kann zwischen Veräußerer und Erwerber ausgehandelt werden. Das ist notwendigerweise dort der Fall, wo es sich um eine "close corporation"6 oder "private company"7 handelt, für deren Anteile mangels ausreichender Streuung kein offizieller oder inoffizieller Markt besteht. Aber auch der Übergang einer Beteiligung an einer "Publikumsgesellschaft" kann zum Gegenstand einer derartigen Preisvereinbarung werden. Das ist vor allem dort der Fall, wo es zu "Paketabschlägen" und "Paketzuschlägen" kommt. Paketabschläge sind selten; sie dürfen nur dort in Betracht kommen, wo der Veräußerer zum (raschen) Verkauf gezwungen ist und der Weg über die Börse die Kurse nicht unerheblich drücken würde8 . Der Paketzuschlag ist für den hier erörterten Zusammenhang interessanter: er wird als Indikator des Wertes der der Mehrheit eröffneten Dispositionsbefugnisse und als Indiz für das Versagen des aktienrechtlichen Minderheitenschutzes betrachtet9 . b) Schwieriger ist es, den vom "Preis" abweichenden "Wert" einer Beteiligung zu bestimmen. Hier empfiehlt es sich, danach zu unterscheiden, durch wen bestimmte wertrelevante Faktoren realisiert werden können. aa) Der "Wert" kann den "Preis" für jeden (potentiellen) Erwerber übersteigen, weil einzelne wertbestimmende . Faktoren aufgrund besonderer

6

7

Zu diesem Begriff des amerikanischen Rechts s. Immenga, Die personalistische Kapitalgesellschaft (1970), S. 29 ff; Eiaenberg, The Structure of the Corporation. A Legal Analysis (1976), s. 316 ff. So der weitgehend äquivalente Begriff des englischen Rechts; vgl. Gower/Cronin/Easson/ Lord Wedderburn of Charlton, Principles of Modern Company Law (4. Auf!. 1979), s. 13 ff.

8

Zu der "price pressure-Hypotheae" vgl.

~.

The Market for Securities: Substitution

veraus Price Pressure and the Effect of Information on Share Pricea, 45 J . of Business (1972), s. 179 ff. 9

So vor allem Koppensteiner, aaO (FN 1) S. 12; lmmenga, Der Preis der Konzernierung, aaO (FN 2) S. 259, und Stütze), aaO (FN 1).

20

Kap. B: Gesellschaftsrechtliche Begünstigung der Konzernierung?

Umstände bei der Preisbildung gar nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt werden. Hier sind wiederum zwei Fälle zu unterscheiden: (I) Bei Anteilen an einer Publikumsgesellschaft, also insbesondere bei

den an der Börse gehandelten Aktien, kommt eine derartige Diskrepanz zwischen Marktpreis und "innerem Wert" angesichts der These von der Kapitalmarkteffizienz10 nur dann in Betracht, wenn Umstände, die einzelnen Marktteilnehmern bekannt sind, mangels Verbreitung dieser Information bei der Kursbildung (noch) nicht (völlig) berücksichtigt worden sind. Wichtigster Fall dürfte der des Insiderhandels sein. (2) Bei Nichtpublikumsgesellschaften ("close corporations" oder "private companies") ist ein derartiges Informationsgefälle zwar nicht völlig auszuschließen, aber doch wenig wahrscheinlich. Hier kann es zur Veräußerung einer Beteiligung unter Wert vor allem dann kommen, wenn der Veräußerer sich auf das erste - objektiv zu niedrige - Erwerbsangebot einläßt, weil es ihm an Zeit oder Gelegenheit fehlt, konkurrierende Offerten einzuholen. bb) Von diesen Beispielen einer objektiven Unterbewertung der verkauften Anteile sind die Fälle zu unterscheiden, in denen die Beteiligung durch den Übergang an den Erwerber in dessen Händen einen höheren Wert erlangt. Auch hier ist weiter zu unterscheiden: (I) Der Wertzuwachs kann sich daraus ergeben, daß die Beherrschung

durch den Erwerber "Synergie"-Effekte auslöst. Dafür kommen unterschiedliche Möglichkeiten in Betracht. Die Konzernverbindung kann "economies of scale" bewirken, etwa weil vorhandene Anlagen oder sonstige Güter (z.B. Know-how) nunmehr rationeller genutzt werden kön-

10 Diese These besagt (in ihrer "mittel-strengen" Fassung), daß allgemein bekannte Sachverhalte ("all publicly available information") immer schon in die Aktienkurse eingegangen sind; vgl. R.H. Schmidt, Aktienkursprognose (1976), S. 375 ff m.w.N.

I. Grundlagen

21

nen. Wirtschaftlich vergleichbar ist die Situation, in der der Erwerber die Beherrschung dazu nutzt, die bisherige - weniger qualifizierte Geschäftsführung durch ein fähigeres Management zu ersetzen. Beiden Fällen ist gemeinsam, daß der Übergang der Herrschaftsmacht die Allokation der verfügbaren Ressourcen verbessert und damit effizienzfördernd wirkt. (2) Der subjektive Grenzwert der Beteiligung kann sich für den Erwerber aber auch daraus ergeben, daß er in der Lage ist, das Vermögen der von ihm nunmehr beherrschten Gesellschaft zu seinem Vorteil und zum Nachteil der Minderheit zu nutzen. Das ist der Befund, den die eingangs angeführte Literatur primär im Auge hat11 . Hinter der sehr allgemeinen Formulierung verbergen sich unterschiedliche Sachverhalte: sie reichen von dem wohl eher seltenen Fall des offenen Ausplünderns ("looting") 12 über vielfältige Transaktionen zu "Konzernverrechnungspreisen" bis hin zu kaum justitiablen Maßnahmen der konzerninternen Personalpolitik. Auch die rechtliche Qualifikation erscheint wenig übersichtlich: es kann sich um "verdeckte Gewinnausschüttungen" oder die fehlsame Aneignung von Geschäftschancen, um den Verstoß gegen spezielle Vorschriften oder gegen generelle Gesellschafterpflichten handeln 13 .

3. Konstellationen mit "Wert größer als Preis"

Aus der unterschiedlichen Bedeutung der Begriffe "Preis" und "Wert" ergibt sich wiederum, daß sich die Grundthese, derzufolge Gesellschafts-

11

Vgl. oben Kapitel A, FN 26.

12

Deutsche Entscheidungen sind nicht ersichtlich. Für die USA vgl. etwa Gerdes v . Reynolds, 28 N.Y.S. 2d 622 (1941); Levy v. American Beverage Co., 38 N .Y.S. 2d 517 (1942); Swinney v . Keebler Co., 480 F.2d 573 (4th Cir. 1973).

13 Dazu näher unten II. - IV.

22

Kap. B: Gesellschaftsrechtliche Begünstigung der Konzernierung?

recht konzentrativ wirkt, wenn der Mehrheitserwerb mehr einbringt als kostet, nicht auf einen einzelnen Sachverhalt, sondern auf unterschiedliche Fälle bezieht, deren Spektrum für die weitere Untersuchung auf eine Reihe typischer Fallkonstellationen vereinfacht werden kann: a) Fallkonstellation I: Unternehmen A weiß - oder glaubt zu wissen daß die Aktien der Gesellschaft B "unterbewertet" sind. Aufgrund seiner spezifischen Kenntnisse etwa über Technologie oder Märkte oder aufgrund von Insiderwissen erwirbt es die Mehrheit an B (oder erhöht eine schon bestehende Beteiligung). Dieser Vorgang ist konzentrationsrelevant, wenn A seinen Informationsvorsprung nicht nur zur Realisierung eines kurzfristigen Börsengewinns, sondern zur längerfristigen Beherrschung von B ausnützt. Der Konzentrationseffekt wird eliminiert, wenn A der Erwerb solange untersagt wird, bis die kursrelevante Information veröffentlicht worden ist. Das läßt sich als rechtspolitisches Argument zugunsten umfassender Publizitätspflichten und eines sanktionsbewährten Insiderhandelsverbots verwerten. Auf die einschlägige Kontroverse 14 ist im hier erörterten Zusammenhang nicht einzugehen, da die Fallkonstellation eher selten sein dürfte und Unternehmen untypische Adressaten von Insiderregelungen sind. 15 b) Fallkonstellation II: Der persönlich erheblich verschuldete Mehrheitsgesellschafter M der B GmbH verkauft seine Beteiligung unter dem Druck seiner Gläubiger zu einem für ihn wenig vorteilhaften Preis an das Unternehmen A. Die Rahmenbedingungen dieses Vorgangs sind konzentrationsrelevant, wenn sie M daran gehindert haben, seine Beteili-

14

Vgl. etwa Manne, In Defense of Insider Trading, 44 Harv.Bus.Rev. (Nov./Dec. 1966), S. 113 ff; Jaffe, The Effect of Regulation Changes on Insider Trading, 5 Bell J. Econ & Man.Sci. (1974), S. 93 ff; Hopt/Will, Europäisches Insiderrecht (1973), S. 37 ff; Ballwie~. Insiderrecht und positive Aktienkurstheorie, 28 ZfbF (1976) , S. 231 ff.

15

Die einschlägigen Normen richten sich primär an natürliche Personen, die Organfunktionen in Kapitalgesellschaften wahrnehmen.

I. Grundlagen

23

gung auch anderen Interessenten anzubieten oder durch Umwandlung der GmbH in eine AG über die Börse zu plazieren. c) Fallkonstellation III: Unternehmen A erwirbt die Mehrheit an Kapitalgesellschaft B. Durch die Ausübung der Herrschaftsmacht entstehen "Synergie"-Vorteile 16: Produktion und Vertrieb werden durch Abstimmung kostengünstiger; durch den Austausch von Know-how werden Forschung und Entwicklung gefördert usw. Derartige Sachverhalte werfen vor allem zwei Fragen auf. Wettbewerbspolitisch ist zwischen dem Effizienzzuwachs durch verbesserte Ressourcenallokation einerseits und dem Konzentrationseffekt auf der anderen Seite abzuwägen. Für das Gesellschaftsrecht ist zu entscheiden, wie der Zugewinn zwischen A und B zu verteilen ist. Die Antwort auf diese Frage hat wichtige Rückwirkungen auf das Konzentrationsproblem. Wird der ganze "Synergie"-Zuwachs B zugewiesen, dann sinkt das Erwerbsinteresse von A 17; die Chancen auf Effizienzverbesserungen und zugleich die Konzentrationsrisiken steigen in dem Maße, in dem A gestattet wird, auf den ganzen "Synergie"-Gewinn zuzugreifen. Da B von A beherrscht wird, ist davon auszugehen, daß A ohne eine einschlägige gesellschaftsrechtliche Norm den ganzen Zusatzertrag seinem Vermögen zuführen kann. Die verbleibenden Minderheitsaktionäre von B werden dadurch zwar um die Chance gebracht, an den von A veranlaßten Vorteilen zu partizipieren; ihnen entsteht durch die Konzernierung aber kein Schaden, da sich ihre Lage nicht verschlechtert hat. Ob die ausscheidenden Aktionäre an dem Wert der "Synergie" partizipieren, hängt von dem Preis ab, zu dem sie

16 Dazu Steiner, Mergers: Motives, Effects, Policies (1975), S. 58 ff; Bebchuk, The Case for Facilitating Competing Tender Offera, 95 Harv.L.Rev. {1981/82), S. 1028 ff, 1081 f. 17 Wird der ganze "Synergie" - Gewinn B zugewiesen, und ist A mit 50% an B beteiligt, dann wächst A immer noch die Hälfte der durch den Verbund erzielten Wert- oder Ertragssteigerung zu. A hat aber Aufwendungen zu erbringen: die "Suchkosten" für die Entdekkung der Konzernchance, den Paketzuschlag bzw. andere Kosten des Mehrheitserwerbs. Deshalb ist es durchaus möglich, daß A auf den Beteiligungserwerb verzichtet, wenn der unmittelbare Vorteil allein bei B anfällt.

