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German Pages 73 [76] Year 1921
Neue Metrik. E r s t e r Teil.
Von
Ernst Leumann.
B E R L I N und L E I P Z I G
1920
VEREINIGUNG WISSENSCHAFTLICHER
VERLEGER
WALTER DE G R U Y T E R & Co. v o r m a l s G . J . G ö s c h e n s c h e Verlagshandlung — J . G u t t e n t a g , Verlagsbuchhandlung — G e o r g R e i m e r — K a r l J . T r ü b n e r — Veit &
Comp.
C. A. Wagner, Buchdruckevei A.-G., Freiburg
Meiner
tapfern
Gertrud
und allen unsern Helfern.
Vorwort. Was man in der Jugend wünscht, hat man im Alter die Fülle. Damit will ich nicht sagen, daß ich als Knabe gerade auf Metrik ausgegangen wäre. Aber Mathematik und Indogermanistik, was die beiden Pole meiner Metrik sind, waren auch die beiden Pole meiner Schülerneigungen. Der Volksschullehrer Altwegg, nachlieriger Kantonsrat, bei dem ich von Ostern 1867 bis Ostern 1871 Unterricht hatte, rühmte später an mir wiederholt, daß ich das Wurzelausziehen von mir aus gelernt habe. Und als ich Ostern 1872 an der Kantonsschule Frauenfeld bei Dr. Friedrich Haag, dem spätem Berner Universitätsprofessor, Latein-Unterricht be1tam, war dieser durchaus indogermanistisch gehalten: man lernte nicht Nominative, sondern Wortstämme, und oft war von Sanskrit die Rede. Auf die meisten Schüler wirkte dieser weitausschauende Unterricht verwirrend, und er kostete deshalb den Lehrer bald seine Stelle; aber mich hat Haag gefahrlos begeistert und der vergleichenden Sprachwissenschaft und dem Sanskrit zugeführt. Mathematik steckt nicht bloß in meinen statistischen Zählereien und Ahnlichem. Auch die Art meiner Beweisführung dürfte den Leser mathematisch anmuten. J a , er wird ihr sogar, wie ich hoffe, mathematische Strenge und Folgerichtigkeit zugestehen. Ich habe ein solches Zugeständnis nötig, weil meine ganze Auffassung bis zur Stunde außer einem in der Berliner Wochenschrift für klassische Philologie vom 1. Juli 1912 geäußerten Beifall Draheims (einem Beifall, der aber nach Westphalschem Muster Phantasien einmengte und-mich daher eher diskreditierte als stützte) keine entschiedene Zustimmung hat finden können.
—
V i -
lm gegenwärtigen'Heft ist vorläufig nur von der mit dem weiblich-halbierten Hexameter sich deckenden H a u p t f o r m der nordarischen A-Zeile die Rede. Desgleichen nur von der Hauptform der C-Zeile. Die Nebenformen sollen später zur Darstellung kommen. Wer indessen über sie schon jetzt Aufschluß haben möchte, .findet ihn, in den beiden Büchern, die ich p. 30 f. nenne. Im zweiten dieser Bücher (p. 136 bis 147) ist auch bereits das S t e l l e n g e s e t z entwickelt d. h. gezeigt, wie die Rhythmen, die meine Metrik aufdeckt, sich in ihrer Ausprägung nach den S t e l l e n richten, die sie innerhalb der Verszeilen und Strophen einnehmen. Auf die r h y t h m i s c h e P r o s a der Nordarier komme ich kurz zu sprechen im neuesten Hefte der Abhandlungen der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft p. 34 und ß7; auch p. 55 f. und 95 bitte ich da zu beachten. An all diesen genannten zur vorliegenden Schrift hinzukommenden Informationsstellen ist der Rhythmus mit R, der Rhythmus mit Ji und der Rhythmus mit r resp. r bezeichnet.
I n h a l t .
Seite 1—18
I. Neudeutsche Rhythmik II. H e x a m e t e r und Pentameter 1. Der weiblich-halbierte Hexameter und der Pentameter 2. Der männlich-halbierte Hexameter 3. Das Ur-Distichon III. Nordarische Metrik I, mit griechischen Parallelen . . 1. Rhythmische Variabilität 2. Übliche Rhythmenformen (Liste I — V ) 3. Quantitierung 4. Orthographie 5. A-Strophen und Hexameter-Zeilen in Textprobcn 6. Das Iktusgesetz und Rhythmus n
.
.
7. Das Iktusgesetz und Rhythmus I 8. Das Iktusgesetz und die Hälfte der A-Zeile . . . 9. Seltene Rhythmenformen in der A-Zeile (Ergänzung zu den Listen I und I V )
19—29 19—23 24 f. 25—29 30—67 31—33 33—35 35—37 37—40 40—48 48—54 54—58 58—63 63—67
I. Neudeutsche Rhythmik. Alle Rede, vor allem die dichterische, strebt nach Rhythmisierung. Erstens sollen in einem syntaktischen Zusammenhang die Silben nach Stärke oder Dauer eine planmäßige Abwechslung zeigen, und zweitens soll eine so hergestellte Abwechslung entweder unverändert oder variiert als Norm sich wiederholen in weiteren Zusammenhängen von gleichem oder ähnlichem Bau. Die erstrebte Abwechslung ist eine von möglichst einfacher Art. An sich sind die Silben von verschiedenstem Gewicht und von verschiedenster Dauer. Sie sind es schon innerhalb der Worte und erst recht innerhalb der Sätze. Auch kommen zu den allgemeineren Momenten, die differenzierend wirken, die spezielleren hinzu, die aus den im Augenblick des Sprechens innerlich und äußerlich hereinspielenden Veranlassungen erwachsen. Der rhythmische Zug läßt die ganze Mannigfaltigkeit im wesentlichen auf sich beruhen, er verlangt nur, daß sie sich nach Möglichkeit seinem eigentlichen Bestreben anpasse, welches ein Auf und Ab herstellen will, das nach gewissen, leicht ins Ohr fallenden Normen erfolgt. Es sollen, je nachdem bei der Wertung der Silben mehr die Energie oder mehr die Dauer den Ausschlag gibt, höhere und tiefere oder längere und kürzere Silben in akustisch leicht zu erfassenden Ordnungen aufeinanderfolgen. Unter den im Deutschen üblichen Ordnungen der gemeinten Art geben sich als die ursprünglichsten deutlich splche zu erkennen, die zwei höhere oder längere Silben — sagen wir zwei Hebungen — umspannen. Wir wollen diese Ordnungen Rhythmen heißen. Zwischen den beiden Hebungen ist natürlich, damit rhythmische Abwechslung entsteht, eine Senkung erforderlich, bestehend aus ein bis zwei, allenfalls auch mehr, L e u m a n n , Nene Metrik.
i
—
2
—
tieferen oder kürzeren Silben. Ich heiße diese Senkung die zentrale; sie ist in der Dichtung durchschnittlich ein- bis zwei-, selten dreisilbig, in Prosa auch mehrsilbig. Beliebig kann ferner zum Schema eine initiale Senkung hinzukommen, ebenso eine finale Senkung, die initiale Senkung in derselben Weise variationsfähig wie die zentrale, dagegen die finale notwendig einsilbig, weil eine mehrsilbige Senkung kein Gefühl des Abschlusses zu erwecken fähig ist. Das Gesamtschema der Rhythmen, soweit sie in Dichtungen sich auswirken, ist also üblicherweise U ) - -- - (-)
womit im ganzen nämlich:
zwölf Einzelschemata
umfaßt
werden,
1 2 3 4
5 6 7 8 9
10 11
12
Die meisten dieser zwölf Rhythmen erscheinen in ziemlich buntem "Wechsel, paarweise zu Verszeilen verbunden, im ersten Abschnitt des großen Monologs am Anfang von Goethes Faust. Probeweise seien von den 32 Zeilen des Abschnitts die ersten 16 hier skandiert: 7 . 7 2 . 2
2 . 7
2 . 8 2 .2 2 . 2
1. Habe nun, ach! Philosophie, 2. Juristerei und Medizin, 3. und leider auch Theologie! 4. durchaus studiert, mit heißem Bemü hn 5. Da steh ich nun, ich armer Tor! 6. und bin so klug als wie zuvor;
—
10. 3 2 .3 2.2 6.7 5.5
|. i |^ ^ „„i,^:.^ |
2.5
i
11.10 i
io. 11
|
—
7. heiße Magister, heiße Doktor gar 8. und ziehe schon an die zehen Jahr 9. herauf, herab und quer und krumm io. meine Schüler an der Nase herum — n. und sehe, daß wir nichts wissen können! 12. Das will mir schier das Herz verbrennen. 13. Zwar bin ich gescheiter als alle die Laffen, u.Doktoren, Magister, Schreiber und Pfaffen; 15. mich plagen keine Skrupel noch Zweifel, 16. fürchte mich weder vor Hölle noch Teufel.
