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German Pages 384 [388] Year 1993
Walter Tauber Mundart und Schriftsprache in Bayern (1450-1800)
W G DE
Studia Linguistica Germanica
Herausgegeben von
Stefan Sonderegger
32
Walter de Gruyter · Berlin · New York 1993
Walter Tauber
Mundart und Schriftsprache in Bayern
(1450-1800) Untersuchungen zur Sprachnorm und Sprachnormierung im Frühneuhochdeutschen
Walter de Gruyter · Berlin · New York 1993
© Gedruckt auf säurefreiem Papier, das die US-ANSI-Norm über Haltbarkeit erfüllt.
Die Deutsche Bibliothek
—
CIP-Einheitsaufnahme
Tauber, Walter: Mundart und Schriftsprache in Bayern (1450—1800) : Untersuchungen zur Sprachnorm und Sprachnormierung im Frühneuhochdeutschen / Walter Tauber. — Berlin ; New York : de Gruyter, 1993 (Studia linguistica Germanica ; 32) ISBN 3-11-013556-6 NE: GT
© Copyright 1993 by Walter de Gruyter & Co., 1000 Berlin 30. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany Druck: Arthur Collignon GmbH, Berlin Buchbinderische Verarbeitung: Lüderitz & Bauer-GmbH, Berlin
Hans-Friedrich Rosenfeld in Dankbarkeit zugeeignet
Vorwort
Nachdem die Erforschung des Frühneuhochdeutschen lange Zeit ein Desiderat der Forschung darstellte, sind seit geraumer Zeit zahlreiche Publikationen erschienen und umfassende Projekte ins Leben gerufen worden. Der südostdeutsche Raum wurde bei diesen Forschungsvorhaben allerdings stets vernachlässigt, wobei vor allem dem Abschnitt nach 1500 kaum Beachtung geschenkt wurde. Es bot sich somit an, diesen Zeitraum in Bayern einmal genauer zu untersuchen, Vorurteile und Vermutungen zurechtzurücken und durch eine breite Materialbasis gesicherte Ergebnisse vorzulegen. Dabei wird hier der Versuch unternommen, den Dialekt einzubeziehen, spiegeln doch die historischen Schreibungen den Einfluß der gesprochenen Mundart wider. Diese kann in doppelter Hinsicht als Kontrollinstanz fungieren: Zum einen ist sie - durch orthoepische Zeugnisse abgesichert bei der lautlichen Interpretation von historischen Schreibungen äußerst nützlich, zum anderen zeigen die rezenten Formen ziemlich genau die lautliche Entwicklung bis zur Gegenwart an. Die Arbeit stellt somit auch einen wesentlichen Beitrag zur Dialektologie dar. An dieser Stelle möchte ich allen danken, die das Zustandekommen dieser Darstellung gefördert haben. Hier ist vor allem die stete Hilfsbereitschaft von Herrn Prof. Dr. Hans-Friedrich Rosenfeld hervorzuheben, der die Arbeit angeregt und mit Rat und Kritik bis zum Abschluß begleitet hat. Mein Dank gilt nicht zuletzt auch der Deutschen Forschungsgemeinschaft, die die Untersuchung im Rahmen eines Forschungsstipendiums unterstützt hat.
München, im Mai 1992
W.T.
Inhalt
Einleitung 1 2 3
1 Regionale und überregionale Tendenzen bei der Entstehung der neuhochdeutschen Schriftsprache Die Forschungslage Ziel, Methode, Thesen
3 9 14
I Sprachliche Untersuchung
27
1 Mittelhochdeutsch /a/ und /a:/
29
2 Die e-Laute
32
2.1 2.2 2.2.1 2.2.2 2.3 2.4 2.4.1 2.4.1.1 2.4.1.2 2.4.2 2.4.3 2.4.4 2.4.4.1 2.4.4.2 2.4.4.3 2.4.4.4 2.4.4.5 2.4.4.6 2.4.4.7 2.4.5
Der Wandel /e/ > /i/ Der Vokalwechsel e I i Der Wandel germ. Iii > /e/ Sonstiges Der Wandel /e/ > /ö/ e in den Nebensilben Der Übergang von /e/ > /a/ Mittelhochdeutsch -et und -eht bei den Adjektiven Mittelhochdeutsch -et(e) bei den Verben Mittelhochdeutsch -ende Mittelhochdeutsch -est Synkope Mittelhochdeutsch geMittelhochdeutsch beMittelhochdeutsch -es Mittelhochdeutsch -et Mittelhochdeutsch -el Mittelhochdeutsch -en(e-) Sonstiges Apokope
32 33 34 36 39 39 39 40 41 41 42 42 44 45 45 46 46 46 47
χ
Inhalt
2.4.5.1 2.4.5.2 2.4.5.3 2.4.5.4 2.4.6 2.4.6.1 2.4.6.2
Substantiv Adjektiv Verb ihme, deme, ohne Epithetisches e Substantiv Verb
48 51 52 53 54 55 56
3 Mittelhochdeutsch /i/ und /i:/ 3.1 Der Wandel Iii > /ie/ 3.2 Mhd. /i/ erscheint als 3.3 Die Rundung /i/ > /ü/ 3.4 Der Vokalwechsel i / ü 3.5 Mittelhochdeutsch /i/ und /i:/ in den Nebensilben 3.5.1 Mittelhochdeutsch -in 3.5.2 Mittelhochdeutsch -lieh 3.5.3 Mittelhochdeutsch -wie und -rieh in Eigennamen 3.6 Sproßvokal 3.6.1 Sproßvokal nach Irl 3.6.2 Sproßvokal nach Μ
59 59 60 61 62 64 64 65 65 66 66 67
4 Mittelhochdeutsch /o/, /o:/ und /ö/, /ö:/ 4.1 Der Wandel /o/ > /a/ und /o:/ > /a:/ 4.2 Die Diphthongierung von /o:/ > /QU/ und /o:/ > /QB/ 4.3 Die Entrundung von mhd. /ö/ und /ö:/
69 69 71 72
5 Mittelhochdeutsch /u/, /ü/ und /ü:/ 5.1 Die Diphthongierung /u/ > /ÜB/ und /ü/ > /ÜB/ 5.2 Die Senkung /u/ > /o/ und /ü/ > /ö/ 5.3 Der Vokalwechsel u / ο 5.4 Die Entrundung /ü/ > /i/ 5.5 Der Wandel /ü:/ > /oi/ 5.6 Die Entrundung /oi/ > /ai/
76 76 77 81 83 85 87
6 Mhd. /ie/, /uo/ und /üe/ 6.1 Mittelhochdeutsch /ie/ 6.2 Mittelhochdeutsch /uo/ 6.3 Mittelhochdeutsch /üe/
89 89 92 94
Inhalt
XI
7 Mittelhochdeutsch /ei/ 7.1 Der Wandel /ei/ > /ai/ 7.2 Die Monophthongierung /ai/ > /a:/
97 97 103
8 Mittelhochdeutsch /ou/, /öi/ und frnhd. /au/ ( = mhd. /u:/)
105
9 Der /-Umlaut 9.1 Umlautbewirkende Suffixe 9.2 Der Umlaut von mittelhochdeutsch /a/ und /a:/ 9.3 Der Umlaut von mittelhochdeutsch/o/ 9.4 Der Umlaut von mittelhochdeutsch /u/ 9.4.1 Der Umlaut vor ck, pf und tz 9.4.2 Der Umlaut vor Liquida + Konsonant 9.4.3 Der Umlaut vor Nasal + Konsonant 9.4.4 Der Umlaut vor Guttural 9.5 Der Umlaut von frühneuhochdeutsch /au/ (mhd. /u:/) 9.6 Der Umlaut von mittelhochdeutsch /ou/
108 108 110 112 114 114 117 119 121 122 123
10 Verschlußlaute und Affrikaten 10.1 Die mittelbairische Konsonantenschwächung 10.2 Der Wandel Μ > /w/ 10.3 Der Wechsel zwischen /b/ und /f/ 10.4 Der Wechsel zwischen Verschlußlauten und Affrikaten bzw. Spiranten
125 125 132 133 135
11 Spiranten 11.1 Der 11.2 Der 11.3 Der 11.4 Der
138 138 139 140 142
Wandel Μ > /b/ Wechsel zwischen /f/ und /b/ Wandel /s/ > /§/ Wechsel zwischen /h/ und /x/
12 Nasale und Liquiden 12.1 Die Phonemverbindung /mb/ 12.2 Der Wechsel zischen /m/, /n/ und /η/ 12.3 Die mittelbairische Liquidenvokalisierung
144 144 145 146
13 Konsonantenzusatz 13.1 Konsonantenvorsatz
148 148
XII
Inhalt
13.2
Konsonanteneinschub
149
13.3
Konsonantenanfügung
151
14 Assimilation
153
15 Verben
156
15.1 15.2 15.3
Schwache Verben Starke Verben Besondere Verben
156 158 159
16 Substantive
162
17 Wortbildung
168
18 Wortschatz 18.1 Allgemein oberdeutsche Wörter 18.2 Bairische Kennwörter
171 171 174
19 Zwischenergebnis: Schreibsprachwandel als Folge mundartlicher Veränderungen
177
II Sprachnorm und Sprachnormierung
195
0 Allgemeine Vorüberlegungen 0.1 Sprachnorm und Sprachwandel 0.2 Die Sprachnormenvorstellungen bis Ende des 18. Jh.s
197 197 200
1 Die herzogliche Kanzlei
204
2 Das Schulwesen in Bayern bis in die Mitte des 18. Jh.s
207
3 Die Grammatiker
215
3.1 3.2 3.3
Ortholph Fuchßperger Johann Ludwig Prasch Heinrich Braun
215 218 221
Inhalt
XIII
4 Die gelehrten Gesellschaften im 18. Jahrhundert 4.1 Die Nutz- und Lusterweckende Gesellschaft der vertrauten Nachbarn am Jsarstrom 4.2 Die Academia Carolo Albertina und der 'Parnassus Boicus' 4.3 Die Bayerische Akademie der Wissenschaften 4.4 Die sittlich-ökonomische Gesellschaft
224
226 232 243
5 Heinrich Braun und die Schulreform in Bayern 5.1 Der Sprachtheoretiker 5.2 Die Bemühungen um die Schulreform (1770-1780)
251 251 258
6 Zwischenergebnis: Soziokulturelle Momente als Ursachen des Sprachwandels
264
III Resümee
275
Literaturverzeichnis Quellen (und Nachschlagewerke bis 1800) Literatur
289 289 312
Wortverzeichnis
341
224
Einleitung
1 Regionale und überregionale Tendenzen bei der Entstehung der neuhochdeutschen Schriftsprache
Der zeitliche Ausgangspunkt der Untersuchung ist das 15. Jh. In dieser Phase des Frühneuhochdeutschen existierte noch in allen Sprachlandschaften eine große Vielfalt regionaler Varianten, die in der Folgezeit allmählich reduziert bzw. vereinfacht wurden. Die Schreibdialekte änderten sich allmählich im Kontakt mit anderen Sprachlandschaften, wobei dieser Wandel in den einzelnen Regionen allerdings recht unterschiedlich verlief. Überregionale Bestrebungen zeigen sich seit der Mitte des Jahrhunderts bereits deutlich im Süden des Reiches. Hier hatte sich unter der Herrschaft der Habsburger ein Sprachtypus herausgebildet, der von Wien bis nach Augsburg, Nürnberg und Regensburg reichte und auch auf den mitteldeutschen Raum wirkte; der aufkommende Buchdruck hat diese oberdeutsche Verkehrssprache aufgegriffen und weiterentwickelt. 1 Auf die neuhochdeutsche Standardsprache hat sich am nachhaltigsten die vom Südbairischen ausgehende Diphthongierung der mittelhochdeutschen langen Extremvokale ausgewirkt, die bis Ende des 15. Jh.s beinahe im gesamten hochdeutschen Raum verbreitet war. Während der Regierung Kaiser Maximilians besaß das Bairische 2 eine starke Strahlkraft, und bairisch-oberdeutsche Varianten drangen Anfang des 16. Jh.s weit nach Norden vor. 3 Umgekehrt gelangten natürlich auch viele mitteldeutsche Formen nach Süddeutschland, so daß ein
1
Ob der im 15. und 16. Jh. häufig verwendete Begriff Das Gemeine Teutsch für diese oberdeutsche Gemeinsprache verwendet wurde, ist in letzter Zeit bezweifelt worden. Vgl. dazu vor allem Josten (1976: 97), der zu dem Schluß gelangt, daß damit in erster Linie die Muttersprache (im Gegensatz zum Latein) oder ganz allgemein eine leichtverständliche Sprache bezeichnet wurde. 2
Bairisch bezeichnet im folgenden - wie in der Forschung üblich - den gesamtbairischen Sprachraum (also einschließlich Österreich), während sich bayerisch auf den Staat Bayern bezieht. 3 So waren beispielsweise bair. < a i > und die auf die zweite Lautverschiebung zurückgehende Schreibung < p - > auch im Mittelfränkischen anzutreffen; vgl. dazu Moser (1929) § 79.11 und ders. (1951) § 137.1b.
4
Einleitung
reger Sprachaustausch stattfand. Luther hat diesen oberdeutsch-mitteldeutschen Sprachausgleich wesentlich gefördert, da in seine Schriften neben mitteldeutschen auch zahlreiche oberdeutsche Elemente Eingang gefunden haben. 4 Es sah zunächst so aus, als ob sich die neuhochdeutsche Schriftsprache auf einer ostoberdeutsch-ostmitteldeutschen Grundlage entwickeln würde. Doch es kam anders: Mit dem Augsburger Religionsfrieden (1555) zerfiel Deutschland in einen katholischen und einen protestantischen Einflußbereich. Die konfessionellen Gegensätze bewirkten zwangsläufig eine sprachliche Trennung, so daß wir seit der zweiten Hälfte des 16. Jh.s durchaus von einem katholisch-oberdeutschen und einem protestantisch-mitteldeutschen Sprachtypus sprechen können. Da im Zuge der Gegenreformation die Einfuhr protestantischer Schriften in die katholischen Territorien verboten war, wurde der Sprachausgleich in der Folgezeit eingeschränkt; die im Spätmittelalter einsetzende sprachliche Überwindung der Territorialgrenzen trat wieder in den Hintergrund. Die regionalen Unterschiede waren den Zeitgenossen durchaus bewußt. Ende des Jahrhunderts beschreibt Sebastian Helber in seinem 'Syllabierbüchlein' (1593: 24) die verschiedenen hochdeutschen Sprachlandschaften, wie sie im Buchdruck in Erscheinung treten: "Unsere Gemeine Hochteutsche [Sprache] wirdt auf drei weisen gedruckt, eine möchten wir nennen die Mitter Teutsche, die andere die Donawische, die dritte Höchst Reinische."5 Der in München geborene Graf Albert Curtz betont in seinem Werk 'Die Harpffen Davids' (1659: § VII) den oberdeutsch-mitteldeutschen Gegensatz und rechtfertigt dabei seine Sprache. 6 Noch Anfang des 18. Jh.s beklagt Magnus Daniel Omeis in der Abhandlung 'Gründliche Anleitung zur
4 Besch (1987: 47) weist zu Recht darauf hin, daß Luther die oberdeutschen Formen wahrscheinlich zum Teil gar nicht ausgewählt, sondern diese bereits im Thüringischobersächsischen angetroffen hat. 5 Bei der Einteilung in Mitter Teutsch ( = md.), Donawisch ( = bair.-schwäb.) und Höchst Reinisch geht Helber vom Gebrauch des alten Diphthongs ei ( = mhd. /ei/) aus. 6
"Von der Teutschen Sprach / deren wir uns bey Vberlegung diser heyligen Lieder gebraucht / ist wenig zuvermelden / die gantze Arbeit geschieht auff ansuchen / vnd dann zu Geistlichem Nutz / vnd Trost deß Oesterreichischen, Bayerisch: vnd Schwäbischen Frauenzimmers: dahero hat man sich der in disen Landen vblichen Sprach maistens gebrauchen mfissen. Waiß wol daß einem gelehrten Meißner / oder beredten Maintzer schwer / vnd vbelständig fallen solle / die Worte wie sie in disen Reimzeilen begriffen seynd / zuvertrucken. Es hat aber bey vorgemelten Orthen dise Art zureden / so weit vberhand genommen / daß deroselbigen zu widergehen eben so beschwer: vnd vngewonlich fallen solle / als vnformlich dise weiß in Meißen oder an dem obern Rhein lauten mag."
Regionale und überregionale Tendenzen
5
Teutschen accuraten Reim= und Dicht=Kunst' (1704: 301) die Gegensätze in den verschiedenen Regionen: "Es kommen zwar noch heutiges Tages die gelehrteste [!] von den Teutschen selbst in der Recht=Schreibung nicht allerdings fiberein; ja man kan auch dieses schwehrlich hoffen / wegen des großen Unterschieds so vieler Dialectorum und Mundarten unserer Mutter = Sprache / nach welchen die Red= und Schreib=Arten hier und dar pflegen eingerichtet zu werden." Für die weitere Entwicklung der neuhochdeutschen Schriftsprache war von Bedeutung, daß der ostmitteldeutsche Sprachtypus das größere Prestige besaß und daher bei der Auswahl der Varianten in der Regel bevorzugt wurde. Negative Bemerkungen über das Bairisch-oberdeutsche treten vereinzelt schon im 16. Jh. auf. So bezeichnet der Polyhistor und Naturforscher Konrad Gesner in der sprachvergleichenden Darstellung 'Mithridates' (1555: 42r) das Bairische als die gröbste, das Meißnische dagegen als die beste Mundart. 7 Im 17. und 18. Jh. häufen sich dann die abfälligen Bemerkungen: Grimmelshausen spottet in seiner Schrift 'Deß Weltberuffenen Simplicissimi Pralerey und Gepräng mit seinem Teutschen Michel' (1673: 56) über die Sprache der Bayern und Österreicher, 8 und Daniel Georg Morhof ist in seinem Werk 'Unterricht von der Teutschen Sprache und Poesie' (1700: 217) der Auffassung, "die Bayern / Tyroler und Oesterreicher haben keine sonderliche Art im Poetisieren [...] Denn ihre Sprache und Mundart ist unfreundlich / und deßhalb die Tichterey frembde und unlieblich." Die von den Mitgliedern der "Deutschen Gesellschaft" in Leipzig herausgegebene Zeitschrift 'Beiträge zur Critischen Historie Der Deutschen Sprache, Poesie und Beredsamkeit' bringt im 14. Stück (1763: 264 ff.) eine Rezension zu den ersten vier Bänden des 'Parnassus Boicus' (vgl. u. S. 266 ff.). Der Beginn dieses Abschnittes, der zweifelsohne repräsentativ die Meinung der mitteldeutschen Gelehrten über die bayerische Sprache und Dichtung widerspiegelt, verdient ausführlich zitiert zu werden: "DJe Bayerischen Gelehrten haben ihre Bemühungen in der Gelehrsamkeit, und besonders in den genannten schönen Wissenschaften bisher so heimlich gehalten, daß man sie mit allem Rechte unter die lebendigtodten Bürger der gelehrten Welt hat zählen können. Am allerwenigsten hat man von ihnen vermuthet, daß sie sich um die deutsche Sprache,
7
"Crassissima fere dialectus, Boiorum seu Bauarorum uulgi existimatur: optima circa Misenam, ut audio." 8
"die Bayern und Oesterreicher ziehen etliche Wßrter linger als der Schuster das Leder [...]".
6
Einleitung
oder um die deutsche Rede= und Dichtkunst bekömmern sollen. Dieser Theil der Gelehrsamkeit, wenn uns unsere strengen Mitbrflder nur erlauben, Gelehrsamkeit und Deutsch mit einander zu verbinden! hat so gar in denen Landen, wo die Wissenschaften mit aller Freyheit, Munterkeit, und mit gutem Fortgange immer höher getrieben werden, noch wenige Beförderer, und unter den Gelehrten wenige Liebhaber gefunden. Man hätte also an solchen Orten, wo dieselben in einer gewissen Sclaverey stehen, oder doch in sehr enge Grenzen eingeschlossen sind, eher alles andere, als eine kunstmäßige Erkenntniß unserer Muttersprache, so geringe sie auch seyn könnte, gesuchet. Wir hoffen daher, es werde unsern Lesern nicht unangenehm seyn, wenn wir ihnen von so vielen Seltenheiten auf einmal [...] eine nähere Nachricht geben." In der zweiten Hälfte des 18. Jh.s wurde dann meist rückblickend auf die eigenständige Entwicklung in Bayern hingewiesen und der dort übliche Sprachusus abschätzig kommentiert. So meint beispielsweise Adelung im ersten Band (1782: 76) seiner Grammatik: "Oberdeutschland blieb in der Cultur zurück, als selbige in andern Provinzen sehr schnell fortschritt, daher behielt auch dessen Sprache alle Härten und rauhen Eigenheiten, welche noch so sehr das Gepräge des fünfzehnten Jahrhunderts an sich tragen." Ähnlich äußert sich auch Friedrich Nicolai in Band sechs (1785: 783 f.) der 'Beschreibung einer Reise durch Deutschland und die Schweiz im Jahre 1781'; er erwähnt, daß in Bayern die Sprache nicht durch die protestantische Kultur, das Lesen der Luther-Bibel und das Singen hochdeutscher Gesänge beeinflußt worden sei, und kommt zu dem Schluß: "Der bairische Dialekt ist eigentlich noch gar nicht kultiviert worden, und das ächte Hochdeutsch ist daselbst noch viel weniger als in Oesterreich verbreitet; daher schreiben auch bis jetzt die neuern bessern Schriftsteller in Baiern noch nicht recht deutsch, wenn man Zaupser 9 , Törring=Kronsfeld 10 , und einige wenige andere ausnimmt." Die Aussagen der Zeitgenossen verdeutlichen, daß die politischen und konfessionellen Gegebenheiten die Meinungsbildung erheblich beeinflußt haben. Die religiöse Auseinandersetzung bewirkte eine Ideologisierung der Diskussion über landschaftliche Varianten und erschwerte die Verständigung. Die Kritik der mittel- und norddeutschen Gelehrten richtete sich in erster Linie gegen die regionalen Formen in der bairisch-oberdeutschen
9 10
Vgl. u. S. 218.
Graf Törring war im 18. Jh. als Dramatiker weit über die Grenzen Bayerns hinaus bekannt.
Regionale und überregionale Tendenzen
7
Schriftsprache. Stellvertretend für die große Zahl der kritischen Bemerkungen sei hier die unter dem Pseudonym Menantes 11 erschienene Schrift 'Die Allerneueste Art / Zur Reinen und Galanten Poesie zu gelangen' (1717: 499) zitiert, die auf die mundartlichen Einflüsse in der Literatur Bayerns und Österreichs hinwies: "Die Oesterreicher und Bayern machen es vollends so grob / daß man fiber jhren Elegantien das Bauchkrümmen kriegen mochte. Zumahl wenn sie vollends die Verse eben also drficken 12 lassen / wie sie insgemein zu pronuncieren pflegen." Bei dieser Kritik, die zweifelsohne überzogen war, sollte nicht übersehen werden, daß auch in den mitteldeutschen Sprachlandschaften regionale Varianten verwendet wurden und die Argumentation somit recht einseitig geführt wurde. Da jedoch die Grammatikographie seit der Mitte des 16. Jh.s im wesentlichen von mittel- und norddeutschen Sprachtheoretikern bestimmt wurde, die den in den katholischen Landen üblichen Sprachtypus ablehnten, wurde der bairisch-oberdeutsche Raum bei der folgenden Normendiskussion praktisch ausgeklammert. Aufgrund der massiven Kritik aus Mittel- und Norddeutschland wurde in Bayern im Jahre 1765 durch einen Erlaß der kurfürstlichen Regierung eine zentral gelenkte Förderung der Schriftsprache eingeleitet. Die im gesamten deutschen Sprachgebiet anerkannte Grammatik des aus Altbayern stammenden Benediktiners Heinrich Braun wurde zur Schulgrammatik erklärt und bildete fortan die Richtschnur für die neu eingeführte Sprachprüfung, der sich Verwaltungsbeamte, Lehrer und (niedere) Kleriker unterziehen mußten. Damit hat Bayern früher als die mittel- und norddeutschen Territorien eine staatliche Lenkung der Schriftsprache vorgenommen. Als Adelung 15 Jahre später vom preußischen Staatsminister Zedlitz beauftragt wurde, eine Grammatik für die Schulen in Preußen zu verfassen, haben ihn vermutlich die Ereignisse in Bayern zu diesem Schritt veranlaßt, denn in den 70er Jahren des 18. Jh.s wurde in Norddeutschland häufig auf die erfolgreiche staatliche Förderung der Schriftsprache im Süden des Reiches hingewiesen. Diese Tatsache ist bei der Beurteilung der Vorgänge in Bayern bislang offenbar übersehen worden, zumal auch die sprachlichen Voraussetzungen, 11
Dahinter verbirgt sich der aus Thüringen stammende Christian Friedrich Hunold (16801721).
12
Bemerkenswert ist, daß in dieser in Hamburg erschienenen Schrift noch im 18. Jh. beim Verb drucken, das (ausgehend vom Oberdeutschen) bereits im 15./16 Jh. im Mitteldeutschen u im Stamm aufweist, die umgelautete Form verwendet wird; vgl. dazu u. (S. 115 f.) die bayerischen und mitteldeutschen Belege.
8
Einleitung
auf denen diese Maßnahmen aufbauen konnten, kaum erforscht sind. Da eine zusammenfassende Untersuchung für den Zeitraum vom 15. bis Ende des 18. Jh.s fehlt und lediglich Einzelaspekte herausgegriffen wurden, ist wohl ein verzerrtes Bild von den Gegebenheiten in Bayern entstanden. 13 Die Angriffe der protestantischen Gelehrten waren zweifelsohne von den religiösen Streitigkeiten geprägt, und es stellt sich die Frage, inwieweit diese Kritik berechtigt war. In diesem Zusammenhang sind mithin folgende Fragen zu klären: In welchem Umfang wurden regionale Varianten verwendet? Wann sind diese aus der Schriftsprache verschwunden? Welche Faktoren haben diesen Vorgang beeinflußt? Genaue Aussagen dazu existieren nicht, da die sprachgeschichtliche Forschung das 17. und 18. Jahrhundert stark vernachlässigt und darüber hinaus dem Südosten kaum Beachtung geschenkt hat.
13
Es drängt sich die Vermutung auf, daß bei der Bewertung die negativen und von den konfessionellen Auseinandersetzungen geprägten Äußerungen der mittel- und norddeutschen Gelehrten, die selbst noch bei Adelung und Jacob Grimm anzutreffen sind, mit den tatsächlichen Gegebenheiten gleichgesetzt wurden.
2 Die Forschungslage
Die ältere Forschung hat bei der Frage nach der Entstehung der neuhochdeutschen Schriftsprache stets eine bestimmte Ausgangslandschaft gesucht. 14 Müllenhoff (1863) geht in der Vorrede zu der Sammlung 'Denkmäler deutscher Poesie und Prosa aus dem VIII-XII. Jahrhundert' 15 von einer seit dem Althochdeutschen anhaltenden konstanten Entwicklung aus. Danach existierte bereits zur Zeit Karls des Großen eine über den Mundarten stehende Sprachform, die schließlich zur Grundlage der staufischen Dichtung wurde. Als nächsten herausragenden Markstein nennt Müllenhoff Prag 16 , das im 14. Jh. als Vermittler zwischen dem mitteldeutschen und oberdeutschen Raum gewirkt hat, und danach das habsburgische Wien; von hier ging die Entwicklung weiter bis Martin Luther, der der mitteldeutschen Mundart zum Durchbruch verhalf. 17 Die von Müllenhoff skizzierte These lehnt Burdach (1884) in seiner Habilitationsschrift ab; er sieht die Entstehung der neuhochdeutschen Schriftsprache nicht als kontinuierlichen Prozeß, sondern als ein durch bestimmte kulturelle und politische Gegebenheiten begünstigtes einmaliges Ereignis an. Die idealen Voraussetzungen liegen für ihn in Prag, 18 wo sich unter dem Einfluß des Humanismus und der kaiserlichen Kanzlei nach 1350 eine überregionale Schriftsprache herausbildete. Während Burdach sein Modell aufgrund der schriftlichen Überlieferung entwirft, geht Frings (1936) von der gespro-
14
Im folgenden werden lediglich die wichtigsten Etappen skizziert; ausführliche Literaturangaben finden sich bei Piirainen (1980), Besch (1980) und (1985) sowie Hartweg/Wegera (1989). 15
Die Vorrede von 1863 ist wieder abgedruckt in der weit verbreiteten Ausgabe von 1892 (s. im Literaturverz. unter Müllenhoff/Scherer); vgl. hier besonders S. XIV ff. 16
Gemeint sind der Hof und die Kanzlei Kaiser Karls IV.
17
In der Folgezeit existierte dann ein einheitliches Hochdeutsch, "das von den volksmundarten fast in jeder landschaft absteht und mundartliche einmischung nur in einzelnen ausdrücken gestattet" (Müllenhoff/Scherer 1892: XXXV). 18
Alois Bernt (1934) hebt wie Burdach ebenfalls die Bedeutung der Prager Kanzlei hervor.
10
Einleitung
chenen Sprache aus. 19 Demnach wurde die Grundlage für die neuhochdeutsche Schriftsprache im 11.-13. Jh. in Ostmitteldeutschland geschaffen, da hier die Siedler aus dem Norden, Süden und Westen des Reiches eine Ausgleichssprache entwickelt haben. Aus dieser gesprochenen kolonialen Sprache entstand schließlich - ausgehend vom Obersächsischen - die neuhochdeutsche Schriftsprache. In der Folgezeit wird die Schriftsprache wieder Hauptgegenstand der Frühneuhochdeutsch-Forschung. L.E. Schmitt (1936 u. 1966) vergleicht die Kanzleien in Prag, Nürnberg und Leipzig und kommt zu dem Ergebnis, daß im 14. und 15. Jh. ein starker Ausgleichsprozeß in Nord-Süd-Richtung stattgefunden hat. Guchmann (1964-1969) weist auf die Vermischung oberdeutscher und mitteldeutscher Elemente in den Druckersprachen von Augsburg und Nürnberg hin, und Skala (1968 u. 1970) ist der Auffassung, daß seit dem 14./15. Jh. Süddeutschland eine besondere Bedeutung zukommt, wobei er vor allem die herausragende Rolle Regensburgs und Nürnbergs betont. Besch untersucht an Handschriften des 15. Jh.s die Ausgleichsvorgänge in den verschiedenen Sprachlandschaften und weist anhand von Sprachkarten (mit den jeweiligen regionalen Varianten) nach, daß das Ostoberdeutsche einen nicht zu unterschätzenden Einfluß auf das Ostmitteldeutsche ausgeübt hat. 20 Seit dem Ende der 60er Jahre rückt der Osten wieder in das Zentrum des Interesses, wobei durch Untersuchungen zur kursächsischen (Kettmann 1967) und Zeitzer Kanzlei (Otto 1970), zur Geschäftssprache in Jena (Suchsland 1968) und Dresden (Fleischer 1970) sowie zum Gebrauch von Präpositionen (Schildt 1970 und Dresel 1972) und allgemeinen bzw. speziellen Abhandlungen zur Literatursprache (Bentzinger 1973 und Kettmann/Schildt 1978) die Entstehung einer ostmitteldeutschen Norm aufgezeigt werden soll. Die Arbeiten von Gardonyi (1966 und 1969), Masarik (1966), Piirainen (1972, 1978, 1980b und 1983), Grothausmann (1977) und
19 20
Gestützt wird die These Frings von Ernst Schwarz (1936), der ähnlich vorgeht.
Besch (1967: 362) relativiert vor allem die in der älteren Forschung immer wieder erwähnte Dominanz des Ostmitteldeutschen vor 1500: "Die Schreibsprache, oder besser die Schreibsprachen dieses ostmitteldeutschen Raumes sind zu keiner Zeit wirkliche Ausgleichssprachen zwischen Nord, Mitte und Süden gewesen [...]. Wenn gegen Ende des 15. Jh.s die Leitformen des Ostmitteldeutschen thüringischer Prägung fallen, wenn auch sonst die mitteldeutschen Formen verdrängt werden, so kann das nur unmittelbar oder mittelbar (über Ostfranken) auf die Einwirkung dieser südöstlichen Schreibsprache zurückgeführt werden."
Die Forschungslage
11
Skala (1967) zeigen, daß sich im 15./16. Jh. auch in Böhmen, Mähren und der Slowakei eine überregionale deutsche Schriftsprache entwickelt hat. Die Bedeutung Luthers für die Entwicklung der neuhochdeutschen Schriftsprache ist bereits zu Beginn der sprachgeschichtlichen Forschung betont worden. Jacob Grimm äußert sich in der Vorrede zu seiner Grammatik (1822: XI) geradezu euphorisch über den Reformator und sieht in ihm den Schöpfer der neuhochdeutschen Schriftsprache. 21 Diese Ansicht, die offensichtlich noch die im 17./18. Jh. entstandene vermeintliche Überlegenheit der protestantischen Gelehrten Mitteldeutschlands widerspiegelt, 22 ist in der älteren Literatur 23 lange beibehalten und erst in neuerer Zeit korrigiert worden, wie die Arbeiten von Erben (1954 und 1974), Arndt (1962 und 1970), Bach (1974 und 1985), Wolf (1980) und Arndt/Brandt (1983) zeigen.24 Obwohl die Forschung häufig auf die Bedeutung des südöstlichen Gebietes hingewiesen hat, fehlen bis jetzt umfassende Untersuchungen zum bayerischen Sprachraum. Die Verhältnisse in Altbayern nach 1500, die erstmals in der vorliegenden Arbeit dargestellt werden, sind nur in Ansätzen beschrieben, ohne daß dabei ausführlicher sprachliches Material untersucht wurde. 25 Brenner (1890) hat als erster die eigenständige Entwicklung der Schriftsprache in Bayern erwähnt und am Rande die kulturelle und politische Situation gestreift. Kluge, dessen Beiträge zu Unrecht in Vergessenheit geraten sind, geht in seinem Sammelband "Von Luther bis Lessing" (1918) auch auf den oberdeutschen Raum ein und erwähnt dabei die Gegebenheiten in Bayern. Reiffenstein (1979) präsentiert in Spindlers Handbuch der bayerischen Geschichte einen knappen Abriß der bayerischen Sprache von den Anfängen bis ins 19. Jh., wobei die Zeitspanne vom 15. bis 18. Jh. auf zwei Seiten abgehandelt wird. Aus der großen Zahl der Beiträge,
21
"Luthers spräche [...] muß ihrer edlen, fast wunderbaren reinheit, auch ihres gewaltigen einflusses halber, für kern und grundlage der neuhochdeutschen sprachniedersetzung gehalten werden". 22
Dies wird besonders an folgender Stelle deutlich: "Man darf das neuhochdeutsche in der that als den protestantischen dialect bezeichnen, dessen freiheitsathmende natur längst schon, ihnen unbewußt, dichter und Schriftsteller des katholischen glaubens überwältigte" (J. Grimm 1822: XI). 23
Vgl. dazu den Forschungsbericht von Bebermeyer (1931).
24
Der momentane Stand der Luther-Forschung ist dokumentiert durch Wolf (1987) und Hartweg/Wegera (1989) 61-72.
25
Auch für Österreich liegen nach 1500 nur einige Detailuntersuchungen vor, wie beispielsweise die Arbeiten von Penzl (1975) und Wiesinger (1983g).
12
Einleitung
die sich allgemein mit der kulturellen und politischen Situation in Bayern nach 1500 befassen, sei hier auf Spindler (1955 und 1966), Grassl (1968), Breuer (1978), Hubensteiner (1978), Raab (1984; mit Berücksichtigung der Sprachgeschichte) und Seifert (1978) verwiesen. Die ältere bayerische Sprache ist in den Arbeiten von Schatz (1907) und Weinhold (1867), die den gesamtbairischen Raum behandeln, mit berücksichtigt; erstere beschreibt im wesentlichen die althochdeutsche Periode, letztere reicht vom Althochdeutschen bis ca. 1500.26 Hinweise auf die historische Entwicklung der Laute finden sich auch bei Kranzmayer (1956), der allerdings in erster Linie die rezente bairische Mundart darstellt. Abschließend sei hier noch auf die Untersuchungen von Zeheter (1929)27, Köck (1946)28, Kliemann (1958)29, Uminsky (1975)30 und Bürgisser (1988) 31 verwiesen, die die bairische Urkundensprache vor 1500 behandeln. Für den Zeitraum nach 1500 liegen zum Bayerischen lediglich einige Spezialuntersuchungen vor, wie beispielsweise zur Sprache von Aventin (Jochen 1926) und Aegidius Albertinus (Himmler 1901-1903) oder zum 'Parnassus Boicus' (Birlo 1908, Bay 1910, Reiffenstein 1988). Der Aufsatz von Matzel/Penzl (1982) beleuchtet Aspekte der 'Sprachlehre' von Heinrich Braun, der Oberpfälzer Stadtprediger und Sprachtheoretiker Carl Friedrich Aichinger wird von Poppe (1982) und Eichinger (1983) gewürdigt. Das in der vorliegenden Arbeit untersuchte Nebeneinander von Mundart und Schriftsprache ist seit 100 Jahren Gegenstand der Forschung; die Verhältnisse in Bayern werden dabei allerdings nur am Rande gestreift. Einen ersten Überblick mit zahlreichen Zitaten gibt Socin (1888), der von den "sprachlichen Verhältnissen der Germanen" bis zu den "Mundarten des
26
Nur vereinzelt sind Belege aus dem 16. und 17. Jh. aufgenommen.
27
Es handelt sich hier lediglich um einen dreiseitigen Sonderdruck. Die eigentliche Arbeit, eine Münchner Dissertation über den Lautstand oberbayerischer Urkunden, konnte nicht ermittelt werden. Vgl. dazu auch Bürgisser (1988) 19, Anm. 84: "Die Doktorarbeit von A Zeheter (1913) muß als verschollen gelten." 28
Untersucht mittelbairische Urbare und Urkunden vom 8. bis 14. Jh.
29
Wertet bayerisch-österreichische Urkunden zur Erforschung der neuhochdeutschen Diphthongierung aus. 30 31
Eine Arbeit zu Regensburger Urkunden des 13. Jh.s.
Untersucht auf der Grundlage von 26 Urkunden aus den bayerischen Herzogskanzleien "Die Anfänge des frühneuhochdeutschen Schreibdialekts in Altbayern".
Die Forschungslage
13
19. Jh.s" reicht. 32 Anfang des 20. Jh.s analysiert Lowak (1905) die Funktion der Mundart im (schriftlich überlieferten) Drama, während Neumann (1920) die mundartlichen Einflüsse in der Endreimdichtung von Opitz bis Wieland aufzeigt. Einen anderen Weg geht Staiger (1919), der Aussagen über die Mundart in Zeitschriften aus der zweiten Hälfte des 18. Jh.s zusammenstellt und interpretiert. Kaiser (1930) beschreibt die Verhältnisse in den verschiedenen Sprachlandschaften (in der ersten Hälfte des 18. Jh.s) und zitiert dabei zahlreiche Wortbeispiele, die teils aus eigenen Untersuchungen, teils aus Monographien und Wörterbüchern stammen. Henzen (1954) 33 bringt in Teil II seiner Darstellung einen sprachgeschichtlichen Überblick über die unterschiedlichen Sprachstufen vom Althochdeutschen bis zu Adelung, streift dabei aber nur kurz die Gegebenheiten in Bayern (z.B. 125 und 127).34 Trümpy (1955) geht in seiner Darstellung auf die Verhältnisse in der Schweiz des 17. und 18. Jh.s ein, und Henne (1966) untersucht die Beziehung von Mundart und Schriftsprache (auf der lexikalischen Ebene) im schlesischen Barock. Die bisher umfangreichste Quellensammlung bietet die Dissertation von Josten (1976), die anhand zeitgenössischer Äußerungen das Sprachvorbild im Urteil des 16. und 17. Jh.s verdeutlicht.
32
Die Gegebenheiten in Bayern werden lediglich auf S. 437 kurz angesprochen.
33
Erstmals erschienen 1938.
34
Für den Übergang zum Neuhochdeutschen nennt Henzen Urkundensprache, Kanzleisprache, Schriftdialekte und Druckersprachen.
3 Ziel, Methode, Thesen
Aus dem Vorangegangenen geht hervor, daß zum bairischen Raum für die Zeit nach 1500 keine umfassende Untersuchung existiert, da einerseits das Interesse der Forschung schwergewichtlich auf den ostmitteldeutschen Raum konzentriert ist, andererseits die späte Phase des Frühneuhochdeutschen und die frühe Neuzeit bislang kaum berücksichtigt sind.35 Diese Forschungslücke in räumlicher und zeitlicher Hinsicht zu füllen, ist mithin die Aufgabe der vorliegenden Arbeit zum Sprachausgleich, wie er sich in bayerischen Texten von ca. 1450 bis 1800 dokumentiert. Das Ziel dieser Untersuchung ist es, die regionalen Varianten zu präsentieren, ihr Zurückweichen aus der bayerischen Schriftsprache zu dokumentieren und die hierfür verantwortlichen Faktoren aufzuzeigen. In arealer Hinsicht umfaßt das Textkorpus (s.u.) Altbayern einschließlich der Oberpfalz. 36 Dieses Gebiet ist innerhalb des oberdeutschen Raumes deshalb von besonderem Interesse, weil sich gerade hier aufgrund der staatlichen Eingriffe während der Aufklärung im Hinblick auf die Sprache eine beachtliche Sonderentwicklung abzeichnet. Der zeitliche Rahmen der Untersuchung, nämlich ca. 1450 bis 1800, ist in mehrfacher Hinsicht aussagekräftig. Die Miteinbeziehung des 18. Jh.s, abweichend von der gängigen Periodisierung des Frühneuhochdeutschen 37 , 35
Vgl. Piirainen (1980a: 601): "Während verschiedene Schreiblandschaften des Frnhd. gründlich untersucht worden sind, wurden Texte des 17. Jh.s selten und Texte des 18. Jhs. kaum auf die Graphemik und Phonemik hin analysiert." - Die Entwicklung nach 1650 ist neuerdings kurz skizziert bei Kaempfert (1985). 36
Die Oberpfalz, die sehr schnell zum Protestantismus überging (und auch im Zuge der Gegenreformation nur teilweise zum alten Glauben zurückgeführt werden konnte), spielt bei der Entwicklung der Schriftsprache in Bayern eine besondere Rolle; vgl. u. S. 271 f. 37
Die allgemein verbreitete Fixierung des Frühneuhochdeutschen auf ca. 1350-1650 erweist sich hier als nicht sinnvoll, da in der bayerischen Schriftsprache praktisch bis Ende des 18. Jh.s starke Veränderungen zu beobachten sind. M.E. ist der Endpunkt 1650 grundsätzlich zu früh angesetzt und sollte bei einer zukünftigen Diskussion zur Periodisierung des Frühneuhochdeutschen kritisch überprüft werden. Zu den bisherigen Periodisierungs-
Ziel, Methode, Thesen
15
ist in bezug auf bayerische Texte unerläßlich, da sich in diesem Zeitraum die entscheidenden Veränderungen vollzogen. Mit dem Jahr 1500 wäre der Anschluß an die Forschung bereits hergestellt; die Ausdehnung auf 1450 ist jedoch angebracht, da nur auf diese Weise gründlich überprüft werden kann, ob der in den Handschriften übliche Sprachtypus in den Drucken weiter existiert oder aufgrund der veränderten Herstellungsmethoden verändert wird. Im folgenden ist das Textkorpus zu charakterisieren. Es umfaßt - bis auf eine Ausnahme - ausschließlich Quellen, die im Bayerischen entstanden sind, wobei neben literarischen Texten und religiösen Traktaten 38 auch die sogenannte Fachliteratur (z.B. Abhandlungen zur Medizin) sowie gedruckte Landesverordnungen und Texte aus dem Schulbereich berücksichtigt wurden. In bezug auf das 15. Jh. handelt es sich sowohl um Handschriften (analysiert wurden umfangreichere Textabschnitte aus 28 Handschriften) als auch um Inkunabeln. Darüber hinaus wurden mehrere meißnisch-obersächsische Druckerzeugnisse des 16., 17. und 18. Jh.s herangezogen, um kontrastiv die Entwicklung zentraler sprachlicher Aspekte außerhalb Bayerns aufzuzeigen. In methodischer Hinsicht ist ausdrücklich darauf hinzuweisen, daß als Textgrundlage ausschließlich Originale 39 herangezogen wurden. Die Verwendung authentischer Quellen erschwert zwar das Nachprüfen der Belege, ist aber insbesondere bei der Arbeit mit Handschriften unerläßlich, denn die existierenden Ausgaben mittelalterlicher Texte sind in ihrer Qualität äußerst unterschiedlich und kommen daher für sprachliche Untersuchungen nur bedingt in Betracht. So wurde in älteren Editionen meist versucht, anhand der Überlieferung den sogenannten "Archetypus"40 zu rekonstruieren, wobei die vorhandenen Handschriften mehr oder weniger stark miteinander kombiniert wurden und die Orthographie meist vereinheitlicht wurde. Obwohl
Vorschlägen vgl. zusammenfassend Wolf (1971), Philipp (1980) 5 f., Penzl (1984) 10-13, Besch (1985) und Hartweg/Wegera (1989) 19-23. - Abweichend von der oben erwähnten Eingrenzung (bis 1650) wird in der Darstellung zum Frühneuhochdeutschen von Penzl (1984) auch noch die erste Hälfte des 18. Jh.s mit behandelt. 38
Die religiöse Erbauungsliteratur nimmt im Zeitalter der Glaubenskämpfe naturgemäß einen breiten Raum ein. 39 40
Bei Drucken im Einzelfall allerdings auch reprographische Nachdrucke.
