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German Pages 337 [340] Year 1977
HELMUT NEUHAUS
Reichstag und Supplikationsausschuß
Schriften zur Verfassungsgeschichte Band 24
Reichstag und Supplikationsausschu13 Ein Beitrag zur Reichsverfassungsgeschichte der ersten Hälfte des 16. Ja'hrhunderts
Von
Dr. Helmut Neuhaus
DUNCKER & HUMBLOT / BERLIN
CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek
Neubaus, Helmut Reichstag und Supplikationsausschuss : e. Beitr. zur Reichsverfassungsgeschichte d. ersten Hälfte d. 16. Jh. - 1. Auf!. - Berlin: Duncker und Humblot, 1977. (Schriften zur Verfassungsgeschichte; Bd. 24) ISBN 3-428-03830-4
Alle Rechte vorbehalten
o 1977 Duncker & Humblot, Berlin 41
Gedruckt 1977 bei Buchdruckerei Bruno Luck, Berl1n 65 Printed in Germany ISBN 3 428 03830 4
Vorwort Bei der vorliegenden Untersuchung handelt es sich um die geringfügig überarbeitete Fassung meiner Dissertation, die im Wintersemester 1975/76 vom Fachbereich Geschichtswissenschaften der Philipps-Universität Marburg/Lahn unter dem Titel "Reichstag, Supplikationswesen und Supplikationsrat. Zur Verfassungs-, Rechts- und Sozialg;schichte der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts" angenommen worden ist. Angeregt durch ein Seminar über die "Reichstage im 16. Jahrhundert", entstand die Arbeit unter Anleitung von Prof. Dr. Gerhard Oestreich, der sie in jeder Weise gefördert und ihre Fertigstellung mit zahlreichen Hinweisen begleitet hat. Ihm danke ich an dieser Stelle besonders herzlich für seine Hilfe und Unterstützung. Wichtige Anregungen gab der Mitberichterstatter, Prof. Dr. Thomas Klein, dem ich ebenso zu großem Dank verpflichtet bin, wie den Archivbeamten des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs für die reibungslose Bereitstellung der zahlreichen Aktenbände und für die Hilfe bei nicht wenigen Detailfragen. Ein Dank gilt den Wien er Historikern Prof. Dr. Heinrich Lutz und Dr. Alfred Kohler für manches kritische Gespräch. Die Forschungen wurden dankenswerter Weise durch ein Promotionsstipendium der Konrad-Adenauer-Stiftung, Bonn, und ein Auslands stipendium des Deutschen Akademischen Austauschdienstes, Bonn, gefördert. Die Publikation in der vorliegenden Form ermöglichten namhafte Druckkostenzuschüsse der Friedrich Flick Förderungsstiftung, Düsseldorf, der Pfälzischen Hypothekenbank, Ludwigshafen, und Dr. Wolfram Schweckendieks, Marburg/Lahn, für die ich mich vielmals bedanke. Für die Mühe, die Korrekturen mitgelesen zu haben, danke ich meinem Kollegen Dr. Volker Losemann. Herrn Senator E. h., Ministerialrat a. D., Prof. Dr. J. Broermann gebührt mein besonderer Dank für die Aufnahme der Arbeit in die "Schriften zur Verfassungsgeschichte". Meinen Eltern und meiner Frau widme ich das nunmehr vorliegende Buch. Marburg/Lahn, Oktober 1976 Helmut Neuhaus
Inhaltsverzeichnis 1.
Der alte deutsche Reichstag als Gegenstand der Forscltung ....
11
2.
Der Reicltstag in der Zeit Karls V. ..........................
22
2.1.
Zur Definition des Reichstages ..............................
22
2.2.
Organisationsstruktur und Arbeitsweise ......................
28
2.2.1.
Interkuriale Große Ausschüsse bis zum Augsburger Reichstag von 1547/48 .................................................. 29
2.2.2.
Interkuriale Große Ausschüsse auf den Augsburger Reichstagen von 1547/48 bis 1555 .......................................... 41
2.2.3.
Andere Ausschüsse auf den Reichstagen der Zeit Karls V. ....
63
3.
Supplikation -
Herkunft und Begriff... . .. . .. . .. .. . .. . ... ...
74
3.1.
"Supplikation" in Altertum und Mittelalter ..................
74
3.2.
Supplikationen in der Neuzeit ................................
87
3.2.1.
Zum Begriff "Supplikation" ..................................
87
3.2.2.
Supplikationen an den Reichstag: Anzahl und Inhalte. .. ... ..
98
3.2.2.1.
Gnaden-Supplikationen ...................................... 114
3.2.2.2.
Justiz-Supplikationen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 118
3.2.2.3.
Andere Supplikationen ...................................... 128
3.2.2.3.1. Supplikationen zur Abwehr äußerer Gefahr .................. 128 3.2.2.3.2. Supplikationen in Fragen der Reichsstandschaft
130
3.2.2.3.3. Supplikationen gegen Einrichtungen des Reiches
137
3.2.2.3.4. Supplikationen in Zoll- und Wirtschaftsangelegenheiten ...... 141
4.
Der Supplikationsausschuß .................................. 148
4.1.
Der Supplikationsausschuß als Reichstagsgremium ............ 148
4.1.1.
Einsetzung des Supplikationsausschusses .................... 154
Inhaltsverzeichnis
7
4.1.2.
Zusammensetzung. des Supplikationsausschusses
170
4.1.3.
Zur Geschäftsordnung des Supplikationsausschusses .......... 183
4.1.3.1.
Allgemeine Behandlung von Supplikationen .................. 183
4.1.3.2.
Arbeitsweise des Reichstages von 1555 im Geschäftsbereich der Supplikationen .............................................. 193
4.1.3.3.
Die Arbeitsweise des Supplikationsausschusses auf dem Augsburger Reichstag von 1547/48 ................................ 206
4.2.
Zur Arbeit des Supplikationsausschusses ...................... 222
4.2.1.
Supplikationsausschuß und Gerichtswesen .................... 222
4.2.2.
Supplikationsausschuß und Landfrieden
234
4.2.3.
Supplikationsausschuß und Finanzwesen
246
5.
Der Supplikationsausschuß als Einrichtung des Ständestaats des 16. Jahrhunderts ........................................ 294
5.1.
Supplikationen als Quellen .................................. 294
5.2.
Der Supplikationsausschuß nach 1555 ........................ 301
5.3.
Verfassungsgeschichtliche Konsequenzen
.................... 308
Beilagen .............................................................. 313 Beilage Nr. 1: Organisationsstruktur des Reichstages in der Zeit von 1521 bis 1555 .......................................... 314 Beilage Nr. 2: Supplikation an die Ro. kay. Mat. der Churfursten preeminentz und Reputation in Rathschlegen belangendt .. .. 315 Beilage Nr.3: Vergleichende Zeittafel zu den Reichstagen von 1521 bis 1555 .................................................. 318 Beilage Nr.4: Supplikation des Dr. Beatus Widmann mit Beschluß der Reichsstände .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 320 Beilage Nr.5: Bedenken des Supplikationsausschusses und der Reichsstände zu einer vom ostfriesischen Gesandten Eido von Kniphausen vorgebrachten Supplikation ................ 322
8
Inhaltsverzeichnis
Beilage Nr.6: Zusammensetzung des SuppIikationsausschusses nach Reichsständen auf Reichstagen in der Zeit von 1521 bis 1594 und im "Traktat über den Reichstag im 16. Jahrhundert" aus dem Jahre 1569 ........................ nach 324
Quellenverzeicbnls .................................................... 325 Literaturverzeicbnls ........... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 327 Register .............................................................. 331
Abkürzungsverzeichnis Abt. AD ADB Anm. ARG Bd. Bde. Bearb. bearb. v. Bf. Br. C CIL DA ebd. Ebf. Ff. fo!. Gf. g!. GWU Hdb. Hg. hg.v. HZ Hz. insbes. IPO Jh. Kais. Mt; Key. Mt; Kay.Mat.; Key.Mat.; Kair. M. u. a. Kap. Kf. Kff. KG Kz. Lgf. MA l'dEA RTA MGH
Abteilung Archiv für Diplomatik, Schriftgeschichte, Siegel- und Wappenkunde Allgemeine Deutsche Biographie Anmerkung Archiv für Reformationsgeschichte Band Bände Bearbeiter bearbeitet von Bischof Brief Corpus Iuris Civilis, Codex Justinianus Corpus Inscriptionum Latinarum Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters ebenda Erzbischof Fürsten Folio Graf Gulden Geschichte in Wissenschaft und Unterricht Handbuch Herausgeber herausgegeben von Historische Zeitschrift Herzog insbesondere Instrumentum Pacis Osnabrugense Jahrhundert Kaiserliche Majestät Kapitel Kurfürst Kurfürsten Kammergericht Kanzler Landgraf Mittelalter Osterreichisches Staatsarchiv, Abt.: Haus-, Hof- und Staatsarchiv, Wien: Mainzer Erzkanzler-Archiv, Reichstagsakten Monumenta Germaniae Historica
10
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s. u. s. v.
SVRG u.ö. v
Vf. vgl. ZfKG ZRGGerm. Abt. Kan. Abt. Rom. Abt.
Abkürzungsverzeichnis Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung Markgraf Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs Nachdruck, Neudruck Neue Folge Nummer Pfalzgraf recto Reichsabschied Regiment Reichshofrat Reichskammergericht Österreichisches Staatsarchiv, Abt.: Haus-, Hof- und Staatsarchiv, Wien: Reichskanzlei Reichstagsakten römischer Reichsregiment Reichstag Deutsche Reichstagsakten, Jüngere Reihe Deutsche Reichstagsakten, Mittlere Reihe Deutsche Reichstagsakten, Ältere Reihe Seite siehe siehe auch siehe oben sogenannt Spalte MGH, Scriptores MGH, Scriptores rerum Germanicarum in usum scholarum Politische Korrespondenz der Stadt Straßburg im Zeitalter der Reformation siehe unten sub voce Schriften des Vereins für Reformationsgeschichte und öfter verso .Verfasser vergleiche Zeitschrift für Kirchengeschichte Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte Germanistische Abteilung Kanonistische Abteilung Romanistische Abteilung
1. Der alte deutsche Reichstag als Gegenstand der Forschung Leopold von Ranke bemerkte in der Vorrede zu seiner "Deutschen Geschichte im Zeitalter der Reformation" mit Blick auf die Reichstage: "Bekannt genug sind die Reichsabschiede; aber wer wollte je eine beratende Versammlung nach den letzten Ergebnissen ihrer Besprechungen beurteilen?", und er bedauerte zugleich, daß "eine Zusammenstellung und Bearbeitung der Verhandlungen" noch nicht geleistet war1. Dies gilt in gleicher Weise nach beinahe eineinhalb Jahrhunderten intensiver Geschichtsforschung immer noch, denn heute wie um die Mitte des 19. Jh.s fehlt eine umfassende Organisationsgeschichte des alten deutschen Reichstages 2 , heute wie damals hat die "Geschichte der Reichstage noch nicht die Beachtung gefunden, deren sie wert ist"3. Zwar hat sich vor allem die ältere Forschung dem "Reichstag" des Mittelalters ausführlicher zugewandt4 und das große Unternehmen der 1 Leopold von Ranke, Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation, historisch-kritisch, hg. v. Paul Joachimsen, München 1925 (NDr. 1933), Bd. 1, Vorrede S. XCVII. 2 Oestreich, Arbeitsweise, S. 217 - 243, insbes. S. 217 f. 3 Ranke, ebd.; Hartung, Verfassungsgeschichte, S. 37, betont, daß "eine neuere Geschichte der Reichstagsverfassung fehlt", und verweist auf J. J. Moser, Neues Teutsches Staatsrecht, Bd. 5 und 6, 1774: Von denen teutschen Reichstägen. Schubert, Reichstage, S. 29; dort auch zum Forschungsstand. 4 Vom 10. bis 15. Jh. läßt sich ein fast geschlossener Bogen in der Reichstagsliteratur schlagen: Paul Guba, Der deutsche Reichstag in den Jahren 911 - 1125. Ein Beitrag zur deutschen Verfassungsgeschichte, Leipzig 1884; earl Wacker, Der Reichstag unter den Hohenstaufen. Ein Beitrag zur deutschen Verfassungsgeschichte, eingeleitet von W. Arndt, Leipzig 1882; Hermann Ehrenberg, Der deutsche Reichstag in den Jahren 1273 - 1378. Ein Beitrag zur deutschen Verfassungsgeschichte, Leipzig 1883; Rudolf Bemmann, Zur Geschichte des deutschen Reichstages im 15. Jahrhundert, Leipzig 1907; Alfred Vahlen, Der deutsche Reichstag unter König Wenzel, Leipzig 1892; Heinrich Wendt, Der deutsche Reichstag unter König Sigmund bis zum Ende der Reichskriege gegen die Hussiten 1410 -1431, Berlin 1889; Ernst Zickel, Der deutsche Reichstag unter König Ruprecht von der Pfalz, Frankfurt 1908; ein besonderes Interesse galt ferner für die Zeit vom 13. bis 15. Jh. der Frage der Reichsstandsschaft der Städte: Paul Brülcke, Die Entwicklung der Reichsstandschaft der Städte von der Mitte des XIII. bis zum Ende des XIV. Jahrhunderts, Hamburg 1881; Hermann Keussen, Die politische Stellung der Reichsstädte mit besonderer Berücksichtigung ihrer Reichsstandschaft unter König Friedrich III. 1440 - 1457, Bonn 1885; Wilhelm Becker, über die Teilnahme der Städte an den Reichsversammlungen unter Friedrich III. 14401493, Bonn 1891. - Bis zum Beginn des 16. Jh.s reicht die Arbeit von Alfred Schröcker, unio atque concordia. Reichspolitik Bertholds von Henneberg 1484 bis 1504, Diss. phil. Würzburg 1970, in der die Reichstage zur Zeit des
12
1. Der alte deutsche Reichstag
Edition der Reichstagsakten vorangetrieben 5, aber die Erforschung des frühneuzeitlichen Reichstages besonders des 16. und 17. Jh.s wurde weitgehend vernachlässigt. Einige wenige Monographien zu Reichstagen der Regierungszeit Karls V. (1519 - 1556) sind bis auf Ausnahmen im letzten Drittel des 19. Jh.s geschrieben worden und sehen - soweit sie überhaupt wissenschaftlichen Rang beanspruchen dürfen - die Reichstage mehr im Zusammenhang der allgemeinen Reichsgeschichte und der Reformation als unter dem Gesichtspunkt eines frühneuzeitlichen Ständeparlamentes, des Ausbaus der Reichstags-Verfassung und der parlamentarischen Arbeitsweise6 • Mainzer Reform-Kurfürsten eine mehr oder weniger ausführliche Beschreibung erfahren. Ein Reichstag dieser Zeit wurde neuerdings etwas genauer untersucht von Steven W. Rowan, A Reichstag in the Reform Era: Freiburg im Breisgau, 1497 - 98, in: The Old Reich, Essays on German Political Institutions 1495 - 1806, edited by James A. Vann, Steven W. Rowan, Brüssel 1974, S. 31 - 57. S Bis heute gibt es von den Deutschen Reichstagsakten (Ältere Reihe), hg. v. der Historischen Commission bei der Königlichen Academie der Wissenschaften, später durch die Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, 17 Bände, die von 1376 bis 1445 reichen; außerdem sind Bd. 19, 1. Hälfte, für die Jahre 1453 - 1454, und Bd. 22, 1. Hälfte, für die Jahre 1468 - 1470, erschienen. Von der Mittleren Reihe liegt erst Bd. 3 für die Jahre 1488 - 1490 vor; im Erscheinen begriffen ist der von Heinz Gollwitzer bearbeitete Band der Reichstagsakten von 1496 bis 1498, dessen Manuskript der Vf. leider nicht mehr einsehen konnte. Insgesamt sind von diesem Teilunternehmen 12 Bände für den Zeitraum von 1486 bis 1518 geplant (vg!. RTA mitt!. Rh. 3, 1, Vorrede v. Friedrich Hermann Schubert, S. 7 f.). - Allgemein zum Unternehmen der Edition der Deutschen Reichstagsakten die Beiträge von Hermann Heimpel, WiZZy Andreas und Herbert Grundmann zur Älteren, Mittleren und Jüngeren Reihe, in: Die Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften 1858 - 1958, Göttingen 1958, S. 82 - 117,118 - 131,132 - 157. 6 Zum Wormser Reichstag von 1521: Paul Kalkoff, Der Wormser Reichstag von 1521. Biographische und quellenkritische Studien zur Reformationsgeschichte, München, Berlin 1922. Zum Nürnberger Reichstag von 1522/23: Otto Redlich, Der Reichstag von Nürnberg 1522 - 23, Leipzig 1887. Zum Nürnberger Reichstag von 1524: Ernst Arwed Richter, Der Reichstag zu Nürnberg 1524, Leipzig 1888. Zum ,speyrer Reichstag von 1526: August Kluckhohn, Der Reichstag zu Speyer im Jahre 1526, HZ 56, 1886, S. 193 - 218; Walter Friedensburg, Der Reichstag zu Speyer 1526 im Zusammenhang der politischen und kirchlichen Entwicklung Deutschlands im Reformationszeitalter, Berlin 1887; Julius Ney, Der Reichstag zu Speier 1526, Hamburg 1889; JuZius Ney, Analecten zur Geschichte des Reichstages zu Speier im Jahre 1526, ZfKG 8, 1886, S. 300 - 317, 9, 1888, S. 137 - 181, 12, 1891, S. 334 - 361; Theodor Brieger, Der Speierer Reichstag von 1526 und die religiöse Frage der Zeit, ein geschichtlicher Umriss, Leipzig 1909. Zum Speyrer Reichstag von 1529: JuZius Ney, Geschichte des Reichstages zu Speier im Jahre 1529, mit einem Anhang ungedruckter Akten und Briefe, Hamburg 1890. Zum Augsburger Reichstag von 1530: Ludwig Simmet, Augsburg und der Reichstag des Jahres 1530, 4 Teile in: Beilagen zu den Jahresberichten über die Königliche Kreis-Realschule in Augsburg für die Schuljahre 1881182, 1883/84, 1886/87, Augsburg 1882, 1884, 1887, S. 1 - 32, 1 - 31, 1 - 55. Zum Regensburger Reichstag von 1532: Ascan Westermann, Die Türkenhilfe und die politisch-kirchlichen Parteien auf dem Reichstag zu Regensburg 1532, Heidelberg 1910. Zum Re-
als Gegenstand der Forschung
13
Eine Ausnahme bildet in der älteren Literatur allein die 1929 erschienene "Geschichte des Speyrer Reichstags 1529" von Johannes Kühn, die im Zusammenhang mit seiner Edition der Akten des ProtestationsReichstags entstanden ist7. Neueren Datums sind lediglich der Sammelband "Der Reichstag zu Worms von 1521. Reichspolitik und Luthersache"8 und Horst Rabes Untersuchung zu "Reichsbund und Interim"9. Eigenartigerweise haben die Augsburger Reichstage von 1530, 1550/51 und 1555 noch nie eine ausführliche Darstellung gefunden, wenn man sich auch mit Teilaspekten der Versammlungen von 1530 und 1555 immer wieder auseinandergesetzt hatl°. Gerade aber der weitgehend unbekannte Reichstag von 1550/51, der letzte, auf dem Karl V. persönlich anwesend war, ist unter dem Gesichtspunkt seiner "Geschäftsordnung" von großer Bedeutung. Auf ihm hat man sich immer wieder dargensburger Reichstag von 1541: Klaus MüHer, Zur Geschichte des Reichstags von Regensburg 1541, Jahrbuch für Brandenburgische Kirchengeschichte 4, 1907, S. 175 - 248; P. Vetter, Die Religionsverhandlungen auf dem Reichstag zu Regensburg 1541, Leipzig 1889; Friedrich Roth, Zur Geschichte des Reichstags zu Regensburg im Jahre 1541, ARG 2, 1904/05, S. 250 - 307, ARG 3, 1905/06, S. 18 - 64; Paul Heidrich, Beiträge zur Geschichte des Regensburger Reichstages vom Jahre 1541, in: Programm der Sachsenhäuser Oberrealschule in Frankfurt am Main, Ostern 1910, Frankfurt/Main 1910, ProgrammNummer 566, S. 3 - 24. Zum Speyrer Reichstag von 1544: Albert de Boor, Beiträge zur Geschichte des Speirer Reichstages vom Jahre 1544, Straßburg 1878. Zum Wormser Reichstag von 1545: Jaroslav Springer, Beiträge zur Geschichte des Wormser Reichstages 1544 und 1545, Leipzig 1882; Paul Kannengiesser, Der Reichstag zu Worms vom Jahre 1545. Ein Beitrag zur Vorgeschichte des Schmalkaldischen Krieges, Straßburg 1891. 7 Johannes Kühn, Die Geschichte des Speyrer Reichstags 1529, Leipzig 1929 (= SVRG 146). 8 Fritz Reuter (Hg.), Der Reichstag zu Worms von 1521. Reichspolitik und Luthersache, Worms 1971. 9 Horst Rabe, Reichsbund und Interim. Die Verfassungs- und Religionspolitik Karls V. und der Reichstag von Augsburg 1547/1548, Köln, Wien 1971. 10 Hier seien für den Reichstag von 1530 genannt: Georg Beutel, Über den Ursprung des Augsburger Interims, Dresden 1888; Theodor Brieger, Beiträge zur Geschichte des Augsburger Reichstags von 1530, ZfKG 12, 1891, S. 123187; Hans von Schubert, Der Reichstag von Augsburg (1530) im Zusammenhang der Reformationsgeschichte, Leipzig 1930 (= SVRG 150); K. H. Hammer, Kurfürst Joachim 1. von Brandenburg auf dem Reichstag zu Augsburg 1530, Wichmann Jahrbuch 1, 1930, S. 116 -133; Herbert Grundmann, Landgraf Philipp von Hessen auf dem Augsburger Reichstag 1530, Göttingen 1959 (= SVRG 176, S. 5 - 87). Zum Reichstag von 1555: Gerhard Pfeiffer, Der Augsburger Religionsfriede und die Reichsstädte, Zeitschrift des Historischen Vereins für Schwaben 61, 1955, S. 213 - 231; Alfred Kohler, Die Sicherung des Landfriedens im Reich. Das Ringen um eine Exekutionsordnung des Landfriedens 1554/55, MÖSTA 24, 1971, S. 140 -168. - Die Literatur zum Reichstag von 1555, die anläßlich des Jubiläumsjahrs 1955 erschienen ist, kann hier nicht erwähnt werden; hingewiesen sei nur noch auf den Beitrag von Ludwig Petry, Der Augsburger Religionsfrieden von 1555 und die Landesgeschichte, Bll. f. dt. L. Gesch. 93, 1957, S. 150 -175. - Zum Ende der Regierungszeit Karls V. insgesamt: Heinrich Lutz, Christianitas afflicta, Europa, das Reich und die päpstliche Politik im Niedergang der Hegemonie Kaiser Karls V. (1552 - 1556), Göttingen 1964.
14
1. Der alte deutsche Reichstag
über Klarheit zu verschaffen versucht, was bisher auf Reichstagen Brauch und Herkommen war. Wie man dem Wormser Reichstag von 1521 hinsichtlich seiner Arbeitsweise bis zu einem gewissen Grade ModelI charakter für die Versammlungen der Reichsstände in der ersten Hälfte des 16. Jh.s zusprechen kann, so dem Augsburger Reichstag von 1550/51 für die zweite Hälftel l • Das Fehlen einer Monographie zur Geschichte der Reichstage im 16. Jh. 12 wird in einer Zeit besonders spürbar, in der man sich in der Geschichtswissenschaft um ein besseres Verständnis des Ständewesens in der frühen Neuzeit bemüht, wobei dem Ständeparlament naturgemäß eine entscheidende Bedeutung zukommt 13 • Der Reichstag des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation war nur ein Organ des Ständestaates, eine Ständeversammlung neben vielen in Europa und in den deutschen Territorien14 • Er ist Gegenstand der folgenden Untersuchung, freilich nicht im Sinne einer umfassenden Organisationsgeschichte dieser Institution - sie kann nur in einem mehrbändigen Werk geschrieben werden - , sondern unter einschränkenden Gesichtspunkten. Im Vordergrund stehen die Reichstage der Regierungszeit Karls V. und nicht die des ganzen 16. und gar noch des 17. und 18. Jh.s. Diese zeitliche Begrenzung findet ihre Begründung einmal in der Tatsache, daß dem Reichstag dieser Jahrzehnte nach der Verfestigung der Reichstagsverfassung in der Zeit des Mainzer Erzkanzlers Berthold von Henneberg15 exemplarische Bedeutung hinsichtlich seines verfas11 Der Vf. hofft, sich diesem Reichstag einmal ausführlicher als in der vorliegenden Arbeit zuwenden zu können. 12 Auch für die zweite Hälfte des 16. Jh.s liegen nur vereinzelt Monographien vor: Zum Augsburger Reichstag von 1566: Walter Hollweg, Der Augsburger Reichstag von 1566 und seine Bedeutung für die Entstehung der Reformierten Kirche und ihres Bekenntnisses, Neukirchen-Vluyn 1964; zum Speyrer Reichstag von 1570: Hermann Becker, Der Speyrer Reichstag von 1570. Ein Beitrag zur Geschichte des 16. Jahrhunderts, Diss. phil. Mainz 1969. 13 Auf den Zusammenhang von Ständeforschung und Reichstagsakten hat zuletzt zusammenfassend Anton Schindling hingewiesen und von einem "Desinteresse der Ständegeschichte an dem Reichstag" gesprochen: Reichstagsakten und Ständeforschung, aus der Arbeit der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, GWU 24, 1973, S. 427 - 434, hier S. 428. Siehe auch Schindlings Forschungsbericht "Die Deutschen Reichstagsakten - eine Edition der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften", in: Jahrbuch der historischen Forschung in der Bundesrepublik Deutschland 1974, Stuttgart 1974, S. 42 - 48. 14 Ihnen wendet sich auf internationaler Ebene die Commission Internationale pour l'Histoire des Assemb1ees d'Etats zu, deren "Etudes" seit 1937 erscheinen und in bisher 40 Bänden vorliegen. - Als wichtigstes Unternehmen in Deutschland ist zu nennen: Edition der Deutschen Reichstagsakten, Jüngere Reihe, in der für die Zeit Karls V. bisher aber nur die Bände 1 bis 4, 7 und 8, Gotha 1893, 1896, 1901, 1905, Stuttgart 1935, Göttingen 1970, 1971 (NDr. der Bände 1 - 4, 7, Göttingen 1962, 1963), erschienen sind. 15 Vgl. Hartung, Verfassungsgeschichte, S. 5 - 21, Oestreich, Verfassungsgeschichte, S. 366 - 368, Schröcker, passim.
als Gegenstand der Forschung
15
sungsmäßigen Ausbaus und seiner Arbeitsweisen zukommt. Kurfürsten, geistliche und weltliche Reichsfürsten, Reichsgrafen, Reichsprälaten und Reichsstädte waren als Reichstagsteilnehmer untereinander zu einvernehmlichen Beschlüssen im Sinne einer reichsständisch ausgerichteten Reichspolitik aufgefordert, denn sie hatten dem Kaiser auf seine programmatische Reichstags-Proposition eine gemeinsame Antwort zu erteilen. Dieser Zwang führte mit der Zeit zu Beratungs- und Verhandlungsformen auf der Grundlage des sich entwickelnden interkurialen Prinzips. War dieses auf die Dauer auch nur bei einem Ausschuß wirksam, so führte die interkuriale Arbeitsweise insgesamt zu konzentrierter und sachlicher Reichstagsarbeit, deren Ergebnisse und Erfolge den Reichstag zu einem echten Gegengewicht zum Kaiser werden ließen. In dieser Zeit übte er Macht und Einfluß aus und genoß großes Ansehen. Zum anderen markieren die Daten des ersten und letzten Reichstages in der Regierungszeit Karls V. Einschnitte von epochaler Bedeutung: Der Wormser Reichstag von 1521 stand am Anfang von achtzehn Reichsversammlungen unterschiedlicher Bedeutung, in denen es darum ging, die Errungenschaften der bisherigen Reichsreform zu verwirklichen; zugleich war er der erste Reichstag, auf dem sich der konfessionelle Gegensatz auszuwirken begann, der auch in der Folgezeit verändernd auf die Reichstagsverfassung einwirken sollte 16 • Der Augsburger Reichstag von 1555 bedeutete einen Abschluß der Reichsreformbemühungen des ausgehenden 15. und beginnenden 16. Jh.s, denn auf ihm wurde mit der Reichsexekutionsordnung die letzte umfassende und bedeutungsvolle Regelung für das Reich verabschiedet, sieht man einmal von der erst 1559 beschlossenen Reichsmünzordnung ab; mit dem Augsburger Religionsfrieden wurden die reichs rechtlich verbindlichen Bestimmungen erlassen, die das Zusammenleben der Anhänger beider Konfessionen bis zum Westfälischen Frieden von 1648 regeln sollten 17 • Neben dieser zeitlichen Einschränkung aber ist noch eine weitere zu machen. In der vorliegenden Arbeit geht es nicht um die materiellen Verhandlungsgegenstände als solche, wie etwa Religionsfrage, Landfriedensprobleme, Türkengefahr, Gemeiner Pfennig, Münzangelegenheiten, Reichsregiment, Reichskammergericht, Monopolien u. a., und auch nicht darum, die Entwicklung und Veränderung der einzelnen 18 Man denke nur daran, wie Luthers Erscheinen vor dem Reichstag 1521 in Worms den Ablauf des Reichstages beeinflußte; vgl. die zum RT 1521 genannte Literatur. 17 Auf das Jahr 1555 als Epochengrenze verweist OestTeich, Verfassungsgeschichte, S. 370 f., und nennt Reichsexekutionsordnung, Religionsfrieden und Reichskriegsverfassung, die als reichsgesetzliche Regelungen verfas~ sungsgeschichtliche Entwicklungen zu einem vorläufigen Abschluß brachten.
1. Der alte deutsche Reichstag
16
Verhandlungsgegenstände von einem Reichstag zum anderen darzustellen und zu analysieren, um sie dann in einem gesamthistorischen Zusammenhang zu interpretieren, sondern es soll versucht werden, kurz die einzelnen Einrichtungen auf den Reichstagen darzustellen, ihre Entwicklung zu verfolgen und sie zueinander in Beziehung zu setzen, um dann mit dem Supplikationsausschuß ein Gremium vorzustellen, das für den Reichstag des 16. Jh.s charakteristisch geworden ist. Von ihm aus sollen die verschiedenen Einrichtungen des Reichstages in ihrer Bedeutung für das Ständeparlament der frühen Neuzeit gesehen werden. Es ist das Verdienst Gerhard Oestreichs, auf den Supplikationsausschuß - Oestreich spricht vom Supplikationsrat - verstärkt aufmerksam gemacht zu haben18, nachdem dieses Reichstagsgremium in der Literatur doch meist übergangen oder nur sehr allgemein abgehandelt worden ist 19 • Dabei hat man ihm offensichtlich nur eine untergeordnete Bedeutung beigemessen, ohne ihn freilich genauer untersucht zu haben. Wenn bei der Betrachtung des Supplikationsausschusses und des damit verbundenen Bitt- und Beschwerdewesens außerdeutsche und territorialstaatliche Ständeversammlungen außerhalb der Betrachtung bleiben, so geschieht das einzig, um den Rahmen dieser Arbeit nicht zu sprengen, die erstmals das Supplikationswesen des Reichstages im 16. Jh. zum Gegenstand hat. Der für die Reichsverfassungsgeschichte so überaus fruchtbare Ansatz vergleichender Verfassungsgeschichte würde zweifellos wertvolle Erkenntnisse über die Behandlung von Supplikationen in anderen Ständeparlamenten und zur Frage des übergangs der Kompetenz der Behandlung von Supplikationen von den Herrschern auf die Stände liefern. Die Einbettung des Supplikationsausschusses in das Reichstagsgefüge des 16. Jh.s steht also im Mittelpunkt der vorliegenden Untersuchung. Dabei wird ausgegangen von der Supplikation als Bitte und Beschwerde aus verschiedenen Lebensbereichen, um dann die Möglichkeiten ihrer Bearbeitung und Erledigung und die Konsequenzen für die Reichstagsarbeit aufzuzeigen. Unter dem Gesichtspunkt des Zugangs des einzelnen Untertanen zu Kaiser und Reich soll deutlich gemacht werden, welche zentrale Bedeutung der Supplikationsausschuß gewann und warum er sie wieder verlor. Von daher versteht sich die Arbeit als ein Beitrag zur Verfassungsgeschichte der ersten Hälfte des 16. Jh.s. Oestreich, Arbeitsweise, S. 234 mit Anm. 42. Nur Schubert, Reichstage, S. 254 - 257, widmet dem Supplikationsverfahren im Zusammenhang mit dem "Traktat" einige Bemerkungen. Immerhin erwähnte aber schon Gustav Wolf in seiner "Deutschen Geschichte im Zeitalter der Gegenreformation", Bd. 1, Berlin 1899, S. 41, bei der Erörterung der Geschäftsordnung des Reichstages den "Supplikationsrat" als ständischen Ausschuß, der private Petitionen zu begutachten hatte. Weitere Erwähnungen dieses Gremiums in der Literatur s. u. Kap. 5.1. 18
19
als Gegenstand der Forschung
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Zugleich ist der Supplikationsausschuß ein Beispiel für die praktizierte permanente Reichstags - Reform. Erfaßten die Reformbestrebungen an der Wende vom 15. zum 16. Jh. nicht nur den kirchlichen Bereich, sondern auch die Staatsverfassung, so erschöpften sie sich hier nicht in der Einrichtung von Reichsregimentern und Reichskammergericht und nicht in der Landfriedens- und Steuergesetzgebung. Vielmehr wurde der Reichstag selbst zum Reformobjekt. Seine Reform vollzog sich allerdings in der Handhabung als Verfassungsinstrument und ging weniger von theoretischen überlegungen aus als von praktischen Schwierigkeiten in der Funktionsfähigkeit. Deshalb fehlt jegliche Reformgesetzgebung über den Reichstag und enthalten die Reichsabschiede kaum Bestimmungen über ihn. Dies erklärt aber auch, warum die Einrichtung des Supplikationsausschusses an keiner Stelle erwähnt wird und ein Einsetzungsakt nicht nachweisbar ist. Die Tatsache, daß seit Ranke die Reichstagsakten mehr dazu dienten, Geschichte des Reiches und seiner Verfassung als Reichstagsgeschichte im engeren Sinne zu schreiben 20 , unterstreicht ihren allgemeinen Wert als historische Quelle. Von Band zu Band stellte sich für die Herausgeber dieser Akten immer wieder die Frage, welche Dokumente der Reichspolitik neben den eigentlichen Reichstagsakten aufzunehmen waren, um diese in ihrem Gesamtzusammenhang verständlicher zu machen21 • Wohin eine extensive Auslegung des Begriffs "Reichstagsakten " führen kann, zeigen die beiden von Wolfgang Steglieh bearbeiteten Halbbände des 8. Bandes der Jüngeren Reihe, die den großen Augsburger Reichstag von 1530 zum Inhalt haben sollten und die zu einem Aktenwerk zur Reichsgeschichte zwischen den Reichstagen von 1529 und 1530 geworden sind22 • Für die Erforschung der Reichstagsver20 Ranke, Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation, Bd. 1, Vorrede, S. XCVIII, spricht von seiner "Idee [...], aus einer womöglich ununterbrochenen Reihe von Reichstagsakten den Gang und die Entwicklung der Verfassung näher zu erforschen". Vgl. auch Schindling, S. 428. 21 Siehe dazu die Vorreden zu den einzelnen Bänden und die Beiträge von Heimpel, Andreas und Grundmann zu den drei Reihen der Deutschen Reichstagsakten, in: Die Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften 1858 -1958, Göttingen 1958, S. 82 -157. Auch die Herausgeberin des zuletzt erschienenen Bandes 22, 1. Hälfte, der RTA ält. Rh., Ingeborg Most-Kolbe, hat in ihrer Vorrede vermerkt: "Auch in diesem Band mußten wir, dem Titel unseres Werkes zuwider, viel mehr Arbeit und Raum als für die Reichstage selbst der Reichspolitik vor, zwischen und nach den Reichstagen widmen" (S. VII). 22 Deutsche Reichstagsakten unter Kaiser Kar! V., 8. Bd., bearb. von Wolfgang Steglieh, 1. Halbbd., Göttingen 1970, 2. Halbbd., Göttingen 1971. Steglieh vermerkt in seiner Einleitung, S. XIX: "Der neue Band bricht vollends mit dem früheren Grundsatz der Beschränkung auf die großen Reichstage. In ihm werden zwar mehrere Reichsdeputationstage behandelt, aber kein einziger Reichstag. Der Band bezieht sich auf die Vorgänge zwischen dem Protestations-Reichstag 1529 und dem Augsburger Konfessions-Reichstag 1530."
2 Neuhaus
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1. Der alte deutsche Reichstag
fassung ist ein solcher Band bei allen seinen anderen Vorzügen kaum geeignet. Aber gerade für dieses auf den ersten Blick eng begrenzte Forschungsgebiet, das u. a. Fragen nach. Einberufung, Zusammensetzung, Organisation, Aufbau, Arbeitsweise, Beratungs- und Beschlußkompetenz, Entscheidungsprozeß und Durchsetzbarkeit der Beschlüsse beinhaltet und das auf den zweiten Blick einen wesentlichen Beitrag zur Erforschung des Ständewesens leisten kann23 , ist eine volle Ausschöpfung der Reichstagsakten unentbehrlich. Friedrich Hermann Schubert charakteristierte den Reichstag sehr treffend, wenn er sagte, es sei "augenfällig, wie wenig man über das oberste deutsche Versammlungsgremium festlegte, und wie diese Bestimmungen zudem immer wieder in einer Weise erfolgten, die mehr indirekt und nur ad hoc für den nächstfolgenden Zeitraum die Verhältnisse fixierte, die Form allgemeingültiger, speziell auf die Institution des Reichstages sich konzentrierender Statuten aber vermied"24. Aus der Analyse der Arbeitsweisen der Reichstage wird ihre Bedeutung als Ständeparlament und für die Entwicklung des modernen Staates besonders deutlich.
Für Fritz Hartung war "der Reichstag des 15. Jahrhunderts [...] mit seiner lockeren Verfassung bezeichnend für die Unsicherheit der deutschen Verfassungszustände überhaupt", und er stellte fest, daß "seine Rechte und Pflichten, seine Zusammensetzung, seine Zuständigkeit, sein Verfahren [...] nie fest geregelt worden" sind. Gleichzeitig hoffte er aber, "daß die weitere Forschung, wenn sie einmal lernt, andere Fragen an die Reichstagsakten zu stellen als die nach der Trennung der drei Vgl. dazu die Rezensionen von Horst Rabe, HZ 220, 1975, S. 196 - 198, und Woljgang Reinhard, HZ 217, 1973, S. 694 - 696; Rabe hat in seiner Rezension, die er "vorwiegend den allgemeinen Editionsprinzipien der Publikation gewidmet" hat, mit Recht festgestellt, daß der Band "weder die Akten des großen Konfessionsreichstages selbst noch Reichstagsakten im engeren Sinne" enthält (S. 196), und eine düstere Prognose für das Gesamtunternehmen gestellt, sollte sich die "generelle Tendenz [...] zur Umwandlung der Edition der RTA in ein umfassendes Aktenwerk zur inneren deutschen Reichsgeschichte" durchsetzen (S. 197). Reinhard sieht den 2. Halbbd. schon auf der "Grenze zur Darstellung" (S. 696). - F. H. Schubert hat in seiner Vorrede zum 3. und bisher einzigen Bd. der RTA mittl. Rh. auf die "weitere" Konzeption hingewiesen, nach der "allgemeine Reichsakten unter besonderer Berücksichtigung der Reichstage" geboten werden, aber zugleich deutlich gemacht, daß sich diese Konzeption beim Anwachsen des Quellenmaterials für die maximilianeische Zeit nicht durchhalten lassen wird. Ganz im Sinne der "weiteren" Konzeption bietet dieser Bd. - wie sein Bearbeiter Ernst Bock in der Vorrede erklärt -, "den Frankfurter Reichstag von 1489 in seinem Zusammenhang mit der allgemeinen Reichsgeschichte"; vgl. Deutsche Reichstagsakten unter Maximilian I., 3. Bd.: 1488 - 1490, 1. Halbbd., bearb. v. Ernst Bock, Göttingen 1972, S. 7, 9. 23 Vgl. SchindZing, S. 431 ff. 24 Schubert, Reichstage, S. 60.
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Kurien und nach der Reichsstandschaft der Städte, hier noch manches aufklären wird"25. Die vorliegende Untersuchung versucht, einige "andere Fragen" zu stellen und sie zum Teil auch zu beantworten; sie unternimmt es aber keineswegs, aus den Quellen heraus nachträglich eine Geschäftsordnung der Reichstage unter Karl V. zu rekonstruieren. Diese hat es wohl gewohnheitsrechtlich, aber niemals festumrissen im modernen Sinn gegeben, denn die Geschäftsführung auf den Reichstagen war immer in der Entwicklung begriffen. Dabei hat es freilich bestimmte Phänomene gegeben, die auf allen Reichstagen zu beobachten sind und die den Schluß zulassen, daß die Kenntnis möglichst vieler Einzelheiten uns einer Art Geschäftsordnung näherbringt, die vielleicht allen Reichstagen der Zeit Karls V. zu Grunde lag. Mit Recht hat G. Oestreich formuliert: "Eine gesetzlich fixierte Geschäftsordnung für den deutschen Reichstag existierte nicht", und damit begonnen, aus "Reichstagsakten [... ] und aus verschiedenen Quellenpublikationen zur Verfassungsgeschichte des Zeitalters die Gewohnheiten und Grundsätze der parlamentarischen Tätigkeit des höchsten Reichsgremiums zu erschließen"26. Die Reichstagsakten, die in zwei umfänglichen Reihen der Reichskanzlei und des Mainzer Erzkanzler-Archivs im Wiener Haus-, Hofund Staats archiv erhalten sind, bestehen aus Konzepten und Reinschriften nicht nur der offiziellen Dokumente wie Ausschreiben, Propositionen, Abschieden und Deklarationen, sondern vor allem auch aus Vollmachten, Instruktionen, Entwürfen, Resolutionen, Korrespondenzen, Berichten, Supplikationen, Bedenken, inoffiziellen protokollarischen Aufzeichnungen und offiziellen Protokollen der verschiedenen Reichstagsgremien, die als Originale und bzw. oder als Abschriften überliefert sind. Diese beiden Reihen von Reichstagsakten gestatten zugleich einen tieferen Einblick in die Ereignisse auf der kaiserlichen bzw. königlichen und der reichsständischen Seite des Reichstagsgeschehens. Die große Fülle des Materials kann als repräsentativ gelten, weshalb auch auf die nur exemplarische Durchsicht anderer Reichstagsakten in anderen Archiven verzichtet wurde. Infrage gekommen wären insbesondere die auch von den Bearbeitern der Jüngeren Reihe der Deutschen Reichstagsakten benutzten Bestände. Im Mittelpunkt dieser Arbeit stehen somit die Reichstagsakten im engeren Sinne, die in den bei den wichtigsten Kanzleien des Reiches gesammelt wurden. Diese Quellenbasis wurde für einzelne Reichstage durch bereits veröffentlichtes Material erweitert27 : Unentbehrlich für Hartung, Verfassungsgeschichte, S. 11. Oestreich, Arbeitsweise, S. 218 f. 27 Hier werden nur die für das Thema der Arbeit besonders einschlägigen Editionen genannt. Vereinzelt sonst benutztes Quellenmaterial wird in den 25
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1. Der alte deutsche Reichstag
die Regiments-Reichstage zu Beginn der zwanziger Jahre des 16. Jh.s sind die Berichte des kursächsischen Rates Hans von der Planitz aus dem Reichsregiment in Nürnberg von 1521 bis 152328• Dasselbe gilt für Förstemanns Urkundenbuch29 und Herbert Grundmanns Edition des Protokolls von Valentin von Tetleben zum Augsburger Reichstag von 15303°, solange die Reichstagsakten selbst noch nicht ediert vorliegen. Besonders wertvoll für den Augsburger Reichstag von 1555 sind mangels einer Aktenpublikation das Protokoll der Reichsstädte 31 und das Reichstagsprotokoll des kaiserlichen Kommissars Felix Hornung 32 • Mit Gewinn zu benutzen waren für den ganzen Zeitraum die fünf Bände der Politischen Correspondenz der Stadt Straßburg im Reformationszeitalter33• Für die Reichstagsabschiede wurde stets die 1747 bei Ernst August Koch in Mainz erschienene "Neue vollständigere sammlung" herangezogen 34• Schließlich ist hier als eine der wichtigsten Quellen, die Anmerkungen mit allen bibliographischen Angaben zitiert. Allgemein hingewiesen sei hier auf die Quellensammlungen von Druffel/ Brandi, Gross / Lacroix und Zeumer: Beiträge zur Reichsgeschichte, bearb. v. August v. Druffel, Bd. 1: 1546 -1551, Bd. 2: 1552, Bd. 3: 1546 -1552, Bd. 4: 1553 -1555, ergänzt und bearb. v. Karl Brandi, München 1873, 1880, 1882, 1896. - Urkunden und Aktenstücke des Reichsarchivs Wien zur reichsrechtlichen Stellung des Burgundischen Kreises, Bd. 1, unter Mitwirkung von Robert v. Lacroix bearb. v. Lothar Gross, Bd. 2, bearb. v. Lothar Gross und Robert Lacroix, Wien 1944, 1945. - Quellensammlung zur Geschichte der deutschen Reichsverfassung in Mittelalter und Neuzeit, bearb. v. Karl Zeumer, 2. Bd., 2. Auflage, Tübingen 1913 (NDr. Darmstadt 1954). 28 Des Kursächsischen Rathes Hans von der Planitz Berichte aus dem Reichsregiment in Nürnberg 1521 -1523, gesammelt von Ernst Wülcker, nebst ergänzenden Aktenstücken bearb. v. Hans Virck, Leipzig 1899. 28 Karl Eduard Förstemann (Hg.), Urkundenbuch zu der Geschichte des Reichstages zu Augsburg im Jahre 1530. Nach den Originalen und nach gleichzeitigen Handschriften hg., Bd. 1: Von dem Ausgange des kaiserlichen Ausschreibens bis zur Übergabe der Augsburgischen Confession, Halle 1833, Bd. 2: Von der Übergabe der Augsburgischen Confession bis zu dem Schlusse des Reichstages, Halle 1835. 80 Herbert Grundmann (Hg.), Valentin von Tetleben, Protokoll des Augsburger Reichstages 1530, Gütersloh 1958 (= SVRG 177), gleichzeitig erschienen als Schrift 4 der Schriftenreihe der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Göttingen 1958. 81 Walter Friedensburg (Hg.), Das Protokoll der auf dem Augsburger Reichstag von 1555 versammelten Vertreter der Reichsstädte, ARG 34, 1937, S. 36 - 86. 82 Heinrich Lutz und Alfred Kohler (Hg.), Das Reichstagsprotokoll des kaiserlichen Kommissars Felix Hornung vom Augsburger Reichstag 1555, mit einem Anhang: Die Denkschrift des Reichsvizekanzlers Georg Sigmund SeId für den Augsburger Reichstag, Wien 1971. 88 Politische Correspondenz der Stadt Strassburg im Zeitalter der Reformation, 1. Bd.: 1517 -1530, bearb. v. Hans Virck, 2. Bd.: 1531-1539, bearb. v. Otto Winckelmann, 3. Bd.: 1540 - 1545, bearb. v. Otto Winckelmann, 4. Bd. (in 2 Halbbänden): 1546 - 1549, bearb. v. Harry Gerber, 5. Bd.: 1550 -1555, bearb. v. Walter Friedensburg, Straßburg 1882, 1887, 1898, Heidelberg 1931, 1933, 1928. 84 Neue und vollständigere sammlung der reichs abschiede, welche von den
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Auskunft über Arbeitsweisen der Reichstage gibt, der "Ausführliche Bericht, wie es uff Reichstägen pflegt gehalten zu werden" zu erwähnen, den Karl Rauch in seiner Edition aus dem Jahre 1905 einen "Traktat über den Reichstag im 16. Jahrhundert" nennt und als "offiziöse Darstellung aus der Kurmainzischen Kanzlei" bezeichnet36 • Von dieser höchstwahrscheinlich 1569 verfaßten Beschreibung des Zustandes und der Gepflogenheiten auf den Reichstagen wird wohl auch in Zukunft jede Beschäftigung mit Geschäftsordnungsfragen des frühneuzeitlichen deutschen Reichstages des 16. Jh.s ausgehen können, freilich - wie sich zeigen wird - mit teilweise erheblichen Vorbehalten 36 •
zeiten kaiser Konrads 11. bis jetzo auf den Teutschen reichs-tägen abgefasst worden, samt den wichtigsten reichsschlüssen, so auf dem noch fürwährenden reichstage zur richtigkeit gekommen sind, 4 Teile in 2 Bänden, Frankfurt a. M. bei Ernst August Koch 1747. 3& Traktat über den Reichstag im 16. Jahrhundert. Eine offiziöse Darstellung aus der Kurmainzischen Kanzlei, hg. und erläutert von Karl Rauch, Weimar 1905. 38 Zur Kontroverse zwischen Karl Rauch und Fritz Hartung vgl. Fritz Hartung, Zum Traktat über den Reichstag im 16. Jahrundert, MIöG 29, 1908, S. 326 - 338, und Karl Rauch, Zum Traktat über den Reichstag im 16. Jahrhundert, MIÖG 30, 1909, S. 510 - 524. Siehe ferner Schubert, Reichstage, S. 243 - 262, und Oestreich, Arbeitsweise, S. 219 mit Anm. 6. Neuerdings dazu auch Rosemarie Vocelka, S. 10 -18.
2. Der Reichstag in der Zeit Karls V. 2.1. Zur Definition des Reichstages überschaut man die bisher erschienenen Bände der Deutschen Reichstagsakten und andere Quellenpublikationen zur Reichsverfassungsgeschichte des 16. Jh.s, so finden sich darin Akten zu sehr verschiedenen "Tagen", deren systematischer Ort in der Reichsverfassung nicht immer leicht zu bestimmen ist. Ihre Bezeichnungen machen "die ganze Fülle von Möglichkeiten und Ausdrucksformen" deutlich, "die der Staat des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit in sich schloß"1. Wahl-, Münz-, Visitations- und Moderationstage waren von ihrer Aufgabenstellung her eindeutig charakterisiert, Kurfürsten-, Fürsten-, Städte- und Grafentage von ihrer Bestimmung für einzelne Stände her; Kreis- und Landtage waren an eine geographische Zuordnung gebunden, Regimentstage als vom Reichsregiment veranstaltete Reichstage zu verstehen, die sich allerdings in ihrer Organisation von den "normalen" Reichstagen unterschieden; Deputationstage hatten seit der zweiten Hälfte des 16. Jh.s die Aufgabe, den Reichstag zu entlasten und zwischen den Reichsversammlungen Reichsgeschäfte nach Maßgabe der Reichsexekutionsordnung von 1555 und der Ergänzungen von 1570 zu erledigen2 • Sehr viel schwieriger als diese "Tage" lassen sich Versammlungen auf Reichsebene einordnen, deren Funktionsbestimmung und Zusammensetzung nicht eindeutig und wechselnd waren. Dazu gehören neben anderen die Tage von Worms (1535)3 und Hagenau/Worms (1540)4, auf denen sich in Religionsgesprächen die Konfessionen über alle Streitpunkte einigen sollten, der Ulmer Tag von 1547 5, auf dem Karl V. ausgewählten Reichsständen seine Bundespläne vortragen ließ, und der Passauer Tag von 1552, der mit dem Passauer Vertrag als der Reichstage, S. 24. RA III, 1555, §§ 65 ff., S. 27 ff.; RA III, 1570, § 14 ff., S. 289 - 293. 8 Siehe das Folgende. 4 Vgl. Reinhold Moses, Die Religionsverhandlungen zu Hagenau und Worms 1540 und 1541, Jena 1889, und Walter Lipgens, Theologischer Standort fürstlicher Räte im sechzehnten Jahrhundert, neue Quellen zum Wormser Vergleichungsgespräch 1540/41, ARG 43, 1952, S. 28 - 5I. 6 Vgl. O. A. Hecker, Karls V. Plan zur Gründung eines Reichsbundes. Ursprung und erste Versuche bis zum Ausgang des Ulmer Tages (1547), Leipzig 1906, Fritz Hartung, Karl V. und die deutschen Reichsstände von 1546 - 1555, Halle 1910 (NDr., hg. v. Gerhard Oestreich, Darmstadt 1971), Martti Salomies, Die Pläne Kaiser Karls V. für eine Reichsreform mit Hilfe eines allgemeinen Bundes, Helsinki 1953, Rabe, Reichsbund, S. 134 - 176. 1
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Schubert,
2.1. Zur Definition des Reichstages
23
wichtigsten Voraussetzung für den Augsburger Religionsfrieden von 1555 endete6 • Sieht man von den Landtagen ab, die hier nur als Beispiel einer Gruppe von Ständeversammlungen genannt sind, in denen das Reich als verfassungspolitische Größe keine bedeutende Rolle spielte7 , so ist allen genannten "Tagen" gemeinsam, daß sie auf überregionaler Ebene stattfanden; ihr Teilnehmerkreis rekrutierte sich aus Reichsständen, zu denen insbesondere bei Fürsten-, Städte- und Grafentagen auch Reichsmittelbare kamen; ihre Aufgabenstellung war in der Regel auf das Reich ausgerichtet, ihre Zusammenkunft galt Reichsangelegenheiten. Dennoch waren sie keine Reichstage und wurden auch nicht als solche bezeichnet. Eine Ausnahme macht lediglich ein anderer Tag zu Worms, dessen Abschied vom 25. 4. 1535 datiert und der sich mit den Widertäufern in Münster beschäftigt hatte. In der Kochschen Sammlung der Reichsabschiede von 1747 ist er als "Abschied zu Wormbs, gegen die Widertäuffer zu Münster in Westphalen, Anno 1535 aufgericht" verzeichnet und wird in den Seitenüberschriften als Reichstag bezeichnet8 • Auch die Behelfe zu den Reichstagsakten des Mainzer Erzkanzler-Archivs weisen ihn als solchen aus 9, in den Akten selbst aber ist von der "Handlung" zu Worms in der Münsterschen Sache die Rede 10 oder vom "Tag gen Wormbs"l1, und der Abschied ist ein "Abschied des Versamblungstags gemeiner des heiligen Reichs stende Botschaften und Rethe zu Wormbs"12. Im Ausschreiben Ferdinands wurden zu diesem Tag "die Stende berurter kreyß", aber auch "andern des heyligen Reichs stenden und verwanten des frenkischen Kreyß" eingeladen13. Diese Belege aber machen nur deutlich, daß dieser Wormser Tag offenbar eine Sonderstellung einnahm14, denn in den Ausschreiben zu den 8 Vgl. Karl Brandi, Passauer Vertrag und Augsburger Religionsfriede, HZ 95, 1905, S. 206 - 264, Walter Kühns, Geschichte des Passauischen Vertrages 1552, Göttingen 1906. 7 Vgl. dazu etwa den von Dietrich Gerhard hg. Sammelband "Ständische Vertretungen in Europa im 17. und 18. Jahrhundert, Göttingen 1969 (= Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte, Bd. 27). 8 RA II, S. 407 - 419. 9 Vgl. Aufschrüt MEA RTA 6c. 10 MEA RTA 6c, 1 Bd. Worms 1535, fol. 16r • 11 MEA RTA 6c, 1 Bd. Worms 1535, fol. 54 r • 12 MEA RTA 6c, 1 Bd. Worms 1535, fol. 254 r • 13 MEA RTA 6c, 1 Bd. Worms 1535, fol. 55 v , 56 r • 14 Vgl. Ludwig Petry, Zur Bedeutung von Worms als Reichstagsstadt, in: Der Reichstag zu Worms von 1521. Reichspolitik und Luthersache, hg. v. Fritz Reuter, Worms 1971, S. 1 - 14, insbes. S. 10 f. Petry spricht von einer Wormser Reichsversammlung von 1535 und sieht sie als "Bindeglied in der damaligen Abfolge von Reichskreistagen" (S. 10). Daß es ein RT-Projekt in den Jahren 1534 - 35 gegeben hat, geht aus Briefen und Akten hervor: RK RTA 5, eIl - 4.
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2. Der Reichstag in der Zeit Karls V.
Reichstagen der Zeit Karls V. wird stets zu einem "gemainen Reichstag" aufgefordert oder es erscheint doch zumindest regelmäßig das Wort "Reichstag"15. In einem Brief vom 14.9.1540 aus Brüssel machte Karl V. selbst einen Unterschied zwischen einem "andere[n] Tag" und einem "gemainen Reichstag"16. Seine Proposition zum Regensburger Reichstag von 1541 erwähnt den "jüngste[n] Reichstag alhie zu Regenspurg im nechstverschinen zwayunddreyssigsten Jarr"17, woraus zu schließen ist, daß nach Meinung des Kaisers zwischen 1532 und 1541 keine Reichstage stattgefunden haben18 . Genauso ist zu fragen, ob der Regensburger Reichstag von 1527, dessen Abschied vom 18. 5. 1527 in die Sammlung der Reichsabschiede aufgenommen wurde19, tatsächlich die Bezeichnung "Reichstag" verdient, die auch in allen Akten gebraucht wird20 . J. Kühn hat davon gesprochen, daß "die beiden Regensburger Reichstage von 1527 und 1528 [...] beinahe nur aus ihrer Vorgeschichte bestehen"21; außerdem sind die besonderen Bedingungen von Regimentsreichstagen zu berücksichtigen. Von seiner Planung und ganzen Anlage her sollte 1527 ein Reichstag stattfinden22 , aber die Beteiligung der Reichsstände war zu 15 Vgl. etwa RT-Ausschreiben vom 1. 11. 1520 (RTA jg. Rh. 2, Nr. 2, S. 137), Ausschreiben des Regiments vom 5.9. 1523 (RTA jg. Rh. 4, Nr. 14, S. 38), Ausschreiben vom 3. 11. 1528 (RK RTA 3, D 13 ; RTA jg. Rh. 7, 2, Nr. 70, S. 1073 - 1075), vom 1. 7. 1531 und 8.10.1531 (MEA RTA 6a, 1 Bd. Reichstag Regensburg, fol. 60", 61"), vom 3.7.1547 (RK RTA 21, I 1), vom 13.3.1550 (RK RTA 23, 2); in einem Ausschreiben vom 2.3. 1528 heißt es "Reychsversamlung" (RK RTA 3, CI). 18 RK RTA 6, I 1, fol. 2", v. 17 MEA RTA 7, 1 Bd. Handlung zu Regensburg 1541, fol. 59 v , 60". 18 Aus dem Sprachgebrauch der Proposition ergibt sich, daß Kar! V. 1541 den zuletzt gehaltenen Reichstag überhaupt und nicht den letzten Regensburger Reichstag meinte, die in diesem Fall als Reichstag des Jahres 1532 identisch sind. In der Proposition von 1532 sprach er vom "jüngsten Reichstag zu Augspurg" und meinte den Konfessions-Reichstag von 1530 (West ermann, 1532, Beilage I, S. 173). 1529 in Speyer verwies die Proposition auf den "abschid jungst zu Regenspurg" vom 18.5. 1527, der auf dem sehr kurzen "Reichstag" von 1527 erarbeitet worden war und der auch in der Sammlung der Reichsabschiede enthalten ist: RA H, S. 284 - 289 (vgl. RTA jg. Rh. 7, 2, Beilage Nr. 104, S. 1129, 1132). Dieselbe Proposition erwähnt auch den Abschied des bedeutenden Speyrer Reichstages v. 1526, stellt aber in der Formulierung "in des reichs abschid zu Speir" keine Beziehung zum Speyrer Reichstag von 1529 her (RTA jg. Rh. 7, 2, Beilage Nr. 104, S. 1134). 11 RA H, S. 284 - 289. 20 Dieselbe Frage ist hinsichtlich eines Augsburger "Reichstages" von 1526 (RA H, S. 269 - 272) mit Abschied vom 9. 1. 1526 und eines "Reichstages" zu Eßlingen im gleichen Jahr (RA H, S. 281 - 284) mit Abschied vom 21. 12. 1526 zu stellen. Umgekehrt ist in die "Neue und vollständigere sammlung der reichs-abschiede" für den 2. Nürnberger Regiments-Reichstag von 1522/23 kein Abschied aufgenommen worden. 21 RTA jg. Rh. 7, 1, S. 1. Die eigentlichen "Reichstags"-Akten zu 1527 ebd. S. 55 - 77, zu 1528 ebd. S. 160 - 229. !2 RTA jg. Rh. 7, 1, S. 61 ff.
2.1. Zur Definition des Reichstages
25
gering, um Reichstagsberatungen in Gang zu setzen, die in wichtigen Dingen fruchtbare Beschlüsse herbeiführten23 • Einen Reichsabschied eines Regensburger Reichstags von 1528 verzeichnet die Kochsche Sammlung dagegen nicht. Er war zwar als solcher am 6.11. 1527 vom Regiment aus Speyer ordnungsgemäß ausgeschrieben worden und sollte am 1. 3. 1528 beginnen24 , wurde aber am 16.4. 1528 durch Kar! V. abgesagt25 , nachdem Erzherzog Ferdinand am 3.2.1528 darum gebeten hatte26 • Aus der Tatsache, daß Ende des 15. Jh.s in der Reichsreform-Periode unter Berthold von Henneberg, als sich die Institution "Reichstag" verfestigte, der Begriff "Reichstag" zum "endgültige[n] deutsche[n] Terminus" wurde 27, gewinnt man allerdings noch keine Klarheit über die Kriterien, die eine reichs ständische Versammlung zu einem Reichstag machten28 • Otto Brunner hat in seinem Bemühen um eine quellenmäßige Begriffssprache vom Reichstag als dem Ständeparlament in der frühen Neuzeit gesprochen, das sich durch seine Zusammensetzung auszeichnete; denn seine Mitglieder waren "die führenden Reichsstände, Kurfürsten und Fürsten, waren Territorialherren, die in ihren Ländern selbst eine staatliche Organisation aufgebaut hatten, Herren von Untertanen mit eigener Außenpolitik, in deren inneres Leben das Reich nur ausnahmsweise eingreifen konnte"29. Diese Beschreibung des Teilnehmerkreises, der um reichsunmittelbare Grafen und Prälaten und die Reichsstädte zu ergänzen ist, macht Reichsstandschaft zu einem Kriterium für die Definition der Institution "Reichstag" und unterschiedet das frühneuzeitliche Ständeparlament grundlegend vom modernen ReRTA jg. Rh. 7, 1, S. 73. RTA jg. Rh. 7, 2, Nr. 27, S. 1010 f. 25 RTA jg. Rh. 7, 2, Nr. 52, S. 1035. 26 RTA jg. Rh. 7, 1, S. 185. 27 Irmgard Höß, Parlamentum. Zur Verwendung des Begriffes im Sprachgebrauch der spätmittelalterlichen Reichskanzlei, in: Historische Forschungen. Für Walter Schlesinger, hg. v. Helmut Beumann, Köln, Wien 1974, S. 570 - 583, hier S. 582. 28 Der Vf. hofft, dazu demnächst Stellung nehmen und dabei auch unter Berücksichtigung nicht nur der gedruckten Quellen und der Literatur, sondern auch des archivalischen Materials, die Fragen um den Wormser Tag von 1535 klären zu können. Besondere Beachtung verdienen daneben die erwähnten "Reichstage" von Augsburg, Eßlingen und Regensburg (1526 und 1527) und die Regiments-Reichstage insgesamt. 29 Otto Brunner, Kaiser und Reich im Zeitalter der Habsburger und Luxemburger, in: Deutsche Geschichte im Überblick, hg. v. Peter Rassow, 3., überarbeitete und ergänzte Auflage, hg. v. Theodor Schieffer, Stuttgart 1973, S. 211 - 252, hier S. 245. Fritz Hartung, Verfassungsgeschichte, S. 11, spricht vom Reichstag als einer "Organisation der neuen territorialen Gewalten im Reiche". 23
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26
2. Der Reichstag in der Zeit Karls V.
präsentativparlament3o • Der Reichstag des 16. Jh.s war keine Vertre~ tung des Reiches oder gar eine Volksvertretung, sondern ein Organ ständischer Interessengruppen, in denen sich bis auf die Reichsritter~ schaft, die an der Wende vom 15. zum 16. Jh. aus dem Kreis der Teilnehmer ausgeschieden war, jeder Reichsstand selbst vertrat. So gehörten die Kurfürsten immer zum Reichstag, keiner konnte abgewählt werden; wer Reichsfürst war, hatte Sitz und Stimme auf den Reichstagen. Nur bei den Grafen und Prälaten war es anders: nicht jeder Graf und Prälat hatte Stimmrecht, sondern alle Reichsgrafen hatten zusammen nur zwei Kuriatsstimmen, alle Reichsprälaten nur eine Stimme31 • Die Führer der Stimmen wurden aus den Reihen der Grafen und Prälaten, d. h. von ihrem Stand gewählt. Dabei hat es sich nicht um eine Wahl im modernen demokratischen Sinne gehandelt, sondern der einflußreichste und in der Regel wohl auch der fähigste Mann wurde mit der Führung der Kuriatsstimme beauftragt32 • Es war aber keineswegs unumstritten, wer über Rechte und Pflichten eines Reichsstandes verfügte, wie eine Reihe von Supplikationen zeigt, die die Reichstage oft längere Zeit beschäftigten33 • Nie geklärt wurde die verfassungsrechtliche Frage nach der Beschlußfähigkeit versammelter Reichsstände als Reichstag und damit die Fragen, ob bestimmte Reichsstände, ob eine Mindestzahl von Reichsständen oder ob eine Mindestzahl unter Einschluß besonders wichtiger Reichsstände beraten mußte, wenn ihre Versammlung ein Reichstag sein sollte. Aus den Quellen ergibt sich, daß ein Reichstag formell erst eröffnet wurde, wenn nach allgemeiner Auffassung die Stände ausreichend vertreten waren. Das war in der Regel der Fall, wenn die meisten Kurfürsten und die wichtigsten 30 Buchda, Reichsstände, S. 214, 218, 225, 226 - 228. Zum Begriff der Repräsentation jetzt: Hasso Hofmann, Repräsentation. Studien zur Wort- und Begriffsgeschichte von der Antike bis ins 19. Jahrhundert, Berlin, München 1974 (= Schriften zur Verfassungsgeschichte, Bd. 22). 31 Vgl. dazu: Waldemar Domke, Die Virilstimmen im Reichsfürstenrat von 1495 bis 1654, Breslau 1882. 32 Ein Blick auf die personellen Besetzungslisten von Ausschüssen der Reichstage zeigt, daß die Reichsgrafen sehr oft vom Grafen von Wertheim, die Reichsprälaten vom Abt von Weingarten oder Räten der Grafen und Prälaten vertreten wurden. Vertreter der Reichsstädte waren immer wieder dieselben Städteboten derselben Städte. Mit Recht hat Kalkoff, 1521, S. 19, dazu gesagt: "Zugleich beweist das regelmäßige Hervortreten dieser Männer, [...] über wie wenige leistungsfähige Personen man auch im Kreise der Städteboten verfügte. Dasselbe galt von den Fürsten, so daß die Hauptlast der Arbeit auf den Schultern der juristisch und politisch geschulten höheren Beamten ruhte. Aber auch diese waren daher nicht imstande, bei der kurzen Dauer des Reichstages allen Anforderungen zu genügen und im besonderen zu gleicher Zeit mehrere arbeitsfähige Ausschüsse zu besetzen." Zur Vertretung der Reichsstände auf den Reichstagen des 16. Jh.s und über den Zusammenhang von Information, Interesse und Kompetenz und Reichstagsarbeit und Reichstagspolitik plant der Vf. eine eigene Studie. 33 Siehe Kap. 3.2.2.3.2.
2.1. Zur Definition des Reichstages
27
Reichsfürsten anwesend waren. So galt beispielsweise der Speyrer Reichstag von 1526 nach dem Erscheinen der drei rheinischen Kurfürsten als gesichert34 • Mit diesen Fragen eng verbunden ist das Problem der Gültigkeit von Reichsabschieden und ihrer Verbindlichkeit auch für die Teilnehmer, die bei der Beschlußfassung überstimmt worden waren oder die an der Abstimmung gar nicht teilgenommen hatten. Zwar war die Anerkennung von Mehrheitsbeschlüssen reichsrechtlich festgelegt worden35 , aber mangels eines starken Reichsexekutionsorgans war damit die Durchsetzung noch keineswegs gewährleistet. Den Anspruch, ein Reichstag zu sein, konnte nur die Versammlung von Reichsständen erheben, bei der gleichzeitig Kaiser oder König bzw. von ihnen beauftragte Kommissare anwesend waren 36 • Das Recht zur Einberufung eines Reichstages hatte allein der Kaiser, vom 16. Jh. an sollte es allerdings "mit Wissen und Raht der Churfürsten beschehen"37, wie es auch in den Wahlkapitulationen festgelegt wurde. So heißt es in der Wahlkapitulation Karls V. von 1519, daß der Kaiser u. a. die Kurfüsten und Stände "mit den Reichstegen [... ] unnottuTftiglich und on redlich, tapfer ursach nit beladen, noch besweren, auch in zuegelassen notturftigen fellen die [...] reichsteg on wissen und willen der sechs churfursten, wie obgemelt darzue erfordert, nit ansetzen, noch ausschreiben und sonderlich keinen reichstag ausserhalb des reichs Deutscher nation furnemen oder ausschreiben" sollte38 • Nach der Einigung über die Abhaltung eines Reichstages zwischen Kaiser und Kurfürsten39 34 Friedensburg, 1526, S. 199. 1526 in Augsburg und in Eßlingen und 1527 und 1528 in Regensburg kamen Reichstage mangels Beteiligung der Reichsstände nicht zustande. Die Gründe für die Verzögerungen des ReichstagsBeginns - bis auf den Reichstag von 1547/58 begann in der Zeit Karls V. keine Reichsversammlung an dem Tag, der in dem Ausschreiben festgesetzt war - waren formal-organisatorischer, inhaltlich-politischer oder privatpersönlicher Art. 35 So z. B. im Freiburger Reichsabschied von 1498: "wes sy auch also ratschlagen, handeln oder beschließen, das soll kräfftig, würdig und bestendig sein, auch die Jhenen, so, wie obberürt, nit erschinen weren, in allermaß binden, als weren sy gegenwürtig gewest, und hetten sollichs helffen handeln und beschließen" (RA II, § 59, S. 52). Im Reichsabschied von 1512 und häufiger zu Beginn des 16. Jahrhunderts heißt es ähnlich: "Und was dieselbe, so erschienen seynd, oder der mehrer Theil aus ihnen, auff die Pflicht derhalben aufgericht, obberührter massen, endlich berathschlagen und beschliessen werden, dem soll von allen Ständen gefolgt, nachkommen und vollstreckt werden, ohn alle Widerred oder Weigerung" (RA II, § 7, S. 138). 38 1528 mußte der geplante Reichstag wegen der fehlenden kaiserlichen Zustimmung abgesagt werden (Kühn, 1529, S. 21 f.), 1529 ließ Ferdinand den Reichstag zu Speyer ohne kaiserliche Bewilligung ansetzen: Kühn, 1529, S. 25. 87 Traktat, S. 44; Buchda, Reichsstände, S. 221, hat betont, daß den Reichsständen nicht erlaubt war, sich selbständig zu einem Reichstag zu versammeln. 38 RTA jg. Rh. 1, S. 870. 39 Exemplarisch sind die Verhandlungen vor dem Wormser Reichstag von
28
2.2. Organisationsstruktur und Arbeitsweise
wurde er mit kaiserlichem Ausschreiben einberufen40 • Der verfassungsrechtlichen Bedeutung des Kaisers bei der Einladung zu einem Reichstag entspricht die bei der Abfassung des Abschiedes, der als Vertrag mit reichs rechtlicher Wirkung zwischen den Reichsständen und ihm zu verstehen ist. Ein drittes Kriterium für die Definition einer reichs ständischen Versammlung in Anwesenheit des Kaisers oder kaiserlicher Vertreter als Reichstag des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation hat sich an den Verhandlungsgegenständen zu orientieren. Ein Reichstag wurde nach dem "Traktat" von 1569 "auß vorfallenden wichtigen Reichsgeschöfften [...] außgeschrieben"41. Diese betrafen in erster Linie überblickt man kaiserliche Ausschreiben und Reichstagspropositionen - auf den Versammlungen der Zeit Karls V. die Problemkreise: kirchliche Reformation und Konfessionsstreit, Landfrieden und Reichsexekution, Türkengefahr, Reichskammergericht, Reichsanschläge, Münze, Zoll, Monopolien, Verhältnis zu den Eidgenossen. Neben diese Epochenthemen traten weniger umfangreiche Gegenstände, die für das Reich von Bedeutung waren. Aber die Reichstage hatten sich - wie bei der Behandlung der Supplikationen zu zeigen sein wird - auch mit Angelegenheiten zu befassen, die von nur regionaler oder privater Bedeutung waren, nicht selten Rechtsstreitigkeiten, in denen der Reichstag als oberste Instanz angesehen wurde.
2.2. Organisationsstruktur und Arbeitsweise Die Proposition am Anfang eines jeden Reichstages war grundsätzlich eine Angelegenheit des Kaisers allein, auch wenn in den vorausgegangenen Verhandlungen mit den Kurfürsten um die Ansetzung eines Reichstages über die Beratungsgegenstände gesprochen worden war. Dieses Recht blieb nicht unumstritten, denn 1526 in Speyer kam es zu Auseinandersetzungent, und in der zweiten Hälfte des 16. Jh.s entstanden scharfe Kontroversen um die Propositionsinhalte, aber "im Prinzip vermochten die Kaiser bis über die Mitte des 17. Jahrhunderts hinaus daran festzuhalten, nicht nur die Verhandlungsgegenstände, sondern auch die Reihenfolge" allein zu bestimmen2 • Nach der Verlesung trat der 1521, die sich vom 5.9. bis 1. 11. 1520 erstreckten. Den Gang der Verhandlungen verdeutlichen die Dokumente der RTA jg. Rh. 2, S. 132 -136. Später einigte man sich oft während eines Reichstages auf Zeit und Ort für den nächsten. 40 Solche Ausschreibungen liegen als Handschreiben an die Kurfürsten und als gedruckte Formulare an die übrigen Reichsstände in großer Zahl vor. 41 Traktat, S. 44; vgl. Buchda, Reichsstände, S. 231 - 234. 1 2
Kühn, 1529, S. 59. Schubert, Reichstage,
S. 84.
bis zum Augsburger Reichstag von 1547/48
29
Reichstag in die mit der Proposition gegebene Tagesordnung ein. Diese Beratungen fanden hauptsächlich auf drei Ebenen statt, die untereinander vielfältig verbunden waren, so daß sich uns die Ständeversammlung des Reiches als ein kompliziertes System von verschiedenartigen Einrichtungen darstellt. (Siehe Beilage Nr. 1.) Die erste Ebene bildeten die drei traditionellen Reichstagskollegien, der Kurfürsten-, der Fürsten- und der Reichsstädterat3, letzterer vor allem seitens der Kurfürsten nicht unumstritten, aber seit 1489 doch regelmäßig vertreten. Im Re- und Correlationsverfahren wurden die Beratungsergebnisse der einzelnen Kollegien zu Verhandlungsgegenständen zwischen ihnen, wobei die Kurfürsten auf ihre besondere Stellung Wert legten und die Reichsstädte stets um ihr Mitberatungsrecht kämpfen mußten. Hatten sich die drei Kollegien oder doch zumindest Kurfürsten- und Fürstenrat geeinigt, mußte dieses Verhandlungsergebnis mit dem Kaiser oder seinen Vertretern abgestimmt werden. Die Verhandlungen auf dieser zweiten Ebene waren oft noch schwieriger und langwieriger, bevor ihr Ergebnis in den Reichsabschied eingehen und Gesetzeskraft erhalten konnte. Die Hauptarbeit aber wurde auf einer dritten Ebene geleistet, die unter den drei Kollegien lag und die bisher viel zu wenig beachtet worden ist.
2.2.1. Interkuriale Große Ausschüsse bis zum Augsburger Reichstag von 1547/48 Im Folgenden wenden wir uns deshalb allein dieser Ebene zu, deren Erforschung nicht nur ein Beitrag für eine große zusammenfassende Organisationsgeschichte des frühneuzeitlichen Reichstages ist, sondern zugleich neue Aspekte für die Beschäftigung mit dem Ständewesen überhaupt liefert4 • Dabei soll nicht nur die Bedeutung der Ausschüsse im Zusammenhang mit den Kurien "für die Abwicklung der Geschäfte" deutlich gemacht, sondern zugleich der These F. H. Schuberts widersprochen werden, Reichstagsausschüsse hätten "nur akzidentiellen Cha3 Zum Kurfürstenrat jetzt grundlegend: Winfried Becker, Der Kurfürstenrat. Grundzüge seiner Entwicklung in der Reichsverfassung und seine Stellung auf dem Westfälischen Friedenskongreß, Münster 1973. - Entsprechende Gesamtdarstellungen für den Fürstenrat und den Reichsstädterat fehlen bisher. 4 Für Organisation, Ablauf und Arbeitsweise des Reichstages auf allen Beratungs- und Verhandlungsebenen sei verwiesen auf Oestreich, Arbeitsweise, S. 220 - 243, Schubert, Reichstage, S. 57 - 87, 243 - 260, wo der Ablauf eines Reichstages modellartig anhand des Traktates erläutert wird, und Buchda, Reichsstände, S. 235 - 238. Von der älteren Literatur besonders informativ und exemplarisch für einen Reichstag: Kühn, 1529, passim, mit "Übersicht über die Sitzungen des Reichstags und der Städte" (S. 265 - 267).
2.2. Organisationsstruktur und Arbeitsweise
30
rakter" gehabt 5 • G. Oestreich hat sich erstmals etwas umfassender als bisher geschehen mit der "Substruktur der Ausschüsse" auf den Reichstagen der Zeit Karls V. beschäftigt6 und damit der Forschung im Sinne Hartungs durch "andere Fragen"7 neue Impulse gegeben. Seine Definition der Ausschüsse als "Organe des Reichstags, die zu Beginn oder während des Reichstags gebildet wurden und in sehr verschiedenen Formen gewählte Vertreter der Kurien für bestimmte Geschäfte vereinigten"8, umfaßt zwei Arten von Ausschüssen: 1. Ausschüsse der drei Kollegien - Oestreich bezeichnet sie als "innerkurial" - und 2. Ausschüsse, die er als "interkurial" näher charakterisiert, weil ihre Mitglieder aus den drei Kollegien entsandt wurden9 • Seine ganze Aufmerksamkeit wendet er mit Recht der zweiten Gruppe zu, da die innerkurialen Ausschüsse "das ständische Kurien-Prinzip des Reichstages nicht berührten", mit den interkurialen Ausschüssen aber das "strenge Prinzip der Kurienverfassung" angegriffen wurde 10 • Die innerkurialen Ausschüsse wurden von den Kollegien selbst eingesetzt, um Stellungnahmen zu Einzelfragen auszuarbeiten, die Beratungen zu intensivieren und im Sinne einer schnelleren Behandlung der Propositionspunkte die Beschlüsse vorzubereiten, die dann im Re- und Correlationsverfahren mit den anderen Kollegien zu einer gesamt-reichsständischen Antwort an den Kaiser beitragen sollten. Diese Gremien waren insbesondere für die mitgliederstarke Reichsfürsten-Kurie und das reichsstädtische Kollegium von Bedeutung, während sie von den Kurfürsten relativ selten gebildet wurden l l • Ihnen kam eine besondere Bedeutung in den Phasen der Reichstagsberatungen zu, in denen es noch keinen großen interkurialen Ausschuß gab 12 • In den interkurialen Ausschüssen saßen die Stände aller drei Kurien an einem Tisch und verhandelten die anstehenden Fragen im direkten Meinungsaustausch13 , womit die getrennten Beratungen in den Kollegien zwar nicht völlig ausgeschlossen wurden, aber doch an Bedeutung verloren. 5
Schubert, Reichstage, S. 256; dagegen schon Oestreich, Arbeitsweise,
S.242.
Oestreich, Arbeitsweise, S. 229 - 243, hier S. 242. Hartung, Verfassungsgeschichte, S. 11. 8 Oestreich, Arbeitsweise, S. 230. 9 Zu den Ausschüssen auf Reichstagen vgl. auch Traktat, S. 68 - 78, dessen Darstellung aber verwirrend und zum Teil falsch ist. 10 Oestreich, Arbeitsweise, S. 230. 11 Auf eine genauere Vorstellung dieser Ausschüsse muß hier verzichtet werden. Auf die Bedeutung der Ausschüsse des reichsstädtischen Kollegiums haben vor allem Kühn, 1529, Gerber, 1547/48, und Friedensburg, 1555, hingewiesen. 12 Vgl. Traktat, S. 75 f., der diese innerkurialen Auschüsse "Special-Außschuß" nennt, ferner S. 78 die Bearbeitung von Lehmann. 13 Vgl. Traktat, S. 74 f., S. 76 f. 6
7
bis zum Augsburger Reichstag von 1547/48
31
Den mit der Form der interkurialen Ausschußbildung verbundenen Angriff auf das ständische Prinzip hatte man 1521 in Worms nicht erkannt, denn ohne große Diskussion war es dort zur Bildung des sogenannten Großen Ausschusses und in seiner Folge zur Einrichtung des sogenannten Kleinen Ausschusses und weiterer interkurialer Gremien gekommen14 • Die auf dem ersten Reichstag unter Karl V. entwickelte Arbeitsweise
in Ausschüssen, insbesondere in interkurialen Ausschüssen, war maß-
geblich unter Berthold von Henneberg ausgebildet worden l5 . Auf dem Lindauer Reichstag von 1496/97 16 regte der Mainzer Reformpolitiker die Einrichtung eines Ausschusses an, dem "personen von allen Stennden" angehörten17 und der dann eine rege Tätigkeit entfaltete, aber die Beratungen in den Kurien und im Plenum nicht ersetztel8 . 1521 in Worms wurde das Ausschußsystem so ausgebaut und verfeinert, daß der dritten Ebene der Reichstagsberatungen entscheidende Bedeutung für Erfolg oder Mißerfolg zukam. Im Zentrum stand der interkuriale Große Ausschuß, der als Hauptverhandlungsgremium alle anderen Beratungen koordinierte und in seiner Zusammensetzung den Gesamtreichstag widerspiegelte. Ihm gehörten achtzehn bzw. neunzehn stimmberechtigte Mitglieder an: die sechs Kurfürsten, mit den Bischöfen von Augsburg, Bamberg, Straßburg und Würzburg vier geistliche Reichsfürsten, mit den Herzögen von Bayern und Sachsen und den Markgrafen von Baden und Brandenburg vier weltliche Reichsfürsten, ferner der Abt von Weingarten als Reichsprälat vertreten durch Dr. Heinrich Winckelhofer, die Grafen von Westerburg und Wertheim als Vertreter der Reichsgrafen, Dr. Peutinger für die Reichsstadt Augsburg und Dr. Bock für die Reichsstadt Straßburg. Dazu kamen je 2 kurfürstliche Räte und je 1 Berater für die Reichsfürsten l9 • Man kann gewiß davon sprechen, daß dieser Große Ausschuß in dieser Zusammensetzung ein "Abbild des Reichstages in verkleinertem Maßstabe war"20. Gemäß der Sonderstellung der vom Reichsregiment veranstalteten Reichstage kam es 1522 in Nürnberg nicht zur Bildung eines Großen Ausschusses nach Wormser Vorbild, sondern als HauptverhandlungsSiehe dazu: RTA jg. Rh. 2, S. 131 ff. Allgemein dazu: SchTöckeT, unio, S. 38 ff., 85 ff., 98 ff., 173 ff., 296 ff. 11 Ihm wendet sich SchTöckeT, unio, S. 208 - 252, besonders ausführlich zu. 17 SchTöckeT, unio, S. 215 mit Anm. 5. 18 SchTöckeT, unio, S. 221 f. lU RTA jg. Rh. 2, Nr. 9, S. 161, 162 f.; Kalkoff, 1521, S. 16 - 25; RaineT Wohlfeil, Der Wormser Reichstag von 1521, in: Der Reichstag zu Worms von 1521. Reichspolitik und Luthersache, hg. v. FTitz ReuteT, Worms 1971, S. 59 - 154, hier S. 80 f. Im Folgenden eine Gegenüberstellung der personellen Zusammensetzung des Großen und des Kleinen Ausschusses von 1521: s. S. 32. 14
lS
2.2. Organisationsstruktur und Arbeitsweise
32
gremium wurde ein Ausschuß aus Vertretern der Reichsstände und des Reichsregiments gebildet21 • Dabei ist zu beachten, daß auch die Mitglieder des Reichsregiments im Ausschuß Reichsstände waren, dort aber in anderer Funktion saßen22 • 1522/23 einigten sich die Kurien sehr schnell Großer Ausschuß:
Kleiner Ausschuß:
Kurjürsten: Ebf. v. Mainz Ebf. v. Köln Ebf. v. Trier Pfgf. bei Rhein Hz. v. Sachsen Mkgf. v. Brandenburg
Kurjürsten: Dr. Sebastian Rotenhan Kz. Degenhard Witte Kz. Heinrich Dungin v. Wittlich Kz. Florenz v. Venningen Philipp v. Feilitsch Dr. Wolfgang Ketwig (?)
Reichsjürsten: geistliche
Reichsjürsten: geistliche
Bf. Bf. Bf. Bf.
v. v. v. v.
Augsburg Bamberg Straßburg Würzburg
Kz. Dr. Eitelhans Rechburger Peter v. Aufseß
weltliche
weltliche Hz. Georg v. Sachsen Pfgf. Friedrich Mkgf. Kasimir v. BrandenburgAnsbach Mkgf. Philipp v. Baden
Kz. Wolfgang Offner Kz. Dr. Hieronymus Vehus
Reichsprälaten:
Reichsprälaten:
Abt von Weingarten: Dr. Heinrich Winckelhofer
Dr. Heinrich Winckelhofer
Reichsgrajen:
Reichsgrajen:
Gf. Reinhard v. Leiningen-Westerburg Gf. Georg v. Wertheim
Gf. Bernhard v. Salms
Reichsstädte:
Reichsstädte:
Augsburg: Dr. Peutinger Straßburg: Dr. Bock 19 stimmberechtigte Mitglieder
Straßburg: Dr. Bock
1
13 stimmberechtigte Mitglieder
Im Großen Ausschuß saßen ferner bei jedem Kurfürsten zwei, bei jedem Reichsfürsten ein Berater. 20 Kalkojf, 1521, S. 16, der dieses Urteil aber auf den Kleinen Ausschuß bezog. 21 Planitz, Br. 56, S. 128; RTA jg. Rh. 3, S. 43 mit Anm. 3. 22 über die personellen Verbindungen zwischen Reichsregiment und Reichstagsgremien der zwanziger Jahre des 16. Jh.s fehlen m. E. Untersuchungen.
bis zum Augsburger Reichstag von 1547/48
33
auf die Bildung eines interkurialen Ausschusses 23, der alle zu erörternden Punkte behandeln sollte, seine Ergebnisse den Ständen vorlegen mußte und somit die Hauptarbeit des Reichstages zu leisten hatte24 • Der kursächsische Rat Hans von der Planitz betonte in seinem Brief vom 18. 11. 1522 an Kurfürst Friedrich, daß die Mitglieder dieses Ausschusses "vast alle poß Lutherisch" seien25 • Auf dem dritten Nürnberger Reichstag von 1524 hat es wegen der allgemeinen Regimentsfeindlichkeit zunächst keine Ausschüsse gegeben 26 • Zwischenzeitlich wurde ein Achterausschuß aus Reichsständen und Regimentsvertretern 27 und ein reichs ständischer interkurialer Achterausschuß für Verhandlungen mit dem Reichsregiment gebildet 28, aber es fehlte ein Großer Ausschuß nach Wormser Vorbild, der alle Verhandlungen und Beratungen koordinierte. Vom Speyrer Reichstag von 1526 an wurden mehr oder weniger große Auseinandersetzungen um die Einrichtung interkurialer Ausschüsse zum Kennzeichen der Reichstage. Dabei erwiesen sich die Kurfürsten nach Ausweis eines Protokolls als besonders heftige Ausschußgegner29 • Danach ließen sie zunächst durchaus mit sich reden und waren bereit, mit den Reichsfürsten einen interkurialen Ausschuß zu bilden, der die kaiserliche Instruktion beraten sollte, aber keine Beschlußkompetenz haben durfte, der lediglich Bedenken ausarbeiten und den beiden Kurien vortragen sollte, damit diese dann getrennt entscheiden konnten 3o • Als aber die Reichsstädte um ihre Beteiligung an einem solchen Ausschuß nachsuchten und sich beklagten, gegen altes Herkommen ausgeschlossen worden zu sein, zogen die Kurfürsten ihre Einwilligung zurück, da sie es nicht schuldig zu sein glaubten, jederzeit zu einem interkurialen Ausschuß bereit sein zu müssen31 • In ihrer Sitzung vom Vgl. Redlich, 1522/23, S. 40 ff., passim. Siehe dazu RTA jg. Rh. 3, Register, S. 959, das einen guten Einblick vermittelt. 25 Planitz, Br. 113, S. 248; zur Zusammensetzung Redlich, 1522/23, S. 41. 26 RTA jg. Rh. 4, S. 35 ff., 336 ff. 27 RTA jg. Rh. 4, S. 365 mit Anm. 3. 28 RTA jg. Rh. 4, S. 338. 29 MEA RTA 4d, 1 Bd. Speier 1526, fol. 25 r ff. 30 Friedensburg, 1526, S. 224 f., betont, daß ein Teil der Reichsfürsten, die "Reformfreunde", einen interkurialen Ausschuß gefordert hatte. Die Ausschußfreundlichkeit des Reichsfürstenrates unterstreicht die Konstituierung eines innerkurialen Ausschusses, als die Kurfürsten ihre ablehnende Haltung einnahmen. Ihm gehörten je vier geistliche und weltliche Fürsten an, vgl. Friedensburg, 1526, S. 272 ff. Bezeichnenderweise fehlten in diesem Ausschuß bei den geistlichen Mitgliedern der Vertreter des progressiven Bischofs von Augsburg, Dr. Konrad Rast, und bei den weltlichen Fürsten der entschieden römisch-kurial gesonnene Christoph von Schwarzenberg als Vertreter des Herzogs Wilhelm von Bayern. 31 MEA RTA 4d, 1 Bd. Speier 1526, fol. 34 r , v. 23
24
3 Neuhaus
34
2.2. Organisations struktur und Arbeitsweise
19.7. 1526 konkretisierten sie ihre Gründe: da auf Reichstagen allein wichtig und entscheidend wäre, was die Kurfürsten für gut ansähen, bestünde kein Zwang zu einer Ausschußbildung, zumal solche Gremien in der Vergangenheit oft lange beraten hätten und zu einem Ergebnis gekommen seien, mit dem die Kurfürsten nicht hätten einverstanden sein können32 • Aus ihrer Abneigung, sich mit den Städten an einen Tisch zu setzen, machten sie bei ihrer Ablehnung keinen Hehl. In der weiteren Auseinandersetzung um den interkurialen Ausschuß hielten die Kurfürsten an den angedeuteten prinzipiellen Erwägungen fest 33 , weil ein solches Gremium ihren Privilegien zuwider wäre und ihre führende Stellung auf den Reichstagen beeinträchtige34 . Gegenüber den Reichsfürsten verwiesen sie auf die begonnenen Beratungen in den Kurien und vertraten die Ansicht, daß durch Vergleich der kurfürstlichen und fürstlichen Bedenken ein schnelleres Ergebnis zu erreichen sei. In einer Besprechung der kurfürstlichen Räte war man dann aber doch bereit, vom prononcierten Standpunkt der Kurfürsten abzugehen, um die Beratungen des Reichstages voranzutreiben, wenn man mit einer Zustimmung zu einem interkurialen Ausschuß nichts präjudiziere. Die Kurfürsten wollten das Recht behalten, auf jedem Reichstag neu nach dem jeweiligen Stand der Dinge darüber zu befinden, ob ein Ausschuß gebildet werden sollte. Dazu waren sie gezwungen, weil sie sich in Sachfragen selbst nicht einig waren, nach außen hin aber Einigkeit demonstrieren wollten35 • Angesichts des Problems der Türkenhilfe und des Drängens der Fürsten stimmten sie einem Großen Ausschuß schließlich ZU36 • Ihr Zugeständnis verklausulierten sie so, daß es den vermeintlichen Vorrechten ihres Standes möglichst keinen Abbruch tat, wenn sie zur Bedingung machten, daß der Ausschuß nur die Türkenfrage erörtern und nur vorberatende Instanz sein dürfte37 • Mit einer Beteiligung der Städte waren sie einverstanden, so daß sich fünf Wochen nach Reichstagsbeginn der interkuriale Große Ausschuß konstituieren konnte 38 • Die Kurfürsten selbst sahen es als unter ihrer Würde an, sich mit Vertretern niederer Stände zu beraten und entsandten ihre Räte in den Ausschuß39. MEA RTA 4d, 1 Bd. Speier 1526, fol. 39 r - 40 r . MEA RTA 4d, 1 Bd. Speier 1526, fol. 41 r ff. 34 Vgl. Friedensburg, 1526, S. 321 ff. 35 MEA RTA 4d, 1 Bd. Speier 1526, fol. 46 v , 49 v • 86 MEA RTA 4d, 1 Bd. Speier 1526, fol. 50 r , v. 37 MEA RTA 4d, 1 Bd. Speier 1526, fol. 51 f • 38 Als "grosser Ausschuß" wird er z. B. MEA RTA 4d, 1 Bd. Speier 1526, fol. 68r , 143r , 204r , bezeichnet. 89 Vgl. insgesamt Friedensburg, 1526, S. 331 ff.; dort S. 334 ff. auch die per32
33
bis zum Augsburger Reichstag von 1547/48
35
Die Schwierigkeiten bei der Ausschußbildung von 1526 wiederholten sich 1529 auf dem Protestations-Reichstag nicht. Am 16. und 17. 3. 1529 stand die Einsetzung eines interkurialen Großen Ausschusses in den Kurien zur Diskussion, am 18. 3. wurden die Mitglieder gewählt40 und am 19. 3. konstituierte sich das Gremium 41 • Damit arbeitete der Ausschuß, der Fragen des Glaubens, Türkenhilfe und Unterhalt von Regiment und Kammergericht beraten sollte42 , bereits vier Tage nach Eröffnung des Reichstages 43 • Wieder hatten die Fürsten dieses Gremium angeregt und die Städte schlossen sich aus grundsätzlichen Erwägungen an, war doch der inter kuriale Ausschuß für sie die einzige Möglichkeit, ihren politischen Vorstellungen auf dem Reichstag mehr Gehör zu verschaffen44 • Auf dem Konfessions-Reichstag von 1530 wurde acht Tage nach Verlesung der Proposition ein interkurialer Ausschuß zur Beratung der sonelle Zusammensetzung des Großen Ausschusses:
6 Kurfürsten (vertreten durch 6 kurfürstliche Räte):
Mainz: Trier: Köln: Pfalz: Sachsen: Brandenburg:
Domprobst Levin v. Veltheim Kz. Dr. Ludwig Förster Gi. Dietrich v. Manderscheid Schenk Veltin v. Erbach Kz. Gregor Brück Georg v. Tschirn
5 Geistliche Reichsfürsten:
Bf. Konrad v. Würzburg Wilhelm v. Straßburg v. Freising: Philipp v. Flersheim v. Bamberg: Daniel v. Redwitz v. Konstanz: Dr. Johann Fabri 5 Weltliche Reichsfürsten: Lgi. Philipp v. Hessen Hz. Johann v. Simmern Hz. Georg v. Sachsen: Dr. Otto Pack Mkgf. Kasimir v. Brandenburg-Ansbach: Georg von Streitberg Mkgi. Philipp v. Baden: Dr. Hieronymus Vehus Bi. Bi. Bi. Bi.
2 Reichsgrajen:
Gi. Bernhard v. Solms Gi. Georg v. Wertheim
1 Reichsprälat:
Abt v. Weingarten
2 Reichsstädte:
Straßburg: Jakob Sturm Nürnberg: Christoi Kreß.
Str. Korr. I, Nr. 560, S. 321. Kühn, 1529, S. 67 f. 42 Str. Korr. I, Nr. 560, S. 321. 48 Vgl. Kühn, 1529, Übersicht über die Sitzungen des Reichstags und der Städte, S. 265. Die Zusammensetzung des Großen Ausschusses nach RTA jg. Rh. 7, 1, S. 565 i. (s. a. Kühn, 1529, S. 67): s. S. 36. 40
41
3·
2.2. Organisations struktur und Arbeitsweise
36
Confessio Augustana eingesetzt45 , und es folgten dann eine Reihe von Ausschußbildungen, die deutlich machen, "wie stark die konfessionelle Spaltung schon auf die Verhandlungsformen des Reichstages einzuwirken begann"46. Als "grossen uschoes" bezeichnet Tetleben in seinem Protokoll ein Gremium, das er erstmals am 6. 8. 1530 erwähnt, dem aber nur Mitglieder des Kurfürsten- und Fürstenrates angehörten47 • Kurfürsten:
Trier: Ebf. Richard v. Greiffenberg Sachsen: Hz. Johann v. Sachsen Mainz: Probst Valentin von Tetleben Kz. Kaspar v. Westhausen Köln: Gf. Dietrich v. Manderscheid Kz. Bartholomäus v. d. Leyen Pfalz: Hofmeister Ludwig v. Fleckenstein Schenk Veltin v. Erbach (Brandenburg fehlte; von den kurfürstlichen Räten durfte nur einer die Stimme führen.) Geistliche Reichsfürsten:
Ebf. Matthäus v. Salzburg Bf. Christof v. Augsburg Bf. v. Würzburg: Kz. Dr. Prenninger Bf. v. Konstanz: Generalvikar Dr. Johannes Faber
WelUiche Reichsfürsten:
Hz. Ludwig von Bayern Mkgf. Philipp v. Baden Hz. Wilhelm v. Bayern: Dr. Leonhard Eck Hz. Heinrich v. Braunschweig: Ewalt v. Baumbach
ReichspräZaten:
Abt Gerwig v. Weingarten
Reichsgrafen:
Gf. Bernhard v. Solms Gf. Walter v. Geroldseck
Reichsstädte:
Straßburg: Jakob Sturm Nürnberg: Christof Tetzel, später Christof Kreß.
Str. Korr. I, Nr. 559, S. 320 f. Tetleben, Protokoll 1530, S. 80. 46 Fritz WoZff, Corpus Evangelicorum und Corpus Catholicorum auf dem Westfälischen Friedenskongreß. Die Einfügung der konfessionellen Ständeverbindungen in die Reichsverfassung, Münster 1966, S. 14. Zur sehr vielschichtigen Ausschußbildung vgl. Tetleben, Protokoll 1530, passim, ebenso MEA RTA 5, passim. 47 Tetleben, Protokoll 1530, S. 103; zuletzt am 13.10.1530, ebd. S. 193 f. Vgl. auch MEA RTA 5, 1 Bd. Handlung zu Augspurg uf dem Reichstag Anno 1530 gehalten die Religion belangendt, fol. 2r , wo folgende Ausschußzusammensetzung mitgeteilt wird: 44
45
Kurfürsten:
Mainz: Köln: Trier: Pfalz: Brandenburg:
Ebf. persönlich Gf. Dietrich v. Manderscheid Dietrich v. Steyn Schenk Veltin v. Erbach Mkgf. J oachim persönlich
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Dieser Ausschuß hatte nach der überreichung der Confutatio als Antwort auf die Confessio die Religionsfragen erneut zu beraten 48 • Schon früher gab es aber auch einen Ausschuß zur Beratung der Halsgerichts- und Münzordnung, dem u. a. zwei reichsstädtische Vertreter angehörten4D , ferner einen Ausschuß für die beharrliche Türkenhilfe50 • Auch auf dem Regensburger Türken-Reichstag von 1532 war man sich grundsätzlich über die Einsetzung eines interkurialen Großen Ausschusses einig. Vier Tage nach Eröffnung des Reichstages bat der Kaiser die Reichsstände darum, "ainen außschus [zu] machen, der von irer der stende wegen staigerung solicher hilf [gegen die Türken] auch versehung der profand und anderer notdurft halben handeln müge", weil dieser "zu merung berürter ilenden bewilligten hilf dester grüntlich und statlicher zu handeln" in der Lage war 51 • Dieser Bitte entsprachen die Reichsstände am nächsten Tag 52 , verwiesen aber darauf, daß sie nur zur Türkenhilfe im Rahmen des Augsburger Abschiedes von 1530 bereit wären 53 • Das machten sie in einer "witter antwort" noch einmal besonders deutlich: "Aber in andern sachen, Euer kay. Mt. fürtrags und gnedigem begern nach, wirdet der verordent außschus bevelh haben, zuhandeln und zurathschlagen; auch folgents iren rath und gutbedünken an gemyne stende gelangen zu lassen und mit denselben gemeinen Geistliche Reichsjürsten:
Österreich: Georg Truchseß Ebf. v. Salzburg persönlich Bf. v. Speyer persönlich Bf. v. Straßburg persönlich Bf. v. Regensburg: Rat
Reichsprälaten:
Abt v. Weingarten
Weltliche Reichsjürsten:
Hz. Georg v. Sachsen Hz. Heinrich v. Braunschweig Hz. Albrecht v. Mecklenburg Mkgf. v. Baden: Kanzler Hz. v. JÜlich: Rat
Reichsgrajen:
Gf. Martin v. öttingen. C8 MEA RTA 5, 1 Bd. Handlung [...l, fol. 2r - 75 r • 49 Str. Korr. I, Nr. 730 u. Nr. 731, S. 449; die reichsstädtischen Vertreter waren der Kölner Arnolt v. Siegen und der Nürnberger Christof Kreß (ebd. Nr.731). 50 Str. Korr. I, Nr. 751, S. 464. 51 MEA RTA 6a, H, fol. 71 V , 72 r ; auch abgedruckt als Beilage IH bei Westermann, 1532, S. 180. Vgl. ebenso RK RTA 5, B, fol. 9r , V. Zur Ausschußbildung 1532 insgesamt Westermann, 1532, S. 56 - 69. 62 Zusammensetzung (nach Westermann, 1532, S. 65 ff.): 6 Kurfürsten, je 5 geistliche und weltliche Reichsfürsten, 1 Reichsprälat, 1 Reichsgraf, 2 Reichsstädte. 53 MEA RTA 6a, H, fol. 8Ir; Beilage IV, Westermann, 1532, S. 182.
2.2. Organisationsstruktur und Arbeitsweise
38
stenden zu beschließen; und was also geratschlagt und beschlossen wirdet, das sol Euer kay. Mt. in aller underthenigkeyt zum fürderlichesten angezaigt werdenM. " Damit waren dem interkurialen Ausschuß selbständige Verhandlungen mit dem Kaiser oder Ferdinand verboten, weil "das in seiner macht nit steet"S6. Diese starke Kompetenzbeschneidung ließ den Ausschuß nicht zu dem Werkzeug werden, als das ihn sich der Kaiser bei seiner Bitte um Einsetzung gewünscht hatte. Seine enge Bindung an die reichsständischen Kollegien war für die Arbeitsweise des Reichstages nicht von Vorteil, da sie keine schnellere und einfachere Beratung erlaubte. Westermann hat ihn zu Recht als Zwischeninstanz und Hemmschuh bezeichnet56 , aber als solcher war er nicht der "normale" Große Ausschuß der Reichsstände. Als nach achtjähriger Pause 1541 in Regensburg ein Reichstag zusammentrat, kam es zum erstenmal seit fast zwanzig Jahren nicht zur Einsetzung eines interkurialen Ausschusses. Der Grund dafür lag offensichtlich darin, daß sich die Kurfürsten aus gegebenem Anlaß ihrer in der Goldenen Bulle festgelegten hervorgehobenen Stellung besonders bewußt waren57 und betonten, daß ihnen kein anderer Fürst "mit nichten soll furgesetzt werden"58. Später beschwerten sich die nicht protestantischen Reichsstädte, daß sie gegen den Brauch von den Beratungen der Kurfürsten und Fürsten ausgeschlossen worden seien59 ; sie gaben zu verstehen, daß sie nicht schuldig seien, dem zuzustimmen, worüber sich Kurfürsten und Fürsten geeinigt hätten6o, und erinnerten daran, daß "altem geprauch nach, so ausschuzs verordennt, die unnsernn darinn" vertreten sein sollten61 . Diese Klage der Reichsstädte wiederholte sich auf den folgenden Reichstagen immer stärker62 , aber sie ist nicht der einzige Hinweis darauf, daß der interkuriale Große Ausschuß nicht mehr das Organ des Reichstages war, das die Gesamtheit der Reichsstände aus allen drei Kurien repräsentierte. Das Scheitern der Bemühungen um einen Religionsvergleich führte auf den Reichstagen zu einer stärkeren Abkapselung der Altgläubigen und der RK RTA 5, B, fol. 13 r, v; Beilage VI, Westermann, 1532, S. 184. Beilage VII F, Westermann, 1532, S. 194; wie sehr sich der Ausschuß an seinen Auftrag hielt, zeigt auch die Beilage VII D, Westermann, 1532, S. 186188. Zur Bewertung des Ausschusses: Westermann, 1532, S. 64 f., 68 f. 58 Ausführlicher und im Urteil eher negativ im Hinblick auf das Beratungsverfahren: Westermann, 1532, S. 69. 57 MEA RTA 7, II, fol. 79 r ff. mit Hinweis auf Kapitel VI der Goldenen Bulle. 58 MEA RTA 7, II, fol. 79v. 59 MEA RTA 7, II, fol. 172 r, v, 173v. 80 MEA RTA 7, II, fol. 270r, v. 81 MEA RTA 7, II, fol. 270V • 62 s. u. Kap. 3.2.2.3.2. 54
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Protestanten. Es gelang allenfalls noch, nach dem Vorbild des Vierzehnerausschusses von 1530 63 paritätisch besetzte Ausschüsse für die Behandlung der Religionsangelegenheiten zu bilden. Im übrigen aber hatte die religionspolitische Konfrontation die Bildung neuer Reichstagsgremien zur Folge. In einem "Verzaichnus der Handlung", das "Wolff zu Bappenhain, des Reichs Erbmarschalkh mit etlichen verordnetten des Raths zu Nuremberg" für den Nürnberger Reichstag von 1542 erarbeitet hatte64, werden u. a. die Beratungszimmer aufgezählt, die man auf dem Rathaus benötigte: neben den Stuben für die drei Kollegien, der "Gemeine[n] Rath Stuben" und einer "Ausschuß Stuben" wird eine Stube für die Protestierenden erwähnt, in die sie sich wohl zu ihren getrennten Beratungen zurückziehen können sollten65 . Für den Nürnberger Reichstag von 1543 sind dann sogar Formulierungen von Vermerken überliefert, die in direktem Bezug zu den konfessionellen Körperschaften des Reichstages stehen, wie sie sich seit der zweiten Hälfte des 16. Jh.s immer deutlicher entwickelten und im Westfälischen Frieden von 1648 reichsrechtlich institutionalisiert wurden66 . Solche Vermerke lauten: "Lectum in consilio statuum catholicorum"67; ihnen gegenüber stehen Vermerke wie "lectum in consilio statuum"68 oder "lectum in consilio imperiali"69. Eindeutig handelt es sich bei dem consilium statuum catholicorum um eine separate Versammlung katholischer Reichsstände, in der man einen Vorläufer des späteren Corpus catholicorum sehen kann. Inwieweit es sich dabei um eine Reaktion der Katholiken auf die separaten Versammlungen der Protestanten während der Reichstage zu Beginn der 40er Jahre handelte, kann hier nicht geklärt werden70, aber die Existenz einer solchen EinTetleben, Protokoll 1530, S. 117 f.; MEA RTA 5, fol. 208r ff., 232 r • RK RTA 10, 9, fol. 65 r - 69 v • 85 RK RTA 10, 9, fol. 69v • 88 Vgl. F. Wolff, Corpus Evangelicorum, S. 124 - 126, 138 - 146, 182; IPO art. V, § 52. 87 MEA RTA 8, 1 Bd. Reichshandlung zu Nürnberg 1543, fol. 178v , 581 r ; fol. 606v : "lectum in consilio catholicorum". 88 MEA RTA 8, Nürnberg 1543, fol. 454 r , 476 r , 542 v • 6g MEA RTA 8, Nürnberg 1543, fol. 191 v , 444 r , 636 v • Belege ähnlicher Art lassen sich auch für andere Reichstage dieser Zeit beibringen. Unter dem 20.5.1545 heißt es z. B. im "Protocoll des Reichstags zu Wormbs Anno 1545": "Seint die Catholici Status by einand erschienen und [haben] geratschlagt." (MEA RTA 11, I, fol. 130r ); die Namen der Teilnehmer ebd. fol. 130v - 132v ; vgl. auch dasselbe Protokoll zum 14.7.1545, ebd. fol. 192r . 70 1543 antworteten die "gehorsamen Stennde" u. a. auf die Proposition der kaiserlichen und königlichen Commissare, man möge darauf hinwirken, daß sich die Protestanten "vonn beratschlagung und schließung der Türkenhilff und anderer Reichssachen nit absondern und dieses gemein nottwendig christlich werk neben gemeinen des hey. Reichs stennden leisten" (MEA RTA 8, 1 Bd. Reichshandlung zu Nürnberg 1543, fol. 18v ). Vgl. auch RK 88
84
40
2.2. Organisationsstruktur und Arbeitsweise
richtung auf dem Reichstag von 1543 bedeutet eine tiefgreifende Veränderung der Reichstagsverfassung mit Konsequenzen für die ständeparlamentarische Arbeitsweise. Letztlich ohne Erfolg war Karls V. Einmischung in die Geschäftsordnung des Reichstages, als er sich 1547 in Augsburg am Schluß seiner Proposition71 gegen die Sonderberatungen der Konfessionsverwandten äußerte und die "abgesonderte reth" als einen Brauch bezeichnete, der nicht mit dem alten Herkommen des Reiches vereinbar war. Die "konfessionalistische Zersetzung der Reichstagsverfassung" konnte er damit nicht mehr aufhalten72 • Diese Konfrontation der Religionsparteien auf den Reichstagen spiegelte die konfessions-politische Situation im Reich wider. Schon die Doppelverhandlungen von Regensburg und Nürnberg im Jahre 1532 können als ein äußeres Zeichen für die innere Spaltung des Reichstages quer durch die drei Kollegien gewertet werden 73 • Die Ergebnisse der nebeneinander durchgeführten Reichstagsverhandlungen der Altkirchlichen und der Sonderverhandlungen des Kaisers mit den Protestanten standen in einem Widerspruch, dessen Folgen nur wegen der drohenden Türkengefahr nicht sogleich offen zutagetraten. Der vertikalen Teilung der Reichsstände in Kurfürsten, Fürsten und Städte folgte schon 1530 und dann verstärkt Anfang der vierziger Jahre die horizontale in katholische und protestantische Reichsstände, die institutionelle Konsequenzen hatte. Damit gewinnt der Speyrer Protestations-Reichstag von 1529 auch im Hinblick auf die Entwicklung der dritten Ebene der Reichstagsarbeit an Bedeutung, denn auf ihm wurde der letzte interkuriale Ausschuß mit umfassender Aufgabenstellung eingerichtet. Danach verlor der Große Ausschuß der zwanziger Jahre seine Funktion als "wichtigste Integrationsbasis ständischer Arbeit"74, wofür die kirchliche Spaltung aber nur ein Grund war und noch nicht einmal der entscheidende. RTA 11, I, fol. 33 r - 40 r , 41 r - 45 r . Darauf erwiderten die protestierenden Reichsstände, indem sie für die Behandlung der Fragen des Landfriedens im Reich, die sie zuerst geklärt haben wollten, bevor sie ihre Türkenhilfe zusagten, daß sie einen Ausschuß haben wollten, bestehend aus "jeds teils stennde uß inen etzliche guthertzige fridliche und scheidliche personnen in gleicher anzalh" (ebd. fol. 135r ). Ein gleiches Gremium wollten sie für die Visitation und Reformation des RKG haben (ebd. fol. 139v ). 71 MEA RTA 14a, C, fol. 26 r - 38 r , hier insbes. fol. 38 r ; RK RTA 21, III, 1a, fol. 5r , v. Die Proposition ist abgedruckt bei Bartholomäus Sastrow, Herkommen, Geburt und Lauff seines gantzen Lebens, auch was sich in dem Denckwerdiges zugetragen [...]. Aus der Handschrift hg. u. er!. v. Gottl. Christ. Mohnike, 11. Teil, Greifswald 1824, S. 100 - 112. 72 Vgl. Rabe, Reichsbund, S. 203. 73 Vgl. dazu etwa Ranke, Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation, 3. Bd., S. 247 - 263. 74 Anders Oestreich, Arbeitsweise, S. 233.
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Neben der konfessionellen Konfrontation wirkte sich der Gegensatz zwischen Kurfürsten und Reichsstädten auf die Arbeitsweise der Reichstage aus, der sich verschärfte, je mehr die emporstrebende neue soziale Schicht des Bürgertums aus den wirtschaftlich aufblühenden Reichsstädten nach politischem Einfluß drängte 75 . Den kurfürstlichen Standpunkt vertrat der Mainzer während der Beratungen über die große reichsstädtische Beschwerdeschrift von 1544 sehr deutlich und griff dabei auf Argumente zurück, die auch schon die Auseinandersetzung von 1526 geprägt hatten. Er sah die Gefahr, daß den Kurfürsten ihre "preeminentz" genommen würde, wenn die Städte Session und Stimme wahrnähmen, die sie nie gehabt hätten, befürchtete "allerley aufzug und verhinderung der Reichssachen ", war aber einverstanden, daß sie zu Reichstagen eingeladen würden und die Proposition hörten; man sollte sie auch "in ir stuben ziehen lassen" und ihre Meinung anhören, aber man sollte "ire bedenken nit schuldig sein anzunemen"; im übrigen sollte ihnen alles gewährt werden, was "von alter herkommen" üblich, wenn es der kurfürstlichen "preeminentz" nicht abträglich war76 . Diese Meinung wurde in ihrem Kern in allen späteren Auseinandersetzungen um die Einrichtung interkurialer Großer Ausschüsse mit umfassender Kompetenz immer wieder vorgetragen. 2.2.2. Interkuriale Große Ausschüsse auf den Augsburger Reichstagen von 1547/48 bis 1555 Auf dem Augsburger Reichstag von 1547/48, der als Geharnischter Reichstag in mancherlei Hinsicht eine Ausnahmestellung unter den Reichsversammlungen der Zeit Karls V. einnimmt77, hat sich das Schicksal des interkurialen Großen Ausschusses endgültig entschieden, denn "er wurde in seiner Generalfunktion seitdem nicht mehr gebildet"78. Dieser Entscheidung aber war eine lange Auseinandersetzung zwischen den Kurien vorausgegangen, nachdem schon die Beratungen über eine gemeinsame Antwort auf die kaiserliche Proposition nicht reibungslos verlaufen waren79 : der Mainzer Kanzler hatte es u. a. für notwendig erachtet, die Stände darauf hinzuweisen, daß sie "sich des alten loblichen gebrauchs wol zu erinnern auch zu halten wissen, Nemblich dz erstlich di churfursten sich zuvor, volgends die Stendt haben vernemen lassen, uff welches der Churfursten bedenncken den Stennden gebur 75 z. B. bei der Finanzgesetzgebung; s. u. Kap. 3.2.2.3.2.
MEA RTA 10, Protokoll des Reichstags zu Speyer 1544, 1. Bd., fol. 89r. Zu diesem Reichstag insbes. heranzuziehen: Rabe, Reichsbund; Harry Gerber, Jakob Sturm; Gerber, 1547/48. 78 Oestreich, Arbeitsweise, S. 237 - 240; hier S. 237. 78 MEA RTA 14b, E, Kurfürstenratsprotokoll, fol. 4r, v, 6r, 7r, v, 61r, v; MEA RTA 14a, C, fol. 40 r ff., 89 r ff.; vgl. Rabe, Reichsbund, S. 203 ff. 78
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2.2. Organisationsstruktur und Arbeitsweise
sich weiter zuercleren wie man sie dann freuntlich und gutlich hören weIl", was die Fürsten und Stände aber bestrittenso. Gänzlich uneinig waren sich Kurfürsten- und Fürstenrat dann aber auch in der Frage, ob ein interkurialer Großer Ausschuß gebildet werden sollte. Die Kurfürsten lehnten den von den Fürsten geforderten Ausschuß für die Fragen des Landfriedens, der Reichskammergerichtsordnung, der Reichsanschläge und der Münzordnung, also für die zentralen PropositionspunkteS1 , Ende September 1547 ab s2 und begründeten das am 4. 10. 1547 sehr deutlich. Kurpfalz sorgte sich: "Damit möchten die Churfürsten übermeert und an Irer reputation vernachtailt werden" und schloß eine Ausschußbildung für alle Beratungsgegenstände aus S3 , Sachsen war dagegen, weil Ausschüsse die Beratungen nur verlängerten84, Brandenburg hatte Befehl, "sich vor den Ausschussen sovil möglich zu huetten"8S, und Mainz stellte auf den schon mehrfach umstrittenen "gebrauch" ab: "könndt sich auch nit erinnern, dz es ain alter und gemain brauch sei, den churfursten an Irer Reputation nachteilig, werden dardurch überstimpt. Wellen aber di Stennde für sich selbs ainen Ausschuß machen, dz möchten sie thuen"86. Die Argumente anderer Reichstage kehrten in den Begründungen der ablehnenden Haltung immer wieder. Dabei spielte der Gedanke des Herkommens eine zentrale Rolle. So betonte der Kurpfälzer, daß "anfenngklich die Churfursten alle verwaltung und reth mit kayser und konigen uf den höfen gehabt, do dann zu Zeiten Fursten der kay. Mat. des dinsts gewart, denen zu eheren die hendel und tractation zuzeiten eröffnet, die Reichsteg nit lanng gewehret und neulich die Fursten zu aignem rath eingedrungen. Auch die Ausschuß nie gestannden, welcher mehr zu verhinderung dann schleunigung raich [...] weiterung von den 80 MEA RTA 14b, E, fol. 61 v . In anderem Zusammenhang verwies der Mainzer am 21. 4.1548 noch einmal auf dieses Verfahren, indem er sich erinnerte, daß "fur gut angesehen mit den Stennden nit vil zu disputirn, der brauch seie, dz man im Churf[ursten] Rath den beschluß erstlich eröffne, darob den Stennden anzuzeigen, dz man uf gestriger mainung bestee, uf solchs hetten sie ursach, ir mainung auch anzuzaigen". (MEA RTA 14b, E, fol. 325v ). 81 MEA RTA 14a, C, fol. 92 v , 98v , 100 r, l11 r, 113v , 114r, v; vgl. ferner RK RTA 21, II!, 3, fol. 48 v ; so auch die königlichen Kommissare an König Ferdinand am 4.10.1547, indem sie die Antwort des Kurfürstenrates auf das reichsfürstliche Bedenken zur kaiserlichen Proposition referierten (RK RTA 21, H, 6, fol. 18v , 19v ). 82 MEA RTA 14b, E, fol. 64v , 67 V ; MEA RTA 14a, C, fol. 173r, 177 r, v, 178r, v, 179r. 83 MEA RTA 14b, E, fol. 73 r. 84 MEA RTA 14b, E, fol. 73 v • 85 MEA RTA 14b, E, fol. 74 r. 88 MEA RTA 14b, E, fol. 74 v •
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Stennden zu verhuten"87. Deshalb schlug Kurköln z. B. vor, den Kaiser in einem Schreiben zu bitten, die kurfürstliche Präeminenz als einen verfassungsrechtlichen Grundsatz zu erhalten88 ; 1544 in Speyer hatte der Kölner einmal formuliert, es sei nicht gut, Geheimes dem gemeinen Mann anzuzeigen 89 . Für Kurtrier war ein Ausschuß "mehr hinderlich als furderlich": "Zu dem komen di Stett auch in die Ausschuß, dz noch mehr den churf. nachtailig. Es werden auch Leut zu den Ausschussen gezogen, die man sunst nit zuließ werden 90 ." Der Mainzer befürchtete schließlich, daß "dann allso alle sachen uf ausschussen getragen werden wolten", wenn die Kurfürsten einen Ausschuß gestatteten91 . Damit aber war von den Kurfürsten nicht jeder interkuriale Ausschuß abgelehnt worden. Nachdem sie am 21. 10. 1547 der Einrichtung eines Ausschusses für die Supplikationen zugestimmt hatten 92 , waren sie am folgenden Tag auch bereit, einen Ausschuß für die Bearbeitung der Reichskammergerichtsordnung zu bestellen, freilich unbeschadet ihrer kurfürstlichen Stellung, ihnen gegenüber "unvergreifflich und unnachtailig" und allein dem Kaiser zu Ehren und ihm zuliebe 93 • Diesem Ausschuß gehörten neben kurfürstlichen Räten, geistlichen und weltlichen Reichsfürsten auch Vertreter der Reichsgrafen, Reichsprälaten und Reichsstädte an94 • Hinsichtlich seiner Zusammensetzung und seiner genau beschriebenen Aufgabe glich er dem interkurialen Ausschuß von 1532. MEA RTA 14b, E, fol. 84', v. MEA RTA 14b, E, fol. 84'. 88 MEA RTA 10, 1 Bd. Protokoll des Reichstags zu Speyer 1544, fol. 153'. 90 MEA RTA 14b, E, fol. 83 v , 84'. Für die Reichsstädte hatte Jakob Sturm am 15. 10. 1547 bei der übergabe der städtischen Antwort auf die kaiserliche Proposition zum Ausdruck gebracht, sie hätten damit gerechnet, "es würden chur- und fürsten sampt andren stenden nach altem gebrauch ein usschutz verordnet haben", in dem die Städte dann auch vertreten wären (Str. Korr. IV, Nr. 682, S. 780). 91 MEA RTA 14b, E, fol. 85'. 9! MEA RTA 14b, E, fol. 97', v. Die Reichsstädte ersuchten die Kurfürsten und Fürsten am 24.10.1547: "sovil dann die iberigen puncten landfridens, anschleg, Muntz und anders belangte, so gemaine stend desshalb ainen ausschuss verordnen wollten oder wurden, bäten sie unterthenigst, das sie darein auch möchten genommen werden und also irer obern notturft bei gedachten puncten auch furpringen" (Str. Korr. IV, Nr. 684, S. 783, Anm. 5). 93 MEA RTA 14b, E, fol. 98' - 99 v , 101 v ; s. a. Str. KOIT. IV, Nr. 694, S. 803. 94 über die Beratungen dieses interkurialen Ausschusses vgl. die Protokolle: MEA RTA 14a, D, fol. 2' - 45 v . Seine Zusammensetzung, ebd., fol. 2': 6 Kurfürsten, Bf. v. Worms, Bf. v. Straßburg, Bf. v. Passau, Pfgf. Johann, Mgkf. Johann v. Brandenburg, Hz. v. Jülich, 1 Reichsprälat, 1 Reichsgraf, Augsburg und Speyer für die Reichsstädte, alle vertreten durch Gesandte. Diese Zusammensetzung wird in einem Brief Dr. Welsingers an den Bf. v. Straßburg vom 15.11.1547 bestätigt, der davon spricht, daß für das Kammergericht aus der Mitte der Reichsversammlung "ein gemeiner ausschuss altem prauch nach von allen steenden verordnet" worden ist (Str. Korr. IV, Nr. 87
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2.2. Organisationsstruktur und Arbeitsweise
Um einen ebenso strukturierten Ausschuß hatte es 1544 in Speyer lange Auseinandersetzungen gegeben u5 . Erst nachdem die Fürsten darauf verwiesen hatten, daß es 1522, 1526, 1529, 1530, 1532 und 1543 solche Ausschüsse gegeben hätteU6, begannen die Kurfürsten ihre Meinung zu ändern. Sechs Wochen nach Reichstagsbeginn rangen sie sich zu der vom Kurfürsten von Sachsen schon früher vertretenen MeinungU7 durch, weil die Türkenhilfe - so der Brandenburger - ein "gemain werck deß gantzen Reich"u8 sei, und bejahten einen "gemainen außschuß": "Der offensif hilff halben als ainer gemaine sach sol unß der Außschuß in disem nit zuwider sein, doch das Chur[fursten] personlich oder ire verordnete darin gezogen altem gebrauch nach werden 9u ." Diesem Ausschuß sollten - wie der Mitteilung des Beschlusses an die Reichsstädte zu entnehmen ist - die Kurfürsten in eigener Person oder durch zwei vertraute Räte angehören, ferner die Bischöfe von Passau und Konstanz, der Herzog von Jülich und der Landgraf von Hessen persönlich, Botschafter des Erzbischofs von Salzburg, des Bischofs von Würzburg und der Herzöge von Bayern und Sachsen, je ein Vertreter der Reichsprälaten und Reichsgrafen sowie zwei reichsstädtische Gesandte "altem gebrauch nach"loo. 1545 in Worms war ein solcher interkurialer Ausschuß gleich nach der Eröffnung des Reichstages ohne Widerspruch der Kurfürsten eingesetzt worden. Auch er war nur für ein bestimmtes Aufgabengebiet zuständig, diesmal für Polizei- und Münzfragen101 • Allen hier genannten Ausschüssen - die Beispiele ließen sich vermehren - war gemeinsam, daß sie in ihrer Kompetenz beschnitten worden waren, bevor die Kurfürsten ihrer Einsetzung zustimmten. Aber auch wenn sie nicht die Funktion des Großen Ausschusses ausfüllen konnten, so waren sie doch interkurial mit ungefähr gleicher Mitgliederzahl zusammengesetzt. 694, S. 803, Anm. 3). über die weitere Arbeit dieses Ausschusses berichten die Straßburger Gesandten häufiger: Str. Korr. IV, Nr. 698, S. 809; Nr. 704, S. 819; Nr. 708, S. 823; Nr. 733, S. 873; Nr. 734, S. 877; Nr. 737, S. 884. 96 MEA RTA 10, Protokoll des Reichstags zu Speyer 1544, 1. Bd., fol. 4v ff. 96 MEA RTA 10, Protokoll 1544, 1. Bd., fol. 57 v • 97 MEA RTA 10, Protokoll 1544, 1. Bd., fol. 60 v , 69 v , 126v ; Sachsen begründet seine Meinung u. a. mit der Absicht, den Reichsstädten einen Beschwerdegrund nehmen zu wollen (ebd., fol.,128 r ). 98 MEA RTA 10, Protokoll 1544, 1. Bd., fol. 128r • 99 So der Mainzer Kanzler gegenüber Ribeisen als Vertreter der Reichsfürsten, MEA RTA 10, Protokoll 1544, 1. Bd., fol. 129 r . 100 MEA RTA 10, Protokoll 1544, 1. Bd., fol. 150 r • 101 MEA RTA 11, Protokoll des Reichstags zu Worms 1545, fol. 5 r , 10v . Die Ausschußzusammensetzung ebd., fol. 11': 6 kurfürstliche Räte, Vertreter Österreichs, Würzburgs (später durch Bamberg ersetzt, ebd., fol. 43 v ), Brandenburgs, Württembergs, der Reichsprälaten und der Reichsgrafen, sowie der Reichsstädte Straßburg und Augsburg; s. a. ebd., fol. 12v ff.
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1547 in Augsburg bedeutete die Einrichtung eines solchen Ausschusses für den Fürstenrat einen großen Erfolg, denn niemals zuvor hatten sich die Kurfürsten so sehr dagegen gesträubt. Von diesem Erfolg beflügelt, forderten die Fürsten sogleich weitere solche Ausschüsse. Der kaiserliche Bundesplan und die Probleme um Münze und Anschläge sollten je in einem "gemainen Ausschuß" beraten werden102. Dazu aber nahmen die Kurfürsten erneut ihre ablehnende Haltung ein, und Brandenburg erinnerte mehrmals daran, "wie uf vielen Reichstagen die Ausschuß abgeschlagen"103 und früher beschlossen worden war, "in keinen Ausschuß zu willigen"104. Gegen die Beteiligung der Städte hatten die Fürsten nichts einzuwenden, da sie als "ain Parthei" bei den Beratungen gehört werden müßten105. Im übrigen diente die Einrichtung weiterer Ausschüsse nach ihrer Meinung der "gemainen Wolfort des Reiches": "Bitten nochmals umb ain gemainen Ausschuß, Und wo der abgeschlagen, köndte den sachen nit abgeholffen werden, wo aber die Churfursten darin bewilligen, werde es ein schleunigen ausfurens der Reichssachen sein. erinnern sich dz die kay. Resolution mitbringen, dz dise sachen am fugklichsten durch ain Ausschuß abgehandelt werden möcht, dieweil die kay. Mat. solchs selbst bedacht und ain alt herkomen. verhoffendt durch ein gemaine Ausschuß in wenig tagen mer dann vor in ettlichen monaten ußzurichten. Wo aber die Churfursten noch wolten verharren, mußten sie solchs an kay. Mat. gelangen, dann one ein Ausschuß nit muglich, den Sachen abzuhelffen und schließlich zu handeln106. " Die erneute Hartnäckigkeit der Kurfürsten in der Ausschußfrage ließ den Fürstenrat um so härter ringen. Am 14.12.1547 kündigte er zudem an, die Frage bei weiterer Weigerung der Kurfürsten dem Kaiser vorzulegen107. Obwohl die Kurfürsten dem Kaiser ihren Standpunkt schon am 8. 10. 1547 schriftlich dargelegt hatten108 , diskutierten sie das Problem nach dem neuerlichen Vorstoß des Fürstenrates sehr ausführlich und revidierten schließlich ihre bisherige Haltung 109 . Hinsichtlich des Bundesplanes verwiesen sie darauf, am 17. 11. 1547 selbst vorgeschlagen zu haben, die Sache von wenigen Personen beraten zu lasMEA RTA 14b, E, fol. 139 r • MEA RTA 14b, E, fol. 141 v • 104 MEA RTA 14b, E, fol. 158 r . 105 MEA RTA 14b, E, fol. 154V• 108 MEA RTA 14b, E, fol. 163v . 107 MEA RTA 14b, E, fol. 164r . 108 MEA RTA 14b, E, fol. 85 v - 86 v . 109 MEA RTA 14b, E, fol. 164 r • Am 15.12.1547 berichteten die Straßburger Vertreter nach Hause, die Fürsten seien für einen allgemeinen Ausschuß mit den Städten eingetreten, was jedoch bei weiterer Weigerung der Kurfürsten nichts nützen würde (Str. Korr. IV, Nr. 704, S. 818). 102 103
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2.2. Organisationsstruktur und Arbeitsweise
sen Uo ; hinsichtlich der Verringerung der Anschläge betonten sie, sie sei von ihnen noch nicht genug beraten, es sei aber "wider den gebrauch, dz die Stende kein bedenken sonder ein blosen ratschlag übergeben"; hinsichtlich der Münzfrage sahen sie keine Möglichkeit zur Einigung111 • Aus diesen Gründen hielten sie den geforderten Ausschuß für "gantz onnot"112. Pfalz erinnerte sich, "aus wez ursachen die großen Ausschuß hievor abgeschlagen", und behauptete: "Die Stende arbeiten nit allein den Churfursten sonder inen selbst zuwider uf die Ausschußu3." Einen Ausweg aus der schwierigen Situation - denn offenbar war der Fürstenrat mit Hilfe des Hauses Österreich das Sprachrohr des Kaisers114 fand der Kurfürst von Brandenburg. Indem er nicht in bekannter Weise gegen einen Ausschuß argumentierte, sondern die Besonderheit des Beratungsgegenstandes hervorhob, für den ein Ausschuß gebildet werden sollte, leitete er am 14.12.1547 eine Wende in der Haltung der Kurfürsten ein: "Vermerken, das die Stennde vornemlich uff ein Ausschuß des Bundtnis tringen. dieweil es kein gemaine Reichshandlung, wissen sie nit ob man bei kay. Mat. besteen wurde, vornemlich so sie anzeigen, dz one ein ausschuß den streitigen Puncten nit abzuhelffen, Deswegen sie zubeantworten, dz man inen uf ir freuntlich bit in der Bundshandlung ain ausschuß doch allein zu diesem mal aus freunntschafft und unverbundtlich zulassen wollt [...], der churfursten preeminenz unschedlich, Was aber belanngt Münz und Anschleg, tringen die Stennde so hefftig nit uff den Ausschuß. wollen sich ersehen, so man inen des Bundt ein Ausschuß bewillig, sie werden von dem andern irem begeer absteen115 ." Dem Brandenburger schloß sich der Mainzer an, indem er den kaiserlichen Bundesplan zur Partikular-Sache erklärte. Der Erzkanzler ging aber noch einen Schritt weiter und bejahte auch den Ausschuß für Münze und Anschläge, da beide Gegenstände schon in Worms durch einen Ausschuß beraten worden waren: "Derwegen achten sie uff dises mal nachzugeben, den Ausschuß in Bundt, Muntz und Anschleg zubewilligen. das konden sie fur kein brauch halten, dann uf diesem Reichstag der Lanndtfrieden, Religion und anderes im churfursten rathe abgehandelt. den Ausschuß nit groß machen, die Stett nit zulassen, auch uf hindersichbringen und unverbundtlich darzu allein auf diez mal d[er] kay. Mat. zu ehe ren und gefallen und der Stennde uf 110 MEA RTA 14b, E, fol. 122 r -124 r ; s. a. Rabe, Reichsbund, S. 291; vgl. Str. Korr. IV, Nr. 704, S. 820, Anm. 6. lU MEA RTA 14b, E, fol. 164r • 112 MEA RTA 14b, E, fol. 164r • 113 MEA RTA 14b, E, fol. 164r • 114 Vgl. Rabe, Reichsbund, S. 291. 115 MEA RTA 14b, E, fol. 164v ; vgl. fol. 166 r -l71 v , Rabe, Reichsbund, S. 292 f.