11. n „^„„^ i
5 . io
3
Wo so in einer Dichtung allerlei Rhythmen in freier Folge miteinander abwechseln, werden wir von lockerer Rhythmik reden müssen. Als fest dagegen wäre eine Rhythmik zu bezeichnen, deren Verlauf im einzelnen genau präzisiert, ist. Proben fester Rhythmik finden wir z. B. in Goethes Heidenröslein und in den zehn achtzeiligen Strophen, die Schillers Lied von der Glocke enthält. In regelmäßigem Wechsel erscheinen da im ganzen vier Zeilenschemata: A B C D nämlich bei Goethe und bei Schiller
A B D
B C
^
^
^ ^ Sah ein Knab ein Röslein Röslein auf der Heiden,
stehn,
Fest gemauert in der Erden Steht die Form, aus Lehm gebrannt. — Von der Stirne heiß —.
Beachtet man in den vorstehend ausgehobenen Musterzeilen die vorhandenen Einschnitte, nämlich
—
B A B
| J.^ i i
4
—
Sah ein Knab \ ein Röslein stehn, — Fest gemauert | in der Erdensteht die Form \ aus Lehm gebrannt —,
so sieht man, wie hier die Zeile A eine Wiederholung des Rhythmus 4 und die Zeile B eine Verbindung der Rhythmen 1 und 2 darstellt. Zuweilen auch finden sich Teilungen folgender Art: A B
i i
soll das Werk \ den Meister loben — Röslein, Röslein, \ Röslein rot —,
wo im ersten Fall das Rhythmenpaar 1 + 5, im zweiten das Rhythmenpaar 4 + 1 vorliegt. Seltener zeigt es sich, daß die beiden Zeilen ungeteilt oder kaum geteilt sind, so in daß die zähe Glockenspeise fließe .nach der rechten Weise! — Und der wilde Knabe brach —. Man wird sonach anzunehmen haben, daß die gesamten viergipfligen Yerszeilen — nicht bloß jene Monologzeilen, die durchschnittlich noch streng in je zwei Rhythmen unserer Liste zerfallen — dadurch sich bildeten, daß von diesen Rhythmen sich welche paarweise aneinanderfügten. Jedesmal wenn bei solchem Zusammenschluß in der Rhythmenscheide sich Hebung an Senkung oder Senkung an Hebung fügte, mußte eine mehr oder weniger einheitliche Yerszeile entstehen. Und dies bewirkte, daß ab und zu Zeilen gebaut werden, die überhaupt keine Rhythmenscheide mehr haben, d. h. in denen die beiden Rhythmen völlig miteinander verwachsen sind. Übrigens finden sich bereits in den oben ausgehobenen Monologzeilen einige, deren Rhythmen sich verschieden eng zu einer viergipfligen Einheit verbunden haben (vgl. namentlich Zeile 10: meine Schüler an der Nase herum). Wo immer aber ein Rhythmenpaar sich so verband, daß die Verbiii dung als einfache Zeile erschien und nicht mehr der einzelne Rhythmus sich als Halbzeile aussonderte, da wurde, was ursprünglich zwischen den Halbzeilen als Rhythmenscheide ein notwendiger Teilpunkt gewesen war, nur noch als ein in
—
5
—
der Zeilenmitte beliebig und flüchtig auftretender Einschnitt (Zäsur genannt) empfunden, der umso weniger ins Ohr fiel, als er sich leicht verschieben, nämlich sowohl hinter die zweite Hebung wie hinter die nachfolgende Senkung fallen konnte. — Erwähnt sei nebenbei auch, daß unsere zeilenbildende Rhythmenpaarung gelegentlich dazu führte, die von Haus aus einsilbige Schlußsenkung des vordem der beiden zusammentretenden Rhythmen zweisilbig werden zu lassen. Das heißt soviel, daß jene Senkung, indem die Zeile sich als Ganzes dem Ohre einprägte, ihren finalen Charakter verlor und darum gleich den sonst ins Innere der Zeile fallenden Senkungen behandelt wurde. Rhythmenpaare, wo so die vordem Rhythmen ihre finale Senkung zweisilbig gestalten, finden sich z. B. am Schluß von Goethes Paust; sie sind da dem Reim zuliebe rhythmenweise (halbzeilenweise) geschrieben, während sie eigentlich zeilenweise wie folgt zu schreiben wären: io*+io 5*+10 5*+8
5*+7
Alles Vergängliche ist nur ein Gleichnis; das Unzulängliche, hier wird's Ereignis; das Unbeschreibliche, hier ist es getan; das Ewig-weibliche zieht uns hinan.
Soviel über die Entstehung der viergipfligen Zeilen von der Art wie A und B. Wie wir uns andrerseits die Zeilen 0 und D und überhaupt die dreigipfligen Zeilen entstanden denken müssen, werden wir später sehen. Unsere Rhythmen begegnen nun im übrigen, teils einzeln und teils in gleichen oder ungleichen P a a r e n , ausnahmsweise auch in Trio-Gruppierung, in den S p r i c h w ö r t e r n . Dabei kommt häufig als Redeschmuck Reimbildung und Alliteration hinzu, und zwar schon in Einzelrhythmen, erst recht in Rhythmenpaaren und Rhythmentrios. Oben fanden wir solchen Redeschmuck vorerst nur in R e i h e n von (aus Rhythmenpaaren sich zusammensetzenden) V e r s z e i l e n , und zwar so, daß je zwei solcher Zeilen teils bloß durch Schlußreim und teils außerdem durch Binnenreim verbunden waren. Ich halte mich, indem ich die Rhythmen nun durch S p r i c h w ö r t e r belege, an die oben angesetzte Rhythmenreihe.
—
6
—
Rhythmenpaar 1+1, ohne Reim: Jung gewohnt, alt getan, — mit Reim: Ende gut, alles gut. Rhythmenpaar 1+2 (wie oben die Verszeile steht die Form, aus Lehm gebrannt), ohne Reim: Unrecht Gut gedeihet nicht, mit Reimen verschiedener Art: Morgenstund' hat Gold im Mund, — Aug' um Aug' und Zahn um Zahn; — außerdem mit Alliteration: Gleich und Gleich gesellt sich gern, — Glück und Glas, wie bald bricht das! Rhythmenpaar l+e (wie oben die Verszeile soll das Werk den Meister loben), mit Alliteration: Frisch gewagt ist halb gewonnen. Rhythmenpaar 3+4, ohne Reim: Ein gebranntes Kind scheut das Feuer. Rhythmus 4, ohne Reim: Not bricht Eisen. Rhythmenpaar 6+11, mit Reim: Wie die Alten sungen, so zwitschern die Jungen. Rhythmenpaar 7+7- (d. h. der doppelte Pentameterschluß), mit einem die Anfangsworte verknüpfenden Reim und mit Alliteration im ersten Rhythmus: Wagen gewinnt, wagen verliert. Rhythmentrio 7+7+7 (d. h. drei Pentameterschlüsse), mit Reim in allen und Alliteration in den beiden letzten Rhythmen: Eigenlob stinkt, Freundeslob hinkt, Feindeslob klingt. Rhythmus 8, ohne Reim: Die Liebe ist blind. Rhythmenpaar 9+9, mit Reim: Was dem einen sei' Leid, ist dem andern sei' Freud,'. Rhythmus 10 (d. h. der Hexameterschluß), mit einem das Anfangs* und das Endwort verknüpfenden Reim: Eile mit Weile. Rhythmenpaar 10+7 (d. h. Verbindung von Hexameter- und Pentameterschluß), ohne Reim: Reden ist Silber, Schweigen ist Gold.
—
7
—
Rhythmus n, ohne Reim: Gedanken sind zollfrei. Rhythmenpaar 12+5, ohne Reim: Wo nichts ist, hat der Kaiser sein Recht verloren. Hiemit meine ich die zwölf Rhythmen, deren Schemata oben aufgeführt wurden, genügend durch Verszeilen und Sprichwörter belegt zu haben. Wenn ich Reim und Alliteration als 'Redeschmuck3 bezeichnete, so • will ich beifügen, daß sie ihrem Wesen nach nicht sowohl die Rede schmücken als vielmehr deren Teile untereinander verbinden und verklammern sollen, um die Aussagen einheitlich und geschlossen zu gestalten. Sie stehen in diesem Sinne den Rhythmen durchaus parallel: letztere schaffen im F l u ß der Rede, erstere im Lautbestand gewisse Gleichmäßigkeiten, die einen gedanklichen Zusammenschluß dem Ohr und dem Gedächtnis dringlich und willkommen einprägen. Wir wenden uns nun zu den selteneren Parallelrhythmen, in denen die zentrale oder die initiale Senkung oder beide zugleich dreisilbig sind. Diese Rhythmen fallen unter die Sammelschemata" — z
und (.xx.)