24

Kap. B: Gesellschaftsrechtliche Begünstigung der Konzernierung?

ihre Anteile verkaufen. Daraus folgt: einschlägige Regelungen des Gesellschaftsrechts sind vor allem unter dem Aspekt interessant, daß sie die Effizienz mindern, wenn sie der Konzentration entgegenwirken. d) Fallkonstellation IV: Unternehmen A erwirbt durch ein öffentliches Übernahmeangebot (take-over bid, tender offer) die Mehrheit an der Publikumsgesellschaft B, um das vergleichsweise inkompetente Management der B durch eine fähigere Geschäftsführung zu ersetzen. Dieser Sachverhalt der "feindseligen Übernahme" (hostile take-over), der in Großbritannien 18 und in den USA 19 eine sehr große Rolle spielt, sich aber in der Bundesrepublik nicht ereignet 20 , entspricht der Fallkonstellation III insofern, als auch er mit dem Zielkonflikt zwischen verbesserter Ressourcenallokation und Konzentrationsbekämpfung 21 konfrontiert. In der neueren amerikanischen Literatur 22 dominiert aber die Auffas18 Von Kapff, Übernahmeangebote (Take-over bids und offres publiques d'achat) in England und Frankreich (Diss. Mannheim 1975), S. 71 ff. 19 Dietrich, Die Tender Offer im Bundesrecht der Vereinigten Staaten (1975), S. 254. 20 So berichtet der Chefsyndikus der Dresdner Bank: "Gegen den Widerstand der Verwaltung vorgenommene Übernahmeofferten haben in Deutschland keine Bedeutung. Mir ist jedenfalls kein Fall bekannt, in dem Vorstand und Aufsichtsrat der Zielgesellschaften ihren Aktionären die Ablehnung eines Übernahmeangebotes empfohlen hätten" (Heinsius, Abfindung außenstehender Aktionäre und Übernahmeangebote im deutschen Aktienund Konr.ernrecht, in: Schmitthoff/Gore/Heinsius, Übernahmeangebote im Aktienrecht (1976), S. 35 ff, 52). Die Gründe fUr diese Sonderstellung werden vor allem in der geringen Zahl deutscher (börsennotierter) Aktiengesellschaften (Heinsius, aaO S. 51) und in der faktischen Bedeutung von Bankbeteiligungen (Immenga, öffentliche Übernahmeangebote (Take over bids), Schweizerische Aktiengesellschaft 1975, S. 89 ff, 90) gesehen. 21

Vgl. lmmenga, aaO S. 90 ff. Für die USA wird aber auch vorgetragen, "that takeovers generally reduce concentration in the acquired firms' markets"; so Easterbrook/Fischel, The Proper RoJe of a Target's Management in Respanding to a Tender Offer, Harv.L.Rev. 94 (1980/81), S. 1161 ff, S. 1186 unter Berufung auf die Untersuchung von Goldberg, The Effect of Conglomerate Mergers on Competition, 16 J.L. & Econ. (1973), s. 137 ff.

22

Vgl. etwa Manne, Mergers and the Market for Corporate Control, 73 J.Poi.Econ. (1965), S. 110 ff; Easterbrook/Fischel, aaO S. 1169 und 1186 ff; Jensen, Takeovel'11: Folklore and Science, 62 Harv.Bus.Rev. (1984), Heft 6, S. 109 ff, 112.

25

I. Grundlagen

sung, daß die Effizienzvorteile im Fall IV sehr viel gewichtiger sind: die Ressourcen von B werden besser genutzt; und zugleich hat das latente Risiko eines tender offer einen generalpräventiven Effekt: es zwingt das Management aller Publikumsgesellschaften zu größerer Anstrengung und besserer Leistung bei der Verwaltung der ihm anvertrauten Wirtschaftsgüter23. Damit ändern sich auch die rechtspolitischen Zielprojektionen. Die theoretische Einsicht, daß auch die in B verbleibende Minderheit von der verbesserten Geschäftsführung profitiert, wird durch den empirischen Befund untermauert, daß der Aktienkurs einer Gesellschaft, die Gegenstand eines erfolgreichen Übernahmeangebots war, im Regelfall nicht nur vorübergehend, sondern auf Dauer erheblich steigt24 • Dann ist nicht mehr so sehr diese Minderheit schutzbedürftig. Hier geht es - wie bei Konstellation III - vielmehr darum, die Aktionäre ohne Rücksicht auf ihren Mehrheits- oder Minderheitsstatus davor zu bewahren, zu rasch an einen bidder zu verkaufen, wenn die Möglichkeit besserer Angebote besteht25 . e) Fallkonstellation V: Unternehmen A erwirbt eine beherrschende Mehrheit an Kapitalgesellschaft B, um sich Vorteile auf Kosten von B, und d.h. insbesondere der verbleibenden Minderheitsgesellschafter, zu verschaffen. Derartige Sachverhalte, die im Mittelpunkt der deutschen Diskussion stehen 26, sind dann konzentrationsrelevant, wenn A für den Erwerb der beherrschenden Mehrheit an B weniger aufwenden muß, als es sich durch den beherrschenden Einfluß auf B von dieser verschaffen kann. Der Umfang der Differenz zwischen dem für die Beteiligung zu entrichtenden Preis und dem mit ihr erlangten Wert hängt in diesem Fall 23

Easterbrook/Fischel, aaO S.

24

Über die zahlreichen Untersuchungen berichten Jensen/Ruback, The Market for Corpo-

1169 und 1173.

rate Control: The Scientific Evidence, 11 J . Fin. Econ.

{1983), S. 5 ff.

25

Diesen Schutz bezweckt der Williams Act; dazu unten 111.

26

Vgl. oben Kapitel A, FN 26.

26

Kap. B: Gesellschaftsrechtliche Begünstigung der Konzernierung?

vor allem von der Reichweite und Durchsetzbarkeit der gesellschaftsrechtlichen Vorkehrungen zum Schutz der in der Gesellschaft verbleibenden Minderheit ab. Im Gegensatz zu den Fallkonstellationen III und IV wird die rechtspolitische Zweckmäßigkeit dieses Schutzes im Prinzip nicht bezweifelt, da der Konzentrationsvorgang hier durch keinerlei Effizienzvorteile aufgewogen wird 27. Vielmehr ist auch die - offene oder verdeckte - Benachteiligung der "außenstehenden" Gesellschafter als effizienzmindernd zu qualifizieren; das gilt zumindest dann, wenn man den Sinn des Minderheitenschutzes nicht so sehr in "rechtsethischen Maßstäben" 28, sondern primär im Bedarf an einem "institutionell" verstandenen, d.h. an der Zielprojektion der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes orientierten Anlegerschutz sieht29 . f) Beträchtliche Schwierigkeiten dürften sich hingegen aus dem Umstand ergeben, daß sich die für die Fallkonstellationen III, IV und V konstitutiven Elemente zwar analytisch unterscheiden, aber in der Praxis kaum befriedigend voneinander abgrenzen lassen. Es ist nicht nur möglich, sondern durchaus wahrscheinlich, daß Unternehmen A die beherrschende Mehrheit an Gesellschaft B erwirbt, um sowohl von Effizienzvorteilen der "Synergie" und/oder eines besseren Managements bei B wie vom Zugriff auf dessen Vermögen oder Erwerbschancen zu profitieren. An diesen Fällen läßt sich die Problematik eines "überschießenden" Minderheitenschutzes verdeutlichen, der nicht nur die auf Kosten von B erworbenen Sondervorteile kompensieren bzw. ihre Entstehung verhindern - und so Konzentrationsanreize, denen keine Effizienzvorteile gegen-

27 Das gilt auch für die amerikanische Auffassung von der Kontrolle des Management durch den Beteiligungsmarkt; vgl. etwa Easterbrook/Fischel, aaO S. 1185: "a looter generates no new value ... Also, looting from minority shareholden violates established rulea". 28

29

Vgl. etwa Wiedemann, Rechtsethische Maßstäbe im Unternehmenarecht, 9 ZGR (1980),

s. 147 ff, 149.

Dazu näher Kühler, Verrechtlichung von Unternehmensatrukturen, in dera . (Hrsg.), Verrechtliehung von Wirtschaft, Arbeit und sozialer Solidarität (1984), S. 170 ff, 186 ff.

I. Grundlagen

27

überstehen, abschwächen - soll, sondern auch eventuelle von A angestrebte Effizienzgewinne ganz oder teilweise absorbiert und somit die Anreize für A, Effizienzvorteile zu suchen und zu realisieren, beseitigt30. Derartige rechtliche Vorkehrungen konfrontieren mit dem bereits erörterten Dilemma, daß sie nicht nur Konzentration verhindern, sondern zugleich die Ressourcenallokation verschlechtern und damit zur Vergeudung wirtschaftlicher Werte beitragen. Insoweit wäre das Gesellschaftsrecht nicht mehr "konzentrationsneutral", da es auch unter dem Gesichtspunkt der Effizienz erwünschte Zusammenschlüsse und Verbindungen unterbände. Es übernähme damit Aufgaben des Rechts gegen Wettbewerbsbeschränkungen. Eine derartige Funktionsverlagerung wäre nicht nur system-, sondern vor allem zweckwidrig, da die tatbestandsmäßigen Grenzen und die Abwägungsmöglichkeiten des Kartellrechts nicht mehr zum Zuge kämen. Aus einem weiteren Grund sind die Unterscheidung der Fallkonstellationen III und IV einerseits und V andererseits wichtig und ihre praktische Vermischung bedauerlich: Bei den Fallkonstellationen III und IV ist mit der Entstehung der Mehrheit oder der Beherrschung eine Wertsteigerung der Anteile von B verbunden, während bei der Konstellation V eine Wertminderung resultiert. Minderheiten sind bei III und IV vor dem Fehler zu schützen, daß sie zu schnell und zu billig - gemessen am Anteilswert bzw. an einem erreichbaren Preis - verkaufen, während bei V die Gefahr besteht, daß sie zu spät verkaufen. Wie die Gesellschafter im Prinzip vor der Mehrheitsbildung zu schützen - und wie entsprechend die Konzentrationsanreize abzuschwächen - sind, unterscheidet sich grundlegend. Werden Gesellschafter vor der mit der Fallkonstellation V beschriebenen Gefahr wirksam geschützt, setzen sie sich gerade der Gefahr aus, von einer Wertsteigerung ihrer Anteile ausgeschlossen zu werden. 30

Vgl. dar;u bes. Easterbrook/Fischel, aaO S. 1173, und kritisch dar;u Bebchuk, aaO (FN 16).

28

Kap. B: Gesellschaftsrechtliche Begünstigung der Konzernierung?

4. Die Entstehung von Minderheitspositionen

Im Rahmen einer Untersuchung, die die von der gesellschaftsrechtlichen Regelung der Mehrheitsmacht ausgehenden Konzentrationswirkungen zum Gegenstand hat, empfiehlt es sich schließlich, auch danach zu differenzieren, wie Minderheitspositionen entstehen und in Konzernbeziehungen überführt werden. a) In der überwältigenden Mehrzahl der Fälle entsteht die die Beherrschung ermöglichende Mehrheitsposition nicht durch das Zusammenfügen von bislang gestreuten Anteilsrechten zu Paketen, sondern umgekehrt durch die Schaffung und Ausgabe von Minderheitsbeteiligungen. Ein in besonderem Maße bezeichnender Vorgang ist die "vorgezogene Erbfolge" in das Einzelkaufmannsunternehmen: der bisherige Alleininhaber nimmt seine präsumtiven Erben als Minderheitsgesellschafter in die dazu geschaffene KG oder GmbH auf. Unter konzernrechtlichen Aspekten wichtiger erscheint der vergleichbare Fall des "going public"31 eines Einzel- oder Familienunternehmens, wenn sich der oder die bisherigen Eigentümer die Kapital- und/ oder Stimmenmehrheit vorbehalten. Unter der Bedingung hinreichender Information32 der neuen Aktionäre erwerben diese bewußt eine Beteiligung, die mit allen Nachteilen des Minderheitsstatus behaftet ist 33. Deshalb ist anzunehmen, daß diese Nachteile, deren Umfang nicht zuletzt vom gesellschaftsrechtlich gewährten Minderheitenschutz abhängt, bei der Festsetzung des Emissionskurses berücksichtigt worden sind. In diesem Fall "zahlt" die Mehrheit für den Fortbestand der Beherrschung, indem sie die Anteile zu einem Preis begibt, in den der "Minderheitsabschlag" eingegangen ist. Es ist

31

Zu diesem Begriff Kill:!!!J:, Gesellschaftsrecht (2. Aufl. 1985) § 14 II. 3.a).

32

Sie ist Gegenstand der in Deutschland nur lückenhaft geregelten Emissionspublizität.

33 Der Markt ist vielfach bereit, solche Anteile abzunehmen; für die deutsche Erfahrung ist nur auf die erfolgreichen Erstemissionen von Nixdorf- und Porsche- Aktien r.u verweisen.

I. Grundlagen

29

nicht ersichtlich, daß dieser Vorgang Konzentrationsimpulse auslöst, weil die Folgen der Minderheitsposition antizipiert werden. b) Für den demnach allein konzentrationsrelevanten Fall, daß eine bislang rechtlich und wirtschaftlich selbständige Kapitalgesellschaft der Dispositionsbefugnis eines anderen Unternehmens unterworfen wird, ist zu beachten, daß es sich bei diesem Vorgang um einen Prozeß handelt, der sich in einer Mehrzahl von Schritten über einen u.U. längeren Zeitraum entwickelt34. Er beginnt mit dem Erwerb der Mehrheit, der sich durch Paketkauf oder Übernahmeangebot relativ rasch, aber durch den sukzessiven Zukauf an der Börse auch sehr langsam vollziehen kann. Die sich anschließende Ausübung der Mehrheitsmacht kann sehr unterschiedliche Formen annehmen, die sich im Zeitablauf häufig intensivieren; das Spektrum reicht von der informellen Abstimmung mit den bisherigen Mitgliedern von Aufsichtsrat und Vorstand über die Substituierung des herrschenden Unternehmens bis zur "faktischen" Eingliederung in ein ausgeklügeltes System zentraler Lenkung. Erst am Ende dieser Phase steht der - wiederum sukzessiv denkbare - rechtliche Vollzug durch den Abschluß eines Unternehmensvertrages, durch Eingliederung oder Verschmelzung.