Die jüngste Vorlage aller Textzeugen; eine nicht tatsächlich überlieferte, sondern nur eine erschlossene (fiktive) Form.
16
Einleitung
sich bei spätmittelalterlichen Texten inzwischen die Praxis durchgesetzt hat, eine Haupthandschrift möglichst unverändert zu edieren und die Lesarten der übrigen Textzeugen im Apparat zu verzeichnen, sind auch diese Ausgaben nur mit Vorbehalt brauchbar; denn es werden meist die in den "Deutschen Texten des Mittelalters" aufgestellten Richtlinien angewendet, 41 die erlauben, daß "rein orthographische Eigentümlichkeiten [...] nicht peinlich kopiert, sondern beseitigt oder sachgemäß geregelt oder gemildert werden". 42 Ähnlich verfahren zumeist auch die Herausgeber der Reihe "Texte des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit"; Historiker oder auch Juristen, die sich mit älteren Werken beschäftigen, edieren Texte bisweilen noch liberaler. 43 Aus dieser knapp skizzierten Editionspraxis, die für literaturwissenschaftliche oder (kultur-)historische Untersuchungen durchaus zweckmäßig ist, ergeben sich für den Sprachwissenschaftler immense Probleme. Die "normalisierten" Texte scheiden für eine sprachliche Betrachtung völlig aus, wodurch bei der Verwendung von Editionen die Auswahl der in Frage kommenden Quellen erheblich eingeschränkt wird. Selbst wenn eine Ausgabe im Idealfall die Vorlage zeichengetreu wiedergeben würde, sind Fehler bei der Abschrift und Drucklegung nie völlig auszuschließen. 44 Ein anderes Problem besteht darin, daß sich Editionen für umfassende und grundlegende Untersuchungen selten eignen, weil sie im Textteil lediglich eine geringe Auswahl der in Frage kommenden Handschriften bieten oder sie allenfalls im Variantenapparat 45 berücksich-
41
D i e Anweisungen für die Herausgeber sind abgedruckt vor Heft 38 (Berlin 1934).
42
Diese Anweisungen beziehen sich in erster Linie auf u, v,j und i, räumen aber auch ein, daß beispielsweise bei diakritischen Zeichen "Vereinfachungen und Ausgleichungen" vorgenommen werden können. 43
A u s diesem Grund wurde etwa der Historische Südwestdeutsche Sprachatlas, dem Urbare zugrunde liegen, ausschließlich nach Schreibungen aus Handschriften erstellt, da die Editionen nach Einschätzung der Bearbeiter für sprachliche Untersuchungen unzureichend sind; vgl. dazu Kleiber/Kunze/Löffler (1979) 11 f. Vgl. ferner Kleiber (1984) 835: "Die diachrone Graphetik, insbesondere dann, wenn sie handschriftliches Material zugrundelegt, muß stets von den Originalhandschriftzeichen ausgehen." 44
Ein zusätzliches Problem entsteht durch die Tatsache, daß in den letzten Jahren zunehmend mit Ablichtungen der Handschriften gearbeitet wird, auf denen einzelne Zeichen (zum Beispiel bei Verwendung von farbiger Tinte) erfahrungsgemäß nicht immer klar zu erkennen sind. Darüber hinaus erscheinen dünne Linien, wie sie beispielsweise bei den diakritischen Zeichen vorkommen, manchmal nicht auf der Reproduktion.
45
D a s Erschließen von Handschriften über einen Apparat wäre ein höchst fragwürdiges Unterfangen, da vor allem bei einer großen Anzahl von Handschriften meist nur eine Auswahl der Lesarten geboten wird; auf geringfügige Abweichungen, die aber gerade für
Ziel, Methode, Thesen
17
tigen. 46 Aufgrund der hier skizzierten Bedenken und Probleme ist die mühevolle und zeitraubende Durchsicht der Originale unerläßlich, da nur so die zahlreichen Risiken und Fehlerquellen ausgeschaltet werden können. 47 Das solchermaßen beschriebene Textkorpus ist charakterisiert durch regionale Schreibvarianten, die es gemäß den Untersuchungszielen zu erläutern gilt. Nach Ansicht des Verfassers handelt es sich hierbei nicht nur um eine regionale Schreibtradition, sondern in erster Linie um Reflexe der gesprochenen Mundart, die allenthalben auf die Schriftsprache einwirkt. Solche mundartlichen Schreibvarianten können auf zweierlei Weise identifiziert werden, nämlich durch direkte und durch indirekte Dialektanzeigen. 48 Direkte Dialektanzeigen, die sogenannten Direktanzeigen, sind, sofern man die Mundartgrammatik beherrscht, leicht zu erkennen, da die Schreibung meist ziemlich genau die mundartliche Lautung anzeigt. Im Gegensatz dazu ist als indirekte Dialektanzeige vor allem die sogenannte hyperkorrekte oder umgekehrte Schreibung zu nennen. 49 Hyperkorrekte Formen treten auf, wenn es aufgrund eines Lautwandels zu Phonemzusammenfall kommt und der Schreiber/Verfasser die dabei verlorengegangene phonematische Opposition falsch rekonstruiert. Dies soll im folgenden durch die Beispiele unbegreuflich und thain 'tun' erläutert werden, die jeweils einen
sprachliche Untersuchungen von Bedeutung sein können, wird dabei nicht selten verzichtet. 46
So wurde etwa die 'Erchantnuzz der sund' Heinrichs von Langenstein (ed. Rudolf 1969) nach einer Handschrift des Schottenklosters vom Jahre 1393 mit den Lesarten 16 weiterer bairisch-österreichischer Handschriften des 14./15. Jh.s herausgegeben. Der von mir verwendete Text (Cgm 355), der das Werk enthält, ist lediglich im "Verzeichnis der Handschriften und Drucke" (Rudolf 1969: 49) aufgeführt. 47
Skeptisch gegenüber Editionen äußern sich übrigens die meisten Frühneuhochdeutschforscher. Vgl. beispielsweise Penzl (1984: 31), der in seiner Darstellung zum Frühneuhochdeutschen bemerkt: "Jede Art von Änderung oder "Normalisierung" eines Textes durch einen Herausgeber ist aber für den Sprachforscher nur eine Verschlechterung des sprachlichen Beobachtungsmaterials, die ihm bloß eine neuerliche, diesmal gar nicht produktive Schwierigkeit in der Analyse bereitet, denn die Praxis und Vorurteile mancher moderner Herausgeber können sich nur negativ auswirken." Erben (1961), Götze/Volz (1976) und Kettmann (1971) mißtrauen in ihren Textsammlungen zum Frühneuhochdeutschen ebenfalls den Ausgaben und stützen sich bei der Edition von Handschriften in der Regel auf die Originale. 48
Vgl. dazu auch den Bericht zum Historischen Südwestdeutschen Sprachatlas bei Kleiber (1984), bes. 835 f.
49
Den Wert hyperkorrekter Schreibungen betonen bereits Besch (1965) und Penzl (1971), letzterer bes. S. 41.
18
Einleitung
bestimmten Typ von Hyperkorrektismen repräsentieren. Während die erste Form (Typ 1) leicht zu erkennen ist, setzt die zweite (Typ 2) detaillierte Kenntnis der Mundart voraus. Will man hyperkorrekte Formen erklären, muß man sich auf die Ebene des Mundartsprechers begeben und von hier die (falsche) Umsetzung nachvollziehen. Typ 1: Da /oi/ in der Mundart zu /ai/ entrundet wird, wandelt der Mundartsprecher bei der Verschriftung aus Unsicherheit "vorsichtshalber" jedes /ai/, also auch ein hochsprachliches, in /oi/ um, selbst wenn es historisch nicht berechtigt ist. In diesem Fall wird also eine hochsprachliche Lautung, nämlich /ai/ ( < mhd. /i:/), fälschlicherweise als mundartliche Variante angesehen. /oi/
> /ai/-r
(z.B. hd. neu)
mhd./i:/ > /ai/ 4;- -^hd. unbegreiflich Typ 2: Bair. /ub/ ist vor Nasal zu /qb/ geworden und so mit /ai/ ( < mhd. /eif) zusammengefallen. Der Schreiber/Verfasser hat nun nicht - wie historisch richtig - /qb/ zu /ub/ rekonstruiert, sondern /ai/ ( < mhd. /ei/) als Ausgangslaut angesehen und so die Form thain gebildet. Die Interpretation wird hier erschwert, da im Gegensatz zu Typ 1 bei der Rekonstruktion zwei mundartliche Phänomene, nämlich /ai/ > /qb/ und /ub/ > /qb/, berücksichtigt werden müssen. bair. /ai/
> /qb/
(z.B. hd. Stein)
bair. /ub/ > /qb/ ^ - - bair. [dQB] 'tun' Die Graphiken verdeutlichen, daß die Rückübersetzung nicht auf derselben "sprachlichen Ebene" erfolgt (unterbrochene Linie), sondern einen historisch unberechtigten Ausgangspunkt ansteuert. Mit diesem Modell lassen sich hyperkorrekte Schreibungen leicht erklären, da die falsche Umsetzung stets an der diagonal verlaufenden Linie zu erkennen ist. Im nächsten Schritt ist die lautliche Qualität der so gewonnenen mundartlichen Schreibformen zu bestimmen. Zu diesem Zwecke werden die Belege in ein System 50 eingeordnet, dessen Eckwerte (A und C) bekannt sind, nämlich das mittel- bzw. althochdeutsche Phonemsystem und die
50
Vgl. hierzu Kleiber/Kunze/Löffler (1979) 39-42 und Kleiber (1984) 835 f.
Ziel, Methode, Thesen
19
Verhältnisse in der rezenten Mundart 51 . Da in dieser Entwicklungslinie also der lautliche Status von Α (mittel- / althochdeutsches Phonemsystem) und C (rezente Mundart) bekannt sind, kann der Wandel von Α nach Β (frühneuhochdeutscher Belege) beschrieben und damit die Lautung von Β erschlossen werden. Die Kenntnis von C ist unerläßlich, denn die rezente Mundart dient als Kontrollinstrument, um auszuschließen, daß es sich bei der frühneuhochdeutschen Form lediglich um eine von der gesprochenen Sprache unabhängige Schreibtradition oder um eine hyperkorrekte Schreibung handelt. Dies ist anhand eines Beispiels zu illustrieren: Wenn mhd. /a:/ in den Texten als < o > erscheint und zugleich in der rezenten Mundart als [Q:] gesprochen wird, so muß von Α nach Β eine Rundung bzw. Hebung eingetreten sein; aufgrund dessen ist für Β ein Lautwert zu erschließen, der zu (offenem) [o:] tendiert. Gestützt wird diese Rekonstruktion durch orthoepische Zeugnisse. Die aussagekräftigsten Quellen stellen zeitgenössische Grammatiken dar, die seit dem 16. Jh. sehr detaillierte phonetisch-artikulatorische Angaben enthalten, wobei meist präzise zwischen den einzelnen Mundarten unterschieden wird. Aufschlußreich sind ferner Exkurse zu den Besonderheiten in den gesprochenen Mundarten, wie sie sich in nicht-sprachwissenschaftlichen Werken finden, etwa der 'Bayerischen Chronik' von Aventin und in der 'Beschreibung einer Reise durch Deutschland und die Schweiz im Jahre 1781' von Friedrich Nicolai. Da die Aussagen in diesen Werken meist übereinstimmen, sind sie zuverlässige Quellen in bezug auf die gesprochenen Mundarten im Frühneuhochdeutschen und in der frühen Neuzeit, die bisher kaum ausgeschöpft wurden. Durch diese doppelte Absicherung, nämlich die Heranziehung orthoepischer Zeugnisse und der rezenten Mundart, kann man mit großer Wahrscheinlichkeit ausschließen, daß es sich bei einer zu bestimmenden Form lediglich um eine von der gesprochenen Sprache unabhängige Schreibkonvention handelt. Zwar sollte bei der lautlichen Erschließung von Schreibungen in älteren Texten nicht außer acht gelassen werden, daß die schriftliche Fixierung auch Traditionen unterliegt, die einer phonemischen Transkription zuwiderlaufen, denn unabhängig vom Laut, der einem Zeichen zuzuordnen ist, muß damit gerechnet werden, daß Schreibvarianten auch auf
51
Hierzu wird im sprachlichen Teil auf die wichtigsten Monographien zum bairischen Raum verwiesen. Wenn mir die jeweilige mundartliche Erscheinung aus eigener Erfahrung bekannt ist, wird dies zusätzlich mit "Verfasser (1989)" angezeigt.
20
Einleitung
einen Schreibusus zurückgeführt werden können. In unserem Fall spielt dieser Aspekt jedoch eine untergeordnete Rolle, da die regionale Schreibvariante von der gesprochenen Mundart gestützt wird. 52 Bei der Zusammenstellung der Belege wurde aus verschiedenen Gründen auf statistische Angaben verzichtet. Zunächst ist der Zeitfaktor zu nennen: Da die untersuchten Quellen aus einem Zeitraum von ca. 350 Jahren stammen, ist ein Durchschnittswert wenig aussagekräftig. Ein anderes Problem ist die Heterogenität der Texte. Selbst wenn man zeitliche Schnitte anlegen würde, wären quantitative Angaben eher irreführend angesichts der Tatsache, daß die Quellen unterschiedlichen Textsorten zuzuordnen sind und von verschiedenen Autoren stammen; Ungleiches läßt sich kaum miteinander vergleichen. Ferner gilt es zu berücksichtigen, daß das Frühneuhochdeutsche als eine tote Sprache nur anhand überlieferter Texte erschlossen werden kann und die so bedingte Zufälligkeit der Überlieferung eine vollständige Erfassung unmöglich macht. In Anbetracht dieser Ausgangslage ist der Wert statistischer Angaben eher skeptisch zu beurteilen. Erschwerend kommt hinzu, daß für eine Untersuchung älterer Sprachstufen ein Textkorpus zusammenzustellen ist, was zur Folge hat, daß notwendigerweise eine subjektive Auswahl aus den überlieferten Quellen getroffen werden muß. Ein zentrales Anliegen dieser Arbeit ist es, die Bedingungsfaktoren für das Zurückweichen mundartlicher Formen aus der bayerischen Schriftsprache aufzuzeigen, wobei nochmals zu betonen ist, daß Bayern aufgrund der politischen und religiösen Gegebenheiten seit der zweiten Hälfte des 16. Jh.s eine Sonderentwicklung durchläuft. Seitdem nämlich ist Bayern an den Misch- und Ausgleichsvorgängen zwischen den verschiedenen Sprachlandschaften nicht mehr in gleichem Maße beteiligt. Aufgrund welcher Modalitäten dennoch die Reduktion der regionalen Varianten in der bayerischen Schriftsprache erfolgt ist, wird im weiteren thesenartig zu diskutieren sein. Vorab gilt es jedoch, die Position der Frühneuhochdeutschforschung darzulegen, insoweit sie sich mit den Mechanismen, nach welchen die Selektion von Varianten abläuft, beschäftigt. Besch sucht als erster nach umfassenden
52
Vgl. hierzu auch Schützeichel (1974: 298), der in seiner Untersuchung zur westmitteldeutschen Urkundensprache des 15./16. Jh.s feststellt: "Die älteren Formen konnten immer wieder durchschlagen, weil sie weiterhin in der Mundart gesprochen wurden, und den Schreibern und Gestaltern der urkundlichen Texte durchaus geläufig waren."
21
Ziel, Methode, Thesen
E r k l ä r u n g s m o d e l l e n 5 3 und stellt dabei die Frage, "warum der A u s w a h l p r o zess so v e r l a u f e n m u ß t e und nicht anders, warum die E n t s c h e i d u n g in e i n e m Fall rasch erreicht ist, im andern sich länger hinzieht, w a r u m einmal mitt e l d e u t s c h e , dann w i e d e r o b e r d e u t s c h e E l e m e n t e z u m Z u g e kommen". 5 4 S e i n e r M e i n u n g nach ist hierbei in erster Linie das
Geltungsgebiet55
e n t s c h e i d e n d ; dies b e d e u t e t , daß sich e i n e großräumig verbreitete F o r m mit der g r ö ß e r e n Wahrscheinlichkeit durchsetzt. D i e A u s w a h l der Konkurrenzf o r m e n wird nach B e s c h 5 6 darüber hinaus auch v o n "bestimmten sprachg e o g r a p h i s c h e n Konstellationen", 5 7 der s o g e n a n n t e n "Landschaftskombinatorik", 58 beeinflußt. 5 9 S t o p p k o m m t in der Einleitung zu Band 1.2 (1973: 35 ff.) der Frühneuh o c h d e u t s c h e n Grammatik im wesentlichen zu d e n gleichen E r g e b n i s s e n u n d fügt als w e i t e r e Erklärungsansätze
d e n "Geltungsgrad" 6 0 und
die
"strukturelle Disponiertheit" hinzu. Mit d e m letztgenannten Begriff b e z i e h t
53
Auf die Überlegungen von Müllenhoff (1863), Burdach (1884) und Frings (1936) wurde bereits oben (S. 9) eingegangen. 54
Besch (1968) 425.
55
Nach Eggers (1969: 154) war bereits für Luther der Geltungsbereich einer Form ausschlaggebend: "Gehen wir dem Lutherwort auf den Grund, so ist damit also gesagt: " [Hervorhebung durch Kursivdruck von mir]. Vgl. auch Stopp (1973) 37 f. 56
Besch (1968) 425.
57
Bei Besch (1967) 341 findet sich bereits der Begriff "sprachräumliche Konstellationen".
58
Vgl. zu diesem Terminus Besch (1979) 132 f., (1980) 569 u. (1985) 1791.
59
"Die Entwicklungen laufen offensichtlich nicht kontinuierlich in einer Landschaft ab, etwa der ostmitteldeutschen; andere Gebiete sind mit einbezogen, insbesondere das ostfränkische und das bairische. Eine Modellvorstellung etwa derart, daß sich die sprachliche Einheit in einem geschlossenen Raum geformt hatte und von da auf das übrige große Sprachgebiet ausstrahlte, ist aufzugeben. Die Entstehung der Schriftsprache stellt sich eher dar als wirklicher Ausgleichsprozess, der im Ergebnis abhängig ist von der flächenmäßigen Verbreitung einer sprachlichen Form und von bestimmten sprachgeographischen Konstellationen." (Besch 1968: 425). 60
Vgl. ebd. 37: "Weiter verbreitete Graphien halten sich ceteris paribus länger als engräumig geltende, und die am weitesten verbreitete setzt sich schließlich durch; dabei verschwinden seltenere Graphien ceteris paribus rascher als häufigere oder gar alleingeltende. Es hat jedoch das Geltungsareal den Vorrang vor dem Geltungsgrad." Vgl. dazu auch Besch (1979) 132 und ders. (1985) 1791.
22
Einleitung
er sich auf Fleischer (1966),61 der folgende Punkte bei der Durchsetzung regionaler Varianten betont: Deutliche Hervorhebung von Oppositionen, etymologische Durchsichtigkeit, optimale Belastung des Systems und grammatische Funktionalität. 62 Hans Moser (1985: 1404) verweist in Zusammenhang mit den Sprachformen der großen Kanzleien auf die "Geltungshöhe" 63 und stützt damit im wesentlichen die Überlegungen von Matheier (1981), der in seiner Untersuchung zur Schriftsprache in Köln die Bedeutung des "Sprachwerts" bzw. der "Sprachwertsysteme" hervorhebt. 64 Diesen fünf Erklärungsprinzipien 65 , nämlich Geltungsareal, Landschaftskombinatorik, Geltungsgrad, strukturelle Disponiertheit und Geltungshöhe, ist in bezug auf die vorliegende Untersuchung nach Meinung des Verfassers nur bedingt zuzustimmen. Sie sind nicht schematisch anwendbar; 66 sicherlich gilt es zu differenzieren im Hinblick auf die verschiedenen Teilsysteme der Sprache, auf verschiedene Zeitabschnitte, aber auch auf verschiedene Sprachlandschaften. Denn seit der niederdeutsche Raum allmählich den in Mitteldeutschland existierenden Sprachtypus übernimmt, 67 entstehen völlig neue Gegebenheiten: Das Geltungsareal vergrößert sich, so daß der bairisch-oberdeutsche Raum nunmehr flächenmäßig nicht mehr dominiert. Der Aspekt Landschaftskombinatorik verliert an Bedeutung, da der frühere deutsche Hanseraum insofern nicht mehr zum Sprachausgleich beiträgt, als er geschlossen den mitteldeutschen Sprachtypus übernimmt. Daraus ergibt
61
Vgl. Fleischer (1969) 94: "Die Auswahl aus den unterschiedlichen Einzelbezügen landschaftlicher Schreibsprachen wird - neben anderen Faktoren - auch von strukturellteleologischen oder sprachökonomischen Gesichtspunkten bestimmt." 62
In Ansätzen finden sich diese Überlegungen bereits bei von Bahder (1925) und Hotzenköcherle (1962).
63
Vgl. ebd: "Varianten, die von Sendern mit hohem Sozialprestige gebraucht werden, haben einen Vorteil".
64
Vgl. ebd. 298 ff.
65
Vgl. zusammenfassend Besch (1979) 132 und ders. (1985) 1791.
66
So warnt denn auch Besch (1979: 134 f.) vor einer allzu mechanischen Anwendung dieser Faktoren, er fordert aber zugleich, diese nicht voreilig preiszugeben; sie müßten vielmehr erprobt und differenziert werden, "sofern sie sich in Einklang mit den tatsächlichen Befunden der historischen Entwicklung halten lassen". 67
Mit dem Niedergang der Hanse um 1500 verliert das Niederdeutsche seine wichtigste Stütze und weicht im 16. Jh. allmählich zurück, bis es schließlich Anfang des 17. Jh.s in der Schriftsprache völlig aufgegeben wird. Vgl. dazu zusammenfassend Hartweg/Wegera (1989) 28-35 mit zahlreichen Literaturangaben.
Ziel, Methode, Thesen
23
sich zwangsläufig eine entsprechende Zunahme des Geltungsgrades dieser sprachlichen Form. In bezug auf die strukturelle Disponiertheit wird man nunmehr davon auszugehen haben, daß die innersprachlichen Selektionsmechanismen nicht mehr auf die Reduzierung regionaler Varianten gerichtet sind, sondern wohl eher allgemein innerhalb dieses großräumigen Sprachsystems im Sinne der Sprachökonomie wirksam werden. Mit der Geltungshöhe scheint es nunmehr eine besondere Bewandtnis zu haben: während früher vor allem die bedeutenden Kanzleien als Prestigeträger sprachlich tonangebend waren, 68 sind es nach der konfesionellen Spaltung jene, die den "richtigen" Glauben haben; sie sind fortan die Zukunftsträger, die Progressiven. Protestantisch zu sein, gilt als fortschrittlich, und daran mißt man auch die Sprache. Beide Vorgänge, der Übergang des niederdeutschen Hanseraumes zum mitteldeutschen Sprachtypus und die Reformation, die den hochdeutschen Raum in ein protestantisch-mitteldeutsches und ein katholisch-oberdeutsches Sprachgebiet teilt, bewirken für die Folgezeit eine erhebliche Einschränkung des überregional verlaufenden, alle Landschaften einbeziehenden Sprachausgleichs. Insofern man seit der Verfestigung der konfessionellen Teilung von zwei mehr oder minder selbständigen Sprachtypen ausgehen kann, ist mithin die Anwendbarkeit der oben genannten Erklärungsprinzipien zu modifizieren. Die Faktoren Geltungsareal, Landschaftskombinatorik, Geltungsgrad und strukturelle Disponiertheit dürften kaum mehr großräumig-überregional greifen. Lediglich der Geltungshöhe 69 kommt eine gewisse Bedeutung zu - und auch hier gilt es zu differenzieren, da sich erst im Zuge der Aufklärung die religiösen Gegensätze abschwächen und sich somit die mit dem größeren Sprachprestige verbundene mitteldeutsche Sprachnorm im Süden des Reiches nur verzögert durchsetzt. Die solchermaßen modifizierten Wirkungsfaktoren vermögen nur unzureichend die Frage nach dem Zurücktreten regionaler Varianten in Bayern zu beantworten. Der Verfasser stellt daher die These auf, daß der Mundart selbst eine tragende Bedeutung zukommt: Insofern sie über Jahrhunderte
68 69
Vgl. dazu vor allem Hans Moser (1985).
Die Miteinbeziehung soziokultureller Gegebenheiten steht im Gegensatz zur Auffassung der Strukturellsten, die eine objektive Beschreibung der Sprache anstreben und somit außersprachliche Faktoren des Sprachwandels ablehnen. Die Verhältnisse in Bayern zeigen aber, daß die politischen und religiösen Momente die Selektion regionaler Varianten erheblich beeinflußt haben und damit nicht übergangen werden können. Inner- und außersprachliche Faktoren sind gleichermaßen zu berücksichtigen, denn nur so können die vielschichtigen Aspekte des Sprachwandels erfaßt werden.
24
Einleitung
die bayerische Schriftsprache prägt, ist das Verschwinden landschaftlicher Formen auch auf einen Wandel dieser Varietät zurückzuführen. Somit werden die Selektionsprozesse in der frühneuhochdeutschen Schriftsprache erstmals auch unter Miteinbeziehung der gesprochenen Mundart untersucht. Dieses Vorgehen steht nur scheinbar im Widerspruch zur jüngeren Frühneuhochdeutschforschung, die davon ausgeht, daß die Ausgleichsprozesse im wesentlichen auf der Ebene der Schriftsprache erfolgt sind.70 Am entschiedensten vertritt Besch diesen Standpunkt. 71 Seine Argumentation richtet sich bekanntlich gegen die These von Frings, 72 der eine Sprachmischung der ostmitteldeutschen Siedlermundarten annahm. 73 Die vorliegende Arbeit will jedoch keineswegs die Frings-These wiederbeleben und die Ausgleichsvorgänge auf die Ebene der gesprochenen Sprache verlagern, 74 sie setzt vielmehr in Einklang mit der jüngeren Frühneuhochdeutschforschung voraus, daß der Ausgleich auf der Schreibebene erfolgt ist. Die Mundart spielt allerdings insofern eine Rolle, als davon ausgegangen wird, daß die regionalen Varianten unter anderem auch deshalb aus der bayerischen Schriftsprache zurückweichen, weil in der Mundart, die sich in diesen Varianten widerspiegelt, ein Wandel stattgefunden hat. Gestützt wird diese Überlegung durch solche Phänomene, die heute in Bayern nicht mehr gesprochen werden, in anderen Regionen des gesamtbairischen Sprachgebietes jedoch noch weiterexistieren und somit auch als
70
Vgl. die Zusammenfassung dieser Diskussion bei Besch (1985: 1788 f.), der hier auch auf die ältere Literatur verweist. 71 Er stellt aufgrund seiner Untersuchung (1968: 425 f.) zu den Schreibdialekten des 15. Jh.s fest: "Es ist kaum wahrscheinlich, daß ein volkssprachlicher Ausgleich auf Mundartebene entscheidend mitwirken kann bei der Ausbildung einer die Landschaften übergreifenden Schriftsprache. Mundart und Schreibsprache treten im Spätmittelalter immer mehr auseinander, der Prozeß überlandschaftlicher Angleichung vollzieht sich mehr und mehr eigengesetzlich und nahezu ausschließlich in der Schriftlichkeit." Wörtlich wiederholt in Besch (1987) 38. 72
Vgl. o. S. 9.
73
Vgl. Besch (1968) 426: "Von einem überschaubaren Weg von der Sprache der Siedler zur Sprache der Schreiber, zu Luther und zur neuhochdeutschen Schriftsprache kann nicht mehr die Rede sein." 74
Bedenken gegen die These von Frings hat bereits Virgil Moser (1937: 41) geäußert: "Nicht ganz beizupflichten vermag ich den Schlußausführungen des Verf. [d.i. Frings] (S. 21 ff.) über das Verhältnis dieser meißnischen Kolonialsprache zur "neuhochdeutschen Hochsprache", d.h. unserer jetzigen Schriftsprache. Wenn auch ohne weiters zuzugeben ist, daß dieses Problem bisher meist allzu einseitig vom Buchstaben, der Schrift her gesehen wird [...], so wäre es doch andererseits ein ebenso schwerer Fehler, unsere heute gewordene Einheitssprache allzu sehr von der Mda. aus zu beurteilen."
Ziel, Methode, Thesen
25
tatsächlich gesprochen bezeugt sind. Dies soll anhand des folgenden Beispiels erläutert werden. Das durch die zweite Lautverschiebung im Bairischen entstandene /p-/ (für mhd. /b-/) erscheint in bayerischen Texten als < p - > und spiegelt somit die Fortis wider, die die rezente südbairische Mundart bewahrt hat. Die /»-Schreibungen verschwinden allmählich aus der bayerischen Schriftsprache, da /p-/ in zunehmendem Maße zur Halbfortis abgeschwächt wird, wie sie heute noch in Bayern anzutreffen ist. Die Verhältnisse in der rezenten Mundart dienen somit als Kontrollinstanz, denn sie belegen, daß im Frühneuhochdeutschen ein Wandel der gesprochenen Mundart eingetreten ist. Diese Veränderungen haben das Zurückweichen der regionalen Schreibvarianten wesentlich beeinflußt, da diese nunmehr ihre Stütze verloren haben. Einige heute geläufige Mundart-Phänomene treten in den ausgewerteten Quellen jedoch nicht oder nur ansatzweise zutage. Dieser Umstand ist m.E. auf die Tatsache zurückzuführen, daß sie im Untersuchungsareal auch nicht bzw. nur in Ansätzen ausgeprägt waren. Ausgangspunkt dieser Theorie ist der Gedanke der "inneren Kausalität", wie ihn Martinet (1955) 75 entwickelt hat, demzufolge jedes Phonem von einer "Sicherheitszone"76 umgeben ist. Wird diese überschritten, weichen die Phoneme aufgrund funktionaler Überlastung aus, um einen drohenden Zusammenfall zu verhindern. Dadurch wird ein Schub in Gang gesetzt, der zu einer umfassenden Veränderung des Phonemsystems führen kann. Wie unten (Teil I, Kap. 19) zu zeigen sein wird, löste die Diphthongierung der mittelhochdeutschen langen Extremvokale, die vom Südbairischen ausging, einen solchen Umbau des Phonemsystems aus, der zur Auflösung der Reihe mhd. /ei ou öi/ führte. Anhand eines Modells (vgl. S. 183 ff.) kann aufgezeigt werden, daß bestimmte Laute nicht oder nur ansatzweise ausgebildet waren, weil ein Phonemzusammenfall die Entstehung behinderte. Da die Veränderungen nicht überall gleichmäßig durchgedrungen sind, führte dies in den bairischen Mundarten zu unterschiedlichen Resultaten, die heute noch anzutreffen sind. Die rezente Mundart ist auch in diesem Fall ein wichtiges Hilfsmittel, da sie es ermöglicht, die einzelnen Schritte der Entwicklung nachzuvollziehen. Das Strukturprinzip (vgl. o. auch die These von Fleischer/Stopp) 77 dient hier also nicht vorrangig zur Erklärung der
75
Zitiert wird im folgenden nach der deutschen Ausgabe vom Jahre 1981.
76
Vgl. Martinet (1981) 44.
77
In Anlehnung an die Arbeiten der Strukturalisten hat bereits Fleischer (1966:96) "eine optimale Belastung der Phonemoppositionen" betont.
26
Einleitung
Selektionsprozesse, sondern als mögliche Antwort auf die Frage, warum bestimmte Varianten nicht bzw. nur in Ansätzen nachgewiesen werden konnten. Abschließend ist der Aufbau der vorliegenden Arbeit zu erläutern. Die Abhandlung setzt sich aus drei Teilen zusammen, nämlich einer sprachlichen Untersuchung, einer kulturhistorischen Darstellung und dem Resümee. In Teil I (Sprachliche Untersuchung) wird das aus dem Korpus extrahierte Material nach verschiedenen Aspekten, den mittelhochdeutschen Vokalen und Konsonanten (Kap. 1-14) sowie der Morphologie und der Lexik (Kap. 15-18), präsentiert und in einem abschließenden Kapitel (19) ausgewertet. Teil II (Norm und Normierung) hat außersprachliche, soziokulturelle Aspekte zum Inhalt; hier gilt es, die Bedeutung der politischen und kulturellen Gegebenheiten in bezug auf das Zurücktreten der mundartlichen Varianten aus der Schriftsprache zu klären, wobei die Rolle des Kanzleiund Schulwesens, der Grammatiker, der gelehrten Gesellschaften und der herzoglichen Regierung untersucht wird. Wie in Teil I wird in einem anschließenden Kapitel ein Zwischenergebnis geboten. Der dritte und letzte Teil stellt ein Resümee dar, in dem sämtliche Aspekte der Entwicklung aufgegriffen und im Hinblick auf die Entstehung der neuhochdeutschen Schriftsprache integriert werden. Aus dieser Strukturierung geht hervor, daß der Untersuchungsgegenstand von verschiedenen Seiten ausgeleuchtet wird: Nur durch die gleichrangige Behandlung inner- und außersprachlicher Momente können die vielschichtigen Aspekte des Sprachwandels erfaßt werden. Dabei ist es unumgänglich, der soziokulturellen Interpretation eine umfassende sprachliche Abhandlung vorauszuschicken, da nur so voreilige Schlüsse vermieden werden können.
I Sprachliche Untersuchung
1 Mittelhochdeutsch /a/ und /a:/
D i e H e b u n g ( R u n d u n g ) v o n mhd. /a/, die im Bairischen seit d e m 13. Jh. durch < o > J in Erscheinung tritt, 2 ist in d e n untersuchten H a n d s c h r i f t e n und D r u c k e n in erster Linie vor Nasalen und Liquiden anzutreffen. A n f a n g d e s 16. Jh.s verschwinden diese o-Schreibungen allmählich aus der Schriftsprache. von stundon (Cgm 301) 255v, morning (Cgm 302) 40r, gemont ebd. 71r, gemontt (Cgm 502) 67ra, mon 'Mann' (Cgm 522) 54va, man Pron. ebd. 37vb, vermonet HAUER (1523) Fir, nom BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 2.5, ermonung ebd. 4.4 - czolper 'zahlbar' EINBL. (1486), (er) pedorf (Cgm 290) 13v, bedorff ebd. 52v, morter (Cgm 355) 76v, korfreytags BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 51.2, du mogst (Cgm 606) 31ra, dass. KUCHENMEYSTEREY (1486). M h d . /a:/ erscheint seit d e m 13. Jh. ebenfalls als < o > und spiegelt somit w o h l d e n W a n d e l /a:/ > /Q:/ wider. 4 A m häufigsten zeigt sich die H e b u n g in u n s e r e n T e x t e n w i e d e r u m vor η (vor allem in gethon) U m g e b u n g v o n sch und w. D i e B e l e g e reichen bei gethon
und r s o w i e in der bzw. zugethon
bis
ins 17. Jh. gethon PERNEDER (1544) lr, dass. WALDNER (1562) Jlr, HORNSTEIN (1596) D4v, SAUTER (1608) 15, STENGEL (1622) 17, THIRMAIR (1633) 1, zugethon SCHÖNFELDER (1691) 87, vnderthonen 'die Untertanen' HAFFNER (1568) 13v, dass. LAUTHER (1569) 2v, wohn MACER (1570) - worhait (Cgm 347) 483, dass. (Cgm 453) 146r, (Cgm 522) 39vb, (Cgm 639) 15v, worzaichen (Cgm 525) 12vb, im jore EINBL. (1487a) - schloff (Cgm 620) 108r, schof A. PI. (Cgm 620) 49rb, schoffen D. PI.
1
Diese Schreibungen zeigen wohl wie in der rezenten Mundart ein offenes ο an.
2
Zum Mittel- und Frühneuhochdeutschen vgl. Weinhold (1867) § 22; Moser (1929) § 69; Tarvainen (1968) 159; Bürgisser (1988) 115 f. - Die Bemerkung, "Mbair. u. südbair. nähert sich -ar- dem offenen /o/ und reimt mit -or- (art: wort)", bei Paul/Wiehl/Grosse (1989: § 60) ist irreführend, da dieser Reim auch den Wandel ο > α vor r widerspiegeln könnte; vgl. u. Kap. 4.2 und die dort aufgeführte Schreibung wart 'Wort'. 3 Die Form monung weist auch Bürgisser (1988: 115) in einer niederbayerischen Urkunde vom Jahre 1299 nach. 4
Vgl. dazu Weinhold (1867) § 56; Moser (1929) § 75.2; Mausser (1932) S. 539, § 82; Tarvainen (1968) 159; Bürgisser (1988) 115 f.
30
Sprachliche Untersuchung
KUCHENMEYSTEREY (1486) Blr, schofN. PI. BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 15.8, (er) hot (Cgm 543) 18v.
An den oben aufgeführten Belegen wird deutlich, daß die Rundung α > ο im Mittel- und Nordbairischen vor allem bei langen bzw. den in offener Tonsilbe gedehnten Vokalen eingetreten ist. In den Wörtern auf mhd. -anund -än- ist vermutlich schon in mittelhochdeutscher Zeit Nasalierung erfolgt, die bei /a/ (/a:/) Verdumpfung zu offenem /Q/ (/Q:/) bewirken kann. 5 Bei -or- und -ol- ist heute die mittelbairische Liquidenvokalisierung zu [QB] bzw. [oi] durchgedrungen; 6 diese Palatalisierung 7 tritt in den untersuchten Texten allerdings kaum in Erscheinung, und man muß sich fragen, warum dieses wichtige Kennzeichen des Mittelbairischen fehlt. Wir werden auf diese Tatsache später noch genauer eingehen. Die im Mittelhochdeutschen übliche Trennung von lokalem där ('da, dort') und temporalem do wurde im 15. Jh. aufgegeben. Somit sind die unten zitierten Belege für do- nicht auf einen reinen Lautwandel, sondern auf die Vermischung von da und do zurückzuführen. 8 Die Verwendung von do(-) in bayerischen Texten wurde aber sicherlich durch den Wandel a > ο beeinflußt: z.B. do lokal H A U E R (1523) 12, dass. SCHATZGER (1525) Blv, domit H A U E R (1523) 3, domalen 'damals' HORNSTEIN (1596) C4v. Die Hebung α > ο ist auch durch orthoepische Zeugnisse mehrfach belegt. Bereits Johannes Turmair, nach seinem Geburtsort Abensberg in Niederbayern Aventinus genannt, hat die lautliche Annäherung von α und ο beobachtet und in der 1533 abgeschlossenen 'Bayerischen Chronik' beschrieben: "Es sprechen auch gemainiklich disen ersten puechstaben [= A] die Baiern also aus, das er mer dem ο gleich ist dann dem a" (17). Die 'Anleitung zur deutschen Sprachkunst' (1765: 17) von Heinrich Braun geht ausführlich auf die Aussprache des Vokals α ein9 und warnt vor der Ver-
5
Vgl. dazu auch Dieth (1968) § 371.
6
Zu mhd. -ar- und -al- im Bairischen vgl. die Ausführungen bei Kranzmayer (1956) § lh und Ii. 7
Sie läßt sich nach Kranzmayer (1956: § 50c3) schon Ende des 13. Jh.s urkundensprachlich nachweisen. 8
Vgl. dazu Moser (1929) § 69, Anm. 3 und § 75, Anm. 6. Zum Mittelhochdeutschen vgl. ferner Paul/Wiehl/Grosse (1989) § 224 u. 462.
9
Vgl. dazu auch Matzel/Penzl (1982) 132.
Mhd. /a/ und /a:/
31
dumpfung a > o: "A wird in einem Mitteltone ausgesprochen, nicht so zart, wie das schwäbische a, und eben nicht so tief, wie das baierische a, so daß es fast wie ein ο heraus käme. Man spreche also das Mittel [...]." Friedrich Nicolai berichtet in der 'Beschreibung einer Reise durch Deutschland und die Schweiz im Jahre 1781', Bd. 6 (1785: 780), daß in München für α häufig ο zu hören sei. Der Münchner Andreas Zaupser weist in seinem 'Jdiotikon' (1789: 1) ebenfalls darauf hin: "Das α spricht der Baier und der Oberpfälzer sehr oft wie ο aus. Host für hast. Wos für was. Olt für alt. Hogel für Hagel. Soft für Saft." Ein weiterer Hinweis für die Hebung von α > ο in der Oberpfalz findet sich in Bd. 2 (1783: 401) der bereits genannten Reisebeschreibung von Friedrich Nicolai. Das aus mhd. /a/ (/a:/) entstandene offene /q/ (/Q:/) ist auch heute noch im Bairischen anzutreffen (Verfasser 1989). Bei erhaltenem Kurzvokal (z.B. in Acker, A f f e oder Gasse) erscheint jedoch in einigen Mundarten, wie beispielsweise in der Münchner Stadtsprache, das dunkle bairische [ä]. Im Nordbairischen und in der Gegend südlich von Wiener Neustadt ist mhd. /a:/ zu [QU] diphthongiert worden: z.B. blousen und housen 'Hasen' PI.10
10
Zu den Verhältnissen in den einzelnen Mundarten vgl. Schmeller (1821) § 108; Schönberger (1934) 38 f. u. 40; Kollmer (1949) 78 ff.; Grundler (1951) 58 ff. u. 75; Brünner (1955) 19; Kranzmayer (1956) § 1 u. Karte 1; Trost (1956) 59 ff.; Steinhauser (1961) 167173; Maier (1965) 34 ff.; Wiesinger (1970) 1,304 ff.; Gladiator (1971) 83; Denz (1977) 38; Zehetner (1978) 64; Kollmer 1 (1987) 17 u. 25; die Gegebenheiten im Nordbairischen sind außerdem dokumentiert bei Gütter (1971) Karte 1 u. 8 und Kollmer (1985) 130, Karte I. Vgl. ferner DSA Karte 127.
2 Die e-Laute
2.1 Der Wandel /e/ > /i/
Mhd. /e/ (Primärumlaut) erscheint im Bairischen seit dem 12. Jh. vor /r/ bzw. /r/ + Konsonant als . 1 In den untersuchten Handschriften und Drucken fanden sich hierfür nur noch wenige Beispiele. Am häufigsten konnte wirme (< mhd. werme) nachgewiesen werden, das bis ins 17. Jh. belegt ist. Moser (1929: § 71.1) ist dagegen der Auffassung, daß der Wandel e > im der Schriftsprache nur bis ins 16. Jh. nachzuweisen ist. kirczen N. Sg. (Cgm 610) 179rb, ein hirtter stain (Cgm 502) 12rb, ain hirte hiren schall (Cgm 610) 159vb, wirme EINBL. (1489) 2 mal, wirm BERTH. V. R E G E N S B U R G (1528) 25.4, Wirm THIRMAIR (1633) 1 /
Die Hebung /e/ > /i/ ist heute vor allem im Mittelbairischen anzutreffen. Sie wird durch ein folgendes r ausgelöst, das aufgrund der hohen Artikulationsstelle an den Alveolen eine Hebung des vorangehenden Vokals bewirkt. Das linguale r wird bei der Aussprache in postvokalischer Position leicht vernachlässigt und kann dabei in den Öffnungslaut [B] übergehen. Durch diese Vokalisierung erscheint mhd. /er/ im westlichen und östlichen Teil des Mittelbairischen und in weiten Gebieten des Nordbairischen meist als [IB], in dem dazwischenliegenden Gebiet (heute Oberösterreich), das die ursprüng-
1
Daß < i > für mhd. e in mittel- und frühneuhochdeutscher Zeit als Reflex der Mundart anzusehen ist, hat V. Moser (1916) mit Verweis auf Schmeller (1821: § 137) und Weinhold (1867: § 18) in seiner umfassenden Abhandlung über i (für mhd. e) aufgezeigt, wobei er auch ausführlich auf die Verhältnisse in der rezenten Mundart eingeht. Zur mittel- und frühneuhochdeutschen Zeit vgl. ferner Weinhold (1867) § 18; Moser (1929) § 71; Tarvainen (1968) 161; Paul/Wiehl/Grosse (1989) § 64. 2
Vgl. auch viertig 'fertig' bei Schmeller (1872) 1,761 (aus Cgm 4543); Belege für wirm und kirczen finden sich außerdem bei Weinhold (1867) § 18.