¿w,
die wiederum im ganzen zwölf Rhythmen umfassen, nämlich: 13 — / _ 2 14 — 15 16
—
17 18
19 20 21 22
23 24
...jt^i.
Mehrere dieser Rhythmen erscheinen in Geibels bekanntem Gedichte ' W a n d e r l u s t ' , das ich hier rhythmenweise (d. h. halbzeilenweise) hersetzen und skandieren will.
—
Rhythmus i i
„ / „ „ /^
18 n 8 12 ^ 8 13 19 11 8 22 8 22 18 18 19
8
—
Der Mai ist gekommen, die Bäume schlagen aus; da bleibe, wer Lust hat, mit Sorgen tu Haus! Wie die Wolken dort wandern am himmlischen Zelt, 50 steht auch mir der Sinn in die weite weite Welt.
- '— '-
Herr Vater, Frau Mutter, daß Gott euch behüt'! Wer weiß, wo in der Ferne -- ' mein Glück mir noch blüht. Es gibt so' manche Straße, die nimmer ich marschiert, ~ ' — ' es gibt so manchen Wein, — ' den ich nimmer noch probiert.
8 ~ / „„' Frisch auf drum, frisch auf 13 ™ ' im hellen Sonnenstrahl, 11 ~ wohl über die Berge, 18 - < • . wohl durch das tiefe Tal! 11 Die Quellen erklingen, 18 / die Bäume rausdien all'; 22 mein Herz ist wie 'ne Lerche is — ' - ' und stimmet ein mit Schall. 22 s 22 18 11 13 18 18 ii 13 22 8
_' Und find' ich keine Herberg', ~> ' so lieg' ich zu Nacht — wohl unter blauem Himmel, ./_ die Sterne halten Wacht; im Winde die Linde, — .i- ' die rauscht mich ein gemach, - es küsset in der Früh' das Morgenrot midi wach. 0 Wandern, o Wandern, du freie Burschenlust! Da wehet Gottes Odem so frisch in die Brust;
ii
„/„„z-
da singet
13 18 19
— —
das Herz zum Himmelszelt: Wie bist du doch so schön, o du weite, weite Welt!
' - '
und
jauchzet
Man sieht, daß die finale Senkung der Rhythmen am Zeilen ende s t e t s , aber am Schluß einer ersten Halbzeile nur g e l e g e n t l i c h fehlt. So ist das Gesamtschema einer e r s t e n Zeilenhälfte (a): ' oik. ' (-) und das einer z w e i t e n Zeilenhälfte (ß): ' -x, '. E s liegt 16 mal einer der üblichen Rhythmen 1—12 und 24 mal einer der selteneren Rhythmen 1 3 — 2 4 vor, dabei 7 mal der Rhythmus 8
«
«
«
8 1 1
1
«
«
«
1 2
6
«
«
«
1 3
9
«
~.> • Ende gut,'— II Wagen gewinnt, — in ^ „ „ „ x Freunde in der Not. Kommt noch eine f i n a l e (als solche notwendig einsilbige) Senkung zum Schema hinzu, so erhalten wir die entsprechenden weiblichen (d. h. mit einer Senkung schließenden) Rhythmentypen, — für deren Bezeichnung wir Antiqua-Zahlen verwenden wollen: I Not bricht Eisen, — II Eile mit Weile, — in Wie man in den Wald ruft. Es steht also neben einem m ä n n l i c h e n Rhythmengeschlecht j — i n ein weibliches 1—111. .Jedes von beiden hat
—
12
—
in den angegebenen Formen, da sie alle mit einer Hebung beginnen, f a l l e n d e n Charakter. Indem nun aber überall vor die erste Hebung noch eine i n i t i a l e Senkung treten kann, bilden sich im weitern die sechs s t e i g e n d e n Parallelrhythmen, und zwar mit je drei Abarten, weil die initiale Senkung wie die zentrale ein-, zwei- oder dreisilbig sein kann. Für die erste dieser Abarten wählen wir g r ö ß e r ö römische, für die zweite kleinere arabische, für die dritte größere arabische Ziffern.
S t e i g e n d e Rhythmen mit einsilbiger Anfangssenkung, männlich
« weiblich €
/
= Rhythmus 2.
II III
8. 18.
I II III
5.
11. 22.
mit zweisilbiger Anfangssenkung, männlich
i
« «
2 3
weiblich «
i 2
== Rhythmus 3. 9. 19. 6.
12. 23.
mit dreisilbiger Anfangssenkung, männlich
1
13.
2 ^ 3weiblich « «
1 2 ~ 3 ..
15. 20. =
/'
14. 16.
24.
Wir finden unsere Rhythmen in den Sprichwörtern meist paarig, seltener einzeln oder zu dritt. In der Dichtung erscheinen sie paarig zu Y e r s z e i l e n verbunden, und zwar
—
13
—
1. lose verbunden, so daß sie selbständige H a l b z e i l e n bilden (wie im Faustmonolog und im Geibelschen Wanderlied); 2. eng verbunden, so daß die Verszeilen als geschlossene Einheiten empfunden werden. In der ersten Weise können beliebige Rhythmen zusammentreten. Zur zweiten Verbindung eignen sich nur solche, die sich rhythmisch passend aneinanderfügen, z. B. männliche und steigende oder weibliche und fallende wie in den Zeilen Fest gemauert | in der Erden steht die Form, \ aus Lehm gebrannt. Heute muß \ die Glocke werden; frisch, Gesellen, \ seid zur Hand! Was ursprünglich Teilpunkt der beiden zu einer Zeile sich verbindenden Rhythmen war, erscheint da nur noch als Zäsur. Indem nun die enge Rhythmen Verbindung weitaus die üblichste geworden ist, trat damit für das durchschnittliche Empfinden als metrisches Grundgebilde an die Stelle des Rhythmus die Verszeile, also der Doppelrhythmus. Zugleich stärkte sich das Gefühl für den Elementarvorgang aller Rhythmik, den bloßen Wechsel von Hebung und Senkung. Dieser Wechsel kehrte eben in der einheitlichen Verszeile mehrmals wieder und zerlegte sie dadurch in eine Anzahl Untertakte (sog. Versfüße, Trochäen und Daktylen — oder Iamben und Anapäste), während die Zeile selber bei regelmäßiger Wiederholung den Charakter eines mehrere jener Untertakte in sich befassenden Obertaktes bekam. Im allgemeinen ist aber neben der neuen Versfußgliederung auch noch die alte Rhythmengliederung durchzufühlen. Schon oben haben sich die deutlich trochäisch gebauten Zeilen Fest gemauert usw. ohne weiteres auch rhythmisch verstehen lassen. Ebenso zerlegen sich die iambisch-anapästischen Zeilen Und es wallet und siedet und brauset und zischt, wie wenn Wasser mit Feuer sich mengt. Bis zum Himmel spritzet der dampfende -Gischt
—
14
—
und Well' auf Well' sich ohn' Ende drängt, und wie mit des fernen Donners Getose entstürzt es brüllend dem finstern Schöße. in die Rhythmen 12+8 12 + ?