34 Vgl. dar;u Behrens, Rechtspolitische Gru:-tdsatzfragen r;u einer Europäischen Regelung für Obernahmeangebote, 4 ZGR (1975), S. 433 ff, 440 ff; Timm, Die Aktiengesellschaft als Konzemspibe (1980), S. 57 ff.

30

Kap. B: Gesellschaftsrechtliche Begünstigung der Konzernierung?

II. Regelungsansätze im englischen Recht Das englische Gesellschaftsrecht kennt zwar die Begriffe des Konzerns ("group of companies") und der Beherrschung bzw. Abhängigkeit ("parent-subsidiary relationship"), aber keine zusammenhängende und folgerichtige Regelung der einschlägigen Rechtsfragen: "The treatment of these problems is both fragmental and incomplete and there is no distinct doctrinal category dealing with parent-subsidiary relations" 1. Im Zuge der - mit einer gewissen Beschleunigung - aufeinanderfolgenden Reformen des Gesellschaftsrechts sind immer wieder Einzelaspekte aufgegriffen und gesetzlich geregelt worden 2 • Andere Rechtsquellen haben sich als kaum weniger wichtig erwiesen. Die Rolle, die die höchstrichterliche Rechtsprechung im Stammland des Common Law spielt, bedarf keiner besonderen Erörterung. Für Übernahmeangebote (take-over bids) hat das Department of Trade auf der Grundlage des Prevention of Fraud (Investments) Act von 1958 mit "The Licensed Dealers (Conduct of Business) Rules" eine Rechtsverordnung geschaffen, die freilich nur die amtlich zugelassenen Effektenhändler betrifft, von denen sehr wenige take-over bids ausgehen3 . Insoweit ist wesentlich wichtiger der "City Code on Take-avers and Mergers". Dabei handelt es sich um eine Freiwilligkeitsregelung, die 1968 auf Anregung der Bank of England von den Verbänden der am Effektenhandel beteiligten und besonders interessierten Institutionen vereinbart4 , mittlerweile mehrfach überarbeitet und vor kurzem in einer stark veränderten Fassung neu aufgelegt war-

Prentice, Groups of Companies: The English Experience, in Hopt (Hrsg.) , Groups of Companies in European Law (1982), S. 99 ff, 99. 2

Einen Überblick gibt Apelt, Der Konzern im englischen Company Law (1984}, S. 16 ff.

3

Vgl. Gower/Cronin/Easson/Lord Wedderburn of Charlton, Principles of Modern Company Law (4. Auf!. 1979), S. 694.

4

Dazu näher Pennington, Company Law (4. Auf!. 1979), S. 810.

II. Regelungsansätze im englischen Recht

31

den ist. 5 Dieses für das moderne Gesellschaftsrecht durchaus bezeichnende6 Neben- und Übereinander nur unzulänglich abgestimmter 7 Regelungen erschwert die Feststellung nicht nur der jeweils geltenden Norm, sondern auch ihrer spezifischen Auswirkungen.

1. Informationspflichten bei der Bildung, der Erweiterung und dem Erwerb von Paketen

Im Vorfeld der Konzernierung bestehen Mitteilungspflichten, die die Höhe der Beteiligung betreffen. So verlangten sections 33 und 34 des Companies Act von 1967, daß jeder Erwerb von 10% oder mehr der stimmberechtigten Aktien einer börsennotierten Gesellschaft dieser vom Erwerber binnen 14 Tagen mitzuteilen war. Diese Regelung wurde durch section 26 des Companies Act 1976 und erneut durch sections 63 - 72 des Companies Act 1981 verschärft: die Mitteilungspflicht wird nunmehr schon bei Erreichen der Schwelle von 5% ausgelöst; und ihr muß innerhalb von fünf Tagen genügt werden. Die Gesellschaft ist nicht verpflichtet, diese Mitteilungen an die Börse oder an die Öffentlichkeit weiterzugeben; sie hat sie jedoch zu registrieren, auf Verlangen Einsicht in das Register zu gewähren und Abschriften zu gestatten8 . Hauptzweck dieser Regelung ist es, die Aufdeckung und Verfolgung unerlaubter In-

5

The Panel on Take-overs and Mergers, The City Code on Take- overs and Mergers and The Rules Governing Substantial Acquisitions of Shares, published 19 April 1985, effective 29 April 1985. In der Neufassung sind sowohl die General Principles wie die Rules umgestellt und neu beziffert worden; insoweit sind die Verweisungen im Schrifttum vielfach nicht mehr zutreffend.

6

Vgl. Kühler, aaO (I. FN 29) S. 200 ff.

7

Dazu Gower et al. , aaO S. 695 FN 3: " .. .lamentable absence of co- ordination" .

8

Zu den Einzelheiten vgl. Gower et al., aaO S. 634 f.

32

Kap. B: Gesellschaftsrechtliche Begünstigung der Konzernierung?

sidergeschäfte zu erleichtern9 . Daneben wird ihre konzern- und konzentrationspolitische Bedeutung erwähnt: es soll das unbemerkte Entstehen von Mehrheitsbeteiligungen und der daraus resultierenden Unternehmensverbindungen verhindert werden 10•

2. Verhinderung der Entstehung von Minderheitspositionen durch die Regelung von take-over bids im City Code

Ein anderer Regelungskomplex zielt darauf ab, die Entstehung gefährdeter Minderheitspositionen zu verhindernn. Die einschlägigen Bestimmungen finden sich vor allem im City Code on Take-overs and Mergers. Da seine Geltung allein auf privatrechtlicher Vereinbarung beruht, sind seine Vorschriften kaum mit rechtlich erzwingbaren Sanktionen verknüpft. Dennoch besteht der Eindruck, daß die Autorität des mit der Überwachung der einschlägigen Vorgänge betrauten City Panel on Takeovers and Mergers ein nicht unbeträchtliches Maß an Beachtung dieser Normen gewährleistet. a) Generell bezweckt der City Code den Schutz aller Aktionäre der "offeree company". Sie sind über alle für ihre Entscheidung erheblichen Umstände zu informieren 12; der Mindestinhalt des ihnen unterbreiteten

9

Das erhellt vor allem daraus, daß für die directors entsprechende Verpflichtungen bestehen; vgl. Gower et al., aaO S. 632 ff.

10 Das betonen Ashe, Companies Act 1976, New Law J . (1977), S. 147 ff, 149; Prentice, Statutes: Companies Act 1976, Modern Law Rev. (1977), S. 318 ff, 319; Apelt, aaO (FN 2) S. 22 f und 163 ff. ll

Dazu vor allem Prentice, aaO S. 113 ff und Apelt, aaO S. 48 ff.

12

So insbesondere General Principle 4: "Shareholders muat be given aufficient information and advice to enable them to reach a properly informed deciaion and muat have sufficient time to do so. No relevant information should be withheld from them" .

II. Regelungsansätze im englischen Recht

33

Angebots ist präzise vorgeschrieben 13. Alle shareholders sind gleich zu behandeln 14; das gilt insbesondere für die ihnen vermittelte Information15. Vor allem aber soll gewährleistet sein, daß die Entscheidung über das Angebot von den Aktionären und nicht vom Management der "offeree company" getroffen wird; deshalb ist es diesem untersagt, ohne Zustimmung der Hauptversammlung irgendwelche Maßnahmen zu treffen, durch die das Angebot entwertet oder den Aktionären die Entscheidungsmöglichkeit entzogen werden könnte 16. Die Aktionäre der Zielgesellschaft sollen in die Lage versetzt werden, die ihnen durch das Instrument des take-over bid eröffneten Möglichkeiten so weit wie möglich zu nutzen. Es sei hier nur ergänzend darauf hingewiesen, daß bei Vorliegen der Fallkonstellation III und IV 17 eine Erweiterung des Gleichbehandlungsgebots über die Informationspflicht hinaus problematisch ist: wenn gleiche Zahlungen für alle Anteile angeboten werden, ist es für jeden einzelnen Anteilseigner sinnvoll abzuwarten, ob das Übernahmeangebot erfolgreich sein wird. Das reduziert die Chancen des Anbieters und damit die Wahrscheinlichkeit dafür, daß ein Übernahmeangebot erfolgt und eine Wertsteigerung der Anteile infolge der "Synergie" bzw. des besseren Managements realisiert wird. Um die Wahrscheinlichkeit einer Wertsteigerung zu maximieren, würden alle Anteilseigner der "offeree company" ex ante eine ungleiche Behandlung 13

Vgl. vor allem Rules

14

General Principle

1; vgl. außerdem Rule 6.

15

General Principle

2 und Rule 19.1.

16

2.5 und 24.1 und 2.

Das ergibt sich aus General Principle 7: "At no time after a bona fide offer has been communicated to the board of an offeree company, or after the board of an offeree company has reason to believe that a bona fide offer might be imminent, may any action be taken by the board of the offeree company in relation to the affairs of the company, without approval of the shareholden in general meeting, which could effectively result in any bona fide offer being frustrated or in the shareholden being denied an opportunity to decide on its merit" .

17

V gl. oben

1.3.

34

Kap. B: Gesellschaftsrechtliche Begünstigung der Konzernierung?

je nach dem Zeitpunkt, zu dem das Angebot angenommen wird, bevorzugen18. Dieser Einwand gegen das Gleichbehandlungsgebot gilt jedoch nicht, wenn die Fallkonstellation V vorliegt, von der die englische Regelung vermutlich auch ausgeht. b) Eingehend geregelt sind Teilangebote ("partial offers"). Sie bedürfen in jedem Fall der Zustimmung des City Panel. Diese wird regelmäßig erteilt, wenn das Angebot dem "offeror" nicht mehr als 30% der Stimmrechte in der Zielgesellschaft verschaffen wird 19. Sie wird umgekehrt grundsätzlich verweigert, wenn eine Beteiligung von mehr als 30% und weniger als 100% erworben werden soll und der "offeror" in dem dem Antrag auf Zustimmung vorhergehenden Jahr Aktien der "offeree company" gekauft hat20 . Werden mehr als 30% angestrebt, dann muß das Angebot zudem davon abhängig gemacht werden, daß eine Mehrheit der übrigen Aktionäre der Zielgesellschaft es durch Beschluß der Hauptversammlung billigt21 . Zweck dieser Bestimmung ist es, "to protect Shareholders against ending up as a minority in a subsidiary without at least having an opportunity to express their views on the matter" 22 . c) In eben diesem Zusammenhang sind auch die Zwangsangebote ("mandatory offers") zu sehen, zu denen der City Code verpflichtet. Gemäß Rule 9.1 muß ein Aktionär den übrigen Aktionären ein Übernahmeangebot unterbreiten, wenn sein Anteil entweder die 30%-Schwelle des stimmberechtigten Kapitals überschreitet oder im Bereich zwischen 30%

18

Vgl. Eaaterbrook/Fischel, Corporate Control Transactions, 91 Yale L.J. ff, 699, 711.

19

Rule

36.1 Satz 1 und Satz 2.

20

Rule

36.1.

21

Rule

36.5.

22

Prentice, aaO S. 115.

(1981/82), S. 698

li. Regelungsansätze im englischen Recht

35

und 50% innerhalb von 12 Monaten um mindestens 2% aufgestockt wird. Als Gegenleistung muß - zumindest wahlweise - Geld angeboten werden; der Betrag darf nicht niedriger sein als der höchste Preis, den der verpflichtete "offeror" innerhalb der letzten 12 Monate bezahlt hat 23 (der City Panel kann von dieser Bestimmung wie von der Angebotspflicht generell Befreiung gewähren). Durch diese Vorschrift wird die verbleibende Minderheit nicht zuletzt dagegen geschützt, daß der Kurs ihrer Aktien durch die Existenz der 30%-Beteiligung gedrückt wird 24 . Damit wird vollends deutlich, daß die Regelung der "partial offers" und der "mandatory offers" auf die Fallkonstellation V 25 zielt: "The net effect of the mandatory bid procedure, like that relating to partial bids, is to provide some protection to Shareholders against ending up in an unwanted minority position in a group of companies where this is prejudicial to their interests" 26 • Dabei spielt auch die für die Konzentration maßgebliche Diskrepanz zwischen Preis und Wert eine Rolle: die einschlägigen Bestimmungen des City Code sind "also inspired in part by a suspicion of persons who acquire control over assets at a price which may be considerably below the value of those assets't27. Die in den Rules 9 und 36 des City Code 28 angeordneten Bindungen des "offerors" haben zumindest objektiv die Funktion, den die Beherrschung ermöglichenden Mehrheitserwerb durch den Zwang zu weiteren Käufen zu verteuern und dadurch von einem Mehrheitserwerb abzuhalten. 23 24

25 26

Rule 9.6. Prentice, aaO. V gl. oben 1.3.e). Prentice, aaO.