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Ir freundtlich bit bewilligen116 ." Damit stand der Bildung von weiteren Ausschüssen auf dem Geharnischten Reichstag nichts mehr im Wege; die an die Ausschüsse geknüpften Bedingungen hatten mehr deklamatorische als praktische Bedeutung. In der Nachmittagssitzung des Kurfürstenrates vom 14.12.1547 wollte auch Trier den Ausschuß nicht länger verweigern, wollte freilich wie Köln und Pfalz - nur einen kleinen bilden, der zudem im Reichstagsverfahren nicht als Präzedenzfall angesehen werden dürfe 117 • Nur der Kölner hatte gegen die Argumentation Einwände, wenn er feststellte, daß die Bundesfrage, obwohl keine Reichssache, "doch bisher in baiden Rethen gehandelt", eben wie eine Reichssache; deshalb schlug er vor, keinen Ausschuß dafür zu bilden, "sondern Communication weiß volgends wider in baide rethe zubringen", weil "dadurch mer dann durch ainen gemeinen Ausschuß" erreicht werden könne; danach sollte den Städten das Ergebnis vorgetragen werden. Vollends war der Kölner wie auch Brandenburg gegen einen Ausschuß für Münzfragen und Verringerung der Reichsanschläge118 • Sachsen sprach sich für den Ausschuß aus, da die Bundesfrage nicht Gegenstand der Proposition und somit keine Reichssache war; sein Vertreter gab zu bedenken, ob man einen großen oder kleinen Ausschuß bilden und ob man die Reichsstädte zulassen sollte119 • Nach weiteren Beratungen wurde den Städten am 17. 12. bezüglich ihrer Forderung nach einem Ausschuß für die Bundesfrage im Sinne der oben zitierten Äußerung des Mainzers geantwortet120 , worauf sich alle geeinigt hatten121 • In ihrer Antwort betonten die Kurfürsten, daß sie "zu überfluß in den Ausschuß willigen", daß er ihnen "an iren rechten und gerechtigkeiten in allweg unschedlich" sein, keinen Präzedenzfall darstellen und keine Beschlußkompetenz haben sollte122 • Ob sie in einen Ausschuß zur Reduktion der Anschläge willigen würden, wollten sie erst entscheiden, wenn sie sich mit der Materie genauer befaßt hätten123 • Gegen Ende des Reichstages sträubten sich die Kurfürsten nicht mehr so energisch gegen die Einsetzung eines Ausschusses. Als die Stände am 11. 5. 1548 je einen Ausschuß für Beratungen der ReichskammergeMEA RTA 14b, E, fol. 164v , 165 r. MEA RTA 14b, E, fol. 165r, v. 118 MEA RTA 14b, E, fol. 165r, V. 119 MEA RTA 14b, E, fol. 165v . 120 Den Reichsstädten war am 19.12.1547 unklar, ob der Ausschuß nur für den Bundesplan oder auch für Propositionspunkte des Reichstages zuständig war: Str. Korr. IV, Nr. 707, S. 822, Anm. 2. 121 MEA RTA 14b, E, fol. 165V, 170 r. 122 MEA RTA 14b, E, fol. 171 v. 123 MEA RTA 14b, E, fol. 171 v • tU
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richtsordnung, der Reichsanschläge und der Burgundischen Frage forderten124 , berieten die Kurfürsten am nächsten Tag darüber und beschlossen, "das man den Stenden den Ausschuß in disen dreyen handlungen bewilligen weIl. Nemblich Camergerichtsordnung und die anschleg ainen Ausschuß, und mittler Zeit weIl man von der Burgundischen sachen Im Churfursten Rath reden, damit man in Ausschuß einhellig votiert"125. Jetzt war man bereit, "zu gewynnung der Zeit"126 in einen Ausschuß zu willigen, und hatte allenfalls Sorge, daß die kurfürstlichen Räte im Ausschuß nicht einhellig votierten, weshalb man die Bildung des Ausschusses noch etwas hinausschob, bis man sich abgestimmt hatte 127. Tatsächlich hat es 1547/48 dann insgesamt 7 interkuriale Reichstagsausschüsse mit je einem besonderen Aufgabengebiet gegeben: 1. der schon erwähnte Ausschuß für die Revision der Reichskammergerich ts-Ordnung 128.
2. ein zweiter Ausschuß für die Arbeit an der ReichskammergerichtsOrdnung 129 , der aber auch für die Probleme zwischen dem Deutschmeister, Preußen und Polen und zwischen Rolstein und Dänemark zuständig war130. 3. ein Ausschuß zur Beratung der kaiserlichen Bedenken hinsichtlich Kammergerichtsordnung, Anschläge des Burgundischen Kreises und Polizeiordn ung 131 . 124 MEA RTA 14b, E, fol. 350 v ; zur Burgundischen Frage s. Grass / Lacroix, Burgundischer Kreis, I, Nr. 376 ff., S. 298 ff. 125 So der Mainzer in seiner abschließenden Stellungnahme: MEA RTA 14b, E, fol. 351 r • 126 So der Trierer und der Pfälzer in ihren ersten Äußerungen: MEA RTA 14b, E, fol. 351 r • 127 So Sachsen: MEA RTA 14b, E, fol. 351 r • 128 Vgl. das Vorige. 129 über seine Beratungen informieren die Protokolle: MEA RTA 15, G, fol. 131 r - 145V • 130 MEA RTA 15, G, fol. 107 r - 127v ; seine Zusammensetzung ebd., fol. 108v : neben den Vertretern der 6 Kurfürsten gehörte ihm Österreich, Salzburg, Bayern, Würzburg, Baden, Speyer, ein Reichsprälat, ein Reichsgraf und Lübeck und Augsburg für die Reichsstädte an. Später wurde Augsburg durch Nürnberg ersetzt (vgl. Protokoll). . 131 MEA RTA 14a, D, fol. 89 v ; Mitglieder neben den 6 kurfürstlichen Räten waren 3 geistlich-fürstliche, 3 weltlich-fürstliche Räte, je 1 Rat der Reichsprälaten und -grafen und 2 Städteboten. Dort auch das "Prothocoll deß verordent Ausschuß, wes uff der key. Mt. bedenken uber die Chamergerichtsordnung, Anschlege deß Burgundischen Kraiß, Pollicey ubergeben berathschlagt, item wie d. Anschlag deß Chamergerichts erhöcht, item den bewilligten Vorrath, item vierjerige Türkenanlage zu underhaltung der gebue und besatzung der außstossende Stett und flecken belang", ebd., fol. 88 r ff.
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4. ein Ausschuß zur Beratung der Verringerung der Anschläge, von dem nach kurfürstlicher Forderung die Reichsstädte ausgeschlossen waren 132. 5. ein Ausschuß zur Beratung des Bundesplanes133.
6. ein Ausschuß für die Beratung des Burgundischen Vertrages 134. 7. ein Ausschuß für "Vorrat" und "Baugeld"135. Der insgesamt nur in seinen wichtigsten Stationen beschriebene Kampf um die Einsetzung interkurialer Ausschüsse auf dem Geharnischten Reichstag stellt den Höhepunkt einer Entwicklung dar, deren Anfänge - wie gezeigt wurde - mit den ersten Auswirkungen des Konfessionsstreites zusammenfielen. Daß diese Entwicklung aber gerade 1547/48 in ihre entscheidende Phase eintrat, ist nicht auf die konfessionelle Spaltung der Reichsstände zurückzuführen, sondern auf den von den Kurfürsten rechtzeitig erkannten Angriff Karls V. auf die Reichsverfassung. G. Oestreich ist zuzustimmen, wenn er den Grund für dieses Verhalten außerhalb des Augsburger Reichstages von 1547/ 48 sucht, und zwar in der dem Reichstag unmittelbar voraufgegangenen Versammlung ausgewählter Reichsstände, die von Ulm nach Augsburg 132 Beratungen der Kurfürsten vor Einsetzung des Ausschusses: MEA RTA 14a, D, fol. 214v - 217 v . Dem Ausschuß gehörten neben den Vertretern der 6 Kurfürsten Räte von Bayern, Würzburg, Simmern, Eichstätt, Jülich und Straßburg sowie der Reichsprälaten und der Reichsgrafen an (ebd., fol. 220 V ). Bis auf die Reichsstädte war der Ausschuß zahlenmäßig also gleich den anderen besetzt. Das Kurfürstenratsprotokoll, MEA RTA 14b, E, fol. 320 r , nennt dieselben Vertreter des Fürstenrates im Ausschuß. 133 Seine Zusammensetzung ergibt sich aus dem Protokoll: MEA RTA 13, B, fol. 363 r ff.; danach gehörten ihm neben den 6 Kurfürsten österreich, Salzburg, Würzburg, Bayern, Baden, Henneberg, je ein Reichsgraf und -prälat und Lübeck und Nürnberg als Reichsstädte an. IS4 Über die Verhandlungen vor Einsetzung des Ausschusses informiert das Protokoll des Kurfürstenrates bei Gross / Lacroix, Burgundischer Kreis I, Nr. 384, S. 313 - 316. Danach sollten die Fragen betr. der Niederlande dem für die Kammergerichtsordnung zuständigen Ausschuß (Zusammensetzung: MEA RTA 14a, D, fol. 89 v ) übergeben werden (ebd. Gross / Lacroix, I, S. 315). Das Reichstagsausschuß-Protokoll bei Gross / Lacroix, I, Nr. 385, S. 316 - 319, nennt unter dem 4. 4. 1548 als Ausschußmitglieder die 6 Kurfürsten, Österreich, Bayern, Straßburg, Zweibrücken, Münster, Jülich, Henneberg, 1 Reichsgrafen, 1 Reichsprälaten, Lübeck für die Reichsstädte; unter dem 7.4. 1548 auch Würzburg (ebd., S. 319). Am 3.5. 1548 gehörten dem Ausschuß von der Seite der Reichsfürsten Salzburg, Bayern, Würzburg, Jülich, Straßburg und Vertreter der Reichsprälaten und -grafen an (ebd., Nr. 401, S. 345 - 351). Vgl. auch Rabe, Reichsbund, S. 376 mit Anm. 33. 135 Vgl. zu seinen Beratungen das "Prothocoll des verordenten Ausschuß uff kaiserlicher Maiestat Proposition des Furraths halben": MEA RTA 17a, K, fol. 387 r ff. Dort auch seine Zusammensetzung: 6 Kurfürsten, aus dem Reichsfürstenrat: Würzburg, Straßburg, Eichstätt, Bayern, Baden, Simmern, je 1 Reichsgraf und -prälat, ferner von den Reichsstädten Straßburg und Nürnberg (ebd., fol. 388r ).
4 Neuhaus
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verlegt worden war136 • In Ulm war es nach erfolglosen Verhandlungen unter allen Teilnehmern zur Bildung eines Ausschusses aus Mitgliedern aller vertretenen reichsständischen Gruppen gekommen, der auch noch in Augsburg tagte137 • Als auch die Beratungen in diesem Gremium zu keinem Ergebnis führten, wollten die Gesandten der Kurfürsten von Mainz und der Pfalz und des inzwischen beteiligten Kursachsen den Bundesplan in getrennten Kurien weiterberaten, wogegen sich die reichsfürstlichen Räte mit der Begründung wandten, der Bundesplan des Kaisers sei keine Reichssache und deshalb gemeinsam in einem Gremium zu beraten 138 • Dieses geschickt eingefädelte taktische Manöver suchte der Kaiser in seinem Bestreben zu verhindern, die Bundeshandlung unter allen Umständen von den immer näherrückenden Reichstagsverhandlungen zu trennen139 • Deshalb schlug er die Bildung eines Ausschusses vor, dem je vier Kurfürsten, geistliche Reichsfürsten, weltliche Reichsfürsten und Reichsstädte, dazu je zwei Reichsprälaten, Reichsgrafen und Reichsritter angehören sollten140 • Einem solchen Ausschuß konnten die Kurfürsten am allerwenigsten zustimmen, widersprach er doch allen Gewohnheiten der Besetzung interkurialer Reichstagsausschüsse und waren bei Verminderung ihrer Vertreter um zwei die Reichsstände besonders stark vertreten, unter denen Karl V. noch am ehesten Anhänger und Befürworter seines Planes finden konnte 141 • Karl V. hat auch sonst versucht, auf die Arbeitsweise der Reichsstände bei ihren Versammlungen Einfluß zu nehmen, und das deutlich zu verstehen gegeben. 1532 griff er beispielsweise bei der Beratung der Türkenhilfe in die Geschäftsordnung des Reichstages ein142 • 1547 in Augsburg ermahnte er am Ende seiner Reichstagsproposition die Reichsstände, sich nicht wieder in "abgesonderte reth" aufzusplittern143 und nahm zur Frage der Einrichtung eines interkurialen Großen Ausschusses Stellung. Er unterstützte die Forderung des Reichsfürstenrates, die zugleich im Sinne der Reichsstädte war, indem er sich nach 136 Oestreich, Arbeitsweise, S. 238 f. Zum Teilnehmerkreis des Ulmer Tages s. Rabe, Reichsbund, S. 149 ff. 137 Rabe, Reichsbund, S. 163. 138 Str. Korr. IV, Nr. 664, S. 757; s. a. Rabe, Reichsbund, S. 174 mit Anm. 117. 139 Rabe, Reichsbund, S. 175. Nachdem der Reichstag dann doch vor Beendigung der Bundeshandlung begonnen hatte, ließ der Kaiser die Reichsstände durch Heinrich Haß bitten, "neben den Reichs- auch in Bundtssachen zuverfaren und dermaßen zu furdern und furzunemen, dz nit aine under die andere verwickelt sonndern underschidlich u[nd] furderlich bede verricht werden" (MEA RTA 14b, E, fol. 22 v ), was diese zusagten (ebd., fol. 23 r ). 140 Str. Korr. IV, Nr. 664, S. 757. 141 Vgl. Rabe, Reichsbund, S. 175 f. 142 Vgl. Beilage UI bei Westermann, 1532, S. 180. 143 Sastrow, S. 111.
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überreichung der ihm von Kurfürsten und Fürsten getrennt übergebenen ersten Antworten auf seine Proposition für eine Beratung der Fragenkomplexe um Landfrieden, Reichskammergerichts-Ordnung, Reichsanschläge und Münzordnung in einem inter kurialen Ausschuß aussprach. Er hielt es für besser, daß die vier wesentlichen Propositionspunkte "zum fuglichisten und schleunigsten durch aller Stend gemainen Ausschuß berathschlagt" werden, weil "die Sachen damit nit wenig gefurdert und die Zeit gewinnen hette worden mugen"144. Hinsichtlich der Reform der Reichskammergerichtsordnung war er der Meinung, daß diese "nit baß, statlicher noch furdersamer dann durch aller Stend gemainen Ausschuß verricht werden mag"145. Aber niemals zuvor suchte er seine Vorstellungen von den Formen reichsständischer Arbeit in so konkreter Weise zu realisieren und Einfluß im Sinne seiner eigenen Sache zu nehmen, wie er es mit dem 22er Ausschuß tat. Dieses Gremium war nicht nur so zusammengesetzt, daß ein Abstimmungsergebnis die kaiserlichen Pläne verwirklichen half, sondern es sollte auch in seiner Arbeitsweise dem Kaiser gefügig sein. Wenn die Straßburger Gesandten nach Hause schrieben, der Kaiser wünsche, daß die Ausschußmitglieder "nit als diener, sonder als für sich selbs da sitzen"146, so hatten sie den Kernpunkt des kaiserlichen Vorschlags vom 29.8.1547 erfaßt, der noch von der geschäftsordnungsmäßigen Bestimmung ergänzt wurde, daß unter Umgehung von Beratungen und Beschlußfassungen in den Reichstagsgremien die Entscheidungsvorlage des 22er Ausschusses direkt dem Reichsrat zur Abstimmung vorgelegt werden sollte 147. Damit war klar, daß dieser Ausschuß allein ein Werkzeug des Kaisers sein sollte, auf dessen Mitglieder nur er Einfluß nehmen konnte. Bei seinem Angriff auf die Reichsverfassung wollte sich der Kaiser also der Untergebenen der Reichsstände bedienen und deren Stellung aushöhlen. Aber die Kurfürsten, schon immer auf ihre reichsrechtlich verankerte Stellung bedacht und deshalb immer wieder als strikte Ausschußgegner auf den Reichstagen aufgetreten, wehrten diesen entscheidenden Angriff ab. Bei der Bildung des Ausschusses in Ulm, der längst nicht so gefährlich für sie angelegt und am ehesten einem interkurialen Reichstagsausschuß vergleichbar war, dem sie oft genug wenn auch widerwillig - zugestimmt hatten, mußten sie unter dem Vorbehalt ihrer Sonderstellung ihre Position aufgeben. Sie waren dabei die Gefahr eingegangen, "in den außschussen mit den Stirnen ubermert [zu] werden zu nachteil und verminderung irer preeminentz und re144
145 148
141
4·
MEA RTA 14a, C, fol. 185r • MEA RTA 14a, C, fol. 186v • Str. Korr. IV, Nr. 664, S. 757. Str. Korr. IV, Nr. 664, S. 757 ff. Vgl. Oestreich, Arbeitsweise, S. 239.
52
2.2. Organisationsstruktur und Arbeitsweise
putation"148. Dazu waren sie bei dem geplanten 22er Ausschuß überhaupt nicht bereit, sondern wehrten sich in einer "Supplikation an die Ro. kay. Mat. der Churfursten preeminentz und Reputation in Rathschlegen belangendt"14o energisch dagegen. (Siehe Beilage NT. 2.) Zugleich gelang es ihnen, ihr ursprüngliches Ziel in der Bundeshandlung zu erreichen und "disen hochwichtigen handel uff einen kunfftigen Reichstag anzustellen"15o. Als "des heiligen Reichs glider und seulen"151 wandten sie sich erstens dagegen, daß die Ausschußmitglieder "dise sach fur sich selbst unnd nit von wegen irer Herren, von denen sie zu diser handlung abgefertigt, berathschlagen, bedencken, und in derselben ein ordnung verfassen" sollen, und betonten, daß es den "Rethen [...] unserm habenden bevelh nach keinswegs geburn will", "sich ander gestalt, dann wie von alters herkomen in diser handlung einzulassen"152 und "sich anderer gestalt dann von irer Herrschafft wegen gebrauchen zulassen"153; zweitens verwiesen sie auf die "auch sunst so und alwege ublich und gebreuchlich gewesen[e]" Arbeitsweise der Kurfürsten in ihrem "aigen abgesonderten Rath", wie sie ihn auch bei "andern particular unnd sondern sachen als zu Coblentz, Wormbs und Hagenaue" gehabt haben154, nahmen gegen die viel länger dauernden und umständlicheren Ausschußberatungen Stellung165 und wehrten sich damit gegen eine Übergehung des Kurfürstenrates bei der Beratung und Beschlußfassung; drittens verwahrten sie sich dagegen, "das sie In Irem Rath getrentt, und In den Stymmen gegen andern fursten unnd stenden geringert und allein den Stetten geleich gesetzt werden soltten", was ihrer "wolherbrachten Reputation und preeminentz", aber auch dem Kaiser und dem Reich "zum hochsten nachtheilig und in viI weg bedencklich sein wolt" 156. Damit war der Versuch des Kaisers gescheitert, die Bundessache "der Geschäftsordnung des Reichstages zu 148 MEA RTA 13, B, fol. 6 r • Zuvor war den Mainzer Räten von ihrem Kurfürsten befohlen worden, "bey andern churfürstlichen Rethen fuglich weg und mitteIl zu suchen, das sich die churfurstlichen Rethe in disse hochwichtigen sachen altem herkomen nach eins eigen Raths geprauchen mogen, solchs ist notwendig unnd zu Erhaltung churfurstlicher preeminentz dinlich", und sie sollten auch "in einen außschuß leichtlich nit willigen, es wurde dann durch das merer im Churfursten Rath beschlossen" (ebd., fol. 6r ); vgl. Rabe, Reichsbund, S. 162. 148 MEA RTA 13, A, fol. 78 r - 81 r ; vgl. auch Traktat, S. 69 -72. 160 MEA RTA 13, B, fol. 6v • 151 MEA RTA 13, A, fol. 79 r • 152 MEA RTA 13, A, fol. 78v • 163 MEA RTA 13, A, fol. 80v • 154 MEA RTA 13, A, fol. 79r, v. 166 MEA RTA 13, A, fol. 80 r • 158 MEA RTA 13, A, fol. 80 r ; vgl. dazu die Stellungnahme der Reichsstädte: Str. Korr. IV, Nr. 664, S. 757 ff.
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entziehen"157, aber auch der Versuch, die Ausschußebene des Reichstages zum großen Teil unter seinen Einfluß zu bringen. Ohne Propositionsgegenstand gewesen zu sein, kam die Bundessache dann doch in die Beratungen des Reichstages von 1547/48, allerdings wie gezeigt wurde - in einem normalen interkurialen Ausschuß ohne Beschlußkompetenz, der zudem nur noch sehr kurze Zeit tagte 158• Die Kurfürsten blieben auf diesem Reichstag wachsam, vor allem auch im Hinblick auf eine mögliche Unterrepräsentierung ihres Kollegiums in den dann von ihnen mitgetragenen Ausschüssen. Als es am 3.4.1548 um die Einsetzung eines Ausschusses für die Behandlung der Probleme um den Burgundischen Kreis ging, waren sie damit einverstanden, daß "dise sachen dem ausschuss der camergerichtsordnung bevolhen werden soll", wandten sich aber gegen das Begehren Jülichs und Bambergs als Vertreter des Reichsfürstenrates, die meinten, "es were wol und gut, etlich sonder person, so die gelegenheit wissen, zu disem ausschuss zu ordnen"159 (Hervorhebung vom Verfasser). Auf die Anzeige des Fürstenrates hin, da in dem "ausschuss uber die camergerichtsordnung [...] nit personen [...] so der landart wissende", wolle man ihn durch zwei ergänzen, machten die Kurfürsten geltend, "es seie nit breuchig, die ausschuss zu meren" (Trier) und wandten sich gegen eine Erweiterung16o. Andererseits sahen sie die Vorteile sachkundiger Ausschußmitglieder161 und einigten sich schließlich darauf, "die abwechslung zu tuen, diejenigen, so der art und land wissend, anstat anderer zu ordnen"162. Überblickt man die sieben aufgezählten interkurialen Ausschüsse und vergleicht sie zudem mit solchen früherer Reichstage, so hat sich in der Tat eine feste Teilnehmerzahl herausgebildet. 1547/48 war es "nit breuchig, die ausschuss zu meren", denn alle waren mit sechs Vertretern der Kurfürsten, drei der geistlichen und drei der weltlichen Reichsfürsten, je einem der Prälaten und der Grafen und - mit einer Ausnahme - zwei Städtevertretern besetzt163. Verglichen mit ihren Vor157 158
Rabe, Reichsbund, S. 367. Vgl. Rabe, Reichsbund, S. 290 - 294.
Gross / LacToix, Burgundischer Kreis I, Nr. 384, S. 315. Ebd. 181 Ebd., S. 315 f. 182 Ebd., S. 316. Dieser Austausch schlug sich dann auch in den Protokollen des Ausschusses nieder. 183 Dabei soll hier nicht unterschieden werden, welcher Reichsstand persönlich im Ausschuß saß und welcher sich durch Räte vertreten ließ. Eine detaillierte Einzelanalyse auf sehr viel breiterer Grundlage muß späteren Forschungen vorbehalten bleiben. 1547/48 aber - soviel sei angemerkt war es die Regel, daß Räte aus den Territorien und den Reichsstädten die Ausschußarbeit leisteten; mit ihnen hatte Karl V. ja auch seinen Bundes158
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gängern hatten sich die Zahlenverhältnisse nicht wesentlich verändert. Bis 1529 stellten die Reichsgrafen allerdings zwei Vertreter in den Ausschüssen, die Zahl der geistlichen und weltlichen Reichsfürsten betrug zwei, vier oder gar fünf 164. 1530 in Augsburg fehlte neben den beiden Reichsstädten auch der Kurfürst von Sachsen in einem nur mit katholischen Reichsständen besetzten interkurialen Ausschuß. Gemeinsam ist diesen Gremien, daß sie keine Beschlußkompetenz besaßen und, indem sie jeweils nur für bestimmte Aufgaben zuständig waren, die zentrale Funktion des interkurialen Großen Ausschusses aller Reichsstände verloren hatten, der Hauptverhandlungsgremium unter und neben den Kurien und Koordinationsstelle aller reichs ständischen Beratungen gewesen war. Von ihrer Aufgabenstellung und interkurialen Eigenschaft her - nicht unter dem Gesichtspunkt der zahlenmäßigen Besetzung - glichen sie eher den vielen kleineren Reichstagsausschüssen, die auch jeweils nur einen festumrissenen Fragenkomplex zu beraten hatten. Die für die Arbeitsweise des Reichstages und die Gestaltung der interkurialen Großen Ausschüsse auf der dritten Arbeitsebene des Ständeparlaments wichtigen Entscheidungen vom Herbst 1547 wurden wegweisend für die folgenden Reichstage. Auf der Augsburger Versammlung von 1550/51 beantworteten die Kurfürsten die reichsfürstliche Forderung nach einem "gemeinen außschuß" zur Beratung der mit dem Interim entstandenen Probleme, "dieweil sollches ein gemeine sach und alle Stennde belanngen thet"165, mit einer Absage, die sie unter Hinweis auf die Behandlung der Ausschußfrage auf dem vorigen Reichstag in bekannter Weise begründeten166. Obwohl sich zuvor der Sachse verwundert darüber gezeigt hatte, daß die Fürsten den Kurfürsten Vorschriften darüber machen wollten, wie sie die kaiserliche Replik beraten sollten, "so doch sie die Churf[ursten] denn Stennden plan im 22er Ausschuß beraten und verabschieden wollen. Zur Zusammensetzung der interkurialen Ausschüsse vgl. auch Oestreich, Arbeitsweise, S. 236 mit Anm. 51, der vom "Rationalisierungsprozeß des frühmodernen Staates und seiner entstehenden Fachbürokratie" spricht, die sich "im Reichstag auf der Arbeitsebene des Ausschußwesens wider[spiegelt]". 16f Andere Zahlen, die aber aus den Quellen nicht bestätigt werden können, nennt der Traktat, S. 70. Dort wird zudem die Gefahr der überstimmung der Kurfürsten in interkurialen Ausschüssen zu sehr aus der Sicht der Mainzer Kanzlei gesehen. 166 MEA RTA 32, Protokoll Prima pars, fol. 195v . Die Reichsstädte hatten sogar gehofft, Kurfürsten und Fürsten "solten wie hievor auf andern gehaltnen Reichstagenn beschehenn, zu berathschlagung, angeregter E. kay. Mt. proposition, einen gemainen Ausschuß, darain auch etlich aus uns, d. Stet gesanten gezogen worden werend, verordnet habenn" (RK RTA 23, III, 5 = Antwort der Reichsstädte auf die kaiserliche Proposition); vgl. auch Str. Korr. V, Nr. 77, S. 118, 119. 166 MEA RTA 32, Protokoll Prima pars, fol. 197 r , 198r , v, 199 r .
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In dem khein ordnung gegeben hetten"167, und damit die Eigenständigkeit von Kurfürsten- und Fürstenrat in der Handhabung einer Geschäftsordnung betont hatte, kündigten die Fürsten an, bei weiterer Ablehnung durch die Kurfürsten die Ausschußfrage an den Kaiser gelangen zu lassen und eine kaiserliche Deklaration dazu abzuwarten168. Die Kurfürsten - ohne neue Argumente gegen die Ausschußbildung vorzubringen - hielten eine solche Deklaration "nit vonn nötten [... ], die weil es in Arbitrio Electorum stuende, in die Ausschuß zu bewilligen oder nit"169; die Zustimmung zur Einsetzung von Ausschüssen "wher bei denn Churfurstenn allemal facultatis unnd nit necessitatis gewesen"170. Alle Hinweise der Fürsten "uff die prothocolla voriger Reichstäge [...], darinn mann befinden wurde, das mann uff vielen Reichstägen allemal, dho es die hoch notturfft hett erfordert, ein ausschuß gemacht hett"171 nutzten nichts, selbst ein Nachgeben in der gleichzeitig zu entscheidenden Frage der reichsfürstlichen Mitglieder im Supplikationsausschuß wurde nicht belohnt1 72 . Schließlich resignierten die Fürsten und akzeptierten das klare Votum der Kurfürsten für Beratungen in den drei Kollegien173. Zu einem Hauptargument gegen die Einsetzung interkurialer Ausschüsse wurde auf diesem Augsburger Reichstag von 1550/51 die Geheimhaltung von Beratungen174. Ihre diesbezüglichen Sorgen - nicht nur daß ein Ausschuß die kurfürstlichen Vota offenbar mache175 brachten sie im Zusammenhang der Auseinandersetzungen um Magdeburg vor, das sich der Durchführung des Interims widersetzte und der kaiserlichen Acht trotzte. Da die Vorgänge um diese Stadt Gegenstand einer Reihe von Supplikationen geworden waren, schlug der Mainzer Hofmeister als Betroffener am 4. 11. 1550 von sich aus einen "gemeinen ausschuß" vor, der die Angelegenheit "erwegen und berathschlagen" sollte176 • Dem widersprachen der Kölner und die übrigen Kurfürsten, und verwiesen auf Beratungen in den Kurien mit anschließender Vergleichung zwischen den Räten, denn "so wurdenn die Stett dardurch nit zugelassen (wie sie dhann billich in diesem fall ausgeschlossen wer187 MEA RTA 32, fol. 197 V • 188 MEA RTA 32, fol. 204v . 189 MEA RTA 32, fol. 205 v . 170 MEA RTA 32, fol. 207 r . 171 MEA RTA 32, fol. 209". 172 MEA RTA 32, fol. 210 r , v; s. u. Kap. 4.1.2. 173 MEA RTA 32, fol. 214 v , 216 V , 299 r • 174 Auch dieses Problem, mit dem die Fragen der Protokollführung auf Reichstagen eng zusammenhängen, ist vorläufig noch ein Desiderat der Forschung. 175 MEA RTA 32, fol. 197 r . 176 MEA RTA 32, fol. 422 r •
2.2.
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Organisationsstruktur und Arbeitsweise
den sollten auß beweglichen ursachen) welches aber in einem Ausschuß nit möcht verhuett pleiben, sonder muesten darzu genommen werden"177. Diese Argumentation zeigt, daß es den Kurfürsten vor allem darum ging, die Städte weitgehend von den Beratungen auszuschließen, weil ihnen diese für komplizierte politische Fragen nicht vertrauenswert waren. Deshalb traten sie für innerkuriale Beratungen und gegen einen interkurialen Ausschuß ein und übergaben die Supplikationen nicht einfach dem eigentlich dafür zuständigen Gremium178. Mainz ließ es sich denn "auch nit mißfallen, zu befürderung der Sachen, das an statt deß Ausschuß ein yeder Rhadt für sich ein verordnung zu sollicher berathschlagung machen sollt. Dardurch also die Stett so zu dieser berathschlagung [zu]zulassen ettwas bedenncklich sein möcht", ausgeschlossen würden179. Die Stände nahmen das zu Kenntnis und wollten "in die verordnung willigen und denn ausschuß dißmals fallen lassen, doch citra consequentiam et eorum prejudicium In posterum"180. Die 1547/48 in Augsburg eingenommenen Standpunkte in der Frage der Einrichtung interkurialer Ausschüsse hatte sich somit 1550/51 noch weiter verfestigt. Dem widerspricht kaum die Tatsache, daß am 14.10. 1550 ein Ausschuß für die Behandlung der schwierigen Münzordnung eingerichtet wurde, dessen Zusammensetzung und Kompetenz den früheren Ausschüssen gleicht181 . Auf dem letzten Reichstag der Regierungszeit Karls V. wurde die Haltung der Kurfürsten dann noch einmal auf die Probe gestellt, als König Ferdinand als Vertreter des Kaisers im Anschluß an die Verlesung der Proposition seine Vorstellungen von der Arbeitsweise dieses Reichstages entwickeln ließ. Zugleich ist dieser Reichstag ein weiterer deutlicher Beleg dafür, daß es auf den Reichstagen der Zeit keine festumrissene Geschäftsordnung gegeben hat. Insbesondere dem "Reichstags Protocoll 1555 zu Augspurg"182 sind immer wieder Diskussionen zu entnehmen, die die Unsicherheiten in Verfahrensfragen sehr deutlich erkennen lassen. Vor allem zu Beginn der Versammlung, als der Reichstag erst seine Art und seinen Weg der Erledigung der Proposition finden mußte, häuften sich die Auseinandersetzungen "auf den weg der 177 MEA RTA 32, fol. 423r, v. 178 Dieses Verhalten wurde allgemein begründet in MEA RTA 32, fol.
252 r.
179 MEA RTA 32, fol. 424r. 180 MEA RTA 32, fol. 426 v. 181 MEA RTA 32, fol. 362r, v; Mitglieder neben den kurfürstlichen Räten waren Vertreter Österreichs, Würzburgs, Straßburgs, Jülichs, Pommerns, der Reichsprälaten, der Reichsgrafen und der Reichsstädte (Straßburg und Nürnberg). 182 MEA RTA 38, fol. Ir - 894v.
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beratschlagung wie die furgenomen werden mocht"18s. Die Vorstellungen Ferdinands von der Geschäftsordnung dieses Reichstages erläuterte Vizekanzler Jonas am 5.2.1555 in einer mündlichen Erklärung184, nachdem der königliche Sekretär Sauer die Proposition verlesen hatte 185. Darin hob er nicht nur Bedeutung und Stellenwert der einzelnen Probleme hervor, die die allgemeine politische Situation kennzeichneten, sondern leitete aus ihnen zugleich verfahrenstechnische Notwendigkeiten ab, um zu "gemainer sicherhait"188 im Reich zu kommen. Er ließ den Ständen "aus getrewer wolmainung" vermelden und gab ihnen zu bedenken, daß "der angeregt nottwendig artikel Frid Ruhe Ainigkait und handhabung des Landtfriedens belangendt sambtlichen entweder durch wege eines außschuß oder sonst beratschlacht werden mochten oder aber das der Artikel der Religion durch einen sonderlichen außschuß und ebenmesiglich der ander auch verricht würden, damit nachmals mit dem ubrigen desto basser und schleuniger auch nachgangen"187. Außerdem schlug er vor, daß "diesse Artikel wol mochten neben einander tractiert und gehandelt werden". Sicherlich aus guter Kenntnis der Abläufe früherer Reichstage und im Bewußtsein, daß eine Lösung der Religionsfrage besonders schwierig sein würde, fügte Jonas hinzu: "Im fall aber solche baide artikel (des sich ire mt. nit versehen) samenthaft nit konten erledigt werden, were alsdan der articul von fried, ruhe etc. an di hand zu nemen und zu allerforderst in beratschlagung zu ziehen, domit folgents desto ruwiger zu den andern auch komen moge188." Damit sollte zumindest die Erledigung eines wichtigen Propositionspunktes sichergestellt werden 189. Mit diesen Zusätzen zur Proposition griff die königliche Seite weit in den Zuständigkeitsbereich der Reichsstände ein, insbesondere auch den der Kurfürsten. Man konnte sich allerdings auf den Passauer Vertrag vom 2. 8. 1552 stützen, denn dort war in § 7 beschlossen worden: "Es soll auch zu Vorbereitung solcher Vergleichung, bald anfangs solches neuen Reichs-Tags ein Außschuß von etlichen schiedlichen verständigen MEA RTA 38, fol. 23 r • MEA RTA 38, fol. 3r , v; s. a. Hornung, S. 44 mit Anm. 53. 185 MEA RTA 38, fol. 2V ; s. a. Hornung, S. 45 - 48, Friedensburg, Protokoll 1555, S. 39; ferner Lutz, Christianitas afflicta, S. 353 f. 188 MEA RTA 38, fol. 3r • 187 MEA RTA 38, fol. 3v ; Konzept dazu: RK RTA 29b, II, le: post lectam propositionem"; im Reichstagsprotokoll des Felix Hornung, Hornung, S. 44, wird der Ausschuß damit begründet, daß die "sachen umb sovil desto mer gefurdert wurden". 188 MEA RTA 38, fol. 3v ; vgl. Ernst, Briefwechsel, III, S. 59, Anm. 4; vgl. ferner Hornung, S. 47 f. 189 Ernst, Briefwechsel, III, S. 59, Anm. 4, betont die deutliche Bevorzugung des Landfriedensartikels und sieht in dem Vorschlag gleichzeitiger Beratung beider Punkte nur eine Konzession an die Reichsstände. 183
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2.2. Organisationsstruktur und Arbeitsweise
Personen, beyderseits Religionen in gleicher Anzahl, geordnet werden, mit Befelch zu berathschlagen, welcher massen solche Vergleichung am füglichsten möchte fürgenommen werden." Dieser Absichtserklärung aber war auch direkt angefügt worden: "doch den Churfürsten sonst, des Außschuß halben, an ihrer Hoheit unvorgreifflich"190. Infolge des anfangs sehr schwachen Reichstagsbesuches verzögerten sich die eigentlichen Beratungen über die Proposition zunächst, und die Reichsstände versprachen lediglich, "altem gebrauch und herkommen nach die beratschlagung furzunemen"191. Am 4.3.1555 aber wurden die Beratungen dann wieder aufgenommen, in deren Mittelpunkt zunächst bis zum 9.3.1555 Geschäftsordnungsfragen standen l92 . Waren sich die Kurfürsten einig darüber, "die Sachen in gemeinem Rathe zu tractieren und die ausschuß zu umgehen"193, so war die Reihenfolge der zu behandelnden Gegenstände in den "ordinari Rethen" umstritten: die geistlichen Kurfürsten wollten zuerst den Landfrieden behandeln der Mainzer verwies dabei auf den Wunsch des Königs 194 -, die weltlichen dagegen - entsprechend der Reihenfolge in der Proposition zuerst die Religionsfrage, weil das Reich erst zu Ruhe und Frieden kommen könne, wenn die unerledigten Punkte des Passauer Vertrages geklärt seien l95 . Um ein zwiespältiges Votum zu vermeiden - Trier hatte ausdrücklich auf den Brauch hingewiesen, ein solches den Fürsten zu offenbaren 196 -, gaben die geistlichen Kurfürsten nach, als Kurköln sich für die Beratung des Landfriedens an erster Stelle ausgesprochen hatte l97 . Damit setzte sich das Mehrheitsprinzip im Kurfürstenrat durch, denn Kursachsen hatte zuvor bestritten, daß "zweierlei gleiche mainungen vorhanden" waren, da "Cöln nit außtrucklichen votiert hette"198. Im Fürstenrat hatten sich dagegen die geistlichen Fürsten durchgesetzt, denn nach ihrer Meinung sollte zuerst die Landfriedensfrage in einem Ausschuß verhandelt werden, damit die Beratungen gemäß dem 190 RA III, Passauer Vertrag § 7, S. 5.
191 Hornung, S. 49; zur ganzen Antwort der Reichsstände ebd., S. 48 f.; vgl. auch MEA RTA 38, fol. 4v ff. 192 Vgl. für den Kurfürstenrat MEA RTA 38, fol. 35r -76 v , für den Reichsfürstenrat RK RTA 32, VII, 1 Bd. "Raplatur Reichstagsprotocol Augsburg 1555", fol. 16v - 26 v ; vgl. Hornung, S. 57 mit Anm. 94. 193 MEA RTA 38, fol. 38v • 194 MEA RTA 38, fol. 38 v , vgl. ebd., fol. 3v • 195 MEA RTA 38, fol. 35 v ; diese Meinung ergänzte Kurpfalz am nächsten Tag: "Dweil dan auß. der Passawischen vertragshandlung Sachen herfliessen, daran der Churfursten Preeminentz vast viel gelegen" (ebd., fol. 47 v ). 196 MEA RTA 38, fol. 47 r • 197 MEA RTA 38, fol. 49 r • 198 MEA RTA 38, fol. 47 v •
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Wunsch des Königs beschleunigt werden konnten 199. Nun wiederholte sich 1555 derselbe Streit um die Einrichtung interkurialer Ausschüsse wie auf den Reichstagen zuvor. Hatte schon früher der österreichische Gesandte Wilhelm Truchseß, der dem königlichen Hause natürlich besonders nahe stand, in einer geschäftsordnungsmäßigen Erklärung angeregt, den vom König vorgeschlagenen Ausschuß zu bilden, "dweil die wege der Ausschuß nit unpreuchlich und im Reich wol herkomen"2oo, und betonte der Vertreter des Bischofs von Augsburg, daß man im Ausschuß nichts "schließlichs hanndlet", sondern "man höre eyn annder näher", und "ettwa ainer von Stetten auch guet urs ach fürbringt"201, so betonten die Kurfürsten, daß ihr Rat der "Schließradt"202 und ein Ausschuß ihrer Reputation zuwider sei 203 . Im weiteren Verlauf der Auseinandersetzungen stellte man aber fest, daß "man nit so vern von einander"204, denn die Kurfürsten hatten nach der Anregung des Fürstenrates, "ein ausschuß zu verordnen, de modo procedendi zuratschlagen"205, vorgeschlagen, daß "der Religions Ar[ticu]l nit hauptsechlich solt tractiert werden, sonder de modo procedendi, gleichfals auch der Landtfride nit haubtsechlich, sonder auch incidenter de modo pro cedendi solt gehandelt werden". Dazu ergänzte der Mainzer Kanzler, daß der "Ar[ticu]l der Religion auf Passawische vertrags handlung keiserlich ausschreiben prorogation und kon[igliche] proposition solt tractiert werden, sambt allem, was deme anhangig"206. Die Kurfürsten aber waren nicht bereit, über den Passauer Vertrag hinauszugehen 207 , und lehnten es ab, über den Religionsartikel "der dogmatibus halben" und über den Landfrieden in einem Ausschuß zu beraten208 . 199 MEA RTA 38, fol. 55 v ; vgl. ebd. fol. 3v ; zu diesen Vorgängen im übrigen Lutz, Christianitas afflicta, S. 356. 200 MEA RTA 38, fol. 23f, v. 201 RK RTA 32, VII, fol. 24v • 202 MEA RTA 38, fol. 57 f • 203 MEA RTA 38, fol. 58f. !04 So Zasius als Verordneter des Fürstenrates: MEA RTA 38, fol. 62 v ; daß "man nit weit von einander", hatte zuvor der Mainzer Kanzler festgestellt: MEA RTA 38, fol. 60V • 205 MEA RTA 38, fol. 59 f • 206 MEA RTA 38, fol. 60v. 207 MEA RTA 38, fol. 64 f ff.; vgl. Ernst, Briefwechsel, III, S. 100 - 102 mit Anm. 1. Schon im Februar 1555 hatten die kurmainzischen Gesandten ihrem Kurfürsten geschrieben, daß sie "die Außschuß mit andern disser Opinion zuwidderfechten und darin nit zuwilligen gedachten. Allain so der articul der Religion in ein Außschuß wolt tractiert werden, wissen wir uns in deme des passawischen vertrags zuerinnern" (MEA RTA 37, Liber I, Brief Nr. 8 v. 15. 2. 1555). Vgl. auch bereits die Instruktion aus Mainz vom 2.4. 1554 für die Gesandten auf dem Reichstag, der am 8.4. 1554 in Augsburg hätte beginnen sollen. 208 MEA RTA 38, fol. 69 f • Im Brief des Kurfürsten von Mainz an seine Räte in Augsburg vom 9. 2. 1555, der seine Reaktion auf die königliche Pro-
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2.2. Organisationsstruktur und Arbeitsweise
Die Auseinandersetzungen um den interkurialen Ausschuß209 fanden am 9. 3. 1555 ihren Abschluß in einer Art Kommunique, das die Haltung der Kurfürsten bestätigte: "Sumarischer begriff der gantzen beratschlagung den modum procedendi belangendt, wes man sich in baiden Chur und furstlichen Rathen verglichen. Bede Chur und furstliche Rethe haben sich dahin verglichen, den Artickel der Religion vermoge passawischen vertrags in einer verordnung oder Ausschuß auf dissem Reichstag zutractieren. Doch nit weiter dan sovil anlangt auf was weiß und wege. Es sei gleich generalis oder nationalis Concilii Colloquii oder sonst ein andern, auch zu was anderer zeit platz oder malstat und durch was personen die vergleichung derselbigenzu suchen. Und dz so furderlich es gesein kan darzu taugliche personen damit etliche im Churfurstlichen Rathe noch nit gefaßt verordnet werden sollen. Am andern das der Ar[ticu]l des fridens und gemainer sicherhait in den ordinari Chur- und furstlichen Rethen abgesondert tractiert beratschlagt und gehandelt werden soll. Also das erstlich der Churfurstlichen Rethe bedencken nach, an die hant zunemen und zuberatschlagen, Obe welcher gestalt, auf was wege, weiß und maß ein bestendiger fridstanndt in der Spaltung der Religion zwüschen baiderseitz partheyen der alten religion auch den Augspurgischen Confessionsverwandten aufzurichten. Nachmals worauf in prophan Sachen wie und in was fellen auch ein friden und dz aussenthalb tatlicher handlung einer den andern beim Rechten pleiben lasse anzustellen und dan obe und wie der Landtfride in etwas mehen wichtigkeit wurcklichait und exekution zupringen. Doch das sie auf die wurmbische und franckfurtische handlung auch daselbsten furgeprachte Kriegs-Ordnung einige beratschlagung fürzunemen frei stehen und unverpunden sein. Sonder wie sich auf eim Reichstage in den Rethen gepurt auf ein oder den andern weg wie sich solchs in votis zutregt und ein yeder in befelch hat oder erlangen mach ratschlagen wellen. Darauf sich der Fursten Rathe so weit verglichen das Sie auch den Ar[ticu]l des fridens in Irem Rathe oder durch Iren darzu verordneten Ausschuß nach Irer gelegenhait und wie sie sich des modi procedendi uber den friden in welchen fellen sie es für gut ansehen wurden auch beratschlagung furnemen und Ires gefallens wie fer und weit sie sich in dissem Ar[ticu]l einzulassen auch frei stehen wollen210 ." position darstellte, ermahnte er seine Gesandten, sich "auch vor den ausschüssen, darauff der kon. Mt. proposition deuteh und sonderlich in berathschlagung der verbesserung Landtfridens mit vleiß hütten" (MEA RTA 37, Liber I, Brief Nr. 2 v. 9. 2. 1555); s. a. Traktat, S. 72. 209 MEA RTA 38, foI. 62v - 75 v • 210 MEA RTA 38, foI. 76r, v.
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Dieser Beschluß war so grundlegend, daß es während des ganzen Reichstages zu keinem interkurialen Ausschuß kam211 , und auch in Zukunft sollte es so sein, denn der "Traktat" vermerkt, daß zu Zeiten Maximilians 1. und Karls V. "vast schleunig auff den Reichstagen procedirt und derwegen der Außschuß merertheils gebraucht worden", daß aber die Kurfürsten "seithero [...1 solche Außschuß vorbaß vermitten und in irer Einigung under andern versehen, das in dieselb nit leichtlich soll bewilligt werden"212. Die Kurfürsten hatten sich gegen König Ferdinand und den Reichsfürstenrat durchgesetzt und damit das ständische Prinzip gewahrt. Eine andere reichstagsinterne Entwicklung aber haben die Kurfürsten nicht verhindern können. Ihre Konsequenzen wurden im Rahmen der Auseinandersetzungen um die Arbeitsweise des Reichstages besonders deutlich. Als sich am 7.2.1555 die Reichsstände in ihren Kurien versammelt hatten, um eine erste Antwort auf die königliche Proposition zu erarbeiten, und als dann die Beratungsergebnisse wie bisher üblich in der Stube der Kurfürsten verglichen werden sollten, teilten die persönlich in Augsburg anwesenden Reichsfürsten dem Reichsmarschall mit, sie würden, "dweil kein Churfurst in der person vorhanden", nicht "zu den Churfurstlichen Rethen hinab [...] komen"213. Im Kurfürstenrat löste diese Haltung sofort eine Umfrage aus, in der von den einzelnen kurfürstlichen Räten hervorgehoben wurde, daß die kurfürstliche Reputation und Präeminenz auf keinen Fall gefährdet werden dürfte, zumal der König den kurfürstlichen Räten diese an Stelle ihrer Herren belassen hätte. Sachsen und Mainz bezeichneten es als Brauch und Herkommen, daß die Fürsten zum Vortrag in die kurfürstliche Stube kämen. Schließlich wurde dem Fürstenrat durch den Mainzer Kanzler und den Pfälzer Rat Dr. Melchior mitgeteilt, die persönlich anwesenden Fürsten könnten ja auch ihre Räte zu den kurfürstlichen schicken, was akzeptiert und dann durchgeführt wurde214 . Konnte dieser Streit um eine Verfahrensweise auch sehr schnell beigelegt werden, so doch nur durch einen für die Zukunft nicht unwichtigen Kompromiß: der Fürstenrat entsandte sechs Vertreter in die Stube der Kurfürsten, die den Beschluß der kurfürstlichen Berater hörten215 • Bei immer häufigerer Abwesenheit der Reichsstände und ihrer Vertretung auf dem Reichstag durch Räte mußte die ständeparla!11 So auch Friedensburg, Protokoll 1555, S. 37; Ernst, Briefwechsel, III, S. 388 - 397, gibt eine "Übersicht über die Reichstagsverhandlungen", die keine Sitzung eines interkurialen Ausschusses verzeichnet. 212 Traktat, S. 71. 213 MEA RTA 38, fol. 7r . 214 MEA RTA 38, fol. 7v - 9r . m MEA RTA 38, fol. 14r, v.
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2.2. Organisationsstruktur und Arbeitsweise
mentarische Versammlung auf Reichsebene nach und nach zu einer alleinigen Angelegenheit der Räte und Gesandten werden. Aber nicht erst seit 1555 zeichnete sich die Entwicklung des Reichstages zu einem Gesandtenkongreß ab. Die 1547 in Augsburg von den Kurfürsten so energisch und erfolgreich bekämpfte Forderung des Kaisers, die Mitglieder des 22er Ausschusses zur Beratung seines Bundesplanes sollten "nit als diener, sonder als für sich selbs da sitzen"216, war nicht ohne Folgen geblieben. Die Formulierung, zuerst von den Kurfürsten in ihrer großen Beschwerdeschrift als "dise sach fur sich selbst unnd nit von wegen Irer Herren " 217 aufgenommen, fand Eingang in den "Traktat über den Reichstag im 16. Jahrhundert": Ausschußmitglieder sollen "nit per vota ihrer Herrn, sondern vor sich selbsten die Sachen zum besten" beraten218 . Vor dem Hintergrund des 1555 ausgetragenen Streites um die Einsetzung eines Ausschusses auf der Grundlage des § 7 des Passauer Vertrages von 1552, der einen "Ausschuß von etlichen schiedlichen, verständigen Personen beyderseits Religionen in gleicher Anzahl"219 vorsah und den sie bejahten, mußten sich die Kurfürsten bei aller Ausschußfeindlichkeit mit Ausschüssen sachverständiger Räte einverstanden erklären. Freilich hatten diese Sachverständigen nur "ihr Bedenken zu verfassen", um es dann "den Stenden, fürters zu erwegen, ab- oder zuzuthun, vorzubringen"22o. überblickt man die Auseinandersetzungen um den interkurialen Großen Ausschuß in der Regierungszeit Karls V., so wird die von den Kurfürsten beanspruchte und schließlich auch behauptete hervorragende Stellung im Reichstagsgeschehen aufgrund ihrer Präeminenz und Reputation besonders deutlich. Dieses Präeminenz-Denken, das die Gesamthaltung der Kurfürsten zum Ausschußwesen erklärt, beherrschte und beeinflußte die Arbeit des alten deutschen Reichstages in umfassender Weise. Winfried Becker hat die "Geschichte der kurfürstlichen Präeminenz auf Reichstagen" mit darauf zurückgeführt, "daß die geringe Anzahl und die Gleichberechtigung seiner Mitglieder dem Kurkolleg eine im Vergleich zu den niederen Räten größere innere Geschlossenheit und Homogenität verliehen hatten"221. Das auf die Kurfürsten beschränkte Recht der Königswahl und die in den Wahlkapitulationen seit 1519 zum Ausdruck kommende "kurfürstlich-ständische Str. Korr. IV, Nr. 664, S. 757. MEA RTA 13, A, fol. 78 v (s. a. Beilage Nr. 2). 218 Traktat, S. 72. 219 RA 111, S. 5. 220 Traktat, S. 72. 221 Becker, Kurfürstenrat, S. 265. 218
217
Andere Ausschüsse
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Mitwirkung an der Regierung und Gesetzgebung des Reichs"222 ließen das "Kurkolleg als Korporativinstitution des Reichs" entstehen, "die mit dem Königtum konkurrierte"223, und zugleich gegenüber den übrigen Ständen eine bevorzugte Sonderstellung einnehmen: "Einerseits traten die Kurfürsten dem Kaiser gegenüber als repräsentative Sprecher der Ständegesamtheit auf und bezogen aus ihrer Zugehörigkeit zu den Reichsständen ihren Geltungsanspruch nach oben. Andererseits versuchten sie, nach unten eine Abgrenzung aufrechtzuerhalten, und gebärdeten sich gegenüber der Vielzahl der großen und kleinen Reichsstände als Privilegierte, während sie die Privilegien des Kaisers doch zu ihren Gunsten abzubauen bestrebt waren224 ." Indem sich die Kurfürsten bei den Beratungen über die interkurialen Großen Ausschüsse durchsetzten und am Prinzip des "eigenen Rates" festhielten, bauten sie ihre Position weiter aus. Der Kurfürstenrat wollte von allen als der "Schließradt" anerkannt werden; "in der Churfursten Rath stuben" versammelten sich alle Reichsstände "in pleno consilio"225. Vom Reichsfürstenrat verlangten sie mit immer wieder denselben Argumenten die Anerkennung ihrer Führungsrolle und die bedingungslose Unterordnung der zweiten Kurie; dem reichsstädtischen Kollegium bestritten die Kurfürsten jedes Recht auf eine Mitwirkung an interkurialen Ausschußberatungen. Dies galt nicht nur hinsichtlich des Reichszolls, kurfürstlicher Standesprärogative oder innerer Verfassungsfragen einzelner Kurfürstentümer, sondern allgemein in allen politischen Fragen des Reiches zur Erhaltung der unbestreitbaren Präeminenz und Reputation der sechs Kurfürsten. Diese Position verloren sie erst Mitte des 17. Jh.s, als sich "in Reichsangelegenheiten die Gewichte [... ] vom Kurfürstenrat auf die Gesamtheit der Ständekurien und -corpora verlagert hatten"226. 2.2.3. Andere Ausschüsse auf den Reichstagen der Zeit Karls V. Die in einem bestimmten Zahlenverhältnis mit Vertretern aller drei Kurien besetzten und nur für die Dauer eines Reichstages eingerichteten interkurialen Großen Ausschüsse, von denen bisher die Rede war, Kurfürstenrat, S. 85. Zu den Wahlkapitulationen s. Fritz HarDie Wahlkapitulationen der deutschen Kaiser und Könige, HZ 107, S. 306 - 344; Gerd Kleinheyer, Die kaiserlichen Wahlkapitulationen. Geschichte, Wesen und Funktion, Karlsruhe 1968. 223 Becker, Kurfürstenrat, S. 347. 224 Becker, Kurfürstenrat, S. 348. 225 So z. B. auf dem Augsburger Reichstag von 1555: RK RTA 32, VII, fol. 222
tung, 1911,
Becker,
95 r •
226
339.
Becker,
Kurfürstenrat, S. 344; in gleichem Sinne S. 349 ff. s. a. S. 336-
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2.2. Organisationsstruktur und Arbeitsweise
sind als die wichtigsten Einrichtungen der hier zu betrachtenden dritten Arbeitsebene der Reichstage anzusprechen. Von den hier nicht zu behandelnden innerkurialen Ausschüssen abgesehen, gab es noch weitere interkurial zusammengesetzte Gremien227 . Sie sollen hier nur kurz angesprochen werden, weil sie das Erscheinungsbild des alten deutschen Reichstages als ständeparlamentarische Institution auf der Ausschußebene vervollständigen. Kennzeichen dieser Ausschüsse war, daß sie nicht für einen längeren Zeitraum während des Reichstages zur Beratung eines umfassenden Problemkreises, sondern ad hoc zur Erörterung eines Einzelproblems eingesetzt wurden. Ferner unterscheiden sie sich von den bisher dargestellten interkurialen Großen Ausschüssen dadurch, daß ihnen nicht jeder Kurfürst persönlich oder durch einen Rat vertreten angehörte, sondern Mitglieder aller drei Kurien oder allein des Kurfürsten- und Fürstenrates in unterschiedlicher Zahl, meistens zwischen drei und neun. Könnte man in jenen interkurialen Großen Ausschüssen um Mitglieder des Fürstenrates und des reichsstädtischen Kollegiums ergänzte Beratungsgremien der sechs Kurfürsten sehen, die seine Konstituierung von ihrer Zustimmung abhängig machten, also personell erweiterte Sitzungen des Kurfürstenrates mit umfassender Beratungskompetenz, so handelt es sich bei diesen interkurialen Ausschüssen um Sonderausschüsse für Spezialfragen in grundsätzlich anderer personeller Zusammensetzung. Die vom Verfasser des Reichstagstraktates aus dem Jahre 1569 gegebene allgemeine Beschreibung der Ausschüsse als Gremien, die für "Sachen" eingerichtet wurden, die "irer Qualitet halber nit mögen füglich oder fürderlich in den dreyen ordinari Rähten tractirt werden", oder für "solche Händel [...] , darzu sondere Leut, derselben erfahren, müssen gebraucht werden (als Religion, Müntz, Zoll, Justitien, Policei, und dergleichen Sachen)", gilt mehr noch als für die ausführlich besprochenen interkurialen Großen Ausschüsse für die interkurialen Sonderausschüsse, zumal es im "Traktat" heißt, es würden zu ihnen "von den Stenden sondere Leut deputirt und verordnet"228. Ein typisches Beispiel für einen solchen Sonderausschuß ist das Gremium für die Verhandlungen mit Dr. Martin Luther auf dem Wormser Reichstag von 1521, das am 24. April zusammentrat229 und dem je ein geistlicher und weltlicher Kurfürst, je zwei geistliche und weltliche 227 Einen Eindruck von der verwirrenden Fülle von Ausschüssen mit ihren mannigfachen Aufgaben und verschiedenartigen Zusammensetzungen vermittelt RTA jg. Rh. 3, S. 282 mit Anm. 1. 228 Traktat, S. 69. 22g RTA jg. Rh. 1, S. 453 u. Ö.
Andere Ausschüsse
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Reichsfürsten, ein Reichsgraf und zwei Reichsstädteboten angehörten23o. Besonders zahlreich waren diese Ausschüsse auf dem Nürnberger Reichstag von 1522/23, wie einer protokollarischen Aufzeichnung eines Mainzer Rates zu entnehmen ist231 . Zu dieser Gruppe von Ausschüssen gehört auch der schon erwähnte Achterausschuß der Reichsstände, der mit Statthalter und kaiserlichem Botschafter in persönlichen Verhandlungen über die strittigen Fragen bezüglich des Reichsregiments sprechen sollte232 . Insgesamt sind solche Sonderausschüsse in unterschiedlicher Zahl für alle Reichstage bis 1555 nachweisbar, sehr oft ohne reichsstädtische Beteiligung233 • Nicht selten tagten sie nur kurze Zeit, weil sie ihre Arbeit sehr schnell beenden konnten oder weil der Gang der Verhandlungen in den wichtigeren Reichstagsgremien einen anderen Verlauf nahm. Um die Einrichtung dieser Ausschüsse, die stets nur den jeweiligen Bedürfnissen entsprachen, hat es auch nie Auseinandersetzungen gegeben; selbst die Kurfürsten erkannten ihre Vorteile an: in ihnen konnten sich wenige Personen schneller über ein Problem verständigen, und Entscheidungen waren sachgerechter vorzubereiten. Kurfürsten, Reichsfürsten, Reichsgrafen oder Reichsprälaten fungierten nur sehl· selten persönlich als Ausschußmitglieder. In der Regel ließen sie sich durch ihre Räte vertreten, die auf Grund ihrer meist juristischen Bildung fundierter zu Sachfragen Stellung nehmen konnten. Noch in viel höherem Maße gilt das für die Mitglieder jener Fachausschüsse, in denen nur sachverständige Räte vertreten waren. Insbesondere drei Expertengruppen lassen sich auf den Reichstagen der Zeit Karls V. beobachten: Militär, Theologen und Juristen. Auf dem Nürnberger Reichstag von 1522 tagte ein Ausschuß von Kriegsräten über die Türkenfrage 234 , der Gutachten über militärische Einsatzmöglichkeiten zur Abwehr der Türkengefahr in Ungarn und Österreich zu erarbeiten hatte 235 . Ebenso gab es auf dem folgenden Nürnberger Reichstag von 1522/23 einen solchen Ausschuß236, der ein 230 RTA jg. Rh. 2, Nr. 80, S. 584, Nr. 85, S. 602 f. Weitere Ausschüsse auf dem Wormser Reichstag: vgl. RTA jg. Rh. 2, Register, S. 1003 f. 231 RTA jg. Rh. 3, Nr. 51, S. 281 ff., insbes. S. 282, Anm. 1, dort auch die Ausschußbesetzungen; siehe ferner RTA jg. Rh. 3, Register, S. 959 f. 232 s. O. S. 33. Weitere Ausschüsse werden RTA jg. Rh. 4, Register, S. 814 f. genannt. 233 Für 1530: RK RTA 4, fol. 172r ; für 1541: MEA RTA 7, II, fol. 9r , RK RTA 7, VII, fol. 287 r ; für 1542: MEA RTA 8, I, fol. 83 r ; für 1544: MEA RTA 9, fol. 190r , RK RTA 12, I, fol. 79 r , 126r , 164r , 210r , 256 r , 274 r ; für 154·5: MEA RTA 10, III, fol. 19 r , 25 r , 148 r • 234 RTA jg. Rh. 3, Nr. 15, S. 82. 235 RTA jg. Rh. 3, Nr. 15, S. 82 - 86, S. 87 f. 238 Zusammensetzung: RTA jg. Rh. 3, S. 282, Anm. 1 (Schluß S. 283).
5 Neuhaus
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2.2. Organisationsstruktur und Arbeitsweise
Gutachten über die Aufstellung der nach Ungarn zu entsendenden Truppen erstellte237 • Militärische Experten tagten ferner auf den Reichstagen der 40er Jahre, wenn es um die Sicherung der Reichsgrenzen gegenüber Frankreich und den Türken ging238 • Theologen begegnen auf den Reichstagen dieser Zeit in einer Reihe von Fachausschüssen, deren Aufgabe es war, einen Ausgleich zwischen den Konfessionen zu erarbeiten. 1530 gab es beispielsweise "eynen kleynen nuwen uschoes in negotio fidei", dem katholische und lutherische Theologen angehörten239 • In Regensburg sollten 1541 je drei Theologen beider Konfessionen die Religionsartikel überprüfen und dann den Reichsständen und dem Kaiser berichten. Diese Experten waren Pflug, Eck und Gropper auf katholischer, Melanchthon, Bucer und Pistorius auf lutherischer Seite240 • Nach dem Scheitern des vom Kaiser berufenen Interim-Ausschusses von 1548 241 berief Karl V. ein zweites Gremium für dieSes Problem. Seine Mitglieder waren nur Theologen: J ohann Agricola, der evangelische Hofprediger des Kurfürsten von Brandenburg, der Mainzer Weihbischof Michael Helding und der Naumburger Bischof Julius Pflug, zu denen noch als Beirat Soto, Malvenda und der Hofprediger Ferdinands, Müllner, kamen 242 • Sie sollten sich in einem Aufsatz mit der Glaubenseinheit, der Gottesdienstordnung und der Kirchenreform beschäftigen. Aber ihre Arbeit konnte nicht verhindern, daß es nach der Verkündung des Interims am 15. und 17.5.1548 zu abermals langwierigen Einzelverhandlungen des Kaisers mit den verschiedenen Reichstagsteilnehmern kam 243 • Schließlich waren für die Entwicklung und Verbesserung der Ordnung des Reichskammergerichts Ausschüsse von Juristen tätig, denen oft nur wenige Personen angehörten. 1547/48 waren es Dr. Conrad Braun und Dr. Conrad Vischer, die als Mitglieder des Gerichts besonders sachkundig waren244 • Auch hier konnte der Reichstag auf die Mithilfe kompetenter Fachleute nicht verzichten 245 , wenn auch viele Räte RTA jg. Rh. 3, Nr. 63, S. 354 - 359. z. B. 1544: RK RTA 12, I, fol. 126r ff. 239 Tetleben, Protokoll 1530, S. 131. 240 MEA RTA 7, 11, fol. 83 r ; RK RTA 6, 111, 6 (ad). 241 Vgl. Rabe, Reichsbund, S. 413 ff. 242 D. Franz Dominicus Häberlin, Neueste Teutsche Reichsgeschichte, vom Anfange des Schmalkaldischen Krieges bis auf unsere Zeiten, Bd. 1, Halle, 1774, S. 293; Friedrich Roth, Augsburgs Reformationsgeschichte, Bd. IV, München 1911, S. 93. 243 Str. Korr. IV, Nr. 769, S. 949 ff. 244 MEA RTA 14a, D, fol. Ir ff. 245 Zur Geschichte des Reichskammergerichts immer noch grundlegend: Rudolf Sm end, Das Reichskammergericht, Geschichte und Verfassung, Weimar 1911 (NDr. Aalen 1965). 237
238
Andere Ausschüsse
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der Reichsstände selber Juristen waren. Inwieweit es darüber hinaus auf den Reichstagen eine Mitwirkung von Fachleuten für Wirtschaftsund Finanzfragen, etwa bei der Monopolgesetzgebung, bei der Erarbeitung von Reichsanschlägen und in den Verhandlungen um eine Reichsmünzordnung gegeben hat, kann hier nur als Problem aufgeworfen werden246 . Neben den innerkurialen, interkurialen, Sonder- und Fachausschüssen bleibt eine fünfte Gruppe zu erwähnen, die Ausschüsse umfaßt, in denen sowohl reichsständische Reichstagsteilnehmer aller drei Kurien als auch Vertreter der kaiserlichen bzw. königlichen Seite bzw. - in den 20er Jahren - des Reichsregiments zusammen berieten247 . Als ge~ meinsame Ausschüsse von Kaiser und Reich sind sie allerdings nicht der dritten, sondern der zweiten Arbeitsebene des Reichstages zuzuordnen, denn sie hatten in hohem Maße eine Vermittlungsfunktion zu erfüllen. Ein solcher Ausschuß begegnet bereits auf dem Wormser Reichstag von 1521. In der Zeit vom 24.4. bis 9.5.1521 beriet ein gemeinsamer Ausschuß kaiserlicher Räte und reichsständischer Vertreter die streitigen Punkte in der zu schaffenden Regimentsordnung 248 • 1522 war er Hauptverhandlungsort des Reichstages mit drei Vertretern der Kurfürsten, je zwei geistlichen und weltlichen Fürsten sowie vier Vertretern des Regiments 249 • Auf dem zweiten Nürnberger Reichstag von 1522/23 wurde beschlossen, "etlich vom grossen ausschuß, dergleichen vom regiment zu verordnen, die ratschlagen sollen, wie die schrieft oder instruction an die dri fursten Trier, Pfalz und Hessen gestelt werden sollen, dergleichen an Franzen von Sickingen"25o. Desgleichen geschah zur Beratung der Hilfe für die Ungarn 251 . 1526 in Speyer wurde ein "Gesamtausschuß" beschlossen, der in der Frage der Türkenhilfe erst eine "ersprießliche Behandlung" ermöglichte und dem neben sechs kurfürstlichen Vertretern vier Bevollmächtigte geistlicher Fürsten, zwei Botschaften weltlicher Fürsten, ein Graf, ein Städtebote und drei kaiserliche Kommissare angehörten252 . Auf dem zweiten Speyrer Reichstag gab es einen gemeinsamen Ausschuß zur Frage der Visitation und Reformation von 248 Vgl. zum Gesamtproblem: Fritz Blaich, Die Reichsmonopolgesetzgebung im Zeitalter Karls V., Stuttgart 1967, und Fritz Blaich, Die Wirtschaftspolitik des Reichstags im Heiligen Römischen Reich, Stuttgart 1970. 247 Zum Problem der Zusammenarbeit von Reichstagsteilnehmern und Regimentspersonen s. Kap. 2.2.1. 248 RTA jg. Rh. 2, Nr. 19, 20, S. 204 - 222. 249 RTA jg. Rh. 3, S. 43, Anm. 3. 250 RTA jg. Rh. 3, Nr. 51, S. 293; vgl. auch ebd., S. 298 f. 251 RTA jg. Rh. 3, Nr. 51, S. 297. 252 Friedensburg, 1526, S. 424 f.
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2.2. Organisationsstruktur und Arbeitsweise
Regiment und Kammergericht, dessen Zusammensetzung aber nicht ganz klar ist, da die Ausschußmitglieder wohl im Laufe der Beratungen oft wechselten263 • Alle diese Ausschüsse sollten in Streitfragen zwischen Kaiser und Reich einen Kompromißvorschlag erarbeiten, waren aberwie alle Reichstagsausschüsse - nicht berechtigt, Entscheidungen zu treffen, und deshalb an die sie einsetzenden Instanzen gebunden. Für die kaiserliche Seite bot sich die Möglichkeit, vor den entscheidenden Verhandlungen mit den Reichstagskurien über die gemeinsamen Ausschüsse Einfluß auf die Beschlüsse zu nehmen. Der Kaiser stand während der reichsständischen Beratungen nicht mehr "vor der Türe", sondern war in offiziellen Gremien zur Mitarbeit aufgefordert, was den Gegensatz von Kaiser und Reich abschwächte. Der Reichstag war nicht mehr wie im Mittelalter im Sinne von "Rat und Hilfe" Beratungsgremium des Königs, sondern die reichsständischen "Ratenden" verstanden sich als gleichberechtigte Partner, weshalb F. H. Schubert feststellte: "Der Reichstag konsolidierte sich zur obersten Institution reichsständischer Mitregierung264 ." Die Arbeitsergebnisse dieser gemeinsamen Ausschüsse waren - wie die Regimentsordnung von 1521 zeigt - für die Verfassungsentwicklung des Reiches oft von großer Bedeutung. Im Bereich der Religionspolitik gilt das für den Interim-Ausschuß von 1548. Um die Zeit der Religionsspaltung bis zum Ende des Trienter Konzils zu überbrücken, schlug der Kaiser im Januar 1548 einen Ausschuß vor, der eine interimistische Lösung der Religionsfrage ausarbeiten sollte: "So hatt Ir Mt. vor rathlich angesehen, das durch die Stende etliche tugliche, geschickte, erfahrne, Gott furchtige Personen, so eins christlichen, guten Eiffers, unnd zu Furderung der Ehr unnd Dienst Gottes, des Allmechtigen, auch Fridens, Ruhe unnd Einigung gemeiner Teutschen Nation insonderheit geneigt unnd begirig sein, in kleiner Anzall vorordent werden. Darzu Ir Mt. auch etliche vorordnen will, sich mitteinander schiettlich, richtig, trewlich unnd auffs schleunigste ohn alles Gezenck zuunderreden unnd zu handlen [...]255." Nun war es aber nicht so sehr eine grundsätzliche Haltung gegenüber einem Ausschuß der Stände und des Kaisers als vielmehr der Beratungsgegenstand selbst, der die Ausschußbildung erheblich erschwerte. Für die Zeit vom 14. bis 20.1.1548 berichtete Melchior Scherer in seinem Protokoll, daß sich Kurfürsten, Fürsten und auch die Städte häufiger getroffen hätten, um eine Antwort an den Kaiser zu diskutieren256 • Dabei ging es u. a. auch darum, wer den Ausschuß berufen sollte. Während die geistlichen Kurfürsten und die Mehrzahl der Fürsten und 253 IM
255 258
RTA jg. Rh. 7, 1, S. 675 f.j Kühn, 1529, S. 139 f. Schubert, Reichstage, S. 61. Sastrow, H, S. 202 f. Str.Korr. IV, Nr. 717, S. 832, Anm. 1.
Andere Ausschüsse
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Prälaten dem Kaiser das Recht zubilligen wollten, die Ausschußmitglieder zu ernennen, wollten die weltlichen Kurfürsten und Fürsten und die Reichsstädte das selber tun257 . Der schließlich doch von Karl V. zusammengesetzte Interim-Ausschuß258 hat nach Jacob Sturms Protokoll nur am 10., 11. und 20.2.1548 getagt259. Er mußte angesichts der überrepräsentierung der Katholiken - elf Katholiken standen fünf Protestanten gegenüber - an seiner Aufgabe scheitern und sie zurückgeben260 . Angesichts der Tatsache, daß der Kaiser auch die ständischen Mitglieder des Interim-Ausschusses ernannte, nimmt dieses Gremium unter den gemeinsamen Ausschüssen eine Sonderstellung ein. Die gleichzeitige Anwesenheit von kaiserlichen und reichsständischen Vertretern in einem Gremium des Reichstages war außerhalb der gemeinsamen Ausschüsse noch in Versammlungen des Reichsrates zu beobachten, in denen zu besonderen Anlässen, wie z. B. bei der Verlesung der Proposition und des Abschiedes, Reden der päpstlichen Nuntien und anderer ausländischer Botschafter261 , auch Kaiser, Kurfürsten, 257 Str. Korr. IV, Nr. 717, S. 833. 258 Zur Zusammensetzung vgl. MEA RTA 17, K, fol. 44r ff., 106r H.;
Str. Korr. IV, Nr. 728, S. 854, Nr. 729, S. 855; ferner Druffel, III, S. 83 f.:
Gemeinsamer AUSlSChuß (Interim): Kurfürsten:
Mainz: Trier: Köln: Pfalz: Sachsen: Brandenburg:
Michael Helding .Johann von Leyden Dr. Billick Wolf v. Affenstein Dr. Ludwig Fachs Kz. Eustachius v. Schlieben
Reichsfürsten:
Bf. v. Augsburg: Dr. Heinrichmann Hz. v. Bayern: Dr. Leonhard v. Eck
Reichsprälat:
Abt Gerwig v. Weingarten
Reichsgraf:
Gf. Hugo v. Montfort
Reichsstädte:
Straßburg: .Jakob Sturm U1m: Georg Besserer
3 Vertreter des Kaisers:
Ebf. v. Mainz (I) Dr. Georg Sigmund SeId Heinrich Haß
1 Vertreter des Königs:
Gaudentius Madruzzo 268 Str. Korr. IV, Nr. 729, S. 856 ff.; zu den Daten siehe Gerber, .Jakob Sturm, S. 166 - 191. 280 MEA RTA 17, K, fol. 44r - 91 r : Protokoll; Str. Korr. IV, Nr. 730, S. 869 f. 281 Auf die Akkreditierung und Abfertigung ausländischer Gesandtschaften und ihre Rolle auf den Reichstagen kann hier nicht eingegangen werden.
70
2.2. Organisations struktur und Arbeitsweise
Fürsten und Stände persönlich zusammenkamen 262 • Dieser Reichsrat hatte also repräsentative Aufgaben, diente daneben aber als Plenarversammlung aller Reichstagsteilnehmer zur Verlesung weiterer Propositionen, Ausgabe von Instruktionen, Übergabe von Bedenken und Gutachten und gemeinsamen reichsständischen Beratungen außerhalb der abgesonderten Kurien263 • Als Plenum ist der Reichsrat der ersten wie der zweiten Arbeitsebene des Reichstages zuzuordnen und damit eine verbindende Institution zwischen Kaiser und Reich. Diese Aufgabe erfüllt auch noch ein weiteres Gremium, das immer erst kurz vor Schluß des Reichstages zusammentrat, aber wie jeder andere Ausschuß auch auf jedem Reichstag neu eingesetzt werden mußte. Kann man die Ständeversammlung des Reiches insgesamt als Beratungsinstitution für die kaiserliche Proposition verstehen, die Beschlüsse der Reichsstände verlangte, so ist der Reichsabschied als Vertrag zwischen Kaiser und Reich mit Reichsgesetzescharakter aufzufassen264 • Für die redaktionelle Fertigstellung dieses Schlußdokumentes eines jeden Reichstages wurde der Ausschuß für den Reichsabschied eingerichtet. Er hat sich im Laufe der Regierungszeit Karls V. zu einem immer wiederkehrenden interkurialen Gremium entwickelt. 1521 in Worms fanden die Beratungen über den Abschied im Kleinen Ausschuß statt, dessen erarbeiteter Entwurf vom Großen Ausschuß geprüft wurde 265 • Auf dem zweiten Nürnberger Reichstag wurde eigens ein "besonderer kleiner Ausschuß" mit der Abfassung des Reichsabschieds beauftragt, mit dessen Konzept sich wiederum der interkuriale Große Ausschuß zu befassen hatte 266 • Diesem besonderen Ausschuß gehörten der Mainzer Kanzler Dr. Johann Furderer, der Kanzler des Bischofs von Straßburg, ein gewisser Degenhart, vermutlich Vertreter eines weltlichen Reichsfürsten, der Abt von Weingarten für die Prälaten, der Graf von Gerhartseck und der Mainzer Sekretär Andreas 262 Er verfügte über ein eigenes Beratungszimmer, das als "Gemeiner Rath Stuben" (RK RTA 10, 9, fol. 69 v ) oder "stuba communi" (Tetleben, Protokoll 1530, S. 89) bezeichnet wird. Ausdrücke für den "reichsrath" sind "rat der reichsversammlung" (RTA jg. Rh. 3, Nr. 89, S. 486), "in publico conventu et omnium concessu" (Tetleben, Protokoll 1530, S. 73). 263 Traktat, S. 51 ff., 84 ff., 91 ff. 264 Vgl. auch Schubert, Reichstage, S. 84 f. Die Wichtigkeit der Reichsabschiede für die Entwicklung der Reichsverfassung unterstreicht die Tatsache, daß man immer wieder Sammlungen der Reichsabschiede neben anderen Reichsgesetzen veranstaltet hat; Drucke finden sich in den beiden Reihen der Reichstagsakten des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs, z. B. MEA RTA 10, 11, für die Zeit von 1356 bis 1544. Die bekannteste Sammlung ist die auch hier immer wieder herangezogene "Neue und vollständigere sammlung der reichs-abschiede" von 1747. 265 RTA jg. Rh. 2, S. 718. 266 RTA jg. Rh. 3, S. 736.
Andere Ausschüsse
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Rucker an, dazu vom Reichsregiment der kurmainzische Vertreter Hans von Schwarzenberg und Ludwig von Seinsheim, Landkomtur der Bal~ lei Koblenz und Kurkölner Vertreter im Regiment267• Mit dem Auftrag, einen Abschied zu entwerfen, trat 1526 in Speyer ein selbständiger Ausschuß zusammen, von dem allerdings keine kaiserlichen Vertreter bekannt sind. Friedens burg nennt drei kurfürstliche und je zwei weltlich-fürstliche und geistlich-fürstliche Räte, dazu je einen Prälaten (wieder den Abt von Weingarten), einen Grafen und einen Städteboten268 . Selbst auf dem Tag von Regensburg 1526/27, der als nicht zustandegekommener Reichstag doch einen Abschied erstellte269 , hat es "ainen ausschuss aus inen [den Ständen] und dem Regiment" gegeben, der die endgültige Abfassung des Reichsabschieds vornehmen sollte270 . Für 1529 ist dem Reichstagsprotokoll Valentins von Tetleben zu entnehmen, daß sechs "deputati von dem groeßen uschoes" gewählt wurden, "ut conciperent recessum imperialis diete und den absceid et deinde iterum referrent ad dominos deputatos des großen uschoes, ut per illos revisus tandem referreretur ad status imperii sigillandum, approbandum et ratificandum"271. Die regelmäßige Wiederkehr eines solchen Ausschusses für die Redaktion des Reichsabschieds war eigentlich nur - soweit den Quellen zu entnehmen ist - am Ende des Augsburger Reichstages von 1550/51 Gegenstand einer längeren Diskussion, was typisch für diese Versammlung ist, da sie sich wohl in besonderem Maße um Fragen der Geschäftsordnung des Reichstages kümmerte272 . In dieser Auseinandersetzung am 24.1. 1551 ging es darum, "wher bei abhörung deß abschiedts zu verordnen" war273 . Nachdem Kurtrier gebeten hatte, "mann sollt in p[ro]thocolli suchen wie ez hievor darmit gehalten, das man Newerung verhuet", berichtete Mainz: "Nemblich das In dem jüngst Reichstags gesucht und gefunden, das die Churfürsten all, die im fürsten Rhadt zwen, prelaten ain, Graven ain, key. Mat. ain, konig ain, verer wher auch In dem p[ro]thocol gesucht worden, so über abhorung deß Concepts gemacht, und wurde befunden, das die Stett anfangs nit darbei gewesen, aber erst ungeverlich In mitte der berathschlagung darzu khomen weren, Sonst Inn andern alten Reichstags Buchern wurde RTA jg. Rh. 3, S. 282, Anm. 1. Friedensburg, 1526, S. 462. 268 RA II, S. 284 - 289, vom 18.5.1527. 270 RTA jg. Rh. 7, 1, S. 73, 75. 271 RTA jg. Rh. 7, 1, S. 788 f., s. a. S. 799 mit Anm. 4 zur Frage, ob die Ausschußmitglieder vom Großen Ausschuß gewählt oder vom Reichstag bestimmt wurden. 272 s. Kap. 4.1.2. 273 MEA RTA 33, zum 24. 1. 1551, nachmittags. 287
268
72
2.2. Organisationsstruktur und Arbeitsweise
nichts befunden." In der folgenden Umfrage war die Mehrheit für eine Beteiligung der Reichsstädte an diesem Ausschuß. Pfalz verwies darauf, daß man sie nicht ausschließen könne, da sie ja zum Reichstag eingeladen wurden und den Abschied siegeln sollten; Sachsen erinnerte an die lange Diskussion von 1547/48 vor ihrer Zulassung, nachdem man sie zu Beginn der Beratungen über den Abschied ausgeschlossen hatte. Nur Köln war gegen eine Zulassung, und Trier äußerte sich am 26. 1. 1551 dahingehend, den Abschied nur im Kurfürstenrat mit den kaiserlichen und königlichen Vertretern abzuhören und anschließend dem Fürsten- und Städter at zu referieren274 . Die Fürsten und Stände erklärten am Nachmittag, sie seien mit einer Beteiligung der Reichsstädte einverstanden, "dieweil es ein ausschuß"275 sei, weiter aber ein kaiserlicher Vertreter genüge und einen königlichen Rat erübrige. Der Ausschuß zur Abhörung des Reichsabschieds hat dann als interkuriales Gremium unter Einschluß eines kaiserlichen und eines königlichen Vertreters getagt, wobei der Rat Ferdinands zugleich das Haus Österreich vertrat278. MEA RTA 33, zum 26. 1. 1551, vormittags. MEA RTA 33, zum 26. 1.1551, nachmittags. 278 Siehe dazu: MEA RTA 20, fol. 420 r - 447 V , Reichstag Augsburg 1550/ 51: "Prothocollum zu abhörung des Concepts des Abschiedts verordnet XXVIII. Januarii Anno 51", dort auch, fol. 402 v , zum 28.1.1551 die personelle Zusammensetzung des Ausschusses: kaiserliche Vertreter: Dr. Georg Sigmund SeId Heinrich Haß königlicher Vertreter: Dr. Mathias Alber kurfürstliche Vertreter: Rudolf v. Frankenstein für Mainz Christoffel Mathias für Mainz Heinrich Büchel für Trier Dr. Heinrich Salzberg für Köln Dr. Philip Heilos für Pfalz Melchior v. Ossa für Sachsen Dr. Joachim v. Kneuttlingen für Sachsen für Brandenburg Dr. Timotheus Jung reichsfürstliche Vertreter: für Österreich Dr. Mathias Alber für Deutschmeister Georg Spieß für Bayern Georg Stockheimer für Württemberg Dr. Hieronimus Gerhardt Vertreter der Reichsprälaten: Dr. Mathias Rast Vertreter der Reichsgrafen: Gregorius Nallinger reichsstädtische Vertreter: für Hagenau Ulrich Moll für Nürnberg N.N. 274
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Andere Ausschüsse
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Die Erinnerung an die Entscheidung des Geharnischten Reichstages in der Frage der Zusammensetzung dieses Redaktionsausschusses unterstreicht den Vorbild-Charakter dieses Reichstages für das Ausschußwesen insgesamt. Streit hatte es 1548 um die Beteiligung der Reichsstädte an diesem Ausschuß gegeben. Daß sie aber in dem "reichsusschutz" mit zwei Städteboten (Jacob Sturm bzw. Dr. Riedel und Georg Besserer) vertreten waren, belegt die reichsstädtische Korrespondenz277 • Schon vorher waren zur Abhörung des Abschiedes die Vertreter der sechs Kurfürsten, ferner von den geistlichen Fürsten die. Bischöfe von Bamberg und Eichstätt, von den weltlichen Fürsten ein Herzog von Bayern und der Markgraf von Baden, dazu ein Reichsprälat und ein Reichsgraf entsandt worden; Karl V. schickte Heinrich Hase und König Ferdinand Georg Gienger 278 • An diese Zusammensetzung des Ausschusses knüpfte man 1551 an und behielt sie auch 1555 bei279 • Daran änderte sich offenbar auch auf den Reichstagen der zweiten Hälfte des 16. Jh.s nichts, allerdings mit dem Unterschied, daß etwa 1576 in Regensburg zwei reichsfürstliche Vertreter zusätzlich vertreten waren280 • Das in den 20er Jahren eng an den interkurialen Großen Ausschuß gebundene Gremium für die Redaktion des Reichsabschieds, das eher der Gruppe der reichsständischen Sonderausschüsse zuzuordnen wäre, mit der Verpflichtung, mit kaiserlichen oder Regimentsvertretern gemeinsam zu beraten, hat sich somit seit 1548 fest als ein interkurialer Ausschuß für ein genau bezeichnetes Aufgabengebiet etabliert, allerdings mit der Besonderheit, kaiserliche Vertreter aufnehmen zu müssen. Er ist aber nicht nur dadurch charakterisiert, sondern auch durch die Tatsache, daß er in gleicher zahlenmäßiger Zusammensetzung und mit demselben Auftrag auf jedem Reichstag eingerichtet wurde. Diese Dauerhaftigkeit hat er mit den Direktorien, den Kurien und dem Reichsrat gemeinsam, während die anderen behandelten Gremien austauschbar waren. Diese Eigenschaften treffen aber auch auf ein rein reichsständisches Gremium unter den interkurialen Ausschüssen zu, das in den Quellen wie die Plenarversammlung des Reichstages und die drei Kurien als "Rat", aber genauso häufig als "Ausschuß" bezeichnet wird: der Supplikationsrat bzw. der Supplikationsausschuß.
Str. Korr. IV, Nr. 788, S. 1000 mit Anm. 22. MEA RTA 14b, E, fol. 399v . 279 Friedensburg, Protokoll 1555, S. 77; Str. Korr. V, Nr. 520, S. 652; reichsstädtische Mitglieder waren hier Straßburg und Worms. 280 MEA RTA 72,1 Bd. Protokoll, fol. 200v • 277
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3. Supplikation - Herkunft und Begriff 3.1. "Supplikation" in Altertum und Mittelalter Der Begriff "Supplikation"! geht auf das lateinische Verb supplicare zurück, das mit "bitten", "anflehen", "jemanden flehentlich bitten", aber auch "sich demütigen", "vor jemandem in die Knie fallen" zu übersetzen ist2 ; supplicium meint neben "harte Strafe", "Todesstrafe", "Hinrichtung", "Niederknien zum Empfang einer Bestrafung" dann vor allem das flehentliche Bitten, das Flehen, das demütige Bitten zu einer Gottheit, die an Menschen gerichtete dringende Bitte3 ; es ist darüber hinaus das lateinische Wort für "Bittschrift", "Bittgesuch". Die Bedeutung "Niederknien zum Gebet" gibt dem Wort seinen Platz im sakralen Bereich. Hier waren supplicationes öffentliche Buß-, Bet- und Dankfeste bei unglücklichen bzw. glücklichen Staatsereignissen4 ; diese religiösen Feste wurden nach Livius erstmals nach der Eroberung von Veji (396 v. ehr.) vier Tage lang gefeiert5 • Zu ihrem Zweck wurden die Tempel geöffnet, damit jeder den Göttern Dank abstatten oder sie bei unglücklichen Ereignissen um Hilfe bitten konnte; die supplicatio war die öffentliche Demütigung vor den Göttern in allgemeiner Not, um sie zu versöhnen oder ihren Zorn abzuwenden, aber auch die demütige, unbedingte Ergebung6 • Im römischen Zivilprozeß der Kaiserzeit bezeichnete supplicatio zunächst alle Bittschriften (Eingaben) klagender Privatpersonen an den Kaiser, mit denen das klassische Kognitionsverfahren eingeleitet wurde und die der princeps, von seinem consilium beraten, durch Urteil (decretum) entschied7 • Erst in dieser Zeit wurde der Ausdruck tech1 Siehe dazu Werner Hülle, Das Supplikenwesen in Rechtssachen, Anlageplan für eine Dissertation, ZRG Germ. Abt. 90, 1973, S. 194 - 212. 2 Karl Ernst Georges, Ausführliches Lateinisch Deutsches Handwörterbuch, Bd. 2, Hannover 111962, Sp. 2962 f. 3 SaH. Jug. 66, 2: fatigati suppliciis regis; SaH. Jug. 46, 2, meint mehr deditio: legatos ad consulem cum suppliciis mittit. 4 Theodor Mommsen, Römisches Staatsrecht, Bd. 2, 2. Abt., S. 509; Bd. 3, 2. Abt., S. 1061, 1201, Leipzig 31887 (NDr. Darmstadt 1963). 5 Liv. V, 23, 3. e Amm. 17, 13,21. 7 Nach Max Kaser, Das römische Zivilprozeßrecht, München 1966, S. 352 u. ö.; zum ganzen Fragenkomplex s. Jochen Bleicken, Senatsgericht und Kaisergericht. Eine Studie zur Entwicklung des Prozeßrechtes im frühen Prin-
3.1. "Supplikation" in Altertum und Mittelalter
75
nisch8 . Ein solcher Zivilprozeß war durch die Tatsache gekennzeichnet, daß staatliche Amtsträger, also auch der Princeps, oder ihre Beauftragten an Stelle von Geschworenen ein Urteil sprachen9• Dabei ist zu beachten, daß der Kaiser seine Jurisdiktion nur auf die Streitfälle beschränkte, in denen er angerufen wurde 10. Mit seinen decreta wirkte er rechtschöpferisch, was ihm als Herrscher zustand, war er doch oberste Gerichts- und Rechtsinstanz im obrigkeitlichen Staate und verkörperte damit das Recht an sich. Der Prozeß vor dem Gericht des princeps war allerdings nicht in feste Verfahrensformen gepreßt, sondern ließ dem kaiserlichen Ermessen weiten Raum, ohne freilich "die unabdingbaren Prinzipien einer echten Gerichtsbarkeit"l1 zu verletzen und damit die Ernsthaftigkeit und Unparteilichkeit des Gerichtes in Zweifel zu ziehen. Mommsen schränkte allerdings ein, daß dieses Verfahren in der "besseren Kaiserzeit" vornehmlich dort angewandt wurde, "wo eine ausserordentliche die Befugniss des competenten Magistrats überschreitende Vergünstigung erwirkt werden sollte"12. [!] Am Beispiel einer unter falschen Voraussetzungen erfolgten Testamentsveränderung erklärte er, daß diese nur durch eine an den Kaiser gerichtete Supplikation rückgängig gemacht werden konnte, da die an das Gesetz gebundene zuständige Behörde das nicht hätte gewähren können 13. Zum anderen bezeichnet supplicatio im römischen Zivilprozeßrecht Gesuche um gutachterliche Stellungnahme in einem Rechtsstreit und private Eingaben jeglicher Art, die jeder Bittsteller an den Kaiser richten konnte und worauf dieser in Form eines schriftlichen Gutachtens (rescriptum) antwortete14 • Dieser Weg wurde seit Hadrian (117 -138) zipat, Göttingen 1962; zum Kognitionsverfahren: Kaser, ebd., S. 339 - 409; zur Rolle des Konsiliums s. Wolfgang Kunkel, Die Funktion des Konsiliums in der magistratischen Straf justiz und im Kaisergericht, ZRG Rom. Abt. 84, 1967, S. 218 - 244, 85, 1968, S. 253 - 329, jetzt auch in: Wolfgang Kunkel, Kleine Schriften. Zum römischen Strafverfahren und zur römischen Verfassungsgeschichte, Weimar 1974, S. 151 - 254. 8 Kaser, Zivilprozeßrecht, S. 352, Anm. 27. 9 Kaser, Zivilprozeßrecht, S. 339. 10 Kaser, Zivilprozeßrecht, S. 350, mit Berufung auf Dio 51, 19, 7; vgl. dazu Kunkels Besprechung von Bleicken, Senatsgericht, in: ZRG Rom. Abt. 81, 1964, S. 360 - 377, insbes. S. 367, jetzt auch in: Kunkel, Kleine Schriften, S. 325 - 342, insbes. S. 332. 11 Kaser, Zivilprozeßrecht, S. 351. 12 Mommsen, Staatsrecht, Bd. 2, 2. Abt., S. 975 f. 13 Mommsen, Staatsrecht, Bd. 2, 2. Abt., S. 976, Anm. 1. 14 Kaser, Zivilprozeßrecht, S. 352 f.; siehe dazu auch Peter Classen, Kaiserreskript und Königsurkunde. Diplomatische Studien zum römisch-germanischen Kontinuitätsproblem, 1. Teil, AD 1, 1955, S. 16 ff.; die Briefe des jüngeren Plinius an Kaiser Trajan (98 - 117), Plin. epp. X, 5 -7, 10, geben ein Beispiel.
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3. Supplikation - Herkunft und Begriff
immer häufiger gewählt. Die Reskripte enthielten meistens nur die Ansicht des Kaisers zu dem vorgelegten Rechtsstreit, waren aber als Rechtskommentare für jeden Richter verbindlich15 , auch dann, wenn sie nicht ausgeführt werden konnten16 • Wenn der Kaiser die mit der Supplikation ausgesprochene Bitte um Rechtsschutz nicht selbst entschied, konnte das Reskript auch "Weisungen an den für die Entscheidung zuständigen Beamten oder die Einsetzung besonderer Richter" enthalten 17 • Schließlich konnte er aber auch den Bittsteller an die zuständige gerichtliche Institution verweisen und eine eigene Stellungnahme ablehnen18 • Nach Mommsen war dies sehr häufig der Fall, da das andere Verfahren, das mit einer kaiserlichen Entscheidung abgeschlossen wurde, sonst die ganze Rechtsprechung an den princeps gebracht hätte. Zweifelte er den Rechtscharakter des ganzen Verfahrens schon deshalb an, weil "es kaum möglich war, den streitenden Parteien gleiches und gerechtes Gehör zu gewähren" 19, so hielt er das Institut der Supplikation zunächst nur für den Fall für traditionell, in dem "der Magistrat die Annahme der Appellation verweigert"2o. Für die Severische Zeit (193 - 235) hat Kunkel dies bestätigt und festgestellt, daß der Kaiser auf Antrag einer Partei grundsätzlich jeden Prozeß "nicht nur im normalen Rechtszuge der Appellation, sondern auch aufgrund einer supplicatio" an sich ziehen und damit den zuständigen Richter ausschließen konnte; auch er nimmt an, "daß die Kaiser dieses Supplikationsverfahren grundsätzlich nur in begründeten Ausnahmefällen zuließen, z. B. im Falle der Rechtsverweigerung durch den ordentlichen Richter", da sich denken läßt, "daß sie sich sonst des Andrangs zu ihrem Tribunal kaum hätten erwehren können, und daß das Ansehen der ordentlichen Rechtspflege ins Wanken gekommen wäre, wo immer der Kaiser persönlich zugegen war"21. Deshalb wurde im nachklassischen Zivilprozeß die Zuständigkeit des Kaisers in Supplikationsangelegenheiten weitgehend eingeschränkt, wie den zahlreichen kaiserlichen Erlassen und normativen Bestimmungen des Codex Theodosianus und des Codex Justinianus zu entnehmen ist. Diese Gesetzessammlungen der Spätantike sind für uns von besonderer Bedeutung, da sie im europäischen Mittelalter weiterwirkten. Kaser, Zivilprozeßrecht, S. 353 mit Anm. 50. Vgl. Ernst Pitz, Papstreskript und Kaiserreskript im Mittelalter, Tübingen 1971, S. 299 f. 17 Kaser, Zivilprozeßrecht, S. 353 mit Anm. 45. 18 Kaser, Zivilprozeßrecht, S. 353. 19 Mommsen, Staatsrecht, Bd. 2, 2. Abt., S. 975. 20 Mommsen, Staatsrecht, Bd. 2, 2. Abt., S. 975, Anm. 3. 21 Wolfgang Kunkel, Der Prozeß der Gohariener vor Caracalla, in: Kunkel, Kleine Schriften, S. 265; der Beitrag zuerst in der Festschrift für Hans Lewald, Basel 1953, S. 81 - 91. 15
16
3.1. "Supplikation" in Altertum und Mittelalter
77
In ihnen ist supplicatio das lateinische Wort für "Bittschrift", während
supplicare neben "den Kaiser anrufen, anflehen, angehen" auch "ihm eine Bittschrift überreichen" heißt22 .
In der Justinianischen Rechtssammlung wurde der gesamte Bereich der Bittgesuche in Rechts- sowie in öffentlichen und privaten Angelegenheiten bis ins einzelne geregelt. So ergingen im Codex Justinianus Bestimmungen de precibus imperatori ojjerendis et de quibus rebus supplicare liceat vel non23 • Die Supplikation durfte nicht "in einer rechtshängigen oder schon rechtskräftig entschiedenen Sache" eingebracht werden, da dies ein Eingriff "in ein schwebendes oder erledigtes Verfahren"24 gewesen wäre: ut lite pendente vel post provocationem aut dejinitivam sententiam nulli liceat imperatori supplicare%5. WaL eine Appellationsmöglichkeit ausgelassen worden, so war ein Hilfeersuchen auf dem Wege einer Supplikation nicht mehr möglich: qui licitam provocationem omiserit, perpetuo silere debebit nec a nobis impudens petere per supplicationem auxilium 27 • Ein Supplikationsverfahren konnte aber, bevor der Prozeß vor einem ordentlichen Gericht begonnen hatte, beim Kaiser anhängig gemacht werden, wenn dieser selbst entscheiden oder einen Richter bestimmen sollte27 . Es handelte sich dabei um ein Verfahren neben dem ordentlichen Rechtsweg. Der Kaiser konnte allerdings nur eingreifen, wenn dem Supplik anten der Rechtsschutz verweigert worden oder der zuständige Richter von vornherein in der Sache der Parteilichkeit verdächtig war2B . Andernfalls durfte er höchstens eine Rechtsbelehrung geben und mußte den Supplikanten auf den ordentlichen Rechtsweg verweisen. Allgemein konnten Urteile in einem römischen Zivilprozeß der nachklassischen Zeit also "mittels appellatio oder supplicatio" angefochten werden. Diese Rechtsmittel hatten suspensiven Charakter; war eines von ihnen eingelegt worden, dann wurde ein Urteil erst rechtskräftig, wenn es von der höchsten in dieser Sache anrufbaren Instanz gefällt 22 Vgl. H. Heumann, E. Seckel, Handlexikon zu den Quellen des römischen Rechts, Jena 91907 (NDr. Graz 1°1958), S. 572; supplicium meint nur noch "Strafe", "Todesstrafe"; supplicatio in einer zweiten Bedeutung auch weiterhin "öffentliches Gebet". Vgl. auch Adolf Berger, Encyclopedic Dictionary of Roman Law, Philadelphia 1953 (= Transactions of the American Philosophical Society, New Series Vol. 43, Part 2), S. 726. 23 C. I 19; C. I 19, 2. 24 Kaser, Zivilprozeßrecht, S. 432, mit Hinweis U. a. auf C. I 19, 2; 21, 2. 25 C. 121. 28 C. I 21, 3. 27 Kaser, Zivilprozeßrecht, S. 432 f., 520 ff. (zum Reskript-Prozeß); ebenso Kunkel, Der Prozeß der Gohariener, S. 265. 28 Kaser, Zivilprozeßrecht, S. 433.
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3. Supplikation - Herkunft und Begriff
war29 . Nach Mommsen hing ein geordnetes Supplikationsverfahren der nachdiokletianischen Zeit (Diokletian: 284 - 305) "wesentlich [...] von der Einführung der Inappellabilität für die höchsten Reichsgerichte" ab, was dem früheren Kaiserrecht fremd war 30 . Offenbar infolge des immer umfangreicher werdenden Supplikationswesens erfuhr die supplicatio im Laufe der Zeit eine inhaltliche Veränderung. War sie im klassischen Zivilprozeß ein außerordentliches Rechtsmittel, das man vornehmlich in Streitfällen, insbesondere in Verwaltungsangelegenheiten, in denen kein Gericht und keine Behörde aufgrund der Rechtslage eine Entscheidung treffen konnte 31 , beim Kaiser einlegte, so wurde sie in der nachklassischen Zeit der appellatio angeglichen, gleichgestellt und bekam den Charakter eines ergänzenden ordentlichen Rechtsmittels. Nur noch der Kaiser konnte "um Abhilfe gegen die - inappellable - Entscheidung des praefectus praetorio angegangen werden"32, der die Entscheidung über die supplicatio aber regelmäßig wieder an den praefectus praetorio delegierte, der sich im Laufe der Kaiserzeit zu einer Art Stellvertreter des Kaisers in einem großen Reichsteil entwickelte33 • Die supplicatio als ein Rechtsmittel des nachklassischen Prozesses kam gegenüber rechtskräftigen Entscheidungen kaum noch zum Zuge. Mit dieser Entwicklung war eine Verminderung der Aufgaben des Kaisers verbunden, die dem Ausbau und der Vervollkommnung des Gerichts- und Verwaltungswesens diente; darin muß ein Beitrag zur Ordnung des öffentlichen Lebens überhaupt gesehen werden. Eine Folge freilich war, daß die direkte Beziehung Bürger - Kaiser unterbrochen wurde; dies bedeutete zweifellos eine weitgehende Einschränkung des Bitt- und Beschwerderechtes, schloß aber Gnadenakte des Kaisers auch nicht völlig aus. 29 Kaser, Zivilprozeßrecht, S. 502. 30 Mommsen, Staatsrecht, Bd. 2, 2. Abt., S. 975, Anm. 3. 31 Die überlieferten Inschriften bieten hierzu ein reichhaltiges Material. In der althistorischen Forschung am bekanntesten sind die Dekrete des Kaisers Commodus (180 - 192) über die Kolonen des Saltus Burunitanus, CIL VIII 10570, 14464, die Inschrift des Collegium Centonariorum von Solva (dazu zuletzt grundlegend Geza Alföldy, Historia 15, 1966, S. 433 - 444) und das Gordian Reskript, CIL III 12336, aus dem man, wie Friedrich Preisigke (Die Inschrift von Skaptoparene in ihrer Beziehung zur kaiserlichen Kanzlei in Rqm, Straßburg 1917) gezeigt hat, sehr gut den Geschäftsgang einer Supplikation mit seinen verschiedenen Stationen rekonstruieren kann. - Herrn Dr. Peter Kneißl, Marburg/Lahn, sei an dieser Stelle für wertvolle Hinweise gedankt. 32 Kaser, Zivilprozeßrecht, S. 511; zur appeHatio ebd., S. 506 ff. 33 Der praefectus praetorio hatte ursprünglich nur militärische, bekam aber im Laufe der Kaiserzeit umfassende zivile Aufgaben. Als Mitglied des kaiserlichen consilium gewann er allmählich weitgehende Gerichtsbefugnisse, die zunächst delegiert waren, die er vom 3. Jh. an aber selbständig ausübte. Vom 4. Jh. an hatte er nur noch wichtige Aufgaben innerhalb der Zivilverwaltung und war höchster Beamter eines der großen Reichssprengel.
3.1. "Supplikation" in Altertum und Mittelalter
79
Franz Wieacker hat davon gesprochen, daß "die Rechtszustände der weströmischen Spätantike [... ] die unmittelbaren Voraussetzungen aller frühmittelalterlichen Rechtsgeschichte"34 seien, und er hat damit auf den Vorbild - Charakter vieler römischer Verwaltungsinstitutionen hingewiesen. Dies gilt nicht nur für den weltlichen, sondern gerade auch für den kirchlichen Bereich, weshalb Hans Erich Feine "eine ganze Schicht Kirchenrecht" bezeichnen konnte, die "römisch geprägt [... ] in ihren überresten bis auf den heutigen Tag antik-römische Züge" trägt35 ; er sprach von der Kirche als einer "Institution des spätrömischen Reiches und Rechtes"36.
Für die Einreichung, Bearbeitung und Erledigung von Bittschriften an den Papst war der Geschäftsgang in der Kanzlei der Kurie von besonderer Bedeutung. Zwar weiß man von der Kanzlei im Frühmittelalter, die "so viele Einrichtungen der römischen Staatsbehörden übernommen hat"37, nur sehr wenig, aber Harry Breßlau konnte unter Hinweis auf die von S. Loewenfeld edierten "Epistolae Pontificum Romanorum"38 feststellen, daß "auch in den Urkunden der Päpste [... ] schon in sehr früher Zeit häufig die Einreichung von Bittschriften erwähnt" wird 39 . Wenn er auch den mündlichen Vortrag von Bitten beim Papst nicht ausschloß, hielt er es aber "bei der konsequenten Entwicklung des Geschäftsganges an der römischen Kurie [für] sehr wahrscheinlich, daß auch in solchen Fällen neben den mündlich vorgebrachten Gesuchen die Einreichung von Bittschriften erfolgte"40. Wie das Spätmittelalter die Zeit der größten Ausbildung und Ausdehnung der kurialen Behörden war, so wird auch das Supplikenwesen41 erst in dieser Zeit für uns greifbarer4 2 , nicht zuletzt deshalb, weil 34 Franz Wieacker, Recht und Gesellschaft in der Spätantike, Stuttgart 1964, S. 135. 35 Hans Erich Feine, Kirchliche Rechtsgeschichte. Die katholische Kirche, Köln, Graz 41964, S. 65. 38 Hans Erich Feine, Vom Fortleben des römischen Rechts in der Kirche, ZRG Kan. Abt. 73, 1956, S. 3. 37 Harry Breßtau, Handbuch der Urkundenlehre für Deutschland und Italien, Bd. 2, 1. Abt., Berlin, Leipzig 21931, S. 2. 38 S. Loewenfeld (Hg.), Epistolae Pontificum Romanorum Ineditae, Leipzig 1885. 3g Breßlau, Urkundenlehre, Bd. 2, S. 2; dabei bezieht er sich auf Beispiele des Gelasius 1. vom Ende des 5. und des Pelagius 1. aus der Mitte des 6. Jh.s. 40 Breßlau, Urkundenlehre. Bd. 2, S. 2 mit Anm. 3. 41 Michael Tangl (Hg.), Die päpstlichen Kanzleiordnungen von 1200 - 1500, Innsbruck 1894, S. XXV, hat darauf hingewiesen, daß Bittschriften seit dem 14. Jh. offiziell als "Suppliken" bezeichnet werden; dem hat man sich in der
wissenschaftlichen Literatur zum katholischen Kirchenrecht und insbesondere zum Geschäftsgang an der päpstlichen Kurie angeschlossen; bis heute wird fast ausschließlich die Kurzform "Supplik" anstelle von "Supplikation" gebraucht, daneben wird synonym sehr oft der Begriff "Petition" verwendet. 42 Im Folgenden kann das Suppliken wesen im Bereich der römischen Kurie
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3. Supplikation - Herkunft und Begriff
es "durch eine Reihe von Vorschriften ganz gen au geordnet" war43 und weiterhin geregelt wurde. Die älteste erhaltene Verfügung über die Erledigung von Suppliken stammt aus dem Pontifikat Coelestins IH. (1191-1198)44. In diesen Zusammenhang gehört zugleich das erste Auftreten des Begriffes cancelZaria als technische Bezeichnung in den Quellen der zweiten Hälfte des 12. Jh.s, welche die "begriffliche Scheidung zwischen einer Person und der von ihr ausgeübten Tätigkeit" deutlich werden läßt45 . Formal unterscheidet man bei den an den Papst gerichteten Bittschriften die Einzelsuppliken, "die eine einzelne Bitte einer einzelnen Person oder Körperschaft enthielten", von den "Supplikenrollen (rotuli), in denen mehrere Petitionen - unter Umständen bis zu hundert und darüber - einer und derselben oder mehrerer Personen zusammengefaßt waren"46. Bitten wurden im 13. Jh. in der Regel in schriftlicher Form 47 in der data communis eingereicht, die Peter Herde als "allgemeine (Petitionen)annahme"48 versteht, und von einem Notar entgegengenommen, bearbeitet und dann dem Papst vorgelegt49 • Das war bei allen Suppliken von Angehörigen der Kurie, insbesondere auch den Kanzleibeamten, der Fall, zum Teil auch bei Pfründenangelegenheiten 50 ; nicht vor dem Papst verlesen wurden Suppliken, bei denen es sich um einfache Justizangelegenheiten und vielleicht auch Gnadensachen handelte; sie wurden vereinfacht bearbeitet51 • Handelte es sich bei den Einzelsuppliken bis ins 13. Jh. um "durchweg vollständige, subjektiv gefaßte, mit Intitulatio und Adresse versehene, meist auch datierte Briefe, in denen der Petent sein Gesuch vortrug und häufig auch begründete"52, so mußten sie von da an im stilus curie abgefaßt sein, wollte der Supplikant "eine Verzögerung allerdings nur sehr allgemein beschrieben werden, freilich in der Absicht, wesentliche Gesichtspunkte herauszustellen; wie kontrovers vieles ist, mag man der zitierten Literatur entnehmen. 43 Breßlau, Urkundenlehre, Bd. 2, S. 3; zum Geschäftsgang siehe u. a. auch S. 104 ff., 174 f.; im übrigen Sachregister s. v. Supplik, Petent. 44 Tangl, Kanzleiordnungen, S. XXIV, S. 53 ff. 45 Hans-Walter Klewitz, Cancellaria. Ein Beitrag zur Geschichte des geistlichen Hofdienstes, DA 1, 1937, S. 45, 74, 78 f. 48 Breßlau, Urkundenlehre, Bd. 2, S. 5; vgl. auch Paul Kehr, Bemerkungen zu den päpstlichen Supplikenregistern des 14. Jh.s, MIÖG 8, 1887, S. 91 f. 47 Gerd TeHenbach, Repertorium Germanicum II, Berlin 1933, S. 41. 48 Pet er Herde, Beiträge zum päpstlichen Kanzlei- und Urkundenwesen im dreizehnten Jahrhundert, Kallmünz 1961, S. 104. 49 Breßlau, Urkundenlehre, Bd. 2, S. 9; Herde, Beiträge, S. 104, 107; dort auch Besonderheiten zum weiteren Geschäftsgang. 50 Herde, Beiträge, S. 107 f. 51 Herde, Beiträge, S. 110 f. mit Hinweis auf die Folgen für den Ämterausbau in der römischen Kurie. 52 Breßlau, Urkundenlehre, Bd. 2, S. 5.
3.1. "Supplikation" in Altertum und Mittelalter
81
oder gar Ablehnung seiner Petition vermeiden"53. Fehlerhafte Suppliken konnten von vornherein die Wirkungslosigkeit eines Bittgesuches zur Folge haben, auch wenn der Tatbestand präzise formuliert und die daraus folgende Bitte schlüssig waren. Emil Göller hat darauf verwiesen, daß vor allem "rechtliche Gesichtspunkte" zu den "festen Formen und Regeln bei der Abfassung der an die Päpste gerichteten Gesuche geführt" haben54• Im Zuge einer weitgehenden Formalisierung und Bürokratisierung - bedingt durch ein ungemein großes Anwachsen der Suppliken - wurde von den Supplikanten erwartet, daß die Bittschriften bereits die Formulierungen enthielten, die wörtlich in den späteren Urkundentext übernommen werden sollten55 . Die Entscheidung des Papstes bzw. der damit beauftragten kurialen Beamten zu einer Supplik erfolgte immer aufgrund der Darstellung des Bittstellers in der Annahme, daß die sachlichen Mitteilungen und die Tatsachenbehauptungen richtig waren und der Wahrheit entsprachen. Dieses Verfahren - bereits in der Antike üblich56 - wurde dann auch im kanonischen Recht, insbesondere in den Dekretalen Gregors IX. (1227 -1241) festgestellt. Nur so konnte die immer größer werdende Zahl von Suppliken überhaupt bewältigt werden, wenn die Gültigkeit eines päpstlichen Reskriptes von der Voraussetzung si preces veritate nitantur abhängig gemacht wurde 57 • Die Tatsache, daß nur ganz vereinzelt Suppliken erhalten sind schon Breßlau wies darauf hin, daß die uns bekannten "zwei ältesten, dem Papste vorgelegten und von ihm signierten Originalsuppliken" aus dem Pontifikat Bonifatius' VIII. (1294 - 1303) stammen58 - , ist wohl darauf zurückzuführen, daß sie, nachdem sie beantwortet und genehmigt worden waren, den Bittenden zurückgegeben wurden, die sie meistens vernichteten59• Denn mit der Ausfertigung des Bescheides auf eine Eingabe wurde die Supplik bedeutungslos und deshalb nur in Ausnahmefällen aufbewahrt. Erst aus dem 14. Jh. sind mehr genehmigte Originalsuppliken erhalten; von da an, genauer: seit dem Pontifikat Benedikts XII. (1334 - 1342), wurden zudem Supplikenregister geführt, 63
Herde, Beiträge, S. 82; vgl. auch EmU Göller, Repertorium Germanicum
I, Berlin 1916, S. 60 f.
Göller, Repertorium Germanicum I, S. 60. Vgl. Herde, Beiträge, S. 82; dort auch über die Konsequenzen solcher Anforderungen an den Supplikanten; vgl. ferner Göller, Repertorium Germanicum I, S. 85 f., Tellenbach, Repertorium Germanicum II, S. 41 f. 58 Siehe dazu etwa im Codex Justinianus: C. I 22, 2 - 4; C. I 23, 7. 57 Decret. Gregor. IX., Lib. I, tit. III, c. II; vgl. mit C. I 23, 7, wo es heißt: si preces veritate nituntur; vgl. auch Göller, Repertorium Germanicum I, 54
55
S.61. 58 59
Breßlau, Urkundenlehre, Bd. 2, S. 11. Herde, Beiträge, S. 112 f.
6 Neuhaus
3. Supplikation - Herkunft und Begriff
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die wir seit Papst Clemens VI. (1342 - 1352) kennen 6o • Insgesamt blieben uns diese Supplikenregister in mehr als 7000 Bänden erhalten; in ihnen sind die Suppliken im vollen Wortlaut mit den Entscheidungen der Päpste kopiert. Später wurden abgelehnte Suppliken wie auch die dem Papst nicht erst vorgelegten in der Regel nicht registriert, so daß zu vermuten ist, daß die Zahl der Bittgesuche an den Papst noch höher lag 6t • Ihrem Inhalt nach lassen sich die Suppliken an den Papst in zwei große Gruppen einteilen: Bitten in Justizangelegenheiten und um allgemeine Gnadenerweise. "Die vorwiegende Masse der Gesuche sind", so hat schon Paul Kehr 1887 festgestellt, "Bitten um Verleihung oder Bestätigung einer Provision oder eines Beneficiums und Suppliken um Dispensationen "62. Diese Gnadengesuche, unter denen die Pfründenangelegenheiten einen besonders hohen Anteil ausmachten 63, fanden ihren Niederschlag in den Supplikenregistern. Bei den Suppliken in Justizangelegenheiten handelte es sich meist um Bitten an den Papst, außerhalb des ordentlichen Rechtsweges tätig zu werden; unter Darlegung des Tatbestandes wurde er sehr oft gebeten, in einer Klageangelegenheit einen Richter zu bestellen64 • In diesen Suppliken ging es entweder um Appellationssachen gegen Urteile niederer geistlicher Gerichte oder um erstinstanzliche Streitfälle, z. B. wegen Ehesachen, frommer Stiftungen oder Testamente65 • Vom 13. Jh. an konnte der Vizekanzler der römischen Kurie solche "Suppliken de simplici iustitia" eigenmächtig entscheiden, später auch in einem gewissen Umfang Suppliken in Gnadensachen 66 • Die Suppliken waren wohl nie Schriftstücke von großer politischer Bedeutung, aber ihr einzigartiger Quellenwert ist unbestreitbar. "Denn sie sind eine ausserordentlich reiche Fundgrube für die Geschichte der Stifter der verschiedenen Länder Europas und für die Geschichte vornehmer Geschlechter", stellte Paul Kehr fest und verwies zugleich auf ihre Bedeutung für die Geschichte der Universitäten 67 • Zusammen mit den päpstlichen Entscheidungen zu den einzelnen Bittschriften, denen ein allgemein-verbindlicher Rechtscharakter zukam, bieten die Supplikenregister ein unübersehbares Material zur Erforschung des Bene60 61 62 63
64 85 68 87
Breßlau, Urkundenlehre, Bd. 2, S. 12 ff. Breßlau, Urkundenlehre, Bd. 2, S. 15 f. Kehr, Bemerkungen, S. 89. Feine, Rechtsgeschichte, S. 337, 343 ff. Breßlau, Urkundenlehre, Bd. 2, S. 18 f., S. 106 f. Breßlau, Urkundenlehre, Bd. 2, S. 107, Anm. 1. Breßlau, Urkundenlehre, Bd. 2, S. 106 ff. Kehr, Bemerkungen, S. 89.
3.1. "Supplikation" in Altertum und Mittelalter
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fizialwesens in Territorial- und Familiengeschichte, für die sie oft die einzige Quelle darstellen 68 • Fassen wir zusammen, so ist festzuhalten, daß sich das Supplikenwesen seit dem 12. Jh. stark ausdehnte, zu einem Zeitpunkt, als sich der Grundsatz des klassischen kanonischen Rechtes, Papa a nemine iudicatur 69 , allmählich durchsetzte. Immer mehr Supplik anten - wenn auch gegen regionalen weltlichen und kirchlichen Widerstand - machten von der Möglichkeit Gebrauch, dem Papst selber ihre Bitten vorzutragen, was seinem Herrschaftsstreben entgegenkam. Diese Tatsache unterstrich im Zuge eines weit verbreiteten Friedens- und Rechtssicherheitsbedürfnisses sehr deutlich die machtvolle und unanfechtbare Stellung der Kirche und ihres Oberhauptes seit der Ausbreitung der Reformbewegung nach der Jahrtausendwende. Wie der Papst keinen Richter über sich hatte, sondern selbst im Besitz der höchsten richterlichen Gewalt über alle Gläubigen war, so fiel ihm widerspruchslos auch das alleinige Begnadigungsrecht zu. In geistlichen wie auch in vielen weltlichen Angelegenheiten wurde er oberste Appellationsinstanz, vor die supplizierend immer mehr Rechtsstreitigkeiten und Gnadengesuche gebracht wurden. Bei seinen Entscheidungen war er an das - im Einzelfall gewiß auslegbare - kanonische Recht gebunden, was bedeutete, daß er in der Handhabung seines Jurisdiktionsprimats nicht frei war. Die Breite und Vielfalt der Supplikeninhalte und die auf sie bezogenen Entscheidungen machen die Bittschriften an den Papst zu einer hervorragenden Quellengruppe für die Sozialgeschichte. Die Organisation des Supplikenwesens an der päpstlichen Kurie seit dem 13. Jh. fand auf weltlicher Seite keine Entsprechung70 • Obwohl die Einreichung von Bittschriften auch an weltliche Fürsten des Mittelalters "früh üblich gewesen" ist71 , fehlt der Begriff "Supplikation" in den Quellen72 • Allerdings hat schon Breßlau darauf hingewiesen, daß "nicht selten [...] in den Urkunden der Könige selbst die Einsendung von Bittschriften, auf Grund deren sie erlassen sind", erwähnt wird, 68 Karl August Fink, Das Vatikanische Archiv, Einführung in die Bestände und ihre Erforschung, Rom 21951, S. 44. 09 Vgl. z. B. Dictatus papae II 55a, XIX: quod a nemine ipse iudicari debeat, in: Erich Caspar (Hg.), Das Register Gregors VII., Bd. 1, Berlin 1920, S.204. 70 Breßlau, Urkundenlehre, Bd. 2, S. 26. 71 Breßlau, Urkundenlehre, Bd. 2, S. 25. 72 Eine Verbform begegnet zu Beginn des 14. Jh.s in der "Petitio Gerardi de Insula" an Heinrich VII. (1309 - 1313), in der es zu Beginn heißt: Supplicat
vestre imperatorie magestati [!] Gerardus de Insula beneficatus in monasterio Sancti Alexandri Parmensis fidelis vester (MGH Const. 4, Nr. 1049,
S. 1088). Es handelt sich dabei um ein Beispiel nach dem Muster der Suppliken an den Papst. 6·
84
3. Supplikation - Herkunft und Begriff
und betont, daß uns "einzelne derartige Suppliken [...] aus fast allen Jahrhunderten des Mittelalters erhalten" sind73 . In dem auf altes Recht und personale Bindung gegründeten Staat des Mittelalters ritt der König bis ins 13. Jh., d. h. bis zur Errichtung des Hofgerichtes, als oberster Gerichtsherr und Inhaber aller Gerichtsgewalt im Lande umher74, denn er war der "gemeine richter ubir al"75 und "itlich man hat sin recht vor deme koninge"76. In dieser Eigenschaft mußte er auch Bitten und Nöte der Untertanen anhören, auf die er in der Regel wohl sofort geantwortet hat; ein schriftlicher Bescheid konnte aber hinzukommen, wie zahllose Urkunden beweisen. Sie sind zugleich ein Beleg dafür, daß diejenigen, die dem König etwas vorzubringen hatten oder von ihm erbitten wollten, ihre Angelegenheiten persönlich vortrugen 77 . Zwei von Wipo in seinen "Gesta Chuonradi 11. Imperatoris" erzählte Ereignisse sind dafür besonders deutliche Beispiele78 : gegen den Widerstand einiger Fürsten hörte Konrad 11. (1024 -1039) unmittelbar vor seiner Krönung an, was ihm ein colonus der Mainzer Kirche, eine Waise und eine Witwe vorzubringen hatten, um ihnen aufgrund ihrer Klagen sofort Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Kurz darauf widmete sich der neue König auch noch einem Mann, der ihm mit der Behauptung entgegentrat, er sei ohne eigenes Verschulden ins Elend gestoßen worden; Konrad 11. beauftragte daraufhin einen der Fürsten, sich der Sache des armen Mannes anzunehmen und seine Klage zu prüfen. Erst dann setzte der König seinen Weg in die Kirche fort. Indem Konrad 11. sich in diesen Fällen so verhielt, entsprach er den Vorstellungen, die man sich im Mittelalter vom König machte: er sollte - neben Kirchen und Geistlichen - Witwen und Waisen schützen; es war seine königliche Pflicht, den Armen und Schwachen zu helfen, ihnen Recht zu gewähren, sie anzuhören und ihnen Gnade zu schenken79 . Wipos zweifellos stilisierter Bericht macht zugleich deutlich, daß 73 Breßlau, Urkundenlehre, Bd. 2, S. 25 f.; s. insbes. die angegebenen Quellenbelege ebd., S. 26, Anm. 2. 74 Richard Schröder, Eberhard Frh. v. Künßberg, Lehrbuch der deutschen Rechtsgeschichte, Berlin, Leipzig 71932, S. 593 ff.; s. a. Roderich Schmidt, Königsumritt und Huldigung in ottonisch-salischer Zeit, in: Vorträge und Forschungen, hg. v. Konstanzer Arbeitskreis für mittelalterliche Geschichte, Bd. VI, Konstanz, Stuttgart 1961, S. 97 - 233 (freundlicher Hinweis von Prof. Dr. G. Oestreich). 75 Sachsenspiegel, Landrecht III 26 § 1. 78 Sachsenspiegel, Landrecht III 33 § 1. 77 Vgl. Breßlau, Urkundenlehre, Bd. 2, S. 26. 78 MGH SS rer. Germ. in usum scholarum, hg. v. Harry Breßlau, Hannover, Leipzig 31915, Kap. 5, S. 26. 79 Vgl. Quedlinburger Annalen zum Jahre 1000: [ ...] regalibus impendens officiis, regendo, indulgendo. largiendo ac remunerando [ ...] (MGH SS III
3.1. "Supplikation" in Altertum und Mittelalter
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der König in einzelnen Fällen sofort ohne Beachtung besonderer Formen Beschwerden abstellen, Klagen erledigen und Bitten erfüllen konnte. In schwierigeren Fällen strebte er eine unbürokratische Erledigung an; dabei handelte er schon mangels eines förmlichen Urteils im eigentlichen Sinn nicht als Gerichtsherr. Die Beispiele zeigen darüber hinaus, daß grundsätzlich jedem Untertanen der Zugang zum König offen sein sollte. Infolge des zunächst immer mündlichen Charakters dieses Verfahrens zur Erledigung von Bitten und Beschwerden stehen uns "Supplikationen" aus dem Mittelalter als historische Quellen nur in Ausnahmefällen zur Verfügung. über den Inhalt erfahren wir also in der Regel nur dann etwas, wenn eine Urkunde ausgestellt wurde, die ja zumindest den Sachvortrag der Bitten und Beschwerden widerspiegelt. Zu diesen Ausnahmen gehören z. B. die Bitte an Friedrich H. (1212 - 1250) um Freilassung eines Neffen des Kardinalpresbyters Guala von St. Martin, die Fürbitte eines Kardinals an denselben Kaiser für einige Edle VOn Neapel, denen bei den Anforderungen des Fiskus Verarmung drohe, und die Bitte der Bürger von Worms an König Konrad IV. (1237 -1254), sie gegen den Erzbischof von Mainz zu schützen8o . Diese Bitten sollten die Erlangung einer Gnade oder die Wahrung des Rechtes bewirken. Der König bzw. Kaiser war bei seiner Entscheidung an das bestehende alte Recht gebunden und hatte es im Einzelfall anzuwenden. Er verfügte nicht über eine Dispensgewalt, die der Papst aufgrund des geistlichen Charakters seines Amtes besaß81. Ansätze zur Ausbildung eines geschäftsordnungsmäßigen Verfahrens für die Erledigung von Bittschriften finden sich im 13. Jh. in der sizilianischen Kanzleiordnung Friedrichs 11., von der Breßlau gesagt hat, sie erlaube "vielleicht ein wenigstens einigermaßen analoges Vorgehen bei den Urkunden dieses Herrschers für das Kaiserreich vorauszusetzen"82. Nach Verlesung der Bittschriften an bestimmten Wochentagen in der Kanzlei wurden die Bescheide in summarischen Zusammenfassungen ihres materiellen Inhalts sofort auf die Rückseiten geschrieben; in den Fällen, in denen der Kaiser selbst die Entscheidung treffen mußte, geS. 77); s. a. Georg Waitz, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 6, bearb. v. Gerhard Seeliger, BerUn 21896, S. 469 ff. 80 Eduard Winkelmann (Hg.), Acta Imperii inedita, Seculi XIII., Bd. 1: Urkunden und Briefe zur Geschichte des Kaiserreichs und des Königreichs Sicilien in den Jahren 1198 bis 1273, Innsbruck 1880, Nr. 600, 601, 672. 81 Inwieweit bei der Behandlung von Bitten und Beschwerden der curia regis als einem verfassungsmäßigen Gremium ein Mitsprache- und Mitbestimmungsrecht zukam, kann hier nicht behandelt werden. 82 BreßLau, Urkundenlehre, Bd. 2, S. 26 f., 143; Winkelmann, Acta Imperii,
S. 736, 739.
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3. Supplikation - Herkunft und Begriff
schah das, sobald diese eingegangen war. Danach konnten die Notare die Urkunden ausstellen83. Nach diesen ersten Regelungen wird für uns die Behandlung von Bittschriften in der Mitte des 15. Jh.s greifbarer, als Friedrich IH. (1440 -1493) auf den Reichstagen dazu überging, schriftliche Bescheide an Supplikanten von eigens dafür eingesetzten Kommissionen erarbeiten und anfertigen zu lassen. Da uns aber die vorgetragenen Bitten und Beschwerden selbst meistens nicht vorliegen, müssen aus den schriftlichen Bescheiden wie aus den früheren Urkunden im weltlichen und kirchlichen Bereich die Inhalte der Supplikationen deduziert werden. Ein solcher schriftlicher Bescheid auf eine vorgebrachte Bitte liegt uns z. B. in den Akten des Frankfurter Reichstages von 1442 vor, als Kaiser Friedrich IH. am 9.8.1442 seine Entscheidung in einem Streitfall zwischen Städten und Rittern Schwabens fällte. Wegen "mlnigerlai großer swlrer treffenlicher sache die hailigen Cristenhait und ouch das rich benirende"84 hat der König dem Kurfürsten von Köln, Erzbischof Dietrich, und nicht genannten königlichen Räten "ernstlich bevolhen, zwuschent den obgemelten parthien fräntlich wege ze suchen, damit solich spenn und mißhellunge betragen und gericht wurden"85, die als "undertldinger"86 dann auch eine Vereinbarung erarbeitet haben. Danach sollen alle feindlichen Handlungen sofort eingestellt und zur Entscheidung der Streitsache ein Gericht eingesetzt werden, das bis zum 31. 3. 1443 ein endgültiges Urteil zu fällen hatte. Es gilt hier festzuhalten, daß der König nicht selbst eine Beschwerde entscheidet, sondern auf dem Reichstag eine Kommission einsetzt, die einen Lösungsweg erarbeitet, den der König dann übernimmt. Diese Kommission bestand aus einem ständischen Vertreter und königlichen Räten. In seinem Schreiben vom 5.6.1442 an schwäbische Städte hatte Friedrich IH. dieses Verfahren angekündigt: "alsdenne so wollen wir mit rate der egenanten kurfursten fursten etc. andern unsern räten und getruwen mitsampt des richs sachen solich Zwitracht och furhand nemen und die, ob got wil, understeen in gut oder recht abzutragen"87 und Bevollmächtigte der Städte wie in einem anderen Brief auch der schwäbischen Ritterschaft zum Erscheinen auf dem Reichstag aufgefordert. 83 Breßlau, Urkundenlehre, Bd. 2, S. 144 mit Anm. 2. Herrn Dr. Karl Heinemeyer, Marburg/Lahn, sei an dieser Stelle für wertvolle Hinweise gedankt. 84 RTA ält. Rh. 16, Nr. 208, S. 394. 85 RTA ält. Rh. 16, Nr. 208, S. 394 f. 88 RTA ält. Rh. 16, Nr. 208, S. 395. 87 RTA ält. Rh. 16, Nr. 119, hier S. 276.