LL
6+8
2+3
-.^„z
11+10
B+5
„_/„./„
Die zweite der soeben skandierten Zeilen wird uns Veranlassung, noch einen Schritt weiter zu gehen. Wir bemerken da einen überschüssigen Iambus, der sich nach dem Bisherigen nicht definieren läßt. Tatsächlich kennt die deutsche Metrik außer den Rhythmen und Rhythmenpaaren auch H a l b r h y t h m e n : eingipflige Gebilde, deren Gesamtschema sich in der Weise herstellen läßt, daß man aus dem Gesamtschema der Rhythmen, d. h. aus (^)-oS^M, eine Hebung samt der zentralen Senkung hinwegdenkt. erhält dann (¿Si) - H,
Man
d. h. eine Anzahl von Silbenfolgen, von denen die üblichsten unter das Teilschema h - ^ h fallen. Die so eine einzige Hebung führenden Halbrhythmen kommen n i c h t e i n z e l n vor. E s kann eben das einmalige Auf oder A b oder A u f und. A b noch nicht den Eindruck einer rhythmischen Figur erwecken; auch läßt sich unter einer einzigen Hebung noch kaum eine einigermaßen selbständige Gedankenregung aussprechen. Nur entweder p a a r i g oder mehr oder weniger eng m i t R h y t h m e n v e r b u n d e n erscheinen die Halbrhythmen, — z. B. (ich numeriere die Halbrhythmen vorläufig mit eingeklammerten Zahlen)
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—
p a a r i g in (1) + (0 - 1 (2) + (ä) 1 (3)+(3) 1-
Ein Mann, ein Wort. Ländlich, sittlich. Je länger, je lieber.
mit R h y t h m e n v e r b u n d e n in l+fl) Unverhofft kommt oft. i + (8) Allzu sdiarf macht schartig. 2+(i) Was lange währt, wird gut. (2)+4 1 'Ehrlich währt am längsten. (3)+i 1 Durch Schaden wird man klug. 4+(i) |vi Stille Wasser sind tief. Die letzten sechs Sprichwörter zeigen, wie dreigipflige Zeilen entstehen: an einen zweigipfligen Rhythmus hat sich vorn oder hinten in enger Verbindung ein eingipfliger Halbrhythmus angeschlossen, so daß der Teilpunkt bloß noch als Zäsur erkennbar ist. Erfolgt der Anschluß vorn, so ergibt sich — wenn wir bloß die Hebungen beachten und diese durch Kursivzahlen bezeichnen — das Schema i+», andernfalls das Schema 2+1. Auch engere Zusammenschlüsse kommen vor, wo kaum mehr von einer Zäsur gesprochen werden kann; so in unsern Zeilen C und D (oben p. 3): da müßten wir als Schemata i+2 und 2+1 oder geradezu 3 ansetzen. In entsprechender Weise bilden sich natürlich auch fünfgipflige Zeilen, sobald sich viergipflige Rhythmenpaare an irgendeiner Stelle um einen eingipfligen Halbrhythmus erweitern. Man bekommt dann Schemata wie 1+2+2
1+2+2
3+2
2+1+2
USW.
Zum Beispiel in der ersten Strophe von Uhlands Taillefer: 2+1+2 1+2+2 2+3 1+2+2
Normannenherzog Wilhelm sprach einmal: Wer singet in meinem Hof und in meinem Saal? Wer singet vom Morgen bis in die späte Nacht so lieblich, daß mir das Herz im Leibe lacht?
"Wir wollen nun aber die Halbrhythmen in ähnlich systematischer Weise signieren, wie wir weiter oben die Rhythmen signiert haben. Aus den acht Einer-Rhythmen
—
/ I 1 1
16
—
i I 1 1
„¿„^
mögen wir uns zunächst durch einfachen Wegfall des schließenden Iambus oder Trochäus a c h t e n t s p r e c h e n d e H a l b r h y t h m e n entstanden denken, denen wir die gleichen Signaturen zuteilen können, wenn yär diese nur nach Art von Exponenten in die Höhe schreiben. Die Schillersche Verszeile, von der wir ausgingen, wie wenn Wasser mit Feuer sich mengt bekommt dann, je nachdem wir sie entweder wie oben als Rhythmus + Halbrhythmus oder als Halbrhythmus -r Rhythmus ~< auffassen, die Signatur 27 oder 1II. Indem ferner Halbrhythmen, die vorn an Rhythmen antreten, ihre finale Senkung nach Art einer zentralen variieren können (ähnlich wie wir dies oben p. 5 bei vortretenden Rhythmen beobachtet haben), so entstehen noch a c h t weit e r e H a l b r h y t h m e n f o r m e n , die aussehen, als ob die weiblichen Zweier- und Dreier-Rhythmen 1
Ii II
in III
2
3
2
—
3
je um ihren schließenden Trochäus gekürzt wären. Wieder also können wir Rhythmenzahlen (hier Zweier- und DreierZahlen in Antiquaschrift), indem wir sie in der Höhe anbringen, für bezügliche Halbrhythmen verwenden. Unsere Taillefer-Strophe bekäme darnach die Formel I1/
Ih
II7/
1
ul.
Wir untersuchen endlich die Rhythmik der P r o s a . Erwähnt ist bereits, c^aß da die zentrale Senkung auch viersilbig sein kann. Sie mag überdies verschwinden, so daß eine „Stockung"
—
17
—
entsteht. So erhalten wir zu den Einer-, Zweier- und DreierRhythmen noch Vierer-Rhythmen (z.B. iv ¿IsässischeEpoche) und Null-Rhythmen (z.B. O beherbergen), so in der Einleitung der 'Jugendjahre' von Friedrich Lienhard: und die zehnjährige thiiringisch-elsässische Epoche . . . . (Rhythmenschema:
8lr
iv)
. . . ., als ich meinen alten Vater im Gasthof der Wartburg beherbergen und dem elsässischen Dorfschulmeister unser Deutschland zeigen durfte. (Rhythmenschema:
In
i 110
3
i
1
i).
Vor allem aber unterscheidet sich die Rhythmik der Prosa von der metrischen durch den freien W e c h s e l der R h y t h men. Da werden nicht Rhythmen, die einander möglichst ähnlich sind oder die sich mit Hebung und Senkung eng aneinanderfügen, paarig zu Zeilen und Weiter zu Zeilengruppen, die allerlei Reimverkettung zeigen mögen, verbunden. Sondern in reimlos ungehemmterFolge lösen die verschiedensten Rhythmen einander ab. Und doch ist der Rhythmenwechsel in der Prosa — mindestens in der guten Prosa — nicht völlig blind und wahllos. So gut wie sich da und dort unaufdringlich Alliterationen und Assonanzen einstellen, so auch gewisse Harmonien in der Folge der Rhythmen. Wir brauchen zum Beispiel den vorhin ausgeschriebenen Nebensatz nur wie folgt auf vier Zeilen zu verteilen als ich meinen alten Vater im Gasthof der Wartburg beherbergen und dem elsässischen Dorfschulmeister unser Deutschland zeigen durfte — um das Analogon zu einer vierzeiligen Strophe vor uns zu haben. Und bald nach diesem Nebensatz folgt in der genannten Einleitung ein Hauptsatz, der seinerseits in zweimal drei einander im Bau ziemlich nahestehenden Rhythmen dahinfließt, wieder eine Art Strophe bildend; ich will ihn hier gleich in entsprechender Anordnung vorlegen. L e u m a n n , Nene Metrik.
2
—
18
—
Des werdenden Mannes erst dumpf geahntes, dann klar erkanntes Ziel war organische Einheit zwischen Leben und Schaffen, zwischen Gehalt und Form. (Rhythmenschema: I I I Ii 2 2 1). Haben wir da fünf einrhythmige Zeilen nebst einer änderthalbrhythmigen, so zuvor im Nebensatz drei anderthalbrhythmige und eine zweirhythmige. Die Strophen in Schillers 'Taucher' mengen jeweils, wie wir oben sahen, unter fünf zweirhythmige Zeilen eine anderthalbrhythmige, und andere Mischungen von zwei- und anderthalbrhythmigen Zeilen fanden wir im c Heidenröslein' und im c Lied von der Glocke'.
Hiemit meinen wir die neudeutsche Rhythmik in aller Kürze skizziert zu haben. Ungleich der bisherigen Metrik, die von so unursprünglichen Dingen, wie es Versfüße und Verszeilen sind, ausgeht, baut sich unsere Skizze auf den R h y t h m e n auf, die wirklich Urbestandteile und zwar nicht bloß der Dichtung, sondern überhaupt der Rede sind. Damit klärt sich die Stellung, die der Dichtung innerhalb der Rede zukommt. A l s Vorstufe und Parallelerscheinung zu Vers- und Strophenbau gibt sich die Rhythmik der Sprichwörter und der Prosa zu erkennen, — ein Teil der Redekunst, den die Versfuß- und Verszeilen-Metrik auf sich beruhen lassen muß, weil sie nichts damit anzufangen weiß.
II. Hexameter und Pentameter. Im vorigen Abschnitt haben wir unsere deutsche Sprache, die metrische wie die prosaische, in R h y t h m e n zerlegt. Aber zwei Lehn-Versmaße, die wir besitzen, wurden dabei übergangen: der H e x a m e t e r und der P e n t a m e t e r . Wie W o r t e beim Ubergang in eine andere Sprache sich dieser anpassen und ihren Lautstand entsprechend modifizieren, so unterliegen natürlich auch V e r s m a ß e , wenn sie von Literatur zu Literatur wandern, gewissen Veränderungen. So ist der lateinische H e x a m e t e r nicht genau gleich dem griechischen, und von beiden unterscheidet sich wieder der deutsche, wie das Metrum auch weiterhin im Litauischen, wohin es ebenfalls gelangt ist, seine Eigenheiten bekommen haben wird. Geringer sind die Änderungen, die der P e n t a m e t e r erlitten bat. Dieser zerfiel eben von Anfang an in zwei entschieden gesonderte Hälften von fest ausgeprägtem Bau und widerstand daher eher den Einflüssen einer neuen Umgebung. Doch wollen wir nun nicht etwa hier die Anpassungen verfolgen, die unsere beiden Metren auf ihrem Gang durch die Literaturen durchgemacht haben, sondern bloß die ältesterreichbaren Formen ins Auge fassen, unter denen sie uns bekannt werden.