27 Ebd. Diese BegrUndung weist jedoch auch auf die Konstellationen I bis IV hin. 28

Sie werden ergänzt durch Bestimmungen, die sicherstellen, dafl ein durch ausreichende Annahme bedingtes Angebot nicht zu Lasten der Minderheit für unbedingt erklärt werden kann und dafl alle vorhandenen "classea of equity share capital" in das Übernahmeverfahren einbezogen werden müssen; vgl. Rules 10 und 14.

36

Kap. B: Gesellschaftsrechtliche Begünstigung der Konzernierung?

3. Die Erwerbspflicht der Mehrheit auf Verlangen der Minderheit

Der Minderheit wird der einem Abfindungsrecht entsprechende Ausstieg aus der Gesellschaft aber nicht nur durch den City Code, sondern auch - unter freilich wesentlich engeren Voraussetzungen - durch das Gesetz ermöglicht. a) Section 209 Companies Act 1948 betrifft den Fall eines erfolgreichen Übernahmeangebotes oder sonstigen Erwerbsvorgangs, durch den das beherrschende Unternehmen 90% der Aktien der abhängigen Gesellschaft erworben hat. Absatz I dieser Bestimmungen gestattet es dem Erwerber, die Aktien der Minderheit zu dem für den vorgängigen Erwerb maßgeblichen Preis zu erwerben 29. Absatz 2 gibt umgekehrt der Minderheit das Recht, vom Erwerber die Übernahme ihrer Anteile zu verlangen. Dazu ist folgendes Verfahren vorgesehen: Innerhalb eines Monats nach Vollzug des Erwerbs hat der Mehrheitsgesellschafter den außenstehenden Aktionären mitzuteilen, daß er nunmehr über (mehr als) 90% des Aktienkapitals verfügt. Dann kann jeder dieser Minderheitsaktionäre binnen einer Frist von drei Monaten von der Mehrheit die Übernahme seines Anteils zu den Bedingungen des erfolgreichen Übernahmeangebots (bzw. des anderen Erwerbs) oder zu vom zuständigen Gericht festzusetzenden Bedingungen verlangen. Schwierigkeiten bereitet der Fall, daß die Übernahme gegen Aktien der herrschenden Gesellschaft erfolgt: es ist unklar, ob die Minderheit auch in diesem Fall Anspruch auf Barabfindung hat30• Die praktische Bedeutung von section 209 (2) scheint nicht allzu groß zu sein; zudem gilt die Vorschrift als "notoriously badly drafted" 31 . 29 Dazu näher unten 4.a). 30 D azu Pennington, aaO (FN 4) S . 832 m.w.N.

31

Gower et al., aaO S. 698.

II. Regelungsansätze im englischen Recht

37

b) Unabhängig von einem aktuellen Beteiligungserwerb kann die Minderheit im Falle ihrer "oppression" (Unterdrückung) durch die Mehrheit von dieser eine Abfindung verlangen. Diese Möglichkeit läßt sich nur aus ihrer Entwicklung verstehen. Section 222 (f) Companies Act 1948 sieht vor, daß eine Kapitalgesellschaft aufgelöst wird, wenn dies dem Gericht "just and equitable" erscheint; es handelt sich um eine Regel, die schon im 19. Jahrhundert vom Recht der Personengesellschaft (partnership) in das der Kapitalgesellschaft übernommen worden war32 . Die Auflösung kann von der Gesellschaft selbst, von Gläubigern und von jedem Gesellschafter beantragt werden. Sie gilt mittlerweile vor allem als ein Instrument des Schutzes der Minderheit33 . So hat das Hause of Lords die Auflösung durch die erste Instanz gegen den Court of Appeal im Fall einer von zwei Familienstämmen gebildeten Gesellschaft bestätigt, deren Gewinne in der Form von "directors' remuneration" ausgeschüttet und anschließend in der Weise der Mehrheit vorbehalten wurden, daß diese den Minderheitsgesellschafter durch mit einfacher Mehrheit gefaßten Beschluß der Gesellschafterversammlung von seinem Amt als "director" abberief34. Diese Abhilfe gilt indessen als mit mehreren Schwierigkeiten behaftet: sie kommt - ihrer Herkunft aus dem Recht der partnership entsprechend - nur für "personalistische" Kapitalgesellschaften in Betracht35; und die Rechtsfolge der Auflösung und Liquidation kann sich auch dort als für alle Beteiligten wenig zweckmäßig erwei-

32

Vgl. Gower et al. , aaO S. 658 FN 3; die Regelung entspricht weitgehend der des § 61 GmbHG.

33

Gower et al., aaO S. 658.

34 Re Westbourne Galleries Ltd. (1973) A.C. 360, H.L. 35

So Lord Wilberforce für das House of Lords, aaO S. 379: die Auflösung kommt vor allem in Betracht für "an association formed or continued on the basis of a personal relationship, involving mutual confidence - this element will often be found where a pre- existing partnership has been converted into a limited company ..."

38

Kap. B: Gesellschaftsrechtliche Begünstigung der Konzernierung?

sen36• Deshalb wurde in den Companies Act 1948 section 210 aufgenommen, die das Gericht für den Fall der Unterdrückung der Minderheit zu anderen Maßnahmen der Abhilfe ermächtigt: "... the court may, with a view to bringing to an end the matters complained of, make such orders as it thinks fit, whether for regulating the conduct of the company's affairs in future or for the purchase of the shares of any members of the company or by the company ...". Der Vorteil dieser Regelung wird deutlich an der Entscheidung des House of Lords in Sachen "Scottish Co-operation Wholesale Society v. Meyer"37. Die beklagte S.C.W.S. hatte 1946 mit den Klägern Meyer und Lucas die "Scottish Textile & Manufactoring Co. Ltd." gegründet; Gesellschaftszweck war die Herstellung von Faserstoffen, wozu damals eine von den Klägern eingebrachte staatliche Erlaubnis erforderlich war. Nachdem der Erlaubniszwang 1952 aufgehoben worden war, verlagerte die Beklagte die gesamte Produktion in einen anderen Konzernbereich; die mit den Klägern gebildete Gesellschaft wurde praktisch stillgelegt, wodurch der Wert der Anteile erheblich zurückging. Die Beklagte wurde gemäß section 210 dazu verurteilt, die Anteile der Kläger "at a fair price" zu übernehmen. Wichtig ist, daß für die Bemessung dieser Abfindung anders als bei der Auflösung auf den status quo ante abgestellt wird: "... a fair price would be, I think, the value which the shares would have bad at the date of the petition, if there bad been no oppression"38• Durch die Neufassung des Gesellschaftsrechts Ende der Siebziger Jahre wurde section 210 zu einer section 75 Companies Act 1980, die die Voraussetzungen des richterlichen Eingreifens in der Weise umschreibt, daß dem (Minderheits- )Gesellschafter Schutz dagegen zu gewähren ist, daß die "affairs of the company are being conducted in a manner which is unfairly prejudicial to bis interests". Trotz dieser Präzisierung des Tatbestands und trotz der für die 36

Gower et al., aaO S. 664.

37

(1959) A .C. 324, H.L.

38

So Lord Denning, aaO für das House of Lords.

II. Regelungsansätze im englischen Recht

39

Minderheit günstigen Bemessung der Abfindung durch das House of Lords wird auch die Neuregelung aus folgenden Gründen als unbefriedigend bezeichnet39: {I) Section 75 kommt allenfalls für die Minderheit einer "private company" in Betracht. Angesichts der mit der gerichtlichen Abhilfe verbundenen Kosten ist es für den Aktionär einer Publikumsgesellschaft weiterhin sinnvoller, "to sell rather than fight". (2) Die Begriffe "oppression" und "unfairly prejudiced treatment" erfassen nur die eher atypischen Fälle eines "flagrantly outrageous behaviour", aber nicht die Fülle der Nachteile, die der Minderheit auf subtile Weise zugefügt werden können40. (3) Die vom House of Lords praktizierte Bestimmung des Abfindungsbetrages ist zwar schlüssig, aber mit erheblichen Unsicherheiten behaftet: "It requires the court to assess in some way what the position would have been had the parent not been there, no easy matter".

39 Vgl. darm und zum folgenden (einschließlich der wörtlichen Zitate) Prentice, aaO (FN 1) S. 116 f. Hadden, Company Law and Capitalism (1971), hält angesichts derartiger Schwächen das deutsche Konzernrecht für effektiver (S. 295). 40

Der Begriff "oppression• verlangt •at least, an unfair abuse of powers and an impairment of confidence in the probity with which the company's affairs are being conducted, aa distinguished from mere resentment on the part of a minority at being outvoted on eome iesue of domestic policy• (Eider v. Eider & Watson Ltd. (1952) S.C. 49, Court of Session); der Nachweis, daß der von der Mehrheit eingesetzte und geduldete Geschäftsführer sich "unwise, inefficient and careless in the performance of bis duties" verhält, reicht nicht aus (Re Five Minute Car Wash Service Ltd. (1966) 1 W.L.R. 746, Chancery Division).

40

Kap. B: Gesellschaftsrechtliche Begünstigung der Konzernierung?

4. Das Recht der Mehrheit auf Zwangserwerb der Anteile der Minderheit

Vor allem in den Fallkonstellationen 111 und IV 41 , in denen die Beherrschung (längerfristig) den Wert der abhängigen Gesellschaft erhöht, ist die Mehrheit daran interessiert, die der Minderheit verbleibenden Anteile so rasch wie möglich zu übernehmen. Dazu bieten sich folgende Möglichkeiten: a) Nach der bereits erwähnten Bestimmung der section 209 ( 1) Companies Act 1948 kann die Minderheit im Anschluß an ein erfolgreiches take-over bid zum Verkauf an die Mehrheit verpflichtet sein. Voraussetzung ist, daß das Übernahmeangebot von einer Kapitalgesellschaft ausgeht42 und daß es von 90% der außenstehenden Aktionäre akzeptiert worden ist; maßgeblich ist der dem erfolgreichen Angebot zugrundegelegte Preis43 . Es muß sich aber um ein ernsthaftes take-over offer handeln: dem Manöver von zwei Gesellschaftern, die zusammen über 90% verfügten, eine weitere Gesellschaft gründeten, die ein - wenig günstiges - Übernahmeangebot machte, das beide Gesellschafter annahmen, wurde der Erfolg versagt: section 209 (I) soll nicht dazu gebraucht werden dürfen, die Minderheit jederzeit auszuschließen44 . b) Im Rahmen von Sanierungen (reorganisations) räumt section 206 Companies Act 1948 die Befugnis zum Ausschluß der Minderheit ein. Erforderlich sind eine Dreiviertelmehrheit der betroffenen "class of shareholders" und die - im Regelfall erteilte - Zustimmung des Ge41

Vgl. oben 1.3.c) und d).

42

und nicht etwa von einer Privatperson oder einem Konsortium mehrerer Unternehmen; Blue Metallndustries Ltd. v . Dilley (1969) 3 W.L.R. 357, Privy Council.

43

Zu den Einzelheiten und Verfahren vgl. Apelt, aaO (FN 2) S. 166 ff.

44 Re Bugle Press Ltd. (1961) Ch. 270, Court of Appeal.

II. Regelungsansätze im englischen Recht

41

richts 45 . Der Anwendungsbereich der Vorschrift wird dadurch erheblich eingeschränkt, daß für abhängige Unternehmen eine Dreiviertelmehrheit der außenstehenden Aktionäre verlangt wird 46.

5. Grenzen der Mehrheitsmacht

Hinter den speziellen Vorschriften, die den Minderheitsgesellschaftern das Ausscheiden ermöglichen oder aufzwingen, steht die generelle Frage nach den Grenzen der Mehrheitsmacht in Abhängigkeits- und Konzernverhältnissen. Das englische Recht geht von der Vorstellung aus, daß das Stimmrecht zu den Eigentümerbefugnissen des Gesellschafters rechnet und deshalb auch dort zur Verfolgung partikularer Interessen eingesetzt werden kann, wo diese mit denen der Gesellschaft kollidieren 47. Daraus folgt, daß dem Mehrheitsprinzip überragende Bedeutung zugemessen wird 48 und die Mehrheitsmacht grundsätzlich keiner Bindung durch treuhänderische Pflichten (fiduciary duties) zugunsten der Minderheit unterliegt49. Dieses Prinzip gilt indessen nicht schrankenlos; auf zwei wichtige Begrenzungen ist hinzuweisen:

45

Zu den Einzelheiten s. Prentice, aaO S. 120 ff; Gower et al., aaO S. 711 ff.

46

Re Hellenie & General Trust Ltd. (1975) 3 All E.R. 382.

47

Gower et al., aaO S. 614 f m .w.N.