Die e-Laute
33
liehe Lautung zunächst bewahrt hat, als [ςπ]; - Verfasser (1989).3 Diese Vokalisierung konnte in den Texten nicht nachgewiesen werden. Denkbar wäre, daß sie während des Untersuchungszeitraums noch nicht so stark ausgeprägt war und deshalb nicht bezeichnet wurde. Da aber die Kennzeichnung des mundartlichen Diphthongs auch beim postvokalischen -/- fehlt (vgl. o.), drängt sich die Vermutung auf, daß die Liquidenvokalisierung grundsätzlich nicht als Diphthong wiedergegeben wurde. In Tirol und am Lechrain ist mhd. -er- bis heute erhalten geblieben, in der Tirol-Salzburg-Bayerischen Länderecke erscheint es dagegen als /iu/4.
2.2 Der Vokalwechsel e / i
Die in diesem Kapitel aufzuführenden Lexeme haben im Bairischen, abweichend von der neuhochdeutschen Standardsprache, ein i oder e im Stamm. Da dieser Vokalwechsel e/i bei einem Teil der Belege vor r + Konsonant auftritt, entsteht der Eindruck, als sei dies auf die oben beschriebene Hebung bair. e > i zurückzuführen. Es handelt sich hier jedoch entweder um alte Doppelformen, die auf den Wandel germ, i > e, germ, e > i und Ablaut (selten) zurückzuführen sind,5 oder um Varianten, die sich erst in frühneuhochdeutscher Zeit entwickelt haben. Sie sind auch noch in den heutigen Mundarten anzutreffen und sollen deshalb in den nächsten Abschnitten erörtert werden.
3
Vgl. dazu auch Karte 6 bei Kranzmayer (1956). Zu mhd. /er/ in der gesprochenen Mundart des 19. und 20. Jh.s vgl. ferner Schmeller (1821) § 206; Schönberger (1934) 41; Kollmer (1949) 90 f.; Maier (1965) 52 ff.; Gladiator (1971) 5 u. 33; Zehetner (1978) 89 f.; vgl. ferner den Kommentar zu Karte 66 im Kleinen Deutschen Sprachatlas Bd. 1.1 (1984). 4
Nach Kranzmayer (1956: § 4g5) handelt es sich hiebei um "altertümliche Rückzugsschollen." Schönberger (1934: § 65) ist der Auffassung, dieser Laut "deutet auf eine andere Artikulation des r, und zwar auf eine palatovelare, mittelgaumige nach dunklem / hinneigende". 5
Vgl. dazu Paul/Wiehl/Grosse (1989) § 28-33.
34
Sprachliche Untersuchung
2.2.1 Der Wandel germ, /i/ > /e/ Der Wandel germ, i > e führte zu Wortdupla, die im Mittelhochdeutschen meist noch nebeneinander existierten: gegenwertig / gegenwirtig, gelerning / gelimig, schrecken / schlicken, scheff / schiff, scherm / schirm. In frühneuhochdeutscher Zeit bleiben diese Bildungen in den Sprachlandschaften unterschiedlich lange erhalten. In den bayerischen Handschriften und Drucken erscheinen gelirnig (Schmeller 1872: l,] 502), schrick, erschricken (ebd. 2,597), scheff (ebd. 2,384) und scherm (ebd. 2,468) bis ins 16. bzw. 17. Jh., in der gesprochenen Mundart bis heute; - Verfasser (1989). Bei der Verwendung der ursprünglichen Formen gegenwirtig, gelirnig und wohl auch bei schrick haben sicherlich die in Kapitel 2.1 zitierten /-Formen hirt, kirczen und wirm(e) eine Rolle gespielt. gegenwirtige handlung (Cgm 225) 2r, von dem gegenwirtigen Gerichtzstandt GERICHTSO R D N U N G (1522) 34v, vgl. auch gegenwärtig bei Schmeller (1877) 2,1013 - vngelimig (Cgm 639) 19r, gelirnig H A U E R (1523) E4r, dass. F U C H S P E R G E R (1542) 169, MEICHEL (1631) 6 - schrickenn D. Sg. (Cgm 301) 241v, erschrickenn ebd., (er) erschricket ... sich (Cgm 442) 70r, schrick (Cgm 529) 26rb, schricken V. THIRMAIR (1633) 1; vgl. auch schrickig und geschrickig bei Schmeller (1877) 2,597 - scheff (Cgm 315) 28rb, dass. (Cgm 355) lr, (Cgm 385) 157v, (Cgm 453) 61r, (Cgm 522) 4vb, (Cgm 610) 187vb, scheffman (Cgm 302) 25v, die schefreychen weisser L A N D P O T (1522) 12v, scheflewt BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 16.1, Scheflohn H A M M E R W E R K S E I N I G U N G (1594) 8v - scherm 'Schutz' (Cgm 323) 37v, dass. (Cgm 346) 155r, (Cgm 347) lOv, (Cgm 352) 48r, (Cgm 442) 18r, (Cgm 453) 158v, A V E N T I N (1519) Blv, GER I C H T S O R D N U N G (1522) 7r, BERTRH. V. CHIEMSEE (1528) 39.4, schermer 'Beschützer' (Cgm 302) 29v, schermen (Cgm 355) 66r, dass. BERTH. V. CHIEMSEE 13.9.
2.2.2 Sonstiges Im folgenden werden Doppelformen aufgeführt, die auf den Wandel germ. e > i, auf Ablaut oder jüngere Entwicklungen zurückzuführen sind. kersche / kirsche Bei kersche hat wahrscheinlich die Phonemverbindung /rs/ im Bairischen den Wandel germ, e > i verhindert, in den Nachbardialekten nicht (daher nhd. kirsche).6 Bair. kersche wird in den untersuchten Texten bis Ende des 17. Jh.s verwendet, in der gesprochenen Mundart bis heute (Verfasser 1989): kerschen N. PI. (Cgm 249) 261r u. KUCHENMEYSTEREY (1486) Blr, Kerschenmues ebd. B2r, kernen N. PI. REGIMENT (1490) A3v, kerschen A.
6
Kranzmayer (1960: 8) zählt Kersche zu den bairischen Kennformen (im Gegensatz zu den sogenannten bairischen Kennwörtern).
Die e-Laute
35
PI. SCHÖNFELDER (1691) 57. Der bayerische Grammatiker Heinrich Braun fordert in seiner 'Sprachkunst' (1765: 150) Kirsche und Kirschbaum statt mundartlich Kersche und Kerschbaum. tegel / tiegel Die Bildung tegel ist vermutlich aus mlat. *tegula entlehnt worden 7 und hat sich nach Dehnung des Stammvokals lautgesetzlich zu ti(e)gel entwickelt;8 letztere hat dann die im Oberdeutschen verbreitete Form tegel aus der Schriftsprache verdrängt. In den untersuchten bayerischen Texten ist e im Stamm bis ins 17. Jh. anzutreffen, in der rezenten Mundart bis heute (Verfasser 1989): liecht degel 'Lampe in Tiegelform' HORNSTEIN (1596) E2r, degelein THIRMAIR (1633) 7. Stengel / stingel Das überwiegend auf bairisches Gebiet beschränkte stingel ist ablautende Nebenform zu stengel.9 Es kommt in bayerischen Texten offensichtlich nur bis ins 17. Jh. vor: THIRMAIR (1633) 20; weitere Belege bei Schmeller (1877) 2,771. Heute wird im Bairischen in der Regel die Variante stingel gebraucht (Verfasser 1989). pfersich / pfirsich Pfirsich (mhd. pfersich ist erst seit dem 12. Jh. bezeugt) ist eine hyperhochdeutsche Schreibung, die wohl durch die mitteldeutsche Senkung i > e bewirkt wurde. 10 Mhd. pfersich, das im Bairischen bis heute üblich ist,11 konnte in den Drucken noch Ende des 18. Jh.s nachgewiesen werden: pfersichen D. PI. REGIMENT (1490) A3v, Pfersichfarbe LEUTHER (1790) 60. schmerzhaft / schmirzhaft Das Adj. schmirzhaft ist von dem schwachen Verbum smirzen abgeleitet. 12 Die Tatsache, daß in den bayerischen Quellen bis Ende des 17. Jh.s die i-
7
Vgl. Kluge/Seebold (1989) 729.
8
Zum Wandel e > i vor u der Folgesilbe vgl. Braune/Eggers (1987) § 30.
9
Vgl. dazu auch DWB 10.2.2,3141.
10
Vgl. Moser (1929) § 71, Anm. 2.
11
Vgl. dazu die Ausführungen im WBÖ 2,52.
12
Vgl. dazu DWB 9,1039.
36
Sprachliche Untersuchung
Form erscheint, ist vermutlich von dem oben erwähnten Wandel bair. e > i vor Irl beeinflußt worden: schmirtzhafft GEIGER (1649) 21; vgl. auch schmirzen bei Schmeller (1872) 1,557. pensei / pinsel Bei der Herausbildung der neuhochdeutschen Schriftsprache hat sich die mitteldeutsche Variante pinsel durchgesetzt.13 Die ursprüngliche Form pensei kommt in den bayerischen Drucken bis ins 18. Jh. vor: Pensei HERTH (1715) 3; Braun fordert in seiner Grammatik (1765: 162) die Schreibung Pensei! In den bairischen Mundarten wird heute überwiegend bemsel verwendet (Verfasser 1989). Die Phonemverbindung /ms/ ist vermutlich durch Fernassimilation des Nasals an den labialen Anlaut entstanden. 14 Die mundartliche Konsonantenfolge ms erscheint in den untersuchten Texten noch Anfang des 18. Jh.s: Pemsel Hieber (1728) 7. brennen / brinnen In nhd. brennen sind zwei verwandte Verben zusammengefallen: Das starke intransitive brinnen (ahd. brinnan) und das schwache und transitive brennen (ahd. brennan)}5 Die Form brinnen ist in den bayerischen Drucken bis in die 1. Hälfte des 18. Jh.s belegt. mit prynnender andacht (Cgm 225) 24v u.ö., prinnen (Cgm 301) 260r, prynnen (Cgm 502) 72va, (der Zorn) v'prinet (Cgm 525) UT, prinnen (Cgm 639) 45v, (es)print KUCHENMEYSTEREY (1486) A5r, prynnen BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 1.5, brinnen DALHOVER (1688) 30, brinnend Part. Präs. WEINBERGER (1727) 39.
Heute ist brinnen selten anzutreffen, da es in zahlreichen bairischen Mundarten bereits völlig von brennen verdrängt wurde.16
2.3 Der Wandel /e/ > /ö/
Durch die im 12./13. Jh. einsetzende Entrundung von /ö/ > /e/ (s. u. § 4.3) waren zum Teil schon in mittelhochdeutscher Zeit /ö/ und /e/ zusammen-
13
Vgl. ebd. 7,1816.
14
Vgl. WBÖ 2,1013 ff.
15
Vgl. dazu auch Kluge/Seebold (1989) 104 f.
16
Vgl. dazu WBÖ 3,981.
Die e-Laute
37
gefallen. In der Schriftsprache führte dies zu einer zunehmenden Vermischung der Zeichen < e > und < ö > . Ähnliches ist auch bei < i > und < ü > zu beobachten. Mit der gleichzeitig einsetzenden Rundung von /e/ > /ö/ werden die Vorgänge in einigen Sprachlandschaften dermaßen verwischt, daß nicht mit Sicherheit festgestellt werden kann, ob die ö-Schreibungen tatsächlich eine Rundung widerspiegeln (vgl. u.).17 Die Schreibung < ö > (für mhd. e), die sich zunächst nur beim Primärumlaut nachweisen läßt und bis ins 18. Jh. auftritt, taucht in bestimmten Lexemen bevorzugt auf: am häufigsten in erwählen, wölch, hör 'Heer', mör 'Meer', wör 'Wehr', frömd und öpfel. < ö > vor /I/: (er) wehölt 'behält' (Cgm 529) 77vb, erwblen LANDPOT (1520) 49r, erwb(h)l(e)t Part. Perf. GERICHTSORDNUNG (1522) 5r, dass. PERNEDER (1544) 3v, WIMPINÄUS (1563) 2r, MACER (1570) 34v, REIFFENSTUEL (1676) 1, DALHOVER (1688) 25, ausserwbhlet KOLB (1745) 3, wblche HAUER (1523) A2r, dass. PERNEDER (1544) 3r, wblches HAFFNER (1568) 4r, wblchen MACER (1570) 6v, hold (Cgm 225) 48v, stbllen 'stellen' MEICHEL (1631) 251, Erzbhlung HALLWACHS (1680) 24. < ö > vor/r/: hör (Cgm 225), hör CHRONIK (1501) B8r, dass. BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 23.7, Kriegshbr REIFFENSTUEL (1676) 35, mör (Cgm 352) 244, dass. (Cgm 529) 15vb, mbr CHRONIK (1501) B5b, dass. BERTH V. CHIEMSEE (1528) 16.1, WIMPINÄUS (1563) 24r, wbr (Cgm 225) 15v, wbren LANDPOT (1520) 45v, dass. MEICHEL (1631) 164, Gegenwbhr DALHOVER (1688) 5, ernbrn GERICHTSORDNUNG (1522) 83v, Caminkbhrer LV (1731), Hbrstrassen D. PI. LV (1735), verzbhrt Part. Perf. KOHLBRENNER (1783) 71. < ö > vor anderen Konsonanten: ain frömder man (Cgm 290) 39r, in frömden lannden oder in frömden steten (Cgm 618) 18rb, frbmbd ΒΕκΤΉ V. CHIEMSEE 7.2, öpfl N. PI. (Cgm 352) 146r, öpfel A. PI. (Cgm 376) 15v, öpffl G. PI. (Cgm 502) 17va, Oepffel N. PI. THIRMAIR (1633) 9, Ibstern WIMPINÄUS (1563) 2\\,fbst Adj. HALLWACHS (1680) 22, Gbgner HOLZER (1753) 12, Trbber KOHLBRENNER (1783) 73.
Neben den oben aufgeführten Beispielen, in denen < ö > ( < 6 > ) beim sogenannten Primärumlaut erscheint, zeigt sich diese Schreibung auch vereinzelt beim alten /e/: Möth THIRMAIR (1633) 8, Wachskörtz REIFFENSTUEL (1676) 24, Flbck 'Fleck' HALLWACHS (1680) 30, böllet! Imperativ HIEBER (1728) 7. Da nur diese späten Belege nachgewiesen werden konnten, liegt die Vermutung nahe, daß zunächst lediglich beim Primärumlaut ein Sprachwandel eingetreten ist. Nach Kranzmayer (1956: § 3c) sind seit dem 13. Jh. mbair. die e-Laute vermischt worden. 18 Gegen diesen frühen Zeitpunkt spricht allerdings die Tatsache, daß < ö > ( < 6 > ) beim
17
Vgl. Moser (1929) § 65 u. 66.1; Hartweg/Wegera (1989) 106.
18
Vgl. auch Maier (1965) 47.
38
Sprachliche Untersuchung
alten /e/ erst im 17. Jh. auftaucht: Anscheinend wurden der Primärumlaut und das alte /e/ bis ins 16. oder 17. Jh. im wesentlichen auseinandergehalten. Die Schreibung < ö > bzw. < δ > für mhd. e wird in der Forschung recht unterschiedlich interpretiert. Schmeller (1821)19 ist der Auffassung, dieser Digraph bezeichne ein geschlossenes e. Oskar Brenner (1892: 139) vermutet, daß als Folge der Entrundung im 15. Jh. "neue dumpfe, den ö, ü, äu im Laut ähnliche Vokale" gebildet wurden, die "von i, e, ai sich mehr oder minder deutlich unterschieden". In der Abhandlung von Matzel/Penzl (1982: 130) wird in Erwägung gezogen, ob Beispiele wie b6 oder Cb des Grammatikers Braun vielleicht als Warnung vor einer französierenden (also gerundeten) Aussprache zu werten seien. Interessant ist in diesem Zusammenhang eine andere Stelle bei Braun (1765: 20), in der er auch das lange e mit einbezieht: "Man spricht: Esel, Engel, Elend, erbarmen, Entschluß, ehrlich, nicht Oesel, Oengel, örbarmen, Oentschluß, öhrlich." In der Nachlese zum 'Jdiotikon' (1789: 2) geht Andreas Zaupser ebenfalls auf diesen Aspekt ein und zitiert aus der bayerisch-oberpfälzischen Mundart die Verben Ibben und göben (mhd. leben und gebenl). Aus diesen Äußerungen der zeitgenössischen Grammatiker geht hervor, daß die oben aufgeführten Schreibungen auf < ö > und < 6 > sicherlich als Reflex der gesprochenen Mundart anzusehen sind. Fraglich ist nur, ob diese Formen (nach Schmeller) das geschlossene e anzeigen oder als Indiz für eine Labialisierung angesehen werden können. Für letzteres spricht die Tatsache, daß mhd. -el- und -elheute im Nordbairischen, am Lechrain sowie im östlichen Teil des Mittelund Südbairischen mehr oder weniger stark gerundet werden. 20 Wie die Verhältnisse in den heutigen Mundarten zeigen, ist diese Rundung allerdings nicht überall gleichmäßig durchgedrungen. 21 Die von Brenner (vgl. o.) vermutete Aussprache könnte somit als Zwischenstufe angesetzt werden. 22
19
Vgl. ebd. § 326: "Daher, daß der Umlaut von ο in unsern Dialekten gewöhnlich als έ [gemeint ist ein geschlossener e-Laut] gehört wird, mag es wohl gekommen seyn, daß man schon seit dem XV. Jahrhundert diesen Laut έ, auch wo er nicht aus ο entstanden ist, durch 6 bezeichnet." 20
Die rezente Mundart ist bezeugt durch Kranzmayer (1956) § 4f u. Karte 4; Brünner (1955) 24; - Verfasser (1989). Vor /r/ ist dieser Wandel auf ein kleines Gebiet im westlichen Mittelbairischen beschränkt; vgl. Kranzmayer (1956) § 4g u. Karte 6. 21 22
Sie ist vermutlich erst spät (im 18./19. Jh.?) erfolgt.
Vgl. zu diesem Aspekt auch Kianzmayer (1938: 82), der hier auf die gerundeten Vokale im Zimbrischen hinweist.
Die e-Laute
39
2.4 e in den Nebensilben
2.4.1 Der Übergang von /e/ > /a/ Bei den hier aufgeführten Belegen repräsentiert die Schreibung < a > wahrscheinlich den heute noch in der Mundart üblichen Schwalaut [B].
2.4.1.1 Mittelhochdeutsch -et und -eht bei den Adjektiven Die Adjektivsuffixe -et und -eht erscheinen im bairischen Sprachraum seit dem 14. Jh. als < - a t > . 2 3 In den Handschriften des 15. Jh.s kommt diese Schreibung noch oft vor, in den Drucken des 15. und 16. Jh.s ist sie bereits selten, und ab der Mitte des 16. Jh.s. verschwindet sie schließlich völlig aus der Schriftsprache. Am häufigsten findet sich die Verbindung < - a t > in nackat und torat. mhd. -et: nakat (Cgm 352) 88v, nackat (Cgm 385) 134r, dass. (Cgm 529) 53rb, (Cgm 620) 57vb, den nackaten D. Sg. (Cgm 639) 21r. mhd. -eht: (in aiphabet. Reihenfolge) pucklat (Cgm 352) 125r, dass. BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 40.12, eckat (Cgm 352) 2v, dass. BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 28.3, kropfat (Cgm 610) 177ra, vnder einen lochraten stuel (Cgm 376) 65v, mit einem locharten loffel KUCHENMEYSTEREY (1486) C2v, narrat BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 51.19, rößlat 'rosig' (Cgm 620) torat (Cgm 225) 34r, dass. (Cgm 352) 183r, (Cgm 525) 18va.
Die Belege zeigen, daß die beiden Adjektivendungen im Frühneuhochdeutschen nicht mehr auseinandergehalten wurden. Offensichtlich ist die Verbindung -eht schon früh zu -et vereinfacht worden, das dann wie das Suffix -et zu -at wurde. Die Belege spiegeln wahrscheinlich den Laut [ßd] wider, der auch heute noch gesprochen wird (Verfasser 1989).24
23 24
Vgl. Henzen (1965) § 131; Moser/Stopp (1973) § 29 u. § 57.
Zu den einzelnen Mundarten im 19. und 20. Jh. vgl. auch Schmeller (1821) § 234 und Maier (1965) 122 f. Zum Suffixsynkretismus in -et, -at in den heutigen mittelbairischen Mundarten siehe Reiffenstein (1969).
40
Sprachliche Untersuchung
2.4.1.2 Mittelhochdeutsch -et(e) bei den Verben Im Präsens und Imperfekt der schwachen Verben wird das Morphem -et(e) seit dem 14. Jh. gelegentlich mit bzw. wiedergegeben (z.B. er achtat, sie lobaten).25 Bei den schwachen Verben konnte -ate allerdings nur noch in den Handschriften des 15. Jh.s nachgewiesen werden, da in den bayerischen Drucken des 16. und 17. Jh.s das Imperfekt der schwachen Verben gemieden wird (vgl. Kap. 15.1).26 3. P. Sg. Präs.: er zerat 'er zerrt' (Cgm 315) 44ra, (er) danckat ebd, 42va, (er) weinat (Cgm 352) 141v, (er) vastat vnd wachat ebd. 178r, erfrolockat ebd. 179r, (er) dienat ebd. 183r, (er) achtat (Cgm 610) 16va, (er) pettat 'er betet' ebd. 23ra, sie ... bettat (Cgm 620) 28ra. 3. P. PI. Prät. Ind.: (sie) lobatten (Cgm 529) 8rb, sy wartaten ebd. 15ra, (sie) hinderaten (ihn) (Cgm 610) 13ra, (sie) lestratn ebd., (sie) richtaten (Cgm 639) 70v.
In den heutigen Mundarten ist die Phonemverbindung /at/ bzw. /ate/ bei den schwachen Verben nur noch selten anzutreffen. In Teilen des Südbairischen ist der Vokal in der 3. P. Sg. Präs. allerdings bis heute erhalten geblieben. 27 Ob das Zurückweichen der Schreibung aus der Schriftsprache auf einen Wandel der Aussprache zurückzuführen ist oder ob andere Gründe (Verwechslung mit dem Konjunktiv!) dafür verantwortlich sind, wird im einzelnen noch zu erläutern sein (vgl. u. Kap. 19).28
25
Vgl. Weinhold (1867) § 305; Moser/Stopp (1973) § 57 u. § 62.
26
Dal (1965) ist der Auffassung, daß der Präteritumschwund nicht ausschließlich auf die Apokope zurückgeführt werden kann: "Was geschehen ist [gemeint ist der Präteritumschwund] bedeutet also nicht, daß das Dentalsuffix aufgegeben wurde, sondern daß seine Funktion eine Änderung, oder richtiger: eine Einschränkung erfahren hat, indem es ausschließlich als Modusbezeichnung verwendet wird" (3). Und abschließend wird festgestellt, "daß die modale Bedeutungsbelastung des Dentalsuffixes eine mitwirkende Ursache des süddeutschen Präteritumschwundes gewesen ist" (7). 27 28
Vgl. dazu die Ausführungen bei Wiesinger (1989) 34-36.
Es sei hier darauf hingewiesen, daß im Bairischen der Konjunktiv Imperfekt bei den starken und schwachen Verben mit der Endung -ad gebildet werden kann, die allerdings helles α aufweist (Verfasser 1989).
Die e-Laute
41
2.4.2 Mittelhochdeutsch -ende Das Suffix -ende erscheint bair. im Partizip Präsens der starken und schwachen Verben seit dem 12. Jh. als . 2 9 In den untersuchten Quellen fand sich die Schreibung < - u n d > lediglich in den Handschriften des 15. Jh.s und bei Berthold v. Chiemsee (1528). Der Beleg bei Weinhold (1867: 294) stammt aus einer Handschrift vom Jahre 1649 (Urkunde des Klosters Indersdorf), so daß wir davon ausgehen können, daß -und in bayerischen Drucken nur bis Anfang des 16. Jh.s vorkommt. wachund (Cgm 352) 145v, waynund ebd. 212v (-und oft in Cgm 352), lauffund (Cgm 355) 114r, wuetund ebd. 66v (-und oft in Cgm 376), ein tobundes tier (Cgm 376) 68r, sneydund (Cgm 442) 13v,/7iessund ebd. 12v, varund (Cgm 522) 31ra, wissund BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 3.2, sprechund ebd. 4.9 (-und oft bei BERTH. V. CHIEMSEE).
Der aus Regensburg stammende Johann Ludwig Prasch erwähnt in seiner Grammatik (1687: 22) noch das Partizipium auf -und, ohne sich allerdings über die Herkunft zu äußern. Im 17./18. Jh. wurde diese Bildung in den meisten Gebieten des bairischen Sprachraumes offensichtlich allmählich zu der heute überwiegend gebrauchten Endung [-nd] vereinfacht. 30
2.4.3 Mittelhochdeutsch -est Im Mittelhochdeutschen sind die Superlativmorpheme ahd. -isto und -östo zusammengefallen, 31 da die Vokale /i/ und /o:/ zum Schwalaut abgeschwächt wurden. Im Bairischen wurde die Endung -ist neben dem im 15./16. Jh. bereits seltenen Suffix -est beibehalten. 32 In den untersuchten bayerischen Texten wird -ist bis in die Mitte des 18. Jh.s verwendet. die eltisten (Cgm 302) 45v, (Cgm 502) 58va, aller loblichist (Cgm 606) 26va, Dem durchleuchtigisten fursten TITULARBUCH (1490) 2r, Das hochwirdigist Sacrament SCHATZGER (1525) Arv, güetigister... voter BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 32.3, auffs fleissigist LAUTHER (1569) 16v, am k<isten HORNSTEIN (1596) C4r, DER Aller Durchleuchtete O R D N U N G (1630) A2r, auffs wenigist GEIGER (1649) 7, der allerheiligiste Vatter REIFFENSTUEL (1676) 1, auf das zierlichist HERTH (1715) 3, auß dem Durchleuchtigisten Chur=Hauß Baym KRESSLINGER (1719) 3, die allerseeligiste
29
Zum Mittel- und Frühneuhochdeutschen vgl. Weinhold (1867) § 289 u. 312; Tarvainen (1968) 156; Moser/Stopp (1973) § 42; Paul/Wiehl/Grosse (1989) § 59.4
30
Schreibwandel ist hier wahrscheinlich die Folge eines Sprachwandels.
31
Zum Althochdeutschen vgl. Braune/Eggers (1987) § 263.
32
Zum Mittel- und Frühneuhochdeutschen vgl. Weinhold (1867) § 246; ders. (1883) § 312 u. 313; Moser/Stopp (1973) § 53.1.
42
Sprachliche Untersuchung
Jungfrau WEINBERGER (1727) 50, unser Durchleuchtigister Hertzog HIEBER (1728) 7, (des) glorreichisten Kirchen=Beherrschers HOLZER (1753) 13.
Während die volle Form in einigen bairischen Mundarten bis ins 19. Jh. anzutreffen war, ist der Vokal heute meist durch Synkope beseitigt worden (Verfasser 1989). Nur in einigen Gegenden ist er (als [b] oder [a]) erhalten geblieben. 33 Das Zurückweichen der regionalen Form aus der Schriftsprache ist in unseren Texten vermutlich auf eine Veränderung der Aussprache zurückzuführen.
2.4.4 Synkope Bei den Ausführungen zur Synkope (und Apokope) soll im Rahmen dieser Untersuchung vor allem gezeigt werden, wann die einzelnen Phänomene aus der bayerischen Schriftsprache verschwinden. Eine ausführliche Darstellung, wie sie Lindgren (1953) für die Zeit vor 1500 geboten hat, muß einer Arbeit vorbehalten bleiben, die sich ausschließlich diesem Themenbereich widmet.
2.4.4.1 Mittelhochdeutsch geDie Synkope von mhd. ge-,34 die im Bairischen nicht nur wie in der neuhochdeutschen Standardsprache auf Fälle vor η und l beschränkt ist, erscheint bis in die Mitte des 17. Jh.s. Im 18. Jh. fanden sich nur noch gnug sowie die Lexeme gnad, glück, glaub(e) und gleich, die in die neuhochdeutsche Standardsprache Eingang gefunden haben. Synkope vor Nasal: gmüt PERNEDER (1544) 14r, gmüter N. PI. MAYER (1577) 28r, der gmain mann WIMPINÄUS (1563) 18v. - Gnad SCHATZGER (1525) Alv, dass. PERNEDER (1544) lr, WALDNER (1562) E2v, MAYER (1577) 33v, Gnaden HOLZ E R (1753) 7. - gnueg HAUER (1523) Blr, dass. PERNEDER (1544) 30r, gnug BINSFELD (1591) 42r, dass. MEICHEL (1631) 87, WEINBERGER (1727) 45, - gnaw WIMPINÄUS (1563) 50v. Synkope vor /V: glayt LANDPOT (1520) 14r, gierten N. PL (1544) 4v, glehrt Part. WIMPINÄUS (1563), glebt MEICHEL (1633) 17. - glück WAKIUS (1713) 99, dass. HERTH (1715) 10, HIEBER (1728) 14. - Glaub WAKIUS (1713) 99. Synkope vor Spirant: gfar PERNEDER (1544) llv, Gfengnus WALDNER (1562) B3v, niederfallen MEICHEL (1631) 20. - gstalt HAUER (1523) B4v, gschrift SCHATZGER
33 Vgl. Lessiak (1903) 104 und Maier (1965) 121. Zur gesprochenen Mundart des 19. Jh.s vgl. Schmeller (1821) § 893-895 und Weinhold (1867) § 246. 34
Zum Mittelhochdeutschen vgl. Michels (1979) § 61, Bürgisser (1988) 121-124 sowie Paul/Wiehl/Grosse § 55.
Die e-Laute
43
(1525) F2v, Gsellen Ν. PI. WALDNER (1562) B3r, Gsell MEICHEL (1631) 27. - gwalt HAUER (1523) A3v, dass. PERNEDER (1544) 4v, WIMPINÄUS (1563) 2r, HAFFNER (1568) l l r , MAYER (1577) lOv. B e i m Partizipial-Präfix wird g- nach Synkope häufig an d e n f o l g e n d e n K o n s o n a n t e n assimiliert, w e n n das G r u n d m o r p h e m mit e i n e m Verschlußlaut b e ginnt. D i e s e Bildungen, die wohl durch die alten präfixlosen F o r m e n w i e komen
(s. u.) unterstützt wurden, sind in d e n untersuchten T e x t e n bis ins
16., v e r e i n z e l t bis ins 17. Jh. anzutreffen, im Mittel- und Nordbairischen bis heute. 3 5 than HAUER (1523) C2v, dass. BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 4.12, tragen HAFFNER (1568) 12v, truncken MAYER (1577) 7v. - Ekthlipsis: ganngen GERICHTSORDNUNG (1522) 34v, gangen WALDNER (1562) N3r, SCHÖNFELDER (1691) 5, geben36 HAFFNER (1568) 18r, dass. LAUTHER (1569) Uv. Die Form glaubt ist auf die alte Partitizipialform gelaubet zurückzuführen: glaubt Part. Perf. HAUER (1523) F2v, MAYER (1577) 5v. D i e Partizipien bracht, funden,
komen,
troffen
und worden
sind im Mittel-
h o c h d e u t s c h e n n o c h o h n e Präfix, da die b e t r e f f e n d e n V e r b e n an sich perfektiv w a r e n . 3 7 In d e n untersuchten T e x t e n treten d i e s e B i l d u n g e n bis ins 18. Jh. auf. pracht GERICHTSORDNUNG (1522) 49r, bracht HAFFNER (1568) 2v, dass. BINSFELD (1591) 18v, funden (Cgm 522) 27va, dass. WALDNER (1562) Glv, HAFFNER (1568) 5v, komen (Cgm 225) 15r, kommen LAUTHER (1569) 2v, dass. REIFFENSTUEL (1676) 219, troffen MACER (1570) 7r, worden LAUTHER (1569) 3v, dass. WEINBERGER (1727) 46. D i e o b e n g e n a n n t e n F o r m e n sind im bairischen R a u m bis h e u t e in der M u n d a r t gebräuchlich. 3 8 D a s Part. Prät. v o n essen gezzen39,
lautet in mittelhochdeutscher
Zeit
meist
das im F r ü h n e u h o c h d e u t s c h e n noch lange gebraucht wird, im
Bairischen bis h e u t e (Verfasser 1989): gessen H A F F N E R ( 1 5 6 8 ) 33r, dass. M A Y E R ( 1 5 7 7 ) 7v.
35
Die rezente Mundart bezeugen Grundler (1951) 93f.; Kranzmayer (1956) § 29e; Maier (1965) 115; Zehetner (1985) 90; - Verfasser (1989).
36
Vereinzelt kommt die präfixlose Form bereits im Mittelhochdeutschen vor; vgl. Paul/Wiehl/Grosse (1989) § 243.
37
Vgl. Paul (1917) 2,276 ff. und Paul/Wiehl/Grosse (1989) § 243.
38
Dies bezeugen Grundler (1951) 94; Kranzmayer (1956) § 29e; Maier (1965) 115; Verfasser (1989). 39
Vgl. Paul/Wiehl/Grosse (1989) § 243, Anm. 1.
44
Sprachliche Untersuchung
Heinrich Braun wendet sich in seiner 'Sprachkunst' (1765) mehrmals gegen die Synkopierung; zum Präfix ge- bemerkt er (71 f.): "Das e wird nach dem g oft verbissen und ausgelassen. Man spricht und schreibt er ist gstorben, gwesen, gstanden, er hat gschrieben, gstudiert. Ist es dann nicht viel zierlicher wenn man schreibt: er ist gestorben, gewesen, gestanden ? u.s.f."
2.4.4.2 Mittelhochdeutsch beBeim Präfix be- ist Synkope selten.40 Dies liegt wahrscheinlich daran, daß be- vor allem bedeutungsdifferenzierende Funktion hat, die bei der Synkope des Vokals und anschließender Assimilation (z.B. (be)gehen) verlorengehen würde. 41 Weil die Assimilation nur bei Verschlußlaut eintritt, wird hier offensichtlich nicht synkopiert. In den bayerischen Texten erscheint der Vokalschwund in erster Linie vor /s/ bzw. /s/ + Konsonant. bständig H A U E R (1523) A3r, ain bsonder artickel PERNEDER (1544) 21v, bsteht 3. P. Sg. Präs. MEICHEL (1631) 45, bfunden ebd. 39.
Da bei be- auch in den heutigen bairischen Mundarten vorwiegend vor /s/ bzw. vor /s/ + Konsonant die Synkope durchgeführt wird (Verfasser 1989), sind die ersten drei Belege sicherlich ein Reflex der Mundart. Hierzu passen auch die Ausführungen von Andreas Zaupser, der im Vorwort zum 'Baierisch-oberpfälzischen Jdiotikon' (1789: 2) die Synkope bei be- vor Konsonant erwähnt und dabei als Beispiel lediglich bair. bsuecht anführt. 42 Die Form bfunden, die als Ekthlipsis zwischen Labialen aufzufassen ist, wird heute allerdings nicht mehr verwendet, und es ist fraglich, ob sie je gesprochen wurde.
40 Bürgisser (1988:122) weist in seiner Untersuchung zu bayerischen Urkunden vom Ende des 13. Jh.s darauf hin, daß bei be- kein einziger Fall von Synkope auftritt. - Zum Mittelund Frühneuhochdeutschen vgl. auch Moser/Stopp (1970) § 3; Paul/Wiehl/Grosse (1989) § 55; Hartweg/Wegera (1989) 108 f. 41 42
Vgl. dazu die Ausführungen im WBÖ 1,746.
"E zwischen zween Mitlautern wird größtenteils geschluckt. Man spricht gschwind ffir geschwind, Gsicht ffir Gesicht, bsuecht ffir besucht."
Die e-Laute
45
2.4.4.3 Mittelhochdeutsch -es Im Flexionsmorphem -es (G. Sg.) findet sich die schon früh bezeugte Synkope bis Ende des 18. Jh.s. Sogar der 1798 erschienene Text von Westenrieder (s. Literaturverzeichnis), der kaum mundartliche Einflüsse aufweist, enthält mehrere synkopierte Formen. Die Synkope tritt in den untersuchten Quellen bevorzugt nach Dental ein. gotz (Cgm 225) 19r, diensts MAYER (1577) 63r, tags HORNSTEIN (1596) B3r, Kinds REIFFENSTUEL (1676) 2, Liechts HERTH (1715) 4, Hofs KRESSLINGER (1719) 8, GOTTshauß HIEBER (1728) 3 u.ö., Lands KOHLBRENNER (1783) 29, Volks WESTENRIEDER (1798) 75, Landsordnung ebd. 119.
In der Mundart wird der Genitiv in der Regel gemieden und mit dem Dativ umschrieben. In den wenigen Fällen, in denen der Genitiv vorkommt (es sind zumeist feste Wendungen, wie heutigen Tages oder in Gottesnamen) wird das unbetonte e heute durchwegs synkopiert, auch wenn dadurch Konsonantenhäufungen eintreten (Verfasser 1989) 43
2.4.4.4 Mittelhochdeutsch -et Mhd. -et wird in den einzelnen Flexionssilben sch6n mhd., besonders aber zu Beginn des Frühneuhochdeutschen, häufig zu -i.44 Daneben bleibt aber vor allem in der 3. P. Sg. Präs. und im Partizip Perfekt -et meist erhalten. 3. P. Sg. Präs.: (er) sihet... / hbret / redet / wircket / vnd leidet WALDNER (1562) G3v, prediget DOBEREINER (1570) C7r, stellet BINSFELD (1591) 3v, setzet DAHLHOVER (1688) 9, entnimmet HERTH (1715) 3, schreibet WEINBERGER (1727) 1, singet HIEBER (1728) 4, ziehet HOLZER (1753) 6, stehet KOHLBRENNER (1783) 18, zeiget WESTENRIEDER (1798) 35. Part. Perf.: geschmächet HAUER (1523) A2r, geprediget WALDNER (1562) G2r, erlediget LAUTHER (1569), gelobet MAYER (1577) 2v, versorget MÜLLER (1591) 13, erlustiget REIFFENSTUEL (1676) 3, beraubet HERTH (1715) 3, widerhollet KRESSLINGER (1719) 4, gemachet WEINBERGER (1727) 4, gestellet HIEBER (1728) 6, entfernet WESTENRIEDER (1798) 84.
Heinrich Braun geht in seiner 'Sprachkunst' (1765: 69) ausführlich auf die Synkope (und Apokope) beim Verbum ein: "Man soll also nicht schreiben: ich lieb, du liebst, er liebt: ich lob, du lobst, er lobt: u.s.f. Man muß vielmehr der Regel folgen, und schreiben: ich liebe, du liebest, der liebet, ich lobe, du lobest, der lobet den Herrn etc." Beim Partizip Perfekt fordert Braun (1765: 43
Vgl. dazu auch Wittmann (1943) 73; Merkle (1976) 96.
44
Vgl. dazu auch Moser/Stopp (1970) § 17.
46
Sprachliche Untersuchung
403) ebenfalls die vollen Formen, sie sind aber seiner Meinung nach nicht zwingend vorgeschrieben: "Geliebet, gelehret; nicht geliebt, gelehrt, wiewohl es eben keine Sprachfehler sind."
2.4.4.5 Mittelhochdeutsch -el Das Suffix -el erscheint bis ins 18. Jh. häufig ohne e. artigkl vnnd capitl GERICHTSORDNUNG (1522) 35, reg! H A U E R (1523) C4r, mantl BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 13.6, deckt LAUTHER (1569) 22r, Bettlstab MEICHEL (1631) 122, Zettl DALHOVER (1688) 40, Mittl SCHÖNFELDER (1691) 32, Spindl KRESSLINGER (1719) 19, Beut! WEINBERGER (1727) 37, Mittl HIEBER (1728) 9.
Die Belege spiegeln wohl die gesprochene Mundart wider, die bei -el den Vokal bis heute synkopiert (Verfasser 1989).
2.4.4.6 Mittelhochdeutsch -en(e-) In der Verbindung -en(e-) ist Synkope selten, doch findet sie sich vereinzelt bis Ende des 18. Jh.s. gsworn Part. Perf. GERICHTSORDNUNG (1522) 44r, ghaltn ebd. 42v, mit... gebognen Knien REIFFENSTUEL (1676) 3, erfundnes ... Wunderstuck HIEBER (1728) 8, nach verschiednen Gegenden WESTENRIEDER (1798) 2, von den ausgestorbnen Grafenhbusern ebd. 283.
Heute wird -en im Mittel- und Nordbairischen nach Spirans oder /n/ häufig zu [-B] vereinfacht. Lediglich nach Dental (z.B. essn), teilweise nach /x/ (z.B. machn) und nach /f/ (z.B. ofn) bleibt auslautendes -(e)n erhalten, und es tritt Synkope ein.45
2.4.4.7 Sonstiges Im 16. Jh. werden (abgesehen von den auch heute in der Standardsprache üblichen Formen am, ans etc.) dem und den gelegentlich an die vorausgehende Präposition angehängt, wobei das Enklitikon zu m oder η reduziert
45
Die rezente Mundart bezeugen Kranzmayer (1956) § 46h u. Karte 24; Maier (1965) 138 f.; Wiesinger (1989) 14-25; - Verfasser (1989). Die Verhältnisse im Nordbairischen sind außerdem dokumentiert bei Gütter (1971) Karte 23.
Die e-Laute
47
wird: 46 aufm land LANDPOT (1520) 15v u.ö., dass. G E R I C H T S O R D N U N G (1522) 64r, awsm mund BERTH. V. C H I E M S E E (1528) 4.14, aufn menschen ebd. 5.2. Offensichtlich wurden diese Bildungen bald als grob mundartlich empfunden, da sie bereits seit der zweiten Hälfte des 16. Jh.s aus der bayerischen Schriftsprache verschwunden sind. Nach dentalem Verschlußlaut ist bis ins 18. Jh. häufig Ekthlipsis zu beobachten, dabei wird -tet > -t und -det > -(d)t. 3. P. Sg. Präs. Ind.: redt HAUER (1523) A4v, dass. SCHATZGER (1525) Blv, WIMPINÄUS (1563) 9r, DOBEREINER (1570) C7r, findt HAFFNER (1568) 20v, bedeut MAYER (1577) 30r, redt WAKIUS (1713) 34. Part. Perf.: geredt GERICHTSORDNUNG (1522) 50v, verplendt HAUER (1523) A3r, geredt BERTH. V. CHIEMSEE 5.4, vngetrbst WIMPINÄUS (1563) 32v, geschadt HAFFNER (23v, geantwort LAUTHER (1569) 12v, getrbst MACER (1570) 2v, vollendt REIFFENSTUEL (1676) 6, geendt WAKIUS (1713) 33, geredt WEINBERGER (1727) 46.
Bei wirdet wurde Ekthlipsis meist schon im Mittelhochdeutschen durchgeführt; daneben wird aber in der Schriftsprache bis in die zweite Hälfte des 16. Jh.s die volle Form verwendet, die auch in unseren Texten vorkommt: wirdet 3. P. Sg. G E R I C H T S O R D N U N G (1522) 13v, dass. P E R N E D E R (1544) lr, L A U T H E R (1569) 9r, wirdest 2. P. Sg. M A Y E R (1577) 41v. Vermutlich liegt hier sekundäres e vor, das wegen der in der Mundart weit verbreiteten Synkope wieder eingefügt wurde; damit wären diese Formen als Hyperkorrektismen anzusehen. Zusammenfassend läßt sich sagen, daß das Zurückweichen der Synkope, die nach Aussagen der Zeitgenossen in der gesprochenen Sprache bis ins 18. Jh. anzutreffen war und auch in der rezenten Mundart noch vorkommt, im wesentlichen auf außersprachliche Kriterien zurückzuführen ist. Daneben muß in einigen Fällen aber auch mit innersprachlichen Faktoren gerechnet werden.
2.4.5 Apokope Die Apokope des auslautenden -e tritt Anfang des 13. Jh.s im Bairischen auf und ist hier Ende des 14. Jh.s bereits zu 90% durchgeführt. 47 Da die
46
Vgl. dazu Moser/Stopp (1970) § 26.4
47
Vgl. dazu Lindgren (1953) 178.
48
Sprachliche Untersuchung
Apokopierung bis 1500 in der Darstellung von Lindgren umfassend untersucht wurde, 48 sollen im folgenden Abschnitt die Verhältnisse nach 1500 aufgezeigt werden. In den untersuchten bayerischen Quellen erscheint die Apokope bis ins 17. Jh., vereinzelt tritt sie sogar bis in die 2. Hälfte des 18. Jh.s auf. A m häufigsten findet sie sich in den Werken von Meichel (1631) und Reiffenstuel (1676).