1. Der weiblich-halbierte Hexameter und der Pentameter. Der Hexameter teilt sich bei Homer derart in zwei ungleiche Hälften, daß die M i t t e l z ä s u r (wie wir den die beiden Hälften trennenden Einschnitt heißen wollen) mit etwa Zweidrittelhäufigkeit h i n t e r die erste Kürze des dritten Fußes und mit etwa Eindrittelhäufigkeit v o r diese Kürze
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fällt. Im erstem Fall wollen wir von der weiblichen, im letztern von der m ä n n l i c h e n Mittelzäsur sprechen. Und gleichermaßen sei die erste Halbierung die weibliche, die zweite die männliche genannt. Der Wechsel zwischen den beiden Halbierungen ist derselbe wie der, den wir p. 4 bei unserer deutschen Yerszeile A zwischen und
Fest gemauert \ in der Erden soll das Werk \ den Meister loben
beobachtet haben. Zunächst berücksichtigen wir bloß die weibliche Halbierung, die also doppelt so üblich ist wie die männliche. Und als Musterzeile, die nach jener erstem Weise halbiert ist, soll uns der erste Vers der Odyssee dienen: avSpa [j.oi | Svvsrce Moöoa || TtoXotpoTiov | Sc [täXa TtoXXä. Man sieht, daß da außer der Mittelzäsur noch zwei S e i t e n z ä s u r e n , eine vordere nach dem ersten Fuß und eine hintere nach dem vierten Fuß, sich bemerkbar machen: es sind nächst den beiden Mittelzäsuren die üblichsten Einschnitte des Hexameters. Wir haben nun im vorigen Abschnitt gesehen, daß sogar so kurze Verszeilen wie Sah ein Knab ein Röslein stehn u. dergl. rhythmisch zusammengesetzte Gebilde sind; umso eher wird eine Langzeile wie der Hexameter sieh in einfachere Bestandteile zerlegen. Und beim Versuch, die Urbestandteile zu finden, werden wir uns von den vorhandenen Zäsuren leiten lassen müssen. Diese Zäsuren aber nötigen gleich von vornherein dazu, zwei identische Stücke auszusondern: IVVSJTS Moöoa und O ? (j.äXa TtoXXä — zwei Rhythmen vom Typus II (nach unserer früheren Rhythmenklassifikation). Es bleiben dann die Stücke avSpa [toi und 7roXÖTpo7tov übrig — zwei Halbrhythmen, die sich nur dadurch voneinander unterscheiden, daß der eine eine einsilbige Anfangssenkung (;ro-) hat, die dem andern abgeht. So zerfällt unser Hexametertypus in zwei anderthalbrhythmige Kurzzeilen vom Schema Wir sehen dabei ab von der offenbar belanglosen Möglichkeit, daß die Schlußsilbe dieser Kurzzeile am Hexameter-
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ende nicht notwendig kurz zu sein braucht, sondern auch lang sein darf. Die eingeklammerte Senkung erscheint nur in den g e r a d e n Kurzzeilen, d. h. in der h i n t e r n Hexameterhälfte, da aber notwendig. Nun zum P e n t a m e t e r ! Da finden wir zwei Hälften, die nicht bloß annähernd, sondern völlig gleich sind. Jede hat das Schema Das ist nichts weiter als das männliche Seitenstück zu jener weiblichen Kurzzeile, die wir vorhin aus dem Hexameter abstrahiert haben. Nur eines ist störend: die eingeklammerte Senkung des früheren Schemas. Sollte da nicht diese Senkung — so fragen wir uns — unursprünglich sein? Wir sind ihrer sowieso nicht unbedingt sicher, weil sie bloß in der h i n t e r n Hexameterhälfte auftritt. Da sie nun in dem völlig analog gebauten Pentameter gänzlich fehlt, so muß sie uns wirklich verdächtig werden. Und wir werden im Argwohn bestärkt, wenn wir uns vergegenwärtigen, wie der Pentameter überhaupt kaum anders als im Gefolge des Hexameters — mit ihm zu einem Distichon verbunden — vorkommt. Denn das läßt doch erkennen, daß die beiden Metren in solcher Paarung von Haus aus eine Strophe von zwei weiblichen und zwei männlichen Kurzzeilen nach dem Schema
gebildet haben. Es würde sich die vorstehende Urgestalt serer Distichonstrophe ungefähr so ausgenommen haben ein deutscher Vierzeiler, dessen erstes Zeilenpaar weiblich dessen zweites Zeilenpaar männlich ausgeht, also etwa unsere Goethesche Strophe
unwie und wie
Mit Männern sich geschlagen, mit Weibern sich vertragen, und mehr Kredit als Geld: so kommt man durch die Welt. Man stelle sich vor, daß von vier so zusammengehörenden deutschen Verszeilen immer nur die zweite steigend begänne,
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während die übrigen drei stets fallender! Anfang böten. Das könnte nicht im anfänglichen Plane der Strophe liegen, sondern würde eine Umbildung darstellen, die auf irgendeiner besondern Ursache beruhen müßte. "Wenn eben in einer paarig gegliederten Strophe eine metrische Besonderheit nicht selbst auch paarig; sondern nur an einer bestimmten Stelle auftritt, dann wird diese Stelle normalerweise höchstens das Ende oder allenfalls den Anfang, kaum aber die Mitte eines Zeilenpaares bilden. Denn höchstens Ende und Anfang eines Zusammenschlusses pflegen im allgemeinen von einer Norm abzugehen, — das Ende um der sogenannten Katalexe willen, der Anfang zur Markierung eines Neubeginns. Wir werden sonach versuchen müssen, die besondere Ursache zu ermitteln, die es bewirkt hat, daß unser altgriechischer Vierzeiler nicht dem theoretisch zu erwartenden Schema, wie wir es vorhin angesetzt haben, entspricht, sondern dem um eine auffallende Extrasilbe vermehrten Schema
Glücklicherweise ist die postulierte Ursache leicht zu finden. Bereits oben p. 5 begegnete uns ein genaues Analogon zu dem uns hier beschäftigenden Silben Zuwachs. Da sahen wir, wie in einer Goetheschen Strophe Vorder- und Hinterrhythmen sich so zu längeren Verszeilen verbanden, daß die finalen Senkungen der Vorderrhythmen nicht mehr als final empfunden wurden und darum wie sonstige Senkungen zweisilbig werden konnten. Ahnlich verliert in der ersten Zeile des obigen Schemas, weil, sie mit der zweiten zur hexametrischen Langzeile verwächst, die finale Senkung ihren finalen Charakter und wird von gleicher Art wie die übrigen ins Innere der Langzeile fallenden Senkungen. Das heißt, es stellt sich hinter jener ihrer Anlage nach einsilbigen Senkung eine zweite Senkungssilbe ein, die sich, weil die Zäsur doch gewahrt bleibt, an die nachfolgende Hebung anschließt und darum als initiale Extrasilbe der zweiten Zeile unseres Schemas erscheint.
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Wir gehen also, wie sich nun zeigt, besser vom früher {p. 21) angesetzten Schema aus und sagen: Das erste Kurzzeilenpaar I ^— I — verwandelte, indem es zu einer Langzeile verschmolz, die einsilbige Schlußsenkung der ersten Kurzzeile sozusagen notwendig in eine zweisilbige Innensenkung; und weil der die beiden Kurzzeilen trennende Einschnitt erhalten blieb, so bekam die aus ihnen hervorgehende Langzeile das Schema wo ich die hinzugekommene Extrasilbe, um ihren Zusatzcharakter zu kennzeichnen, in die Höhe gesetzt habe. Auch in folgende "Worte läßt sich der geschilderte Vorgang kleiden: Indem die beiden Kurzzeilen
sich eng zusammenschlössen, bewirkten ihre vier Daktylen, daß der zwischenstehende etwas stockend klingende Trochäus mittelst einer Zusatzsilbe zu einem weitern Daktylus wurde, wodurch sich eine längere daktylische Reihe bildete, deren drei angemerkte Zäsuren noch die ursprüngliche Gliederung verraten. Und nachdem der metrische Hergang nun erkannt ist, wird er den Sprachforscher wieder an gewisse Tatsachen des Sprachlebens erinnern. Wie wir oben p. 19 das Schicksal von L e h n m e t r e n mit dem von L e h n w o r t e n verglichen, so läßt sich das Zusammenrücken von Verszeilen oder Rhythmen dem von Worten an die Seite stellen. Indem man die Lautvorgänge, die beim Aneinanderrücken der Worte in die Erscheinung treten, mit den Indern unter dem Namen S a n d h i zusammenfaßt, mag man jetzt diesem Wörter-Sandhi gegenüber auch von einem R h y t h m e n - S a n d h i reden. Es fallen unter diesen Rhythmen-Sandhi nicht bloß die beiden Umwandlungen finaler in sonstige Senkungen (die eine, die wir bei Goethe beobachtet, und die andere, die wir bei Besprechung des Hexameters erschlossen haben), sondern auch allerlei ganz andere Vorgänge, auf die wir noch zu reden kommen werden.