48 Prentice, aaO S. 118; Hadden, aaO S. 82. 49

Deshalb können sich die "directors", die zugleich über die Stimmenmehrheit verfügen, durch Mehrheitsbeschluß in der Gesellschafter- oder Hauptversammlung ihren "fiduciary obligations" entziehen: "As a conoequence, when the directors have de facto control they can, subject to what follows, dioregard their fiduciary duties at their pleasure, provided that they are prepared openly to disdose what they propose to do, and then to force through a confirming resolution by the exercise of their own votes supplemented, if need be, by their control of the proxy voting machinery" (Gower et al., aaO S. 615 f.) .

42

Kap. B: Gesellschaftsrechtliche Begünstigung der Konzernierung?

a) Grundsätzlich kann auch die Satzung einer Kapitalgesellschaft durch mit einfacher Stimmenmehrheit gefaßten Beschluß geändert werden. Dadurch können die Rechte der Minderheit in vielfältiger Weise bis hin zum völligen Entzug tangiert und verringert werden50. Deshalb hat die Rechtsprechung die Ausübung der Mehrheitsmacht für Satzungsänderungen eingeschränkt: "It must be exercised, not only in the manner requested by law, but also bona fide for the benefit of the company as a whole, and it must not be exceeded. These conditions are always implied ..." 51 .

Deshalb wurde eine Satzungsänderung, durch die der Mehrheit die

Befugnis eingeräumt wurde, von jedem Gesellschafter den Verkauf seines Anteils an einen von der Mehrheit bezeichneten Erwerber zu einem angemessenen Gegenwert ("at a fair value") zu verlangen, für unwirksam erklärt: "In my view it cannot be said that a power on the part of the majority to expropriate any shareholder they may think proper at their will and pleasure is for the benefit of the company as a whole. To say that such an unrestricted and unlimited power of expropriation is for the benefit of the company appears to me to be confusing the interests of the majority with the benefit of the company as a whole" 52 • Anders wurde entschieden, wo die potentielle Verkaufsverpflichtung nur solche Gesellschafter betraf, die mit der Gesellschaft im Wettbewerb standen: "I think there can be no doubt that a member of a competing business or an owner of a competing business who is a member of the company has a much better chance of knowing what is going on in the business of the company, and of thereby helping his own competition with it, than if he were a non-member; and looking at it broadly, I cannot have any doubt that in a small private company like this the exclusion of members who

50 Prentke, aaO S. 118. 51

So der Grundsatz in der Leitentscheidung Allen v . Gold Reefs of West Africa Ltd. (1900) 1 Ch. 656, Court of Appeal.

52 Richter Peterson in Dafen Tinplate Co. Ltd. v. Llanelly Steel Co. (1907), Ltd. (1920), 2 Ch. 124, Chancery Division.

II. Regelungsansätze im englischen Recht

43

are carrying on competing business may very well be of great benefit to the company"63. Die Behauptungs- und Beweislast, daß die Mehrheit nicht "bona fide for the benefit of the company as a whole" gehandelt habe, liegt bei der Minderheit54. Ihr Ausschluß läßt sich aber nicht schon durch die Effizienzzugewinne rechtfertigen, die eine von Minderheiten bereinigte Konzernorganisation verspricht 65 . b) Zum anderen geht es um die Frage, ob und inwieweit sich die Minderheit gegen Akte der Geschäftsführung zur Wehr setzen kann, durch die ihre Gesellschaft zugunsten des herrschenden Unternehmens benachteiligt wird. Es ist davon auszugehen, daß sich die "directors" in diesem Fall einer Verletzung ihrer Loyalitätspflicht (fiduciary duty) schuldig machen, die sie zum Schadensersatz gegenüber der Gesellschaft verpflichtet. Das Hauptproblem ist, wer diesen Ersatzanspruch geltend machen kann. In der Leitentscheidung Foss v. Harbottle56 wurde der Grundsatz festgelegt, daß die Geltendmachung derartiger Forderungen allein Sache der Mehrheit ist. Diese Regel wird aber dort ausnahmsweise durchbrochen, wo "fraud on the minority" vorliegt57. Die präzise Bedeutung dieses Begriffs und damit der Umfang der durch ihn legitimierten Klagebefugnis einzelner Gesellschafter erscheint indessen nach

53 Lord Sterndale in Sidebottom v . Kershaw, Lees & Co. Ltd. (1920) 1 Ch. 124, Court of Appeal. 54

Prentice, aaO S. 120.

55

Das beanstandet Prentice, aaO S. 119. Es ist aber nicht ersichtlich, warum für diesen Fall die Möglichkeit eines take- over bid und des Ausschlusses der verbleibenden Minderheit gemäß section 209 (1) Companiea Act 1948 (s. oben 3.a .) nicht allsreichen soll.

56

(1843) 2 Hare 461, Vice-Chancellor.

57

Die übrigen Ausnahmen werden übersichtlich dargestellt von Schmit t hoff/Kay/Morse, Palmer'a Company Law (22. Auf!. 1976), S. 603 ff.

44

Kap. B: Gesellschaftsrechtliche Begünstigung der Konzernierung?

wie vor wenig klar 68. Eindeutig sind nur die Fälle, in denen Gegenstände und Erwerbschancen, die zum Vermögen der abhängigen Gesellschaft gehörten, bewußt und planmäßig dem herrschenden Unternehmen zugeschoben werden; dieses Vorgehen kann entgegen der allgemeinen Regel auch nicht durch einen Beschluß der Gesellschafter- oder Hauptversammlung der betroffenen Gesellschaft geheilt werden: "... the majority has divided the assets of the company, more or less, between themselves, to the exclusion of the minority. I think it would be a shocking thing if that could be done, because if so the majority might divide the whole assets of the company, and pass a resolution that everything must be given to them, and that the minority should have nothing to do with it"59 . Der Begriff "fraud" ist vielfach eng gefaßt worden: in einem Fall, in dem eine zyprische Asbestmine erheblich unter Wert an eine andere Konzerngesellschaft veräußert worden war, wurde die Klage eines der Minderheitsgesellschafter abgewiesen, da es ihm nicht gelungen sei, mehr als "negligence or error of judgement" der Verantwortlichen nachzuweisen60. Neueren Entscheidungen läßt sich die weniger enge Auffassung entnehmen, "that a minority shareholder who has no other remedy may sue where the directors use their power intentionally or unintentionally, fraudulently or negligently in a manner which benefits themselves at the expense of the company"61 . Dagegen wurde die Klagebefugnis der

58

So insbesondere Gower et al., aaO S. 616 ff und Boyle, The Private Law Enforcement of Directors' Duties, in Hopt/Teubner (Hrsg.), Corporate Governance and Directors' Liabilities (1985), S. 261 ff.

59

L.J. Jamea in Menier v. Hooper'a Telegraph Worka (1874) 9 Ch. App. 350, Court of Appeal in Chancery; vgl. auch Alexander v. Automatie Telephone Co. (1900) 2 Ch. 56, Court of Appeal; Cook v. Deeka (1916) 1 A.C. 554, Privy Council; Parker v. Daily News Ltd. (1962) Ch. 927, Chancery Division.

60

Pavlides v. Jensen

(1956)

Ch.

564, Chancery Division.

61

Daniels v. Daniels

(1978)

Ch.

406, Chancery Division.

II. Regelungsansätze im englischen Recht

45

Minderheit gegenüber der bloßen "de facto control" des Managements einer Publikumsgesellschaft vom Court of Appeal verneint62 •

6. Fazit

Den einschlägigen Regeln des englischen Rechts liegt keine ganz einheitliche Vorstellung darüber zugrunde, wogegen die Aktionäre im Fall der Konzernbildung zu schützen sind. Aber die Bestimmungen sowohl des Gesellschaftsrechts wie des City Code sind überwiegend darauf gerichtet, die Minderheit vor dem Verlust des Wertes ihrer Beteiligung zu schützen, der nicht nur aus dem Mißbrauch, sondern schon aus dem Entstehen einer beherrschenden Mehrheit resultieren kann. Im Vordergrund stehen Regelungen, die nicht den Ausgleich zugefügter Benachteiligung, sondern den rechtzeitigen "Ausstieg" aus der Gesellschaft ermöglichen sollen. Vor allem die Vorschriften des City Code über Gleichbehandlung und Zwangsangebote zielen darauf ab, den in die Minderheit geratenen Aktionären einen Preis für ihre Anteile zu gewährleisten, der durch die Mehrheitsbildung (noch) nicht gedrückt worden ist. Soweit diese Regelung die vor der Entstehung der Abhängigkeit erzielten Börsenkurse zugrundelegt, geht sie von der Überzeugung aus, daß das Ertragspotential der Gesellschaft durch den Börsenkurs zutreffend wiedergegeben wird. Wenn diese Annahme richtig ist, werden Konzentrationsimpulse wirksam eliminiert. Da die Aktionäre zum "vollen Wert" ihres Anteils aussteigen können, entfällt die Aussicht, eine ausheutbare Mehrheitsposition "zu billig" erwerben zu können. Umgekehrt besteht auch kein Anlaß zu der Befürchtung, daß die Aktionäre ihre Anteile zu schnell und unter Wert ("zu billig") verkaufen und dadurch Nachteile erleiden könnten: davor schützt sie der Marktmechanismus. Insoweit erscheint die englische Regelung folgerichtig. Leider gibt es - soweit er-

62 Prudential Aaaurance Co. v . Newman Induatriea (1982) Ch. 207, Court of Appeal.

46

Kap. B: Gesellschaftsrechtliche Begünstigung der Konzernierung?

sichtlich - keine Untersuchung darüber, ob bzw. inwieweit die Annahme "richtiger" Börsenkurse für die relevanten Fallkonstellationen zutrifft. Auch unter Berücksichtigung des Umstandes, daß das englische Gesellschaftsrecht die Ausnutzung - den "Mißbrauch" - der Mehrheitsmacht weitgehend zuläßt63, gibt es keinen Anhaltspunkt dafür, daß die Gesellschafter allein durch die Fallkonstellation V64 geschädigt werden können. Vielmehr ist nicht ersichtlich, warum die Aktionäre nicht auch dadurch gefährdet sind, daß sie zu schnell auf ein Übernahmeangebot eingehen und "zu billig" verkaufen. Dieses den Fallgruppen II und IV 65 entsprechende Risiko wird durch die Möglichkeit des erleichterten Ausstiegs, die der City Code eröffnet, sogar noch verschärft; und insoweit sind auch Konzentrationsanreize gegeben.

63

S. oben zu FN 40.

64

S. oben I.S.e).

65

S. oben I.S.b) und d).

ill. Regelungsansätze im Recht der USA

47

111. Regelungsansätze im Recht der USA

Auch für die USA gilt die für Großbritannien getroffene Feststellung\ daß Konzernbeziehungen bislang nicht Gegenstand eines umfassenden legislatorischen Zugriffs gewesen sind. Die einschlägigen Regelungen ergeben sich vielmehr aus in mehrfacher Hinsicht unterschiedlichen und systematisch kaum aufeinander abgestimmten Ansätzen. Die Rechtslage in den USA 2 unterscheidet sich von der englischen vor allem durch (noch größere) Komplexität und Unübersichtlichkeit. Dafür sind mehrere Gründe maßgeblich. Die für alle hochentwickelten Rechtssysteme charakteristische Ausdifferenzierung einer Mehrzahl von Regelungsebenen3 beruht in den USA vor allem auf der verfassungsmäßigen Verteilung der Regelungskompetenz zwischen Bund und Einzelstaaten. Das Gesellschaftsrecht fällt grundsätzlich in den Zuständigkeitsbereich der state legislation; das hat vielfach zur Folge, daß sich präzise Antworten nicht für alle, sondern nur für bestimmte Einzelstaaten geben lassen. Zugleich hat sich die aus dem New Deal hervorgegangene bundesstaatliehe Securities Regulation expansiv in die Richtung eines "Federal Corporation Law" entwickelt4 , das die einzelstaatlichen Regelungen ergänzt und überlagert. Die Securities Laws haben zudem der Securities and Exchange Commission (SEC) weitreichende Verordnungsbefugnisse (rule

Vgl. oben die Einleitung zu Il.

2

Für unsere Untersuchung wichtige Zusammenhänge sind im deutschen Schrifttum monographisch aufgearbeitet worden; vgl. insbes. Mestmäcker, Verwaltung, Konzerngewalt und Rechte der Aktionäre (1958), insbes. S. 190 ff (zur treuhänderischen Bindung der herrschenden Aktionäre); Grollfeld, Aktiengesellschaft, Unternehmenskonzentration und Kleinaktionär (1968), insbes. S . 213 ff (zur Funktion und Reichweite von verbandsinternen Klagebefugnissen); Immenga, Die personalistische Kapitalgesellschaft (1970), insbes. S. 132 ff (zum System des Minderheitenschutzes).

3

Vgl. oben Il. FN 6.

4

Vgl. Fleischer, "Federal Corporation Law" : An Assessment, 78 Harv.L.Rev. (1964/65), S. 1146 ff, 1172 {f.