3.2. Supplikationen in der Neuzeit
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Ebenso war Friedrich II!. im Würzburger Streit zwischen Dompropst Philipp von Sierck und Nikolaus von Seckendorf um die Dompropstei verfahren, als Seckendorf einen Schiedsspruch des Erzbischofs Dietrich von Mainz zu Gunsten des Dompropstes nicht anerkannte. In diesem Fall bildete er eine Kommission aus den Bischöfen Peter von Augsburg und Johannes von Gurk, dem kurmainzischen Kanzler Helwig von Boppard und dem kurkölnischen Rat J ohann von Spuln, die die Parteien verhören, die Sachlage prüfen und dem König berichten sollten, bevor dieser dann die frühere Entscheidung des Erzbischofs von Mainz am 3. 8. 1442 bestätigte88 . In einem zweiten Würzburger Streit zwischen dem erwählten Bischof Herzog Sigmund von Sachsen mit dem Domkapitel entschied der König am 14.8.1442 "nach Rat der Kurfürsten, Fürsten und eigenen Räte"89. Auch hier setzte der König also eine Kommission ein, der im ersten Fall nur vier Vertreter der Kurfürsten und Fürsten, als ständische Vertreter, im zweiten Fall aber wieder ständische und königliche Vertreter angehörten. Allen drei hier erwähnten Fällen ist gemeinsam, daß sich ihrer eine vom König ad hoc für den Einzelfall eingesetzte Kommission annahm, deren Entscheidung der König bestätigte und bekanntgab90 .
3.2. Supplikationen in der Neuzeit 3.2.1. Zum Begriff "Supplikation"
Im deutschen Sprachgebrauch herrschte das Wort "Supplikation" oder seine Kurzform "supplikaz" vom 15. bis 17. Jh. vor!, seit dem 16. Jh. breitete sich das Supplikationswesen im Heiligen Römischen Reich aus. Die seit dem 16. Jh. übliche Bezeichnung für den Bittsteller war "Supplikant", und man meinte damit denjenigen, der in Form einer Bitte "dem absoluten Fürsten in eigener Sache ein dringendes Anliegen vorträgt", das "ursprünglich stets im Zusammenhang mit gerichtlichen Verfahren und Rechtsstreitigkeiten" stand2 • Auf den juristischen Charakter des Begriffs im 16. Jh. weist eine auf eine ältere Zeit zielende Beschreibung aus dem Jahre 1581 hin, wonach der König oder Kaiser kraft seiner Eigenschaft als Inhaber der obersten richterlichen Gewalt im Reich eine juristische Entscheidung fällte: "man zeigt eim 88 So beschrieben von HeTmann HeTTe in der Einleitung zu den Akten des Reichstages zu Frankfurt im Jahre 1442, RTA ält. Rh. 16, S. 243. 89 RTA ält. Rh. 16, S. 244. 90 Anders HeTTe, RTA ält. Rh. 16, S. 244. 1 Jacob und Wilhelm GTimm, Deutsches Wörterbuch, Bd. 10, Abt. IV, Leipzig 1942, Sp. 1249, s. v. Supplik. 2 Grimm, Wörterbuch, Sp. 1250, s. v. Supplikant.
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noch einen ort in der statt, da der keiser biszweilen auff dem richterstul gesessen und den supplicanten recht zu sprechen gepflegt habe"3. Seit dem Frühneuhochdeutschen ist "Supplication" als Rechtswort der fürstlichen Kanzleien überliefert und hat den in sich abgeschlossenen Bereich der Kanzlei- und Rechtssprache kaum verlassen4 • Dem persönlichen Charakter der Bitte entsprechend, wurde sie devot und servil abgefaßt und vorgebracht 5, wozu das Bild vom händeringenden und auf den Knien liegenden Supplikanten paßt. Diese ursprüngliche Bedeutung des Begriffes wird deutlich aus einer protokollarischen Aufzeichnung des Wormser Dompropstes Simon Ribisen vom 3. Nürnberger Reichtag von 1524, wo er unter dem Datum des 15. Februar vermerkte: "Und ehe sich die stend gesetzt, ist einer [Raminger] mit zweien kinden hinnin getrungen und uf die knüwe gefallen und Wurtzpurgk verclagt, als solt sin Gn[aden] ine vergeweltigt und das geleit an im gebrochen haben und domit ein supplication übergeben6 ." Im UniversalLexikon von Zedler aus dem 18. Jh. wird das Supplicieren denn auch von der "Art und Weise" abgeleitet, "womit gemeiniglich arme elende und bekümmerte Leute etwas vornehmere, als z. B. Richter, u. d. g. anzuflehen pflegen, da sie nämlich die Hände zu falten und zu winden gewohnt sind"7. An der Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert hat sich der bis dahin scharf umrissene Bedeutungsgehalt des "Supplikations"-Begriffes langsam aufgelöst. Das geschah auf sprachlicher Ebene nicht infolge einer Ablösung des Lateinischen, aber doch einer größeren Verbreitung des Französischen mit der Durchsetzung der französischen Wortform "Supplik" (frz. supplique), was seine Erklärung in der übernahme der französischen Form des Absolutismus in Deutschland findet, der dann aber auch einen Wandel in der Rechtsauffassung bewirkte. Die Supplik war, nachdem die ständische Mitregierung ausgeschaltet war, die einzige Möglichkeit für den einzelnen Untertanen, sich mit einer persönlichen Angelegenheit schriftlich, aber sonst formlos, an den absoluten Fürsten zu wenden 8, und damit das einzige Mittel rechtlicher Selbsthilfe der Untertanen. Grimm, Wörterbuch, Sp. 1250, s. v. Supplikant. , Grimm, Wörtrbuch, Sp. 1251, s. v. Supplikation. 5 Grimm, Wörterbuch, Sp. 1249, s. v. Supplik; in einer Beschwerde des Ar3
men Konrad in Württemberg an Gericht und Gemeinde zu Metzingen im Jahre 1514 heißt es: "E. F. G. bitten wir armen mit undertäniger erbietung diß unser supplicacion gnediglich zu vernemen." (Günther Franz, Der deutsche Bauernkrieg, Aktenband, Darmstadt 1972, S. 79.) 8 RTA jg. Rh. 4, Nr. 25, S. 106. 7 Großes vollständiges Universal-Lexikon aller Wissenschaften und Künste, Bd. 41, Leipzig, Halle 1744, Sp. 371, s. v. supplicieren (zit.: Zedler). 8 Grimm, Wörterbuch, Sp. 1249, s. v. Supplik; A. Stölzel, Brandenburg-
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Seine scharfe Begrenzung des Anwendungsbereiches verlor das Wort, das als Fremdwort zu einem festen Begriff der Verwaltungssprache des Absolutismus geworden war, bis zum 19. Jahrhundert wieder und verschwand dann völlig aus dem offiziellen Sprachgebrauch9 • Einzig in Rechtssprichwörtern lebte es weiter, die im 19. Jahrhundert im Sinne ursprünglicher Germanistik gesammelt wurden und von denen man gesagt hat, sie beinhalteten die "Weisheit auf der Gasse"10. Hinter diesem Sammelfleiß stand die Überzeugung, man dürfe dem Volk "diesen seit tausend Jahren gehäuften Schatz, zu welchem es selbst seinen gesunden Verstand, seine Sinnes- und Anschauungsweise, seine Rechtsgewohnheiten und Lebenserfahrungen, ja einen Theil seiner Lebensschicksale in goldenen Sprüchen ausgeprägt hat"l1, nicht nehmen und vorenthalten; die volkstümlichen Formulierungen enthielten denn auch viele alte deutsche Rechtssätze, die sich in sprichwortähnlichen Fassungen besser eingeprägt hatten als in den normativen Bestimmungen12. In allen diesen Rechtssprichwörter-Sammlungen 13 taucht im Zusammenhang mit dem Begriff "Supplikation" das Rechtssprichwort "Suppliciren und Appelliren ist niemand verboten" bzw. "Suppliciren und appelliren kann man niemand verwehren" auf14 , das das Recht der BePreußens Rechtsverwaltung und Rechtsverfassung, dargestellt am Wirken seiner Landesfürsten und obersten Justizbeamten, Bd. 1, Berlin 1888, S. 134, 405.
Grimm, Wörterbuch, Sp. 1250, s. v. Supplikant. Julius Hubert Hillebrand, Deutsche Rechtssprichwörter, Zürich 1858, S. 1. 11 Karl Simrock, Die deutschen Sprichwörter, Frankfurt/M. 1846, S. III. 12 Vgl. dazu Leonhard Winkler, Deutsches Recht im Spiegel deutscher 9
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Sprichwörter. Ein Lese- und Lehrbuch für das deutsche Volk, Leipzig 1927; an neuerer Literatur zum Problemkreis "Recht und Sprache" seien genannt: Ernst Forsthojf, Recht und Sprache. Prolegomena zu einer richterlichen Hermeneutik. Darmstadt 1964, und Dieter Horn, Rechtssprache und Kommunikation. Grundlegung einer semantischen Kommunikationstheorie, Berlin, 1966. - Innerhalb der Parömiologie fragt man heute nach dem Sinn und Zweck von Sprichwörtern und begnügt sich nicht mit ihrer Sammlung; damit wird vor allem ihre soziolinguistische Bedeutung hervorgehoben. 13 Hier seien nur die folgenden genannt: Johann Nicolaus Hertius, De paroemiis juris Germanici, libri tres, Frankfurt 1700; Georg Tob. Pistorius, Thesaurus Paroemiarum Germanico - Iuridicarum, Teutsch-Juristischer Sprichwörterschatz, Leipzig 1716 -1725; Johann Friedrich Eisenhard, Grundsätze des deutschen Privatrechts in Sprichwörtern, Helmstädt 1759; Johann Eiselein, Die Sprichwörter und Sinnreden des deutschen Volkes, Freiburg 1840; Eduard Graf und Mathias Dietherr, Deutsche Rechtssprichwörter, Nördlingen 1864; Karl Friedrich Wilhelm Wand er, Deutsches SprichwörterLexikon, ein Handbuch für das deutsche Volk, 5 Bände, Leipzig 1867 - 1880 (NDr. Darmstadt 1964). 14 Wilhelm van Calker zitiert daneben "Supplizieren und Wassertrinken sind jedem gestattet" als ein "früher oft gebrauchtes Sprichwort" (W. v. Calker, Entstehung, rechtliche Natur und Umfang des Petitionsrechts nach hessischem Staatsrecht, in: Staatsrechtliche Abhandlungen, Festgabe für
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rufung in den Fällen, in denen kein Appellationsverbot bestand, allen zubilligte, die sich durch ein Urteil ungerecht behandelt und beschwert fanden 15. Gegen ein noch nicht rechtskräftiges Urteil durfte aber nur appelliert werden, wenn der Streitgegenstand eine bestimmte Summe erreichte 16. In den Erläuterungen zu dem Rechtssprichwort geht allein HilZebrand etwas ausführlicher auf das "Suppliciren" ein, unter dem er "jedes Einlegen eines ordentlichen suspensiven Rechtsmittels" versteht, "durch welches die Parthei von dem nämlichen Richter, der das beschwerende Urtheil erlassen, die Abänderung verlangt". Und er fährt dann fort: "Diese Suplication, Revision, pflegt übrigens in der That jetzt wegen aller noch nicht rechtskräftigen Urtheile möglich zu sein, so daß sie auch mit der Appellation concurirt17." Den Begriff "Supplikation" definiert der Kommentator des 19. Jahrhunderts also sehr viel weiter als man das im 16. Jahrhundert hätte tun können; er meinte nicht mehr nur Bitten und Beschwerden, sondern hatte eine Bedeutungsveränderung und -erweiterung auf das Prozeßrecht mitgemacht, wie wir sie aus dem römischen Zivilprozeßrecht kennen. Freichlich ist HilZebrands Verständnis von "Supplication" bereits im 18. Jahrhundert vorgegeben, denn im Universal-Lexikon von Zedler versteht man darunter nicht nur eine untertänige Bittschrift, eine demütige, flehentliche Bitte um Abstellung zugefügten Unrechts, sondern auch "die geführte schriftliche Beschwerde über ein erlittenes Unrecht, mit angeführter Bitte, [... ] den Weg Rechtens darüber zu verstatten"18. Sie war nach dem Verständnis des 18. Jahrhunderts ein außerordentliches suspensives Rechtsmittel, mit dem man die Abänderung eines Endurteils zu erreichen suchte. Allerdings waren für Zedler die Begriffe "Supplication" und "Revision" nicht - wie für Hillebrand - identisch. Wenn er die Revision als "das äußerste oder allerletzte Rechtsmittel" bezeichnete, "wodurch eine verletzt zu sein vermeinende Partei bitten kann, daß kaiserliche Commissarien und andere bei einem Reichsstande ausgebetene Deputierte die Acten noch einmal durchsehen und untersuchen, das gefällte Urteil genauer ersehen und eventuell in neuen Stand versetzen"19, dann verstand er im Grunde unter "Revision" das, was im 16. Jahrhundert noch als "Supplikation" bezeichnet wurde, denn auch sie wurde Paul Laband zum 50. Jahrestage der Doktor-Promotion, Bd. 2, Tübingen 1908, S. 365). 15 Vgl. WandeT, Sprichwörter-Lexikon, Bd. 4, Sp. 980, s. v. suppliciren. 18 Vgl. Hillebrand, Rechtssprichwörter, S. 231, Nr. 340. 17 Vgl. Hillebrand, Rechtssprichwörter, S. 231, Nr. 340. 18 Zedter, Bd. 41, Sp. 364. 19 Zedter, Bd. 31, Sp. 938, s. v. Revision.
3.2. Supplikationen in der Neuzeit
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für die Fälle eingeführt, wenn man gegen ein Urteil keine Rechtsmittel mehr hatte 20 . Daß die Supplikation im 16. Jahrhundert oft die letzte Möglichkeit war, außerhalb des ordentlichen Rechtsweges etwas für sich zu erreichen, zeigt ein im Grimmschen Wörterbuch mitgeteiltes Beispiel, in dem eine Supplikantin nicht mehr weiß, "wo oder wie ich mein begerung fürbringen mag anders dan durch ain supplicanz nach gewonheit eurs hof"21. Die Supplikation - als Rechtsmittel verstanden - verweist aber auch im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation nicht erst seit dem 18. Jahrhundert auf den Bereich des Prozeßrechtes, wo sie mit der Appellation konkurrierte22 . Mit der Einrichtung des Reichskammergerichtes auf dem großen Wormser Reform-Reichstag von 1495 begegnet der Begriff "Supplication" in den Ordnungen dieses obersten Reichsgerichts immer wieder. Dabei wird deutlich, welche Veränderungen hinsichtlich ihrer Bewertung die Supplikationen im Bereich des Reichskammergerichts in der ersten Hälfte des 16. Jh.s erfahren haben. Wurden sie in der ersten Kammergerichtsordnung vom 7.8.1495 als für die Arbeit des Kammergerichts hinderlich dargestellt - "das Camer Gericht sol seinen gestrackten Lauff haben, unverhindert eynicher Restitution, Supplication, Advocation, oder in ander Wege Aufschleg, die aus ordenlicher Form, oder Erkanntnyß des Camer Gerichts auf sunderlich Commission nit erlangt when"23 -, so wurde 1500 in Augsburg beschlossen, "daß zu FÖrderung der Partheyen declarirt und zugelassen werde, daß zu Zeiten der Vacantz oder sonst, ein Cammer Richter, oder in seinem Abwesen die Beysitzer, oder etliche auß ihnen, durch ein Cammer Richter darzu geordnet, Supplicationes annehmen und Ladung außgehen lassen mögen"24. Eine solche Bestimmung für die Behandlung von Supplikationen am Reichskammergericht erfuhr in der Ordnung von 1523 eine weitere Ausgestaltung, da man es offensichtlich nicht mehr nur mit "eynichen" Supplikationen zu tun hatte: "Und mag der Cammer Richter nach Gelegenheit und Grösse der Sachen, unter die Personen der Beysitzer theilen, etliche, als ungefihr20 Zedler, Bd. 31, Sp. 939, s. v. Revision. 21 Grimm, Wörterbuch, Sp. 1251, s. v. supplikanz. 22 Vgl. Zedler, Bd. 41, Sp. 365 f.; zum ganzen Komplex der Supplikation als Rechtsmittel und der Geschichte des Prozeßrechts: Hermann Conrad, Deutsche Rechtsgeschichte, Bd. I und H, Karlsruhe 21962 - 1966, insbes. Bd. H, S. 78, 166 f., 462 ff., siehe jetzt auch Hülle, Supplikenwesen in Rechtssachen, S. 194 - 212. 23 RA H, § 25, S. 9. 24 RA H, S. 72, I.
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lich acht, bey ihm in der Audienz behalten, die übrigen im Rath, zu Ausrichtung der Supplication, gerichtliche Händel betreffend, und dergleichen, auch Verfassung Bey- und End-Urtheil ordnen, und in dem so viel müglich, Gleichheit der Person und Bürde halten25 ." Die Aufsicht darüber lag beim Kammer-Richter, der nach dem Augsburger Abschied von 1530 dafür zu sorgen hatte, "daß alle Supplicationes, so um Erlangung der Proceß in Rath übergeben, treulich gefördert, und nicht drey oder vier Tag, wie biß anhero geschehen, liegen bleiben"26. Die Behandlung der Supplikationen am Reichskammergericht gab bei den verschiedenen Visitationen Anlaß zu Beanstandungen, auf die dann in den Kommissionsberichten eingegangen wurde. Dem Kammerrichter und den Beisitzern waren "Mängel und Gebrechen, so in CammerGerichts-Ordnung und Reformation stattlich versehen und doch nicht vollnzogen" mündlich anzuzeigen27 : u. a. sollten die "Assessores, so aus der ordentlichen Audientz abtretten, angehalten werden, Supplicationes [...] förderlich besichtigen und verfertigen, daß sie ad secundam Audientiam (vermög der Reformation) expedirt werden"28; der Kammerrichter sollte "daran seyn, daß auf die Supplicationes die Bescheid durch Notarien, und nicht die Beysitzer geschrieben werde"2D; die Assessoren sollten "mit den supplicirenden Procuratorn de meritis causae nicht disputiren, auch in der grossen und kleinen Stuben in referendo nicht laut schreyen, daß mans auf dem Gang, oder vor den Fenstern hören möge"30; sie sollten ferner "die Acta in ihren Häusern vor ihrem Gesind, und andern, so zu ihnen wandern, wol versehen, auch die Säck, darinn sie die Acta haben, durch ihre Knecht heimlich tragen lassen, damit die Procuratores nicht erfahren oder vermuthen mÖgen, wer die Referenten seynd"31; Kammerrichter und Beisitzer sollten "den Procuratoribus nicht gestatten, von einem Rath in andern gefährlicher Weiß zu suppliciren"32. Alle diese Vorschriften lassen erkennen, daß es in den Anfangsjahren des Reichskammergerichts darauf ankam, "gerichtliche Händel" betreffende Supplikationen einen Platz im Geschäftsgang des Gerichtes zuzuweisen. Das war offensichtlich notwendig geworden, da die Zahl der Supplikationen wuchs. 25 RA II, S. 247; es wurde dann u. a. festgelegt, daß mit den Supplikationen vier Beisitzer beschäftigt sein sollten. 28 RA II, 1530, S. 318, § 77. 27 So in dem Visitationsbericht der Kommission vom 21. 3. 1533, RA II, S. 403 - 406, hier S. 406, II. 28 RA II, S. 406, II, § 6. 29 30
31 32
RA RA RA RA
II, S. 406, II, II, S. 406, II, II, S. 406, II, II, S. 406, 11,
§ § § §
10. 12. 13. 21.
3.2. Supplikationen in der Neuzeit
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Es erhebt sich allerdings die Frage, was der Gegenstand dieser Supplikationen an das Reichskammergericht war. Im Regensburger Reichstagsabschied von 1532 wurde ausdrücklich eingeräumt, daß eine Supplikation gegen ein Reichskammergerichtsurteil möglich war; denn dort heißt es in § 17, "daß die Acta folgends nach gesprochener Urtheil auch besichtiget, und niemands an Unserm Cammer-Gericht Unrecht geschehe, zu dem, daß solches Unsern Kiyserl. Rechten nicht entgegen, so wider End-Urtheil zu suppliciren zulassen, und die Richter, so unrechtmißige Urtheil aussprechen, den Krieg ihr eigen machen, und deßhalben ad Syndicatum gestellt werden mögen"; es wurde festgesetzt, daß derjenige, der glaubt, "durch Cammer-Richter und Beysitzer beschwht" zu sein, und wenn "unrechtmißige oder nichtige Urtheil, wider sie gesprochen und eröffnet", daß derjenige nach kaiserlichem Recht "syndiciren" darf, ohne freilich eine aufschiebende Wirkung hinsichtlich der Exekution des ergangenen Urteils zu erreichen33 • Offensichtlich wurde die Supplikation also schon in der ersten Hälfte des 16. Jh.s als ein Rechtsmittel verstanden, hier gegen ein letztinstanzliches Urteil. Worin sie sich als solches von der Appellation unterscheidet, soll eine vergleichende Gegenüberstellung dieser beiden auf den ersten Blick gleichgearteten Rechtsmittel in einem Zivilprozeß zeigen34 • Uns interessiert dabei vor allem das, was aus der Argumentation der Anwälte in einem seit 1549 am Reichskammergericht anhängigen Prozeß über das Wesen von Supplikationen hervorgeht. Abstrahiert man von der materiellen Seite des Rechtsstreites zwischen der Witwe Anna Sailer und den Gläubigern ihres verstorbenen Mannes s5, so spitzt sich unter prozessualem Aspekt der Streit zwischen dem Anwalt Dr. Michael von Kaden auf der Seite der Witwe und Dr. Adam Werner von Themar als Rechtsbeistand der Gläubiger und des Bischofs Melchior von Würzburg auf die Frage zu, ob gegen ein Urteil des Würzburger Stadtgerichts, dessen Gerichtsherr der Bischof 33 RA II, 1532, § 17, S. 359. Die Kammergerichtsordnung von 1555, RA III, Tit. LI, untersagte das Appellieren und Supplizieren gegen Urteile des RKG.s. 34 Jürgen Weitzel, Zur Zuständigkeit des Reichskammergerichts als Appellationsgericht, ZRG Germ. Abt. 90, 1973, S. 213 - 245. - Vgl. ferner Jürgen Weitzel, Der Kampf um die Appellation ans Reichskammergericht. Zur politischen Geschichte der Rechtsmittel in Deutschland, Diss. jur. Frankfurt/M. 1974, und Wolfgang Sellert, Die Problematik der Nachprüfbarkeit von Urteilen des Reichshofrates (RHR) und des Reichskammergerichts (RKG) durch Revision und Supplikation, in: 1473 Commemoration de l'institution du Parlement de Malines 1973, Colloque International Parlement de Malines (Malines le 9 decembre 1973), Consacre aux Methodes et problemes du depouillement des archives des conseils superieurs de justice en Europe (XVe et XVIe Siecles) et la procedure d'Appel et d'autres recours en usage auxdits conseils 1974, S. 1 - 24 [Masch.].
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3. Supplikation - Herkunft und Begriff
war, eine Appellation an das Reichskammergericht zulässig war, wenn sie dem Würzburger Herkommen widersprach36 • In einem Zwischenurteil vom 17.6.1551, 13 /4 Jahre nach dem ersten Termin in dieser Angelegenheit vom 23.9.1549, das Jürgen Weitzel als eine Grundsatzentscheidung bezeichnet, die seit 1563 weite Verbreitung fand 37 , stellte das Reichskammergericht seine Zuständigkeit in dieser Appellationssache fest38 • Es widersprach damit der Meinung des Würzburger Bischofs, die Entscheidungen seines Stadtgerichts seien nicht appellationsfähig, sondern könnten allenfalls Gegenstand einer Supplik an ihn als Landesherrn sein39 • Offensichtlich hat das Reichskammergericht, indem es die rechtliche Unverbindlichkeit des vom Anwalt der Appellaten angeführten Würzburger Brauches feststellte - ohne die Appellation materiell zu prüfen -, das Rechtsmittel der Appellation gegenüber dem Landesherrn gestärkVo. Weitzel geht es dabei um die Frage nach der "rechtlichen Verbindlichkeit des - als bestehend unterstellten - Brauches unter dem Gesichtspunkt der Verletzung kaiserlicher Rechte"41 und damit um die Frage nach der Stellung des Reichskammergerichts als oberstem Appellationsgericht, nach dem Rechtsschutz für Untertanen und den Rechten des Kaisers als obersten Gerichtsherrn im Reiche42 . Was aber versteht der Bischof von Würzburg unter Supplikation? Nachdem der Anwalt Dr. von Themar die Unzulässigkeit der ans Reichskammergericht gerichteten Appellation betont und gebeten hatte, "E. G. wollen dieselbe als freventlich, nichtig und one alle beschwerden, wieder ermelts Stattgerichts herkommen und gewohnheyt, nit annemen, sonder mit irem rechtlichen Spruch und entscheid verwerffen und aberkennen, unnd die partheyen und sachen an offtgedacht stattgericht zu Wirtzburgk unnd desselben Richter wiederumb remittieren und weisen"43, führte er über die Supplikation aus, sie sei "anstatt der Appellation herkommen und eingeführt"44, was deutlich mach35 Siehe dazu Weitzel, Zuständigkeit, S. 218 f. Herrn Dr. Jürgen Weitzel sei an dieser Stelle für die Freundlichkeit gedankt, dem Vf. seine Aufzeichnungen und Kopien der Akten des Falles Sailer aus dem Hauptstaatsarchiv München zur Verfügung zu stellen, desgleichen für die Einsicht in die in der vorigen Anmerkung zitierte maschinenschriftlich vorliegende Literatur. 36 Weitzel, Zuständigkeit, S. 224. 37 Weitzel, Zuständigkeit, S. 217. 3B Weitzel, Zuständigkeit, S. 222. 39 Weitzel, Zuständigkeit, S. 215 f. 40 Weitzel, Zuständigkeit, S. 214, 223. 41 Weitzel, Zuständigkeit, S. 226. 42 Weitzel, Zuständigkeit, S. 214. 43 Zitiert nach Weitzel, Zuständigkeit, S. 222, Anm. 45. 44 Zitiert nach Weitzel, Zuständigkeit, S. 235 mit Anm. 137.
3.2. Supplikationen in der Neuzeit
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te, daß sie als Ersatz für die nicht zugelassene Appellation betrachtet wurde. Die Supplikation war also nach Würzburger Auffassung die einzige Möglichkeit für einen vom Stadtgericht Verurteilten, eine Revision seines Urteils zu erreichen, da das Gewohnheitsrecht die Appellation verbot45 • Diesen Ersatz bezeichnete Dr. von Themar als lIde processu"46, was die Supplikation in den Bereich eines gerichtlichen Verfahrens verwies, wo sie nach seiner Auffassung einem suspensiven ordentlichen Rechtsmittel gleichkam. Gegen eine solche Gleichstellung von Appellation und Supplikation hatte der gegnerische Anwalt Dr. Michael von Kaden prozessuale Bedenken. Er sah in der Supplikation den ursprünglichen Bitt- und Beschwerdecharakter, die letzte Möglichkeit eines Verurteilten, eine Besserung des Urteils durch die Bitte zu erreichen, der Adressat möge "allein aus Gnaden ein Einsehen [... ] haben"47. Die Supplikation setzte also ein endgültiges Urteil voraus, von dem der Supplikant dispensiert werden wollte; die Appellation aber - so seine Meinung - habe suspensiven Charakter und solle auf dem Rechtswege zu einem gerechteren Urteil führen. Wer also auf eine Appellation verzichtete, erkannte das Urteil als endgültig an und lieferte sich als Supplikant außerhalb des Rechtsweges dem Empfänger der Supplikation aus, indem er sich von dessen Gnade abhängig machte. Aus diesem Grunde bezeichnete von Kaden den Würzburger Brauch als "zum Abbruch der oberrichterlichen Jurisdiction erfunden", unzulässig und unrechtmäßig48, weshalb Weitzel die von Kadens Gegenspieler vorgetragene Möglichkeit der Supplikation als "nicht zu unterschätzende Waffe im Kampf gegen die Appellation ans RKG" bezeichnet49 • Für ihn ist die Supplikation aus der Sicht der Gerichtsverfassung des Reiches ein außerordentliches Rechtsmittel, durch das lIder ordentliche Weg der Appellation unterbunden werden SOll"50. Deshalb stellt Weitzel fest: "Das Entscheidende an alle dem ist, daß dieser reichsrechtlich außerordentliche und damit nur unter freiwilligem Verzicht auf die Appellation ans RKG zulässige Rechtsbehelf landesrechtlich zu einem ordentlichen und damit unter Ausschluß der Appellation zwingend gebotenen gemacht werden soll51." Und auch von Themars Behauptung, die Würzburger Obrigkeit verhindere die unrechtmäßige Verurteilung ihrer Untertanen, zumal man Weitzel, Zuständigkeit, S. 226. Zitiert nach Weitzel, Zuständigkeit, S. 236 mit Anm. 138. 47 Zitiert nach Weitzel, Zuständigkeit, S. 236 mit Anm. 141. 48 Zitiert nach Weitzel, Zuständigkeit, S. 236 mit Anm. 140. 49 Weitzel, Zuständigkeit, S. 234. 50 Weitzel, Zuständigkeit, S. 236. 51 Weitzel, Zuständigkeit, S. 237. 45
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3. Supplikation - Herkunft und Begriff
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diese mit einer Supplikation immer abwenden könne 52, bestritt von Kaden, indem er auf die bekannte Tatsache verwies, daß alle Urteile des Würzburger Stadtgerichts erst nach vorheriger Belehrung durch das Hofgericht ergingen, in dem die bischöflichen Räte vertreten waren5S • Schon deshalb bestand er darauf, daß, wenn aufgrund eines dem Landesherren zustehenden Privilegiums de non appellando keine Partei schuldig sei, auf die Appellation zu verzichten, ihr die Supplikation als außerordentlichtes Rechtsmittel nicht aufgedrängt werden könnte54 • Das schloß aber umgekehrt die Supplikation an den Kaiser auch bei bestehendem Privilegium de non appellando nicht aus. Die Supplikation sollte nicht zu einem Instrument herabgemindert werden, mit dem man die ordentlichen Gerichte umgehen konnte. Aufgrund der Gegenüberstellung der Argumente beider Seiten zur Frage der Supplikation muß man zu dem Schluß kommen, daß die Supplikation an den Landesherren den Untertanen keinen der Appellation gleichwertigen Rechtsschutz gewährte und zudem die Rechte des Kaisers als des obersten Gerichtsherrn im Reich verletzte und schmälerte55 . Durchgesetzt aber hat sich die Supplikation als bei bestehendem Appellationsverbot einzig noch zulässiges und als mit der Appellation konkurrierendes Rechtsmittel, denn sie löste kein insgesamt doch schwerfälliges und kostspieliges Verfahren wie die Appellation ans Reichskammergericht aus, obschon sie, da sie den Verzicht auf den ordentlichen Rechtsweg beinhaltete, zwar grundsätzlich legitim, aber nicht unbedenklich war 56 . In der Mitte des 16. Jh.s aber wehrte sich das Reichskammergericht noch gegen die "Schaffung neuer, außerordentlicher Möglichkeiten der Streiterledigung"57 und verteidigte den bis dahin üblichen ordentlichen Rechtsweg. Dr. von Kaden machte sich zum Sprecher des Reichskammergerichts, wenn er darüber hinaus betonte, jede landesfürstliche Gerichtsbarkeit sei vom Kaiser als obersten Gerichtsherrn im Reich delegiert5s . Daß diesen theoretischen Bekundungen die praktische Handhabung der Gerichtsbarkeit im Reich und in den Territorien nicht entsprach, braucht nicht besonders ausgeführt zu werden. Aber insgesamt gibt die hier referierte verfahrens rechtliche Seite des Prozesses einen guten 52
53 54 55 56 57
58
WeitzeZ, Zuständigkeit, S. 235, 236 mit Anm. 139. WeitzeZ, S. 236 mit Anm. 139. WeitzeZ, S. 236. So auch Weitzel, Zuständigkeit, S. 214. Vgl. WeitzeZ, Zuständigkeit, S. 235. WeitzeZ, Zuständigkeit, S. 235. Zitiert nach WeitzeZ. Zuständigkeit, S. 231.
3.2. Supplikationen in der Neuzeit
97
Einblick in rechtliche Zusammenhänge in der Mitte des 16. Jh.s soweit sie die Supplikation und den an sie geknüpften Versuch eines Landesherrn betraf, das an ein gerichtliches Verfahren gebundene Rechtsmittel der Appellation zu beseitigen und durch eine persönliche Jurisdiktionsgewalt zu ersetzen, wie sie im Supplikations-Begriff angelegt war. Das Ergebnis eines solchen Versuches kann sicher dazu beitragen, unsere Kenntnisse über die Auseinandersetzungen zwischen Territorialherren und Kaiser um die Stellung im Reich zu erweitern, und spiegelt insofern die verfassungsgeschichtliche Situation der Zeit wider. Überblicken wir unsere Beobachtungen zum Begriff "Supplikation" in Altertum, Mittelalter und Neuzeit, so müssen wir feststellen, daß die Supplikation in ihrer ursprünglichen Bedeutung wohl immer eine auf Gnade und Gunstbezeugung des Papstes oder eines weltlichen Herrschers reflektierende untertänige Bitte war, der ein singuläres subjektives Rechtsschutzverlangen an die Obrigkeit innewohnte. Als solche war sie zwar Ausdruck eines bestehenden Rechtsverhältnisses, aber der juristische Aspekt des Begriffes kam nicht zum Tragen. Unter diesem Gesichtspunkt ist man zu der allgemeinen Feststellung geneigt, Bitten und Beschwerden im staatlichen Bereich, Supplikationen in ihrer ur~ sprünglichen Bedeutung als mit dem Staat aufs engste verbunden, ja für ihn geradezu mit konstitutiv, zu verstehen, denn wohl in allen Staatswesen zu allen Zeiten haben Privatpersonen oder Personengruppen die Möglichkeit gehabt, Bittgesuche an die höchste Stelle im Staat zu richten, wenn sie irgendeine Gunstbezeugung oder einen Gnadenerweis erwirken wollten69 • Aus diesen sogenannten Gnaden-Supplikationen entwickelten sich in Streitangelegenheiten, wenn alle Rechts- und verfassungsmäßigen Instanzen erschöpft waren, ohne für eine befriedigende Lösung gesorgt zu haben, jene Supplikationen, die in den Bereich des zivilen Gerichtsprozeß-Rechts gehören. Im Blick auf diese hat Werner Hülle davon gesprochen, daß der Supplikation "historisch und etymologisch [...] eine Bezogenheit auf eine letztinstanzliche Entscheidungsgewalt" innewohnte, die sich "gegen eine Verletzung des Rechtes durch eine Richterhandlung" wandte60 • Dabei ist auffallend, daß der Begriff immer mehr einen juristischen Charakter annahm, freilich immer einen zivilrechtlich-öffentlichen, nie einen strafrechtlichen, und sich schließlich zu 69 So etwa auch Hülle, Supplikenwesen in Rechtssachen, S. 194, der von "jene[r] unüberschaubare[n] und vielgestaltige[n] Masse von Vorstellungen" spricht, "die zu allen Zeiten von der eingreifenden oder vorsorgenden Verwaltung einen Gunsterweis erbeten haben"; vgl. Hans Ludwig Rosegger, Petitionen, Bitten und Beschwerden, ein Beitrag zur Entwicklungsgeschichte moderner Verfassungen in rechtsvergleichender Darstellung, Berlin 1908, S. 1. 80 Hülle, Supplikenwesen in Rechtssachen, S. 209.
7 Neuhaus
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3. Supplikation - Herkunft und Begriff
einem außerordentlichen oder ergänzenden ordentlichen Rechtsmittel en twickelte61 •
3.2.2. Supplikationen an den Reichstag: Anzahl und Inhalte Den Supplikationen im juristischen Bereich stehen die auf ständeparlamentarischer Ebene gegenüber. Allein die Tatsache, daß es unter den vielen Gremien der Reichstage des 16. Jh.s einen Supplikationsausschuß gegeben hat, der nur für Bitten und Beschwerden zuständig war, die während einer Sitzungsperiode des Reichstages eingereicht wurden, läßt die Frage nach den Unterschieden aufkommen und zugleich Veränderungen der Sache "Supplikation" vermuten, die sich auf Gegenstand, Empfänger, Anzahl und Form beziehen. Bevor wir uns aber diesem Supplikationsausschuß zuwenden, ist zunächst noch zu klären, was das für Supplikationen waren, mit denen sich der besondere Reichstagsausschuß zu beschäftigen hatte. Dem Wesen der Supplikationen entsprechend wurden sie als letztes Mittel bittend an die höchste Instanz im Staate gerichtet. Diese Eigenschaft haben sie auch im 16. Jh. behalten. Dabei handelte es sich um Supplikationen an den Kaiser, die den ursprünglichen Bittcharakter sehr deutlich erkennen ließen, in denen sich der Supplikant auf kein Recht stützte oder berief, sondern in denen er auf eine Gunstbezeugung oder einen Gnadenerweis reflektierte. Von solchen Gnaden-Supplikationen sind jene Bitten und Beschwerden zu unterscheiden, die einen Rechtsstreit zum Gegenstand hatten. Mit diesen Justiz-Supplikationen verfolgten die Supplikanten das Ziel, zu ihrem Recht zu kommen. Supplikationen beider Gruppen, auch die Gnaden-Supplikationen, waren an verschiedene Empfänger gerichtet, nicht mehr nur an den Kaiser: die Supplikanten wandten sich auch an die als Reichstag versammelten Reichsstände oder an Kaiser und Reichsstände zugleich. So erbat ein Bürger namens Wolf Hornung vom Reichstag und von Erzherzog Ferdinand als Vertreter des Kaisers Hilfe gegen J oachim von Brandenburg, der seine Frau zur kurfürstlichen Geliebten gemacht hatte; außerdem verlangte er die Zahlung von Entschädigungen und die Herausgabe seiner Güter, von denen der Kurfürst ihn ohne Grund und Recht gewaltsam verstoßen hatte. über die Anzahl von Supplikationen, die auf einem Reichstag eingereicht und vom Supplikationsausschuß behandelt wurden, lassen sich 61 Zum Problem der Abgrenzung der Supplikation von der Appellation und der Vermischung beider kann die Heranziehung der zeitgenössischen Rechtsliteratur des 16. Jh.s weitere Erkenntnisse liefern, wie zuletzt Weitzel in seiner Dissertation (vgl. Anm. 34) gezeigt hat.
3.2. Supplikationen in der Neuzeit
99
nur sehr schwer Angaben machen, da nicht alle Bitten und Beschwer~ den und auch nicht alle Bedenken des Supplikationsausschusses oder andere Gutachten überliefert sind. Die Reichstagsakten beinhalten nur die Bittschriften in irgendeiner Form, die den Reichstag auch tatsächlich beschäftigt haben oder von denen er wenigstens offiziell Kenntnis erhalten hat. Eine quantitative Auswertung dieses Materials könnte also nur zu sehr ungenauen Ergebnissen führen. In den Quellen selbst finden sich kaum exakte Zahlenangaben. Lediglich Philipp v. Feilitzsch schrieb einmal am 26. 12. 1522 an Herzog Johann von Sachsen: "es seind bei den zwaiundfunfzig supplication von etzlichen fursten, bischofen, grafen und herrn in wenigen Tagen einkommen, die sich der angelegten hulf, auf nechstem reichstag zu Wormbs beschehen, etwas hoch beschwert finden"62. Diese Zahl bezog sich aber nur auf Supplikationen über die Anlage zur Türkenhilfe, nicht auf alle eingereichten Bitten und Beschwerden. In den Beilagen zur Proposition für diesen zweiten Nürnberger Reichstag von 1522/23 findet sich dann auch noch eine unter verschiedenen Gesichtspunkten zusammengestellte Aufzählung der sich ebenso beschwert fühlenden Stände63• Auch Förstemann gibt für den Augsburger Reichstag von 1530 eine solche nach den einzelnen Reichsständen unterscheidende Liste der Supplik anten, die "umb erledigung, ringerung unnd milterung der anschlege In ansehung Irer unvormuglickeit hochst angesucht und gebetten" haben und kommt auf die Zahl 30 64 • Ansonsten finden sich nur sehr ungenaue Mengenangaben. 1529 wurde der Supplikationsausschuß eingerichtet, da "ettlich suplicacion vorhanden"65, 1530 heißt es, daß "fill supplication, dorch de stende gefast, berathslageth"6G, und daß "viI Supplicanten gebetten"67, den fiskalischen Prozeß einzustellen. Im Abschied des Speyrer Reichstages von 1542 ist festgehalten, daß der "meiste Theil aller Ständen" sich über die ungleichen Reichsanschläge beschwert hat68 • Eine Vorstellung von der großen Zahl von ,Supplikationen, die während eines Reichstages beim Kaiser eingingen und beantwortet werden mußten, vermitteln uns Protokolle und Listen der Reichstage von 1541 und 1546. Die Listen vom Regensburger Reichstag von 1546 umfassen ungefähr 150 Bittschriften und machten ein alphabetisches Ordnungsschema notwendig69 • 62 63
64 65 66
87 88 69
7·
Planitz, Br. 127, S. 287 f. RTA jg. Rh. 3, Nr. 50, S. 268 ff. Förstemann, Bd. H, Nr. 160, S. 276 - 278. RTA jg. Rh. 7, 1, S. 637. Tetleben, Protokoll 1530, S. 197. Förstemann, Bd. H, Nr. 193, S. 435. RA H, 1542, § 49, S. 453. RK RTA 19, 111; 20, IV.
100
3. Supplikation - Herkunft und Begriff
Ein Protokoll des Regensburger Reichstages von 1541 verzeichnet sogar mehr als 550 Eintragungen von Bitten und Beschwerden70 . Dazu finden sich am Ende des Protokolls unter dem Datum des 1. August weitere Verzeichnisse, überschrieben "Lectu originales, dimissae Ratisponae p[rim]a Augusti 1541": "Supplicacion die unerledigt sein", "unerledigt supplicacion", "Ain pundtl Supplication so noch nit erledigt sein", "Ain pundtl darinn etliche unerledigten Suplication, darauf nichts zu ferttigen mit C verzaichennt". Genannt werden in diesen Verzeichnissen die einzelnen Supplik anten, die Gegenstände wie "Ain pundel Supplication die gläubiger belanngenn", "Alt Goßlarisch Handlung", "Ein Bundtl allerlay missiven so vor dem Reichstag einkhomen sein", "Braunschweigs Handlung", oder es wird die Herkunft der Supplikationen angegeben: spanische oder niederländische Handlungen. Wie das reichsstädtische Protokoll vom Augsburger Reichstag von 1555 deutlich macht, daß beinahe täglich eine Vielzahl von Eingaben zu bearbeiten war71 , so spiegelt die Begründung für die Einsetzung des Supplikationsausschusses auf dem Nürnberger Reichstag von 1524, da "noch viel supplication verhanden, auch teglichs uberantwort wurden und zukemen"72, die gesamte Entwicklung auf allen Reichstagen der Zeit Karls V. wider: immer mehr Supplikationen wurden eingereicht und ein immer größerer Arbeitsaufwand wurde erforderlich. Erstmals von diesem Reichstag können wir uns aufgrund einer größeren Anzahl überlieferter Schriftstücke in Supplikationsangelegenheiten, vor allem aber dank sechs mehr oder weniger umfassender protokollarischer Aufzeichnungen, ein genaueres und umfassendes Bild über den Umfang der Bittschriften und des gesamten Supplikationswesens machen. Die Protokolle73 von diesem Reichstag sind, wenn auch nicht offizielle, so doch von Mitgliedern angefertigte Aufzeichnungen aus allen drei Reichstagskollegien, die insgesamt seine ganze Tagungsdauer vom 14. 1. bis 20.4.1524 abdecken. Es handelt sich um folgende Schriftstücke: 1. Protokollarische Aufzeichnung des Mainzer Sekretärs Andreas Rukker über die Verhandlungen auf dem Reichstage in der Zeit vom 12. Januar bis 23. März 152474. 2. Protokollarische Aufzeichnungen eines pfälzer Sekretärs über Verhandlungen der pfälzer Hofräte und über Vorgänge auf dem Reichstage aus der Zeit vom 8. Januar bis zum 6. April 152475 • 70 RK RTA 7, VII. 71 Friedensburg, Protokoll 1555, S. 36 - 86, passim; ähnliches läßt sich für die Augsburger Reichstage von 1547/48 und 1550/51 zeigen. 72 RTA jg. Rh. 4, Nr. 25, S. 116. 73 Zur Bewertung von Reichstagsprotokollen und zum Protokollwesen auf den Reichstagen des 16. Jh. s hofft der Vf. an anderer Stelle Ausführungen machen zu können. 74 RTA jg. Rh. 4, Nr. 22, S. 53 - 87.
3.2. Supplikationen in der Neuzeit
101
3. Protokollarische Aufzeichnung des Wormser Domprobstes Simon Ribisen über die Vorgänge und Beratungen auf dem Reichstage, angefertigt für den Bischof von Straßburg über die Zeit vom 15. Februar bis 29. März, vom 3. April bis zum 8. und vom 15. bis 20. ApriF6. 4. Aufzeichnungen von Georg von Klingenbeck, Rat des Hochmeisters Albrecht von Preußen, über Verhandlungen auf dem Reichstage für zwölf kürzere Zeiträume77 • 5. Protokollarische Aufzeichnung des Hagenauer Stadtschreibers Johann Hug über die Verhandlungen auf dem Reichstage vom 20. Februar bis zum 20. April, namentlich soweit die Frei- und Reichsstädte daran beteiligt sind78 • 6. Aufzeichnung des Speyrer Stadtschreibers Dietrich Drawel über die
Verhandlungen auf dem Reichstage Januar - April 152479•
Mit Hilfe dieser Protokolle soll in der folgenden übersicht gezeigt werden, daß die Behandlung der vielen eingereichten Supplikationen auf dem Reichstag während seiner gesamten Tagungsdauer einen breiten Raum einnahm80 : 14.1.1524: Eröffnung des Reichstages und Verlesung der Proposition81 . (in den folgenden Wochen): Umfragestreit zwischen den Kurfürsten von Mainz und Sachsen8!. 28.1.1524: Supplikation des Kurfürsten von Mainz an alle Kurfürsten, Fürsten und Stände des Reiches, in der er sich gegen die Einführung von Neuerungen jeglicher Art wehrte 83. 1. 2. 1524: Supplikation von Pfalz, Trier und Hessen gegen Regiment vor Reichsständen 84. 2.2.1524: Supplikation der Herzöge von Bayern gegen RKG85. 3.2.1524: Umfragestreit zwischen Mainz und Sachsen wird von allen Reichsständen beraten, da Sachsen ein Verfahren nach dem Wormser Vergleich von 1521 abgelehnt hatte88. 75 RTA jg. Rh. 4, Nr. 23, S. 87 - 99. 76 RTA jg. Rh. 4, Nr. 25, S. 104 - 176. 77 RTA jg. Rh. 4, Nr. 26, S. 176 - 212. 78 RTA jg. Rh. 4, Nr. 28, S. 217 - 255. 79 RTA jg. Rh. 4, Nr. 31, S. 263 - 268. 80 Es sind noch weitere protokollarische Aufzeichnungen erhalten, die aber nur einen kurzen Zeitraum erfassen und für das Supplikationswesen unergiebig sind: RTA jg. Rh. 4, Nr. 24, 27, 29, 30. 81 RTA jg. Rh. 4, Nr. 22, S. 54, Nr. 23, S. 89, Nr. 26, S. 180, Nr. 32, S. 270287. 82 RTA jg. Rh. 4, Nr. 22, S. 54, Anm. 2, Nr. 23, S. 89, Nr. 26, S. 180. 83 RTA jg. Rh. 4, Nr. 22, S. 54, Anm. 2, S. 58. 84 RTA jg. Rh. 4, Nr. 181, S. 659, Nr. 182, S. 662. 85 RTA jg. Rh. 4, Nr. 26, S. 181, Nr. 126 A, S. 552 f. Nr. 181, S. 659, Nr. 182, S.663. 88 RTA jg. Rh. 4, Nr. 22, S. 54, Anm. 2.
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3. Supplikation - Herkunft und Begriff
5.2.1524: Supplikation Lübecks gegen König Christian von Dänemark an die Reichsstände87• Supplikation des Bischofs von Würzburg gegen das Reichsregiment88 • 6.2.1524: Den Reichsständen werden folgende Supplikationen verlesen 89 : Georg von Wertheim gegen das Regiment90 , Stadt Augsburg gegen das Regiment91 , Herzog Ulrich von Württemberg gegen den Schwäbischen Bund92, Stadt Lübeck, Bischof von Würzburg. 8.2.1524: 1. Supplikation der Reichsstädte93 • 11. 2. 1524: Protest Kurfürst Ludwigs von der Pfalz gegen Teilnahme des Regiments an den Reichstags-Verhandlungen94 • 13. 2. 1524: Antwort der Reichsstände auf die 1. Supplikation der Reichsstädte betr. ihrer Stimme und Session auf Reichstagen und Verhandlungen darüber96 • Die Reichsstände befaßten sich mit den Beschwerden gegen das Reichsregiment, die vom Bischof von Würzburg, der Stadt Augsburg, Georg von Wertheim und wohl gleichzeitig von den Kurfürsten von Trier und der Pfalz und dem Landgrafen von Hessen98 eingereicht worden waren. Sebastian von Rotenhan erinnert an die Würzburger Supplikation97 • 15.2.1524: 2. Supplikation der Reichsstädte betr. Sitz und Stimme98 • Supplikation des Georg Raminger gegen Würzburg99 • Sebastian Rotenhan verweist auf die eingereichte Würzburger Supplikation gegen das Regiment. 16. 2. 1524: Das Regiment beantwortet die Beschwerde der Kurfürsten von Trier und der Pfalz und des Landgrafen von Hessen und weist die Beschuldigungen zurück100• Beratungen und Verhandlungen über die Supplikation der Reichsstädte betr. Sitz und Stimme auf den Reichstagen101 • 81 RTA jg. Rh. 4, Nr. 23, S. 92, S. 62, Anm. 1, Nr. 133, S. 562 f., Nr. S.659. 88 RTA jg. Rh. 4, Nr. 122 A, S. 537 f. S. 62, Anm. 1, Nr. 181, S. 659, Nr. S.663. 89 RTA jg. Rh. 4, Nr. 22, S. 61 f. 90 RTA jg. Rh. 4, Nr. 22, S. 61, Nr. 123 A, S. 540 f., Nr. 181, S. 659, Nr. S.663. 91 RTA jg. Rh. 4, Nr. 22, S. 61, Nr. 124 A, S. 543 f., Nr. 181, S. 659, Nr. S.663. 92 RTA jg. Rh. 4, Nr. 22, S. 61, Nr. 129, S. 558 f. 93 RTA jg. Rh. 4, Nr. 22, S. 62 mit Anm. 2, Nr. 26, S. 183, Nr. 41, S. 310 94 RTA jg. Rh. 4, Nr. 38, S. 303 - 306. 95 RTA jg. Rh. 4, Nr. 22, S. 65 f., Nr. 26, S. 187 - 189. .. RTA jg. Rh. 4, Nr. 26, S. 187 f., Nr. 121 A, S. 526 - 529. 97 RTA jg. Rh. 4, Nr. 26, S. 187. 98 RTA jg. Rh. 4, Nr. 22, S. 66, Nr. 26, S. 189, Nr. 42, S. 317 - 322. 99 RTA jg. Rh. 4, Nr. 25, S. 106. 100 RTA jg. Rh. 4, Nr. 22, S. 67, Nr. 25, S. 106 f., Nr. 121 B, S. 529 - 532. 101 RTA jg. Rh. 4, Nr. 25, S. 107 f., Nr. 43, S. 322 - 324, Nr. 44, S. 324 f.
181, 182, 182, 182, 317.
3.2. Supplikationen in der Neuzeit
103
17.2.1524: Städte antworten Kurfürsten, Fürsten und Ständenl02 . 18.2.1524: Antwort der Kurfürsten von Trier und der Pfalz und des Landgrafen von Hessen auf die Zurückweisung ihrer Klage durch das Regiment l03. Supplikation der Stadt Augsburg dem Regiment übergeben l04. Frage von Stimme und Session der Reichsstädte l05. 19.2.1524: Schrift der Reichsstände betr. Stimme und Session auf ReichstagenlOB. 20.2.1524: Beginn der Beratung des 1. Punktes der kaiserlichen Proposition l 07 • 22.2.1524: Es wurden den Reichsständen etliche Supplikationen verlesen: Hartmann von Cronberg gegen die Kurfürsten von Trier und der Pfalz und den Landgrafen von Hessen l08, Hans Melchior von Rosenberg gegen den Schwäbischen BundlOo , von Sporneck gegen seinen Bruder Melchior, Domherr zu Regensburg110. Kurfürsten wollen einen Supplikationsausschuß einsetzen111 . 24.2.1524: Bildung des Supplikationsausschusses ohne Vertreter der Grafen, Prälaten und Reichsstädte U2• 29. 2. 1524: Reichsstädte beschweren sich, im Supplikationsausschuß nicht vertreten zu sein113. 1. 3. 1524: Antwort des RKG auf Supplikation der Herzöge v. Bayern114. 3.3.1524: Supplikationen verlesen worden: Herzog von Lothringen gegen den Fiskap15, König von Dänemark gegen seinen Vorgänger11B, Bischof von Würzburg gegen Georg Raminger117• Die Kurfürsten wollen die Angelegenheit des Königs von Dänemark einem Ausschuß ohne Beschlußkompetenz übertragen, der die Angelegenheit nach Beratung an die Stände zurückgeben soll; die Fürsten und Stände wollen die Sache bis zum nächsten Tag bedenken und sind
102 RTA jg. Rh. 4, Nr. 25, S. 108, Nr. 45, S. 325 - 327. 103 RTA jg. Rh. 4, Nr. 22, S. 69, Nr. 25, S. 112, Nr. 26, S. 191 f., Nr. 121 C, S. 532 - 534. 104 RTA jg. Rh. 4, S. 544, Anm. 1. 105 RTA jg. Rh. 4, Nr. 46, S. 327 - 329. lOB RTA jg. Rh. 4, Nr. 22, S. 69, Nr. 25, S. 114, Nr. 26, S. 193, Nr. 47, S. 329 332. 107 RTA jg. Rh. 4, S. 270,336,309. 108 RTA jg. Rh. 4, Nr. 25, S. 116, Nr. 26, S. 195, Nr. 130 A, S. 559. 100 RTA jg. Rh. 4, Nr. 25, S. 116, Nr. 26, S. 195, Nr. 131, S. 560 f. 110 RTA jg. Rh. 4, Nr. 25, S. 116, Nr. 26, S. 195. m RTA jg. Rh. 4, Nr. 25, S. 117, Nr. 26, S. 196. 112 RTA jg. Rh. 4, Nr. 25, S. 120. 113 RTA jg. Rh. 4, Nr. 25, S. 125. 114 RTA jg. Rh. 4, Nr. 25, S. 125, Nr. 126 B, S. 553 f. 115 RTA jg. Rh. 4, Nr. 22, S. 74, Nr. 23, S. 97, Nr. 25, S. 127 f., Nr. 28, S. 222, Nr. 127, S. 556 f. 118 RTA jg. Rh. 4, Nr. 23, S. 97, Nr. 25, S. 127, Nr. 28, S. 222, Nr. 132, S. 561 f. 117 RTA jg. Rh. 4, Nr. 23, S. 97, Nr. 25, S. 127, Nr. 28, S. 222, Nr. 122 B, S. 538 - 540.
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3. Supplikation - Herkunft und Begriff gegen einen Ausschuß118. Antwort des Regiments auf die Supplikationen Georgs von WertheimUD und der Stadt Augsburg l20.
4.3.1524: Erster schriftlicher Bericht des Supplikationsausschusses zu folgenden Bitten und Beschwerden: Melchior von Sporneck1!1, Bischof und Stadt Cambrap22, Hans Melchior von Rosenberg 123 , NiederWeseP24, Grafen von Nassau und Reichsstadt Wetzlar126, Herzog Ulrich von Württemberg128• Verlesen wurde eine Supplikation des Deutschmeisters1Z7, eines Dr. Storck128 und der Stadt Friedberg12O • Graf Bernhard von Solms beschwert sich namens der Reichsgrafen bei Kurfürsten, Fürsten und Ständen, daß sie im Supplikationsausschuß nicht vertreten sind, und bittet um Gleichbehandlung mit den Reichsstädten, was ihnen zugebilligt wird wie zuvor schon den Reichsstädten l30. Der Straßburger Gesandte Bernhard Wurmser bittet Kurfürsten, Fürsten und Stände um die Beantwortung der reichsstädtischen Beschwerde betr. Sitz und Stimme13l . Antwort des Bischofs von Würzburg auf Georg Ramingers Supplikation gegen ihnl32. 5.3.1524: Antworten des Regiments auf die Supplikationen Georgs von Wertheim l38 und der Stadt Augsburg134 vor den Reichsständen verlesen. 7.3.1524: Bedenken der Stände zur Supplikation des Bartholomäus Rem135. Antwort der Stände auf Supplikationen des Herzogs von Württemberg l36 und Rosenbergsl 87. Stände antworten Herzog von Württemberg betr. seiner Sache gegen den Schwäbischen Bundl38 . 118 RTA jg. Rh. 4, Nr. 25, S. 128. 119 RTA jg. Rh. 4, Nr. 22, S. 74, Nr. 123 B, S. 541 f., S. 541 mit Anm. 2. 120 RTA jg. Rh. 4, Nr. 22, S. 74, Nr. 124 B, S. 544 f. mit Anm. 1, S. 541, Anm.2. 121 RTA jg. Rh. 4, Nr. 23, S. 97, Nr. 25, S. 131, 134. 122 RTA jg. Rh. 4, Nr. 23, S. 97, Nr. 25, S. 131, 134. 123 RTA jg. Rh. 4, Nr. 23, S. 97, Nr. 25, S. 130, 134. 124 RTA jg. Rh. 4, Nr. 23, S. 97, Nr. 25, S. 130, 134 f. 125 RTA jg. Rh .. 4, Nr. 23, S. 97, Nr. 25, S. 130 f., 134. 128 RTA jg. Rh. 4, Nr. 23, S. 97, Nr. 25, S. 130, 133 f. 127 RTA jg. Rh. 4, Nr. 25, S. 130,134. 128 RTA jg. Rh. 4, Nr. 25, S. 131, 134. m RTA jg. Rh. 4, Nr. 25, S. 131, 134, Nr. 28, S. 221 f. 130 RTA jg. Rh. 4, Nr. 25, S. 132, Nr. 28, S. 223. 131 RTA jg. Rh. 4, Nr. 25, S. 132, Nr. 28, S. 223. 132 RTA jg. Rh. 4, Nr. 28, S. 222. 133 RTA jg. Rh. 4, Nr. 25, S. 133, Nr. 28, S. 224. 134 RTA jg. Rh. 4, Nr. 25, S. 133. 135 RTA jg. Rh. 4, Nr. 25, S. 135; RTA jg. Rh. 2, S. 842, 928, Anm. 2; RTA jg. Rh. 3, S. 575, Anm. 1. 136 RTA jg. Rh. 4, Nr. 25, S. 133 f. 137 RTA jg. Rh. 4, Nr. 25, S. 134. 138 RTA jg. Rh. 4. Nr. 129 B, S. 559.
3.2. Supplikationen in der Neuzeit
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10.3.1524: Schrift des Herzogs von Jülich betr. Supplikation Heinrich Krampfes betr. Niederwese11 39 . Sondersitzung der Reichsstände betr. Supplikationenuo . 11.3.1524: Schriftstücke betr. Herzog von Württemberg und Dr. Storckl4l • Dr. Eck trägt Antwort der Herzöge von Bayern gegen das RKG vor 142• Antwort des RKG auf eine Supplikation des Herolds Kaspar Sturm aus Mainz, die vorher dem Supplikationsausschuß übergeben worden war143 • Entgegnung Georgs von Wertheim auf die Antwort des Regiments vom 5. 3. betr. seiner Supplikation144 . 14.3.1524: Dr. Rehlinger verliest Schrift gegen Antwort des Regiments auf Supplikation der Stadt Augsburg145. Dr. Hieronymus Einkurn verliest Relation des Supplikationsausschusses zu einigen Supplikationen: Kammerrichter wegen Besoldungserhöhungl46 , NiederweseP47, Cambrai148, Deutschmeister149, Bartholomäus Rem von Augsburg150• 16.3.1524: Supplikation der Geistlichkeit der Salzburger Provinz an die Stände durch Nikolaus Ribisen betr. Abgabe des dritten Teils ihrer Einkünftel51 . Bischof von Gurk begehrt Sitz und Stimme auf dem Reichstag l52. 17.3.1524: Stände diskutieren Gurks Bittel53. Antworten des Regiments auf die gegen es gerichteten Supplikationeni54. Städte-Supplikation von Ständen diskutiert 155• 18.3.1524: Beratungen der Reichsstände über Sitz und Stimme der Reichsstädte auf dem Reichstag156. 19.3.1524: Beratungen über Supplikationen Cambrais und Gurks 157 • Gesandter Lübecks erinnert an seine Supplikationi58. Beschluß der Stände über Reichsstädte-Supplikation 159.
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139 RTA jg. Rh. 4, Nr. 25, S. 136. 140 RTA jg. Rh. 4, Nr. 25, S. 136, Nr. 28, S. 225. 141 RTA jg. Rh. 4, Nr. 25, S. 136 f. 142 RTA jg. Rh. 4, Nr. 25, S. 138, Nr. 28, S. 225, Nr. 126 C, S. 554 f. 143 RTA jg. Rh. 4, Nr. 25, S. 138, Nr. 28, S. 226. lU RTA jg. Rh. 4, Nr. 28, S. 225 f., Nr. 123 C, S. 542 f. 145 RTA jg. Rh. 4, Nr. 25, S. 140, Nr. 28, S. 226. 146 RTA jg. Rh. 4, Nr. 25, S. 141. 147 RTA jg. Rh. 4, Nr. 25, S. 141. 148 RTA jg. Rh. 4, Nr. 25, S. 141. 149 RTA jg. Rh. 4, Nr. 25, S. 141. 150 RTA jg. Rh. 4, Nr. 25, S. 141. 151 RTA jg. Rh. 4, Nr. 25, S. 145, Nr. 134, S. 563 -565. 152 RTA jg. Rh. 4, Nr. 25, S. 146. 153 RTA jg. Rh. 4, Nr. 25, S. 147. 154 RTA jg. Rh. 4, Nr. 25, S. 147, Nr. 121 D, S.534 - 537, Nr. 125, S. 548 - 551. 155 RTA jg. Rh. 4, Nr. III, S. 309. 158 RTA jg. Rh. 4, Nr. 25, S. 149, Nr. 26, S. 197. 157 RTA jg. Rh. 4, Nr. 25, S. 150 f. 158 RTA jg. Rh. 4, Nr. 25, S. 150. m RTA jg. Rh. 4, Nr. 22, S. 85 f., Nr. 48, S. 333 f., S. 333, Anm. 1.
106
3. Supplikation - Herkunft und Begriff
20.3.1524: Antwort des Regiments auf die Supplikation der Kurfürsten von Trier und Pfalz und des Landgrafen von Hessen verlesen180. Relation des Mainzer Kanzlers betr. Cambrai und GurklU . 21. 3. 1524: Antwort des Regiments auf Supplikation des Bischofs von Würzburg verlesen182. Bitte der ungarischen Gesandten um Hilfe gegen die Türken163. 22.3.1524: Hans Bock von Straßburg übergibt Schrift der Reichsstädte164. Antwort des Regiments auf Supplikation der Reichsstädte vor Ständen verlesen l85 • Antwort des Fiskals und Dr. Dominicus Dettmann Frieß, eines Beisitzers am RKG, auf die Supplikation des Herzogs von Lothringen vor den Ständen verlesen166. Dr. Lump verliest Relation des Supplikationsausschusses zu einigen Supplikationen: Hans Thomas von Absberg gegen Schwäbischen Bund167, Heinrich Krampfen gegen Herzog von Jülich168, Wolf Gotzmann wegen einer Geldschuld des Landgrafen von Hessen169, RKG-Bote Rosenhofer wegen seiner Besoldung170, Leonhard Müller gegen Kurfürst Ludwig von der Pfalz171 , Meister des Johanniterordens172 . 23.3.1524: Georg von Wertheim erinnert an seine Supplikation173, Supplikation des Bischofs von Cambrai174• 29.3.1524: Supplikation eines Unbekannten gegen RKG175. Supplikation des Bischofs von Gurk erneut beraten176 • 30.3.1524: Bitte der Ungarn um Hilfe gegen die Türken177. Pommern bittet um Reichsstandschaft178. 31. 3.1524: Kurfürsten beraten Supplikation Dr. Konrad Schwabachs, Prokurator am RKG179, Würzburger und Eichstätter Supplikation gegen das Regiment betr. Geleit1 80. Beratungen betr. ,,3. Pfennig"181.
180 181 162 163 164 185 168 187 188 189 170 171 172 173 174 176 178 177
178 179 180 181
RTA jg. Rh. 4, Nr. 25, S. 151, Nr. 28, S. 229, Nr. 121 D, S. 534 - 537. RTA jg. Rh. 4, Nr. 25, S. 151, Nr. 28, S. 229. RTA jg. Rh. 4, Nr. 25, S. 152, Nr. 28, S. 230. RTA jg. Rh. 4, Nr. 25, S. 152, Nr. 88, S. 437 f. RTA jg. Rh. 4, Nr. 25, S. 153, Nr. 28, S. 231. RTA jg. Rh. 4, Nr. 25, S. 153, Nr. 28, S. 231. RTA jg. Rh. 4, Nr. 25, S. 153. RTA jg. Rh. 4, Nr. 25, S. 154, S. 558, Anm. 2, Planitz, S. 495 f. RTA jg. Rh. 4, Nr. 25, S. 154, S. 558, Anm. 2. RTA jg. Rh. 4, Nr. 25, S. 154, S. 558, Anm. 2. RTA jg. Rh. 4, Nr. 25, S. 154, S. 558, Anm. 2. RTA jg. Rh. 4, Nr. 25, S. 154, S. 558, Anm. 2. RTA jg. Rh. 4, S. 558, Anm. 2. RTA jg. Rh. 4, Nr. 25, S. 155 f. RTA jg. Rh. 4, Nr. 25, S. 155. RTA jg. Rh. 4, Nr. 28, S. 234. RTA jg. Rh. 4, Nr. 28, S. 234. RTA jg. Rh. 4, Nr. 28, S. 235. RTA jg. Rh. 4, Nr. 28, S. 235. RTA jg. Rh. 4, Nr. 26, S. 207, S. 555, Anm. 3. RTA jg. Rh. 4, Nr. 26, S. 207. RTA jg. Rh. 4, Nr. 26, S. 207.
3.2. Supplikationen in der Neuzeit
107
2.4.1524: Supplikationen der Bischöfe von Speyer und Konstanz betr. "Terz"18Z, Beratungen über Sitz und Stimme der Städte183 . 3.4.1524: Stände wollen Würzburger und Eichstätter Supplikation gegen das Regiment wegen Geleiterteilung stattgeben184. Stände setzen Ausschuß ein, der sich mit den Beschwerden der Fürsten und Stände gegen das Reichsregiment ("für die klagenden Parteien") beschäftigen soll; ihm gehören Dr. Einkurn, der Bischof von Worms und Dr. Tockan für den Herzog von Jülich an185. 4.4.1524: Supplikation des Reutlinger Städteboten an Erzherzog Ferdinand betr. eines Pfarrers l88 , Georg von Wertheims Supplikation gegen Regiment1 87, Klage Graf Georgs von Württemberg gegen Erzherzog Ferdinand um die Hälfte seiner Landschaft188. 5.4.1524: 2. Supplikation der Geistlichen der Provinz Salzburg; ein Ausschuß bestehend aus Köln, Worms, Speyer, Baden, Hessen, soll sich damit befassen189. Statthalter und kaiserlicher Orator benennen 4 Vertreter für Ausschuß "klagende Parteien": Georg Truchseß von Waldburg, Ulrich von Schellenberg, Dr. Johann Vogt, Dr. Christoph Scheuer1190. 6.4.1524: Supplikation Graf Georgs von Wertheim für die Schwäbischen Grafen l9l , Stände verhandeln und beraten betr. "Terz"192. Supplikation Kaspar Sturms wegen seiner Besoldung verlesen und beraten lBS , Dr. Lump verliest Relation des Supplikationsausschusses zu etlichen Supplikationen: Peter Grebener gegen Erzbischof von Salzburg194 , Graf Bernhard von Solms195, Heinrich Krampfen 198, Dorothea von Clingenberg197, Albrecht von Clingenberg198, Anselm von Sensheim199, Wolf Gotzmann200, RKG-Bote Rosenhofer201 , Herr Wolfgang gegen Bischof von Freising und Kapitel
182 RTA jg. Rh. 4, Nr. 26, S. 207, S. 564, Anm. 1. 183 RTA jg. Rh. 4, Nr. 28, S. 237 f., Nr. 48, S. 333 f., Nr. 49, S. 334 f. 184 RTA jg. Rh. 4, Nr. 25, S. 157, Nr. 122 A, S. 538. 185 RTA jg. Rh. 4, Nr. 25, S. 157, Nr. 26, S. 207 (zum 2.4.1524), Nr. 137, S. 572 f., 572, Anm. 4. 186 RTA jg. Rh. 4, Nr. 28, S. 239. 187 RTA jg. Rh. 4, Nr. 25, S. 159. 188 RTA jg. Rh. 4, Nr. 25, S. 159. 189 RTA jg. Rh. 4, Nr. 25, S. 159 f. 190 RTA jg. Rh. 4, Nr. 138, S. 575. 191 RTA jg. Rh. 4, Nr. 23, S. 99, Nr. 25, S. 162. 192 RTA jg. Rh. 4, Nr. 25, S. 163 f. m RTA jg. Rh. 4, Nr. 25, S. 162. 194 RTA jg. Rh. 4, Nr. 25, S. 163, Nr. 128, S. 557. 195 RTA jg. Rh. 4, Nr. 25, S. 163. 198 RTA jg. Rh. 4, Nr. 128, S. 557. U7 RTA jg. Rh. 4, Nr. 128, S. 557. 198 RTA jg. Rh. 4, Nr. 128, S. 557. 199 RTA jg. Rh. 4, Nr. 128, S. 558. 200 RTA jg. Rh. 4, Nr. 128, S. 558. 201 RTA jg. Rh. 4, Nr. 128, S. 558.
108
3. Supplikation - Herkunft und Begriff
zu Isni 202 , Augsburgs Supplikation gegen das Regiment, von Rehlinger vorgebracht208 , Gravaminazo,. 7.4.1524: lange Schrift von Pfalz, Trier und Hessen gegen das Regiment verlesen205, Supplikation der Städte208. 11. 4.1524: Feilitzsch protestiert gegen Reichsabschied201. 14.4.1524: Supplikation Regensburgs gegen Türkenanschlag208. Regiment beantwortet Supplikation Georgs von Wertheim, betr. ,,3. Pfennig" der Geistlichkeit, des Kammerrichters wegen seiner Besoldung, Herzogs Georg von Württemberg, Dorotheas und Albrechts von Clingenberg209. 15.4.1524: Hochmeister protestiert gegen Pommern!10 und will dem Abschied nicht zustimmen. Supplikationen des Dompropstes von Köln, des Grafen Hermann von Neuenahr und des Bischofs Paul von Chur verlesen 211 . Beschluß der Stände betr. Supplikation Georgs von Wertheim, des Kammerrichters wegen seiner Besoldung, des ,,3. Pfennigs" der Geistlichkeit, des RKG-Boten Rosenhofer, Anse1ms von Sensheim212. 16.4.1524: Antwort von Statthalter und Orator auf Beschlüsse der Stände betr. Supplikationen Georgs von Wertheim, Rosenhofers, "Terz" (,,3. Pfennigs"), Sensheims 213. 17.4.1524: Pfalz, Trier und Hessen legen lange Schrift zu den Akten!U, Abschied verlesen215, Proteste gegen Abschied von Grafen von Solms und Wertheim für Grafen und Herren2IG , Herzog von Jülich wegen zu hoher Veranlagung2l1 , Kurfürst von Köln wegen der Türkenhilfe218, Stände des Schwäbischen Bundes2l9, Protest der Gesandten der Bischöfe der Salzburger Provinz wegen "Terz"Z20,
202 RTA 203 RTA 204 RTA 206 RTA 208 RTA 201 RTA 208 RTA 209 RTA Nr. 141, S. 210 RTA Nr. 143, S. 211 RTA ZI! RTA 213 RTA 214 RTA 215 RTA 218 RTA 211 RTA 218 RTA !IV RTA 220 RTA
jg. Rh. 4, Nr. 128, S. 558. jg. Rh. 4, Nr. 25, S. 162. jg. Rh. 4, Nr. 25, S. 165 f. jg. Rh. 4, Nr. 25, S. 167, Nr. 28, S. 241. jg. Rh. 4, Nr. 28, S. 241 f. jg. Rh. 4, Nr. 140, S. 577 f. jg. Rh. 4, Nr. 135, S. 565 f. jg. Rh. 4, Nr. 25, S. 171 (fälschlich zum 15.4. 1524!), Nr. 28, S. 248, 578 - 580. jg. Rh. 4, Nr. 25, S. 171 (fälschlich zum 15.4. 1524!), Nr. 28, S. 248 f., 582 f. jg. Rh. 4, Nr. 25, S. 172 mit Anm. 1. jg. Rh. 4, Nr. 142, S. 581. jg. Rh. 4, Nr. 144, S. 585 f. jg. Rh. 4, Nr. 25, S. 173. jg. Rh. 4, Nr. 25, S. 173. jg. Rh. 4, Nr. 28, S. 252, Nr. 145, S. 587 f. jg. Rh. 4, Nr. 146, S. 588 f. jg. Rh. 4, Nr. 147, S. 589. jg. Rh. 4, Nr. 148, S. 589 f. jg. Rh. 4, Nr. 28, S. 252, S. 570.
3.2. Supplikationen in der Neuzeit
109
Hans Bock betr. städtischer Beschwerden221 , Protest Feilitzsch gegen Abschied2!!. 18.4.1524: Verhandlungen betr. Salzburger Proteste223 , Feilitzsch, Grafen und Städte wiederholen Proteste2 24 • 19.4.1524: Supplikation des Hochmeisters gegen Polen verlesen225 , Supplikation Pommerns wegen Reichsstandschaft228, Abschied gesiegelt ohne Prälaten, Grafen, Städte227 • Eine solche Zeittafel erlaubt den Schluß, daß der Nürnberger Reichstag von 1524 fast täglich mit Supplikationen beschäftigt war, denn neben den uns bekannten Beratungen über Bitten und Beschwerden sind mit Sicherheit noch weitere in den einzelnen Reichstagsgremien anzunehmen228 ; dies um so mehr, da wir wissen, daß wegen der großen Anzahl von Supplikationen am 10.3.1524 von Kurfürsten und Fürsten für den Nachmittag eine Sondersitzung zu ihrer Erledigung angesetzt wurde: "Nochdem aber die lang und sunst vil supplicationes verhanden gewesen, auch vil nochlaufens umb bescheid und antwurt deren, so verlengest ubergeben, haben chff. und ff. [= Kurfürsten und Fürsten] lossen sagen, sie wollen noch essens ir rete uf das haus schicken, dessgleichen sollen der fursten bottschaft und andere stende auch erschinen, die helfen horen und berattschlagen und morgens relaz thun lossen229." Bei einer Betrachtung der Beratungsfrequenz in Supplikationsangelegenheiten ist zudem die Arbeit des Supplikationsausschusses zu berücksichtigen, des eigentlich dafür zuständigen Gremiums. Leider wissen wir nicht, wann und wie oft dieses Gremium zusammengetreten ist, aber seine Arbeitsleistung war sicherlich bedeutsam, wenn wir bedenken, daß er an vier Tagen (4., 14.,22.3. und 6.4.1524) den Reichsständen seine umfangreichen Beratungsergebnisse vorlegte. Schließlich deutet die Tatsache, daß Anfang April 1524 für die Erledigung der Beschwerden gegen das Reichsregiment ein Ausschuß für die "clagenden partheien"230 und ein weiterer Ausschuß für die SuppliRTA jg. Rh. 4, Nr. 28, S. 252. RTA jg. Rh. 4, Nr. 28, S. 252. 223 RTA jg. Rh. 4, Nr. 25, S. 174. 224 RTA jg. Rh. 4, Nr. 25, S. 175. 225 RTA jg. Rh. 4, Nr. 25, S. 175 mit Anm. 1. 228 RTA jg. Rh. 4, Nr. 25, S. 175. 227 RTA jg. Rh. 4, Nr. 25, S. 175, Nr. 28, S. 253 f., Nr. 149, S. 590 - 613, S. 571 mit Anm. 1. 228 Die Korrespondenzen vom Reichstag 1524 (RTA jg. Rh. 4, S. 621 ff.) bestätigen nicht nur unsere anderen Quellen, sondern ergänzen sie noch mit weiteren Einzelheiten. 22g RTA jg. Rh. 4, Nr. 25, S. 136; vgl. auch Nr. 28, S. 225, wo die Reichsstädte speziell aufgefordert werden. 230 RTA jg. Rh. 4, Nr. 26, S. 207. 221 222
3. Supplikation - Herkunft und Begriff
110
kationen hinsichtlich des "dritten Pfennigs"231 eingesetzt wurden, nicht nur auf die Schwierigkeiten der Probleme, sondern auch auf eine starke Arbeitsbelastung der übrigen Reichstagsgremien, die mit Supplikationen befaßt waren. Die insgesamt 61 vorgebrachten Supplikationen machten also schon einen erheblichen Arbeitsaufwand notwendig; ihre z. T. große Bedeutung auf diesem Reichstag ließ es zudem gar nicht zu, sie nur nebenbei abzuhandeln. Genau das aber wollten der kaiserliche Kommissar, Erzherzog Ferdinand und das Regiment. Auf die Wiederholung ihrer großen Supplikation wurde den Reichsstädten am 15. 2. 1524 von Kurfürsten, Fürsten und Ständen auf Bitten des Statthalters und kaiserlichen Kommissars geantwortet, sie sollten "vor allen andern sachen die heuptartikel diss ausgeschrieben reichstags fur sich [...] nemen und zum furderlichsten darin [...] handeln und [...] schliessen" und "ir sach diss artikel dieser zit ruhen lassen, wie dan andere churfursten, fursten, die dergleichen geclagt, auch gethan, und in der heuptsachen handeln und schliessen lassen", dann aber "neben demselben nit allein ir beschwerung, sonder auch aller churfursten und fursten ubergeben supplication fur handen nemen, darin handeln und gepurlich insehens thun"232. Die Nebensachen, als welche Supplikationen galten, sollten also den Hauptsachen nachgeordnet werden, was bedeuten konnte, daß sie aus Zeitnot nicht mehr behandelt wurden. Wohl in Kenntnis der Reichstagsgewohnheiten hat Georg von Klingenbeck dann auch formuliert, die Reichsstände sollten "nochmallen di particulararticul vallen oder in rue ansten [...] lassen etc., damit des reichs obligen dest eer und statlicher abgeholfen etc. "233. Daran war vermutlich vor allem das Regiment interessiert, gegen das ja eine Reihe von Beschwerden vorlag. Im Hinblick auf die Reichsstädte war es ein geschäftsordnungsmäßiger "Trick", mit dem sich die Kurfürsten, Fürsten und Stände um eine Entscheidung über die Frage von Stimme und Session der Städte auf dem Reichstag herumzudrücken suchten und auf den Städte hereinfielen234 . Hätten sie nicht nachgegeben, "würden churfürsten, fürsten und andere ir beschwerung auch zuforderst zu erledigen für pillich achten und darumb anhalten "235. Die Mitte Februar 1524 getroffene Regelung war gewiß im Sinne einer ökonomischen Arbeitsweise des Gesamtreichstages getroffen worden. Folgt man einer Memminger Aufzeichnung zum 4. 3. 1524, wurde 231 RTA jg. Rh. 4, Nr. 25, S. 159 f. 232 233 234 235
RTA RTA RTA RTA
jg. Rh. 4, Nr. 22, S. 66 f., s. a. Nr. 25, S. 105, Nr. 44, S. 324 f. jg. Rh. 4, Nr. 26, S. 187. jg. Rh. 4, Nr. 47, S. 329 ff. jg. Rh. 4, Nr. 44, S. 324.
3.2. Supplikationen in der Neuzeit
111
die Regelung dann auch unter den Supplikationen angewandt: "Und ob sach wer, ob imand der anlegung beschwerd het, sicht die stend fur gut an, das solchs zu diser zeit stilgestanden werd, bis das man sehe, ob es zum anschlagen komen wurd, so mug dan, welcher beschwert vermaint zu sein, solchs seiner notturft nach weiter handeln und supliciren; dan der suplicazionen seind jetzo so vil, das von noten sein werd, dieselben vor zu erortern236 ." Im Augenblick unwichtige, weil noch nicht entscheidungsreife Supplikationen in Fragen der Reichsanschläge sollten also zurückgestellt werden, damit andere zuvor erledigt werden konnten, d. h. damit schon ein Teil der zu leistenden Arbeit bewältigt wurde. Welcher Masse von Supplikationen sich während eines Reichstages auch die kaiserliche Seite gegenübersah, beweist neben den schon angeführten Quellen zu den Reichstagen von 1541 und 1546 ein uns vom Augsburger Reichstag von 1550/51 erhaltener Band "Designatio distributarum Supplicationum"237. Der erste Teil dieses Bandes besteht aus einem "Catalogus sive Registrum Omnium supplicationum"; er enthält für den Zeitraum vom 18. 8. 1550 bis einschließlich 18. 2. 1551 alle Supplikationen, die "in Consilio Imperiali" behandelt worden sind 238 . Die Supplikationen sind in einem Index alphabetisch geordnet, allerdings nicht innerhalb der einzelnen Buchstaben-Gruppen. In diesen Listen sind die "Domini referentes" und die "folia referentum" verzeichnet, die auf den zweiten Teil des Bandes verweisen, in dem die Supplikationen den "Domini referentes" zugeordnet und in der Reihenfolge ihres Eingangs aufgezeichnet sind; diesem zweiten Teil ist zu entnehmen, welche Supplikation an welchem Tage eingegangen und welcher Referent für sie zuständig war2 39 . Insgesamt werden fünf "Domini referentes" genannt: der kaiserliche Hofrat Heinrich Hase240 (Hasig, Hass, Hasius), der Reichsvizekanzler und kaiserliche Hofrat Dr. Georg Sigismund Seld241 (Seldius), der kaiserliche Rat Dr. Balthasar Stumpf242 (Stumpfig), ein Clericus Burgundiacus (Clericy) und Charles de Tisnacq (Carolus Tisnack)243. Zitiert nach RTA jg. Rh. 4, S. 223, Anm. 1. MEA RTA 20. 238 MEA RTA 20, fol. Ir - 39v. 238 MEA RTA 20, fol. 40 r - 156 r. 240 Auch Heinrich Haß! Zu seiner Person vgl. Str. Korr. IV, S. 1411 (Register), Str. Korr. V, S. 675 (Register). 241 Zu seiner Person vgl. ADB, Bd. 33, Berlin 1891 (NDr. 1971), S. 673 - 679. 2'2 Zu seiner Person kurz Zedler, Bd. 40, Leipzig, Halle 1747 (NDr. Graz 1962), Sp. 1353. 2'3 Charles de Tisnacq, gestorben 1573 in Brüssel, war 1553 kaiserlicher Kommissar beim Tag zu Eger, später Schatzmeister des Ordens vom Golde238
237
112
3. Supplikation - Herkunft und Begriff
In dem zweiten Teil dieses Bandes sind zuerst die Supplikationen verzeichnet, die Heinrich Hase vom 18. 8. 1550 bis 18. 2. 1551 bearbeitet hat: "Distributio facta Domino Henrico Hasio referente"244. Es folgen dann: "Distributio facta Domino Georgio Sigismundo Seltio referente"245, "Distributio facta Domino Balthasaro Stumpfio referente"246, "Distributio facta Domino Clerico Burgundiaco referente"247 und "Distributio facta Domino Carolo Tisnackh referente"248. Im Unterschied zu dem Index, der 904 Supplikationen verzeichnet, sind unter diesen Titeln ca. 1700 Vorgänge festgehalten. Der quantitative Unterschied erklärt sich daraus, daß im 2. Teil neben den Supplikationen auch zu anderen Zeiten eingegangene und erst dann notierte ergänzende Schriftstücke vermerkt sind; aus ihm wird zugleich deutlich, daß in der Zeit vom 18. 8. 1550 bis 18. 2. 1551 - der Reichstag war am 26. 7. 1550 eröffnet und am 14.2.1551 beendet worden - fast täglich Bitten und Beschwerden und sie betreffende Schriftstücke eingegangen waren. Vergleicht man die Zahl der in den Index aufgenommenen Supplikationen, die den einzelnen "Domini referentes" zugeordnet sind, so ergibt sich, daß Hase für 442, SeId für 239, Stumpf für 190, der Clericus für 20 und Tisnacq für 13 Bitten und Beschwerden zuständig waren. Dieser Sachverhalt läßt die Frage nach den Kriterien für eine Zuordnung der Supplikationen zu bestimmten "referentes" aufkommen. Von vornherein scheidet eine Zuständigkeits aufteilung nach alphabetischer Reihenfolge der Supplikanten ebenso aus wie die täglich zwischen den fünf "referentes" wechselnde Verantwortung für die einkommenden Bitten und Beschwerden. Gegen die erste Möglichkeit spricht, daß Hase, SeId und Stumpf als die am meisten beanspruchten "referentes" für alle Anfangsbuchstaben der Namen der Supplikanten zuständig und daß auch der Clericus und Tisnacq nicht auf bestimmte Buchstaben festgelegt waren. Gegen die zweite Möglichkeit sprechen Randbemernen Vlies, Staatsrat und Präsident des Geheimen Rates in den Niederlanden und bis 1565 Staatssekretär und Siegelbewahrer Philipps Ir. Er wird erwähnt im Gesamtinventar des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs, hg. v. Ludwig Bittner, Bd. 5, Wien 1940, S. 260 (Register), bei Gustav Turba [Bearb.J, Venetianische Depeschen vom Kaiserhofe, Bd. 2, Wien 1892, S. 616, Anm. 2, sowie bei M. van Durme, Antoon Perrenot. Bisschop van Atrecht, Kardinaal van Granvelle, Minister van Karel V en van Filips II (1517 - 1586), Brüssel 1953 (= Verhandelingen van de Koninklijke Vlaamse Academie voor Wetenschappen, Letteren en Schone Kunsten van Belgie, Klasse der Letteren, Jg. 15, Nr. 18), S. 142, Anm. 10, S. 154, S. 235. - Der Clericus Burgundiacus konnte leider nicht näher identifiziert werden. - Herrn Dr. Leopold Auer, Wien, danke ich für freundliche Hinweise. 144 MEA RTA 20, fol. 40 r - 85v • 245 MEA RTA 20, fol. 87 r - 120v . 248 MEA RTA 20, fol. 123r - 148r . 147 MEA RTA 20, fol. 150r - 153r • 248 MEA RTA 20, fol. 155 r -156 r .
3.2. Supplikationen in der Neuzeit
113
kungen unter den Namen der Supplikanten im 2. Teil des Bandes "Designatio distributarum Supplicationum", die Regelungen bei Abwesenheit eines Referenten enthalten. Es finden sich z. B. folgende Notizen: "Retulit d. stumpfius propter absentia hasii Cui in posteru[m] debetur"249, "hoc negotiu[m] ascripta d. seldio sed propter absentia eius retulit d. Hasius"260, "propter absentia d. seldii ascripta est d. stumpfio"251, "in absentia d. seldii relata est per d. stumpfiu[m]"262, "retulit d. hasius propter absentia d. seldii"253. Bieten sich also für beide formalen Ordnungskriterien keine Anhaltspunkte, so stellt sich die Frage, inwieweit die Supplikationsgegenstände Zuständigkeitsbereiche der "referentes" bildeten, auf die die überschriften "Distributio facta Domino [Name] referente" hinweisen254 . Damit stellt sich zugleich die umfassendere Frage nach der Ordnung des Geschäftsbereiches "Supplikationen" in der kaiserlichen Kanzlei und im Hofrat des Kaisers, die allerdings hier nicht beantwortet werden kann 255 • Eine eingehende Behandlung dieses Problemkreises hat zu berücksichtigen, daß an den Kaiser des 16. Jh.s ebenso wie an die Landesfürsten als oberste Instanzen in den Territorien auch dann Supplikationen gerichtet werden konnten, wenn kein Reichstag stattfand, daß die Gewohnheit des Mittelalters also beibehalten wurde. Ob diese Supplikationen dann sofort von den kaiserlichen Räten allein und selbständig bearbeitet wurden oder ob eine Entscheidung auf einen Reichstag verschoben oder z. B. bei Gelegenheit einer anderen Zusammenkunft des Kaisers mit Reichsständen gefällt wurde, muß offen bleiben. Aufgrund der Quellenlage des Augsburger Reichstages von 1555 wird deutlich, daß die kaiserliche Seite während eines Reichstages die an den MEA RTA 20, fol. 55 r , zum 22. 9.1550. MEA RTA 20, fol. 56r , zum 26. 9. 1550. 251 MEA RTA 20, fol. 89 V , zum 20.8.1550. 252 MEA RTA 20, fol. 91 v , zum 29.8.1550. 263 MEA RTA 20, fol. 96 r , zum 23. 9. 1550. 254 s. o. Kap. 3.2.2. 265 Zum Geschäftsgang der Supplikationen auf kaiserlicher Seite s. a. Kap. 4.1.3.2. - Ansatzpunkte zur Lösung dieser Frage bieten die schon erwähnten Randbemerkungen im 2. Teil des Bandes "Designatio distributarum Supplicationum", die nicht nur Regelungen bei Abwesenheit eines Referenten enthalten. Solche Notizen finden sich MEA RTA 20, fol. 49 v - 156r passim; sie sind freilich nur im Zusammenhang mit den Supplikationen und ihren Gegenständen zu verstehen, auf die sie sich beziehen. - Zum Hofrat vor Einrichtung des RHR von 1559 vgl. OswaZd v. GschZießer, Der Reichshofrat Bedeutung und Verfassung, Schicksal und Besetzung einer obersten Reichsbehörde von 1559 bis 1806, Wien 1942, insbes. S. 1 ff.; ferner Hartung, Verfassungsgeschichte, S. 39 - 41, Conrad, Rechtsgeschichte, Bd. 11, S. 82, WoZfgang SeHert, über die Zuständigkeitsabgrenzung von Reichshofrat und Reichskammergericht insbesondere in Strafsachen und Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, Aalen 1965, S. 8 - 11. UD
250
8 Neuhaus
114
3. Supplikation -
Herkunft und Begriff
Kaiser gerichteten Supplikationen zur Bearbeitung an die Reichsstände weitergab und somit auf eine eigene Entscheidung verzichtete. 3.2.2.1. Gnaden-Supplikationen
"Gnaden-Suppliken" hat man als "rechtshistorisch unergiebig" bezeichnet, weil sie "sachlogisch spezifisch juridischer Voraussetzungen und Formen ermangeln"256. Einen sehr guten Einblick in ihre Inhalte verschaffen das wohl im Hofrat257 geführte "Protocollum dietae Ratisponensis anno 1541 a menso Martio usque ad Augustum. Desideratur mensis Julius " , ferner ein "Petiae protocolli de anno 1545 Wormatiae conscriptae" für den Zeitraum vom 7.1. bis 31. 7. 1545 258 und eine Liste von Supplikationen und Supplikanten vom Regensburger Reichstag von 1546 259 . Bei diesen zur Entscheidung anstehenden Supplikationen handelte es sich um Gegenstände, die reine Privatangelegenheiten waren. Da bat z. B. der Hauptmann Hans Schnabel "in ansehung seiner vilfaltigen dienst" für den Kaiser "umb Legitimation für seine zwei kind nemlich Christoffen und Barbara so er ausserhalb der ehe by zweien ledigen frauen [...] erzeugt" hat260 , oder ein Hans Adler "in ansehens seiner viljährigen getreuen Dienst" um "pesserung seines Wappens mit einem Turnierhelm und Cronen"261; da bat der Schreiber Hans Beheim aus Breslau den Kaiser um Hilfe, weil er in der Fremde arm geworden war262, oder nahm ein Ludwig Pernhart Krankheit und Armut zum Anlaß, sich für seine Familie bittend an den Kaiser zu wenden263 ; der Barbier und Wundarzt Wenzeslaus Biber ersuchte den Kaiser, er möchte sich für ihn um eine Beschäftigung in einer Stadt verwenden, nachdem er mit seiner Familie in die Fremde gekommen war264 ; eine Barbara Greymer bat den Kaiser, er möge sich für die Entlassung eines alten Pfarrers aus dem Gefängnis einsetzen, dem sie gerne den Haushalt führen wollte265 , und eine Susanne Häberlein, die wegen Diebstahls 256
Hülle, Supplikenwesen in Rechtssachen, S. 194.
Zu manchen Daten wird der Beratungsort genannt: "Actum XXI Martii 1541 in consilio Imperiali", RK RTA 7, VII (nicht foliiert); das Protokoll wurde auf einer Sitzung vor dem 17. März begonnen, die letzte Sitzung datiert vom 3. Juni, und es enthält dann noch einmal Eintragungen zum 1. August. 258 RK RTA 16, 111; dieses Protokoll ist teilweise in deutscher, teilweise in lateinischer Sprache von verschiedenen Händen verfaßt worden. - "Petiae" wohl von ital. pezza oder pezzo mit der Bedeutung "Stück", "Fragment". 258 RK RTA 19, 111, 20 IV. 260 RK RTA 16, 111, fol. 34r . 261 RK RTA 16, 111, fol. 34v • 282 RK RTA 19, 111, Nr. 8. 288 RK RTA 19, 111, Nr. 9. 284 RK RTA 19, 111, Nr. 10. 265 RK RTA 19, In, Nr. 37. 257
3.2. Supplikationen in der Neuzeit
115
im Gefängnis saß, wollte zu ihrem Kind in die Stadt Eichstätt zurückkehren266 • Fast alle diese Supplikationen hatten den Charakter flehentlicher Bitte mit händeringender Gebärde, wobei die Bittenden einfache Leute aus dem Volk waren, die vom Kaiser Hilfe in großen oder kleinen persönlichen Nöten erstrebten oder sonstige persönliche Vergünstigungen. Bedenkt man die Breite dessen, was als Privatangelegenheit Bittgegenstand sein konnte, so hat es wohl kaum etwas gegeben, weswegen man sich nicht an den Kaiser und nicht an den Reichstag wenden konnte. Neben Bitten um Legitimationen, Erlaubnis zur Veränderung und Verbesserung eines Wappens, finanzielle Unterstützung und Hilfe gegenüber Behörden ging es um Geleit, Schutz und Schirm, Belohnungen, Regalien, kaiserliche Fürbitten beim Landesherrn, Anweisungen an den Rat einer Reichsstadt, Erlaubnis zur Errichtung von Wochen- und Jahrmärkten und um vieles andere mehr. Alle diese verschiedenen Bitten stehen in Protokollen und alphabetischen Listen267 unvermittelt nebeneinander. Daß viele dieser Supplikationen den Ansatz zu einem Rechtsstreit enthielten, zeigt das Beispiel der Bitte des Kanonikus des Freisinger Domstiftes, Christoff von Pohlain, der Kaiser wolle seine fünf Söhne und eine Tochter legitimieren; denn dagegen reichten seine Vettern, die drei Gebrüder Eisenreich, eine Gegensupplikation mit der Bitte ein, der Kaiser solle das nicht tun, da ein solcher Akt die unehelichen Kinder in der Familie erbberechtigt machen würde 268 • Wenn der Kaiser - wie das Protokoll von 1541 zeigt 269 - auch den meisten Bitten aus Gnade entsprach, so hütete er sich doch vor Eingriffen in Fragen, die das ganze Reich und die Reichsstände betrafen 270 ; so verwies er z. B. 1541 alle Bitten und Beschwerden inAnschlagsangelegenheiten an die Reichsstände. Der Kaiser als höchste Autorität im Reich blieb also Adressat von Bittschriften, aber er war es im 16. Jh. nicht mehr alleine; sog. Gnaden-Supplikationen wurden auch direkt an Kurfürsten, Fürsten und Stände auf einem Reichstag gerichtet, die ihre gemeinsame Antwort durch den Supplikationsausschuß vorberaten ließen. RK RTA 20, IV, Nr. 39. Die Listen für den Regensburger Reichstag von 1546 (RK RTA 19, III, 20, IV) bestehen aus zwei Abteilungen, für die Buchstaben A - G und H - Z, wobei sich die Einordnung nach den Anfangsbuchstaben der Namen der Supplikanten richtete. 268 RK RTA 19, III, Nr. 23. 269 RK RTA 7, VII, passim. 270 Am 19.7.1541 schrieben Jakob Sturm und Batt von Duntzenheim nach Straßburg, der Kaiser habe viele Supplikationen, insbesondere die Beschwerden der Protestanten über das RKG, an die Reichsstände gewiesen, die dafür einen Ausschuß gebildet hätten: Str. Korr. III, Nr. 201, S. 198. 266
267
S"
116
3. Supplikation - Herkunft und Begriff
So bat 1530 in Augsburg Alexander von Heiligen um eine Dompfründe; da seine Eltern als Rittersleute verarmt waren und er in den geistlichen Stand hatte eintreten müssen, wollte der Supplikationsausschuß im Sinne seiner Bitte darauf hinwirken, daß die Reichsstände sich für ihn beim Erzbischof von Salzburg und seinem Domkapitel verwendeten271 • Die Verwandten eines Gerhart Knipping baten die Reichsstände, sie möchten auf ihre Kosten eine Gesandtschaft zum Herzog von Jülich und Kleve entsenden und diesen um die Freilassung Knippings bitten. Der Supplikationsausschuß forderte darauf die Verwandten auf, eine solche Gesandtschaft zu benennen272 • Eine gleiche Bitte trugen die Gebrüder Conrad und Gerhardt Romel und deren Verwandte vor, da ihr Bruder "unvorschulter und unpillicher weiß gefangen" worden war273 • Ein alter Mann namens Erhart Ehinger hat den Reichsständen "clagendt furbracht", daß der Abt vom Kloster zum Heiligen Kreuz in Schwäbisch-Werdt einer Anweisung des Kaisers zuwider handele, wonach dem Supplikanten wegen seiner treuen Dienste vor neun Jahren eine lebenslängliche Laienpfründe geschenkt worden war. Der Abt widersetzte sich damit auch dem kaiserlichen Recht der preces primariae und hatte zugleich dem Supplikanten seine Schenkungsurkunde vorsätzlich genommen und an sich gebracht. Ehinger bat jetzt die Reichsstände, sie sollten ihm zu seiner Pfründe verhelfen. Darauf beschloß der Supplikationsausschuß, die Reichsstände sollten sich für den armen Mann beim Kaiser verwenden, damit dieser den ungehorsamen Abt bestrafe und dafür sorge, daß er seine lebenslängliche Pfründe erhalte und dazu vom Abt für die rechtswidrige Entziehung eine angemessene Entschädigung274 • Die Armut ihrer Stadt war 1530 für die Gesandten Regensburgs der Grund, das Reich um Hilfe zu bitten, damit die Stadt in die Lage versetzt werde, sich gegen mögliche Türkenangriffe zu verteidigen. Zugleich erinnerten sie die Reichsstände daran, daß einmal in Aussicht genommen worden war, Regiment und Kammergericht nach Regensburg zu verlegen; davon versprachen sie sich einen wirtschaftlichen Aufschwung für ihre Stadt276 • Der ersten Bitte folgte der Supplikationsausschuß und sagte Hilfe für den Fall zu, "wo sollich orth [... ] fur ein gelegenn platz eracht" wird276 • Die zweite Bitte allerdings lehnte er mit der Begründung ab, Regensburg liege zu entlegen für die Reichsbehörden277 • 271 Förstemann, Bd. II, Nr. 160, S. 283. 272 Förstemann, Bd. II, Nr. 160, S. 281. 273 Förstemann, Bd. II, Nr. 160, S. 281. 274 Förstemann, Bd. II, Nr. 160, S. 285. 275 Förstemann, Bd. II, Nr. 160, S. 279. 278 Förstemann, Bd. II, Nr. 160, S. 279. 277 Förstemann, Bd. II, Nr. 160, S. 280.
3.2. Supplikationen in der Neuzeit
117
Auch die Barfüßer in Kroatien baten 1530 um Hilfe gegen die Türken, die einige ihrer Brüder gefangen und entführt hatten. Zugleich verwiesen sie auf eine große Hungersnot und Armut in Crain. Die Hilfe der Reichsstände sollte die Gefangenen auslösen und die größte Not lindern helfen. Der Supplikationsausschuß empfahl die Einrichtung einer ständischen Kommission, die die Sache beim König von Ungarn vortragen und einen Geisel-Austausch sowie die Aufteilung der in Hunger und Armut lebenden Brüder auf andere Klöster anregen sollte278 . Um eine Anstellung beim Rat der Stadt Augsburg bat während des Geharnischten Reichstages der Stubenwärter Hans Schwarzenburg in einer Supplikation, die den Ständen am 24.5.1548 vorgelegt wurde279 . Er hatte auf diesem Reichstag "der stuben ob dem Rathhauß gewart und verhuett" und bat die Reichsstände nun, sie "wellen ain gnedigist muntlich oder schrifftlich fürpit gegen meinen gunstigen herren ainen ersamen Rath alhie für mich thun, so und wann ain ampt ledig wurd und für mich were, das ir fürsichtigkait und begaben, dabei ich mich, mein Weib und Kind als ainem Mitburger diser Statt gepurt, erhalten"280. Wie sich Wolf Hornung, dessen Auseinandersetzung mit Kurfürst Joachim von Brandenburg über das ehebrecherische Verhältnis mit seiner Frau Katharina Eingang in zahlreiche Darstellungen der brandenburgischen Geschichte fand, bei Kaiser und Reichstag zugleich über den Kurfürsten beschwerte und um Hilfe bat281 , so wandte sich aus "höchster meiner noth" und unter Darlegung seiner ganzen Lebensgeschichte ein Hanns Enndorfer zu Mosen an Kaiser, Kurfürsten und Stände - da sie seine letzte Hoffnung seien, nachdem eine Appellation ans Reichskammergericht erfolglos gewesen sei - mit der Bitte, ihn gegen ein Unrecht seines bayerischen Landesherrn zu schützen, der ihm durch Vertragsbruch großen Schaden zugefügt habe282. Während der Kaiser sich in einem Brief direkt an den Landesherrn wandte, verwies der Supplikationsausschuß den Bittenden auf den ordentlichen Rechtsweg zurück. 1545 bat Katharina Schwan gegen eine Kaution um die Freilassung ihres Mannes Hermann, den Landgraf Philipp von Hessen in Nürnberg Förstemann, Bd. II, Nr. 193, S. 444. MEA RTA 16, J, fol. 560r , 561v • 280 MEA RTA 16, J, fol. 560r • t8t RTA jg. Rh. 7, 1, S. 620, Anm. 2; s. a. S. 714 ebd. Zu den Darstellungen in der brandenburgischen Geschichte vgl. Hans Protz, Preußische Geschichte, Bd. 1, Stuttgart 1900, S. 199; Otto Hintze, Die Hohenzollern und ihr Werk, Berlin 51915, S. 122; Johannes Schultze, Die Mark Brandenburg, Bd. 3, Berlin 278
279
1963, S. 210, 214. tBl RK RTA 7, VIII, 25, fol. 57 r ff.
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3. Supplikation - Herkunft und Begriff
wegen Mordes hatte festnehmen lassen. Der Supplikationsausschuß schlug vor, Kaiser und Reichsstände sollten sich für den Gefangenen beim Landgrafen verwenden, "damit er sich mit endlicher Caution settigen ließ, auch beuelch an ein Rhat zu Nürnberg, das sie disen gefangen umb ein zimbliche und Ime mögliche Caution ledig geben"283. Die Tatsache, daß der Kaiser nicht mehr alleiniger Empfänger von Supplikationen war, die eine Gnade erwirken wollten, sondern daß diese auch an die Gesamtheit der Reichsstände gerichtet werden konnten, aber auch an Kaiser und Reichstag zugleich, ist eine wichtige Erscheinung von verfassungsrechtlicher Bedeutung, die in der verfassungsgeschichtlichen Literatur zum 16. Jh. nirgendwo gewürdigt oder auch nur erwähnt wird. Hinter dieser formellen Gleichstellung von Kaiser und Reichstag im Bereich des Supplikationswesens wird deutlich, daß die Supplik anten nicht mehr so sehr auf den Kaiser hofften, sondern ihr Glück vielmehr bei der Gesamtheit der Reichsstände suchten. Das Ansehen des Kaisers schwand, zugleich aber wuchsen Macht und Bedeutung des Reichstages. 3.2.2.2• .Justiz-Supplikationen
Den bisher beispielhaft vorgeführten Supplikationen ist gemeinsam, daß es sich um Bitten handelte, die eine Gnade erwirken wollten. Privatangelegenheiten wie sie waren aber auch jene Supplikationen, die ein Rechtsschutzverlangen enthielten, die also keine Entscheidung aus Gnade, sondern aufgrund des Rechtes erzielen wollten. Ihnen lag in der Regel ein zivilrechtlicher Streit zugrunde wie der Fall, über den der Frankfurter Städtebote Fürstenberg am 2. 3. 1521 nach Hause berichtete 284 : Die Mutter des Landgrafen von Hessen hatte ihrem Sohn ein Darlehen in Höhe von 11 000 Gulden für den Kampf gegen Sickingen zur Verfügung gestellt. Dafür hatte der Landgraf ihr das Schloß Spangenberg als Pfand übergeben. Nachdem er das Schloß aber gewaltsam eingenommen hatte, verlangte sie die Herausgabe und Zahlung der ausstehenden, jährlich zurückzuzahlenden Beträge für das Darlehen. Nicht selten hatten sich mit solchen Angelegenheiten vorher die Gerichte beschäftigt, wie 1545 aus dem Streit zwischen dem Burggrafen Heinrich d. Ä. von Meißen mit seinem Bruder zu entnehmen ist. In dieser Auseinandersetzung wurde zunächst der Kaiser als oberster Richter angerufen, weil sich der Supplikant "auch sunst keinen menschlichenn trost noch hilff dan beij E. key. Mt. zusuchenn weiß"285, und mit dem sich dann auch die Reichsstände zu befassen hatten. MEA RTA 11, II, fol. 169 T ff., 175r • RTA jg. Rh. 2, Nr. 151, S. 811 mit Anm. 3. 285 MEA RTA 11, II, fol. 11 r ; zum Ganzen ebd., fol. 2r ff., 14r ff., 19 r ff. 283
284
3.2. Supplikationen in der Neuzeit
119
Eine privatrechtliche Forderung an den Kaiser war der Gegenstand einer Supplikation eines Dr. Stork, in der er sich bei den Reichsständen auf dem Reichstag von 1524 darüber beklagte, daß ihm der Kaiser noch 6000 oder 8000 Gulden schulde und daß er auch noch nicht die vertraglich vereinbarte Schuldverschreibung erhalten habe. Die Reichsstände sollten ihm jetzt in der Sache behilflich sein 286 • Eine ähnliche Klage brachte ein Wolf Gotzmann vor, der in seiner Supplikation behauptete, der Landgraf Philipp von Hessen habe noch Schulden bei ihm287 • Albrecht von Clingenberg bat die Reichsstände um Hilfe gegen Hans Heinrich von Clingenberg, der ihm seinen Anteil an dem Schloß Hohentwiel vorenthielt und schon der Reichsacht verfallen war288 • Dorothea von Clingenberg bat die Reichsstände darum, bei Erzherzog Ferdinand dafür einzutreten, daß sie wieder in ihr Wittum eingesetzt wurde289 • Herzog Albrecht von Mecklenburg beklagte sich darüber, daß ihm ein Proviantschiff in einem Hafen bei Lübeck und ein Floß auf der EIbe durch den Herzog von Holstein und die Stadt Lübeck gestohlen worden waren. Er bat die Reichsstände um eine Kommission, die "in der gut oder rechtlich" handeln sollte. Der Supplikationsausschuß wollte diesem Wunsch entsprechen, gab aber zu bedenken, daß die Wegnahme auf der See erfolgte und damit außerhalb des Reiches, weshalb die Kommission nur eine gütliche Beilegung der Sache versuchen konnte, aber keine rechtliche Handhabe hatte. Sollte es zu keiner gütlichen Einigung kommen, so sollte die Kommission beraten, was zu tun sei, damit in Zukunft auch ein rechtlicher Austrag in solchen Fällen möglich sei290 • RTA jg. Rh. 4, Nr. 25, S. 131, 136 f. RTA jg. Rh. 4, Nr. 25, S. 154. 288 RTA jg. Rh. 4, Nr. 128, S. 557; Hans Heinrich von Clingenberg hatte den Hohentwiel am 23. 5. 1521 Hz. Ulrich von Württemberg eingeräumt (ebd., Anm.4). 289 RTA jg. Rh. 4, Nr. 128, S. 557. 290 Förstemann, Bd. H, Nr. 193, S. 443. Ähnlich kompliziert gelagert war die Supplikation des Domscholasters und Probstes des Stiftes Allerheiligen zu Speyer, David Goler, der anzeigte, daß Dechant und Kapitel des Stiftes Walter Vilber zum Nachfolger des verstorbenen Herrn Wilbold gewählt hätten, daß der päpstliche Legat aber Dr. Johann Eck und Dr. Peter Speiser eingesetzt hätte. "Dweil dan diß des legaten furnehmen den rechtenn aller Erberigkeit und Pilligkait, Auch ganzer deuzscher Nation zuwider, nachtailig unnd unleidlich, Ist sein unterdenig Bit, kaye Mat., churfursten, fursten und stende wollen genedigs einsehens haben, domit solch ungepurlich schwinde practick sonderlich In diesen leuften nicht gestattet, sonder abgewendt, Der legat, auch die Zwen Impetranten davon abzustehn und den stifft aller heiligen bey seinem altherkomen und privilegien ungehindert pleiben moge." (Förstemann, Bd. 11, Nr. 244, S. 697 f.) Der Supplikationsausschuß beschloß daraufhin, daß Kaiser und Reichsstände Personen zu dem Legaten und den beiden Impetranten schicken sollten, um sie zu bewegen, lIder rechtmessigen election, so durch den supplicanten geschehen, stat ge188
187
120
3. Supplikation - Herkunft und Begriff
Ein Erbschaftsstreit um Schloß und Herrschaft von Moselburg lag der Supplikation des Grafen Dietrich von Manderscheid gegen den Herzog von Lothringen zugrunde, in der er die Reichsstände bat, sie sollten sich bei dem Lothringer um ein Nachgeben bemühen und dafür sorgen, daß das RKG ihm den Prozeß wegen Landfriedensbruch machte, wenn er nicht nachgab291 . Der Supplikationsausschuß empfahl den Ständen, beim Kaiser im Sinne des Supplikanten vorstellig zu werden, damit dieser restituiert würde292 • überblickt man die hier vorgestellten Bitten und Beschwerden, so wird man der Definition der Supplikation als "allerhand Privat- und Nebensachen, zu der Proposition nicht gehörig"293, die uns der "Traktat" gibt, zustimmen müssen. Aber wie das bereits angeführte Beispiel einer supplizierend vorgebrachten Anklage eines Einzelnen gegen einen Landesherrn aus dem Jahre 1524 zeigte 294, hatte sich der Reichstag nicht nur mit Bitten und Beschwerden zu befassen, die - wenn überhaupt nur auf dem Gnadenwege zu erledigen und die in der Tat nur Privatangelegenheiten waren. Diese anderen Supplikationen beschäftigten den Reichstag und insbesondere den Supplikationsausschuß weitaus häufiger, da ihre Inhalte sehr viel bedeutsamer waren; indem sie nicht selten über den Einzelfall hinaus Reichsangelegenheiten betrafen, verloren sie - wie ihre Behandlung auf den Reichstagen noch zeigen wird - den Charakter des Nebensächlichen. Walter Friedensburg bezeichnete die 1526 auf dem Reichstag in Speyer eingereichten Supplikationen wie folgt: "Großenteils handelte es sich um Gesuche um Herabminderung der Anschläge zu den Reichslasten [...]. Anderes betraf verschiedene Klagen und Ansprüche, welche sich aus den Wirren des Vorjahres, zumal aus den Hilfeleistungen der Stände unter sich, herschrieben295 ."
Ausführlicher und damit die Mannigfaltigkeit der Bereiche unterstreichend, die die Supplikationen betrafen, waren dagegen Protokollanten und Berichterstatter vom Speyerer Reichstag von 1529. Valentin von Tetleben nennt in seinem wichtigen Protokoll als Gegenstände der Eingaben: "ordenunge der halts- und blutgerichte, ordenunge und processus des KG [Kammergerichts], constitutio nova, qualiter filii fratrum succederent patruo deferito non supertite alio patruo vid. in capita, et de monopoliis abolendis, una moneta in regno ac imperio ordinanda; ben". (Förstemann, ebd., S. 698.) Weitere Beispiele bei Förstemann, Bd. II, Nr. 244, S. 693 - 695, 698 f. 281 RK RTA 7, VIII, 34, fol. 154 T ff. 292 RK RTA 7, VIII, 34, fol. 156 T• 298 Traktat, S. 79. 194 s. o. Kap. 3.2.1. 28S
Friedensburg, 1526, S. 452.
3.2. Supplikationen in der Neuzeit
121
item de alia bona politia in mensuris et ponderibus et aliis in imperio instituendis"296. Besserer und Schleicher führten in ihrem Schreiben vom 4. 4. 1529 an die Geheimen von Dlm Monopolien, Zoll, Münze, Halsgericht und Kleidung an, wovon allerdings die beiden letzten Begriffe wieder gestrichen wurden297 . Das Verzeichnis der Mitglieder der vom Reichstag gebildeten Ausschüsse nennt als Gegenstand, mit dem sich der Supplikationsausschuß zu beschäftigen hatte, "des fiscals hendel"298. Versuche, die Supplikationen nach ihren Gegenständen zu ordnen, wurden erstmals während des Regensburger Reichstags von 1541 gemacht. Hier finden wir alle auf Supplikationen bezogene Schriftstücke zusammengefaßt und nicht wie auf den früheren, zum Teil aber auch späteren Reichstagen, mehr oder weniger vereinzelt; und zwar sind die "Supplicationen und Beschwerden"299 in drei Gruppen eingeteilt: 1. Supplikationen, die die Verringerung der Anschläge für die eilende Hilfe betreffen, 2. Beschwerden hinsichtlich der Handhabung der Session und 3. Bitten und Beschwerden bezüglich sehr verschiedener Angelegenheiten, die aber in nicht mehr zu unterscheidenden Untergruppen zusammengestellt wurden. Die ganze Skala dessen, was Gegenstand einer einzelnen Bitte und Beschwerde sein konnte, findet sich in den großen Beschwerdeschriften der Reichsritter von 1522/23. Die besondere Situation der Reichsritterschaft in der übergangsphase vom Mittelalter zur Neuzeit ließ den niedrigen Adel oft zu Beklagten in Landfriedensangelegenheiten werden, oft aber auch selbst zu Supplikanten wie im Fall Huttens u. a. soo • Auf dem zweiten Nürnberger Reichstag von 1522/23 wurden den Ständen Beschwerden der schwäbischenSOl und der fränkischen 302 Ritterschaft übergeben, die für die Einschätzung der Lage der Reichsritter nicht unwichtig sind. Am deutlichsten umschreiben die fränkischen Ritter die Situation des niedrigen RTA jg. Rh. 7, 1, S. 638. RTA jg. Rh. 7, 1, S. 638. 298 RTA jg. Rh. 7, 1, S. 676. 2g9 RK RTA 7, VIII. 300 Zu diesen Vorgängen wie zu zahlreichen anderen Ereignissen, die in dieser Arbeit angesprochen werden und die nicht nur unter einem territorialgeschichtlichen Aspekt von großem Interesse sind, konnte die zum Teil zahlreich vorhandene landesgeschichtliche Historiographie nicht hinzugezogen werden, um den Rahmen der auf den Reichstag konzentrierten institutionsgeschichtlichen Untersuchung nicht zu sprengen. Zweifellos kann diese Literatur ihren Beitrag zur weiteren Erhellung von Bitten und Beschwerden leisten, mit denen sich Reichstag und Supplikationsausschuß zu beschäftigen hatten. 301 RTA jg. Rh. 3, Nr. 111, S. 690 - 692. 302 RTA jg. Rh. 3, Nr. 113, S. 695 - 726, Nr. 116, S. 727 - 734. 296
297
3. Supplikation - Herkunft und Begriff
122
Adels: "Item wo man im reich die uberfarer, schüldigen und ubelthetter mit gleichem rechten und mass suchte, erforschete und straffte, würden graven, herrn und anderer adel des heiligen reichs gemeinem nutz und inen selbst zu gut, auch keir.Mt. und andern iren öberkeiten zu undertheniger, gepürlicher gehorsam gleich gern darzu rathen und helfen wie andere reichsstende; wo sie aber spüren, das unter vil grossen, wichtigen mengeln und beschwerden des heiligen reichs keine zu allen reichstagen mere beratschlagt und thatlich volzogen werden, dann wie man sie des adels verfolge, von iren güttern und erbern, lang herbrachten gerechtigkeiten geschicklich unter einem schein des rechtens unpillich abdrunge, die rechtsmessigen gegenwer inen verpiete, wie in oberzelten artikeln ires ansehens bisher gescheen, ist inen söllichs alles hinfür zu gedulden zu vil beschwerlich und unleidlich, wie das [Euer fürstliche Durchlaucht, kurfürstliche und fürstliche Gnaden und Gunsten] als die hochverstendigen bei inen selbst zu ermessen haben303 ." Die Konstanzer Versammlung der Ritterschaft in Schwaben beschwerte sich am 16.7.1522 vor allem über die Anschläge zur Unterhaltung von Reichskammergericht und Reichsregiment, verwies auf alte Versprechen König Maximilians 1. und die Tatsache, daß die Ritter die Anschläge nicht bewilligt hätten. Deshalb bat die Versammlung um Befreiung von den Zahlungen304• Sollten die Ritter aber doch zahlen müssen, "so begern gemeine graven und hern, si zu unterhaltung camergerichts nit hoher anzuschlagen dan unsern gnedigen hern margraven Philipsen von Baden". In gleichem Sinne und unter der gleichen Bedingung äußerten sich die versammelten Ritter über den Anschlag zur Unterhaltung des Reichsregiments 305 • Sie hielten zudem ihre Protestation aufrecht, wonach die Anschläge den Rechten der Ritterschaft nicht nachteilig sein sollten306 • Die schwäbischen Ritter beschwerten sich ferner gegen das geistliche Gericht307 und baten um Beibehaltung der Besoldung eines Grafen und Herrn im Reichsregiment in Höhe von 1000 Gulden308 • Die Beschwerdeschrift der ersten Schweinfurter Versammlung fränkischer Ritter vom 29. 12. 1522 war weitaus umfangreicher und in den einzelnen Punkten detaillierter; sie umfaßte neun Beschwerdebereiche: 1. Beschwerden gegen die Fürsten und die hohe Obrigkeit, 2. gegen die verschiedenen Gerichte der Fürsten und der hohen Obrigkeit, 3. gegen die Halsgerichtsbarkeit der Fürsten, 4. gegen das kaiserliche Kammer303 304 305 306 307 308
RTA RTA RTA RTA RTA RTA
jg. Rh. jg. Rh. jg. Rh. jg. Rh. jg. Rh. jg. Rh.
3, 3, 3, 3, 3, 3,
Nr. Nr. Nr. Nr. Nr. Nr.
113, S. 723. 111, S. 691. 111, S. 691 f. 111, S. 692 mit Anm. 2. 111, S. 692. 111, S. 692.
3.2. Supplikationen in der Neuzeit
123
gericht, 5. gegen den Landfrieden, 6. gegen Handlungen des kaiserlichen Regimentes, 7. gegen den Schwäbischen Bund, 8. gegen die großen Kaufmannsgesellschaften und 9. Beschwerden gegen die Geistlichkeit im Reich. Innerhalb dieser Bereiche trugen die Ritter nun sehr konkrete Supplikationen vor; sie wehrten sich z. B. in ihrer 1. Gruppe von Beschwerden gegen ein von den Fürsten und der hohen Obrigkeit ausgesprochenes Versammlungsverbot, "nachdem vast alle stend im Rö[mischen] reich aus irer notturft je zu zeiten zusamenkomen, sich irer mengel halben zu unterreden"309; sie baten im Sinne eines allgemeinen Bündnisverbotes, alle heimlichen und offenen Bündnisse im Reich, auch die der Kurfürsten, Fürsten, Stände und Städte, die "gewislich wider gemeinen landfriden und nutz Teutscher nation sein [... ] abzustellen oder inen auch soIlichs nit zu weren"310; sie wünschten sich in bürgerlich-rechtlichen Streitigkeiten mit mächtigen Ständen besser gestellt und wollten die rechtmäßige "gegenwer thun dörfen, die doch kei. recht und die gemein reichsordnung jedermann zulassen"311; sie beschwerten sich dagegen, bei Rechtsgeschäften mehr als andere mit Steuern belastet zu werden 312 ; sie wandten sich z. B. dagegen, vom gewachsenen Wein und von dem Wein im Keller jeweils den Zehnten zahlen zu müssen313, und beklagten sich über alles, was gegen den Landfrieden und tatsächlich oder vermeintlich bestehende Reichsordnungen zu ihren Lasten verstieß. Unter den Beschwerden gegen die fürstlichen Gerichte finden sich solche, die die fürstliche Gerichtspraxis betrafen, und solche, die auf Fragen der Zuständigkeit eingingen; bei beiden fühlte sich der niedrige Adel benachteiligt und ungerecht behandelt314 . über die HalsgerichtsRTA jg. Rh. 3, Nr. 113, S. 697. RTA jg. Rh. 3, Nr. 113, S. 698. 311 RTA jg. Rh. 3, Nr. 113, S. 698. 312 RTA jg. Rh. 3, Nr. 113, S. 699. 313 RTA jg. Rh. 3, Nr. 113, S. 702. 314 RTA jg. Rh. 3, Nr. 113, S. 704 - 706. Eine Vielzahl von Gerichten auf verschiedenen Ebenen mit unterschiedlichen Kompetenzen machten das gesamte Gerichtswesen zu Beginn des 16. Jh.s äußerst undurchsichtig und gab oft Anlaß zu Bitten und Beschwerden. Wohl Mitte Februar 1521 (RTA jg. Rh. 2, Nr. 26 A, S. 244, Anm. 1) übergaben einige ungenannte Grafen, Herren und andere vom Adel den Kurfürsten und Fürsten auf dem Wormser Reichstag eine Supplikation, die in ihrem ersten Teil die Abstellung von Mißbräuchen im Gerichtswesen verfolgte und die sich in ihrem zweiten Teil gegen die Privilegierung der Städte wandte. Diese Supplikation ist nicht im Supplikationsausschuß behandelt worden, sondern im Großen und im Kleinen Ausschuß, in den Kollegien und zwischen den Supplikanten und den Adressaten der Supplikation. Am 27.3.1521 schrieben Bock und Duntzenheim nach Straßburg, Ulm als reichsstädtische Vertreterin im Supplikationsausschuß habe ihnen gesagt, "dasz solich supplicaz nie in usschuz komen, besunder sie wer ganz heimlich ingelegt und im ganz unwissent" (Str. Korr. I, Nr. 75, S. 39); dies bestätigte ihnen der Abt von Fulda, der meinte, "die supplicaz sig fur 309
310
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3. Supplikation - Herkunft und Begriff
barkeit hieß es allgemein: "Es sein auch die zent-, plut- oder halsgericht an vil orten Teutscher nation ubeler versehen dann andere gericht, so in purgerlichen sachen allein zu erkennen haben315 ." Die Ritterschaft beschwerte sich sowohl über die Personen der Richter wie über die Art ihrer Besoldung und regte an, "das gemelte person kein theil daran [an der Buße] hetten, sünder ein gewisen sold" bekämen316 ; sie wandte sich gegen Nichtbeachtung von Zuständigkeiten, unangemessene Strafen und Fehler bei der Prozeßführung317 , wenn z. B. kein Gerichtsschreiber dabei war, der das Protokoll führte, was bei Appellationssachen zur Folge hatte, daß "darin dann mermals vill vergessen wirdet, daran den partheien hoch gelegen ist"318. Hinsichtlich des Reichskammergerichts beschwerten sich die Ritter vor allem über die lange Prozeßdauer und stellten fest: "wenn das kei[serliche] camergericht zwei oder dreu jar im gang ist, so feiert es gewonnlich sovil oder mer jar dagegen"319; sie klagten aber auch darüber, daß das Reichskammergericht vermeintliche Landfriedensbrecher in die Acht erkläre, ohne sie vorher geladen oder gehört zu haben 320 ; und sie rügten Nachlässigkeiten bei der Prozeßführung, die die Parteien benachteiligten321 . Unter den Beschwerden gegen den Landfrieden führten die fränkischen Ritter als erstes an, daß die neue Reichsordnung vorsehe, daß der die curfursten komen; dan er hab sie als gestern etwas heren gedenken". (Str. Korr. I, Nr. 75, S. 40, Zettel.) Die Grafen und Herren baten die Kurfürsten und Fürsten (RTA jg. Rh. 2, Nr. 26 A, S. 245 f.) erstens darum, die Gerichte so zu besetzen, daß die Supplikanten und ihre Untertanen einen gleichmäßigen, billigen und schleunigen rechtlichen Austrag erlangen können; sie beschwerten sich zweitens über geistliche Gerichte und forderten, daß keine weltlichen Angelegenheiten mehr vor diese Gerichte gezogen werden dürften; sie verlangten drittens, daß auch zwischen Prälaten, Grafen, Herren und anderen Adeligen ein gleichmäßiger und schleuniger rechtlicher Austrag möglich gemacht werde; und sie forderten viertens, daß auch mit den Städten von einem solchen rechtlichen Austrag gehandelt werde. In einem letzten Beschwerdepunkt bestritten die Grafen und Herren schließlich, daß der Herr eines Untertanen, der in einer Stadt das Bürgerrecht erworben hätte, dessen Güter nicht mehr besteuern dürfte, denn auch durch eine solche städtische Freiheit fühlten sie sich benachteiligt. Deshalb sollten Kurfürsten und Fürsten beim Kaiser darauf dringen, daß solche Privilegien nicht mehr verliehen und bestehende Freiheiten nicht mehr gebraucht würden. (RTA jg. Rh. 2, Nr. 26 A, S. 246.) Diese beiden letzten Punkte richteten sich besonders gegen die Reichsstädte, die sich dann auch ausführlich damit beschäftigten; sie berührten darüber hinaus nicht nur Fragen des Rechtes und seiner Anwendung, sondern auch wirtschaftliche Probleme. Gerade der von Existenznot bedrohte niedere Adel mußte sich gegen die aufstrebenden reichsstädtischen Wirtschaftszentren zur Wehr setzen. 315 RTA jg. Rh. 3, Nr. 113, S. 706. 316 RTA jg. Rh. 3, Nr. 113, S. 707. 317 RTA jg. Rh. 3, Nr. 113, S. 708 f. 318 RTA jg. Rh. 3, Nr. 113, S. 709. 319 RTA jg. Rh. 3, Nr. 113, S. 710. 320 RTA jg. Rh. 3, Nr. 113, S. 710 f. 321 RTA jg. Rh. 3, Nr. 113, S. 711.
3.2. Supplikationen in der Neuzeit
125
Angegriffene und Geschädigte gegen den Friedensbrecher "gegenwer und verfolgung thun müge zu frischer that", bevor dieser als solcher erklärt worden ist, und daß somit mangels rechtlicher überprüfung sehr viel Mißbrauch ermöglicht werdes22 . Sie beklagten sich ferner über Denunziationsfälle, die zur höchsten Strafe der Acht führten S2s , über ungleiche Behandlung des niedrigen Adels s24 und Folgen der Exekution der AchterklärungS25 . In bezug auf das Reichsregiment beschwerten sich die Ritter vor allem über die ungleiche und damit ungerechte Behandlung der "armen edelleut"S26 und die Tatsache, daß ergangene Endurteile nicht durchgeführt wurden, wenn sie zugunsten Angehöriger des niedrigen Adels ergangen waren S27 . Weitere Beschwerden galten der Personalund Haushaltspolitik des Regiments S28 . Dem Schwäbischen Bund wurde vorgeworfen, mit seiner Ordnung gegen gemeines Recht und Reichsordnung zu verstoßen, indem er den Landfrieden gefährdete und Gerichtszwang ausübte, wo er gar nicht zuständig war 29. Die Bitten und Beschwerden der fränkischen Ritterschaft im wirtschaftlichen Bereich richteten sich gegen die großen Kaufmannsgesellschaften und ihre Monopolstellung hinsichtlich der Preisgestaltung bei ihren Waren, die sie große Gewinne erzielen ließ, für die sie aber nur geringe Steuern zahlten und somit keinen Beitrag zur Abwendung der großen Beschwerden des Reiches leistetensso. Die Ritter beklagten, daß alle Versuche der letzten vier oder fünf Reichstage, "sölche monopolien und unzimlichen, schedlichen grossen geselschaften bei merklichen straffen [zu] verpieten", ohne Ergebnis geblieben wären, obwohl die Städte auch gerne dabei geholfen hätten 331 ; sie baten dies in Zukunft abzustellen. Und schließlich beschwerten sich die Ritter über die Geistlichkeit im Reichss2 , wie das auch von anderer Seite immer wieder geschah333 • RTA jg. Rh. 3, Nr. 113, S. 712. RTA jg. Rh. 3, Nr. 113, S. 713 f. 324 RTA jg. Rh. 3, Nr. 113, S. 714 f. 326 RTA jg. Rh. 3, Nr. 113, S. 715. 3!8 RTA jg. Rh. 3, Nr. 113, S. 716 ff. S27 RTA jg. Rh. 3, Nr. 113, S. 719 f. 328 RTA jg. Rh. 3, Nr. 113, S. 720. 329 ·RTA jg. Rh. 3, Nr. 113, S. 721 f. 330 RTA jg. Rh. 3, Nr. 113, S. 724 f. 831 RTA jg. Rh. 3, Nr. 113, S. 725. 332 RTA jg. Rh. 3, Nr. 113, S. 725 f. 333 Auf dem Wormser Reichstag von 1521 hatte ein Ausschuß geistlicher und weltlicher Kurfürsten und Fürsten mit der Ausarbeitung und Zusammenstellung der Beschwerden der deutschen Nation gegen Papst und Geistlichkeit begonnen, ohne seine Arbeit abschließen zu können. (RTA jg. Rh. 2, 322
323
126
3. Supplikation - Herkunft und Begriff
Anläßlich einer zweiten Versammlung in Schweinfurt am 25.1.1523 faßte die fränkische Ritterschaft ihre Beschwerden an die Reichsstände S. 661 ff.) Unter den "Articul damit bäpstliche Heiligkait Teutsche land beschwärt" waren zwei, die Beschwerden des Hochmeisters des Deutschen Ritterordens enthielten. (RTA jg. Rh. 2, Nr. 96, S. 679 f.) Diese Beschwerden sind auch in der Anfang 1523 während des zweiten Nürnberger Reichstages fertiggestellten Fassung enthalten (RTA jg. Rh. 3, Nr. llO, S. 645 ff.) und richteten sich gegen den Papst, der "guter dem orden entzogen und etlichen cardinälen, erzbischoven und bischoven, di weder Teutsch noch des ordens gewesen sind, zugestelt" (RTA jg. Rh. 3, Nr. llO, S. 666) hat. Deshalb baten die weltlichen Stände, daß der Papst "den ritterlichen Teutschen orden solcher entwendter guter und nutzung widerumb ane verzug restituiren und einsetzen wolle oder zu gescheen verfugen, wie sich von rechts und billigkeit wegen gepurt". (RTA jg. Rh. 3, Nr. 110, S. 667.) Aber offensichtlich war daraufhin noch nichts geschehen, denn am 4. 3. 1524 wurde auf dem dritten Nürnberger Reichstag eine Supplikation des Deutschmeisters übergeben und verlesen, in der er sich darüber beklagte, daß der Papst die dem Deutschmeister und dem Orden gegebene und bestätigte Freiheit verletzte, wonach "keiner, er sei dann Teutscher zungen und vom adel geborn, die Comethorien in Welschen landen, so dem Teutschmeister underworfen und zugehorig, besitzen sollen" (RTA jg. Rh. 4, Nr. 25, S. 130), und der Supplikant bat die Reichsstände, beim Papst dafür zu sorgen, "das ir H[eiligkeit] den orden bei iren freiheiten lass bleiben". - Vom 4.8.1526 datiert eine Supplikation der Reichsstädte, in der die Städteboten die wichtigsten Beschwerdeartikel gegen den geistlichen Stand zusammengefaßt hatten. (Friedensburg, 1526, S. 543 - 549.) Sie wandten sich darin gegen die vielen Bettelmönche und Almosensammler in den Städten, gegen Pfarrer und Pfarrverweser, "die gemeinlich ungeschickte ungelert leichtfertige person sind" und Ehebruch und Hurerei trieben, gegen bestimmte, nicht mehr zu rechtfertigende Freiheiten der Geistlichen, gegen die geistliche Gerichtsbarkeit und viele übergriffe geistlicher Gerichte auf weltliche Angelegenheiten, gegen die Exemption von Äbten und Prälaten in Justizsachen, gegen zu viele Feiertage "außerhalb gottlicher gesecz", da diese den armen Leuten beschwerlich seien, würde doch viel Arbeit versäumt, Ernte verdorben und an solchen Tagen am meisten Gotteslästerung, Todschlag, Völlerei, Unkeuschheit, Streit und Spiel geschehen, und gegen bestimmte Zeremonien und Kirchengebräuche verstoßen. Dafür forderten sie u. a. Wahl und Bezahlung der Pfarrer durch die Gemeinden, Unterwerfung der Geistlichen in weltlichen Angelegenheiten unter weltliche Gerichte, übernahme von Bürgerpflichten durch die Geistlichen, wie sie auch jeder gemeine Mann habe, Verwaltung und Nutzung der Spitäler, die die Geistlichen an sich gezogen hätten, durch den Magistrat, damit diese den Armen, Kranken und Bedürftigen zugute kommen, Festsetzung der Feiertage durch den Magistrat nach Not und Gelegenheit eines jeden Ortes. - Grafen, Herren und Ritter klagten am 17.4.1529 in einer Reichsversammlung vor den Reichsständen, daß "der bapst durch sein rescripten underphahet, die curtisan an die ende, da der adel hin gewiddempt, zu furdern, die doch keiner lar oder geschiecklicheit furbindig seien, sonder zu Rom gedient und etlich die sich großer prelatur und probsteien undernemen, phaffenkinder seien. Nachdem nun der Teutsch Orden in Preußen abgegangen, auch Rodis vom Turken ingenomen, do sich dan viel vom adel erhalten haben, ist ir biet, daß man das furnemen der curt zu Rom nit gestatten wol, auch daß man alle closter, so von kunigen, fursten und herren uf den adel gestieft, widder woll dem adel, so mit kinder uberfallen, ire kinder darin zu tun und in zucht und guter lare, darumb sie gestieft, zu erhalten, gedeien wol lassen, doch mit nichten zulassen die reformirung, do mit aus solchen clostern dottengruben und dem adel darin zu kommen abscheu gemacht werd". (RTA jg. Rh. 7, 1, S. 761.) Diese Beschwerde, gegen
3.2. Supplikationen in der Neuzeit
127
noch einmal zusammen334 . Diese wurden am 30.1.1523 in Nürnberg eingereicht335 und richteten sich gegen den Schwäbischen Bund, die Vertreibung von Adeligen, Mangel an schleunigem rechtlichen Austrag, Mängel im Austragsverfahren und mangelhafte Exekution gesprochener Urteile. Die hier genannten Beschwerdepunkte waren auch in einer Supplikation der Reichsstädte enthalten, die am 26. 12. 1522, also während des zweiten Nürnberger Reichstages von 1522/23, vor den Reichsständen verlesen wurde 336 und der der Abschied des Eßlinger Städtetages vom 25.7.1522 zugrunde lag337 • Ihre in zehn Punkten zusammengefaßten Beschwerden betrafen allgemeine Landfriedensfragen und insbesondere die gegen sie gerichteten Landfriedensbrüche und daraus für sie resultierende Nachteile 338, die auf dem Wormser Reichstag von 1521 vorgenommene zu hohe, unangemessene und ungleiche finanzielle Veranschlagung für die Unterhaltung von RKG und Reichsregiment 339, wobei sie darauf hinwiesen, daß "als sich der stand der grafen, ritterschaft und dero vom adel solhs anschlags beschwert ist, ist inen ir auflag dazumal merklich geringert und aller rest uber solche ringerung auf die stet geschlagen und gelegt, und si nit allein mit demselben, sonder auch nachmalen etliche aus den steten fur die andern in sonderhait beschwert worden"340, die geplanten neuen finanziellen Belastungen in Form von neuen Zöllen341 , die geistliche, ländliche und fremde Gerichtsbarkeit im Reich 342 , die Gravamina gegen Rom 343 und die Münzfrage 344 . Am Anfang aber stand die für die Städte auf allen Reichstagen Karls V. wichtigste Frage ihrer von den übrigen Reichsständen nicht mehr geachteten Reichsstandschaft 345 . Als Gegenstand vieler Bitten und Beschwerden kennzeichnet sie die besondere Situation der Reichsstädte346 . Papst und Kurie in Rom gerichtet, nannte Fürstenberger in einem Brief an Frankfurt vom 17.4.1529 "ein seltzam supplication" (RTA jg. Rh. 7, 1, S.