2.4.5.1 Substantiv Die Apokope zeigt sich bis ins 18. Jh. oft im N. Sg. der starken Feminina, im Ν. A. PI. der starken Maskulina sowie im N. Sg. der schwachen Maskulina, Feminina und Neutra. N. Sg. st. Fem.: hilff GERICHTSORDNUNG (1522) 48v, gab SCHATZGER (1525) A3v, red ebd. A4r, dass. MACER (1570) 14r, Lehr WALDNER (1562) L3v, lehr HAFFNER (1568) 5r, dass. LAUTHER (1569) 14r, Lehr MACER (1570) llv, dass. BINSFELD (1591) 4v, sach HORNSTEIN (1596) D2v, Raiß MEICHEL (1631) 20, Schand ebd. 59, Meß REIFFENSTUEL (1676) 6, Gnad ebd. 70, Raach DALHOVER (1688) 10, Sach ebd. 31, Frag KRESSLINGER (1719) 4, Seel ebd. 8, Klag HIEBER (1728) 8, Lieb HOLZER (1753) 3, Münz FINAUER (1768) 2. Ν. A. PI. st. Mask.: Knecht A. PI. LANDPOT (1520) lOv, freündt A. PI. HAFFNER (1568) 15r, Pfeil A. PI. BINSFELD (1591) llr, G&st N. PL MEICHEL (1631) 7, Bainbr&ch N. PI. ebd. 54, Wundtärtzt N. PI. GEIGER (1649) 21, Fl&ß N. PI. REIFFENSTUEL (1676) 32), F6ß A. PI. HIEBER (1728) 10, stein N. PI. ebd., Wünsch A. PI. HOLZER (1753) 15. N. Sg. schw. Mask., Neutr., Fem.: Nam MACER (1570) 24v, Will MAYER (1577) 33v, Nef WAKIUS (1713) 60, Lbw FINAUER (1768) 18, Both WESTENRIEDER (1798) 302. - or HAUER (1523) Clr, Hertz WALDNER (1562) B3r, aug HAUER (1523) Clr, dass. SCHATZGER (1525) G2v, Aug DIETL (1786) 86. - Sonn MÜLLER (1591) 124, dass. DONAUER (1611) 23, HOLZER (1753) 7, Kirch HIEBER (1728) 4 u.ö. Im Dativ Singular der starken Neutra bleibt das Endungs-e häufig erhalten, während es im D. Sg. der starken Maskulina zumeist bis in die zweite Hälfte des 18. Jh.s fehlt. D. Sg. st. Neutra.: lannde GERICHTSORDNUNG (1522) 7r, Jare HORNSTEIN B4r, Ende WEINBERGER (1727) 50, dass. HIEBER (1728) 7, Vatterlande ebd. 6, Getreide KOHLBRENNER (1783) 15, Faße ebd. 25, Jahre WESTENRIEDER (1798) 50. D. Sg. st. Mask.: leib HAUER (1523) F4v, geyst SCHATZGER (1525) H4v, Feind DALHOVER (1688) 9, Wirth WAKIUS (1713) 27, Mund WEINBERGER (1727) 7, Berg WESTENRIEDER (1798) 29. Bei den Substantiven Mühe und Ruhe ist Apokope selten: Mähe B I N S F E L D (1591) 20r, dass. M Ü L L E R (1591) 65, H O R N S T E I N (1596) D3r, ruhe 48
Zum Bairischen vgl. ebd. 182, Graphik 1; vgl. ferner zur Apokope Moser/Stopp (1973) § 2-4.
Die e-Laute
49
WALDNER (1562) F3r, Ruhe MEICHEL (1631) 21, dass. REIFFENSTUEL (1676) 134. Die Feminina Abstrakta auf ahd. t verlieren das Endungs-e nicht. Vermutlich hat sich der lange Vokal im Auslaut der Apokope widersetzt; vgl. dazu auch weiter unten die Ausführungen zu den heutigen Mundarten. grbße MÜLLER (1591) 49, Kälte MEICHEL (1631) 12, Stärke REIFFENSTUEL (1676) 74, Frühe ebd. 224, Weite KRESSLINGER (1719) 12, Schwärtze WEINBERGER (1727) 11, Weite / Länge / und Hbhe ebd. 17; vgl. auch die Belege für die Braite, Dicke, Enge, Fäule, Finstere, Güte, Kürtze, Schärpffe, Schwäre, Tieffe und Trückne aus dem 'Parnassus Boicus' bei BIRLO (1908) 44.
Bemerkenswert ist, daß die oben aufgeführten Lexeme in den untersuchten Texten selten mit dem Morphem -en (ahd. in, mhd. -en) belegt sind. Lediglich kelten 'Kälte' und weiten 'Weite' konnten je einmal im 15. Jh. nachgewiesen werden. Nominativ und Akkusativ Plural von ding, werk und wort erscheinen wie im Mittelhochdeutschen bis ins 17./18. Jh. meist ohne -e,49 Während in der neuhochdeutschen Standardsprache das epithetische -e durchgedrungen ist, werden in der bayerischen Schriftsprache lange die endungslosen Formen gebraucht. In einigen Fällen wurde wohl auch vereinzelt auftretendes epithetisches -e wieder getilgt. ding A. PI. HAUER (1523) A4r, dass. N. PI. SCHATZGER (1525) Clv, A. PI. WALDNER (1562) G2v, N. PI. HAFFNER (1568) 35r, DOBEREINER (1570) A3v, A. PI. MAYER (1577) 26v, BINSFELD (1591) 5r, MÜLLER (1591) 28, N. PI. MEICHEL (1631) 14, A. PI. HERTH (1715) 5. - werk A. PI. WALDNER (1562) D2v, werck N. PI. HAFFNER (1568) 18v, dass. MAYER (1577) 26v, Werk BINSFELD A. PI. (1591) lr, Werck N. PI. MEICHEL (1631) 49. -wort A. PI. HAUER (1523) A2v, dass. N. PI. SCHATZGER (1525) Blr, Wort N. PI. WALDNER (1562) A2v, dass. Α PI. MACER (1570) 7r, DALHOVER (1688) 39, HIEBER (1728) 21.
Die Grammatiken des 18. Jh.s gehen häufig auf die Apokope ein. In den 'Grundsätzen der deutschen Sprache' (1723: 72) von Johann Bödiker wird ausführlich beschrieben, wo das Endungs-e verwendet wird: "[Bei den] abstrakta, welche es meistens haben, als die Länge, Höhe etc. [...] Die Beschwerde. Die Freude. Die Klage [...] II. Deutet es gewisse Casus an, als Dat. und Ablat. der Mund, dem Munde, in dem Munde. III. Ist es ein Zeichen des Pluralis einiger Nominum. Der Tisch, Die Tische." Gottsched (1762: 212) kritisiert vor allem die Apokope bei den Feminina: "Wie also diejenigen unrecht thun, die den weiblichen Wörtern das Endungs=E
49
Zum Mittelhochdeutschen vgl. Paul/Wiehl/Grosse (1989) § 180.
50
Sprachliche Untersuchung
rauben, wenn sie ζ. E. sprechen und schreiben: die Krön', die Lieb', die Gnad' u.s.w." Auch Heinrich Braun 50 erläutert in seiner 'Sprachkunst' (1765: 67), wann nicht apokopiert werden darf: "Von dem nothwendigen e zu reden, so ist richtig, daß die Wörter der zweyten Declination unumgänglich in dem Nominativ, Genitiv, Akkusativ und Vocativ der vielfachen Zahl (Numeri pluralis) ein e nöthig haben, z.E. der Feind, die Feinde: das Pferd, die Pferde, das Thier, die Thiere, der Stand, die Stände, der Baum, die Bäume u.s.f." Für Adelung (1782: 1,439) ist die Apokope ein Kennzeichen des Oberdeutschen: "Einige harte Oberdeutsche Mundarten kennen dieses e nicht, sondern sprechen ohne Unterschied Bub, Knab, Has, Ries, Böhm, Schwab, Preuß u.s.f. und halten die mildere Form wohl gar für eine Obersächsische Unart." Weiter unten (1,455) fährt er fort: "So wie man im Oberdeutschen das mildere e an den männlichen Wörtern verbeißt, so lässet man aus eben der Neigung zur Härte auch das End e der weiblichen Wörter in vielen Gegenden weg [...]." Die Stelle aus der Grammatik von Adelung (1782: 1,439) zeigt, daß der Streit um das sogenannte "Lutherische e" bis ins 18. Jh. anhält. Diese Auseinandersetzung nimmt zum Teil recht polemische Züge an und geht dabei häufig an dem eigentlichen Thema vorbei. Heute wird im Bairischen das auslautende -e bei den Substantiven überwiegend apokopiert (Verfasser 1989);51 lediglich die Feminina Abstrakta auf ahd. i erscheinen in einigen nordbairischen Mundarten mit Endungsvokal.52 Da bei der Apokope das Flexionsmorphem verlorengeht, wird der Plural ersatzweise durch Umlaut (vgl. u.) oder Verlagerung des Silbenschnitts gebildet.53
50
Zur Apokope bei Braun vgl. zusammenfassend auch Matzel/Penzl (1982) 133 f.
51
Vgl. dazu auch die umfassende Darstellung von Mausser (1915), bes. S. 3-36 und 68 f.
52
Vgl. dazu Birlo (1908) 44. - Formen wie Härte und Kälte, die Schmeller (1821: § 856) ohne regionale Einschränkung neben Bildungen auf -en aufführt, sind nach Mausser (1915: 32) nur in "Versuchen Schriftdeutsch zu reden" anzutreffen. 53
Vgl. Kranzmayer (1956) § 34 k2.
Die ί-Laute
51
2.4.5.2 Adjektiv Beim Adjektiv ist das -e in allen Kasus und Geschlechtern meist beibehalten (bzw. wieder eingeführt) worden.54 ain pbse sach A. Sg. GERICHTSORDNUNG (1522) 38r, dise vnchristliche verßerische predig D. Sg. HAUER (1523) A2v, ain gütwillige freye gab N. Sg. PERNEDER (1544) lv, die Gbttliche / Himmlische vnd ewige Gerechtigkeit WALDNER (1562) G4v, reissende Wblff N. PI. WIMPINÄUS (1563) 2r, ire alte art Α. Sg. ebd. 5r, alle Schriften D. PI. HAFFNER (1568) 4v, ware oder falsche Christen N. PI. ebd. 18r, ein schlechte Hoffnung LAUTHER (1569) 4v, süsse glatte wort D. PI. DOBEREINER (1570) A5v, die alte waar A. Sg. ebd. B5v, das höllische fewr N. Sg. MACER (1570) 15r, ein grewliche vbertreffliche red ebd. 16r, meine aigne sünd MAYER (1577) 3v, haimliche ding ebd. 4r, schbne hohe Tafeln A. PI. MÜLLER (1591) 13, schbne vnd kbstliche Gefeß A. PI. ebd. 78, solche Vrsachen BINSFELD N. PI. (1591) 4v, andere gottselige Werck A. PI. ebd. 17v, ein Freundtliche Bitt HORNSTEIN N. Sg. (1596) A4r, saure / wurmige / stainige bpffel N. PI. MEICHEL (1631) 22, braite blawe vnd schwartze Flecken N. Sg. GEIGER (1649) 11, das hohe vnd weite Meer A. Sg. REIFFENSTUEL (1676) 20, folgende Wort N. PI. DALHOVER (1688) 5, der heitere und lebhaffte Tag N. Sg. HERTH (1715) 3, keine andere Freude N. Sg. HIEBER (1728) 20, keine andere Ehr N. Sg. ebd.
Im Mittelbairischen ist das -e in der Adjektivflexion heute im wesentlichen erhalten geblieben.55 Nach Schmeller (1821)56 wurden die auf mhd. -iu zurückgehenden Adjektivendungen in der Mundart gesprochen, so daß wir davon ausgehen können, daß die oben aufgeführten Formen (im N.Sg.F. und N.A.P1.N.) auf -e die gesprochene Mundart widerspiegeln. Die übrigen Bildungen sind nur schwer einzuordnen, da heute hier in einigen Gebieten des bairischen Sprachraumes Apokope anzutreffen ist.57 So muß bei diesen Belegen auch damit gerechnet werden, daß Einfluß nach dem Muster der neuhochdeutschen Schriftsprache bzw. Übertragung der auf mhd. -iu zurückgehenden Formen vorliegt.
54
Im folgenden werden auch Formen auf mhd. -iu aufgeführt, das sich vermutlich im 16. Jh. allmählich zu -e abgeschwächt hat; vgl. u. S. 86. 55
Dies ist bezeugt durch Maier (1965) 136; Lipoid (1983) 1182, bes. Ba-2; - Verfasser (1989). Vgl. ferner DSA Karte 66.
56 57
Vgl. vor allem ebd. § 225-229.
Vgl. dazu vor allem Lipoid (1983) 1182 f. und DSA Karte 66. Bei Schmeller (1821: § 224) findet sich übrigens auch der Hinweis, daß "e als Nominativ-Endung der Adjektive nach der, die das [...] gewöhnlich unausgesprochen" bleibt; vgl. o. auch die Belege bei MACER (1570), REIFFENSTUEL (1676) und HERTH (1715).
52
Sprachliche Untersuchung
2.4.5.3 Verb In der 1. P. Sg. Ind. Präs. der starken und schwachen Verben zeigt sich die Apokope im 16. und 17. Jh. häufig, im 18. Jh. ist sie offensichtlich selten. Ich gelob vnd schwbr GERICHTSORDNUNG (1522) 39, ich glaub WALDNER (1562) L4r, Ich red HAFFNER (1568) 5r, ich sag ebd. 18r, (ich) bekenn MAYER (1577) 9r, ich schlaff oder wach ebd. 56r, (ich) bett 'bete' BINSFELD (1591) 7v, ich hab HORNSTEIN (1596) A3r u. C2v, ich halt MEICHEL (1631) 47, ich hab DALHOVER (1688) 12.
Die 1. und 3. P. Sg. Konj. Präs. der starken und schwachen Verben wird schon in der zweiten Hälfte des 16. Jh.s selten apokopiert, bereits Ende des 17. Jh.s erscheint hier durchwegs -e. dz er ... heile vnnd zurecht bringe WALDNER (1562) Hlv, er wblle HAFFNER (1568) 14v, er ... tödte MAYER (1577) 53r, (es) mbge beschehen MÜLLER (1591) 10, (es) werde HORNSTEIN (1596) B3v, man ... setze vnd stelle ebd. Elr, er erzaige MEICHEL (1631) 49, (er) lige ebd. 59, (er) predige WAKIUS (1713) 5, (er) lige ebd. 17, daß Ich kbnne KRESSLINGER (1719) \\, daß niemand komme WEINBERGER (1727) 8, (es) whre HIEBER (1728) 5, (es) bew&rcke ebd. 19.
Im Imperativ Singular der schwachen Verben wird dagegen das -e bis ins 17. Jh. abgestoßen: Merck SCHATZGER (1525) A4r, dass. MACER (1570) lOr, volg LAUTHER (1569) 7v, dass. MAYER (1577) 46r, Hör MEICHEL (1631) 28, versuech ebd. 78. Die 1. und 3. P. Sg. Imperf. der schwachen Verben wird im 18. Jh. meist mit -te gebildet. Für das 16. und 17. Jh. fanden sich dafür kaum Belege; dies ist wohl auf die Tatsache zurückzuführen, daß die gesprochene Mundart das Imperfekt nicht kennt. (Belege 18. Jh.:) (er) wüste KRESSLINGER (1719) 7, (ich) fihrte WEINBERGER (1727) 5, Er entdeckte ebd. 13, (er) scheute HIEBER (1728) 7, (er) suchte ebd. 10, (er) erbffnete HOLZER (1753).
Die Grammatiker des 18. Jh.s erörtern auch die Apokope beim Verbum ausführlich. Zur 1. P. Sg. Präs. schreibt Carl Friedrich Aichinger (1754: 303): "ich halt, ich laß u.s.f. Jch will es leiden, aber nicht loben." Heinrich Braun (1765: 69) fordert das Endungs-e im Konjunktiv der starken Verben: "Alle Zeitwörter (verba) der zweyten Conjugation haben in der gegenwärtigen und jüngstvergangenen Zeit des Conjunctivs (in tempore praesenti & imperfecta Conjunctivi) am Ende der ersten und dritten Person ein e. z.E. daß ich sehe, daß ersehe; daß ich sähe, daß ich gehe, und ergehe; daß ich gierige, und er gienge." Der Imperativ Sg. soll nach Braun (1765: 69) ebenfalls auf -e gebildet werden: "Also auch im Jmperativ: lobe du, liebe du den Herrn, nicht lieb, lob den Herrn u.s.f." Johann Bödiker (1723: 73) erläutert ausführlich,
Die e-Laute
53
wann nicht apokopiert werden darf: "1, An der prima praesentis Indicat. & Conjunct, ich lebe, ich rede, ich straffe, ich liege, ich singe [...] 2, An der tertia praesent. Conjuct. er sage, er rede, etc. [...] 3, Jm Jmperativo [der schw. Verben]. 4, Das Imperf. Conjunct. [...] ich schlüge, er schlüge, ich läse, er läse." In der gesprochenen Mundart wird das Endungs-e bei den Verben bis heute in der Regel getilgt.58 Damit sind allerdings die 2. P. Sg. Imperativ und die 1. und 3. P. Sg. Präs. der schwachen Verben von den übrigen Formen auf (t)e nicht mehr zu unterscheiden. Die Mundart ist daher auf das Perfekt ausgewichen und hat das Imperfekt völlig aufgegeben. 59 Dies ist vermutlich auch der Grund, daß in den untersuchten Texten das Imperfekt der schwachen Verben im 16. und 17. Jh. selten belegt ist. Die heutigen Verhältnisse in den südbairischen Sprachinseln legen die Vermutung nahe, daß früher stärker differenziert wurde.60 So hält das Zimbrische heute noch den Imperativ der starken und schwachen Verben auseinander (ζ. B. ich hilfe; hilf! aber ich mache; mache!). Das Bestreben nach Eindeutigkeit hat wohl auch bewirkt, daß beim Konjunktiv Präsens - im Gegensatz zum Indikativ Präsens - in den bayerischen Quellen selten apokopiert wird.
2.4.5.4 ihme, deme, ohne Bei ihm (mhd. ime neben im)61 und dem (mhd. deme, dem)62 wird die volle Form gelegentlich bis ins 18. Jh. verwendet. Da hier im Bairischen schon früh Apokope eingetreten ist, handelt es sich bei den meisten der unten aufgeführten Belege vermutlich um hyperkorrekte Schreibungen, d.h. es liegt eigentlich epithetisches -e vor. jme GERICHTSORDNUNG (1522) 5r, dass. BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 1.4, PERNEDER (1544) 9r,jhme HAFFNER (1568) 5r u.ö., dass. LAUTHER (1569) 4v u.ö., DOBEREINER (1570) Blv, HORNSTEIN (1596) A3r, MEICHEL (1631) 78 u.ö., REIFFENSTUEL (1676) 11 u.ö., ERTL (1684) 88, SCHÖNFELDER (1691) 6, HERTH (1715) 15, KRESSLINGER (1719) 10, HIEBER (1728) 5 u.ö., HOLZER
58
Vgl. Schindler (1821) § 233; die Mundart des 20. Jh.s ist bezeugt durch Maier (1965) 137; - Verfasser (1989).
59
Vgl. dazu auch Dal (1960).
60
Vgl. dazu Kranzmayer (1956) § 34 k5 und Wiesinger (1989) 26.
61
Zum Mittelhochdeutschen vgl. Paul/Wiehl/Grosse (1989) § 214.
62
Vgl. ebd. § 217.
54
Sprachliche Untersuchung (1753) 4. - deme BINSFELD (1591) 4v, dass. REIFFENSTUEL (1676) 26, WAKIUS (1713) 26, WEINBERGER (1727) 21, HIEBER (1728) 7, nachdeme WEINBERGER (1727) 206, indeme Konj. HIEBER (1728).
In Anlehnung an ime wird ihn (mhd. in neben älterem inen)63, das ja ursprünglich kein -e aufwies, bis ins 17./18. Jh. auch ihne bzw. jhne geschrieben: jhne LAUTHER (1569) 4v u.ö., ihne BINSFELD (1591) 2v, jhne MEICHEL (1631) 69 u.ö. Heinrich Braun kritisiert in seiner Grammatik (1765: 65) die Formen ihme, ihne, und deme: "Man setzet oft zu einem Pronomen oder Adverbium ein fiberflfissiges e. z.E. wenn einige schreiben: ihme, ihne, zu deme, anstatt ihm, ihn, zu dem (ad illium) und zudem (überdas)." Da Braun das Endungs-e in den angeführten Beispielen als "überflüssig" bezeichnet, können wir davon ausgehen, daß ihne auch noch im 18. Jh. verbreitet war (vgl. o.). Die Präposition ohne (mhd. äne, än)M wird im 16. Jh. meist apokopiert; in der zweiten Hälfte des 16. Jh.s taucht allerdings bereits häufiger -e auf, und seit der zweiten Hälfte des 17. Jh.s wird nur noch die volle Form gebraucht. on LANDPOT (1520) 42r, dass. HAUER (1523) Elr, PERNEDER (1544) lr, ohn WALDNER (1562) C2v u.ö., dass. LAUTHER (1569) 4v, MACER (1570) 3v u.ö., BINSFELD (1591) 2v, MEICHEL (1631) 33 u.ö. - ohne WALDNER (1562) G3r, one LAUTHER (1569) 15r, ohne BINSFELD (1591) 2v, dass. MEICHEL (1631) 25 u.ö., REIFFENSTUEL (1676) 7 u.ö., WAKIUS (1713) 1 u.ö., HIEBER (1728) 4 u.ö.
Die zweisilbige Lautung ist heute im gesamten Mittelbairischen anzutreffen (Verfasser 1989). Offensichtlich hat hier der Nasal schon früh die Apokope behindert. Da in der rezenten Mundart die Endung zum Teil sogar volltonig ist, entsteht allerdings auch der Eindruck, als läge ahd., mhd. *aniu zugrunde. 65
2.4.6 Epithetisches e Formen mit epithetischem -e können als hyperkorrekte Schreibungen angesehen werden und spiegeln somit die Unsicherheit des Mundartsprechers wider; vgl. dazu Lindgren (1953: 202): "Wenn die Erklärung richtig ist, gibt das epithetische -e einen Anhaltspunkt, wenn man schätzen 63
Vgl. ebd. § 214.
64
Vgl. Lexer 1,66.
65
Vgl. dazu die Ausführungen im WBÖ 1,226.
Die e-Laute
55
will, wie weit die Sprache in einem Text von der gleichzeitigen mündlichen abweicht. Ein Denkmal mit vielen solchen Formen stammt demnach wahrscheinlich von einem Schreiber, der in der mündlichen Rede stark apokopiert [...]." Diese Feststellung gilt bedingt auch für die vorliegende Untersuchung. Bei den folgenden Beispielen erweisen sich allerdings die Verhältnisse in den einzelnen Wortarten (Verb / Substantiv) als recht unterschiedlich.
2.4.6.1 Substantiv Bei den Substantiven auf -er ist epithetisches -e im Bairischen äußerst selten. In den untersuchten Texten konnte nur ein Beispiel nachgewiesen werden: Verehrere D. PL HIEBER (1728) 6; vgl hierzu auch Braun (1765: 63): "Die Wörter der ersten Declination lassen im Nominativ, Accusativ und Vokativ der vielfachen Zahl (numeri pluralis) kein e zu. Es ist also gefehlt, wenn man schreibt: die Schriftstellere, die Schreibere, die Vertheidigere, die Nachfolgere, die Stadtpflegere u.s.f." Hier sei auch der Vokaleinschub im Dativ Plural der Substantive auf -er angeführt, der nur in einigen Drucken des 17. und 18. Jh.s anzutreffen war: Klösteren REIFFENSTUEL (1676) 47, Richteren ebd. 68, Zifferen WEINBERGER (1727) 34, Menschen =Kinderen HIEBER (1728) 11, seinen Verehreren, Liebhaberen und Pfleg=Kinderen ebd. 12; Braun lehnt in seiner Grammatik (1765: 64) den Dativ auf -eren ab und führt als nicht zulässige Beispiele Schwesteren und Lägneren an. Echtes epithetisches -e tritt im Bairischen auch bei den übrigen Substantiven nur vereinzelt auf; die Belege reichen vom 16. bis ins 18. Jh.: wege N. Sg. BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 8.9 u.ö., rate N. Sg. ebd. 21.7, Gestalte A. Sg. ERTL (1684) 89, Zustande N. Sg. HIEBER (1728) 12, Tage N. Sg. ebd. 14. Der aus Regensburg stammende Johann Ludwig Prasch bemerkt dazu in seiner Grammatik (1687: 15): "Bisweilen wird es [= Ε] an ein Wort ungewöhnlich und unzulässig angehängt / als: der Mensche / Munde / Walde / die Versammlunge." Beim Dativ Singular von hand und kuh erscheinen im Mittelhochdeutschen teilweise unflektierte Formen ohne Endungsvokal.66 Wegen der im Bai-
66
Dies gilt vor allem für Kuh·, vgl. Paul/Wiehl/Grosse (1989) § 184, Anm. 3.
56
Sprachliche Untersuchung
rischen vorherrschenden Apokope können wir allerdings davon ausgehen, daß die in unseren Texten auftretenden Bildungen mit -e erst im 16. bzw. 17. Jh. entstanden sind. Auch bei den folgenden Belegen für bilde (mhd. bilde), schulde (mhd. schult und schulde) sowie helde (mhd. helt und helde) handelt es sich wahrscheinlich um sekundäres -e. hande D. Sg. PERNEDER (1544) 21v, Hände D. Sg. HIEBER (1728) 8, dass. ebd. 13, FINAUER (1768) 102, Kuhe D. Sg. REIFFENSTUEL (1676) 215. - Crucifix=Bilde N. Sg. HIEBER (1728) 7, Schulde A. Sg. ebd. 4, Heide DALHOVER (1688) 26.
Braun schlägt in seiner 'Sprachkunst' (1765: 66) vor, sich in Zweifelsfällen an den Beispielen guter Schriftsteller zu orientieren: "Man solle überhaupt keinem Worte ein überflüssiges e anflicken, wenn man nicht das Beyspiel guter Schriftsteller aufzuweisen hat. Man saget wohl: die Seele, die Henne, die Scheibe u.d.gl. Man saget aber nicht das Herze, das Gelde, das Gesichte, der Gerüche [...] u.d.gl."
2.4.6.2 Verb In der 1. und 3. P. Sg. Imperf. der starken Verben ist epithetisches -e bis in die zweite Hälfte des 18. Jh.s weit verbreitet. Am häufigsten erscheint es bei Meichel (1631) und Reiffenstuel (1676). Da beide Werke zahlreiche regionale Formen aufweisen, bestätigt dies (zumindest für das Präteritum der starken Verben) die eingangs erwähnte Vermutung, daß epithetisches -e vor allem auf die Unsicherheit des Mundartsprechers zurückzuführen ist: Weil in der Mundart praktisch keine Präteritalformen auf -e existieren, wird in der Schriftsprache auch bei den starken Verben "vorsichtshalber" ein e angefügt. (er) erschiene BINSFELD (1591) 7r, (ich) sähe MEICHEL (1631) 13 u.ö., (er) fände ebd. 139, (er) hielte REIFFENSTUEL (1676) 2 u.ö., (er) befahle ebd. 7, (er) flöhe ERTL (1684) 88, (er) gäbe DALHOVER (1688) 29, niemand ... sähe HERTH (1715) 7, (es) käme WEINBERGER (1727) 6, (es) hielte ebd. 19, (es) finge HIEBER (1728) 20, (es) begäbe (sich) ebd. 1728), (er) sähe FINAUER (1768) 32, (er) läge LORI (1772) 13, (er) zöge ebd. 15.
Heinrich Braun rügt in seiner Grammatik (1765: 65) dieses epithetische -e und geht dabei auch auf die Endung im Imperativ Singular der starken Verben ein: "Alle Zeitwörter (verba) der zweyten Conjugation lassen weder in der jüngstvergangenen Zeit (in Imperfecta), noch im Jmperativ ein e zu.
Die e-Laute
57
Z.E. ich gieng, geh du, nicht ich gienge, gehe du u.s.f." In einem Übungssatz, der Mundartfehler enthält, erwähnt Braun (1765: 239) die Beispiele sie schriebe und gäbe."61 Das bei Braun erwähnte epithetische -e im Imperativ Singular der starken Verben ist in den untersuchten Texten selten. Es taucht hier nur vereinzelt im 16. und 17. Jh. auf: nyme BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 43.13, sihe ebd. 7.6, Sihe HAFFNER (1568) 3v, dass. MEICHEL (1631) 2, nimme DALHOVER (1688) 27. Bemerkenswert ist, daß lediglich Belege von nehmen und sehen nachgewiesen werden konnten, bei denen - wohl in Anlehnung an die 1. P. Sg. Präs. - bereits in mittelhochdeutscher Zeit der Imperativ Singular vereinzelt mit -e gebildet wurde.68 Aufgrund der im Bairischen verbreiteten Apokope können wir allerdings davon ausgehen, daß es sich bei den oben aufgeführten Beispielen um Hyperkorrektismen handelt. 69 Bei den schwachen Verben auf -ern wird im 17. und 18. Jh. gelegentlich ein e eingeschoben: verhinderen REIFFENSTUEL (1676) 84, einlieferen 'einliefern' DALHOVER (1689) 2, das Zitteren HERTH (1715) 8, erneueren KRESSLINGER (1719) 4.70 Die 1. und 3. P. Sg. Präs. Konj. von sein (mhd. si) wird öfter seye geschrieben; die Belege reichen bis Anfang des 18. Jh.s: seye PERNEDER (1544) lr, HAFFNER (1568) 5v, MEICHEL (1631) 57, WAKIUS (1713) 29, KRESSLINGER (1719) 8, HIEBER (1728) 4. Heinrich Braun lehnt in seiner Grammatik (1765: 394) dieses -e ab und empfiehlt die Form sey. Da mhd. si bzw. nhd. sei (sey) der einzige Konj. Präs. Sg. ist, der ohne Endungse gebildet wird, könnte hier zum Teil auch analogische Beeinflussung vorliegen. Der Hang zur Apokope und die damit verbundene Anfügung von epithetischem -e hat aber sicherlich die Verwendung von seye gefördert. Die Ausführungen in diesem Abschnitt haben gezeigt, daß das epithetische e ein Indiz dafür ist, daß der Schreiber/Verfasser in der gesprochenen 67
Zum epithetischen -e bei Braun vgl. auch Matzel/Penzl (1982) 133 und 143 f.
68
Vgl. die Belege im DWB 7,522 (nehmen) und ebd. 10.1,129 (sehen).
69
Die Form sihe wird über Luther und Goethe bis ins 20. Jh. verwendet; vgl. die Belege im DWB 10.1,129 ff. 70
Vgl. auch oben S. 55 den Dativ Plural auf -eren.
58
Sprachliche Untersuchung
Mundart häufig apokopiert. Das Zurückweichen der Apokope wurde vermutlich stark von der äußerst emotional geführten Diskussion um diese sprachliche Erscheinung geprägt. Für das Verschwinden bzw. seltene Auftreten des unbetonten -e müssen in einigen Fällen allerdings auch innersprachliche Kriterien berücksichtigt werden (vgl. Kap. 19).
3 Mittelhochdeutsch Iii und Ii:/
3.1 Der Wandel Ii/ > im!
Mhd. /i/ erscheint im Bairischen seit dem 11./12. Jh. in geschlossener Silbe und in Einsilbern vor h ( = [ς]) und Irl auch als . 1 In den untersuchten Texten zeigt sich diese Schreibung, die wohl (nach Dehnung) die Diphthongierung Hl > /ΙΈ/ anzeigt, in viech bis ins 17. Jh., bei (ich) siech 'ich sehe', (du) siechst, (er) siecht sowie in geschiecht und beschiecht nur in den Handschriften und vereinzelt in den Drucken des 16. Jh.s. Vor /r/ läßt sich < i e > in erster Linie in dier, wier und hiert nachweisen; es handelt sich dabei ausschließlich um Belege aus Handschriften des 15. Jh.s. In den Landesverordnungen reichen die Belege dagegen bis ins 17. Jh. (vgl. u. S. 205). < i e > vor [ς]: viech (Cgm 290) 61v, dass. (Cgm 355) 33r, (Cgm 502) 46rb, (Cgm 639) 34v, KUCHENMEYSTEREY (1486) D5v, LANDPOT (1520) 44r, HAFFNER (1568) 45v, MAYER (1577)46v, BINSFELD (1591) 9r, HORNSTEIN (1596) Elv, STENGEL (1622) 40, MEICHEL (1631) 33, ich siech (Cgm 502) 5rb, dw siechst (Cgm 522) 47vb, (er) siecht (Cgm 525) 22rb, dass. PERNEDER (1544) 14r, (es) gschiecht (Cgm 502) 35rb, dass. (Cgm 543) 2r, 2 (es) beschiecht BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 4.14. < i e > vor Irh Dier (Cgm 442) 69v, dass. (Cgm 529) 4ra), dyer (Cgm 606) 5vb, mier (Cgm 442) 67r, wier (Cgm 442) 83v, dass. (Cgm 529) lira, wieyr (Cgm 606) llrb, hiert 'Hirte' (Cgm 290) 71r, dass. (Cgm 529) 5rb, hiertten N. PI. (Cgm 620) 28va, wiert 'Hausherr' (Cgm 290) 64r, hiers 'Hirsch' (Cgm 525) 43rb, beschiermer ebd. 44va.
Die oben aufgeführten Belege auf mhd. -i(e)r zeigen wahrscheinlich eine Zwischenstufe der mittelbairischen r-Vokalisierung an, bei der der zweite Bestandteil des Diphthongs u n d der Liquid gesprochen wurden. Orthoepische Zeugnisse des 17. und 18. Jh.s können ebenfalls dahingehend interpretiert werden. Der Regensburger Johann Ludwig Prasch erwähnt in
1
Zum Mittel- und Frühneuhochdeutschen vgl. Weinhold (1867) § 90; Moser (1929) § 72, Anm. 1; Kranzmayer (1956) § 7e2; Bürgisser (1988) 90-94; Paul/Wiehl/Grosse (1989) § 65 u. § 159, 10 u. 15. 2
Vgl. auch geschieht bei Bürgisser (1988) 94.
60
Sprachliche Untersuchung
seiner Grammatik (1687: 17) diesen Diphthong vor /r/: "Etliche wollen neuerlich / man soll schreiben: Mihr / Wihr; oder Mier / Dier etc. Ist unnöthig. Das R vor dem J klinget ohne das / als wenn ein Ε dazwischen stünde." In der 'Sprachkunst' (1765: 21) Heinrich Brauns findet sich bei der Beschreibung des Vokals i ein ähnlicher Hinweis: "Man spreche niemal ein e mit: mir, dir, wir, nicht mier, dier, wier."3 In den bairischen Mundarten erscheint der fallende Diphthong heute vor allem in Vieh und (du) siehst, (er) sieht.A Bei mhd. ir ist im Mittelbairischen und im südlichen Teil des Nordbairischen Liquidenvokalisierung eingetreten (Verfasser 1989).5
3.2 Mhd. Hl erscheint als
Gelegentlich findet sich in frühneuhochdeutschen Texten die Schreibung für mhd. /i/.6 In den untersuchten Quellen zeigt sich diese Erscheinung nur bei ein, das vom 14. bis 16. Jh. für die Präposition in verwendet wird: ein dem tabemackel (Cgm 502) 57ra.7 Da die Diphthongierung nur die langen Extremvokale erfaßt, ist im Bairischen beim Lexem in (nach Nasalierung?) vermutlich Dehnung eingetreten, die im 16. Jh. wieder aufgegeben wurde. Vielleicht wurde die Präposition in auch durch das Adverb mhd. In beeinflußt (vgl. nhd. herein)?
3
Vgl. dazu auch Matzel/Penzl (1982) 133.
4
Die rezente Mundart ist bezeugt durch Kranzmayer (1956) § 7f; Maier (1965) 61 f.; Zehetner (1978) 113; - Verfasser (1989). 5
Vgl. auch Kranzmayer (1956) § 7g.
6
Vgl. dazu auch Kehrein (1854) § 125.
7
Weitere Belege bei Schmeller (1872) 1,93 und im DWB 4.2,2082 Nr. 4.
8
Vgl. dazu auch Bürgisser (1988: 100), der < e i > für mhd. /i/ als "hyperkorrekte Schreibungen" interpretiert.
Mhd. Μ und /i:/
61
3.3 Die Rundung /i/ > /ü/
Nach der im 12./13. Jh. einsetzenden Entrundung von /ü/ > /i/ folgte im Gegenzug die Rundung /i/ > /ü/.9 Dies führte zu einer Vermischung der Zeichen und < ü > ; wie oben (Kap. 2.3) bereits festgestellt wurde, ist ähnliches auch bei e und ö zu beobachten. Es muß daher offen bleiben, ob alle unten zitierten Beispiele mundartliche Lautungen repräsentieren. Der Digraph (), der in den bayerischen Quellen bis in die Mitte des 18. Jh.s vorkommt, zeigt sich am häufigsten in der Umgebung von l, sch und w, die auch in der neuhochdeutschen Schriftsprache bei gerundeten Vokalen anzutreffen sind. spül BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 24.3,gesAllet Part Perf. REIFFENSTUEL (1676) 29, begürligkait HAFFNER (1568) 14v. - fiisch N. PI. (Cgm 529) 85rb, schüfprüchig BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 13.7, das er ... beschütz vnd beschürme PERNEDER (1544) 12v, abgewischt Part. Perf. DOBEREINER (1570) A8r, Trinkgeschürr GEIGER (1649) 25, Schürms G. Sg. WEINBERGER (1727) 226. - wüssen WIMPINÄUS (1563) 6v, überwünder MACER (1570) 12V, vngewüß MAYER (1577) 26v, wür HALLWACHS (1680) 54, Würbet SCHÖNFELDER (1691) 37, Augenwüncker 'ein Wink mit den Augen' KRESSLINGER (1719) 6, erschwängen WEINBERGER (1727) 56, langwürig HOLZER (1753) 4. - hür (Cgm 529) 24vb, tr&ncken THIRMAIR (1633) 10, dass. WEINBERGER (1727) 98, Wbr LV (1764) C2r, Bez&rck HOLZER (1753) 8.
Heute wird in Teilen des Süd- und Nordbairischen mhd. /i/ vor /l/ labialisiert. Aber auch in der Umgebung von anderen Konsonanten besteht in vielen bairischen Mundarten die Tendenz, den vorderen Extremvokal leicht gerundet auszusprechen, wobei im Südbairischen vor /m/, /pf/ /f/ und /§/ der Übergang zu /ü/ erfolgen kann, das hier vereinzelt offene Qualität hat.10 Aufgrund der Verhältnisse in den rezenten Mundarten liegt die Vermutung nahe, daß in den oben aufgeführten Wörtern, die ein l aufweisen, mehr oder weniger stark Rundung eingetreten ist und somit ein Laut gesprochen wurde, der zu /ü/ neigt. Dies würde allerdings bedeuten, daß im Mittelbairischen die Liquidenvokalisierung noch nicht durchgedrungen war (vgl. auch o. die Belege auf mhd. ir). In der Umgebung von w und sch, die ebenfalls Labialisierung bewirken können, ist wohl ein nach /ü/ tendierender
9 10
Vgl. Weinhold (1867) § 33; Moser (1929) § 66.2.
Die gesprochene Mundart im 19. und 20. Jh. bezeugen Schmeller (1821) § 272 u. § 274; Weinhold (1867) § 33; Brünner (1955) 23; Kranzmayer (1956) § 7c u. § 7d; Denz (1977) 31; - Verfasser (1989).
62
Sprachliche Untersuchung
Laut anzusetzen. In den übrigen Fällen muß auch mit der oben angesprochenen Zeichenvermischung im Frühneuhochdeutschen gerechnet werden. Nach der Entrundung sind in frühneuhochdeutscher Zeit offensichtlich neue Vokale entstanden, deren Beurteilung erhebliche Probleme bereitet, zumal die Beispiele auf mhd. il und ir im Widerspruch zu den Verhältnissen in der rezenten Mundart stehen. Dieser Aspekt soll im Zusammenhang mit der Liquidenvokalisierung noch ausführlich erörtert werden.
3.4 Der Vokalwechsel i / ü
Bei hilfe / hülfe und wirken / würken erklärt sich der Vokalwechsel durch alte Doppelformen, die in frühneuhochdeutscher Zeit noch nebeneinander existierten, wenn zum Teil auch landschaftlich getrennt. Während hilf1 in den untersuchten Texten bereits im 15. Jh. vorkommt, zeigt sich hülf2 erst ab der zweiten Hälfte des 16. Jh.s, es tritt dann allerdings bis Ende des 18. Jh.s auf. hilff (Cgm 225) lv, dass. (Cgm 355) 533, (Cgm 502) 65vb, (Cgm 522) 33va, (Cgm 610) 3va, EINBL. (1486), REGIMENT (1490) Air, CHRONIK (1501) B3v, LANDPOT (1520) 4v, BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 1.4, MACER (1570) 19r, Hilff REIFFENSTUEL (1676) 189, dass. SCHÖNFELDER (1691) 124, Hilfe LORI (1772) 11, dass. ICKSTATT (1774) 26, WESTENRIEDER (1798) 5. - hülff WALDNER (1562) E3v, dass. DOBEREINER (1570) A2v, H&lff BINSFELD (1591) 14r, dass. THIRMAIR (1633) 3, HALLWACHS (1680) 26, DALHOVER (1688) 22, WENBERGER (1727) 39, Mlf KOLB (1745) 30, Hhlffe FINAUER (1768) 3, Hülfe FRONHOFER (1770) 127, dass. LEUTHNER (1790) 12.
Da Luther in seiner Bibelübersetzung hälfe verwendet, dürfte der Stammvokal ü auf den Einfluß des Reformators zurückgehen. 13 Dies ist wohl auch der Grund, daß sich Adelung in der Grammatik (1788: 134) und im Wörterbuch (1796: 2,1311) für hälfe entscheidet. Hilfe wird heute im
11
Mhd. helfe, hilfe; ahd. helfa, hilfa (helfa ist wohl die ältere Form, vgl. Kluge/Seebold 1989: 309). 12
Vgl. dazu Kluge/Seebold (1989) 309: "Auch fnhd. Hülfe, mhd. hülfe, ist eine nur deutsche und wohl sekundäre Form." 13
Vgl. DWB 4.2,1323.
Mhd. Iii und /i:/
63
Mittelbairischen meist [huif] gesprochen (Verfasser 1989).14 Außerhalb des Gebietes mit Liquidenvokalisierung tritt vor flf Labialisierung ein, so daß sich der Vokal stark dem /ü/ annähert. Das im Mitteldeutschen vorherrschende wirken15 erscheint in bayerischen Texten seit der zweiten Hälfte des 16. Jh.s, es kann sich aber erst Ende des 18. Jh.s gegen die oberdeutsche Form würken (< *wurkjan) sowie würklich und würkung durchsetzen. würcken (Cgm 290) 62v, dass. (Cgm 606) 27va, PERNEDER (1544) 5r, HAFFNER (1568) 52v, würcken REIFFENSTUEL (1676) 122, bewürcken HIEBER (1728) 12, ausgewirkt Part. Perf. KOLB (1745) 55. - würchlich BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 4.14, w&rcklich SCHÖNFELDER (1691) 39, dass. HERTH. (1715) 4, HIEBER (1728) 3, würklich FINAUER (1768) 34. - würckung (Cgm 639) 20r, GERICHTSORDNUNG (1522) 18v, Würckung LAUTHER (1591) l l v , dass. HERTH (1715) 12, HIEBER (1728) 10. - wircken WALDNER (1562) G2v, wirklich KOHLBRENNER (1783) 12, dass. WESTENRIEDER (1798) 29.
Heinrich Braun fordert in der 'Sprachkunst' (1765: 47) wirklich statt würklich. Er folgt hier wie in den meisten Zweifelsfällen Gottsched, der sich in seiner Grammatik (1762: 73) für wirken entscheidet. Ende des 17. Jh.s verhilft schließlich Adelung endgültig den i-Formen zum Durchbruch: Im Wörterbuch (1801: 4,1573 f.) setzt er wirken, wirklich(keit) und Wirkung, nachdem er bereits in der 'Vollständigen Anweisung zur Deutschen Orthographie' (1788: 134) für wirklich und Wirkung plädiert hatte. In den bairischen Mundarten wird heute in erster Linie wirken verwendet, wobei /i/ + /r/ im Mittelbairischen zu [ΪΒ] werden (Verfasser 1989).16 Bei wirde / würde läßt sich eine ahd. Doppelbildung nicht überzeugend nachweisen. 17 Das Nebeneinander von i und ü im Frühneuhochdeutschen ist daher wohl auf den in zahlreichen Sprachlandschaften zu beobachtenden Zusammenfall von < i > und < ü > zurückzuführen. In den untersuchten Texten kommt wird (sowie wirdig und wirdigkeit) bis Ende des 16. Jh.s vor; ü im Stamm tritt daneben bereits seit der zweiten Hälfte des 16. Jh.s häufig auf, und im 17./18. Jh. ist es die alleinige Form. wird (Cgm 225) Π ν , / n wirden EINBL. (1486), wirde BERTH. V. CHIEMSEE (1528)
14
Zu mhd. il vgl. auch Kranzmayer (1956) § 7d3.