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2. Der männlich-halbierte Hexameter. Die vorangehende Herleitung des Hexameters aus einem urgriechischen Kurzzeilenpaar I — ruht auf der Annahme, daß unter den beiden Hexameterformen allein die weiblich-halbierte einen Blick in die Vorzeit eröffnen könne. Diese weiblich-halbierte ist nun freilich bei Homer und überhaupt bei den Griechen die reichlich häufigere; aber die männlich-halbierte vom Typus iroXXwv o | avdpwTtiöV || t'Sev aatea | xai vöov S','vco will auch beachtet sein, und bloß wenn sich diese als die s p ä t e r e von beiden begreifen und aus der andern ableiten läßt, wird sich aus ihr kein Einwand formieren lassen gegen unsere Erwägungen und Schlußfolgerungen. Sollte eben ein den männlich-Jialbierten Hexameter führendes Distichon vom Schema für ebenso ursprünglich gelten dürfen wie ein Distichon vom früher behandelten Bau, dann könnte das aus jenem andern Distichontypus gewonnene Ergebnis bloß den Wert einer Möglichkeit beanspruchen. Nun ersehen wir aber aus unserm eben angesetzten Distichonschema, daß dessen Hexametereingang genau mit dem Pentametereingang übereinstimmt, also möglicherweise diesem nachgeformt ist, — eine metrische Analogiebildung. Ein Einfluß, den so der Pentameter auf den Hexameter ausgeübt haben könnte, mag uns umso eher glaubhaft erscheinen, je mehr wir bedenken, wie die beiden Versmaße — der Pentameter kommt j a überhaupt fast nur an der Seite des Hexameters vor — ein zusammengehöriges P a a r bilden, wo leicht eins das andere beeinflussen konnte. Und daß der Pentameter und nicht der Hexameter es war, der das Begleitmetrum in seinen Bann brachte, wird verständlich, weil ersterer auch später als Lehnmetrum, wie wir oben bemerkten, bei seiner straffen Art sich intakter erhielt als der Hexameter. Beachtet man überdies, wie unser
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pentametrisch-beginnender Hexameter, der bei den Griechen noch erheblich weniger üblich ist als der andere, bei den Römern diesen andern nahezu völlig verdrängt (fast jeder lateinische Hexameter zeigt die m ä n n l i c h e Halbierung, nur selten findet sich die weibliche), so scheint es natürlich, daß wir diese in geschichtlicher Zeit sich vollziehende Umformung des Hexameters in vorgeschichtlicher Zeit begonnen denken; die Pentametrisierung des Hexametereingangs würde bei Homer eine erste Stufe, im Latein den Abschluß erreicht haben. Nach allem scheint also der männlich-halbierte Hexameter sein Dasein der Einwirkung seitens des Pentameters zu verdanken. Er kann erst nach dem Entstehen des w e i b l i c h halbierten aufgekommen sein. Denn erst nachdem das ursprüngliche Kurzzeilenpaar
zum metrischen Kontinuum geworden war, hatte sich zugleich auch der erste Kurzzeilenschluß, der als solcher nie eine Verschiebung gestattet haben würde, in eine bloße Zäsur verwandelt, die ihrerseits nun unter dem Einfluß des Pentameters eine Verschiebung erlaubte.
3. Das Ur-Distichon. Wir glauben also nach dem Bisherigen, daß der Hexameter auf ein w e i b l i c h e s Kurzzeilenpaar zurückgeht, wie der Pentameter tatsächlich ein m ä n n l i c h e s Kurzzeilenpaar ist. Es stellen nun aber die bezüglichen Kurzzeilen I i-iv
und
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nur Altformen, keine Urformen dar. Es sind Altformen, die in vorgriechischer Zeit einmal in Übung gewesen sein werden, nicht Urformen, die wir der indogermanischen Vorzeit zuschreiben dürfen. Doch wie sollen wir so weit in die Vergangenheit zurückzublicken vermögen? Wie sollen wir über die Versmaße von Dichtungen, die seit vielen Jahrtausenden verschollen sind, etwas aussagen können? Der Sprachforscher weiß, wie solches
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möglich ist. E r vergleicht j a die in den verschiedenen ^indogermanischen Sprachen einander entsprechenden Worte und erschließt aus ihnen die vorzeitlichen Urformen; er gewinnt z. B. aus lateinisch equus, griechisch ijtrcoc, indisch äsva-s 'Pferd' die bei den Indogermanen vor der Völkertrennung übliche Bezeichnung des Pferdes (exuo-s). Nun hat sich allerdings dieses Urformen-erschließende Vorgehen auf dem Gebiete der Metrik, weil da besondere Schwierigkeiten bestehen, erst in neuester Zeit nachahmen lassen. J a , vorläufig sind nur gerade unsern beiden griechischen Versmaßen solche anderer Völker als urverwandt mit Sicherheit an die Seite gestellt. Und bloß bei einem dieser Völker, bei den Nordarierri oder Indo-Skythen (von den Indern 'Öaka's' geheißen), können die betreffenden Entsprechungen so ins Licht gerückt werden, daß die Metrenvergleidhung zur Ermittlung ganz bestimmter Urmetra führt. Und zwar zeigt sich da, daß unsere beiden anderthalbrhythmigen Kurzzeilen i-l
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und
in der indogermanischen Urpoesie noch d o p p e l r h y t h m i g gewesen sind, nämlich die Schemata gehabt haben. Indem ich die Beweise für diese Feststellung späteren Abschnitten vorbehalte, will ich hier die vorstehenden Urschemata kurzweg als gegeben hinnehmen und mit einigen Ausführungen beleuchten. Das Merkwürdigste an ihnen ist d a s Z u s a m m e n s t o ß e n z w e i e r H e b u n g e n . Dieses Zusammenstoßen zeigt in Verbindung mit der die beiden Hebungen scheidenden Zäsur deutlichst, daß es zwei durchaus selbständige Bestandteile sind, aus denen sich von Haus aus jede unserer Kurzzeilen aufbaut, — Bestandteile, die bei aller Verschiedenheit darin übereinstimmen, daß sie zwei durch eine Senkung getrennte Hebungen enthalten. Damit wird klar, daß die Urmetrik noch nicht mit Versfüßen gerechnet hat, sondern eben mit Bestandteilen jener besondern Art. Die sich so eröffnende Perspektive habe ich bereits im einleitenden Abschnitt dazu benutzt, um aus unserer deutschen Sprache heraus das ganze System solcher Bestandteile — ich habe sie
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R h y t h m e n geheißen — zu entwickeln. Und es fielen dabei die oben in den Ur-Kurzzeilen vorliegenden Rhythmen unter die Signaturen i n n - . i = < II = 1
II =
~
r
i-,
wornach dem Ur-Distichon die Formel i ii I r ii i
ii
| i
ii
zukäme. Im genannten Abschnitt habe ich überdies (p. 13) gezeigt, wie a u s und n e b e n d e r R h y t h m e n m e t r i k sich allmählich d i e V e r s f u ß m e t r i k entwickelt hat. Und ausgezeichnete Beispiele für diesen Hergang liefern uns jetzt unsere Kurzzeilen: als in der urgriechischen Metrik die erste der beiden zusammenstoßenden Hebungen sich vor der zweiten nicht mehr zu behaupten vermochte (wir werden hierauf noch zurückkommen), da bildete sich in jeder Kurzzeile ein Daktylenpaar, worauf weiter, auch bereits in urgriechischer Zeit, im weiblichen Kurzzeilenpaar durch Rhythmen-Sandhi, wie wir es p. 22f. geschildert haben, sogar eine kontinuierliche Reihe von, nicht weniger als fünf Daktylen entstand; so ergaben sich da aus zwei reinen Rhythmenmetren der indogermanischen Vorzeit, d. h. aus der weiblichen Doppelkurzzeile •'-M
f
' I
und aus der männlichen Doppelkurzzeile I
'
zwei entschiedene Daktyleumetren (also zwei Versfuß- oder Taktmetren), in denen die Erinnerung an ihren ursprünglichen Rhythmencharakter bloß noch in den Zäsuren fortlebt. W i r wollen die geschilderte Entwicklung, soweit sie das w e i b l i c h e Kurzzeilenpaar betrifft, wie folgt zu veranschaulichen suchen. Aus der a l t - i n d o g e r m a n i s c h e n Reihe
wo die bestimmt und einzig hervortretenden Rhythmen durch fette Oberbögen angedeutet sind, entstand zunächst die u r g r i e c h i s c h e Reihe
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in der zweimal zwei daktylische Takte (oder 'Versfüße') — als dünnere Unterbögen erscheinend — kenntlich werden, worauf durch weitere Daktylisierung (mittelst Einschiebung einer Kürze und Ancipifizierung der Schlußsilbe) der ü b l i c h e r e (weiblich-halbierte) H o m e r - H e x a m e t e r a)
I.S.