761). 334 335
338
337 338 339 340
341 342
343 344
345 348
RTA jg. Rh. 3, Nr. 116, S. 727 - 734. RTA jg. Rh. 3, S. 727, Anm. 2. RTA jg. Rh. 3, Nr. 89, S. 484 - 495, Nr. 51, S. 311. RTA jg. Rh. 3, Nr. 85, S. 454 - 474. RTA jg. Rh. 3, Nr. 89, S. 487 - 490. RTA jg. Rh. 3, S. 490 f. RTA jg. Rh. 3, Nr. 89, S. 491. RTA jg. Rh. 3, Nr. 89, S. 492. RTA jg. Rh. 3, Nr. 89, S. 492 f. RTA jg. Rh. 3, Nr. 89, S. 493. RTA jg. Rh. 3, Nr. 89, S. 493 f. RTA jg. Rh. 3, Nr. 89, S. 486, s. a. ebd., S. 485, Anm. 1. Zur Frage der Reichsstandschaft der Städte s. u. Kap. 3.2.2.3.2.
128
3. Supplikation - Herkunft und Begriff
Alle hier genannten Beschwerdepunkte traten mutatis mutandis auch in sehr vielen Einzelsupplikationen auf, so daß sich an ihren Gegenständen orientierte Gruppen von Bitten und Beschwerden bilden lassen. Aufgrund einer solchen Einteilung kommt den Supplikationen bezüglich Gerichtswesen, Landfrieden und Reichsfinanzen eine besondere Bedeutung zu, denn sie machten quantitativ die große Masse der Bitt- und Beschwerdeschriften aus und stellten von ihrer Qualität her den Reichstag und den Supplikationsausschuß vor entscheidende Probleme hinsichtlich ihrer verfassungsrechtlichen Funktion. Da uns die Art und Weise ihrer Bearbeitung und Erledigung auf den Reichstagen nicht nur genauere Kenntnis von dem für Bitten und Beschwerden im allgemeinen zuständigen Ausschuß vermitteln, sondern auch vom Reichstag als Ständeparlament der frühen Neuzeit insgesamt, werden wir uns diesen Supplikationen nach der Behandlung des Supplikationsausschusses als Reichstagsgremium zuwenden 347 • Die übrigen Bitten und Beschwerden, deren Beantwortung nicht nur für den Supplikanten, sondern für das Reich insgesamt von Bedeutung war, lassen sich in Gruppen einteilen, die hier kurz vorgestellt werden sollen. 3.2.2.3. Andere Supplikationen
3.2.2.3.1. Supplikationen zur Abwehr äußerer Gefahr
Die Bedrohung des Reiches, insbesondere aber Österreichs durch die Türken gehört zu den Konstanten in der Geschichte des 16. Jh.s, ebenso die Hilfeersuchen, Bitten und Klagen der von der Türkengefahr unmittelbar Betroffenen im Südosten Europas an den Reichstag 34B • Um den Ernst der Lage zu unterstreichen, trugen die von den Türken bedrohten Fürsten ihre Bitten oft persönlich vor oder ließen lange Klageschriften verlesen, in denen ein Gedanke immer wiederkehrte: wenn dem Feind nicht schon an den Grenzen Einhalt geboten würde, dann wäre bald das ganze Reich gefährdet. Eine solche persönlich vorgetragene Rege liegt uns z. B. im Fall des Bischofs Franciscus Josephit Zsivkovich von Zengg in Kroatien vor, der am 1. 4. 1522 vor den Reichsständen die elende Lage in Ungarn schilderte und die Gefahren für das Christentum aufzeigte349• Nun war die Türkengefahr auf jedem Reichstag zur Zeit Karls V. ein Propositionspunkt, unter dem die Reichsstände meistens aber nur die finanziellen Möglichkeiten des Reiches und die Bereitwilligkeit zur s. u. Kap. 4.2.1. Siehe dazu Winfried Schulze, Landesdefension und Staatsbildung. Studien zum Kriegswesen des innerösterreichischen Territorialstaates (15641619), Wien, Köln 1971. 847
348
84D
RTA jg. Rh. 3, Nr. 12, S. 76 f.
3.2. Supplikationen in der Neuzeit
129
Hilfe erwogen. Nicht selten wurden Klagen der von den Türken bedrohten Fürsten und ihrer Landschaften deshalb im Supplikationsausschuß behandelt. So berichtete der Frankfurter Städtebote Fürstenberg am 2. 3. 1521 nach Hause, daß man sich am 28. 2. 1521 u. a. mit einer solchen Supplikation beschäftigt hätte: "Die von Crabaten beclagen sich, wie sie itz meher dan 70 jar von Turken zum dicker mal uberzogen, beraubt, verprent und verhert seien worden, sie, ire wiber und kind hinweg und zum aller schenlichsten geschleuft und gehalten haben. Dwil sie noch etlich schloss und feste haben, bietten sie cristlichem glauben zu nutz und gute innen mit etlicher ardalari, buxen und pulver zu hilf zu komen; wollen sie als bolwerk und vormauren Deutscher nation ire lib, leben und gut darzu zu strecken sich nit bevilen lassen350 ." Solche Supplikationen um Reichshilfe gegen die Türken liegen entweder im Wortlaut vor - so u. a. von den Reichstagen der Jahre 1522/ 23361 , 1524352 , 1530353 , 1532364 und 1541355 - oder es wird von ihnen berichtet. Abgesehen von der permanenten Türkengefahr wurde auch in anderen Fällen um Hilfe gegen einen Feind von außen gebeten. Herzog Friedrich von Holstein wandte sich auf dem dritten Nürnberger Reichstag an die Stände, ihn und die Reichsstadt Lübeck weiterhin als Mitglieder des Reiches zu betrachten und nicht aufgrund der Klagen des dänischen Königs Christian gegen ihn vorzugehen 356 • Sein Vetter Christian hatte sich zuvor bei Kaiser, Regiment, Kurfürsten und Fürsten darüber beklagt, von Friedrich aus seinen Ländern vertrieben worden zu sein; dies aber, so erklärte Friedrich, sei nur geschehen, weil ihm Christian sein väterliches Erbe vorenthalten habe und ihn als Herzog von H~lstein dem Reich entziehen wollte, um ihn zusammen mit Lübeck und anderen Städten unter seine Herrschaft zu bringen. Der Gesandte Gabriel von Eisenhofen überbrachte im Auftrage der Stadt Lübeck eine Supplikation an die Reichsstände, in der Lübeck darum bat, gegen Christian von Dänemark geschützt zu werden und die vom Regiment angekündigte Achtaussprechung zu verhindern357 • Christi an wurde vorgeworfen, den Frieden mit Lübeck und anderen Seestädten gebrochen und Lübecker Schiffe und Güter beschlagnahmt zu haben; sein Ziel wäre es, Lübeck vom Reich zu trennen. RTA jg. Rh. 2, Nr. 151, S. 811. RTA jg. Rh. 3, Nr. 51, S. 281 ff., Nr. 67, S. 362 f., Nr. 68, S. 363 f., Nr. 55, S. 323 - 328, Nr. 54, S. 321 - 323. 362 RTA jg. Rh. 4, Nr. 88, S. 433 f. 353 Tetleben, Protokoll 1530, S. 74, Str. Korr. I, Nr. 750; S. 462. 354 RKRTA 5, fol.l4'. 355 Str. Korr. II!, Nr. 196, S. 190. 358 RTA jg. Rh. 4, Nr. 132, S. 561 f. 357 RTA jg. Rh. 4, Nr. 133, S. 562 f. 350
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9 Neuhaus
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3. Supplikation - Herkunft und Begriff
Eine äußere Bedrohung war auch der Anlaß zu einer Supplikation des Hochmeisters des Deutschen Ritterordens an die Reichsstände, in der er das Verhältnis zu Polen ansprach 358• In ihr kam die Sorge zum Ausdruck, der von Polen bedrängte Deutsche Orden könnte aus Preußen verdrängt werden. Der Hochmeister bat deshalb die Stände, ihn bei Vermittlungsverhandlungen mit Polen zu unterstützen bzw. ihm im Fall des Scheiterns solcher Verhandlungen als Reichsstand zu helfen. Die Antwort auf "des hohmeisters suplication und furtrag vor den stenden des reichs bescheen" arbeitete ein eigens dafür eingesetzter Ausschuß aus, die sich dann "stadthalter, churfursten, fursten und stende des reichs" zu eigen machten. Darin lehnten sie das Hilfeersuchen aufgrund der Situation des Reiches ab, benannten aber Personen für einen Vermittlungstag in Wien und als Beistand für den Hochmeister359 • Auf dem Reichstag von 1524 wiederholte der Hochmeister seine Supplikation360, woraufhin die Stände an den König von Polen schrieben, sie wollten vor den Auseinandersetzungen mit den Türken Frieden unter den christlichen Herrschern schaffen, und ihn baten, mit dem Hochmeister einen mindestens vierjährigen Waffenstillstand zu schließen361 • 3.2.2.3.2. Supplikationen in Fragen der Reichsstandschaft Sowohl der Herzog von Holstein als auch der Hochmeister des Deutschen Ritterordens traten in der Zeit Karls V. sehr häufig auf den Reichstagen als Supplikanten auf. Meistens ging es in ihren Bittschriften dann um ihre finanziellen Verpflichtungen gegenüber dem Reich als von außen bedrohten Reichsständen und um ihre Reichsstandschaft in den Fällen, in denen sie aufgrund ihrer Situation zu ihren finanziellen Pflichtleistungen nicht fähig waren362 • Aber das Problem der Reichsstandschaft war noch sehr viel komplizierter und löste in vielen Einzelfällen äußerst schwer zu entscheidende Supplikationen aus. Auf allen Reichstagen der Zeit Karls V. stand die Frage der Reichsstandschaft der Reichsstädte und ihre Behandlung auf den Reichstagen zur Diskussion, in der es zu oft lebhaften Kontroversen kam. Auf jedem Reichstag hatten sie mit Kurfürsten und Reichsfürsten, Reichsgrafen und Reichsprälaten um ihre Anerkennung zu kämpfen; die Auseinandersetzungen entzündeten sich - wie wir sahen - meistens an der Frage der Besetzung von interkurialen Ausschüssen 363 • Im Kurfürsten- und Fürstenrat waren sie kaum aner358
359 360 301
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383
MEA RTA 4b, fol. 702r - 705 V ; s. a. RTA jg. Rh. 3, Nr. 116 D, S. 735. MEA RTA 4b, fol. 723r - 727v ; vgl. RTA jg. Rh. 3, S. 735, Anm. 2. RTA jg. Rh. 4, Nr. 25, S. 175. MEA RTA 4c, fol. 227 r - 229 v • s. u. Kap. 4.2.3. Zum Ringen der Reichsstädte um Stand, Stimme und Session auf den
3.2. Supplikationen in der Neuzeit
131
kannte Partner, was ja schon in der Arbeitsweise der Reichstage zum Ausdruck kam: wenn sich die beiden oberen Kollegien in einem Beratungspunkt geeinigt hatten, durften die Städte das Ergebnis nur hören und sollten ihm dann zustimmen. Daß die Reichsstädte im 16. Jh. anders gelagerte politische und wirtschaftliche Interessen hatten, mußten die Kurfürsten, Fürsten und Stände wiederholt zur Kenntnis nehmen, wollten ihnen auf den Reichstagen aber nicht Rechnung tragen. Bei dieser Haltung gegenüber den Reichsstädten kam es immer wieder zu kleineren und größeren Reibereien; aber die Städte wehrten sich gegen jede Ungleichbehandlung. Wie sie in ihrer Supplikation an den Kaiser vom 30. 4. 1522 darauf hinwiesen, Kurfürsten und Fürsten hätten sie zu den Beratungen über die Aufrichtung eines neuen Zolls nicht hinzugezogen364 , so supplizierten sie auch an die Stände und beschwerten sich über die Verweigerung der Erlaubnis, von wichtigen Schriftstücken im Zusammenhang mit der Türkenhilfe Abschriften zu nehmen, mit deren alleiniger Verlesung in der Reichsversammlung sie nicht zufrieden waren366 • In dieser Supplikation betonten sie, daß es für die Städteboten wichtig sei, sich bei ihren Beratungen auf schriftliche Unterlagen stützen zu können, da sie bei komplizierten Materien sonst nicht wüßten, wie sie sich entscheiden sollten. Außerdem habe man gerade zu diesem Zweck zu Beginn des Reichstages einen städtischen Schreiber neben die kurfürstlichen und fürstlichen Sekretäre verordnet. Ferner sei den Städten bisher die Abschrift von allen Schriftstükken erlaubt worden, zumal sie es mit der Geheimhaltungspflicht immer sehr genau genommen hätten. Schließlich verwiesen sie als "ain stand und glid des heiligen reichs" darauf, daß sie ein Anrecht auf eine gleichberechtigte Behandlung hätten, da sie ja auch sehr viel zur Türkenhilfe beitragen sollten366• Hier stellten die Reichsstädte also in einer Supplikation an die Reichsstände ein Junktim auf, mit dem sie androhten, nur dann die geforderten finanziellen und sachlichen Leistungen für das Reich erbringen zu wollen, wenn sie auf den Reichstagen als gleichberechtigte Partner der Kurfürsten und Fürsten anerkannt würden. Dieses Junktim der Reichsstädte ist kennzeichnend für ihre Haltung auf allen Reichstagen Karls V. Die Reichsstädte setzten ihre Politik von 1521 auf dem zweiten Nürnberger Reichstag von 1522/23 fort, als sie am 26. 12. 1522 vor den Reichstagen siehe Gerber, 1547/48, passim, Max Huber, Städtearchiv und Reichsstandschaft der Städte im 16. Jahrhundert, in: UIrn und Oberschwaben 35, 1958, S. 94 - 112, Gerhard Pfeiffer, Der Augsburger Religionsfriede und die Reichsstädte, in: Zeitschrift des Historischen Vereins für Schwaben 61, 1955, S. 213 - 321, Oestreich, Arbeitsweise, S. 221, 226 f. 384 RTA jg. Rh. 3, Nr. 31, S. 160. 385 RTA jg. Rh. 3, Nr. 20, S. 117 - 119. 368 RTA jg. Rh. 3, Nr. 20, S. 117 f. 9·
132
3. Supplikation - Herkunft und Begriff
Reichsständen in einer großen Supplikation367 an erster Stelle beklagten, daß "alle des reichs obligend und furfallende sachen on si beratschlagt und beschlossen" werden368. Als sich eine Antwort der Reichsstände auf diese umfassende Supplikation zu lange hinauszögerte, baten die Städteboten Mitte Januar 1523 noch einmal um deren Erledigung 369, und erhielten diese von dem kleinen Ausschuß am 23. 1. 1523 370 , allerdings in so ungenügender Weise, daß sie am 28.1.1523 erklärten, sie würden keinem Reichstagsbeschluß zustimmen, wenn sie keine bessere Antwort erhielten371 . Am 2.2.1523 bekräftigten sie gegenüber dem Statthalter und den Reichsständen dann noch einmal, daß sie "in ainich dis es reichstags furnemen beschluss und abschid kaineswegs konnten oder möchten bewilligen"872, da "auf kainen irer eingeben beschwerden nit allain kain endlicher, austraglicher beschaid oder hilf erfolgt ist, sonder das sich auch die bemelt antwurt hienach zu noch merer beschwerung gemainer frei- und reichsstett vermuttlich ziehen mag, zusampt dem, das sich auch ausserhalb solicher beschwerden, so wir in unser suplicacionschrift angezeigt, auf disem reichstag noch mer ander sachen zugetragen"378. Damit waren die Türkenhilfe, ein neuer Zoll und ein weiterer Anschlag zur Unterhaltung von Regiment und RKG gemeint, zuzüglich die erhöhten Anschläge, mit denen die Verminderung von Anschlägen für einige Städte aufgefangen werden sollte 874 • In diesem Sinne schrieb der sächsische Gesandte Philipp von Feilitzsch am 29.1.1523 auch an Herzog Johann von Sachsen876 , und so begründeten die Städteboten am 9. 2. 1523 ihre Haltung noch einmal gegenüber Erzherzog Ferdinand876, der sich persönlich in die Verhandlungen zwischen Reichsständen und Reichsstädten mit dem Ziel eingeschaltet hatte, die Städte für den Reichsabschied zu gewinnen, nachdem der Nürnberger Städtetag die Beschwerden am 6.2.1523 so festgehalten hatte877 und die städtischen Gesandten am gleichen Tage an Kaiser Kar! V. geschrieben hatten 378 . Am Ende des Reichstages aber standen sich die Standpunkte nach wie vor unvermittelt gegenüber, denn die oberen Reichsstände wiesen die städtischen Beschwer367
388 369 370 371
372
378 374 375
878 377 378
s. o. Kap. 2.2.1.
RTA jg. Rh. 3, Nr. 89, S. 486, s. a. ebd., S. 485, Anm. 1. RTA jg. Rh. 3, Nr. 90, S. 495 f. RTA jg. Rh. 3, Nr. 91, S. 496 - 508. RTA jg. Rh. 3, Nr. 92, S. 510. RTA jg. Rh. 3, Nr. 93, S. 513. RTA jg. Rh. 3, Nr. 93, S. 512. s. o. Kap. 4.2.3. Planitz, Br. 146, S. 345. RTA jg. Rh. 3, Nr. 97, S. 534 - 539. RTA jg. Rh. 3, Nr. 95, S. 518 - 529. RTA jg. Rh. 3, Nr. 96, S. 529 - 534.
3.2. Supplikationen in der Neuzeit
133
den als unbegründet zurück379 . Vor allem die geistlichen Reichsfürsten waren die Gegner der Städte, denn sie ärgerten sich insbesondere über den Beschwerdepunkt die geistliche Gerichtsbarkeit und die Gravamina gegen die Kirche betreffend380 . Dies war auch das Ergebnis der Auseinandersetzungen aller folgenden Reichstage, obwohl sich die Reichsstädte für ihre Supplikation auf dem dritten Nürnberger Reichstag vom 15.2.1524 bereits eine Beweisführung ihrer Argumentation erarbeitet hatten, die nur schwer zu widerlegen war381 • Sie wurde die Grundlage für alle weiteren Supplikationen, die sich gegen ihre Zurücksetzungen auf den Reichstagen wandten, wie mehrmals 1529 in Speyer382 , 1541 in Regensburg383, 1543 in Nürnberg384. Immer ging es dabei um Mitberatungsansprüche der Städte, die sie aber auch dann nicht durchsetzen konnten, wenn sie beispielsweise die Leistung ihrer Türkenhilfe davon abhängig machten 385 . Vom 6.3.1544 datiert eine weitere große zusammenfassende Supplikation der Reichsstädte an den Kaiser, über die wohl am 15. 3. 1544 beraten wurde 386 . In ihr äußerten sich die Städte ausführlich zu ihrer verfassungsrechtlichen Stellung auf den Reichstagen. In Form eines Libells mit petitio überreicht, war sie auf der Grundlage der 1543 von Juristen angefertigten Denkschrift "Summa und Inhalt aller undergebner Acten und darauf gestellter Ratschläg der erbarn Frey- und Reichsstätt Session, Stand und Stimm belangende" entstanden, in der sie die "wichtigsten Tatsachen über die Ausübung des Stimmrechts auf den Reichstagen des 15. und 16. Jahrhunderts" zusammenstellen ließen, um "endlich dem quälenden Hin und Her auf den Reichstagen ein Ende zu bereiten"387. Zum Höhepunkt im Kampf der Reichsstädte um Stand, Stimme und Session auf den Reichstagen des 16. Jh.s wurde nach den kriegerischen Auseinandersetzungen in der Mitte der vierziger Jahre der Augsburger Reichstag von 1547/48388 . Die Städte wurden keineswegs gleichberechtigt RTA jg. Rh. 3, Nr. 99, S. 543 - 554. So Planitz an Kurfürst Friedrich von Sachsen am 15. 1. 1523, Planitz, Br. 139, S. 323. 381 RTA jg. Rh. 4, Nr. 42, S. 317 - 322. 382 RTA jg. Rh. 7, 1, S. 690, 737, 823, 829; Kühn, 1529, S. 172 -175,218 - 221. 383 MEA RTA 7, II, fol. 5v , 17v , 167 r ff., 263 r ff.; vgl. Gerber, 1547/48, S. 172, 174 -176. 88' RK RTA 11, I, fol. 241 r - 250v • 386 SO Z. B. 1541. 388 RK RTA 12, I, fol. 35 r - 46v ; s. a. RK RTA 12, II, fol. 229 r - 242v . 387 Gerber, 1547/48, S. 174; zum ganzen Komplex ebd., S. 174 -178, Huber, Städtearchiv, S. 102 - 104. 388 Siehe dazu insbesondere Gerber, 1547/48, S. 179 - 208, Rabe, Reichsbund, S. 225, Sastrow, II, S. 150, 161 ff. 37U
380
134
3. Supplikation - Herkunft und Begriff
behandelt, sondern nach Belieben zu Beratungen hinzugezogen oder von ihnen ausgeschlossen; über die Verhandlungen der Kurfürsten unterrichtete man sie kaum, sie erfuhren von den verschiedenen Bedenken zu einzelnen Propositionspunkten oft nur "ad partern" und wurden vor vollendete Tatsachen gestellt; Abschriften wichtiger Schriftstücke verweigerte man ihnen wie bisher. Die Folge war, daß die Reichsstädte eine Reihe von Beschwerden verfaßten, in denen sie immer wieder auf ihre Situation aufmerksam machten. Der Kaiser selbst hat am 27.5.1548 für diesen Reichstag abschließend zu dem Thema "Stand, Stimme und Session der Reichsstädte" Stellung genommen, als er den Kurfürsten und Fürsten im wesentlichen zustimmte und die Parteien für die "erkantnus des ordenlichen rechtens" an das RKG verwies389 • Die in den zahlreichen Supplikationen der Reichsstädte angesprochene Mißachtung ihrer Rechte als Reichsstände war ohne Frage bedeutungsvoll für die innere Entwicklung des Reichstages als Verfassungsorgan. Daneben aber hat es noch zahllose Beschwerden anderer Reichsstände oder solcher, die Reichsstandschaft für sich beanspruchten, zu diesem Thema gegeben. Sehr oft standen sie im Zusammenhang mit Beschwerden gegen Reichsanschläge, wenn sich der Supplikant nicht als Reichsstand sah, oder mit Beschwerden darüber, daß der Supplikant nicht zur Zahlung von Anschlägen herangezogen wurde, obwohl er sich als zum Reich gehörig betrachtete39o• Grundlage für die Zugehörigkeit zum Reich als Reichsstand war für das 16. Jh. der Wormser Anschlag von 1521, der in der Praxis allerdings nicht unverändert blieb. Vor allem kleinere Stände pochten immer wieder auf ihre Reichsstandschaft, weil sie nicht in die Abhängigkeit eines mächtigen Landesfürsten kommen wollten. Dies wird deutlich an der Supplikation der Harzgrafen von 1547/48, auf die in anderem Zusammenhang ausführlich einzugehen sein wird 39 1, aber auch aus einer Beschwerde des Abtes vom Kloster Keysersheim, der sich 1530 dagegen wehrte, daß des Klosters Erbkastenvogtei den Herzögen Ottheinrich und Philipp gegeben werde, da das Kloster unmittelbar zum Reich gehöre. Die Kurfürsten antworteten am 29.7.1530 darauf, der Abt solle sich an den Kaiser Str. Korr. IV, Nr. 776, S. 968 f., Anm. 4. Siehe hierzu im Zusammenhang Kap. 4.2.3. 391 s. U. S. 218 ff. Vgl. ebenso den Streit zwischen dem Bischof von Meißen und dem Kurfürsten von Sachsen im Jahre 1541: RK RTA 7, VIII, 28, fol. 103 r ff., die Auseinandersetzungen desselben Kurfürsten mit dem Burggrafen von Meißen, die u. a. Supplikationen von 1547/48 an Kaiser, Kurfürsten, Fürsten und Stände belegen: MEA RTA 16, J, fol. 597 r ff., und einen Streit im Fürstenrat zwischen Hz. Albrecht und einem Freiherrn von Fronhoffen, der sich in der Mainzer Kanzlei gemeldet hatte: MEA RTA 38, fol. 10 r , v. 389
390
3.2. Supplikationen in der Neuzeit
135
wenden, dem sie die Sache übergeben hätten392 • Zuvor aber hatten sie am 11. 7. 1530 eine Bitte der beiden Herzöge an den Kaiser und sie selbst, sie mit der Kastenvogtei zu beleihen, schon bewilligt und sich dabei auf eine Kölner Entscheidung aus der Zeit Maximilians 1. berufen. Der Kaiser hatte seine Einwilligung nicht ohne die der Kurfürsten geben wollen s93 . Damit war die Supplikation des Abtes abgelehnt, weshalb Tetleben zum 29.7.1530 in seinem Protokoll vermerkt: "Doemydt hath der arm abt seyn absceyd gehabt und wyrd mydt unrecht unforhort in groes muhe und arbeyt gefurt. Steth druff, wu er vom reich abgeteilt werd durch dey fursten von Beyern, ghar verdorben werden und das kloster verstort394." Ob Niederwesel eine Fürstenstadt des Herzogs von Jülich oder eine Reichsstadt war, darum ging es in der Supplikation eines Heinrich Krampf aus dem Jahre 1524395 . Entschieden werden sollte die Frage schließlich vor dem RKG396. Die Reichsstandschaft der Stadt Mühlhausen in Thüringen war 1532 Gegenstand einer Supplikation der Reichsstädte an den KaiserS97 , die dieser an die Reichsstände weiterleitete. Diese wiesen in ihrem Bedenken vom 8.7.1532 auf den Augsburger Abschied von 1530 hin, in dem die Rechte Sachsens und Hessens festgehalten waren, die eine Restitution nicht zuließen398. 1544 stand zur Diskussion, ob der erwählte Abt des Klosters Echternach als Administrator Reichsstandschaft besaß und seinen Sitz auf dem Reichstag hatte, was der Supplikationsausschuß bejahte399• 1542 bestätigte Karl V. dem Bischof Adrian von Sitten (WaIlis) auf seine Supplikation hin, daß er ein Reichsstand mit Sitz und Stimme auf den Reichstagen jetzt und in Zukunft sei4oo •
Mit dem Problem der Reichsstandschaft eng verbunden ist die Frage der sog. "Session" auf den Reichstagen. Streitigkeiten darüber hat es auf allen Reichstagen in Kurfürsten- und Fürstenrat gegeben, nicht selten haben sie die Arbeit des Ständeparlaments erheblich verzögert. Der folgenschwerste Streit dieser Art war der Umfragestreit zwischen den Kurfürsten von Mainz und Sachsen401 • Die Supplikationen in dieTetleben, Protokoll 1530, S. 96. Tetleben, Protokoll 1530, S. 87. 3D( Tetleben, Protokoll 1530, S. 96. 395 RTA jg. Rh. 4, Nr. 25, S. 134 f., 136; Nr. 146, S. 588, S. 558 mit Anm. 2. 398 RTA jg. Rh. 4, Nr. 25, S. 141. 397 MEA RTA 6b, fol. 172 r • 398 MEA RTA 6b, fol. 173r • 399 MEA RTA 9, fol. 575 r , v; zu einer Supplikation des Abtes von Hersfeld vgl. MEA RTA 9, fol. 577r • 400 RK RTA 9, VI, 31, fol. 63 r • 401 Auf diesen Streit, der in der Zeit der konfessionellen Konfrontation aV!
393
136
3. Supplikation - Herkunft und Begriff
ser Frage bezogen sich immer auf die Reihenfolge in der Session, die zugleich eine Rangfolge war, aber bei Abstimmungen auch von politischer Bedeutung sein konnte, was im System der Umfrage begründet lag. Wie wichtig sie genommen wurden, zeigt die Tatsache, daß auf dem Reichstag von 1541 eine Gruppe "Supplication streitige Session einiger Reichsstände betreffend"402 von anderen Bitten und Beschwerden unterschieden wurde. Da Sessionsfragen auf einem Reichstag immer nur gütlich beigelegt werden konnten, waren sie nie eine Angelegenheit des Supplikationsausschusses, sondern der direkten Auseinandersetzung der streitenden Reichsstände in den Kurien. Einen Geschäftsordnungsausschuß kannte der alte deutsche Reichstag nicht403 . In besonders schwierigen Fällen hatten sich alle Reichsstände mit den Sessionsstreitigkeiten zu befassen. So etwa 1547/48 in Augsburg, als die Bischöfe von Lüttich und Münster an Kaiser und Reichsstände supplizierten, sie hätten als Suffragane des Erzbischofs von Köln seit alten Zeiten Stand und Session im Reichsrat und bäten darum, daß ihnen die ihnen zustehenden Plätze vor den Suffraganen des Erzbischofs von Salzburg, also z. B. des Bischofs von Freising, gegeben werde404. Oder es kam zur Einsetzung einer Kommission, wie der Fall des Streites zwischen dem Hochmeister des Johanniter-Ordens mit den gefürsteten Äbten von Fulda, Kempten, Mauerbach und Weissenburg aus dem Jahre 1544 zeigt 405 . Die Äbte wollten im Reichsrat in der Reihenfolge direkt hinter den Bischöfen sitzen, wogegen sich der Hochmeister wehrte. Mit dem Auftrag, den Streit gütlich beizulegen oder dafür zu sorgen, daß auf gegenwärtigem Reichstag der Johanniter "ob den benanten gefursten Abten und also gleich nach den Bischofen die Session haben soll", setzte der Kaiser eine Kommission ein, der die Bischöfe von Speyer und Augsburg und der Abt Gerwig von Weingarten angehörten4oo • noch einen besonderen Akzent bekam, ist hier nicht einzugehen. Bemerkenswert ist, daß er auf den Reichstagen immer wieder ausbrach, obwohl es 1529 in Speyer zu einem Vertrag zwischen dem Ebf. v. Mainz und dem Hz. v. Sachsen gekommen war (RTA jg. Rh. 7, 2, Nr. 141, S. 1269): so war es auf dem Regensburger Reichstag von 1541 (MEA RTA 7, II, fol. 35 r - 37v) notwendig, daß an diesen Vertrag erinnert und betont wurde, daß er auch für die Nachfolger der vertragsschließenden Kurfürsten gültig sein sollte (ebd., fol. 36v , 37 r). Man kann diesen Vertrag deshalb als einen Grundsatz der Reichstags-Geschäftsordnung der Zeit Karls V. bezeichnen. {02 RK RTA 7, VIII, 12. '03 1541 setzte der Kaiser allerdings eigens eine Kommission ein, die die strittigen Sessionsfragen klären sollte: RK RTA 7, VIII, 12, fol. Ir. 404 MEA RTA 16, J, fol. 471 r, 594r. 405 MEA RTA 9, fol. 584r - 585v. 408 MEA RTA 9, fol. 584r, v.
3.2. Supplikationen in der Neuzeit
137
Nicht selten wurden Sessionsstreitigkeiten vertagt, wie eine Supplikation des Bischofs von Hildesheim zeigt. Nachdem 1543 in Nürnberg ein solcher Beschluß gefaßt worden war, erinnerte der Bischof 1544 daran, daß sein Streit mit den Bischöfen von Konstanz, Augsburg und anderen noch nicht beigelegt sei, und bat den Mainzer Kanzler, die Sache "bey des Reichs Acten und Handlungen zu registrieren, prothocollieren und zubehalten"407.
3.2.2.3.3. Supplikationen gegen Einrichtungen des Reiches Reichsregiment und Reichskammergericht waren als Ergebnisse der Reichsreformbemühungen an der Wende vom 15. zum 16. Jh. nie unumstritten, was sich gerade auch nach dem Regierungsantritt Karls V. zeigte. Zu sehr waren sie Kompromisse zwischen Kaiser und Reichsständen und zwischen reformfreundlichen und reformfeindlichen Reichsständen gewesen408. Das auf dem Wormser Reichstag von 1521 eingesetzte Reichsregiment409 war auf dem dritten Nürnberger Reichstag von 1524 schon so umstritten, daß es selbst zu einem der wichtigsten Beratungsgegenstände wurde. Bereits zum 20.2.1524 vermerkte Georg von Klingenbeck, der Rat des Hochmeisters Albrecht von Preußen, in seinen Aufzeichnungen über Verhandlungen auf dem Reichstage: "Nachdem man nun desselben tags zu den haubthendeln greifen wold, stiess sichs erstlich an dem regiment und desselben personen", und er berichtete von den Kurfürsten, daß sie "mit dem regiment nichts ze thun haben" wollten 410. Die Gründe dafür wurden aus vielen Beschwerden deutlich, MEA RTA 9, fol. 588 r . Zur Reichsreform insgesamt: Hartung, Verfassungsgeschichte, S. 17 - 23; Oestreich, Verfassungsgeschichte, S. 366 - 373. Siehe ferner aus der Spezialliteratur: Fritz Hartung, Die Reichsreform von 1486 -1495. Ihr Verlauf und ihr Wesen, Historische Vierteljahrsschrift 1913, S. 24 - 53, 181 - 209; Eduard Ziehen, Mittelrhein und Reich im Zeitalter der Reichsreform 1356 - 1504, 2 Bände, Frankfurt 1934, 1937; Eduard Ziehen, Frankfurt, Reichsreform und Reichsgedanke 1486 - 1504, Berlin 1940; Gerhard Kallen, Der Reichsgedanke in der Reformschrift "De concordantia catholica" des Nikolaus von Cues, Neue Heidelberger Jahrbücher, 1940, S. 59 -76; Karl Siegfried Bader, Kaiserliche und ständische Reformgedanken in der Reichsreform des endenden 15. Jahrhunderts, Historisches Jahrbuch 73, 1953, S. 74 - 94; Heinz Angermeier, Begriff und Inhalt der Reichsreform, ZRG Germ. Abt. 1958, S. 181 - 205; Hermann Wiesflecker, Maximilian 1. und die Wormser Reichsreform von 1495, Zeitschrift des Historischen Vereins für Steiermark 1958, 49, S. 3 - 66; Hermann Heimpel, Studien zur Kirchen- und Reichsreform des 15. Jahrhunderts, I und H, Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-historische Klasse 1929/30, 1974. 409 Vgl. Regimentsordnung vom 26.5.1521: RTA jg. Rh. 2, Nr. 21, S. 222407 408
233.
410
RTA jg. Rh. 4, Nr. 26, S. 194.
138
3. Supplikation - Herkunft und Begriff
die sich - gleich zu Beginn des Reichstages eingereicht Regiment wandten411 •
gegen das
Die wohl umfassendste Beschwerde ließen die Kurfürsten von Trier und von der Pfalz und der Landgraf von Hessen vorbringen, in der sie sich gegen ein Urteil in der Angelegenheit Frowins von Hutten wehrten412 , der sich ihrer Meinung nach an den Unternehmungen Franz von Sickingens beteiligt hatte 413 • Sie warfen dem Regiment Ungerechtigkeit und Parteilichkeit vor und begründeten ihren Vorwurf mit 37 Punkten; dabei beschuldigten sie die Richter der Befangenheit, sahen das Regiment ordnungswidrig besetzt, warfen ihm Anmaßung einer ihm nicht zustehenden Jurisdiktion und Verletzung der Prozeßordnung vor und anderes mehr414 • Die Beschwerde des Bischofs Konrad von Würzburg gegen das Reichsregiment415 umfaßte sechs Punkte, die sich gegen die Einmischung des Regiments in landesherrliche Angelegenheiten wandten und ihm Bruch des Reichsrechtes vorwarfen. Der Bischof beschwerte sich darüber, daß er auf Anweisung des Reichsregiments die geistlichen Räte Johann Apel und Dr. Friedrich Fischer wieder freilassen mußte, die er - indem er gemäß dem Wormser Edikt handelte - wegen ihrer Verehelichung hatte festnehmen lassen; er wandte sich gegen die Geleitserteilung durch das Regiment für einige Domherren, die er verweigert hatte, nachdem sie sein Territorium wegen der neuen religiösen Lehre verlassen hatten; einen gegen ihn vom Regiment begonnenen Prozeß aufgrund einer Klage des Abtes von Ebrach hielt der Bischof von Würzburg für rechtswidrig, nachdem der Abt, der sich dem Schutz und Schirm des Bischofs entziehen wollte, 1521 auf dem Wormser Reichstag vom Kaiser mit seiner Klage abgewiesen worden war; die Geleitserteilung an den Abt durch das Regiment war ein weiterer Klagepunkt, denn dadurch entzog sich dieser der Gehorsamspflicht gegenüber dem Bischof; im Fall des Georg Raminger forderte der Bischof die Einstellung des Prozesses wegen Geleitsbruch gegen ihn und die Rückgabe des Urfehde-Rechts416 ; und schließlich warf der Bischof von Würzburg dem Regiment vor, ihn im Kampf gegen Linhardt von Ebenhaim, einen bekannten Ächter, hilf- und rechtslos gelassen zu haben, indem das Regiment ein Hilfeersuchen des Kapitels und Stifts von St. Johann in Vgl. etwa RTA jg. Rh. 4, Nr. 26, S. 187, 191 f. s. u. Kap. 4.2.1. 413 RTA jg. Rh. 4, Nr. 121 A, S. 526 - 529. 414 RTA jg. Rh. 4, Nr. 121 A, S. 528 f.; das Regiment wies die Anschuldigungen in zwei Antworten am 16.2. und 17.3.1524 zurück: RTA jg. Rh. 4, Nr. 121 B, S. 529 - 532; Nr. 121 D, S. 534 - 537. 415 RTA jg. Rh. 4, Nr. 122 A, S. 537 f. 416 Zum Fall Ramingers s. o. S. 88, 102 - 104. 411
412
3.2. Supplikationen in der Neuzeit
139
Würzburg damit beantwortet hatte, daß die Klagenden an den Schwäbischen Bund verwiesen wurden. Daß der Reichstag die höchste und letzte Stelle im Reich war, an die man sich supplizierend wenden konnte, zeigt der Fall des Straßburger Gesandten Daniel Mieg, der turnusgemäß für Straßburg neben einem Lübecker Gesandten im Regiment sitzen sollte, was Statthalter und Regiment aber mit der Begründung nicht zuließen, Straßburg habe die Messe abgeschafft417 . Die Reichsstädte beschlossen, in dieser Angelegenheit, in der sie um ihre verfassungsmäßigen Rechte bangen mußten, denn Mieg war gemäß der Wormser Regimentsordnung von 1521 einer von zwei Vertretern der gesamten Reichsstädte, zuerst an König und Regiment zu supplizieren und an den Reichstag nur, wenn sie vorher erfolglos geblieben waren. Von ihrem Erfolg machten sie zudem die Zahlungen für den Unterhalt von Regiment und RKG abhängig 418 • Als das Regiment eine ablehnende Haltung einnahm und die Wiedereinführung der Messe durch Straßburg forderte, haben sich am 17.4. 1529 "gemein stete entschlossen, an alle stende zu supplicieren"419. Diese Supplikation enthielt auch allgemeine Beschwerden über das Regiment und wurde am 19.4.1529 vor Kurfürsten und Fürsten und den übrigen Reichsständen verlesen420 . Bei Supplikationen im Zusammenhang mit dem RKG421 ging es in erster Linie um Fragen der Präsentation. So übergaben z. B. am 14.4. 1529 drei fränkische Bischöfe Ferdinand und den Reichsständen eine Beschwerde422 , in der sie die Kreisstandschaft der weltlichen Stände ansprachen 423, sich über deren Bevorzugung bei der Besetzung von Stellen am Reichsregiment und vor allem am RKG beklagten, die den Reichskreisen zustanden42 4, und darum baten, das Regiment zu veranlassen, eine Person für den Fränkischen Kreis an das RKG zu berufen, die die geistlichen Fürsten repräsentierte425 • Diese Supplikation der Bischöfe von Würzburg, Bamberg und Eichstätt wurde später gegenüber dem Kaiser wiederholt und richtete sich u. a. gegen Markgraf 417 RTA jg. Rh. 7, 1, S. 737, 746. 418 RTA jg. Rh. 7, 1, S. 737, 746; vgl. auch Str. Korr. I, Nr. 591, S. 344;
Supplikation ebd., S. 345 f.; siehe ferner ebd., Nr. 597, S. 352. 419 RTA jg. Rh. 7, 1, S. 762; vgl. Str. KOIT. I, Nr. 594, S. 348. 420 RTA jg. Rh. 7, 1, S. 780; Str. Korr. I, Nr. 597, S. 352; Supplikation: RTA jg. Rh. 7, 2, Nr. 139, S. 1266 f., Str. Korr. I, S. 353 f. 421 s. a. andere Supplikationen im Zusammenhang mit dem Gerichtswesen, Kap. 4.2.1. 422 RTA jg. Rh. 7, 2, Nr. 129, S. 1246 - 1248. 423 RTA jg. Rh. 7, 1, S. 736. 424 RTA jg. Rh. 7, 2, Nr. 129, S. 1247. 425 RTA jg. Rh. 7, 2, Nr. 129, S. 1248.
140
3. Supplikation - Herkunft und Begriff
Georg von Brandenburg426 • Der Kaiser gab die Beschwerde zur weiteren Bearbeitung an die Reichsstände, die einen Vermittlungsvorschlag ausarbeiten sollten427 • 1551 beschwerten sich die Bischöfe Weygand von Bamberg, Melchior von Würzburg und Moritz von Eichstätt und der Deutschmeister Wolfgang erneut und forderten die Parität von geistlichen und weltlichen Ständen des Fränkischen Kreises am RKG428. Ihre Supplikation wurde von Karl V. den Gesandten der weltlichen Stände dieses Kreises mit der Bitte um Stellungnahme zugestellt429 .
Auf dem Augsburger Reichstag von 1547/48 beschwerte sich der Abt Wolfgang von Kempten beim Kaiser über die Benennung der schwäbischen Kreisfürsten für die Präsentierung am RKG43o. Desgleichen taten die Grafen und Herren des Rheinischen Kreises431 . Die kaiserlichen Räte gaben die Supplikationen an die Mainzer Kanzlei und damit an die Reichsstände zur weiteren Bearbeitung ab432 . Am 28.4.1548 wurde dem Kaiser die reichsständische Relation auf die Supplikationen des Abtes von Kempten, der schwäbischen Grafen, Prälaten und Freiherrn und der Grafen und Herren des Rheinischen Kreises zugestellt, in der sie die Beschwerden als grundlos zurückwiesen433 • In anderen Supplikationen ging es nicht darum, vom Reichstag eine quasi-gerichtliche Entscheidung zu erlangen, sondern eine Absichtserklärung zu erwirken, daß die Reichsstände für die Verwirklichung des Rechtes eintreten wollten. So supplizierte Achim von Bredow gegen Kurfürst Joachim von Brandenburg und bat darum, daß ihm der Rechtsweg nicht versperrt würde, sondern daß sein Hab und Gut geschützt würde434 • Justina Rosenhoferin supplizierte gegen den Erzbischof von Mainz und strebte ein RKG-Urteil an, das die Exekution gegen den Kurfürsten befahl435 . Sollte sie das nicht erreichen, forderte sie für sich und ihre Kinder eine ausreichende Unterhaltung. Die MEA RTA 6b, I, fol. 327 r. MEA RTA 6b, I, fol. 361 v • 428 MEA RTA 20, fol. 258 r ff. 429 MEA RTA 20, fol. 262v • 430 RK RTA 21, 111, 20, fol. 153 v • 431 RK RTA 21, 111, 22, fol. 157V• 432 RK RTA 21, 111, 21, fol. 155v ; RK RTA 21, 111, 23 fol. 158r, dort wird auf die Supplikationen bezug genommen, die "die Prelaten, Graven und Herren des Schweb ischen und Reinischen Kraiß" eingereicht hatten mit der Bitte, "in der neuen Camergerichtsordnung zu inserieren, wie im frankischen und westfalischen Kraiß, damit sie bey irem herkamen der presentation an das Camergericht bleiben möchten". 433 MEA RTA 16, J, fol. 588r, v. 434 Förstemann, Bd. 11, Nr. 160, S. 284; Nr. 193, S. 442. 435 Förstemann, Bd. 11, Nr. 160, S. 284; Nr. 193, S. 443. 428 427
3.2. Supplikationen in der Neuzeit
141
Reichsstände traten für eine schnelle Erledigung der Angelegenheit in Anbetracht der Tatsache ein, daß die Supplikantin arm war und der Rechtsstreit schon über dreißig Jahre dauerte 436 . In einer zweiten Supplikation bat die Rosenhoferin die Reichsstände, sie möchten dafür sorgen, daß das Urteil auch ausgeführt wurde oder daß sie zumindest die ihr zugesprochene Geldsumme erhielt, was ihr zugesagt wurde437 . In ihrem Bedenken betonten die Reichsstände, sie wollten sich beim RKG für eine schnelle Beendigung des Prozesses verwenden438 und beim Erzbischof von Mainz dafür eintreten, daß das Geld sofort ausbezahlt werde439 . Heinrich von Holstein bat die Reichsstände um Fürbitte beim Kaiser, damit er in seinem Streit mit Herzog Albrecht von Mecklenburg nach der Reichsordnung geschützt werde 440 . Gleichzeitig bat er darum, in seiner Angelegenheit Herzog Erich von Braunschweig zum Kommissar zu bestellen und seine Familie bis zur Beendigung des Streites unter Schutz zu stellen441 . Um Aufhebung der Acht sollten die Reichsstände beim Kaiser für Herzog Heinrich von Braunschweig und Lüneburg bitten, damit er seine Sache vor dem Reichstag vertreten konnte442 • 3.2.2.3.4. Supplikationen in Zoll- und Wirtschaftsangelegenheiten Am 17. 5. 1521 schrieben die Gesandten Hans Bock, Conrad von Duntzenheim und Martin Herlin nach Straßburg, am 15. 5. sei ihnen von Kurfürsten und Fürsten u. a. erklärt worden, "man wel ouch von eim zol reden, der in dem rich ufgeriecht solt werden, namlich von hündert gl. 5 gl. zoll, von allen wo ren, die us frembden landen in Dutzland kumen, und us Dutzland in frembden landen kernen, nitz usgenumen"443. Es handelte sich hierbei um die Aufrichtung eines neuen Zolls, mit dem das neugeschaffene Reichsregiment und das RKG finanziert werden sollten, wie der kleine Ausschuß am 13. 5. 1521 vorgeschlagen hatte. Dagegen aber wehrten sich die Reichsstädte in einer langen Eingabe 444 , denn sie traf ein solcher Zoll in erster Linie.
Förstemann, Bd. H, Nr. Förstemann, Bd. H, Nr. 438 Förstemann, Bd. H, Nr. 4SU Förstemann, Bd. H, Nr. uo Förstemann, Bd. H, Nr. 441 Förstemann, Bd. H, Nr. 442 Förstemann, Bd. H, Nr. 438
437
443 444
193, S. 443 f. 193, S. 445 f. 194, S. 448. 194, S. 449. 160, S. 286. 193, S. 442 f. 193, S. 444 f. Str. Korr. I, Nr. 86, S. 48 f. RTA jg. Rh. 2, Nr. 53, S. 412 - 419.
142
3. Supplikation - Herkunft und Begriff
Da sie damit keinen Erfolg hatten, richteten die Reichsstädte auf dem folgenden ersten Nürnberger Reichstag erneut eine Beschwerde an die Stände, die von vier städtischen Gesandten ausgearbeitet worden war445 , und übergaben am 30. 4. 1522 - als sie den Zoll noch immer nicht verhindert hatten, ja, ihre Supplikation von den Ständen noch nicht einmal beantwortet worden war446 - eine Supplikation an den Kaiser447 • In dieser Bitte und Beschwerde wiesen die Reichsstädte darauf hin, daß die Stände den Zoll "ausserhalb unser, der frei- und reichsstett geschickten sendpotten" beraten und beschlossen hätten und machten darauf aufmerksam, daß ein solcher Zoll eine Rückläufigkeit des Handels und Gewerbes in den Städten zur Folge haben und deshalb für das ganze Reich nachteilig sein würde. Die Einführung eines allgemeinen Reichszolls beschäftigte den zweiten Nürnberger Reichstag im Januar 1523 offenbar wieder sehr intensiv, wie verschiedenen Korrespondenzen zu entnehmen ist448 • Am 27.1. 1523 berichtete darüber der Rat Dr. Nikolaus Hanau an Bischof Konrad von Würz burg: "So sitzt man itzun uber dem zoll, so zu unterhaltung regiments, camergerichts, der execucion und aller ander des reichs notturft allein von kaufmansguttern, so aus und in Theusch nacion gefurt, genomen werden soll, ausgenomen alles getreid, auch alle wein, pferd, ochsen, schaff, schwein und ander thiere und vie, kesse, salz, schmalz, butter und ander etc., di in dissem zoll, dieweil solch stuck zu eins jeden, er sei arm oder reich, notturft dienen, nit begriffen werden sollen etc. Und sein die stend ausserhalb di stedt gemeiniglich in willes, den zoll alhie, ehe sie von hinen verucken, entlich zu beschliessen und kair. Mt. zuzuschicken, wiewol ich begert, den zu berathschlagen und in abschied uf weiter bedenken zu setzen, so besurg ich, doch di stedt und ich werden es schwerlich dohin pringen, angesehen das ein zoll aufzurichten hievor auf nechstvergangnem reichstag von stenden bewilget und kair. Mt. zugeschrieben ist wurden, und auch disser zoll dem gemein armen man nit, sunder allein den reichen, die solch gutter kaufen mussen, beschwerlich sein wirt; und so solcher zoll aufgericht, so werden die stend der unterhaltung des regiments, camergerichts und execucion ganz erlidiget 449." Ziel des Reichszolls war es also wie Bürgermeister Hans Holdermann am 9. 1. 1523 bestätigte450 - , die 445 RTA jg. Rh. 3, Nr. 26, S. 147; vgl. auch Brief Fürstenbergs an Frankfurt vom 14.4.1522: RTA jg. Rh. 3, Nr. 134, S. 787. 446 So der Nördlinger Gesandte Nicolaus Feßner am 27.4.1522 an seinen Rat: RTA jg. Rh. 3, Nr. 142, S. 793. 447 RTA jg. Rh. 3, Nr. 31, S. 160 f. 448 So z. B. Holzhausens Brief an Frankfurt vom 17.1. 1523: RTA jg. Rh. 3, Nr. 235, S. 905. 449 RTA jg. Rh. 3, Nr. 241, S. 909. 450 RTA jg. Rh. 3, Nr. 228, S. 898.
3.2. Supplikationen in der Neuzeit
143
Eintreibung von Geldern der Reichsstände praktikabler zu machen und auf eine sichere Basis zu stellen; aber er sollte nicht auf lebenswichtige Güter, sondern nur auf Luxusartikel, Seide und ähnliche Waren erhoben werden 451 . Mitte Januar 1523, als sich wohl schon die Verabschiedung einer Zollordnung abzeichnete, beschwerten sich die reichsstädtischen Gesandten noch einmal dagegen, daß "zu bestendiger underhaltung seiner Mt. regiment und camergericht etc. ain zol allenthalben im heiligen reich aufgericht" werden soll, weil er "ganz ain untraglicher last [... ] auch den merern tail aller stende, zuvor den erbarn frei- und reichsstetten ganz nachtailig und untraglich, darzu ain abnemen des heiligen reichs zum höchsten furderlich sein wurde"452. Zur Untermauerung ihrer Haltung führten sie dann acht Gründe an, in denen sie darauf verwiesen, daß im Reich wie in keinem Land sonst Zölle entrichtet werden müßten, die den gemeinen Mann besonders träfen, was für den Frieden im Reich nicht förderlich sei; der Handel mit dem Ausland würde nachteilig betroffen, zumal ausländische Kaufleute kaum ihre Geschäftsgeheimnisse offenbaren würden; außerdem würde der transeuropäische Handel das Reich umgehen, was dem Reich bei Wegfall z. B. der Rheinzölle Mindereinnahmen statt Mehreinnahmen brächte; durch erhöhte Zölle würde die Sicherheit auf den Straßen nicht größer; der Gewinn der Kaufleute dürfe nicht weiter geschmälert werden, da ihr Beruf sehr gefährlich und unsicher sei; die Aufrichtung der neuen Zollverwaltung würde einen erheblichen Teil der neuen Einnahmen verschlucken453 . Neben der Einführung eines allgemeinen Reichszolls waren lokale Zölle Gegenstände einer Reihe von Supplikationen. Der bereits an anderer Stelle erwähnte Philipp von Hanau supplizierte gegen die Stadt Straßburg, daß sie ihm von ihrer Flößerei auf der Kinzig bei Willstett keinen Zoll bezahlte, und berief sich dabei auf alte kaiserliche Privilegien, die ihm das Recht zur Zolleinnahme gäben. Ferner beschwerte er sich, daß Straßburg bei Neumühl auf seinem Gebiet einen Holzfang in die Kinzig gebaut habe454 • Der kaiserliche Rat als Empfänger dieser Supplikation leitete sie am 18. 5. 1541 mit der Bitte um Stellungnahme an den Straßburger Gesandten weiter 455 . Jakob Sturm wies die Beschwerde am 25. 5. 1541 zurück und wollte vor einer endgültigen Beantwortung erst mit seinem Rat Kontakt aufnehmen456 • 451 So auch Holzhausen am 26.1.1523 in einem Brief nach Frankfurt: RTA jg. Rh. 3, Nr. 240, S. 908. 452 RTA jg. Rh. 3, Nr. 109, S. 641 f. 453 RTA jg. Rh. 3, Nr. 109, S. 642 - 644. 454 Str. Korr. III, Nr. 194, S. 186, Anm. 4. 466 RK RTA 7, VII, zum 18.5.1541. 458 Str. Korr. III, S. 186, Anm. 4.
144
3. Supplikation - Herkunft und Begriff
Gegen den Zoll auf der Oder bei Küstrin richtete sich eine andere Supplikation vom Augsburger Reichstag von 1547/48. In ihr wurden Nachteile und Beschwerungen durch diesen lokalen Zoll für die umliegenden Territorien beklagt457 . 1555 in Augsburg nahmen Beratungen über Beschwerden gegen die Zollerhöhung an der Geislinger Steige in Württemberg einen breiten Raum ein458.
Waren Supplikationen in Zoll angelegenheiten allein Sache der Kurfürsten, so hatten sich alle Reichsstände mit Bitten und Beschwerden im Wirtschaftsbereich zu beschäftigen. Die an Statthalter und Regiment gerichtete Supplikation des Hochmeisters von Preußen wandte sich gegen die Behauptung des Fiskals, der Supplikant betreibe ein Monopol, indem er den Bernstein nur an den Augsburger Andreas Grander verkaufe 46D . Der Hochmeister erklärte, daß, "obwol die gemelten Grander sampt iren anhengern nu etzliche jar von uns den obgemelten augstein[460] [...] zum teil gekauft, haben wir inen doch denselben stain nie in ir ainige hande, sonder auch andern mehr kaufleuten und hendlern [... ] verkaufen lassen, daneben mit obenenten Grander nie keinen bestendigen, fur und fur werenden kauf deshalb gehabt"461; zugleich wies er darauf hin, daß der Bernstein, wenn er "in ein hand oder einer geselschaft allein gegeben oder vorkauft wurdt", nicht der Monopolgesetzgebung unterliege, da "gemainen nutz damit [kein] nachteil zugefugt" werde462 . Die Beschwerde der Stadt Ausgsburg vom 6. 2. 1524 gegen das Regiment bezog sich auf Ladungen und Klagen des Fiskals gegen Kaufleute aus Augsburg und Nürnberg, die verbotene Kaufmannschaft und Monopolien getrieben haben sollen 463 . Die Augsburger begründeten ihre Supplikation damit, daß das Regiment für solche Fälle, sollten sie tatMEA RTA 16, J, fol. 569r, v. MEA RTA 38, Kurfürstenratsprotokoll, fol. 402 r, 489 V, 496 v, 607 v, 608 r, 627 v, 713 r, 716 r, 757 r, 795 r ; Ernst, Briefwechsel, III, Nr. 94, S. 222, Anm. 9. 458 RTA jg. Rh. 4, Nr. 124 C, S. 545 - 547. Zur Wirtschafts- und Monopolgesetzgebung in der frühen Neuzeit siehe: Fritz Btaich, Die Reichsmonopolgesetzgebung im Zeitalter Karls V. Ihre ordnungspolitische Problematik, Stuttgart 1967; Fritz Btaich, Die Wirtschaftspolitik des Reichstags im Heiligen Römischen Reich, Stuttgart 1970; siehe ferner die einschlägigen Beiträge im Handbuch der deutschen Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Bd. 1, hg. v. Hermann Aubin und Wolfgang Zorn, Stuttgart 1971; dort auch weitere Literatur. [480] "den gelben rauhen augstain (den wir pernstein nennen)": RTA jg. Rh. 4, Nr. 124 C, S. 545. 461 RTA jg. Rh. 4, Nr. 124 C, S. 546. 482 RTA jg. Rh. 4, Nr. 124 C, S. 547. 463 RTA jg. Rh. 4, Nr. 124 A, S. 543 f. 457
458
3.2. Supplikationen in der Neuzeit
145
sächlich gegeben sein, nicht zuständig sei, da bürgerliche Vergehen vor die Obrigkeit der Täter gehörten; denn seit dem Kölner Reichstag von 1512 waren solche Taten der Zuständigkeit des Regiments und Reichskammergerichts entzogen und nach der Wormser Ordnung von 1521 gehörten sie eher vor das RKG als vor das Reichsregiment. Desgleichen beschwerten sie sich, vom Fiskal vor das Reichsregiment zitiert worden zu sein, weil sie zu leichte silberne Münzen geprägt hätten. In Ermangelung einer gültigen Münzordnung für das ganze Reich sahen die Augsburger keinen Klagegrund und bestritten, daß ihre Münzen schlechter seien als die anderer. Ein "wucherlicher Contract" war der Gegenstand einer Supplikation der "gemeinen c1erisey im landt zu Meckelburg" gegen die beiden Herzöge des Landes. Sie hatten einen Vertrag aufgerichtet, wonach die Supplikanten "vonn Allen Irenn widerkauflichen gulten hinfur nicht mehr dann vier gulden vom hundert entpfahen unnd einnehmen, und die gemelten vom Adel unnd steten nicht mehr zugeben ader zur aichen gezwungen werden solten". Allerdings sollte der Vertrag ungültig sein, wenn Kaiser, Kurfürsten und Fürsten "auf disem Reichstag anders hierinn sezen unnd ordnen wurden"464. Auf die Bitte der Supplikanten "syhet der ausschus vor gut ahn, Dieweil hiebevor von churfursten, fursten unnd stenden auf diesem Reichstag Inn der Pollicey unter der Rubricken von wucherlichen contracten, dergleichen auch Inn den beschwerungen, so die geistlichen haben gegen den weltlichen, was zu diesem handel dinstlich beratschlagt habenn, Das derhalb die supplicanten auf solchs wartenn sollenn"465. Zu den Supplikationen in Wirtschafts angelegenheiten gehört auch die der "Zechenmeister und ferber" aus den Städten München, Nürnberg, Ulm, Eichstätt, Nördlingen, Rothenburg, Dinkelsbühl, Weissenburg und Braunau, die vorbrachten, "das die wollen seer aus dem reich verkauft werd wider die policey", und darum baten, "zu handhabung der ordnung doruf bedacht zu sein, das die wollen nit in frembde nationen verfurt werde, dann die tucher werden in denselben domit verfelscht, und alsdan in teutscher nation doppel bezalt"466. Diese Supplikation war per königlichem Dekret vom 29.7.1555 "dem Meintzischen Cantzier zuzustellen" und im "Reichs Supp[licati]on Rath wie sich gepurt furzupringen, wissen damit di sach wo nott mit irem guttbedunken widerumb an ir Mt. gelannge"467. Am Ende wurde beschlossen, "das solchs durch ein offen mandat soll verboten werden und doruf allenthalben an den pessen verordnung bescheen, das die uberfarer, do sie befunden, 464 465 466 467
Förstemann, Förstemann,
Bd. II, Nr. 244, S. 700. Bd. H, Nr. 244, S. 700 f.
Hornung, S. 98.
RK RTA 31, VI, 9; MEA RTA 40, Nr. 36.
10 Neuhaus
146
3. Supplikation - Herkunft und Begriff
ernstlich gestraft werden. Item das die vorig policeyordnung zu verneue rn und dem abschied einzuverleyben"468. Vergleicht man die Gegenstände der hier beispielhaft genannten Supplikationen mit den einzelnen Punkten der Proposition für die Reichstage, so ist festzustellen, daß in den Bitten und Beschwerden sehr viel mehr Fragen angeschnitten wurden. Die Supplikationen geben einen weit größeren Einblick in die Probleme der Zeit als die offiziellen Reichstagspropositionen. Wo sich thematische überschneidungen ergeben, läßt sich zeigen, daß auf den Reichstagen von 1521 bis 1555 nicht nur ein Teil der Propositionspunkte immer wiederkehrte, sondern auch Supplikationen mit den gleichen Gegenständen zu den in den Propositionen angesprochenen Themen. In vielen Fällen kann man die Supplikationen geradezu als die praktischen Beispiele auffassen, die die Notwendigkeit der Lösung der entsprechenden Propositionspunkte unterstreichen. Diese Funktion können die Supplikationen sowohl von ihrer Qualität her haben, wenn es sich wie im Fall der 1521 bei Cronberg überfallenen Kaufleute46D um einen schwerwiegenden Fall von Landfriedensbruch handelte, als auch von ihrer Quantität her, wenn z. B. zur Frage der Verringerung von Anschlägen eine große Zahl von Bitten und Beschwerden eingereicht wurde. Immer aber handelte es sich um Einzelfälle, die auch als solche behandelt wurden. Aufgebaut waren die Supplikationen und die auf sie erfolgenden Bescheide, die uns für die Zeit von 1521 bis 1555 in immer größer werdender Zahl vorliegen, nach einem bestimmten Schema, wie die Supplikation des Dr. Beatus Widmann und der Beschluß der Reichsstände dazu zeigen (siehe Beilage Nr. 4): Die Supplikation bestand aus einer Einleitung, die Intitulatio genannt sei, in der die Empfänger angeredet wurden, an die sich der Supplikant bittend und beschwerend wandte. Es folgte eine auch in den Quellen mit diesem Begriff belegte Narratio, in der der Hintergrund der Supplikation erzählt wurde, in der "die Geschicht oder Herkommen der Sachen dermassen [... ] förmlich und ordentlich fürbracht" wurden, daß die Empfänger "aus solcher Erzehlung des Handels" ihre Schlüsse ziehen konnten470 • Aus der Narratio ergab sich die Petitio des Supplikanten, das eigentliche und konkret formulierte Begehren, die Bitte, um deren Erfüllung es dem Supplikanten ging; sie war - folgt man einem Votum des kurbrandenburgischen Rates in der Diskussion um die Einrichtung eines Supplikationsausschusses auf dem Augsburger Reichstag von 1550/51 - notwendiger und unerläßlicher Bestandteil einer jeden Supplikation, machte sie erst 488 489
470
Hornung, S. 98 mit Anm. 218; s. a. RA III, 1555, §§ 135, 136, S. 37 f.
s. u. Kap. 4.2.2.
RA II, 1550/51, § 31, S. 615.
3.2. Supplikationen in der Neuzeit
147
zu einer solchen. Mit Blick auf die Schriften des Herzogs von Braunschweig, die dieser dem Reichstag übergeben hatte, sagte der Kurbrandenburger in der Nachmittagssitzung des 31. 7.1550: "Mochte für einen Supplication Rhadt gewiesen werden, Bedencken aber darneben, das in der Schrifft nichts begert, sonnder allein berichts weyß angezeigt wurde, khundt nit wol darinn gerathschlagt werden471 ." Am Schluß einer jeden Supplikation folgte eine Subscriptio in ebenso formelhaften Wendungen wie in der Intitulatio; in ihr wurden noch einmal die Empfänger der Bitte und Beschwerde genannt und dann der Name des Supplikanten. Der Beschluß der Reichsstände auf eine so gegliederte Supplikation (siehe auch Beilage Nr. 5) bestand aus folgenden Teilen: 1. Nennung des Supplikanten, 2. Referat der Narratio, 3. Wiedergabe der Petitio, 4. das eigentliche Bedenken der Reichsstände in Form einer Entscheidung. Wie es zu einem solchen Beschluß kam, d. h. wie Supplikationen auf einem Reichstag in der ersten Hälfte des 16. Jh.s behandelt wurden, soll im Folgenden gezeigt werden.
(71
10'
MEA RTA 32, fol. 14r, T.
4. Der SupplikatioDsausschufi 4.1. Der Supplikationsausschu6 als Reichstagsgremium Im 15. Jh., d. h. zu einer Zeit, als der Reichstag erst allmählich, dann immer deutlicher die Gestalt annahm und zu der Arbeitsweise fand, die wir aus dem 16. Jh. kennen, war es üblich, daß zur Erledigung von Bitten und Beschwerden Kommissionen eingesetzt wurden. Einen institutionalisierten Supplikationsausschuß und einen festgelegten Modus für die Behandlung von Supplikationen auf dem Reichstag hat es noch nicht gegeben. Mit der Bildung von Kommissionen erreichte man, daß sich nicht der gesamte Reichstag mit Privat- und Nebensachen beschäftigen mußte und daß bei schwierigen Problemen, an deren Erledigung das Reich insgesamt ein Interesse hatte, wenige eine sachgerechte Lösung herbeiführen konnten. Dieses Verfahren fand sich auf den Reichstagen der Zeit Karls V. noch sehr häufig. Auf dem Wormser Reichstag von 1521 sollte beispielsweise die Hildesheimer Stiftsfehde beigelegt werden l • Nachdem Versuche zur Beendigung des Streites auf Territorialebene und durch Intervention der Kurfürsten von Mainz, Sachsen und Brandenburg gescheitert waren, klagte der Herzog von Braunschweig den Bischof von Hildesheim und den Herzog von Lüneburg beim Kaiser an, der die Angelegenheit dann auf seinem ersten Reichstag untersuchen ließ2. Noch vor Reichstagseröffnung begannen die Verhandlungen über den Hildesheimer Streit; am 23. 1. 1521 legte der Braunschweiger seine Klage vor, die am folgenden Tag in Gegenwart des Kaisers, einiger Kurfürsten und Reichsfürsten oder deren Gesandter und Räte verlesen wurde 3 und auf die die Gegenpartei am 28. 1. antwortete. Dieses Verfahren wiederholte sich bis zum 5.2. noch einmal; dann traten die Kurfürsten von Sachsen und Brandenburg als Vermittler auf, aber der 1 Siehe dazu Adolf Bertram, Geschichte des Bistums Hildesheim, 2. Bd., Hildesheim, Leipzig 1916, S. 11 - 37. 2 Vgl. für das Folgende: RTA jg. Rh. 2, Nr. 107, S. 753 - 757. 3 Ganz ähnlich war es mit einer Supplikation der oberen Städte an den Kaiser gegen eine Verlängerung des Schwäbischen Bundes. In der Audienz beim Kaiser, in der sie vorgetragen wurde von den Städteboten Augsburgs, Ulms und Nürnbergs, waren neben kaiserlichen Räten auch geistliche und weltliche Fürsten anwesend. Hier ließ der Kaiser nach kurzer Beratung mit seinen Räten sofort seine Entscheidung mitteilen, daß die Städte im Schwäbischen Bund bleiben und ihre Beschwerden auf dem nächsten Bundestag vorbringen sollten (RTA jg. Rh. 2, Nr. 102, S. 744 f.).
4.1. Der Supplikationsausschuß als Reichstagsgremium
149
Braunschweiger wies deren Lösungsvorschläge zurück und verlangte vom Kaiser einen Rechtsspruch. Karl V. berief daraufhin zwei Kommissionen, von denen die erste, bestehend aus dem Grafen von Gundelfingen und Helfrich von Meckau als kaiserliche Vertreter, den Kurfürsten von Mainz und Sachsen und den Fürsten Markgraf Casimir und dem Bischof von Passau als reichsständische Vertreter, einen gütlichen Vergleich suchen sollte. Die Aufgabe der zweiten Kommission, der als kaiserliche Vertreter Dr. Frese und der Kanzler von Österreich und für die Reichsstände die Kurfürsten von Trier und der Pfalz, der Markgraf von Baden und der Bischof von Worms angehörten4, war es, die rechtlichen Aspekte des Streites zu klären, falls eine gütliche Einigung nicht durchführbar sein sollte. Mit dem Scheitern der Bemühungen der ersten Kommission begann die zweite ihre Arbeit, konnte sich aber nicht einigen und setzte deshalb Anfang Mai eine Unterkommission ein, der 21 Juristen angehörten und die am 21. 5. vor Kaiser, Kurfürsten und Fürsten in der Ratsstube berichteten; aber der Kaiser konnte nicht sofort zu einem Rechtsspruch bewegt werdenS. Erst am 27.5. erließ Karl V. ein Dekret, in dem er Philipp von Hanau, Eberhard von Königstein und den Official von Trier beauftragte, innerhalb von vier Monaten zu einer gütlichen Einigung beider Parteien zu kommen oder in einem Jahr eine rechtliche Entscheidung herbeizuführen 6 • Ebenso verfuhr Karl V. auf dem Reichstag von Speyer im Jahre 1544, als er zur Klärung der Supplikation des Grafen Jobst zu Hoya eine Kommission einsetzte, bestehend aus einem geistlichen Kurfürsten (Ebf. von Köln), zwei geistlichen Fürsten (Ebf. von Bremen und Bf. von Münster) und zwei weltlichen Fürsten (Hz. Ernst von Lüneburg und Lgf. Philipp von Hessen). Sie sollten die Frage des Bestehens der Acht und Aberacht oder einer möglichen Suspension klären, den Grafen vor sich laden und verhören. Alle zur Klärung dieser Angelegenheit notwendigen Maßnahmen wurden ihnen vom Kaiser mit Erteilung des Auftrages freigestellt7. Die Einsetzung von solchen Kommissionen sollte zweifellos eine Schlichtung bewirken, die der Kaiser in die Hände ihm besonders geeignet erscheinender reichsständischer Vertreter legte, denen er oft Personen seiner engeren Umgebung zur Seite stellte. Die Tatsache, daß sich also Kaiser und Reich um eine Lösung bemühten, unterstreicht schon die Wichtigkeit dieser Supplikationen. RTA jg. Rh. 2, S. 754, Anm. 2. So Hz. Erich in einem Brief vom 5.5.1521 an seine Gemahlin, RTA jg. Rh. 2, S. 756, Anm. 2. o Gleichfalls im Streit um Katzenellenbogen zwischen Hessen und Nassau setzte der Kaiser am 28. 4. eine Kommission ein, die aus den Bischöfen von Augsburg, Bamberg und Straßburg bestand (RTA jg. Rh. 2, S. 816, Anm. 1). 1 MEA RTA 11, H, fol. 23 r - 33 r • 4
5
150
4. Der Supplikationsausschuß
Die Einsetzung von Kommissionen aufgrund eingereichter Bitten und Beschwerden durch den Kaiser erfuhr im 16. Jh. aber eine Weiterbildung in der Konstituierung von Sonderausschüssen durch den Reichstag. Diese hatten jeweils einen ganz bestimmten Komplex von Supplikationen zu bearbeiten und z. B. Möglichkeiten zu erkunden, wie sich beschwert fühlenden Reichsständen die Anschläge verringert werden konnten, die Frage zu klären, was den Reichsstädten auf gemeinsame Supplikationen zu antworten war, oder wie lokal begrenzte Konflikte im Rahmen der Wahrung des Landfriedens zu beenden waren. Die für eine ganz besondere Materie oder Spezialfragen aus dem großen Bereich des Bitt- und Beschwerdewesens zuständigen Ausschüsse sind als konsequente Weiterentwicklung der erwähnten Schlichtungskommissionen zu verstehen, die sich von jenen vor allem darin unterschieden, daß sie auf einem Reichstag institutionalisiert und nicht vom Kaiser, sondern von den Reichsständen eingesetzt wurden. Solche Ausschüsse verzeichnen die protokollarischen Notizen eines Mainzer Rates vom 17. 11. bis 26. 12. 1522 auf dem Nürnberger Reichstags. Es gab einen eigenen Ausschuß "zu witer beratschlagung des gemeinen anschlags, denselbigen zu lindern, uf den oder andere leidlicher wege zu reden", einen Ausschuß "uber der stet supplicacion"9, für die Verhandlungen mit den Grafen von Zollern und Fürstenberg, für Verhandlungen mit Trier, Pfalz und Hessen im Zusammenhang mit Sikkingens Landfriedensbruch, zur Abfassung einer Antwort an die fränkischen Ritter, "zu der stat Strassburg supplicacion"10 u. a. Gerichtet waren diese Supplikationen an die Reichsstände, weshalb 1522 der Große Ausschuß auch einen kleinen Ausschuß für diese Supplikationen verordnete, der aber wiederum nicht frei oder in der Lage war, beispielsweise Änderungen an den Anschlägen vorzunehmen, obwohl er grundsätzlich die Möglichkeit dazu hatte. Veränderungen, also in diesem Falle entsprechend den Supplikationen Verminderungen der Anschlagsleistungen, hätten freilich vom Großen Ausschuß und von den Reichsständen insgesamt genehmigt werden müssen. Wenn dieser kleine Ausschuß für solche Supplikationen auch keine Beschlußkompetenz hatte, so konnte er doch Entscheidungen vorbereiten, die den Bereich der Reichsfinanzverwaltung berührten. Solche Verwaltungsaufgaben 8 RTA jg. Rh. 3, Nr. 51, S. 283; der Mainzer Rat, der die protokollarischen Aufzeichnungen machte, war entweder der Magdeburger Kanzler Lorenz Zoch oder der Mainzer Sekretär Andreas Rucker. 9 Mit solchen Supplikationen hatten sich auf vielen Reichstagen kleine Ausschüsse zu befassen. In den Bitten und Beschwerden der Reichsstädte ging es dabei immer wieder um ihre reichsrechtliche Anerkennung auf den Reichstagen. 10 RTA jg. Rh. 3, Nr. 51, S. 282, Anm. 1.
4.1. Der Supplikationsausschuß als Reichstagsgremium
hatte - wie noch zu zeigen sein wird Supplikationsausschuß zu erfüllen.
151
letztlich auch der eigentliche
Supplikationen waren also nicht immer nur Nebensachen privater Natur, sondern hatten sehr oft einen engen Bezug zu einzelnen Propositionspunkten oder waren, wie das auch für die häufigen Sessionsstreitigkeiten zwischen den Reichstagsteilnehmern gilt, aus organisatorischen Gründen für den Ablauf eines Reichstages von großer Wichtigkeitl l . Auf den Reichstagen des 16. Jh.s mehrten sich daneben die Fälle von Bitten und Beschwerden, die gleich wie proponierte Punkte behandelt wurden 12 • Das trifft insbesondere für die vielen Supplikationen der Reichsstädte zu, die zur Zeit Karls V. ständig um Sitz, Stimme und Anerkennung auf den Reichstagen zu kämpfen hatten. Ein sehr instruktives Beispiel für dieses Verfahren im Bereich der Supplikationen ist daneben die Supplikation einiger Grafen, Herren und anderer Adeliger hinsichtlich des rechtlichen Austrages mit Kurfürsten und Fürsten13 • Diese Supplikation verfolgte die Abstellung von Mißbräuchen im Gerichtswesen und die Beschneidung der städtischen Privilegien14 , berührte also Fragen von allgemeinem Reichsinteresse und war keineswegs eine Privat- oder Nebensache, weshalb sich der gesamte Reichstag mit ihr beschäftigte. Am Beispiel ihrer Behandlung spiegelt sich mutatis mutandis - das Verfahren wider, das von der Behandlung der großen Propositionspunkte auf Reichstagen her bekannt ist1 5 : Vorlage der Supplikation durch die Grafen und Herren bei den Kurfürsten und Fürsten, Beratungen im kleinen Ausschuß, gutachterliche Stellungnahme des kleinen Ausschusses und Rückantworten der Supplikanten an Kurfürsten und Fürsten des Großen Ausschusses, die neue Vorschläge zur Lösung unterbreiten, Beratungen eines Unterausschusses kurfürstlicher und fürstlicher Räte, wiederum Vorschläge des kleinen Ausschusses, Verhandlungen einer Vermittlungskommission, der Vertreter der Kurfürsten, Fürsten, Grafen und Herren angehören18 , er11 Die Lösung solcher Sessionsstreitigkeiten konnte aber auch auf dem Weg der Kommissionsbildung in Angriff genommen werden, wie ein Beispiel vom Speyrer Reichstag von 1544 zeigt, auf dem zwei Bischöfe und ein Abt als kaiserliche Kommissare klären sollten, ob im Reichsrat der Meister des Johanniter-Ordens oder die gefürsteten Äbte von Fulda, Kempten, Mauerbach und Weißenburg gleich hinter den Bischöfen sitzen sollten (MEA RTA 9, fol. 584r, v). 12 Schubert, Reichstage, S. 84. 13 RTA jg. Rh. 2, Nr. 26, S. 244 - 267. 14 RTA jg. Rh. 2, Nr. 26 A, S. 245 ff. 15 Vgl. dazu RTA jg. Rh. 2, Nr. 26 B - 26 U, S. 246 - 267. 16 Kurfürsten und Fürsten verordneten dazu: Bf. v. Bamberg, Bf. v. Augsburg, Pfgf. Friedrich, Mkgf. Casimir von Brandenburg (RTA jg. Rh. 2, S. 257, Anm. 2).
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4. Der Supplikationsausschuß
neute Supplikation der Grafen und Herren, diesmal gleichlautend an den Kaiser und an Kurfürsten und Fürsten 17, Vorschlag der Kurfürsten und Fürsten, dem Kaiser den Schiedsspruch in der strittigen Angelegenheit zu überlassen, schließlich die Schlußverhandlungen direkt zwischen Kurfürsten, Fürsten, Grafen und Herren ohne Ausschußberatungen. Da es bei dieser Supplikation in erster Linie um eine Interpretation des § 30 der Kammergerichtsordnung von 1495 18 und eine gerechtere Regelung der dort normierten Vorschriften ging, fanden die ganzen Beratungen ihren Niederschlag in der Kammergerichtsordnung und im Abschied des Wormser Reichstages von 1521 19 , nachdem zuvor eine Kommission, der zwei kaiserliche Räte und Vertreter beider Parteien angehörten, am 26. 5. 1521 eine endgültige Einigung erzielen konnte2o • Dieses Verfahren bei der Behandlung einer Supplikation unterschied sich sehr wesentlich von dem bei der Hildesheimer Stiftsfehde angewandten, denn bei jenem waren zur Lösung des Problems keine institutionalisierten Gremien des Reichstages eingesetzt worden. Hier aber wurde die Supplikation der Grafen und Herren zunächst im kleinen Ausschuß beraten, d. h. in einem offiziellen Reichstagsgremium, zu dessen Mitgliedern auch zwei Vertreter der Reichsgrafen gehörten. Sie nahmen also als Partei an den Beratungen über ihre eigene Supplikation teil, was bei den erwähnten Kommissionen nicht der Fall war, und konnten - wie sie es am 21. 4.1521 auch taten - über den neuesten Stand der Beratungen im kleinen Ausschuß an die Supplikanten berichten und Reaktionen darauf veranlassen21 • Sie hatten damit die Möglichkeit, an Entscheidungen mitzuwirken, die Supplikationen eigener Standesgenossen betrafen. In dieser Lage befanden sich aufgrund der interkurialen Besetzung von offiziellen Reichstagsausschüssen alle Reichsstände als Supplizierende oder als Beklagte, wie noch zu zeigen sein wird. Die hier skizzierte Behandlung einer Supplikation erfuhr ihre Rechtfertigung aber auch aus der Tatsache, daß es dabei um ein Grundproblem des Ständewesens im ausgehenden 15. und beginnenden 16. Jh. ging, nämlich die Adäquanz von rechtlicher Stellung der Grafen und Herren und der von ihnen für das Reich geforderten finanziellen und sonstigen Leistungen. Deshalb verknüpften die Supplikanten im angeführten Beispiel ihre ursprüngliche Bitte und Beschwerde mit einer 17
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RTA jg. Rh. 2, S. 261, Anm. 2, S. 262, Anm. 1. RA II, 1495, S. 10 f. RA II, 1521, § 33, S. 191 (RKG-Ordnung), § 17, S. 206 (Reichsabschied). RTA jg. Rh. 2, S. 267, Anm. 2. RTA jg. Rh. 2, Nr. 26 K, S. 256.
4.1. Der Supplikationsausschuß als Reichstagsgremium
153
Klage über die zu hohen Reichsanschläge, als diese in Form von Ergebnissen der Verhandlungen über die Kosten für die Unterhaltung von RKG und Regiment und über die Leistungen für den Romzug vorlagen22 • Sie wandten sich damit auch direkt an den Kaiser 23 . In den beiden anderen Supplikationen an Karl V. überwog sogar die Beschwerde über die Anschläge, ohne daß ihre allererste Supplikation aber als erledigt betrachtet wurde 24 • Die Supplikation der Grafen und Herren löste eine reichsstädtische Beschwerde an Kurfürsten und Fürsten aus, nachdem die Städte Kenntnis von dem Teil der Supplikation erhalten hatten, der ihre Privilegien und Freiheiten betraf. Sie wehrten sich vor allem gegen eine Einschränkung der städtischen Gerichtsbarkeit25 , aber nur Straßburg hat diese Eingabe weiter verfolgt, indem seine Vertreter auf dem Reichstag vom heimatlichen Rat Supplikationen anforderten und dann berichteten, sie hätten die beiden Supplikationen an den Kaiser und an Kurfürsten und Fürsten alleine übergeben, da die anderen Städte die Sache hätten ruhen lassen wollen26 • Neu an der Supplikation der Grafen und Herren aber war vor allem, daß sie von Anfang an nicht an den Kaiser gerichtet wurde, sondern an die Kurfürsten und Reichsfürsten 27 • Sie bzw. ihre Räte waren die Beratungs- und Verhandlungspartner der Supplik anten, nicht die kaiserliche Seite wie in früheren Fällen. Nur einmal wurde seitens der Kurfürsten und Fürsten erwogen, den Kaiser zu einem Schiedsspruch in der Angelegenheit zu veranlassen 28, nachdem die Verhandlungen der Verordneten der Kurfürsten und Fürsten mit den Grafen und Herren gescheitert waren 29 • Die Reichsgrafen aber lehnten einen kaiserlichen Schiedsspruch ab und hielten es "fur unnot, deshalb uf kei. Mt. oder andere einichen hindergang zu thun"30. Erst ganz zum Schluß wurden kaiserliche Räte hinzugezogen, als es um die endgültige Einigung zwischen bei den Parteien ging, die ihren Niederschlag in der Kammergerichtsordnung und im Reichsabschied von 1521 finden sollte. Ihre 22 Eingaben betreffend Reichsanschläge machten aber auch die Reichsstädte sowie Kurfürst Friedrich von Sachsen und Hz. Johann von Sachsen für einige ihrer Untertanen (RTA jg. Rh. 2, Nr. 53 - 55, S. 412 - 421) etwa zur selben Zeit. 23 RTA jg. Rh. 2, Nr. 26 P, S. 261 f. 24 RTA jg. Rh. 2, Nr. 57, 58, S. 444 - 449. 25 Str. Korr. I, Nr. 75, S. 39 f.; RTA jg. Rh. 2, Nr. 26 H, S. 253 f. 26 Str. Korr. I, Nr. 83, S. 47. 27 Das taten in diesem Zusammenhang auch die Städte: RTA jg. Rh. 2, Nr. 26 H, S. 253 f. 28 RTA jg. Rh. 2, Nr. 26 Q, S. 262 und Anm. 1, Nr. 26 R, S. 263. 29 RTA jg. Rh. 2, Nr. 26 N, S. 260. 30 RTA jg. Rh. 2, Nr. 26 R, S. 263, Nr. 26 Q, S. 263.
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4.1. Der Supplikationsausschuß als Reichstagsgremium
Gründe für eine Ablehnung einer Vermittlertätigkeit des Kaisers legten die Grafen und Herren am 20. 5. 1521 in einer Antwort an Kurfürsten und Fürsten dar: sie erhofften sich von einem kaiserlichen Schiedsspruch nichts und verdächtigten ihn indirekt der Parteilichkeit mit den Kurfürsten und Fürsten31 • Als die Grafen und Herren ihre erste Supplikation mit ihren Beschwerden über die Reichsanschläge verknüpften32 , richteten sie diese gleichzeitig an den Kaiser und an die Reichsstände der beiden oberen Kurien, und zwar dem Inhalt nach in gleichlautenden Schriftstücken33 • Erst als sie sahen, daß sie bei Kurfürsten und Fürsten ihr Ziel nicht erreichen konnten, wandten sie sich zweimal alleine an den Kaiser, zumal sie sich von ihm hinsichtlich der Anschläge ein gerechteres Urteil erhofften34 • Diese grundsätzliche Möglichkeit, eine Supplikation an Kaiser oder Reichsstände bzw. Kaiser und Reichsstände zugleich zu richten, ist nicht nur unter einem formalen Gesichtspunkt von Bedeutung35 • 4.1.1. Einsetzung des Supplikationsausschusses Die bisher kurz behandelten Gremien der Reichstage der Zeit Karls V. lassen sich in zwei große Gruppen teilen: in die, die ständige Einrichtungen geworden waren, und in die, die mehr oder weniger regelmäßig auf den Reichstagen wiederkehrten; in die erste Gruppe gehören die drei Kurien, in die zweite die verschiedenen Ausschüsse. Unter den Ausschüssen, denen gemeinsam war, daß sie auf jedem Reichstag neu beschlossen und eingesetzt werden mußten, nahm der sog. Supplikationsausschuß eine Sonderstellung ein. Diese wird einmal deutlich aus RTA jg. Rh. 2, Nr. 26 S, S. 264 f. RTA jg. Rh. 2, Nr. 26 P, S. 261 f. mit Anm. 2. 33 Vgl. Traktat, S. 79: "oder das stracks und directe an Churfürsten, Fürsten und Stände supplicirt wird". 84 RTA jg. Rh. 2, Nr. 57, 58, S. 444 - 449. 35 Der Frage nach der Behandlung von Supplikationen während der Reichsvikariate der Kurfürsten von der Pfalz und von Sachsen vacante imperio und ab sente rege und durch das ständische Reichsregiment von 1500 bis 1502 kann hier nicht nachgegangen werden. Inwieweit in diesen Verfassungseinrichtungen auch bereits Vorformen des Supplikationsausschusses zu fassen sind, wie er auf dem Wormser Reichstag von 1521 erstmals begegnet, muß Einzeluntersuchungen vorbehalten bleiben. Zu den Befugnissen der Reichsvikare gehörten u. a. das Recht, Gericht zu halten, die Aufgabe, im Reich für Ruhe und Ordnung zu sorgen, und die Wahrnehmung von Rechten in Gnadensachen. (Vgl. Wolfgang Hermkes, Das Reichsvikariat in Deutschland. Reichsvikare nach dem Tode des Kaisers von der Goldenen Bulle bis zum Ende des Reiches, Karlsruhe 1968, S. 18 ff., 24 f., 41 f.) Zum Reichsregiment von 1500 siehe noch immer Victor von Kraus, Das Nürnberger Reichsregiment. Gründung und Verfall 1500 - 1502. Ein Stück deutscher Verfassungs-Geschichte aus dem Zeitalter Maximilians 1., Innsbruck 1883 (NDr. 1969). 31
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4.1.1. Einsetzung des Supplikationsausschusses
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einer Bemerkung in der 1. Chronik Paul Hector Mairs von 1547 bis 1565, in der der Verfasser in der Beilage I, "Wie mans bei reichstagen gehalten hat", von ein "clain stiblin gegen der gassen heraus" spricht, "darin sitzen die reichs ausschüß, so die suplicationen verhören"36. Dieser Hinweis läßt vermuten, daß der Supplikationsausschuß während eines Reichstages einen festumrissenen Aufgabenbereich hatte, denn von allen Ausschüssen verfügte er allein - zumindest wenn der Reichstag in Augsburg versammelt war - über ein eigenes Beratungszimmer. Ferner darf man daraus schließen, daß der Supplikationsausschuß ein so großes Arbeitspensum zu erledigen hatte, daß er ständig über einen für ihn reservierten Raum verfügen können mußte. In den Reichstagsakten wird dieses Gremium wechselweise und gleich häufig als "Supplikationsausschuß" und als "Supplikationsrat" bezeichnet, ohne daß dadurch eine Verschiedenheit ausgedrückt werden soll. Wenn auch der kurpfälzische Vertreter in der später noch zu behandelnden "Geschäftsordnungsdebatte" des Augsburger Reichstages von 1550/51 am 11. 9. 1550 meinte, die Stände auf ihren Irrtum hinweisen zu müssen, "das sie denn Supplication Rhadt fur ein ausschuß hallten wollen", so ist seine Richtigstellung, "das seie nit, sonder ein underschiedlich ding"37, nur so zu verstehen, daß der Supplikationsausschuß im Vergleich mit anderen Ausschüssen hinsichtlich seiner zahlenmäßigen Zusammensetzung ein "underschiedlicher Rhadt"38 ist. Die Reichstagsausschüsse insgesamt werden also auch als "Räte" bezeichnet, nicht nur das für die Supplikationen zuständige Gremium. Dem allgemeinen modernen Sprachgebrauch Rechnung tragend, ist in dieser Arbeit immer vom Supplikationsausschuß die Rede, weil dieser Begriff Stellung und Funktion dieses Gremiums im Reichstag des 16. Jh.s deutlicher werden läßt als der Ausdruck "Supplikationsrat". Dies findet sich zudem gestützt im "Traktat über den Reichstag im 16. Jahrhundert". Zwar hat es - wie angedeutet - auch auf den Reichstagen vor Karl V. Bitten und Beschwerden gegeben, aber ihre Behandlung erfolgte nicht nach einem festgelegten Verfahren eines institutionalisierten Reichstagsausschusses. Jedenfalls ist ein solches Gremium in den Quellen nicht greifbar. Der Supplikationsausschuß scheint erst im Laufe des 16. Jh.s zu einer ständigen Einrichtung auf den Reichstagen geworden zu sein. 38 Paul Hector Mair, 1. Chronik von 1547 - 1565, in: Die Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis 16. Jahrhundert, hg. v. der historischen Kommission bei der Kgl. Akad. d. Wiss., Bd. 32 (Augsburg Bd. 7), Leipzig 1917, S.400. 37 MEA RTA 32,1 Bd. Prothocollo, Prima Pars, fol. 195r . 38 MEA RTA 32, 1 Bd. Prothocollo, Prima Pars, fol. 196r ; s. u. Kap. 4.1.2.
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4.1. Der Supplikationsausschuß als Reichstagsgremium
Der "Traktat" beschreibt den Supplikationsausschuß - und daran sieht man, daß er dann offensichtlich bis zum Jahre 1569 zu einer festen Institution geworden war - als Ausschuß für "Privat- oder schlechte Händel [...], die incidenter uf dem Reichstag vorkommen", und mit denen man "andere Reichs-Sachen nit gern uffhielt"39 und charakterisiert ihn im einzelnen folgendermaßen: "Auff den Reichsversammlungen trägt sich zu, daß allerhand Privat- und Nebensachen, zu der Proposition nicht gehörig, fürkommen, als, das etwa an die Keyserl. May. supplicirt, und solche Supplicationes per decretum Caesaris an gemeine Stende, oder, nach Gelegenheit der Sachen, an die Churfürsten allein gewiesen werden, oder das stracks und directe an Churfürsten, Fürsten und Stände supplicirt wird40 •" Diese offiziöse Darstellung teilte die Ausschüsse in drei Gruppen ein41 : 1. für Angelegenheiten, "die irer Qualitet halber nit mögen füglich oder fürderlich in den dreyen ordinari Rähten tractirt werden", 2. für "solche Händel [... ], darzu sondere Leut, derselben erfahren, müssen gebraucht werden (als Religion, Müntz, Zoll, Justitien, Policei und dergleichen Sachen)", und 3. für "Privat- oder schlechte Händel", also für Supplikationen. Diese Einteilung entbehrt allerdings - wie der ganze Traktat - einer Systematik insofern, als Supplikationen sowohl unter die Begründung für die erste Ausschuß-Gruppe zu subsumieren sind, als auch in der dritten Gruppe einem eigenen Ausschuß zugewiesen werden können; aber sie entsprach der Reichstagspraxis, denn nicht alle Supplikationen wurden in den Supplikationsausschüssen behandelt und entschieden. Der Grund dafür lag jeweils im Inhalt der eingereichten Supplikationen. So hieß es zu der großen Supplikation der Grafen und Herren von 1522/23: "Nachfolgende supplication, so etliche unbenante grafen und herren uf dem reichstag eingeben, ist nicht in den supplicationsrat geliefert, sondern den churfursten beigebracht und von dannen in die lectur geschickt worden42 ." Dieser im Traktat so allgemein beschriebene Supplikationsausschuß begegnet zum erstenmal auf dem Wormser Reichstag von 1521. Am 19. 2. 1521 schrieben die beiden Straßburger Städteboten Hans Bock und Conrad von Duntzenheim nach Hause: "dan es sint hie dri usschuz, einer bi den fursten, item einer zu gedenken das camergericht, item der drit supplicacion zu verhoren und zu bedenken"43. Fünf Wochen später, am 27.3.1521, berichteten sie über den Ausschuß für die Supplikationen: "do [in einer Städteratssitzung] entschuldigt sich der 39
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Traktat, S. 69. Traktat, S. 79. Traktat, S. 68 f. Nürnberger RTA 1521 - 1523, fol. 67", zitiert nach RTA jg. Rh. 2. Str. Korr. I, Nr. 66, S. 33.
4.1.1. Einsetzung des Supplikationsausschusses
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von Ulm (derselb ist im selben usschuz, do man dieselben supplicazen inlegt und alle andre supplicacion an die stend) und sagt, dasz solich supplicaz [die der Grafen und Herren] nie in usschuz komen, besunder sie wer ganz heimlich ingelegt und im ganz unwissent"44. Die Existenz eines solchen Ausschusses für die Supplikationen bestätigte der Frankfurter Gesandte in seinem Brief vom 2. 3. 1521, in dem es heißt: "Vergangen dornstag (Febr. 28) hat man aller Supplication effectum sampt der antwirt, so vom ausschoß in schrieften verfast, referirt und verlesen45 ." Auf dem Nürnberger Reichstag von 1522/23 wurde die Behandlung von Supplikationen ebenfalls einem besonderen Ausschuß übertragen, der - wie Philipp von Feilitzsch am 26.12.1522 an Herzog Johann schrieb - Ende Dezember 1522 "in steter arbait" war 46 . Daß er für alle "clagschriften" zuständig war, ist den protokollarischen Aufzeichnungen eines Mainzer Rates über die Reichstagsverhandlungen vom 17.11. bis 26.12.1522 in Nürnberg zu entnehmen, wo es nach der Einsetzung des Ausschusses und der Benennung seiner Mitglieder heißt: "denen seind alle supplicaciones ubergeben"47. Die Selbstverständlichkeit, mit der der Supplikationsausschuß ohne Betonung irgendeiner Besonderheit neben die anderen Reichstagsgremien gesetzt wurde, kennzeichnet diesen Bereich des Reichstagsgeschehens und läßt die Frage aufkommen, ob dahinter gewohnheitsmäßige Erfahrung einer langen Reichstagsgeschichte oder mehr Einsicht in die Zweckmäßigkeit steckt, die mit dem Supplikationswesen notwendigerweise verbundene Arbeit so zu bewältigen. Da die Quellen nicht auf bewährte Arbeitsweisen in diesem Bereich der Reichstagsarbeit des 15. und beginnenden 16. Jh.s hindeuten, ist zu vermuten, daß die hier angesprochene Selbstverständlichkeit der Einsicht in rationelle Arbeitsmethoden auch im ständeparlamentarischen Bereich entstanden ist48 . Dies wird besonders deutlich bei der Einsetzung des Supplikationsausschusses auf dem Nürnberger Reichstag von 1524. Dort wurden in der Ständeversammlung am 22. 2. 1524 "erstlich etlich supplication verlesen, [... ], nemlich Hartmann von Cronberg gegen und widder die drei kriegsfursten, Hans Melchior von Rosenberg widder den Swepischen bund, ein Sparnecker, widder sin bruder und sunderlich her Melchiorn Sparnecker, thumherren zu Regenspurg"49, die die Kurien 44 Str. Korr. I, Nr. 75, S. 39. 45 RTA jg. Rh. 2, Nr. 151, S. 811. 48 Planitz, Br. 127, S. 288; s. a. Redlich, 1522/23, S. 84, der in Anm. 4 tümlich auf Feilitzsch'Brief vom 29. 12. 1522 verweist. 47 RTA jg. Rh. 3, Nr. 51, S. 290. 48 Dies bestätigt der Traktat, S. 68 f. 49 RTA jg. Rh. 4, Nr. 25, S. 116.
irr~
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4.1. Der Supplikationsausschuß als Reichstagsgremium
sodann getrennt berieten. Danach ließen die Kurfürsten den Fürsten und Ständen durch den Mainzer Kanzler ihre Meinung dazu sagen: "Die supplication belangen[d] begerten die zwei churfursten Trier und Pfaltz abschrift Hartmann von Cronbergs supplication, und das die andem jedem, so das begeren wurd, auch abzuschreiben mitgetheilt wurden. Und nochdem noch viel supplication verhanden, auch teglichs uberantwurt wurden und zukemen, so sehe sie vor gutt an, das die steend etlich aus inen dorzu verordent hetten, die dieselbigen und andere supplicationes ersehen, referirten und ir guttbedunken doruf anzeugten50 ." Diesem Vorschlag der Kurfürsten, einen Ausschuß für die Behandlung von Supplikationen zu bilden, haben die übrigen Stände ohne Widerspruch zugestimmt. Zum 24.2.1524 berichtete der Wormser Domprobst Simon Ribeisen dann bereits in seiner hier zitierten protokollarischen Aufzeichnung über die Zusammensetzung dieses Supplikationsausschusses5t, und zum 4. 3. 1524 "ward auch relation gehort derjene, so zu den supplication geordent"52; der Ausschuß für die Bitten und Beschwerden nahm also umgehend seine Arbeit auf. Die Einsetzung des Supplikationsausschusses von 1524 kann man nach der Einführung dieses Gremiums auf den Reichstagen von 1521 bis 152353 ohne Frage als einen Modellfall ansehen, denn mutatis mutandis geschah sie von nun an auf jedem Reichstag in dieser Weise. Zum Speyrer Reichstag von 1526 bemerkt Friedensburg, daß neben den allgemeinen Reichsangelegenheiten noch Materien behandelt wurden, "welche nur einzelne Reichsglieder oder einzelne Gruppen oder Klassen der Angehörigen des Reiches angingen", zu denen er die Rangstreitigkeiten zwischen den Ständen und die Frage der vollberechtigten Reichsstandschaft der Reichsstädte auf den Reichstagen zählte54 • "Hieran", so fährt er fort, "schlossen sich nun noch die Petitionen Einzelner, zu deren Erledigung der Reichstag eine eigene Kommission einsetzte"55, den "kleine[n] Ausschuss über die gemeinen Supplikanzen" ("so täglich eingegeben werden"), der allerdings erst zum 31. 7. 1526 bestand und arbeitete 56, also gut einen Monat nach Reichstagsbeginn 57 • Am 30. 7. 1526 noch berichteten die Straßburger Gesandten nach Hause, die Städte RTA jg. Rh. 4, Nr. 25, S. 117. RTA jg. Rh. 4, Nr. 25, S. 120. 62 RTA jg. Rh. 4, Nr. 25, S. 130; so auch ein kurpfälzer Sekretär in seinen Aufzeichnungen zum 4. 3. 1524 (RTA jg. Rh. 4, Nr. 23, S. 97). 63 s. o. Kap. 4.1.1. 6' Friedens burg, 1526, S. 451 f. 56 Friedens burg, 1526, S. 452. 58 Friedens burg, 1526, S. 452, Anm. 2. &7 Die Verlesung der Proposition am 25.6.1526 (MEA RTA 4d, fol. 26 r ; Str. Korr. I, Nr. 453, S. 258). 60
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4.1.1. Einsetzung des Supplikationsausschusses
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seien bisher "in kein usschuz genummen", weil "kein usschuz noch zur Zeit verordent"; aber gleichzeitig kündigten sie an, es solle jetzt einer eingerichtet werden, zu dem sich Kurfürsten, Fürsten und Stände aber nicht verpflichtet fühlten und der auch keine Beschlußkompetenz haben sollte. Als Vertreter der Reichsstädte wurden Kreß aus Nürnberg und Sturm aus Straßburg benannt58 • Wegen der späten Einrichtung eines Supplikationsausschusses auf diesem Reichstag blieb nur wenig Zeit, die eingereichten Supplikationen zu erledigen59 ; daneben mag der Reichstag insgesamt - was für die späte Einsetzung spräche - nur "wenig Neigung" gehabt haben, "sich in dergleichen Händel, zumal solche, die irgendwie weitaussehend erschienen, einzulassen"6o. Aber immerhin hat es auch 1526 einen arbeitsfähigen Supplikationsausschuß gegeben, was seine Zugehörigkeit zum Reichstag im 16. Jh. unterstreicht. 1529 erfolgte die Einrichtung des Supplikationsausschusses sehr viel schneller. In einer vermutlich vom Kanzler des Markgrafen von Baden gemachten protokollarischen Aufzeichnung über eine Sitzung des Speyrer Reichstages heißt es am 3. 4. 1529, der Mainzer Erzkanzler habe festgestellt, "daß ettlich suplicacion vorhanden, ob man derenhalben einen usschutz machen wolt"61. Am 8.4.1529 vermerkte Valentin von Tetleben dazu in seinem Protokoll, daß ein Ausschuß "pro expediendis supplicationibus" eingesetzt worden sei, "que porriguntur et fiunt ad omnes status imperii"62, was bedeutet, daß der Ausschuß für die Supplikationen den Reichsständen verantwortlich war wie jeder andere Ausschuß auch. In ihrer Supplikation vom gleichen Tag an den Reichstag, die sich auf ein Bedenken des Großen Ausschusses bezog, befürworteten die Reichsstädte die Einsetzung des Supplikationsausschusses und baten darum, wenigstens zwei Vertreter schnellstens entsenden zu können, damit die bereits vorgebrachten und die noch zu erwartenden Beschwerden bearbeitet werden könnten 63 . Die Einsetzung bestätigt eine weitere Notiz Tetlebens vom 20. oder 21. 4.152964 , in der es heißt: "Eodem die hat doctor Pfaff scultetus zu Mentz und der kleine uschoes de supplicationen, de er mit anderen beratslaget, refere[re]t in dem großen uschoes65 ." Ferner berichtete Holdermann in einem Brief an Eßlingen 58
Str. Korr. I, Nr. 468, S. 266.
sv Friedensburg, •0
1526, S. 454.
Friedensburg, 1526, S. 453 f.
81 RTA jg. Rh. 7, 1, S. 637; vgl. auch Kühn, 1529, S. 101. 82 RTA jg. Rh. 7, 1, S. 676. 83 RTA jg. Rh. 7,2, Nr. 122, S. 1223 f. 84 Datierung fraglich; siehe RTA jg. Rh. 7,1, S. 799, Anm. 2. 85 RTA jg. Rh. 7, 1, S. 799.
160
4.1. Der Supplikationsausschuß als Reichstagsgremium
vom 20. 4. 1529, daß "der usschutz, so uber die beschwerden ouch ander supplicacion sollen dem grossen usschutz bericht tun"66. An die Stelle der Gesamtheit der Reichsstände als Empfänger von Supplikationsausschuß-Bedenken konnte somit auch der sogenannte Große Ausschuß treten, sofern er auf einem Reichstag eingerichtet wurde 67 . Daß es auch 1530 auf dem Reichstag zu Augsburg einen Supplikationsausschuß gegeben hat, geht aus einer Eintragung in Tetlebens Protokoll von diesem Reichstag hervor 68 und zeigen auch Formulierungen des Protokolls und anderer Schriftstücke wie "Bedennckenn der Rethe, so zu denn Supplicacionen verordent" unter dem 21. 8. 1530 und "Bedennckenn des ausschuss der obergebenen Supplicacionen halbenn" unter dem 14. 9. 153069 . Die Existenz eines Supplikationsausschusses auf dem Regensburger Reichstag von 1532 hat A. Westermann unter Berufung auf den Memminger Gesandten Maurer festgestellt, der das Schicksal der Supplikationen, wenn sie erst einmal "einem Sonderausschuß zur weiteren Beratung" überwiesen worden waren, damit umschrieb, daß sie "in die lange Truhe gelegt" würden 70. Es hat aber auch Reichstage gegeben, auf denen nicht sofort ein Supplikationsausschuß eingerichtet wurde, wohl aber andere Ausschüsse. Das war z. B. auf dem Regensburger Reichstag von 1541 nach neunjähriger Reichstags-Pause der Fall, obwohl eine Vielzahl von Supplikationen vorlag. Jakob Sturm und Batt von Duntzenheim schrieben deshalb am 1. 6. 1541 an den Rat von Straßburg: "Sovil die angestellte supplication belangt, wissen wir nit wol, wie die der kai. mt. und gemainen stenden uberantwort werden möcht, dan es seind seithar dem ersten kai. mt. furtrag die stend nie zusamen kommen, sonder allwegen die protestierenden sonders und die andern auch sondere zusammenkunften gehabt. so ist auch kein supplicationusschutz wie uf andern reichstagen gemacht worden, sonder hat die ro. kai. mt. ein teutschen rat, dorin herzog Friderich pfalzgrave, der von Navis und andere verordnet, welche bisher die supplicierenden parteien gehört. Wir achten aber, so die religionssachen ir ort oder mass finden und man zu den beschwerden des chammergerichts und andern reichshändlen greifen wurde, möcht als dann weg funden werden, dise supplication auch fueglich furzupringen71 ."
RTA jg. Rh. 7, 1, S. 793. s. o. Kap. 2.2.1. 68 Tetleben, Protoko111530, S. 90, zum 21. 7. 1530. 6U Förstemann, Bd. II, Nr. 160, S. 276 ff., Nr. 193, S. 434 H.; vgl. ferner Nr. 244, S. 693 H.: "Ferners Bedenken des über die Supplicationen verordneten Ausschuss." 70 Westermann, 1532, S. 81. 71 Str. Korr. III, Nr. 194, S. 185. G6
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4.1.1. Einsetzung des Supplikationsausschusses
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Die Straßburger deuteten in diesem Brief an, der nach den gescheiterten Religionsverhandlungen heftiger gewordene Streit zwischen den Konfessionen habe die Bildung eines Supplikationsausschusses verhindert, und hofften zugleich, daß es einen reichsständischen Ausschuß für die Bitten und Beschwerden spätestens dann geben müßte, wenn andere wichtige Reichssachen zu beraten sein würden. Diese Vermutung bewahrheitete sich, denn am 19.7.1541 schrieben die beiden Gesandten an den .Rat zu Straßburg, der Kaiser habe die zahlreichen Supplikationen, insbesondere die Beschwerden der Protestanten über das RKG, an die Reichsstände gewiesen, die dafür einen Ausschuß gebildet hätten; in dem Ausschuß seien mit Meurer aus Speyer und Haller aus Nürnberg auch zwei reichsstädtische Vertreter72 • Interessant bleibt an diesem Fall von 1541, daß vor Einsetzung eines reichsständischen Supplikationsausschusses ein vom Kaiser eingesetztes Gremium anstelle des gewohnten Ausschusses die Bitten und Beschwerden entgegennahm und daß die Städtevertreter offensichtlich ihre Supplikation dort nicht einreichen wollten, sondern bei dem Supplikationsausschuß, auf den sie warteten 73 • Über den Supplikationsausschuß auf dem Speyrer Reichstag von 1542 erfahren wir aus einem Brief Jakob Sturms und Jakob Meyers an den Straßburger Rat vom 3. 3. 1542, in dem berichtet wird, die Städte seien von den Fürsten aufgefordert worden, "zwei Abgeordnete in den Ausschuß für die in Regensburg unerledigt gebliebenen Supplikationen" zu entsenden; daraufhin seien die Vertreter Nürnbergs und Speyers von den Reichsstädten gewählt worden 74 • Sind den Quellen auch nicht immer genaue Angaben über die Umstände bei der Einsetzung des Supplikationsauschusses zu entnehmen, so geht doch aus den Protokollen z. B. auch der Reichstage von 1544 und 1545 hervor, daß dieses Gremium getagt hat, wenn z. B. immer wieder festgehalten ist, daß Relationen des Supplikationsausschusses vom Gesamtreichstag beraten wurden75 • Allein die Tatsache, daß es auch dann immer noch einen Supplikationsausschuß gegeben hat, wenn ansonsten unter den Reichsständen keine Verständigung mehr möglich war, beweist, wie sehr sich dieses Gremium als notwendig erwiesen hat, wollte der Reichstag die ihm gestellten Aufgaben nur annähernd erfüllen. Daß dieser Ausschuß auf jedem Reichstag seit 1521 mit der gleichen Regelmäßigkeit tagte wie die drei Kurien, zeigt, daß es bei seiner EinsetStr. KOIT. IH, Nr. 201, S. 198. s. o. S. 113 f., 149 f. 74 Str. Korr. IH, Nr. 226, S. 231. 75 z. B. Speyrer Reichstag von 1544: MEA RTA 10, 2 Bände Protokolle v. 23.2. - 11. 6. 1544, fol. 1 - 184, fol. 1 - 124, passim; ebenso Wormser Reichstag von 1545: MEA RTA 11, fol. 1 - 203, passim. 72
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11 Neuhaus
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4.1. Der Supplikationsausschuß als Reichstagsgremium
zung keine unüberwindlichen Hindernisse gab. Diese Regelmäßigkeit ist um so erstaunlicher, als die Bildung der übrigen Reichstagsausschüsse stets umstritten war76• Das Supplikationsgremium bildete hier eine bemerkenswerte Ausnahme. (Siehe Beilage Nr. 3.) Ein gutes Beispiel für die Ausnahmerolle des Supplikationsausschusses unter den Reichstagsausschüssen bietet der sogenannte Geharnischte Reichstag von 1547/48, auf dem lange Zeit unklar blieb, ob es überhaupt einen Ausschuß geben würde77 • Die Kurfürsten fürchteten um ihre Präeminenz und weigerten sich zunächst, sich mit Reichsfürsten und gar Städteboten an einen Tisch zu setzen78 • Trotzdem kam es mitten in den Verhandlungen über die Konstituierung von Reichstagsausschüssen zur Einsetzung des Supplikationsausschusses. Sie wurde ohne jegliche Diskussion, ja wie 1524 sogar auf Anregung der Kurfürsten, am Ende der Nachmittagssitzung des Kurfürstenrates vom 21. 10. 1547 von den kurfürstlichen Räten beschlossen, nachdem Mainz, da "etlich Suplicationes vorhanden", die Notwendigkeit seiner Einrichtung betont hatte 79• Am 9.11.1547 haben kurfürstliche Räte, Fürsten, gemeine Stände und Städtegesandte dann erstmals die Verordneten des Supplikationsausschusses mit ihrer Relation zu etlichen Supplikationen gehört, wozu der Mainzer Kanzler zuvor in seiner Proposition bemerkt hatte, daß "nach altem brauch ain Sup[licati]on Rath verordnet" worden sei80 • Am folgenden Tag wurden "Suplicationen sampt des darzu verordenten Ausschuß bedenncken" dann im Kurfürstenrat besprochen81 • Wie 1547 also bereits "nach altem brauch" ein Supplikationsausschuß eingesetzt worden warB2 , so wurde er auch 1550 unter Hinweis auf das Herkommen auf den vergangenen Reichstagen und den zur Gewohnheit gewordenen Brauch von den Kurfürsten zunächst nur in Erwägung gezogen und dann vom Reichstag auch eingerichtet8s • Das geschah gleich zu Beginn des Reichstages, als schon eine Reihe von Bitten und Beschwerden eingegangen war. Diese Tatsache läßt aber vermuten, daß nicht nur Brauch und Herkommen, sondern vor allem die anfallende Arbeit einen Zwang zur Einsetzung eines kooperativen Gremiums auss. o. Kap. 2.2.1. Zu den Diskussionen s. o. S. 41 ff. 78 s. o. Kap. 2.2.2. 79 MEA RTA 14b, E, fol. 97 r ; bereits am 22.10.1547 ließ der Mainzer Kanzler die Reichsstädte durch Jakob Sturm auffordern, Vertreter in den ständischen Supplikationsausschuß zu entsenden. Die Städte wählten dazu Köln und Augsburg aus: Str. Korr. IV, Nr. 684, S. 783 mit Anm. 3. BO MEA RTA 14b, E, fol. 115v ; MEA RTA 16, J, fol. 637 v • 81 MEA RTA 14b, E, fol. 119 r ; MEA RTA 16, J, fol. 638 r - 639 v • B2 MEA RTA 14b, E, fol. 115v • 83 s. u. Kap. 4.1.3.1. 78 71
4.1.1. Einsetzung des Supplikationsausschusses
163
übte. Die Masse von Supplikationen, die seit Beginn der Regierungszeit Karls V. auch die Reichsstände erreichte, ließ es selbst den von egoistischen ständischen Interessen geleiteten Ausschußgegnern unmöglich erscheinen, jede einzelne Supplikation im umständlichen Relations- und Correlationsverfahren zwischen den drei Kurien zu erledigen. Nachdem am 26.7.1550 in Anwesenheit Karls V. die kaiserliche Proposition zur Eröffnung des nach Augsburg ausgeschriebenen Reichstages verlesen worden war 84 , beschäftigten sich bereits am 31. 7. 1550 in einer Nachmittagssitzung die Reichsstände mit der Frage der Einsetzung eines Supplikationsausschusses85 . Zuvor war es schon zu einer Diskussion über Verfahrensfragen auf diesem Reichstag gekommen86 . Die Frage nach der Einsetzung eines Supplikationsausschusses war ausgelöst worden durch "etliche ubergebne Schrifften und Supplication" der Gesandten der Herzöge von Braunschweig und Lothringen und des Pfennigmeisters Lochinger, "die ettlicher sachen halben bey gemeinen Stenden umb audientz gebetten"87. Bei der Umfrage unter den Kurfürsten, wie man mit den Schriften und Supplikationen verfahren solle, betonten alle die Vordringlichkeit der vom Kaiser proponierten Reichssachen, sahen aber auch die Wichtigkeit der Supplikationen, deren Erledigung nicht mehr verzögert werden dürfte. Deshalb wurde beschlossen, in der Nachmittagssitzung die Schriften und Supplikationen vor den übrigen Ständen und den Reichsstädten zu verlesen, die dann auch alle bei den kurfürstlichen Räten erschienen88. Nach der Verlesung traten die Reichsstände in ihre drei Kurien zur getrennten Beratung über die Schrift des Herzogs von Braunschweig und die Supplikation des Pfennigmeisters zusammen. Dabei brachten einige kurfürstliche Räte den Supplikationsausschuß ins Gespräch. Der Trierer erinnerte sich, "das mann zu solchen Sachen hiebevor uff annder gehaltnen Reichstägen ein Supplication Rhadt hett verordnet. Woll mann aber ytzo daruff rathschlagen, sei inen auch nit zuwidder"89. In gleicher Weise äußerte sich der kursächsische Rat, der neben dem herkömmlichen Supplikationsausschuß ebenso die Möglichkeit andeutete, die Angelegenheiten in den Reichstagskurien zu beraten: "Stellten zu bedenncken, ob es für einen supplication rath zu weysen, altem gebrauch nach, oder aber im Churfürsten Rhadt zuberadtschlagen sei inen auch nit zuwidder, sich in dem wie es denn anndern gefellig zuvergleichen90." Mainz 84 85 88 87 88 89 10
RK RTA 23, III, 1, fol. 3r, v. MEA RTA 32, fol. 13r ff., Kurfürstenrats-Protokoll v. 31. 7.1550. MEA RTA 32, fol. 7r ff. MEA RTA 32, fol. llv, 12r. MEA RTA 32, fol. 12r, v. MEA RTA 32, fol. 13v • MEA RTA 32, fol. 14r.
164
4.1. Der Supplikationsausschuß als Reichstagsgremium
kündigte zu der Frage der Verordnung eines Supplikationsausschusses allerdings nur sein Votum an, ohne es auszuführen'l. So kam es darüber noch zu keiner Entscheidung; dem Pfennigmeister wurde lediglich mitgeteilt, er könne bereits abreisen, die Antwort auf seine Supplikation würde ihm nach der endgültigen Beratung nachgeschickt. Der Reichsfürstenrat war sich darin mit den Kurfürsten ebenso einig wie in dem Beschluß, die Braunschweiger Schrift wegen ihrer Wichtigkeit erst einmal von allen abschreiben zu lassen92 •
-
I m Kurfürstenrat ist die Frage des Supplikationsausschusses in den nächsten Tagen dann nicht mehr angeschnitten worden, am 5.8.1550 aber begann dieses Gremium mit seiner Arbeit. Von diesem Tage datiert ein "Prothocoll wes durch den verordenten Ausschuß im Supplication Rath zu Augspurg verhandelt Anno 50"93. Erstmals am 21. 8. 1550 beschäftigten sich die Kurfürsten mit Beratungsergebnissen des Supplikationsausschusses, nachdem "die verordneten des Supplication rhadts irem habenden bevelh nach ettlich Supplicationes berathschlagt und daruff dieselben bedenckhen sampt vorangeheffter Relation ubergeben" hatten 94 • In unregelmäßigen Abständen tat er das dann immer wieder95 , insbesondere im September 1550, als es u. a. auch um Verfahrensfragen im Supplikationsausschuß ging 96 • Danach tagte er ohne weitere Schwierigkeiten bis zum 12.2.1551 97 . Am 14.2.1551, kurz vor der Verlesung des Reichsabschieds, beschäftigten sich die Kurfürsten ein letztes Mal mit Supplikationen98 , was wiederum zeigt, daß Bitten und Beschwerden während der ganzen Dauer eines Reichstages von den Reichsständen zu behandeln waren und daß die Einrichtung des Supplikationsausschusses für die ganze Beratungszeit zwischen Proposition und Abschied notwendig war. Diese grundsätzliche Einstellung gegenüber dem Supplikationsausschuß wird auch nicht durch die Tatsache erschüttert, daß es 1555 auf dem Augsburger Reichstag zunächst erhebliche Schwierigkeiten bei seiner Einsetzung gab. Diese sind auf die entschiedene Ausschußfeindlichkeit der Kurfürsten zurückzuführen", konnten aber den SupplikaMEA RTA 32, fol. 14v • MEA RTA 32, fol. 14v,15 r • 93 MEA RTA 34; dieses Protokoll reicht vom 5.8.1550 bis 12.2.1551 und ist unfoliiert hinter Supplikationen und Relationen aller Art eingebunden. 94 MEA RTA 32, fol. 113 r • 96 MEA RTA 32 und 33 passim. 96 MEA RTA 32, fol. 173v ff. passim. 97 An diesem Tag endet das Protokoll: MEA RTA 34, zum 12.2.1551. 98 MEA RTA 33, zum 14.2.1551. (Die Akten dieses Bandes sind nicht foliiert.) 99 s. O. S. 58 ff. 91
92
4.1.1. Einsetzung des Supplikationsausschusses
165
tionsausschuß letztlich nicht verhindern, der dann bis zum Ende des Reichstages tätig war100. Ausgelöst wurde die Frage nach der Einsetzung eines Supplikationsauschusses am 4.3.1555 - fast einen Monat nach Verlesung der Proposition am 5. 2. 1555, als König Ferdinand den Ständen durch Dr. Jonas eine Supplikation der Bischöfe von Bamberg und Würzburg und der Stadt Nürnberg übergeben ließIOl. Nach der Verlesung der Supplikation vor allen Ständen kam es im Kurfürstenrat zu einer Umfrage über das Verfahren, das man zu ihrer Erledigung einschlagen wollte, indem der Mainzer anregte: "Stehe aber zu bedencken wie man die beratschlagung anfahen WOP02." Dabei sprachen sie sich gegen eine Ausschußbildung aus und für die sofortige Beratung der allgemeinen Landfriedensfragen in "abgesonderten räthen"103; hinsichtlich der Supplikation der fränkischen Einigungsverwandten "wollten sie sich auch weiter bedenken, was aller gelegenheit erleiden moge, und also doruf zu gelegner zeyt antwort widerfarn zu lassen, mit der bit mit inen gedult zu haben"l04. Die Reichsstädte wollten die Angelegenheit aber nicht weiter verzögert sehen, weshalb sie als besten Verhandlungsweg einen gemeinen Ausschuß vorschlugen und eine Abschrift von der Supplikation verlangten 105. An dieser Verfahrensfrage, so befürchtete der Straßburger Gesandte am 6. 3. 1555 in einem Brief an seinen Rat, werde der Reichstag zunächst genug zu tun haben, zumal bei aller Wichtigkeit der Supplikation "nit jederman lustig darzu", sie sehr bald zu erledigen106. Der König aber hatte es sehr eilig mit dieser Supplikation, weshalb er die Reichsstände durch Jonas bitten ließ, "dieweyl die uberraicht supplication zu handhabung friedens irer Mt. ermessens dinstliche und furderliche puncten in sich begriffe, so wollt ir Mt. sie vermant haben, dieselben zum furderlichsten furzunemen"107. 100 Noch am 21. 9. 1555, fünf Tage vor Reichstagsende, versammelten sich die Stände auf dem Rathaus, um einige Supplikationen zu erledigen (vgl.
Friedensburg, 1555, S. 76). 101 Hornung, S. 54; Friedensburg, 1555, S. 42; Kurfürstenrats-Protokoll: MEA RTA 38, fol. 28v ; Reichsfürstenrats-Protokoll: RK RTA 32, VII, fol. 13v (zum 4.3.1555); diese Supplikation der fränkischen Einigungsverwand-
ten gegen das Haus Brandenburg beschäftigte den ganzen Reichstag. 102 MEA RTA 38, fol. 30 r • 103 MEA RTA 38, fol. 30v ; Str. Korr. V, Nr. 468, S. 586. 104 Hornung, S. 54. 106 Friedens burg, 1555, S. 43. 108 Str. Korr. V, Nr. 468, S. 586; ansonsten aber waren die Städte 1555 gar nicht so sehr an einem Ausschuß interessiert, wie Jakob Hermann am 11.3. 1555 nach Straßburg schrieb (Str. Korr. V, Nr. 470, S. 588 f.). 107 Hornung, S. 55; MEA RTA 38, fol. 33v - 34v .
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4.1. Der Supplikationsausschuß als Reichstagsgremium
Die Supplikation der fränkischen Stände wurde zunächst einmal in den drei Reichstagskurien beraten, weil man sich über die Einrichtung eines Supplikationsausschusses nicht verständigen konnte. Die Reichsstädte bildeten noch am 5. 3. 1555 einen internen Ausschuß, der den Landfrieden, die Exekutionsordnung und die fränkische Supplikation beraten sollte 108 • Als am 12.3.1555 der Mainzer Kanzler mitteilte, die fränkischen Einigungsverwandten drängten auf eine Antwort, beschlossen die Städte in ihrer Nachmittagssitzung: "man erwarte, daß wie sonst ein Supplikationsausschuß von allen Ständen niedergesetzt werde, um diese Sachen zu verhandeln"lo9. Aber sie drangen mit ihrer Forderung nicht durch, denn am 28. 3. 1555 schrieben Dr. Ludwig Gremp und Jakob Hermann u. a. nach Straßburg: "Ein Supplikationenrat besteht hier noch nicht110." Aber nicht nur die Reichsstädte sahen die Notwendigkeit für die Einrichtung eines Supplikationsausschusses. In der Vormittagssitzung des vom Reichsfürstenrat am 11. 3.1555 konstituierten internen Ausschusses erklärte Markgraf Hans von Küstrin am 12.3. 1555111 : "Hab sich gestern erclert, dz diese sach [fränkische Supplikation] daher nit gehöre, sondern inn Supp[licati]on Rath. Last nochmals darbey bleiben, versteet doch, dz wir der sach inn diesem Ausschuß vil zu wenig. Dann nitt allain im f[ursten]rath sonnder von allen Stennden und Craisen zuberathschlagen von nötten." Und auch der Vertreter des Herzogs von Jülich meinte, "dz zu dieser und anderen Supp[lication]handlungen ain sonderer Ausschuß ervordert"112. Aber insgesamt konnte sich der Fürstenausschuß zu keiner einheitlichen Meinung durchringen118 , so daß sich der Fürstenrat insgesamt am 12. 3. 1555 mit der Supplikation beschäftigen mußte114 • Am gleichen Tag waren auch die Kurfürsten damit befaßtl15 • Auf Drängen des Mainzer Kanzlers - die Supplikanten verlangten eine Antwort116 - berichteten am 16. 3. 1555 Dr. Hofflinger und Dr. Zasius, der salzburgische und der österreichische Gesandte, über den Stand der Beratungen in der Fürstenkurie117 und lösten im Kurfürstenrat Um108
IOD 110 111
11! 113
tu 115 118 117
Friedensburg, 1555, S. 44. Friedensburg, 1555, S. 46.
Str. Korr. V, Nr. 476, S. 593. RK RTA 33, zum 11.3.1555. RK RTA 32, Beilage zu VII, zum 12.3.1555. RK RTA 32, Beilage zu VII, zum 12. 3. 1555, passim. RK RTA 32, VII, fol. 33 r. MEA RTA 38, fol. 80r, v. Friedensburg, 1555, S. 46.
MEA RTA 38, fol. 93r, v.
4.1.1. Einsetzung des Supplikationsausschusses
167
fragen aus 118 • Am 21. 3. 1555 zeigte der Fürstenrat dann den Kurfürsten die Ergebnisse seiner Beratungen an119• Bei dieser Gelegenheit, zu der neben allen Reichsständen Hornung und Dr. Jonas in der Stube der Kurfürsten erschienen waren 120, trug Jonas nicht nur eine zweite Supplikation der fränkischen Einigungsverwandten an Ferdinand um die Gewährung der zugesagten Kontributionen vor und bat die Stände um Antwort121 , sondern auch noch weitere Supplikationen des Pfalzgrafen Ottheinrich, Herzogs Heinrich von Braunschweig und des kaiserlichen Rates Lazarus von Schwendp22. Dazu vermerkte das Reichsstädterats-Protokoll, alle diese Schriftstücke seien verlesen worden und sollten auf Beschluß der Stände "abgeschrieben und durch den Supplikationsrat beraten werden" 123. Freilich war zu diesem Zeitpunkt noch kein Supplikationsausschuß eingerichtet worden. Das geschah erst, als bis zum 28. 3. 1555 immer noch mehr Supplikationen eingingen, die die Kurien mit Mehrarbeit belasteten124. Förderlich für die Einrichtung eines Supplikationsausschusses mag da auch gewesen sein, daß am gleichen Tag Dr. Jonas vor allen Ständen die Supplikation des Ritters Albrecht von Rosenberg gegen die ehemaligen Stände des Schwäbischen Bundes und den Wunsch Ferdinands vortrug, "das Churfursten, Fursten und gemaine Stennd aus dem mittel so der sachen nicht partheylich verwannt, etlich zuesötz zu solcher underhanndlung irer Mt. zuordnen wollten"125. Mangels eines reichsständischen Supplikationsausschusses sollte hier auf jene Sonderkommissionen, bestehend aus unparteiischen königlichen und ständischen Vertretern, zurückgegriffen werden, die schon im 15. Jh., aber auch noch zur Zeit Karls V. einzelne Supplikationen zu erledigen hatten128 • Da die strengen Ausschußgegner von 1555 sahen, daß hier für die Reichsstände die Gefahr lag, allen Einfluß auf die Bearbeitung von Bitten und Beschwerden zu verlieren, wenn der König auf diese Weise die wichtigsten an ihn gerichteten Supplikationen wieder selbst erledigen ließ, stimmten sie wohl bis zum 118 119
MEA RTA 38, fol. 94v
-
97 v •
Hornung, S. 55, Anm. 86.
120 MEA RTA 38, fol. 110r ff.; RK RTA 32, VII, fol. 95 r ff.; RK RTA 33, zum 21. 3. 1555. 121 MEA RTA 38, fol. 111 r , v; Friedensburg, 1555, S. 48. 122 MEA RTA 38, fol. 110r ; Friedensburg, 1555, S. 48 f. 123 Friedensburg, 1555, S. 49. m MEA RTA 38, fol. 132v (zum 28. 3.1555); Friedensburg, 1555, S. 49. 125 RK RTA 29b, II, 2b, fol. 31 v (aus dem Bruchstück eines Reichstagsdiariums für die Zeit vom 19. 3. bis 8. 5. 1555, hier zum 28. 3. 1555); s. a. MEA RTA 38, fol. 132r , v; zur Rosenbergschen Supplikation J. Frey, Die Fehde der Herren von Rosenberg auf Boxberg mit dem Schwäbischen Bund und ihre Nachwirkungen (1523 -1555), Diss. phil. Tübingen 1924 [Masch.], insbes. S. 139 ff. 126 s. o. S. 86 f., 148 f.