48

Kap. B: Gesellschaftsrechtliche Begünstigung der Konzernierung?

making power) eingeräumt, von denen diese in erheblichem Umfang Gebrauch gemacht hat. Die selbst im Verhältnis zu Großbritannien hervorstechende Rolle der Rechtsprechung beruht in besonderem Maße auf ihrer Befugnis, die Gesetzgebung auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu überprüfen 5 , und auf einer Lockerung der Bindung an Präzedenzentscheidungen, die die Anpassungsfähigkeit des Systems wesentlich steigert. Daraus folgt, daß die für unsere Untersuchung einschlägigen Regelungsmaterien nicht nur durch ein im internationalen Vergleich einzigartiges Maß an Vielfalt, sondern zugleich durch eine nicht minder ausgeprägte Variabilität charakterisiert werden, die das Recht nicht mehr als ein dauerhaftes und konsistentes Gefüge von Normen, sondern als ein komplexes Verfahren der Normerzeugung und -anpassung erscheinen lassen. Deshalb muß sich die Darstellung im folgenden mit der grob vereinfachenden Wiedergabe einiger besonders wichtiger und aktueller Aspekt~

und Entwicklungen begnügen.

1. Der Grundsatz der treuhänderischen Bindung der Mehrheitsmacht

Das Kernstück des Minderheitenschutzes im Recht der USA ist der Grundsatz der treuhänderischen Bindung der Mehrheitsmacht6: "The majority has the right to control; but when it does so, it occupies a fiduciary relation toward the minority, as much as to the corporation itself or its officers and directors" 7 .

5

6

Vgl. etwa First National Bank of Boston et al. v. Belotti, Attorney General of Massachusetts, 435 U.S. 765 (1978); Edgar v. MITE Corp., 457 U .S. 624 (1982) und dazu näher unten 4.d). Zur Entwicklung dieses Grundsatzes vgl. Mestmäcker, aaO, S. 195 ff; Immenga, aaO S. 180 ff; Henn/Alexander, Laws of Corporations (3. Aufl. 1985), S. 651 ff m .w.N.

7

So der Supreme Court in Southern Pacific Co. v. Bogert, 250 U.S. 483, 487 f (1919). Weitere Nachweise in: The American Law Institute, Principles of Corporate Governance: Analysis and Recommendations, Tentative Draft Nr. 3 (1984), S. 239 f .

ill. Regelungsansätze im Recht der USA

49

a) Die die Mehrheit treffende Verpflichtung beruht auf der duty of loyalty, die die directors und das angestellte Management der Gesellschaft den Aktionären schulden8 . Diese Pflicht wird wieder inhaltlich bestimmt durch das Verbot des "self-dealing"9 , das seinerseits durch die Lehre von den "corporate opportunities" 10 konkretisiert wird. Zunächst geht es um die Beweislast Im Regelfall gilt die "business judgement rule", die es dem Kläger auferlegt, der Verwaltung bzw. der herrschenden Mehrheit den Verstoß gegen die Treuepflicht nachzuweisen. Hat die Mehrheit dagegen ohne die Zustimmung der Minderheit von einer "corporate opportunity" Gebrauch gemacht, dann kehrt sich die Beweislast um: es ist nunmehr ihre Sache, das Gericht davon zu überzeugen, daß die Transaktion "intrinsic fair" war 11 . Zu der Frage, was zu den "corporate opportunities" zu rechnen ist, hat die amerikanische Judikatur eine kaum mehr zu überschauende Kasuistik entwickelt, die von den Fällen offensichtlicher Ausplünderung 12 bis zu den diffizilen Problemen der Zuweisung der durch Gewinn- und Verlustausgleich erzielten Steuervergünstigungen reichen 13. Diese richterliche Ausdifferenzierung der Nor-

8

Insoweit entspricht das amerikanische dem englischen Recht; vgl. oben r;u II.

9

Dazu rechtsvergleichend Hopt, Self-Dealing and the Uae of Corporate Opportunity and Information: Regulating Directors' Confliet of Intereat, in: Hopt/Teubner (Hrsg.), Corporate Governance and Directors' Liabilities (1985), S. 285 ff.

10 Über den Stand des amerikanischen Rechts informieren Brudnex/Clark, A New Look at Corporate Opportunities, 94 Harv.L.Rev. (1981), S. 997 ff. 11

Getty Oil Company v . Skelly Oil (S.Ct. of Dei. 1970) 267 A .2d 883; Sindair Oil Corporation v. Levien (S.Ct. of Dei. 1911) 280 A .2d 117; Chaain v. Gluck (Dei.Ch. 1911) 282 A.2d 188.

12 Klaasisch etwa Farmers Loan and Trust Company v . New York Northern Railroad 150 N.Y. 410 (1896). 13 Vgl. Caae v . New York Central R.R. 15 N.Y.2d 150, 204 N.E . 2d 643 (1965); Meyeraon v. EI Paao Natural Gaa Co., 246 A.2d 789 (Dei.Ch. 1967); in beiden Fällen wurde der Anspruch der Minderheitsaktionäre abgewiesen, die Tochter an den Vorteilen partizipieren zu !aasen, die daa herrschende Unternehmen aus der steuerlichen Nutr;ung der der Tochter erwachsenen Verluste r;og. Die neue Judikatur verlangt die faire Verteilung der

50

Kap. B: Gesellschaftsrechtliche Begünstigung der Konzernierung?

men, die den Handlungsspielraum der beherrschenden Mehrheit begrenzen, erscheint als eine wichtige Bedingung effizienten Minderheitenschutzes. b) Diese Effizienz beruht zum anderen auf den Möglichkeiten der Durchsetzung von Unterlassungs- und Schadensersatzansprüchen. Der der abhängigen Gesellschaft durch Entzug einer "corporate opportunity" zugefügte Nachteil kann nicht nur auf Beschluß der (herrschenden) Mehrheit geltend gemacht werden. Vielmehr steht jedem (Minderheits-) Gesellschafter in der Form der "derivative suit" eine Klagebefugnis zu, die der Durchsetzung der Ansprüche der (abhängigen) Gesellschaft gegen die Verwaltung oder das herrschende Unternehmen dient14• Besonders interessant ist eine Kostenregelung, die den klagenden Aktionär von allen Risiken weitgehend freistellt Für den Fall des Prozeßverlustes ist eine Erstattung der Kosten der siegreichen Gesellschaft in aller Regel nicht vorgesehen. Mit dem eigenen Anwalt kann ein Erfolgshonorar (contingent fee) vereinbart werden, das sich auf den der Gesellschaft zu erstattenden Betrag bezieht und aus diesem zu entrichten ist 15 . Damit wird die Aktionärsklage zu einer für die darauf spezialisierten Anwaltsfirmen im Falle des Erfolgs sehr lukrativen Betätigung, die sie zur ständigen Suche nach geeigneten Angriffsobjekten stimuliert und damit zu einer Instanz präventiver Kontrolle der Verwaltungs- und Mehrheitsmacht werden läßt16 .

Steuerersparnis; Smith v . TeleCommunication, Inc., 134 Cal.App. 3d 338, 184 Cal.Rptr. 671 (1982). 14 Eingehende Darstellung bei Großfeld, aaO (FN 2) S. 224 ff; vgl. auch Immenga, aaO (FN 2) s. 186 ff. 15 16

Zu den

Ein~elheiten ~. aaO S. 262 ff.

Vgl. Großfeld, aaO S. 269. Es handelt sich freilieh um ein vergleichsweise aufwendiges Kontrollsystem. Zu den Versuchen, seine mißbräuchliche Handhabung einzuschränken, s. Großfeld, S . 272 ff.

ID. Regelungsansätze im Recht der USA

51

2. Der Ausschluß von Minderheiten

Die hier nur im groben Umriß angedeuteten Grundsätze, die die herrschende Mehrheit zum Schutz der Minderheit mit "fiduciary duties" und insbesondere mit dem Gebot der Fairneß belegen, beziehen sich primär auf die oben als Fallkonstellation V beschriebene Situation. Sie spielen auch eine wachsende Rolle im Hinblick auf die Frage, unter welchen Umständen und zu welchen Bedingungen diese Minderheit aus der Gesellschaft ausscheiden oder zum Ausscheiden gezwungen werden kann, und betreffen damit auch die Fallkonstellationen III und IV. a) Der Anspruch eines Gesellschafters, gegen eine dem - von dem auslösenden Vorgang unabhängigen - Wert seiner Beteiligung entsprechende Abfindung aus der Gesellschaft auszuscheiden, wird meist als "appraisal right" bezeichnet17• Es beruht auf der einzelstaatlichen Gesetzgebung, die es in schwankendem Umfang - fast durchweg für den Fall der Verschmelzung (merger or consolidation) und vielfach für den Fall der Veräußerung des gesamten Gesellschaftsvermögens (sale of all corporate assets) - einräumt; größere Publikumsgesellschaften bleiben freilich vielfach ausgeschlossen 18. Es wird traditionell als ein Korrektiv dafür verstanden, daß "fundamental corporate changes", d.h. Änderungen der satzungsmäßigen Grundlagen der Gesellschaft mit - einfacher oder qualifizierter - Stimmenmehrheit herbeigeführt werden können 19. Dieses "appraisal right" oder Abfindungsrecht ist in jüngerer Zeit Gegenstand einer grundsätzlichen Auseinandersetzung gewesen. Vor allem Manning hat seine Berechtigung bestritten: da die Abfindung aus dem Gesell17 Andere

Be~eichnungen sind "right of dissent" oder "right of withdrawal" ; vgl. Conard,

Corporations in Perspective (1976), S. 2-&0. 18 Vgl. die Darstellungen und Nachweise bei Lattin, The Law of Corporations (2. Aufl. 1911), S. 691, und Conard, aaO S. 2-&1 ff; rechtsvergleichend Wiedemann, Das Abfindungsrecht - ein gesellschaftlicher lnteressenausgleich, 1 ZGR (1978), S. -&11 ff. 19

Wiedemann (S. -&78) spricht von einem "Ersatzinstitut für das Einstimmigkeitsprinzip" .

52

Kap. B: Gesellschaftsrechtliche Begünstigung der Konzernierung?

schaftsvermögen zu leisten ist, werde die Gesellschaft in einem Augenblick finanziell geschwächt, in dem sie regelmäßig einer Kapitalzufuhr bedürfe; diese Gefährdung des Bestandes der Gesellschaft werde durch keinen erkennbaren Nutzen aufgewogen20• Dem ist vor allem Eisenberg entgegengetreten: Für die "close corporation", deren Anteile nur schwer verkäuflich sind, geht er von der Notwendigkeit eines Kompromisses zwischen schrankenloser Mehrheitsmacht und individuellen Vetobefugnissen aus: "But just as a veto power might be intolerable in a corporation, so might be an unrestricted power in the majority to make structural changes, unless some method was provided whereby minority Shareholders would not be locked into the restructured enterprise over their objections ... Seen from this perspective, the appraisal right is a mechanism admirably suited to reconcile, in the corporate context, the need to give the majority the right to make drastic changes in the enterprise to meet new conditions as they arise, with the need to protect the minority against being involuntarily dragged along into in a drastically restructured enterprise in which it has no confidence" 21 . Aber selbst für die Publikumsgesellschaft, die dem Aktionär den jederzeitigen Verkauf seiner Beteiligung zum Tagespreis ermöglicht, bietet das Austrittsrecht trotz der mit der Ermittlung der Höhe der Abfindung verbundenen Schwierigkeiten überwiegend Vorteile: Zum einen sind die Aktionäre dagegen zu schützen, daß der Kurs durch die von der Mehrheit durchgesetzte Änderung gedrückt wird. Zum anderen wirkt das "appraisal right" als eine Sanktion, durch die das Verhalten von Verwaltung und herr-

20 Manning, The Shareholder'a Appraisal Remedy: An Essay for Frank Coker, 72 Yale L.J. (1962), S. 223 fr, 234. Für ihn entbehren die "appraisal"-Vorschriften der Einzelstaaten jeder wirtschaftapolitischen Legitimation; sie beruhen allein auf dem Bedürfnis, die Einführung des Mehrheitsprin•ipa für Fusionen gegen verfaasungsrechtliche Bedenken abzusichern (aaO S. 246 f) . 21 Eisenberg, The Structure of the Corporation. A Legal Analysis (1976) , S. 77 ff, 78.

m. Regelungsansätze im Recht der USA

53

sehender Mehrheit diszipliniert wird22 • Vor dem Hintergrund dieser Kontroverse erscheint eine neuere Entscheidung des Supreme Court of California besonders interessant, der erhebliche präzedenzielle Bedeutung beigemessen wird. Der Beklagte hatte die Mehrheit der "United Savings and Loan Association of California" erworben und in die dazu gegründete "United Financial Corporation" eingebracht, deren Anteile mit Erfolg an ein breiteres Publikum vertrieben wurden. Da er die "Loan Association" zugleich daran hinderte, eine Dividende auszuschütten, konnten deren Aktien nur noch an die herrschende UFC verkauft werden. Der Klage einer Minderheitsaktionärin der "Loan Association" wurde stattgegeben. Chief Justice Traynor sah sich mit einem Grundproblem des Minderheitsschutzes konfrontiert: "The increasingly complex transactions of the business and financial communities demonstrate the inadequacy of the traditional theories of fiduciary obligation as tests of majority responsibility to the minority". Denn: die "defendants chose a course of action in which they used their control of the Association to obtain an advantage not made available to all stockholders. They did so without regard to the resulting detriment to the minority Stockholders and in the absence of any compelling business purpose. Such conduct is not consistent with their duty of good faith and inherent fairness to the minority stockholders". Da das Vorgehen des Beklagten für sie einen "fundamental corporate change" bedeute, müsse der Klägerin zumindest die Schutzwirkung eines "appraisal right" zugute kommen: "In the circumstance of this case she should have been accorded the same opportunity to exchange her Association stock for that of United Financial ac-

22 AaO S. 79 ff und 84: "While it would not be irrational to eliminate appraiaal righta aa to ahares whieh are traded under eonditiona whieh are likely to inaure the exiatenee of a eontinuous and relatively deep market, it therefore seems more advisable to retain the appraisal right even in such eaaea, partly to proteet the fair expeetations of those shareholders whose legitimate expeetations eenter on the enterprise rather than on the market, and partly to serve aa a check on self-interested and unwise structural changes".