15
Vgl. dazu Kluge/Seebold (1989) 795: "In mhd. wirken, wurken Ablautreihen zueinander [...]". 16
Zu mhd. ιr vgl. Kranzmayer (1956) § 7g.
17
Vgl. dazu DWB 14.2,2061.
kommen zwei
64
Sprachliche Untersuchung
9.6, dass. PERNEDER (1544) 2r. - wirdig (Cgm 302) 71r, dass. (Cgm 529) 2va, (Cgm 606) 4ra, H A U E R (1523) A3r, BINSFELD (1591) 66v. - wirdigkait (Cgm 225) 24r, dass. (Cgm 639) lr, erwirdigkeit TITULARB. (1490) 4r. -Würde KOLB (1745) 2, dass. KOHLBRENNER (1783) 3, DIETL (1786) 17, WESTENRIEDER (1798) 105. würdig WIMPINÄUS (1563) 32r, würdig MAYER (1607) F2r, dass. DALHOVER (1688) 24, HOLZER (1753) 13, FRONHOVER (1770) 48. - würdigkait HAFFNER (1568) 46r, würdigkait DOBEREINER (1570) 8v, dass. MÜLLER (1591) 2.
D a ß sich schließlich in der neuhochdeutschen Standardsprache der Stammvokal ü durchgesetzt hat, ist wohl wiederum auf Adelung zurückzuführen, der in sein Wörterbuch (1796: 2,1626 f.) würdig und Würdigkeit aufnimmt. Heute wird im Bairischen meist wird gebraucht; im Mittelbairischen gilt, wie oben bereits erwähnt, bei mhd. ir die Liquidenvokalisierung. Bei der Durchsetzung der hier vorgestellten Konkurrenzformen hilfe / hülfe, wirken / würken und wirde / würde müssen in erster Linie außersprachliche Kriterien in Erwägung gezogen werden. Innersprachliche Aspekte wie Labialisierung und Entlabialisierung haben aber sicherlich ebenfalls eine Rolle gespielt.
3.5 Mittelhochdeutsch /i/ und /i:/ in den Nebensilben
3.5.1 Mittelhochdeutsch -in In den meisten mitteldeutschen Mundarten hat sich die Adjektivendung -in, die schon seit dem Althochdeutschen neben der Variante -in existierte, durchgesetzt, wobei meist Abschwächung zu -en eingetreten ist. 18 Im Bairischen ist dagegen das Suffix -in erhalten geblieben und im 14. Jh. zu /ai/ diphthongiert worden. 19 In unseren Texten erscheint daher bis ins 16. Jh. mhd. -tn häufig als < - e i n > . guidein Adj. (Cgm 352) 23v, dass. (Cgm 502) lra, (Cgm 543) 8r, guidein 'die Gulden' EINBL. (1482), guidein Adj. EINBL. (1485), silbrein (Cgm 385) 159r, dass. (Cgm 502) 25vb, (Cgm 543) 8r, (Cgm 620) 2ra, BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 42.8, kuppfrein EINBL. (1482), kupffrein KUCHENMEYSTEREY (1486) D2v, dass. BERTH. V.
18 19
Zu ahd. -en / -in vgl. Braune/Eggers (1987) § 249.
Zum Mittel- und Fühneuhochdeutschen vgl. Weinhold (1867) § 19; Tarvainen (1968) 156; Moser/Stopp (1978) § 32; Paul/Wiehl/Grosse (1989) § 58, Anm. 1.
Mhd. Μ und /i:/
65
CHIEMSEE (1528) 20.1, hülczein (Cgm 352) 141r, dass. (Cgm 639) 55v, leynein (Cgm 620) 62vb, fewrem BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 25.6, wasrein ebd. 25.6.
Da das Morphem -ein seit der Mitte des 16. Jh.s aus der bayerischen Schriftsprache verschwunden ist, ist wohl auch in der gesprochenen Mundart allmählich die Abschwächung zu [-en] erfolgt, die auch heute noch anzutreffen ist (Verfasser 1989).20
3.5.2 Mittelhochdeutsch
-lieh
Die schon im Mittelhochdeutschen auftretende Kürzung der Endung -lieh in Adjektiven und Adverbien, die vom Mitteldeutschen ausgeht, macht sich im Bairischen nur zum Teil bemerkbar. So zeigt sich in bairischen Handschriften neben -lieh seit dem 13. Jh. auch das Suffix -leich (mhd. -lieh). 21 In den untersuchten Texten konnten hierfür nur Belege aus Handschriften des 15. Jh.s nachgewiesen werden. vnschedleich (Cgm 290) 35r, väterleich (Cgm 352) 2v, tegleich (Cgm 355) l l v , pehentleich (Cgm 385) 3v, froleich (Cgm 453) 118v, guitleich (Cgm 529) 7vb, pilleich (Cgm 543) 3v, liebleich (Cgm 639) lr. - fleissigleichen Adv. (Cgm 385) 15v, sicherleichen Adv. ebd. 8r. - schedleichkait (Cgm 355) 24r, haimleichkait (Cgm 529) 3vb.
Anscheinend ist das Suffix -leich im 16. Jh. allmählich zu [-lax] abgeschwächt worden, das auch heute noch neben der reduzierten Variante [-le] anzutreffen ist (Verfasser 1989).
3.5.3 Mittelhochdeutsch
-wie
und
-rieh
in Eigennamen
Der Name Ludewie wurde bair. schon in mittelhochdeutscher Zeit zu Ludwig gekürzt, daneben blieb aber teilweise der alte Langvokal bestehen, der sich seit dem 13./14. Jh. folgerichtig zu /ai/ entwickelt hat. 22 In bayerischen Quellen war dieser Diphthong nur noch in zwei Handschriften des 15. Jh.s nachzuweisen: ludweig (Cgm 302) 8r, dass. (Cgm 366) 5v. Wie
20
Nach Schindler (1821: 60) war -ein im 19. Jh. noch vereinzelt anzutreffen.
21
Vgl. Moser/Stopp (1978) § 38; Paul/Wiehl/Grosse (1989) § 47, Anm. 5 u. § 58, Anm.
1. 22
Vgl. Weinhold (1867) § 19; Moser/Stopp (1978) § 39.
66
Sprachliche Untersuchung
bei mhd. -in und -lieh hat wohl auch bei -wie ein Sprachwandel bewirkt, daß die diphthongierte Form bereits im 16. Jh. aus der Schriftsprache verschwunden ist. Für die Diphthongierung von mhd. -rieh > -reich konnten in den Handschriften und Drucken keine Belege gefunden werden; offensichtlich ist hier ausnahmslos Kürzung eingetreten.23
3.6 Sproßvokal
Der Sproßvokal ist als Ausspracheerleichterung zwischen Konsonanten entstanden, etymologisch ist er nicht begründbar.24 Er entwickelt sich schon im Althochdeutschen zwischen Liquid und Labial oder Guttural, wurde durch Synkope teilweise wieder beseitigt und entstand dann erneut seit dem 13. Jh. 25 Er ist in bayerischen Texten des 15. Jh.s noch häufig anzutreffen, im 16. Jh. ist er hier jedoch bereits selten. Eine Ausnahme macht die Form millich, die noch im 17. Jh. nachgewiesen werden konnte (vgl. u.).
3.6.1 Sproßvokal nach Irl Zwischen /r/ und /b/ erscheint der Sproßvokal in erster Linie im Lexem erib.
erib 'das Erbe' (Cgm 302) 31r, (Cgm 442) 23r, der erib (Cgm 366) 122v, erib tail (Cgm 366) 121r, eribschaft (Cgm 525) 54rb, eribsündt (Cgm 346) 8r, varib 'Farbe' (Cgm 639) 22v.
23
Vgl. dazu auch Paul/Wiehl/Grosse (1989) § 47, Anm. 5; § 58, Anm. 1; § 73, Anm. 1.
24
Vgl. Dieth (1968) § 510.
Vgl. Weinhold (1867) § 20; Kranzmayer (1956) § 49f u. § 50d; Moser/Stopp (1970) § 3 9 u. § 40; Bürgisser (1988) 100. 25
Mhd. Iii und /i:/
67
Zwischen /r/ und /g/ ist der Sproßvokal selten. Es konnten hierzu nur einige Belege in Handschriften des 15. Jh.s gefunden werden: porigschaft (Cgm 302) 71v, perig (Cgm 347) 3r.26 Vor Spirans ch (= [ς]) entsteht der Sproßvokal wesentlich häufiger als vor fb/ und Ig/. In den Wörtern werich 'Werk' und karicher 'Kerker' bezeichnet vielleicht die Affrikate [kx] oder aspiriertes k (vgl. Kap. 10.1). kirichen D. PI. (Cgm 302) 15v, dass. (Cgm 352) 185v, (Cgm 639) 2r, kirichwat (Cgm 302) 64v, durich (Cgm 347) 17r, dass. (Cgm 385) 138r, pferrich 'Pferch' (Cgm 502) 64va, faricht 'Furcht' (Cgm 639) 15r, ßrichten ebd. 7r, ein farichtsamer her ebd. 4r; erichtag 'Dienstag' häufig in Drucken des 15. Jh.s. (s. u. S. 175). - werich 'Werk' (Cgm 366) 122r, dass. (Cgm 543) 26v, werichen D. PI. (Cgm 639) 13r, karicher 'Kerker' ebd. 48r.
Bei kiriche ist zu berücksichtigen, daß der ursprüngliche Vokal im Althochdeutschen weit verbreitet war (ahd. kirihha). Er wurde zwar im Mittelhochdeutschen durch Synkope beseitigt, vereinzelt könnte er sich jedoch bis ins Frühneuhochdeutsche gehalten haben.
3.6.2 Sproßvokal nach /l/ Zwischen /I/ und /g/ kommt der Sproßvokal bis Anfang des 16. Jh.s vor. In den Drucken wird er jedoch nur noch bei Berthold von Regensburg (1528) verwendet. (er) voligt (Cgm 352) 177v, geuoligt (Cgm 352) 198v, nachuoligen BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 14.14, nachvoliger ebd. 7.6, vertilgit 'vertilgt' Part. Perf. ebd. 9.6.
Vor Spirans ch bildet sich ebenfalls ein Sproßvokal. Am häufigsten ist die Form millich belegt, die bis ins 17. Jh. vorkommt. milich (Cgm 249) 242v, dass. (Cgm 346) 58v, (Cgm 352) 163v, (Cgm 376) 130r, (Cgm 453) 78v, (Cgm 543) 40v, (Cgm 606) 83va, (Cgm 610) 164va, BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 69.9, millich (Cgm 529) 25vb, Millich THIRMAIR (1633) 15. empfelichen (Cgm 639) 21v.
In schalick 'Schalk' und volick 'Volk' bezeichnet wahrscheinlich die Affrikate [kx] oder aspiriertes k (vgl. o.): schalick (Cgm 639) 15r, volick (Cgm 302) 65v. Außergewöhnlich ist der Sproßvokal in hiliff 'Hilfe', das wohl in Anlehnung an mhd. zwelif (s. u. Anm. 27) entstanden ist. Es ist wie die Bildung 26 Vgl. auch die Belege bei Bürgisser (1988:100) aus bayerischen Handschriften vom Ende des 13. Jh.s.
68
Sprachliche Untersuchung
falisch nur in einem Werk des 15. Jh.s belegt: hiliff EINBL. (1486); - vnter der falischen varib (Cgm 639) 22v, falische zeugnüß ebd. 27 Heute ist der Sproßvokal nur noch im Südbairischen anzutreffen. Lediglich millich, das in den untersuchten Texten als einzige Form bis ins 17. Jh. vorkommt, ist auch im Mittel- und Nordbairischen gebräuchlich. Wahrscheinlich wurde hier das l beibehalten, um einen Hiat zu vermeiden. In allen anderen Fällen ist - wie oben bereits erwähnt - im Mittelbairischen Liquidenvokalisierung eingetreten. 28 Da der Sproßvokal nur nach /I/ und Irl auftritt, hängt das Zurückweichen dieser Formen offensichtlich mit der Ausbreitung der mittelbairischen Liquidenvokalisierung, also innersprachlichen Faktoren, zusammen.
27
Kein Sproßvokal liegt in zwelif (asächs. twelif) sowie in kelich ( < lat. calix) vor. Die Wörter mit Sproßvokal haben aber vermutlich dazu beigetragen, daß die volle Form bis ins 15./16. Jh. verwendet wurde: tzwelif (Cgm 301) 246r, zweliff (Cgm 366) 125v, dass. (Cgm 543) 19v, kellich (Cgm 529) 58ra, kelich BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 10.8 u. 63.11. 28
Die Mundart des 19. und 20. Jh.s ist bezeugt durch Weinhold (1867) § 20; Kranzmayer (1956) § 5Od; Zehetner (1978) 237 u. 267; - Verfasser (1989).
4 Mittelhochdeutsch /ο/, /ο:/ und /ö/, /ö:/
4.1 Der Wandel /o/ > /a/ und /o:/ > /a:/
Mhd. /o/ erscheint in den untersuchten Handschriften des 15. Jh.s vor Nasalen, Liquiden und vor germ, /ι auch als < a > . Es handelt sich bei diesen o-Schreibungen nicht um hyperkorrekte Formen, 1 sondern um Direktanzeigen, die den Wandel /o/ > /a/ widerspiegeln: Denn im Bairischen war mhd. /o/ vor Nasalen und Liquiden schon früh zu offenem /Q/ geworden und dadurch mit mhd. /a/ zusammengefallen; in einigen Gebieten hat sich anschließend (seit dem 13. Jh.) offenes /Q/ ZU /A/ weiterentwickelt. 2 In den Handschriften des 15. Jh.s wird die Schreibung < a > für mhd. /o/ noch häufig verwendet, in die Drucke dringt sie dagegen nicht ein. wanen 'wohnen' (Cgm 529) 35rb, dass. (Cgm 639) 6r, warning (Cgm 639) 45v, dass. (Cgm 610) 19ra, gewanheit (Cgm 543) 8r. - (er) sal (Cgm 290) 28r; - darff'Dorf (Cgm 529) 32ra, karb 'Korb' (Cgm 385) 160r, margenstern (Cgm 352) 74v, sarg 'Sorge' (Cgm 301) 256r, verpargen (Cgm 529) 6va, wart 'Wort' (Cgm 522) 22ra, zarnig (Cgm 385) 5r. dach 'doch' (Cgm 323) 29r, tachter ebd. 32r, dass. (Cgm 352) 125v, (Cgm 529) 8rb, (Cgm 543) 34r.
Mhd. /o:/ tritt vor Nasal seit dem 14. Jh. ebenfalls als < a > auf. Offensichtlich wurde auch der Langvokal (über /Q:/) teilweise zu /a:/ gesenkt. Dieser Lautwandel, der ebenfalls nur in den Handschriften nachgewiesen werden konnte, ist lediglich vereinzelt belegt. franboten D. Sg. = fronbote(n) 'Gerichtsbote' (Cgm 302) 77r, chran 'Krone' (Cgm 529) 17va, kran ebd. 30ra, Ram 'die Stadt Rom' (Cgm 543) 6r u. 30r
1 Bürgisser (1988: 112) wertet Formen wie vorvaderen 'Vorfahren' als "hyperkorrekte Schreibungen", die auf den Wandel α > ο zurückzuführen sind. Die Verhältnisse in der rezenten Mundart legen jedoch die Vermutung nahe, daß < a > in diesen Fällen tatsächlich gesprochen wurde. 2
Vgl. Weinhold (1867) § 6; Moser (1929) § 73.1; Paul/Wiehl/Grosse (1989) § 159.15.
70
Sprachliche Untersuchung
In den Belegen auf mhd. -on- und -on- ist wahrscheinlich schon in mittelhochdeutscher Zeit Nasalierung eingetreten, die bei höheren Vokalen zu einer Senkung führen kann. Vor Μ ist diese Senkung (aufgrund der mittelbairischen Liquidenvokalisierung) offensichtlich nie richtig durchgedrungen, da sich hierfür nur ein Beleg nachweisen ließ. Die Zeichenverbindung < a r > ist in den untersuchten Texten am häufigsten belegt; es ist somit wahrscheinlich, daß hier die Senkung weit verbreitet war. In den heutigen bairischen Mundarten wird /o/ vor /n/ oder /m/ meist nasaliert und dabei gedehnt, die Senkung zu offenem [Q] oder [ä] ist jedoch selten. 3 Vor /l/ ist im Bairischen heute keine Senkung zu beobachten. 4 Das bestätigt die oben angestellte Vermutung, daß sie sich nur in Ansätzen entwickelt hat. Mhd. -or- erscheint heute nur noch in einigen Gebieten Ober- und Niederbayerns als [är] bzw. [ o) wird deutlich, daß Nasale und Liquiden im Bairischen eine kombinatorische Hebung oder Senkung bewirken können. 8 Bereits Johannes Turmair hat die lautliche Annäherung von α und ο erkannt und in seiner 'Bayerischen Chronik' (16 f.) beschrieben: "A, der erst puechstaben, hat bei den Teutschen ain große gemainschaft mit dem O, weicht ainer dem andern, als in dem wort man mon, stet ainer für den andern; und die paurn sprechen gemainiglich o, wo die in Stetten a prauchen als tage toge, morgen morgen [...]. Es sprechen auch gemainiklich diesen ersten puchstaben die Baiern also aus, das er mer dem ο gleich ist dan dem rechten a [...]."
3
Zum 19. und 20. Jh. vgl. Schindler (1821) § 316; Grundier (1951) 69 f.; Kranzmayer ((1956) § 5e; Maier (1965) 158 ff.; Zehetner (1978) 102.
4
Vgl. Kranzmayer (1956) § 5d und Karte 7.
5
Vgl. Mutzl (1860) 347; Schindler (1821) § 332; Schwarz (1925/26) 259 f.; Schönberger (1934) 47 ff.; Kollmer (1949) 84; Maier (1965) 72 ff.; Zehetner (1978) 105 f. Vgl. ferner D S A Karte 47 (Dorf). 6
Vgl. Kranzmayer (1956) § 5g und Karte 8.
7
Vgl. Kranzmayer (1956) § 5fl; Maier (1965) 71; Zehetner (1978) 101.
8
Vgl. dazu auch das "bairische Vokaldreieck" bei Kollmer (1985) 26.
Mhd. /ο/, /ο:/ und /ö/, ö:/
71
4.2 Die Diphthongierung von /o:/ > /QU/ und /o:/ > /QB/
In der Handschrift Cgm 858, die Mitte des 15. Jh.s im Kloster Tegernsee entstanden ist, erscheint mhd. /o:/ auch als < o u > bzw. < o ü > . Diese Schreibung, die bairisch seit dem 13. Jh. auftaucht 9 und in den untersuchten Texten außer in der o.g. Handschrift nicht nachgewiesen werden konnte, zeigt vermutlich den heute noch in der Mundart gesprochenen Diphthong 10 /QU/ an. roüt (Cgm 858) 116v, plous 'bloß' ebd. 132v, ouren ebd. 138r, grous ebd. 142r, troust ebd. 139r, hoüch ebd. 147v, prout 'Brot' ebd. 150v, loun ebd. 155r. Außergewöhnlich ist der Diphthong in wourt 'Wort' (Cgm 858) 206r. Offensichtlich ist hier im Bairischen zunächst Dehnung eingetreten, die im Frühneuhochdeutschen vor der Phonemverbindung /rt/ bei /a/ und /e/ erfolgt ist (vgl. nhd. Bart oder Schwert). Der Diphthong [QU] ist heute im östlichen Teil des Mittelbairischen und im gesamten nordbairischen Raum anzutreffen. 11 In einigen Stadtsprachen ist [QU] allerdings bereits völlig durch [o] ersetzt worden. 12 A m stärksten wird die ursprüngliche Lautung in der Oberpfalz bewahrt. Bemerkenswert ist, daß Andreas Zaupser, der in seinem 'Jdiotikon' (1789: 3) den Wandel ο > ou beschreibt, lediglich das Oberpfälzische erwähnt und nicht wie bei den anderen Beispielen das Bayerische mit einbezieht: "Das ο spricht der Oberpfälzer wie ou aus. Stouß für Stoß, grouß für groß." Das oben zitierte wourt
9
Zum Mittel- und Frühneuhochdeutschen vgl. Weinhold (1867) § 102; Kranzmayer (1956) § IIa; Moser (1929) § 78.3, S. 168; Paul/Wiehl/Grosse (1989) § 74 u. § 159.11.
10 Merkwürdig ist allerdings, daß nur in einer Handschrift nachgewiesen werden konnte; dies könnte bedeuten, daß der Diphthong, der seit dem 13. Jh. im Südbairischen bezeugt ist, im Mittelbairischen erst in Ansätzen durchgedrungen war. 11 Diese Lautung ist in den Mundarten des 19. und 20. Jh.s bezeugt durch Mutzl (1860) 347; Schmelier (1821) § 322; Schönberger (1934) 46 f.; Kollmer (1949) 46; Grundler (1951) 80; Kranzmayer (1956) Karte 10; Maier (1965) 77 f.; Wiesinger (1970) 1,218 ff.; Denz (1977) 43; Zehetner (1978) 126 f.; Kollmer 1 (1987) 21 u. 25. - Verfasser (1989). Die Gegebenheiten im nordbairischen Raum sind außerdem dokumentiert durch Gütter (1971) Karte 9 und Kollmer (1985) 130, Karte I. Zum gesamten deutschen Sprachgebiet vgl. ferner DSA, Karten 87-90 (hoch). 12
Vgl. Maier (1965) 78; Wittmann (1943: 32) weist in seiner Untersuchung zur Mundart in München und Umgebung darauf hin, daß mhd. /o:/ als langes offenes ο erscheint.
72
Sprachliche Untersuchung
war in Bayern bis ins 19. Jh. gebräuchlich; 13 heute ist hier der Diphthong [QU] im Mittelbairischen nicht mehr anzutreffen und wie in den übrigen Lexemen auf mhd. -or- zu [QB] geworden. 14 Da der mundartliche Diphthong nur in einer Handschrift bezeugt ist, liegt die Vermutung nahe, daß er in unserem Untersuchungsareal erst in Ansätzen durchgedrungen war.
Mhd. /o:/ erscheint seit dem 12. Jh. bairisch auch als . 1 5 Diese Schreibung, die wohl den Wandel /o:/ > /QE/ anzeigt, 16 konnte in den untersuchten Texten nur in Handschriften des 15. Jh.s nachgewiesen werden, in die Drucke dringt sie nicht ein: toed 'Tod' (Cgm 385) 14r, noet ebd. 18r, noetig ebd. 29r, froe ebd. 26r, dass. (Cgm 620) 52vb. Heute kommt der aus mhd. /o:/ entstandene fallende Diphthong noch im Lechrain und in Teilen des Südbairischen vor.17 Die oben aufgeführten Belege aus Cgm 385 (Bayern, um 1450) legen die Vermutung nahe, daß die Diphthongierung /o:/ > /QB/ früher auch im Mittelbairischen verbreitet war. Offensichtlich ist hier später wieder Rückbildung zu /o:/ eingetreten.
4.3 Die Entrundung von mhd. /ö/ und /ö:/
Die Entrundung von /ö/ und /ö:/ zeigt sich im Bairischen seit dem 13. Jh. 18 Während sie in den untersuchten Handschriften noch häufig nachgewiesen werden konnte, war sie in den Drucken selten; sie war hier nur noch in
13
Vgl. Schmeller (1821) § 322 und dessen Wörterbuch (1877) 2,1012.
14
Zu Wort vgl. auch DSA, Karten 112-115.
15
Vgl. Weinhold (1867) § 96; Moser (1929) § 78.3.
16
Mhd. /o:/ ist dadurch teilweise mit mhd. /ei/ zusammengefallen.
17
Vgl. dazu Kranzmayer (1956) § IIb und Karte 10; Maier (1965) 234; Wiesinger (1970) 1,220 ff.; Gütter (1971) Karte 9. 18
Vgl. Weinhold (1867) § 47; Moser (1929) § 65; Kranzmayer (1956) § 5cl.
73
Mhd. /ο/, /ο:/ und /ö/, ö:/
einigen Exemplaren bis Anfang des 18. Jh.s anzutreffen. Mhd. /ö/ und mhd. Μ ( = frnhd. /öl): (er) mecht Konj. (Cgm 290) 63v, (sie) mächten Konj. (Cgm 346) l l r , techtern D. Sg. (Cgm 529) lrb, in gewenlichen wercken (Cgm 606) 13va, kestlich H A U E R (1523) B3v, (sie) mächten WEINBERGER (1727) 224. Mhd. /ö:/: erleser (Cgm 347) 12v, Getetet Part. Perf. (Cgm 355) 23v, ain schönes ... haus (Cgm 385) 2r, fretich (Cgm 525) 22vb, der pes geist (Cgm 606) 16rb, beschenigen BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 40.8, getrestet Part. Perf. REIFFENSTUEL (1676) 58.
Die Entrundung von Mhd. /ö/ und /ö:/19 ist bis heute im gesamten bairischen Raum verbreitet. 20 Das Zimbrische hatte ursprünglich als einzige bairische Mundart die gerundeten Umlaute bewahrt. 21 Infolge der politischen Ereignisse sind hier jedoch in den letzten Jahrzehnten starke Veränderungen eingetreten, die auch einen Rückgang dieser Eigenheit bewirkt haben. 22
Es soll nun noch untersucht werden, inwieweit die Entrundung das Verhalten der Lexeme beeinflußt hat, die mhd. ein /e/ im Stamm aufwiesen, das sich in der neuhochdeutschen Standardsprache zu /ö/ entwickelt hat. In den bairischen Mundarten ist hier bis auf wenige Ausnahmen (s. u.) das alte /e/ beibehalten worden. Die folgende Tabelle demonstriert in zeitlicher Reihenfolge das Verbleiben der e-Formen bzw. das erste Auftreten der < ö > Schreibungen in der bayerischen Schriftsprache. 1. leb / lew(e) 2. schepfen 3. ergetzen 4. (er)leschen 5. helle 6. s(ch)wer(e)n 7. leffel
bis bis bis bis bis bis bis
1. H. 1. H. 1. H. 2. H. Ende Ende Ende
16. Jh. 16. Jh. 16. Jh. 16. Jh. 16. Jh. 16. Jh. 16. Jh.
löw(e) schöpfen ergötzen (er)löschen hölle schwören löffei
ab 2. H. schon in ab 2. H. ab 2. H. ab 2. H. ab 1. H. schon in
16. Jh. Hss. 17. Jh. 16. Jh. 16. Jh. 16. Jh. Hss.
19
Ob bei den oben aufgeführten Beispielen auf mhd. /ö:/ (wie in der rezenten Mundart) ein offener o-Laut anzusetzen ist, muß offen bleiben. 20
Dies bezeugen Schmeller (1821) § 325; Schönberger (1934) 50; Wittmann (1943) 31 f.; Kranzmayer (1956) § 6a u. § 12; Maier (1965) 75 u. 83 ff.; Gladiator (1971) 83; Zehetner (1978) 86 u. 125; - Verfasser (1989). Zum gesamten deutschen Sprachgebiet vgl. ferner DSA Karte 49 (schön).
21
Vgl. Kranzmayer (1956) § 5c3.
22
Vgl. Kranzmayer (1981) 92 u. 99 sowie das Vorwort von Hornung, bes. S. XI f.
74 8. zwelf 9. schrepfen
Sprachliche Untersuchung
bis Ende 16. Jh. bis 1. H. 17. Jh.
zwölf schröpfen
ab 2. H. 16. Jh. ab Anf. 17. Jh.
Belege 1 - 9: 1. leb 'Löwe' (Cgm 347) 7r, dass. (Cgm 442) 55r, (Cgm 639) 76v, leben D. Sg. HAUER (1523) Blr. - Lbwen G. Sg. WIMPINÄUS (1563) 22v, Löwen D. Sg. HALLWACHS (1680) 8, Lbw ERTL (1684) 91, dass. DALHOVER (1688) 30, WEINBERGER (1727) 21, L8we FINAUER (1769) 17, Lbw FRONHOFER (1770) 34. 2. schepfen (Cgm 529) 13va, schepffer (Cgm 543) 17v, (er) schepfet SCHATZGER (1525) G4r. - aus schbpfen (Cgm 352) 99r, schöpffen (Cgm 502) lrb, schbpffen SCHATZGER (1525) A4v, schbpfen GEIGER (1649) 6, schöpffen WAKIUS (1713) 104, dass. WEINBERGER (1727) 86, (sie) schbpften WESTENRIEDER (1798) 219. 3. ergetzen BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 48.2. - Ergbtzlichkeiten N. PI. REIFFENSTUEL (1676) 63, Ergbaligkeit HALLWACHS (1680) 70, Ergbtzlichkeiten N. PI. FINAUER (1768) 123, ergbtzen FRONHOFER (1770) 23, dass. LEUTHNER (1790) 56. 4. erleschen (Cgm 225) 83r, leschen (Cgm 529) 26vb, leschl Imperativ KUCHENMEYSTEREY (1486) D3v, dass. SCHATZGER (1525) C2r, leschen BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 37.11, ableschung LAUTHER (1569) 5v. - (sie) Ibscht MAYER (1577) A5r, außlbschung STENGEL (1622) 72, ablbschen SCHÖNFELDER (1691) 109. 5. helle (Cgm 301) 256, dass. (Cgm 529) 79vb, (Cgm 639) 9r, hell SCHATZGER (1525) B4v, dass. BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 13.4, Helle WALDNER (1562), Hellen D. Sg. BINSFELD (1591) 19r. - höll HAFFNER (1568) 20r, Hbll MAYER (1577) 21r, Hbll KOLB (1745) 62, H6llen=W6lfN. PI. HOLZER (1753) 12, Hblle FRONHOFER (1770) 12. 6. sweren (Cgm 225) 39v, dass. (Cgm 290) lv, (Cgm 302) 8r, BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 51.11, schweren HAMMER WERKSEINIGUNG (1594) 5v. - schwbrn LANDPOT (1520) 24v, schwbren STENGEL (1622) 102, dass. WAKIUS (1713) 228. 7. leffel KUCHENMEYSTEREY (1486) A5r, Leffel HORNSTEIN (1596) E2r. löffei (Cgm 376) 65r, Lbffel THIRMAIR (1633) 9, dass. GEIGER (1649) 7, SCHÖNFELDER (1691) 33. 8. zwelff (Cgm 225) 5v, dass. (Cgm 639) 41v, REGIMENT (1490) B5v, GERICHTSORDNUNG (1522) 21r, PERNEDER (1544) 4r, HORNSTEIN (1596) E3v. - zwblff HAMMERWERKSEINIGUNG (1594) 6v, dass. ERTL (1684) 87, WEINBERGER (1727) 21, zwblf WESTENRIEDER (1798) 128. 9. schrepfen REGIMENT (1490) A6r, dass. EINBL. (1501), Schrepffeysen GEIGER (1649) 19. - schrbpffen SAUTER (1608) 3, dass. SCHÖNFELDER (1691) 75.
Mhd. /ο/, /ο:/ und /öl, ö:/
75
Aus diesen Beispielen wird ersichtlich, daß die im 13. Jh. eintretende Entrundung dazu geführt hat, daß in der bayerischen Schriftsprache die gerundeten Formen meist bis ins 16. Jh. gemieden wurden, bei schröpfen sogar bis Ende des 17. Jh.s. Lediglich schöpfen und löffei erscheinen schon im 15. Jh. mit < ö > im Stamm. Der bayerische Grammatiker Heinrich Braun lehnt in seiner 'Sprachkunst' (1765) die ungerundeten mundartlichen Vorderzungenvokale ab und fordert die gerundeten Formen, wie sie sich in der Hochsprache durchgesetzt haben: Er plädiert für böse statt bese (40 f.), ergötzen statt ergetzen (134) und Lbw statt Leb (155). 23 Zusammenfassend läßt sich sagen, daß der Stammvokal e im wesentlichen die mundartliche Lautung widerspiegelt. Möglicherweise hat aber auch die oben erwähnte Vermischung der Zeichen < e > und < ö > im Frühneuhochdeutschen eine gewisse Rolle gespielt.
23 Einige Stellen in Brauns Grammatik zeigen allerdings, daß Braun selbst entrundet spricht; vgl. dazu Matzel/Penzl (1982) 130 f.
5
Mittelhochdeutsch /u/, /ü/ und /ü:/
5.1 Die Diphthongierung /u/ > /UB/ und /ü/ > /ÜB/
Mhd. /u/ und /ü/ erscheinen bair. seit dem 13. Jh. vor Nasal und /r/ auch als < ö > , < u e > oder < ü e > . 1 Diese Schreibungen, die wohl die Diphthongierung 2 zu /UB/ bzw. /ÜB/ widerspiegeln, sind in den untersuchten Handschriften des 15. Jh.s bereits selten, in den Drucken finden sie sich nur noch vereinzelt bis in die Mitte des 16. Jh.s. sün 'Sohn' (Cgm 315) 13va, dass. (Cgm 355) 102v, SÜn SCHATZGER (1525) Alv, nÜn ebd., ich käm ebd. Hlv. - wärm ebd. 112, tueren N. Sg. 'Turm' (Cgm 442) 49v, n&r (Cgm 355) 94v u. 105v, nuer KÜCHENMEYSTEREY (1486) D3v, nür SCHATZGER (1525) Klr, Nür LV (1545) A7r. - tüer (Cgm 610) 12rb, thüer DOBEREINER (1570) A8r.
Vor Nasal wurde die Diphthongierung, die wohl auf das Mittelbairische beschränkt war, seit dem 15. Jh. offensichtlich wieder rückgängig gemacht, und Ende des 16. Jh.s ist sie völlig aus der Schriftsprache verschwunden. 3 Die Schreibungen < ü r > , < u e r > oder < ü e r > repräsentieren vermutlich eine Zwischenstufe der mittelbairischen Liquidenvokalisierung, bei der der Konsonant noch leicht mitgesprochen wurde. Heute erscheinen die Phonemverbindungen /ur/ und /ür/ in den Gebieten mit mittelbairischer r-Vokalisierung als [UB] oder [ΪΒ].4 Die Verhältnisse in den heutigen Mundarten legen die Vermutung nahe, daß der mundartliche
1
Vgl. Weinhold (1867) § 110; Moser (1929) § 74, Anm. 1; Kranzmayer (1956) § 7e2-4. Diese Diphthongierung tritt auch bei gedehntem i auf; vgl. o. Kap. 3.1. 2
Vorher ist Dehnung eingetreten.
3
In der gesprochenen Mundart hat sich diese Lautung nur noch vereinzelt bis in unser Jahrhundert gehalten; vgl. dazu Kranzmayer (1956) § 7e. 4
Die rezente Mundart bezeugen Kollmer (1949) 81; Kranzmayer (1956) § 8c; Gladiator (1971) 84; Zehetner (1978) 121; - Verfasser (1989).
77
Mhd. /u/, /ü/ und /ü:/
Diphthong vor Nasal infolge eines Sprachwandels aus der Schriftsprache verschwunden ist. Die Belege auf mhd. ur und ür scheinen die These zu bestätigen, daß sich die r-Vokalisierung erst später durchgesetzt hat.
5.2 Die Senkung /u/ > /o/ und /ü/ > /ö/
Die seit dem 12. Jh. vom Mitteldeutschen ausgehende Vokalsenkung /u/ > /o/ und /ü/ > /ö/ vor Nasal bzw. Nasalverbindung taucht in bayerischen Texten erst im 15. Jh. auf.5 Daneben wird aber noch bis ins 16./17. Jh. der Vokal u im Stamm verwendet. Am längsten bleibt u erhalten in münch (1. H. 17. Jh.) und trummel (Anfang 18. Jh.). Brunn(en) bzw.prunn(en) konnte für den gesamten Untersuchungszeitraum nachgewiesen werden, während bronnen offensichtlich erst in der 2. Hälfte des 16. Jh.s in bayerische Texte eindringt. Daß sich in der neuhochdeutschen Schriftsprache schließlich brunnen durchgesetzt hat, ist nicht zuletzt auf Adelung zurückzuführen, der in seinem Wörterbuch (1793: 1,1222) diese Variante bevorzugt.6 Die folgende Übersicht zeigt in zeitlicher Reihenfolge das Verschwinden der u-Formen bzw. das erste Auftreten der Wörter mit ο in der bayerischen Schriftsprache. 1. suntag 2. sunn 3. sun(n)der A.frum(m) 5. nunn(e) 6. künig 1. sun 8. wunn(e) 9. sunst(en) 10. sum(m)er
bis bis bis bis bis bis bis bis bis bis
1. H. 1. H. 1. H. 2. H. 2. H. 2. H. 2. H. 2. H. Ende 1. H.
16. Jh. 16. Jh. 16. Jh. 16. Jh. 16. Jh. 16. Jh 16. Jh. 16. Jh. 16. Jh. 17. Jh.
son (n) tag sonn(e) sonder(n) fromm nonn(e) könig so(h)n wonn(e) sonst sommer
ab 4. V. ab 4. V. ab 4. V. schon in ab 2. H. ab 1. V. ab 2. V. ab 1. V. ab 1. V. ab 4. V.
15. Jh. 15. Jh. 15. Jh. Hss. 16. Jh. 16. Jh. 16. Jh. 17. Jh. 16. Jh. 15. Jh.
5
Zum Mittel- und Frühneuhochdeutschen vgl. v. Bahder (1890) 191; Weinhold (1867) § 28; Moser (1929) § 74; Besch (1967) 103 ff.; Penzl (1975) 121; Michels/Stopp (1979) § 85; Mettke (1989) § 10; Paul/Wiehl/Grosse (1989) § 50; Hartweg/Wegera (1989) 106. 6
Es ist bemerkenswert, daß der aus Sulzbach stammende Johann Leonhard Frisch in seinem Wörterbuch (1741: 1,147 f.) neben Brunn(en) auch die Form Bom bucht.
78 11. münch 12. trummel 13. prunn(en)
Sprachliche Untersuchung
bis 1. H. 17. Jh. bis 1. V. 18. Jh. bis 20. Jh.
mönch trommel bronn(en)
ab 2. V. 16. Jh. kein Beleg ab 2. H. 16. Jh.
Belege 1 - 13 1. suntag (Cgm 225) 7v, dass. (Cgm 352) 153r, (Cgm 639) 41v, EINBL. (1482a), EINBL. (1485), EINBL (1491), EINBL. (1494), EINBL. (1501). - Sonntag APPELLATION (1480) 10, dass. EINBL. (1487a), Sontag BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 17.6, STENGEL (1622) 34, Sonntag DIETL (1786) 209. 2. Sunn 'Sonne' (Cgm 502) 23va, sunn (Cgm 352) 159v, dass. EINBL. (1485), sunnen G. Sg. EINBL. (1491), dass. EINBL. (1494), EINBL. (1501), rannen SCHATZGER (1525) A4r. - sonnen D. Sg. KUCHENMEYSTEREY (1486) D3v, Sonne EINBL. (1487a), Sonn REGIMENT (1490) A8r, dass. STENGEL (1622) 11, WESTENRIEDER (1798) 329. 3. sunder 'sondern' (Cgm 352) 32v, Sunder 'ohne' (Cgm 529) 67va, sunder 'sondern' (Cgm 620) 5vb, dass. APPELLATION (1480) 6, KUCHENMEYSTEREY (1486) A2r, TITULARBUCH (1490) 7v, HAUER (1523) A4r, SCHATZGER (1525) Blv. - sonnder 'sondern' EINBL. (1486), dass. WALDNER (1562) Blv, MEICHEL (1631) 46, OSTERWALD (1774) 8. 4. ain frumer ritter (Cgm 543) 18v, die frumen menschen HAUER (1523) Glr, frumm BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 3.4, der ...frume Hirte WALDNER (1562) Elr,frümmer Komp. MACER (1570) 14r. - manig fromer man (Cgm 225) 129r, bey den frommen Teütschen WIMPINÄUS (1563) 18v, fromm KOLB (1745) 38, der Fromme WESTENRIEDER (1798) 12. 5. Nunen D. PI. 'Nonnen' BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 14.14, Nunnen LAUTHER (1569) l l r , dass. MACER (1570) 34r, Nonnen D. Sg. DOBEREINER (1570) P4r. Nonnen G. PI. MACER (1570) 26v, dass. DIETL (1786) 12, Nonne WESTENRIEDER (1798) 120. 6. känig (Cgm 315) lra, dass. (Cgm 502) llrb, CHRONIK (1501) A3v, HAUER (1523) A2v, Kümg PERNEDER (1544) lr, dass. HAFFNER (1568) l l r , MAYER (1577) 69v. - kbnig ΑVENTIN (1519) A3r, dass. BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 4.14, Kbnig WALDNER (1562) G2r, dass. ORDNUNG (1630) A2r, HALLWACHS (1680) 86, KOHLBRENNER (1783) 4. 7. sun 'Sohn' (Cgm) 529) lrb, dass. (Cgm 620) lOvb, TITULARBUCH (1490) 6v, CHRONIK (1501) A2r, SCHATZGER (1525) A4r, Sun HAFFNER (1568) 33v, dass. MAYER (1577) 2r. - Son PERNEDER (1544) 13v, dass. DOBEREINER (1570) C7v, DALHOVER (1688) 35, KOLB (1745) 6, LORI (1772) 7.
79
Mhd. /u/, /ü/ und /ü:/
8. wunn (Cgm 301) 235v, dass. (Cgm 352) 13v, wunne (Cgm 442) 68v, wunnigklicher geschmuck MAYER (1577) 49r. - Wonne DONAUER (1611) 7, dass. FRONHOVER (1770) 111, wonnemonat DIETL (1786) 117. 9. iu/trt (Cgm 225) 7r, dass. APPELLATION (1480) 1, REGIMENT (1490) A3v, HAUER (1523) B2v, WIMPINÄUS (1563) 32v, MAYER (1577) 4v,sunsten 'ansonsten' HORNSTEIN (1596) D4v. - sonßt GERICHTSORDNUNG (1522) Β3τ, sonst BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 2.1, dass. REIFFENSTUEL (1767) 16, WESTENRIEDER (1798) 159. 10. sumer (Cgm 225) 107r, Summer REGIMENT (1490) Air, Summer LANDPOT (1520) 36v, sumer HAUER (1523) A3r, summer BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 100.13, Summerhauß MEICHEL (1631) 585. - sommer KUCHENMEYSTEREY (1486) D6v, Sommer HORNSTEIN (1596) Blr, dass. FRONHOVER (1770) 57, Sommerbier KOHLBRENNER (1783) 73. LI. münch (Cgm 225) 95r, dass. (Cgm 352) 97r, HAUER (1523) C3r, Münch WIMPINÄUS (1563) 37v, das. HAFFNER (1568) 5r, MACER (1570) 18r, Münch BINSFELD (1591) 22v, München D. PI. DONAUER (1611) 7, Münch MEICHEL (1631) 186. - MSnichen D. PI. BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 6.4, Mbnch FINAUER (1768) 4, dass. DIETL (1786) 34. 12. Trummel DALHOVER (1688) 14, mit Trummein HERTH (1715) 17; vgl. auch Trummel bei Schmeller (1872) 1,664 (v. J. 1618). 13. prunnen (Cgm 301) 243r, prunn (Cgm 502) 4ra, dass. BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 7.5, Brunn REIFFENSTUEL (1676) 40, dass. WEINBERGER (1727) 90, KOLB (1745) 97, LEUTHNER (1790) 59. - brennen MAYER (1577) 43r, dass. MEICHEL (1631) 177, Bron HALLWACHS (1680) 32, Bronnen HIEBER (1728). D i e bairisch-oberdeutschen « - F o r m e n sind auch in o r t h o e p i s c h e n Q u e l l e n d e s 18. Jh.s bezeugt. Im 'Umständlichen L e h r g e b ä u d e ' (1782: 1,74) v o n A d e l u n g wird darauf hingewiesen, daß die O b e r d e u t s c h e n sunder
statt
sonder sprechen. A n d r e a s Z a u p s e r bemerkt in der N a c h l e s e z u m 'Jdiotikon' (1789: l f . ) : "Staat [!] 6 wird oft 6 gebraucht. Da Käni kömmt.
kämmt.
Der
König
D' Sän für die Söhne." D i e o b e n zitierten L e x e m e w e r d e n in d e n
bairischen M u n d a r t e n bis h e u t e mit u im S t a m m verwendet. 7 B e i
König
wird h e u t e meist das entrundete kini (< künig) gebraucht ( V e r f a s s e r 1989). D e r O b e r p f ä l z e r Carl Friedrich Aichinger fordert in seiner 'Sprachlehre' (1754: 3 2 ) allerdings König,
weil es v o n können
abgeleitet sei.