168
4.1. Der Supplikationsausschuß als Reichstagsgremium
29. 3. 1555 der Einsetzung eines Supplikationsausschusses zu. Das wird durch das reichsstädtische Protokoll erhärtet, das nach Eingang weiterer Supplikationen unter dem 28.3.1555 vermerkte, "alsbald" sei ein Supplikationsausschuß eingesetzt worden, zu dem die Städte die Gesandten Straßburgs und Eßlingens als ihre Vertreter entsandt hätten127 • Bis zum 30. 4. 1555 hat der Supplikationsausschuß dann viermal getagt, ohne allerdings wegen des Ausbleibens etlicher Gesandter etwas ausrichten zu können128 • Voll arbeitsfähig wurde er aber danach, denn am 22. 5. 1555 wurde das erste Bedenken des Supplikationsausschusses zu 14 Supplikationen im Reichsrat verlesen und anschließend in den Kurien beraten129• Einem Brief der württembergischen Gesandten Hans Dietrich von Plieningen und Kaspar Ber vom 4. 8. 1555 an Herzog Christoph von Württemberg ist sogar zu entnehmen, daß der Supplikationsausschuß 1555 in Augsburg eigentlich nicht umstritten war. Dieser Brief ist auch deshalb interessant, weil er aus der Sicht reichsfürstlicher Gesandter deutlich zeigt, wo sie den Supplikationsausschuß einordneten. Am 3.8.1555 war es bei den Verhandlungen über Reichsgravamina infolge Fehlens eines interkurialen Ausschusses zu einem Verfahrensstreit gekommen: der Fürstenrat stellte fest, daß es "nicht Herkommen noch Gerechtsame" sei, "dass bei zwiespältiger Meinung" im Kurfürsten- und Fürstenrat die Kurfürsten den Ausschlag gäben, und forderte deshalb zum wiederholten Male die Einrichtung eines Ausschusses13o • Am 4.8.1555 wiesen die Gesandten der evangelischen Reichsfürsten dann darauf hin, daß in "gewöhnlichen Dingen und bei den Supplikationen" der "gemeine Ausschuß" ja auch nicht verweigert würde131 • Das Supplikationsgremium wurde also als ein Ausschuß verstanden, der nur Vorteile in Form von Arbeitserleichterungen brachte und in dem politisch brisante Dinge nicht behandelt wurden. Deshalb war seine Einrichtung auch weitgehend unproblematisch. Andere interkuriale Ausschüsse aber bedrohten zum Teil die Interessen vor allem der Kurfürsten und waren deshalb umstritten und wurden verhindert. So hat es schließlich auf allen Reichstagen während der Regierungszeit Karls V. einen Supplikationsausschuß gegeben. Seine Einrichtung wurde nach anfänglichen Unsicherheiten infolge der Neuerung, die er darstellte, und der durch das Reichsregiment bedingten besonderen Situation von Reichstag zu Reichstag immer selbstverständlicher. Auch 127
Friedensburg, 1555, S. 49.
So die Straßburger Gesandten in ihrem Brief vom 30.4. 1555 nach Hause: Str. Korr. V, Nr. 484, S. 600. 129 Friedensburg, 1555, S. 53; MEA RTA 38, fol. 329 r - 330v . 130 Ernst, Briefwechsel, III, Nr. 133, S. 278. 131 Ernst, Briefwechsel, III, Nr. 133, S. 279. 128
4.1.1. Einsetzung des Supplikationsausschusses
169
wenn sie 1555 zunächst zu scheitern drohte, so zeichnete sich doch auch dieser Supplikationsausschuß schließlich durch regelmäßige Sitzungen und beständige Arbeit bis zum Schluß des Reichstages aus. Man wird deshalb allgemein feststellen können, daß sich der Supplikationsausschuß als neues Reichstagsgremium in der ersten Hälfte des 16. Jh.s sehr schnell durchgesetzt und zu einer festen Institution mit einem selbständigen, genau umrissenen Arbeitsgebiet auf den Reichstagen entwickelt hat. Kein anderes Gremium neben den drei ursprünglichen Kurien trat so regelmäßig zusammen und arbeitete fast während der ganzen Dauer eines Reichstages, mußte so arbeiten, da die zu beratenden und erledigenden Supplikationen auf jedem Reichstag in großer und immer größer werdender Zahl eingingen. Die Beantwortung von Supplikationen wurde zu einer ständigen Aufgabe der Reichstage und machte einen Supplikationsausschuß unentbehrlich. Ihm begegnen wir auch in der zweiten Hälfte des 16. Jh. s auf den Reichstagen. 1556/57 in Regensburg tagte der Supplikationsausschuß mit Sicherheit ab 1. 2. 1557192, nachdem bereits am 12. 10. 1556 im Fürstenrat beschlossen sorden war, eine übergebene "Supplication auffzuheben biß ainist ein Suplication Radt verordnet", dem sie "zuberadtschlagen bevolhen" werden sollte 193 ; am 31. 12. 1556 war dann im Hinblick auf einige andere Bitten und Beschwerden erörtert worden, "daß dann die Verleesnen Supp[licati]on[en] dem geordneten Supplication Rath zuerwögen auch bevolhen werden solltte"194. Auf dem Augsburger Reichstag von 1559 wurde ab 10. 4. 1559 "im verordneten Supplications Rhat zuberathschlagen angefangen und daruff bedacht"135; in Regensburg 1576 wurden am 1. 10. 1576 zehn "der in dem Suplication rath verglichenen decreta" im Kurfürstenrat behandelt1 36 • Wie für den Augsburger Reichstag von 1566 ein "Supplication Raths prothocolum" vorliegt 1S7, so verfügen wir über ein "Protocollum speciale deß auf itzo An [no] 1570 zu Speir gehaltnen Reichstag, gemainen der Stend supplication raths"138 ebenso wie über eine gleiche Quelle für 1582: in dem "Prothocollum im ordinari Supplication Rath"139 vom Augsburger Reichstag wird dieses Gremium nicht nur als "ordinari" bezeichnet - eine Eigenschaft, die sonst meistens den drei MEA RTA 42,1 Bd. Prothocollum uber Supplicationes, fol. 16 r . RK RTA 39; Reichsfürstenrats-Protokoll, fol. 351 r • m RK RTA 39, Reichsfürstenrats-Protokoll, fol. 525 r ; s. a. MEA RTA 42, fol. 4r . 135 MEA RTA 46, Supplicationes Liber secundus, fol. 244 r • 138 MEA RTA 72, Kurfüstenrats-Protokoll, fol. 194r • 137 MEA RTA 50, Liber primus Supplicationum, fol. 10 r ff. 138 MEA RTA 58, Tomus primus Supplicationum, fol. 3r ff. 139 MEA RTA 85, Tomus Primus Libellorum suppli[cationum], fol. 10 r ff. 132
133
170
4.1. Der Supplikationsausschuß als Reichstagsgremium
Reichstagskurien beigemessen wird -, sondern auch als "consili[um] supplicationum" 140. Schließlich besitzen wir für den Regensburger Reichstag von 1594 ein Protokoll, "in quo continentur supplicationes expedite et earundem Decreta"141; am 21. 6. 1594 hatte der Mainzer Kanzler ansagen lassen, "dz man die schrifften so verlesen abschreiben lassen und den Stännden communicieren unnd den Supplication Rath anordnen" SOll142. Wenn wir auch für den Reichstag von 1597/98 keinen Supplikationsausschuß nachweisen können, so sind wir doch berechtigt, für das 16. Jh. seit dem Regierungsantritt Karls V. festzustellen, daß der Supplikationsausschuß auf den Reichstagen dieser Zeit zu einer ständigen Einrichtung geworden ist. 4.1.2. Zusammensetzung des Supplikationsausschusses Mit der Einsetzung des Supplikationsausschusses auf den Reichstagen des 16. Jh.s war zugleich auch immer seine personelle Besetzung verbunden, die man wohl unter zwei hauptsächlichen Gesichtspunkten sehen muß: erstens unter dem Gesichtspunkt der mit den Supplikationen gegebenen speziellen Beratungsmaterie und zweitens dem der in der Regel doch langen Tagungsdauer. Damit sind die Fragen nach Zahl und Qualifikation der Mitglieder des Supplikationsausschusses gestellt. Ihre Beantwortung kann wie bei vielen Fragen bezüglich der Reichstagsorganisation im frühen 16. Jh. nur unter dem Vorbehalt geschehen, daß die Quellen längst nicht so viele Informationen liefern wie etwa für die Mitte des Jahrhunderts. Insgesamt aber wird man feststellen dürfen, daß die personelle Zusammensetzung des Supplikationsausschusses von 1521 bis 1546 sehr unterschiedlich gehandhabt worden ist und sich allem Anschein nach häufig an den früher eingesetzten Kommissionen zur Beilegung eines Streitfalles orientierte, deren Mitgliederzahlen schwankten. Auffallend bei diesen Supplikationsausschüssen ist, daß wir über die kurfürstlichen Mitglieder so gut wie nichts erfahren. Daraus darf man wohl schließen, daß ihre Teilnahme an den Beratungen des Supplikationsausschusses selbstverständlich war. Ohne sie wird ein solches Gremium nicht getagt haben, weil sie die Relationen eines so beschaffenen Kollegiums ohne ihre Beteiligung wohl kaum gebilligt hätten; abgesehen davon hätte der Reichstag ohne ihre Zustimmung vermutlich keinen Supplikationsausschuß als reichsständisches Gremium einsetzen dürfen. Können wir die Mitgliedschaft der Kurfürsten im Supplika140 141 142
MEA RTA 85, Tomus Primus Libellorum suppli[cationum], fo1. 12r • MEA RTA 92, Liber Supplicationum Primus. RK RTA 65, Reichsfürstenrats-Protokoll, fo1. 27r, v.
4.1.2. Zusammensetzung des Supplikationsausschusses
171
tionsausschuß also voraussetzen, so läßt es die gelegentliche Nennung von kurfürstlichen Räten in diesem Gremium aber offen, ob alle oder nur einige Kurfürsten Vertreter entsandt haben. Für den Supplikationsausschuß des Wormser Reichstages von 1521 können wir als kurfürstlichen Vertreter lediglich den Kurmainzer Rat Dr. Zobel belegen 143 • Daneben waren Lucz von Eyb (für den Bf. v. Eichstätt)144 als Vertreter der geistlichen Reichsfürsten, Christoph von Schwarzenberg (für Hz. Wilhelm v. Bayern)145 als Vertreter der weltlichen Reichsfürsten, Hans vom Hunsrück146 für die Reichsgrafen, der Abt von Fulda147 für die Reichsprälaten und Bürgermeister Besserer aus Ulm für die Reichsstädte 148 Mitglieder des Supplikationsausschusses. Wenn sich aber nur diese Vertreter geistlicher und weltlicher Reichsstände nachweisen lassen, so heißt dies keineswegs, daß neben dem Mainzer die anderen Kurfürsten nicht am Supplikationsausschuß von 1521 beteiligt waren. Bei der Bildung interkurial besetzter Großer Ausschüsse war ja gerade die Beteiligung der sechs Kurfürsten notwendige Voraussetzung, sollte es überhaupt zu einer Ausschußbildung kommen. Die Mitwirkung nur eines Kurfürsten an der Arbeit des Supplikationsausschusses aber widersprach dem Prinzip des "eigenen Rates" der Kurfürsten, das auch für den Supplikationsausschuß von Bedeutung war: um ihre absolute Präeminenz zu wahren, wollten sie sich auch hier nicht überstimmen lassen. Aus diesen Gründen ist anzunehmen, daß der erste nachweisbare Supplikationsausschuß aus den sechs Kurfürsten und den genannten übrigen fünf Vertretern bestand. Strukturell etwas anders zusammengesetzt war der Supplikationsausschuß auf dem Nürnberger Reichstag von 1522/23. Seine Mitglieder sind aus der protokollarischen Aufzeichnung eines Mainzer Rates über die Reichstagsverhandlungen vom 17. 11. bis 26. 12. 1522 bekannt. Unter 143 So Bock und Dutzenheim am 27.3.1521 in einem Brief an Straßburg: RTA jg. Rh. 2, Nr. 174, S. 835, und auf einem Zettel ebd. 1U ZU entnehmen dem Brief Peutingers vom 24.5.1521 an Augsburg: RTA jg. Rh. 2, Nr. 236, S. 936, wo auch Christoph von Schwarzenberg genannt wird. 145 So Peutinger am 30.4.1521 an Augsburg: RTA jg. Rh. 2, Nr. 207, S. 882; Hans vom Hunsrück ist der Pfgf. Johann v. Simmern und v. Sponheim, der im 2. Reichsregiment Vertreter des Kurfürsten von der Pfalz war (vgl. Planitz, S. 479, 494, 511, 514 u. ö.). 141 So Peutinger an Augsburg am 30.4.1521: RTA jg. Rh. 2, Nr. 207, S. 883. U7 Zettel zum Brief Bocks und Duntzenheims vom 27.3.1521 an Straßburg: RTA jg. Rh. 2, Nr. 174, S. 835. 148 So Fürstenberg in seinem Brief vom 23.2.1521 an Frankfurt (RTA jg. Rh. 2, Nr. 144, S. 804) und Bock und Duntzenheim am 27.3.1521 an Straßburg (RTA jg. Rh. 2, Nr. 174, S. 835; Str. Korr. I, Nr. 75, S. 39). Aus der Straßburger Korrespondenz geht nicht hervor, ob ein Straßburger Gesandter ebenfalls im Supplikationsausschuß saß, wie das später sehr oft der Fall war.
172
4.1. Der Supplikationsausschuß als Reichstagsgremium
dem Datum des 24. 11. 1522 stellte der Protokollant fest, zu den Supplikationen, die die Kurfürsten ex officio behandelten, "seind geordent mein gn. her der hoemeister in Preussen, der Hessisch rate, Wormbs, Spyer, Gulgisch botschaff, von der stet wegen der chamrer von Regensburg" und fügte erläuternd hinzu: "denen seind alle supplicacionen ubergeben"149. Gegenüber dem Supplikationsausschuß von 1521 fehlten Vertreter der Grafen und Prälaten; ferner hat sich die Zahl der geistlichen und weltlichen Reichsfürsten erhöht, während die Kurfürsten bzw. ihre Räte qua Amt und Stellung auf dem Reichstag dazu gehörten. Der interkuriale Charakter des Supplikationsausschusses blieb erhalten, wenn auch nicht mit der Konsequenz, die für die Besetzungspraxis für Ausschüsse dieser Größenordnung zur Regel wurde. Wiederum anders zusammengesetzt war der Ausschuß für die Supplikationen auf dem Nürnberger Reichstag von 1524, wo es in einer protokollarischen Aufzeichnung des Wormser Dompropstes Simon Ribeisen unter dem Datum des 24. 2. 1524 heißt: "Doch haben die churfursten und fursten zu ersehung der supplication geordent"150: Dr. Einkurn, Gesandter Kurkölns, Dr. von Affenstein, Rat von Kurpfalz, Lic. Johann Müller, Rat des Bischofs von Bamberg, Ritter Philipp von Herrnstein für den Bischof von Würzburg, Herr von Losenstein, Rat des Herzogs Wilhelm von Bayern, Hans Truchseß, Rat des Pfalzgrafen Friedrich. In diesem Supplikationsausschuß fehlten also Vertreter der Grafen, Prälaten und Städte, was letztere sogleich zur Sprache brachten. Ribeisen vermerkte dazu unter dem 29. 2. 1524 in seinem Protokoll, daß sich die Städte beim Mainzer Kanzler beklagt haben mit der Bitte, daß "churfursten, fursten und stend wollen inen vergunstigen, das sie auch ein rate aus inen zu ersehung der supplication welen mugen; dann vil supplicationes inkummen, die sie zum theil auch belangen". Diese Bitte ist ihnen, "nochdem es von alters her also gehalten und in ubung gewesen, zugelossen worden"151. Der Hagenauer Stadtschreiber Johann Hug vermerkte dazu in seinen Aufzeichnungen über die Reichstagsverhandlungen vom 20. 2. bis 20.4. 1524 zum 10. 3. 1524: "Darneben ist den gesandten [den von stetten] ouch angesagt, zwene us innen in grossern usschuss zu ordnen, die ratsch leg uber die supplicationen vom cleinen usschuss verfasst ferrer zu bedenken und entlich zu beratschlagen, wes daruf zu antwurt sien; doch das zuvor auch widder an gemeine stende RTA jg. Rh. 3, Nr. 51, S. 290. RTA jg. Rh. 4, Nr. 25, S. 120; diese personelle Zusammensetzung war aber keineswegs unveränderlich, denn zum 22.3.1524 berichtete Ribeisen, daß Dr. Lump, der hier nicht genannt ist, "von wegen der supplicationrett relation etlicher supplication mit angehengtem irem doruf guttbeduncken" getan hat, "das in ein schrift gestelt und verlesen ward" (RTA jg. Rh. 4, Nr. 25, S. 154). 151 RTA jg. Rh. 4, Nr. 25, S. 125. 149
150
4.1.2. Zusammensetzung des Supplikationsausschusses
173
gelangen lossen, darin zu beschliessen 152 ." In gleicher Weise vermerkte Ribeisen zum 4. 3. 1524 eine Bitte des Grafen Bernhart von Solms: "nachdem ein supplicationrate verordent und die graven auch ein stant im reich sien, so sei sein bitt, im von wegen gemeiner graven auch einen glich den stetten zu verordnen"153, der ebenfalls entsprochen wurde, so daß nicht nur eine gleiche Zahl von Kurfürsten und Fürsten, Geistlichen und Weltlichen mit den Supplikationen beschäftigt war, sondern mit Bernhart von Solms auch ein Reichsgraf und mit dem Vertreter Straßburgs auch eine Reichsstadt154 • Anders als bei den anderen Ausschüssen kamen die Reichsstädte hier also sehr schnell zu ihrem Ziep55, auch wenn das ein übergewicht der weltlichen Reichsstände zur Folge hatte. Die Beschränkung der Supplikationsausschuß-Mitglieder auf Kurfürsten und Reichsfürsten ist auf dem Speyrer Reichstag von 1526 anzutreffen, findet dort ihre Erklärung aber in einer allgemeinen Ausschußfeindlichkeit der Kurfürsten und Fürsten. Friedensburg nennt als Mitglieder des "kleine[n] Ausschuss über die gemeinen Supplikanzen", "so täglich eingegeben werden": zwei kurfürstliche Vertreter, den Bischof von Augsburg, den Hochmeister des Deutschen Ordens, den Gesandten Herzogs Erich von Braunschweig und den des Herzogs von Jülich-Cleve156 • In der Beilage einer Relation Memmingens werden, als Kurfürsten und Fürsten doch in einen Ausschuß mit den Reichsstädten eingewilligt hatten, dann auch zwei städtische Vertreter genannt, der Bürgermeister Arnold von Bruwyler aus Köln und Besserer aus Ulm157. Obwohl wir sonst über den Speyrer Reichstag von 1529, insbesondere auch seine Organisation und Arbeitsweise sehr gut informiert sind, wissen wir im Hinblick auf seinen Supplikationsausschuß und die Zusammensetzung des Gremiums nur sehr wenig Genaues. Bei der Behandlung der Bitten und Beschwerden wird er nur gelegentlich erwähnt, wobei seine Mitglieder anonym bleiben. Lediglich Valentin v. Tetleben nennt unter dem Datum des 8. 4. 1529 einige Mitglieder, so Dr. Pfaff für Kurmainz, Ludwig v. Boblenberger für Kursachen, Dr. Lump (Lang) für Kurtrier. Aufgrund des Prinzips der Bildung interkurialer Großer Ausschüsse kann es aber keinen Zweifel geben, daß alle sechs Kurfürsten im Supplikationsausschuß vertreten waren. Die Reichsfürsten hatten wohl W. v. Seckendorf für den Bischof von Eichstätt und einen Rat Markgraf Georgs von Baden in den Supplikations152 153 154 155 158 157
RTA jg. Rh. 4, Nr. 28, S. 225. RTA jg. Rh. 4, Nr. 25, S. 132. RTA jg. Rh. 4, Nr. 28, S. 222. s. o. S. 33.
Friedens burg, 1526, S. 452, Anm. 2.
s. o. S. 33 f.
174
4.1. Der Supplikationsausschuß als Reichstagsgremium
ausschuß entsandt158 • Vertreter der Grafen, Prälaten und Städte aber sind nicht greifbar. Von den Reichsstädten wissen wir nur, daß sie im Rahmen ihres allgemeinen Kampfes um reichsrechtliche Anerkennung auf dem Reichstag Ansprüche auf Mitgliedschaft in den Ausschüssen erhoben. In ihrer Supplikation vom 8. 4. 1529 an den Reichstag erklärten sie, daß sie den Supplikationsausschuß für notwendig hielten und wenigstens zwei reichsstädtische Vertreter schnellstens noch vor Ende des Reichstages entsenden wollten. Damit sollte erreicht werden, daß die schon eingereichten oder noch zu erwartenden Bitten und Beschwerden "etlicher maß" gemildert würden159 • Sonst aber ist nichts weiter über die personelle Zusammensetzung des Supplikationsausschusses zu erfahren; das Schweigen der reichsstädtischen Korrespondenz läßt vermuten, daß der Supplikationsausschuß von 1529 ein rein kurfürstlich-reichsfürstliches Gremium war160 • Sagen unsere Quellen auch über die Besetzung des Supplikationsausschusses von 1530 nichts aus, so ist für den Reichstag von 1541 festzuhalten, daß - wie die Straßburger Gesandten am 19.7.1541 nach Hause meldeten 161 - mit dem Speyrer Bürgermeister Meurer und dem Nürnberger Haller zwei Vertreter der Reichsstädte im Supplikationsausschuß saßen. Die Quellen geben zwar für diesen Reichstag und für den von 1542, auf dem die Städte ebenfalls zwei Vertreter in den Supplikationsausschuß entsandten162, keine weiteren Auskünfte über die personelle Zusammensetzung der Supplikationsausschüsse, aber es ist anzunehmen, daß sie 1541 und 1542 in der Besetzung arbeiteten, die ab 1547/48 zur Regel wurde: in der Besetzung der interkurialen Ausschüsse 163• Dafür spricht einmal die Tatsache, daß 1541 zwei Städtevertreter dem Supplikationsausschuß angehörten. Wenn man bedenkt, welche Schwierigkeiten den Städten sonst bei der Erteilung von Sitz und Stimme auf den Reichstagen und in den Ausschüssen gemacht wurden, dann ist kaum anzunehmen, daß weniger Kurfürsten und weniger Mitglieder des Reichsfürstenrates in diesem Ausschuß vertreten waren. Ein - verglichen mit den früheren Supplikationsausschüssen so großes Gremium war zum anderen notwendig, weil ab 1541 die Zahl der Supplikationen sehr stark zugenommen hat164 • Die Zusammensetzung des Supplikationsausschusses von 1545 ergibt sich aus dem Zusammenhang seiner Arbeit mit der Eintreibung 158
158 160
181 182
183 lU
RTA jg. Rh. 7, 1, S. 676; vgl. auch Kühn, 1529, S. 140. RTA jg. Rh. 7, 2, Nr. 122, S. 1223 f. RTA jg. Rh. 7, 1, S. 793. Str. Korr. IU, Nr. 201, S. 198. Str. Korr. UI, Nr. 226, S. 231. s. o. Kap. 2.2.1. s. O. S. 100.
4.1.2. Zusammensetzung des Supplikationsausschusses
175
ausstehender Anschläge und der Münsterschen Truhen. Einmal werden unter dem 15. 4. 1545 als "durch gemeine Reichsstendt dartzu verordente" genannt: Mainz, Trier, Deutschmeister, Jülich, Grafen und Stadt Köln 165, zum anderen in der "Relation der verordenten Churfursten, Fursten und gemeiner Reichsstende, deß außgegebnen gelts halben aus der Munsterischen Truhen"168 Mainz, Trier, Sachsen, Konstanz, Jülich, Prälaten, Grafen und Stadt Köln aufgezähIt167. Daß es sich dabei um Mitglieder des Supplikationsausschusses handelt, geht aus der Tatsache hervor, daß dieses Schriftstück an anderer Stelle als "Relation deß Suplication Rhats, bezalung der underbeuelsleut belangend" bezeichnet wird168. Folgt man dem "Ausführlichen Bericht, wie es uff Reichstägen pflegt gehalten zu werden", so wurden die Supplikationen "durch aller Stände Verordnete tractirt, also das von wegen jedes Churfürsten eine Person, von wegen der Geistlichen Fürsten 3 und wegen der Weltlichen 3, von wegen der Prälaten [...] ein, und also auch von wegen der Graffen ein, und von wegen der Stätt 2 Personen zu den Supplicationen verordnet"169; dieser 16er Ausschuß wurde noch ergänzt durch einen Sekretär der Mainzer Kanzlei, die für den Geschäftsgang der Supplikationen verantwortlich war. Der Zusammensetzung nach entsprach der Supplikationsausschuß somit einem interkurialen Ausschuß, in den jeder Kurfürst einen Gesandten schickte, Fürsten, Grafen, Prälaten und Städte aber ihre Verordneten von den einzelnen Bänken entsandten. Der Verfasser des Traktates hätte es allerdings für "mehr fordersam" erachtet, wenn "etliche gewisse Personen von wegen Churfürsten, Fürsten und Stände in gemein darzu deputirt und denselben also bevolen wird, nit per vota ihrer Herrn, sondern vor sich selbsten die Sachen zum besten zu erwegen"170, wogegen sich aber die Stände des Fürstenrates und die .Reichsstädte wehrten, "dann dern ein jeder gern mit Wissens haben will, was vorkeme"171. Dem aus der Mainzer Kanzlei stammenden Verfasser schwebte als Idealbesetzung des Supplikationsausschusses offenbar ein fester Personenkreis vor, der ohne Auftrag 185 MEA RTA 10, 1 Bd. Wormbs 1545, fol. 141 r • 186 MEA RTA 10, 1 Bd. Wormbs 1545, fol. 120r . 187 MEA RTA 10, 1 Bd. Wormbs 1545, fol. 121 r • 188 MEA RTA 10, 1 Bd. Wormbs 1545, fol. 125v • 18U Traktat, S. 73; die hier angegebene Zusammensetzung des Supplikationsausschusses stützt sich auf Erstenbergers Protokoll über die Verhandlungen des Reichstages von 1566, vgl. Traktat, S. 73, Anm. 9. Siehe dazu MEA RTA 50, Liber primus Supplicationum, fol. 11 r : "Nomina Consiliariorum Qui ad Supplicationes expediendas a principibus electoribus + aliis Imperii statibus erant deputati in Comitiis Augustae Vindelicorum anno saluti 1566 celebratis." 170 Traktat, S. 72 f. 171 Traktat, S. 73.
176
4.1. Der Supplikationsausschuß als Reichstagsgremium
nach eigenem Wissen und Vermögen während der gesamten Tagungsdauer des Reichstages die oft sehr speziellen Suppliktionen bearbeitete; deshalb wählte er die Formulierung "nit per vota ihrer Herrn, sondern vor sich selbsten die Sachen zum besten zu erwegen" unmittelbar vor Bemerkungen zum Supplikationswesen innerhalb des Kapitels "Von extraordinari Rähten, Deputationen und Außschussen". Die zahlenmäßige Auswahl der Mitglieder aus den verschiedenen reichsständischen Gliederungen nach dem angegebenen Schlüssel hätte dabei nur noch eine formale Bedeutung gehabt, entscheidend wäre die qualitative Befähigung jedes Einzelnen gewesen. Wenn hier an ein feststehendes, selbständiges Kollegium von Fachleuten gedacht war, das aufgrund der Erfahrungen des letzten halben Jahrhunderts 1569 in der Mainzer Kanzlei als so ideal für die Erledigung von Supplikationen angesehen wurde, daß man es in eine Beschreibung des Reichstages, die zugleich und in erster Linie "Leitfaden für die Reichstagspraxis"172 sein sollte, als Anregung, wenn auch noch nicht als gegebenes Faktum aufnahm, dann muß es dazu Ansätze auf den Reichstagen der Zeit Karls V. gegeben haben. Allerdings lehnten die Kurfürsten 1547 einen vom Kaiser angeregten 22er Ausschuß zur Beratung seines Bundesplanes gerade deswegen ab, weil seine Mitglieder "dise sach fur sich selbst unnd nit von wegen irer Herren" beraten sollten 173 • Damit wirkten sie einer Tendenz zum Fachausschuß entgegen, was bei der besonderen Situation und Aufgabenstellung des Supplikationsausschusses nicht so leicht war. Für die Reichstage von 1521 bis 1555 ist der im "Traktat" genannte 16er Ausschuß freilich nicht nachweisbar, wohl aber der 14 Mitglieder umfassende Supplikationsausschuß, den Christopher Lehmann in seiner Bearbeitung des Traktates nennt 174 • Diese Zahl wird auch vom Traktat selbst im 4. Kapitel bestätigt, wo als Verordnete des Supplikation&ausschusses genannt werden: die Räte der sechs Kurfürsten, Salzburg und Würzburg als Vertreter der geistlichen Fürsten, Bayern und Württemberg für die weltlichen Fürsten, ein Reichsprälat, ein Reichsgraf und die Gesandten der Reichsstädte Straßburg und Ulm176 • In dieser Besetzung sind aber erst die Supplikationsausschüsse vom Geharnischten Reichstag an namhaft zu machen; was allerdings die Anzahl der Vertreter angeht, so sind für die Supplikationsausschüsse von 1541 und 1542 ebenfalls solche Besetzungen anzunehmen176. Reichs172 173
174 175 176
Schubert, S. 244.
MEA RTA 13, A, fol. 78 v •
Traktat, S. 77. Traktat, S. 57. s. o. S. 174.
4.1.2. Zusammensetzung des Supplikationsausschusses
177
fürstenrat und reichsstädtisches Kollegium waren offenbar völlig frei in der Benennung ihrer Ratsmitglieder. Neben den Räten der sechs Kurfürsten waren 1547/48 die Bischöfe von Konstanz und Augsburg, später der Bischof von Bamberg für den Augsburger und gegen Ende des Reichstages der Erzbischof von Salzburg für den Konstanzer im Supplikationsausschuß vertreten. Von den weltlichen Fürsten saßen dort hauptsächlich der Pfalzgraf Johann und Markgraf Johann von Küstrin, zeitweise auch Markgraf Ernst von Baden und Pfalzgraf Wolfgang aus dem Hause Zweibrücken für Pfalzgraf Johann. Vertreter der Reichsgrafen war der Graf von Simmern, die Reichsstädte schickten Augsburg und Köln bzw. Lübeck177• Wie auf diesem Reichstag so umfaßte auch der Supplikationsausschuß von 1550/51 14 Mitglieder. Außer den kurfürstlichen Räten begegnen hier die Bischöfe von Augsburg und Paderborn für die geistlichen Fürsten, der Herzog von Bayern, ab 13. 1. 1551 ein Fürst von Anhalt, und der Markgraf von Brandenburg für die weltlichen Fürsten, Dr. Ma thias Rast als Kanzler des Abtes von Kempten für die Reichsprälaten, Dr. Sebastian Reichart für die Reichsgrafen, Straßburg und Nürnberg für die Reichsstädte178 • 4
Für die Konsolidierung des Supplikationsausschusses als interkurialer 14er Ausschuß in der Mitte des 16. Jh.s spricht nicht zuletzt auch der Kampf um dieses Gremium auf diesem Reichstag von 1550/51, der positiv endete, wie seine aufgezeigte personelle Zusammensetzung deutlich macht. Die Auseinandersetzungen um den Supplikationsausschuß wurden damals in Augsburg von dem bayerischen Gesandten Eustachius Liechtenstein am 2. 9. 1550 im Supplikationsausschuß ausgelöst, zu einem Zeitpunkt also, da das Gremium schon einen Monat lang in bewährter Weise seine Arbeit getan und auch bereits Relationen an die drei Kurien geleitet hatte. Dabei ging es um die Zahl der Mitglieder des Reichsfürstenrates in diesem Ausschuß. Der bayerische Gesandte sprach von einem "bißhero herkommen", "das altwegen im fürsten Rath vier von der geistlichen und dan vier von der weltlichen banck darzu deputirt, derwegen dan für gut angesehen, daß es jetzmals dergleichen auch gehalten würde, und also der fürsten Rath noch vier als nemlich Würtzburgk, Eystet, Brandenburgk 171 Diese Ausschußbesetzung ergibt sich aus dem "Prothocollum Supplicationum" von 1547/48: MEA RTA 16, J, fol. 616 r - 686r ; über die Besonderheiten dieses Supplikationsausschusses s. u. Kap. 4.1.3.3. 178 Diese Ausschußbesetzung ergibt sich aus dem "Prothocoll wes durch den verordenten Ausschuß im Supplication Rath zu Augspurg verhandelt Anno 50" (MEA RTA 34), das hinter Supplikationen und Relationen eingebunden ist. Vgl. für die reichsstädtischen Vertreter Str. Korr. V, Nr. 37, S. 54: der Nürnberger war Hieronymus Ebner, der Straßburger Jakob Hermann; ferner Str. Korr. V, Nr. 77, S. 125.
12 Neuhaus
178
4.1. Der Supplikationsausschuß als Reichstagsgremium
und Gulch verordnet, die neben den vorigen in gedachtem Supl[icati]on Rath sitzen solten"179. Am nächsten Tag ließen die Kurfürsten und Reichsstädte durch ihre Gesandten mitteilen, daß es bisher nicht üblich gewesen sei, daß acht Mitglieder der zweiten Kurie im Supplikationsausschuß vertreten seien, man wolle ihnen aber noch je einen geistlichen und weltlichen Fürsten als Vertreter zubilligen, also insgesamt sechs180. Das aber reichte den Reichsfürsten nicht, so daß sich am 9. 9. 1550 der Kurfürstenrat mit der Angelegenheit beschäftigen mußte 181. Der Mainzer Kanzler proponierte: "Nemblich mann hett sich zuerindern, welcher massen der Supplication Rhadt verordnet were, auch ettliche Supplica[tiones] durch ine schon beratschlagt und erledigt worden weren, so hetten sich aber die Stennde des Fürstenrhadts ytzunder understanden mher personen dhann bishere gebreuchlich und herkhomen gewest, auß iren Rhadt in Supplication Rhadt zuverordnen, nemblich von yeder banck noch zwo personen." Dies hätten die kurfürstlichen Räte im Supplikationsausschuß nicht billigen können, ohne zuvor darüber im Kurfürstenrat gesprochen zu haben. "Derhalben wer ytzunder auch darvon zu reden, ob man denn Stennden also sollchen weythern zusatz und mherung des Supplication wolle gestatten und zulassen, oder nit oder was sunst darunder zubedenncken was die notturfft erfordern wurde, damit who mher Supplicationes wurden furfallen, mann wissen möcht, weß sich zu diesem fall zuhallten sein SOllI82." Es ging den Kurfürsten dabei offensichtlich nicht nur um einen Bruch des Gewohnheitsrechts und den Versuch des Fürstenrates, mehr Einfluß auf die Entscheidungen des Supplikationsausschusses zu nehmen, sondern auch um vorbeugende Maßnahmen hinsichtlich des modus procedendi für den Fall der Ausweitung des Supplikationswesens, die ja von Reichstag zu Reichstag zu beobachten war. Die nachfolgende Umfrage im Kurfürstenrat machte zweierlei deutlich: erstens wehrten sich die Kurfürsten dagegen, daß der Fürstenrat mehr Vertreter entsenden wollte als der Kurfürstenrat, was nicht nur dem Herkommen widersprach, sondern auch die Gefahr in sich barg, daß die Kurfürsten von ihnen überstimmt werden konnten l83 ; daraus folgte für sie zweitens, daß sie lieber auf den interkurialen reichsMEA RTA 34, zum 2. 9. 1550. MEA RTA 34, zum 3. 9.1550. 181 MEA RT A 32, fol. 173v ff. 18! MEA RTA 32, fol. 182 r • 183 So der Kurfürst von Trier: "Achten derwegen es wurde beschwerlich sein, das mann inen [dem Furstenrat] mher unnd noch zwo (deren also acht sein wurden) personen zuverordnen zulassen sollt wurde ein nachtheylliger eingang darauß ervolgen unnd die Churfursten durch sie uberstimet werden." (MEA RTA 32, fol. 182v .) 179
180
4.1.2. Zusammensetzung des Supplikationsausschusses
179
ständischen Supplikationsausschuß und damit auch auf alle mit ihm verbundenen Vorteile verzichten wollten, als sich von ihnen majorisieren zu lassen184. Sie erweckten damit den Eindruck, sie genehmigten den Supplikationsausschuß imgrunde nur, weil die anderen Reichsstände und die Reichsstädte auf Ausschußberatungen Wert legten; nach ihrer Auffassung war alles viel einfacher, wenn nur im Kurfürstenrat oder nur von kurfürstlichen Räten verhandelt würde, wie die Ausführungen des kursächsischen Vertreters zeigen: "so wher [wenn der Fürstenrat auf seiner Forderung beharrt] ratsamer, das auß dem Churfürsten Rhadt ein sonndere verordnung zu supplicationen beschehen sollt, dhann sollche Newerung inen denn Stennden mit nihten einzereumen wer"185. Auf den entsprechenden Beschluß der Kurfürsten, sie wollten die Bitten und Beschwerden in ihrem Kollegium oder einem kurieninternen Ausschuß für Supplikationen beraten und damit die Einrichtung des interkurialen Supplikationsausschusses zu Fall bringen, wenn der F'ürstenrat auf seiner Forderung nach zwei weiteren Mitgliedern bestehen würde, antworteten die Fürsten am Nachmittag des 9. 9. 1550, sie "Khunden sich nicht erinnern, das es ein newerung sein soll, sey ir maynung, das mans soll bei der verordnung pleiben lassen, nemblich das drey vonn der geystlichen und drey vonn der weltlichen banck geordnet sollten werden, und die grawen und prelaten weren für sich selbst"186. Daraufhin wurde das Problem am 10. 9. 1550 noch einmal in der kurfürstlichen Kurie erörtert. Der Pfälzer modifizierte dabei seine Meinung vom Vortag, als er sich der Mehrheit angeschlossen hatte, und gab zu bedenken, es "wurde aber schwerlich sein, das die schrifften und Supplicationes, dieweil sich die täglich heuffen unnd mhereten, sollten im Churfursten Rhadt berathschlagt werden und die anndern Sachen dardurch uffgehallten werden"187. Die Tatsache, daß hier ein Kurfürst zumindest ex negativo die Vorteile eines reichsständischen Supplikationsausschusses sah und auch aussprach, Vorteile, die sowohl gegenüber dem Kurfürstenrat als auch einem besonderen "Supplication Rhadt auß dem Churf[ursten] Rhadt", wie er Kursachsen vorschwebte 188, ins Auge stechen mußten, unterstreicht die Bedeutung, die 184 So ebenfalls der Trierer: "who aber die Stennde uff irem vorhaben ye verharren wurden, so achteten sie besser sein, das die schrifften unnd Supplicationes im Churfürsten Rhadt beratschlagt werden sollten und das also kheines weythern Supplication Rhadts vonn notten". (MEA RTA 32, fol. 183r.) 185 MEA RTA 32, fol. 183 r • 186 MEA RTA 32, fol. 189v ; s. a. Traktat, S. 73. 187 MEA RTA 32, fol. 191 r • 188 MEA RTA 32, fol. 191 v .
lll*
180
4.1. Der SuppIikationsausschuß als Reichstagsgremium
auch die Kurfürsten bis dahin dem Supplikationsausschuß als institutionalisiertem Reichstagsgremium beigemessen haben und noch beimaßen. Die Verordneten der zweiten Reichstagskurie betonten am 11. 9. 1550 wiederum gegenüber den Kurfürsten, "die prelaten und graven wher ein sonndere Verordnung" im Supplikationsausschuß, und ihre Forderung nach je drei Vertretern der geistlichen und weltlichen Bank der Reichsfürsten stelle keine Neuerung dar, vielmehr widerspreche das Beharren der Kurfürsten dem Herkommen. Zugleich wiesen sie auf die Wichtigkeit der im Suppikationsausschuß zu behandelnden Gegenstände hin, die es billig erscheinen lasse, so viele Personen darüber beraten zu lassen, "damit dieselben desto stattlicher möchten berathschlagt werden", und drohten den Kurfürsten, sollten sie auf ihrer Neuerung bestehen "und die Supplicationes in irem Rhadt beradtschlagen wollten, das sie sollches nit thun oder willig unnd also die sachen dardurch unverricht lassen khundten"ls9. Die Fürsten schienen also entschlossen, in diesem Falle die Möglichkeiten des Re- und Correlations-Verfahrens auszuschöpfen, denn dann war jede Supplikation wie eine Reichsangelegenheit zwischen den drei Kurien zu behandeln und nur mit Zustimmung aller zu einem Beschluß zu kommen. Diese Haltung des Reichsfürstenrates wurde am gleichen Tag zum drittenmal Gegenstand einer Umfrage im Kurfürstenrat. Der Trierer betonte dabei, die Vertreter der Reichsgrafen und Reichsprälaten hätten bisher immer zu den je drei Vertretern der Geistlichen und Weltlichen gehört, lehnte es ab, "das auch sovil personen in den Supplica [tions] Rhadt sollten von inen [dem Fürstenrat] verordnet werden, alls etwan in die ausschuß geschehe", weil es - entgegen der Auffassung des bayerischen Gesandten vom 2. 9. 1550 im SupplikationsausSchUß190 - "nit gleiche, sonnder underschiedliche Rhedt" seien, und er wies auf die Gefahr hin, "das die Stett, desgleichen auch die prelaten (dieweil sie solche für sondere verordnung anziehen wurden) auch sechs stimmen haben würden wollen"191. Interessant für die Organisation des Reichstages ist an dieser Äußerung des Kurtrierer Vertreters der Vergleich des Supplikationsausschusses mit den übrigen Ausschüssen. Daran knüpfte der Kurpfälzer an, der der reichsfürstlichen Meinung ebenso entschieden widersprach, nach der der "Supplication Rhadt für ein ausschuß" gehalten wurde, indem er unter Hinweis auf die Zusammensetzung feststellte: "das seie nit. Sonnder ein underschiedlich ding"192. Auf diese Ansicht einigten 189
MEA RTA 32, fol. 194r •
no MEA RTA 34, zum 2. 9.1550. 191
192
MEA RTA 32, fol. 194v . MEA RTA 32, fol. 195 r .
4.1.2. Zusammensetzung des Supplikationsausschusses
181
sich alle Kurfürsten, die dem Fürstenrat dann als neue Begründung für die Ablehnung seines Ansinnens vortragen ließen: "Und ob wol sunst in die Ausschuß so ye weylen gewesen mher personen khomen, so seie es doch mit dem Supplication Rhadt (welcher ein underschiedlicher Rhadt) nie anderst dhann wie gemelt, und allso allemal gleichheit gehalten worden193." Dabei wiederholten sie ihre Absicht, "die Sachen und supplicationes wie obgemelt in irem Rhadt und also in abgesunderten Rhetten zu tractieren"194. Am 12.9.1550 unterbreiteten die Reichsfürsten dann einen neuen Vorschlag und erklärten hinsichtlich der Zahl ihrer Vertreter: "who es geringschetzige sachen, das sie an denn 4 personen wolten zufrieden sein, who aber die sachen hochwichtig und groß weren, das sie alls dhann zugleich wie die Churfursten auch 6 personen auß irem Rhadt darzu (außerhalb der prelaten und graven) verordnen möchten, und das auch sollchs alle mal in irer whal steen sollt, ob sie mher oder weniger personen wollten verordnen, nach gelegenheit und wichtigkeit der sachen. Und sollt sollche verordnung nit bey denn Churfursten sunder bey inen steen"195. Doch dieser Vermittlungsvorschlag war kein tatsächlicher Einlenkungsversuch, da er allein die fürstlichen Vorstellungen berücksichtigte und bei seiner Verwirklichung doch ihren Forderungen weitgehend entsprochen hätte. Deswegen ließen sich die Kurfürsten auch gar nicht darauf ein, sondern blieben dabei, daß nicht mehr als sechs Vertreter des Reichsfürstenrates insgesamt im Supplikationsausschuß sitz- und stimmberechtigt sein sollten196. Nach zwei sitzungsfreien Tagen lenkten die Fürsten dann aber doch ein, indem "die verordneten der Stenndt dem Meintzischen CantzIer" am 15. 9. 1550 mit der Bitte gegenübertraten, den kurfürstlichen Räten anzuzeigen: "Nemblich des Supplication Rhadts halben, wolten sie es bey denn 3 personen pleiben lassen, wollten, who nit wichtige sachen vorhanden, so sollt Meintz lassen ansagen, who aber wichtige sachen vorhannden, wollten sie an diese verordnung der 3 personen nit gebunden sein I97 ." Die kurfürstlichen Räte verglichen sich darüber und nahmen ihre Tätigkeit im Supplikationsausschuß ab 16. 9. 1550198 wieder auf, "dieweil nit wichtige sachen vorhanden"199 und folglich der Ausschuß zahlenmäßig in seiner alten Besetzung tagen konnte. Eine längere Sitzungspause hat es nur zwischen dem 12.11. und 11. 12. 1550 gegeben, 193 194 185 198 197 188
199
MEA RTA 32, fol. 196r. MEA RTA 32, fol. 196v. MEA RTA 32, fol. 210r, v. MEA RTA 32, fol. 215r. MEA RTA 32, fol. 222r, v. MEA RTA 34, zum 16.9. 1550. MEA RTA 32, fol. 222v.
182
4.1. Der Supplikationsausschuß als Reichstagsgremium
als keine Beratungen des Supplikationsausschusses abgehalten wurden20o. Die Auseinandersetzungen um den Supplikationsausschuß zwischen den Kurfürsten und den übrigen Reichsfürsten waren damit beigelegt und wurden auch auf diesem Reichstag nicht wieder aufgerollt. Zuletzt hatten sich doch die Kurfürsten mit ihrer Auffassung und Interpretation des Gewohnheitsrechts durchgesetzt und damit einen stärkeren Einfluß des Reichsfürstenrates auf den Supplikationsausschuß verhindert. Dieser besondere Reichstagsausschuß, wie er sich seit 1521 entwickelt hatte, war in sich so gefestigt, daß er der hier geschilderten Belastungsprobe gut standhalten konnte. Für die Systematik der verschiedenen Reichstagsgremien ergibt sich aus dieser Auseinandersetzung, daß der Supplikationsausschuß von den an ihm Beteiligten zwar zu den Reichstagsausschüssen gezählt wurde, daß er aber eine Sonderstellung auf den Reichstagen der Zeit Karls V. einnahm. Das Beispiel dieser Diskussion um Geschäftsordnungsfragen des Supplikationsausschusses zeigt zugleich, wie sehr er schon auf dem Augsburger Reichstag von 1550/51 zu einer Institution geworden war. Folglich tagte er auch 1555 in der gewachsenen Form, wie wir einem Brief der Mainzer Räte in Augsburg an den erwählten Erzbischof Daniel von Mainz entnehmen können. Nachdem sie schon vorher - so z. B. am 28.5., 6.6. und 16.7.1555 201 - dem Electus auch bezüglich eingereichter Supplikationen und der Arbeit des für sie zuständigen Gremiums geschrieben hatten, berichteten sie am 30.7.1555 u. a. über den Streit zwischen Markgraf Albrecht von Brandenburg und den vereinigten fränkischen Ständen und führten u. a. aus, "das uf sollichs alles die verordnete vonn den Stennden und pottschafften namblichen Maintzische, Trierische, Colnische, Pfaltzische, Saltzpurgische, Beierische unnd Gulchische Rethe, auch der Prelaten, Graven und der Stätt Straßburg und Eßlingen gesannten, die sachen zu berathschlagung furgenommen"202. Es fällt auf, daß hier die kurfürstlichen Räte Sachsens und Brandenburgs und ein zweiter geistlicher Reichsfürst nicht genannt werden, wobei allerdings zu berücksichtigen ist, daß nicht alle Mitglieder eines Ausschusses an jeder Sitzung teilnahmen. Da auch das reichsstädtische Protokoll vom 28. 3. 1555 die beiden Vertreter Straßburgs und Eßlingens erwähnt, kann man davon ausgehen, daß der Supplikationsausschuß von 1555 sich in seiner Zusammensetzung nicht grundsätzlich von seinem Vorgänger unterschied203 . 200 201 202 203
MEA RTA 34, zum 12.11. / 11. 12. 1550. MEA RTA 37 (nicht foliiert). MEA RTA 37, Brief v. 30.7.1555.
Friedensburg, 1555, S. 49.
4.1.3. Zur Geschäftsordnung des Supplikationsausschusses
183
Größere Schwierigkeiten scheint es unter den Mitgliedern dieses Supplikationsausschusses nicht gegeben zu haben, zumal Akten und Korrespondenzen dieses Reichstages dafür keinen Hinweis enthalten. Der Supplikationsausschuß erweist sich somit als ein Reichstagsgremium, das zwar wie der Reichstag in der ersten Hälfte des 16. Jh.s insgesamt einer ständigen Veränderung unterworfen war, das sich um die Jahrhundertmitte aber doch in der wohl auf dem Augsburger Reichstag von 1547/48 zur Regel gewordenen Zusammensetzung durchsetzte. Gerade weil er keine schon im 15. Jh. und vor der Reformzeit voll ausgeprägte Reichstagseinrichtung war, mußte er sich als Neuerung auf den Reichstagen der Zeit Karls V. erst bewähren. Von einer Konsolidierung dieses Gremiums als eines - von seiner Zusammensetzung her - großen interkurialen Ausschusses können wir zu Recht sprechen, denn in dieser Form begegnet der Supplikationsausschuß auf den Reichstagen bis zum Ende des 16. Jh.s. Allerdings hat er dann stets drei geistliche und drei weltliche Reichsfürsten neben einem Reichsprälaten und einem Reichsgrafen als Mitglieder gehabt. Dies war die Besetzung, für die der Reichsfürstenrat 1550 erfolglos gekämpft hatte und die auch 1569 in den Reichstags-Traktat einging 204 • (Siehe Beilage NT. 6.) 4.1.3. Zur Geschäftsordnung des Supplikationsausschusses 4.1.3.1. Allgemeine ,Behandlung von Supplikationen
Die "Geschäftsordnungsdebatte" um die personelle Zusammensetzung des Supplikationsausschusses auf dem Augsburger Reichstag von 1550/51205 zeigte, daß einzig dieses Gremium in der Lage war, die anfallende Arbeit im Zuge der Ausweitung des Bitt- und Beschwerdewesens zu bewältigen. Dabei war der modus procedendi aber keineswegs unumstritten 206 • Immerhin standen das auch sonst auf den Reichstagen gepflegte Re- und Correlations-Verfahren, die kurieninterne Beratung der Supplikationen in separaten Supplikationsausschüssen und die Verhandlungen im institutionalisierten interkurialen reichsständischen Supplikationsausschuß zur Debatte. Dieses dritte Verfahren hatte man seit 1521 immer wieder angewandt, und es hatte sich bewährt, was schließlich auch die ausschußfeindlichen Kurfürsten unter einem arbeitsökonomischen Gesichtspunkt nicht bestreiten konnten 207 • 204 Traktat, S. 73. Zur Zusammensetzung in der zweiten Hälfte des 16. Jh.s vgl. u. a.: 1556/57: MEA RTA 42, Prothocollum uber Supplicationes, fol. 16 r , v; 1566: MEA RTA 50, Liber primus Supplicationum, fol. 11 r ; 1570: MEA RTA 58, Tomus primus Supplicationum, fol. 5r ; 1582: MEA RTA 85, Tomus Primus Libellorum Suppli [cationuml, fol. 11 r ; 1594: MEA RTA 92, Liber Supplicationum Primus (unfoliiert). 205 MEA RTA 32,34, passim. 208 s. O. S. 177 ff. 201 s. O. S. 179 f.
184
4.1. Der Supplikationsausschuß als Reichstagsgremium
Die Auseinandersetzungen um den modus procedendi bei Supplikationen begannen am 19. 9. 1550, nachdem den Reichsständen und Reichsstädten bei den Kurfürsten zwei Supplikationen verlesen worden waren208 . "Nach verlesung sollcher bayder Supplicationen", so vermerkte das Kurfürstenratsprotokoll, "hatt Doctor Alber209 vermeldet, Es sey bisher nit der gebrauch gewesen, das die Supplicationes in gemeinem Rhadt verlesen worden, sonnder seien yedesmals dem Supplication Rhadt zugestellt worden, die haben dieselben berathschlagt unnd daruff Relation gethan, und sollten die Stennde damit nit uffgehalten werden"210. Daraufhin waren die Fürsten und Städte, für die Dr. Alber gesprochen hatte, abgetreten und hörten sich keine weiteren Supplikationen im Kurfürstenrat an. Die Kurfürsten nahmen zu diesem Hinweis Dr. Albers sofort Stellung und ließen durch den Mainzer und den Kurpfälzer erklären: "Es sey hievor der gebrauch gewesen, das die Supplicationes so ettwan wichtig unnd groß oder vonn einem Churfursten, fursten oder anndern Stanndt des Reichs geystlich oder weltlich in genere und in gemeinem Rhadt zuvor verlesen seien worden, aber anndere Supplicationes daran ettwan nit vil gelegen und von privat personen ubergeben, dieselben seien nit alle mal in gemeinen Rhadt verlesen, sonnder gleich dem Supplication Rhadt ubergeben worden, dem gedennckh mann nochmals also nachzukommen 211 ." Diese beiden Auffassungen, begründet darin, daß die Kurfürsten verschiedene Arten von Supplikationen annahmen, lagen nicht unvereinbar weit auseinander; sie zeigten aber sehr deutlich, daß es zwei Hauptmöglichkeiten für die Reichsstände gab, Supplikationen zu beraten: man gab sie gleich zur Bearbeitung an den Supplikationsausschuß, oder man verwies sie an dieses Gremium, wenn sie von allen Ständen zur Kenntnis genommen worden waren. Daß sich die Kurfürsten den zweiten Weg zumindest offenhalten wollten, entsprach ihrer GrundeinsteIlung, die ja in der erst vier Tage zuvor beendeten Grundsatzdebatte über die Zusammensetzung des Supplikationsausschusses nur zu deutlich geworden war212 : Wahrung ihrer Präeminenz in allen Reichsangelegenheiten und keine Aufgabe von herkömmlichen Rechten aufgrund ihrer Sonderstellung innerhalb der Reichsverfassung. Der Vorstoß des Fürstenrates durch Dr. Alber aber war nur die Folge des Aus208 MEA RTA 32, fol. 252 r ; es handelte sich um eine Supplikation von Metz, Toul und Verdun und eine Bitte des Bischofs von Besan!;on. 209 Er war zugleich Rat König Ferdinands und Vertreter des Hauses Österreich im Reichsfürstenrat, s. o. S. 71 f. 210 MEA RTA 32, fol. 252 r • 211 MEA RTA 32, fol. 252 r • !12
s. a. S. 42 ff.
4.1.3. Zur Geschäftsordnung des Supplikationsausschusses
185
gangs der "Geschäftsordnungsdebatte" : da sich die Fürsten mit ihrer Forderung nach mehr Mitgliedern im Supplikationsausschuß aus ihren Reihen nicht hatten durchsetzen können, wollten sie dadurch mehr Einfluß auf das gesamte Supplikationswesen gewinnen, indem sie jetzt forderten, jede Supplikation sei sofort nach ihrem Eingang dem Supplikationsausschuß zuzuleiten. Auf diese Weise wollten sie sicherstellen, daß ihnen keine Bitten und Beschwerden vorenthalten würden, wie die Kurfürsten das sonst tun konnten. Damit setzten sie sich natürlich für eine Stärkung und Aufwertung dieses Reichstagsgremiums ein und beschnitten dem Gesamtreichstag, d. h. der Gesamtheit der Reichsstände, in einem sehr wichtigen Aufgabenbereich das Recht, jede Sache zu jedem Zeitpunkt sofort an sich zu ziehen, um dann autonom den weiteren Geschäftsgang zu bestimmen. Diese reichsfürstliche Forderung kam einer Kompetenzbeschneidung gleich, die ohne Frage eine Neuerung war, und stellte den Versuch dar, den Reichstag geschäftsordnungsmäßig zu binden. Denn solange es einen Supplikationsausschuß gab, bedeutete seine Existenz nicht, daß nicht der Reichstag in seinen Kurien oder anderen Gremien jede Supplikation nach seinem Wollen behandeln konnte. Nirgendwo war festgelegt, daß nur der Supplikationsausschuß über Bitten und Beschwerden befinden konnte und daß der Gesamtreichstag dessen Beschlüsse zu sanktionieren hatte. Die Geschichte des Supplikationswesens auf den Reichstagen der Zeit Karls V. zeigt das ganz deutlich. Wenn die Kurfürsten also zwischen den einzelnen Supplikationen und der Art ihrer geschäftsmäßigen Behandlung differenzierten, dann entsprach das mehr dem Brauch und Herkommen auf den Reichstagen als das, was Dr. Alber vorgetragen hatte. Zur Stützung der kurfürstlichen Auffassung trug der Mainzer Kanzler, nachdem es am Nachmittag des 11. 10. 1550 zwischen Kurfürsten und Reichsfürsten erneut zu Unsicherheiten über die Behandlung der Supplikationen gekommen war, die nur an die Reichsstände, nicht aber an den Kaiser gerichtet waren213 , in der Vormittagssitzung des Kurfürstenrates vom 14. 10. 1550 vor: "Es weren Tria genera Supplicationum, Etliche die von kay. Mt. an die Stennde gewiesen, Ettliche die an die key. Mt. und an die Stende zugleich stuenden, Ettlich aber, die allein an die Stennde gestellt weren, und weren die jhenen, so vonn key. Mt. an die Stennde gewiesen, und die so an ir Mt. und die Stennde miteinander stuenden zusamen in ein schrifft gezogen 214 ." Diese Einteilung der Supplikationen nach den Adressaten - nicht nach Wichtigkeit und Adressanten, wie sie die Kurfürsten am 19.9.1550 vorgenommen hatten 215 - ergänzte der Trie218 214 216
MEA RTA 32, fol. 357r. MEA RTA 32, fol. 361r. MEA RTA 32, fol. 252r.
186
4.1. Der Supplikationsausschuß als ReichstagsgremlUm
rer, indem er ausführte, die Supplikationen "so von irer Mt. an die Stennde gewiesen weren oder an die key. Mt. mit stuenden", sollten auch an den Kaiser gelangen, "aber die anndern so allein an die Stennde stuenden möchten die decreta denn Supplicanten uff ir ansuchen mitgethailt werden, who es aber die notturfft und gelegenheit der sachen also erfordern wurde und fur Rhadtsam angesehen, sollten die selben Supplicationes unnd decreta auch an die key. Mt. gelanngen"216. Daraufhin teilten die Stände den Verordneten des Kurfürstenrates im Supplikationsausschuß am 15. 10. 1550 in der Nachmittagssitzung mit, sie ließen es bei dem kurfürstlichen Bedenken "uber die Supplicationes und daruff gevolgte Decreta wollche an key. Mt. zugelangen oder nit"217 bleiben: "Nemblich wölche vonn key. Mt. an die Stennde gewiesen, wölche auch an die key. Mt. unnde die Stennde samentschafft gestellt, uber dieselbigen soll der Stennde bedenncken der key. Mt. angezeigt werden. Aber die anndern, so allein an die Stennde gestellt, die sollen who es fur nottwendig angesehen, der Stennde bedenncken der key. Mt. auch angezeigt werden unnd sonnderlich who ohn der key. Mt. vorwissen nit wol möcht beschaidt gegeben werden, who aber es die Stennde vonn unnötten achten und die ding die key. Mt. nit belange, möcht es auch underlassen werden 218 ." Das hier beschriebene Verfahren bei der Behandlung von Supplikationen wird vom Traktat über den Reichstag in dieser Zeit weitgehend bestätigt. Die Tatsache, daß ein ganzes Kapitel des Traktates219 dem auf die Supplikationen bezüglichen Geschäftsgang und den Verhandlungen des Supplikationsausschusses gewidmet wurde und dieses Gremium überhaupt erstmals Gegenstand einer zusammenhängenden Beschreibung wurde220, macht abermals deutlich, daß das ganze Supplikationswesen um die Mitte des 16. Jh.s weitgehend organisiert und institutionalisiert war. Aus der dem Traktat eigenen Art, den Ablauf eines Reichstages an einem Modell zu erklären, läßt sich gerade auch das Wesentliche im Geschäftsbereich der Bitten und Beschwerden herauslesen. Dabei geht der Traktat von der aus den Quellen, d. h. von den Supplikationen selbst nahegelegten Einteilung nach den Empfängern der Bitten und Beschwerden aus. Den Zeitgenossen war es offenbar selbstverständlich, daß an Kaiser und bzw. oder Reichstag suppliziert werden konnte, denn am 21. 7.1530 protokollierte Valentin von Tetleben auf dem Augsburger Reichstag, daß "eyn uschoes gemacht werde zu MEA RTA 32, fol. 361 v - 362 r • MEA RTA 32, fol. 363v , 364f • 218 MEA RTA 32, fol. 364 f • 210 Traktat, Kapitel IX, S. 79 - 83; der Traktat ordnet den Supplikationsausschuß systematisch bei den übrigen RT-Ausschüssen ein: Kapitel VIII. 220 Schubert, Reichstage, S. 254. 218 217
4.1.3. Zur Geschäftsordnung des Supplikationsausschusses
187
den supplication, welche keyr Mt. und denn stende ubergeben"221. Der Verfasser des Traktates unterschied die Supplikationen nach ihren Empfängern und sprach davon, daß erstens "etwa an die Keyserl. May. supplicirt, und solche Supplicationes per decretum Caesaris an gemeine Stende, oder, nach Gelegenheit der Sachen, an die Churfürsten allein gewiesen werden" und daß zweitens "stracks und directe an Churfürsten, Fürsten und Stände supplicirt wird"222. Für das Verfahren der Bearbeitung hielt er fest, daß die Supplikationen, die nicht nur für die Kurfürsten bestimmt waren 223, "allen Ständen oder Rähten insgemein vorzubringen, insgemein abzuschreiben und in gemein Supplication-Raht (wo anders einer geordnet) zu tractiren"224 waren. Demnach wurden die Supplikationen - bevor sie in den Supplikationsausschuß kamen - erst allen Ständen bekanntgemacht, nicht nur die wichtigen - wie die Kurfürsten 1550 in Augsburg feststellten 225 . Dabei spielte der Mainzer Erzkanzler eine besondere Rolle. Genau dieses Verfahren aber bekämpften die Reichsfürsten auf dem Augsburger Reichstag im Herbst 1550226 . Die schon mehrfach betonte zentrale Rolle des Kurfürsten von Mainz als Reichserzkanzler auf den Reichstagen betraf also auch das Supplikationswesen, wie der Traktat von 1569 in seinem neunten Kapitel feststellt227 und was sich schließlich aus der praktischen Reichstagsarbeit ergibt, die für uns in Protokollen, Briefen und Akten aller Art greifbar wird. Aufgabe des Mainzer Erzkanzlers war es, "wann nun solche Supplicationes vorkommen", nach altem Brauch und Herkommen und gemäß der Reichsordnung die eingehenden Supplikationen entgegenzunehmen 228 . War dies geschehen, hatte der dafür zuständige Mainzer Sekretär und "verordnete Protocollist zum Reichstag" das Eingangsdatum auf der Supplikation zu vermerken und daneben ein besonderes Verzeichnis zu führen, das in vier Spalten (columnas) eingeteilt war 229 : In der ersten Spalte wurden die neu einkommenden und somit noch vorzubringenden Supplikationen eingetragen; in der zweiten Spalte wurde festgehalten, welche Supplikationen bereits vorgebracht oder zur BeTetleben, Protokoll 1530, S. 90. Traktat, S. 79. 223 Vgl. Traktat, S. 80. m Traktat, S. 81. m MEA RTA 32, fol. 252 r . 228 s. O. S. 177 ff. 227 Traktat, Kapitel IX, S. 79 - 83; s. a. Becker, Kurfürstenrat, S. 82 mit Anm.135. 228 Traktat, S. 79. 229 Traktat, S. 80, wie auch im Folgenden. 221
222
188
4.1. Der Supplikationsausschuß als Reichstagsgremium
ratung übergeben, über welche aber noch nicht berichtet und noch kein Beschluß gefaßt worden war; in der dritten Spalte wurden die Supplikationen vermerkt, zu denen Bericht und Beschluß vorlagen; in der vierten schließlich wurde festgehalten, in welcher Angelegenheit und zu welchem Zeitpunkt dem Kaiser die Beschlüsse oder Bedenken übergeben worden waren. Ausdrücklich wurde im Traktat festgestellt, daß es "wo es nit also gehalten und viel Supplicationes einkommen" leicht "allerley Errores" geben könnte23o . Um bei einer großen Menge von Supplikationen, Bedenken und Beschlüssen den Überblick nicht zu verlieren, sollte der für das Supplikationswesen zuständige Sekretär der Mainzer Kanzlei oder "deß Heil. Reichs Protocollist" verzeichnen, "wann die in consilio den Ständen vorpracht und verlesen, auch hernach wann sie der Keyserl. May. übergeben sein"231. Solche Präsentationsvermerke finden sich deshalb auch auf sehr vielen Supplikationen und Bedenken, so daß sich häufig der Gang einer Supplikation während eines Reichstages sehr genau verfolgen läßt. Neben der Führung des Supplikationsregisters oblag dem Mainzer Kanzler und seinen Gehilfen die Einteilung der Supplikationen, d. h. ihre strenge Unterscheidung in solche, die von den Supplikanten selbst übergeben oder vom Kaiser an die Stände übersandt worden waren232 , und in solche, die nur die Kurfürsten betrafen, wozu z. B. alle Bitten und Beschwerden bezüglich Zollsachen und Regalien gehörten233 , oder die allen Ständen vorzutragen waren, damit dann auch gesondert dem Kaiser berichtet werden konnte 234 • Die nur für die Beratungen der Kurfürsten bestimmten Supplikationen kamen somit auch gar nicht erst in den Supplikationsausschuß. Empfänger aller Supplikationen an Kurfürsten, Fürsten und Stände - wie die offizielle Formel immer wieder lautete - und der an sie vom Kaiser weitergeleiteten war in jedem Fall auf reichsständischer Seite der Mainzer Kanzler. Ohne ihn konnte eine Supplikation für den Reichstag nicht offiziell werden. Diese auf die eingereichten Bitten und Beschwerden bezogene zentrale Funktion des Mainzers deckte sich soTraktat, S. 80. Traktat, S. 80. 232 Dazu gibt das Hornung-Protokoll von 1555 Beispiele, s. u. Kap. 4.1.3.2. 233 So etwa 1547/48 die Supplikation des Markgrafen Hans von Küstrin an den Kaiser bezüglich des Zolls auf der Oder bei Küstrin, der den umliegenden Territorien Nachteile und Beschwerungen brachte; diese Supplikation gab der Kaiser an die allein für Zollsachen zuständigen Kurfürsten mit der Bitte um Stellungnahme weiter: MEA RTA 16, J, fol. 569 r - 570r . Ein anderes Beispiel ist der Streit um den Geislinger Zoll auf dem Augsburger Reichstag von 1555. 234 Traktat, S. 80. 230 231
4.1.3. Zur Geschäftsordnung des Supplikationsausschusses
189
mit völlig mit seiner Verantwortung für die Tagesordnung des Reichstages allgemein. Natürlich betonte gerade der Traktat von 1569 als höchstwahrscheinlich mainzerische Quelle die große Bedeutung des Reichserzkanzlers, wenn sein Verfasser feststellte: "Welche Supplicationes aber also vorbracht und abgeschrieben werden sollen, und wie viel und in was Ordnung dem Supplication-Raht dieselbe zuzustellen, das stehet bei der Discretion deß Meyntzischen Cantzlers, wie der befind, ob die Sachen der Sollicitanten Verzug leiden können oder nicht, und das auch die Verordneten im Supplication-Raht nit uberhäufft oder confundirt werden235 ." Im Zusammenhang mit seinen Vorwürfen gegen die Mainzer Kanzlei vom 15.1. 1551236 kam der kurbrandenburgische Rat Dr. Jung auch auf den Supplikationsausschuß zu sprechen. Er führte im einzelnen aus: "Zum dritten weren die Meintzischen zu der Cantzlei und sunst mit personen uff vorigen Reichstagen besser und stattlicher versehen gewest, dhann ytzo uff gegenwürttigem Reichstage, hetten die privat und neben sachen sunderlich der Supplication Rhadt stattlicher und dermaßen versehen werden mögen und versehen worden, das dardurch die anndern gemeinen Reichssachen unnd hanndlungen besser und stattlicher hetten verricht werden mögen und nichts versumbt wer worden237." Hieraus wird deutlich, daß die Mainzer Kanzlei im Supplikationswesen auf den Reichstagen eine bedeutende Rolle gespielt hat und wohl auch für die Arbeit dieses Rates nach seinen Beratungen verantwortlich war. Den Vorwurf des Brandenburgers wies der Mainzer Kanzler am 16.1.1551 zurück, indem er bestritt, die Kanzlei sei mit weniger Personal ausgestattet als früher; er wies darauf hin, daß bisher keine Arbeit liegengeblieben sei und fuhr fort: "Sovil den Supplication Rhadt thet belangen, versehen sie sich auch, es wer bißher an inen khein mangel erschienen, das aber noch ettlich Supplicationes [...] noch weren zu expediren, dieselben weren erst diese tag uberantwurtt worden238 ." Diese Antwort entsprach nicht ganz den Tatsachen - wie noch zu zeigen sein wird -, denn immer wieder blieben Supplikationen unerledigt liegen und wurden auf den nächsten Reichstag verschoben. Traktat, S. 81. MEA RTA 33, 1 Bd. Prothocollon, Secunda pars, zum 15. 1. 1551, unfoliiert. 297 MEA RTA 33,1 Bd. Prothocollon, Secunda pars, zum 15.1. 1551. 238 MEA RTA 33, 1 Bd. Prothocollon, Secunda pars, zum 16.1.1551. Daß durchaus einmal Supplikationen unerledigt bleiben konnten, ist dem Brief der Straßburger Städteboten vom 3. 3. 1542 zu entnehmen, wo vom "Ausschuss für die in Regensburg unerledigt gebliebnen Supplikationen" die Rede ist: Str. Korr. III, Nr. 226, S. 231. Z35
Zst
4.1. Der Supplikationsausschuß als Reichstagsgremium
190
Für die Erledigung der Bitten und Beschwerden boten sich grundsätzlich zwei Wege an, die auch der Traktat aufzeigt: entweder das Relations- und Correlations-Verfahren zwischen den drei Kurien oder das Ausschußverfahren. Im ersten Fall trug der Mainzer Kanzler, nachdem er sich zu Beginn des Reichstages mit den Kurfürsten darüber verständigt hatte239 , allen Ständen die Supplikation vor, verlas sie sogar vollständig, wenn genügend Zeit war, und gab Gelegenheit zur Abschrift. Der Mainzer Kanzler proponierte also und eröffnete die Beratungen über Supplikationen wie über die wichtigen Reichsangelegenheiten, derentwegen der Reichstag einberufen worden war. So verfuhr er immer dann, wenn es keinen Supplikationsausschuß gab oder wenn die Supplikationen besonders wichtig waren240 . Nach der Einigung über die Einsetzung eines Supplikationsausschusses trat der zweite Fall ein, der der häufigere war: das Ausschußverfahren 241 . Freilich erfolgte auch die Arbeit in den Supplikationsausschüssen der verschiedenen Reichstage wie in aUen Ausschüssen mit immer wieder festzustellenden Abweichungen, denn "alle solche Formen werden nach Gelegenheit der anwesenden Herrn und Ständ geendert"242. Gerade weil es keine starre Geschäftsordnung gab, hatte der Mainzer Reichskanzler bei seiner zentralen Stellung auf einem Reichstag sehr große Einflußmöglichkeiten. Schon sein Verhalten gegenüber der Ausschußfrage konnte für den Verlauf eines ganzen Reichstages ausschlaggebend sein 243 . Er entschied, was als Supplikation angenommen und in die Listen der Mainzer Reichskanzlei eingetragen wurde; damit bestimmte er, was außerhalb der Proposition und gleichsam neben dem Kaiser auf dem Antragswege auf dem Reichstag beraten werden mußte 244 . Der Mainzer Kanzler konnte also zur Ergänzung der kaiserlichen Proposition beitragen, wenn dort etwas ausgeklammert war, was die Reichsstände gegen den Kaiser doch gerne beraten und entschieden wissen wollten. Von dieser Möglichkeit brauchte er aber nicht oft Gebrauch zu machen, da der ständische Einfluß auf die kaiserliche Propositon auf den meisten Reichstagen seit 1521 recht erheblich war und sie sich mit ihren Vorstellungen in der Regel - spätestens bei Reichstagsbeginn - durchsetzen konnten. Beratungsgegenstände des Traktat, S. 80. Traktat, S. 81. 241 Im Traktat, S. 73, heißt es: "Darumb werden dieselbige [Supplikationen] gemeiniglich uff Maß [...] durch aller Stände Verordnete tractirt", und in Lehmanns Umarbeitung liest man: "Die Supplicationes werden gemeiniglich auff vorgesetzte Maß durch aller Ständt Verordneten tractirt" (Traktat, 238 240
S.77). 242
Traktat, S. 57.
s. o. S. 31 ff., 41 ff., 158 ff. m Schubert, Reichstage, S. 254.
243
4.1.3. Zur Geschäftsordnung des Supplikationsausschusses
191
Reichstages aber wurden auf dem Antragswege ausnahmslos die Supplikationen, da sie in keiner Proposition bei Eröffnung eines Reichstages enthalten sein konnten. Fragt man nach den Gründen für diese Entwicklung im Bereich der Supplikationen, so wird man einmal die Tatsache erwähnen müssen, daß der Kaiser von sich aus an ihn gerichtete Bittschriften dem Reichstag weitergab, indem er die Reichsstände um eine gutachterliche Stellungnahme bat; er verzichtete somit freiwillig auf ein ihm und seinem Amte vom Ursprung her zustehendes Recht und entzog sich zugleich einer damit verknüpften Pflicht. Das bedeutete aber auch den Verzicht auf ein unmittelbares Herrschaftsmittel des Kaisers im Reiche, das die Landesfürsten in ihren Territorien keineswegs preisgaben, sondern zu wahren und zu stärken wußten. Daß die Supplikanten von sich aus gleich zwei Supplikationen einreichten, zeigt der Fall einer Straßburger Bitte und Beschwerde während des Wormser Reichstages von 1521. Einige ungenannte Grafen, Herren und andere Adelige hatten in einer Supplikation u. a. auf ihre rechtliche und wirtschaftliche Benachteiligung infolge reichsstädtischer Privilegien und Freiheiten hingewiesen, woraufhin die Reichsstädte unter Führung Straßburgs sehr aktiv wurden 245 • Am 27.3.1521 forderten die Gesandten Hans Bock und Conrad von Duntzenheim aus Straßburg zwei Supplikationen in dieser Angelegenheit an, eine an den Kaiser und eine an Kurfürsten, Fürsten und Stände gerichtet246, in denen der Rat auf das alte Herkommen seiner Freiheiten pochen sollte. Diese beiden Supplikationen übergaben sie in Worms zunächst dem kaiserlichen Rat Paul Armstorfer zur Begutachtung und lasen sie auch der reichsstädtischen Kurie vor, damit die anderen Städteboten dazu Stellung nehmen konnten247 • Die dann folgende Diskussion um die beiden Supplikationen zeigt sehr deutlich, was es alles bei der Einreichung von Bitten und Beschwerden zu beachten gab. Köln, Regensburg und andere Reichsstädte waren gegen die Überreichung der Straßburger Supplikation an den Kaiser, weil dieser sie den Ständen sicher zur Bearbeitung übergeben würde; dann aber bekämen alle Stände Kenntnis davon und würden verärgert werden, "weil man dieses Handels wegen bei Kurfürsten und Fürsten gewesen und ihnen nachher so wenig vertrauet habe, dass man so heftig an den Kaiser supplicirt". Außerdem hielten sie eine solche Supplikation als Antwort auf die der Grafen und Herren für verfrüht 248 • 245
24&
241 248
s. o. Kap. 3.2.2.3.4. Str. Korr. I, Nr. 75, S. 40. Str. Korr. I, Nr. 77, S. 41 f. Str. Korr. I, Nr. 77, S. 42.
192
4.1. Der Supplikationsausschuß als Reichstagsgremium
In diese Richtung zielte auch die Beurteilung Paul Armstorfers zu der Straßburger Supplikation, der die Frage der städtischen Freiheiten für so wichtig hielt, daß der Kaiser sie nicht ohne die Reichsstände angehen würde. Armstorfer gab dem Straßburger Rat zu bedenken, zwei kürzere Supplikationen in milderer Form abzufassen: je eine an den Kaiser und die Reichsstände 249 • Am 11. 5. 1521 berichteten die Gesandten Straßburgs dann ihrem Rat, sie hätten die beiden Supplikationen "uberantwurt an keiserlich maistat und an cürfursten und firsten", nachdem die übrigen Städte nicht hätten supplizieren wollen 250 • Ein anderes Motiv für die doppelte Ausfertigung von Supplikationen lieferten die Städte während des Nürnberger Reichstages von 1522: Nachdem sie sich Mitte April 1522 bei den Ständen über die Einrichtung eines besonders beschwerlichen Reichszolls beklagt hatten251 , übersandten sie dieselbe Supplikation am 30. 4. 1522 dem Kaiser mit den Worten: "sein wir doch sorgfeltig, sölch unser ubergeben beschwerden [an die Stände] möchten E. kain Mt nicht zugeschickt sein" und der Bitte, er möge dem Zoll nicht zustimmen, weil damit Nachteile der Reichsstädte in Handel und Gewerbe verbunden seien 252 • Dieses Mißtrauen der Reichsstädte war berechtigt, denn die Reichsstände hatten in ihren Vorschlägen zur Unterhaltung von Reichskammergericht und Reichsregiment dem Kaiser auch mitgeteilt, ein Reichszoll könnte der Kostendeckung dienen, obwohl sie die reichsstädtische Beschwerde schon seit dem Wormser Reichstag von 1521253 und dann noch einmal von Mitte April 1522 kannten264 • Die Supplikanten wollten sich also absichern; da die Kurfürsten und Fürsten, die selbst nicht mehr Geld für die Unterhaltung der beiden Reichsinstitutionen aufbringen wollten, in der Sache also die Gegenspieler der Reichsstädte waren, vertrauten diese jenen nicht und wandten sich deshalb an den Kaiser, der ja schließlich ihr unmittelbarer Herr war und ein Interesse daran haben mußte, daß seine Reichsstädte finanziell nicht mehr belastet wurden als die übrigen Reichsstände. Insgesamt aber gewann der Reichstag als Adressat von Bitten und Beschwerden an Bedeutung. Diese Entwicklung wurde dadurch begünstigt, daß er sich im Supplikationsausschuß ein Instrument geschaffen hatte, das auch einer großen Flut von Bitten und Beschwerden Herr Str. Korr. I, Nr. 77, S. 42. Str. Korr. I, Nr. 83, S. 47. m RTA jg. Rh. 3, Nr. 26, S. 147, mit Hinweis auf Philipp Fürstenbergs Brief an Frankfurt vom 14.4. 1522 (RTA jg. Rh. 3, Nr. 134, S. 787). 252 RTA jg. Rh. 3, Nr. 31, S. 161. 253 RTA jg. Rh. 2, S. 412 ff. 25' RTA jg. Rh. 3, Nr. 31, S. 161, Anm. 2. 248
250
4.1.3. Zur Geschäftsordnung des Supplikationsausschusses
193
werden konnte. Etwas Gleiches oder nur Ähnliches fehlte auf der kaiserlichen Seite; die Räte des Kaisers aber - mit mehr als nur deutschen Problemen befaßt - konnten eine große Zahl von Supplikationen während eines Reichstages kaum bewältigen. Hinzu kam, daß der Kaiser an den meisten Supplikationen nur wenig interessiert war und sie deshalb nur zu gerne an den Reichstag zwecks Erledigung abgab. Es kam kaum einmal vor, daß der Kaiser einem Bedenken des Reichstages zu einer Supplikation widersprach. Diese Gleichgültigkeit aber führte zu einer Stärkung des ständischen Prinzips und begründete zu einem Teil die zeitweise dominierende Rolle des Reichstages gegenüber dem Kaiser. Es ist also von Anfang an beim Geschäftsgang einer Supplikation zwischen verschiedenen Adressaten zu unterscheiden; dies ist im Hinblick auf ihre je besondere Behandlung nicht unwichtig. Dank des Protokolls des kaiserlichen Kommissars Felix Hornung besitzen wir für den Augsburger Reichstag von 1555 eine hervorragende Quelle, die uns einen guten Einblick in die Behandlung von Supplikationen auf kaiserlicher und königlicher Seite gestattet255 • 4.1.3.2. Arbeitsweise des Reichstages von 1555 im Geschäftsbereich der Supplikationen
Die 49 bei Felix Hornung verzeichneten Supplikationen, die nur einen .Teil der 1555 auf dem Reichstag zu Augsburg eingereichten und bearbeiteten Bitten und Beschwerden darstellen - wie die anderen überlieferten Protokolle des Kurfürstenrates und des reichsstädtischen Kollegiums beweisen -, lassen sich in zwei große Gruppen einteilen: zur einen Gruppe gehören 20 Supplikationen, die offenbar zuerst beim König, Kaiser oder seinen Kommissaren eingegangen waren, zur anderen 29 Bitten und Beschwerden, die dem Rat des Königs von den Reichsständen meist zusammen mit ihrer Stellungnahme vorgelegt wurden. Dabei handelte es sich um Supplikationen, die also nur an die Reichsstände oder aber an Kaiser beziehungsweise König und Reichsstände zugleich adressiert waren, mit denen sich der Kaiser oder König aber noch nicht beschäftigt hatte. Zu den Supplikationen der ersten Gruppe läßt sich feststellen, daß die kaiserlich-königliche Seite sehr unterschiedlich auf sie reagierte. Der Kaiser oder König konnte eine an ihn gerichtete Supplikation zur Angelegenheit des ganzen Reichstages machen, indem er anordnete, "solliche schrift den stenden mit geburlicher vermanung, dieselben fur 265 Das Reichstagsprotokoll des kaiserlichen Kommissars Felix Hornung vom Augsburger Reichstag 1555, hg. v. Heinrich Lutz und Alfred Kohler, Wien 1971.
13 Neuhaus
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4.1. Der Supplikationsausschuß als Reichstagsgremium
hand zu nemen und zu beratschlagen, zu behendigen"256, wie im Fall der Supplikation, die die Gesandten des Bischofs von Würz burg, des Bischofs von Bamberg und der Reichsstadt Nürnberg, also der fränkischen Einigungsverwandten, am 11. 1. 1555 in einer Audienz bei den kaiserlichen Kommissaren257 eingereicht hatten258 . So verfuhr auf dem Wormser Reichstag von 1521 auch Kaiser Karl V. mit der Supplikation der in Frankfurt/Main zur Messe versammelten Kaufleute, die bei Cronberg überfallen und ihrer Handelsgüter beraubt worden waren259 . Sie ersuchten Anfang April 1521 den Kaiser in Worms um Abhilfe gegen Landfriedensbruch und Straßenräuberei und wurden dabei von Reichsstädten unterstützt, die besonders betroffen waren260 . Es wurde sogar eine Supplikation gleichen Inhalts der Gesamtheit der Reichsstädte an die Reichsstände erwogen. Insbesondere der Augsburger Vertreter Dr. Peutinger machte sich zum Anwalt der Sache der überfallenen Kaufleute vor Kaiser und Reichstag261 • Am 24.4.1521 berichteten die Frankfurter Gesandten Fürstenberg und Holzhausen an ihre Heimatstadt, die Supplikation der Kaufleute an den Kaiser sei vor den Ständen verlesen worden. Indem der Kaiser sein Mißfallen über die Gewalttaten äußerte und Hilfe und Bestrafung ankündigte, forderte er Kurfürsten, Fürsten und Stände zugleich zur Beratung darüber auf, was in Zukunft gegen solche Vorkommnisse zu tun sei262 • Damit wurde die Supplikation eigentlich nur zu den vielen Landfriedensproblemen hinzu addiert, denn die Reichsstände berieten sie nur in diesem Zusammenhang. Am 21. 5. 1521 antworteten sie dem Kaiser allgemein auf sein Begehren, ihm ein Gutachten zu erteilen, wie er gegen Verletzungen des Landfriedens vorgehen sollte263 . Eine konkrete Antwort auf ihre Supplikation erhielten die Kaufleute aber nicht, denn nach Planitz wurde ihre Bitte und Beschwerde dem Regiment zur weiteren Behandlung übergeben264 • Damit behielten die Frankfurter Gesandten recht, die schon am 24. 4. 1521 vermutet hatten, daß die ganze Sache vergessen werden so1l260. Hornung, S. 51. Der Kardinal von Augsburg und Felix Hornung. 258 Hornung, S. 36 - 38. 259 Planitz, S. 189, Anm. 1; RTA jg. Rh. 2, Nr. 110, S. 760 ff. 260 Vgl. Bericht der Straßburger Gesandten Bock und Duntzenheim vom 1. 4. 1521: RTA jg. Rh. 2, Nr. 176, S. 836, und Str. Korr. I, Nr. 76, S. 40. 261 Brief Peutingers an Augsburg vom 7.4.1521: RTA jg. Rh. 2, Nr. 182, S.843. 262 RTA jg. Rh. 2, Nr. 200, S. 873. 263 RTA jg. Rh. 2, Nr. 111, S. 763. 284 Planitz, S. 189, Anm. 1; vgl. RTA jg. Rh. 2, S. 760 ff. 265 RTA jg. Rh. 2, Nr. 200, S. 873. 258
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4.1.3. Zur Geschäftsordnung des Supplikationsausschusses
195
Im Fall der 1547 an den Kaiser gerichteten Supplikation der Stadt Mühlhausen in Thüringen sandte Karl V. die Bittschrift mit dazu gehörigen Schriftstücken nach einer Besprechung im kaiserlichen Rat an die Reichsstände: "Soll an die Reichsstende gelangen der key. Mat. ir ratlich bedencken hirin anzuzeigen266 ." Die Reichsstände gaben die Supplikation nach dem 15.9.1547 267 an den Supplikationsausschuß weiter, dessen Bedenken die Kurfürsten akzeptierten: "Bey disem bedencken last eß der Churfursten Rath auch pleiben268." Im Reichsrat wurde die Angelegenheit am 12.11. 1547 verhandelt, wie der "Relation des Supplication Raths"269 zu entnehmen ist. Der Kaiser bzw. König konnte dem Supplikanten aber auch - und damit wenden wir uns wieder dem Augsburger Reichstag von 1555 zu den Rat geben, "sein notturft in schriften zu verfassen und den stenden furzubrengen"270, wie es Albrecht von Rosenberg geschah, als er Schadensansprüche an den ehemaligen Schwäbischen Bund stellte271 • Eine andere Möglichkeit war, in einem supplizierend vorgetragenen Streitfall - wie beim Sessionsstreit zwischen Pfalzgraf Ottheinrich und Herzog Albrecht von Bayern - selbst einen Vermittlungsversuch zu unternehmen 272 oder die weitere Bearbeitung der Supplikation solange zurückzustellen, bis der Beklagte dazu einen Gegenbericht oder eine Stellungnahme abgegeben hatte, wie im Fall der Beschwerde "etlicher vom adel" gegen die fränkischen Einigungsverwandten273 . Von den 20 Supplikationen aus dem Hornung-Protokoll, die hier als eine Gruppe verstanden werden, wurden 15 den Reichsständen zur Erledigung übergeben. Das geschah in Kenntnis des Geschäftsgangs, dem eine Supplikation auf reichsständischer Seite des Reichstages unterlag oder unterliegen konnte. Im Fall der Supplikation des Kammerrichters Werner von Zimmern und der Beisitzer am RKG war beschlossen worden, "die berurte missiven dem meintzischen canzler zuzustelMEA RTA 16, J, fol. 7v. An diesem Tag wurde über diese Supplikationen im Rat des Kaisers gesprochen: MEA RTA 16, J, fol. 7v . 288 MEA RTA 16, J, fol. 30r • 269 MEA RTA 16, J, fol. 76 r - 88 v ; betr. Mühlhausen fol. 76 v - 79 V• Diese Relation ist identisch mit der "Relation des Supplication Rhadts deß ersten apud doctorem Calparum sampt darzu gehorigen Supplicationen"; es handelt sich dabei offensichtlich um eine Zweitschrift der Relation des Supplikationsausschusses: MEA RTA 16, J, fol. 92 r - 100 r • 270 Hornung, S. 41. 271 Hornung, S. 41. 272 Hornung, S. 53 f. 273 Hornung, S. 56; die Adeligen sind Ambrosius Geyer von Giebelstadt, Matthias von Rotenhan, Tüngen. 266
267
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4.1. Der Supplikationsausschuß als Reichstagsgremium
len, mit bevelch die den stenden furzubrengen, domit die in dem supplication rat oder sunst moge beratschlagt werden"274. Von einer sehr genauen Kenntnis der Möglichkeiten des Geschäftsganges der Supplikationen auf reichsständischer Seite zeugen auch die Randbemerkungen zu einer Sammlung von Supplikationsbedenken der Stände, die in den Reichstagsakten der Reichskanzlei enthalten ist275 . Da steht etwa am Rande einer Augsburger Supplikation: "Der maintzischen Cantzlei zuzustellen, im Reichsrath wie sich gepurt furzupringen, wisse und mit der Stende gutbedenncken widerumb an die Ku. Mt. gelangen zu lassen", dazu das Datum des königlichen Dekrets278 . Auf der Rückseite der Supplikation der Zechmeister und Färber von Eichstätt, Nördlingen, Rothenburg, Dinkelsbühl, Weissenburg und Braunau, die Verstöße gegen die Reichspolizeiordnung zum Gegenstand hatte277 , war von königlicher Seite wiederum ein anderer Geschäftsgang festgehalten: "Dem Meintzisch Cantzier zuzustellen. Im Reichs Supp[licati]on Rath wie sich gepurt furzupringen wissen, damit die sach wo nott mit irem guttbedunken widerumb an ir Mt. gelange 278." Diese Beispiele bestätigen die zentrale Rolle des Mainzers auch bei der Bearbeitung von Supplikationen; bei ihm wurden die Bitten und Beschwerden gesammelt, er entschied dann, ob die Supplikation dem Reichsrat oder dem Supplikationsausschuß vorgelegt wurde. Das Hornung-Protokoll enthält aber auch ein Beispiel, das sehr gut zeigt, daß man auf kaiserlicher und königlicher Seite ganz bewußt eine Supplikation nicht an die Reichsstände weitergab, weil man die Stimmung und Situation auf dem Reichstag sehr genau kannte. So ist hinsichtlich der Supplikation der Grafen und Herren aus Schwaben gegen die Artikel 9 und 11 des beabsichtigten Religionsfriedens bedacht worden, "das nit ratsam sey, die supplication den stenden furzubrengen, dann man wurd dardurch vil disputation erregen"279. Offensichtlich sah man das ganze Religionsfriedenswerk in Gefahr, wenn sich an diesen beiden Artikeln erneut die Diskussion entzündete. Keineswegs aber war man sich auf kaiserlicher und königlicher Seite immer einig, was mit einer Supplikation geschehen sollte - und das zeigt, daß es eben keine festen Verfahrensnormen und Arbeitsweisen 274 Hornung, S. 60. In den Akten des Reichstages von 1547/48 heißt es: "Und dieselbige Supplicationes in die meintzische Cantzlei uberantwort, mit der angehengkten bitt, das man die in den Supplication Rath prengen [...] wolt." (MEA RTA 16, J, fol. 569r.) 275 RK RTA 31, VI. m RK RTA 31, VI, 2, vom 11. 9. 1555. 277 RK RTA 31, VI, 9; Hornung, S. 98. 278 RK RTA 31, VI, 9. 279 Hornung, S. 100.
4.1.3. Zur Geschäftsordnung des Supplikationsausschusses
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gab, sondern daß immer ad hoc entschieden wurde. Im schon erwähnten Fall des Albrecht von Rosenberg280 war König Ferdinand nämlich anderer Meinung als die kaiserlichen Kommissare, die die Angelegenheit den Reichsständen überlassen wollten. Ferdinand wollte den Gegenstand der Supplikation selbst aus der Welt schaffen und lud die Stände des ehemaligen Schwäbischen Bundes zum 25. 3. 1555 nach Augsburg ein281, obwohl Karl V. mit Schreiben vom 20.10.1554 empfohlen hatte, den Streit Albrechts von Rosenberg mit dem Schwäbischen Bund unter Mithilfe der Reichsstände beizulegen282 • Erst am 28.3.1555 ließ Ferdinand den Ständen diesen Brief des Kaisers durch Vizekanzler Jonas vorlegen und sie auffordern, unparteiische Vertreter aus ihren Reihen zu benennen, was die Kurfürsten am 7. 5. 1555 zusagten283 • Am 1. 4. 1555 erschienen die streitenden Parteien dann vor dem König, dem kaiserlichen Kommissar Felix Hornung und den "verordente[n] von den unparteischen reichsstenden" mit Ausnahme der kurfürstlichen; Albrecht von Rosenberg wurde aufgefordert, seine Beschwerden schriftlich zu übergeben, und die Stände des ehemaligen Schwäbischen Bundes sollten dazu eine Stellungnahme verfassen 284 • Endgültig beigelegt wurde der Streit aber erst am 31. 12. 1555 außerhalb des Reichstages auf einem Tag zu Geislingen285 • War eine Supplikation nur an den Kaiser gerichtet, dann blieb es soweit unseren Quellen darüber etwas zu entnehmen ist - seiner Entscheidung überlassen, wie er diese Supplikation behandelte. Er konnte über sie alleine oder unter Hinzuziehung seiner Räte entscheiden; er hatte die Möglichkeit - wie in dem vorliegenden Fall -, die Reichsstände um die Entsendung von Vertretern in eine von ihm einzurichtende Schlichtungskommission zu bitten oder - wie im Fall des Grafen Jobst zu Hoya auf dem Speyrer Reichstag von 1544 - eine Kommission mit Mitgliedern seiner Wahl einzusetzen286 • So geschah es auf dem Wormser Reichstag von 1521 im Fall der Hildesheimer Stiftsfehde 287 • Eine Supplikation an den Kaiser konnte schriftlich eingereicht oder mündlich durch den Supplikanten, persönlich oder von einem Vertre280 Siehe dazu Frey, Die Fehde der Herren von Rosenberg auf Boxberg mit dem Schwäbischen Bund und ihre Nachwirkungen (1523 - 1555), Diss. phi!., Tübingen 1924 [Masch.]. 281 Hornung, S. 41. 282 283 284 285 288 287
Friedens burg, 1555, S. 49. MEA RTA 38, fol. 129 r - 132 r ; Hornung, S. 60.
Hornung, S. 60. Hornung, S. 60, Anm. 103. s. o. S. 149. s. o. S. 148 f.
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4.1. Der Supplikationsausschuß als Reichstagsgremium
ter, vorgetragen werden. So brachten 1521 z. B. Städteboten die Supplikation der oberen Städte an den Kaiser gegen eine Verlängerung des Schwäbischen Bundes in einer kaiserlichen Audienz vor, bei der auch kaiserliche Räte sowie einige geistliche und weltliche Fürsten anwesend waren. Nach kurzer Beratung der kaiserlichen Seite antwortete Dr. Lamparter den Städteboten im Namen des Kaisers. Mitte Februar 1521 wurden die oberen Städte dann zum Verbleiben im Schwäbischen Bund aufgefordert, und es wurde ihnen nahegelegt, ihre Beschwerden auf dem nächsten Bundestag vorzubringen288. Es gibt in den Akten dieses Reichstages keinerlei Anhaltspunkte dafür, daß der Reichstag in seiner Gesamtheit oder in einzelnen Gremien mit dieser Angelegenheit befaßt war. In unserer zweiten Gruppe von Supplikationen, die im Hornung-Protokoll von 1555 verzeichnet sind, handelt es sich um Bitten und Beschwerden, mit denen die kaiserliche und königliche Seite durch Vortrag der Reichsstände bekannt gemacht wurden. Meist geschah das im Zusammenhang mit der Vorlage von Bedenken, die die Reichsstände zu den Supplikationen bereits erarbeitet hatten. So heißt es zum 16.7. 1555 im Hornung-Protokoll: "Volgends seind in der Ko. Mt. rat etliche bedenken der stend auf uberraichte supplicationes verlesen worden289 ." Und es wurden im königlichen Rat dann 17 Supplikationen und reichsständische Bedenken vorgebracht, zu denen der König Stellung nehmen sollte. In allen Fällen schloß er sich dem Gutachten der Reichsstände an. Hornung vermerkte dazu: "Placuit etiam ita Regiae Mti.", "Placet Regiae Mti.", "Placet Regi", "Regi Placet", "Placet" oder "ist es bei der stend bedenken blieben"290. Daß Ferdinand sehr genau darauf achtete, nur zu den Supplikationen Stellung zu nehmen, die an ihn oder auch an ihn gerichtet waren, zeigt das Beispiel der Bitte des Herzogs Heinrich von Braunschweig. Dieser erbat von den Reichsständen die Befreiung von allen ihm auferlegten Zahlungen und die Einstellung der gegen ihn geführten fiskalischen Prozesse, da er durch allerlei Landfriedensbrüche anderer Stände in seinem Territorium sehr großen Schaden erlitten hätte. Diese Supplikation war den Reichsständen am 27.4.1555 verlesen worden291 , die ihr aber nicht entsprachen, da auch andere Glieder des Reiches Schaden erlitten hätten und gleichwohl ihren finanziellen Verpflichtungen hätten nachkommen müssen292 . Als die Verordneten der Reichsstände dem König ihr Bedenken mit der Supplikation vorlegten, nahm es Ferdi288 289 290 291 292
RTA jg. Rh. 2, Nr. 102, S. 744. Hornung, S. 83. Hornung, S. 83 - 87. MEA RTA 38, fol. 254v . Hornung, S. 84.
4.1.3. Zur Geschäftsordnung des Supplikationsausschusses
199
nand zwar zur Kenntnis, aber es wurde im Rat des Königs beschlossen, "die supplication den stenden wider zuzustellen, weil sy nit auch mit an die Ko. Mt. stunde, mit doruf verzaichnetem decret, das ir Ko. Mt. ir liesse gefallen, das die stend ein solch antwort geben"29s. In einem anderen Fall wollte Ferdinand - allerdings aus anderen Motiven heraus - ebenfalls allein den Ständen die Erledigung einer Supplikation überlassen. Aus ihm geht zugleich hervor, daß die Personen oder Personengruppen, die auf einem Reichstag über Supplikationen zu entscheiden hatten, in etwa die Funktion unabhängiger Richter ausüben sollten. Unter dem 16.7.1555 protokollierte Felix Hornung zur Supplikation der Stadt Goslar, die sich über die am RKG geführten fiskalischen Prozesse beschwerte und um Beendigung und Lösung aller Zahlungsverpflichtungen bat, weil sie aus Armut zahlungsunfähig war, die Reichsstände hätten dem königlichen Rat ein Gutachten vorgelegt, wonach der Fiskal einen Bericht zu der Sache abgeben sollte. Auf der Grundlage dieses Berichtes wollten die Stände ein neues Bedenken erstellen, und bis dahin sollten die Prozesse gegen Goslar eingestellt werden294 . Über die Diskussion im königlichen Rat notierte der Protokollant: "Doruf etlich in Ko. Mt. rate gewolt, dieweil die stat mit der Ko. Mt. nit ausgesonet, so mecht man die stat an die stend weisen, das sie dem fiscal schrieben. Aber dieweil die andern darfur geacht, das die Ko. Mt. in dis er sachen ir privat interesse mit bedenken sollt, weyl sie nomine Caesaris hie sei, ist es bei der stend bedenken blieben295 ." Der König - zumal wenn er den Kaiser auf einem Reichstag vertrat durfte also nicht deshalb die Erledigung einer Supplikation verweigern, weil er selber Partei war oder seine privaten Interessen von der Angelegenheit berührt wurden. Es gab aber auch den Fall, daß die Reichsstände den König allein um die Erledigung einer Supplikation baten, die an sie beide gerichtet war. Zur Supplikation des Burggrafen von Meißen296 , der sich mit dem Grafen Wilhelm von Henneberg um die Session im Reichsfürstenrat stritt, hatten die Stände am 11. 7. 1555 ein Bedenken verfaßt297 , das sie am 16.7.1555 dem König vorlegten: "Status deliberant, das Hennenberg soll gehort werden, alsdann ferner zu gedenken, wie sie zu vergleichen"298, vermerkte Hornung in seinem Protokoll. Daraufhin ist aber offensichtlich nichts weiter geschehen, denn am 15. 9. 1555 sah sich der Supplikant genötigt, eine zweite Supplikation in seiner Angelegenheit 293
294 295 298
297 298
Hornung, S. 84. Hornung, S. 86; RK RTA 31, VI, 35, fol. 2v - 3r • Hornung, S. 86. MEA RTA 40. RK RTA 31, VI, 33, fol. 2v - 3 r • Hornung, S. 85.
200
4.1. Der Supplikationsausschuß als Reichstagsgremium
einzureichen299 , zu der die Reichsstände dem König am 23.9.1555 ihr Bedenken übergaben8oo • Darin überließen sie Ferdinand die Beilegung des Streites, was um so mehr überrascht, da doch Sessionsstreitigkeiten in einem ständischen Reichstagsgremium eigentlich eine reichsständische Angelegenheit sein sollten, keine des Königs. Genauso war auf dem Augsburger Reichstag von 1550/51 verfahren worden, als die Mehrheit der Stände am 6. 8. 1550 im Supplikationsausschuß bei der Behandlung der Supplikation des Herzogs Heinrich des Jüngeren von BraunschweigWolfenbüttel gegen die Stadt Braunschweig301 sogar anregte, da "des herzogen begeren zu end der supplication angehenkt nit so unbillich [sei] und dieweil sie gegen ainander zu veld legen, dardurch, wo die sachen lenger verzogen und auf gegenbericht gewartet werden solt [was die Minderheit wollte], weiterung nit ane verderbung des armen gemainen landvolks gar leichtlich volgen möcht", die Supplikation an den Kaiser gelangen zu lassen, damit dieser "mit ernstlichen mandaten oder sunst rigel fürschieben" könne und beide Seiten auffordere, sich "thatlicher handlung" zu enthalten302 . Außerdem sollte der Kaiser "inen beiderseits verhörtag ansetzen und gütliche handlung selbs aigner person oder durch verordnete commissarien fürnemmen lassen [...], damit sie irer irrung ohne rechtliche erörterung zu frieden khommen möchten"303. So jedenfalls berichtete Jakob Hermann am 7.8.1550 an Meister und Rat von Straßburg. Er war selber der zweite städtische Vertreter neben Hieronimus Ebner aus Nürnberg im Supplikationsausschuß und daher wohl gut informiert. Auch hier ging es also um eine Landfriedensangelegenheit, denn des Herzogs "supplication sampt beigelegten beschwerungen" enthielt, "was ime von der statt Braunschweick über den kei. neuen reformirten und verpenten landfrieden begegnet sein soll"304. Insgesamt kann man dem Hornung-Protokoll entnehmen, daß die meisten Supplikationen - gleichgültig an wen sie adressiert waren den Reichsständen zur Erledigung übergeben wurden. Drei weitere Protokolle vom Augsburger Reichstag von 1555, das KurfürstenratsProtoko1l305, das Fürstenratsprotoko1l306 und das Protokoll der Reichsstädte307 erhellen nun sehr deutlich, welchen Geschäftsgang die beim MEA RTA 40. RK RTA 31, VI, 37, fol. 7v - 8r ; vgl. auch Hornung, S. 85, Anm. 190. 301 Siehe dazu Otto von Heinemann, Geschichte von Braunschweig und Hannover, Bd. 2, Gotha 1886. 302 Str. Korr. V, Nr. 37, S. 55. 303 Str. Korr. V, Nr. 37, S. 55. 304 Str. Korr. V, Nr.37, S. 55. Die Mitglieder des Supplikationsausschusses werden hier als "supplicationen-räth" bezeichnet. 305 MEA RTA 38. 308 RK RTA 32, VII. 307 Friedens burg, 1555. 299
300
4.1.3. Zur Geschäftsordnung des Supplikationsausschusses
201
Mainzer Erzkanzler eingereichten und verzeichneten Bitten und Beschwerden nahmen, denn in ihnen ist festgehalten, wann Supplikationen an welchem Ort wem verlesen, ob sie von den Reichsständen abgeschrieben, ob sie an den Supplikationsausschuß weitergegeben oder in den Kollegien beraten, wann gegebenenfalls den Kurien die Bedenken des Supplikationsausschusses verlesen und in ihnen beraten wurden und wann sich die reichsständischen Gremien schließlich untereinander über die zu fällenden Entscheidungen verglichen haben. Die den kaiserlichen Kommissarien am 11. 1. 1555 in einer Audienz übergebene Supplikation der Bischöfe von Bamberg und Würzburg und der Reichsstadt Nürnberg gegen Brandenburg308 wurde am 4. 3. 1555 den bei König Ferdinand versammelten Reichsständen durch Vizekanzler Jonas mit der Bitte um baldige Beratung verlesen und übergeben309 . Am 12.3.1555 bildeten die Kurfürsten wie auch die Fürsten für die Erledigung dieser Supplikation je einen internen Ausschuß310, während die Städte wie früher auf die Einsetzung eines Supplikationsausschusses warteten311 . Am 16. 3. 1555 tauschten Kurfürsten- und Fürstenrat ihre bisherigen Beratungsergebnisse in dieser Angelegenheit aus 312 , am 21. 3. verwiesen die Stände die fränkische Supplikation, um deren schnelle Erledigung die Supplikanten den König gebeten hatten, und andere Bitten und Beschwerden an den Supplikationsausschußs13. Aber die fränkisch-brandenburgische Sache war zu wichtig und komplex, als daß sie nur vom Supplikationsausschuß behandelt werden konnte. Immer wieder waren deshalb die drei Kurien mit ihr befaßt worden 314 . Es erwies sich aber wohl, daß weder der interkuriale Supplikationsausschuß noch die getrennten reichsständischen Kurien der richtige Ort für die Beilegung des Streites waren. Das galt insbesondere und gerade für den Reichsfürstenrat, in dem die streitenden Parteien 308
Hornung, S. 36 - 39.
Hornung, S. 54 f.; MEA RTA 38, fol. 34v ; Friedensburg, 1555, S. 42; RK RTA 32, VII, fol. 13v. 310 MEA RTA 38, fol. 84 r : "Hat man sich verglichen, das von eines yeden Churfursten wegen einer verordnet werde, die auf Morgen umb Siebene beisamen erscheinen sollen, Ein form angeregts friedtstandts auß der Passawischen Handlung und den vorgehenden Reichsabschieden außzuziehen und aufs papiere zupringen"; RK RTA 32, VII, fol. 33r. 311 Friedensburg, 1555, S. 46; am 5. 3. 1555 aber hatten die Reichsstädte schon beschlossen, nicht zu warten, bis die Stände sich für einen Ausschuß entschieden hatten, sondern in einem kurieninternen Ausschuß, bestehend aus den Vertretern Straßburgs, Augsburgs, Nürnbergs und Ulms, mit der Beratung von Landfrieden, Exekutionsordnung und Supplikation der fränkischen Einigungsverwandten "samentlich, doch ainen nach dem andern" zu beginnen (Friedensburg, 1555, S. 44). 312 MEA RTA 38, fol. 93r, v - 97 V • 313 Friedensburg, 1555, S. 48 f. 314 So z. B. am 8.4., 23.4., 11.6.1555: MEA RTA 38, fol. 167 r, 227 r, 427 v; Friedensburg, 1555, S. 50, 51, 54 f. 309
202
4.1. Der Supplikationsausschuß als Reichstagsgremium
vertreten waren. Dort gingen die Meinungen darüber weit auseinander, in welchem Gremium die fränkische Supplikation behandelt werden sollte. Markgraf Hans von Küstrin, der einen kurieninternen Ausschuß ablehnte, erklärte am 12.3.1555: "Hab sich gestern erclert, dz diese sach daher nit gehöre, sondern inn Supp[licati]on Rath" , weil in einem internen Ausschuß zu wenige berieten angesichts der Bedeutung der ganzen Angelegenheit; es wäre vielmehr notwendig, "nitt allain im f[ursten] rath sonnder von allen Stennden und Craisen zuberathschlagen"315. Der Bischof von Straßburg wollte die Sache im "gemainen Rath" behandeln, Jülich war erst für den Supplikationsausschuß, schloß sich dann aber Straßburg an, ebenso der Württemberger, der freilich auch den internen Ausschuß der Reichsfürsten nicht ausschloß, der ja für Landfriedenssachen zuständig war. Eichstätt wollte "gemaine berathschlagung [... ] oder doch ain sonndere[n] Ausschuß"316. Kurfürsten und Fürsten einigten sich schließlich noch am 12. 6. 1555 darauf, den König zu bitten, "zusammen mit den kaiserlichen Kommissaren und etwa auch Hinzunahme etlicher aus den Ständen" in dem Streit zwischen dem Haus Brandenburg und den fränkischen Ständen zu vermitteln 317. Die Reichsstädte schlossen sich diesem Vorschlag an, der am 13.6.1555 dem König und dem kaiserlichen Kommissar Felix Hornung vorgetragen wurde: "Achteten also ratsam und gut sein, allem friedlichen wesen zum besten und die stend in fried und rueh zu setzen, das zwuschen inen auf dis em reichstag handlung mocht furgenommen werden und die clagen gegeneinander ersehen, sich merers berichts erholen und doruf uf mittel und weg zu gedenken sein sollt, wie sie gegeneinander zu vergleichen. Langt also ir bitt an die Ko. Mt., die wolt unbeschwerdt sein sich der sachen zu undernemen und dohyn zu richten, das underhandlung furgenommen wurde, oder ander weg, domit sie in vergleichung gebracht wurden. Was dann gemeine stend darzu tun konten, wo es von noten und sie ersucht wurden, wolten sie mit irer Mt. oder derselben verordenten an inen nichts erwinden lassen 318 ." Der König erklärte sich einverstanden mit der Bildung eines solchen Ausschusses, zumal die fränkische Supplikation ja auch an ihn gerichtet war und er von den Supplikanten zur Vermittlung aufgerufen war31D • Neben einem Einblick in den Geschäftsgang einzelner Supplikationen vermitteln die Protokolle vom Augsburger Reichstag von 1555 ein recht anschauliches Bild vom Zusammenwirken der drei traditionellen Reichs315 318 317 318 319
RK RTA 32, VII, Beilage (unfoliiert) zum 12.3.1555. RK RTA 32, VII, Beilage (unfoliiert) zum 12.3.1555. Friedensburg, S. 55; RK RTA 32, VII, fol. 362 v - 363". Hornung, S. 67 f. Hornung, S. 68; dies wird den Reichsstädten am 19.6.1555 mitgeteilt (Friedens burg, 1555, S. 57); am 21. 6. 1555 begannen die Beratungen (Frie-
densburg, S. 59).
4.1.3. Zur Geschäftsordnung des Supplikationsausschusses
203
tagskurien mit dem Supplikationsausschuß. Vor allem im Protokoll der Reichsstädte wird sehr oft vermerkt, wann neue Supplikationen verlesen und daß diese abgeschrieben wurden320 ; hier wie auch im Protokoll des Kurfürstenrates ist zudem festgehalten, wann in den Kurien die Bedenken des Supplikationsausschusses verlesen und beraten wurden. Wie von seiner Einsetzung und personellen Zusammensetzung so gleicht der Supplikationsausschuß auch von seiner Stellung im Reichstagsgefüge, seiner Arbeitsweise und vom Geschäftsgang der Supplikationen her den übrigen interkurialen Ausschüssen und läßt sich mit diesen durchaus vergleichen. Auch er war den Gremien verantwortlich, die ihn eingesetzt hatten: Einsetzungsorgane des Supplikationsausschusses waren die drei Reichstagskurien, die sich in interkurialen Absprachen über seine Konstituierung verständigten. Ihnen hatte der Supplikationsausschuß die Ergebnisse seiner Arbeit vorzulegen oder die Entscheidung über den weiteren Geschäftsgang einer Supplikation anheimzustellen. Verfolgen wir den Weg einer Supplikation, so ergibt sich, daß beispielsweise "herzog Otheinrich an ir Mt. supplicirt und gebeten [hat], das ir Mt. ime umb des grossen beschwerlichen schulden lasts willen die gemeine reichsanlagen und hilfen ein anzal jar nachlassen, auch sunst die versehung tun wolten, das ime der ubermessig ungleich anschlag etlichermassen mocht geringert werden"321. Diese Supplikation322 wurde am 20. 3. 1555 im königlichen Rat verlesen. Sie war ursprünglich an Kaiser Karl V. gerichtet worden, der den Supplikanten auf den Reichstag verwiesen hatte, wo König Ferdinand und die kaiserlichen Kommissare "ime bey gemeinen stenden alle guete furderung erzaigen solten"323. Im königlichen Rat wurden Hornung und Vizekanzler Jonas damit beauftragt. Am 21. 3. 1555 324 brachten sie die Angelegenheit "in pleno consilio aller Reichsstend in der Churfursten Rath stuben versamlet" vor 325 und ergänzten sie durch Supplikationen des Herzogs Heinrich von Braunschweig326 und Lazarus von Schwendis327 . Nach Verlesung dieser Supplikationen beschlossen die Stände ihre Abschrift und Weiterleitung an den Supplikationsausschuß328. 320 321 322 323 324 325 326 327 328
Z. B. Friedensburg, 1555, S. 51, 53, 55, 65. Hornung, S. 59. RK RTA 34,17. Hornung, S. 59. Nicht wie bei Hornung, S. 59, Anm. 98, am 31. '3. 1555. RK RTA 32, VII, fol. 95 r .
s. O. S. 198 f.
MEA RTA 38, fol. 110 r ; Friedensburg, 1555, Friedensburg, 1555, S. 49.
S. 48 f.
204
4.1. Der Supplikationsausschuß als Reichstagsgremium
Das Beratungsergebnis des Supplikationsausschusses in der Sache Ottheinrichs und anderer wurde der Gesamtheit der Reichsstände am 22. 5. 1555 in ihren Kollegien mitgeteilt, "dweil von etlichen so supplicirt hefftig angesucht bei dem Meintzischen umb beschaidt und dan etlich supplicationes im Supplications Rathe tractiert worden"329. Das Bedenken des Supplikationsausschusses wurde in "gemeinem Rathe" referiert, daneben wurden "noch etlich meher Supplicationes in gmain" vorgebracht, die wiederum dem Supplikationsausschuß überwiesen wurden 330. Neben der Stellungnahme des Supplikationsausschusses zur Ottheinrichschen Bitte und Beschwerde enthielt das Bedenken dieses Gremiums Beratungsergebnisse zu 13 weiteren Supplikationen331 . Diese wurden am 5. und 18. 6. 1555 im Kurfürstenrat erörtert3S2 ; am 26. 6. teilten die Kurfürsten dem Fürstenrat mit, zu welchem Ergebnis sie gekommen waren, und die Reichsfürsten referierten ihr Bedenkens3s ; am 28. 6. wurden die Bedenken zu den beratenen Supplikationen den Reichsstädten angezeigt und sollten dann sogleich vom Mainzer Kanzler an den königlichen Vizekanzler Jonas weitergegeben werdenS34 • Im Reichsstädterat standen die Bedenken zu den 14 Bitten und Beschwerden wohl erst am 25. 6. 1555 auf der Tagesordnung 335 • In den folgenden Wochen des Reichstages legte der Supplikationsausschuß dann noch dreimal der Gesamtheit der Reichsstände seine Beratungsergebnisse vor3S6 • Am 8.7. und 9.8.1555 beriet der Kurfürstenrat jeweils Bedenken des Supplikationsausschusses über etliche Bitten und Beschwerdenss7, daneben aber an vielen Tagen auch einzelne Supplikationenss8 • Die Reichsstände berieten u. a. am 9.7., 29.8. und 23. 9. 1555 über Supplikationen und erstellten ihre Bedenken3s9. Die Reichsstädte verfuhren in der gleichen Weise 340 . Am 9.7.1555 erklärten sie sich mit der Meinung der Kurfürsten und Fürsten einverstanden, "die Bitten um Ringerung dem Bedenken des Supplikationsrates gemäß auf einen Moderationstag zu verweisen"S41; am 7.8. berieten sie die zuvor im Reichsrat gehörten Bedenken des Supplikationsaus329 330 331 332 333 334
335 33B
337 338 339 340 341
MEA RTA 38, fol. 329 r • MEA RTA 38, fol. 329 r ; Friedensburg, 1555, S. 53. MEA RTA 38, fol. 330 r • MEA RTA 38, fol. 403 r , 453 v . MEA RTA 38, fol. 478 r - 479 r . MEA RTA 38, fol. 483 r • Friedensburg, 1555, S. 59. MEA RTA 40, Schluß. MEA RTA 38, fol. 486 r , 684 v . MEA RTA 38, passim. RK RTA 31, VI, 33, 34, 37. Friedensburg, 1555, passim. Friedensburg, 1555, S. 60.
4.1.3. Zur Geschäftsordnung des Supplikationsausschusses
205
schusses342 und schlossen sich am 12.8. wie die Kurfürsten und Fürsten diesen an 343 • Am 21. 9.1555 - so vermerkte der reichsstädtische Protokollant - begaben sich die Stände auf das Rathaus, um einige Supplikationen zu erledigen344 • Kehren wir zu unserem Beispiel zurück. Als Supplikation um Verringerung der auferlegten Reichsanschläge wurde Ottheinrichs Bitte aus der großen Masse der anderen Supplikationen ausgeklammert, um auf einem Moderationstag entschieden zu werden; dies wollte der Supplikant aber noch nicht so einfach hinnehmen 345 • Genauso wurde aber hinsichtlich der Supplikationen der Äbte von Petershausen und St. Cornelimünster und der Äbtissinnen von Gernrode und Lindau verfahren 34G, die auch später nicht im Hornung-Protokoll erwähnt werden. Eine Gegenüberstellung der Bedenken, die der Supplikationsausschuß am 22. 5. 1555 den Reichsständen übergeben hatte, mit den Supplikationen, die Hornung unter dem Datum des 16. 7. 1555 anführte 347, zeigt aber auch, daß im Rat des Königs bereits Supplikationen zur abschließenden Diskussion standen, die nicht im Supplikationsausschuß behandelt worden waren, sondern in den Kurien. Dazu gehörten etwa die Supplikationen der Stadt Quedlinburg um Rückzahlung der Gelder, die sie dem Reich im Kampf gegen Magdeburg geliehen hatte348, der Gebietsstreit zwischen dem Kapitel der Marienkirche in Stettin und den Grafen zu Honstein in Brandenburg349 und die Supplikation der Gebrüder Bonat gegen den Mühlhausener Bürgermeister Sebastian Rodemann s6o , zu der die Stände am 11. 7. 1555 ihr Bedenken verabschiedet hatten361 • Erst wenn der König den ihm vorgelegten reichsständischen Bedenken zugestimmt hatte 352 , stand die Antwort des Gesamtreichstages an die einzelnen Supplikanten fest; danach konnte dann die praktische Ausführung der zu den Bitten und Beschwerden gefaßten Entscheidungen beginnen. Auf dem Augsburger Reichstag von 1555 hat der Supplikationsausschuß offenbar viermal Bedenken zu einer Anzahl von ihm vorgelegter 34! 343 344
Friedensburg, 1555, S. 64. Friedensburg, 1555, S. 65. Friedens burg, 1555, S. 76.
345 Vgl. MEA RTA 38, fol. 404v - 405'", 407 v - 409 r , 427 v zum 5.6. und 12.6.1555. 348 MEA RTA 40. 347 Hornung, S. 82 - 87. 348 Hornung, S. 85; Friedensburg, 1555, S. 61; RK RTA 31, VI, 33, fol. Ir, v. 348 Hornung, S. 85, Anm. 189. 360 Hornung, S. 85 f. mit Anm. 192. 361 RK RTA 31, VI, 33, fol. 3v - 4v • 352 s. o. S. 190 H.
206
4.1. Der Supplikationsausschuß als Reichstagsgremium
Supplikationen verfaßt, die daraufhin in den einzelnen Kurien beraten und schließlich dem König übergeben wurden353 • Das erste Bedenken beschäftigte sich mit 13, das zweite mit 12, das dritte und vierte mit je 5 Supplikationen, wobei manche Bitten und Beschwerden in zwei Bedenken erscheinen, etwa die des Herzogs Heinrich von BraunschweigLüneburg. Wenn sich der Supplikationsausschuß zweimal mit derselben Supplikation zu beschäftigen hatte - so ist zu schließen -, dann hatten sich die Reichsstände vorher offenbar nicht auf eine gemeinsame Antwort einigen können, oder es tauchten neue Gesichtspunkte auf, die bei einer Entscheidung zu berücksichtigen waren. Der Supplikationsausschuß sollte jedenfalls zu einem möglichst unanfechtbaren Ergebnis kommen, das für alle Reichstagsteilnehmer annehmbar war. 4.1.3.3. Die Arbeitsweise des Supplikationsausschusses
auf dem Augsburger Reichstag von 1547/48
So wie sich der Geschäftsgang der Supplikationen auf dem Augsburger Reichstag von 1555 darstellte, hatte er sich - orientiert an der Arbeitsweise des Reichstages für proponierte Beratungspunkte - wohl seit 1521 immer mehr verfestigt und ging 1569 in den Reichstags-Traktat ein. Danach proponierte der dazu bestimmte Mainzer Sekretär jede einzelne Supplikation im Supplikationsausschuß, indem er feststellte, daß die Bitte und Beschwerde an die Reichsstände gerichtet, ob sie zur Abschrift freigegeben worden war, wer der Supplikant war und welchen Inhalt sie hatte. Die sich daran anschließende Beratung lief in Form einer Umfrage ab, wie sie aus anderen Ausschußberatungen und den Kurienberatungen bekannt ist. Die Meinung der Mehrheit der Ausschußmitglieder protokollierte der Mainzer, um daraus später, "wan er heimkompt", ein schriftliches Bedenken in Form eines Ratschlages, nicht einer Entscheidung, zu formulieren. Nach Genehmigung eines solchen Bedenkens durch den Supplikationsausschuß wurde es zusammen mit der eingereichten Supplikation dem Mainzer Kanzler zugestellt, der bei des zusammen in den drei Kollegien abgesondert verlas oder wie 1547/48 und 1555 im Reichsrat vortrug 354 • Hier wurden Supplikationen und Bedenken sodann wie ein normaler Propositionspunkt beraten, abgeändert oder angenommen. In der Regel machten sich die Reichsstände das Bedenken des Supplikationsauschusses zu eigen, ließen es als Bedenken der Stände verfassen und dem Kaiser als Vorschlag für einen allgemeinen Reichsbeschluß übergeben. Für dieses Verfahren ließen sich viele Beispiele anführen, bei denen ein Vergleich des Wortlautes Vgl. MEA RTA 40, passim, und Schluß. Traktat, S. 81 f., MEA RTA 16, J, fol. 152r , Friedensburg, Protokoll 1555, S. 53 ff., passim. 353
354
4.1.3. Zur Geschäftsordnung des Supplikationsausschusses
207
beider Bedenken das hier angedeutete Ergebnis bestätigen würde. (Siehe Beilage NT. 5.) Ebenso verfuhren die Kurfürsten mit den Supplikationen, die nur sie etwas angingen. Alle in Zusammenhang mit einer Supplikation stehenden Akten mußten dem Kaiser im Original oder in einer Kopie übergeben werden 355 • Diese Duplizität aber war auch deshalb erforderlich, weil ein Exemplar bei der Mainzer Erzkanzlei und eines bei der kaiserlichen Hofkanzlei aufbewahrt werden mußte. über die erledigten Supplikationen sollte nach dem "Traktat" von 1569 auf jedem Reichstag ein Supplikationsbuch geführt werden. Darin waren die Supplikationen mit dem jeweiligen Beschluß und dem Protokoll des Supplikationsausschusses zusammenzufassen. Diese Akte ermöglichte somit eine Kontrolle darüber, welche Supplikationen erledigt und welche noch zu bearbeiten waren. Ein solches Supplikationsbuch läßt sich allerdings für die Reichstage des hier behandelten Zeitraumes als Buch nicht nachweisen, wohl aber an verschiedenen Orten und in unterschiedlicher Vollständigkeit seine Bestandteile: Supplikationen, dazu gehörender Beschluß und Supplikationsausschuß-Protokoll. Was die Geheimhaltung in diesen "Privat- und Nebensachen" und in den "Privat- oder schlechte Händel" anging, so sollte sie gewahrt bleiben, solange die Stände nicht einen einhelligen Beschluß gefaßt und diesen dem Kaiser vorgetragen hatten. Damit wollte man verhindern, daß etwaige Meinungsverschiedenheiten zwischen den einzelnen Ständen oder zwischen Ständen und Kaiser an die Öffentlichkeit drangen. Außerdem sollte auf diese Weise wohl eine Beeinflussung der Stände seitens der Supplikanten oder der Gegenpartei ausgeschlossen werden. Erst nach der endgültigen Beschlußfassung konnte der Mainzer Kanzler den Supplikanten auf Wunsch den Bescheid anzeigen oder zustellen. In wichtigen Angelegenheiten hatte das in Gegenwart der Stände oder einiger Abgesandter zu geschehen356 • Allerdings schloß ein so gefestigter Geschäftsgang nie aus, daß der Reichstag in besonderen Fällen und zudem in außergewöhnlichen Zeiten auf eine andere Weise verfuhr. Dafür bietet der Geharnischte Reichstag zu Augsburg von 1547/48 ein Beispiel besonderer Art, das zugleich deutlich macht, welchen breiten Raum das Supplikationswesen einnahm. Können wir für den Reichstag von 1555 bei einer vergleichenden Gegenüberstellung der vier erhaltenen Protokolle ermitteln, daß 355 Vermerke, wonach Supplikationen und darauf erfolgte Dekrete den kaiserlichen Räten übergeben wurden, finden sich für den Reichstag von 1547/48: MEA RTA 16, J, fol. 146r , 148 r , v, 272 r, jeweils am Rand: "Diese Supplication mit irem Decret ist den kaiserisch Rethen widerumb uberschickt, dweil sie Churfursten, Fursten und Stenden von inen ubergeben." 356 Traktat, S. 83.
208
4.1. Der Supplikationsausschuß als Reichstagsgremium
die Kurfürsten in den Monaten März bis September 1555 am häufigsten über Supplikationen berieten, nämlich ca. fünfzig Mal, die Reichsstädte ca. vierzig Mal und die kaiserliche bzw. königliche Seite ca. dreißig Mal, so zeigt sich für die Dauer des Reichstages von 1547/48, daß allein der Supplikationsausschuß - abgesehen von einer größeren Beratungspause Ende 1547 - fast täglich zusammengetreten ist und auch zusammentreten mußte, wollte er alle ihm vorgelegten Supplikationen erledigen357 • Unsere Kenntnisse über den Supplikationsausschuß des Reichstages von 1547/48 sind aufgrund des umfangreichen Aktenmaterials besonders umfassend. Es erlaubt uns zudem von seiner Beschaffenheit her einen tieferen Einblick in Organisationsstruktur und Arbeitsweise des gesamten Supplikationsbereiches. Unter den Akten des Mainzer Erzkanzler-Archivs358 befindet sich ein Band J, der nur Supplikationen und Akten des Supplikationsausschusses enthält, dazu ein "Prothocolli die Kriegsleuth betreffendt"359 vom 26.3. bis 6.4.1548, ein "Prothocoll d. Handlung mit den Kriegsleuth"360 vom 3.3. bis 5.3.1548 und ein "Prothocollum Supplicationum"361. Die Einzelschriftstücke zu insgesamt 73 Supplikationen sind in dem Aktenband so erhalten, daß sie sich in 18 Gruppen mit unterschiedlicher Anzahl zusammenfassen lassen. Diese 18 verschiedenen Gruppen kann man wiederum nach geschäftsordnungsmäßigen Kriterien in 4 Abteilungen einteilen. Einen ersten Hinweis auf eine solche Einteilung geben die überschriften zu einzelnen Gruppen: "Supplicationes und Decreta des andern Supplication rats"362, "Supplicationes und Decreta des dritten Supplication rats"36S, "Supplicationes und Decreta des virten Supplication rats"364. Orientiert man sich an den Ordnungszahlen in diesen überschriften, so sind für den Augsburger Reichstag von 1547/48 vier Supplikationsausschüsse zu vermuten, was für die Reichstage der Zeit Karls V. erstmals und einmalig der Fall wäre. Aber auch Paul Hector Mair erwähnt für 1547/48 mehrere Supplikationsausschüsse, wenn er von dem "clain stiblin gegen der gassen heraus" spricht, "darin sitzen 351
Vgl. auch die Aufstellung für den dritten Nürnberger Reichstag von
1524 (Kap. 3.2.2.), die zeigt, daß der Reichstag fast täglich irgendwie mit
Supplikationen beschäftigt war. 358 MEA RTA 16. 369 MEA RTA 16, J, fol. 191 r - 197 r • 360 MEA RTA 16, J, fol. 210 r - 237 v . 361 MEA RTA 16, J, fol. 616 r - 686 r . 362 MEA RTA 16, J, fol. 102 r • S63 MEA RTA 16, J, fol. 238 r . 364 MEA RTA 16, J. fol. 280 r •
4.1.3. Zur Geschäftsordnung des Supplikationsausschusses
209
die reichs ausschüP, so die suplicationen verhören"365. (Hervorhebung vom Vf.) Unsere Vermutung wird verstärkt durch den Wortlaut weiterer überschriften zu einzelnen dieser Supplikationsgruppen, in denen dieselben Ordnungszahlen wiederkehren: "Decreta uff die Supplicationes des zwaiten Supplication Raths"366, "Relation des dritten Supplication Raths"367, "Relation und Decreta der Supplication uff dem Reichstag zu Augspurg ubergeben Anno 1548. Des Vierten Ausschuß"368, "Relation und decret etlicher supplication des virten außschuß abgehort 21 Aprilis Anno 1548 Augustae in comitiis"369. Hinzu kommt, daß es unter der schon zitierten überschrift "Supplicationes und Decreta des virten Supplication rats"370 heißt: "Item die prothocoll aller Supplication rete"371, was nur bedeuten kann, daß es mehrere Supplikationsausschüsse auf diesem Reichstag gegeben hat, in denen jeweils Protokolle geführt wurden. Zählt man die 18 Gruppen von Supplikationen in diesem Band J der Akten des Mainzer Erzkanzler-Archivs von vorne nach hinten durch, so stehen die hier zitierten überschriften über der 4., 8. und 10. Gruppe und über der 6., 9., 15. und 18. Gruppe. Alle diese Gruppen enthalten gemäß ihren überschriften "Supplicationes und Decreta", "Decreta", "Relation[es]" oder "Relation und Decreta". Geht man von der Bedeutung dieser Begriffe aus, dann dürften die Gruppen 4, 8 und 10 jeweils Bitten und Beschwerden und die dazu gehörigen Entscheidungen des betreffenden Supplikationsausschusses enthalten, die 6. Gruppe nur Entscheidungen zu Supplikationen, die 9. Gruppe nur einen Bericht über die Arbeit des Supplikationsausschusses und die Gruppen 15 und 18 zu dem Ausschußbericht noch die Entscheidungen zu den behandelten Supplikationen. Tatsächlich aber enthalten alle diese Gruppen immer kurze Inhaltsangaben zu jeder einzelnen Supplikation mit Wiedergabe der eigentlichen petitio und die dazu von den Kurfürsten, Fürsten und Ständen getroffene Entscheidung. Dieser Aufbau - wie er auch aus Beilage Nr. 5 hervorgeht - macht zum einen deutlich, daß jede Supplikation für sich und ohne Blick auf andere Bitten und Beschwerden behandelt wurde; zum anderen läßt er vermuten, daß es sich bei diesen Schriftstücken um Ergebnisprotokolle der Beratungen der Kurfürsten, Fürsten und Stände handelt, in denen nur der Gegen885 888 387
388 388
870 371
Wie oben S. 155, Anm. 36. MEA RTA 16, J, fol. 146r • MEA RTA 16, J, fol. 273v • MEA RTA 16, J, fol. 566 r • MEA RTA 16, J, fol. 588v• MEA RTA 16, J, fol. 280r • MEA RTA 16, J, fol. 280r •
14 Neuhaus
210
4.1. Der Supplikationsausschuß als Reichstagsgremium
stand der Supplikation und die Entscheidung des Ausschusses festgehalten wurden. Schriftstücke dieser Art finden sich ferner vereinzelt in den Gruppen 12 und 16. Ihnen allen gemeinsam ist ferner, daß die in ihnen entschiedenen Supplikationen zum überwiegenden Teil einen Vermerk erhalten haben, aus dem hervorgeht, daß der Reichstag der Entscheidung der Kurfürsten, Fürsten und Stände zugestimmt hat372 • Neben den bisher erwähnten überschriften zu sechs Supplikationsgruppen gibt es dann nur noch die überschrift "Relation des Supplication Raths"373 zu den Gruppen 2, 13 und 16 und "Bedenken des Supplication Raths"374 für die Gruppe 11. Zur Gruppe 11 ist auch die Gruppe zu zählen, zu der es am Schluß heißt: "Solch ir bedenncken haben die geordenten des Supplication Raths Churfursten Fursten und Stenden [...] nit sollen verhalttenn 375 ." Auch die hier zuletzt genannten Gruppen enthalten im Anschluß an Kurzregesten der eingereichten Supplikationen ausschließlich gutachterliche Stellungnahmen mit Entscheidungsvorschlägen376 - diesmal des Supplikationsausschusses -, die u. a. mit folgenden Formeln eingeleitet werden: "Daruff deß verordenten außschuß bedennckhen"377, "Hieruff der verordent außschuß bedacht"378, "Hierauff bedennkht der Suplicationrath"379, "Hierauff ist durch den Suplication Rath bedacht"380, "Nach erwegung dieses hanndels acht der Supplication Rath"381. Dabei fällt in der Gruppe 2 auf, daß die Relationen zu den meisten Supplikationen als Bedenken des "verordenthen außschuß"382 formuliert sind, die aber von den Kurfürsten, Fürsten und 371 So heißt es am Ende der 6. Gruppe z. B., daß die in dieser Gruppe enthaltenen Schriften "decretirt, beschlossen und allen Stennden in Beysein der Stette verlesen" worden sind, worauf der Vermerk folgt: "Actum in consilio comitali elector principu et statum Imperii Augustae Vindelicet Ultima Februarij Anno 48 Thilmanns Dichtelbach (?) Doctor [Mainz?]" (MEA RTA 16, J, fol. 152r ); ganz ähnlich am Ende der 9. Gruppe, ebd., fol. 273 r • Bei Vermerken zu einzelnen Entscheidungen heißt es "Decretum in consilio Imp. 14. 10. 1547" (ebd., fol. 286v ) oder es gibt nur einen Präsentationsvermerk (ebd., fol. 351 ff., 589 ff.). 318 MEA RTA 16, J, fol. 88v , 515 r , 573 r • m MEA RTA 16, J, fol. 345 r • 176 MEA RTA 16, J, fol. 587 r • 878 Nur vereinzelt tauchen solche Relationen oder Bedenken des Supplikationsausschusses in den Gruppen 1 und 8 auf (MEA RTA 16, J, fol. 30r, 60r ,253 r ). 177 MEA RTA 16, J, fol. 80v • 178 MEA RTA 16, J, fol. 83 v • 170 MEA RTA 16, J, fol. 347 r . 180 MEA RTA 16, J, fol. 348r • 181 MEA RTA 16, J, fol. 517 r • 18! MEA RTA 16, J, fol. 76 ff., passim.