54

Kap. B: Gesellschaftsrechtliche Begünstigung der Konzernierung?

corded the majority"; danach sei ihr Ersatzanspruch zu bemessen 23 . Die Entscheidung bedeutet, daß das Abfindungsrecht auch jenseits seiner gesetzlichen Voraussetzungen aufgrund einer für die Minderheit nachteiligen Konzernierung wegen Verletzung der die Mehrheit treffenden fiduciary duty eingeräumt wird. b) Die Regelung der Fusion im Gesellschaftsrecht der Einzelstaaten gewährt der opponierenden Minderheit nicht nur das "right of appraisal", sondern eröffnet zudem die Möglichkeit, sie gegen ihren Willen auszuschließen24; das wird als ein Fall des "squeeze-out" oder "freeze-out" der Minderheit bezeichnet25 . Den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen liegt auch in den USA die - unserer Fallkonstellation III 26 entsprechende - Vorstellung zugrunde, daß die Verschmelzung bislang getrennt operierender Gesellschaften "Synergie"-Effekte auslösen und dadurch effizienzsteigernd wirken kann. Von den Gerichten werden derartige Zusammenschlüsse zum Schutz der Minderheit einem "unfairness" bzw. "good faith test" unterworfen27. Dabei wurde zunächst allein die Angemessenheit der Abfindung überprüft. Dann gingen die Gerichte des für das Gesellschaftsrecht besonders wichtigen Staates Delaware dazu über, auch die Zulässigkeit der Fusion in Frage zu stellen: erforderlich sei "a legitimate and present and compelling business reason to be the sole owner"; nicht hinzunehmen wäre ein "freezing-out of the minority just for the

23 Jones v. H.F. Ahmanson & Co., 1 Cal 3rd 93, 460 P 2d 464, 81 Cai.Rptr. 592 (1969); zu diesem "leading case" vgl. Eisenberg, aaO S. 92 ff. 24 Beispiele bei O'Neal/Derwin, Expulsion or Oppression of Business Associatea - "SqueezeOuts" in Small Enterpriaes (1961), S. 11 ff. 25 Vgl. Conard, aaO (FN 17) S. 230. 26 Vgl. oben 1.3. c). 27 Henn/Alexander, aaO (FN 6) S. 985 ff m.w.N.

m. Regelungsansätze im Recht der USA

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purpose of freezing out the minority" 28. Diese Kriterien stießen in der Literatur auf Skepsis29. Sie wurden denn auch in einer neueren Entscheidung zugunsten einer großzügigen Regelung der Abfindung aufgegeben30. Dieser Aspekt wird durch ein bundes-appelationsgerichtliches Urteil bestätigt, das dafür aber das übernehmende bzw. herrschende Unternehmen verpflichtet, im Falle eines "freeze-out merger" die ausscheidenden Aktionäre an den durch den Zusammenschluß entstehenden "Synergie"-Gewinnen zu beteiligen31 . Ähnlich wie in Großbritannien32 wird der Zusammenschluß bislang (zumindest) rechtlich selbständiger Unternehmen von dem als "going private" bezeichneten Sachverhalt unterschieden, daß sich die Mehrheit der Minderheit mittels der erwähnten Vorschriften entledigt, indem sie die Gesellschaft mit einer allein zu diesem Zweck geschaffenen anderen Gesellschaft fusioniert. Dieses Vorgehen wurde als Verstoß gegen das generalklauselartige Arglistverbot der von der SEC erlassenen rule IOb-5 qualifiziert33 . Mittlerweile hat der Supreme Court entschieden, daß die Verletzung von "fiduciary duties" nur nach Maßgabe des Gesellschaftsrechts der Einzelstaaten und nicht auch der

bundesstaatliehen Securities Regulation geahndet werden

28 Singer v. Magnavox Co., 367 1 2d 1349 (1976); Tanzer v. International General Industries, Inc., 379 A 2d 1121 (1971). 29 Vgl. etwa Brudney/Chirelstein, A Restatement of Corporate Freezeouts, 87 Yale L.J. (1977/78); S. 1354 ff, 1356; Frey/Choper/Leech/Morris, Cases and Materials on Gorporations (2. Auf!. 1977), 1984 Supplement, S. 200 f. 30 Weinherger v. UOP, Inc., 457 A 2d 701 (1983). 31 Mills v. Electric Auto-Lite Co., 552 F.2d 1239 (7th Cir. 1977). 32 Vgl. oben II. 33 Marshai v. AFW Fabric Corp., 533 F.2d 1277 (2d Cir. 1976).

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Kap. B: Gesellschaftsrechtliche Begünstigung der Konzernierung?

kann34 . In der Literatur36 wie in obiter dicta36 wird davon ausgegangen, daß das "going private" mit den der Mehrheit gegenüber der Minderheit obliegenden treuhänderischen Verpflichtungen nicht zu vereinbaren ist.

3. Der Verkauf der "corporate control"

Ein weiterer Bereich, an dem sich die konzernrechtliche Bedeutung der für die herrschende Mehrheit verbindlichen "fiduciary duties" verdeutlichen läßt, wird unter dem Stichwort der Veräußerung der gesellschaftsrechtlichen Beherrschungsmacht ("sale of corporate control") erörtert. Dabei werden folgende Aspekte unterschieden: a) Der generelle Befund, daß die Verwaltung einer reinen Publikumsgesellschaft ein hohes Maß an Unabhängigkeit und Autonomie genießt, wird durch amerikanische Erfahrungen in besonderer Weise bestätigt37. Das wird nicht zuletzt durch den Umstand belegt, daß das "corporate office", also die körperschaftliche Organposition, für sich allein zum Gegenstand von Umsatzgeschäften gemacht worden ist. Das wurde schon frühzeitig beanstandet und dem "Verkäufer" die Abführung des Erlöses in das Gesellschaftsvermögen auferlegt38. In einem späteren Fall wurde

34 Santa Fe Industrie&, Inc. v. Green, 97 S.Ct. 1292 (1977). 35 So vor allem Brudnev/Chirelstein, aaO S. 1365 ff. 36 " ... perhaps a use of the Delaware statutes should not be permitted which would allow those with controlling interests who originally sought participation to later kick out public investors for the aole reason that they have outlived their utility to those in control and aremadeeasy piekings by existing market conditions ..." (Singer v. Magnavox, aaO). 37 Die von Berle/Meana (The Modern Corporation and Privat Property, 1932) aufgestellte These der Trennung von Eigentum und Verfügungsmacht ist unlängst durch eine umfangreiche ökonomische Untersuchung sehr weitgehend bestätigt worden (Herman, Corporate Control, Corporate Power, 1981). 38 McCiure v . Law, 161 N.Y. 65 N.E. 388 (1899).

m. Regelungsansätze im Recht der USA

57

die Bestellung der "Käufer" für unwirksam erklärt, obwohl nicht nur die faktische Beherrschung (control), sondern zugleich die dem "Verkäufer" gehörenden 3% der Aktien veräußert worden waren: "The underlying principle is that the management of a corporation is not the subject of trade and cannot be bought apart from actual stock control... Where there has been a transfer of the majority of the stock, or even such a percentage as gives working control, a change of directors by resignation and filling of vacancies is proper ... Here no claim was made that the stock interest which changed hands even approximated the percentage necessary to validate the substitution"39. Seitdem geht es um die hier nicht weiter zu untersuchende Frage, wie hoch die Beteiligung sein muß, um den Übergang der Beherrschung zu legitimieren40 . b) Die Bedeutung der für die Mehrheit maßgeblichen Pflichtbindung tritt noch deutlicher zutage in den "looting cases". In Gerdes v. Reynolds41 hatten die Beklagten als "officers and directors" und zugleich (über ihre Familien) beherrschende Aktionäre die Mehrheit zu einem von dem entscheidenden Gericht als erheblich über dem Wert liegend bezeichneten Preis an einen Erwerber veräußert, der das Gesellschaftsvermögen auf unrechtmäßige Weise verschleuderte. Die Beklagten wurden nicht wegen ihrer Gesellschafter-, sondern allein wegen ihrer Organstellung zur Herausgabe des Paketzuschlags und zur Leistung von Schadensersatz an die Gesellschaft verurteilt42 . In einem neueren Fall

39

Caplan v. Lionel Corp., 20 App.Div. 2d 301, 246 N.Y.S . 2d 1913 (1964) .

40 Dazu Carter v. Muscat, 21 App.Div. 2d 543, 251 N.Y .S. 2d 378 (1964); Essex Universal Corp. v. Yates, 305 F.2d 572 (2d Cir. 1962). 41

28 N.Y.S. 2d 622 (Supreme Court of New York, 1941).

42

" ... in the matter of aelling their stock the holden of a majority thereof ... act for themselves and not as trustees ... for the other shareholders, and no fiduciary duty is violated by auch a aale, even though such aale bringe about a change in the directorate ... Officers and directon always and necesaarily stand in a fiduciary relation to the corporation and to its stockholden and creditors ...•.

58

Kap. B: Gesellschaftsrechtliche Begünstigung der Konzernierung?

haftete das bislang herrschende Unternehmen, eine Bank, das seine Mehrheit einem notorisch unzuverlässigen und mit finanziellen Schwierigkeiten konfrontierten Erwerber überlassen hatte, der Gesellschaft für die ihr von diesem durch Ausplündern zugefügten Schäden; die vom entscheidenden Gericht betonte Sorgfaltspflicht nicht nur gegenüber der Gesellschaft, sondern auch gegenüber der Minderheit trifft hier allein die herrschende Mehrheit43 und reduziert mit der Handlungsfreiheit auch die Anreize zu konzentrationsförderndem Verhalten. c) Besonders interessant und kontrovers sind die durch den Fall Perlman v. Feldman44 aufgeworfenen Fragen. Der Beklagte Feldman, president und director der Newport Steel Corporation, hatte seine die Beherrschung vermittelnde Beteiligung von 37% im Augenblick der Stahlknappheit zu einem erheblich über dem Buchwert und dem (am overthe-counter-market registrierten) Kurs liegenden Preis an ein stahlverarbeitendes Unternehmen veräußert. Dem klagenden Minderheitsgesellschafter wurde ein direkter Anspruch auf den seiner Beteiligung entsprechenden Anteil an dem von Feldman empfangenen Paketzuschlag zugebilligt: "... in a time of market shortage, where a call on a corporation's product commands an unusually large premium, in one form or another, we think it sound law that a fiduciary may not appropriate to hirnself the value of this premium. Such personal gain at the expense of bis coventurers seems particularly reprehensible when made by the trusted president and director of his company. In this case the violation of duty seems to be all the clearer because of this triple role in which Feldman appears, though we are unwilling to say, and are not to be understood as saying, that we should accept a lesser obligat!on for any one

43 DeBaun v. First Western Bank and Trust Co., 46 Cal.App. 3rd 686, 120 Cal. Rptr. 354 (1975). 44

219 F.2d 173 (2d Cir. 1955), cert. denied, 349 U.S. 952 (1955) .

ill. Regelungsansätze im Recht der USA

59

of bis roles alone". Dieses Urteil, dem andere Gerichte'"; gefolgt sind, hat eine lebhafte und bis heute nicht eindeutig entschiedene Kontroverse darüber ausgelöst, was denn der eigentliche Grund für den dem Minderheitsgesellschafter zugesprochenen Ausgleichsanspruch ist; besonders interessant erscheinen die folgenden Vorschläge: aa) Die Beherrschungsmöglichkeit, für die der Zuschlag bezahlt wird, ist ein Teil des Gesellschaftsvermögens, das allen Gesellschaftern nach Maßgabe ihrer jeweiligen Beteiligung zusteht46• Diese Auffassung wird von der Judikatur ausdrücklich abgelehnt47. bb) Alle Aktionäre haben Anspruch auf gleiche Chancen (equal opportunity); deshalb ist die Minderheit pro rata an einem besonders günstigen Kaufangebot zu beteiligen48. Auch diese Erklärung wird

trotz ihrer

Nähe zu der tender offer regulation in sec. l4(d) (6) Securities Exchange Act49

-

von den Gerichten überwiegend verworfen 50 .