7 Die Mundart des 19. und 20. Jh.s bezeugen Schmeller (1821) § 26; Schönberger (1934) 51; Kollmer (1949) 81; Grundler (1951) 72; Maier (1965) 87; Gladiator (1971) 27; Zehetner (1978) 120; Wiesinger (1983f) 1106-1110; - Verfasser (1989).
80
Sprachliche Untersuchung
In den untersuchten meißnischen Texten fanden sich ausschließlich fromm, König, Nonne, Sommer, So(h)n, sonder, Sonne und Sonntag. den Frommen D. PI. BABST (1589) D7v, frommer Herr ALB IN US (1590) 266, fromm, HILSCHER (1721) 46. - Kbnig BABST (1589) C2r, dass. ALBINUS (1590), DRESSER (1665) 21, WEISE (1680) 33, HILSCHER (1721). Nonne SCARAMUZA (1693) 302. - Sommer BABST (1589) A4v u. F2r. - Son BABST (1589) D5r, ALBINUS (1590) 16, Sohn WEISE (1680) 31, dass. HILSCHER (1721) 315. - Sondern BABST (1589) D7r, dass. DRESSER (15%) 55, BUCHNER (1665) 2, HILSCHER (1721) 10. - Sonne BABST (1589) A6r, dass. DRESSER (1596) 276, WEISE (1680) 78, SCARAMUZA (1693) 43. - Sonntag DRESSER (1596) 2, dass. HILSCHER (1721) 163. Dagegen waren hier neben Mönch und Trommel bis ins 17. bzw. 18. Jh. wie in den bayerischen Quellen auch Münch und Trummel anzutreffen. Offensichtlich herrschte bei diesen beiden Lexemen in den ober- und mitteldeutschen Sprachlandschaften lange Unsicherheit. Münche N. PI. ALBINUS (1590) 85, dass. SCARAMUZA (1693) 112, Mönche N. PI. HILSCHER (1721) 33. - Trummel SCARAMUZA (1693) 120, Maultrummel ebd. 140, Trommel ebd. 153. Neben Born konnte für das Meißnische auch mehrmals Brunnen nachgewiesen werden: Ziehborne WEISE (1680) 79, Brunnen A L B I N U S (1590) 79, Salzbrunnen zu Hall ebd. 70, Brunnen S C A R A M U Z A (1693) 198. 8 In einigen mitteldeutschen Mundarten erscheint der Vokal ο auch bei gonst, grond, hond, honger, konft(ig), konst und wonder; vgl. Moser (1929) § 74. In die bayerischen Texte dringen diese Formen jedoch kaum ein. Der mitteldeutsche Einfluß zeigt sich nur vereinzelt in den Texten der herzoglichen Kanzlei (vgl. u. S. 204 f.). Bayerische Belege: gunst APPELLATION (1480) 12, dass. PERNEDER (1544) 13r, Gunst REIFFENSTUEL (1676) 47, WESTENRIEDER (1798) 45. - grund SCHATZGER (1525) Blr, dass. PERNEDER (1544) 7r, Grund HALLWACHS (1680) 13, dass. DIETL (1786) 27. - hundt HAUER (1523) A2r, dass. HAFFNER (1568) 40v, Hund STENGEL (1622) 5, dass. DALHOVER (1688) 26, FINAUER (1770) 24. hunger KUCHENMEYSTEREY (1486) D6r, dass. BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 12.13, Hunger STENGEL (1622) 5, OSTERWALD (1774) 12. - zükunft BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 12.7, k&nfftig HALLWACHS (1680) 13, Ankunft FRONHOFER (1770) 69, - kirnst HAUER (1523) D3r, dass. WIMPINÄUS (1563) 62r, Kunst Ertl (1688) 85, dass. LORI (1772) 3, LEUTHNER (1790) 4. - wunder HAUER (1523) C3v, SCHATZGER (1525) F2v, WIMPINÄUS (1563) 23v, STENGEL (1622) 41, Wunder FINAUER (1768) 69, dass. DIETL (1786) 163.
8
Zu Born und Brunnen vgl. auch Küppersbusch (1931/32).
Mhd. /u/, /Ü/ und /ü:/
81
Hierbei wird deutlich, daß sich in den oben zitierten Lexemen bei der Herausbildung der neuhochdeutschen Standardsprache die bairisch-oberdeutschen «-Formen durchgesetzt haben.
5.3 Der Vokalwechsel u / ο
gunnen / gönnen und künnen / können Bei nhd. gönnen und können hat der Lautwandel u > ο nur bedingt eine Rolle gespielt. 9 Der Stammvokal ο ist hier wohl auf die alten Präteritalformen gonde und konde zurückzuführen, 10 die die im Mittelhochdeutschen üblichen Bildungen gunde und künde allmählich verdrängt haben. Die heute noch im Bairischen verbreiteten Verben günnen und künnen erscheinen in den untersuchten Texten bis ins 18. Jh. verginnen (Cgm 225) 59v, von der mißgunnenden Nacht HERTH (1715); ab 18. Jh. < 6 > : vergdnnen HOLZER (1753) 14, gbnnten Imperf. WESTENRIEDER (1798) 43. - (er) kunt 'konnte' (Cgm 225) 43v, künnen BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 10.4, (sie) kunnten REIFFENSTUEL (1676) 27, (er) kannte WEINBERGER (1727) 9, dass. HOLZER (1753); ab 17. Jh. < 6 > : kSnnen DONAUER (1611) 33, dass. MEICHEL (1631) 5, KRESSLINGER (1719), WESTENRIEDER (1783) 11.
antwurt / antwort Nhd. antwort (mhd. antwürte und antwurt) ist in Anlehnung an das Substantiv wort entstanden. 11 Der Vokal u im Stamm, der lediglich bis in 16. Jh. nachgewiesen werden konnte, ist heute vor allem im Nordbairischen anzutreffen. 12 antwurt (Cgm 225) 33r, anttwurt (Cgm 302) lv, dass. (Cgm 522) 3vb, anntwurt GERICHTSORDNUNG (1522) 17r; ab 17. Jh. < o > : Antwort STENGEL (1622) 64, dass. DALHOVER (1688) 4, KRESSLINGER (1719) 8, KOHLBRENNER (1783).
furcht / forcht Der Vokal im Lexem furcht, das in dieser Form erst seit dem 15. Jh. belegt
9
Vgl. Moser (1929) § 55 u. § 74, Anm. 5.
10
Vgl. Paul/Wiehl/Grosse (1989) § 271 u. § 272.
11
Vgl. Moser (1929) § 55 u. § 74, Anm. 5.
12
Zum 19. Jh. vgl. Schmeller (1872) 1,919.
82
Sprachliche Untersuchung
ist, geht auf den Einfluß des Verbums fürchten zurück. 13 In den bayerischen Texten wird forcht bis ins 18. Jh. verwendet, in der gesprochenen Mundart bis heute. 14 vorcht (Cgm 301) 245, dass. (Cgm 606) 69vb, APPELLATION (1480) 3, REGIMENT (1490) A5r, GERICHTSORDNUNG (1522) 6w, forcht BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 1.3, dass. PERNEDER (1544) 4v, LAUTHER (1569) 9r, MAYER (1577) 2v, BINSFELD (1591) 20r, Forcht MEICHEL (1631) 19, dass. THIRMAIR (1633) 19, REIFFENSTUEL (1676) 2, DALHOVER (1688) 5, KOLB (1745) 40; ab 17. Jh. < u > : furcht DONAUER (1611) 2, Furcht OSTERWALD (1774) 13, dass. WESTENRIEDER (1798) 251.
gulden / golden Das Adjektiv gulden bzw. gülden (mhd. guldtn) wird in der neuhochdeutschen Schriftsprache im 17. Jh. allmählich von der mitteldeutschen Variante golden verdrängt. 15 In den bayerischen Texten findet sich gulden bis Anfang des 18. Jh.s, während die umgelautete Form gülden und md. golden lediglich seit der zweiten Hälfte des 18. Jh.s belegt sind. gulden (Cgm 620) 4va, KUCHENMEYSTEREY (1486) B2r, die gulden zal EINBL. (1482a), dass. EINBL. (1494), gulden BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 6.1, die guldine Cron REIFFENSTUEL (1676) 134, güldene Sonnen HERTH (1715) 13, güldenen Kelch A. Sg. KOLB (1845) 13. - die güldenen Worte OSTERWALD (1774) 10, in seinem güldenen Palaste DIETL (1786) 62. - goldene Münze FINAUER (1768) 1, der goldene Solidus WESTENRIEDER (1798) 47.
Das nach dem Adjektivguldin gebildete Substantiv Gulden (die Goldmünze) wird ausschließlich mit u verwendet: hundert gullden GERICHTSORDNUNG (1522) 72V, 24 Gulden HAMMERWERKSEINIGUNG (1594) 2r, hundert tausend Gulden FINAUER (1768) 146, hundert Gulden DIETL (1786) 64. Gottsched (1762: 73) und Braun (1765: 142) fordern in ihrer Grammatik vergolden statt vergälden, da es von Gold abgeleitet sei. Adelung (1788: 61) bezeichnet gälden und vergälden als veraltet und plädiert im Wörterbuch (1796: 2,745) ebenfalls für golden. In den bairischen Mundarten wird bis heute überwiegend die «-Form gebraucht. 16
13
Vgl. Paul (1917) 1,200; DWB 4.1.1,683.
14
Die Mundart im 19. Jh. ist bezeugt durch Schmeller (1872) 1,752.
15
Vgl. DWB 4.1.5,729; Besch (1967) 104 f.
16
Vgl. zum 19. Jh. Schmeller (1872) 1,896.
Mhd. /u/, /ü/ und /ü:/
83
trucken / trocken Beim Adjektiv trocken existieren schon seit dem Althochdeutschen Formen mit ο und u nebeneinander. 1 7 In den bayerischen Texten ist trucken bis ins 18. Jh. die bevorzugte Form, in der Mundart lebt es bis heute weiter. 18 trucken (Cgm 249) 238, dass. (Cgm 502) 19vb, (Cgm 543) 31v, KUCHENMEYSTEREY (1486) A3r, EINBL. (1489), DOBEREINER (1570) Clv, drucken SAUTER (1608) 4, ein ... stücklein truckens Brot MEICHEL (1631) 310, trucken REIFFENSTUEL (1676) 147, dass. DALHOVER 1688) 28, WEINBERGER (1727) 199; ab 18. Jh. < o > : trocken WAKIUS (1713) 18, bey trockner Witterung KOHLBRENNER (1783) 85.
Die in Kap. 5.3 aufgeführten Belege zeigen, daß sich die auch heute noch üblichen mundartlichen Formen (außer Hunger, Kunst etc.) in der Schriftsprache nicht durchgesetzt haben. Wörter wie Sommer; Gunst oder golden in der neuhochdeutschen Standardsprache verdeutlichen darüber hinaus, daß die Selektionsprozesse in den verschiedenen Sprachlandschaften recht unterschiedlich verlaufen sind. Das Zurücktreten der mundartlichen Varianten in unseren Texten ist wohl in erster Linie auf außersprachliche Faktoren zurückzuführen.
5.4 Die Entrundung /ü/ > /i/
Mhd. /ü/ wurde im Bairischen seit dem 12./13. Jh. zu /i/ entrundet und ist dadurch mit mhd. /i/ zusammengefallen. 19 Dieser Wandel, der in den Drucken des 16. und 17. Jh.s häufig in Erscheinung tritt, zeigte sich in den untersuchten Texten bis in die Mitte des 18. Jh.s. virsten N. PI. 'Fürsten' (Cgm 529) 62va; yber 'über' (Cgm 858) 126r; kinigen A. PI. EINBL. (1501), zerittung HAUER (1523) G2v, pixen D. Sg. 'Büchse*, das er ... verkinde PERNEDER (1544) 9v, alle abtrinnigen WIMPINÄUS (1563) 25r, bindig 'bündig' MACER (1570) 17v, winschen MÜLLER (1591) 7, vnbekimmert HORNSTEIN (1596) E3v, abtrinnig STENGEL (1622) 1, zu trimmern gehn MEICHEL (1631) 153, ausschitten REIFFENSTUEL (1676) 250, Stains-Trimmer HALLWACHS (1680) 41, Schlissel
17
Vgl. Jung (1938); DWB 11.1.2,728.
18
Zum 19. Jh. vgl. Schmeller (1872) 1,646.
19
Zum Mittel- und Frühneuhochdeutschen vgl. Weinhold (1867) § 19; Moser (1929) § 65; Penzl (1975) 119 f.; Bürgisser (1988) 101; Mettke (1989) § 31.2; Paul/Wiehl/Grosse (1989) § 49; Hartweg/Wegera (1989) 105.
84
Sprachliche Untersuchung
D A L H O V E R (1688) 3, verhüten WEINBERGER (1727) 155, ausgeblindert Part. Perf. KOLB (1745) 36.
Bemerkenswert ist, daß bei fünf ( a h d . f i n f ) der ursprüngliche Vokal /i/ trotz der oben angesprochenen Entrundung nur bis ins 15. Jh. vorkommt. Vermutlich hat hier die partielle Assimilation /nf/ > /mf/ schon früh Labialisierung bewirkt (s. u.). Der im Spätmittelalter stark anwachsende Handelsverkehr hat vielleicht dazu beigetragen, daß die im Mitteldeutschen vorherrschende Form fünf auch von süddeutschen Kaufleuten verwendet und schließlich in die Schriftsprache übernommen wurde (vgl. aber auch u.). finffczig (Cgm 529) 66va, fynf REGIMENT (1490) B2v. - fünff (Cgm 225) 35v, dass. (Cgm 522) 6rb, LANDPOT (1520) 33v, BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 77.4, WIMPIN A U S (1563) 14v, ßnff
HAMMERWERKSORDNUNG (1594) 3v dass. WEIN-
BERGER (1727) 103, KOLB (1745) 25, WESTENRIEDER (1798) 2 / °
Heute wird im Bairischen meist fimf (< *fümf?) gesprochen, wobei der Vokal wegen der Phonemverbindung /mf/ allerdings leicht gerundet erscheint (Verfasser 1989). Heinrich Braun äußert sich in seiner 'Sprachkunst' (1765) mehrmals zur Entrundung. Im Verzeichnis der "meisten zweifelhaften Wörter" zitiert er das Adjektiv dünn (132) und verurteilt dabei die mundartliche Form dinn. Die Entrundung /ü/ > Ii/ ist bis heute weit verbreitet. 21 Bei den oben aufgeführten Belegen mit i im Stamm muß wie bei e/ö auch die im Gefolge der Entrundung einsetzende Rundung i > ü berücksichtigt werden. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, daß durch die dabei entstandene Unsicherheit in der Schriftsprache hd. Formen eigentlich Hyperkorrektismen darstellen (so bei fünff?).
20
Vgl. auch Belege für finf und finfzehen (vom Ende des 13. Jh.s) bei Bürgisser (1988) 106.
21
Sie ist im 19. und 20. Jh. bezeugt durch Schmeller (1821) § 372; Schönberger (134) 51; Wittmann (1943) 35; Grundler (1951) 73; Maier (1965) 88 f.; Gladiator (1971) 83, Zehetner (1978) 111; - Verfasser (1989).
85
Mhd. /u/, /ü/ und /ü:/
5.5 Der Wandel /ü:/ > /oi/
In den untersuchten Texten ist bei einigen Lexemen neben < i e > ( < ahd. /io!) auch < e u > bzw. anzutreffen, da bair.-obd. altes/iu/vor Labial und Guttural (sowie bei folgenden a,e,o) erhalten geblieben und im 12. Jh. zu /oi/ geworden ist.22 Am häufigsten zeigt sich der Diphthong in deub 'Dieb', steuf (-mutter, -vater, -sun) und in teuf 'tief. Während der Digraph < e u > bzw. < e w > in den Handschriften des 15. Jh.s noch oft erscheint, tritt er in den Drucken nur vereinzelt bis in die Mitte des 16. Jh.s auf und wird danach vollständig durch die Schreibung < ie > ersetzt. dewb (Cgm 290) lv, dewpp (Cgm 355) 56v, dewb (Cgm 610) 7vb, rfw/'Diebstahl' (Cgm 290) 41r, dass. (Cgm 302) 16r, dewbig oder Raubig guet (Cgm 290) 68v, dewbisch guet (Cgm 290) 41v, dewbs guet (Cgm 302) 15v, dewbstall (Cgm 290) lv, deubstal (Cgm 610) 7vb, dewbhayl 'Diebstahl' (Cgm 302) 31r. - steufmutter (Cgm 225) 94r, steufmuter (Cgm 543) 2r, Steufmuter (Cgm 618) 68ra, steuffuatter (Cgm 225) 59v, Steujvater (Cgm 618) 68ra, steüffbrueder (Cgm 225) 88v, Steuftochter (Cgm 618) 68ra, steüfsun (Cgm 315) 39ra, steuffsun (Cgm 522) 53vb, steüfsun CHRONIK (1501) B5v. - ein teüffe wunten (Cgm 315) 54vb, teüjf (Cgm 366) 158v, teuff (Cgm 529) 36rb, dass. (Cgm 858) 136r, tewff 'Tiefe' (Cgm 543) 6r. - fleugen A. Sg. 'Fliege' FUCHSPERGER (1542) 166.
Auf altes /iu/ gehen auch die überwiegend im Bairischen verbreiteten Formen dew ('die'), wew (Instrumental) und beim Neutrum das Zahlwort drew ('drei') zurück. 23 Bair. dew ist im 15. Jh. bereits selten; es konnte nur noch gelegentlich in den Handschriften nachgewiesen werden: dew tauff (Cgm 355) 2r, dew peicht ebd. 3v, dew Gottes wart 'die Worte Gottes' (Cgm 522) 2 2 Γ Ά . 2 4
Die Instrumentalform des Pronomens wer erscheint vor allem in mittel- und südbairischen Quellen. 25 In den bayerischen Handschriften wird wew bis ins 15. Jh. verwendet, in den Drucken bis Anfang des 16. Jh.s.
22
Vgl. Weinhold (1867) § 84; Moser (1929) § 82, Anm. 19; Braune/Eggers (1987) § 49; Bürgisser (1988) 65-69; Paul/Wiehl/Grosse (1989) § 77 u. § 159.12. 23
Vgl. Weinhold (1867) § 84, § 363, § 367; Moser (1929) § 82, Anm. 19; Moser/Stopp (1978) § 46.
24
Vgl. auch die Beleg für dev bei Bürgisser (1989) 69.
25
Vgl. DWB 14.1.2,803.
86
Sprachliche Untersuchung
vmb wew 'worum' (Cgm 290) llv, von wew 'wovon' (Cgm 376) 124v, dass. (Cgm 525) 39ra, zu wew 'wozu' (Cgm 323) 42v, czw wew 'wozu'(Cgm 543) 22r, mit wew 'womit' ebd. 21r, nach wew 'wonach' BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 22.3.
Die alte Bildung drew (beim Neutrum) kommt in den Handschriften vereinzelt bis ins 16. Jh. vor, in die Drucke dringt sie jedoch nicht ein. drew (Cgm 225) 9r, drewhundert ebd. 15r, drew (Cgm 290) 13v, dass. (Cgm 301) 146v u. 252v; vgl. drew in MB 27,449 (Hs. v. J. 1551) 20
Auch die Adjektivendung -iu (N. Sg. F. und Ν. A. PI. Neutr.) blieb obd., wo das i schwach betont wurde, bis zu Beginn der mittelhochdeutschen Periode erhalten, während im Mitteldeutschen Abschwächung zu e eingetreten ist.27 Seit dem 12. Jh. entwickelte sich im Oberdeutschen das Flexionsmorphem -iu zum Diphthong /oi/. 28 Es erscheint in den Handschriften bis Ende des 15. Jh.s als < e u > oder < e w > , in den Drucken kommt es jedoch nicht mehr vor. Ο Heiligew Trinitat (Cgm 301) 235r, ain schonew Jnsel ebd. 242r, ein hochwirdigew stat (Cgm 453) 113r, anderew weyb (Cgm 502) 5vb, disew wort (Cgm 522) 29va, deinew äugen (Cgm 529) 1 Ivb, sein aygenew ... chranchait (Cgm 543) 4v, sein aygenew tachter ebd. 37va, anderew guetew werck (Cgm 610) 3va, rechtew warew rew ebd. 4vb, disew weit (Cgm 639) lr. 2 9
Heute ist der Diphthong [oi] ( < ahd. /iu/) noch in Teilen des Mittel- und Südbairischen anzutreffen. Während er im 19. Jh. noch weit verbreitet war, zeigt er sich in unserem Jahrhundert lediglich bei den oben zitierten Wörtern Deub, Fleuge, Steuf- und teuf, wobei sich allerdings in zunehmendem Maße die Formen auf mhd. /it/ (mundartlich [ie]) behaupten. 30 Nach Schmeller (1872) 1,561 und Weinhold (1867: 259) wurde bis ins 19.
26
Vgl. auch die Belege für drev bei Bürgisser (1988) 69.
27
Vgl. Weinhold (1867) § 368 u. § 369; Schatz (1909) § 118b u. § 119; Braune/Eggers (1987) § 248, Anm. 6.
28
Vgl. Moser/ Stopp (1978) § 45.1 u. 46.
29
Vgl. auch die Belege bei Bürgisser (1988) 67 u. 69.
30
Die gesprochene Mundart bezeugen Schmeller (1821) § 258, § 296 u. § 303; Kranzmayer (1956) § 16j5 u. Karte 14; Maier (1965) 106 ff.; Wiesinger (1970) 2,256 ff.; Kollmer (1987) 1,143; - Verfasser (1989). - Grundler (1951: 86) weist für die Erdinger Gegend noch weitere "alte Restformen" nach. Vgl. ferner im DSA die Karten 122-125 (fliegen).
Mhd. /u/, /ü/ und /ü:/ Jh. n o c h dreu gesprochen, das in u n s e r e m Jh. allmählich v o n nhd. verdrängt w o r d e n ist.
87 drei31
32
Bei der A d j e k t i v e n d u n g -eu ist wahrscheinlich E n d e d e s 15. Jh.s A b s c h w ä chung zu /E/ eingetreten, die h e u t e noch anzutreffen ist, s o d a ß wir als G r u n d für das Zurücktreten aus der Schriftsprache e i n e n Sprachwandel ansetzen können.
5.6 D i e Entrundung /oi/ > /ai/
D e r D i p h t h o n g /oi/ wurde bair. im 13. Jh. zu /ai/ entrundet. 3 3
Dieser
W a n d e l , der in d e n untersuchten Q u e l l e n als < e i > , < e y > o d e r < a i > in E r s c h e i n u n g tritt, findet sich bis in die zweite H ä l f t e d e s 18. Jh.s. Belege auf ahd. /iu/: pedeiten 'bedeuten' (Cgm 453) 186, fraint Α PI. 'Freunde' (Cgm 522) 38rb, die leit N. PI. 'Leute' (Cgm 529) 20ra, leyten 'läuten' LANDPOT (1520) llv, bedeyttung BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 7.9, zu schieinigem Proceß HAMMERWERKSEINIGUNG (1594) 7v, fraindtlichheit HORNSTEIN (1596) A3r, bereyen WEINBERGER (1727) 181, Leichter 'Leuchter' KOLB (1745) 103. Belege auf ahd. /u:/: peytel 'Beutel' (Cgm 315) 23rb, preytigam Cgm 346) lr, kreitz (Cgm 606) 2Ivb Jeichtikait REGIMENT (1490) Civ, vnkeisch. BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 13.5, Gebey 'Gebäude' HALLWACHS (1680) 12, reidige Schaaf KOLB (1745) Ibjeicht KOHLBRENNER (1783) 15. Bair. sei bzw. sey 'sie', das aus frnhd. sew entrundet wurde, k o n n t e nur vereinzelt in d e n Handschriften des 15. Jh.s n a c h g e w i e s e n w e r d e n : sey ( C g m 3 5 2 ) 173v u. 21 lr, sei ( C g m 355) 33v, sey ebd. 55r, dass. ( C g m 5 4 3 ) 5r u. 6v. D a die F o r m sew im Bairischen häufig belegt ist, ist hier e i n e D i p h t h o n -
31
Vgl. dazu auch den Kommentar zu Karte 41 im Kleinen Deutschen Sprachatlas Bd. 1.1 (1984).
32
Nach Wittmann (1943: 115) hörte man "von ganz alten Leuten" vereinzelt noch drui. Zu bair. [ui] bzw. [iu] vgl. Kranzmayer (1956) Karte 12 und (zum Nordbairischen) Gutter (1971) Karte 18 sowie Kollmer 1 (1987) 310 u. 406. - Zu ahd. iu im gesamten deutschen Sprachgebiet sei abschließend noch auf die umfassende Darstellung von Mertes (1929/31) verwiesen. 33
Vgl. Weinhold (1867) § 79a; Kranzmayer (1956) § 5cl, § 15 u. § 16; Penzl (1975) 119 f.; Mettke (1989) § 31.2; Hartweg/Wegera (1989) 105; Paul/Wiehl/Grosse (1989) § 49.
88
Sprachliche Untersuchung
gierung si > sei, wie sie von Weinhold (1867: § 361) vermutet wird, unwahrscheinlich. Wie oben bereits erwähnt, muß beim Zurücktreten der Entrundungserscheinungen aus der Schriftsprache in erster Linie mit außersprachlichen Faktoren gerechnet werden. Heinrich Braun fordert in seiner Grammatik (1765) die Trennung von /oi/ und /ai/ und bringt als Beispiele Leute (26) und bedeutet (47), die seines Erachtens den mundartlichen Varianten Leite und bedeithet vorzuziehen seien. Der Diphthong [ai] (nhd. /oif) ist im Bairischen bis heute weit verbreitet. 34
34
Die Mundart des 19. und 20. Jh.s ist bezeugt durch Schmeller (1821) § 247 u. § 250; Mutzl (1860) 346; Schönberger (1934) 51; Kollmer (1949) 74; Maier (1965) 92; Gladiator (1971) 85; Zehetner (1978) 129; - Verfasser (1989).
6 M h d . /ie/, /uo/ und /üe/
Mhd. /ie/, /uo/ und /üe/ wurden bair. schon im 11./12. Jh. zu /ΪΒ/ (/is/), /ÜB/ (/us/) und /ÜB/ (/üa/). Diese Abschwächung des zweiten Bestandteils zeigt sich in der Schreibung allerdings nur beim Diphthong /uo/, der schriftsprachlich meist als < u e > erscheint. 1
6.1 Mittelhochdeutsch /ie/
Die Graphien < i e > (für mhd. /ie/) und < i > bzw. < y > (für mhd. / i f ) wurden bair. bis ins 15. Jh. im wesentlichen auseinandergehalten: z.B. lieb (Cgm 366) 60v, diener (Cgm 529) 3vb, dienst (Cgm 543) 4r, spiegel (Cgm 352) 15r. - spil (Cgm 302) 3v, spill (Cgm 366) 135r. Seit dem 16. Jh. verschwand dieser Unterschied allmählich, weil nun auch im Oberdeutschen für /i:/ der Digraph < i e > geschrieben wurde. 2 Am Lexem Hecht, das mittel- und südbairisch bis heute den Lautwert [ΪΒ] aufweist, läßt sich der mundartliche Diphthong genau verfolgen, da hier bei der Herausbildung der neuhochdeutschen Schriftsprache < i > durchgedrungen ist. Hecht (Cgm 290) 68r, dass. (Cgm 323) 4r, (Cgm 606) 70vb, (Cgm 639) 5r, EINBL. (1487a), liechtmeß EINBL. (1491), 3 dass. EINBL. (1494), liecht HAUER (1523) Blv, dass. SCHATZGER (1525) A3r, BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 4.5, WALDNER (1562) C4r, LAUTHER (1569) 2v, MAYER (1577) 59r, Liecht DONAUER (1611) 7, dass. STENGEL (1622) 16, ORDNUNG (1630) A4r, REIFFENSTUEL (1676) 6, HALLWACHS (1680) 75, DALHOVER (1688) 37, SCHÖNFELDER (1691) 3, HERTH (1715) 6, KRESSLINGER (1719) 13, WEINBERGER (1727) 38, KOLB (1745) 3, Liechtmess LV (1748), Himmels = Liecht HOLZER (1753) 8.
Die oben aufgeführten Belege demonstrieren, daß sich Liecht bis in die
1
Zu mhd. /ie uo üe/vgl. Moser (1929) § 81; Beranek (1967); Penzl (1975) 115; Wiesinger (1978); Michels/Stopp (1979) § 96; Bürgisser (1988) 82-100; Mettke (1989) § 18 u. § 19; Paul/Wiehl/Grosse (1989) § 81-83; Hartweg/Wegera (1989) 104. 2
Vgl. dazu auch Moser (1929) § 25 u. § 81.1; N.R. Wolf (1981) 1307.
3
Vgl. auch die Belege bei Bürgisser (1988) 83.
90
Sprachliche Untersuchung
Mitte des 18. Jh.s der Monophthongierung widersetzt hat. Die Form Licht taucht in bayerischen Texten erst ab der 2. Hälfte des 18. Jh.s auf. Nur in der Handschrift Cgm 620, die im dritten Viertel des 15. Jh.s in der Oberpfalz entstanden ist und daher vermutlich auch von der mitteldeutschen Schreibtradition beeinflußt wurde, kommt mehrmals die Schreibung licht vor. licht (Cgm 620) 22vb u. 27ra, Licht FINAUER (1768) 114, dass. FRONHOVER (1770) 12, ICKSTATT (1774) 39, DIETL (1786) 119, Sonnenlicht WESTENRIEDER (1798) 231.
Die Grammatiker des 18. Jh.s weisen öfter auf den Diphthong in Liecht hin: "Jn Schwaben, Bayern, Salzburg und weiter nach der Gränze, spricht man für Licht, Liecht [...]" (Gottsched 1762: 17). Heinrich Braun fordert in seiner Grammatik (1765: 154) Licht, denn dies sei "besser als das pöbelmäßige Liecht."4 Im 'Umständlichen Lehrgebäude' (1782: 1,74) von Johann Christoph Adelung wird ebenfalls die Form Liecht erwähnt und die diphthongische Aussprache kritisiert: "Das ie ist [...] unserem heutigen Gebrauche nach nichts anders, als ein Zeichen eines langen i, und daher so wenig ein Doppellaut, als aa, eh oder andere mit einem Dehnungszeichen versehene Hilfslaute." Der Oberpfälzer Carl Friedrich Aichinger (1754: 30) plädiert dagegen für die Schreibung Liecht, weil es seiner Meinung nach "von leuchten kommt". Mhd. /ie/ ist im Mittel- und Südbairischen auch noch im 19. und 20. Jh. als [ia] oder [iß] anzutreffen. 5 Vereinzelt reicht der fallende Diphthong auch ins Nordbairische, er kann sich dort jedoch nur in einigen Lexemen gegen die sogenannten "gestürzten" Diphthonge 6 behaupten. Letztere sind in den frühneuhochdeutschen Handschriften und Drucken nur sehr selten anzutreffen. Lediglich die Form neymand 'niemand' konnte in einer bayerischen Handschrift vom Jahre 1470 nachgewiesen werden: Cgm 522, fol. 28ra, 28va u.ö. Andreas Zaupser beschreibt in seinem 'Versuch eines baierischen und oberpfälzischen Jdiotikons' (1789: 3) den fallenden und steigenden Diphthong: "Bey ie wird das e im baierischen Dialekte durchaus recht ver-
4
Vgl. dazu auch Matzel/Penzl (1982) 133.
5
Dies bezeugen Schindler (1821) § 309; Mutzl (1860) 340; Schönberger (1934) 65 f.; Wittmann (1943) 43; Kollmer (1949) 72; Grundier (1951) 88f.; Kranzmayer (1956) § 17; Maier (1965) 111 f.; Wiesinger (1970) 2,19 ff.; Gladiator (1971) 84; Zehetner (1978) 145 ff.; - Verfasser (1989). 6
Vgl. dazu auch Paul/Wiehl/Grosse (1989) § 159.11 (mit weiteren Literaturhinweisen).
Mhd. Μ , /uo/ und /üe/
91
nehmlich gehört. Nie, Knie, wie niä, Kniä. Der Oberpfälzer hingegen verwechselt diese zween Buchstaben und setzt das e vor dem ι. Ζ. E. Knei (zweysilbig, wie Knäi) für Knie. Nei (Nhi) ffir nie. Deib (D&ib) ffir Dieb. Veich (Väich) ffir Vieh."1 Bei nhd. lügen (mhd. liegen) hat sich frnhd. in Mittel- und Norddeutschland ü im Stamm festgesetzt, um der Homonymie mit nhd. liegen (mhd. ligen) auszuweichen. Die ü-Schreibung erfolgte in Anlehnung an das Substantiv Lüge (ahd. lugina), unterstützend wirkte mhd. erliugt und wir lügen (Konj. Prät.). Nach lügen wurde ebenfalls in frühneuhochdeutscher Zeit das Verb trügen (mhd. triegen) gebildet. Im Bairischen ist bei mhd. liegen (und triegen) der Diphthong wohl auch deshalb erhalten geblieben, weil hier der Gegensatz von mhd. /ie/ und /i/ im Frühneuhochdeutschen nicht aufgegeben wurde und somit auch keine Homophonie existierte. In den untersuchten Texten wird bis ins 17./18. Jh. ausschließlich liegen und triegen geschrieben. liegen 'lügen' (Cgm 302) 21v, dass. (Cgm 529) 45ra, BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 8.5, WIMPINÄUS (1563) 41v, MAYER (1577) 12v, das Liegen 'Lügen' MEICHEL (1631) 256. - triegen (Cgm 502) 16va, betriegen (Cgm 620) 113v, dass. LANDPOT (1520) 53v, SCHATZGER (1525) Elr, BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 8.5, WIMPINÄUS (1563) 69r, BINSFELD (1591) 14v, REIFFENSTUEL (1676) 131, die ... betriegende Feder HERTH (1715) 15, (sie) betriegt KOLB (1745) 43.
Johann Ludwig Prasch führt in seiner Grammatik (1687: 92) beim Verzeichnis der unregelmäßigen Verben lediglich den Infinitiv liegen 'lügen' auf, während Heinrich Braun in der 'Sprachkunst' (1765) bereits die Formen lügen (155) und betrügen (124) vorschreibt. In der gesprochenen Mundart lebt der ursprüngliche Diphthong auch noch im 19. und 20. Jh. als [iu] weiter (Verfasser 1989).8
7
Zum Nordbairischen und zu den sogenannten "gestürzten" Diphthongen vgl. Haßmann (1930); Schwarz (1950) 2-8; Trost (1957); Mitzka (1957) 1683 f.; Wiesinger (1970) 2,27 f.; Gütter (1971) Karte 13; Denz (1977) 46; Kollmer (1987) 142 u. 146. 8
Zum 19. Jh. vgl. Schmeller (1821) § 31 sowie dessen Wörterbuch (1872) 1,1461 (liegen) und 1,658 (betriegen).
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Sprachliche Untersuchung
6.2 Mittelhochdeutsch /uo/
Mittelhochdeutsch /uo/ erscheint im Mittel- und Südbairischen seit dem 12./13. Jh. als < u e > . 9 In den untersuchten bayerischen Quellen zeigt sich dieser Digraph bis in die erste Hälfte des 18. Jh.s; in den Texten aus der Oberpfalz ist er allerdings bereits Ende des 16. Jh.s selten. genueg (Cgm 290) 6v, wuecher (Cgm 302) 7>\t,fluechen (Cgm 522) 3ra, mueter (Cgm 543) lr, Armuet (Cgm 606) 4rb, die ... guetten tag EINBL. (1491), Puess GERICHTSORDNUNG (1522) 21r, brueder ΑVENTIN (1519) lr, grueß HAUER (1523) B2r, suechen SCHATZGER (1525) B2r, Rechtstuel WALDNER (1562) E4r, muet SAUTER (1608) 2, Khue STENGEL (1622) 32, Tuech MEICHEL (1631) 41, anrueffen GEIGER (1649) 1, Er besuechte REIFFENSTUEL (1676) 3, Berueff ERTL (1684) 84, Fueg ... vnd Recht DALHOVER (1688) 2, Bluet SCHÖNFELDER (1691) 10, die Rueten WEINBERGER (1727) 124.
Der Diphthong / m l wird in den Drucken bis in die zweite Hälfte des 16. Jh.s auch mit < ü > und bis in die erste Hälfte des 16. Jh.s gelegentlich mit < f i > , oder < ü e > wiedergegeben. Die Zeichenverbindung ist allerdings lediglich in den Drucken der herzoglichen Kanzlei anzutreffen. wät APPELLATION (1480) 1, gßt EINBL. (1494), z8 CHRONIK (1501) A2r, Büch PERNEDER (1544) 4r, haimsÜchen WIMPINÄUS (1563) 4r, schäster HAFFNER (1568) 8r, klÜg MACER (1570) 24r, Demüt MAYER (1577) 52. - pl&t SCHATZGER (1525) a3v, (er) Mt BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 52.5. - tüe LV (1506), Men LV (1512) B2r, SchÜel LV (1524) B3r, tn&eter LV (1531) A3r, wüecher LV (1545) A7v, Me LV (1552), Füerman LV (1565) A2r. - sAel SCHATZGER (1525) A2v, gen&eg ebd. (1525) A3r.
Die meißnischen Drucke weisen bis Ende des 16. Jh.s für mhd. /uo/ vereinzelt < u e > auf. Da < e > im Mittel- und Niederdeutschen zum Teil nicht nur - wie in der neuhochdeutschen Standardsprache - nach < i > , sondern auch nach < o > und < u > als Dehnungszeichen verwendet wird,10 steht < u e > hier wahrscheinlich für /u:/. Der Diphthong < u e > in bayerischen Texten hat aber sicherlich dazu beigetragen, daß auch im Meißnischen die Schreibung < u e > bis ins 16. (17. ?) Jh. beibehalten wurde. Meißnische Belege: Stuel BABST (1589) H5v, dass. ALBINUS (1590) 153, DRESSER (1596) 41 und 111, Fueß ALBINUS (1590) 28 und 267, bluetig DRESSER (1596) 57, Guet ebd. 142.
9
Vgl. Weinhold (1867) § 105; Steinhauser (1926/27); Moser (1929) § 25 u. § 81.1; Bürgisser (1988) 85-88. 10
Vgl. den Ortsnamen Soest.
Mhd. /ie/, /uo/ und /üe/
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In den zeitgenössischen Grammatiken wird der mundartliche Diphthong häufig angesprochen. 11 Der aus Altbayern stammende Heinrich Braun wendet sich in der 'Sprachkunst' (1762: 39) gegen die Polemik mittel- und niederdeutscher Gelehrter, die im 18. Jh. in zahlreichen Publikationen die "Rückständigkeit" der Sprache in den bairischen Drucken erwähnen: "Die Widersprüche sind ja nicht zu läugnen; z.E. wir schreiben und sprechen Fluß, Guß, Verdruß etc. warum sollen wir dann nicht auch sprechen oder doch wenigstens schreiben: Buch, Fuß, Gruß, muß etc. Man sieht nicht einmal in den gedruckten Büchern unsers Vaterlandes Buech, Schuech, Guet, Bluet etc. dennoch sind einige so seltsam, daß sie sich darüber aufhalten, wenn sie in der Schrift eines gebornen Baiers Buch, Schuch, Gut, Blut, und nicht Buech, Schuech etc. geschrieben finden." Braun ist sich jedoch durchaus bewußt, daß in Bayern [ue] gesprochen und gelegentlich auch geschrieben wird, da er in seiner Grammatik mehrmals darauf hinweist (z.B. S. 23 und 171). Andreas Zaupser beschreibt in seinem 'Jdiotikon' (1789: 3) diesen fallenden Diphthong und bezieht dabei auch den steigenden Diphthong der Oberpfalz mit ein: "In Baiern tönt das u oft, wie ue. Z.E. Du muest für du mußt. Fluecha für fluchen. Bue für Bub. Bluet für Blut. Fues für Fuß. Kueh für Kuh. Jn der obern Pfalz aber lautet es wie ou. Moust, flouchn, Bou, Blout, Fous, Kouh. Jn den ältesten Urkunden liest man guet, guot für gut und dergleichen, welche Aussprache der Baier beybehalten hat." Mhd. /uo/ wird im Mittel- und Südbairischen auch im 19. und 20. Jh. meist als [UB] oder [ua] gesprochen, im Nordbairischen gelten - wie oben bereits erwähnt - die sogenannten "gestürzten" Diphthonge. 12
Da mhd. /uo/ Anfang des 13. Jh.s im Bairischen vor Nasal zu /QE/ wurde und dadurch mit Iqel (< bair. /ai/ = mhd. /ei/) zusammengefallen ist, taucht seit der Mitte des 14. Jh.s für mhd. /uo/ vereinzelt die hyperkorrekte Schreibung < a i > auf. 13 Dieser Diphthong, der in den untersuchten Handschriften und
11
Vgl. beispielsweise Helber (1593) 33 f., Gottsched (1762) 17, Weitenauer (1764) 26, Hemmer (1769) 87, Adelung (1782) 1,74. 12
Vgl. (1943) (1965) (1977) 13
Schmeller (1821) § 382-384; Mutzl (1860) 347; Schönberger (1934) 66; Wittmann 43; Kollmer (1949) 74 f.; Grundler (1951) 91; Kranzmayer (1956) § 18; Maier 112 f.; Wiesinger (1970) 2,19 ff., Gladiator (1971) 84; Gutter (1971) Karte 17; Denz 47; Zehetner (1978) 150 ff. Vgl. ferner DSA, Karten 12 u. 37 (Bruder).
Vgl. Weinhold (1867) § 66; Moser (1929) § 81, Anm. 6; Wiesinger (1977) 569; PaulWiehl/Grosse (1989) § 159.17.
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Sprachliche Untersuchung
Drucken bis in die Mitte des 17. Jh.s vorkommt, konnte lediglich bei mhd. tuon und bluom(e) nachgewiesen werden. thainn (Cgm 352) 2v, tain (Cgm 606) 84ra und 92ra, thain KHUEN (1639) 6.9 und 11.8; vgl. auch thain in MB 17,249 (v.J. 1449); weitere Belege bei Weinhold (1867) 73. plaim (Cgm 858) 129r, feldplaimen N. PI. ebd. 858), Blaim KHUEN (1639) 1.9, Sommerblaim KHUEN (1641) 10.5.
Mhd. /uo/ wird im Mittel- und Südbairischen vor Nasal bis heute zu [QB] gesenkt (s. o.), wobei meist Nasalierung eingetreten ist.14
6.3 Mittelhochdeutsch /üe/
Bei mhd. /üe/ wird der mundartliche Diphthong nicht so konsequent bezeichnet wie bei mhd. /uo/. 15 Er läßt sich in unseren Texten bis Ende des 17. Jh.s lediglich anhand von oder < ü e > sicher nachweisen. Der Digraph < f i > kann nur dann als Diphthong aufgefaßt werden, wenn daneben für den M-Umlaut die Schreibung < ü > verwendet wird. In den Drucken der Oberpfalz ist die Zeichenverbindung < ü e > bzw. < ü e > bereits im 16. Jh. selten anzutreffen. püessen (Cgm 290) Irjüeren (Cgm 522) 2rb, verw&estung LANDPOT (1520) 2v, berüeren GERICHTSORDNUNG (1522) 55v, verfieren HAUER (1523) C3r, gäetig SCHATZGER (1525) Glv, gem&et BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 2.1, behüeten LAUTHER (1569) 2v, Büecher SAUTER (1608) 25, verßegen (1617), m&ed MEICHEL (1631) 548, Gebiet THIRMAIR (1633) 8.
Auch in einem meißnischen Text vom Jahre 1596 fand sich mehrmals der Diphthong : Gäetem D. PI. 'Besitz' DRESSER (1596) 83, gäeter ebd. 166, Haus vnd Gäeter ebd. 179; (er) hüetete (sich) ebd. Der Vokal e ist hier wahrscheinlich wie bei den oben (Kap. 6.2) zitierten meißnischen Belegen auf < u e > Dehnungsvokal. Der Diphthong in den bayerischen Texten hat aber wohl auch in diesen Fällen dazu beigetragen, daß die Schreibung im Meißnischen noch im 16. (17. ?) Jh. verwendet wurde.
14
Die Mundart des 20. Jh.s ist bezeugt durch Schwarz (1925/26) 265-267; Schönberger (1934) 66; Wittmann (1943) 43; Kranzmayer (1956) § 17c; Maier (1965) 113; Zehetner (1978) 152; - Verfasser (1989). 15
Vgl. dazu auch Weinhold (1867) § 108; Moser (1929) § 81; Bürgisser (1988) 88 f.