4.1.3. Zur Geschäftsordnung des Supplikationsausschusses
211
Ständen zum großen Teil unverändert übernommen worden sind, wie auch das Beispiel der Beilage Nr. 5 sehr deutlich zeigt. Die Tatsache, daß Kurfürsten, Fürsten und Stände Relationen des Supplikationsausschusses übernahmen, wird von der Gruppe 9 bestätigt, die analog zur 2. Gruppe mit "Relation des dritten Supplication Raths"383 überschrieben ist und in der die Formel "Hierauff bedennckt der Außschuß" oder "Darauff des Supplication Raths bedenncken" dahingehend mittels Durchstreichen verändert wurde, daß Kurfürsten, Fürsten und Stände als Bedenkende auftreten384 . Der hier beschriebene Sachverhalt und die - abgesehen von der Ordnungszahl - gleichlautenden überschriften zu beiden Gruppen lassen vermuten, daß es sich bei der 2. Gruppe um Relationen des noch nicht identifizierten 1. Supplikationsausschusses handelt. Diese Vermutung wird einmal dadurch bestätigt, daß eine später geschriebene Zweitschrift zu diesen Relationen überschrieben ist mit "Relation des Supplication Rhadts deß ersten apud doctorem Calparum sampt darzu gehorigen Supplicationen"385, zum anderen aber auch durch die Aufstellung am Schluß des Bandes J, wo unter "bey des Ersten Suplicationraths relation manngelt" drei Supplikanten der 2. Gruppe aufgezählt werden, deren Supplikationen offenbar fehlen 386. Daß man zunächst nicht von Relationen des ersten Supplikationsrates gesprochen hat, ist aus der bis dahin üblichen Reichstagspraxis zu erklären, die auf jedem Reichstag immer nur einen Supplikationsausschuß kannte. Die Tatsache, daß es keine Gruppe "Supplicationes und Decreta" des ersten Supplikationsausschusses gibt, widerspricht also der Annahme, daß die Schriftstücke der 2. Gruppe dem ersten Supplikationsausschuß zuzuordnen sind, keineswegs; indem sich die Kurfürsten, Fürsten und Stände wie in Gruppe 9 die Relationen des Supplikationsausschusses zu eigen machten, erhoben sie diese zu Dekreten, zumal der formale Aufbau dieser Schriftstücke denen aller anderen in den bisher angesprochenen Gruppen entspricht. Für den Augsburger Reichstag von 1547/48 können wir somit vier Supplikationsausschüsse nachweisen, denen Relationen und Dekrete aus verschiedenen der oben bezeichneten 18 Gruppen zugeordnet sind. Ferner lassen sich aus den noch nicht genannten Gruppen, die keine Überschrift tragen, die aber fast ausnahmslos 387 Supplikationen und dazu gehörende Schriften enthalten, die Bitten und Beschwerden aufgrund 183 364 385
388 387
MEA RTA 16, J, fol. 273v• MEA RTA 16, J, fol. 271 v, 273 r • MEA RTA 16, J, fol. 92 r • MEA RTA 16, J, fol. 696r • Ausnahmen s. o. S. 209.
212
4.1. Der Supplikationsausschuß als Reichstagsgremium
der Relationen und Dekrete den einzelnen Supplikationsausschüssen zuordnen 388 • Diese Gruppen, vor allem 1, 3, 5, 7, 12 und 14, folgen in der Anordnung des Bandes J meist jenen, die aus Relationen und Dekreten bestehen, sozusagen als die, welche die Beweisstücke enthalten. Daß dabei auch Überschneidungen vorkommen, liegt dar an, daß sich manchmal zwei oder drei Supplikationsausschüsse mit einer Bitt- und Beschwerdeschrift befassen mußten389 • Zum anderen mußte sich ein Supplikationsausschuß oft mit ein und derselben Supplikation mehrmals beschäftigen39o• Aus einer solchen Zuordnung der bezeichneten Gruppen zu den vier Supplikationsausschüssen ergibt sich, daß man sich im 1. Supplikationsausschuß mit insgesamt 14 Bitten und Beschwerden, im 2. mit 15 neuen 391 Supplikationen und 2 schon im 1. Ausschuß entschiedenen Bittschriften392 beschäftigt hat; von den 15 neuen sind zu 5 je zwei Dekrete ergangen393 • Der 3. Supplikationsausschuß mußte sich mit 8 neuen und 6 weiteren Supplikationen394 befassen, die der 2. Ausschuß bereits einmal entschieden hatte; von diesen insgesamt 14 Supplikationsentscheidungen ergingen zu 2 Bitten und Beschwerden je zwei Dekrete3D5 • Der 4. Supplikationsausschuß hatte 36, also die Hälfte aller 1547/48 vorgebrachten Supplikationen zu entscheiden, davon ergingen zu 6 Bitten und Beschwerden396 zwei und zu 1 Supplikation drei Dekrete 397 ; ferner mußte sich dieser 4. Ausschuß noch mit 6 Supplikationen befassen, zu denen schon einmal der 1., 2. oder 3. Supplikationsausschuß eine Entscheidung getroffen hatte 398 • Zu 8 der 36 Supplikationen 388 Demnach sind die 1. - 3. Gruppe dem 1. Supplikationsausschuß, die 4.7. Gruppe dem 2. Supplikationsausschuß, die 8. und 9. Gruppe dem 3. Supplikationsausschuß und die 10. - 18. Gruppe dem 4. Supplikationsausschuß zuzuordnen. 389 z. B. der 2., 3. und 4. Supplikationsausschuß jeweils mit der Supplikation des Bischofs von Freising: MEA RTA 16, J, fol. 107v, 268 v , 269 r , 474 r , 594r • 390 z. B. der 4. Supplikationsausschuß mit der Supplikation des Bischofs von Meißen: MEA RTA 16, J, fol. 269 v, 347 r , 383 r, 585 v • 891 "Neu" heißt hier nicht, daß sich nicht schon Supplikationsausschüsse früherer Reichstage mit diesen Bitten und Beschwerden befaßt hätten. 392 Conrad von Bemelberg, Bernhardt von Schauenburg. 393 Stifte Metz, Toul, Verdun, Bggf. v. Friedberg, König Ferdinand, Ebf. v. Mainz, Reichsstadt überlingen. 394 Tiroler Kanzler Dr. Beatus Widmann, Kurfürst von der Pfalz, Bf. v. Passau, Bf. v. Freising, Bf. v. Naumburg, Grafen zu Neuenar. 396 Tiroler Kanzler Dr. Beatus Widmann, Witwe Johanna Friesin. 398 Erbtruchseß Frh. zu Waldburg, Grafen v. Zimmern, Freiherrn v. Königseck und Aulendorf, Gf. Johann Ludwig zu Sulz, Landcomtur der Balley Elsaß und Burgund, Deutschmeister in Livland. 397 Dr. Johann Volwang, Syndikus des Ebf. v. Bremen. 398 Eine Entscheidung des 1. Supplikationsausschusses war vorausgegangen für: Harzgrafen, Gf. Friedrich zu Fürstenberg, Hz. v. Savoyen; eine Entschei-
4.1.3. Zur Geschäftsordnung des Supplikationsausschusses
213
liegen nur Relationen des 4. Supplikationsausschusses vor 390 • Diese überbeanspruchung des 4. Supplikationsausschusses läßt darauf schließen, daß er zuletzt eingerichtet wurde und sich mit allen noch eingereichten Bitten und Beschwerden zu beschäftigen hatte. Das aber setzt voraus, daß die anderen Supplikationsausschüsse ihre Arbeit schon vorher eingestellt hatten, und würde bedeuten, daß ein Supplikationsausschuß den anderen abgelöst hat, d. h. daß niemals zwei oder mehr Supplikationsausschüsse zur gleichen Zeit tätig waren. Die Verteilung aller auf dem Reichstag von 1547/48 eingereichten Bitten und Beschwerden auf vier Supplikationsausschüsse, die in den überschriften zu in Gruppen zusammegefaßten Schriftstücken, Relationen und Dekreten zu den Supplikationen genannt sind, bestätigt ein "Prothocollum Supplicationum 1547 und 1548 Augspurg"400, das vom 24. 10. 1547 bis zum 30. 6. 1548 reicht, also die gesamte Tagungszeit des Reichstages umfaßt, und protokollarische Aufzeichnungen zu 30 Sitzungen enthält. Unter dem Datum des 9. 11. 1547 ist vermerkt, daß zwei Verordnete von Mainz und Kurpfalz den Räten der Kurfürsten, Fürsten und Stände und den Gesandten der Reichsstädte vortrugen, "weß uff die supplication von den darzu verordenten ausschuß bedacht"40l, und eine schriftliche Relation übergeben haben. Am 10.11. 1547 - so heißt es im Protokoll des Supplikationsausschusses dann weiter - "sein im churfursten rath die supplication und des ausschuß daruber verordent bedenncken an die hanndt genomen"402. Es wurde dann von den Kurfürsten über jene 14 Supplikationen abgestimmt, die dem 1. Supplikationsausschuß zugeordnet wurden403 . Aus dem "Prothocollum Supplicationum" geht ferner hervor, daß sich der 1. Supplikationsausschuß noch - ohne über sie zu beschließen - mit 11 weiteren Supplikationen befaßt hat, die aufgrund der verschiedenen Gruppen von Supplikationen in Band J den anderen Supplikationsausschüssen dung des 2. Supplikationsausschusses war vorausgegangen für: Stifte Metz, Toul, Verdun, Bf. v. Freising, Bf. v. Naumburg; eine Entscheidung des 3. Supplikationsausschusses war vorausgegangen für: Bischöfe von Freising, Naumburg und Meißen. 399 Abt v. Fulda, Äbtissin v. Quedlinburg, Witwe Elisabeth, Landgräfin v. Hessen, Ebf. v. Besan!;on, Abt v. Hersfeld, Reichsmarschall v. Pappenheim, Stubenwärter Hans Schwarzenburg, Judenanwalt Jösle Juden. 400 MEA RTA 16, J, fo1. 616 r - 686 r • 401 MEA RTA 16, J, fo1. 637V • 402 MEA RTA 16, J, fo1. 638 r • 403 Nur die Nr. 2 in diesem Protokoll es handelt sich um die Beschwerde der Stadt Mühlhausen in Thüringen gegen Kursachsen - hat wohl Schwierigkeiten bereitet, denn ihretwegen hat es eine Umfrage gegeben (MEA RTA 16, J, fo1. 639 r , v), und sie wurde aus der Liste gestrichen. Doch man behandelte Mühlhausens Supplikation am 12.11. 1547 "in consilio statuum" und faßte einen Beschluß, wie wir der "Relation des [ersten] Supplication Raths" entnehmen können (MEA RTA 16, J, fo1. 79 v ).
214
4.1. Der Supplikationsausschuß als Reichstagsgremium
zuzuordnen waren 404 • Daß der 1. Supplikationsausschuß zu den genannten 14 Bitten und Beschwerden Entscheidungen getroffen und sich mit weiteren 11 Supplikationen befaßt hat, wird schließlich dadurch bestätigt, daß immer dieselben Mitglieder eben dieses 1. Supplikationsausschusses an den Beratungen beteiligt waren: Vertreter der sechs Kurfürsten, zwei geistlicher Fürsten (Bischöfe von Konstanz und Augsburg), zwei weltlicher Fürsten (Pfalzgraf J ohann und Markgraf Hans von Küstrin) sowie ein Reichsprälat, ein Reichsgraf und die beiden Reichsstädte Augsburg und Köln 405 • Von dieser Zusammensetzung ist nur in der Sitzung vom 25.10.1547 abgewichen worden, in der neben den genannten zwei weltlichen Reichsfürsten an den Umfragen zur Supplikation der Herzogin von Sachsen-Rochlitz noch der Markgraf Ernst von Baden teilnahm408 , ferner in der Sitzung vom 31. 10.1547, zu der am Rand des Protokolls zur Supplikation der drei Stifter Metz, Toul und Verdun neben Augsburg Lübeck statt Köln als Vertreterin der Reichsstädte vermerkt ist407 • Insgesamt ist festzuhalten, daß der 1. Supplikationsausschuß in der Zeit vom 24.10. bis 9.11. 1547 in fast konstant bleibender Besetzung über 25 Supplikationen beraten und zu 14 Bitten und Beschwerden Entscheidungen gefällt hat. Diese Beratungen fanden laut Protokoll in sechs Sitzungen an sechs Tagen statt408 • Der 2. Supplikationsausschuß hat vom 30. 12. 1547 bis zum 9. 3. 1548 in gleicher Besetzung409 wie sein Vorgänger viermal getagt410 und über 28 Bitten und Beschwerden beraten, von denen 9 diesen Supplikations404 9 von diesen 11 Supplikationen wurden im 2. Supplikationsausschuß entschieden, eine gehört in den 3., zwei gehören in den 4. Supplikationsausschuß. 40& Diese personelle Zusammensetzung ergibt sich aus dem Anfang des Protokolls: MEA RTA 16, J, fol. 617 r - 637 r. Daß nicht alle Mitglieder in jeder Sitzung anwesend waren, ist ein für jedes Reichstagsgremium zu beobachtendes Phänomen; so hat sich in diesem 1. Supplikationsausschuß der Kurfürst von Brandenburg entschuldigen lassen (ebd., fol. 617 r) und der Verordnete des Bischofs von Augsburg ist am 24. 10. 1547 ausgeblieben (ebd., fol. 617 v). Ansonsten fehlten bei einzelnen Umfragen der Kurfürst von Sachsen, der Mkgf. v. Brandenburg und insbesondere ab 12. 11. 1547 die Vertreter der Reichsprälaten und der Reichsgrafen. 408 MEA RTA 16, J, fol. 621r, v. 407 MEA RTA 16, J, fol. 628 r. 408 Am 24.10., 25.10., 26.10., 31. 10., 2.11., 3.11.1547: MEA RTA 16, J, fol.
617 r - 637 r.
40. Für die Reichsstadt Köln ist jetzt offenbar Lübeck als ständige Vertreterin der Reichsstädte neben Augsburg in den Supplikationsausschuß gekommen (MEA RTA 16, J, fol. 642 v ff.). Im Protokoll werden die Mitglieder bei den Umfragen nicht so oft einzeln genannt, wie das noch für die Sitzungen des 1. Supplikationsausschusses geschah; da offenbar bei allen weitgehende Einigkeit über die Behandlung der Supplikationen herrschte, hat der Protokollant nach Nennung der kurfürstlichen Vertreter oft nur "omnes alii" vermerkt (ebd., fol. 641 v, 642 v). 410 Am 30. und 31. 12. 1547 und am 22.2. und 9. 3. 1548 (MEA RTA 16, J, fol.
640 r - 647 v).
4.1.3. Zur Geschäftsordnung des Supplikationsausschusses
215
ausschuß laut Protokoll erstmals beschäftigten, zu denen er aber keine Dekrete verabschiedete; 15 waren schon Gegenstand der Beratungen und Entscheidungen des 1. Supplikationsausschusses gewesen. Bis auf zwei decken sich alle dem 2. Supplikationsausschuß bei der Aufteilung der 18 Supplikationsgruppen zugeordneten Bitten und Beschwerden411 mit denen, die im Protokoll dieses Gremiums verzeichnet sind. Aus den beiden Gruppen "Supplicationes und decreta des andern Supplication rats"412 und "Decreta uff die Supplicationes des zwaiten Supplication Raths"413 ist das Bedenken des Supplikationsausschusses zu 6 Supplikationen am 19. 1. 1548 im Kurfürstenrat verlesen worden414 • Weitere Bedenken des Supplikationsausschusses über eingebrachte Supplikationen wurden am 20. 1. und 25. 1. 1548 vor Kurfürsten und Fürsten und den Städteboten verlesen, wie dem Kurfürstenrats-Protokoll zu entnehmen ist415 • Am 6.2.1548 "ist abgehort des Suplication Raths bedennken uber die Suplication so inen zum andern mal zu beratschlagung zugestellt"418. Dabei handelt es sich offenbar um dieselben Bitten und Beschwerden, die schon am 19.1.1548 von den Kurfürsten beraten wurden, denn sie tauchen auch in beiden oben noch einmal zitierten Supplikationsgruppen auf417 . Das Ende der Sitzungsperiode dieses 2. Supplikationsausschusses ist aufgrund des Protokolls dieses Gremiums eindeutig auf den 9. 3. 1548 festzusetzen, denn einmal werden die bis dahin aufgeführten beratenen und beschlossenen Supplikationen nach diesem Sitzungstag nicht mehr erwähnt, zum anderen führt eine Notiz auf dem Rand des Protokolls zum 20. 3. 1548, dem nächstfolgenden Sitzungstag des Supplikationsausschusses, zwei Rubriken von Reichsständen auf: Bamberg, Konstanz und Prälaten als geistliche Vertreter des Fürstenrates, Zweibrücken, Brandenburg und Grafen als weltliche418 • Da diese Reichsstände neben den anonym bleibenden Vertretern der Reichsprälaten und der Reichsgrafen sowie der Reichsstadt Lübeck im Protokoll der nächsten Sitzungen des Supplikationsausschusses auch erscheinen, kann angenommen werden, daß sich am 20. 3. 1548 ein Supplikationsausschuß in neuer Zusammensetzung konstituiert hat, der 2. Supplikationsausschuß folglich seine Arbeit in der vorhergehenden Sitzung am 9. 3.1548 eingestellt hatte. s. o. S. 208 ff. m MEA RTA 16, J, fol. 102r ff. 413 MEA RTA 16, J, fol. 146r ff. m MEA RTA 14b, E, fol. 205 r , betr. Mainz, Toul, Friedberg, König Ferdinand, überlingen, Schussenried. 416 MEA RTA 14b, E, fol. 208 r , 216 r • 41G MEA RTA 14b, E, fol. 225 r • 417 MEA RTA 16, J, fol. 102 r ff., 146 r ff. 418 MEA RTA 16, J, fol. 647 V • 411
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4.1. Der Supplikationsausschuß als Reichstagsgremium
Gegen diese Datierung auf den 9. 3. 1548 scheint allerdings das Kurfürstenrats-Protokoll zu sprechen, in dem unter dem Datum des 29. 2. 1548 steht, die "Relation des Supplication Raths zum drittenmal gethan vorhanden genomen und verlesen worden", und danach sei "den Stetten verlesen worden der beschluß [der Kurfürsten, Fürsten und Stände] uber den zwaiten Supplication Rath"419. Und schließlich ist den Ständen angezeigt worden, die Kurfürsten ließen sich "des driten Suplication Raths bedenncken" gefallen420 • Danach hatte der 2. Supplikationsausschuß schon am 29. 2. 1548 seine Beratungen abgeschlossen. Das trifft auch für die Supplikationen zu, die ihm zugeordnet wurden, denn am 9. 3. 1548 beschäftigte er sich nur mit schon früher behandelten Bitten und Beschwerden und verwies die Supplikation der schwäbischen Grafen an ein anderes Gremium421 • Allerdings sind die personellen Veränderungen des 3. Supplikationsausschusses gegenüber dem 2. noch größer als zwischen dem 1. und dem 2. Ausschuß, wenn auch der Bischof von Konstanz und der Markgraf von Brandenburg schon den ersten beiden Supplikationsausschüssen angehörten. Lediglich der Bischof von Augsburg wurde durch den von Bamberg ersetzt; Lübeck wird weiterhin als Vertreterin der Reichsstädte genannt, aber es fehlt bei den Umfragen eine zweite Reichsstadt422 • Die Sitzungsperiode des 3. Supplikationsausschusses läßt sich für die Zeit vom 20. 3. bis 13.4. 1548 mit vier Sitzungstagen festlegen423 • Zur Sitzung am 20. 3. ist am Rand des Protokolls die neue personelle Zusammensetzung des Supplikationsausschusses notiert worden. Außerdem gibt das Protokoll die Beratungen zu 8 neuen Supplikationen wieder, die aber nicht in den Supplikationsgruppen enthalten sind, die die Relationen und Dekrete des 3. Supplikationsausschusses wiedergebenm. Im Kurfürstenrat ist laut dessen Protokoll am 27.3.1548 die Relation des verordneten Supplikationsausschusses im Beisein der Stände und Städtegesandten angehört worden425 • Das Datum der Schlußsitzung des 3. Supplikationsausschusses ergibt sich aus der Tatsache, daß das Protokoll danach, also vom nächsten Sitzungstag des Supplikationsausm MEA RTA 14b, E, fol. 244v • 420 MEA RTA 14b, E, fol. 245 r , 246 r . 421 MEA RTA 16, J, fol. 646 r - 647 V • 422 MEA RTA 16, J, fol. 647 v , 649 r • 423 Sitzungen fanden statt am 20. und 22.3. und am 8. und 13.4.1548: MEA RTA 16, J, fol. 647 v - 653 v • Am 21. 4. 1548 sind Relationen des Supplikationsausschusses über etliche Supplikationen bei den Kurfürsten verlesen worden (MEA RTA 14b, E, fol. 326v ), die dem 4. Supplikationsausschuß zugeordnet worden sind. 424 MEA RTA 16, J, fol, 238 r - 273 r • 425 MEA RTA 14b, E, fol. 301 v •
4.1.3. Zur Geschäftsordnung des Supplikationsausschusses
217
schusses an, dem 18.4.1548, in einer viel flüchtigeren Schrift von anderer Hand verfaßt ist. Außerdem ist von diesem Tag an der Erzbischof von Salzburg Mitglied dieses Gremiums bis zum Ende des Reichstages 426 • Aber auch sonst ändert sich die Zusammensetzung des Supplikationsausschusses, zumindest fehlen bei den Umfragen der Markgraf von Brandenburg und der Vertreter der Reichsgrafen427 ; mit Pfalzgraf Johann gab es demnach nur einen weltlichen Reichsfürsten neben drei geistlichen. In dieser neuen Zusammensetzung hat der 4. Supplikationsausschuß bis zum 30. 6. 1548 getagt428 , sich zumeist noch einmal mit den Supplikationen befaßt, die auch der 3. Supplikationsausschuß bereits beraten hatte und vor allem Verhandlungen mit einzelnen Supplik anten durchgeführt, z. B. mit den Reichsstädten429 , den Gesandten des Deutschmeisters in Livland und der dortigen Bischöfe430 , den Gesandten des Herzogs von Holstein431 und dem Reichsmarschall von Pappenheim432 • Das Kurfürstenrats-Protokoll enthält gegen Ende des Reichstages weniger Relationen des 4. Supplikationsausschusses zu Gruppen von Bitten und Beschwerden als Relationen und Notizen zu einzelnen Supplikationen. Das hängt vor allem damit zusammen, daß die Behandlung der Supplikationen - um zu einer raschen Erledigung zu kommen - in vielen kleinen Kommissionen stattfand und daß in Einzelfällen die Kurfürsten persönlich um eine Lösung bemüht waren. Ein Teil der Supplikationen taucht in dem Protokoll des Supplikationsausschusses gar nicht auf, die die oben behandelten 18 Gruppen aber sehr wohl mit Relationen und Dekreten enthalten. Diese Unvollständigkeit des Protokolls ist hier nicht weiter zu verfolgen, denn insgesamt bestätigt das Supplikationsausschuß-Protokoll die Ergebnisse der Zuordnung der Supplikationen aus den 18 Gruppen zu den vier Supplikationsausschüssen. Diese vier Supplikationsausschüsse haben während des Geharnischten Reichstages in vier mit Unterbrechungen aufeinander folgenden Sitzungsperioden getagt und jeweils alle in ihrer Zeit anfallenden Supplikationen beraten. Ihr durchgängiges gemeinsames Protokoll und die Tatsache, daß ihre Mitglieder weitgehend identisch waren, sprechen dafür, auch für 1547/48 nur einen Supplikationsausschuß anzunehmen. Im Kurfürstenrats-Protokoll wird nicht zwischen verschiedenen 428 427 428 429
430 431 432
MEA RTA 16, J, fol. MEA RTA 16, J, fol. MEA RTA 16, J, fol. MEA RTA 16, J, fol. MEA RTA 16, J, fol. MEA RTA 16, J, fol. MEA RTA 16, J, fol.
653 v , 654 r ff. 653 v ff. 685r • 657 r - 661 v . 661 v - 667 v , 672 v - 676 r • 668 v - 670 V, 676 v - 680 v • 681 r ff.
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4.1. Der Supplikation saus schuß als Reichstagsgremium
Supplikationsausschüssen unterschieden, sondern nur erwähnt, wenn eine Supplikation zum zweiten, dritten oder vierten Mal zur Diskussion stand. Fragt man noch einmal nach den Gründen für die Unterscheidung von vier Supplikationsausschüssen, so kann nur auf die vier Sitzungsperioden hingewiesen werden, die dazu veranlaßt haben. Von einer Entlastung der Mitglieder der einzelnen Ausschüsse kann schon deshalb nicht die Rede sein, weil doch immer wieder dieselben Reichsstände in diesen Gremien saßen. Ebensowenig waren die einzelnen Supplikationsausschüsse für bestimmte Sachgebiete zuständig, die in den eingereichten Bitten und Beschwerden angesprochen wurden. Gegen eine solche Zuständigkeit spricht schon die Tatsache, daß eine einzelne Supplikation Beratungsgegenstand eines jeden Supplikationsausschusses sein konnte. Hinter der Vierteilung ist also auch kein wie immer gearteter - Instanzenzug zu vermuten. Dies soll an einem Beispiel verdeutlicht werden, das zugleich die Grenzen und Möglichkeiten des Supplikationsausschusses bei seinen Entscheidungen aufzeigt. In einer Supplikation zeigten die Harzgrafen Ernst von Hanstein, Gunther von Schwarzenburg, Wolfgang von Stolberg, Hans Georg von Mansfeld und Hans Albrecht von Mansfeld dem Kaiser an, daß sich "die Chur und fursten zu Sachsen understehn, sie alls Graven deß heylligen Reichs entgegen ihrer Freyheit und alltem herkhomen vom heylligen Reich außzuziehen" , daß diese sie dem Reich gegenüber "mit Reichssteuren und anndern [...] verdretten" und sie dafür mit Neuerungen wie Einziehung von Straßen und Geleit und mit Steuerforderungen gegen ihre Untertanen beschwerten. Da dies "zu schmelerung des heylligen Reichs" und trotz ihrer vom Kaiser erhaltenen Privilegien und Regalien und gegen altes Herkommen zu ihrer Benachteiligung führte, baten sie den Kaiser, diese Beschwerden und Neuerungen abzuschaffen und ihnen ihre Regalien, Privilegien und Freiheiten zu erhalten und sie darin Z\l schützen433 • Diese Supplikation war an den Kaiser gerichtet und wurde von diesem an Kurfürsten, Fürsten und Stände mit der Bitte um "ire ratlich bedennckhen" weitergeleitet434 • Kurfürsten, Fürsten und Stände übergaben sie zu diesem Zwecke an den 1. Supplikationsausschuß, der sich - wie seinem Protokoll zu entnehmen ist - in seiner Sitzung vom 24.10.1547 erstmals mit ihr beschäftigte485 • Unter den Mitgliedern des Supplikationsausschusses wurden hauptsächlich zwei Meinungen vertreten. Nach dem Willen des Kurfürsten von der Pfalz und des Bischofs 433 So in der Relation des Supplikationsausschusses zur Bitte und Beschwerde der Harzgrafen: MEA RTA 16, J, fol. 76 r , v. 434 MEA RTA 16, J, fol. 76 v • 435 MEA RTA 16, J, fol. 617 r - 618 r •
4.1.3. Zur Geschäftsordnung des Supplikationsausschusses
219
von Konstanz sollte die Supplikation zur Entscheidung an das RKG verwiesen werden. Die andere Richtung im Supplikationsausschuß, u. a. vertreten von den Kurfürsten von Trier und Sachsen, in der zweiten Umfrage aber dann von der Mehrheit der Mitglieder, wollte von den Supplikanten eine genauere Erläuterung der Neuerungen verlangen, die gemäß ihrer Beschwerde gegen Freiheiten, Vorrechte und altes Herkommen verstießen. In diesem Sinne faßte der Supplikationsausschuß am 24.10.1547 auch einen Beschluß, dem schließlich alle Mitglieder zustimmten 436 . Am 31. 10. 1547 wurde dieses Votum auf ein erneutes Anhalten der Harzgrafen noch einmal bestätigt437 . Danach haben die Supplik anten wohl im Sinne der obigen Entscheidung ihre Beschwerde präzisiert, denn am 2. 11. 1547 beriet der Supplikationsausschuß "uff der Hartzgrafen anzaig wer sie beschwere"438 und Kurpfalz machte daraufhin in Abwesenheit von Kursachsen439 den Vorschlag, den Beklagten zu der Angelegenheit zu hören, um eine Klärung der Beschuldigungen herbeizuführen. Des "verordenten ausschuß bedencken" legte deshalb auch fest, "das sollich supplication denen, die sie belangen thut, zuzustellen sei, ires Gegenberichts daruff hab zugewarten"440. Am 9.11. 1547 trugen zwei Verordnete der Kurfürsten von Mainz und von der Pfalz das Bedenken des Supplikationsausschusses in Form einer Relation zusammen mit anderen Bedenken den Räten der Kurfürsten, Fürsten und Stände vor und überreichten es zur Abschriftnahme441 . Im Kurfürstenrat wurde darüber am 10.11. 1547 beraten und gemäß dem Beschluß des Supplikationsausschusses vom 2.11. entschieden442 . Damit war die Supplikation der Harzgrafen für den 1. Supplikationsausschuß des Reichstages von 1547/48 abgeschlossen. Aber die Supplikanten gaben noch keineswegs Ruhe, denn der 2. Supplikationsausschuß hatte sich schon in seiner ersten Sitzung am 30.12.1547 wieder mit ihrer Beschwerde zu befassen, blieb aber bei dem vorigen Beschluß443. In der Zeit danach aber muß Kurfürst Moritz von Sachsen seinen Gegenbericht gegeben haben, zumal sich der 2. Supplikationsausschuß am 9.3.1548 erneut mit der Angelegenheit beschäftigte. Die Gesandten der Harzgrafen hatten nämlich zu dem Bericht des Kurfürsten eine Gegendarstellung verfaßt und dem Suppli430 MEA RTA 16, J, fol. 618 r • 431 MEA RTA 16, J, fol. 628V • 438 MEA RTA 16, J, fol. 635 V • 439 s. o. Anm. 405. 440 MEA RTA 16, J, fol. 636 r ; so auch in der Relation des 1. Supplikationsausschusses ebd., fol. 76 v • 441 MEA RTA 16, J, fol. 637 v . m MEA RTA 16, J, fol. 638 r , unter Nr. 1 der dortigen Aufstellung; so auch ebd., fol. 76V • 443 MEA RTA 16, J, fol. 641 v •
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4.1. Der Supplikationsausschuß als Reichstagsgremium
kationsausschuß übergeben. Diese wurde im Ausschuß verlesen und dann beraten. Während der Vertreter der Reichsgrafen im Supplikationsausschuß dafür eintrat, da Meinung gegen Meinung stehe, beide Parteien an das RKG zu verweisen, damit sie dort ihr Recht fänden, wollte Kurköln und mit ihm die Mehrheit des Supplikationsausschusses dem beklagten Kurfürsten Moritz von Sachsen, der in der Sitzung wiederum nicht vertreten war, die Gegendarstellung der Harzgrafen zur Kenntnisnahme übersenden, damit er sich dazu äußern konnte. In diesem Sinne wurde entschieden und die ganze Angelegenheit erst einmal wieder abgeschlossen444 • Auch der 3. Supplikationsausschuß dieses Reichstages hatte sich gleich in seiner ersten Sitzung am 20.3.1548 mit den Harzgrafen zu beschäftigen, die erneut darum gebeten hatten, ihrer Beschwerde abzuhelfen. In diesem ein wenig anders zusammengesetzten Gremium gingen die Meinungen in der einen abgehaltenen Umfrage weit auseinander: wollte Pfalz-Zweibrücken infolge des Fehlens einer zweiten kursächsischen Darstellung den Kurfürsten Moritz noch einmal um eine Stellungnahme bitten, so hielt das der Markgraf von Brandenburg für vergeblich; der Bischof von Bamberg wiederum wollte die ganze Angelegenheit an "ordentliche Richter" weisen lassen. Schließlich wurde ohne weitere Erklärung beschlossen, die Sache an einen gebührlichen Ort zu weisen, wohin sie ihrer Art nach gehörte 445 • Dieser Beschluß ist offensichtlich mit dem Bedenken identisch, das sich unter den Relationen des Supplikationsausschusses befindet446 , die dem 3. Supplikationsausschuß zugeordnet wurden. In der Relation auf die Supplikation der Harzgrafen bezog sich der Supplikationsausschuß auf "des ersten Supplication Raths Relation" und referierte diese auch447 • Ferner enthält diese erneute Relation den Inhalt der kursächsischen Gegendarstellung; in ihr hatte Moritz von Sachsen gegenüber dem Kaiser sein Befremden über "sollicher irer Lehengrafen beschuldigung (so on urs ach bescheen)" zum Ausdruck gebracht, weil er sich ihnen gegenüber nicht anders verhalten habe, wie es Herkommen zwischen den Grafen und dem Hause Sachsen sei. Die Grafen und Herren hätten auch seinen kurfürstlichen Vorfahren den Ritterdienst für die von ihnen erhaltenen Lehen geleistet, wie aus der die Anschläge betreffenden Schrift zu ersehen sei, die zugleich beweise, daß dem Reich keine Leistungen entzogen würden. Zu den von den Grafen geforderten 444
445 448 447
MEA RTA 16, J, fol. 646r, v, 647 r. MEA RTA 16, J, fol. 648 v, 649 r. MEA RTA 16, J, fol. 515 r - 520 r. MEA RTA 16, J, fol. 517 v.
4.1.3. Zur Geschäftsordnung des Supplikationsausschusses
221
Steuern könne er nichts anderes sagen, als daß es sich um jene Abgaben handelte, die sie als Lehensmänner dem Kurfürsten von Sachsen für zugesagten Schutz schuldig seien. Er könne - so führte der Kurfürst schließlich aus - es sich nicht erklären, durch welche N euerungen sich die Harzgrafen benachteiligt fühlen könnten, und bat dann, alles beim Alten zu lassen448 . Daraufhin hat der "verordennt Supplication Rath" beschlossen, dem Kaiser zu raten, die hoch wichtige Angelegenheit, zu der betreffend der Verringerung der Anschläge ein gesondertes Bedenken erfolgen werde, "an die ort unnd end, dahin sie von rechts wegen oder irer arth natur unnd gelegenheit nach gehörig (daselbst iren außtrag unnd entschafft zuerlanngen) zuremittiren und zuweisen seien"449. Diese Relation ist nach dem Protokoll am 22. 3. 1548 im 3. Supplikationsausschuß verlesen und nicht mehr verändert worden450 . Ein letztes Mal begegnet die Supplikation der Harzgrafen dann noch unter den Relationen, die dem 4. Supplikationsausschuß zugeordnet wurden. In dem auf sie bezüglichen Bedenken sind an die Stelle des Supplikationsausschusses Kurfürsten, Fürsten und Stände als Bedenkende getreten, was nur heißen kann, daß sie sich die Relation des Supplikationsausschusses zu eigen gemacht haben. Nachdem Kurfürsten, Fürsten und Stände noch einmal des 1. Supplikationsausschusses Relation vernommen hatten, haben sie die des "erst Supplication Rath fur gut angesehen"451. An diesem Beispiel der Behandlung einer Supplikation auf dem Reichstag von 1547/48 wird deutlich, daß die vier Supplikationsausschüsse nicht mit einem Instanzenzug im Sinne des Prozeßrechts in Verbindung gebracht werden können. Ihr Auftreten in den Reichstagsakten als vier getrennte Ausschüsse ist allein in der Vierteilung ihrer Sitzungszeit begründet, denn von Einsetzung und Arbeitsweise her ist kein Supplikationsausschuß dem anderen über- bzw. untergeordnet. Vielmehr sind alle in gleicher Weise dem Gesamtreichstag verantwortlich, wie jeder andere interkuriale Reichstagsausschuß auch. Jeder hatte seine Relationen und Dekrete an Kurfürsten, Fürsten und Stände weiterzuleiten, die letztlich über jede Supplikation entschieden. Die Harzgrafen-Supplikation wäre auch bei einem Supplikationsausschuß in Rede und Gegenrede so verfolgt worden. Der Beschluß des 4. Supplikationsausschusses konnte demnach nicht mehr Rechtswirksamkeit beanspruchen als Entscheidungen seiner Vorgänger; auch seine Beschlüsse 448
449 460 451
MEA RTA MEA RTA MEA RTA MEA RTA
16, J, 16, J, 16, J, 16, J,
fol. fol. fol. fol.
518r - 519 r • 519r • 651 r . 573 v - 574 r .
222
4.2. Zur Arbeit des Supplikationsausschusses
konnten ebensowenig endgültig sein wie die des 1., 2. oder 3. Supplikationsausschusses. Aber es war den Harzgrafen als Supplikanten unbenommen, bei den verschiedenen Supplikationsausschüssen immer wieder ihre Beschwerden vorzutragen, in der Hoffnung, eine für sie günstigere Entscheidung zu erreichen, denn die personelle Zusammensetzung des Ausschusses hätte sich ja zu ihren Gunsten geändert, ein ähnlicher oder gleicher Beschwerdefall hätte inzwischen - bei anderen Beurteilungskriterien - einen anderen Ausgang genommen haben können. Ohne Frage barg das hier am Einzelfall exemplifizierte Verfahren die Möglichkeit in sich, in schwierigen und umstrittenen Fällen eine gerechtere Lösung anzustreben als sie ein einzelner unveränderter Supplikationsausschuß finden konnte, denn ein späterer Ausschuß stützte sich ja immer auf die Ergebnisse seiner Vorgänger, andere Mitglieder sahen neue Zusammenhänge, die für die Entscheidung nicht unwichtig waren. Aber das konnte - wie das Beispiel der Supplikation der Harzgrafen zeigt - auch dazu führen, daß der 4. Supplikationsausschuß auf die Entscheidung des ersten zurückgriff und sie sich zu eigen machte, weil dem Supplikationsverfahren letztlich die Möglichkeiten fehlten, einen Rechtsstreit zu entscheiden, für den das RKG zuständig war. Diese Ohnmacht des Supplikationsausschusses wird aber gerade auch durch die Tatsache erklärt, daß der Ausschuß sich möglicherweise gegen eines seiner Mitglieder hätte entscheiden müssen. Das aber wäre auf der Ebene des Gesamtreichstages im Falle des Kurfürsten Moritz von Sachsen bei aller Gegensätzlichkeit von den Kurfürsten niemals zugelassen worden, d. h. auch der Reichstag als letzte Entscheidungsinstanz wäre an einer verbindlichen Beschlußfassung gehindert gewesen. Hier waren dem Reichstag und mit ihm dem Supplikationsausschuß Grenzen gesetzt, die im Bereich der Reichsgesetzgebung genauso vorhanden waren, wenn man etwa an die Bemühungen um eine Reichsmünzordnung denkt. Indem der Supplikationsausschuß eine deutliche Trennung von Reichstagsarbeit und Jurisdiktion vollzog, lehnte er es eindeutig ab, die Funktion eines Gerichtshofes zu übernehmen.
4.2. Zur Arbeit des Supplikationsausschusses 4.2.1. Supplikationsausschuß und Gerichtswesen Es konnte schon gezeigt werden, daß das RKG - ursprünglich im Rahmen der Reichsreform ein Zugeständnis des Königs an die Reichsstände - immer wieder Gründe für Supplikationen lieferte 1 • In Nürn1 Siehe dazu die vielen Beschwerden gegen das RKG (Kap. 3.2.2.3.3.).
4.2.1. Supplikationsausschuß und Gerichtswesen
223
berg warfen z. B. 1524 die Herzöge Wilhelm und Ludwig von Bayern dem Kammerrichter und seinen Beisitzern vor, das allgemeine Recht, die Kammergerichtsordnung und die Privilegien der Herzöge verletzt zu haben, indem sie es zugelassen hatten, daß vor dem RKG gegen die Bayern prozessiert wurde. Sie hatten sich deshalb auch schon beim Reichsregiment beschwert, hatten Schiedsrichter für ihren Fall vorgeschlagen2 und den Kaiser über ihren Streit mit dem Gericht informiert. Dies alles aber hatte das RKG nicht veranlaßt, den Prozeß zu suspendieren, sondern im Gegenteil: er wurde weitergeführt, und im weiteren Verlauf setzte man den Prokurator Dr. Konrad Schwabacher ab, weil er sich geweigert hatte, einen vorgeschriebenen Eid zu leisten, und auf die fällige Ordnungsstrafe dem Gericht "in öffentlicher Sitzung [... ] den Hintern gezeigt"3. Vorgeworfen wurde dem Gericht von den Herzögen, eine Appellation angenommen zu haben, für die das Hofgericht in München zuständig gewesen wäre. Aus diesem Grunde baten sie die Reichsstände, das RKG zu veranlassen, es bei ihrer "gethaner recusation und supplication pleiben und vorangezeigten orten ausfuren [zu] lassen und sich mitler zeit zu attentirn und zu furfarn enthalten", den abgesetzten Prokurator Schwabacher wieder in sein Amt einzusetzen und zu entschädigen und die Appellation an das zuständige Münchener Hofgericht zu verweisen'. Wurde hier die Zuständigkeit des Reichskammergerichts in einer Appellationsangelegenheit in Zweifel gezogen und zugleich der Reichstag als eine Art Aufsichtsbehörde per Supplikation zu einer Entscheidung aufgefordert, so wurde er in einem anderen Fall geradezu als letztinstanzliches Gericht angerufen. Das wird deutlich an der Beschwerde der Kurfürsten von Trier und der Pfalz und des Landgrafen von Hessen gegen das Reichsregiment auf demselben Reichstag von 15245 • Frowin von Hutten hatte sich auf dem zweiten Nürnberger Reichstag von 1522/23 darüber beklagt, die drei jetzigen Beschwerdeführer hätten ihm in den Wirren der Auseinandersetzungen mit Franz von Sickingen unter Bruch des Landfriedens seine Güter weggenommen8 , woraufhin zu seinen Gunsten entschieden worden war7 • Gegen dieses Urteil richteten die drei Fürsten ihre Beschwerde, weil es unter der falschen Voraussetzung, Hutten habe sich nicht an den Unternehmungen RTA jg. Rh. 4, Nr. 126 A, S. 552. RTA jg. Rh. 4, Nr. 126 B, S. 553. , RTA jg. Rh. 4, Nr. 126 A, S. 552 f.; S. 573, Anm. 2, Nr. 126 C, S. 555; Nr. 26, S. 181 f., S.207. 5 RTA jg. Rh. 4, Nr. 121, S. 526 - 529. e Planitz, Br. 108, S. 239. 7 s. O. S. 138. !
3
224
4.2. Zur Arbeit des Supplikationsausschusses
Sickingens beteiligt, und der fälschlichen Annahme, die beiden Kurfürsten seien ebenfalls gegen Rutten vorgegangen, gefällt worden sei. Von der Richtigkeit ihrer Auffassung überzeugt und zur Beschwerde über das Regiment berechtigt, sahen sie sich indirekt durch die Tatsache, daß Rutten 1522 das Reichsregiment und nicht das zuständige RKG angerufen hatte. Rutten - so argumentierten sie 1524 - hatte dort ein günstigeres Urteil zu erlangen gehofft und dann ja auch erhalten. Indem die Beschwerdeführer die Zuständigkeit des RKG.s betonten8 , warfen sie dem Reichsregiment Anmaßung einer ordnungswidrigen Jurisdiktion vor und begründeten "prozessualrechtlich" ihre Supplikation9 ; keine Rolle spielte dabei die materielle Seite des Rechtsstreites. Beschwerden gegen das Reichsregiment - so ergibt sich sachlogisch aus der Regimentsordnung und ihrer Entstehungsgeschichte10 - waren an Kaiser und .Reichsstände zu richten, die es eingesetzt hatten. Da der Kaiser nicht im Reich war, trugen die drei Fürsten ihre Beschwerde den Ständen vor, die die Sache aber auf dem zweiten Nürnberger Reichstag nicht mehr behandelten, sondern auf den dritten verschobenl l . Zu diesem Schritt sahen sie sich insbesondere genötigt, da das Regiment die Nichtigkeit des Urteils gegen Rutten nicht bejahte12 • Um der Gerechtigkeit willen sollte sich der Reichstag der Angelegenheit annehmen und auf einem besonderen Tag nach Einsicht in die Akten das Urteil des Reichsregiments bestätigen oder kassieren13 • Die beiden Kurfürsten und der Landgraf sahen hier also im Reichstag ein letztinstanzliches Berufungsgericht, denn sie erwarteten in ih8 RTA jg. Rh. 4, Nr. 121, S. 527. Diese Zuständigkeit des RKG.s bejahten 1545 in Worms auch die "Jtzt alhie versamiete Prelaten, Graven, Freyherrn, Ritterschaft und der abwesenden Bottschafften", indem sie Kurfürsten, Fürsten und Stände baten: "So ist unser underthenig bedencken hiemit dienstlich bitten, E. Chur. und f. g. wollen uß oberzelten ursachen, berurte ordenung vor den Neun Rethen, keyserlichen Commissarien oder wilkorlichen Richtern in erster Instanz Rechtens zu pflegen, als in vieH weg beschwerlich und nachteylig verandern, und alle und jede sachen, so prelaten, grafen, freyhern und Ritterschaft zue Churfursten, fursten und furstmessigen itzo oder kunfftig haben und bekommen mochten, vor daß keyserlich Camer, hochst und gemein gericht in der ersten Instanz komen und daselbst die sachen zuerorttern und zu gepurlicher Exekution endtlich volnfuren lassen" (MEA RTA 11, H, fol. 495 v , 496 r). 9 RTA jg. Rh. 4, Nr. 121, S. 528 f. 10 Zum zweiten Reichsregiment siehe: Adolph Grabner, Zur Geschichte des zweiten Nürnberger Reichsregiments 1521 - 1523, Berlin 1903; Heinz Angermeier, Die Reichsregimenter und ihre Staatsidee, HZ 211, 1970, S. 265 - 315; Johannes Kunisch, Das Nürnberger Reichsregiment und die Türkengefahr, Historisches Jahrbuch 1973, S. 57 -72; Hartung, Verfassungsgeschichte, S. 21 23; Oestreich, Verfassungsgeschichte, S. 369. 11 RTA jg. Rh. 4, Nr. 121, S. 527. 12 RTA jg. Rh. 4, Nr. 121, S. 529. 13 RTA jg. Rh. 4, Nr. 121, S. 529.
4.2.1. Supplikationsausschuß und Gerichtswesen
225
rer Beschwerde nicht, daß der Reichstag den Prozeß zwischen ihnen und Hutten zur Neuaufnahme an das an sich zuständige RKG verwies, sondern sie wollten, daß der Reichstag selber tätig wurde und waren für den Fall, daß er das Reichsregiment in seiner Entscheidung bestätigte, bereit, den dann des Landfriedensbruches nicht schuldigen Hutten zu restituieren und ihm seine Besitzungen zurückzugeben14. Beide angeführten Beispiele zeigen, wie wenig anerkannt das höchste Gericht im Reiche nicht nur bei den höheren und mächtigeren Reichsständen, sondern auch bei Einzelpersonen war, die sich seiner Jurisdiktion nicht unterwerfen wollten, wenn ein Urteil gegen sie zu erwarten war. Auf dem Wege der Supplikation an den Reichstag suchten sie den ordentlichen Rechtsweg zu unterlaufen. Wie sehr die Supplikation als außerordentliches Rechtsmittel eingesetzt wurde, wird besonders deutlich am Beispiel einer Beschwerde, die der Straßburger Rat am 17.5. 1541 an seine Reichstagsgesandten in Regensburg abgeschickt hatte15. Für den Rat der Stadt Straßburg war eine Streitsache mit dem Urteil des RKG.s noch keineswegs erledigt, er wünschte vielmehr, daß sich Kaiser und Reichsstände mit dem zum Gegenstand einer Supplikation gemachten Streit um eine Landfriedensverletzung 16 zwischen der Stadt Straßburg und dem Grafen Philipp von Hanau beschäftigten oder daß der Reichstag eine Kommission unparteiischer Juristen einsetzte. Dabei ging es der verurteilten Beklagten um die Klärung der ihrer Meinung nach alle Stände interessierenden Frage nach dem Ermessensspielraum des RKG.s17, wobei sie vor allem in Kenntnis des politischen Hintergrunds dieses Urteils so hartnäckig war1S. Die Straßburger wollten erst das Urteil der einzusetzenden Untersuchungskommission oder die endgültige Entscheidung des Reichstages anerkennen 19. Während des Regensburger Reichstages von 1541 beschäftigte sich der spät eingesetzte Supplikationsausschuß am 14.7. 1541 mit dieser Angelegenheit. "Gemäß der Geschäftsordnung" des Reichstages sollte er die Supplikation mit seinem Bedenken später den Reichsständen zur Entscheidung vorlegen 20 • War das RKG im Zeitalter der persönlichen Rechtssprechung der Herrscher also keineswegs unumstritten, so verschlechterte sich seine Stellung noch weiter, als es in den Sog der konfessionellen StreitigRTA jg. Rh. 4, Nr. 121, S. 529. Str. Korr. HI, Nr. 193, S. 184. 18 Der Sachverhalt findet sich Str. Korr. H, S. 461, Anm. 2; das Urteil gegen Straßburg wird Str. Korr. H, Nr. 485, S. 461, mitgeteilt. 17 Str. Korr. H, Nr. 485, S. 462; Nr. 610, S. 604. 18 Str. Korr. H, Nr. 485, S. 462; Nr. 495, S. 474. 19 Str. Korr. IH, Nr. 193, S. 184. 20 Str. Korr. IH, Nr. 201, S. 198. 14
15
15 Neuhaus
226
4.2. Zur Arbeit des Supplikationsausschusses
keiten geriet und zur kaiserlich-katholischen Hauptwaffe juristischer Auseinandersetzungen wurde, die einem "Rechtskrieg" gleichkamen. Schon 1532 mußte der Kaiser den Protestanten im Nürnberger Religionsfrieden vom 23.7. - wollte er sie für den Abwehrkampf gegen die Türken gewinnen - Zugeständnisse in Glaubensfragen machen und in die Suspension aller Reichskammergerichtsprozesse gegen Evangelische einwilligen21 • Dies wurde bei der Restitution Herzog Ulrichs von Württemberg im Frieden von Kaaden (29. 6. 1534) ausdrücklich bestätigt22 und dann noch einmal im Frankfurter Anstand vom 10. 4. 1539, als der Nürnberger Religionsfriede auf alle Verwandten der Augsburger Konfession ausgedehnt wurde 2s • Dennoch kam es zu Prozeßentscheidungen, denn 1541 beschwerten sich die Protestanten über das RKG, das sie in seinen Urteilen benachteiligte, und kündigten auf dem Reichstag an, bei den Beratungen über den Unterhalt des Gerichtes eine Zusammenstellung ihrer Beschwerden einzureichen24 • Eine Supplikation Herzog Ulrichs von Württemberg vom 30. 5. 1541 an den Kaiser richtete sich gegen die Nichtanerkennung eines württembergischen Anwalts durch das RKG, weil dieser nicht bei den Heiligen habe schwören wollen. In der Zurückweisung seines Rechtsvertreters aus diesem Grund sah der Herzog eine Benachteiligung der Protestanten26 • Umgekehrt beschwerten sich ab 1541 aber auch die Katholiken bei Kaiser und Reichsständen über das RKG. So fühlte sich der JohanniterOrden gegen die protestantischen übergriffe von Straßburg und Bern nicht ausreichend geschützt26, worauf der Supplikationsausschuß vorschlug, die Reichsstände sollten den Kaiser bitten, dem Orden auch weiterhin Schutz und Schirm zu gewähren27 • Schließlich führten 1541 auch die Beisitzer des RKG.s in einer Supplikation an den Kaiser Klage darüber, daß das Gericht und seine Beamten mit allerhand Schmach und Beschimpfungen bedacht und insbesondere von Protestanten angegriffen werde 28 • Der Supplikationsausschuß - mit dieser Klage beschäftigt - konnte nur allgemein auf das Bemü21 O. Winckelmann, Der Schmalkaldische Bund 1530 - 32 und der Nürnberger Religionsfrieden, Berlin 1892; Adolf Engelhardt, Der Nürnberger Religionsfriede von 1532, Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg 31, 1933, S. 17 - 123. 22 Walther Peter Fuchs, Das Zeitalter der Reformation, in: Gebhardt, Handbuch der deutschen Geschichte, 9., neu bearbeitete Auflage, hg. v. Herbert Grundmann, Bd. 2, Stuttgart 1970, S. 99. 13 P. Fuchtel, Der Frankfurter Anstand 1539, ARG 28, 1931, S. 145 - 206. 24 So die Straßburger Gesandten am 16.5. 1541 in einem Brief an ihren Rat: Str. Korr. III, Nr. 192, S. 183 f. 25 Str. Korr. III, Nr. 194, S. 186 f. 28 RK RTA 7, VIII, 15, fol. Ir. 27 RK RTA 7, VIII, 15, fol. 2'. 18 RK RTA 7, VIII, 16, fol. 3r ff.
4.2.1. Supplikationsausschuß und Gerichtswesen
227
hen von Kaiser und Reichsständen hinweisen, dem RKG zu seinem "stracken" Verlauf verhelfen zu wollen und dazu beizutragen, Schmach und Schimpf abzuschaffen; im übrigen sollten die Supplikanten von Kaiser und Reichsständen "uff ir begern gnedig antwort vernemen"29. Die Beschwerden der Protestanten gegen das RKG zielten natürlich in erster Linie auf seine personelle Zusammensetzung; wo nur Katholiken richteten, konnte kein Protestant ein für ihn günstiges Urteil erwarten - so läßt sich ihre Argumentation zusammenfassen. Zugleich erhoben sie damit aber auch den viel weiter gehenden, grundsätzlichen Vorwurf, daß das RKG den Glauben über das Recht stellte. In dieser Situation gewann der Reichstag als Appellationsinstanz, der im Verständnis der Zeitgenossen seine ursprüngliche Gerichtsfunktion noch nicht verloren hatte, an Bedeutung. Wie im Fall der Harzgrafen von 1547/48 verhielt sich der Supplikationsausschuß während der mehr als vierjährigen Suspension des RKG.s zunächst bei den meisten der ihm zugeleiteten Streitigkeiten. Zu dieser Situation war es infolge der konfessionspolitischen Auseinandersetzungen im Juni 1544 gekommen, in der sich Katholiken und Protestanten über eine Neubesetzung des RKG nicht hatten einigen können 30. Die Gerichtstätigkeit wurde weitgehend eingeschränkt, nur ein Notdienst am höchsten Reichsgericht wurde beibehalten31 • Der Kaiser traf auf dem Regensburger Reichstag von 1546 Vorsorge für "allerley unerörterte rechtliche Sachen, welche ohn sonder Nachtheil, ein solche Zeit und so lang nicht wol ferner verschoben, und erledigt gelassen" werden konnten, indem er persönlich bereit war, "zu Beförderung der Gerechtigkeit auf anruffen der Recht begehrenden Partheyen, in solchen Sachen, auch mitlerweil solche Verordnung und Fürsehung zu thun, wie bey unseren Vorfahren am Reich, Röm. Kaysern und Königen gebräuchlich gewesen, und herkommen ist"32 (Hervorhebung vom Vf.). Aber diese Gerichtsbarkeit an seinem Hof gewann nur für kurze Zeit an Bedeutung und spielte ansonsten in der ersten Hälfte des 16. Jh.s keine große Rolle 33• In diesen vier Jahren, in denen es kein RKG gab, ist vielmehr ein Anwachsen der Supplikationen in Rechtsangelegenheiten an den ReichsRK RTA 7, VIII, 16, fol. IO r• Rudolt Smend, Das Reichskammergericht, Geschichte und Weimar 1911 (NDr. Aalen 1965), S. 171. 31 RA II, 1545, § 13, S. 520; RA II, 1546, § 8, S. 526. 3Z RA II, 1546, § 9, S. 526. 38 Smend, Reichskammergericht, S. 172, der in den Formen zu
30
Verfassung,
dieser Gerichtsbarkeit "eine Mittelstufe zwischen dem kammergerichtlichen und dem späteren ausgebildeten Hofratsprozeß" sieht. 115"
228
4.2. Zur Arbeit des Supplikationsausschusses
tag zu beobachten. Der Reichstag delegierte diese Supplikationen wie üblich an den Supplikationsausschuß, der sich freilich nicht als eine Art Ersatz-Kammergericht mißverstand, sondern in der überwiegenden Zahl seiner Entscheidungsvorschläge wie auf den früheren Reichstagen auf den ordentlichen Rechtsweg verwies. Das geschah - wie der Fall der Katharina Jegerin vom Wormser Reichstag von 1545 zeigt - immer dann, wenn der Rechtsstreit bereits am RKG anhängig, aber noch unentschieden war; die Supplikantin wurde an das "kunfftig key. Camergericht" gewiesen, und dem stimmten die Reichsstände am 13. 5. 1545 ZU34 . Ebenso verfuhr der Supplikationsausschuß im Fall des Caspar Mair aus Ziegenheim am 18.7.1545 und kam zu dem Ergebnis, "das diser Supplicant seines supplicierens keinen fug hat"35. Caspar Mair hatte sich darüber beschwert38, daß ihm von den Amtsleuten Herzog Ottheinrichs und von der Stadt Donauwörth "uber sein rechtmessig erbieten unbilliche gefengknus auch allerley beschwerden [... ] zugefugt, er auch von seinen gutem, Weib und Khindern nun mehr viel Jar getrungen und an keinem ort rechtens bekhomen möge", und bat die Reichsstände, ihm "zu geburlicher Restitution und recht" zu verhelfen37 • Dazu aber war der Supplikationsausschuß nicht mehr in der Lage, da nach einem schriftlichen Bericht des RKG.s der Supplikant Mair seine Angelegenheit bereits vor dem Gericht anhängig gemacht hatte und ein Urteil ergangen warB. Hinsichtlich seiner Bitte um Restitution wurde er vom Supplikationsausschuß beschieden, er möge "an geburlichem Orte und wie sich geburt ordenlich ansuchen, alldo wurdt ime alle billicheit gedeyen"39, d. h. er wurde auf den Rechtsweg gewiesen. Die Witwe Margretha Mercklerin vertröstete der Supplikationsausschuß in ihrem Streit mit dem Ritter Hans Jacob von Landau, der sie unbilligerweise von ihren Gütern vertrieben und ihrem Sohn Hans zwei Finger abgeschlagen hatte, auf die Rechtssprechung des RKG.s, das noch während des gegenwärtigen Reichstages wiederbesetzt werden sollte40 ; das geschah im Mai 1545, denn ebenfalls unter dem 13.5. 1545 ist das zustimmende Bedenken der Reichsstände in der Mainzer Kanzlei festgehalten 41 • Im Juli 1545 aber entschied sich, daß das RKG MEA RTA 11, II, fol. 150 r , 15IT. MEA RTA 11, II, fol. 442 v. 38 Supplikation: MEA RTA 11, II, fol. 414 r ff. 37 MEA RTA 11, II, fol. 442 r. 38 MEA RTA 11, II, fol. 442r, v. 39 MEA RTA 11, II, fol. 442v . 40 MEA RTA 11, II, fol. 219r, v. 41 MEA RTA 11, II, fol. 217 V , 218 r ; schon auf dem Speyrer Reichstag von 1544 war der Supplikantin vom Supplikationsausschuß geraten worden, sich vom RKG nicht abweisen zu lassen, sondern dort gemäß der Prozeßordnung ihr Recht zu suchen: MEA RTA 9, fol. 575 v • 34
35
4.2.1. Supplikationsausschuß und Gerichtswesen
229
auf diesem Reichstag nicht wieder besetzt würde, und so beschied der Supplikationsausschuß den Supplikanten Peter Nannen aus Dithmarschen - um ein weiteres Beispiel zu nennen -, daß es besser sei, sein Fall würde vor dem RKG verhandelt. Peter N annen war vom Erzbischof von Bremen gefangengenommen worden, seinen Sohn hatte man ermordet und auch sonst war ihm großer Schaden zugefügt worden, weshalb er den Reichstag um eine Kommission zur Verhandlung seiner Klage gebeten hatte 42 • Seiner Entscheidung fügte der Supplikationsausschuß hinzu, daß das RKG seine Arbeit so bald nicht wieder aufnehmen würde und deshalb der Kaiser noch auf diesem Reichstag eine unparteiische Kommission einsetzen sollte, damit der Supplikant nicht zu lange auf sein Urteil warten müßte 43 • Diesem Vorschlag widersprachen die Reichsstände am 4.7.1545 mit dem Hinweis, daß der ordentliche Rechtsweg eingehalten werden sollte 44 • Einer gleichlautenden Empfehlung des Supplikationsausschusses in einem anderen Fall hatten die Reichsstände am 18. 6. 1545 allerdings zugestimmt. Dabei handelte es sich um die Supplikation des ostfriesischen Gesandten Eido von Kniphausen (siehe Beilage Nr. 5), der für eine Witwe und ihre Kinder gegen den Erzbischof von Bremen supplizierte, der "vermög einer vermeinten erclerten Acht" gegen die Rechtsordnung verstoßen haben sollte. Der Supplikationsausschuß hatte in diesem Fall festgestellt, daß "dise sach allerlei beweisung von beiden Theiln erfordert" und daß sie von den Reichsständen "allhie mit recht fueglich nit entschaiden werden mag", und er hatte daraufhin den ordentlichen Rechtsweg oder eine unparteiische Kommission zur Urteilsfindung als Lösung angeboten45 • Wie sich der Supplikationsausschuß nicht in schwebende Verfahren einmischte, so gab er in Antworten auf Bitten und Beschwerden auch keine Stellungnahmen zu ergangenen Urteilen des RKG.s oder anderer Gerichte ab. Als sich 1545 der Bürger Wolf Gebhardt aus München über die Exekution eines Urteils des Bayerischen Hofgerichtes beschwerte, wies ihn der Supplikationsausschuß mit dem Hinweis ab, "wiederumb in Beyerlandt do ime dan nicht abgeschlagen oder einerley Recht geweigert, das Recht doselbst zunemen", und war allenfalls bereit, "zu furderung seines erlangten Rechtens execution" ihm eine 42 Diese bestand aus dem Bischof von Münster und dem Herzog Ernst von Braunschweig. 43 MEA RTA 11, II, fol. 225'. 44 MEA RTA 11, II, fol. 226 v • 45 MEA RTA 11, II, fol. 288'. Zum Streitgegenstand vgl. Heinrich Reimers, Ostfriesland bis zum Aussterben seines Fürstenhauses, WIesbaden 21968, S. 154; ausführlicher: Tileman Dothias Wiarda, Ostfriesische Geschichte, Bd. 2, Aurich 1792, S. 370 ff., Bd. 3, Aurich 1793, S. 1 ff.
230
4.2. Zur Arbeit des Supplikationsausschusses
schriftliche Fürbitte seitens der Reichsstände mitzugeben46 • Die Reichsstände insgesamt ließen sich am 2. 5. 1545 gefallen, daß mit dem Suppli kanten "in der güte" gehandelt wird, damit er von seiner Bitte abgeht und dem gesprochenen Urteil nachkommt47 • Dazu findet sich erstmals bei einer Supplikation eine Stellungnahme der Reichsstädte, die von anderer Hand geschrieben wurde: "Der Stet gesanten botschafften lassen inen obgesetzte meinung auch nit mißfallen48 ." Ein Beispiel dafür, daß mit Supplikationen und Gegensupplikationen ein privatrechtlicher Streit vor dem Supplikationsausschuß ausgetragen werden konnte, bietet der Fall des Dr. med. Balthasar Eyßlinger gegen Ritter Conrad von Bemelberg. Eyßlinger, der im "jüngsten Türkenzug" der Leibarzt Bemelbergs gewesen war, beschwerte sich auf dem Wormser Reichstag von 1545 bei Kurfürsten, Fürsten und Ständen darüber, daß ihm der Ritter für seine Dienste noch vierzig Gulden "Rüstgellt" und vier Monate Besoldung schuldig sei, und bat die Reichsstände, sie möchten auf den Schuldner einwirken, die Außenstände zu bezahlen4D • Dagegen legte Bemelberg am 19.7.1545 einen Bericht vor, in dem er die Forderungen Eyßlingers zurückwies, da der Arzt seine Zusagen im Türkenkrieg nicht eingehalten und er sich einen anderen Arzt hätte nehmen müssen50. Auf diese Gegendarstellung antwortete Dr. Eyßlinger mit einem Gegenbericht5t, den Bemelberg ebenfalls beantwortete52 . Daraufhin beschloß der Supplikationsausschuß 1545, der Supplikant solle gegen Conrad von Bemelberg "vor Ro. Key. May. oder irer May. ordenlichem gericht mit recht furnemen, oder aber dise sach den Obersten (wie dann er der Supplicant und her Conradt zu beiden theilen furgeschlagen) gütlich oder rechtlich erörtern lassen"53. Aber auf dem Augsburger Reichstag von 1547/48 ging es dann erst noch in eine weitere Runde des Rechtsstreites vor dem Supplikationsausschuß, denn Dr. Eyßlinger bat in seiner Triplik die Reichsstände erneut, sie möchten ihm dabei helfen, von Conrad von Bemelberg die Auszahlung seines verdienten Honorars zu erwirken, "oder darin einen rechtlichen spruch thun, im fall aber solichs nit gescheen mocht, alsdann diese sach an das kunfftig kay. Chamergericht zuweisen, dann ihm beschwerlich sein woll, vor der kay.Mat. oder dem Churfursten von Brandenburg gegen den von Bemelberg seinem erpieten nach das 48 47
48 40
50 51 52 53
MEA RTA 11, II, fol. 475 r• MEA RTA 11, II, fol. 47S r, 479 r. MEA RTA 11, II, fol. 47S r. MEA RTA 11, II, fol. 444r ff.; 466r. MEA RTA 11, II, fol. 449 r ff., 466 r. MEA RTA 11, II, fol. 452r ff. MEA RTA 11, II, fol. 457 r ff. MEA RTA 11, II, fol. 466r, v.
4.2.1. Supplikationsausschuß und Gerichtswesen
231
recht zu suchen"64. Der Supplikationsausschuß und dann die Gesamtheit der Reichsstände lehnten es aber ab, "einen rechtlichen spruch [zu] thun", und verwiesen den Supplikanten in ihrer Entscheidung auf den Beschluß von 1545: entweder gütliche Einigung vor dem Kaiser oder dem Kurfürsten von Brandenburg als oberstem Feldhauptmann des Klägers und des Beklagten oder rechtlicher Austrag vor dem "ordentlichen Richter"66. In diesem Beschluß wurde die vom Supplikanten aufgezeigte Möglichkeit, durch "einen rechtlichen spruch" zu einer Entscheidung zu kommen, nicht berücksichtigt, woraus man schließen kann, daß sich der Reichstag nicht berechtigt sah, in dieser Angelegenheit ein rechtskräftiges Urteil zu sprechen. Das trifft auch für eine Supplikation des Lucas Raißeck zu, der Bürger Posens in Polen war und "zu Poßen vor dem Radt unnd konig oder seinen Commissarien In erster und zwayter Instanz gegen Hansen J 0han Platnern, Burgern zu Nurmberg, vonn wegen eins arrest, so gedachter Hans Johan auf sein lannßen guter zu Leipzigk unpillicher weiß gelegt, ein endturtail auf zehen tausent hungerisch gulden und volgents exemtoriall von hochgedachtem konig In Polen erhalten und erlangt habe"56. Als er erfahren hatte, daß Platner "ein arrest unnd kumer bey dem kayn Camergericht auf alle und Jede guter und schuldenn, so ehr, Lucas, Im heiligen Reich allenthalben habe, aussbracht unnd gelegt habe"67, sei er vor das RKG gegangen; aber "Camer Richter und beisitzer [heten] seines grundts unangesehn ein vormaint urtail gesprochen", wonach er sein Recht "nyrgent anders dan vor desselben Hansen Johan ordentlichen richtern" bekommen könnte 68 . Durch dieses Urteil "wider recht unnd pilligkait gesprochen", fühlte sich der Supplikant "höchlich beschwert" und bat Kaiser, Kurfürsten, Fürsten und Stände, "das Ime bey dem camergericht ergezlichkeit geschehe, das auch Burgermaister und Rat zu Nurmberg ernstlich bevolhenn wurde, das sie auf sein ansuchen der erlangten urtail zu Poßen gegen Iren burger Hans Platner volziehung thun wolten"59. Der Ausschuß für die Bearbeitung der Supplikationen und eigens für diesen Fall verordnete kaiserliche Räte sollten dem Supplikanten Lucas Raißeck erklären, daß nach der Reichsordnung dem RKG "sein MEA RTA 16, J, fol. 150r. MEA RTA 16, J, fol. 150r, v. 58 Förstemann, Bd. H, Nr. 244, S. 695; zum Ausdruck "lannßen guter" s. ebd., Anm. 3. 57 Förstemann, Bd. H, Nr. 244, S. 695 f. 58 Förstemann, Bd. H, Nr. 244, S. 696. 59 Förstemann, Bd. H, Nr. 244, S. 696. 54 55
4.2. Zur Arbeit des Supplikationsausschusses
232
stracker lauff gelassen werden soll" und man ihm deshalb gegen das Urteil des RKG.s nicht helfen könne: "Wo ehr aber vorrnaint, das wider recht gesprochen, soll er den wege des rechtens, nemlich das sundicirn furnehmen und brauchen. Unnd wold er alsdann zu der execution seiner erhalten urtail an orten und enden, da solchs geburt und ehr von rechts wegen auch thun muß, vorschreiten und handeln, Das soll lme gestatet unnd zugelassen werden 60 ." Für den Fall, daß "der supplicant diesen gutigen wege nicht annehmen, das alsdan der ganz handel widerumb den kayn rethen und ausschus bevolhen wurde, wollen sie alsdan, was weiter von rechts wegen dorIn zuthun, ir gutbeduncken ferner anzaigen"61. Bei all den Supplikationen, denen ein Rechtsstreit zugrunde lag, der eigentlich vor ein ordentliches Gericht gehörte, vermied es der Supplikationsausschuß, eine Entscheidung im Sinne eines Urteils zu treffen. Das zeigt sich besonders deutlich an einem Bericht des "Ausschus zu der Supplication verordent". Es heißt dort, "das die Keiserliche Maiestat durch die Churfursten, Fursten und Stend underthenigst ersucht werdt, mittel und weg gnedigst furzunemen, damit der sachen inn der gut abgeholffen, und die supplicanten uff sovill ir vilfeltig underthenig ansuchen letzIich clagloß gemacht werden mogen. Wo aber (wie doch nit zuverhoffen) die guedt entstendt das alsdan die key. Mt. diser sachen an dem keyserlichen Camergericht gepurende gn. antwort und volnstrekkung erlangen zu lassen, genedigst gestatten und gemeltern Camergericht seinen stracken lauff lassen woll"62. Der Supplikationsausschuß strebte also entweder eine gütliche Einigung der streitenden Parteien an 63 oder, wenn diese nicht möglich war, eine rechtliche Entscheidung; letztere kam einer (Rück-)Verweisung des Supplikanten auf den Rechtsweg gleich64 . Da das RKG von 1544 an nicht tätig war, favorisierte der Supplikationsausschuß in dieser Zeit ein von bei den Seiten akzeptiertes und vom Kaiser auf Bitten der Reichsstände einzusetzendes unparteiisches Gremium 65 , das so schnell Bd. H, Nr. 244, S. 696 f. Bd. H, Nr. 244, S. 697. 62 MEA RTA 9, fol. 573r, v. 63 MEA RTA 9, fol. 580 v, 581 r. 64 MEA RTA 9, fol. 574 r, v; so auch 1530 in zwei Streitfällen, zu denen der Supplikationsausschuß "vor gut ahn[sihet], nachdem die sache am kay. Camergericht angefangen, das der supplicant, derhalben zu entlicher erörterung widerumb daran gewiesen und mit geburlichem glait vorsichert wurdt", oder zu denen er bedachte, "dieweil die handlung durch angeregte appellation an das camergericht komen, das der supplicant widerumb dohin zuweisen sey". (Förstemann, Bd. H, Nr. 244, S. 702.) 65 So auch in den erwähnten Fällen des Peter Nannen (MEA RTA 11, H, fol. 225 r) und des ostfriesischen Gesandten Eido von Kniphausen (MEA RTA 11, H, fol. 288 r). 60 61
Förstemann, Förstemann,
4.2.1. Supplikationsausschuß und Gerichtswesen
233
wie möglich arbeiten sollte66 • Indem er in seinen Entscheidungen sehr oft den Mittelweg zwischen gütlicher Einigung und rechtlichem Austrag beschritt, unterstrich der Supplikationsausschuß zugleich, daß er sich nicht als eine Institution des ordentlichen Rechtsweges verstand. Das wird deutlich im Fall der Klage des Wolfgang Schlegel gegen die Stadt Dortmund, von der dieser glaubte, noch vier Monate aus dem Türkenfeldzug von 1542 bezahlt bekommen zu müssen; dazu wurde festgestellt: "Bedenckht der Supp[licati]on Rhat, das sye billich darbey zulassen, und dis er stritt rechtlich zuerortern sey. So vher aber des heiligen Reichs stende, dem Schlegell mehr gnaden oder hilff beweisen wolten, mochten ime an die von Dorpmundt Furschrifft und Pronotorialn, darinn begert, das sie dise sachen umb mehrer furderung willen, vor unpartheyischen und beiden theilen annemblichen Comissarienn entscheiden liessen, von des heiligen Reichs stende gegeben und zugestellt werden67 ." Besonders interessant ist dabei, wie der Supplikationsausschuß die Kommission einschätzte, wenn er von "mehr gnaden oder hilff" für den Supplikanten sprach. Dieselbe Charakterisierung fand sich auch in dem Fall, den der ostfriesische Gesandte Eido von Kniphausen vertrat: "wo man jed jungen herrschafft mehrer gnad und fürderung beweisen wolt"68. Diesen Beurteilungen schlossen sich Kurfürsten, Fürsten und Stände in ihren Gutachten nicht an, die sie ansonsten fast wörtlich von dem Supplikationsausschuß übernahmen 69 ; sie hegten allerdings auch die Hoffnungen, daß es vor den Kommissionen gelingen möchte, den Streit gütlich beizulegen; erst wenn dieser Erfolg ausbliebe, sollte die Sache ans RKG gehen, sobald es wieder eingerichtet war70. Zusammenfassend ist festzustellen, daß sich der Reichstag in der Mitte des 16. Jh.s nicht mehr als ein Gericht verstand und es selbst während der Suspension des obersten Reichsgerichtes ablehnte, seine Funktion zu übernehmen. Er verstand sich vielmehr - und in diesem neuen Selbstverständnis war er vorbereitet und beeinflußt durch den kleinen Kreis der im interkurial besetzten Supplikationsausschuß versammelten reichsständischen Räte, die die Supplikationen vorberieten - als ein verfassungshütendes Organ, das alle Rechtsangelegenheiten dem dafür zuständigen Gericht zuwies, allenfalls Ausnahmeregelungen ins Auge faßte, die aber nicht den Reichstag tangierten. Indem der 66 67
88 69 70
MEA RTA 11, 11, fol. MEA RTA 11, 11, fol. MEA RTA 11, 11, fol. MEA RTA 11, 11, fol. MEA RTA 11, 11, fol.
225r , 314r • 314r • 288 r. 314r, 289r, v. 314 r.
4.2. Zur Arbeit des Supplikationsausschusses
234
Supplikationsausschuß unter Berufung auf andere Zuständigkeiten auf eine Sachentscheidung verzichtete, verzögerte er sie nicht nur, sondern verhinderte sie angesichts der Situation im jurisdiktionellen Bereich in der Mitte der 40er Jahre des 16. Jh.s. Er handelte damit aber nicht anders als der Kaiser, der die an ihn gerichteten Supplikationen an dieses ständeparlamentarische Gremium weitergab. Damit aber war die Bitt- und Beschwerdemöglichkeit des Einzelnen, die wir als konstitutiv für den Staat bezeichnet haben, in ihrem Wert relativiert, denn mit der Nichtbeantwortung einer Supplikation war für den Supplikanten oft die letzte Möglichkeit verloren, seiner Angelegenheit eine positive Wendung zu geben. 4.2.2. Supplikationsausschuß und Landfrieden Mit den Supplikationen, die eine Rechtsentscheidung durch den Reichstag anstrebten, hängen die Bitten und Beschwerden eng zusammen, die sich auf Landfriedensangelegenheiten bezogen. Das wird deutlich am Beispiel der 1530 vorgebrachten Bitte des erwählten Bischofs von Minden an die Reichsstände, ihm bei der Wiedererlangung des bischöflichen Schlosses Petershagen zu helfen, das ihm Herzog Heinrich von Braunschweig vorenthielt. Der Supplikant war aber gleichzeitig auch bereit, die Sache rechtlich klären zu lassen, falls der Herzog einen Anspruch auf das Schloß zu haben glaubte. Der Supplikationsausschuß entschied, die Angelegenheit dem Kaiser mit der Fürbitte der Reichsstände im Sinne des Supplikanten zu übergeben 71 , nachdem der Beklagte am 21. 8. 1530 vom Supplikationsausschuß um eine Stellungnahme zu dem Vorwurf des Bischofs gebeten worden war72• 1532 in Regensburg trug der Mindener seine Supplikation erneut vor73, da in Augsburg keine rechtswirksame Entscheidung ergangen war. Allein die Tatsache, daß in den Propositionen zu den Reichstagen von 1521 bis 1555 immer wieder der Beratungsgegenstand "Landfrieden" erschien, unterstreicht die Bedeutung dieser Angelegenheit für das gesamte Reich. Allen Reichsständen war an der Einhaltung des Landfriedens gelegen, aber sie war nicht zu erreichen, solange das Reich nur Ordnungen erließ, ohne zugleich für ihre Durchsetzbarkeit zu sorgen. Das Leben im Reich wurde nicht schon durch die feierliche Verkündung des Landfriedens und entsprechender Gesetze und Ordnungen sicherer, sondern es mußten vor allem die Voraussetzungen für ihre Praktikabilität geschaffen werden. 71 72 73
Bd. II, Nr. 193, S. 445. Bd. II, Nr. 160, S. 284. MEA RTA 6b, fol. 361 r . Förstemann, Förstemann,
4.2.2. Supplikationsausschuß und Landfrieden
235
Eine Fülle von Supplikationen einzelner Personen und von Personengruppen sind der Beweis dafür, wie unsicher das Leben auf den Straßen des Reiches und in vielen Regionen des Landes war. Im Frühjahr des Jahres 1521 wurden bei Cronberg im Taunus Kaufleute, die auf dem Wege zur Messe nach Frankfurt/Main waren, von Straßenräubern überfallen und ausgeraubt74 • In ihrer Supplikation baten sie den Kaiser nicht nur um Hilfe gegen die Straßenräuberei, sondern zeichneten unter Hinweis auf weitere Ereignisse dieser Art in der vergangenen Zeit ein sehr anschauliches Bild von den Zuständen im Reich und den Gefahren, denen sich der vom Kaiser traditionell immer besonders geschützte Kaufmannsstand ausgesetzt sah. Die Verletzung des Landfriedens implizierte eine allgemeine Unsicherheit zu Lande und zu Wasser, eine Gefährdung von Leib und Leben, Hab und Gut. Sie traf mit den Kaufleuten zugleich die aufstrebenden Wirtschaftszentren im Reich, die Freien und Reichsstädte. Diese nahmen sich unter der Führung und auf Betreiben Augsburgs, Nürnbergs und Ulms dieser Supplikation denn auch besonders an und suchten die Unterstützung weiterer Städte75, um eine gemeinsame Supplikation der Reichsstädte an Kaiser und Reich gegen Philipp von Rüdigheim, den Führer des Cronberger überfalls, zustande zu bringen76 • In dieser Supplikation wurden zugleich die Spannungen zwischen den Reichsstädten und der Reichsritterschaft angesprochen, denn Rüdigheim war nicht nur der gefürchtetste Wegelagerer seiner Zeit, sondern auch ein treuer Anhänger Sickingens77• Alle diese Ereignisse gingen den Kaiser direkt etwas an, und deshalb verlangte man von ihm auch die Bestrafung der Landfriedensbrecher und die Sicherung von Frieden, Recht und Ordnung im Reich. Er verurteilte diese Gewalttaten, brachte seine Bereitwilligkeit zur Hilfe zum Ausdruck und kündigte die Bestrafung der Täter an. Im übrigen verwies er die Angelegenheit der überfallenen Kaufleute an Kurfürsten, Fürsten und Stände zur weiteren Beratung, was die Frankfurter Städteboten vermuten ließ, die ganze Sache würde vergessen werden 78 • Für diese Vermutung sprach, daß der Augsburger Städtebote Peutinger am 30. 4. 1521 an den Rat seiner Stadt schrieb, der Landgraf von Hes74 75
RTA jg. Rh. 2, Nr. 110, S. 760 ff. RTA jg. Rh. 2, Nr. 176, S. 836. Brief Bocks und Duntzenheims vom
78 1. 4.1521 an Straßburg: Str. Korr. I, Nr. 76, S. 40. 77 Philipp von Rüdigheim wird in den Akten der Reichstage dieser Zeit häufiger genannt, und zwar immer im Zusammenhang mit Landfriedensbrüchen, die eindeutig auf Gemeinsamkeiten mit Franz von Sickingen hindeuten. 78 Brief Fürstenbergs und Holzhausens vom 24.4.1521 an Frankfurt: RTA jg. Rh. 2, Nr. 200, S. 873.
236
4.2. Zur Arbeit des Supplikationsausschusses
sen sollte zwei an dem Überfall bei Cronberg beteiligten Wegelagerern Schutz gewährt haben 79 • Damit aber wurde dieser Landfriedensbruch zu einer Reichsangelegenheit von noch größerer Tragweite, denn in der Landgrafschaft Hessen sollten noch andere Landfriedensbrecher Unterschlupf gefunden haben, oder es sollten dort Leute widerrechtlich gefangengehalten werden wie z. B. der Sohn des Grafen VOn Solmsso • Und so ist wohl vor diesem Hintergrund das Gutachten der Stände an den Kaiser zu verstehen, das Ratschläge für ein Vorgehen nicht gegen diese konkrete Landfriedensverletzung enthielt, sondern auf eine generelle Lösung des Problems drängte s1 . Es lief aber darauf hinaus, daß die Supplikation zur weiteren Behandlung an das neu eingerichtete Reichsregiment gegeben werden sollte, womit sie der Vergessenheit ausgeliefert war. Ein zentrales Thema des zweiten Nürnberger Reichstages von 1522/23 waren die von Sickingen und Teilen der Reichsritterschaft hervorgerufenen Landfriedensbrüche, die zu vielen Supplikationen Anlaß gaben. Vom 12.1. 1523 datierte eine Bitte der Kanzler Heinrich von Dungin für Kurtrier, Florenz von Venningen für Kurpfalz und Johann Feige für den Landgrafen von Hessen an die Reichsstände, sie gegen Franz von Sickingen zu unterstützen. Darin äußerten sie sich skeptisch über den Erfolg des nach Heidelberg einberufenen Vermittlungstages und erwarteten keine schnelle Beilegung der Streitigkeiten mit Sickingen S2 • Auf der anderen Seite - so vermerkte ein Mainzer Rat in den protokollarischen Aufzeichnungen über die Verhandlungen auf dem Reichstage zum 2. 12. 1522 - hatten sich Quirin von Cronberg, Frowin von Hutten und Philipp Weiß VOn Feuerbach über jene drei Reichsfürsten beklagt, weil sie ihnen unter Bruch des Landfriedens ihre Güter weggenommen hättens3 • Darüber berichtete am 10.11. 1522 bereits Planitz aus dem Reichsregiment, wo Hutten gegen den Landgrafen von Hessen auf Herausgabe seiner beschlagnahmten Güter geklagt hatte s4 • Entschieden wurde der Streit zwischen beiden offenbar am 8. 2. 1523, denn RTA jg. Rh. 2, Nr. 207, S. 883. Eine entsprechende Supplikation des Vaters wurde Ende Februar 1521 im Supplikationsausschuß besprochen: RTA jg. Rh. 2, Nr. 151, S. 811; Nr. 111, S. 764, Anm. 1. 81 RTA jg. Rh. 2, Nr. 111, S. 763. Daß die generelle Lösung des Landfriedensproblems nicht so bald erfolgen konnte, beweist die Supplikation der "itzt allhie versamleten Prelaten, Graven, Freyherrn, Ritterschafft und der abwesenden Bottschafften" auf dem Wormser Reichstag von 1545: MEA RTA 11, 11, fol. 495 r - 496 r • 82 RTA jg. Rh. 3, Nr. 115, S. 726. 83 RTA jg. Rh. 3, Nr. 51, S. 292 mit Anm. 3. 84 Planitz, Br. 108, S. 239. 79
80
4.2.2. Supplikationsausschuß und Landfrieden
237
am 9. 2. 1523 schrieb Planitz an Kurfürst Friedrich von Sachsen: "Hatt der anwalt des lantgraffen kein andere ursach vorgewantt, dan er hett bevolen, im [Hutten] die gutter widerzugeben und den erlidnen schaden zu erstaten; wue es nicht beschen, wolde er es noch vorfugen85 ." Für den Fall aber, daß die Sache nicht gütlich beigelegt werden könnte, müßte ein rechtskräftiges Urteil ergehen, "ab es aber vor den lantgraven sein wirt, stett zu besorgen". Und es wurde eingeräumt, "das ir mehr vom adel seint, den von den dreien curfursten und fursten unrecht beschen"86, wie ja auch der Mainzer Protokollant schon drei Betroffene genannt hatte 87 . Eine weitere Supplikation Hartmuts von Cronberg datierte vom 2. 1. 1524, in der er sich erneut über die drei Reichsfürsten beschwerte und über "den ubergrossen unrechtlichen gewalt und verfolgung" klagte, "so denen von Cronberg wider alle recht und uber zu vil hochs erpitten begegnet"88. Einen anderen Fall betraf die Supplikation des Würzburger Bürgers Georg Raminger, der sich am 15. 2. 1524 vor dem Reichstag über Bischof Konrad von Würzburg beschwerte89 . Er warf dem Bischof vor, ihm sein Recht verweigert, ihn aus seinem Haus verjagt und ihm einen Schaden in Höhe von 3500 Gulden zugefügt zu haben; trotz eines kaiserlichen Schutzbriefes vom 28. 5. 1521 sei er von den Leuten des Bischofs gefangengenommen und verwundet worden 90 . Aus der Sicht des Bischofs von Würzburg sah der Fall allerdings anders aus. Danach hatte sich Raminger zur Zeit des Bischofs Lorenz der Exekution eines gegen ihn ergangenen Urteils durch Flucht entzogen; später hätte er um Geleit gebeten, das ihm grundsätzlich nie versagt worden sei, allerdings im Rahmen des bestehenden Rechtes. Obwohl Ramingers Familie in Würzburg lebte und er dort Güter besaß, hatte er das Geleit nicht angenommen, aber immer wieder bei Bischof Konrad darum nachgesucht, in der Hoffnung, es unter besseren Bedingungen zu erhalten. Zuletzt wurde eine Geleitserteilung als unnötig abgelehnt, da es überflüssig war, Untertanen in einem Geleitsbrief ausdrücklich vor Gewalt zu schützen - wie es Raminger verlangt hatte. Danach lebte der Supplikant einige Zeit in Würzburg und floh dann - so die bischöfliche Seite - ohne Grund aus der Stadt, um Bischof Konrad vor dem Reichstag zu Worms 1521 zu verklagen und vom Kaiser einen Ge85 Planitz, Br. 150, S. 365. 8G Planitz, Br. 150, S. 365. 87 s. O. S. 223 f. 88 RTA jg. Rh. 4, Nr. 130 A, S. 559; vgl. RTA jg. Rh. 4, Nr. 25, S. 116; Nr.
26, S. 195. 88 RTA jg. Rh. 4, Nr. 25, S. 106. 90 RTA jg. Rh. 4, Nr. 122 B, S. 539.
238
4.2. Zur Arbeit des Supplikationsausschusses
leitsbrief zu erwirken. Nachdem Raminger diesen dem Bischof von Würzburg zu Kenntnis gebracht hatte, erwirkte Konrad eine Änderung in dem kaiserlichen Geleitsbrief: Raminger sollte nicht erlaubt werden, vor dem RKG zu prozessieren, sondern "an geburenden orten recht geben und nemen". Obwohl ihm diese Änderung offiziell mitgeteilt worden war, hat Raminger den Geleitsbrief in seiner ursprünglichen Fassung in Würzburg veröffentlicht und das Volk mit Beschimpfungen gegen die Würzburger Geistlichkeit und die Würzburger Gerichte aufgewiegelt, woraufhin er festgenommen wurde. Auf Urfehde hin ist Raminger dann freigelassen worden und hat das Stift verlassen, nachdem er nicht bereit gewesen war, in Würzburg wie andere Bürger gehorsam zu leben. Vielmehr verklagte er den Bischof beim Reichsregiment und beim RKG, wo beide Prozesse noch anhängig waren. In allen bisher genannten Fällen waren mächtige Reichsstände die von Untertanen oder Angehörigen des niederen Adels Beklagten. Allein dieses Verhältnis von Supplikanten zu Beklagten ließ es unwahrscheinlich erscheinen, daß die Kläger gerade auf einem Reichstag ihr Recht bekamen. Das trifft auch für einen Fall zu, der schon einmal in anderem Zusammenhang angesprochen wurde. Die Herren von Rosenberg haben sich wiederholt Übergriffen des Schwäbischen Bundes und damit Verletzungen des Landfriedens ausgesetzt gesehen und diese zum Gegenstand von Supplikationen gemachtU1 • Am 6. 6. 1523 hatte Hans Thomas von Rosenberg das Reichsregiment um Schutz gegen den Schwäbischen Bund gebeten und sich am 17. 9. 1523 darüber beklagt, daß ihm sein Besitz Boxberg zerstört worden sei. Als er das Regiment um Geleit für zwei oder drei Monate bat, um seine Angelegenheiten zu regeln, wurde ihm das mit dem Hinweis auf den künftigen Reichstag verweigert92 • Am 26.1. 1524 beklagte sich dann Hans Melchior von Rosenberg in einer Supplikation in gleicher Angelegenheit über den Schwäbischen Bund, weil er den Landfrieden gebrochen habe und der darauf festgesetzten Strafe verfallen sein müßte93 • Mit großer Sorge um den inneren Zustand des Reiches sah er die Entwicklung, "einen armen vom adel, der sich zu erkentnuss und weisunge der billigkeit erbeut, unbeschuldiget, ane gehorte antwort, auch unverwart dermassen zu vergeweltigen". Und er fuhr fort: "Wan ich aber als der vorderpte rechtliche hulfe und widererlangung meiner gutter und zugefugts schadens gegen sulchen habehaftigen stenden aus unvermögend nicht getruwe zu erfolgen, hat ein ider zu ermessen, was in dem nur zu billiger gegenwehr von natur und dem rechten geburen Vi
91 »3
s. o. S. 167, 197. RTA jg. Rh. 4, S. 560, Anm. 1. RTA jg. Rh. 4, Nr. 131, S. 560.
4.2.2. Supplikationsausschuß und Landfrieden
239
mocht 94 ," Die Bitte des Supplikanten an die Stände ging dahin, den Schwäbischen Bund als Landfriedensbrecher in die Acht erklären zu lassen, ihn zu zwingen, sein Haus und Schloß zu räumen und ihm den Schaden zu ersetzen. Ebenfalls gegen den Schwäbischen Bund supplizierte Ulrich von Württemberg, der die Stände auf dem dritten Nürnberger Reichstag bat, ihm zu seiner Restitution zu verhelfen95• Er wiederholte seine Supplikation am 22. 4. 1529 auf dem Reichstag zu Speyer, indem er an alles Unrecht erinnerte, das ihm widerfahren seiu6• In einer anderen Supplikation bat der Reichsritter Hans Thomas von Absberg die Reichsstände um Hilfe gegen den Schwäbischen Bund und stellte darauf ab, daß er seine Burg vom Reich zu Lehen habe, folglich das Reich auch ein Interesse an seiner Sache haben müsse97 • Um die Rechtfertigung seines Verhaltens im Bauernkrieg ging es Graf Georg von Wertheim in seiner Supplikation gegen Bischof Konrad von Würzburg vom 10.4.152998 • Die persönliche Gegnerschaft zwischen den beiden Kontrahenten ging so weit, daß der Graf dem Bischof am 7.4.1529 in der Rathausstube der Fürsten, Prälaten und Grafen die Hand verweigerte, die dieser allen Anwesenden zum Gruß reichte99• Am 22.4.1529 antwortete der Bischof auf Wertheims Supplikation seinerseits mit einer Eingabe an den Reichstag und gab einen überblick über den würzburgisch-wertheimschen Streit100. Zu seinen konkreten Vorwürfen gegen den Grafen beschrieb er, wie dem Tetleben-Protokoll von 1529 zu entnehmen ist, "qualiter comes cum villanis in tumultu rusticorum egit, cum ipsis pacta fecit und genislige handelunge und vertrage hett angenomen und vor dem sloes zum Frauenberge vor Wirtzberge gelegen und das sloes in namen der bur usgefordert, auch ein closter ingenomen und um einen hof an den rat gen Wirzberg gescreben und das er 6000 g[ulden] und 20000 g[ulden] haben wolt von dem biscof zu Wirzbergen, anderst wollte er oem nicht zuzihen, licet esset feudatarius suus et vasallus"101. Im Zuge der Ausbreitung der Reformation mehrten sich seit dem Ende der 20er Jahre des 16. Jh.s die Supplikationen, in denen sich die RTA jg. Rh. 4, Nr. 131, S. 560. RTA jg. Rh. 4, Nr. 129, S. 558. ie RTA jg. Rh. 7, 2, Nr. 132, S. 1249 f.; vgl. Tetleben-Protokoll RTA jg. Rh. 7, i4
95
1, S. 827.
RTA jg. Rh. 4, Nr. 25, S. 154; vgl. Planitz, S. 420, Anm. 2, S. 495 f. RTA jg. Rh. 7, 1, S. 692 mit Anm. 2. 88 RTA jg. Rh. 7, 1, S. 669. 100 RTA jg. Rh. 7, 1, S. 816. 101 RTA jg. Rh. 7, 1, S. 826. 97
88
240
4.2. Zur Arbeit des Supplikationsausschusses
katholische Geistlichkeit über das Vorgehen der Protestanten beschwerte, die ihren Besitz angriffen und ihre Rechte verletzten. Die Supplikanten beklagten die tätlichen Angriffe auf Bischöfe, Angehörige von Domkapiteln, Mönche und Priester und deren Vertreibung aus ihren Herrschaften, Klöstern und Kirchen; sie verurteilten die Aufwiegelung der bisherigen Untertanen und Gläubigen durch lutherische Prädikanten und beschwerten sich über Plünderungen von Kirchen, Klöstern und anderen Gebäuden, die Zerstörung von Bildern und Altären, die Beschlagnahme von Kleinodien, dazu über die Abschaffung der Messe und anderer Gottesdienste und die Entsetzung ihrer alten Rechte, Freiheiten und Gerechtigkeiten 102 • Zu den Supplik anten gehörte auch König Ferdinand, der in seiner Eingabe vom 23.4.1529 zu den Vorfällen im Stift Konstanz Stellung nahm, insbesondere aber gegen die übergriffe der Stadt Konstanz auf das Kloster Klein-Petershausen, das dem König von der Schwäbischen Landvogtei her unterworfen war. Ferdinand fühlte sich als Kastvogt betroffen und beschwerte sich beim Reichstag darüber, daß sich die Stadt Konstanz das Gotteshaus mit Gewalt angemaßt und dort Prediger eingesetzt hatte, dazu "die h[eiligen] sakrament, die meß und andere gotsdienst abgetan, die pUder zerslagen, die altar abgerissen, die observanz s. Benedicti regel desselben dosters niedergelegt und sich in viI andere wege zu nachtail irrer] m[ajestät] gegen dem abt und sonst ingelassen"; ferner verwies er darauf, daß Konstanz "ein vermeint unpillich burgerrecht bei den von Zürch und Bern angenommen" hat und andere ihm schutzverwandten und unterworfenen Klöster wie Reichenau und St. Blasien ohne Grund aus ihrer "ruewige[n] possession" gerissen hat. Er sah darin einen Bruch des Landfriedens und des letzten Speyrischen Reichstagsabschieds 103 • Auf dem Reichstag von 1530 beschwerten sich der Abt von St. Gallen und der Landkomtur des Deutschen Ordens im Elsaß und in Burgund über Bürgermeister und Gemeinde von St. Gallen, weil diese sie 102 So etwa am 17.4.1529 Bischof Hugo von Konstanz und die Grafen, Herren und Ritter durch Georg Flach von Schwarzenberg über die Stadt Konstanz: Str. Korr. I, Nr. 597, S. 346; RTA jg. Rh. 7, 1, S. 761, 765; und erneut am 23.4.1529: RTA jg. Rh. 7, 1, S. 826, RTA jg. Rh. 7, 2, Nr. 156, S. 1329 f.; so auch Bischof und Kapitel von Basel: RTA jg. Rh. 7, 2, Nr. 115 b, c, S. 1202, und 1530 in Augsburg Dompropst, Statthalter und Kapitel der Baseler Stifter: Förstemann, Bd. H, Nr. 193, S. 435; s. a. zu einer weiteren Supplikation: Str. Korr. I, Nr. 806, S. 511; von besonderer Bedeutung für die Reichsgeschichte war die Einführung im preußischen Ordensland des Deutschen Ritterordens und in Livland. 1530 in Augsburg und 1532 in Regensburg gab es gegen Mkgf. Albrecht von Brandenburg, den Hochmeister des Ordens, eine Reihe von Supplikationen: Förstemann, Bd. H, Nr. 193, S. 437 ff., 442, 444; Nr. 160, S. 284; MEA RTA 6b, fol. 360. 103 RTA jg. Rh. 7, 2, Nr. 155, S. 1329; vgl. RTA jg. Rh. 7, 1, S. 826.
4.2.2. Supplikationsausschuß und Landfrieden
241
ebenfalls an der Ausübung ihrer Religion gehindert hätten104. Die Äbtissin, Priorin und der Konvent des kaiserlichen freien Stiftes Kauffungen beklagten sich darüber, daß ihnen der Landgraf von Hessen Stift, Kloster und alle Einkommen genommen hätte, so daß sie jetzt in Armut leben müßten105. Schon auf dem Reichstag von 1529 hatte sich der Bischof Philipp von Basel über das rechtswidrige Verhalten der Stadt Basel beschwert, die ihm nicht nur den Eid verweigerte und keinen Häuserzins zahlte, sondern sich auch mit den Eidgenossen verbündet hatte, ferner eigenmächtig Bürgermeister, Zunftmeister und Rat eingesetzt, Geistliche gefangen und Verwandte des geistlichen Gerichts unter Eid genommen und mit bürgerlichen Beschwerden beladen, Stiftsorte ins Bürgerrecht aufgenommen hatte. Diese Beschwerde verknüpfte er mit der Bitte, die Reichsstände möchten ihm helfen und ihn wieder in seine Rechte als geistliche und weltliche Obrigkeit in Stadt und Land Basel einsetzen 106. Ebenso enthielten alle diese Supplikationen gegen die Protestanten - von diesen nicht selten als "lange, verdrußliche supplication, clag und verunglimpfung"107 abgetan - die Bitte an Kaiser bzw. König und Reichstag um Restitution in die alten Rechte und Besitzungen. Der Fürst Johann von Anhalt forderte 1530 neben der Restitution des Domkapitels und des Franziskaner-Klosters auch noch einen Ersatz der von den Städten Zerbst und Bernburg angerichteten Schäden108. Folgt man dem Reichsabschied von 1530, dann ist der Kaiser "täglich von den verjagten Aebten und Aebtißin, auch andern angelauffen, und mit flehlicher und kläglicher Bitt angeruffen worden, ihnen zu dem Ihren wiederum zu verhelffen. Demnach wolte Uns, als einem Christlichen Kayser, der do Rechts niemand weigern solt, nicht anders gebühren, (dieweil die Recht disponieren und wollen, daß ein jeglicher Spoliirter und Entsetzter vor allen Dingen soll restituirt, und wieder eingesetzt werden.) dann derhalben gebührlichs Einsehens zu thun"10D. Die Supplikationen der hier beschriebenen Art waren stärker als alle anderen in die großen Auseinandersetzungen eingebettet, die im Reich zwischen den Katholiken und den Anhängern der Reformation entbrannt waren. Die daraus resultierenden Landfriedensverletzungen wurden - wie das folgende Beispiel zeigt - von beiden Seiten, nicht nur von den Protestanten, begangen. Bd. H, Nr. 160, S. 282. Bd. H, Nr. 160, S. 284. 108 RTA jg. Rh. 7, 2, Nr. 115c, S. 1202. 107 So der Gesandte Konrad Zwick am 19.4.1529 für die Stadt Konstanz: RTA jg. Rh. 7, 1, S. 779; zur Antwort Zwicks auf die gegen seine Stadt gerichteten Supplikationen s. a.: RTA jg. Rh. 7, 2, Nr. 122, S. 1265. 108 Förstemann, Bd. H, Nr. 160, S. 282. lOg RA H, 1530, § 6, S. 309. 104
105
Förstemann, Förstemann,
16 Neuhaus
242
4.2. Zur Arbeit des Supplikationsausschusses
Am 16. 5. 1541 berichteten die Straßburger Gesandten vom Reichstag über eine Supplikation der Evangelischen an den Kaiser "der Mordbrenner halb"l1O, womit die Auseinandersetzungen der Protestanten mit Herzog Heinrich von Braunschweig gemeint waren, die den Norden Deutschlands über viele Jahre in erhebliche Unruhe versetzten111 • Herzog Heinrich hatte gegen die Stadt Goslar ein Achtmandat erwirkt, weil sie andere Klöster niedergerissen und aufgelöst hatte, und fühlte sich zur Durchführung der Acht auch dann noch berechtigt, als sie vom Kaiser suspendiert worden war. Nach dem Eingreifen der mächtigsten protestantischen Territorialherren (des Kurfürsten von Sachsen und des Landgrafen von Hessen) im Herzogtum Braunschweig trat Heinrich als Supplikant auf. In einer Beschwerde an die kaiserlichen Kommissare, den König und die katholischen Reichsstände erhob er heftige Vorwürfe gegen die Protestanten und bat um Hilfe112 • Sie wurde am 27.2.1543 "in consilio statuum catholicorum" verlesen. Am gleichen Tag ließ der Bischof Valentin von Tetleben aus Hildesheim aber auch seine Supplikation an "gemeine Reichsstende", kaiserliche Kommissare und König Ferdinand vortragen, in der er mit Bezug auf den Regensburger Reichstag von 1532 von den Herzögen Erich und Heinrich von Braunschweig die Restitution seines Stiftes forderte 113 • Vom 4.5.1544 datierte eine 110 Str. Korr. !II. Nr. 192, S. 183; s. a. RK RTA 6, IX, 6, fol. 18 r ff., IX, 7, fol. 45 r ff., IX, 8, fol. 67r ff. 111 Gleichsam zusammengefaßt erscheinen die Beschwerden der Evangelischen in der Antwort der protestierenden Reichsstände auf die Proposition zum Nürnberger Reichstag von 1543, die sie selbst in ihrer Replik auf die erste Entgegnung der kaiserlichen und königlichen Kommissare als "Supplikation" bezeichneten und auch so verstanden: RK RTA 11, I, fol. 128r ; MEA RTA 8, 1 Bd. Reichshandlung Nürnberg 1543, fol. 108r , 125 r ; die ganze Replik: RK RTA 11, I, fol. 128r - 153r , die Proposition vom 31. 1.1543: RK RTA 11, I, fol. 33r - 40r , die Entgegnung der Kommissare auf die Antwort der Protestanten am 16.2.1543: RK RTA 11, I, fol. 115r -124r • Anders als die gehorsamen Reichsstände stellten sie nicht die Türkenhilfe in den Vordergrund (RK RTA 11, I, fol. 41 r - 45 r ), sondern kamen sogleich auf die mit den Glaubensstreitigkeiten zusammenhängenden Probleme zu sprechen: RK RTA 11, I, fol. 65r -78r • Dabei machten sie aufgrund schlechter Erfahrungen auf vergangenen Reichstagen nicht nur die Leistungen für die Türkenhilfe, sondern schon die Verhandlungen darüber davon abhängig, daß zuerst die Fragen der Sicherung und Beständigkeit des Friedens und der Wahrung und gleichmäßigen Ausübung des Rechtes im Reich, und das hieß vor allem zwischen den Anhängern der beiden Konfessionen, beraten wurde: RK RTA 11, I, fol. 78 r ; MEA RTA 8, 1. Bd. Reichshandlung zu Nürnberg 30. 1. - 25. 4. 1543, fol. 144r • 112 MEA RTA 8,1 Bd. Reichshandlung Nürnberg 1543, fol. 581 r ff. 113 MEA RTA 8, 1. Bd. Reichshandlung Nürnberg 1543, fol. 590 r ff. Gegen Hz. Heinrich von Braunschweig und Lüneburg war auch eine 1532 eingereichte Supplikation des Kapitels von Hildesheim gerichtet, in der sich Otto Graf zu Schaumburg bei Kurfürsten, Fürsten und Ständen darüber beklagte, daß der Herzog Besitzungen des Kapitels erobert hatte (MEA RTA 6b fol. 210r ). Diese Supplikation wies der Beklagte als unbegründet zurück (MEA RTA 6b, fol. 226 r ), woraufhin die Reichsstände zu der Ent-
4.2.2. Supplikationsausschuß und Landfrieden
243
weitere Suppliktion des Herzogs von Braunschweig an den Kaiser mit der Bitte um Hilfe und Restitution 114. Der Supplikationsausschuß, der mit den meisten dieser und vieler anderer Fälle beschäftigt war, entschied in keinem Fall über diese Bitten und Beschwerden. In der Regel gab er sie an Kaiser und Reichsstände zurück116. Allenfalls übergab er sie vor der Rückverweisung wie im Fall der Kauffunger Beschwerde gegen den Landgrafen von Hessen - den Räten des Beklagten mit der Bitte um Stellungnahme; wenn aber in kurzer Zeit keine Stellungnahme erfolgte, sollte die Sache wie in ähnlichen Fällen dem Kaiser übergeben werden116• Wie sehr der Reichstag mit diesen Supplikationen beschäftigt wurde, ist dem "Bedenken des Reichsrathes über die Urtheile des über die Supplicationen gesetzten Ausschusses" vom 14.9.1530 zu entnehmen; dort heißt es zur Supplikation der Äbtissin von Kauffungen: "dyweyll der ausschuß dyse sach neben andern, so entsezt seyn, an k. Mt. thut weysen, Sollen wir unß hyryn wol fursehen, das man nicht stracks uff dye restitution gehe, Sonder Commissarien furschlag oder andere weg süch in der güet"117. Indem sich der Supplikationsausschuß in diesen Fällen, denen ein Bruch des Landfriedens zugrunde lag, so verhielt, entzog er sich einer Entscheidung in Machtfragen. Als ein ständeparlamentarischer Ausschuß sah er sich bei diesen Supplikationen zu keiner Lösung berechtigt, hielt er ihre Inhalte doch für so wichtig und schwerwiegend, daß mit ihnen der Gesamtreichstag zu beschäftigen war118• Hinzu kam, daß es sich bei den Supplikationsgegenständen ja nicht um Landfriedensbrüche herkömmlicher Art handelte, sondern um solche, die aus dem Glaubensstreit ihre Motivation empfangen hatten und erst als Auswirkungen der konfessionellen Auseinandersetzungen möglich geworden waren. Wie das Landfriedensproblem so war auch die Religionsfrage für das gesamte Reich in umfassender Weise zu lösen, aber sie konnten nicht im Supplikationsausschuß anhand von Einzelfällen einer Entscheidung zugeführt werden. Das Bedenken des Supplikationsausschusses vom Augsburger Reichstag von 1550/51 auf eine erneute Supplikation der Stadt Braunschweig scheidung kamen, der Kaiser möge zur Beilegung des Streites eine Kommis~ sion einsetzen (MEA RTA 6b, fol. 361r, v). 114 RK RTA 12, I, fol. 140r. 115 Vgl. etwa Förstemann, Bd. H, Nr. 193, S. 435 f. Nr. 160, S. 282 f. Mit der Beschwerde Ferdinands von 1529 über die Vorgänge im Stift Konstanz beschäftigte sich nicht der Supplikationsausschuß, sondern der Große Ausschuß des Speyrer Reichstages: RTA jg. Rh. 7, I, S. 826, 832 (zum 23.4.1529). 118 Förstemann, Bd. H, Nr. 193, S. 436; s. a. Nr. 244 S. 694. 117 Förstemann, Bd. H, Nr. 194, S. 447. 118 So insbesondere auch die Bedenken des Supplikationsausschusses zu den Beschwerden gegen Mkgf. Albrecht von Brandenburg. 16·
244
4.2. Zur Arbeit des Supplikationsausschusses
und anderer gegen Herzog Heinrich von Braunschweig ll9 verdeutlicht diese Situation des Ausschusses für die Bitten und Beschwerden noch einmal: "Dieweil obgemelte von Braunschweigck unnd ire mitverwanten sich zur verhor der sachen erbietten, und bitten, sie bei key. Mt. zufürbitten, derhalb Commissarien zu verordnen, das die key. Mt. underthenigst zuersuchen und zubitten sein solte, wiewol ir key. Mt. beiden theiln den frieden hiebeuor mandirt unnd gebotten aber den nit gehalten, das ir Mt. nochmals inen durch teutlichere Mandate und bei peen der Acht die Kriegsrustung unverzuglich abzustellen mandiren und gepietten. Und dieweil auch die sach kein langen verzug erleiden mag, Alspald Commissarien verordnen, die sie gegeneinander verhorten, und in der gute vereinigen. Im fall aber die gutlichheit nit stat haben solte alß da sie zu beiden theiln an daß ordentlich recht, da dan die sachen albereidt angefangen zu weysen120 ." Der Vorschlag, Kommissarien zur Vermittlung zwischen den Gegnern zu bestellen, war für den Supplikationsausschuß neben der Verweisung an das RKG die einzige Möglichkeit, konstruktiv im Sinne der Friedenswahrung tätig zu werden. Er konnte allenfalls als eine Art Sicherheitsrat bei Gefährdung des Landfriedens fungieren, allerdings immer nur mehr theoretisch als praktisch und ohne seinen vermittelnden Vorschlägen Verbindlichkeit geben zu können; das konnte noch nicht einmal die Gesamtheit der auf einem Reichstag versammelten Reichsstände. Der Reichstag als Empfänger der Supplikationen konnte sich nicht nur nicht auf Maßnahmen zu einer praktischen Friedenssicherung im Reich einigen, er war auch nicht in der Lage, Entscheidungen zu den vorgelegten Supplikationen zu treffen. Allenfalls wurden - wie im Reichsabschied von 1530121 - Z. B. die Protestanten aufgefordert, sie sollten "spoliirte Klöster und andere Geistlichen in ihren Fürstenthumen und Gebieten, ohn alle Mittel und zum förderlichsten wiederum in ihre Klöster und Güter, davon sie entsetzt, verjagt und vertrieben seynd, kommen lassen". Von der zweiten Möglichkeit, auf eine Supplikation in einer Landfriedensangelegenheit zu reagieren, machte der Supplikationsausschuß im Fall des Wolfgang Torneatoris Gebrauch. Der "beuelichhaber" der Universität Leipzig und verschiedener Klöster hatte gegen den Kurfürsten von Sachsen, Fürst Wolfgang von Anhalt und Graf Albrecht von Mansfeld suppliziert122, die den Klöstern und der Universität "etlich 119 120 121 122
MEA RTA 19, fol. 185r - 187v • MEA RTA 19, fol. 187 V• RA Ir, 1530, § 6, S. 309. Förstemann, Bd. II, Nr. 160, S. 284.
4.2.2. Supplikationsausschuß und Landfrieden
245
Zinß, gult, dorffer und dinst mit der that entpfrembdet unnd entwendet haben", und bat um Restitution. Nachdem die Beklagten den Reichsständen und dem Kaiser ihren Gegenbericht dazu vorgelegt hatten, hielt es der Supplikationsausschuß für gut, im Streit des Torneatoris mit dem Kurfürsten und Graf Albrecht für den Supplikanten beim Kaiser zu bitten, den Streit zwischen ihm und dem Fürsten von Anhalt aber an das RKG zu weisen 123. Indem der Supplikationsausschuß einen Teil der Bittschrift in den Zuständigkeitsbereich des RKG.s verwies, griff er auch im Bereich der Supplikationen in Landfriedensangelegenheiten zu dem bei Justizsachen gepflegten Verfahren. Die Hilflosigkeit des Reichstages wird dabei besonders deutlich am Beispiel der Behandlung der Supplikation der Städte Braunschweig und Goslar an den Kaiser, in der sie sich darüber beschwert hatten, daß Herzog Heinrich von Braunschweig "den stillstand und kai. mt. fridgepot nit haltet", nachdem Braunschweig mangels einer endgültigen Entscheidung mündlich und Goslar schriftlich den Ständen berichtet hatten, daß "der herzog noch furt und furt si betrangt"124, wie Jakob Sturm am 13.4.1541 nach Straßburg berichtete. Gegenstand der Supplikation125 waren die Landfriedensbrüche des Herzogs gegen die beiden Städte in seinem Territorium. Der Supplikationsausschuß verwies die Parteien an das RKG126, von dem aber in solchen Streitigkeiten keine Entscheidung zu erwarten war. Deshalb kam es in den folgenden Jahren zu weiteren Gewalttätigkeiten und Supplikationen127. Was Herzog Heinrich von Braunschweig für die Protestanten in Norddeutschland war, das war Herzog Ulrich von Württemberg für katholische Klöster in Süddeutschland. 1541 verlangten die Klöster Bebenhausen, Roggenburg und Echternach ihre Restitution, nachdem der Herzog von Württemberg sie unterworfen und die Mönche zum Teil vertrieben hatte128 • Im Fall Bebenhausens und Roggenburgs kam der Supplikationsausschuß zu einer Empfehlung, wonach sich der Württemberger bis zu einem endgültigen Vergleich in der Religionsfrage zurückhalten sollte, und er wurde ermahnt, sich nicht an Gütern zu vergreifen, die außerhalb seines Gebietes lagen 129. Dem erwählten Abt Bd. II, Nr. 193, S. 446. Str. Korr. III, Nr. 188, S. 179. m Eine erste Supplikation hatten sie am 2. 4., eine zweite am 9.4. 1541 eingereicht: Str. Korr. III, S. 179, Anm. 5. 126 RK RTA 7, VIII, fol. 75' f. 127 Str. Korr. III, Nr. 257, S. 268 f. 128 RK RTA 7, VIII, 30, fol. 108r ff.; RK RTA 7, VIII, 31, fol. 126 r ff. m RK RTA 7, VIII, 30, fol. 110'. 123
124
Förstemann,
246
4.2. Zur Arbeit des Supplikationsausschusses
von Echternach empfahl der Ausschuß, seine Ansprüche vor dem RKG geltend zu machen; im übrigen sollte das Kloster restituiert werden130 • Vom RKG aber hatten die Supplikanten keine Entscheidung zu erwarten, war doch die Zeit der Ausdehnung der lutherischen Lehre zugleich auch die Zeit, in der das für alle Landfriedensangelegenheiten zuständige RKG durch Nürnberger Religionsfrieden (1532) und Frankfurter Anstand (1539) in Prozessen infolge des Glaubensstreites lahmgelegt war131 •
4.2.3. Supplikationsausschuß und Finanzwesen Die Tatsache, daß sich Kaiser und Reichsstände weder auf eine praktikable Reichsfinanzpolitk noch auch nur deren Formulierung haben einigen können, ist ein Charakteristikum des Heiligen Römischen Reiches zu Beginn der Neuzeit132 • Die aufgrund dieses Mangels immer katastrophale Finanzsituation des Reiches war deshalb einer der wichtigsten Gründe zur Einberufung eines Reichstages durch den Kaiser. Ein Vergleich der Reichstags-Ausschreiben des 15. und 16. Jh.s würde die Bedeutung der Finanzangelegenheiten unterstreichen, wie ja auch die Beratungen der Reichsstände zu diesem Fragenkomplex einen sehr breiten Raum einnahmen. Oft zwangen außenpolitische Ereignisse zur Zeit Karls V. vor allem die Türkengefahr - Kaiser und Reichsstände zu langen und harten Verhandlungen; und nicht selten machten innenpolitische Verpflichtungen - Unterhaltung von Reichskammergericht und Reichsregiment - solche Verhandlungen notwendig, deren Ergebnisse ihren Niederschlag in den Reichsabschieden und Reichsanschlägen fanden. Damit aber waren die Finanzprobleme noch keineswegs gelöst, denn die Eintreibung der Anschläge war noch schwieriger als ihre Festlegung für jeden einzelnen Reichsstand. Proteste und Beschwerden von Einzelnen oder Gruppen gegen eine zu hohe und deshalb verglichen mit anderen ungleichmäßige Veranlagung oder gegen eine Veranlagung überhaupt gab es auf jedem Reichstag in großer und von Jahr zu Jahr wachsender Zahl. Oft waren sie - wie im Fall des BiRK RTA 7. VIII, 31, fol. 127r • Siehe dazu Ekkehart Fabian (Hg.), Urkunden und Akten der Reformationsprozesse am Reichskammergericht, am Kaiserlichen Hofgericht zu Rottweil und an anderen Gerichten, 1. Teil: Allgemeines 1530 -1534, Tübingen 1961 (= Schriften zur Kirchen- und Rechtsgeschichte, Heft 16/17) [mehr noch nicht erschienen]; ferner Gerd Dommasch, Die Religionsprozesse der rekusierenden Fürsten und Städte und die Erneuerung des Schmalkaldischen Bundes 1534 -1536, Tübingen 1961 (= Schriften zur Kirchen- und Rechtsgeschichte, Heft 28). 132 Hartung, Verfassungsgeschichte, S. 19, 42; Oestreich, Verfassungsgeschichte, S. 367. 180
131
4.2.3. Supplikationsausschuß und Finanzwesen
247
schofs von BaseP83 - Bestandteil einer Supplikation, die in erster Linie gegen etwas anderes gerichtet war, z. B. gegen Landfriedensbruch, aus dem sich die Zahlungsunfähigkeit als Folgeerscheinung ergab oder als solche vorgeschoben wurde und die Bitte resultierte, den Supplikanten von der Leistung der Reichsanschläge zu befreien. Da von der Zahlung der Reichsanschläge die Durchschlagskraft außenpolitischer Maßnahmen und das Fortbestehen wichtiger Reichsinstitutionen abhing, wurden auf sie bezogene Supplikationen vom Reichstag besonders ernstgenommen, was nicht zuletzt daraus hervorgeht, daß sie zu den ganz wenigen gehörten, die ihren Niederschlag in den Reichsabschieden fanden 134 . In der ersten Hälfte des 16. Jh.s ging es vor allem immer wieder um die Reichsanschläge für eine "eylende" später auch eine "beharrliche" Türkenhilfe und um die Unterhaltung von Regiment und RKG. Bei allen diesen Verpflichtungen aber war die Zahlungsmoral äußerst schlecht, wie beispielhaft aus einem Verzeichnis hervorgeht, das der Proposition zum zweiten Nürnberger Reichstag von 1522/23 beigegeben war185 , oder aus einer ähnlichen Aufstellung von Ständen für den Speyrer Reichstag von 1529 138. In beiden Listen wurde unterschieden, welche Stände ihre Anschläge bezahlt, teilweise bezahlt und nicht bezahlt hatten. Die beiden letzten Gruppen sind von besonderem Interesse, denn die darunter fallenden Stände sicherten ihr Verhalten nicht selten durch Supplikationen ab, in denen sie um teilweise oder gänzliche Erlassung der Anschläge baten187. Entweder erreichten sie damit sofort ihr Ziel einer Verringerung138 oder doch zumindest ein Hinausschieben ihrer Zahlungen mit relativ guten Erfolgsaussichten189. Die Gründe für Supplikationen dieser Art wurden im Abschied des zweiten Nürnberger Reichstages von 1522/23 zusammengefaßt, wo es heißt, daß sich auf diesem Reichstag "auch etwa vil von churfursten, fursten, prelaten, grafen und von stetten itzo alhie des reichs anschlege halber beschwert getragen und supplicirt, eins teils das sie zu hoch angeschlagen, etlich das sie zu arm seien und solhen anschlag zu geben nit vermogen, auch eins teils, das sie dem heiligen reich nit, sonder etlichen 133
434f.
RTA jg. Rh. 7, 2, Nr. 115c, S. 1202 f.; Förstemann, Bd. H, Nr. 193, S.
s. o. S. 99, s. u. S. 268. RTA jg. Rh. 3, Nr. 50, S. 263 - 281. 138 RTA jg. Rh. 7, 2, Nr. 168 A, S. 1356 - 1360. 137 Vgl. z. B. für den Reichstag von 1530: Förstemann, Bd. H, Nr. 160, S. 276,277. 138 Vgl. Punkt 3 der Liste zum Reichstag von 1529: RTA jg. Rh. 7, 2, Nr. 168 A, S. 1359. 139 Vgl. Punkt 4 der Liste zum Reichstag von 1529: RTA jg. Rh. 7, 2, Nr. 168 A, S. 1359 f. 134 135
248
4.2. Zur Arbeit des Supplikationsausschusses
fursten underworfen, denen sie volgen, reisen, steurn und in derselben fursten hilf seien, etlich das sie weder regalien, lehen noch anders vom reich haben, etlich das sie oder ire vorfarn nie nichts gegeben haben, wiewol sie in des reichs anschlege steen, etlich das sie fur alle anschleg gefreiet seien etc." 140. Die Gründe für Supplikationen dieser Art waren sehr mannigfaltig und unterstreichen die je besondere Situation des einzelnen Reichsstandes. Abstrahiert man weitgehend von ihr, so lassen sich folgende Gruppen zusammenfassen: 1. Supplikationen, in denen eine Verpflichtung zur Zahlung von Reichsanschlägen aus verfassungsrechtlichen Gründen verneint wird,
2. Supplikationen, in denen eine einmal zugestandene Befreiung von Zahlungen geltend gemacht wird141 , 3. Supplikationen, in denen andere Leistungen für Kaiser und Reich gegen die zu zahlenden Reichsanschläge aufgerechnet werden, 4. Supplikationen, in denen auf eine verschieden bedingte und begründete Unzumutbarkeit und finanzielle Unfähigkeit abgestellt wird142 • In die 1. Guppe gehören sowohl die Reichsstände, die sich beschwerten, daß ihre Untertanen zur Zahlung von Reichsanschlägen herangezogen wurden, als auch die Reichsmittelbaren, die sich beklagten, vom Reich und von ihrem reichsunmittelbaren Landesherrn "ausgezogen" zu werden. So protestierte während des WormserReichstages von 1521 Friedrich von Thun im Namen des Kurfürsten Friedrich und des Herzogs Johann von Sachsen dagegen, daß ihre Untertanen zur Unterhaltung von Regiment und RKG veranschlagt worden seien143• Aus den gleichen Gründen hat sich Kaiser Karl V. selbst beschwert, da die Reichsstände auch einige direkte Untertanen des Hauses Österreich in die Anschläge einbezogen hätten144 • Friedensburg nennt für 1526 je eine Supplikation des Herzogs von Jülich und der Grafen der Wetterau, dazu eine Beschwerde der Harzgrafen, die zugleich ihre VertreRTA jg. Rh. 3, Nr. 117, S. 742. Diese beiden Gruppen finden in dem für den Reichstag von 1522/23 vorliegenden Verzeichnis ihre Entsprechung in der Aufzählung der Stände, die im Anschlag von anderen ausgezogen werden, die dem Reich nicht unmittelbar unterworfen oder von Anschlägen befreit zu sein glaubten und die nicht wußten, ob sie reichsunmittelbar waren: RTA jg. Rh. 3, Nr. 50, S. 264 - 268; vgl. auch Punkt 1 und 2 der Liste zum Reichstag von 1529: RTA jg. Rh. 7, 2, Nr. 168 A, S. 1356 - 1359. 142 Dieser Gruppe entspricht Punkt 4 der Liste von 1522/23: RTA jg. Rh. 3, Nr. 50, S. 268 - 270. 143 RTA jg. Rh. 2, Nr. 54, S. 420 f. 144 RTA jg. Rh. 2, S. 433, Anm. 2. 140
141
4.2.3. Supplikationsausschuß und Finanzwesen
249
tung im Reichsrat und damit ihre Reichsstandschaft beanspruchten145. 1530 in Augsburg "zaigenn etlich an, das sie gar nichts ader vast wenig vom Reich habenn, sonndern vonn andern furstenn unnd hern zu lehenn tragenn"146 und deshalb darum baten, von den Reichsanschlägen ganz befreit zu werden. Zu ihnen gehörten Graf Dietrich von Manderscheid und die Grafen Wilhelm von Moers und Simon von der Lippe147 , die sich als Untertanen des Herzogs von Jülich verstanden. 1544 in Speyer und dann erneut in Worms 1545 beschwerte sich Philipp von Winnenberg und Bichelstein darüber, daß ihn der Kurfürst von Trier und Pfalzgraf Johann bei Rhein zur Steuerzahlung zwingen wollten, obwohl er bis dahin immer seinem Kreisobersten gehorsam gewesen seP48. Auf dem Geharnischten Reichstag von 1547/48 stellte König Ferdinand in einer Supplikation an die Reichsstände fest, die Äbte von St. Blasien, Schnettern und St. Peter im Schwarzwald würden von ihm zu den Anschlägen herangezogen und wären deshalb dem Reich gegenüber zu Zahlungen nicht verpflichtet1 49. Diese Supplikanten wehrten sich damit gegen eine doppelte Veranlagung, die sie finanziell zu erbringen nicht bereit und in der Lage waren. Dasselbe trifft auf die österreichische Geistlichkeit zu, die es in ihren Supplikationen ablehnte, Erzherzog Ferdinand gemäß einer päpstlichen Bulle den dritten Teil ihres Einkommens an Früchten und ihrer sonstigen Einkünfte zu zahlen, damit er seine Erblande gegen die Türken verteidigen konnte 15O • Am 16.3.1524 richtete Propst Nikolaus Ribeisen für die Geistlichkeit der Salzburger Kirchenprovinz, die den größten Teil ihrer Einkünfte aus den österreichischen Landen bezog, eine Supplikation an die Reichsstände, in der darum gebeten wurde, dafür zu sorgen, daß diese Bulle nicht ausgeführt wurde; sie sollten dementsprechend bei Papst Clemens VII. und Erzherzog Ferdinand vorstellig werden i51 . Ribeisen begründete die Bitte einmal mit der großen Armut in der salzburgischen und österreichischen Priesterschaft und zum anderen damit, daß es nie - selbst nicht in Zeiten größter Not - Brauch gewesen sei, dem Papst und dem Kaiser auch nur einen zehnten oder zwanzigsten Teil des Einkommens zuzugestehen; er verwies auf den Augsburger Reichstag von 1518, auf dem Papst Leo X. 145 148
147
Friedensburg, 1526, S. 452, Anm. 3. Förstemann, Bd. Ir, S. 279. Förstemann, Bd. Ir, S. 278.
146 MEA RTA 11, II, fol. 192r ff. 149 MEA RTA 16, J, fol. 106v • 150 Aufgrund einer von Papst Hadrian VI. (1522 - 1523) erlassenen und seinem Nachfolger Clemens VII. (1523 - 1534) bestätigten Bulle hatte Ferdinand das Recht dazu. 151 RTA jg. Rh. 4, Nr. 134, S. 563 - 565.