sich bildete, wo nun die r h y t h m i s c h e Einteilung in den dünneren Oberbögen bloß noch als nebensächliche und nicht mehr genau symmetrische Begleiterscheinung wahrnehmbar ist, während die d a k t y l i s c h e Einteilung in sechs kräftigen Unterbögen als das "Wesentliche hervortritt. Aus dem eben beschriebenen Hexameter aber entstand nebenher noch durch Einwirkung seitens des aus dem männlichen Kurzzeilenpaar hervorgegangenen Pentameters der w e n i g e r - ü b l i c h e (männlich-halbierte) H o m e r - H e x a m e t e r
W W
W
W
W'
der die alt-hexametrische Mittelzäsur im Sinne des Pentameters um eine Kürze nach rückwärts verschoben und dadurch die ursprüngliche Rhythmen-Symmetrie noch mehr verdorben hat. Wir sehen im Übrigen, wie infolge der dargestellten Entwicklung die ursprünglich zweirhythmigen Kurzzeilen anderthalbrhythmig wurden, und wir mögen vermuten, daß auch anderwärts zuweilen anderthalbrhythmige Kurzzeilen, z. B. solche, wie sie in der Nibelungenstrophe vorliegen, Halbrhythmus
Rhythmus
Halbrhythmus
Rhythmus
Uns ist in alten maeren Wunders vil
geseit
aus zweirhythmigen hervorgegangen sind. Was aber den einen Vorgang der urgriechischen Metrik betrifft, wornach in jeder Kurzzeile von den beiden zusammenstoßenden Hebungen die erste durch Schwächung zu einer
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gesenkten Silbe wurde, so lernen wir da einen neuen Fall von R h y t h m e n - S a n d h i kennen. Es ist einer, der seine genaueste Parallele im A k z e n t - S a n d h i findet. In der vedischen Prosa-Akzentuation des Satapatha-Brähmana gilt ja bekanntlich die Regel, daß von zwei oder mehr aufeinanderfolgenden Hochtönen bloß der letzte erhalten bleibt, indem der oder die vorhergehenden ihre Kraft einbüßen, so daß die bezüglichen Silben tonlos werden. Also auch da wird, indem sich hochbetonte Silben als musikalische Hebungen und tonlose als musikalische Senkungen bezeichnen lassen, eine Hebung durch eine ihr folgende auf das Niveau einer Senkung niedergedrückt. Endlich zum Nach- und Nebeneinander von Rhythmenund Takt-Metrik liefert eine ganz allgemeine Analogie das Nach- und Nebeneinander der drei in den indogermanischen Sprachen begegnenden Betonungsweisen, der mit der "Wortbildung wechselnden, der auf der Stammsilbe sich fixierenden und der auf geeignete Quantitäten sich verlegenden (nur die erste im Yeda, nur die zweite im Germanischen, nur die dritte im Latein und im Sanskrit, die erste und die dritte gemischt im Griechischen).
III. Nordarische Metrik. I mit griechischen Parallelen. Die nordarische Metrik ist noch reine Rhythmen-Metrik; sie kennt keine Versfüße. Und zwar begegnen da, wenn wir von der rhythmischen Prosa absehen (über die noch zu sprechen sein wird), nur die drei Rhythmen des Ur-Distichons, wie wir sie oben festgelegt haben, nämlich I II
>~ L
n
Das Ur-Distichon selbst aber ist nicht vorhanden, nur d e r U r - H e x a m e t e r d. h. die weibliche Doppelkurzzeile und d e r h a l b e U r - P e n t a m e t e r d. h. die männliche Kurzzeile, letztere in der Weise zur Bildung von zwei besondern Verszeilen verwendet, daß der Rhythmus n im einen Fall folgt, im andern Fall vorangeht. Indem ich den Ur-Hexameter, wie er im Nordarischen erscheint, die A-Zeile heiße und die beiden andern Verszeilen mit B und C bezeichne, ergibt sich folgende Übersicht: A-Zeile B-Zeile C-Zeile
ii i i ii I II II 11 \ I
II
i I IWI | \I~~T.
Alle drei Verszeilen werden stets ihrer zwei zu 6iner Strophe verbunden. So entsteht aus 'zwei A-Zeilen die A-Strophe, « « B- « « B- « , « « C- « « C- « In zwei Büchern, die dem Nordarischen gewidmet sind, habe ich die Metrik dieser Sprache bereits dargestellt, im ersten (1912) noch etwas unfertig, im zweiten (1919) abschließend. Unfertig ist die erste Darstellung, insofern ich da vom Rhythmus i
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bloß die Morenzahl, noch nicht die Hebungen erkannt hatte. An beiden Orten sind auch bereits der Hexameter und der Pentameter verglichen. Das erste Buch f ü h r t den Titel ' Z u r nordarischen Sprache und L i t e r a t u r ' (Schriften der Wissensch. Gres. zu Straßburg, H e f t X), das zweite den Titel 'Maitreyasamiti, das Zukunftsideal der Buddhisten' (Straßburg, Trübner; jetzt Berlin). I m ersten kommen namentlich die Seiten 15—28 in Betracht, im zweiten die Seiten 24—60 und 117—172. Den K e r n der ersten Darstellung findet man schon in der Internationalen Wochenschrift (später 'Internat. Monatsschrift') von 1911 col. 1033—1046. Daß die nordarischen Yersmaße sich in Rhythmen von bestimmter Morenzahl zerlegen, wurde erst nach langen Untersuchungen in glücklicher Stunde offenbar. E h e diese Einsicht gewonnen war, erschien die A-Strophe als im allgemeinen viermal 8—10 und die B-Strophe als im allgemeinen zweimal 6 + 7 Silben enthaltend. So lauteten meine allerersten Angaben vom J a h r e 1908: Zeitschrift der Deutschen Morgenl. Ges. B a n d L X I I p. 94 f. und 96.
1. Rhythmische Variabilität. Eine Hebung habe ich bisher rein schematisch als Länge mit dem Iktus (J.) angesetzt, ebenso eine gesenkte Silbe als Kürze (-). Die rhythmische "Variabilität erlaubt es nun aber, a) daß eine Hebung durch zwei Kürzen, von denen die erste den Iktus übernimmt vertreten wird, b) daß zwei gesenkte Silben sich zu einer schweren Senkung (-) verbinden, c) daß sogar zwei Kürzen, die sich auf Hebung und Senkung verteilen, zu einer Länge zusammenfließen, die alsdann den Iktus übernimmt, selbst wenn keine der beiden Kürzen ihn hatte, — wie denn z. B. aus der den Iambus ersetzenden a-Variante als c-Variante der Trochäus und aus der den Daktylus ersetzenden a-Variante als c-Variante der Amphibrachys ( - - ) hervorgehen kann. Gewisse Literaturen und Versmaße machen bloß von der zweiten Variationsmöglichkeit Gebrauch, andere von den ersten beiden, wenige von allen dreien. Wir beachten hier einzig das Verhalten des N o r d a r i s c h e n und G r i e c h i s c h e n bezüglich
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unserer drei Rhythmen i n Ii. zustellen :
— Und da ist Folgendes fest-
Während das Griechische bekanntlich bloß die Variationsweise b zuläßt, finden wir im Nordarischen a l l e d r e i V a r i a t i o n s w e i s e n . I m Indogermanischen sind mindestens die Variationsweisen a und b in Übung gewesen; aber das Griechische hat sich beim Daktylisieren unserer Rhythmengruppe auf b beschränkt, wogegen das Nordarische unter Beibehaltung der alten Rhythmik sich keinen Zwang antat.