45

Vgl. insbesondere die Mehrheitsmeinung in Brown v . Halbert, 271 Cal. App. 2d 252, 76 Cal. Rptr. 781 (1969):"Every aale of a block of control stock should not per se be subject to attack, but where the amount received by the majority-director-seller is so disproportionate to the price available to the minority stockholden, than such fiduciary-seller must ahow that no advantage was taken if the aale ia questioned".

46

So vor allem Berle, "Control" in Corporate Law, 68 Colum. L .Rev. (1958), S. 1212 ff, 1221.

47 Honigman v . Green Giant Co., 208 F .Supp. 754 (D.Minn. 1961), affirmed, 309 F .2d 667 (8th Cir. 1962): " ... When fairly read, Perlman does not go to the extent of supporting the rule ... that control should be conaidered a corporate aaset.. .". 48 Andrews, The Stockholder's Right to Equal Opportunity in the Sale of Shares, 78 Harv.L.Rev. (1965) , S. 505 ff, 514; ähnlich bereits Jennings, Trading in Corporate Control, 44 Calif.L.Rev. (1956), S. 1 ff, 28 ff. 49 Vgl. unten 4.b). 50 McDaniel v . Painter, 418 F.2d 645 (10th Cir. 1969); Ritchie v. McGrath, 1 Kan.App 2d 481, 571 P.2d 17 (1977) ; Clagett v. Hutchinson, 583 F.2d 1959 (4th Cir. 1978) (" ... the equal opportunity rule ... if applicable would likely result in the stifling of many financial transactions due either to a purchaser's inability to purchase the additional shares, or

60

Kap. B: Gesellschaftsrechtliche Begünstigung der Konzernierung?

cc) Für eine dritte Auffassung bildet Perlman v. Feldman eine VerHingerung der "looting cases"61: der Verkäufer wird dafür verantwortlich gemacht, daß der Käufer die Mehrheit erwirbt, um sich - zu Lasten der Minderheit - günstig mit Stahl einzudecken62• Hier ist nicht klar, warum die Verletzung der fiduciary duty nicht gegen den primär verantwortlichen Käufer geltend gemacht werden soll, der - anders als in den klassischen Fällen der Ausplünderung - sowohl greifbar als auch zahlungsfähig ist.

4. Tender Offer Regulation

Während bestehende Konzernverhältnisse vor allem durch die komplexen Ausprägungen des Grundsatzes der fiduziarischen Bindung der beherrschenden Mehrheit rechtlich erfaßt werden, hat sich für das Verfahren der Bildung und Übertragung von kompakten Beteiligungen durch Übernahmeangebote (tender offers) eine eigenständige Regelung ausgebildet, die weniger im Recht der Einzelstaaten, sondern vor allem in der bundesstaatliehen Securities Regulation angesiedelt ist. Rechtsgrundlage ist der Williams Act von 1968, durch den dem Securities Exchange Act von 1934 die sections 13(d) - (e) und 14(d) - (f) eingefügt worden sind. Einige dieser Bestimmungen sind 1970 und (durch den Domestic und Foreign Investment Disclosure Act) 1977 geändert worden 53• Der from a Iack or inclination to purchase thoae shares"); Zetlin

V.

Hanson Holdings lnc., 48

N.Y. 2d 684, 421 N.Y.S. 2d 877, 397 N.E.2d 387 (1979). Anders freilich Jones v. H.F. Ahmanson (vgl. oben zu FN 23): in dieser Entscheidung wird der Minderheit ein Anspruch auf dieselbe Umtauschmöglichkeit eingeräumt, von der die Mehrheit zu ihrem Vorteil Gebrauch gemacht hat; zu diesem Zusammenhang vgl. vor allem Lattin, aaO S. 309 rr. 51

Vgl. oben b) und die Nachweise in FN 41-43.

52

So vor allem Leech, Transactions in Corporate Control, 104 U.Pa.L.Rev. (1956), S. 725 Cf, 812 f; ähnlich Hili, The Sale of Controlling Shares, 70 Harv.L.Rev. (1957) , S . 986 er, 997 r.

53

Näheres bei Loss, Fundamentals of Securities Regulation (1983), S. 569 und 579.

m. Regelungsansätze im Recht der USA

61

Williams Act ist als Reaktion auf eine Entwicklung zu sehen, in deren Verlauf der lange Zeit dominierende "proxy fight" 54 durch die aus England übernommene Technik des "take-over" verdrängt worden ist55 . Ihre rechtspolitische Einschätzung ist nach wie vor kontrovers: was von den einen als ein der Fallkonstellation V56 entsprechender Überraschungsangriff zur Plünderung des Gesellschaftsvermögens für moralisch verwerflieh und im Ergebnis unerwünscht erklärt wird57 , erscheint den anderen als ein durch die Fallkonstellation IV 58 verdeutlichtes Instrument der Überwachung und Sanktionierung der Verwaltung (vor allem) der Publikumsgesellschaften59. Auch eine von der SEC mit der Untersuchung des Phänomens der tender offer beauftragte Expertenkommission ist insoweit zu keinem eindeutigen Befund gekommen: "After considerable study, discussions and consideration of commentators' views, the Committee finds that there is unsufficient basis for concluding that takeovers are either per se beneficial or detrimental to the economy or the securities market in general, or to issuers or their shareholders, specifically. While in certain cases takeovers may have served as a discipline of inefficient management, in other cases there is little to suggest that the quality of management of the target company was at issue. Similarly, while the threat of takeover may cause certain managements to emphasize short term profits over long term growth, there is little evidence that this is

54

Als "proxy fight" wird der öffentlich ausgetragene Wettbewerb um die Stimmrechtsvollmacht der Aktionäre bezeichnet; Beispiele und eingehende Darstellung bei Wiethölter, Interessen und Organisation der Aktiengesellschaft im amerikanischen und deutschen Recht (1961) , S. 259 ((.

55

Lose, aaO S. 568.

56

Vgl. oben I .3.e).

57

Vgl. etwa Lipton, Takeover Bids in the Target's Boardroom, 35 Bus. Lawyer (1979), S. 101 ff.

58

Vgl. oben 1.3.d).

59

So insbesondere Easterbrook/Fiachel, aaO (I. FN 21) .

62

Kap. B: Gesellschaftsrechtliche Begünstigung der Konzernierung?

generally true. Nor has the Committee found a basis for concluding that the method of acquisition is a major factor in determining whether an acquisition proves successful. As with other capital transactions, the fact that some takeovers prove beneficial while others prove disappointing is attributable less to the method of acquisition than it is to the business judgement reflected in combining the specific enterprises involved. Therefore, the Committee concluded that the regulatory scheme should be designed neither to promote nor to deter take-overs" 60. a) Sec. 13(d){l) Securities Exchange Act verpflichtet jeden Erwerber von Aktien einer zur Registrierung bei der SEC verpflichteten Gesellschaft61 , dessen Anteil durch den Erwerbsvorgang die Schwelle von 5% überschreitet oder oberhalb dieser Schwelle aufgestockt wird, diesen Erwerb binnen zehn Tagen der Gesellschaft selber, jeder Börse, an der die Aktien gehandelt werden, und der SEC mitzuteilen. Dabei ist u.a. auch über Identität und Hintergrund des Erwerbers sowie über die von ihm mit dem Erwerb verfolgten Absichten zu informieren. Die Mitteilungspflicht entsteht auch, wenn der Erwerb durch zwei oder mehr zu einer Gesellschaft oder Gruppe zusammengeschlossene Personen erfolgt62 . Der Zweck dieser Vorschrift und die mit ihr verknüpften Sanktionen waren Gegenstand eines vom Supreme Court in letzter Instanz entschiedenen

60 Report of the Securitieo and Exchange Commiaaion Advisory Committee (1988), S. XVI ff Wichtige Folgerungen betreffen die Neutralität der Regelung: "Takeover regulation ahould not favor either the acquiror or the target company, but ahould aim to achieve a reaaonable balance while at the same time protecting the interests of ahareholdel'l!l and the integrity and efficiency of the marketa ... Federal takeover regulation should not be uoed to achieve antitrust, Iabor, tax, use of credit and similar objectives. Those objectives ahould be achieved by separate legialation or regulation" . 61 Sec. 12 verlangt die Registrierung für Aktien, die an einer BBI'I!le gehandelt oder von mehr als 500 Aktionären gehalten werden; 11u den Ein&elheiten vgl.l&!!, aaO S. 459 ff. 62

Zum Begriff der "group" vgl. Weilmann v . Dickinson, 682 F.2d 865 (2d Cir. 1982): es reicht aua, daß die Erwerber "were Iinked by a desire to profit from a shift in the corporate control" der Zielgesellschaft.

III. Regelungsansätze im Recht der USA

63

Rechtsstreits 63: Die Mosinee Paper Corporation beantragte eine einstweilige Verfügung (injunction), durch die Rondeau, der einen Anteil von über 5% erworben und die Mitteilung gemäß sec. 13(d)(l) unterlassen hatte, die Ausübung des Stimmrechts aus den bereits erworbenen Aktien sowie der Kauf weiterer Anteile untersagt und zudem die Veräußerung seines Pakets auferlegt werden sollte. Der Court of Appeal hatte dem Antrag entsprochen. Der Supreme Court hob auf und wies ab. Zwar sei der Gesellschaft zuzugestehen, "that its management and shareholders suffer anxiety as a result of petitioner's activities and that this anxiety was exacerbated by his failure to disclose his intentions ..."; eine injunction könne aber nur verhängt werden, wenn sie zur Abwendung von "irreparable harm" unerläßlich sei. Zur Begründung führte Chief Justice Burger aus: "The purpose of the Williams Act is to insure that public

shareholders who are confronted by a cash tender offer for their stock will not be required to respond without adequate information regarding the qualifications and intentions of the offering party. By requiring disclosure of information to the target corporation as weil as the Securities and Exchange Commission, Congress intended to do more than give incumbent management an opportunity to express and explain its position. The Congress expressly disclaimed an intention to provide a weapon for management to discourage takeover bids or prevent !arge accumulations of stock which would create the potential for such attempts". Die abweichende Meinung der Richter Brennan und Douglas stellte auf den Normzweck ab, "that investors and management be notified at the earliest possible moment of the potential for a shift in corporate control"; deshalb sei der bloße Verstoß gegen sec. 13(d)(l) eine für den Erlaß einer injunction ausreichende Beeinträchtigung. b) Auch im übrigen orientiert sich der Williams Act vorrangig an dem Ziel, den Aktionären der target corporation eine für sie optimale Ent-

63

Rondeau v . Mosinee P a per Corp., 422 U.S. 49 (U.S .S.Ct. 1975) .

64

Kap. B: Gesellschaftsrechtliche Begünstigung der Konzernierung?

scheidung zu ermöglichen. Deshalb ist der Anbieter (offeror) gern. sec. 14(d)(l) verpflichtet, der SEC zuvor die von dieser gern. sec. 14(d)(4) geforderten Mitteilungen zu machen64• Die Aktionäre müssen mindestens 20 Tage Zeit zur Entscheidung haben65; dadurch werden konkurrierende offers ermöglicht, die den Preis nach oben treiben. Alle Shareholders sind gleich zu behandeln: eine spätere Verbesserung des Angebots muß gern. sec. 14(d) (7) für alle gelten; wenn das Angebot beschränkt ist und von den Annahmen übertroffen wird, müssen diese gern. sec. 14(d)(6) anteilig (pro rata) zum Zuge kommen66 . Sec. 14(e) statuiert ein generelles Arglistverbot, das in den gerichtlichen Auseinandersetzungen über die Rechtmäßigkeit von Übernahmeangeboten eine erhebliche Rolle spielt67. Die Rechtsprechung betont, daß es nicht zu einem Instrument des Schutzes von Managementinteressen gegen die berechtigten Belange der Aktionäre zweckentfremdet werden darcG8 . c) Das unserer Fallkonstellation IV69 entsprechende und in den letzten Jahren häufig praktizierte "feindliche" Übernahmeangebot (hostile tender offer) konfrontiert das Management der Zielgesellschaft mit dem Risiko,

64 Die "Disclosure Requirements With Respect to Tender Offera" werden durch Rule 14 (d)(6) festgelegt. 65

Das ergibt sich aus Rule 14 (e)(1) .

66 Diese Regelung trägt dem Umstand Rechnung, dall der offeror u.U. im Rahmen eines beschränkten Angebots einen höheren Preis bietet als fUr alle Aktien; in diesem Fall wird durch sec. 14(d)(6) gewährleistet, dall der Paketzuschlag (block premium) allen Aktionären entsprechend ihrer Beteiligung bzw. ihrer Verkaufsbereitschaft zufließt. 67 Vgl. Loae, aaO S. 589 f. 68 Electroni