250
4.2. Zur Arbeit des Supplikationsausschusses
(1513 - 1521) ein solches Begehren selbst in Anbetracht der Türkengefahr abgeschlagen worden sei U2 • Mit der gleichen Bitte um Aufhebung der Terzien, des "dritten Pfennigs", hatten sich die Bischöfe von Speyer und Konstanz bereits an Erzherzog Ferdinand als den Einzugsberechtigten und am 30.3.1524 auch an die Reichsstände gewandt, da die Auflage der Terzien gegen Herkommen und Recht verstoße und ihre päpstliche Bewilligung von Kaiser und Reichsständen hätte gebilligt werden müssen, um rechtskräftig zu sein. Sie verwiesen zudem auf die Armut ihrer Geistlichen, den Verfall der Klöster und Stifter und die großen Schulden infolge vieler hoher Steuerleistungen153• In gleicher Weise waren auch die Bischöfe von Freising, Regensburg und Passau an Ferdinand herangetre-
teni54 • Diese Bischöfe wehrten sich auch zusammen mit dem Erzbischof von Salz burg und dem Bischof von Bamberg ab 1529 wiederholt gegen eine andere Art der zusätzlichen Besteuerung, die sie als Doppelanlage verstanden. So beschwerte sich Bischof Weigand von Bamberg am 15.4. 1529 in einer Supplikation an den Reichstag über die Besteuerung seiner reichsunmittelbaren Besitzungen in Kärnten l65 , nachdem das Reichsregiment eine Verringerung des Anschlages abgelehnt und das RKG ein Urteil auf Zahlung des Türkenanschlages innerhalb von drei Wochen erlassen hatte 156 • Er bat um eine Kürzung des Reichsanschlages für sein Bistum um die kärntnische Anlage oder ihre Rückerstattung, da König Ferdinands Landeshauptmann aus seinem dortigen Reichslehen Geld und Truppen an die Grenze abziehe. Unter Hinweis auf die große Armut seines Stiftes wehrte er sich gegen diese Art der Doppelbesteuerung und kündigte an, daß die Beschwerung seines Kammergutes in Kärnten zur Folge haben werde, daß er seine Reichsanlage nicht mehr bezahlen könne 157• 1530 in Augsburg wiederholte der Bamberger seine Bitte und Beschwerde "in eyner hefftigen supplication", in der er vor allem auf die widerrechtlichen Angriffe des Herzogs von Kärnten auf Reichsbesitz abstellte, den er vom Reich zu Lehen bekommen hatte158 • Auf dem Wormser Reichstag von 1545 beschwerten sich "der Toppel Anlag halber" der Erzbischof von Salzburg und die Bischöfe von BamRA II, 1518, § 1, S. 170. "Exhibitum et lectum in conventu imperiali" am 2.4.1524: MEA RTA 4c, fol. 248 - 259; s. a. RTA jg. Rh. 4, S. 564, Anm. 1. 15' RTA jg. Rh. 4, S. 564, Anm. 1. 15S RTA jg. Rh. 7, 1, S. 747 mit Anm. 1. 151 RTA jg. Rh. 7, 2, Nr. 131, S. 1249. 157 RTA jg. Rh. 7, 2, Nr. 131, S. 1249; neben Bamberg supplizierten aus dem gleichen Grund Salzburg, Freising und Passau: RTA jg. Rh. 7, 2, Nr. 168 C, S.1365. 158 Tetleben, Protokoll 1530, S. 190. 152 153
4.2.3. Supplikationsausschuß und Finanzwesen
251
berg, Freising, Regensburg und Passau uu , 1547/48 die genannten Bischöfe, indem sie "samenthafft an zaigen, wie sie hievor auff vilgehaltnen Reichstägen umb abstellung der beschwerlichen untreglichen Doppelanlag, so in königlicher Majestat Lannden auf ire Güter geschlagen werden"160; 1550/51 beschwerte sich der Bischof von Bamberg erneut161 . In die 2. Gruppe gehören überwiegend die Supplikationen, in denen die Supplik anten sich auf alte Privilegien beriefen, die sie von jeglicher Steuerleistung an Kaiser und/oder Reich befreiten. In ihrer (zweiten) Supplikation vom 15. 5. 1521 162 nahmen einige ungenannte Grafen, Herren und andere vom Adel zunächst bezug auf ihre Beschwerden von Mitte Februar 1521, die in den jurisdiktionellen Bereich gehörten163, und zeigten dann dem Kaiser an, "das zum teil wir und etliche andre graffen und herren in weilent kei. Mt. und des reichs hilfen ganz ungleich, untreglich und viI zu hoch belegt worden sind"164. Vom 20.5.1521 datierten eine Replik der Grafen, Herren und Ritterschaft an die Kurfürsten und Fürsten165 und eine Supplikation an den Kaiser u. a. wegen ihrer Veranlagung in dem Anschlag für die Unterhaltung von Reichsregiment und RKG166. In beiden Schriftstücken wiesen sie darauf hin, daß eine Veranlagung der Grafen, Herren und Ritter dem Herkommen und ihren alten Freiheiten widerspreche, und unterstrichen ihre Bereitschaft, zum Romzug des Kaisers alles zu leisten, was nach Herkommen und Billigkeit üblich seP67. Eine Woche später beschwerten sich die Supplikanten allerdings auch über ihre zu hohe Veranlagung zum Romzuge und wiederholten noch einmal ihre Klage über ihre finanzielle Beteiligung an der Unterhaltung von Reichsregiment und RKG, d. h. gegen Steuerleistungen überhaupt, die als Zeichen der Unfreiheit verstanden wurden168. 169 RK RTA 15, fol. 413 r ff. 160 MEA RTA 16, J, fol. 268v ; ebd., fol. 269 r , findet sich der Hinweis auf eine Supplikation Heinrichs, des Administrators der Stifter Worms und Freising, der unter Hinweis auf den Reichsabschied von 1530, wonach die "dopel anlag" abzustellen war, darum bat, für Freising nur den dritten Teil des Anschlages zahlen zu müssen, da "desselben Stiffts Münster den merern tail under Österreich und Baiern gelegen, und ime zu steuren nit zugelassen werden wellen"; er möchte "seine underthanen wo sie gesessen selbst [...] steuren". 181 RK RTA 24, VI, 4. 162 RTA jg. Rh. 2, Nr. 26 P, S. 261 f. 163 s. O. 3. Gruppe von Supplikationen (Kap. 3.2.2.3.3.). 164 RTA jg. Rh. 2, Nr. 26 P, S. 262. 165 RTA jg. Rh. 2, Nr. 26 S, S. 264 - 266. 166 RTA jg. Rh. 2, Nr. 57, S. 444 - 446. 167 RTA jg. Rh. 2, Nr. 26 S, S. 265 f., Nr. 57, S. 445 f. 168 RTA jg. Rh. 2, Nr. 58, S. 446 - 449.
252
4.2. Zur Arbeit des Supplikationsausschusses
Auf dem Augsburger Reichstag von 1547/48 brachten Burggraf und Baumeister der Burg Friedberg supplizierend vor, daß sie "von gemeinen Stennden des Reichs entgegen iren kay. und kon. Freyheiten in des Reichs gemeine anlag und steur getzogen werden wollen, welches so es seinen furgang haben inen zu endtlichem verderben geraichen wurde" und baten darum, sie "bey iren herprachten freyhaiten gerniglich pleiben" zu lassen 169 • 1555 machten die Ganerben der Burg Friedberg geltend, daß "sie allweg des reichs anlagen befreit gewesen" seien170 • Auf alte Freiheiten und Privilegien wies auch der Botschafter des Herzogs Johannes von Jülich-Cleve hin, als er am 17.4.1524 die Stände um Ermäßigung der Anschläge bat 17l • Schon Kaiser Maximilian hätte, so ließ der Herzog argumentieren, seinem Vater wegen der kostspieligen Kriege mit Geldern alle Reichssteuern erlassen; deshalb erschiene dem jetzigen Herzog eine Verringerung der Anschläge nur gerechtfertigt, da die weiterhin feindliche Haltung Gelderns ihn zwinge, teure Befestigungen anzulegen. Daneben begründete der Herzog seine Supplikation mit einer ungerechten Verteilung der Anschläge, wenn er aufrechnete, daß er im Vergleich mit einem Kurfürsten für Jülich, Cleve, Berg und Mark fast das Doppelte an Türkenhilfe und 400 Gulden mehr an Unterhaltskosten für Regiment und RKG zahlen müsse172 • Gleichzeitig forderte er, seine Rechte als Reichsstand zu wahren und folglich den von ihm abhängigen Grafen und Städten die Anschläge zu erlassen 173 • Auch bei diesem Teil der Bitte, der von seinem Inhalt her der 1. Gruppe von Supplikationen zuzuordnen ist, dachte der Herzog natürlich zuerst an sich: er wollte die von ihm Abhängigen nicht rechtswidrig vom Reich beschwert wissen, da sie ihm ja helfen sollten, seinen finanziellen Verpflichtungen als Reichsstand nachzukommen. Seine ganze Supplikation verknüpfte der Herzog von Jülich mit der Drohung, die Anschläge insgesamt und insbesondere eine eilende Türkenhilfe abzulehnen, sollte sie nicht erfüllt werden174 • 1555 in Augsburg beharrte er auf "vor erhaltenen decreten", nachdem wegen der eilenden Türkenhilfe gegen ihn prozessiert wurde175 • Zur Begründung wurden aber, wie die Regensburger Supplikation vom dritten Nürnberger Reichstag zeigt, nicht nur alte Privilegien bemüht. Am 14.4.1524 supplizierte der Regensburger Gesandte Johann 169 170 171 172 173 174
175
MEA RTA 16, J, fol. 106r , 148r • Hornung, S. 96 f.; vgl. Friedensburg, 1555, S. 55. RTA jg. Rh. 4, Nr. 146, S. 588 f. RTA jg. Rh. 4, Nr. 146, S. 588 mit Anm. 2, 3. RTA jg. Rh. 4, Nr. 146, S. 588 f. RTA jg. Rh. 4, Nr. 146, S. 589. Hornung, S. 97.
4.2.3. Supplikationsausschuß und Finanzwesen
253
Hiltner an die Reichsstände, man möge seiner Stadt die geforderte eilende und beharrliche Türkenhilfe wegen ihres finanziellen Unvermögens erlassen. Diese Bitte schien überflüssig zu sein, denn der Gesandte verwies auf eine Befreiung von Reichsanschlägen für eine bisher noch laufende Zeit; aber Regensburg hätte trotz seiner großen Armut und um seinen guten Willen zu zeigen dennoch die Anschläge zur Unterhaltung von Regiment und RKG gezahW 76 . Damit zeigte der Supplikant, wie die Zahlungsunfähigkeit der Stadt durch die verschiedenen Anschläge herbeigeführt worden war. 1530 wurde die Stadt Regensburg unter denen aufgezählt, die gebeten hatten, sie ganz von den Zahlungen zu befreien, allerdings mit dem Zusatz, "begert allain ein zeitlang"177. Eine zeitweise Befreiung von den Reichsanschlägen außerhalb der Türkenhilfe erhielt auf dem Augsburger Reichstag von 1555 die Stadt Schweinfurt für zehn Jahre, weil sie im Markgrafenkrieg viele Schäden erlitten hatte. Abgelehnt aber wurden die in der Supplikation dieser Stadt geforderte dreißigjährige Befreiung und das begehrte Darlehen in Höhe von 100000 Gulden178. Ihm "umb des grossen beschwerlichen schulden lasts willen die gemeine reichsanlagen und hilfen ein anzal jar nachlassen" zu wollen, war die Bitte Herzog Ottheinrichs auf demselben Reichstag179 • Die oben erwähnte Supplikation des Herzogs von Jülich180 könnte auch einer dritten Gruppe von Supplikationen zugerechnet werden, in der die Stände wegen ihrer Verdienste um Kaiser und Reich um Verringerung oder Erlaß der Reichsanschläge baten. Das tat außer Jülich z. B. 1532 Markgraf Casimir von Brandenburg in einem Brief an König Ferdinand, in dem er auf die Dienste seiner Vorfahren für den Kaiser und in verschiedenen Kriegsläufen hinwies, die ihm viele Unkosten gebracht hätten; diese wollte er bei der endgültigen Festsetzung der Anschläge angerechnet wissen181. Die Verteidigung des Reiches gegen Anfeindungen von außen nannten sehr oft die Reichsstände als Grund, die an den Grenzen des Reiches lagen, wenn sie in Sachen Reichsanschläge supplizierten. Das galt hinsichtlich der Unterhaltung von Regiment und RKG wie auch der Türkenhilfe. So berichtete Planitz am 14.11. 1522 an Kurfürst Friedrich von Sachsen, der Bischof von Lüttich habe wegen des Einfalls des fran178 177 178
179 180 181
RTA jg. Rh. 4, Nr. 135, S. 565. Förstemann, Bd. II, Nr. 160, S. 278. Hornung, S. 137 mit Anm. 365.
Hornung, S. 59. s. o. S. 252. RTA jg. Rh. 3, S. 268, Anm.
1.
254
4.2. Zur Arbeit des Supplikationsausschusses
zösischen Königs in Bouillon um Erlassung seiner Zahlungen für eine Türkenhilfe gebeten18l!. Schon am 21. 7. 1522 hatten die Pfalzgrafen Ottheinrich und Philipp es als unbillig empfunden, Türkenhilfe zu leisten, solange ihnen von Untertanen der böhmischen Krone viel Schaden zugefügt wurde und die Stände ihnen keine Hilfe gewährten, auch nicht der König von Böhmen als Kurfürst des Reiches; erst wenn ihre Beschwerden abgestellt seien, wollten sie sich wieder als christliche Fürsten erweisen183. Eine Beschwerde der Städtegesandten gegen den Entwurf einer Türkensteuer datierte vom Oktober 1522 und wurde vermutlich schon zu Beginn des zweiten Nürnberger Reichstages übergeben184. Lübeck wies 1529 auf die Anfeindungen von seiten Dänemarks hin und führte aus, "das si bisher in den reichsanschlegen uberlegt sein, mit anzaigung, was si nachtails von iren widerwertigen leiden, die si gern vom reich tringen, dero si sich on hilf des reichs enthalten müssen"186. 1530 in Augsburg gab es "ezliche" , die "vonn anslegenn gennzlich zuerledigenn gebettenn Inn ansehung Ires unvormugens unnd das sie zum tail uf unnd an frembde konigreich unnd herschafft, vonn welchenn sie beschwert, grennzen und wonen"188. Unter diesen waren der Erzbischof von Besan~on und die Bischöfe von Metz, Toul und Verdun187. Besan~on wies 1547/48 darauf hin, daß ihm eigene hohe Kriegskosten entstanden seien188, Metz, Toul und Verdun argumentierten mit ihrer Exemption189. In Regensburg 1532 lehnte der Bischof von Schleswig eine Beteiligung an der Türkenhilfe wegen anderer hoher Unkosten ab 1UO , und die Stifter Metz, Toul und Verdun supplizierten gleichfalls wegen der Reichsanschläge an die Reichsstände191 . Der Bischof Georg von Lüttich nannte 1545 in seiner Supplikation an den Wormser Reichstag die Angriffe der Franzosen auf sein Bistum als Grund, derer er sich nur unter großer Mühe und mit viel Kosten habe erwehren können192. Auf eine ähnliche Begründung stützten sich 1545 die Supplikationen der Städte Metz und Toul, die infolge zahlreicher lothringischer Überfälle große Schäden erlitten hatten193. 1547/48 wollte Holstein 182 Planitz, Br. 111, S. 243. 183 RTA jg. Rh. 3, S. 273, Anm. 1. 184 RTA jg. Rh. 3, S. 366 - 369. 186 RTA jg. Rh. 7, 1, S. 599. 188 Förstemann, Bd. II, Nr. 160, S. 279. 187 Förstemann, Bd. II, Nr. 160, S. 278. 188 MEA RTA 16, J, fol. 516v • 189 MEA RTA 16, J, fol. 104r • 190 MEA RTA 6b, fol. 190r • 181 MEA RTA 6b, fol. 161 r • 1.2 MEA RTA 11, II, fol. 98 r ff. 183 MEA RTA 11, II, fol. 405 r ff., fol. 481 r ff.
4.2.3. Supplikationsausschuß und Finanzwesen
255
von den Reichsanschlägen befreit werden184, der Herzog von Savoyen "auß vielen erzellten ursachen"185 nur die Hälfte zahlen; der Deutschordensmeister aus Livland186 und der Erzbischof von Riga 187 baten um Befreiung von allen Zahlungen, da ihre eigene Sicherheit bedroht sei und sie für ihre Verteidigung erhebliche Geldmittel aufbringen müßten. Aus vielen dieser Supplikationen spricht aber auch die Unsicherheit, ob die Supplikanten überhaupt zum Reich gehörten. So war hinsichtlich der Bischöfe von Besanc;;on, Cambrai, Metz, Toul und Verdun, des Herzogs von Lothringen oder des Königs von Dänemark in seiner Eigenschaft als Herzog von Holstein die Frage der Reichsanschläge zugleich eine verfassungsrechtliche. Diese war oft genauso schwer zu lösen wie etwa die, ob ein reichsständischer Landesherr einen Untertanen zu Recht vom Reich fernhielt und ihn selber zu Anschlägen heranzog. In diesem Punkte berühren sich diese Supplikationen mit denen unserer ersten Gruppe. Sozialgeschichtlich am interessantesten sind jene Einzelsupplikationen, die unserer 4. Gruppe zuzuordnen sind, denn sie gewähren oft einen sehr guten Einblick in die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse vor allem kleinerer Reichsstände, insbesondere auch der kleineren Reichsstädte. In ihrer Supplikation an den zweiten Nürnberger Reichstag von 1522 wies die Stadt Friedberg zunächst auf ihre hohen finanziellen Verpflichtungen aus einer früheren Verpfändung hin, denen sie jährlich nachkommen mußte, wenn auch der Pfandherr eine Zeitlang nur die Hälfte gefordert und damit der Armut der Stadt Rechnung getragen hatte. Diese Armut verdeutlichte die Supplikantin an den Tatsachen, daß eine große Sterblichkeit dafür gesorgt hatte, daß, nachdem dreihundert Herdstellen eingegangen waren, nur noch ca. zweihundert Bürger in Friedberg lebten, die meist als kleine Gewerbetreibende tätig waren, und daß ferner die Stadt keine Einkünfte aus Jahrmärkten, Wasser, Weide, Wald und Landstraßen hatte. Sodann wies sie auf ihre Leistungen hin, daß sie das Geld für die Bezahlung ihrer Schulden stets zusammengebracht habe, dazu die Hälfte der Reichsanlagen und einen Teil für die Türkenhilfe; diese seien ihr sehr schwer gefallen, weshalb sie jetzt um eine Milderung der ihr auferlegten Reichsanschläge bitten müsse188. 194 195 198 1V7
198
RK RTA 21, fol. 227 r ff.; MEA RTA 16, J, fol. 601 V, 602 r. MEA RTA 16, J, fol. 86 r, v, 567 r, 568r, v. MEA RTA 16, J, fol. 345 r, 583 v. MEA RTA 16, J, fol. 346r, 584V• RTA jg. Rh. 3, Nr. 50, S. 268 f., Anm. 1.
256
4.2. Zur Arbeit des Supplikationsausschusses
Die Stadt Nördlingen - um ein zweites Beispiel anzuführen - betonte in ihrer Supplikation zunächst ihre Treue zum Reich und hob hervor, stets und oft über ihre Möglichkeiten hinaus die vom Reich auferlegten Gelder gezahlt zu haben. 1522 in Nürnberg aber bat sie um Minderung ihres Anschlages oder wenigstens um einen Zahlungsaufschub und begründete diese Bitte mit ihrer Armut, die vor allem dadurch eingetreten wäre, daß sie über keine Güter auf dem Lande verfügte und keinen Handel trieb, sondern allein von wenigen Handwerkern in der Stadt leben müßte. Im übrigen verwies sie auf hohe Unkosten, die während der Kriege des Schwäbischen Bundes entstanden waren, auf mutwillige Beschädigungen durch fremde Angreifer und auf Sachschaden durch Sturmwind in der Stadt, zu deren Deckung sie Geld zu hohen Zinsen habe aufnehmen müssen, die jährlich nur unter großen Opfern gezahlt werden könnten. In dieser finanziellen Situation der Stadt müßten die Geldforderungen des Reiches in unzumutbarer Weise zusätzlich auf die Bürger umgelegt werden, die es "mit mangel erkargen" müßten199• Aus dieser Supplikation wird vor allem auch deutlich, wen die Reichsanschläge besonders trafen und daß die kleinen Reichsstädte unter großen Opfern zu ihren Geldleistungen bereit waren, um ihre Reichsstandschaft und die damit verbundenen Rechte nicht zu verlieren. Die Armut dieser kleinen Reichsstädte unterstreicht in besonderer Weise die Supplikation des Rates von Schlettstadt vom 6.1.1523: bei einer jährlichen Gesamteinnahme von 1000 Gulden mußte die Hälfte des Geldes für Reichsanschläge ausgegeben werden20o • Vor allem Reichsstädte waren es auch, die sich auf dem Speyrer Reichstag von 1529 über ihre Anschläge beklagten, die zum Teil schon 1521 in Worms beschlossen worden waren und längst hätten bezahlt sein sollen. Eßlingen beschwerte sich - wie schon 1522 in Nürnberg - über den alten Anschlag zur Unterhaltung des Kammergerichts und den Romzug-Anschlag, indem die Stadt darauf verwies, keine reiche Handels- und Gewerbestadt zu sein und im Württembergischen Krieg großen Schaden erlitten zu haben; schon die bisherigen Reichs- und Bundesauflagen hätte man nur mit Hilfe von Anleihen bezahlen können, wie den städtischen Rechnungsbüchern zu entnehmen sei 201 • In ähnlicher Weise bat der Gesandte Johannes Durplatz für die Stadt Friedberg202 • Im übrigen werden als Gründe für eine Verminderung der Anschläge bzw. eine Befreiung von ihnen auf den Reichstagen genannt: 199 200 201 202
RTA jg. Rh. 3, Nr. 50, S. 269, Anm. 1. RTA jg. Rh. 3, Nr. 137, S. 78 f. RTA jg. Rh. 7, 2, Nr. 116, S. 1203; vgl. RTA jg. Rh. 7, 1, S. 674. RTA jg. Rh. 7, 2, S. 1203, Anm. 2.
4.2.3. Supplikationsausschuß und Finanzwesen
257
Brandkatastrophen (1541 von den Städten Wangen und Northeim)20S, Mangel an steuerleistungsfähigen Untertanen und damit an Einkommen (1529 von der Stadt Memmingen 204 , 1545 vom Bischof Adrian von Sitten)205, Zahlungsunwilligkeit der Untertanen (1546 vom Erzbischof von Bremen, der um Hilfe bei der Eintreibung der Türkensteuer in seinem Erzstift bittet)206, Verfall und Armut (1547/48 vom Abt zu Münster in St. Gregorienta120 7 und vom Abt von Berchtesgaden)208, zugefügter Schaden (1547/48 der Abt Philipp von Fulda)209, Schaden durch Landfriedensbrüche (1555 von Herzog Heinrich von Braunschweig)210, Zahlungsunfähigkeit infolge vieler säumiger Schuldner (1555 von der Stadt Goslar)211, großer Schaden und viele Belästigungen durch Kriegsvolk während des Markgrafenkrieges (1555 von den jungen Herzögen von Sachsen)212, eigene hohe Schulden (1555 von Herzog Ottheinrich)213. Im Hinblick auf die Reichsanschläge war es - wie unsere wenigen, aus einer Unzahl von Supplikationen ausgewählten Beispiele der Regierungszeit Karls V. zeigen - normal, daß sich Reichsstädte über zu hohe Steuerforderungen beschwerten; aber es gab auch Fälle, in denen man darauf bestand, zur Zahlung von Reichsanschlägen verpflichtet zu sein. Auf dem Augsburger Reichstag von 1547/48 beschwerten sich wie wir bereits sahen 214 - die Harzgrafen Ernst von Hanstein, Günther von Schwarzenburg, Wolfgang von Stolberg und Hans Georg und Hans Albrecht von Mansfeld darüber, daß sich "die Chur und Furstenn zu Sachssen understehn, sie alls Graven deß heylligen Reichs entgegen Irer Freyheit und alltem herkhomen vom heylligen Reich außzuziehen und gegen demselben mit Reichssteuern und annderm zu verdretten"215. Sie sahen ihre Reichsstandschaft durch rechtswidrige übergriffe und die Tatsache gefährdet, daß die großen und mächtigen reichsfürstlichen Nachbarn sie in allen Angelegenheiten, insbesondere auch den finanziellen Verpflichtungen, gegenüber dem Reich vertreten wollten und die Harzgrafen dafür wie ihre Untertanen behandelten216 . Indem 203 204 205 208 207 208 209 210
211 212 213 214 215 216
RK RTA 7, VIII, 10, fol. 21 r - 31 r • RTA jg. Rh. 7, 1, S. 616. MEA RTA 11, 11, fol. 92r - 94 r . RK RTA 19, 111, 14. MEA RTA 16, J, fol. 83 v . MEA RTA 16, J, fol. 605 r , 608 r ff. MEA RTA 16, J, fol. 346v, 585 r . MEA RTA 38, fol. 254 v . Hornung, S. 84. RK RTA 31, VI, 28; Hornung, S. 155. Hornung, S. 59; MEA RTA 38, fol. 110 r -l11 v • s. o. S. 218 ff. MEA RTA 16, J, fol. 76r , 517 V• MEA RTA 16, J, fol. 76r •
17 Neubaus
258
4.2. Zur Arbeit des Supplikationsausschusses
dem Reich bei Duldung dieser Übergriffe fünf zur Zahlung von Reichsanlagen verpflichtete Reichsgrafen entzogen würden, hätte dies - so argumentieren die Supplikanten - eine "schmelerung des heylligen Reichs" zur Folge2 17 • An diesem Beispiel wird der enge Zusammenhang von steuer- und verfassungsrechtlichen Problemen besonders deutlich, mit denen die Reichsanschläge verbunden waren. Es stellt zudem keinen Einzelfall dar, denn unter den Supplikationen, mit denen sich der Reichstag der Jahre 1547/48 zu beschäftigen hatte, befinden sich noch andere Beschwerden gegen den Kurfürsten Moritz von Sachsen, die verfassungsgeschichtlich besonders interessant sind und einen politischen Vorgang in der Entstehungsphase des "modernen Staates" aufhellen. Neben den Harzgrafen, die ja auch schon auf dem Speyrer Reichstag von 1526 ihre Supplikation in Sachen Reichsanschläge mit ihrem Anspruch verknüpften, im Reichsrat vertreten zu sein 218 , und 1547/48 das Reich zum Schutz ihrer "regalien, privilegien und freyheiten" baten 219 , forderte die Stadt Mühlhausen22o, die 1525 Mittelpunkt des Aufstandes unter Thomas Müntzer in Thüringen gewesen und von Moritz von Sachsen erobert und eingenommen worden war, die Einhaltung des Reichstagsbeschlusses von 1542, wonach "gemaine Statt bey dem Reich alls ein gliedt desselbigen pleiben soll"; sie wehrte sich gegen ein vom sächsischen Kurfürsten über die Stadt gesetztes Regiment221 • Entschied der Supplikationsausschuß im Fall Mühlhausens, "das Ire key. Mat. zu erhalltung und handthabung Irer Mayt. unnd deß heylligen Reichs recht und gerechtigkeith" tätig werden sollte222 , so bat er im Fall der Harzgrafen den Beklagten um einen Gegenbericht223 , wie er es auch bei den anderen gegen Moritz von Sachsen gerichteten Bitten und Beschwerden zu bedenken gab 224 • Diese Supplikationen des Bischofs von Meißen und Merseburg 226, der Äbtissin von Quedlinburg226, des ErwählMEA RTA 16, J, fol. 76 r . Friedens burg, 1526, S. 452, Anm. 3. 219 MEA RTA 16, J, fol. 76 v • 220 MEA RTA 16, J, fol. Ir - 29 V , mit verschiedenen Schriftstücken dazu. 221 MEA RTA 16, J, fol. 77 r ff.; um die Reichsstandschaft des thüringischen Mühlhausen ging es schon in einer Supplikation der Reichsstädte an den Kaiser auf dem Regensburger Reichstag von 1532 (MEA RTA 6b, fol. 172r ); unter Ablehnung der Restitution beantworteten die Reichsstände diese am 8.7.1532 mit dem Hinweis auf die Rechte, die 1530 in Augsburg Kursachsen und Hessen zugesprochen worden waren (MEA RTA 6b, fol. 173 r ). 222 MEA RTA 16, J, fol. 79 V ; vgl. ferner fol. 30 r • 223 MEA RTA 16, J, fol. 76 v • 224 MEA RTA 16, J, fol. 348r , 586 r • 225 Vorgelegt am 16.4.1548 durch Dr. Leopold Dick (MEA RTA 16, J, fol. 383 r ); um die Reichsstandschaft ging es auch schon 1541 in zwei Supplika217
218
4.2.3. Supplikationsausschuß und Finanzwesen
259
ten und Bestätigten Bischofs Julius Pflugk von Naumburg und des Burggrafen Heinrich von Meißen 227 beinhalten zwei Komplexe, über die der Supplikationsausschuß getrennt befand 228, wenngleich ihr Zusammenhang evident war: es ging um die Angriffe des Kurfürsten von Sachsen auf die Reichsstandschaft und zugleich um die finanziellen Leistungen der sich als Reichsstände verstehenden Supplikanten für das Reich. So wollten die Bischöfe von Naumburg, Meißen und Merseburg nur die alten Anschläge zahlen, nicht die 1545 in Worms erhöhten229 , und betonten die Bischöfe und die Äbtissin von Quedlinburg, alle Reichsanschläge immer selbst, direkt und "one mittel" geleistet zu haben230 . Mit dem Angebot, sich "in leidlichen zimblichen Anschlegen dem Reich zu gehorsamen", verknüpfte der Burggraf von Meißen seine Bitte, die Frage seiner Reichsstandschaft und damit die nach Sitz und Stimme auf den Reichstagen positiv zu beantworten231 . Dazu sah sich der Supplikationsausschuß nicht sofort in der Lage, sondern wollte diesen Fall "strittiger Session zu seiner Zeit gebürlich beraten"232. Die Betonung der grundsätzlichen Bereitschaft zur Zahlung von Reichsanschlägen erweist sich im Gesamtzusammenhang dieser Supplikationen als ein Argument für die Reichsstandschaft und gegen die Übergriffe des Kurfürsten von Sachsen. Wie die Harzgrafen berief sich die Äbtissin von Quedlinburg daneben auf die Regalien, Freiheiten und hergebrachten Gerechtigkeiten und auf die Tatsache, daß ihre Vorgängerinnen jederzeit ersucht wurden, sich auf Reichsversammlungen durch ihre Anwälte vertreten zu lassen, wo sie immer Sitz und Stimme hatten; sie verneinte jegliche Jurisdiktion des Kurfürsten über ihr Kloster und Gotteshaus, wehrte sich gegen alle beschwerlichen Neuerungen und war bereit, notfalls in einem Prozeß für eine rechtliche Klärung sorgen zu lassen233 . Für den Bischof von Meißen und Merseburg bat Dr. Leopold Dick, Kurfürsten, Fürsten und Stände sollten Moritz von Sachsen zurechtweisen und auf ihn einwirken, seine Übergriffe auf die Reichsstandschaft zu unterlassen234 . Insgesamt sind diese Supplikationen nicht nur wegen ihres gemeinsamen Gegenstandes und Zieles von besonderer Bedeutung - ähnliche tionen des Bischofs von Meißen gegen den Herzog von Sachsen: RK RTA 7,
VIII, 29, fol. 103 r - 107v. 226 Präsentiert am 13.4.1548: MEA RTA 16, J, fol. 386 r• 227 MEA RTA 16, J, fol. 410 r - 416 r. 228 MEA RTA 16, J, fol. 348 r, 586 r. 229 MEA RTA 16, J, fol. 107v, 269 v. 230 MEA RTA 16, J, fol. 347r, v, 585v, 586r, v. 231 MEA RTA 16, J, fol. 350 r, 412 r, 415 r, 586 v. 232 MEA RTA 16, J, fol. 586 v, 350 r, 597 V • 233 MEA RTA 16, J, fol. 585 v, 586 r. 234 MEA RTA 16, J, fol. 347 r, 585 v• 17·
260
4.2. Zur Arbeit des Supplikationsausschusses
Beschwerden finden sich auch in vielen anderen Supplikationen -, sondern wegen ihres politischen Hintergrundes. Hält man sich vor Augen, daß in allen diesen Supplikationen Moritz von Sachsen der Beklagte ist, dem alle Supplikanten widerrechtliche Angriffe auf ihre Reichsstandschaft vorwerfen, macht man sich ferner klar, daß die Territorien und reichsunmittelbaren Gebiete dieser Supplik anten alle an das Kurfürstentum Sachsen angrenzen oder von ihm umgeben waren, so werden diese Supplikationen zu Hilferufen kleinerer Reichsstände gegen die Arrondierungs- und Expansionspolitik des großen Nachbarn. Moritz von Sachsen war stets um die Vergrößerung und den Ausbau seines Territoriums im Sinne des "frühmodernen Staates" bemüht und wenig geneigt, auf reichsrechtliche Gegebenheiten Rücksicht zu nehmen. Folgt man der erwähnten Naumburger Supplikation, so hatte der Kurfürst den Kaiser, der ihm ja wegen seiner Hilfe im Schmalkaldischen Krieg verpflichtet war, gebeten, er möge ihm gestatten, etliche Bischöfe, Prälaten, Grafen und Herren zu sich zu ziehen, die unter seinem kurfürstlichen Schutz standen 236 • Die Antwort des Kaisers auf ein solches Begehren kennen wir nicht; die betroffenen Reichsstände aber reagierten auf die Politik Moritz' nicht geschlossen, sondern einzeln in Form von Supplikationen an Kaiser und Reichstag, jeder dabei nur an sich denkend, auf seine Rechte hinweisend, wie der Erwählte und Bestätigte von Naumburg, der in seiner Supplikation die Hoffnung zum Ausdruck brachte, nicht von Moritz von Sachsen gemeint zu sein236 • In gleicher Weise reagierte am Nachmittag des 21. 4.1548 im Kurfürstenrat Dr. Dick für den Bischof von Meißen und Merseburg: nachdem Relationen des Supplikationsausschusses zu etlichen Bitten und Beschwerden u. a. über Moritz von Sachsen - in Gegenwart der Reichsstädte von Kurfürsten und Fürsten verlesen und beraten worden waren, die der Kaiser der Mainzer Kanzlei übergeben hatte 237 , baten die sächsischen Räte um Abschriften, da sie vernommen hatten, "dz ettliche Suplicationen verlesen so ire hern betreff". Daraufhin bat Dr. Dick, "die Supplication zu des Reichs Sachen zu Registrirn und prothocollirn" und fuhr fort: "Dann ob wol key. Mat. Herzog Moritzen von Sachsen etlich Stifft und Closter wie er bericht, ersucht, verhoffe er doch dise zwen Stifft sollen darunder nit verstanden sein noch werden23B ." Die Masse von Supplikationen, die eine Verringerung oder gar Streichung der von einem Reichstag festgesetzten Reichsanschläge zum Ziele hatten, beweist uns, daß in Anbetracht einer je besonderen Situation die für jeden Reichsstand festgelegte Höhe eines zweckgebundenen 235 238 237 238
MEARTA 16, J, fol. 586r, v. MEA RTA 16, J, fol. 586v . MEA RTA 14b, E, fol. 326v . MEA RTA 14b, E, fol. 327 r.
4.2.3. Supplikationsausschuß und Finanzwesen
261
Anschlages zum Gegenstand bilateraler Auseinandersetzungen zwischen dem Reich und dem einzelnen Reichsstand werden konnte. Verhandlungspartner der Supplikanten war der durch den Supplikationsausschuß vertretene Reichstag, der die Anschläge beschlossen hatte. Dieser aber konnte sich bei der Behandlung und Erledigung dieser Art von Bitten und Beschwerden auf keinen Reichshaushalt stützen, der Auskünfte über Einnahmen und Ausgaben des Reiches gab. So wie Reichsunternehmungen einzeln durch Festlegung des Beitrages eines jeden Reichsstandes finanziert wurden, so mußte auch jede Supplikation einzeln unter politischen, finanziellen, sozialen und verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten geprüft werden. Dabei ging es vor allem darum, die Notwendigkeit der Zahlungen für das Reich mit der Zumutbarkeit für den Supplikanten unter Berücksichtigung der in den Reichsabschieden reichsrechtlich verankerten Anschläge in Einklang zu bringen. Dies aber war auf den Reichstagen der Zeit Karls V. nie die Aufgabe der Supplikationsausschüsse, sondern immer die anderer Gremien. Auf die Tatsache hin, daß "bei den zwaiundfunfzig supplication von etzlichen fursten, bischofen, grafen und herrn in wenigen tagen einkommen, die sich der angelegten hulf, auf nechstem reichstag zu W ormbs beschehen, etwas hoch beschwert finden "239 und daß auch "vil von stetten, als Collen, Metz, Regensburg und mer stet, auch fursten, als nemlich margraff Casmirus, und auch etliche prelaten und graiffen suplicirt [haben], wie sie zu hoch und uber ire vermogen zu geben angeschlagen sint und dobie neben ire beschwernis auch angezeugt, herumb sie pitten, den anschlag bei innen zu erlichtern"240 - so Philipp von Feilitzsch am 26. 12. 1522 in einem Brief an Herzog Johann von Sachsen und H. v. Holzhausen schon am 12.12.1522 in einem Schreiben an den Rat von Frankfurt - wurde auf dem zweiten Nürnberger Reichstag von 1522/23 "zu denselben clagschriften [ain] ausschuss verordent"241. Dieses ist auch der Zusammenstellung der verschiedenen Ausschüsse des Reichstages von 1522/23 zu entnehmen, wo es im Anschluß an die protokollarische Aufzeichnung eines Mainzer Rates über die Reichstagsverhandlungen bei der Nennung der Ausschußmitglieder heißt: "Zu den supplicacion, dieselben zu ermessen und der Planitz, Br. 127, S. 287 f. RTA jg. Rh. 3, Nr. 206, S. 878; so ähnlich Holzhausen am 22.12.1522 (RTA jg. Rh. 3, Nr. 208, S. 883); Röttinger nennt in seinem Brief vom 26.12. 1522 an Nördlingen "bei 24 stetten" (RTA jg. Rh. 3, Nr. 211, S. 885), auf die auch Holzhausen in einem weiteren Schreiben vom 12. 1. 1523 zu sprechen kommt (RTA jg. Rh. 3, Nr. 231, S. 902). 241 Planitz, Br. 127, S. 288; Holzhausen spricht davon, daß "zum selbigen anschlag ein ausschoiss verordent und under den stetten ist her Bernhart Wormser von Stroisberg darzu vorordent" (RTA jg. Rh. 3, Nr. 208, s. 883); so auch Röttinger an Nördlingen: RTA jg. Rh. 3, Nr. 211, S. 885. 239
240
262
4.2. Zur Arbeit des Supplikationsausschusses
parthien beschwerde darauf zu horen, seind verordent 242 ." Diesem Gremium, am 26. 12. 1522 "in steter arbait, domit solchem anschlag ein maß gegeben werde"243, gehörten neben vier Vertretern der geistlichen, zweien der weltlichen und einem der Reichsstädte auch zwei Regimentspersonen an 244 , was - unterstellt man die als sicher anzunehmende Beteiligung der Kurfürsten 245 - die große Bedeutung dieses Ausschusses unterstreicht. Im Frankfurter Schreiben vom 31. 12. 1522 an Friedberg werden Regimentspersonen als Mitglieder dieses Ausschusses bestätigt246 , während Bürgermeister Hans Holdermann am 9.1. 1523 in seinem Brief an Eßlingen den kaiserlichen Rat Dr. Gregor Lamparter als Vertreter des Regiments und damit auch des Kaisers nennt247 . Die Tatsache, daß überhaupt Regimentspersonen in diesem Ausschuß saßen, schließt eine Identität dieses Gremiums mit dem Supplikationsausschuß aus, auch wenn einige reichsständische Vertreter in beiden Mitgliederlisten genannt werden 248, denn der Supplikationsausschuß war immer ein interkurialer Ausschuß der auf einem Reichstag versammelten Reichsstände. Es war zudem keineswegs etwas Ungewöhnliches, wenn für besondere Supplikationen ein besonderes Gremium eingesetzt wurde. So gab es auf demselben Reichstag von 1522/23 einen Ausschuß für "der stet supplicacion", "der stat Strassburg supplicacion" und weitere solcher Gremien249 . 242 RTA jg. Rh. 3, Nr. 51, S. 282 f., Anm. 1, hier S. 283; MEA RTA 4b; der andere, RTA jg. Rh. 3, S. 282, genannte Ausschuß "zu witer beratschlagung des gemeinen anschlags, denselbigen zu lindern, uf den oder andere leidlicher wege zu reden", dem als Vertreter der Kurfürsten Philipp von Feilitzsch angehörte, ferner der Hochmeister in Preußen, Freiherr Gangolf von Geroldseck, der Bischof von Passau, der Bürgermeister von Ulm; dazu sollten auch Vertreter des Reichsregiments kommen. 243 Planitz, Br. 127, S. 288. 244 RTA jg. Rh. 3, Nr. 51, S. 282 f., Anm. 1, hier S. 283: Hochmeister in Preußen, Markgraf Albrecht von Brandenburg, Bf. v. Augsburg, Christoph von Stadion, Bf. v. Freising, Pfgf. Philipp, Dr. Bernhard Scholl als Vertreter des Bischofs v. Worms, ein Vertreter des Bischofs von Speyer, Georg von der Pfalz, Kanzler Johann Feige für den Lgf. v. Hessen, Hans Portner als Vertreter Regensburgs für die Reichsstädte; die Vertreter des Regiments waren der Salzburger Erzbischof Matthäus Lang von Wellenberg und der Trierer Kanzler Dr. Heinrich Dungin von Wittlich. - Holzhausens Schreiben vom 22. 12. 1522 an Frankfurt nennt anstelle des Regensburger Kämmerers Dr. Bernhard Wormser aus Straßburg als Vertreter der Reichsstädte, was es möglich erscheinen läßt, daß die Städte zwei Vertreter hatten: RTA jg. Rh. 3, Nr. 208, S. 883. !45 s. o. Kap. 4.1.2. 248 RTA jg. Rh. 3, S. 883, Anm. 1. 247 RTA jg. Rh. 3, Nr. 228, S. 897. 248 Die Mitgliedschaft eines Reichsstandes in verschiedenen Ausschüssen war keine Seltenheit; s. o. Kap. 2.2.1. 248 RTA jg. Rh. 3, S. 282 f., Anm. 1.
4.2.3. Supplikationsausschuß und Finanzwesen
263
Das Zustandekommen dieses Ausschusses zur Beratung von Supplikationen in Anschlagsangelegenheiten, das als "geschäftsordnungsmäßig" zu bezeichnen ist, beschreibt H. von Holzhausen ausführlich in seinem Brief vom 12. 1. 1523 an Frankfurt: Die Stände, an die suppliziert worden war, haben "dem groissen ausschoiß einsehens zu thun bevolen", worauf dieser "einen kleinen ausschoiss vorordent, soliche supplicaciones zu besichtigen, diesel bigen, so dermoissen supplicirt, zu besichtigen und dan nach jedes gelegenhoit zu handeln, wie dan solichs auch gegen etzlichen furgenomen"25o. Dabei hat er zugleich die Aufgaben dieses Gremiums umrissen, wie sie schon Dr. Paul Röttinger, der Gesandter Nördlingens am Regiment war, am 26. 12. 1522 beschrieben hatte 251 • Im Januar 1523 aber war der Ausschuß in seinem Bemühen bereits gescheitert, denn Holzhausen fuhr in seinem Schreiben vom 12. 1. fort: "Als aber der ausschoiss nichtz hait in den anschlegen weissen zu endem oder ob einiges nachzuloissen und wu vil und demnach solichs widder an die stend pracht, haben churfursten, fursten und andere obgemelten prelaten uber und widder solichs alles, wie oben erzelt, sich zuletzt des voreiniget und beschloissen, bei gethan anschlegen zu bleiben, in ansehung die groissen notturft und domit auch die zusag den Hungern widder die Durken beschehen gehalten mocht werden 252 ." Die Städte allerdings waren damit nicht einverstanden, sondern hielten "wieter umb erlichterung" an; einige erboten sich, "ire groiss unvermogen durch darlegen der register ires inkommens und ausgebens zu beweren oder, so von noiden bei irren eiden zu bedeuern", woraufhin beschlossen wurde, daß man "dieselbigen, so sich wie oben erbotten, in solicher ire vordragen und beschwernus horen solt" und daß "dem regement und groissen ausschoss weiter mit innen zu handeln bevolhen" werden sollte258 • Aber insgesamt waren die Bemühungen des Reichstages gescheitert, eine Lösung im Sinne der Supplik anten herbeizuführen. RTA jg. Rh. 3, Nr. 231, S. 902. m RTA jg. Rh. 3, Nr. 211, S. 885 f.; "derohalben ain ausschutz die supplication und die supplicanten zu verlesen und zu verhörn gemacht und denselbigen bevelch geben, den beschwerten nach gelegenhait irs vermögens an der underhaltung regiments und camergerichts, auch an dem Turkenzuge nachlassung zu thon, in sonderhait denjenigen, so die register irs vermögens, einnemens und ausgebens, darlegtend oder ir furgeben mit dem aid bedeuren möchtend". In gleichem Sinne am 5. 1. 1523 Röttinger an Nördlingen: RTA jg. Rh. 3, Nr. 224, S. 895. Feilitzsch hatte am 29.12.1522 geschrieben, der Ausschuß sollte "die anschleg derihenigen, so zu hoch angelegt, messigen (Planitz, Br. 129, S. 291), und Frankfurt ließ Friedberg am 31. 12. 1522 wissen, daß "eins jeden beswerung in eigener person anzuzeigen" war und "niemants von eins andern wegen gehort" werden sollte: RTA jg. Rh. 3, S. 883, Anm. 1. 252 RTA jg. Rh. 3, Nr. 231, S. 902. 253 RTA jg. Rh. 3, Nr. 231, S. 902. 250
264
4.2. Zur Arbeit des Supplikationsausschusses
Dies dokumentiert der Reichsabschied vom 9. 2. 1523, in dem festgehalten wurde, daß "nach gehabter underhandlung mit obgemelten supplicirenden die sach dahin bracht", daß sie die beschlossenen Anschläge bewilligten254. Erfolgreicher waren die Supplikanten auf dem Nürnberger Reichstag von 1524. Aus Simon Ribeisens Protokoll für den Bischof von Straßburg wissen wir, daß bezüglich der Supplikation der Stadt Friedberg am 4. 3. 1524 beratschlagt wurde, "das von solichen beschwerungen zu andern zeiten, so von den andern anschlegen und underhaltung regiments und camergerichts weiter geret, solich supplication auch bedocht werde"255. Hier deutet sich eine zusammenfassende Behandlung aller Reichssteuerfragen an, die auch in einer zweiten Notiz des Protokollanten vom 14.3.1524 anklingt, wo es zur Beschwerde des Deutschmeisters heißt: "teucht sie billich, das zu der zeit, so man von anschlegen reden wurd, geburlich insehens und erleichterung beschee"256. Mochten die Supplik anten die Hoffnung haben, daß über ihre Probleme noch während des Reichstages beraten würde, so wurden sie darin vom Verlauf des Reichstages enttäuscht. Am Ende wurden sie im Abschied darauf vertröstet, "das den beswerten und c1agenden deshalb nach irem vermögen und gelegenheit auf ir gnugsam gruntlich bestendig dartun ires unvermogens zimblicher mass messigung beschee. Und sollen unser stathalter und regiment ainem jeden auf sein ansuechen und darthun, wie jetz gemelt, seiner aufgelegten tax und anslags der gebure ringerung und milterung tuen, doch das ain jeder beswerter in zwaien moneten den nechsten, nachdem ime solher anslag zu wissen gethan und verkundt wirdet, bei unserm stathalter und regiment zu Esslingen ansueche"257. Hinsichtlich der Verringerung von Reichsanschlägen aufgrund von Supplikationen wurde auf dem Speyrer Reichstag von 1529 ähnlich verfahren, was zu demselben Ergebnis führte. Der Supplikationsausschuß war bei ca. 85 Supplikationen um Verringerung oder gar Streichung der Anschläge nicht in der Lage, zu einer Entscheidung zu kommen, da er "eins jeden stands gelegenheit und vormuglicheit nit wissens tregt" und sich nicht mit jeder einzelnen Bitte und Beschwerde befassen konnte. Deshalb schlug er vor, "sofer die ringerung zugelassen, das man dieselbigen sachen dem ksl. stathalter und Rgt in einer benanten zeit auszurichten befelhen, also das sie auch die stende, so in aufnemen und ufwachsen kommen, am anschlag steigen mogen, damit dem anschlag nichts entzogen werde. Und welicher in der benanten zeit nit 254 255 258 257
RTA jg. Rh. RTA jg. Rh. RTA jg. Rh. RTA jg. Rh.
3, 4, 4, 4,
Nr. 117, S. 742. Nr. 25, S. 131. Nr. 25, S. 141. Nr. 149, S. 598 f.
4.2.3. Supplikationsausschuß und Finanzwesen
265
kompt, und deshalb ringerung begert, soll hinfurter nit geringert werden, wie dan hievor auch gescheen. Welcher stand auch mit seinen registern und andern urkunden darzu mit seinem eid glaublich anzeigen und bedeuern kan, das sein jerlich notwendig ausgeben ubertreff sein jerlichs inkommens, dem und sunst niemants soll nach pillicheit ringerung gescheen u258 . Diese Meinung des Supplikationsausschusses ist den Ständen im Großen Ausschuß wohl am 21. 4. 1529 vorgetragen worden, die sich ihr aber nicht anschlossen, vielleicht aus Mißtrauen gegenüber dem Regiment. Stattdessen erörterten sie andere Möglichkeiten der Erledigung der Supplikationen, lehnten aber einen besonderen Moderationstag ab, auf dem je zwei Vertreter aller Reichskreise eine Revision der Reichsanschläge vornehmen sollten, ebenso wie eine Verringerung durch die einzelnen auf dem Reichstag vertretenen Gruppen der Reichsstände. Auch auf eine Moderationskommission konnte man sich nicht einigen, obwohl am 19.4. beschlossen worden war: "Item zu ringerungen der anlag sall auch deputirt werden ein uschoes 259 . u Schließlich wurde auch der Vorschlag abgelehnt, den Anschlag eines jeden zu verringern, der unter Eid seine "insufficientia" dargelegt hatte, "quia ho die quilibet iuraret se esse pauperum et ita taxe omnes perderentur et diminuerentur et ad nichilum redigerentur"26o. So sah sich der große Ausschuß gezwungen, selbst eine Moderation der Anschläge vorzunehmen, freilich in einer Weise, die zu keinen tiefgreifenden Veränderungen führte und nur den guten Willen des Reichstages gegenüber den Supplikanten unterstreichen soll te261 . Im Abschied vom 22. 4. 1529 wurde diese Geste des Großen Ausschusses denn auch nur beiläufig erwähnt ("es seien dan zuvor solhe anschlege nach eins jeden stands gelegenheit und vermogen geringert und gemeßigt und stattdessen herausgehoben, daß "mit denjenen, so sich der anschleg beschweren und deshalb supliciert haben, aus angezaigten ursachen sovil geredt und gehandlet, daz si allain dismals zu furderung solches gueten werks gedult tragen wellen, doch das in kunftigen anschlegen irenthalb gepurlichs insehens beschehe"262. U
)
Aber der Supplikationsausschuß von 1529 nahm auch noch zu anderen Problemen im Zusammenhang mit den Reichsanschlägen Stellung. 258 RTA jg. Rh. 7, 2, Nr. 168 C, S. 1365; vgl. Kühn, 1529, S. 197, dessen Ausführungen auch für das Folgende herangezogen wurden. 259 Nach Tetlebens Protokoll, RTA jg. Rh. 7, 1, S. 782; vgl. Kühn, 1529,
S. 140, 195.
280 Hier wie zum Ganzen: Tetlebens Protokoll von 1529, RTA jg. Rh. 7, 1, S. 798; vgl. Kühn, 1529, S. 197 f. 281 RTA jg. Rh. 7, 2, Nr. 168 D, S. 1367 -1369; vgl. Kühn, 1529, S. 198. 262 RTA jg. Rh. 7, 2, Nr. 148, S. 1303, in Verbindung mit S. 1150; s. a. RA
II, 1529, § 24, S. 297.
266
4.2. Zur Arbeit des Supplikationsausschusses
Den Reichsständen empfahl er, für die, die infolge einer Besteuerung ihrer in Österreich gelegenen Kammergüter durch das Haus Österreich doppelt zur Kasse gebeten wurden, beim König von Ungarn und Böhmen vorstellig zu werden, "sollich beschwerung den obgemelten stieften [Salzburg, Bamberg, Freising, Pass au u. a.] abzuwenden oder aber dem stathalter und Rgt zu befelhen zu beratschlagen, welchermaßen dem ein mittel und ringerung funden werden mocht"263. Der Supplikationsausschuß kam also zu keiner konkreten Entscheidung, sondern schlug den Ständen immer nur vor, was sie tun könnten. Dabei war er sich der Möglichkeiten der Reichsstände und der Konsequenzen der einen oder anderen Entscheidung voll bewußt, wie seine Haltung bezüglich der Supplikationen der "welschen stenden" zeigt. Wenn der Reichstag die Supplikationen von Savoyen, Lothringen, Metz, Toul, Verdun u. a. verwarf und "mit der scherpf der acht und privirung irer regalien" vorging, "mocht man sie vom reich gar verscheichen und vertreiben, das sie sich an ain ander herschaft ergeben". Andererseits: "Soll man dan gegen inen nichts furnemen, so bringt es auch kein nutz und werden die anschlege dem reich entzogen264 ." Da das Reich auf die Anschläge angewiesen war, mußte ein Weg gefunden werden, der die "welschen stende" beim Reich hielt und sie zugleich von der Notwendigkeit der Zahlung ihrer Steuern überzeugte. Der Große Ausschuß aber hat sich damit ebensowenig befaßt wie die Gesamtheit der Reichsstände 265 , denn "die Frage der steuerlichen Heranziehung der Grenzterritorien richtete sich seit langem mehr nach deren Macht oder Selbständigkeit als nach dem Willen der Reichsbehörden". Kühn hat deshalb zu Recht von der "Hilflosigkeit des Reichstags den welschen Territorien gegenüber" gesprochen268. 1532 in Regensburg war dieses Problem mit einer Supplikation des Herzogs von Lothringen erneut aufgetaucht, in der er sich über die Eingriffe des kaiserlichen Fiskals in die lothringische Gerichtsbarkeit beschwerte. Während die Vertreter des Supplikanten die Meinung vertraten, daß Lothringen schon immer souverän gewesen sei und deshalb vom Reich nicht zu Leistungen und Steuern gezwungen werden könne, wollten die Reichsstände diesen Versuch, sich der Oberhoheit des Reichs zu entziehen, scheitern lassen, da der Herzog von Lothringen immer ein Lehensmann des Kaisers gewesen und als Glied des Reiches an den Reichstagen teilgenommen habe, oder doch zu ihnen eingeladen 283 RTA jg. Rh. 7, 2, Nr. 168 C, S. 1365; vgl. Kühn, 1529, S. 197, Anm. I, der auch den politischen Hintergrund dieser Supplikation hervorhebt. 284 RTA jg. Rh. 7, 2, Nr. 168 C, S. 1366; vgl. Tetlebens Protokoll zum 21. 4. 1529: RTA jg. Rh. 7, I, S. 798; vgl. Kühn, 1529, S. 198 ff. 265 Tetlebens Protokoll zum 21. 4.1529: RTA jg. Rh. 7, 1, S. 798. 266
Kühn, 1529, S. 200.
4.2.3. Supplikationsausschuß und Finanzwesen
267
worden sei. Als Reichsstand aber habe er auch Reichsanschläge zu leisten287 • Dieses Urteil gilt erst recht für den Supplikationsausschuß, der sich - wie wir an den Beispielen von 1522/23 und 1529 sahen - mit den Reichsanschlägen zu befassen hatte, die Gegenstand von Bitten und Beschwerden geworden waren. Aber das Gutachten des Ausschusses für Supplikationen von 1529 268 ist nicht nur ein Beleg für die Machtlosigkeit dieses Gremiums angesichts finanzieller Probleme, sondern erklärt sie auch, indem es deutlich macht, daß sich der Supplikationsausschuß über die einzelnen Supplikationen hinaus mit dem Gesamtgebiet der Reichsfinanzen beschäftigte. Dies geschah durch Stellungnahmen zu Berichten des Fiskals über Eingang und Ausbleiben von Steuerleistungen, Hinweis auf die besondere Problematik der Stände in den Grenzgebieten und Vorschläge zu einer Überprüfung der verschiedenen Reichsanschläge 289 • Indem sich der Supplikationsausschuß mit der Situation der Reichsfinanzen insgesamt beschäftigte und eine Antwort auf die Frage suchte, wie die Anschläge säumiger und verweigernder Stände dem Reich für seine notwendigen Unternehmungen zugeführt werden könnten, weitete er seinen ursprünglich auf Supplikationen bezogenen Arbeitsbereich aus und stieß an die Grenzen seiner Entscheidungsmöglichkeiten: gerade weil er die ganze Komplexität der Reichsfinanzen kannte, konnte er bei den einzelnen Supplikationen zu keiner von ihm zu verantwortenden Entscheidung kommen. Die Veränderung der Steuerleistung auch nur eines Reichsstandes hätte den Zwang zu einer umfassenden Revision des gesamten Reichsanschlages zur Folge gehabt und bei seiner Verminderung zu einem Defizit gegenüber den geplanten Ausgaben geführt; dieses hätte nur durch Änderungen der Unternehmungen ausgeglichen werden können, für die die Reichsanschläge bestimmt waren. Aufgrund solcher haushaltstechnischer Überlegungen zog es der Supplikationsausschuß vor, jede Entscheidung finanzieller Fragen zu vermeiden und beließ es hinsichtlich der Supplikationen bei Vorschlägen für das weitere Verfahren oder beim Aufzeigen von Entscheidungsalternativen270• Der Supplikationsausschuß konnte und wollte die politischen Konsequenzen nicht verantworten, weshalb er auch auf dem Augsburger Reichstag von 1530 in seinem Bedenken vom 21. 8. 1530 zu den Supplikationen "umb leichterung der zukunfftigen anschlege mit anzaig Ires unvormugenns unnd ungelegennhait" feststellte, er habe "aus der urte7 RK RTA 5, fol. 13 r , 22 r , 30 r ; s. fes RTA jg. Rh. 7, 2, Nr. 168 C, S. tel RTA jg. Rh. 7, 2, Nr. 168 C, S. 210 RTA jg. Rh. 7, 2, Nr. 168 C, S.
a. Westermann, 1532, S. 82 f. 1365 - 1367. 1365 f., Punkte 3 - 5. 1366, Punkt 4.
268
4.2. Zur Arbeit des Supplikationsausschusses
sachenn uf ein Jede Suplicacion In sonnderhait nit konnen ader mugen etwas fruchtbarlichs beratschlagen", und den Reichsständen empfahl, sie sollten wie früher vor einer Entscheidung "eins Jeden standts beschwerung" hören und Einblick in die Abschiede von Nürnberg und Speyer nehmen 271 . Dieser Vorschlag wurde in den Reichsabschied vom 19.11. 1530 übernommen, in dem - wie 1529 - zunächst festgehalten wurde, daß mit "denjenen, so sich der Anschläg beschweren, und deshalben supplicirt haben, aus angezeigten Ursachen so viel geredt und gehandelt, daß sie allein dißmals, zu Förderung solches guten Wercks, Gedult tragen wollen", ihnen dann aber auch "zugesagt und versprochen, daß sie hinfürter in keinen Anschlag zu willigen schuldig seyn sollen, solche Ringerung und gebührlich Einsehens sey dann zuvor beschehen"272. Dies sollte auf einem Moderationstag zu Speyer am 8. 3. 1531 geschehen, wo je ein Rat des Kaisers und der zehn Reichskreise "nach Verhör- und Erfahrung eines jeden Stands Gelegenheit, auf einen gleichmäßigen Anschlag im Reich rathschlagen, handeln und schliessen" sollten273 . Damit griff man ein Verfahren wieder auf, das mutatis mutandis auch schon im Abschied des dritten Nürnberger Reichstages von 1524 für die endgültige Festlegung der Anschläge angekündigt worden war, jedoch Statthalter und Regiment als Moderationskommission vorsah274 . Die 1530 beschlossene Lösung wurde Vorbild für alle weiteren Reichstage der Zeit Karls V. mit Ausnahme des Wormser Reichstages von 1545 275 . Allerdings hat es auf den Reichstagen von 1547/48 und 1550/51 neben der Verkündung der Grundsatzentscheidung, Anschlagsfragen würden auf einem Moderationstag geregelt, noch Nebenabreden gegeben. So gibt es vom Geharnischten Reichstag ein Abkommen "Anschlege des Reichs belangendt"276, das zwischen dem Kaiser und den ReichsFörstemann, Bd. II, Nr. 160, S. 278 f. RA II, 1530, § 138, S. 328. 273 RA II, 1530, § 139, S. 328. 274 RTA jg. Rh. 4, Nr. 149, S. 598 f.: "den beswerten und clagenden deshalb nach irem vermögen und gelegenheit auf ir gnugsam gruntlich bestendig dartun ires unvermogens zimblicher mass messigung beschee. Und sollen unser stathalter und regiment ainem jeden auf sein ansuechen und darthun, wie jetz gemelt, seiner aufgelegten tax und anslags der gebure ringerung und milterung tuen, doch das ain jeder beswerter in zwaien moneten den nechsten, nachdem ime solher anslag zu wissen gethan und verkundt wirdet, bei unserm stathalter und regiment zu Esslingen ansueche; dann wo solhe zwen monet verscheinen und er nit ansuechen wurde, sol er deshalb nit weiter gehort, sonder gegen ime auf sein tax procedirt werden, die er auch zu geben und zu bezallen schuldig sein sol". - s. a.RA II, 1530, § 22, S. 256. 275 RA II, 1532, Abschnitt VI, § 1, S. 360; RA II, 1541, §§ 70 - 75, S. 440; RA II, 1542, Speyer, § 130, S. 465; RA II, 1543, §§ 16, 17, S. 485; RA II, 1544, §§ 12 - 23, S. 498 f.; RA II, 1547/48, § 44, S. 535; RA II, 1550/51, §§ 53 - 68, S. 618 ff.; RA III, 1555, §§ 115 - 134, S. 34 - 37. 276 RK RTA 21, III, 19, fol. 13 r - 24 r • 271
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4.2.3. Supplikationsausschuß und Finanzwesen
269
ständen und deren Vertretern "itzo auff dem Reichstag alhie zu Augspurg gehanndlet unnd beschlossen" und dessen Artikel "bey der Maintzischen Canntzley verwarlich behalten, dieweill sye im Abschiedt ausgelassen werdenn"277; dieses Abkommen als geheimer Zusatz zum Reichsabschied wurde von Karl V. und Erzbischof Sebastian von Mainz als Erzkanzler des Reiches unterzeichnet278 . Darin sind Feststellungen zu über vierzig Reichsständen enthalten, die teilweise bis zur Entscheidung des in Aussicht genommenen Moderationstages gelten sollten279 , wenn es etwa heißt, daß den Supplikanten unbenommen ist, "so sie beschwerdt zu sein vermeinten solches an ortten unnd ennden sichs gepurt furtzubringen"280, daß dem Supplik anten "vorbehaltten zu seiner gelegenhait merern bericht zu thun, unnd anndere sein notturfft furtzupringen"281, und daß ihm "der ordenntlich weg des Rechten derwegen vorbehaltten sein"282; diese Formulierungen sind als eine Art Rechtsmittelbelehrung zu verstehen, was zugleich deutlich macht, daß den Bitten und Beschwerden der Supplikanten nicht in ihrem Sinne entsprochen wurde. Nicht selten wurden Kompromisse angeboten, zu denen die' Supplikanten bis zu einem bestimmten Termin in Mainz positiv Stellung nehmen mußten, andernsfalls die suspendierten fiskalischen Prozesse wieder aufgenommen würden 283 . Diese Prozesse wurden in besonders schwierigen Fällen, in denen die Reichsstandschaft unklar oder fraglich geworden war, bis auf weiteres suspendiert284 . Für den Augsburger Reichstag von 1550/51 liegt uns ein Schriftstück vor, das ebenfalls ein Abkommen zwischen Kaiser Karl V. und dem Mainzer Kurfürsten als Vertreter der Reichsstände darstellt285 . Darin wurde festgehalten, daß "ytzo auf dem Reichstag alhie zu Augspurg abgehandelt unnd beschlossen sein sollen dem Fiscal des key. Chammergerichts bevolhen werden, darin wie bey einem jeden vermeldet zu procedirn und zu handlen"286. Es ging darin um den größten Teil der Reichsstände, über die auch in der Nebenabrede von 1548 entschieden worden war, deren Angelegenheit also noch immer nicht abgeschlossen war287 . Die Entscheidungen hatten sich gegenüber dem Abkommen von RK RTA 21, Irr, Ig, fol. 14r. RK RTA 21, Irr, Ig, fol. 24 r. 279 RK RTA 21, Irr, Ig, fol. 17 r, 21 r, 23 v. 280 RK RTA 21, Irr, Ig, fol. 15v. 281 RK RTA 21, Irr, Ig, fol. 15v. 282 RK RTA 21, Irr, Ig, fol. 16r. 283 RK RTA 21, Irr, Ig, fol. 19v, 20r, v, 23v. 284 RK RTA 21, rrI, Ig, fol. 14v, 15 r, 21r, v. 285 MEA RTA 19, fol. 673 r - 678v. 286 MEA RTA 19, fol. 673 r. 287 Diese Reichsstände sind: Herzöge von der Mass, Städte Danzig und Elbing, Stände in der Eidgenossenschaft, Grafen von Ostfriesland, Stift Hil277
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270
4.2. Zur Arbeit des Supplikationsausschusses
1548 nicht verändert, woraus zu sehen ist, daß das Reich keine Möglichkeit sah, seinen Standpunkt durchzusetzen, aber eine Rechtsposition bezog, um zumindest seinen Anspruch zu wahren. So hatten die unterschiedlichen Aufträge an den Fiskal denn auch mehr deklamatorische Bedeutung. Insgesamt bestätigten die Entscheidungen in diesen beiden Abkommen die allgemeine Tendenz, Supplikationen in Anschlagsangelegenheiten an ein Gremium außerhalb des Reichstages zur Moderation zu überweisen. In den Fällen, in denen man offenbar auch auf einem Moderationstag keine Lösung erwartete, weil die Frage der Zugehörigkeit zum Reich unklar war oder besondere äußere Bedingungen vorlagen, nahm das Reich einen Rechtsstandpunkt ein und drohte mit dem fiskalischen Prozeß. Aber es gab auch Entscheidungen, die - da sie im Sinne der Supplikanten waren - endgültigen Charakter hatten, so etwa 1547/48 im Fall der Stadt Düren, die "durch jungste Gulchische Kriegshanndlung in verwustung unnd verderben khommen ist". Aus diesem Grunde wurde sie für zehn Jahre von Reichsanschlägen gänzlich befreit288 • In fast wörtlicher Übereinstimmung mit Nennung des Zeitraumes von zehn Jahren wurde dieser Beschluß 1550/51 in den Befehl an den Fiskal übernommen 28D • Dies war freilich kein Einzelfall, denn schon früher hatten die Mitglieder des Supplikationsausschusses konkrete Entscheidungsvorschläge erarbeitet. So wurde z. B. auf dem Reichstag von 1524 dem Meister des Johanniter-Ordens die Zahlung von Anschlägen für einige Zeit erlassen 2DO • Eine der politischen Situation eines Reichsstandes angepaßte Entscheidung, die zugleich im Sinne der Erhaltung gefährdeter Reichsstände lag und eine politische Demonstration nach außen war, fällte der Supplikationsausschuß am 4. 3. 1524 in bezug auf eine Supplikation der Stadt Cambrai und ihres Bischofs; sie hatten sich darüber beklagt, "das der fiscal uber alt herkummen, nochdem sie an Frankreich gegrenitzt, sie mit processen bis uf die acht beschwert umb etlich anschleg". Offenbar um den Supplikanten ihre schwierige Grenzlage zu erleichtern, neigte der Supplikationsausschuß dazu, dem Bischof und der Stadt die Zahlung der Anschläge zu erlassen und die Einstellung des fiskalischen Prozesses anzuregen; gleichzeitig aber sollten sie - um ihre Reichsstandschaft nicht zu gefährden - ein Fünftel der Anschläge desheim, Burg Friedberg, Grafen von Gleichen, Stadt Düren, Herren von Piemont, Meister des Deutschordens in Livland, Erzbischof von Riga, Bischof von Ösel, Bischof von Dorpat, Herzog von Holstein, Metz, Toul und Verdun. 288 RK RTA 21, III, 19, fol. 16v. 289 MEA RTA 19, fol. 674v, 675 r. 290 RTA jg. Rh. 4, S. 558, Anm. 2.
4.2.3. Supplikationsausschuß und Finanzwesen
271
zahlen, wobei es unerheblich sein sollte, ob Cambrai tatsächlich im Besitz der Freiheiten war, auf die es sich berufen hatte 2D1 . Am 13. 4. 1524 revidierte der Supplikationsausschuß in einem zwei~ ten Bedenken seine vorige Entscheidung, "dwil sie in bericht funden, das ein vertrag vom bischof und der statt der anschleg halber angenummen", und wollte diesen Vertrag nun erfüllt wissen; die fiskalischen Prozesse aber sollten eingestellt und die Lage Cambrais "hinfuro in kunftigen anschlegen bedocht" werden2D2 . Am 19.3.1524 hatte sich der Reichstag dann erneut mit dem Fall "Cambrai" befaßt: man wollte jetzt die Vollmacht der Gesandten dahingehend prüfen, ob sie einem eventuellen Vergleich zustimmen dürften; sollte das nicht der Fall sein, "soll inen solicher stillstant und ufschub, wie der begert, gegunt werden"2D3. Am folgenden Tag berichtete dann der Mainzer Kanzler, daß man den Bischof von Cambrai von der Zahlung der 600 Gulden für ein Jahr entbinden wolle2 94 • Im Reichsabschied von 1530 wurde festgehalten, daß den Reichsständen, die "Herrschafften, Flecken, Gült, Güter und Unterthanen in den Oesterreichischen Landen" haben, in Zukunft keine doppelte Türkensteuer mehr abverlangt werden sollte 2D5 . 1541 beschloß der Supplikationsausschuß auf eine Bitte und Beschwerde von Bürgermeister und Rat der Stadt Wangen: "Dieweil gemelte Stat mit Brandt grossen schaden erlitten, unnd in irem vermogen nit sein würde, ir anlag wie gemelt zuerlegen", soll ihrer Supplikation stattgegeben werden296 . Ebenso wurde im Fall der Stadt Nordhausen entschieden, deren "viertheil durch Mortbrand und [vorsetzlich] angelegtem Feuer im negst verlauffenen vierzigsten Jar angestossen und verbrannt, und damit großen Schaden entpfangen hat"2D7. Nachdem sich die Reichsstände mit dieser Sache noch einmal beschäftigt hatten, verwiesen sie diese Suppli~ kanten zugleich an den Kaiser, da sie auch um Nachlassung künftiger Anschläge, nicht nur um die der von den Ständen zu bewilligenden Türkenhilfe gebeten hatten 298 . Zu einer endgültigen Entscheidung ist es aber 1541 wohl nicht mehr gekommen, denn im Abschied des Speyrer Reichstages von 1542 wurden die beiden Städte zusammen mit anderen Supplikanten des Vorjahres namentlich erwähnt. Ihrer Bitte RTA jg. Rh. 4, Nr. 25, S. 131. RTA jg. Rh. 4, Nr. 25, S. 141. 293 RTA jg. Rh. 4, Nr. 25, S. 151. 294 RTA jg. Rh. 4, Nr. 25, S. 151. 295 RA II, 1530, § 131, S. 326; ebenso RA II, 1541, § 52, S. 438; RA II, 1543, § 26, S. 488. 298 RK RTA 7, VIII, 10, fol. 21 r • 297 RK RTA 7, VIII, 10, fol. 21 r • 298 RK RTA 7, VIII, 10, fol. 23a r (Zettel). 291
292
272
4.2. Zur Arbeit des Supplikationsausschusses
wurde dort außerhalb der Moderation der übrigen Reichsanschläge entsprochen: "Und dieweil aber die Städt Goßlar, Mülhausen, Northausen, Wangen und Zell im Hammersbach ihrer kundlichen Schaden, Brand und Verarmung halben dieser Zeit ihre Anzahl Kriegs-Volck abzufertigen, und bis zu Einbringung des gemeinen Pfennings zu unterhalten nicht vermögen: So ist für billich bedacht, daß ihnen zu Gnaden und Ergötzung ihrer erlittenen Schäden, die Anzahl ihres KriegsVolcks nachgelassen sey, mit dem Geding, daß andere ihre Mit-Creyßverwandte Stände, mit ihrer der gedachten Städt Anzahl Kriegs-Volck zu unterhalten nicht beschwärt werden, und dieselben Städt nit destoweniger laut dieser Ordnung ihre Anlagen einziehen, und in ihrer jeder Creyß gemeine Truhen einbringen, und sonst dergleichen Freyheit und Vergünstigung niemand andern mehr erlaubt noch geben werden299 ." Auf die Supplikation des Bischofs Adrian von Sitten, der beklagte, nicht mehr als 1200 Gulden Einkommen und keine Untertanen zu haben30o, und deshalb darum bat, für die beharrliche und die defensive Türkenhilfe nicht mehr als jeweils 60 Gulden zahlen zu müssen, bedachte der Supplikationsausschuß 1545, daß der Supplikant für die Hälfte des Anschlags zur beharrlichen Hilfe "vollkhomenlich von gemeinen Reichsstand zu quittieren sey"; hinsichtlich der Defensiv-Hilfe aber könnten die Reichsstände keinen Nachlaß gewähren, da das eine Angelegenheit der Reichskreise sei, wo der Bischof "umb nachlassung verrer anhalten" kann 301 • Dieser Empfehlung schlossen sich die Reichsstände am 28. 5. 1545 an302 • Dem Bischof von Lüttich, der seine Supplikation damit begründete, er habe sich nur mit großer Mühe und unter großen Kosten gegen französische Angriffe verteidigen können, antwortete der Supplikationsausschuß, dem kaiserlichen Fiskal sei die Fortsetzung der begonnenen Prozesse zu befehlen, wenn der Bischof seinen um 8658 1/2 Gulden gemilderten Anschlag nicht bezahle303 • Diese Empfehlung erhoben die Reichsstände am 18.6.1545 zum Beschluß und konkretisierten die Zahlungsfrist auf einen Monat304 • Supplikationen der Städte Metz und Toul wurden in ähnlicher Weise behandelt, indem man ihrer Lage im Herzogtum Lothringen Rechnung trug 305• Wenn man diesen Städten 299
300
RA 11,1542, Speyer, § 97, S. 460. 1541 verwiesen seine Gesandten darauf, daß der Bischof von Sitten kein
Einkommen und keine Einkünfte aus reichen Bodenschätzen habe: RK RTA
7, VIII, 9, fo1. 18 r , 19 r • 301 302 303 304 306
MEA RTA 11, 1 Bd. Supplikationen, fo1. 94 r , v. MEA RTA 11, 1. Bd. Supplikationen, fo1. 95 r - 96 v . MEA RTA 11, 1 Bd. Supplikationen, fo1. 112r, V. MEA RTA 11, 1 Bd. Supplikationen, fo1. 113r, V. MEA RTA 11, 1 Bd. Supplikationen, fo1. 405 r ff., 481 r ff.
4.2.3. Supplikationsausschuß und Finanzwesen
273
nicht ganz im Sinne ihrer Supplikationen entgegenkam, so vor allem aus verfassungspolitischen Gründen. Toul sollte wenigstens einen kleinen Teil seiner Anlage tragen, "damit sie doch ettwas (und nit wie bisanher gar nichts) thäten, und bei dem Reich erhalten werden"306. War die Zahlungsunwilligkeit und -unfähigkeit vieler supplizierender Reichsstände für die Finanzlage des Reiches verantwortlich, so mußte das Fehlen einer dauernden Reichssteuer-Gesetzgebung äußerst negative Konsequenzen für die Verwaltung der Reichsfinanzen haben. Diese werden besonders deutlich an einer zweiten Gruppe von Supplikationen, die dem Finanzbereich zuzuordnen sind. Sie unterscheidet sich von der vorherigen schon dadurch, daß die Supplikanten keine Reichsstände waren, sondern einzelne Personen, die im Dienste des Reiches standen oder gestanden hatten und die sich über eine zu geringe oder ausgebliebene Besoldung beklagten. Dieser Supplikationsgegenstand beleuchtet die katastrophale Finanzsituation des Reiches von einer anderen Seite. Kann man die Supplikationen in Anschlagsangelegenheiten als Einsprüche gegen reichsrechtlich für jeden einzelnen Reichsstand festgelegte Steuersätze verstehen, so haben wir es hier mit Ansprüchen zu tun, deren Grundlage in der Regel gesetzlich fixierte oder individuell zugesagte Besoldungssätze waren. Im Abschied des dritten Nürnberger Reichstages von 1524 wurde "dem kaiserlichen fiscal mit ernst bevolhen", gegen die säumigen Zahler unter den Reichsständen "furderlich und mit ernst zu procedirn", damit von dem einkommenden Geld "zuforderst herzog Friderich von Baiern zwaitausent und Adam graven zu Beuchlingen, unser camerrichter, eintausent gulden, der si inhalt des nechsten abschids als fur vererung vertrost sein, gelibert und herzog Friderich von Sachsen churfursten und dem bischove von Wurzburg ires ausstands, so man inen irer session halber, si am regiment gethan, auch graU Jorgen von Wertheim und andern, so man noch schuldig ist, entricht und bezalt"307. Mit den hier aufgezählten Personen, die Geld vom Reich zu bekommen hatten, sind die Bereiche genannt, in denen dem Reich finanzielle Verpflichtungen entstanden: Reichsverteidigung, Reichskammergericht und Reichsregiment. Für die Türkenkriege hatte das Reich im 16. Jh. neben den üblichen Kriegskosten immer auch hohe Besoldungsbeträge für seine militärischen Führer zu tragen. Da er wohl schon wiederholt um Bezahlung gebeten hatte 308, wurde Herzog Friedrich von Bayern im Abschied von 308 307 308
MEA RTA 11, 1 Bd. Supplikationen, fol. 481 f • RTA jg. Rh. 4, Nr. 149, S. 608. RTA jg. Rh. 4, S. 608, Anm. 2.
18 Neubaus
274
4.2. Zur Arbeit des Supplikationsausschusses
1524 an erster Stelle genannt. Auf dem Augsburger Reichstag von 1530 trat er dann erneut als Supplikant auf, allerdings nicht für sich, sondern in seiner Eigenschaft als oberster Reichsfeldhauptmann im Kampf gegen die Türken während des Sommers 1529. Er berichtete den Reichsständen in Augsburg, daß viele seiner Untergebenen bei ihm um ihren Sold nachgesucht hätten, den er aber nicht habe auszahlen können 30D • Ebenso beklagte sich Gangolf von Hohengeroldseck und Sulz darüber, daß er von König Ferdinand und den Ständen als Befehlshaber über des "Reichs Raisigen" und 400 Pferde eingesetzt worden war, aber nur zum Teil seine Besoldung erhalten hätte 31o• Um die Besoldungsgelder für die kommenden Unternehmungen sicherzustellen, wurde ein entsprechender Beschluß in den Reichsabschied von 1530 aufgenommen311 , wie auch in folgende Abschiede 312 • Nach den kriegerischen Auseinandersetzungen mit den Türken im Jahre 1542 haben sich auf dem Speyrer Reichstag von 1544 wieder zehn Personen bei Kurfürsten, Fürsten und Ständen darüber beschwert, daß sie ihre Besoldung nicht erhalten haben, unter ihnen der ehemalige Pfennigmeister Walter von Habsburg, der ehemalige Zeugmeister Hans Frank, die kaiserlichen Obersten Johann Hilchin und Konrad von Bemelberg und der Amtmann von Freiburg, Andreas Pflug 313 ; für Pflug, der im Abschied von 1541 zusammen mit dem Freiherrn Gangolf zu Hohengeroldseck, Graf LaBIa zum Hag und W oUf Dietrich von Knörringen zum Kriegsrat neben dem obersten Feldhauptmann Graf Friedrich zu Fürstenberg bestellt worden war314, hatte schon am 17.1. 1543 Herzog Moritz von Sachsen an die Reichsstände in Nürnberg die Bitte gerichtet, ihm seine Besoldung nicht länger vorzuenthalten315 • Auf den Türkenzug von 1542 bezog sich auch die Supplikation des Freiherrn von Madrutsch für seinen Sohn Hildebrand, dem seine monatliche Besoldung nicht gezahlt worden war316 • Hans Schnabel von Schönstein beschwerte sich auf dem Reichstag von 1544 darüber, daß ihm sein Sold vorenthalten würde, der ihm für seine Dienste im Türkenzug von 1542 zustehe und von den Kanzlern der Kurfürsten von Mainz und der Pfalz versprochen worden sei, sobald die noch ausstehenden Gelder eingegangen seien317 • 30U
310
311 312 313 314
315 318 317
Tetleben, Protokoll 1530, S. 86, zum 11.7.1530.
Förstemann, Bd. II, Nr. 160, S. 285. RA II, 1530, § 108, S. 324. z. B. RA II, 1541, § 53, S. 438; RA II, 1542,
Speyer, §§ 24, 30, S. 450. MEA RTA 9, fol. 581 r ; vgl. RK RTA 12, I, fol. 164r ff. RA II, 1541, §§ 56 f., S. 438. MEA RTA 8, beiliegende Schriftstücke, fol. Ir. MEA RTA 9, fol. 180r ff. MEA RTA 9, fol. 188r ff.
4.2.3. Supplikationsausschuß und Finanzwesen
275
Mit der Besoldung der Teilnehmer am Türkenzug von 1542 muß es besonders schwierig gewesen sein, denn ein Band "Sup[plicatio]nes zue Wormbs Anno 1545 ubergeben"318 enthält nicht weniger als 14 Bitten und Beschwerden mit privaten Geldforderungen, darunter eine Sammelsupplikation von den Befehlshabern, die 1542 in Ungarn gedient hatten319• Die übrigen Supplikanten waren der kaiserliche Hofmarschall Bernhard von Schaumburg320 , die Witwe Anna Gotzmann für ihren verstorbenen Mann, den Kriegsrat Kunz Gotzmann321 , Hans Schnabel von Schönstein322, Hauptmann Hieronymus Lehlin323 , Juliana, die Witwe des Wachtmeisters Hans Albrecht Scheurer324 , der ehemalige oberste Wachtmeister Ritter Conradt von Hattstein325, Michel Hofmann von Nördlingen und Konrad von Bemelberg326 , der Graf Weyrich von Falkenstein327, Wolfgang Schlege1328, der Freiherr von Madrutsch329 und Ritter Johann Hilchin von Lorch330 . Unter ihnen befanden sich viele, die schon auf den Reichstagen von Nürnberg und Speyer in den Jahren 1542 und 1544 ihre Supplikationen vorgebracht hatten und noch immer nicht zufriedengestellt waren. Alle Supplikanten wurden auf den nächsten Reichstag zu Regensburg (1546) vertröstet, der dann aber auch keine Entscheidung fällte, wie aus dem Wortlaut der Supplikationen hervorgeht, die 1547/48 in Augsburg eingereicht wurden381 . So hatte sich der Geharnischte Reichstag mit einer Reihe von Supplikationen zu befassen, bei denen es noch immer um Forderungen aus dem Jahre 1542 ging332• Der Supplikationsausschuß schlug als Lösung des Problems vor, dem Fiskal sollte befohlen werden, die ausstehenden Anschläge einzutreiben und "im fall das ettwas erlegt und sie die Supplicanten ire Schulden liquidiren wurden, sie von sollicher inprachtenn Summen zu entrichten und bezallen"333. Im Fall der A.n:.a MEA RTA 11, II. m MEA RTA 11, II, fol. 160 ff. 320 MEA RTA 11, II. fol. 131 ff. 321 MEA RTA 11, II, fol. 143r ff. 322 MEA RTA 11, II, fol. 153r ff. 323 MEA RTA 11, II, fol. 176 r ff. 324 MEA RTA 11, II, fol. 179 r f. 325 MEA RTA 11, II, fol. 182 r ff. 328 MEA RTA 11, II, fol. 196r f. 327 MEA RTA 11, II, fol. 247 r ff. 328 MEA RTA 11, II, fol. 293 r ff. 329 MEA RTA 11, II, fol. 320 r ff. 330 MEA RTA 11, II, fol. 349 r ff. 881 Z. B. MEA RTA 16, J, fol. 85v. 832 MEA RTA 16, J, fol. 84 r ff., 149v, 150V , 515r, v. 333 MEA RTA 16, J, fol. 85 v, 86 r. 318
18·
276
4.2. Zur Arbeit des Supplikationsausschusses
Gotzmann ließ er es bei dem Dekret von 1545 und verwies die Supplikantin an den Obersten des Obersächsischen Kreises, der ihren verstorbenen Mann eingestellt hatte und deshalb auch für seine Bezahlung zuständig war 334 . Der Kammerrichter Graf Adam von Beichlingen - und damit kommen wir zum zweiten Bereich finanzieller Verpflichtungen des Reiches - hatte sich schon auf dem zweiten Nürnberger Reichstag von 1522/23 über seine zu geringe Besoldung in Höhe von 1200 Gulden beschwert und um eine Erhöhung von 300 Gulden gebeten, was ihm "in betrachtung seins vleis, geschicklichkeit und seiner schweren muhe und arbeit" vom Reichstag zugestanden worden war, zuzüglich eines Geschenkes in Höhe von 1000 Gulden 335 . Desgleichen haben sich andere Mitglieder des RKG.s über die Besoldung beklagt, denn in zwei Supplikationen waren sie für eine Verlegung des Kammergerichts an einen Ort eingetreten, wo der Lebensunterhalt preiswerter sein und somit ein Gehalt von 400 Gulden reichen würde 336 . Die Supplikation des Kammerrichters war damit aber keineswegs erledigt, denn 1524 begehrte er die versprochenen 1000 Gulden und bat um "merung sins solts mit grosser anzeug der müwe und fleiss"337. Über die Besoldungserhöhung einigten sich die Stände am 15. 4. 1524338, und am 16. 4. 1524 stimmten auch Statthalter und Orator zu339 • 334 MEA RTA 16, J, fol. 149v • Die Witwe Anna Gotzmann, die die Rechte des verstorbenen Kriegsrates Kunz Gotzmann, ihres Gatten, wahrnahm, wurde auch 1547/48 auf den Beschluß des Wormser Reichstages von 1545 verwiesen, wonach sie beim "Obristen des Obersechsischen Kraiß (von dem gedachter ir haußwirt seliger angenomen und bestelt gewesen) daselbst umb betzalung antzuhalten" hätte (MEA RTA 16, J, fol. 149v ). Es hat also in Finanzangelegenheiten offensichtlich eine Abgrenzung der Zuständigkeitsbereiche gegeben, die auch in der Kreisverfassung verankert gewesen sein muß. Weiterer Beweis dafür ist eine Supplikation des Bischofs Franciscus von Münster und des Herzogs Wilhelm von Jülich, in der beide den Reichstag um Unterstützung bei der Eintreibung der Reichsanschläge baten. Da sie von zwei Teilnehmern am Türkenzug von 1542, dem Kriegsrat Johann von Selbach und dem "Gegenschreiber" Hans Udenhaimer, beide "durch alle Stennde des Niderlendischen [!] und westphalischen Kreiß bestalt und angenommen worden", "teglichs umb zalung" der ihnen für ihre Dienste zustehenden Besoldung "angeruffen werden", ersuchen sie den Reichstag um ein Dekret, "dardurch einem yeden Standt auferlegt werd, sein gepuerend thail zuverrichten", damit die Supplikanten bezahlt werden können. Für den Fall, daß einige ungehorsam sind, soll das Dekret dem Fiskal "bevelch und gewalt geben, gegen dieselbige rechtlich und wie sich gepurt zu procedirn und zu handeln" (MEA RTA 16, J, fol. 515 r , v). Dem hat der Supplikationsausschuß in vollem Umfang entsprochen (MEA RTA 16, J, fol. 515 V ). 335 RTA jg. Rh. 3, Nr. 117, S. 750 mit Anm. 2, 3. 336 RTA jg. Rh. 3, Nr. 117, S. 751 f. mit Anm. 3. 337 RTA jg. Rh. 4, Nr. 25, S. 141. 338 RTA jg. Rh. 4, Nr. 142, S. 581. 339 RTA jg. Rh. 4, Nr. 144, S. 585 f.
4.2.3. Supplikationsausschuß und Finanzwesen
277
Die Bezahlung freilich war auf der Grundlage des Reichsabschieds von 1524340 äußerst ungewiß, wie man einem Brief von Planitz vom 5.7. 1524 an Kurfürst Friedrich von Sachsen entnehmen kann: "Den hern des eamergerichts ist man iezunt schuldig ire besoldung, und konnen keine bekomen, elagen vast; besorgen, es mocht inen gehen, wie den andern vor in, den man vill pflichtig worden und nichts geben; und ist mochlich341 ." über Kammerrichter Adam von Beichlingen heißt es: "Er ist iezunt nicht hie, ßunder anheim geritten. Vormerk ßovill, das er den gutten willen bei den beisiezern nicht mehr hab als hievor zu Nurnbergk. Er will sich ir nicht mehr, ßunderlich irer besoldung halben annemen; darumb haben sie inen in vordacht, als sei er seins soldes entricht und lest sie alßo unbezalt bleiben342 ." Da auch auf den folgenden Reichstagen die Bezahlung der Kammergerichtspersonen davon abhängig gemacht wurde, daß die Reichsstände ihre Steuerschulden bezahlten, dies aber nie in dem erforderlichen Maße geschah, tauchten die Schwierigkeiten des RKG.s, seine Mitglieder zu besolden, immer wieder auf343 . Während des Speyrer Reichstags von 1529 hatten mit Dr. Beatus Widmann, Rat Ferdinands, den Gebrüdern Hans Heinrich und Hans Melchior von Morsheim, Anna vom Hagen, der Witwe des ehemaligen kaiserlichen Fiskals Dr. Reinhard Tiel, dem Sohn des Grafen Bernhard von Eberstein344, Graf Christof von Thengen, Dr. Jakob von Landsberg, Dr. Johann von Dockheim gen. Fries, Augustin Lösch, Ritter Sebastian Schilling, einem ehemaligen Regimentsrat, dem Reichsfiskal Dr. Kaspar Mart und Meister Hans Leser zwölf Personen "umb etlichen ausstendigen sold vom KG herruerend angesuecht und umb entrichtung desselben gepeten"345. Der Supplikationsausschuß hielt diese Forderungen für billig und schlug vor, den Fiskal anzuweisen, "sich mit den schuldnern zu vertragen uf das allergeringest, als man kan" und die Schulden dann vom o. Anm. 274. Planitz, Br. 12 (Anhang), S. 634. 342 Planitz, Br. 12 (Anhang), S. 634. 3f3 Diese Schwierigkeiten gab es, seit ein RKG bestand. 1497 wurde dem Kammerrichter und den Beisitzern zugesagt, "nachdem Sy Unns, umb Entrichtung Irs Sollds, von diesem Jar, auf Irer Notdurfft Uns entdeckt, fleißcklich angesucht", daß sie "zu Ußgang ditz Jars, das ist niemlich auff Sant Gallen Tag, was Ihn über die gemelt Summa LV Gulden und die Sporteln aussteen würde, von dem gemainen Pfenning auch Vergnügung zu verfuegen". RA H, 1492, § 2, S. 36. 344 Ihm und Dr. Dietrich von Plenningen und Dr. Frieß (i. e. J ohann von Dockheim) war bereits auf dem Reichstag von 1512 von den Ständen zugesagt worden, "daß ihnen ihr außstehende Schuld bezahlt werde, darumb so soll auff nechstkommenden Reichstag gehandelt werden, nachdem man sehen mag, wie sich die Sachen anlassen, damit sie entricht werden mögen". (RA H, 1512, § 23, S. 149.) 345 RTA jg. Rh. 7, 2, Nr. 148, S. 1307. 340 S. 341
278
4.2. Zur Arbeit des Supplikationsausschusses
jetzigen oder künftigen Türkengeld zu bezahlen; er war der Meinung, "es werden die schuldner etwa halb, und etwa nit gar halb gelt nemen und uf alle schult mit einem ganzen geringen geltlein ausgelescht und gestilt. Doch das solher befelch und das gelt vorhanden sei, in geheim gehalten werde"346. Im Abschied vom 22. 4. 1529 wurde "fur pillich ermessen, daz ain jeder seins gepuerlichen solds entricht", zugleich aber auch festgestellt, daß "diser zeit nichts vorhanden, damit si zufriden gestelt werden mugen"347; folglich wurde der kaiserliche Fiskal angewiesen, den rückständigen alten Kammergerichtsanschlag einzutreiben, notfalls auch auf dem Prozeßwege, wobei ihm das RKG behilflich sein sollte, "und waz er also auspringt, sol beruerten klagenden zu entrichtung irer schuld durch den innemer entricht und bezalt werden"348. Das aber ist offensichtlich nicht geschehen, denn 1530 in Augsburg "habenn auch etlich AIde Camergerichts personen unnd derselbenn erben [...] umb bezallung gebetten"349, nämlich Graf Wilhelm von Eberstein, Dr. Jakob von Landsberg, Dr. Beatus Widmann, dazu Dr. Friedrich Kreutner 350 und Dr. Dietrich Schiderich. Ferner werden im "Bedenken der über die Bittschriften verordneten Räthe"351 vom 21. 8. 1530 "die Chamergerichts personen umb besserung Ires soldes" und Meister Hans Leser genannt, der - wie Augustin Lösch352 - auch schon 1529 zu den Supplik anten gehörte; Leser bat diesmal um eine Verbesserung seines Soldes, weil "sich sein arbait vonn tag zu tage mheret"353. Zu diesen Supplik anten von 1530 trat dann auch der Kammergerichtsbeisitzer Dr. J ohann Sudermann, dem noch 425 Gulden seines Soldes zu zahlen waren 354 . Mit fast denselben Formulierungen wurde ihnen im Abschied der gleiche Bescheid wie 1529 gegeben355 . Aber auch 1530 und danach wurden die Supplik anten nicht zufriedengestellt, denn auf dem Regensburger Reichstag von 1541 erschienen einige von ihnen erneut mit Bitten und Beschwerden. Der Tiroler Kanzler Dr. Beatus Widmann richtete seine Supplikation an Kaiser, Kurfürsten und Stände RTA jg. Rh. 7, 2, Nr. 168 C, S. 1366. m RTA jg. Rh. 7, 2, Nr. 148, S. 1307. 348 RTA jg. Rh. 7, 2, Nr. 148, S. 1308. 348 Förstemann, Bd. H, Nr. 160, S. 284. 351 Förstemann, Bd. H, Nr. 160, S. 276 - 286. 350 Kreutner gehörte zu den Opfern der Visitation des RKG von 1524, bei der drei Beisitzer und zwei Prokuratoren entlassen worden waren (vgl. Smend, Reichskammergericht, S. 128 f., 129, Anm. 1); die beiden anderen Beisitzer, die nach Planitz' Brief vom 17.4.1524 (Smend, Reichskammergericht, S. 129, Anm. 1) entlassen wurden, waren Dr. Coldernicz und Dr. Ulrich. 35t RA H, 1530, § 142, S. 328. as3 Förstemann, Bd. H, Nr. 160, S. 284. 354 Förstemann, Bd. H, Nr. 193, S. 445. 355 RA H, 1530, § 142, S. 328. 348
4.2.3. Supplikationsausschuß und Finanzwesen
279
zugleich, bat um Auszahlung der ihm zustehenden rückständigen Besoldung und betonte, daß sein Verlangen auf den vergangenen Reichstagen immer wieder behandelt worden sei, ohne ihm den gewünschten Erfolg zu bringen356 • Die kaiserliche Seite hat diese Supplikation wie alle anderen Bitten und Beschwerden in Finanzangelegenheiten mit dem Vermerk "Sol an gemeine Stend gebracht werden"357 abgegeben, weil sie sich für nicht zuständig hielt; der reichsständische Supplikationsausschuß hat sie dann mit den Bitten und Beschwerden der übrigen Mitglieder des Reichskammergerichts, Graf Wilhelm von Eberstein, Dr. Johann von Dockheim gen. Fries, Dietrich von Schiderich und Dr. Johann Sudermann358 behandelt und in seiner Entscheidung auf den Speyrer Abschied von 1529 Bezug genommen359 • Zu einer für die Supplikanten günstigeren Lösung konnte er sich nicht durchringen. Die Folge war, daß die Fordernden auch auf den nächsten Reichstagen wieder erschienen, um das doch noch zu erreichen, was ihnen zustand. Widmann erschien 1542 in Speyer3 60 und 1547/48 in Augsburg 361 ; die Witwe des ehemaligen Fiskals Dr. Reinhard Tiel vertrat die Ansprüche ihres Mannes 1544 und 1545 erneut ohne greifbaren Erfolg362 ; offenbar ist auch sie dann verstorben, denn 1547/48 trugen die Söhne Tiels die Supplikation vor, ohne allerdings einen günstigeren Bescheid zu erlangen363 • Auf dem nächsten Reichstag aber beschlossen die Stände, den Gebrüdern Reinhard und Christoph Tiel den ausstehenden Sold für ihren Vater zu bezahlen384 • Auch auf dem Augsburger Reichstag von 1550/51 konnte man sich zu keinem anderen Verfahren entschließen, um den Supplik anten zu ihrem Geld zu verhelfen. Der Supplikationsausschuß nahm die erneut eingereichte Bitte und Beschwerde des Dr. Beatus Widmann (siehe Beilage Nr. 4) zum Anlaß, "dieweil bey denn Stenden vielfaltigklich umb alte hinderstellige besoldung, von den gewessnen beampten, deß kay. Chammergerichts angesucht werde"365, dem Reichstag zu empfehlen, den kaiserlichen Fiskal um einen Kassenbericht zu bitten, "damit man sich further uff der Supplicanten anhalten mit geburlicher ant-
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357 358 35' 380 881 882
883 314
385
RK RTA 7, VIII, foI. 23r . RK RTA 7, VIII, foI. 22r • RK RTA 7, VIII, foI. 18 r ff. RK RTA 7, VIII, foI. 24r ; vgl. RTA jg. Rh. 7, 2, Nr. 148, S. 1307 f. RK RTA 9, VI, foI. 29r , 46 r ff. MEA RTA 16, J, foI. 107 r • MEA RTA 11, II, fol. 80r - 85 r . MEA RTA 16, J, foI. 519 v , 520r . RK RTA 24, VI, Nr. 32, 41. MEAJ IRTA 33.
280
4.2. Zur Arbeit des Supplikationsausschusses
wurth wiß vernemen zu lassen"366. Gleichzeitig wollte der Supplikationsausschuß alle Bitten und Beschwerden in "gleichenn fellen" bis zur Antwort des Fiskals liegen lassen. Am 13. 1. 1551 wurde die Supplikation Widmanns dann mit anderen an das RKG gewiesen367 . Das war zugleich das Eingeständnis des Reichstages, mangels einer durchgreifenden Exekutive dem Ungehorsam und der Zahlungsunwilligkeit der Reichsstände nicht beikommen und den finanziellen Verpflichtungen des Reiches nicht nachkommen zu können. Der Beschluß des Reichstages von 1550/51 bedeutete für die Supplik anten nur eine weitere Verzögerung, wie der Fall des Dr. Jacob von Landsberg zeigt. Da der Supplikant inzwischen verstorben war, nahmen seine Erben seine Interessen wahr und wandten sich an den Kaiser, der die Bitte und Beschwerde wie gewohnt an die Reichsstände abgab 368 ; diese übertrugen dem Fiskal ihre überprüfung369 • Dasselbe geschah dann 1555 erneut, als die Stände auf das zweimalige Supplizieren der Erben Landsbergs vom 30.3. und 20.6.1555 370 am 11. 7. 1555 vom Fiskal wissen wollten, ob die Stände oder der Kaiser für die ausstehenden Besoldungen des Verstorbenen zuständig waren und wie hoch der Schuldbetrag sei. "Dho den Stenden die bezalung zu thun gepurt"371, versprachen sie die Bezahlung aus alten Anschlägen372 und knüpften damit an ihren Beschluß von 1524 an, der sich in einem Vierteljahrhundert als undurchführbar erwiesen hatte. Die Verschleppung von Entscheidungen in Angelegenheiten ausstehender Besoldung über mehrere Reichstage hinweg provozierte nun bei den hartnäckigen Supplikanten aus Existenznot und Sorge um ihren Lebensunterhalt neue Bitten und Beschwerden, die sich auf die Folgekosten nicht entschiedener früherer Supplikationen bezogen. So bat auf dem Augsburger Reichstag von 1547/48 Ritter Johann Hilchin von Lorch nicht nur "umb betzalung seiner im Ungerisch Turckentzug verdienten besoldung", sondern auch um "uber zweithausent gulden", die er seit der Zeit "verzert" habe878 . Conrad von Bemelberg beklagte sich, "das ime zu Inforderung seiner in jungst verganngnen Türckhenzug in Hungarn verdienten besoldung große zerung uff vielen Reichstagen, alls zu Nürnberg, Speier und Wormbs uffgangen" und verband mit seiner Feststellung, daß ihm in Worms 1545 einhundert 3BB MEA RTA 33; so wurde es am 8.10.1550 "in consilio Statuum" beschlossen. 387 RK RTA 26, IX. 368 MEA RTA 33; RK RTA 24, VI, Nr. 10. 3B9 RK RTA 24, VI, Nr. 4l. 370 Hornung, S. 85 mit Anm. 191. 371 MEA RTA 40, Nr. 5. 372 RK RTA 31, VI, 33, fol. 3r , v; Hornung, S. 85 mit Anm. 191. 373 MEA RTA 16, J, fol. 150V•
4.2.3. Supplikationsausschuß und Finanzwesen
281
Gulden mit der Vertröstung auf den Regensburger Reichstag von 1546 gegeben worden waren, die Bitte, ihm das zu zahlen, was ihm zusteheS74 • Der Supplikationsausschuß bat daraufhin, "der Supplicant soll seine forderung underschiedlich darthun, und dar machen [...], whann, who, welcher Zeitt und gestallt vor oder nach enndtrichtung der besoldung er solliche zerung uffgewenndt hab"375. In gleicher Weise entschied er zunächst einmal Bernhardt von Schaumburgs Supplikation376 seiner "ausstehenden uncoßten und zerung halben"377. Nachdem dann die Supplikanten ihre detaillierten Kostenaufstellungen, die bei Bemelberg 4700 und bei Schaumburg 764 Gulden ergaben378, vorgelegt hatten, sahen sich die Reichsstände vor die Frage gestellt, wie sie ein weiteres Anwachsen der Reichsschulden verhindern konnten, und kamen zu dem Ergebnis, daß "gedachter Supplicanten forderung einmal abgeholffen" werden müsse, da sie "nhun faßt uff allen Reichstägen angesucht unnd jhe leng er jhe mehr uncossten ufflauffen"379. Zu diesem Ziele setzten sie "ansehenliche und erfarne Commissari"380 ein, die mit den Supplik anten eine Summe aushandeln sollten381 . Diese Verhandlungskommission, bestehend aus dem kurpfälzisehen Hofmeister Bernhart von Verilor, dem kurbrandenburgisehen Rat Eustaehius von Schlieben, dem Hofmeister Georg Spet von Siltzberg als Vertreter des Bischofs von Speyer und des brandenburgischen Rates N. v. Wirsperg sowie dem Licentiaten Gregor von Nollingen als Vertreter der Reichsgrafen 382, sollte "mit den Kriegsleuthen deß costens halber, so inen zu einpringung irer besoldung uffgelauffen" verhandeln383 . Diese Herren traten am 5.3.1548 nachmittags zu einer vorbereitenden Sitzung zusammen, "welcher maßen sie mit den kriegsleuthen zur furderung halben sieh in handlung inlassen mogen"384. Getagt hat dieser Ausschuß naeh dem "Prothocolli die Kriegsleuth betreffendt Augsburg 1548" am 26. und 28.3. und am 4. und 6.4.1548, ohne aber zu einem konkreten Ergebnis zu kommen385. 374 MEA RTA 16, J, fol. 84 v , Supplikation und weitere Schriften dazu: ebd., fol. 153r - 172 v• 375 MEA RTA 16, J, fol. 84v , 85 r ; vgl. auch ebd., fol. 185 r • 376 Diese und weitere Schriften dazu: MEA RTA 16, J, fol. 173 r -184 v • 377 MEA RTA 16, J, fol. 85 r ; vgl. auch ebd., fol. 150v , 151 r , 185 r • 378 MEA RTA 16, J, fol. 187 r . 379 MEA RTA 16, J, fol. 151r. 380 MEA RTA 16, J, fol. 151 v • 381 MEA RTA 16, J, fol. 185r, v. 382 MEA RTA 16, J, fol. 151 v : Köln, Sachsen, Münster, Jülich, Reichsgraf, Reichsprälat. 883 MEA RTA 16, J, fol. 191 r , 223 r • 384 MEA RTA 16, J, fol. 222a r , gemäß einer Anweisung der Mainzer Kanzlei an den Reichsmarschall. 386 MEA RTA 16, J, fol. 191 r - 197 r. Eine Neuerung führte der Suppli-
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4.2. Zur Arbeit des Supplikationsausschusses
Der Frage allerdings, mit welchen Geldern die Schulden bezahlt werden sollten, begegnete man auch bei diesem umständlichen neuen Verfahren, um zu einer Lösung zu kommen, mit den schon oft erfolglosen Mitteln, die ausstehenden Anschläge des Gemeinen Pfennigs von 1542 durch den Fiskal eintreiben und die Bezahlung der Forderungen der Supplikanten dann durch den Pfennigmeister des RKG.s vornehmen zu lassen. Immerhin wurden die anderen Kosten der Supplikanten aber anerkannt, denn die Reichsstände waren damit einverstanden, "das sie zerung so von den Supplicanten disß als notwendiglich uffgewendt, uff die ungehorsamen Stennde geschlagen und von inen erfordert werde"s86. Anders als die hier bisher aufgeführten Supplikationen waren die des RKG.s-Pfennigmeisters Leonhardt Mayer Ulrich und des Fiskals Dr. Christoffei, die angesichts der bevorstehenden Wiedereröffnung des RKG.s auf dem Reichstag von 1547/48 darum baten, ihre Ämter auch in Zukunft ausüben zu dürfen s87 . Dabei wollte der Fiskal für sich gleichzeitig eine Besoldungserhöhung um 100 Gulden erreichen888 . In beiden Fällen lag dem Supplikationsausschuß an der Feststellung, ob der Kaiser oder die Reichsstände für die Besetzung und damit auch für die Bezahlung der Ämter zuständig seiens89. Aber nicht nur führende Persönlichkeiten des RKG.s hatten Grund zur Klage über ihre Besoldung, auch niedere Bedienstete gehörten zu den Supplikanten. So bat 1524 der RKG.s-Bote Rosenhofer um mehr als 70 Gulden "lidions, so im noch vom cammergericht ausstund"390. Der kations ausschuß 1547/48 in die Finanzverwaltung des Reiches ein, wenn er - angeregt durch die Forderung der Gläubiger des Reiches, ihnen nicht nur die in der Wartezeit seit Jahren angefallenen Unkosten zu zahlen, sondern auch "zerung" - von den zahlungssäumigen Reichsständen Zinsen verlangte. Da dem Reich "durch die seumnus der ungehorsamen Stennde in iren Anlagen ein mergcldich Interesse ettlichs uffgenommen gelts halben (so durch diese und der ungehorsamen seumnus verursacht) Bißher uffgelauffen, und noch ufflaufft", sollen die "ungehorsamen Stennde" nicht nur diese Finanzierungsunkosten des Reiches tragen, sondern der Fiskal sollte von ihnen auch "solich Interesse fordern" (MEA RTA 16, J, fol. 151v ). Die Schuldner des Reiches sollten also zweimal zur Kasse gebeten werden und neben ihren reichsrechtlich festgelegten Anschlägen nachträglich festgesetzte "Verzugszinsen" und die vom Reich bei Geldaufnahme zur Betreibung von notwendigen Unternehmungen infolge ungenügend gezahlter Reichssteuern gezahlten "Kreditzinsen" bezahlen. So jedenfalls wurde es von allen Reichsständen beschlossen und in Gegenwart der Reichsstädte "in consilio comitali elector principu et statum Imperii Augustae" am 29.2.1548 verlesen (MEA RTA 16, J, fol. 151 v ). 886 MEA RTA 16, J, fol. 151 v , 185 V • 387 MEA RTA 16, J, fol. 83 v , 84r • 888 MEA RTA 16, J, fol. 84 r • 389 MEA RTA 16, J, fol. 84 r • 880 RTA jg. Rh. 4, Nr. 25, S. 154; an anderer Stelle sind es nur 60 Gulden: RTA jg. Rh. 4, Nr. 128, S. 558; 69 Gulden nach: RTA jg. Rh. 4, Nr. 142, S. 581.
4.2.3. Supplikationsausschuß und Finanzwesen
283
Supplikationsausschuß empfahl den Ständen, sich mit Rosenhofer zu einigen, was diese dann auch beschlossen391 und wozu Statthalter und Orator am 16.4.1524 ihr Einverständnis gaben 392 . Abgelehnt wurde dagegen im königlichen Rat am 25. 8. 1555 eine Bitte der Reichskammergerichts-Boten um Erhöhung ihrer Besoldung393 , da die Vertreter der Reichsstände dazu keine Vollmacht hatten 394 . Auf den Reichstagen von Nürnberg, Speyer und Worms in den Jahren 1542, 1544 und 1545 hat sich der Mainzer Sekretär Georg Ludwiger supplizierend an Kurfürsten, Fürsten und Stände gewandt, da er für seine Dienste als Schreiber bzw. Sekretär bei der Visitation des Kammergerichts noch Lohn zu bekommen hatte 395 . Der Pedell am RKG bat auf dem Augsburger Reichstag von 1547/48 darum, "das man in an seinem Dienst bleiben lassen und ime sein belonung bessern weIl", was ihm der Supplikationsausschuß mit der Begründung zugestand, es würde schwierig sein, "ytzundt am anfanng des neuen Camergerichts ain anderen so etwas des Ambts gar unerfarn anzunemen". Neben der Besoldungserhöhung um 10 Gulden sollten ihm nach der neuen RKGOrdnung "die ruofgulden hinfurter furderlicher dann bisher zukomen"396. Der Bitte des Reichskammergerichts-Pedells Egidius Schemel von 1550, dem Pfennigmeister zu befehlen, ihm zu seinen 40 Gulden im Jahr etwas mehr Geld zu geben, entsprach der Supplikationsausschuß nicht, mit dem Hinweis: "dieweil in der neuen Reformierten ordnung dem pedellen sein bestimpte besoldung gesetzt, das er sich derselben zu sampt denn accidentalibus benuegen lassen soll in ansehung, das er wurde newerung infüerenn unnd geberen"397. Der Bitte anderer für den Pfennigmeister des Reichskammergerichts, ihm 100 Gulden zu verehren, entsprach der Supplikationsausschuß in seinem Bedenken ebenfalls nicht, das am 23. 9. 1550 im Kurfürstenrat zur Diskussion stand. Er hatte vielmehr bedacht: "Dieweil ein pfennigmeister ein stattlich besoldung hab, auch die Accidentalia nit gering und die arbeit nit groß, das er sich sollcher besoldung settig lassen und der bitt für ime beschehen nit statt zu geben sein so1l398." Grund zur Klage hatten in der ersten Hälfte des 16. Jh.s aber nicht nur Personen, die in Diensten des RKG.s standen oder gestanden hatRTA jg. Rh. 4, Nr. 128, S. 558; Nr. 142, S. 581. RTA jg. Rh. 4, Nr. 144, S. 585. 393 RK RTA 31, VI, 15 b. 394 Hornung, S. 97; MEA RTA 40, Nr. 33; s. a. Bedenken der Reichsstände vom 29. 8.1555: RK RTA 31, VI, 34, fol. 2v - 3 r. 395 MEA RTA 11, fol. 166r. 398 MEA RTA 16, J, fol. 273r. 397 MEA RTA 32, Protokoll Prima Pars, fol. 268 v. 388 MEA RTA 32, Protokoll Prima Pars, fol. 269r. 391
3D2
284
4.2. Zur Arbeit des Supplikationsausschusses
ten, sondern auch solche, die im Auftrage des Reichsregiments tätig geworden waren. So hatte nach dem Nürnberger Reichsabschied von 1524 neben dem Kurfürsten Friedrich von Sachsen und dem Bischof von Würzburg auch Graf Georg von Wertheim noch Geld zu bekommen399 • Er überreichte am 6. 2. 1524 eine Supplikation im Reichstag, in der er die Stände bat, ihm zu 2350 Gulden und anderen ihm entstandenen Unkosten zu verhelfen 40o. Am 10.2.1522 war er in einer Landfriedensangelegenheit vom Regiment gegen eine Besoldung von 3000 Gulden beauftragt worden, das Schloß Brandenstein des Mangold von Eberstein zu erobern, den dorthin verschleppten Nürnberger Ruprecht Zürcher zu befreien und Mangold und die Frau eines Oedenheimers gefangenzunehmen401 . Nach Erledigung des Auftrages hat ihm das Regiment aber nur 1000 Gulden aus Geldmangel gezahlt; als er später um die restlichen 2000 Gulden nachsuchte, hat das Regiment den Fiskal veranlaßt, gegen Wertheim beim RKG zu prozessieren. Georg von Wertheim supplizierte aber ferner auch auf Zahlung von 350 Gulden für die Erhaltung des eroberten Schlosses und Ersatz der sonst entstandenen Kosten. Das Regiment wies die Klage zurück, da der Graf den Auftrag auch in eigenem Interesse ausgeführt hätte402 . Der Reichstag von 1524 sprach ihm den geforderten Betrag zwar zu, "so man noch schuldig ist"403, aber die Auszahlung erfolgte nicht, denn noch 1530 auf dem Augsburger Reichstag forderte Michael von Wertheim 2400 Gulden "vonn wegenn weillanndt graff J orgenn seins Sonns"404. Die Besoldungsforderung Graf Michaels von Wertheim für seinen Sohn Georg konnte der Supplikationsausschuß nicht bearbeiten, da er keine Unterlagen darüber zur Verfügung hatte. Deshalb wurden der Bischof von Speyer, der Kammerrichter und der Fiskal damit beauftragt, sich der Sache anzunehmen. Sollten die Forderungen berechtigt sein, war der Betrag mit den künftigen Reichsanschlägen zu verrechnen405 . Auch mit den Ansprüchen der seit 1524 beurlaubten Regimentspersonen, die ihren ganzen Lohn bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt ausgezahlt haben wollten, beschäftigte sich der Supplikationsausschuß nicht. Er nahm nur den Vorschlag der kaiserlichen Räte zur Kenntnis, wonach die Rechnung des Pfennigmeisters überprüft und vom Rest die s. Zeittafel zum RT 1524 (Kap. 3.2.2.). 400 RTA jg. Rh. 4, Nr. 22, S. 61; Nr. 123 A, S. 540 f. 401 RTA jg. Rh. 4, Nr. 123 A, S. 540, Anm. 3; s. a. Proposition zum zweiten Nürnberger Reichstag von 1522/23: RTA jg. Rh. 3, Nr. 49, S. 261. 402 RTA jg. Rh. 4, Nr. 123 B, S. 541 f. 403 RTA jg. Rh. 4, Nr. 149, S. 608. 404 Förstemann, Bd. H, Nr. 160, S. 280. 405 Förstemann, Bd. 11, Nr. 160, S. 280 f. 399
4.2.3. Supplikationsausschuß und Finanzwesen
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ausstehenden Gelder bezahlt werden sollten, und übergab die Angelegenheit den Reichsständen zur weiteren Beratung406 • Hier sind aber auch andere Supplikanten zu erwähnen, die in Reichsdiensten standen bzw. gestanden hatten. Mehrere Reichstage der Zeit Karls V. hatten sich mit Supplikationen des Reichsherolds Kaspar Sturm aus Mainz zu beschäftigen, der Martin Luther 1521 nach Worms geleitet hatte. 1524 bat er in Nürnberg um Sold und Honorar für die Zeit, in der er vom Kaiser als Ehrenherold angestellt war407 • Zuvor muß er sich aber auch schon beim RKG beschwert haben, denn am 11. 3.1524 nahmen Vertreter des Gerichtes in scharfer Form gegen seine dem Supplikationsausschuß übergebene Beschwerde Stellung408 • Auf dem Regensburger Reichstag von 1541 ging Sturms Supplikation, die er "als E[uer] K[aiserlich] M[ajestät] und des reichs in Germania Ernholdt und gemeinen Diener in abwesen E[uer] K[aiserlich] M[ajestät] bey gedachter Regierung in furfallenden Sachen" einreichte, noch etwas weiter, denn er bat ganz allgemein um die Gewährung einer finanziellen Hilfe zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes409 • Die kaiserliche Seite hat Kaspar Sturms Bitte an die Reichsstände abgegeben, deren Supplikationsausschuß den Kurfürsten, Fürsten und Ständen empfahl, den Kaiser zu bitten, dem Altherold einen Unterhalt zu verschaffen oder ihm eine Aufgabe anzuweisen, bei der er ihn sich selbst verdienen konnte 410 • Als "alther Ehrenholdt" supplizierte Kaspar Sturm dann erneut während des Reichstages von 1547/48 an die Kurfürsten und erneuerte sein Begehren von 1541, indem er bat, "ime alls einen althen schwachenn dienner deß Reichs von deß Reichs anschlegen am Chammergericht underhalltung zuverschaffenn"411. Daraufhin empfahl der Supplikationsausschuß, man solle die Angelegenheit mit der Stadt Nürnberg zugunsten des Supplikanten verhandeln, der Kaiser, König und Reich treue Dienste geleistet hätte, jetzt aber "mit alther und leibs schwachheit dermassen beladen, das er seinem Diennst unnd ampt lenger nit vorstehn mag", und schlug vor, Kaspar Sturm vom Anschlag für das RKG jährlich 20 Gulden auszuzahlen 412 . Wohl in einem früheren Bedenken hatte der Supplikationsausschuß festgestellt: "dieweil der Camergerichts personen etwas vill und die anlag allein uff dieselbige und nit Bd. II, Nr. 193, S. 435 f. RTA jg. Rh. 4, Nr. 25, S. 162. 408 RTA jg. Rh. 4, Nr. 25, S. 138, Nr. 28, S. 226. 409 RK RTA 7, VIII, fol. 25r ff.; dort auch ein Schriftstück Karls V. vom 10.4. 1522 aus Brüssel über die Aufgaben Sturms. 410 RK RTA 7, VIII, fol. 20 r , Beilage. 411 MEA RTA 16, J, fol. 82r, V. 412 MEA RTA 16, J, fol. 82 v. 400
407
Förstemann,
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4.2. Zur Arbeit des Supplikationsausschusses
weithers angestellt, das im derhalb von sollicher anlag schwerlich underhaltung moht geben oder zugesagt werden", und es war erwogen worden, den Kaiser zu bitten, "dem Supplicanten solich underhaltung zu geben oder aber wo in der anlag des Camergerichts etwas ubrigs das Churfursten, fursten und stend in ansehung das er des Reichs Diener ist jerlich ein zimliche Vererung thun wollten"413. Auf demselben Reichstag von 1547/48 supplizierte auch "Hanß Michel Germania Ehrenholt" an die Kurfürsten, der vom Kaiser angestellt, aber hinsichtlich der Erfüllung seiner Bitte, "ime jherliche underhalltung zuverschaffenn", immer vertröstet worden war; wie Sturm wollte er, "das ime von gemeinen Stennden deß Reichs notturfftig underhalltung widerfare"414. Der Supplikationsausschuß kam zu dem Ergebnis, da in der Supplikation nicht vermerkt sei, wer dem Supplikanten "begerte underhalltung zugeben schuldig" ist, solle er an den Kaiser gewiesen werden, der ihn angestellt habe415 . Damit war die Frage der Zuständigkeit aufgeworfen. Inhaltlich ähnlich waren seit 1542 die Supplikationen des Reichserbmarschalls Wolf von Pappenheim, der Kaiser und Reichsstände um eine Belohnung für seine Tätigkeit während der Reichstage bat. Wie 1545 in Worms 416 so supplizierte er 1546 in Regensburg 417 • 1555 in Augsburg wiederholte er seine Bitte um finanzielle Besserstellung und wurde dabei von den Reichsständen unterstützt418 . Im königlichen Rat lehnte man die Forderung des Reichserbmarschalls am 16.7.1555 mit der Begründung ab, Unterhaltszahlungen an ihn stellten eine Neuerung dar; lediglich seiner Bitte, "sein lehengelt one abgang" zu empfangen wollte man wohlwollend gegenüberstehen, wenn er sie spezifizierte419. Erst nach einer zweiten Supplikation Wolfs von Pappenheim war der König damit einverstanden, daß "ime dajenig so seinen Voreltern als Erb Marschalken des Reichs gefolgt und gerecht worden, auch geleistet werde"420. Wie die Supplikation ein außerordentliches Rechtsmittel war, so war der SuppEikationsausschuß eine ständeparlamentarische Institution, die eine Entscheidung außerhalb des ordentlichen Rechtsweges herbeiführen konnte. Seine Aufgaben, zwischen streitenden Parteien zu verMEA RTA 16, J, fol. 60 r • MEA RTA 16, J, fol. 83r . 415 MEA RTA 16, J, fol. 83 r . 418 MEA RTA 11, II, fol. 338 r - 347 v • m RK RTA 20, IV, 84 a. 418 RK RTA 31, VI, 35, fol. 2r , v; vgl. Hornung, S. 86. 419 Hornung, S. 86. 420 MEA RTA 40, Nr. 6; Hornung, S. 155 f. mit Anm. 446. 413
414
4.2.3. Supplikationsausschuß und Finanzwesen
287
mitteln und unkonventionelle Entscheidungen herbeizuführen, verlor er aber auch in Finanzfragen im Laufe der Zeit immer mehr; sie erwiesen sich als ungeeignet, da bei den Anschlagsangelegenheiten die eine Partei immer das Reich war. Deshalb verstärkte sich in der ersten Hälfte des 16. Jh.s von Reichstag zu Reichstag die Tendenz, solche Finanzprobleme zentral zu behandeln und einer Lösung zuzuführen. Die angeführten Beispiele, in denen der Supplikationsausschuß doch zu einer Entscheidung kam, sind als Ausnahmen zu betrachten, die freilich die ursprüngliche Aufgabe dieses Ausschusses, die er ja auch bei anderen Beschwerdegegenständen weiterhin wahrnahm, noch einmal verdeutlichen. Wie der Kaiser alle an ihn gerichteten Supplikationen in Anschlagsangelegenheiten an die Reichsstände abgab421 und damit deren Zuständigkeit betonte, um ihnen zugleich die Verantwortung für die Einbringung eines ausreichend hohen Anschlages zuzusprechen, so verwiesen diese das Finanzproblem an ein Gremium außerhalb des Reichstages, das zwischen den Reichsversammlungen eine endgültige Festlegung der Anschläge vornehmen sollte, an den Moderationstag. Dem Supplikationsausschuß kam in diesem Verfahren letztlich nur noch eine Sichtungsfunktion zu, indem er die Bitten um Verringerung der Anschläge mit dem entsprechenden Vermerk zu versehen hatte. So ist unter den "Supplicationes und decreta des andern Supplication rats" von 1547/48 festgehalten: "Die andern Supplicationes Ringerung der anschlege belanngendt, so auß der kay. Mat. rath, Churfursten, Fursten und Stennden ubergeben [...] seindt auß bevelch Churfursten, Fursten und Stende alle zu den particular beschwerungen der Anschleg gelegt, kunfftigs außtrags unnd vergleichung zuerwarten"422, oder es heißt an anderer Stelle: "Und dieselbige Supplicationes in die meintzische Cantzlei uberantwurt, mit der angehengkten bitt, das man die in den Supplication Rath prengen unnd durch ein besonder derhalb gestallt decret zu andern ringerungs handlung remittiren und weisen wolt423 ." Ansonsten wurde zu den einzelnen Supplikationen um Verringerung der Anschläge vermerkt, sie seien "an denn darzu verordenthen außschuß zu remittiren und zu weysen"424, der Supplikant solle "auf furgenommen Kraißtag sein beschwerung neben anndern Stennden furzu421
Für alle Reichstage lassen sich Beispiele nennen: unter dem Datum des
8.6.1545 heißt es z. B. zu zwei Supplikationen der Grafen von Lupfen: "Es
sollen dise zwo Supplicationes an die Reichs Stende gebracht werden, die pillichait darauf zubedennken" (MEA RTA 11, II, fol. 395V ); besonders deutlich: Hornung, passim, z. B. S. 59 zu Ottheinrich. 422 MEA RTA 16, J, fol. 107 v, 108r . 423 MEA RTA 16, J, fol. 569 r • m MEA RTA 16, J, fol. 80 v • 425 MEA RTA 16, J, fol. 585 v •
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4.2. Zur Arbeit des Supplikationsausschusses
bringen remittirt und gewiesen werden"425, "soHiche Supplication und begerte ringerung zu dem kunfftige ußtrage so in der Ringerungs Handlung furgenomen werden solle zu remittiren und zu weisen"426, "diese Sachen seien auf solichen kunfftigen außtrag gewiesen"421 und ähnliches. Aus einigen Formulierungen geht sogar hervor, daß sich der Supplikationsausschuß in Fragen der Veränderung der Reichsanschläge für nicht zuständig hielt, wenn er feststellte: "soHiche Supplication alls vor inn nit gehörig an denn sonndern darzue verordenten außschuß zu remittiren"428, oder "solt im solche seine beschwerung ann ortten unnd enden sichs gepurt vortzupringen hiemit nit benommen, sonder vorbehalttenn sein"42U, oder "soHich sach [sei] an den Ringerungs ausschuß, dahin sie gehorig, zu remittiren und zu weisen"43o. Vermitteln uns die Supplikationen an sich ein sehr anschauliches Bild von den Mißständen im Reich auf politischer, sozialer, wirtschaftlicher und rechtlicher Ebene, so erlauben uns die Entscheidungen des Supplikationsausschusses, denen sich die Gesamtheit der Reichsstände - wie zu zeigen war - meist ohne Diskussion anschloß, dieses Gremium und damit auch den gesamten Reichstag noch besser zu verstehen. In den in Supplikationsangelegenheiten gefällten Entscheidungen wird in Ansätzen eine Funktion des Reichstages sichtbar, die ihn von jedem modernen Parlament unterscheidet: der Reichstag in der ersten Hälfte des 16. Jh.s war auch eine Art Verwaltungsbehörde, zumindest waren die Möglichkeiten dazu gegeben. Daß der Supplikationsausschuß in größerem Umfang die Aufgaben einer Reichsfinanzverwaltung übernommen hat, wird in besonderer Weise aus seiner Arbeit während des Wormser Reichstages von 1545 deutlich. Nachdem der kaiserliche Fiskal am 8. oder 9.4.1545 "in Consilio statuum Imp[eriali]" seinen Bericht über die ausstehenden Anschläge erstattet und damit ein Schreiben der Reichsstände vom 4.4.1545 beantwortet hatte431 , wurde die ganze Angelegenheit - offenbar wegen der Schwierigkeit der Materie und vieler Bitten und Beschwerden bezüglich der Anschläge in den letzten Jahren - dem Supplikationsausschuß zur Beantwortung übergeben. Dieser hat ein "Bedenckhen des Supplication Raths des Fiscal unnd sein bericht betreffenndt"432 verMEA RTA 16, J, fol. 146r • MEA RTA 16, J, fol. 270V • 428 MEA RTA 16, J, fol. 86 v • m MEA RTA 16, J, fol. 517 r • 430 MEA RTA 16, J, fol. 149v . 431 MEA RTA 10, 1 Bd. Wonnbs 1545, fol. 135 r , 140 r , v. 432 RK RTA 15, fol. 652 r - 656 r . 428
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4.2.3. Supplikationsausschuß und Finanzwesen
289
faßt, das am 18.5.1545 auf dem Reichstag verlesen worden ist433 . Danach ist der kaiserliche Fiskal - nach seinem Vortrag vor der Gesamtheit der Reichsstände - im Supplikationsausschuß erschienen und hat in strittigen Fragen Rechenschaft über die von einzelnen Reichsständen gezahlten oder nicht gezahlten Anschläge abgelegt; der Supplikationsausschuß hat diesen Rechenschaftsbericht einer genauen Prüfung unterzogen, seine Entscheidung gefällt, die als Empfehlung an die Gesamtheit der Reichsstände ging, und den Fiskal bei positivem Befund entlastet. Im Fall des Anschlages des Hauses Lothringen z. B. bestätigte der Fiskal den Empfang von 200 Gulden, worauf der "Supplications Rath in diser Rechnung mit vleiß ersehen, khain mangel oder einredt darinn gefunden und bedenckh dz kay. Fiscal diser Rechnung halben von gemainen Reichs Stenden billich zu quittieren sey"434. Neben der Aufsicht über den Fiskal übte der Supplikationsausschuß auch die Tätigkeit des Empfängers von Reichsanschlägen aus: Graf Jobst zu Hoya hatte - laut Bericht des Fiskals - noch einen Rest von 303 Talern und 13 Batzen zu zahlen, die aber der Supplikationsausschuß bereits empfangen hatte, weshalb er den Reichsständen empfehlen konnte, daß diese Rechnung "auch zu quittiren sey"435. Im Fall der Äbtissin von Gernrode, die den Anschlag zur beharrlichen Türkenhilfe von 1542 noch nicht erlegt hatte, beschloß der Supplikationsausschuß zunächst - und hier erweist er sich als eine Einrichtung, die nicht nur Bitten und Beschwerden anzuhören und deren Entscheidungen vorzubereiten, sondern auch Verhöre in rechtlichen Angelegenheiten durchzuführen hatte -, daß der Gesandte der Äbtissin "so baldt er ankhombt [...] inn den Supp[licati]on Rhat erfordert" wird und "von ime des Ressts halber so sein gnedige frau uber die hundert thaler noch zuthun [...] bericht genomen" werden soll; sollte das Geld nicht hinterlegt werden, mußte gegen die Äbtissin prozessiert werden436 . Als der Gesandte Peter Goldschalk dann aber erschien, lieferte er den Rest des Gemeinen Pfennigs für die beharrliche Türkenhilfe "in zwaien verpitschierten seckheln" im Supplikationsausschuß ab, worauf dieser beschloß, keinen fiskalischen Prozeß mehr durchführen zu lassen und die Rechnung der Äbtissin zu quittieren437 . Ebenfalls einen Sack mit Geld hatte Hans Schnabel vom Fiskal abgeben lassen, der durch den Supplikationsausschuß geöffnet wurde438 • 433 434 435 438 437 438
MEA RTA 10,1 Bd. Wormbs 1545, fol. 168V , 165 r ff. RK RTA 15, fol. 652 r • RK RTA 15, fol. 652 v . MEA RTA 10, 1 Bd. Wormbs 1545, fol. 218 r . RK RTA 15, fol. 653 v ; vgl. MEA RTA 10, 1 Bd. Wormbs 1545, fol. 166r • RK RTA 15, fol. 653 r •
19 Neuhaus
290
4.2. Zur Arbeit des Supplikationsausschusses
Der Inhalt des Sackes wurde dem säumigen Zahler quittiert; wegen des ausstehenden Restes aber sollte der Fiskal nicht prozessieren439 • Der Supplikationsausschuß von 1545 konnte also kraft seiner Befugnisse den ordentlichen Rechtsweg suspendieren und zugunsten eines Beklagten den Fiskal von den Pflichten der Prozeßführung entbinden. Dafür bieten die Fälle des Schenken von Dautenberg440 und des Grafen Arnold zu Steinfurt und Bentheim441 weitere Beispiele. Diese mächtige Stellung des Supplikationsausschusses in Reichsfinanzangelegenheiten unterstreicht auch "Des Supplikations-Rhats bedenckhen uff hiebey gelegte des key. Fiscals Information"442, denn hier erweist er sich als zuständig für die Anforderung und den Empfang der Berichte der Städte, bei denen Anschläge bezahlt werden sollten; aus ihnen konnte er ersehen, welcher Reichsstand seine Anschläge bezahlt hatte und welcher nicht. Im Fall der Münsterschen Anlage von 1535 sollten zunächst Erkundigungen in Nürnberg, Frankfurt, Koblenz und Köln, also den vier "legestetten" eingeholt werden443 • über die vom Bischof von Münster, Osnabrück und Minden hinterlegten Truhen hat dann der Münstersche Kanzler dem Supplikationsausschuß berichtet, der daraufhin beschloß, von ihm die Schlüssel zur Öffnung der Münsterschen Truhen zu fordern444 • Dies geschah am 15. 4. 1545 in Anwesenheit der Vertreter des Kurfürsten von Mainz, des Kurfürsten von Trier des Deutschmeisters, des Herzogs von Jülich, der Grafen und der Stadt Köln sowie des Münsterschen Kanzlers, des Bürgermeisters und eines alten Ratsherrn aus Worms, wobei sich "neben neun underschiedlichen grossen und kleinen zugebundnen und zum theil verbittschirten Seckhen" eine kleine Truhe fand, in der 2348 Rheinische Gulden in Gold und 600 Taler lagen445 • Aus der Aufschrift eines der Säcke ging z. B. hervor, daß der Inhalt "der uberblibende theil der Mindischen beharlichen Turckenhilff, so im 42. Jar zu Speyer eingewilligt", war446 • Indem der Supplikationsausschuß beschloß, von dem gefundenen Geld die Befehlshaber des Türkenzuges von 1542 zu bezahlen447 , übte er nicht nur die Funktion einer Reichssteuern einnehmenden, sondern auch verwaltenden Institution des Reichstages aus und damit ganz offensichtlich Aufgaben einer Finanzverwaltungsbehörde auf Reichsebene. Wie aus RK RTA 15, fol. 653 v• RK RTA 15, fol. 652 V , 653 r ; vgl. MEA RTA 10, 1 Bd. Wormbs 1545, fol. 219 r • 441 MEA RTA 10, 1 Bd. Wormbs 1545, fol. 219 r • 442 MEA RTA 10, 1 Bd. Wormbs 1545, fol. 216 r - 219 r • 443 MEA RTA 10,1 Bd. Wormbs 1545, fol. 217 r • 444 MEA RTA 10, 1 Bd. Wormbs 1545, fol. 218 r , 219 r • 446 MEA RTA 10, 1 Bd. Wormbs 1545, fol. 141 r . "6 MEA RTA 10,1 Bd. Wormbs 1545, fol. 141 v • 447 MEA RTA 10, 1 Bd. Wormbs 1545, fol. 219 r , 147 r • 439
440
4.2.3. Supplikationsausschuß und Finanzwesen
291
der "Relation deß Suplication Rhats, bezalung der bevelsleut belangend"448 hervorgeht, haben am 25.4.1545 Vertreter von Mainz, Trier, Sachsen, Konstanz, Jülich, der Reichsprälaten, der Reichsgrafen und der Stadt Köln für die Reichsstädte beschlossen, die Bezahlung der ausstehenden Besoldung für 1542 vorzunehmen, die die Betroffenen schon zuvor in Nürnberg und Speyer gefordert hatten45o . Was dann mit dem noch übriggebliebenen Geld zu geschehen hatte, sollten die Reichsstände entscheiden451 , nachdem erwogen worden war, die Supplikation des Hans Schnabel zu berücksichtigen462 • Die zentrale Rolle des Supplikationsausschusses bei der Auswertung der Berichte der "legestette" wird durch die Tatsache unterstrichen, daß er darüber befand, "wer gehorsam oder ungehorsam [... ] und alsdann nach derselben bericht dem kaiserlich fiscal zugestelt und dem key. Camergericht unnd beisitzern, dz sie die beschlossen urtln eroffnen und er den fiscal darumb anhalte, auch wider alle ungehorsamen ernstlich procedier bevelch gegeben werden"453. Er war also nicht nur in der Funktion einer Gnaden aussprechenden Institution und einer Finanzverwaltung tätig, sondern auch in einer Gerichtsfunktion, wenn er in der Zeit der Suspension des RKG im Interesse des Reiches entschied, gegen welche säumigen Zahler ein fiskalischer Prozeß eröffnet werden sollte454 • So entschied er 1545, daß gegen die ein RKG-Prozeß beginnen sollte, die die 1541 in Regensburg bewilligte eilende Türkenhilfe noch immer nicht gezahlt hatten455 , nachdem der Hochmeister in Preußen hatte anzeigen lassen, daß "noch tausent gulden onbezalt auß steen"456 und ein Register übergeben hatte, das alle säumigen Stände aufführte 457 . In gleicher Weise sollte gegen die vorgegangen werden, die den Gemeinen Pfennig zur beharrlichen Türkenhilfe, 1542 in Speyer bewilligt, nicht hinterlegt hatten; der Supplikationsausschuß regte sogar an, dem Kammerrichter und den Beisitzern mit dem Reichsabschied von 1545 Befehl und Gewalt zu geben, Geldstrafen aus448 MEA RTA 10, 1 Bd. Wormbs 1545, fol. 125v ; an anderer Stelle (ebd., fol. 120 r) "Relation der verordenten Churfursten, Fursten und gemeiner Reichsstende deß außgegebnen gelts halben aus der Munsterischen Truhen" genannt. 449 MEA RTA 10, 1 Bd. Wormbs 1545, fol. 150 r. 450 MEA RTA 10, 1 Bd. Wormbs 1545, fol. 121 r, 123v. 451 MEA RTA 10, 1 Bd. Wormbs 1545, fol. 124r, v. 452 MEA RTA 10, 1 Bd. Wormbs 1545, fol. 147v. 453 RK RTA 15, fol. 654r, v. m MEA RTA 10, 1 Bd. Wormbs 1545, fol. 218 r. 455 RK RTA 15, fol. 654v, 655 r ; MEA RTA 10, 1 Bd. Wormbs 1545, fol.