Zu den drei Variationsweisen kommen zwei hinzu, die an exponierte Zeilenstellen gebunden sind. Es zeigt sich nämlich d) daß die S c h l u ß s i l b e einer Zeile leicht quantitativ frei (anceps) wird, indem da statt der Iktuslänge (_i.) eine Iktuskürze (V) oder statt einer gesenkten Kürze (-) eine gesenkte Länge (—) eintreten kann; e) daß in geringem Umfang einer ähnlichen Variierung auch die A n f a n g s s i l b e einer Zeile ausgesetzt ist, wo indessen bloß von der Kürzung einer Iktuslänge die Hede sein kann. Gegenüber diesen beiden Variationsweisen verhalten sich das Griechische und Nordarische nahezu umgekehrt wie vorher: I m Griechischen sind alle erwähnten Möglichkeiten (zwei unter d und eine unter e) belegbar; dagegen fehlt im Nordarischen (unter d) die Längung einer die Zeile beschließenden Kürze. Wieder dürfte das Nordarische dem altindogermanischen Usus näher stehen als das Griechische; denn in letzterem ergab sich die Möglichkeit einer Längung der zeilenschließenden Kürze offenbar aus der Daktylisierung der Zeile (d. h. des Hexameters). Die Weise e kommt nur spärlich zur Anwendung. Im Griechischen bildet sie bloß eine archaische Lizenz, die sich Homer noch gestattet; Beispiel der Hexametereingang litet&r] mit der Messung •i- statt '--- L . Das Vorkommen der Weise im Nordarischen habe ich 1919 p. 126—129 unter der Bezeichnung' Iktuslizenz' eingehend besprochen. Ganz anders die Weise d. Sie bildet in ihren beiden Anwendungsarten im Griechischen eine feste Regel, und so halten wir es f ü r selbstverständlich, daß die Schlußsilben von Hexameter und Pentameter ganz beliebig kurz oder lang sind. Vom Nordarischen aus angesehen ist allein des Pentameterschlusses Ancepscharakter selbstverständlich; denn die dem Hexameter entsprechende A-Zeile schließt so gut wie nie anders als mit der uranfänglichen Kürze. Dagegen endigt das nordarische Äquivalent der Pentameterhälfte,
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wenn es, wie in der C-Zeile, endständig ist — und nur dann — , genau wie der Pentameter mit einer Ancepssilbe, und zwar ist diese Ancepssilbe viel häufiger kurz als lang, weil das Nord ariseli e viel mehr kurze als lange Auslautvokale hat.
2. Übliche Rhythmenformen. (Liste
I—V).
Von den drei nordarischen Versmaßen haben wir oben p. 30 zunächst nur je d i e G r u n d f o r m vorgelegt. Jetzt nachdem die rhythmische Variabilität dargestellt ist, können wir d i e w e s e n t l i c h s t e n N e b e n f o r m e n , die auf Grund der Rhythmenvariabilität zu den Grundformen hinzukommen, in den Kreis der Betrachtung mithereinziehen. Ich vereinige die Grundformen mit diesen Nebenformen in den drei nächstfolgenden Listen, die so angeordnet sind, daß die beliebteren B,hythmenformen den weniger beliebten vorangehen: innerhalb jeder Liste ist, was sich nach untenhin anschließt, weniger häufig als was darüber steht, und der bezügliche Häufigkeitsunterschied ist den jedem Schema oder jeder Schemagruppe vorangesetzten Prozentzahlen zu entnehmen. Zum Vergleich füge ich in derselben Weise in zwei weiteren Listen auch die Hexameter- und Pentameter-Schemata bei, soweit sie sich mittelst der Rhythmenvariabilität aus den urgriechischen Grundformen ergeben. Die Listen I — I I I beruhen auf den verschiedenen Tabellen meines Buches von 1919. Im besondern stützen sich die dem Rhythmus / gewidmeten Kolumnen auf p. 129 f., die dem Rhythmus II gewidmeten auf p. 138 und 140, die übrigen auf p. 144 und 141. Überall aber habe ich für den gegenwärtigen Zweck die Angaben etwas vereinfacht, indem ich die Dezimalstellen preisgab und geringe Unterschiede, wie sie zwischen den beiden Hälften der A-Zeile und sonst bestehen, ignorierte. Auf solch kleinere Unterschiede einzugehen wird erst am Platze sein, wenn wir das Stellengesetz werden darlegen müssen. Vorläufig bedürfen wir nur einer summarischen Ubersicht. I n Liste I Y registriere ich die Quantitäten der ersten hundert weiblich-halbierten Hexameter der Odyssee (a 1. 7. 9. 11 f. 14—21 usw.bis 163f.). Dabei lese ich in a 38 u. 84 àpys'.fóvx-ijv, aber in a 35 'Axpsiiäo. Der Hexametereingang ¿cO-— (in a. 67 u. 79) kommt erst p. 67 zur Verrechnung. — Der Liste V liegen die ersten hundert Pentameter in den Distichen des Theognis zugrunde L e u m a n n , Neue Metrik.
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(Bergk 'Poetae lyr. gr."4 I I p. 117—138 e ). Im ersten dieser Pentameter lese ich (mit i) àp/ó|j.evé Dakt. a + b Dakt. a + 0 + Tr. a Tr.a L e u m a n n , Neue Metrik.
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Fassen wir die ganzen Tatsachen, die die Konstitution unseres Rhythmus betreffen, zusammen, auch die in den Listen I und I V verzeichneten, so ist zu sagen: Es sind innerhalb dieses Rhythmus die Variabilitätsregeln a b c in der Hauptsache nur auf den Daktylus und zwar je zusammen bloß einmal angewendet worden. Außer der Daktylusvariierung a + c kommen Doppelvariierungen nur ganz sporadisch vor; jene allein erweitert sich ausnahmsweise zu einer Dreiervariierung. Bei den Griechen sind bloß die Daktylusvariierung b und die Trochäusvariierung d in Übung, welch letztere bei den Nordariern äußerst selten auftritt und entweder als Anomalie oder als Archaismus aufzufassen ist. Der D a k t y l u s kommt, im Ganzen gerechnet, sowohl im Nordarischen wie im Griechischen annähernd mit einer D r e i v i e r t e l h ä u f i g k e i t zur Geltung. Ein Unterschied besteht nur darin, daß diese Gesamthäufigkeit sich im Nordarischen gleichmäßig auf die vordem und hintern Zeilenliälften verteilt (74 % 74%), während Homer in den vordem den Daktylus spart, um ihn in den hintern umso reichlicher anzuwenden ( 5 0 % 94%). Auf die D a k t y l u s v a r i i e r u n g entfällt also bei Nordariern und Griechen stark ein V i e r t e l a l l e r S t e l l e n . Ein Unterschied ergibt sich da nicht bloß aus der griechischerseits ungleichen Behandlung der Zeilenhälften, sondern auqh aus dem, was über die verschiedenen Variierungen des Rhythmus gesagt wurde. Über die ungleiche Behandlung der Zeilenhälften wird noch zu reden sein. Sie beruht, wie wir sehen werden, auf dem Stellengesetz. Nun von den seltenen Formen des Rhythmus i. Da dieser Rhythmus jede der beiden Hälften unserer A-Zeile eröffnet, so muß sich bei ihm die Wirkung der I k t u s l i z e n z bemerkbar machen. Diese besagt nämlich, daß am Anfang der Halbzeile ein einmoriges Wörtchen oder Präfix, oft auch eine sonstige Kürze, als Hebung dienen kann. Jedes solche einmorige Element versehe ich mit einem Iktus, um anzu-
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deuten, daß es für sich allein als Hebung zu lesen ist, während sonst ja zu einer Hebung immer zwei Moren gehören. In den Rubriken 1 und 3 von Liste I bildet sich also zu jedem der beiden ersten Sammelschemata ein E r gänzungsschema, nämlich zu 54,7% die Ergänzung 1% J - ji und zu 26,6% die Ergänzung 3% Zwei Beispiele in der A-Zeile (1919 p. 738): hü-taste kamate ke'ita! ttä hivi aysma paiya! 'Wohl-überlegte Überlegungen überleget! Das eigene Denken hütet!' Ein drittes Beispiel oben p. 5025 (Anaha-). Bei Homer äußert sich die Lizenz in der Weise, daß am Hexameteranfang statt der Länge gelegentlich eine Kürze erscheint. Wir bekommen so in der ersten Rubrik von Liste IV zu 98% -i— die Ergänzung 2%