Mhd. fie/, /uo/ und /tie/
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Der Diphthong < ü e > bzw. wird von den Grammatikern öfter erwähnt. Im 'Syllabierbüchlein' (1593: 34) von Sebastian Helber (der vermutlich aus dem bairischen Raum stammte) findet sich der Hinweis, daß in den Gegenden, in denen ue geschrieben und gesprochen wird, auch der Diphthong üe anzutreffen sei. Ignaz Weitenauer kritisiert in seiner Abhandlung über die 'Zweifel von der deutschen Sprache' (1764: 26) die Verwendung der Zeichenverbindung und zitiert dabei die Beispiele schlechte Gtzeter, Ladenhüeter, Schaden zufäegen, verf&ehrte und unruhige Gemüether. Das Kompositum Ladenhüeter ist hier sicherlich bewußt gewählt, um hervorzuheben, daß der Diphthong als veraltet anzusehen ist. Heinrich Braun (1765: 15) ist derselben Ansicht, denn er bemerkt zu ue und üe: "Vor Zeiten war dieser Diphthong sehr im Schwünge, denn wie man redete, so schrieb man: Füeß, Schuech, Muetter etc." Daß die Graphien < ü e > bzw. nur bis ins 17. Jh. belegt sind, liegt vermutlich daran, daß mhd. /üe/ in der Mundart meist zu [iu] entrundet wird. Dieser Wandel, der im 12./13. Jh. einsetzte,16 tritt in den untersuchten Texten bis ins 18. Jh. als oder in Erscheinung. wieten 'das Wüten' (Cgm 301) 256v, kyen 'kühn' (Cgm 315) 49rb, Betriebt (Cgm 347) 26v, Brieder N. PI. (Cgm 529) 75vb, fieß N. PI. 'Füße' EINBL. (1501), vierem D. PI. zu 'Führer' LANDPOT (1520) llr, Gerichtzyebung GERICHTSORDNUNG (1522) 66r, betriebt HAUER (1523) E2v, yeben BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 18.1, Frieling HORNSTEIN (1596) Dlv, außspielen 'ausspülen' THIRMAIR (1633) 13, geniegen GEIGER (1646) 2, Tiechel REIFFENSTUEL (1676) 211, siesses Mandelbhl SCHÖNFELDER (1691) 53, Mieter 'Hüter' WEINBERGER (1727) 174; < i e > noch oft bei WEINBERGER.
Die Entrundung /üe/ > /iu/ ist im Mittel- und Südbairischen auch noch im 19. und 20. Jh. anzutreffen; 17 in einigen südbairischen Reliktgebieten ist diese Entrundung allerdings nie ganz durchgedrungen. 18
Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß das Verschwinden der auf mhd. /ie/, /uo/ und /üe/ zurückgehenden Diphthonge in erster Linie auf außer16
Vgl. dazu Kranzmayer (1956) § 5c.
17
Dies ist belegt durch Schmeller (1821) § 390; Schönberger (1934) 66; Wittmann (1943) 43; Kollmer (1949) 75; Grundler (1951) 92; Maier (1965) 114; Wiesinger (1970) 2,17 ff.; Gladiator (1971) 84; Zehetner (1978) 145 ff.; - Verfasser (1989). Zum Nordbairischen vgl. ferner Gütter (1971) Karte 14 und Denz (1977) 46. Vgl. auch die Karten 94-98 (müde) im DSA. 18
Vgl. Kranzmayer (1956) § 19.
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Sprachliche Untersuchung
sprachliche Kriterien zurückzuführen ist, da sie auch heute noch in den bairischen Mundarten anzutreffen sind. In einigen Fällen (vgl. /üe/ > /ie/) haben aber wohl auch innersprachliche Aspekte eine Rolle gespielt. Wegen der Diphthongierung von /i/, /u/ und /ü/ (vgl. Kap. 3.1 und 5.1) könnten die monographischen Schreibungen von mhd. /ie/, /uo/ und /üe/ (teilweise) auch als Hyperkorrektismen aufgefaßt werden. 19
19
Vgl. dazu auch Bürgisser (1988) 96.
7 Mittelhochdeutsch /ei/
7.1 Der Wandel /ei/ > /ai/
Im Bairischen erscheint seit dem 13. Jh. mhd. /ei/ als < a i > , ! während mhd. /i:/ meist mit < e i > wiedergegeben wird.2 Bereits Sebastian Helber weist im 'Syllabierbüchlein' (1593:24) auf den Unterschied dieser beiden Diphthonge hin: "Wan die Donawischen nach irer Landen aussprache die nechstvolgende Wort mit ei schreiben, so wöllen sie etwas anders darmit anzeigen, als wan sie die selben also mit ai schreiben und drucken." In bayerischen Texten ist die «/-Schreibung bis in die erste Hälfte des 16. Jh.s konsequent durchgeführt; Ende des Jh.s wird sie seltener, nimmt Anfang des 17. Jh.s wieder zu und verschwindet schließlich im 18. Jh. bis auf wenige Ausnahmen (s. u.) aus der Schriftsprache. Am längsten hält sich < a i > in den Lexemen Taig und Waizen, die bis Ende des 18. Jh.s belegt sind, da sie als ausgesprochene Wirtschaftswörter im engsten Kreis besonders gebraucht wurden. wainen (Cgm 606) 19ra, haim Adv. (Cgm 620) 34va, er ... zaigt APPELLATION (1480) 1, taig REGIMENT (1490) A4r, aydspflicht LV (1519), waid 'Weideland' LANDPOT (1520) 44v, kain HAUER (1523) A4r, thai! PERNEDER (1544) 4v, klain HAFFNER (1568) 9v, attain DOBEREINER (1570) B5v, brait MÜLLER (1591) 6, blaich SAUTER (1608) 2, haiß MEICHEL (1631) 10, schwaiß THIRMAIR (1633) 2, Ayr Α. PI. 'Eier' REIFFENSTUEL (1676) 55, gaißlen ERTL (1684) 93, Schwaiff SCHÖNFELDER (1691) 15, (er) haißt KRESSLINGER (1719) 9, Jahren-Kraiß 'Jahreskreis' WEINBERGER (1727) 35, W&itzen HERTH (1715) 16, Waken KOHLBRENNER (1783) 10, Taig ebd. 90.
Während Bayern und Laie (mhd. lei(g)e) immer mit oder < a i > geschrieben werden, tritt Kaiser bis Anfang des 17. Jh.s gelegentlich mit < e i > bzw. < e y > auf. Die Drucke der herzoglichen Kanzlei gebrauchen aus-
1 Diese ei-Schreibung zeigt vermutlich die Öffnung des ersten Bestandteils zum Extremdiphthong /ai/ an. 2
Zum Mittel- und Frühneuhochdeutschen vgl. Weinhold (1867) § 64; Brenner (1894) 472 ff.; Moser (1929) § 79.1; Michels/Stopp (1979) § 47; Bürgisser (1988) 72 f.; Mettke (1989) § 16; Paul/Wiehl/Grosse (1989) § 78.
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Sprachliche Untersuchung
nahmslos Kayser bzw. Kaiser. Bayern: Obern vnd Nidem Bayren (Cgm 225) lr, Bayren (Cgm 290) lr, dass. (Cgm 301) 235r, Bairen APPELLATION (1480) 2, Bayrn EINBL. (1486), Bairen HAUER (1523) A2v, Bayrn LV (1545) A4v, Bayern MAYER (1607) C4r, Bayrn HALLWACHS (1680) 7, dass. ERTL (1684) 85, KRESSLINGER (1719) 4, WEINBERGER (1727) 19, Bayrn LV (1730), KOLB (1745) 29, Baiern FINAUER (1768) 17, dass., ICKSTATT (1774) 51, WESTENRIEDER (1798) 11, Baiem LV 1799) lr. Kayser: kayser (Cgm 225) 4v, dass. (Cgm 355) 14r, (Cgm 522) 46vb, EINBL. (1486), Kaiserliche Mayestat LV (1524) lr, Kayserlich Edict LV (1531), Kayser PERNEDER (1544) dass. MACER (1570) 15r, dass. REIFFENSTUEL (1676) 1, ERTL (1684) 90, KOLB (1745) 17, Kaiser FINAUER (1768) 1, LV (1792), WESTENRIEDER (1798) 13. - Keyser TITULARBUCH (1490) 7v, Keisern D. PI. WALDNER (1562) K3v, Keyser BINSFELD (1591) 37v, dass. ORDNUNG (1630) A2r. Laie: lay (Cgm 620) 91r, dass. SCHATZGER (1525) Pas,Lay WIMPINÄUS (1563) 17r, lay HAFFNER (1568) 8r, Layen N. PL STENGEL (1622) 100, Laie DIETL (1786) 206. Bei der Herausbildung der neuhochdeutschen Schriftsprache hat sich aus etymologischen Überlegungen < a i > durchgesetzt (vgl. lat. laicus und Caesar), wobei die bairischen Formen sicherlich auch eine Rolle gespielt haben sowie die Tatsache, daß das Kaisertum fast ausschließlich bei Österreich war. In nhd. Saite und Waise haben die Grammatiker des 17. Jh.s aus dem Bestreben nach semantischer Differenzierung < a i > gefordert; die im Bairischen vorherrschende «/-Schreibung ist dabei wohl auch mit berücksichtigt worden. Bayerische Belege: saitenn spil (Cgm 301) 235r, auf den ... Saiten (der Zither) D. PI. FRONHOFER (1770) 118, Saite (eines Instruments) DIETL (1786) 69. - den verwaisten khindern D. PI. LV (1545) A7v, Waisen vnd Witwen BINSFELDER (1591) lOr, Waisenpfleger LV (1644), Waisen=Hauß KOLB (1745) 89. Die untersuchten meißnischen Quellen verwenden seit dem 16. Jh. öfter Beyern und noch Ende des 17. Jh.s Keyser und Seitenspiel. Bei Waise und Laie ist hier schon im 16./17. Jh. ai bzw. ay üblich. Meißnische Belege: Beyern ALBINUS (1590) 4, dass. DRESSER (1596) 51, B&yem SCARAMUZA (1693) 7. - Keyser BABST (1589) Clv, dass. ALBINUS (1590) 32, DRESSER (15%) 20, WEISE (1680) 59, Kayser SCARAMUZA (1693) 12. Seitenspiel (Spiel auf der Harfe) SCARAMUZA (1693) 50. - Witwen vnd Waisen DRESSER (1596) 95. - Lfyen=Br6der SCARAMUZA (1693) 124. Die Grammatiker des 17. und 18. Jh.s erläutern häufig das Nebeneinander von ay (ai) und ei, wobei vor allem die Wörter Saite, Laie, Kayser und die Bezeichnung Bayern hervorgehoben werden. 3 3
Vgl. Prasch (1687) 10; Aichinger (1754) 26; Popowitsch (1754) 1 f.; Gottsched (1762) 46 f.; Braun (1765) 14, 122, 149 u. 153; Adelung (1781) 234; ders. (1782) 1,141 f. u. 2,763 f.; Bödiker (1723) 26.
Mhd. /eil
99
In den Kirchenwörtern fleisch, geistlich) und heilig (sowie in rein)4 wird im Bairischen seit der zweiten Hälfte des 14. Jh.s häufig < e i > statt des zu erwartenden < a i > gebraucht. Die Behauptung Virgil Mosers (1929: § 79, Anm. 1), daß die oben genannten Wörter im Bairischen "nicht nur in den Hss. sondern auch in den Drucken der ganzen frnhd. Zeit durchgehend mit ei erscheinen", trifft allerdings nicht zu: In den bayerischen Texten fanden sich bis in die zweite Hälfte des 16. Jh.s häufig flaisch, gaist(lich) und hailig. Bei nhd. rein konnte < e i > nur in der 1594 in der Oberpfalz publizierten Hammerwerksordnung nachgewiesen werden; die Schreibung rain tauchte sogar noch in einer gedruckten Landesverordnung vom Jahre 1739 auf. fleisch (Cgm 323) 2r, dass. (Cgm 442) lOv, (Cgm 502) 4ra, (Cgm 606) 23va, (Cgm 639) 41v, Regiment (1490) A2v, WIMPINÄUS (1563) 20r, Fleisch DONAUER (1611) 16, GEIGER (1649) 18. - flaisch (Cgm 301) 254v, dass. (Cgm 453) 169r, SCHATZGER (1525) E2v, DOBEREINER (1570) D2r, des flaischs wollust MAYER (1577) 2v. geist (Cgm 352) 178v, dass. (Cgm 502) 9ra, (Cgm 543) 8r, (Cgm 606) 23va, BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 3.9, Geist DOBEREINER (1570) D8r, dass. DONAUER (1611) 2, REIFFENSTUEL (1676) 17, Heil. Geist WEINBERGER (1727) 43. - gaist (Cgm 301) 256v, dass. (Cgm 323) 27v, (Cgm 442) 40r, (Cgm 639) 47r, HAFFNER (1568) 8r, Gaist MACER (1570) 25v, gaist MAYER (1577) 45r. geistlich (Cgm 606) 6rb, dass. BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 5.3, BINSFELD (1591) llr, ERTL (1684) 83. - gaistlich (Cgm 302) 4r, dass. (Cgm 525) 8ra, (Cgm 639) 2r, HAFFNER (1568) 52v, Gaistlich Spruch MAYER (1577) 44r. heilig (Cgm 522) 21va, (Cgm 610) 4rb, BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 4.14, LAUTHER (1569) 14v, BINSFELD (1591) 13v, MEICHEL (1631) 18, HALLWACHS (1680) 2, der heiligen meß G. Sg. WEINBERGER (1727) 9. - hailig (Cgm 301) 258v, dass. (Cgm 385) 127r, hailiger vater EINBL. (1487); des hailigen reichs PERNEDER (1544) 30v, die hailigen Apostel WIMPINÄUS (1563) lv, hailiger Mann MACER (1570) llr. rein HAMMERWERKSEINIGUNG (1594) 20r, aber ebd. zweimal rain! - rainikait (Cgm 620) 9vb, rain BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 4.9 und 4.10, dass. MAYER (1577) 29v, LV (1739). Bemerkenswert ist, daß nhd. Heil bis Ende des 17. Jh.s ausnahmslos mit < a i > geschrieben wird; erst Ende des Jh.s dringt hier der Diphthong < e y > durch. hail (Cgm 315) 71vb, dass. (Cgm 525) 12rb, (Cgm 606) 69rb, (Cgm 618) 23va, WIMPINÄUS (1563) 5r, DOBEREINER (1570) A3r, Hail BINSFELD (1591) 5v, dass. STENGEL (1622) 52, REIFFENSTUEL (1676) 3, SCHÖNFELDER (1691) 65. - Heyl ERTL (1684) 83, Seelen=Heyl WEINBERGER (1727) 36.
Nach Virgil Moser (1929: § 79, Anm. 18) bleibt im Oberdeutschen während der ganzen frühneuhochdeutschen Periode das alte ei in eilf (eindlef), eintweder und leim 'Lehm' erhalten. Für die bayerischen Texte gilt dies
4
Vgl. dazu aber auch u.
100
Sprachliche Untersuchung
allerdings nicht, da diese L e x e m e bis ins 17./18. Jh. < a i > bzw.
aufweisen. aindlef 'elf (Cgm 315) 49rb, dass. (Cgm 522) 17vb, (Cgm 529) 8vb, der aylfft SCHATZGER (1525) A3v, Zum Ailfften PERNEDER (1544) 16v, ailff HAMMERWERKSORDNUNG (1594) 2T, Ailfftens LV (1726). - aintweder6 (Cgm 352) lv, Aynttweder (Cgm 502) 59ra, aintweder PERNEDER (1544) 14r, dass. WIMPINÄUS (1563) 5r, aintweders LV (1730). - laym 'Lehm' (Cgm 355) 104v, dass. (Cgm 502) 13ra, Laym ΑVENTIN (1512) A6r, laym BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 39.4, laim ΑVENTIN (1542) 14r, Laimen N. Sg. WALDNER (1562) G4v, Laimb SCHÖNFELDER (1691) 15. A u c h die b e i M o s e r (1929: § 79, A n m 1) aufgestellte B e h a u p t u n g , d a ß in bairischen H a n d s c h r i f t e n heimlich und Heinrich regelmäßig mit ei geschrieben w e r d e n , trifft nur bedingt zu, w i e die f o l g e n d e n B e l e g e b e w e i s e n . haymleich (Cgm 352) 128r, dass. (Cgm 543) 31r, haimlich (Cgm 606) 62va, dass. (Cgm 620) 25rb. - vgl. dazu die Belege aus bair. Hss. bei Schmeller (1872) 1,1115 und Moser/Stopp (1978) § 39.2. Auch im 16. Jh. < a i > : kbnig Hainrichen ΑVENTIN (1519) B3r, hainrich BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 98.5.
D e r aus Kontraktion v o n ahd. -agi- und -egi- e n t s t a n d e n e D i p h t h o n g taucht im Bairischen ebenfalls meist als < a i > auf. 7 Er zeigt sich vor a l l e m in gejaid
(ahd. *gijagidi),
maister
(lat. magister)
sowie in getraid
(ahd.
gitregidi),
sait 'sagt' 3. P. Sg. Präs. Ind. (ahd. *segit) und trait 'trägt' 3. P. Sg. Präs. Ind. (ahd. tregit). A m längsten bleibt < a i > in getraid
erhalten, das bis E n d e d e s
18. Jh.s b e l e g t ist. Gejaids=Ueberreuter LV (1750) B2v, Gejaid=Scharwerch LV (1756) A3v; weitere Belege bei Schmeller (1872) 1,1201. - maister (Cgm 522) 6rb, dass. (Cgm 543) 4r, (Cgm 639) lr, SCHATZGER (1525) A2v, Renntmaister LV (1530), Maister WIMPINÄUS (1563) 27r, DALHOVER (1688) 21, WAKIUS (1713) 86, Maisterlich WEINBERGER (1727) 43. - getrayd LV (1537) A3v, Getraid MÜLLER (1591) 10, dass. LV (1622), MEICHEL (1631) 694, Getraidt LV (1703) lr, Getraid WAKIUS (1713) 67, Getraidt LV (1748), Getraid WESTENRIEDER (1798) 174. - sait (Cgm 290) 66r, gesait (Cgm 385) 73v und 78r, gesaytt (Cgm 502) 8rb. - trayt (Cgm 355) 57r und 109r, trait ebd. 98r. 8
5
Vgl. auch ainlef bei Bürgisser (1988) 75.
6
Vgl. ebd. 73 die Belege für aintweders bzw. aintwederre.
7
Vgl. dazu Moser (1929) § 79, Anm. 27; zum Mittelhochdeutschen Michels/Stopp (1979) § 170; Paul/Wiehl/Grosse (1989) § 108. 8
Vgl. auch die Belege bei Bürgisser (1988) 76.
Mhd. /ei/
101
Mhd. /ei/ erscheint heute im Mittel- und in Teilen des Südbairischen meist als [QB], im Nord- und Südbairischen vereinzelt auch als /QI/.9 Nach Kranzmayer (1956: § 20e) ist dieser Wandel schon seit 1220 durch einzelne οα-Schreibungen nachweisbar. In den untersuchten Texten konnte hierfür jedoch kein Beleg gefunden werden. Die Schreibung < a i > , die bis ins 17./18. Jh. für mhd. /ei/ verwendet wird, spiegelt offensichtlich eine überregionale Verkehrssprache wider, kann aber auf keinen Fall mit der gesprochenen Mundart gleichgesetzt werden. Die Lautung /QB/ ist durch zahlreiche orthoepische Zeugnisse belegt. So beschreibt Carl Friedrich Aichinger in seinem 'Versuch einer teutschen Sprachlehre' (1754: 24) das Verhalten von mhd. /ei/ in den verschiedenen hochdeutschen Mundarten und geht dabei auch auf die Lautungen [QB] und [Qi] ein: "Das ist wohl bekannt genug, daß in Meissen das ei sehr offt laute wie ee: wo es nehmlich bei den Pfälzern wie oi, bei den Bayern wie oa, bei den Nürnbergern fast wie α klinget. Z.B. heissen, Heessen, hoissen, hoassen, hassen." In der Grammatik von Gottsched (1762: 47) findet sich der Hinweis, daß in Bayern Bein wie Boan und Stein wie Stoan gesprochen werde. Andreas Zaupser bringt in der Vorrede zu seinem 'Jdiotikon' (1789: 2) zahlreiche Beispiele und weist dabei auch auf die alte Schreibung ai hin: "Der Baier spricht ei meist eben so wie oben das ai, nähmlich wie oa, aus. Oagn für eigen. Gschroa für Geschrey. Verstoagem für versteigern. Loata für Leiter. Zoagn für zeigen. Noagn ffir neigen etc. Doch ist dieses nicht durchaus bey allen Wörtern gewöhnlich. So sagt der Baier nie stoagn für steigen. Merkwürdig ist, daß alle diejenigen Wörter, bey welchen der Baier das ei wie oa ausspricht, in alten Urkunden mit ai geschrieben werden. Z.B. aigen, haimlich, Aid, mainen, Erbthail, kain, überain etc. Der Oberpfälzer spricht dafür Gschroy, oign, zoign, hoimli, Oid." In der 'Beschreibung einer Reise durch Deutschland und die Schweiz im Jahre 1781' geht Friedrich Nicolai in Bd. 6 (1885: 780) ausführlich auf die bayerische Mundart ein und führt dabei auch den Diphthong [QB] an: "AI [...] klingt wie oa, z.B. bairisch wird boarsch, Schwaig (eine Mayerey) Schwoach ausgesprochen." Seit dem 19. Jh. wird die Lautung [QB] in den Stadtmundarten immer häufiger durch hochsprachliches [ai] verdrängt, wie beispielsweise in den
9
D i e Mundart des 19. und 20. Jh.s ist bezeugt durch Widman (1836) 12; Mutzl (1860) 346; Schönberger (1934) 56 ff.; Wittmann (1943) 37; Kollmer (1949) 63 ff.; Grundler (1951) 82 f.; Maier (1965) 92 f.; Wiesinger (1970) 2,123 ff.; Gladiator (1971) 28; Zehetner (1978) 159 ff.; Kollmer 1 (1987) 22, 26 u. 160 f.; - Verfasser (1989). In Einsilbern reicht der fallende Diphthong auch ins Nordbairische; vgl. Kranzmayer (1956) Karte 16; Gütter (1971) Karte 21; D e n z (1977) 49; Kollmer (1985) 130, Karte I. Vgl. auch D S A Karte 16 (heiß).
102
Sprachliche Untersuchung
L e x e m e n Kreis oder Kaiser.
Letzteres ist h e u t e nur noch in südbairischen
R e l i k t g e b i e t e n und vereinzelt in d e n N a m e n "Zahmer" bzw. "Wilder Kaiser" (ein Gebirgszug in d e n Nordtiroler Kalkalpen) mit [qb] anzutreffen. 1 0 Im 18. Jh. war es d a g e g e n noch durchgehend in der e c h t e n mundartlichen F o r m verbreitet. 1 1 In nhd. Geist,
heilig und Fleisch
erscheint im Mittel- und Nordbairischen
h e u t e meist [ai]. 12 N h d . rein gehört sicherlich nicht - w i e v o n K r a n z m a y e r ( 1 9 5 6 ) 1 3 b e h a u p t e t w i r d - z u d e n s o g e n a n n t e n Kirchenwörtern, 1 4 d a e s h e u t e im Bairischen d e n D i p h t h o n g [qb] aufweist. 1 5 D i e s erklärt auch die oben
aufgeführten B e l e g e ,
die bis auf e i n e A u s n a h m e
immer
enthalten.
10 Dies ist bezeugt durch Maier (1965) 93; Kranzmayer (1981) 106; - Verfasser (1989). Nach Weber (1989: 575) wird auch eine felsige Erhebung am Grund des Chiemsees von den Einheimischen Kaiser (in der gesprochenen Mundart mit fallendem Diphthong!) genannt, da man von dieser Stelle des Sees einen besonders schönen Blick auf den "Wilden Kaiser" hat. 11
Gottsched (1762: 17), Hemmer (1769: 97) und Zaupser (1789: 2) erwähnen, daß man im Bairischen anstatt Kaiser häufig Koaser hören könne. 12
Vgl. Wittmann (1943) 18; Kollmer (1949) 64; Grundler (1951) 83; Kranzmayer (1956) § 20ml; Maier (1965) 92 f.; Zehetner (1978) 164. 13
Vgl. § 20ml: "In den Kirchenwörtern heilig, Geist, Fleisch, rein haben sich im Bairischen Lautungen durchgesetzt, die aussehen, als läge mhd. i zugrunde." Bürgisser (1988:72) greift offensichtlich diese Äußerungen Kranzmayers auf und bemerkt, "daß die sogenannten "Kirchenwörter" heilig, Geist, Fleisch und rein im allgemeinen gleich lauten wie die Entsprechungen von mhd. iil [...]; sie werden seit etwa 1350 konsequent nur mit < e i > oder < e j > geschrieben." (Vgl. aber die oben aufgeführten Belege auf !). - Dagegen werden bei Paul/Wiehl/Grosse (1989: § 42, Anm. 4) mit Verweis auf Pfalz (1925: 207) lediglich geist, fleisch und heilig als "Lehnwörter aus der Hochsprache der Kirche" bezeichnet; weiter unten (§ 159.13) wird dann allerdings auch rein (unter Berufung auf Kranzmayer) zu den sogenannten Kirchenwörtern gezählt. 14 15
Vgl. dazu auch Zehetner (1978) 164.
Zur rezenten Mundart vgl. Schönberger (1934) 56; Maier (1965) 94; Zehetner (1978) 164.
Mhd. /ei/
103
7.2 Die Monophthongierung /ai/ > /a:/
Seit dem 12 Jh. wurde /ai/ - zunächst offensichtlich nur in den Kirchenwörtern geist, heilig und fleisch, dann aber auch sonst häufig - zu /a:/ monophthongiert. 16 Dieser Wandel, der wohl vom Südbairischen ausging, zeigte sich in den untersuchten bayerischen Texten bis in die Mitte des 16. Jh.s als < a > , < ä > , < ä > oder < a e > . fläsch (Cgm 249) 240r und 247v, kung aller hblgen (Cgm 858) 132v waed ... die swein 'weide'! Imp. (Cgm 352) 129r; mainadt 'Meineid' (Cgm 620) 87v, baebel 'Weibel, Unteroffizier' BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 59.3, in derzwaeten (Tafel) FUCHSPERGER (1542) 178.
Durch Monophthongierung ist vermutlich auch nhd. zwanzig entstanden: 17 mhd. zweinzig > bair. zwainzig > nhd. zwanzig. Ende des 17. Jh.s setzt sich bair. zwanzig in der neuhochdeutschen Schriftsprache als alleinige Form durch. zwaintzig (Cgm 290) 38v, dass. (Cgm 522) 17va, CHRONIK (1501) A6r, GERICHTSO R D N U N G (1522) 25v, HAMMER WERKSEINIGUNG (1594) 3r. - den ... ßnf und zwanzigsten Febr. FINAUER (1768) 86, zwanzig ICKSTATT (1774) 51, vier und zwanzig LEUTHNER (1790) 36. 18
Der aus ahd. -egi- entstandene Diphthong /ai/ wurde ebenfalls zu /a:/ monophthongiert (vgl. u. die Ausführungen zur rezenten Mundart). 19 In den untersuchten Quellen konnte nur trat (< trait) nachgewiesen werden: (er) trat (Cgm 315) 22vb, (es) trat (Cgm 352) 22r, (er) träet (Cgm 442) 5v.
Heute ist der aus mhd. /ei/ entstandene Monophthong nur noch in Teilen des Südbairischen und in der Gegend um Wien anzutreffen. 20 Die oben aufgeführten Beispiele legen die Vermutung nahe, daß er früher ins Mittelbairische hineinreichte. Ist dies richtig, dann wäre das Zurückweichen dieser Lautung aus der Schriftsprache durch einen Sprachwandel ausgelöst 16 Vgl. Weinhold (1867) § 39; Moser (1929) § 79, Anm. 6. - Nach Wiesinger (1977: 571) war dieses α im 13. Jh. Kennzeichen der "Herrensprache". 17
Vgl. dazu auch Moser (1929) § 79, Anm. 6 u. 17; Beranek (1967) 193.
18
Vgl. auch die Belege für zwaintzech bei Bürgisser (1988) 73 u. 141.
19
Vgl. Moser (1929) § 79, Anm. 27; Kranzmayer (1956) § 20o.
20
Er wird hier als überoffenes helles la:l gesprochen.
104
Sprachliche Untersuchung
w o r d e n . A u c h der auf ahd. egi zurückgehende D i p h t h o n g erscheint h e u t e im Mittel- und Südbairischen als M o n o p h t h o n g , 2 1 w ä h r e n d das aus ahd. agi g e b i l d e t e ältere /ai/ in gejaid oder maister
21 22
d e n Lautwert [qb] aufweist. 2 2
Nach Kranzmayer (1956: § 20ol) ein "Ersatzwandel" des jüngeren /ei/.
Vgl. dazu Grundler (1951) 83 f.; Kranzmayer (1956) § 20ol; Maier (1965) 97; Zehetner (1978) 158. Nach Maier (1965: 99) war bei nhd. (er) trägt in Oberbayern noch vereinzelt die Form [trat] (mit hellem a) anzutreffen, die allerdings schon als veraltet empfunden wurde; heute ist sie anscheinend durch Paradigmenausgleich völlig aus dem Mittelbairischen verschwunden.
8
Mittelhochdeutsch /ou/, /öi/ und frnhd. /au/ ( =
mhd. /u:/)
M h d . / o u / und /öi/ erscheinen bair. seit d e m 13. Jh. als < a > und s p i e g e l n somit e b e n f a l l s e i n e M o n o p h t h o n g i e r u n g zu /a:/ wider. 1 D i e s e r W a n d e l , der in d e n untersuchten T e x t e n durch die Schreibungen < a > , < ä > o d e r < ä > in E r s c h e i n u n g tritt, zeigt sich vor allem in mhd. boum, glouben und zoum s o w i e bei mhd. -öuw- in döuwen, höuwe 'Heu' und ströuwen. W ä h r e n d bei döuwen u n d höuwe die M o n o p h t h o n g i e r u n g nur bis in die M i t t e d e s 16. Jh.s b e l e g t ist, k o m m t sie bei ströuwen bis E n d e des 17. Jh.s vor. mhd. ou·. p&m Ng. Sg. 'Baum' BERTH. V. CHIEMSE (1528) 26.2, Jch gläb (Cgm 385) auf Textblatt im vorderen Einbanddeckel, gelaben D. Sg. zu 'Glaube' (Cgm 606) 43vb, h&btstadt (Cgm 315) 29va, habt 'Haupt' REGIMENT (1490) A2r, laff! Imp. (Cgm 453) 82r, Saltzsämer (mhd. salzsoumcere) LANDPOT (1520) 35v, Sümer wie o. 'Säumer' LV (1565) A2r, träm 'Traum' (Cgm 525) 44vb, des z&ms G. Sg. zu 'Zaum' (Cgm 315) 9va, zäm 'Zaumzeug' (Cgm 525) 47va, dass. (Cgm 618) 13va, zäm BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 42.1; vgl. auch rächen 'rauchen, qualmen' (v. J. 1429) bei Schmeller (1877) 2,15. mhd. öu(w)·. zederpamm N. PI. (Cgm 352) 82\,zederpam N. PI. (Cgm 525) 43ra,p(im D. PI. BERTH. V. CHIEMSEE 11.8, vndäen 'erbrechen' (Cgm 376) 15v, ditung 'Verdauung' ebd. 41.4, sträen 'streuen' (Cgm 376) 14t, gesträt (Cgm 374) 31r, gestrat (Cgm 610) 179rb, jch besträ (Cgm 352) 37r, zersträt Part. Perf. (Cgm 525) 54rb, dass. (Cgm 639) 72r, zersträung LV (1524) Blr, gesträet BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 16.5, sträen SCHÖNFELDER (1691) 50, häe 'Heu' (Cgm 858) 225v, häschrecken D. PI. (Cgm 347) 54r; vgl. auch Gä 'Gau', Nordgä und Thunagä bei ΑVENTIN 25.
M h d . /öi/ w u r d e im 13. Jh. vermutlich vor der eingangs e r w ä h n t e n M o n o p h t h o n g i e r u n g ( ü b e r die Zwischenstufe /ei/ ?) zu /ai/ entrundet. 2 D i e s e Entrundung, die in unseren T e x t e n bis ins 18. Jh. vorkommt, zeigt sich in mhd. göuwe, höuwe, ströuwe, vröude und vröuwen. Geywirt LV (1594) lr, Gay LV (1701), Gey WAKIUS (1713) 52, hey schrecken N. PI. (Cgm 529) 2ra, Heimon 'Heumonat' = der Monat Juli EINBL. (1485), hey BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 78.1, strey ebd. 74.5, infreyden (Cgm 347) 32v, mit freyden (Cgm 453) 13r,freid (Cgm 529) 12ra, dass. (Cgm 858) 114r,freyd BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 7.5, sich freyen (Cgm 639) llv, sich erfreyen BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 7.5, (sie) freyet (sich) MAYER (1607) B3r.
1
Vgl. Mausser (1932) 541, Anm. 2; Weinhold (1867) § 7 u. § 40; Moser (1929) § 79, Anm. 9; Kranzmayer (1956) § 21 u. § 22c3; Paul/Wiehl/Grosse (1989) § 79 u. § 80. 2
Vgl. Weinhold (1867) § 79b; Kranzmayer (1956) § 22.
106
Sprachliche Untersuchung
Heinrich Braun ermahnt in seiner Grammatik (1765: 26) den Mundartsprecher, die Diphthonge /oi/ und /ai/ auseinanderzuhalten, wobei er den aus mhd. /u:/ entstandenen Zwielaut mit einbezieht: "[...] also sage man auch Leute, Freude, nicht Leite, Freide, etc." Die Entrundung /öi/ > /ai/ spiegelt sich auch in zahlreichen Hyperkorrektismen wider, die bis ins 18. Jh. vorkommen. Bei den folgenden Beispielen wurde in falscher Umsetzung für frnhd. /ai/ (< mhd. /i:/) der Digraph < e u > bzw. < e w > geschrieben. mewl 'Meile' (Cgm 301) 242r, die hochzeutlichen tag ebd. 250r, begreuffen (Cgm 606) llrb, vnbegreuflich (Cgm 620) 2rb, befreuet Part. Perf. 'befreit' REIFFENSTUEL (1676) 250, Feuerlich 'feierlich' HALLWACHS (1680) 30, in reuffer Erwegung 'nach reifer Erwägung' WEINBERGER (1727) 129, Vorbereutung ebd. 140.
Der durch die neuhochdeutsche Diphthongierung aus mhd. /u:/ gebildete Diphthong /au/ erscheint seit dem Ende des 13. Jh.s vor /m/ ebenfalls als < a > und spiegelt somit wohl den heute noch in der Mundart anzutreffenden Monophthong wider. 3 Diese Monophthongierung, die auf das Mittelund Südbairische beschränkt war, konnte jedoch nur in einer Handschrift des 15. Jh.s und einem Druck vom Jahre 1490 nachgewiesen werden: kätti 'kaum' (Cgm 376) 8r, chäm dass. ebd. 32v, pflamen N. PL zu 'Pflaume' PESTILENZ (1490) A3v. Andreas Zaupser beschreibt Ende des 18. Jh.s in der Nachlese zu seinem 'Jdiotikon' (1789: 1) den auf mhd. /ou/ und frnhd. /au/ zurückgehenden Monophthong: "Das au sprechen die Oberpfälzer aus wie ein gedähntes a. z.B. aaffi; der Baier sagt auffi, hinauf. Auch der Baier sagt laaffa für laufen, raaffa ffir raufen, da Baam für Baum, etc." Dieses bei Zaupser erwähnte a ist heute im gesamtem bairischen Raum anzutreffen. 4 Die oben aufgeführten Lexeme mit mhd. -öu(w-) waren bis in unser Jahrhundert mit (hellem) la:l und mit /ai/ verbreitet. In neuerer Zeit treten jedoch die a-Formen
3
Dadurch ist /au/ ( < mhd. /u:/) mit mhd. /ou/ bzw. /öi/ zusammengefallen. Vgl. dazu auch Lessiak (1903) § 68; Moser (1929) § 77, Anm. 9; Kranzmayer (1956) § 14b. 4
Zur räumlichen Verteilung vgl. im Detail Kranzmayer (1956) Karte 18.
Mhd. /ou/, /öi/ und frnhd. /au/
107
vor allem in Heu und Gäu immer mehr zurück, und in den Stadtmundarten ist heute nur noch /ai/ zu hören.5 Die oben aufgeführten Belege und die Verhältnisse in der rezenten Mundart legen die Vermutung nahe, daß sich die Monophthongierung nur in einigen Wörtern durchgesetzt hat. Das Fehlen bzw. seltene Auftreten dieser mundartlichen Lautung in unseren Texten wäre somit auf innersprachliche Gründe zurückzuführen.
5
Die Mundart des 19. und 20. Jh.s ist ferner bezeugt durch Schindler (1821) § 157-161, § 171-175, § 179; Mutzl (1860) 346; Schönberger (1934) 51 ff.; Wittmann (1943) 40; Grundler (1951) 89 u. 91; Kollmer (1949) 66 ff.; Kühebacher (1964); Maier (1965) 104 f.; Wiesinger (1970) 2,123 ff.; Gütter (1971) Karte 19; Gladiator (1973) 83; Zehetner (1978) 170 ff.; - Verfasser (1989).
9
Der z'-Umlaut
Der z-Umlaut erfaßt die velaren Vokale a, o, u und die Diphthonge. Hierbei verlagert sich die Artikulationsstelle nach vorn, weshalb er auch Palatalumlaut genannt wird.1 Da das Fehlen dieses Umlauts ein wesentlicher Aspekt der bairischen Mundart ist, wird dieses Thema im folgenden Kapitel zusammenfassend behandelt.
9.1 Umlautbewirkende Suffixe
Vor mhd. -cere (ahd. -ari)2 unterbleibt der Umlaut im Bairischen 3 häufig bis ins 18. Jh. Mitteldeutsche Formen wie Pferrer (mhd. pharrcere)4 oder Schuldner (mhd. schuldencere)5, die sich in der neuhochdeutschen Standardsprache nicht durchgesetzt haben, fehlen in bayerischen Quellen. In einem Werk von Waldner, das 1562 im protestantischen Regensburg gedruckt wurde, erscheint allerdings das umgelautete Geuckler. Die meißnischen Drucke verwenden bis ins 17./18. Jh. Mäurer, Täucher und Zeuberer. Bayerische Belege: Schacher (Cgm 225) 43r, schuler (Cgm 453) 5r, Traumer (Cgm 522) 9ra, troster (529) 77vb, Vorster LANDPOT (1520) 25v, clager GERICHTSORDNUNG (1522) 1 lv, lugner SCHATZGER (1525) A4r, vorlauffer BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 15.6, lehen trager PERNEDER (1544) 8v, Weingartner WIMPINÄUS (1563) 15r, Zauberer HAFFNER (1568) 43v, Kirchenrauber DOBEREINER (1570) E7v, Kauffer HAMMER-
1
Vgl. dazu Dieth (1968) § 413.3. Vgl. ferner zum Bairischen bzw. zu den Verhältnissen im Mittel- und Frühneuhochdeutschen Kranzmayer (1938); Antonsen (1969); Michels/Stopp (1979) § 64-69; Mettke (1989) § 24; Paul/Wiehl/Grosse (1989) § 41. 2
Vgl. zu diesem Wortbildungsmorphem allgemein Henzen (1965) § 98; Fleischer (1975) 137-144; Erben (1975) 82-92.
3
Vgl. dazu auch Moser (1929) § 57; zum Mittelhochdeutschen Bürgisser (1988) 116; Paul/Wiehl/Grosse (1989) § 41, Anm. 11. 4
Vgl. Lexer 2,228 (hier auch Beige für pferrer).
5
Vgl. ebd. 2,812.
Der /-Umlaut
109
WERKSORDNUNG (1594) 20v,Joannis des Tauffers G. Sg. HORNSTEIN (1596) Blr, Burgermaister SAUTER (1608) 27, Kranckenwarter REIFFENSTUEL (1676) 14, Rauber HALL WACHS (1680) 24, Lauffer WAKIUS (1713) 21, Wächter =Ambt KOLB (1745) 9, Burgerschaft FINAUER (1768) 122, Gartner KOHLBRENNER (1783) 60. - Schuldner BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 13.7, pfarrer SCHATZGER (1525) H2r, Pfarrer DONAUER (1611) 17, dass. WAKIUS (1713) 61, Pfarrern D. Sg. WEINBERGER (1727) 190, Pfarrer KOHLBRENNER (1783) 71. - mit Umlaut: der Geuckler WALDNER (1562) H4r. Meißnische Belege: M&urer SCARAMUZA (1693) 11, Teucher BABST (1589) C6r, T&ucher SCARAMUZA (1693) 39, Zeuberer BABST (1589) G8r, Zhuberer HILSCHER 1721) 362. Heinrich Braun weist in seiner Grammatik (1765: 196) auf das Fehlen des Umlauts im Bayerischen hin und bringt als Gegenstück zu umlautlosen Beispielen ostmitteldeutsche Varianten mit Umlaut: "Bei den Sachsen höret man dieses Zeichen [ = Umlaut] gleich in der einfachen Zahl, sie sprechen ein Bärger, ein Gärtner, eine Rübe, ein Schäler; da wir Burger, Gartner, Rube, Schuler sprechen." In der gesprochenen Mundart unterblieb der Umlaut vor mhd. -cere meist bis ins 19. Jh. Heute wird er in zunehmendem Maße durch die hochsprachlichen Formen verdrängt, und die Umlautlosigkeit ist nur noch vereinzelt anzutreffen (ζ. B. in [SchuBlu]).6 Vor dem Suffix -nuß (-nüß)1 ist der Umlaut im Bairischen überwiegend durchgeführt. 8 Lediglich einige Wörter - meist mit dem Stammvokal a widersetzen sich zum Teil bis ins 18. Jh. Am häufigsten fehlt der Umlaut in bekanntnus und erkanntnus. Bekandtnuß WALDNER (1562) A3v, bekanntnuß WIMPINÄUS (1563) 58r, bekanntnuß HAFFNER (1568) 19v, bekantnuß LEUTHNER (1569) 2v, bekanntnuß MACER (1570) 9v, dass. MAYER (1577) 37r, Bekanntnuß BINSFELD (1591) lr, Bekandtnuß HOLZER (1753) 13; - erkantnuß (Cgm 639) 4v, erkantnusz APPELLATION (1480) 7, erkanntnus EINBL. (1486), erkanntnuss LANDPOT (1520) 31r, dass. GERICHTSORDNUNG (1522) 17v, erkanntnuß WIMPINÄUS (1563) llr, erkanntnus HAFFNER (1568) 13r, erkantnuß LAUTHER (1569) 2r, Erkanntnuß BINSFELD (1591) 5r, erkandtnuß HAMMER WERKSORDNUNG (1594) 30V, erkantnuß (1608) 23, erkandnuß ORDNUNG (1630) A6r, erkandtnuß MEICHEL (1631) 66, erkandtnuß REIFFENSTUEL (1676) 32, Erkanntnuß WEINBERGER (1727) 124. - verstanntnuss (Cgm 355) 28r, entpfangknuß EINBL. (1489), kummernuß HAFFNER (1568) 29r, Kummemuß THIRMAIR (1633) 1, Betrangnussen D. PI. WEINBERGER (1727) 79.
6
Bei Formen auf erscheint allerdings auch das helle bairische la:l, das für den Sekundärumlaut steht (Verfasser 1989). 7 8
Vgl. u. Kap. 17.
Vgl. dazu auch Moser (1929) § 57.2.; zum Mittelhochdeutschen Paul/Wiehl/Grosse (1989) § 41, Anm. 11.
110
Sprachliche Untersuchung
Die hier aufgeführten Beispiele legen die Vermutung nahe, daß der Umlaut durch den folgenden Nasal verhindert wurde. Bei Erbarmnis, Erlaubnis und Verdammnis haben sich in der neuhochdeutschen Schriftsprache die bairischen Formen ohne Umlaut durchgesetzt. Während in den ersten beiden Fällen im Mitteldeutschen Umlaut vorkommt, ist er bei Verdammnis offensichtlich nie durchgedrungen.9 In den untersuchten bayerischen Quellen konnten nur Beispiele mit α im Stamm nachgewiesen werden. Bayerische Belege: erbarmnuß MEICHEL (1631) 304, Erlaubnuß REIFFENSTUEL (1676) 15, Erlaubn&ß WAKIUS (1713) 226, verdammnuss (Cgm 355) 24v, dass. (Cgm 606) 14rb, verdamnuß WIMPINAUS (1563) 21v, verdamnuß DOBEREINER (1570) A5v, verdambbuß MAYER (1577) 57v, Verdamnuß BINSFELD (1591) 18r, Verdambnuß MEICHEL (1631) 80. Meißnische Belege: Erleubn&s BABST (1589) G8v, erleubnis ALBINUS (1590) 122, Verdammnis BABST (1589) H3r, Verdamniß HILSCHER (1721) 22.