166v. 458 457
19*
MEA RTA 10, 1 Bd. Wormbs 1545, fol. 217 v. RK RTA 15, fol. 655 r, v; MEA RTA 10, 1 Bd. Wormbs 1545, fol. 217v.
292
4.2. Zur Arbeit des Supplikationsausschusses
zusprechen, damit die Ungehorsamen gebührlich bestraft würden458 : "So bedenkht der Supp[licati]on -Rhat, das inn allweg wider alle die, so iren gemeinen pfennig nit erlegt, khein truhen uffgericht, oder ir gebur nit geschickht und allso des abschiedts ordnung nit gelebt, wie bißher ernstlich zuprocediren, aber dem Camerrichter und Beysitzern inn jetzkünfftigem abschiedt bevelh und macht zu geben were, das sie dies scharpffe ernstliche peen inn ein zimliche gelltstraff nach gelegenheit verandern möchten, damit die ungehorsamen nach der gebur gestrafft und künfftiger vermutlich unrhat verhuet wurde459." Die Bedeutung, die der Supplikationsausschuß von 1545 hatte, ist gewiß als Ausnahme zu werten, denn auf keinem anderen Reichstag der Zeit Karls V. spielte dieses Gremium eine solche Rolle, bedingt im Bereich der Supplikationen in Finanzangelegenheiten wie bei denen in Justizsachen durch die Suspension des RKG.s. Aber diese Ausnahme macht sehr deutlich, welche Möglichkeiten der Supplikationsausschuß auf der Ebene der Administration hatte, und zeigt zugleich auch die Grenzen seiner Wirksamkeit auf: bei seiner Tätigkeit stieß er sehr bald an die Zuständigkeiten anderer Verfassungsinstitutionen im Bereich der Finanzverwaltung, z. B. die der Reichskreise 460 • Aber diese Zuständigkeiten waren wie im Bereich der Rechtssprechung keineswegs zweifelsfrei geregelt, wie der Fall des Dr. Beatus Widmann besonders deutlich zeigt. Aus dem Bedenken des Supplikationsausschusses von 1547/48 können wir entnehmen, daß sich die Ausschußmitglieder mit der Tatsache beschäftigt haben, "das dozumal als er Assessor gewesen, die underhaltung des camergericht nit allain den Stennden des Reichs, sonnder auch zum tail kyser Maximilian hochlöblicher gedechtnus zugestannden, und derhalben der Suplicant mit seiner forderung zum tail an die kay. Mat. zu weisen were"461. Aber der Supplikationsausschuß warf die Frage der Zahlungspflicht des Kaisers und/oder der Reichsstände nur grundsätzlich auf; im konkreten Fall verzichtete er wegen "diser geringen Suma" auf eine Teilverweisung der Supplikation Widmanns an den Kaiser und machte sich einen früheren Beschluß zu eigen462 : der Supplikant wurde auf "die alten anschlege, so vor dem Stillstand des Chamergerichts im J ar 44 ausstendig plieben" verwiesen und dem Fiskal wurde befohlen, "solche alte anschlege zum furderlichsten eintzubringen ", ferner dem Pfennigmeister aufgetragen, "den Supplicanten als ein ehrlichen wolverdienten Mann 458
459 460 461 462
RK RTA 15, fol. 655 V , 656 r. MEA RTA 10, 1 Bd. Wormbs 1545, fol. 167r, v. S. o. Anm. 334. MEA RTA 16, J, fol. 272 r ; der Inhalt der Supplikation ebd., fol. 107 r, v. MEA RTA 16, J, fol. 272r, v.
4.2.3. Supplikationsausschuß und Finanzwesen
293
nach erster einbringung gedachter alter anschlege davon zu betzalen"46s. Den Supplikanten "auff die newe underhaltung des kunfftigen Chamergerichts zuverweisen" lehnte der Supplikationsausschuß mit dem Hinweis ab, daß "soliche kunfftige underhaltung zu dem jhenigen dartzu sie verordnet wol wirt von noth sein"464.
463 464
MEA RTA 16, J, foI. 107r, v. MEA RTA 16, J, foI. 107v.
5. Der SupplikationsausschuJi als Einrichtung des Ständestaats des 16. Jahrhunderts 5.1. Supplikationen als Quellen Walter Friedensburg hat über das reichsstädtische Protokoll vom Augsburger Reichstag von 1555 gesagt: "Es fängt sozusagen den Widerhall auf, den der Reichstag im Leben der Nation erweckte, und lehrt die Wünsche und Hoffnungen kennen, die sich allerorten an die Reichsversammlung knüpften l ." Dieses Urteil gilt mutatis mutandis auch für die Protokolle der Supplikationsausschüsse und die Bitten und Beschwerden insgesamt, wenn man an die großen Themenbereiche denkt, die sie berührten. Die einzelne Supplikation hatte oft den Charakter des Privaten und für das Gesamtreich Nebensächlichen, wie der "Traktat" formulierte 2, aber insgesamt kam den Bitten und Beschwerden eine weitaus größere Bedeutung zu. Dies belegen in erster Linie die Quellen, die zugleich ein Gradmesser für die Ausweitung des Supplikationswesens auf den Reichstagen des 16. Jh.s sind. Paul Kalkoff stellte unter Berufung auf die Straßburger Korrespondenz für den Wormser Reichstag von 1521 mit Recht fest: ,,[...] der Ausschuß für die Supplikationen, in den die Städte den Gesandten von Ulm verordnet hatten, wird sonst nicht wieder genannt und war jedenfalls ohne politische Bedeutung"3. Dieses Urteil aber läßt sich angesichts des Materials etwa für die drei letzten Reichstage Karls V. und die Reichsversammlungen in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts nicht aufrechterhalten. Eine politische Bedeutung kann man vielen Supplikationen um die Jahrhundertmitte sicher nicht absprechen, insbesondere nicht jenen, in denen Fragen der Gerichtsbarkeit, des Landfriedens und der Reichsfinanzverwaltung angeschnitten wurden. Und damit wurde auch der Supplikationsausschuß zu einem politischen Gremium, das freilich seine verfassungsmäßig bedingten Grenzen und Möglichkeiten kannte: In Rechtsfragen vermied der Supplikationsausschuß jede Entscheidung und verwies die Supplikanten auf die Zuständigkeit des obersten Reichsgerichtes; in Machtfragen übergab er die Bitten und Beschwerden an Kaiser und Reichsversammlung als den beschlußfassenden Instanzen im Reich; in Finanzfragen, die vornehmlich Verwaltungsfragen waren, sah sich der Suppli1 2
3
Friedensburg, 1555, S. 37 f. Traktat, S. 79. Kalkoff, 1521, S. 20.
5.1. Supplikationen als Quellen
295
kationsausschuß nicht in der Lage, Entscheidungen zu erarbeiten, die von allen akzeptiert wurden und für alle verbindlich waren. Insgesamt wird man aber die rechtsstabilisierende Funktion dieses Gremiums in der Reichsverfassung des 16. Jh.s nicht außer acht lassen dürfen, will man ihm gerecht werden. Wenn man von einer "Zweiteilung der neueren Verfassungsgeschichte" sprechen kann, dann gehört der Supplikationsausschuß zu dem Teil, in dem das Reich "in seiner innenpolitischen Schutzfunktion gegenüber den schwachen Reichsständen wie auch gegenüber den Untertanen der Reichsstände" erscheint4• Auf der anderen Seite ist Friedensburg nicht zu widersprechen, der für den Speyrer Reichstag von 1526 feststellte: "Allein wohl nur die kleinere Zahl der Petenten fand Erhörung. Der Reichstag verriet wenig Neigung, sich in dergleichen Händel, zumal solche, die irgendwie weitaussehend erschienen, einzulassen, vor allem freilich gebrach es ihm an der erforderlichen Zeit5." Die Reichsstände insgesamt beschäftigten sich mit Supplikationen in der Regel eben nur geschäftsordnungsmäßig: sie nahmen sie zur Kenntnis, leiteten sie zur Bearbeitung an ihren Supplikationsausschuß, hörten dessen Entscheidungsvorschlag und akzeptierten ihn normalerweise. Sobald Schwierigkeiten auftauchten, plädierten sie für eine Vertagung der Angelegenheit, um die ohnehin umfangreiche Reichstagsarbeit dadurch nicht ins Stocken zu bringen. Ansonsten beschäftigten sie sich mit Supplikationen nur, wenn sie als Bittende bzw. Kläger oder als Beklagte direkt betroffen waren, wenn es sich um Bitten und Beschwerden allgemeinerer politischer Bedeutung handelte, wenn sie der Supplikationsgegenstand als Angehörige eines bestimmten Standes berührte oder besonders interessierte; im übrigen standen sie ihnen gleichgültig gegenüber und empfanden die damit verbundene Arbeit als lästig6 • , Oestreich, Verfassungsgeschichte, S. 362. Friedensburg, 1526, S. 453 f.
5
8 Gleichwohl ist die Erwähnung von Supplikationen in den Korrespondenzen der Reichsstände zu beobachten. Vom Augsburger Reichstag von 1555 beispielsweise berichteten die Kurmainzer Gesandten relativ häufig über Supplikationen an ihren Herrn, den Electus Daniel Brendel von Homburg, der am 18.4.1555 Nachfolger des einen Monat zuvor verstorbenen Erzbischofs Kurfürst Sebastian von Heusenstamm geworden war. Vgl. Briefe vom 28.5.,6.6.,16.7.,23.7.,30.7.,6.8. (MEA RTA 37 und 39). Darin ging es um die Supplikationen in Sachen Reichsanschläge, Auseinandersetzungen zwischen Brandenburg und den fränkischen Einigungsverwandten, Erhöhung des Geislinger Zolls, Magdeburger Sache, also immer um Probleme, deren Lösung für das ganze Reich bedeutsam war, die nur die Kurfürsten etwas angingen oder von denen der Mainzer Erzbischof als Territorialherr betroffen war. - Ähnliches gilt für den Briefwechsel des Herzogs Christoph von Württemberg mit seinen in Augsburg anwesenden Räten. Vgl. Ernst, Briefwechsel, III, u. a. Nr. 87, 99, 103, 104, 140.
296
5. Supplikationsausschuß und Ständestaat
In der Forschung allerdings verdienen die Supplikationen mit ihren oft genug bedeutenden Gegenständen mehr Aufmerksamkeit, als ihnen bisher geschenkt worden ist. Schon Otto Redlich hat zu den "zahlreichen von verschiedenen Seiten und aus den verschiedensten Kreisen einlaufenden Beschwerdeschriften" auf dem Nürnberger Reichstag von 1522/23 bemerkt, daß sie "doch neben vielen Übertreibungen und Unrichtigkeiten gewiss auch manches Wahre [enthielten]", und fuhr fort: "Ohne Weiteres die Schriften abzuweisen wäre gefährlich und unthunlich gewesen, da sie aus Kreisen kamen, welche in Nürnberg ihre Vertreter hatten: Fürsten, Bischöfe, Grafen und Herrn 7 ." Bei allen Vorbehalten wird man in den Bitten und Beschwerden, mit denen sich die Supplikationsausschüsse zu beschäftigen hatten, eben doch auch wertvolle Quellen sehen müssen, die verfassungsrechtliche, politische, finanzielle, wirtschaftliche und soziale Zustände ihrer Zeit im Reich widerspiegelten, Quellen, die freilich meistens mehr Bedeutung für die Stadt- und Landesgeschichte haben als für die Reichsgeschichte, deren Gegenstände aber - wie am Beispiel der vielen Supplikationen gegen Kurfürst Moritz von Sachsen auf dem Reichstag von 1547/48 gezeigt wurde - zur Reichsangelegenheit wurden, indem sie vor den Supplikationsausschuß kamen. Konkrete Bitten und Beschwerden erhellten nicht selten einen verdunkelten Ereignishintergrund und gaben Kaiser und Reichsständen somit - wenn auch nur in einem Ausschnitt den Blick frei in das Sozial- und Wirtschaftsgefüge des Reiches, in Zuständigkeiten von Reichs- und Territorialgerichtsbarkeit, in Finanzund Heeresverwaltung, in Gepflogenheiten der Besoldung und Versorgung von Männern, die in Reichsdiensten gestanden haben. Indem der Reichstag in den Stand versetzt war, Vorzüge und Mängel, Gegebenheiten und Möglichkeiten der Praktizierung von reichs rechtlichen Ordnungen im Bereich von Landfrieden, Recht, Wirtschaft und Finanzen gleichsam ex negativo aus Supplikationen kennenzulernen, hätte er seine Entscheidungen darauf ausrichten können. Der Supplikationsausschuß hätte dabei einen wesentlichen Beitrag für eine Reichspolitik nach innen leisten können. Im Hinblick auf ihre sozialgeschichtliche Bedeutung haben die einzelnen Bitten und Beschwerden gewiß einen unterschiedlichen Quellenwert, was schon die grobe Einteilung in Gnaden- und Justiz-Supplikationen deutlich macht. In ihrer Aussagekraft ist eine Supplikation, in der es um einen Landfriedensbruch geht, anders zu bewerten als die Bitte um die Legitimierung unehelicher Kinder oder die Verbesserung des Familienwappens. Während für den Rechtshistoriker nur die Supplikationen von Interesse sind, die eine Rechtsschutzbitte eines ratlosen Untertanen beinhalten, sind für den Historiker allgemein auch jene 7
Redlich, 1522/23, S. 84.
5.1. Supplikationen als Quellen
297
auf Gunstbezeugung oder Gnadenerweis reflektierenden Supplikationen bedeutsam, in denen es um Verleihung eines Rechtes, Stundung oder Erlaß einer Schuld, um Anstellung, Beförderung, Auszeichnung, Besoldung oder eine sonstige Wohltat geht. Wenn diese Supplikationen auch als "rechtshistorisch unergiebig" bezeichnet wurden, so hat man doch gleichzeitig betont, daß sie als "sozialgeschichtlicher Hintergrund aufschlußreich" sind8 • Was für die Supplikationen gilt, ist sicher auch für die Gravamina als historische Quellen richtig, auf deren Verhältnis zueinander hier nicht näher einzugehen ist, deren Gemeinsamkeiten und Unterschiede aber doch kurz angesprochen werden sollen. Waren Gravamina in erster Linie die von einem Ausschuß von Reichs- oder Landständen auf einem Reichs- oder Landtag formulierten und zusammengestellten Beschwerden an Kaiser, König oder Landesherrn und damit Ausdruck korporativer Geschlossenheit, so waren Supplikationen an Kaiser und Reich vor allem von einzelnen Ständen und von Einzelpersonen vorgebrachte, auf einen Einzelfall bezogene oder den persönlichen Bereich berührende Beschwerden mit angehängter Bitte um positive Erledigung. Mehrere Supplikationen im Sinne eines Protestes oder Einspruchs in derselben Angelegenheit, unabhängig von verschiedenen Supplikanten vorgebracht, waren möglich und hat es gegeben, wie die zahlreichen Beschwerden gegen Kurfürst Moritz von Sachsen wiederum zeigenD. Je weniger oder mangelhaftere Berücksichtigung Supplikationen wie Gravamina fanden - und dies ist während des 16. Jh.s zu beobachten -, desto mehr Beschwerden der einen oder anderen Art wurden vorgebracht und desto genauer wurden die allgemeinen und besonderen Mißstände aufgezeigt. Die Gründe für diesen Sachverhalt sind vielschichtig und kompliziert. Supplikationen mächtiger Reichsstände wurden eher abgestellt als die einflußloser Reichstagsteilnehmer oder Bitten und Beschwerden von Einzelpersonen. Die Nichtbeachtung reichsständischer Gravamina durch den Kaiser konnte sich politisch auswirken, wenn die Reichsstände eben deshalb weniger bereit waren, dem Kaiser beispielsweise bei der Bewilligung von finanziellen Mitteln für die Türkenabwehr entgegenzukommen. Wurden landständische Gravamina nicht berücksichtigt, so hatte das für den immer un8 HüHe, Supplikenwesen in Rechtssachen, S. 194; inwieweit es sich bei Supplikationen um eine eigene Quellengattung handelt, bleibt noch zu klären. Über die Methode der Auswertung von Supplikationen als historische Quellen soll an anderer Stelle gehandelt werden. D Der Gebrauch der Begriffe ist in den Quellen nicht einheitlich. Eine Beschwerde der Grafen, Herren und Ritter vom 17. 4. 1529 gegen Papst und Geistlichkeit in Rom nennt Fürstenberg in einem Brief an Frankfurt/Main vom gleichen Tage "ein seltzam supplication" (RTA jg. Rh. 7, 1, S. 761), während solche Beschwerden sonst als Gravamina bezeichnet werden (RTA jg. Rh. 2, S. 661 ff.).
298
5. Supplikationsausschuß und Ständestaat
abhängiger werdenden Landesherrn keine Folgen, wenn er auf die Steuerbewilligungen seiner Landstände nicht mehr angewiesen war. Wie auch immer mit Bitten versehene Beschwerden, Supplikationen und Gravamina behandelt wurden, die im weitesten Sinne Anregungen zu Veränderungen waren, in jeder Hinsicht stellen sie eine auf unmittelbare Zustände bezogene historische Quelle dar1o • Diese positive Einschätzung der Supplikationen als historische Quellen bezieht sich aber nicht nur auf die Beschwerdegegenstände und das von den Supplikationen ausgelöste Bearbeitungsverfahren auf den Reichstagen, sondern in gleichem Maße auf die Supplikanten, ihre soziale Zusammensetzung und rechtliche Stellung im Reich. Bei der Behandlung der Bitten und Beschwerden, die Probleme der Reichsanschläge zum Inhalt hatten, war festzustellen, daß keineswegs nur arme Reichsstände und kleine Reichsstädte unter den Supplikanten waren, sondern auch Kurfürsten, weltliche Reichsfürsten, Bischöfe, Äbte und wohlhabende Handelsstädte. Die Gesandten auf den Reichstagen berichteten darüber immer wieder nach Hause. So schrieb Dr. Paul Röttinger am 26. 12. 1522 von Nürnberg nach Nördlingen: "Dweil nu churfursten, fursten, graven, prelaten und bei 24 stetten auch suppliciert, habend sich die stend grosser ungehorsame und unvermöge versehen, derohalben ain ausschutz die supplication und die supplicanten zu verlesen und zu verhörn gemacht und denselbigen bevelch geben, den beschwerten nach gelegenhait irs vermögens an der underhaltung regiments und camergerichts auch an dem Turkenzug nachlassung zu thon, in sonderhait denjenigen, so die register irs vermögens, einnemens und ausgebens, darlegtend oder ir furgeben mit dem aid bedeuren möchtendl l." Philipp von Feilitzsch hatte in seinem Brief vom gleichen Tag an Herzog Johann von Sachsen geschrieben: "Es seind bei den zwaiundfunfzig supplication von etzlichen fursten, bischofen, grafen und herrn in wenigen tagen einkommen, die sich der angelegten hulf, auf nechstem reichstag zu Wormbs 1521 beschehen, etwas hoch beschwert finden 12 ." Und am 12.1. 1523 berichtete Ha10 Zu Gravamina der Reichsstände siehe etwa RTA jg. Rh. 2, S. 661 ff., RTA jg. Rh. 3, Nr. 110, S. 645 ff. Eine neuere Darstellung zu den Gravamina insgesamt fehlt. Für die Gravamina im kirchlichen Bereich noch immer heranzuziehen: BTuno GebhaTdt, Die Gravamina der Deutschen Nation gegen den römischen Hof, Breslau 21895. Hingewiesen sei auf die Dissertation von VolkmaT Wittmütz, Die Gravamina der bayerischen Stände im 16. und 17. Jahrhundert als Quelle für die wirtschaftliche Situation und Entwicklung Bayerns, München 1970 (= Miscellanea Bavarica Monacensia, Heft 26), die freilich nur einen Teilaspekt berührt und das Gesamtproblem allenfalls skizziert. 11 RTA jg. Rh. 3, Nr. 211, S. 885 f.; so auch Bürgermeister Hans Holdermann am 9. 1. 1523 an Eßlingen: RTA jg. Rh. 3, Nr. 228, S. 897. 12 Planitz, Br. 127, S. 287 f.
5.1. Supplikationen als Quellen
299
mann Holzhausen nach Frankfurt: "No dragt sich zu, das auch churfursten, bischof, cardinail, als der von Salzburg, supplicert haben, auch die gemeine stet, der ungeferlich 21 sint, Nurnberg, Augspurg, fim und Frankfurt ausgeschiden, sich des Durkischen anschlag als ze hoch und uber ire vormogen angeschlagen beschwert zu sein beclagt und desshalb an die reichsstend supplicirt haben13 • Mit den in diesen Briefstellen genannten Personenkreisen aber waren noch nicht alle Gruppen von Supplikanten erfaßt. Aus der schon erwähnten Liste vom Regensburger Reichstag von 1546 geht hervor und das läßt sich für andere Reichstage in gleicher Weise zeigen -, daß es wohl keine Supplikationsverbote für bestimmte soziale Schichten gegeben hat. Ob Reichsstand oder einfachster Untertan, ob Adeliger oder Bürger, Geistlicher oder Weltlicher, Mann oder Frau, ob Kurfürst, Fürst, Graf, Ritter oder Prälat, ob Bürgermeister oder Ratsherr, ob Erzbischof, Bischof, Abt, Prior, Kanonikus oder Priester, ob Sekretär, Schreiber, Wundarzt und Barbier, Richter, Leinenweber, Buchdrucker oder Metzger - alle finden sich in alphabetischer Reihenfolge in dieser Liste14 • So steht der Markgraf Hans von Küstrin neben dem Schreiber Hans Beheim aus Breslau, Herzog Erich zu Braunschweig-Lüneburg neben Wenzeslaus Biber, einem Barbier und Wundarzt, der Erzbischof von Bremen neben dem Priester Sigmund Birckheimer aus Ansbach, der Administrator des Deutschen Ordens neben Joachim Bull aus Reutlingen, Bernhardt Burchhardt aus Nürnberg, Georg Dantz und Georg Gartner aus Schlettstadt, das Erzstift Hamburg neben Sigmund von Heßberg, einem Landrichter des Stiftes Bamberg, ein Isac Jud neben dem Rat der Stadt Kaufbeuren, Arnold Krautkrönner aus Trier neben dem Kurfürsten von Trier, der Bischof Franz von Münster und Osnabrück neben einer Margret Mulerin. Dabei fällt auf, daß die Zahl einfacher Leute, von denen oft nur der Name bekannt ist und von denen man seltener Beruf und sozialen Stand kennt, bei weitem überwiegt. Bemerkenswert aber ist ebenso, daß sich unter den Bittenden und Beschwerenden - und das gilt für das Supplikationswesen des ganzen untersuchten Zeitraumes - kein Vertreter der Bauern befindet (inwieweit sich hinter einzelnen Namen ein Mitglied des Bauernstandes verbirgt, ist freilich nicht zu klären); nicht einmal die Bauernunruhen der 20er Jahre schlagen sich in Supplikationen nieder. Dieser Tatbestand läßt sich bestimmt nicht mit feh13 RTA jg. Rh. 3, Nr. 231, S. 902; s. a. Holzhausens Brief vom 17.12.1522: RTA jg. Rh. 3, Nr. 206, S. 878, und vom 22.12.1522: RTA jg. Rh. 3, Nr. 208, S. 883. Besonders auffallend an den hier zitierten Briefstellen ist die ausdrückliche Erwähnung geistlicher Reichsfürsten, die ihren finanziellen Beitrag zum Abwehrkampf des Christentums gegen die Türken nicht leisteten oder herunter handeln wollten. 14 RK RTA 19, III; 20, IV.
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5. Supplikationsausschuß und Ständestaat
lender Reichsstandschaft erklären 15, denn die meisten Supplikanten waren nicht reichsunmittelbar, sondern nahmen ein allgemeines Recht in Anspruch, sich an ihren Kaiser zu wenden, das dann auch auf den Reichstag als Empfänger von Bitten und Beschwerden ausgedehnt wurde. Von ihm erwarteten sie Hilfe und Gerechtigkeit in privaten Nöten und Streitigkeiten. Im Denken dieser Leute war offenbar noch das mittelalterliche Verständnis vom Reichstag als oberster Gerichtsbehörde gegenwärtig, auf der der Kaiser Recht sprach. Wenn auf dem Regensburger Reichstag von 1594 der Salzburger Kanzler den Supplikationsausschuß als "Appellation Rath" bezeichnete 16, so ist das ein Einzelfall. Diese Benennung trifft aber sehr gut das, zu dem dieses Gremium in den Augen der vielen Supplik anten geworden war, zu denen der Salzburger ja selbst oft genug gehörte, und als welches es sich selbst verstehen mußte, auch wenn es niemals eine Appellationsinstanz im juristischen Sinne werden wollte. Im Anschluß an Weitzel war oben festgestellt worden, daß rechtshistorisch die Supplikation zunächst als außerordentliches Rechtsmittel mit der Appellation konkurrierte, daß sie sich dann aber bei bestehendem Appellationsverbot als einzig noch zulässiges Rechtsmittel durchgesetzt hat. Diese Parallelität von Supplikation und Appellation war bei vielen Bitten und Beschwerden zu beobachten, in denen der Supplikant mitteilte, daß er zuvor an das RKG appelliert hatte oder daß ein Prozeß anhängig war. Ganz offensichtlich hoffte er, mit Hilfe einer Supplikation an den Reichstag schneller zum Ziel zu kommen. Die große Zahl reichsmittelbarer Supplikanten bestätigt dies und beweist zugleich, daß die Supplikation ein Mittel war, ein bestehendes Privilegium de non appellando17 und damit den vielleicht gestrengeren Landesherrn zu umgehen. Indem der Supplikationsausschuß aber in Rechtsangelegenheiten stets auf andere Zuständigkeiten verwies, raubte er den Supplikanten ihre Hoffnungen; zugleich nahm er dem Reichstag seine ursprüngliche Gerichtsfunktion und leistete damit seinen Beitrag, ihm den Weg zu einem frühmodernen Ständeparlament zu ebnen 18, den das Reich aber nicht beschritten hat. Ansätze für eine solche Entwicklung aber lagen in der Regierungszeit Karls V. 15 Der sich hieraus ergebenden Frage nach den Gründen kann an dieser Stelle nicht nachgegangen werden. 11 RK RTA 65, Protokoll zum 22. 6.1594, fol. 28 r , 31 v . 17 Dazu siehe: HeTmann ConTad, Deutsche Rechtsgeschichte, Bd. 2: Neuzeit bis 1806, Karlsruhe 1966, S. 159 f.; UZTich EisenhaTdt, Die Rechtswirkungen der in der Goldenen Bulle genannten privilegia de non evocando et appellando, ZRG, Germ. Abt. 86, 1969, S. 75 - 96. 18 Zum Begriff des "modernen Staates" vgl. WeTneT Näf, Frühformen des "modernen Staates" im Mittelalter, HZ 171, 1951, S. 225 - 243; Aufsatzsammlung von GeThaTd OestTeich, Geist und Gestalt des frühmodernen Staates,
5.2. Der Supplikationsausschuß nach 1555
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5.2. Der Supplikationsausschuf3 nach 1555 So plötzlich der Supplikationsausschuß als interkuriales Reichstagsgremium in der einmaligen Situation des Reiches nach der Wahl Karls V. 1521 in Worms in Erscheinung trat, sich zu einer festen Institution entwickelte und damit eine Neuerung in der Geschichte des alten deutschen Reichstages darstellt, so überraschend verschwand er mit Beginn des 17. Jh.s aus den Reichsversammlungen. Er war eine Schöpfung der unter dem Eindruck der Reichsreform stehenden, ja selbst reformerisch tätigen Reichstage Karls V., auf denen die Reichsstände ein nie gekanntes Mitsprache- und Mitregierungsrecht praktizieren konnten, und war zugleich nur eine Erscheinung des 16. Jh.s. Als solche ist er in die frühneuzeitliche Staatsrechtslehre eingegangen. Nach dem Universal-Lexikon von Zedler heißt "Supplication - Rath [... ] in denen Deutschen Reichs-Versammlungen eine sonderbare Deputation, welche bisweilen zu denen einkommenden Particular-Supplicationen verordnet, und dadurch zu gelegener Zeit denen Sachen ihre abhelffliche Masse gegeben wird"19. Die in dieser Definition herausgestellte Charakterisierung des Supplikationsausschusses als "sonderbar", die bereits im Kurfürstenrats-Protokoll vom Regensburger Reichstag 1603 belegt ist20, scheint im 18. Jahrhundert bei den Staatsrechtslehrern anerkannt gewesen zu sein; was darauf schließen läßt, daß ihnen der Supplikationsausschuß im Grunde ein keineswegs vertrautes Gremium war, sondern eine Einrichtung, die in eine vergangene Zeit der Verfassungsgeschichte des Reiches gehörte. So stellte Johann Jacob Moser denn auch in seinem "Teutschen Staatsrecht" fest: "Sonderlich ware im 16 den Seculo bey Reichs-Conventen unter dem Nahmen eines Supplication-Raths eine extraordinaire Reichs-Deputation ja stark üblich und sehr beliebt"21 und zitierte zu seiner näheren Charakterisierung die "Beschreibung der Reichs-Täge de An. 1582" aus GoldBerlin, 1969, Vorwort, S. 5 f., mit Hinweis auf Otto Hintzes Werk, insbes. seine "ungemeine gehaltvolle Akademie-Abhandlung" über "Wesen und Wandlung des modernen Staats von 1931"; siehe ferner Peter Blickle, Landschaften im Alten Reich. Die staatliche Funktion des gemeinen Mannes in Oberdeutschland, München 1973, S. 1 - 50. - Zur begrifflichen Verwandtschaft von "Supplikation" und "Appellation" neuerdings: Jürgen Weitzel, Der Kampf um die Appellation ans Reichskammergericht. Zur politischen Geschichte der Rechtsmittel in Deutschland. Diss. jur. Frankfurt/M., 1974 [Masch.], S. 368 a - 372 a; Woljgang SeHert, Die Problematik der Nachprüfbarkeit von Urteilen des Reichshofrates und des Reichskammergerichts, wie oben S. 93, Anm. 34. 1U Zedler, Bd. 41, Sp. 370, s. v. Supplication-Rath, lat. Senatus Supplicationum. 20 MEA RTA 97, fol. 214r, v. 21 Johann Jacob Moser, Teutsches Staatsrecht, 47. Teil, 4. Buch, 20. Kapitel, § 11, Leipzig 1752, S. 138.
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5. Supplikationsausschuß und Ständestaat
asts "Politischen Reichshändeln", die mit dem "Traktat" von 1569 identisch ist. Zugleich betonte er aber auch, daß "diser Supplications-Rath nach und nach ganz in Abgang gekommen, und man [... ] die vor demselben sonst zu verhandlen gewohnliche Sachen auch ad Plenum gezogen" hat, ohne allerdings zu verschweigen, daß "vile Reichs-Stände damit nicht wohl zufriden gewesen, und haben dahero von Zeit zu Zeit auf Wieder-Herstellung eines solchen Supplication-Raths gedrungen"22. Dazu führt er ein Beispiel aus der Mitte des 17. Jahrhunderts an, als der Supplikationsausschuß offensichtlich schon ungebräuchlich geworden war: am 21. 2.1654 beschloß nämlich der "Fursten-Rath": "Nachdem allerhand Supplicationes und Memorialia in grosser Anzahl bey disem Reichs-Tag einkommen: Und gleichwohl nicht allerdings dis er allgemeinen Reichs-Versammlung verantwortlich seyn will, selbige gänzlich erligen zu lassen: In vollkommenen Räthen aber eine jede Sache vorzunehmen und zu erledigen, fast ohnmöglich wäre; so halten Fursten und Stände dafür, daß hierzu, wie sonst bey anderen Reichs-Versammlungen jederzeit bräuchlich gewesen, ein Supplications-Rath förderlichst angestellet werden sollte"23, was der Kurfürstenrat für "ohnnöthig erachtet", da die einkommenden Supplikationen inhaltlich zu den Tagesordnungspunkten "Gravaminum contra Exteros" und "puncturn Restituendorum" gehörten und dort mitzuerörtern seien24. Die Argumente des Fürstenrates waren dieselben, die man auch im 16. Jahrhundert anführte, um die Notwendigkeit der Einrichtung eines Supplikationsausschusses zu unterstreichen, nur mit dem Unterschied, daß da sehr oft die Kurfürsten die Anregenden waren. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch der Hinweis der Fürsten, daß die Einrichtung eines solchen Gremiums "sonst bey anderen Reichs-Versammlungen jederzeit bräuchlich gewesen" ist25 . Freilich setzten sich 1654 die Reichsfürsten trotz Widerholung und Unterstreichung ihrer Forderung, "weil verschiedene Supplicationes einkommen, so absonderlich müßten expedirt werden", oder "so nicht in andere Materias tractandas einflössen"26, nicht durch. Gegen den Vorschlag aber, nur solche Stände sollten den Supplikationsausschuß bilden, die noch nicht in einem anderen Ausschuß vertreten waren, erhob sich in den eigenen Reihen Widerspruch, da ein so besetzter Ausschuß für die Supplikationen "wegen Wichtigkeit selbiger Sachen, fast unfruchtbar und vergeblich seyn werde"27, was nur so zu verstehen ist, daß man die eingegangenen Moser, § 12, S. 141. Moser, § 12, S. 141 f. 24 Moser, § 12, S. 142. 25 Moser, § 12, S. 142. 28 Moser, § 12, S. 142. 27 Moser, § 12, S. 142. 22 23
5.2. Der Supplikationsausschuß nach 1555
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Supplikationen so ernst nahm, daß die fähigsten Männer, die aber meist schon in den anderen Ausschüssen beschäftigt waren, über sie entscheiden sollten. Nicht zuletzt deshalb, weil man sich schon im Fürstenrat nicht über die personelle und zahlenmäßige Zusammensetzung einigen konnte 28, kam auf dem Reichstag von 1654 kein Supplikationsausschuß mehr zustande. Aber wie und aus welchen Gründen kam es dazu, daß mit dem 16. Jh. auch die Zeit der Supplikationsausschüsse zu Ende ging? Zur Beantwortung dieser Fragen ist es notwendig, an die Problematik der Ausschußbildung auf Reichstagen anzuschließen. War es bei allen Schwierigkeiten während der Regierungszeit Karls V. doch immer wieder zur Einrichtung interkurialer Ausschüsse gekommen, so änderte sich das in der zweiten Hälfte des 16. Jh.s. Schon auf dem Regensburger Reichstag von 1556/57 nahmen die Kurfürsten im September 1556 gegenüber dem Fürstenrat zur Frage des "gemainen Außschuß"29 in der Weise Stellung, sie "wollten auch dem Fursten Rath semel [pro] semper Jeetz fur aall mall kund und mit grundt angezaigett haben, daß sie alzumal und ein Jeder in sonderheitt von seinem gnedigsten herren mitt dem sondern beuelch abgefertigt, soHichen ausschuß kheines wegs einzugeen. Darumb wurde alle vernere bemuehung umb sonst vergebenlich sein. Deß solte man aigendlich wissen das nit vergebenliche aufhaltung der sachen furkomen"30. So eindeutig abweisend hatten sich die Kurfürsten zuvor noch nie vernehmen lassen, weshalb die Fürsten keine Hoffnung hatten, "berurten gemeinen außschuß halben dißmalß etwaß zu erhalten" und sich entschlossen, "Es also darbei wenden und beleiben zulassen, unangesehen daß die Potschafften deß Fürsten Raths solchen weg und proceß fur den schleinigern und außrichtigern erkhenten"31. Damit aber war die Sache noch nicht erledigt, denn als es im Fürstenrat zur Beratung der Punkte "Religion" und "Türkenhilfe" kam, erinnerte Zasius als salzburgischer Direktor daran, "daß der ein vermog Passauerischen Vertrags in gemeinen Außschuß tractiert unnd der ander durch die ubrigen potschafften und gesanten In pleno Consilio erledigt" werden sollte32 . Dem schloß sich die Mehrheit des Fürstenrates an und bat Kurfürsten, sich darin zu vergleichen, "dz zu gemeinem Außschuß deß Relligion Puncten halb gegriffen, und darneben die gemein Consultationes von wegen der 28 Moser, § 12, S. 142 f.; Magdeburg wollte vier katholische und fünf evangelische, Culmbach sechs evangelische und fünf katholische Reichsfürsten benennen. 29 RK RTA 39, Fürstenratsprotokoll, fol. 305r • 30 RK RTA 39, Fürstenratsprotokoll, fol. 305 r ; vgl. ebd., fol. 373v , 374r • 31 RK RTA 39, Fürstenratsprotokoll, fol. 305 V, 306 r ; vgl. ebd., fol. 374v • 32 RK RTA 39, Fürstenratsprotokoll, fol. 306v •
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5. Supplikationsausschuß und Ständestaat
Nottwenndigen Türggen hilff nicht weniger alßbald an die hand genomen und mit embsiger Consultation darinnen fürgeschritten werden sollt"33. Die Kurfürsten aber weigerten sich, bis sie schließlich Ende November 1556, noch vor Einsetzung des Supplikationsausschusses, der allerdings schon ins Auge gefaßt war, doch in den "gemeinen Religions Außschuss" willigten und je einen Vertreter entsandten34 . Hatten die Fürsten auf dem Reichstag von 1556/57 also doch noch einen Teilerfolg erzielt, so blieb ihnen auch dieser vom Speyrer Reichstag von 1570 an versagt. Die Kurfürsten nahmen eine solch ablehnende Haltung gegenüber den Reichsfürsten ein, daß der Mainzer Kanzler die Vertreter der Fürsten und Städte am 17.10.1570 vor der Sitzung, in der die Beratungsergebnisse der drei Kollegien zur Reform des Reichskammergerichts zusammengestellt werden sollten, ausdrücklich auf die "Hoheit und Praeeminenz" der Kurfürsten hinwies, damit sie aus der Tatsache, daß alle gemeinsam an einem Tisch saßen, keine falschen Schlüsse zogen35 . Dem war bereits am 18.7.1570 die Ablehnung des interkurialen Ausschusses durch den Kurfürstenrat vorausgegangen, wovon allerdings der Supplikationsausschuß nicht betroffen war: "Aber sunsten zubefordern andere neben und privaten sachen solten sie zum supplication rath ein außschuß verordnen [... ]36." Das Hauptargument des Fürstenrates für "ainen gemainen außschuß " , daß sie "wisten kainen schleunigern [modus procedendi] "37, führten sie auch auf den folgenden Reichstagen ins Feld. 1576 in Regensburg wiesen sie auf die "fürderliche Berathschlagung und Abhandlung [... ] In ainem gemainen Ausschuße" hin 3B, berücksichtigten bei ihrer Diskussion am 20. 6. 1576 aber zugleich die zu erwartende Ablehnung durch die Kurfürsten: Österreich verwies auf "die gewonlich protestationen"39 gegen die Haltung des Kurfürstenrates, Bayern regte an: "wehre bey den Churfursten nit zuerhallten [... ], sollten nicht lanng darumb zuersuochen sein, sonnder mitt der protestation furzufahren"40, und Salzburg erwog, nur im Fürstenrat einen Ausschuß zu bilden41 • Am 28.6.1576 trug Dr. Jung die reichsfürstliche Protestation unter Hinweis darauf vor, daß interRK RTA 39, Fürstenratsprotokoll, fol. 312V• RK RTA 39, Fürstenratsprotokoll, fol. 405 v, 452 r. 35 MEA RTA 56, Kurfürstenratsprotokoll, fol. 470 r , 522 r ; s. a. Hermann Becker, Der Speyrer Reichstag von 1570, Diss. phi!. Mainz 1969, S. 88. 36 MEA RTA 56, Kurfürstenratsprotokoll, fol. 42 v • 37 Für einen interkurialen Ausschuß hatte sich 1570 Timotheus Jung als Vertreter des Fürstenrates ausgesprochen: MEA RTA 56, Kurfürstenratsprotokoll, fol. 42 r • 38 RK RTA 54 b, Fürstenratsprotokoll von Johann Achilles Ilsung, fol. 74V • 39 RK RTA 54 b, Fürstenratsprotokoll, fol. 75 r . 40 RK RTA 54 b, Fürstenratsprotokoll, fol. 75r, v. 41 RK RT A 54 b. Fürstenratsprotokoll, fol. 75v. 33
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5.2. Der Supplikationsausschuß nach 1555
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kuriale Ausschüsse "im altten brauch herbracht" , daß "solcher gebrauch aber vonn dem Churf[ursten] Rath nitt wöll zugelassen werden"42; er bat ferner darum, den Protest für den Fall, daß tatsächlich kein Ausschuß gebildet würde, in der Mainzer Kanzlei zu registrieren43 . Darauf erklärte der Mainzer Kanzler nur: "Churfürsten Reth lassen es deß proceß halben dabei bewenden, wöllen in namen Gottes also vortfahren'4." 1582 in Augsburg beschied der Mainzer Kanzler des Fürstenrats Bitte um Bewilligung eines "gemeinen ausschuß zu befürderung der Sachen" mit der Antwort, daß es "bey alttem herkommen [bleibtt]" und nahm den Protest entgegen, der "dem Meintzischen Protocoll einzuverleiben" war4 5 • Insgesamt ist für die Reichstage der zweiten Hälfte des 16. Jh.s festzustellen, daß stets die Reichsfürsten die Einsetzung eines interkurialen Ausschusses forderten, aber nach dem Reichstag von 1556/57 nicht mehr darum kämpften, sondern sich damit begnügten, ihren Rechtsstandpunkt protokollieren zu lassen. So wurde es für die Kurfürsten zu "alttem herkommen", daß kein solcher Ausschuß die Arbeit aufnahm. Eine Ausnahme bildete lediglich der Supplikationsausschuß, dessen Einrichtung der Mainzer Kanzler noch auf dem Augsburger Reichstag von 1582 mit den Worten rechtfertigte: "Es wurde nicht gezweifelt die Stande hetten sich zuerinderen, dz man bishan mit ordinari geschefften heuffig beladen gewesen, dar zwischen dan Supplicationes und allerlai daneben einkommen, so auch verzucht sein wolte, und derhalben ein abordnung zu thun, unnd Ausschuß zu machen fur guet angesehen, und disen Supli[cati]on Raht zu verordnen [...]46." Und 1594 in Regensburg proponierte Mainz am 28. 6., nachdem bereits am 21. 6. dem Fürstenrat angezeigt worden war, daß man den Supplikationsausschuß einrichten wolle47 : "Dannach in Chur[fursten], Fursten und Stätt Raths Versamblung verglichen, das ain Ausschuß zu expedirung der einkhornenen supplicationen verordnet unnd dem supplications Rath ain anfang gemacht werden solte, so hatten sy Ires thails von Iren gnedigsten herrn bevelch, demselben beizuwohnen", um dann weitere Verfahrensfragen anzuschneiden, wie die Supplikationen erledigt werden sollten48. Ganz offensichtlich hielten die Kurfürsten in der Frage der Mitarbeit im interkurial besetzten Supplikationsausschuß schon deshalb nicht 42 MEA RTA 72, Kurfürstenratsprotokoll, fol. 17r • 43 MEA RTA 72, Kurfürstenratsprotokoll, fol. 17r • 44 MEA RTA 72, Kurfürstenratsprotokoll, fol. 17r • 46 MEA RTA 83, Protocolum comitorum Imperialium, fol. 12 r , zum 10.7. 1582 ante meridiem. 41 MEA RTA 85, Supplikationsratsprotokoll zum 11. 8.1582, fol. 12r • 47 RK RTA 65, Fürstenratsprotokoll zum 21. 6. 1594, fol. 27 r , v. 48 MEA RTA 92, Liber Supplicationum Primus, Protokoll zum 28.6.1594, fol. Ir. 20 Neuhaus
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5. Supplikationsausschuß und Ständestaat
an ihrer zum Prinzip erhobenen Nichtbeteiligung an solchen Ausschüssen fest, weil sie die Supplikationen nicht so wichtig nahmen und sich Arbeit ersparen wollten. Ihnen kam es aber darauf an, in anderen Fragen ihre Sonderstellung zu betonen und die zentralen Reichsangelegenheiten unter sich zu beraten und vorzuentscheiden. Daß den Kurfürsten das ganze Supplikationswesen äußerst lästig war, ist einer kursächsischen Äußerung vom 7.10.1570 zu entnehmen, in der gegen die ständig steigende Zahl der Supplikationen an den Reichstag Stellung genommen wurde: "Haben Bedenken, daß sich das Reich aller Privatsachen solt annemmen, denn da man den Dingen also zusehen wolt, würdt eines jeden Bauern Supplizieren ans Reich kommen49." Diese negative Einstellung zum Supplikationswesen führte schließlich auf dem Regensburger Reichstag von 1602/03, dem ersten des 17. Jh.s, zu einer entscheidenden Diskussion, in der die Fragen der Bildung von interkurialen Ausschüssen im allgemeinen und der Einsetzung eines Supplikationsausschusses im besonderen miteinander verknüpft wurden. Ohne daß die Einrichtung eines Supplikationsausschusses zur Diskussion stand, nahmen Mitglieder des Fürstenrates am 31. 5. 1603 während der Umfrage, ob man die Angelegenheiten des Gerichtswesens "in pleno oder durch ain ausschuß tractiren solle"50, dazu Stellung. Nachdem Bayern sich für einen Ausschuß und für einen Supplikationsausschuß ausgesprochen hatte, erinnerte Österreich daran, man habe "allezeit ain Supplication Rath aus allen dreyen Räthen gemacht, welches Er vermaint man den Churfursten anzaigen solle"51. Diesem Votum schlossen sich alle Mitglieder des Fürstenrates an, sofern sie nicht "indifferens" waren52, und dieses Ergebnis sollte auch den Kurfürsten vorgetragen werden, obwohl das Problem nicht proponiert worden war. Hinsichtlich des interkurialen Ausschusses für die Beratung von Fragen des Justizwesens aber gingen die Meinungen auseinander. Während Salzburg es "vor rathsamer" hielt, "dz ain ausschuß von deputirten dartzu möchte getzogen werden, weil sie der sachen besser wissenschafft haben, doch solle es citra praeiudicium aliorum statuum geschehen", und die Beteiligung mehr oder weniger freistellte, akzep49 MEA RTA 58, Tomus Primus Supplicationum, fol. 50 r • Der Kaiser aber drängte am 18. 9. 1570 beim Kurfürsten von Mainz auf eine baldige Erledigung der zahlreichen Supplikationen: MEA RTA 60, fol. 528r • 50 RK RTA 78 a, Fürstenratsprotokoll zum 31. 5.1603. 51 RK RTA 78 a, Fürstenratsprotokoll zum 31. 5. 1603. S2 RK RTA 78 a, Fürstenratsprotokoll zum 31. 5. 1603. Nur Lüneburg bemerkte: "Auf ain Supplication Rath ist er nicht instruirt, weil in dem Reichstagsausschreiben gemeldt wirdt, dz alle anndere sachen hindan gesetzt, und allain denen, so in dem außschreiben begriffen nachgangen würde."
5.2. Der Supplikationsausschuß nach 1555
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tierte Österreich nur den ersten Teil des Salzburger Votums und wollte ein Gremium, dessen Mitglieder "nicht als deputirte, sonder als ain ausschuß" tätig sein sollten. Damit war der interkuriale Ausschuß der Vergangenheit gemeint, denn Österreich erinnerte "beinebens" daran, "dz man alzeit bey den Churfürsten umb ain gemainen außschuß angehaltten, da sie es aber verwaigerten, hat man allzeit darwider protestirt alz es dem lob [lichen] furstenrath nicht praeiudiciren solle"53. Gegen einen solchen Ausschuß war Pfalz-Lautern, weil "den Ständen Augspurgischer Confession hierinnen ain praeiudicium geschehen" könnte. Es führte als Gründe weiter an, die zu beratenden Sachen seien schon "von den Deputirten auf ain gemainen Reichstag verschoben worden", es müsse doch alles "in pleno" referiert werden, und außerdem seien die Fragen zu wichtig; sollte aber doch ein Ausschuß gebildet werden, müßte man auf jeden Fall "von den benckhen in gleicher anzahl von beeder Religion dartzu zihen"54. In der weiteren Umfrage schlossen sich die Mitglieder des Fürstenrates je nach Konfessionszugehörigkeit Österreich oder Pfalz-Laute rn an, was zu dem Ergebnis führte, "das durch dz mehrer auf ain außschuß aus den Deputirten zwar nicht als Deputati, sonder als Consultores, welche als dann die sachen in pleno referiren sollen, geschlossen wurde". Auf beide Beratungsergebnisse des Fürstenrates antworteten die Kurfürsten ablehnend. Das entsprach hinsichtlich des "gemainen Ausschuß" ganz der Linie, die sie auf den letzten Reichstagen des 16. Jh.s verfolgt hatten. In bezug auf den Supplikationsausschuß aber war ihre Begründung neu; die von ihnen angenommene Haltung besiegelte das Schicksal dieses zur Tradition gewordenen Gremiums, das in vieler Hinsicht eine Ausnahmestellung auf den Reichstagen seit 1521 eingenommen hatte. Die Kurfürsten hielten einen Supplikationsausschuß nicht für notwendig, weil von den Bitten und Beschwerden, "etliche zu den puncten khay.er proposition gehörig, etliche seien nicht so sehr hochwichtig"55. Zu diesem Beschluß der Kurfürsten war es nach ihrer Sitzung vom 11. 6. 1603 gekommen, in der der Mainzer Kanzler nicht wie üblich von sich aus einen Supplikationsausschuß anregte, sondern die Frage stellte, ob man für die eingegangenen Bitten und Beschwerden "einen Supplication Rath anordnen oder solche supplicationes in abgesonderten Rathen tractieren wolle"56. Während Kurpfalz und Kursachsen keine Meinung dazu hatten, plädierten d.ie übrigen gegen einen Supplikationsausschuß. Brandenburg schien es "unnettig" zu sein, "einen sonderbarn Supplication Rath anzeordnen dan sie darzu mit Leuthen nit 53 54
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20·
RK RTA 78 a, Fürstenratsprotokoll zum 31. 5. 1603. RK RTA 78 a, Fürstenratsprotokoll zum 31. 5. 1603. RK RTA 78 a, Fürstenratsprotokoll zum 4. 6. 1603. MEA RTA 97, Kurfürstenratsprotokoll, fol. 213 v •
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5. Supplikationsausschuß und Ständestaat
gefast"67, und Mainz hielt einen "sonderlichen Supplication-Rath" für entbehrlich, weil nicht mehr als zwanzig Bitten und Beschwerden vorlagen68. Der Trierer Vertreter schlug sogar ein Verfahren vor, wie Supplikationen in Zukunft behandelt werden sollten, wenn er forderte, daß "diejenige[n), so den volgenden tag tractirt werden sollen, zuvor den Churfl. Rathen designirt und namhafft gemachten werden"59; und er ergänzte seinen Geschäftsordnungsvorschlag am 13.6. 1603, als er anregte, "ettliche supplicationes, so in petitione geleichförmig zusammen gezogen seind", in einer Umfrage zu besprechen60• Eigenartigerweise aber reagierte der Fürstenrat nicht auf die Ablehnungen seiner Vorschläge. Die Verweigerung des "gemainen Ausschuß" nahmen die Fürsten - nun auch schon - "altem herkommen nach" zwar unter Protest zur Kenntnis, aber hinsichtlich des neuen Verfahrens zur Behandlung der Supplikationen entsprachen sie dem kurfürstlichen Vorschlag, diese noch im Laufe der Woche einzustellen61 • Fortan wurden Bitten und Beschwerden nach vorheriger "designation" durch den Mainzer Kanzler im Rahmen der Beratungen der Propositionspunkte in den einzelnen Kollegien behandelt, wobei es bei den Direktoren lag, in welcher Reihenfolge und in wieviel Umfragen dies geschah 62 • Die Konsequenz dieser Entwicklung war, daß der Reichstag weitgehend seine Funktion verlor, Empfänger und Bearbeiter von Supplikationen zu sein.
5.3. Verfassungsgeschichtliche Konsequenzen Die skizzenhafte Darstellung der Geschichte des Supplikationsausschusses bis zum Beginn des 17. Jh.s läßt in der zweiten Hälfte des 16. Jh.s Veränderungen erkennen, die für die weitere Entwicklung der Reichstagsverfassung nicht ohne Bedeutung waren. Das Verschwinden des Supplikationsausschusses stellt sich als Folge des Verzichts auf interkuriale Reichstagsausschüsse dar, die zur Zeit Karls V. und darüber hinaus bis 1570 das Bild der Reichstage maßgeblich bestimmten und zu denen der Supplikationsausschuß trotz aller seiner Besonderheiten vom Ursprung her gehörte. Als reichsständisches interkuriales Gremium, in dem alle auf einem Reichstag vertretenen Stände ihren Platz hatten, hat er dem Reichstag des 16. Jh.s 57 MEA RTA 97, Kurfürstenratsprotokoll, fol. 214'.
MEA RTA 97, Kurfürstenratsprotokoll, fol. 214', v. MEA RTA 97, Kurfürstenratsprotokoll, fol. 213 V • 80 MEA RTA 97, Kurfürstenratsprotokoll, fol. 214v • U RK RTA 78 a, Fürstenratsprotokoll zum 4. 6. 1603. 62 Vgl. RK RTA 78 a, Fürstenratsprotokoll zum 11.6.1603, ferner zum 16., 17. und 25. 6. 1603. 58 58
5.3. Verfassungs geschichtliche Konsequenzen
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nicht nur ein unverwechselbares Kennzeichen gegeben, sondern gleichzeitig das Ansehen und die Bedeutung des Ständeparlamentes auf Reichsebene erheblich gesteigert63 • Mit dem Supplikationsausschuß hatten sich die Reichsstände eine Einrichtung geschaffen, die den ständig wachsenden Zahlen von Bitten und Beschwerden an Kurfürsten, Fürsten und Stände mit Aussicht auf Erfolg Herr zu werden versuchen konnte und den Supplikationen eine ihnen angemessene Bewertung gab. Waren die Supplikationen - mit allen Vorbehalten - ein Spiegel für die Zustände im Reich, so waren Art und Weise ihrer Behandlung auf den Reichstagen ein Spiegel dafür, wie das Reich auf diese sich in Einzelfällen zeigenden Zustände reagierte. Als Empfänger von Bitten und Beschwerden traten die auf den Reichstagen versammelten Reichsstände gleichberechtigt neben den Kaiser als Reichsoberhaupt, ja, sie gewannen sogar eine weitaus höhere Bedeutung, da sie sich mit Billigung des Kaisers fast allen Justiz-Supplikationen zu widmen hatten, während der Kaiser selbst in erster Linie mit Gnaden-Supplikationen beschäftigt war64 • Auch hier war das Reich - wie es in der Formel "Kaiser und Reich" zum Ausdruck kommt - neben den Kaiser getreten, wenn nicht gar an seine Stelle. Das RKG war eine der wesentlichen Forderungen der ständischen Reichsreformbemühungen seit dem Ende des 15. Jh.s gewesen und trat mit seiner Errichtung als eine gleichberechtigte letzte und höchste juristische Instanz neben den Kaiser als bisherigen alleinigen Inhaber der obersten richterlichen Gewalt 65 • Wie der Kaiser im Justizbereich seine 83
Zur Bedeutung des Reichstages als Verfassungsinstitution allgemein s.
Schubert, Reichstage, S. 61 u. Ö.
84 Hinzu kommt, daß die kaiserliche Kanzlei Gegenstand reichsständischer Kritik geworden war. Aufgabe des Kaisers und seiner Kanzlei war es, "die hochsten unnd geringsten Stende gleich zuhalten und zufurdern in iren sachen zuhoren und gnedigst abfertigung geben zulassen und alle genade und miltigkeit mitzuteilen" (MEA RTA 6b, fol. Ir). In "Gemeiner und anderer Reichsstände Beschwerung uffm Reichstag zu Regensburg furgebracht anno 1532" hieß es, bevor die Stände mit ihrer Kritik an der Arbeitsweise der kaiserlichen Kanzlei einsetzten: "So ist doch offenbar und meniglich bewußt, das nit allein gering, sonder auch hoche stende in iren obligen und sachen bei key. Mat. Officirn keine oder doch so langsame abfertigung bekommen mogen, dadurch die partheien zu zeitten mehr verzeren, dann die sachen darumb sie sollicitieren werth sein mochten" (MEA RTA 6b, fol. Ir). Dieser Tatbestand war auch noch in den 40er Jahren gegeben, denn er veranlaßte einige Supplikanten auch wegen der "zerung" zu supplizieren. Die Stände erklärten sich dieses Verhalten der kaiserlichen Kanzlei vor allem damit, daß der Kaiser entgegen den Bestimmungen der Goldenen Bulle von 1356 und der Wahlkapitulation von 1519 zu viele Ausländer in seine Dienste genommen habe, mit denen sich die Deutschen nicht verständigen konnten (MEA RTA 6b, fol. Ir). Am 12.7.1532 antwortete der Kaiser auf die Vorwürfe und wies sie zurück (MEA RTA 6b, fol. Sr). 65 Siehe dazu: Smend, Reichskammergericht, S. IX, 1 ff.; Hartung, Verfassungsgeschichte, S. 41 f.; Oestreich, Verfassungsgeschichte, S. 366 f.
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5. Supplikationsausschuß und Ständestaat
MonopolsteIlung eingebüßt hatte, so verlor er seit dem Wormser Reichstag von 1521 auch die Stellung desjenigen auf Reichsebene, der alleiniger Empfänger von Bittgesuchen und Beschwerden außerhalb des Rechtsweges war und Gnadenerweise und Gunstbezeugungen ebenso aussprechen wie Entscheidungen in Rechtsstreitigkeiten treffen konnte. Im Reich war nicht mehr nur der Kaiser "gnädig", sondern auch die Kurfürsten, geistlichen und weltlichen Reichsfürsten, die es in den Territorien für ihre Untertanen ohnehin schon längst waren66 • Mit dem Verschwinden des Supplikationsausschusses als Reichstagsgremium, das im Zusammenhang mit den Auflösungserscheinungen des ganzen Reichsverfassungssystems vor dem Dreißigjährigen Krieg zu sehen ist, von denen neben dem Reichstag auch RKG, RHR und Reichsdeputationstage erfaßt wurden, verloren die Supplikanten weitgehend die Möglichkeit, dem Reichstag ihre Bitten und Beschwerden vorzutragen. Ihnen blieb aber wie bisher die Supplikation an den Kaiser und seit 1559 bereits die an den Reichshofrat67 , der als kaiserliche Einrichtung damit nicht nur ein Konkurrenzunternehmen zum RKG war, sondern auch zum immer bedeutender gewordenen Reichstag. Dabei ist allerdings zu bedenken, daß die Reichsstände selbst 1603 auf die Einrichtung ihres Supplikationsausschusses verzichteten. Infolge dieser Entwicklung gewannen konsequenterweise die Supplikation an den Landesherrn und das im Territorialstaat auszubauende Erledigungsverfahren erheblich an Bedeutung, was zum Ausbau der frühmodernen Staaten im Reich gehörte. Welche Anstrengungen im Bereich der Rechtsprechung etwa vom Bischof von Würzburg unternommen wurden, konnte bereits gezeigt werden68 • Unter dem Ge88 Hülle, Supplikenwesen in Rechtssachen, S. 197, spricht davon, daß die Landesfürsten "zumeist" die Empfänger von "Rechts-Suppliken" waren, und läßt die Bitten und Beschwerden an Kaiser und Reichsstände völlig außer acht. 67 Auf das Supplikationswesen im Zusammenhang mit dem Reichshofrat kann hier nicht eingegangen werden. Zum Reichshofrat siehe: Oswald von Gschließer, Der Reichshofrat. Bedeutung und Verfassung, Schicksal und Besetzung einer obersten Reichsbehörde von 1559 bis 1806, Wien 1942; Wolfgang Sellert, Über die Zuständigkeitsabgrenzung von Reichshofrat und Reichskammergericht insbesondere in Strafsachen und Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, Aalen 1965; Wolfgang Sellert, Die Problematik der Nachprüfbarkeit von Urteilen des Reichshofrates (RHR) und des Reichskammergerichts (RKG) durch Revision und Supplikation, in: 1473 Commemoration de l'institution du Parlement de Malines 1973, Colloque International Parlement de Malines (Maiines le 9 decrembre 1973), 1974 [Masch.], S. 1 - 24. Siehe ferner: Wolfgang iSellert, Prozeßgrundsätze und Stilus Curiae am Reichshofrat im Vergleich mit den gesetzlichen Grundlagen des· reichskammergerichtlichen Verfahrens, Aalen 1973, dort insbes. S. 167 ff., S. 373 ff. 68 Vgl. Jürgen Weitzel, Der Kampf um die Appellation ans Reichskammergericht. Zur politischen Geschichte der Rechtsmittel in Deutschland. Diss. jur. Frankfurt/M. 1974 [Masch.], S. 371, 372a.
5.3. Verfassungs geschichtliche Konsequenzen
311
sichtspunkt des "Zugang[s] des Untertanen zum Staat" hat zuletzt
Hartwig Sengelmann diese Entwicklung am Beispiel des absolutisti-
schen Preußen verfolgt69 • Dabei stellte er neben die Supplikationen in Rechtsangelegenheiten die "Suppliken in Verwaltungsangelegenheiten", für die er die "Zuständigkeit des Monarchen [...] aus der besonderen Form der absolutistischen Staatsbeherrschung" folgerte 7o •
69 Hartwig Sengelmann, Der Zugang des Einzelnen zum Staat, abgehandelt am Beispiel des Petitionsrechts. Ein Beitrag zur allgemeinen Staatslehre, Hamburg 1965, S. 20 - 30. Sengelmann hat sich darin der Geschichte des Petitionsrechtes aus der Sicht des Juristen zugewandt. Für den Historiker ist dabei vor allem von Interesse, worin sich der "Zugang des Untertanen zum Staat" vom "Zugang des Bürgers zum Staat" und schließlich vom "Zugang des Einzelnen zum Staat in der modern-demokratischen Ordnung"· unterscheidet, und wie das Supplikationswesen in seinem verfassungsrechtlichen Gehalt als ein Teil des allgemeinen Problems des Zugangs des Individuums zum Staat gesehen wird. Damit ist die Frage nach der Kontinuität gestellt, die Frage nach den Beziehungen zwischen Ständeparlament und modernem Repräsentativparlament und die Frage nach den Beziehungen zwischen den Begriffen "Supplikation" und "Petition". Ohne auf diese Fragenkomplexe hier näher eingehen zu können, sei angemerkt: In der älteren juristischen Literatur scheinen "Supplikation" und "Petition" synonym verstanden und gebraucht worden zu sein, in der neueren fehlt "Supplikation" ganz, auch dort, wo Bitten und Beschwerden der älteren Zeit behandelt werden. Die Wörter "Supplik" und "Supplikation", deren etymologische Ableitung eindeutig auf den Obrigkeitsstaat verweist, wurden im 19. Jh. nur noch archaisierend gebraucht oder verschwanden gänzlich aus dem deutschen Sprachgebrauch und durch "Petition" bzw. seine Eindeutschungen "Beschwerde", "Eingabe", "Gesuch", "Gnadengesuch" ersetzt (vgl. Grimm, Deutsches Wörterbuch, Sp. 1249, s. v. Supplik, Sp. 1252, s. v. Supplikation). Es fragt sich daher, ob die beiden Begriffe identisch sind und beide Wörter nur zu verschiedenen Zeiten für dieselbe Sache verwendet wurden, oder ob ihnen nicht unterschiedliche Rechtsauffassungen und ein verändertes Verhältnis des "Bittenden" und des "Sich Beschwerenden" zu Herrscher und Staat zugrunde lagen. Wenn in gleichem Maße der Bürger an die Stelle des Untertanen trat wie der Petent an die des Supplikanten, dann war "Supplikation" der Begriff des obrigkeitlichen Untertanenstaates und wurde "Petition" im 19. Jh. zum Begriff des "Staatsbürger"-Staates. In dem Augenblick, da die Unabhängigkeit der richterlichen von der herrscher lichen Gewalt durchgesetzt und in der konstitutionellen Monarchie die alleinige Entscheidungsgewalt des Herrschers weitgehend eingeschränkt war, wurde die im Absolutismus ausgeprägte, aber auch schon vorher vorhandene Form der Supplikation als rechtliches Selbsthilfe-Mittel außerhalb des ordentlichen Rechtsund Verwaltungsweges hinfällig. - Zum Petitionsrecht als Grund- und Menschenrecht siehe: Diether H. Hoffmann, Das Petitionsrecht. Diss. jur. Frankfurt/M. 1959; Hans Ludwig Rosegger, Petitionen, Bitten und Beschwerden. Ein Beitrag zur Entwicklungsgeschichte moderner Verfassungen in rechtsvergleichender Darstellung, Berlin 1908; Karl-Heinz Mattern, Petitionsrecht, in: Die Grundrechte, hg. v. Franz L. Neumann, Hans earl Nipperdey, Ulrich Scheuner, Bd. 2, Berlin 1954, S. 623 - 639; im übrigen siehe die in den modernen Grundgesetz-Kommentaren angegebene Literatur; dazu jetzt: Renate Tesche, Zur Reform des Petitionswesens im Deutschen Bundestag. Ein Beitrag zur Diskussion, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 4174, S. 19 - 26. 70 Sengelmann, Der Zugang des Einzelnen zum Staat, S. 21.
312
5. Supplikationsausschuß und Ständestaat
Schon Harry Breßlau71 hat auf den engen Zusammenhang der Behandlung und des Geschäftsganges von Bittschriften mit der Geschichte der mittelalterlichen Verwaltungsorganisation hingewiesen. Für die Zeit Karls V. wurde insbesondere am Beispiel der Supplikationen in Finanzangelegenheiten, aber auch in Fragen des Heeresaufgebots gezeigt, daß es sich bei ihrer Erledigung vornehmlich um Verwaltungsfragen handelte, die der Supplikationsausschuß allerdings nicht entscheiden konnte und wollte und deren Lösungen er deshalb Fachgremien außerhalb des Reichstages überließ. Die mit solchen Supplikationen in Verwaltungsangelegenheiten gebotene Möglichkeit, dem Reichstag in seinem Supplikationsausschuß die Funktion einer obersten Reichsverwaltungsbehörde zu übertragen, wurde in dem Maße nicht verwirklicht, wie die Reichsversammlung ihre Gerichtsfunktion aufgab. Daß es solche Ansätze im Supplikationsausschuß gegeben hat, zeigen neben Quantität und Qualität der ihm übertragenen Aufgaben die Regelmäßigkeit seiner Einrichtung auf allen Reichstagen seit 1521 und die Gleichmäßigkeit seiner Besetzung als reichsständischer interkurialer Ausschuß. Wenn am Ende des 16. Jh.s Supplikationen in Steuerangelegenheiten regelmäßig von den Supplikationsausschüssen an den Kaiser überwiesen wurden, zeigt das, daß der Reichstag die Verantwortung für die Steuereinnahme wieder ganz dem Kaiser übertragen hatte 72, während doch in der ersten Hälfte des Jh.s zu beobachten war, daß Karl V. und Ferdinand die meisten wichtigen Bitten und Beschwerden den Reichsständen zur Bearbeitung und Erledigung überlassen hatten. Der Supplikationsausschuß, der über eine vorbereitende Behandlung der Bitten und Beschwerden im allgemeinen nicht hinausgelangt war, verlor Ende des 16. Jh.s seine Funktion in dem Maße, in dem der frühneuzeitliche Reichstag - vor allem aus dem Desinteresse der sich auf den Ausbau ihrer eigenen Territorialherrschaften konzentrierenden Reichsstände - unter weniger mächtigen Kaisern seine einflußreiche Stellung einbüßte. Das Reich als Ständestaat erwies sich als unfähig, seine Grundprobleme und Existenzfragen in seinem obersten Gremium zu lösen. Breßlau, Urkundenlehre, Bd. 2, S. 27. Winfried Schulze, Reich und Türkengefahr im späten 16. Jahrhundert, Berliner Habilitationsschrift, Berlin 1975 [Masch.], S. 328; freundlicher Hin71
7!
weis von Prof. Dr. G. Oestreich.
Beilagen*
* Die Texte in den Beilagen sind weitgehend nach Johannes Schultze, Richtlinien für die äußere Textgestaltung bei Herausgabe von Quellen zur neueren deutschen Geschichte, BI!. f. dt. L. Gesch. 102, 1966, S. 1 - 10, hergestellt worden.
Kaiser
Reichsrat
innerkuriale Ausschüsse
,
I
11,
innerkuriale Ausschüsse
Ausschuß für Reichsabschied
~
,
Fachausschüsse
Lk
Sonderausschüsse
~
Interkurialer Großer Ausschuß
,
~ Supplikationsausschuß
:...............................................................:.. ·T····················································...;
.i I -----------------~. ,- ----- -- ---- -- - -- ~ i -
innerkuriale Ausschüsse
11'
Beilage NT. 1: Organisationsstruktur des Reichstages in der Zeit von 1521 bis 1555
gemeinsame Ausschüsse
I
r·-·-·-·
I
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Reichsstädterat
Kurfürstenrat
Fürstenrat I
1
1
Direktorium:
gastgebende Reichsstadt
Direktorium:
ÖSterreich bzw. Salzburg
I
Reichsdirektorium : Mainz
I
I
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Beilage 2
315
Beilage NT. 2:
Supplikation an die Ro. kay. Mat. der Churfursten preeminentz und Reputation in Rathschlegen belangendt (MEA RTA 13, Bd. A, fol. 7S r - SIr) [1547, RT zu Augsburg]
Aller Durchleuchtigister Großmechtigister unuberwindlichister Romischer Kaiser, aller genedigister Herr, Euer kaiserlich Mat., sein ungezweifelt in underthenigkait bericht, welchermassen sich vergangner tag, als wir mit sambt andern gemeinen Stenden und derselben Reth und gesandten, uf! euer kay. Mat. genedigist begern, die angefangne bundtshandlung widerumb vor handt nemen, und von derselben doch unverbundtlich, bis zu der andern noch abwesenden Stendt ankunft, reden und rathschlagen wollen, sich ein mißverstandt zwischen uns der Churfursten Reth, und der fursten, und anderer Stendt Reth, begeben und zutragen, von deswegen, das ermelter Stendt und ire Rath vermeint, dise furgenomene bundtshandlung hinfurter, mit und neben dem Churfursten Raht in gemain, und Communicato Consilio zuhandeln. Und als wir solchs zu abbruch und schmelerung, der Churfursten wolherbrachten preeminentz und Reputation nit einighen oder willigen konnen, sonder uns erboten, die handlung in dem Churfursten Rath, uff Euer kay. Mat. gethan Resolution zucontinuiren, dieselbige zuberathschlagen, und volgents der Churfursten bedencken, inen anzuzaigen, und zucommunicieren und sovil muglich, mit inen einer einhelligen mainung zuvergleichen, alles in massen wie es hievor in diser und andern sachen jetz und alweg gehalten worden, sein sie mit dem nit zufriden gewesen, sonder uber das solches an eur kay. und der kon. Mat. Comissarien gelangen lassen, von welchen wir dann gesterigs tags furbeschaiden und in Namen und von wegen Euer kay. Mat. und zu hinlegung itzt angezaigten strits ungeferlich nachfolgender mainung ein furhalten oder furschlag beschehen. Nemlich das zu gegenwurtiger bundtshandlung zwo und zwainzig personen verordnet werden solten, deren vier von den Churfursten, vier von den Geistlichen, vier von den weltlichen Fursten, sechs von den Prelaten, Graven, Herren und Ritterschaft, vier von den Stetten, solten genomen werden, welche dise sach fur sich selbst und nit von wegen irer Herren, von denen sie zu diser handlung abgefertigt, berathschlagen, bedencken, und in derselben ein ordnung verfassen, und volgendts dieselben sambt irem bedencken gemeinen Stenden furbringen, darauf sich gemaine Stendt, und deren jeder in sonderhait, seiner gelegenhait entschliessen und erclern mocht, wie dann solches mit andern mer worten verlautet und furgetragen worden. Nachdem nun aller genedigister Herr und Kaiser, hochermelter Fürsten und Stendt Rethe, uber das sich weiter vernemen lassen, die sachen nochmals widerumb an eur kay. Mat. Comissari zugelangen und eur kay. Mat. genedigisten beschaidts zuerwarten, und dann uns in Namen und von wegen unserer genedigisten Herrn der Churfurst nicht allein obberurte gesuchte neuerung, sondern auch solcher Euer kay. Mat. gethaner furschlag in vil weg beschwerlich fallen, auch uns den Rethen sich ander gestalt, dann wie von alters herkomen, in diser handlung einzulassen unserm habenden bevelh nach keinswegs geburn will, so konnen wir nit umbgehn, Euer kay. Mat. derhalb underthenigist zuersuchen und zuberichten, underthenigist bittendt, Euer kay. Mat. wolle solches aus angeborner milte mit allen genaden, und das es kainer andern mainung, dann aus unvermeidlicher notturft beschehe, aller genedigist annemen und vermercken. Und sollen anfangs Euer Kay. Mat. in keinen zweifel stellen, sonder genedigist und gewislich darfur hal-
316
Beilagen
ten, das unsere genedigiste herren, die Churfursten, in underthenigkait genaigt, auch uns in sunderhait bevelh geben, gegenwurtige bundtshandlung, auch daneben alles das zu erhaltung Euer kay. Mat. Hochhait, Reputation und schuldiger Gehorsam, auch zu Aufrichtung und Handthabung fridens und Rechtens und sonst aller wolfart, des Reichs geraichen mag, mit bestem fleiß furzunemen, zuhandlen und zubefurderen, wie wir dann bisher unsers verhoffens gethan, auch furthin nach unserm vermugen und, sovil dise sach immer erleiden mag, zuthlID gedencken. Das aber durch obangeregte gesuchte neuerung dise verhindernus furgefallen, und die sach uffgehalten, das ist one alles unser verursachen, dann wir vil lieber gesehen, das in der sach inmassen, und der ordnung wie sie angefangen auch sunst so und alwege ublich und gebreuchlich gewesen, were alßbald und unverzagenlich furgeschritten worden, wie dann unsers erachtens billich beschehen sein solt, dann je die unverneinlich warhait, das die Churfursten als die furnemste Euer kay. Mat. und des heiligen Reichs glider und seulen, von alterß dise preeminentz herbracht, das sie nit allein in gemainen Reichs, sonder auch in andern particular und sondern sachen als zu Coblentz, Wormbs und Hagenaue iren aigen abgesonderten Rath gehabt und gehalten, in welchen sie jeder Zeit, alle furfallende sachen, statlich und notturftiglich erwegen, bedacht und volgends ir bedencken andern fursten und Stenden oder derselben Redten eroffnet, sie gleicher gestalt in irem bedencken gehort, und als sich mit inen einer mainung, wo es sein mogen, vereint und verglichen, disem lang herbrachtem gebrauch gemeß ist, auch zu gegenwurtiger bundtshandlung anfangs zu ulm, und volgends hie zu Augspurg bisher gehandelt worden, und wissen uns derwegen, keiner bundtsordnung darin ein anders geordnet oder jhe gehalten worden zuberichten, dann man je die ytzt furgenomen bundtnus halben noch keiner ordnung, wie es an derselben gehalten soll werden, verglichen, sonder steet man des noch in ubung und handlung, und so man derselben were nit wurd werden, alß dann unsere genedigiste herrn, die Churfursten, derselben gemeß und aller gebur sich wol wissen zuhalten. So ist der Zeit, als der gewesen Schwebisch Pundt, uffgericht, und beschlossen worden, nit uber ein Churfurst dabey, oder darin gewesen, welcher damals kein aigen Rhat in abwesen seiner mit Churfursten haben oder sie mit jemands underreden mogen, auch volgends uber lang erst Pfaltz in ermelten pundt komen, also das die Churfursten in uffrichtung desselben pundts oder hernach keinen on abgesonderten Rath mit andern pundtsstenden gehabt haben, und ist solche der Churfursten herbracht preeminentz aus vilen ursachen, nicht allein zu grundtlicher und statlicher berathschlagung aller furfallender sachen, sonder auch zu befurderung derselben, zum hochsten dinstlich und furtreglich angesehen, das ein jede sach in ainer stundt zugleich in baiden Rethen berathschlagt und baider Rhat bedencken gegeneinander mit wenig worten angezaigt und conferirt, do man sunst mit langer umbfrag auch vergleichung viler stunden in gemainem unverthailtem Rath vil ein lengere Zeit zubringen mußt, derwegen dann desto beschwerlicher, solchem lang herbrachtem guten loblichen brauch zuwider dise neuerung einzeraumen. Gleicher gestalt will uns an stat und von wegen unserer gn. Churfursten und Herrn Euer kay. Mat. furschlag beschwerlich fallen, in berahtung das itzterzelte beschwerung, durch denselben nicht allein nit hingenomen, sonder uber dieselbige die Churfursten noch weiter wider alt herkomen beschwerdt wurden in dem, das sie in irem Rath getrent, und in den Stymmen gegen andern fursten und stenden geringert und allein den Stetten geleich gesetzt werden solten, welches dann je nicht allein irn Churf. g. an iren wolher-
Beilage 2
317
brachten Reputation und preeminentz zum hochsten nachtheilig, sonder auch Euer kay. Mat. selbst, und dem heiligen Reich in viI weg bedencklich sein wolt. Zu dem, das nach der Zeit nicht mehr dann dreier Churfursten Reth hie sein, aus denen dann vier nit geordnet werden mogen, und obgleich der andern Churfursten Rethe auch zugegen weren, wurdt es inen dannocht unverantwurtlich, sich anderer gestalt dann von irer Herrschaft wegen gebrauchen zulassen, sonderlich ehe und zuvor sie irer pflicht mit denen sie irer verwandt und erlassen weren, wie dann eur kay. und kon. Mat. verordente Comissarien, der hochwurdigist Furst Cardinal und Bischof zu Augspurg, unser genedigister, und die ander unser genedig und gunstig herren, aller diser beweglichen ursachen von uns underthenig und dienstlich genugsam bericht, und an Euer kay. Mat. von irn f. gn. und gunsten sonder zweifel notturftig auch gelangen wurdet. Dieweil dann aller genedigister Herr und Kaiser dem allem also, wie itzt in underthenigkait angezaigt, und wir in underthenigkait nit zweifeln, Euer kay. Mat. seien fur sich selbst aller genedigist genaigt, die lobliche Churfursten als euer kay. Mat. furnembste glider, denen dann vor andern, Euer kay. Mat. und des Reichs Sachen zubedenck:en zusteet, bey solcher irer preeminentz und Reputation zuerhalten und zuhandthaben, sonderlich in gegenwurtigem fall, da eur kay. Mat. selbst nit wenig unsers ermessens, nit wenig daran gelegen, das wider solche alt herkomen, kein beschwerlich eingang eingefurt werde, und dann auch durch disen weg mit den verthailten Rethen, die handlung nit allein gehindert oder uffgehalten, sonder vil mer gefurdert wurdt, zu dem wir auch anderer gestalt von unsern gn. herren den Churfursten nit abgefertigt, dann allein dise Sachen, nach altem brauch, in abgesondertem Rath zuhandeln, aus welchem auch zuschreiten uns nit will geburen. So langt an eur kay. Mat. unser underthenig bitt, die wollen das alles aller genedigist bedenck:en, und darauf uns mit diser Neuerung unbeschwert, sonder unsere genedigiste Herrn, die Churfursten, bey herbrachter preeminentz des ort aller genedigist beleiben lassen, und nachmal dise Handlung on gesonderten Rethen wie sie angefangen, und bisher gehandelt worden, auch sonst je und alweg in ubung gewesen, zurathschlagen, aller genedigist befelhen. So seint wir in aller underthenigkait erbutig, one ainichen verzug vermog unsers bevelhs in derselben zuvolfaren und furzuschreiten. Das, umb eur kay. Mat. in aller underthenigkait mit schuldigem gehorsam zuverdienen, sein wir allzeit berait und willig. Euer kay. Mat. underthenigiste und gehorsame, der Churfursten, Mainz, Pfaltz und Sachsen verordnete Reth zu der forgenomen pundtshandlung.
18.11.1522 14. 1.1524 25. 6.1526 15. 3.1529
1. 9.1522
11.11.1523
11.11.1525 1. 5.1526
2. 2.1529 21. 2.1529
8. 4.1530
14. 9.1531 6. 1.1532
30. 4.1522
5. 9.1523
24. 5.1525 9. 1.1526.
30.11.1528
22. 2.1530
1. 7.1531 8.10.1531
1522/23
1524
1526
1529
1530
1532
17. 4.1532
20. 6.1530
27. 3.1522
23. 3.1522
12. 2.1522
1522
27. 1.1521
6. 1.1521
1.11.1520
1521
tatsächlicher RT-Beginn = Verlesung der Proposition
Ausschreiben vom
Reichstag
geplanter RT-Beginn
21. 4.1532
6. 8.1530
18. 3.1529
30. 7.1526
18.11.1522
zw.27.3./1.4.1522
5. 2.1521
Einsetzung des 1. interkurialen (großen) Ausschusses
Ga)
vor 21. 7.1530
vor 8. 4.1529
vor 31. 7.1526
24. 2.1524
Dezember 1522
vor 19. 2.1521
Einsetzung des Supplikationsausschusses
Vergleichende Zeittafel zu den Reichstagen von 1521 bis 1555
Beilage Nr. 3:
27. 7.1532
19.11.1530
25. 4.1529
27. 8.1526
18. 4.1524
9. 2.1523
30. 4.1522
26. 5.1521
RT-Ende = Verlesung des Abschieds
~.
~
;'
tD
~
w
-
3. 7.1547
13. 3.1550
22. 1.1554
1547/48
1550/51
1555
1546
8. 4.1554
25. 6.1550
1. 9.1547
5. 2.1555
26. 7.1550
1. 9.1547
5. 6.1546
15.12.1544
20. 2.1544
22.10.1547
zw.5./1O.1.1545
(22. 9.1544)
1545
1.10.1544
30.11.1543 10. 1.1544
2. 6.1543 27. 5.1543
1544
28. 3.1555
5. 8.1550
zw. 21.10. und 9.11.1547
Ga)
Ga)
14.11.1542 20. 1.1543
20.10.1542 8. 1.1543
1543 9. 4.1544
21. 7.1542
13. 7.1542
7. 5.1542
1542 30. 1.1543
um 3. 3.1542
29.12.1541 8. 2.1542
22.10.1541
1542
vor 19. 7.1541-
6. 1.1541 5. 4.1541
14. 9.1540
1541
25. 9.1555
14. 2.1551
30. 6.1548
24. 7.1546
4. 8.1545
10. 6.1544
23. 4.1543
26. 8.1542
11. 4.1542
29. 7.1541
(0
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320
Beilagen Beilage NT. 4: Supplikation des Dr. Beatus Widmann mit Beschluß der Reichsstände (MEA RTA 35, 1 Bd. Supplicationes secunda pars, Beilage "Supplicationum Nomenclatura Augustarum traditarum 1550 -1551", prima pars, Nr. 9; MEA RTA 33, 1 Bd. Protokoll des Reichstags zu Augsburg 1550/51, 2. Teil) [1550, RT zu Augsburg]
Hochwürdigiste durchleuchtigiste, hochwürdige durchleuchtig, hochgeporen erwürdig, wolgeporn edl gestrenge, hochgelert und vest, gnedigist, gnedige und gunstig heren, Ewer Churfl. und f. Gnaden und gunsten gib ich undertheniglich zuerkennen. Demnach von wegen meiner getrewen dienst, die ich der Ro. kay. Mt., E. Churfl. und f. gnaden und gunsten an dem kay. Camergericht als ain beisitzer vor vil Jaren undertheniglich und gehorsamlich gelaistet hab, mir ain Somma gelts[l] an meinem erdienten sold noch außstendig ist. Das uf mein vilveldige underthenig Ansuchen und pitten, so uf vilen und sonderlich nechstem alhie gehaltnem Reichßtage beschehen. Solliche mein aussteende besoldung, durch Ewer Churfl. und fl. gnaden und gunsten mir gnedigclich verordnet und darauf ain bevelch laut beyligender Abschrift mit A an den kay.n fiscal, und des Camergerichts pfennigmaister mir mitgetailt worden sey, wiewol ich nun sollichen bevelch dem gemelten fiscal und pfennigmaister hab uberantworten, umb furderung und bezalung anhalten lassen, so ist mir doch ain Antwort widerfaren, wie die Copey mit Binhaltet. Diweil dann die Bezalung obgemelter liquidirten und bekandtlichen Summa gelts von denen Orten, dan von E. Churfl. und fl. gnaden und gunsten bevelch meldung thut, mir nit erdichten mag und ye billich ist, das E. Churfl. und fl. gnaden und gunsten willen und bevelchen nach sovil langen jaren aini mall auch ain bemegen geschehen und ich meins erdienten solds wie billich bezalt werden möge, und dann der Rest und Ausstand der dreijarigen underhaltung des kay. Camergerichts, so bei etlichen Reichsstenden vor dem stilstand des kay. Camergerichts ansten pliben ist, neben der nechstbewilligten des kay. Camergerichts underhaltung sich so weit enlauft, das uber des kay. Camergerichts ordinarii und extraordinari beisitzers besoldung Ich meines ausstendigen solds darvon nun gar woll mag betzalt werden. So gelangt an Ewer Churfl. und fl. gnaden und gunsten mein underthenig bith, die geruechen den hievor außgangen bevelch uf yetzgemelte dreyjerige austendige anschleg stellen und des kay. Camergerichts fiscaln und pfennigmaister gnedigist gnedigclich und gunstigklich bevelchen zulassen, das sy mit obgedachten meinen erdienten sold von demselben Ausstand, wo an dem sovil aingezogen und an gelt vorhanden. Wo nit von dem, das an demselbigen noch ainzuziehen ist, vor andern entrichten und betzalen. Das will umb Ewer Churfl. und fl. gnaden und gunsten Ich in underthenigistem und schuldiger gehorsame verdinen Ewer Churfl. und furstl. Gnaden und gunsten underthenig willig und gehorsamer Beatus Widman Doctor Tirollischer Cantzier. [1] namtlich funfhundert funfundachtzig gulden und zwanzick tallers
Beilage 4
321
Decretum in consilio statuum 8 octobris Anno 50, Meintzische Cantzlei
Beatus Widtman Doctor und Tyrolischer Cantzier bringt gemeynen Stenden des hey. Reichs underthenigist fhur, Demnach von wegen seiner getrewen dinst die er der Rö. Kay. Matt. inen den Stenden an dem Kay. Cammergericht als ein beysitzer vor vyll Jaren undertheniglich und gehorsamlich geleistet hab, ime ein Suma geldes, nemlich funfhundert und achtzigk gulden und zwantzig taler an seinem erdinten soldt noch austendig seye. Das uf sein vilfaltigs underthenigs ansuchen und bitten, so uf vhilen und sonderlich negstem alhie gehaltenem Reichstag beschehen, soliche sein außsteende besoldung durch sie, die Stende, ime genediglich verordnet auch daruf ein bevelich an den kay. fiscal und des Cammergerichts pfennigmeyster ime mitgetheildt, auch antwort wyderfharen. Und dan die bezalung obgemelter liquitirten und bekhantlichen Summa geldes ime nit erdeyhen mögen. So gelangt an sie, die Stende, sein underthenig bit, die geruchen den hievor außgangen bevelich uf die drey jarige ausstendige Anschlege zustellen, und dem fiscal und pfennigmeyster zubevhelen, das sie ime ob gedachten seinen erdinten soldt von demselben außstandt, wo an demselben sovil eingezogen und an geldt verhanden, wo nit von dem das an demselbigen noch einzuzihen ist, vor andern zu entrichten und zubezalen. Daruf ist durch Churfursten Fursten und Stendt des Hayligen Reichs und der abwesenden Reth Bottschafften und gesanten[l] fur gut angesehen, das dem kay. Fiscal zuschreyben, dweyl bey den Stenden filfaltigklich umb alte hinderstellige besoldung von den gewesenen beampten des kay. Cammergerichts angesucht werde, das er wie es mit den alten restanten ob etwas daran inzubringen. Item wie es des kay. Regiments und Cammergerichts dergleichen auch der Dreyjarigen zu Regenspurg bewylligten underhaltung halben geschaffen, und ob yemants auf den ausstandt derselben verwyßen seye, bericht thun, domit man sich further uff der Supplicanten anhalten mit gepurlich antwort wyß vernemen zulassen. Es bedenck:t auch gedachter Supplication Rath[!], da hinfuro in gleichen fellen Supplicationis furfallen wurden, das die selben byß uf des fiscals antwurdt einzuzellen seyen, Actum Auguste 8. octobris Anno 50, Maintzische Cantzley.
[1] Im Bedenken des Supplikationsausschusses heißt es: "Daruf ist durch den Suplication Rath fur gut angesehen, [...]". [2] Das "Decretum" der Reichsstände vom 8.10.1550 unterscheidet sich nur orthographisch von dem Bedenken des Supplikationsausschusses, folgt also seinem Wortlaut bis auf die unter [1] genannte Stelle. - Hier ist "Supplication Rath" stehen geblieben, was wohl ein Versehen ist, aber zugleich deutlich macht, daß die Reichsstände die Vorlage des Supplikationsausschusses nur - orthographisch verändert - abgeschrieben haben. 21 Neuhaus
322
Beilage 5 Bedenken des Supplikationsausschusses (MEA RTA 11, 11, fol. 288r, V) und der Reichsstände (MEA RTA 11, 11, fol. 289r, V) zu einer vom ostfriesischen Gesandten Eido von Kniphausen vorgebrachten Supplikation [1545, RT zu Worms]
Bedenckhen des Supp[licati]on Rhats uff Eido von Kniphausen ostfriesischen Gesandten Supplication. Eido von Kniphausen, Ostfriesischer Gesanter, zeigt aus vielerlei schriften, Copeien und andern bericht an, wie die Wittib und sein junge Herschaft, Grafen in Ostfrießlandt, nach absterben ires vaters im vergangnen 40ten jar, der Schlösser Eßenß und Witmundt mit sampt der herrlichkeit inkhommen, fleckhen und allen zugehörungen, so inen als rechten natürlichen erben, aigenthumblich zusteht, durch die von Bremen, vermög einer vermeinten erklerten Acht, wider deß heiligen Reichs ordnung und alle Billicheit spoliirt, und unformlich entsetzt sein. Auch die von Bremen, einem Grafen von Rittberg solche Schlosser und herschaften, in irem namen zubesitzen bevolhen haben sollen. Begert derhalben von des heiligen Reichs Stenden, diese einsehungh zubeschehen, domit die von Bremen und auch der Graf zu Rittberg mit form des rechten dohin gewiesen, das sye ernannter seiner jungen herschaft ire Schlosser Eßenß und Witmundt mit
Gemeiner Reichs Steend bedenken uf Eido von Kniphausen ostfriesischen Gesanten Suplication. Eido von Kniphausen, Ostfriesischer Gesandter, zeigt auß vielerley schriften, Copeyen und andern bericht an, wie die Wittib und sein junge Herschaft, Graven in Ostfrießlandt, nach absterben ires vaters im vergangnen viertzigsten jhar, der Schlösser EßenB und Widtmontt mit sampt der Herligkheit, Inkhommen, fleckhen und allen zugehörungen, so inen als rechten natürlichen erben, eigenthumblich zusteendt, durch die von Bremen, vermög einer vermeinten erklerten Acht, wider deß heyligen Reichs ordnungh und alle Billigkheit spoliirt, und unformlich endtsetzt sein. Auch die von Bremen, einen Graven von Rüttbergkh solche Schlosser und herschaften, in irem namen zubesitzen bevolhen haben sollen. Bitt derhalben von deB heyligen Reichs Stenden, diese einsehungh zubeschehen, domit die von Bremen und auch der Graf zu Rüttbergkh mit form deß rechten dohin gewiesen, das sy ernannter seiner jungen herschaft ire Schlosser EBenß und Widtmondt mit
Beilage 5 aller zugehör und ufferloffnen Schaden widderumb einraumen und zustellen.
aller zugehör und ufferloffnen Schaden widderumb einrhaumen und zustellen.
Daruff
Hieruff ist durch die Churfürstlichen Rhedt, Fürsten und Stendt, auch der abwesenden Potschaften und Gesandten nach zeitlicher stattlicher erwegung bedacht,
bedenckt der Supp[licati]on Rhat, nachdem dise sach allerlei beweisung von beiden theiln erfordert, und aber durch des heilgen Reichs stende allhie mit recht fueglich nit entschaiden werden mag, das sie an das kunftig Camergericht zuweisen oder (wo man jeder jungen herrschaft mehrer gnad und fürderung beweisen wolt) das die Romisch key.e May. durch des heilgen Reichs stende disen baiden theiln unpartheyisch Commissarien (die schleunigen rechtlichen austrag zumachen gewalt und bevelh hetten) noch uff disem Reichstag zubenennen und zuordnen, underthenigst zubitten were.
21·
nachdem diese sachen höhere erkhundigungh auch allerley beweysung von beiden theyln erforderent, und aber durch deß heyligen Reichs Stende alhie mit recht fueglich nit woll erledigt noch endtschayden werden mögen, das sy demnach an daz khünftig key. Chammergericht zuweysen oder
die Rhomische key. Mayt. durch deß heyligen Reichs Stenden diesen beyden theyln unpartheisch Commissarien zu schleunigem rechtlichem außtragh geruerter sachen, noch uff diesem Reichstag zubenennen und zuordnen, underthenigist zubitten seyen Actum Donnerstags den achtzehenden Junii Anno 1545 Meintzische Cantzley.
323
Beilage Nr. 6: Zusammensetzung des Supplikationsausschusses nach Reichsständen auf Reichstagen in •
Traktat (S. 57)
RT 1521
RT 1522/23
RT 1524
RT 1526
RT 1545
RT 1547/48
RT 1550/51
M
(M)
(M)
(M)
M
M
M
Kurfürsten 1. Mainz
2. Trier
(T)
(T)
(T)
(T)
T
T
T
3. Köln
(K)
(K)
K
(K)
(K)
K
K
4. Sachsen
(S)
(S)
(S)
(S)
S
S
S
5. Pfalz
(Pf)
(Pf)
Pf
(Pf)
(Pf)
Pf
Pf
6. Brandenburg
(B)
(B)
(B)
(B)
(B)
B
B
Eichstätt
Deutschmeister
Würz burg
Augsburg
2. Würzburg
Worms
Bamberg
Augsburg
Konstanz
Konstanz (Salzburg) Augsburg (Bamberg)
Paderborn
3.
Speyer Bayern
Jülich
Jülich
Pfgf. Johann (Zweibrücken) Brandenburg (Baden)
Brandenburg (Anhalt)
Ga)
Ga)
Abt v. Kempten Dr.M.Rast
Ga)
Gf.Simmern
Dr. Reichart
Köln
Augsburg
Straßburg
Ga)
Köln (Lübeck)
Nürnberg
geistliche Fürsten 1. Salzburg
Deutschmeister Deutschmeister
weltliche Fürsten 1. Bayern
Bayern
2. Württemberg
Jülich Hessen
Pfgf. Friedrich
Braunschweig
Bayern
3. ReichsErälaten Reichsgrafen
Abt v.Fulda Hans vom
Bernhart v. Solms
Hunsrück
Reichsstädte 1. Straßburg
2. Ulm
illrn
Regensburg
Straßburg Ga)
Ulm Köln
I
ler Zeit von 1521 bis 1594 und im "Traktat über den Reichstag im 16. Jahrhundert" aus dem Jahre 1569 Traktat (S. 73)
RT 1555
RT 1556/57
RT 1559
RT 1566
RT 1570
RT 1582
RT 1594
M
M
M
M
M
M
Kurfürsten M
1. Mainz
T
2. Trier
T
T
T
T
T
T
K
3. Köln
K
K
K
K
K
K
(S)
4. Sachsen
S
S
S
S
S
S
pf
5. pfalz
pf
pf
pf
pf
pf
pf
6. Brandenburg
B
B
B
B
B
B
(B)
geistliche Fürsten Salzburg
1.
Salzburg
Salzburg
Salzburg
Salzburg (Würz burg)
Salzburg
Salzburg
Ga)
2.
Eichstätt
Deutschmeister
Eichstätt
Bremen
Speyer
Konstanz
3.
Passau
Konstanz
Augsburg
Augsburg
Augsburg
Regensburg pfalz-Neuburg
weltliche Fürsten Bayern
1.
Bayern
Bayern
Bayern
pfalz-Zweibrükken-Neuburg
pfgf. Kasimir
Jülich
2.
Jülich
pfalz
Jülich
Jülich
Hessen
Hessen
3.
Pommern
Württemberg
Württemberg
Hessen
Württemberg
Württemberg
Dr.Hager
Dr. Langhaus
Abt Georg von Weingarten
Dr. Meichsner
Dr.Hager (Chr. Kreutz) Dr. Meichsner (Hier. z. Lamb)
Dr.Kager
Dr. Christain
Straßburg
Straßburg
Ulm
U1m
Nürnberg
Nürnberg (Regensburg)
(~err s ar)
Köln
Ga) Ga)
ReichsErälaten Reichsgrafen Reichsstädte
Straßburg Eßlingen
1.
2.
Straßburg Regensburg
Straßburg Nürnberg
Quellenverzeichnis 1. Archivalische Quellen österreichisches Staatsarchiv, Abt.: Haus-, Hof- und Staatsarchiv, Wien: Mainzer Erzkanzler-Archiv, Reichstagsakten, Faszikel: 1 a - 20, 32 - 42, 45, 46, 50, 52, 54, 56, 58 - 61, 72, 74 - 76, 82, 83, 85, 86, 91 - 93, 95 a, b, 97, 98, 103, 106, 108, 110. (zitiert: MEA RTA). Reichskanzlei Reichstagsakten, Faszikel: 1- 35, 39, 54 b, 65, 78 a. (zitiert: RKRTA). 2. Gedruckte Quellen Briefwechsel des Herzogs Christoph von Wirtemberg, 4 Bde., hg. v. Viktor Ernst, Stuttgart 1899 -1907 (zitiert: Ernst, Briefwechsel, Bandzahl). Corpus Iuris Civilis, Editio Stereotypa Quinta et Quarta, Vol. I und II, hg. v. Paul Krueger und Theodor Mommsen, Berlin 1888 - 1889 (zitiert: C). Des Kursächsischen Rathes Hans von der Planitz Berichte aus dem Reichsregiment in Nürnberg 1521 - 1523, gesammelt von Ernst Wülcker, nebst ergänzenden Aktenstücken bearb. v. Hans Virck, Leipzig 1899 (zitiert: Planitz, Briefzahl, Seitenzahl). Deutsche Reichstagsakten unter Kaiser Friedrich III., 2. Abt., 1. Hälfte, hg. v. Hermann Herre, 2. Hälfte bearb. v. Hermann Herre, hg. v. Ludwig Quidde, Stuttgart, Gotha 1928 (= Deutsche Reichstagsakten [Ältere Reihe], Bd. 16) (zitiert: RTA ält. Rh.). Deutsche Reichstagsakten unter Kaiser Friedrich III., 8. Abt., 1. Hälfte, hg. v. Ingeborg Most-Kolbe, Göttingen 1973 (= Deutsche Reichstagsakten [Ältere Reihe], Bd. 22,1. Hälfte). Deutsche Reichstagsakten unter Maximilian 1., Bd. 3 (2 Halbbde.), hg. v. der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, bearb. v. Ernst Bock, Göttingen 1972, 1973 (= Deutsche Reichstagsakten, Mittlere Reihe, Bd. 3) (zitiert: RTA mittl. Rh.). Deutsche Reichstagsakten unter Kaiser Karl V., Bde. 1 - 4, 7 (2 Halbbde.) und 8 (2 Halbbde.), hg. durch die Historische Kommission bei der Königlichen bzw. Bayerischen Akademie der Wissenschaften, bearb. v. August Kluckhohn, Adolf Wrede, Johannes Kühn und Wolfgang Steglich, Gotha, Stuttgart, Göttingen 1893 -1971 (NDr. Göttingen 1962 -1963) (= Deutsche Reichstagsakten, Jüngere Reihe, Bde. 1 - 4,7,8) (zitiert: RTA jg. Rh.). Die Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis 16. Jahrhundert, hg. v. der Historischen Kommission bei der Königlichen bzw. Bayerischen Akademie der Wissenschaften, 37 Bde., Leipzig, Stuttgart, Bremen 1862 - 1968. Die Goldene Bulle Kaiser Karls IV. vom Jahre 1356, Text, hg. v. der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, Zentralinstitut für Ge-
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Wissenschaften und Künste, welche bißhero durch menschlichen Verstand und Witz erfunden worden, 64 Bde., 4 Supplementbde., Halle, Leipzig 1732 -1754 (NDr. Graz 1961-1964) (zitiert: Zedler).
Während der Drucklegung der vorliegenden Arbeit ist die Dissertation von Jürgen Weitzel publiziert worden: Der Kampf um die Appellation ans Reichskammergericht. Zur politischen Geschichte der Rechtsmittel in Deutschland, Köln, Wien 1976 (= Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im alten Reich, Bd. 4).
Register Die Seitenzahlen verweisen auch auf den Text in den Fußnoten, ohne daß diese genauer gekennzeichnet sind. Nicht erfaßt sind Sachen und Namen in
den BeHagen.
1. Sachregister Es sind nur die wichtigsten Begriffe aufgenommen. Stichworte für durchgehend behandelte Fragen und für den Gang der Untersuchung belanglose Erwähnungen fehlen. Appellation 76 ff., 82 f., 89 f., 91, 93 ff., 117,223,227,300 Arbeitsweise (des RT.s, RT-Verfahren; s. a. Geschäftsordnung) 12, 14 f., 18, 21, 28 f., 31, 38, 40 f., 47, 50 ff., 54, 56, 60 ff., 110, 131, 148, 157, 173, 184 ff., 193 ff., 203, 206 ff., 221, 309 Augsburg, RT 1500 91 Augsburg, RT 1518 249 Augsburg, geplanter RT 1526 24, 27 Augsburg, RT 1530 12 f., 17, 20, 35, 37, 39 f., 54, 66, 92, 99, 116, 129, 134 f., 160, 174, 186, 234, 240 f., 243, 250 f., 254, 267 f., 271, 274, 278, 284 Augsburg, RT 1547/48 (Geharnischter RT) 13, 27, 40 f., 45 ff., 50, 53 f., 56, 62, 66, 68, 72 f., 100, 117, 133 f., 136, 140, 144, 162, 174, 176 f., 183, 195 f., 206 ff., 230, 249, 251 f., 254, 257 ff., 268 ff., 275 f., 279 f., 281 ff., 285 ff., 292, 296 Augsburg, RT 1550/51 13 f., 54 ff., 71, 73, 100, 111 ff., 140, 146, 155, 162 f., 177 ff., 183 ff., 187 ff., 200, 243, 251, 268 ff., 279 f., 283 Augsburg, RT 1555 13, 15, 20, 56 ff., 73, 100, 113, 144, 164 ff., 182, 188, 193 ff., 207 ff., 252 f., 280, 286, 294 f. Augsburg, RT 1559 169 Augsburg, RT 1566 14, 169, 175 Augsburg, RT 1582 169, 305
Beschlußfähigkeit (-kompetenz) 33, 43, 47, 53 f., 150, 159 Bittschrift (im MA) 79 ff., 83 ff. Bundesplan (kaiserlicher, 1547) 45 ff., 49 f., 52 f., 62, 176
26,
Codex Justinianus 76 f. Codex Theodosianus 76 Einigungsverwandte (fränkische) 165 ff., 182, 194 f., 201, 295 Eßlingen, geplanter RT 1526 24, 27 Exekutionsordnung 15, 22, 28, 166, 201 Fachausschuß 65 ff., 176 Frankfurter Anstand 226, 246 Geschäftsordnung (-gang; s. a. Arbeitsweise) 13, 19, 21, 40, 50 ff., 55 ff., 71 f., 85, 110, 113, 136, 151, 182 ff., 195 ff., 200 ff., 206 ff., 263, 295, 308, 312 Goldene Bulle 38, 309 Gravamina 108, 125 ff., 133, 168, 297 f., 302 Großer Ausschuß (s. a. RT-Ausschüsse, inter kurial) 31 ff., 40 ff., 44, 50, 54, 62 ff., 70, 73, 150 f., 159 f., 171, 173, 183, 243, 265 f. Hagenau, Tag 1540 22, 52
332
Sachregister
Kaiserzeit, römische 75 ff. Katholiken 39, 66, 69, 226 ff., 240 ff. Koblenz, Tag 1534 52 Kommissare, kaiserliche bzw. königliche 27, 39, 42, 67, 72, 87, 90, 110, 150 f., 193 ff., 201 ff., 242 Kurie (päpstliche, römische) 79 ff. Landesherr (-fürst) 94, 96 f., 113, 115, 120, 134, 191, 242, 296 f., 300, 310 Landfrieden 15, 17, 28, 40, 42 f., 46, 51, 57 ff., 120 ff., 146, 150, 165 f., 194, 198, 200 ff., 223, 225, 234 ff., 247, 257, 294, 296 Mainzer Kanzlei (Kanzler) 21,44,54, 59, 61, 70, 87, 106, 137, 140, 145, 158 f., 162, 166, 170, 172, 175 f., 178, 181, 185, 187 ff., 196, 201, 204, 206 ff., 228, 269, 271, 281, 287, 304 f., 307 f. Mehrheitsprinzip 27,58 Moderationstag 265, 268 ff., 287 Monopolien (Monopolgesetzgebung) 15,28,67,121,125,144 Nürnberg, RT 1522 31, 65, 67, 128, 142, 192 Nürnberg, RT 1522/23 12, 24, 32 f., 44, 65 f., 67, 70, 99, 121, 126 f., 129, 131, 142, 150, 156 f., 171 f., 223, 236, 247, 254 ff., 261 f., 267, 276, 284, 296 Nürnberg, RT 1524 12, 33, 88, 100 ff., 119 f., 126, 129 f., 133, 137, 157 f., 162, 172 f., 222 f., 239, 252, 264, 270 f., 273, 276 f., 282 ff. Nürnberg, RT 1542 39, 174, 258, 275, 283 Nürnberg, RT 1543 39 f., 44, 133, 137, 242, 274 Nürnberg, Tag 1532 40, 226, 246 Passauer Vertrag 22, 57 ff., 62, 303 Petition 79 ff., 311 Polizei(ordnung) 44, 48, 64 Privilegium de non appellando 96, 300 Protestanten 39 f., 66, 69, 115, 226 ff., 240 ff. Räte (Berater, Gesandte) 31, 34, 36, 43 f., 48 ff., 52 f., 56, 59, 61 f., 64 ff., 68, 71, 86 f., 148, 151, 153, 162, 171 ff., 213, 233, 268
Regensburg, geplanter RT 1527 24 f., 27,71 Regensburg, geplanter RT 1528 24 f., 27 Regensburg, RT 1532 12, 24, 37, 40, 43 f., 50, 93, 129, 160, 234, 240, 242, 253 f., 258, 266, 309 Regensburg, RT 1541 13, 24, 38, 66, 99 f., 111, 114 f., 121, 129, 133, 186, 160 f., 174, 225, 258 f., 271, 278, 285, 291 Regensburg, RT 1546 99, 111, 114 f., 227,275,281,286,299 Regensburg, RT 1556/57 169, 303 ff. Regensburg, RT 1576 73, 169, 304 Regensburg, RT 1594 170, 300, 305 Regensburg, RT 1597/98 170 Regensburg, RT 1602/03 301, 306, 310 Regensburg, RT 1654 302 f. Regiments-Reichstage 20, 22, 24 Reichsabschied (RT-Abschied) 11, 17, 19 f., 23 f., 27 ff., 69 ff., 108 f., 153, 164, 241, 244, 246 f., 261, 264 f., 268 f., 273 f., 277 f., 291 Reichsanschläge (-steuer) 17, 28, 42 f., 45 ff., 51, 67, 111, 115, 122, 132, 134, 146, 150, 153 f., 246 ff., 295, 298 Reichsdeputationstag 17,22,310 Reichsfiskal 103, 106, 144 f., 199, 267, 275 ff., 292 Reichshofrat 113 f., 310 Reichskammergericht 15, 17, 28, 35, 40, 42 f., 47 f., 51, 53, 66 ff., 91 ff., 101 ff., 115 ff., 120, 122, 127, 132, 134 f., 137 ff., 145, 152 f., 160 f., 192, 195, 199, 219 f., 222 ff., 238, 244 ff., 273, 276 ff., 291 ff., 298, 300, 309 f. Reichskreise 139 f., 166, 268, 272, 292 Reichsmünze (Reichsmünzordnung) 15, 28, 37, 42 ff., 51, 56, 64, 67, 121, 127, 145, 222 Reichsrat 69 f, 73, 136, 151, 195 f., 206,249,258 Reichsreform 15, 137, 183, 222, 301, 309 Reichsregiment (-sordnung) 15, 17, 20, 31 ff., 35, 65, 67 f., 71, 101 ff., 110, 116, 122, 127, 129, 132, 137 ff., 144 f., 153, 168, 192, 194, 223 f., 236, 238, 246 f., 250 ff., 262, 273, 284, 298 Reichsritter 26, 50, 121 ff., 235 ff.,
Sachregister 251, 299 Reichsstandschaft 130 ff., 249, 256, 259f. Reichsstandschaft der Städte 11, 19, 41, 102 ff., 110, 127, 130 ff., 151, 158, 174 RT-Akten 12 ff., 17 ff., 22 f., 99, 155, 187, 196, 198,208 f. RT-Ausschreiben 19, 23 f., 27 f., 59, 246 RT-Ausschuß (Zusammensetzungen) 31, 33, 35 ff., 43 f., 48 f., 53, 63 f., 69 ff., 170 ff., 203, 214 ff., 261 f. RT-Ausschuß für den Reichsabschied 70 ff. RT-Ausschuß, gemeinsamer 67 ff. RT-Ausschuß, innerkurial 30,64,67, 166, 179, 183, 201 f. RT-Ausschuß, interkurial 15, 26, 29 ff., 41 ff., 48 ff., 54, 56, 59 ff., 63 ff., 67, 70, 72 f., 103, 107, 109 f., 152, 154, 168, 171 ff., 183, 203, 221, 233, 262, 301, 303 ff., 308, 312 RT-Kommission 86 f., 136, 148 ff., 158, 167, 170, 197, 217, 225, 229, 233, 281 RT-Proposition (kaiserliche Proposition) 15, 19, 24, 28 ff., 39 ff., 47, 50 f., 53 f., 56 ff., 61, 69 f., 99, 101, 103, 128, 134, 146, 151, 162 ff., 190 f., 206,234, 242, 247, 284, 307 f. RT-Protokoll (Protokollführung) 19 f., 55, 100 f., 115, 187, 200, 202 f., 207,217,294 RT-Reform 17 RT-Verfassung 11 f., 14 f., 18, 40, 133 f., 308 Reichsverfassung 17,49, 51, 184, 295, 310 Reichsversammlung 15, 22, 27, 41, 43,259,287, 294, 301 f., 312 Reichszoll 28, 63 f., 121, 132, 141 ff., 188, 192 Religionsfrage (-politik, Konfessionsstreit) 15, 37, 39, 46, 49, 57 ff., 64,68, 160 f., 227, 243, 245, 303 Religionsfrieden (-vergleich) 15, 23, 38,66,196 Re- und Correlationsverfahren 29 f., 163, 180, 183, 190
333
Schwäbischer Bund 102 ff., 123, 125, 127, 139, 148, 157, 167, 195, 197 f., 238 f., 256 Sonderausschuß 64 f., 67, 73, 150 Speyer, RT 1526 12, 27 f., 33, 44, 67, 71,120,126,158,173,258,295 Speyer, RT 1529 12 f., 27, 35, 40, 44, 54, 67, 71, 99, 120, 126, 133, 136, 139, 159, 173, 239 ff., 247, 250, 256, 264, 267, 277, 279 Speyer, RT 1542 99, 161, 271, 279, 291 Speyer, RT 1544 13, 43 f., 149, 151, 161, 197,228, 249,274 f., 279, 283 Speyer, RT 1570 14, 169, 304, 306 Ständeparlament (-versammlung) 12, 14, 16, 18, 23, 25, 29, 54, 61 f., 64,70,98,135,157,300,309 (Stände-)Staat 14, 97 f., 258, 260, 294 ff., 310 f. supplicatio 74 ff. Supplik 79 ff., 88, 94 "Traktat" von 1569 16, 21, 62, 155 f., 175 f., 183, 186 ff., 206 f., 294, 302 Türkengefahr 15, 28, 40, 65 f., 116 f., 128 ff., 246, 250 Türkenhilfe (-anlage) 34 f., 37, 39 f., 44, 48, 50, 67, 99, 106, 108, 131 ff., 242, 247, 252 ff., 271 f., 289, 291, 298, 303 Ulm, Tag 1547 22, 49 ff. Wahlkapitulation von 1519 27, 62, 309 Worms, RT 1495 91 Worms, RT 1521 12 ff., 27 f., 31, 64 f., 67, 70, 99, 118, 123 ff., 127, 129, 131, 137 ff., 141, 148, 152, 156 f., 171, 191, 194, 197 f., 206, 237, 248, 251, 294, 301, 310 Worms, RT 1545 13, 44, 46, 114, 117 f., 161, 174 f., 224, 228, 230 f., 236, 250, 254, 259, 268, 272, 275 f., 279 f., 283, 286 ff. Worms, Tag 1535 22 f., 25, 52 Worms, Tag 1540 22 Zivilprozeß, römischer
74 ff., 90
2. Orts- und Personenregister AlLtoren der Forschungsliteratur (kursiv) sind nur an den Stellen aufgenommen, wo inhaltlich näher auf sie eingegangen wird. Namen von RT-Teilnehmern und Supplikanten nur dann, wenn sie im Text häufiger genannt sind. Reichsstände und Reichsstädte stehen nicht selten für ihre Gesandten und Städteboten auf den Reichstagen.
Absberg, Hans Thomas von 106, 239 Affenstein, Dr. Wolf von 69,172 Alber, Dr. Mathias 72, 184 f. Anhalt, Fürst von 177, 241, 244 Augsburg, Bf. von 31 ff., 36, 59, 69, 87, 136 f., 149, 151, 173, 177, 194, 214, 216, 262 Augsburg, Reichsstadt 31 f., 43 f., 48, 102 ff., 144, 148, 162, 177, 201, 214,235 Baden, Mkgff. von 31 f., 35 ff., 48 f., 73,107,149,159,173,177,214 Bamberg, Bf. von 31 f., 35, 44, 53, 73, 139 f., 149, 151, 165, 172, 177, 194, 201, 215 f., 220, 250 f., 266 Basel, Bf. von 240 f., 246 f. Bayern, Hzz. von 31, 33, 36, 44, 48 i., 69, 72 f., 101, 103, 105, 134, 171 f., 176 f., 182, 195, 223, 304, 306 Becker, Winfried 62 f. Beheim, Hans 114,299 Beichlingen, Gf. Adam von 273, 276f. Bemelberg, Conrad von 212, 230, 274 f., 280 Besan!;on, Bf. von 184, 213, 254 f. Besserer, Georg 69, 73, 121, 171, 173 Biber, Wenzeslaus 114, 299 Bock, Hans 106, 109, 123, 141, 156, 171, 191, 194, 235 Brandenburg, Kf. von 32, 35 f., 42 ff., 69, 72, 98, 117, 140, 146 ff., 182, 189, 214, 231, 281, 307 Brandenburg, Mkgf. von 31 f., 35, 43 f., 139, 149, 151, 165, 177, 182, 201 f., 214 ff., 220, 243, 253, 261 f., 281
Braunschweig, Hzz. von 36 f., 141, 147 ff., 163 f., 167, 173, 198, 200, 203, 206, 229, 234, 242 ff., 257, 299 Braunschweig, Stadt 200, 243, 245 Bremen, Ebf. von 149, 212, 229, 257, 299 Breßtau, Harry 79, 81, 83, 85, 312 Brunner, Otto 25 Cambrai, Bf. von 104 ff., 255, 270 f. Cambrai, Stadt 104 ff., 270 f. Clericus Burgundiacus 111 ff. Clingenberg, Albrecht, Dorothea, Hans Heinrich von 107 f., 119 Cronberg, Hartmann (Hartmut) von 103, 157 f., 237 Cronberg, Quirin von 236 Dänemark, König von 48, 102 f., 129, 254 f. Deutschmeister (Hochmeister in Preußen) 48, 72, 104 f., 108 f., 125f., 130, 137, 140,144, 172f., 175, 212, 217, 240, 255, 262, 264, 270, 290 Dick, Dr. Leopold 258 ff. Dockheim gen. Fries, Dr. Johann von 277, 279 Dungin von Wittlich, Dr. Heinrich 32,236,262 Duntzenheim, Batt von 115, 123, 141, 15~ 16~ 171, 191, 19~ 235 Eberstein, Gff. von 277 ff., 284 Ebner, Hieronymus 177,200 Echternach, Abt von 135, 245 f. Eck, Dr. Leonhard 36, 66, 69, 105, 119 Eichstätt, Bf. von 49, 73, 106 f., 139 f., 171,173,177,202
Orts- und Personenregister Einkurn, Dr. Hieronymus 105, 107, 172 Eisenhofen, Gabriel von 129 Elisabeth, Lgf.in von Hessen 118, 213 Elsaß, Landcomtur der Balley 212, 240 Eßlingen, Reichsstadt 168, 182, 256 Faber (Fabri), Dr. Johannes 35 f. Feige, J ohann 236, 262 Feilitzsch, Philipp von 32, 99, 108 f., 132, 157, 261 f., 298 Ferdinand 1. (Erzherzog und König) 23, 25, 27, 38, 42, 56 f., 61, 72 f., 98, 107, 110, 119, 132, 139, 165, 167, 184, 197 ff., 212, 215, 240, 242 f., 249 f., 253, 274, 312 Freising, Bf. von 35, 107, 136, 212 f., 250 f., 262, 266 Friedberg, Bggf. von 212, 215, 252, 270 Friedberg, Reichsstadt 104, 255 f., 264 Friedensburg, Walter 120, 158, 248, 294 f. Friedrich, Pfgf. und Hz. 32, 151, 160, 172,273 Fulda, Abt von 123, 136, 151, 171, 213,257 Fürstenberg, Philipp 118, 127, 129, 171,192,194,235,297 Fürstenberg, Gff. von 150, 212, 274 Gernrode, Äbtissin von 205, 289 Geroldseck, Gff. von 36,262,274 Goslar, Reichsstadt 199, 242, 245, 257,272· Gotzmann, Anna, Kunz und Wolf 106 f., 119, 275 f. Gurk, Bf. von 87,105 f. Hagenau, Reichsstadt 72, 172 Haller, Nikolaus 161, 174 Hanau, Gf. Philipp von 143, 149, 225 Hartung, Fritz 11, 18 Harzgrafen 134, 212, 218 ff., 227, 248, 257 ff. Haß (Hase), Heinrich 50, 69, 72 f., 111 ff. Henneberg, Berthold von 11 f., 14, 25,31 Henneberg, Gff. von 49, 199
335
Hermann, Jakob 165 f., 177,200 Hessen, Lgf. von 35, 44, 67, 101 ff., 117 ff., 135, 138, 149 f., 172, 223 ff., 235 f., 241 ff., 262 Hilchin, Johann 274 f., 280 Hildesheim, Bf. von 137, 148, 152, 197,242, 269 f. Holdermann, Hans 142, 159, 262, 298 Holstein, Hz. von (s. a. Dänemark) 48, 119, 129 f., 141, 217, 254 f., 270 Holzhausen, Hamann von 194, 235, 261 ff., 298 f. Hornung, Felix 20,167,193 ff. Hornung, Wolf 98, 117 Hoya, Gf. Jobst von 149, 197, 289 Hülle, Werner 97 Hug, Johann 101, 172 Hutten, Frowin von 121, 138, 223 ff., 236 Johanniterorden, Meister des 106, 136, 151, 226, 270 Jonas, Dr. Jakob 57, 165, 167, 197, 201,203 f. Jülich, Hz. von 37, 43 f., 49, 53, 56, 105 ff., 116, 135, 166, 172 f., 175, 178, 182, 202, 248 f., 252 f., 270, 276, 281,290 f. Jung, Dr. Timotheus 72, 189, 304 Kaden, Dr. Michael von 93 ff. Kalkoii, Paul 294 Karl V. 12 ff., 19, 22, 24 f., 27, 40, 49 f., 53, 66, 69, 73, 132, 137, 140, 149, 163, 194 f., 197, 203, 248, 269, 301,312 Kauffungen, Äbtissin von 241, 243 Kempten, Abt von 136, 140, 151, 177 Klingenbeck, Georg von 101, 110, 137 Kniphausen, Eido von 229, 232 f. Köln, Kf. von 32, 35 f., 43, 47, 55, 58, 69, 71 f., 86 f., 107 f., 136, 149, 172, 182,220,281 Köln, Reichsstadt 37, 162, 173, 175, 177, 191, 214, 261, 290 f. Konstanz, Bf. von 35 f., 44, 107, 137, 175, 177, 214 ff., 218 f., 240, 250, 291 Krampf, Heinrich 105 ff., 135 Kreß, Christof 35 ff., 159 Kühn, Johannes 13,266 Küstrin, Mkgf. Hans von 166, 177, 188,202,214,299
336
Orts- und Personenregister
Lamparter, Dr. Gregor 198, 262 Landsberg, Dr. Jakob von 277 f., 280 Lothringen, Hz. von 103, 106, 120, 163, 255, 266, 272, 289 Lübeck, Reichsstadt 48 f., 102, 105, 119,129,139, 177,214 ff., 254 Lump, Dr. 106 f., 172 Lüttich, Bf. von 136, 253 f., 272 Magdeburg, Stadt 55, 205 Mainz, Kf. von 19, 32, 35 f., 41 ff., 46 ff., 50, 52, 55 f., 58 f., 61, 69, 71 f., 87, 101, 135 f., 140 f., 148 ff., 156, 162 ff., 165, 171, 173, 175, 181 f., 184, 187 ff., 212 f., 215, 219, 269, 274, 290 f., 295, 306, 308 Manderscheid, Gf. Dietrich von 35 f., 120, 249 Mauerbach, Abt von 136, 151 Mecklenburg, Hz. von 37, 119, 141, 145 Meißen, Bf. von 134, 213, 258 f. Meißen, Bggf. von 118, 134, 199, 259f. Metz, Bf., Stadt, Stift 184, 212 ff., 254 f., 261, 266, 270, 272 Moser, Johann Jacob 11,301 ff. Mühlhausen, Reichsstadt 135, 195, 205, 213, 258, 272 Münster, Bf. von 49, 136, 149, 229, 276,281,290 Nannen, Peter 229,232 Nassau, Gff. von 104, 149 Naumburg, Bf. von 212 f., 259 f. Neuenahr, Gf. von 108,212 Niederwesel, Stadt 104 f., 135 Nürnberg, Reichsstadt 35 ff., 48 f., 56, 72, 148, 161, 165, 177, 194, 201, 235,285 Oestreich, Gerhard
15 f., 19, 30, 49,
54, 295 Österreich, Erzherzog von, Haus 37, 44, 46, 48 f., 56, 72, 149, 166, 184, 248, 266, 271, 304, 306 f. Ottheinrich, Pfgf. und Hz. 167, 195, 203 ff., 228, 253 f., 257
Pappenheim, Wolf von 39, 213, 217, 286 Passau, Bf. von 43 f., 149, 212, 250 f., 262, 266
Petershausen, Abt von 205, 240 Peutinger, Dr. 31, 171, 194, 235 Pfalz, Kf. von der 32, 35 f., 42 f., 46 ff., 50, 58, 61, 67, 69, 72, 101 ff., 138, 149 f., 155, 158, 171 f., 179 f., 182, 184, 212 f., 218 f., 223 ff., 236, 274, 281, 307 Pfalz-Simmern, Hz. von 35, 43, 49, 171,177,214,217,249,262 Pfalz-Zweibrücken, Hz. von 49, 177, 215,220 Pflug, Julius (s. a. Naumburg) 66, 259 Planitz, Hans von der 20, 33, 194, 236 f., 253, 277 Polen 48, 109, 130 Pommern Hz. von 56, 106, 108 f. Quedlinburg, Äbtissin von
213, 258 f.
Rabe, Horst 13, 18 Raminger, Georg 88, 102 ff., 138, 237 f. Ranke, Leopold von 11, 17 Rast, Dr. Mathias 72,177 Redlich, Otto 296 Regensburg, Bf. von 37,250 f. Regensburg, Reichsstadt 108, 116, 172, 191,252 f., 261 f. Rehlinger, Dr. 105, 108 Ribeisen, Dr. Nikolaus 44, 105, 249 Ribeisen, Dr. Simon 88, 101, 158, 172 f., 264 Riga, Ebf. von 255, 270 Rosenberg, Herren von 103 f., 157, 167, 195, 197, 238 Rosenhofer 106 ff., 282 f. Rotenhan, Dr. Sebastian 32,102 Röttinger, Dr. Paul 261, 263, 298 Rucker, Andreas 71, 100, 150 Sachsen, Hzz. von 31 f., 35, 37, 44, 153,156,248,261,274,298 Sachsen, Kf. von 32,35 f., 42 ff., 47 f., 50, 54, 58, 61, 69, 72, 99, 132, 134 ff., 148 f., 153, 163, 173, 175, 179, 182, 213 f., 218 ff., 237, 242, 244 f., 248, 253, 258 ff., 273, 277, 281, 284, 291, 296 f., 306 f. Salzburg, Ebf. von 36 f., 44, 48 f., 107, 116, 136, 166, 176 f., 182, 217, 250, 262, 266, 300, 303 f., 306 f. Salzburg, Geistlichkeit von 105, 107 ff., 249
Orts- und Personenregister Savoyen,lIz.von 212,254,266 Schauenburg (Schaumburg), Gf. Bernhard von 212, 275, 281 Schlegel, Wolfgang 233, 275 Schlieben, Eustachius von 69, 281 Schnabel, lIans 114, 274 f., 289, 291 Schubert, Friedrich lIermann 11, 16, 18,29,68 Schwabacher, Dr. Konrad 106, 108, 223 Schwarzenberg, Christoph von 33, 171 Schwarzenburg, lIans 117,213 Schwendi, Lazarus von 167, 203 SeId, Dr. Georg Sigmund 69, 72, 111 ff. Sengelmann, lIartwig 311 Sickingen, Franz von 67, 118, 138, 150, 223 f., 235 f. Sitten, Bf. von 135,257,272 Solms, Gf. Bernhard von 32, 35 f., 104, 107 f., 173, 236 Speyer, Bf. von 37, 48, 107, 136, 172, 250, 262, 281, 284 Speyer, Reichsstadt 43, 161 Sporneck, Melchior von 103 f., 157 Steglieh, Wolfgang 17 Storck, Dr. 104 f., 119 Straßburg, Bf. von 31 f., 35, 37, 43, 49, 56, 70, 149, 202, 264 Straßburg, Reichsstadt 31 f., 35 f., 44 f., 49, 51, 56, 69, 73, 104, 139, 143, 150, 153, 156, 158, 160 f., 168, 171, 173 f., 176 f., 182, 189, 191 f., 201, 225,261 f. Sturm, Jakob 35 f., 43, 69, 73, 115, 143, 159 ff., 245 Sturm, Kaspar 105, 107,285 f. Tetleben, Valentin von 20, 36, 71, 120, 135, 159 f., 173, 186, 242 Themar, Dr. Adam Werner von 93 ff. Tiel, Dr. Reinhard 277,279
337
Tisnacq, Charles de 111 ff. Toul, Bf., Stadt, Stift 184, 212 ff., 254 f., 266, 270, 272 f. Trier, Kf. von 32, 35 f., 43, 47 f., 53, 58, 67, 69, 71 f., 101 ff., 138, 149 f., 158, 163, 173, 175, 179 f., 182, 185 f., 219, 223 ff., 236, 249, 262, 290 f., 308 Truchseß von Waldburg, Georg 37, 107, 212 Ulm, Reichsstadt 69, 148, 157, 171, 173,176,201,235,262,294 Vehus, Dr.lIieronymus 32,35 Venningen, Florenz von 32,236 Verdun, Bf., Stift 184, 212 ff., 254 f., 266, 270 Wangen, Stadt 257,271 f. Weingarten, Abt von 26, 31 f., 35 ff., 69, 70, 136 Weissenburg, Abt von 136, 151 Weitzel, Jürgen 94 f., 300 Wertheim, Gff. von 26, 31 f., 35, 102, 104 ff., 239, 273, 284 Westermann, Ascan 38, 160 Widmann, Dr. Beatus 146, 212, 277 ff., 292 Worms, Bf. von 43, 107, 149, 172, 262 Wurmser, Dr. Bernhard 104, 261 f. Württemberg, IIz. von 44, 72, 102, 104 f., 119, 168, 202, 226, 239, 245, 295 Würzburg, Bf. von 31 f., 35 f., 44, 48 f., 56, 93 ff., 102 ff., 138 ff., 142, 165, 172, 176 f., 194, 201, 237 ff., 273, 284, 310 Zasius, Dr. Johann Ulrich 303 Zedler 301 ff.
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