In den heutigen bairischen Mundarten erscheint bei mhd. -nis durchwegs Umlaut des Stammvokals, wobei /ü/ meist zu /i/ entrundet wird (z.B. [khimenus] 'Kümmernis'); - Verfasser (1989).
9.2 Der Umlaut von mittelhochdeutsch /a/ und /a:/
Bair. war der Sekundärumlaut /ä/ schon im 12./13. Jh. zu /a/ geworden.10 Echte α-Formen sind in den untersuchten Texten selten (s. u.). Bei schämen (mhd. schämen, schemen/schämen)n haben vermutlich alte Doppelformen eine Rolle gespielt. Die heutige mundartliche Lautung mit hellem /a:/ geht aber sicherlich auf mhd. /ä/ zurück. Sekundärumlaut ist wahrscheinlich auch in arndt 'Ernte' (mhd. ärne) anzusetzen, das heute im Bairischen ebenfalls helles /α:/ aufweist (Verfasser 1989).12 geschlackt 'Geschlecht' (Cgm 502) 66rb, dass. (Cgm 522) 5ra, pfard 'Pferd' Α VENTIN (1519) A3r. - schämen (Cgm 352) 189r, (sie) schämen sich (Cgm 453) 147v, (sie)
9
Vgl. dazu auch die Belege im DWB 12.1,196 f.
10
Vgl. Moser (1929) § 71.2 u. § 58, Anm. 1; zum Mittelhochdeutschen Paul/Wiehl/Grosse (1989) § 41, Anm. 2. 11
Vgl. dazu Löfstedt (1944) 339.
12
Zu mhd. ärne vgl. Paul/Wiehl/Grosse § 41, Anm. 2b; WBÖ 1,346.
Der ('-Umlaut
111
schampten sich (Cgm 529) 37va, schammen (Cgm 639) 18r, vnverschambt H A U E R (1523) Flr, (sie) schämen sich BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 15.4, vnverschampt WIMPINÄUS (1563) 9r, vnverschampter weiß HAFFNER (1568) 9r. - nach der Amdte 'Ernte' KOHLBRENNER (1783) 28.
In den meisten bairischen Mundarten wird heute für mhd. /ä/ das helle /α:/ gesprochen (Verfasser 1989).13
Bei Adjektiven auf -ig und -lieh ist der Umlaut - vermutlich wegen andauernder oder neuer Anlehnung an das Grundwort - öfter ausgeblieben. 14 Der oben erwähnte Übergang von ä > α hat aber dabei sicherlich die Verwendung der α-Formen begünstigt. Die folgenden Belege reichen bis in die Mitte des 16. Jh.s. täglich (Cgm 610) 22va, manlicher stamm CHRONIK (1501) A3v, angstlich BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 1.3, falschlich ebd. 2.7, anfanklich ebd. 3.1, die mannlichen erben PERNEDER (1544) 3r, in gefahrlichen Widergang ebd. 23v. machtig (Cgm 352) 176v, dass. (Cgm 858) 196r, andachtig (Cgm 453) 25v, bestandig BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 7.5, widerwärtig ebd. 31.2.
Das Nebeneinander von schamel (zu lat. scamal) und schämet (ahd. scamil) geht auf alte Doppelformen zurück, die bis ins Frühneuhochdeutsche weiter wirkten: schamel (Cgm 529) 99vb, ßsschamel (Cgm 225) 9v. In dem Substantiv sabel, das aus dem Polnischen entlehnt wurde (poln. szabla), ist der Umlaut wie in schamel bair. bis heute unterblieben. Der ursprüngliche Stammvokal α konnte noch im 18. Jh. nachgewiesen werden: Sabel H E R T H (1715) 19; weitere Belege bei Schmeller (1877) 2,206. Bei schamel und sabel, die in der rezenten Mundart helles /«:/ aufweisen, ist im Mittelhochdeutschen nur Primärumlaut belegt. Vermutlich ist in diesen Fällen das helle /a:/ in Anlehnung an die Lexeme mit Diminutivsuffix el entstanden (vgl. Kap. 17). Das seit dem 14. Jh. im Mitteldeutschen verbreitete erbeit (mhd. arebeit) kommt im Bairischen nicht vor, da hier bei mhd. ar- der Umlaut durch den folgenden Labial behindert wurde. In den untersuchten bayerischen Quellen
13
Zum 19. und 20. Jh. vgl. ferner Schmeller (1821) § 124-128; Weinhold (1867) § 5 u. § 12; Schönberger (1934) 42 f.; Kollmer (1949) 80 f.; Grundler (1951) 63 f.; Kranzmayer (1956) § 2f.; Maier (1965) 42 ff.; Antonsen (1969); Gladiator (1971) 83; Zehetner (1978) 73 ff. 14
Vgl. dazu auch Moser (1929) § 58, Anm. 1 u. 2.
112
Sprachliche Untersuchung
wird ausschließlich die Form arbeit (arbait) gebraucht, die sich in der neuhochdeutschen Standardsprache durchgesetzt hat. Lediglich in dem 1562 in Regensburg gedruckten Werk von Waldner erscheint der Imperativ erbeitet. arbait (Cgm 225) 4v, dass. (Cgm 347) 17r, (Cgm 385) 8v, (Cgm 442) 23r, (Cgm 453) 97v, (Cgm 525) 21vb, (Cgm 529) 2ra, (Cgm 543) lOr, (Cgm 606) 30va, (Cgm 639) lr, REGIMENT (1490) A6r, LANDPOT (1520) lOv, HAUER (1523) F2r, BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 3.10, WIMPINÄUS (1563) 7r, MACER (1570) 7r, MAYER (1577) 8v, Arbeit HAMMER WERKSORDNUNG (1594) 2r. - erbeitet Imp. WALDNER (1562) K2r.
Auch bei mhd. arweiz 'Erbse' hat der Labial den Umlaut im Bairischen gestört: arbais (Cgm 376) 52r, arbays (Cgm 376) 97r, dass. (Cgm 610) 182rb, arbeis KUCHENMEYSTEREY (1486) B3r, arbiß REGIMENT (1490) Clv; weitere Belege bei Schmeller (1872) 1,135. In der rezenten Mundart ist heute meist [arwus] anzutreffen. 15 Das Substantiv arznei (mhd. arzenie) widersetzt sich im Bairischen (vermutlich wegen der folgenden Affrikate) bis heute dem Umlaut. Arznei ist in den Texten häufig belegt und verdrängt schließlich das umgelautete erznei, das daneben bis Anfang des 16. Jh.s verwendet wird. arczney (Cgm 610) 9va, arcznei (Cgm 639) 48v, artzney EINBL. (1487a), dass. BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 4.3, SAUTER (1608) 15, Artzneyen D. PI. THIRMAYER (1633) 5. - erzney (Cgm 249) 238r, dass. (Cgm 620) 92v, ertzney REGIMENT (1490) Air, erczney EINBL. (1482a), Ertzney EINBL. (1491), erczney EINBL. (1501).
Zum Umlaut in der 2. 3. P. Sg. Präs. Ind. der mittelhochdeutschen Verbklassen 6 und 7 vgl. Kap. 15.2
9.3 Der Umlaut von mittelhochdeutsch /o/
Bei mhd. /o/ fehlt der Umlaut in Anlehnung an das Grundwort in erster Linie vor dem Suffix -lieh}6 Er unterbleibt hier am häufigsten in den Lexemen gewohnlich und offen(t)lich, die in den untersuchten Texten beide
15 16
Vgl. WBÖ 1,377.
Vgl. Moser (1929) § 59, Anm. 1; zum Mittelhochdeutschen Paul/Wiehl/Grosse (1989) § 41, Anm. 10. Zum Wortbildungsmorphem allgemein vgl. Henzen (1965) § 133; Fleischer (1975) 268-273; Erben (1975) 112 f.
Der i-Umlaut
113
bis in die Mitte des 18. Jh.s belegt sind. köstlich (Cgm 301) 242v, loblich CHRONIK (1501) A2r, (1523) F2r, gröblich BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 6.10, wochenlich PERNEDER (1544) 13r, ordenlich HAFFNER (1568) 13r, kostliche speyß MAYER (1577) 7v. - (die) gewohnlichen GEIGER (1649) 4, Ablegung des gewohnlichen Aids REIFFENSTUEL (1676) 264, mit gewonlicher Walfart HALLWACHS (1680) 51, mit vngewohnlicher Vergessenheit SCHÖNFELDER (1691) 22, die ... gewohnliche Zeit KOLB (1745) 99. - offenlich (Cgm 302) 13r, dass. LANDPOT (1520) 5v, offennlich GERICHTSORDNUG (1522) 4r, offenlich BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 3.4, öffentlich HAUER (1523) A3v, dass. SCHATZGER (1525) A4v, WALDNER (1562) A2v, LAUTHER (1569) 2v, ORDNUNG (1630) A2r, REIFFENSTUEL (1676) 35, ERTL (1684) 95, WEINBERGER (1727) 42, HIEBER (1728) 17, KOLB (1745) 34, HOLZER (1753) 12. Bemerkenswert ist die Form volkbmlich, die bei W A L D N E R (1562), fol. C3v, vorkommt. Vor anderen Suffixen ist das Fehlen des Umlauts wesentlich seltener. 17 In den untersuchten Texten konnten nur einige Beispiele gefunden werden: gleichförmig BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 8.5, wortlein S C H A T Z G E R (1525) G3v. Das Nebeneinander von honig und hönig in frühneuhochdeutscher Zeit ist auf unterschiedliche Suffixe zurückzuführen (ahd. honag und honig).m In den bayerischen Quellen tritt die umgelautete Form bis in die erste Hälfte des 18 Jh.s auf, während die im Mitteldeutschen verbreitete Variante honig, die in die neuhochdeutsche Standardsprache übernommen wurde, erst in der zweiten Hälfte des 18. Jh.s Verwendung findet. Bayerische Belege: hönig (Cgm 249) 243, dass. (Cgm 346) 59, (Cgm 352) 19v, (Cgm 376) 92r, (Cgm 525) 30ra, (Cgm 529) 25vb, (Cgm 610) 182vb, hbnig HAUER (1523) Elv, dass. BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 4.12, Hbnig=Keller STENGEL (1622) 22, Hbnig MEICHEL (1631) 164, dass. THIRMAIR (1633) 13, SCHÖNFELDER (1691) 51, der hbnigfliesende Bemardus WEINBERGER (1727) 45. Meißnische Belege: Honig ALBINUS (1590) 165; vgl. auch die Belege ohne Umlaut im DWB 4.2,1786 f.
17
Vgl. dazu auch Moser (1929) § 59, Anm. 1.
18
Vgl. dazu auch Moser (1929) § 59, Anm. 2; Paul (1916) 1,230.
114
Sprachliche Untersuchung
9.4 Der Umlaut von mittelhochdeutsch /u/
A m stärksten ist das Fehlen des Umlauts beim Extremvokal /u/ ausgeprägt. 19 Die Konsonanten bzw. Konsonantenverbindungen, die den Umlaut behindern, lassen sich zu vier Gruppen zusammenfassen: 1. ck, pf und tz 2. Liquida + Konsonant 3. Nasal + Konsonant 4. Guttural
9.4.1 Der Umlaut vor ck, pf und tz In Altbayern unterbleibt der Umlaut vor ck meist bis ins 18. Jh. (zu den Ausnahmen s. u.). Die aus dem Mitteldeutschen übernommenen Formen mit umgelautetem Stammvokal tauchen erst in der zweiten Hälfte des 18. Jh.s auf. Im folgenden wird nun an einigen Lexemen, die häufig belegt sind, das Eintreten des Umlauts in den untersuchten Texten aufgezeigt. prucken A. Sg. zu 'Brücke' (Cgm 225) 78r,pruck (Cgm 302) 25r, dass. (Cgm 315) 28va, (Cgm 522) 5 Ivb, prucken D. Sg. EINBL. (1486), prugk Α VENTIN (1519) Clr, Bruck=Zollner HALLWACHS (1680) 62, Brücke FINAUER (1768) 103. - Brücke WESTENRIEDER 19; dazu Braun (1765) 96. gesmuckt 'geschmückt' BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 16.4, dass. WIMPINÄUS (1563) 45, geschmucket DALHOVER (1568) 37, eine geschmückte ... Braut WEINBERGER (1727) 219, Ausschmuckung HOLZER (1753) 6. - geschmücktes Brustbild FINAUER (1768) 124, (er) schmückt FRONHOFER (1770) 23, schmücken DIETL (1786) 84. rucken 'Rücken' (Cgm 522) 45vb, dass. MAYER (1577) 49v, Rucken D. Sg. MEICHEL (1631) 165, dass. THIRMAIR (1633) 18, GEIGER (1649) 11, DALHOVER (1688) 38, SCHONFELDER (1691) 24, KRESSLINGER (1719) 15, Ruckgabe LORI (1772) 12, Rucksicht KOHLBRENNER (1783) 24. - Rücken A. Sg. FRONHOVER (1770) 59, dass. DIETL (1786) 117, Rücksicht WESTENRIEDER (1798) 172. zÜ ruck (sie!) 'zurück' BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 11.7, zurück STENGEL (1622) 48, dass. REIFFENSTUEL (1676) 8, DALHOVER (1688) 11, SCHÖNFELDER (1691) 91, HERTH. (1715) 7, WEINBERGER (1727) 4, KRESSLINGER (1719) 9, KOLB (1745) 1. - zurück FINAUER (1768) 154, dass. FRONHOVER (1770) 19, DIETL (1786) 2, WESTENRIEDER (1798) 5. stuck N. Sg. 'Stück' (Cgm 225) 65r, dass. PERNEDER (1544) lr, MACER (1570) 32r, Stuck N. PI. MÜLLER (1591) 66, stucken D. PI. STENGEL (1622) 54, Stuck A. PI. MEICHEL (1631) 1, Stucke N. PI. DALHOVER (1688) 2, Stuck N. Sg. KOLB (1745) 101. - Stück N. Sg. FINAUER (1768) 5, Stücke D. Sg. ICKSTATT (1774) 6, ein Stück KOHLBRENNER (1783) 84; dazu Braun (1765) 85.
19
Vgl. dazu allgemein Wiget (1924); Jilek (1927); Moser (1929) § 60; Michels/Stopp (1979) § 65; Bürgisser (1988) 101-107; Paul/Wiehl/Grosse (1989) § 41, Anm. 6.
Der ί'-Umlaut
115
In den Ableitungen mit den Suffixen -el,20 -lein und -lieh erscheint der Umlaut schon früher: Bei ausdrücklich zeigt er sich bereits im 16. Jh. neben umlautlosen Formen, die bis ins 18. Jh. weiter verwendet werden; bei den Diminutiva stückel und stücklein kommt nur der umgelautete Stammvokal vor. außdrücklich GERICHTSORDNUNG (1522) 73V, außtrücklich BINSFELD (1591) 4v, ausdrücklich HOLZER (1753) 8, dass. DIETL (1786) 11. - austrucklich WIMPINAUS (1563) 31v, MACER (1570) 9v, MEICHEL (1631) 49, WEINBERGER (1727) 119, KOLB (1745) 12. - ain stückl (Cgm 352) 155v und 156r, sechs stückel (Cgm 639) 18v, sibenezig stückel ebd. 22r, stücklein D. Sg. ebd. 193 und 19v, dass. HAFFNER (1568) 31v, ein Stücklein THIRMAIR (1633) 10, dass. REIFFENSTUEL (1767) 164, HALLWACHS (1680) 81.
Die Oberpfalz steht hinsichtlich des Umlauts stark unter mitteldeutschem Einfluß. Der Umlaut des Vokals u vor ck ist hier schon in den Handschriften und in Drucken des 16. Jhs. anzutreffen, während er in Altbayern erst in der zweiten Hälfte des 18. Jh.s eintritt. Oberpfalzische Belege: drücken (Cgm 606) 7rb, stück A. PI. ebd. 86v, vnterdrücken WALDNER (1562) Blv, das erste stück ebd. E2v, etliche stücke HAMMERWERKSEINIGUNG (1594) 2r, Fünff hüubtstück BESTALLUNG (1601) 4v, Mück DONAUER (1611) 7, Brück WAKIUS (1713) 44, sich bücken ebd. 177.
Da die wichtigsten Zentren des frühen Buchdrucks in Oberdeutschland lagen, hat sich die dort häufig gebrauchte umlautlose Form drucken auch im mitteldeutschen Raum und schließlich in der neuhochdeutschen Standardsprache durchgesetzt. 21 So wird das Verb drucken in der Bedeutung 'ein Buch drucken' in bayerischen Texten ohne Umlaut verwendet; lediglich in den Texten aus der herzoglichen Kanzlei finden sich die Formen drücken ('drucken'), Buchdräcker, Trückerey 'Druckerei' und sogar drückh 'Buchdruck' (vgl. u. S. 205). Bei nhd. drücken ('drücken, unterdrücken') wird dagegen seit der zweiten Hälfte des 18. Jh.s wie in den übrigen oben aufgeführten Beispielen der Umlaut bezeichnet. Nhd. drucken: drucken HAUER (1523) D2r, Gedruckt EINBL. (1501), Gedrugkt ΑVENTIN (1519) C4r, Gedruckt PERNEDER (1544) Titelblatt, dass. WALDNER (1562) N4r, BESTALLUNG (1601) Air, ORDNUNG (1630) Air, HALLWACHS (1680) Titelblatt, getruckt WEINBERGER (1727) Titelblatt, Gedruckt HOLZER (1753) Titelblatt, gedruckt ICKSTATT (1774) Titelblatt, dass. DIETL (1786) 8, WESTENRIEDER (1798) 16, druckh Α VENTIN (1519) Alv, dass. DOBEREINER (1570) A6v, Buchdrucker ebd. 08v, dass. HORNSTEIN (1596) D3v, Buchdruckerkunst WESTENRIEDER (1798) 154.
20
Vgl. u. Kap. 17.
21
Vgl. Kluge/Seebold (1989) 157.
116
Sprachliche Untersuchung
Nhd. drücken: sy druckt (Cgm 606) 83va, erdrückten (Cgm 618) 68va, vnderdruckhen BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 3.3, drucken DOBEREINER (1570) P4v, trucken BINSFELD (1591) 26r, nidertrucken MEICHEL (1631) 13, drucken SCHÖNFELDER (1691) 22, unterdrücken LORI (1772) 34. - ausdrücken FINAUER (1768) 10, dass. LORI (1772) 3, drücken DIETL (1786) 37, eingedrückt LEUTHNER (1790) 3, unterdrücken WESTENRIEDER (1798) 44. Zu nhd. drucken I drücken vgl. auch Braun (1765) 313. Die untersuchten meißnischen Texte verwenden drucken immer ohne Umlaut: auß seiner gedruckten Historia BABST (1589) A5r, in den gedruckten Annalibus Mysnae ALBINUS (1590) 60, in gedruckten Zetteln WEISE (1680) 29, drucken (zu Buchdruck) HILSCHER (1721) 93. D a s im 12. Jh. aus dem Niederländischen in die nieder- und hochdeutschen Mundarten übernommene Substantiv (ge)luck(e)22 hat bayer. meist umgelauteten Vokal; lediglich in einigen Handschriften und in einem Druck vom Jahre 1519, der sonst Umlautzeichen aufweist, kommt u im Stamm vor. gelücksrad (Cgm 225) 28r, vngelück (Cgm 290) 15v, dass. (Cgm 522) 30ra, glück APPELLATION (1470) 7, BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 1.5, glück MEICHEL (1631) 966, Glück DALHOVER (1688) 13, dass. WEINBERGER (1727) 75, HOLZER (1753) 9, KOHLBRENNER (1783) 5, LEUTHNER (1790) 13, WESTENRIEDER (1798) 2. - geluck (Cgm 366) 139v, dass. (Cgm 525) 49rb, gluck (Cgm 606) 97vb, geluck (Cgm 858) 149v, gluck ΑVENTIN (1519) C2r.
Vor pf fehlt der Umlaut bei u ebenfalls bis ins 18. Jh. Wegen der geringen Belegdichte können hier allerdings keine genauen Angaben gemacht werden. Offensichtlich wird der Umlaut wie vor ck erst in der zweiten Hälfte des 18. Jh.s bezeichnet. über hupfen 'überspringen' (Cgm 225) 13v, entschlupfen HAUER (1523) F4r, Schlüpfrig WAKIUS (1713) 45, Hupfen 'hüpfen' ebd. - hüpfen DIETL (1786) 61.
Vor tz unterbleibt der Umlaut nicht so konsequent wie vor ck, was vermutlich auf die hebende Wirkung des folgenden Dentals bzw. der Affrikate zurückzuführen ist. Umgelautete Formen tauchen daher bereits im 16. Jh. auf. in ainer ...pßtzen BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 15.9, vnnütze lernung SCHATZGER A2r, vnnütz BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 13.13, vnnütze Argumente WIMPINÄUS (1563) 6r, vnnütze ... Lüste BINSFELD (1591) 18r, vnnütz SAUTER (1608) 29, dass. STENGEL (1622) 10, nicht mehr nütze DIETL (1786) 8, nützt 3. P. Sg. Präs. FRONHOFER (1770) 28, nützen DIETL (1786) 10. Daneben im 16. Jh. auch gelegentlich u vor tz: nutzen V. WALDNER (1562) A2v, vnnütz Adv. WIMPINÄUS (1563) 2r, dass. HAFFNER (1568) 40v.
22
Vgl. dazu Sanders (1965) 236 ff.
Der ('-Umlaut
117
Bei nützlich bewirkt das Suffix schon in mittelhochdeutscher Zeit Umlaut. In bayerischen Quellen konnte allerdings bis in die zweite Hälfte des 18. Jh.s auch das umlautlose nutzlich nachgewiesen werden. nützlich APPELLATION (1480) 15, dass. BERTH. V. CHIEMSEE. (1528) 1.7, nützlich DOBEREINER (1570) A7v, vnnützlich SAUTER (1608) 5, nützlich WAKIUS (1713) 20, nützliche Dienste FINAUER (1768) 65, nützlich FRONHOFER (1770) 73, dass. ICKSTATT (1774) 40, KOHLBRENNER (1783) 6, DIETL (1786) 2, WESTENRIEDER (1798) 183. - nutzlich MACER (1570) 16r, dass. MAYER (1577) 23v, MÜLLER (1591) 6, MEICHEL (1631) 7, THIRMAIR (1633) 18, GEIGER (1649) 4, SCHONFELDER (1691) 57, KOLB (1745) 46, KOHLBRENNER (1783) 4.
Das Verb schützen ist im Mittelhochdeutschen auf mitteldeutsche Quellen beschränkt. 23 Frnhd. wurde es in Bayern offensichtlich als fremd empfunden und daher immer in der mitteldeutschen Schreibung gebraucht: schützen HAUER (1523) A2v, beschützet Part. Perf. ebd. GIT, geschützt Part. Perf. DONAUER (1611) 30, Beschützet Part. Perf. FRONHOFER (1770) 29. Sogar die Ableitung schütz kommt in einem Wiegendruck mit umgelautetem Vokal vor: Schütz vnd schirm APPELLATION (1480) 17. Dies ist wohl ebenfalls auf mitteldeutschen Einfluß zurückführen, da auch die in Dresden erschienene 'Meißnische Chronik' von ALBINUS die Bildung Schätz ('Schutz') aufweist: hülffvnd Schütz ALBINUS (1590) 179. Daneben wird im Bayerischen allerdings meist schütz gebraucht: schütz WALDNER (1562) Elv, Schutz DONAUER (1611) 30, dass. FRONHOFER (1770) 25.
Der Umlaut des Vokals u vor ck und den Affrikaten pf und tz fehlt in den bairischen Mundarten meist bis heute. Dringt der Umlaut durch, wie beispielsweise in nhd. Glück, tritt Entrundung zu /i/ ein (Verfasser 1989).24
9.4.2 Der Umlaut vor Liquida + Konsonant Bei den Lexemen schuldig, entschuldigen und geduldig hat sich in der neuhochdeutschen Standardsprache die Form ohne Umlaut durchgesetzt. In den untersuchten bayerischen Texten fand sich hier lediglich bei Wallner (Regensburg 1562) Umlaut. schuldig LANDPOT (1520) 6r, schulldig GERICHTSORDNUNG (1522) 4v, vnschuldig
23 24
Vgl. DWB 9,2129.
Zur rezenten Mundart vgl. ferner Schönberger (1934) 51; Maier (1965) 90; Zehetner (1978) 120.
118
Sprachliche Untersuchung
SCHATZGER (1525) D4r, schuldig BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 4.5, dass. PERNEDER (1544) 9v, HAMMERWERKSEINIGUNG (1594) 7v, BESTALLUNG (1601) Air, SAUTER (1608) 24, mitschuldigem respect STENGEL (1622) 13, schuldig ORDNUNG (1630) A2v, dass. DALHOVER (1688) 14, SCHÖNFELDER (1691) 22, DIETL (1786) 40, LEUTHNER (1790) 10, entschuldigen KOLB (1745) 81. - gedulden BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 9.4, der hbchstgeduldige Fürst KOLB (1745) 96. - das vnschüldig Blut WALDNER (1562) C3r, entschädigen ebd. M3v. Die herangezogenen meißnischen Quellen haben in diesen Fällen im 16. Jh. noch Umlaut; danach verschwindet er offensichtlich ganz aus der Schriftsprache. schüldig BABST (1589) 3r, dass. DRESSER (1596) 196, schuldig WEISE (1680) 3., dass. SCARAMUZA (1693) 230, die schuldige Gebühr HILSCHER (1721) 197. - entschädiget Part. Perf. ALBINUS (1590) 47, dass. DRESSER (1596) 19. - erdulden WEISE (1680) 68, geduldig ebd. 90, gedultig SCARAMUZA (1693) 154. Das Adjektiv gülden wird im Bayerischen bis in die Mitte des 18. Jh.s ohne Umlaut verwendet; die meißnischen Drucke gebrauchen dagegen ausnahmslos die umgelautete Form gülden oder golden (zu golden vgl. S. 82). Bayerische Belege: gulden (Cgm 522) 45va, vergulden KUCHENMEYSTEREY (1486) A2r, die gulden zal EINBL. (1489), dass. EINB1. (1501), mit güldenen Buchstaben DALHOVER (1688) 5, güldene Cronen KRESSLINGER (1719) 7. Meißnische Belege: die .. güldene Münze BABST (1589) E8r, gülden DRESSER (1596) 135, güldene Worte WEISE (1680) 30, mit einem güldenem Metz SCARAMUZA (1693) 152, mit güldenen Strahlen HILSCHER (1721) 134.
Vor r bzw. r + Konsonant fehlt der Umlaut seltener. In den Lexemen mit umlautbewirkenden Suffixen erscheint er zum Teil schon im 16. Jh. (z.B. bedürftig, kür(t)zlich), daneben wird aber auch hier - vermutlich in Anlehnung an das Grundwort - der umlautlose Vokal vereinzelt bis ins 18. Jh. beibehalten (vgl. u. sturmisch). notturfftig (Cgm 529) lib, fursten thumb (Cgm 225) 5r, thur HAUER (1523) B4r, sturtzen 'stürzen' SCHATZGER (1525) Αΐν,/urebd. D4r,purde BERTH. V. CHIEMSEE (128) 35.6, notturftig PERNEDER (1544) 30v, an seinen bürgerlichen ehren WIMPINÄUS (1563) 41v, sturmisch HERTH (1715) 19, sturmende Wind WEINBERGER (1727) 55, Bürde KOLB (1745) 84. - bedürftig STENGEL (1622) 7, kürtzlich WIMPINÄUS (1563) 2r, kürtzlich THIRMAIR (1633) 21, dass. SCHÖNFELDER (1691) 12, KOLB (1745) 64.2S Das Verb fürdern und das Substantiv kür(t)ze werden anscheinend immer umgelautet: fördern L A N D P O T (1520) 7v, dass. G E R I C H T S O R D N U N G
25
Vgl. auch die Beleg für furstenampt und gvrtel (Ende 13. Jh.) bei Bürgisser (1988) 103 u. 105.
Der /-Umlaut
119
(1522) 6r und 30r, HAFFNER (1568) 9v, befördern DOBEREINER (1570) A4v, kürtz BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 3.12, kürtze STENGEL (1622) 42, Kürze OSTERWALD (1774) 5; daher meist kürzlich (s. o.). Bei nhd. durstig hat sich in der neuhochdeutschen Standardsprache die bairisch-oberdeutsche Form ohne Umlaut durchgesetzt: durstig SAUTER (1608). In der Zusammensetzung blutdürstig ist bei der Entstehung der neuhochdeutschen Schriftsprache allerdings Umlaut durchgedrungen; die umlautlose Form konnte in diesem Fall noch in einem bayerischen Druck aus dem 18. Jh. nachgewiesen werden: der Blutdurstigen See=Rauber G. PI. WEINBERGER (1727) 80. Im Konjunktiv Präteritum von werden unterbleibt der Umlaut im Bairischen häufig schon in mittelhochdeutscher Zeit. 26 In den untersuchten bayerischen Texten fehlt er bis ins 18. Jh. es ... wurd 'würde' PERNEDER (1544) LAUTHER (1569) DALHOVER (1688) HIEBER (1728) 4.
(Cgm 225) 24r, (er) wurd HAUER (1523) B4v, (er) wurd 27v, du ... wurdest kommen WIMPINÄUS (1563) 35r, (er) wurd 5v, (es) wurde REIFFENSTUEL (1676) 23, (sie) wurden 8, so wurden sie ... begriffen haben WAKIUS (1713) 33, (es) wurde
In den oben genannten Beispielen auf -ul- und -ur- ist heute im Mittelbairischen und in Teilen des Nordbairischen Liquidenvokalisierung zu beobachten. 27 In den Fällen, in denen vor /r/ der Umlaut eingetreten ist, erfolgt zusätzlich Entrundung zu [iu] (z.B. [din] 'Tür') - Verfasser (1989).
9.4.3 Der Umlaut vor Nasal + Konsonant Vor Nasal + Konsonant ist das Fehlen des Umlauts auf einige Wörter beschränkt. Am häufigsten ist dunken 'dünken' belegt, das bis in die zweite Hälfte des 18. Jh.s ohne Umlaut verwendet wird. Bei nhd. sünde, das im 16. Jh. mehrmals mit u vorkommt, taucht der umgelautete Vokal schon in der ersten Hälfte des 16. Jh.s auf; hier hat sicherlich die Reformation eine Rolle gespielt. tunngen 'düngen' LANDPOT (1520) 43r, sich bekümmern SAUTER (1608) 19, Nu gedünkt mich (Cgm 225) 23r, Uns dunckt (Cgm 302) 17r, was tuncket euch (Cgm 529) 17rb, mich ... bedunckt WIMPINÄUS (1563) lOv, so dunckt mich MAYER (1577) 52v,
26
Vgl. Weinhold (1883) § 350.
27
Vgl. dazu auch Kranzmayer (1956) Karte 26.
120
Sprachliche Untersuchung
(was) gut gedunckt hat HORNSTEIN (1596) D3r, (es) gedunckt mich DALHOVER (1688) 9, So geduncket mich WEINBERGER (1727) 54, sundt HAUER (1523) F4r, dass. SCHATZGER (1525) Blr, WIMPINÄUS (1563) 86v. - er dünkt sich FRONHOFER (1770) 34, mich dünckt KOHLBRENNER (1783) 87, dünken DIETL (1786) 133; sünd BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 3.2, Sünd STENGEL (1622) 106, Sünde DONAUER (1611) 18.28 Die Suffixe -ig und -lieh bewirken schon im 15./16. Jh. Umlaut. Die umlautlosen Formen halten sich daneben bis in die erste Hälfte des 16. Jh.s. kunfftig (Cgm 522) 13rb, dass. (Cgm 529) 3rb, vor künftigem fall EINBL. (1486), jn künftiger zeit ΑVENTIN (1519) Clr, künftig SCHATZGER (1525) Blr; künftig BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 5.1, im künfftigen (Leben) WALDNER (1562) C3v, k&nfftig ORDNUNG (1630) A6v, dass. SCHONFELDER (1691) 30, KOLB (1745) 105, DIETL (1786) 40. gruntlich SCHATZGER (1525) F4v, nichts gruntlichs BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 15.7, grundlich LAUTHER (1569) 6r; grüntlich LANDPOT (1520) 30v, gründlich GERICHTSORDNUNG (1522) 6v, gründlich DONAUER (1611) 9, dass. HALLWACHS (1680) 17, ICKSTATT (1774) 20. - kunstliche (Ausführung) BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 7.2; künstlich HAUER (1523) Glr. - mündtlich GERICHTSORDNUNG (1522) llr, müntlich SCHATZGER (1525) F3r, mündtlich WIMPINÄUS (1563) 14r, dass. STENGEL (1622) 3, das mündliche ... Fürbringen DALHOVER (1688) 19. - stündtlich ERTL (1684) 83. Beim Substantiv Jüngling dringt der umgelautete Vokal schon im 15. Jh. durch; während im 15. Jh. noch die «-Formen überwiegen, fanden sich in den Werken des 17. und 18. Jh.s ausschließlich Belege mit Umlaut: jungling (Cgm 323) 15v, dass. (Cgm 502) 9va, jungling (Cgm 529) 37rb; Jüngling (Cgm 301) 25 lv, Jüngling REIFFENSTUEL (1676) 3, dass. D A L H O V E R (1688) 25, H E R T H (1715) 9. Das Adjektiv hungrig (das bair. stets mit u verwendet wird) ist wie durstig ohne Umlaut in die neuhochdeutsche Standardsprache eingegangen: hungerig BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 4.12, hungerige Menschen ebd. 10.12, hungerig S A U T E R (1608) 6. Der Umlaut in -kündig, wünderlich und erkündigen ist wohl auf mitteldeutschen Einfluß zurückzuführen (vgl. u. die meißnischen Belege), zumal die ersten beiden in einem Werk vorkommen, das im protestantischen Regensburg gedruckt wurde: es ist landkündig W A L D N E R (1562) A3v, wünderliche Gerechtigkeit ebd. F2v, erkündigen HORNSTEIN (1596) A4v.
28
Vgl. auch dvnchet 3.P.Sg. bei Bürgisser (1988) 102.
Der ι-Umlaut
121
In den meißnischen Drucken des 16./17. Jh.s fanden sich die umgelauteten Formen dünken, kündig, erkündigen und wünderlich. gutdäncken ALBINUS (1590) 9, sich ... düncken DRESSER (1596) 73, mich bed&ncket BUCHNER (1665) 139, ihm düncket SCARAMUZA (1693) 163. - kündig BUCHNER (1665) 33, unk&ndig SCARAMUZA (1693) 221, erkündigen ebd. 480. - eine wtindertiche Blindheit BABST (1589) E7v, wunderliche Fülle ebd. E8r.
Neben den (auch in der Standardsprache üblichen Formen) hungrig, kundig, erkundigen und wunderlich ist im Bairischen heute lediglich düngen 'düngen' weiter verbreitet (Verfasser 1989). In den übrigen Beispielen ist meist Entrundung von /ü/ > /i/ eingetreten. Die Lexeme dünken und Jüngling gehören nicht zum aktiven Wortschatz des Mundartsprechers.
9.4.4 Der Umlaut vor Guttural In nhd. Lüge (mhd. lüge f.) unterbleibt der Umlaut im Bairischen bis heute (Verfasser 1989).29 die lug (Cgm 522) 20va, dass. (Cgm 525) 41vb, (Cgm 529) lOva, lugen N. PI. (lug m. bildet keinen PL!) SCHATZGER (1525) K4r, dass. WIMPINÄUS (1563) 7r, dass. D. PI. HAFFNER (1568) 2v, Lugen A. PI. BINSFELD (1591) l l r , dass. D. PL. STENGEL 104, die Lug MEICHEL (1631) 257, Luge DALHOVER (1688) 15.
Bei den oben aufgeführten Belegen kann allerdings eine Beeinflussung durch die Nebenform lug m., die in der Verbindung lug und trug in die neuhochdeutsche Standardsprache eingegangen ist, nicht völlig ausgeschlossen werden. In den untersuchten Texten fand sich dafür die Variante lug und betrug: mit lug und betrug BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 15.7, ohne Lug und Betrug KOLB (1745) 67. Beim Substantiv Küche, das in unseren Texten meist als schwaches Femininum belegt ist, fehlt der Umlaut bis in die zweite Hälfte des 18. Jh.s.: chuchen D. Sg. (Cgm 385) 7r und 20r, Kuchen G. Sg. STENGEL (1622) 72, dass. D. Sg. WAKIUS (1713) 154, Oberkuchenmeister FINAUER (1768) 164. Der umgelautete Vokal zeigt sich erst Ende des 18. Jh.s.: Küche WESTENRIEDER (1798) 61. Die Form KucheP0 bleibt dagegen immer ohne Umlaut: kuchel (Cgm 352)
29
Zum 19. Jh. vgl. Schmeller (1872) 1,1461.
30
Kranzmayer (1960: 16) zählt sie zu den bairischen Kennformen.
122
Sprachliche Untersuchung
l l l r , chuchl (Cgm 376) 42r, kuchel (Cgm 639) 46v, Kuchelherd REIFFENSTUEL (1676) 132, Kuchl=Dienst LV (1756) Alv, Kuchel KOHLBRENNER (1783). 31 Heinrich Braun bezeichnet in seiner 'Sprachkunst' (1765: 152) die Bildung Kuchel als mundartlich und empfiehlt Küche. Kuch(e)l ist bis heute im gesamten bairischen Raum anzutreffen (Verfasser 1989). 32
9.5 Der Umlaut von frühneuhochdeutsch /au/ (mhd. /u:/)
Der aus mhd. /u:/ entstandene Diphthong /au/ wird vor Im/ im Bairischen nicht umgelautet. 33 In den untersuchten Quellen finden sich bis in die Mitte des 18. Jh.s die Schreibungen räumen (mhd. rümen), säumen (mhd. sümen) und schäumen (mhd. schämen). Der Umlaut taucht hier erst in der zweiten Hälfte bzw. Ende des 18. Jh.s auf; in der gesprochenen Mundart fehlt er bis heute (Verfasser 1989). räumen LANDPOT (1520) 42r, geraumet Part. Perf. WAKIUS (1713) 39, Räume Imp. WEINBERGER (1727) 150, räumen KOLB (1745) 30, räumen FINAUER (1768) 39 (er) räumte WESTENRIEDER (1798) 28, (sie) räumten ... ein ebd. 380. - sich säumen (Cgm 606) 14rb, (ihr) säumet LANDPOT (1520) 5v, versawmen BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 15.6, das es ... versäum WIMPINÄUS (1563) 26r, versäumen HAFFNER (1568) 39r, (er) Versaumbte REIFFENSTUEL (1676) 9, Säumen WAKIUS (1713) 184, sie ... saumeten WEINBERGER (1727) 16, (sie) verabsäumten KOLB (1745) 84, Alles versäumte man LORI (1772) 5. - unvers&umet FINAUER (1768) 150. schäumen SCHÖNFELDER (1691) 7, Schäumen WAKIUS (1713) 192, die ... schaumende (Kriegs-Nacht) HERTH (1715) 8.
In den meißnischen Drucken konnten die Verben reumen und seumen nachgewiesen werden: reumen ALBINUS (1590) 1,geseumet Part. Perf. ebd. 12, sie seumeten Imperf. DRESSER (1596) 188.
31
Vgl. auch Zaupser (1789) 45.
32
Zum 19. Jh. vgl. Schmeller (1872) 1,1221. In letzter Zeit wird es - vor allem in den Stadtsprachen - in zunehmendem Maße durch die Mischform küch, (entrundet kich), ersetzt. 33
Vgl. dazu auch Moser (1929) § 61.1; zum Mittelhochdeutschen Paul/Wiehl/Grosse (1989) § 41, Anm. 7.
Der i-Umlaut
123
9.6 D e r U m l a u t v o n mittelhochdeutsch /ou/
B e i m h d . /ou/, das frnhd. in /au/ übergeht, unterbleibt der U m l a u t vor Labial und Velar. 3 4 D i e L e x e m e erlauben, glauben, zaubern, haubt, kaufen, taufen, sich (auf)baumen, träumen und gaukeln w e r d e n in bayerischen T e x t e n w ä h r e n d d e s g e s a m t e n Untersuchungszeitraums ausschließlich mit < a u > im S t a m m verwendet; das V e r b läugnen, das - außer in d e n u n t e n gen a n n t e n F ä l l e n - bis ins 18. Jh. ebenfalls o h n e U m l a u t b e l e g t ist, wird seit der z w e i t e n H ä l f t e d e s 18. Jh.s umgelautet. E i n e A u s n a h m e m a c h e n die W e r k e v o n W a l d n e r ( 1 5 6 2 ) und D o n a u e r (1611), die in d e n protestantis c h e n S t ä d t e n R e g e n s b u r g und A m b e r g erschienen sind: H i e r f a n d e n sich m e h r m a l s die V e r b e n (ver)leugnen, gleuben und teuffen. Offensichtlich w a r e n in der O b e r p f a l z aufgrund der geographischen und k o n f e s s i o n e l l e n G e g e b e n h e i t e n die mitteldeutschen F o r m e n mit U m l a u t weiter verbreitet, da der aus R e g e n s b u r g s t a m m e n d e Johann Ludwig Prasch in seiner G r a m m a t i k ( R e g e n s b u r g 1687: 24) auf das N e b e n e i n a n d e r v o n /oi/ und /au/ hinweist und glauben statt gleuben fordert. 3 5 Vor Labial: erlauben (Cgm 225) 33r, erlaubt Part. Perf. HAMMER WERKSEINIGUNG (1594) 2v, Erlauben DIETL (1786) 11. - glawben (Cgm 225) 19r, glauben SCHATZGER (1525) Elv, dass. HAFFNER (1568) 6v, STENGEL (1622) 17, KOLB (1745) 80, DIETL (1786) 2; du gleubst WALDNER (1562) H4r. - zaubern WESTENRIEDER (1798) 57. - haubt APPELLATION (1480) 7, dass. LANDPOT (1520) 47v, HAUER (1523) A3v, haupt HAFFNER (1568) 6v, Haupt SAUTER (1608) 5, dass. THIRMAIR (1633) 24, DIETL (1786) 24. - verkauften (Cgm 302) 47r, kauffen SCHATZGER (1525( B4v, verkaufen PERNEDER (1544) 21v, kauffen ORDNUNG (1630) A3v, dass. KOLB (1745) 73, verkaufen OSTERWALD (1774) 17. - tauffen (Cgm 502) 67va, getaufft Part. Perf. DONAUER (1611) 25, tauffen REIFFENSTUEL (1676) 36, abgetauft Part. Perf. FINAUER (1768) 131; (das) wasserteufen WALDNER (1562) Klr. - Baumen 'sich aufbäumen' WAKIUS (1713) 59, sich aufbaumen ebd. - (es) Trawmt jm (Cgm 522) lOrb, getrawmpt Part. Perf. SCHATZGER (1525) Jlr, träumen LAUTHER (1569) 5v, dass. DOBEREINER (1570) C4r, MEICHEL (1631) 190, WAKIUS (1713) 40. Vor Velar: (er) gaucklt SCHATZGER (1525) F4r, Gauckeln WAKIUS (1713) 130. laugnen (Cgm 315) lOva, dass. GERICHTSORDNUNG (1522) 53v, WIMPINÄUS (1563) 3v, LAUTHER (1569) 19v, DOBEREINER (1570) E3r, STENGEL (1622) 54, verlaugnen DALHOVER (1688) 17, dass. WEINBERGER (1727) 76; leugnen WALDNER (1562) 4r, verleugnen ebd. Clv, le&gnen DONAUER (1611) 11, Verleugnen ebd. 36
34
Vgl. Moser (1929) § 61.2; zum Mittelhochdeutschen Michels/Stopp (1979) § 67d; Paul/Wiehl/Grosse (1989) § 41, Anm. 7.
35
Zum Umlaut von mhd. /ou/ bei Braun (1965) vgl. auch Matzel/Penzl (1982) 131.
36
Vgl. auch die Belege bei Bürgisser (1988) 78 f.
124
Sprachliche Untersuchung
Nhd. gläubig wird in bayerischen Quellen bis Ende des 18. Jh.s meist ohne Umlaut gebraucht; nur vereinzelt bewirkt das Ableitungsmorphem -ig seit dem 16. Jh. den Umlaut des Diphthongs. glawbig (Cgm 225) 57v, glaubig HAUER (1523) Flr, die glaubigen BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 3.12, von denglaubigen WIMPNÄUS (1563) 31v, Sie haben auß den Vnglaubigen niemandt glaubig / sondern auß Rechtgläubigen Falschglaubige Leuth gemacht STENGEL (1622) 21, vil vnglaubige REIFFENSTUEL (1676) 34, die glaubige Kirch ERTL (1684) 87, das rechtgläubige Reich DALHOVER (1688) 7, Rechtsglaubige N. PI. KOLB (1745) 45, die Ungläubigen FINAUER (1768) 168, allen Glaubigen D. PI. WESTENRIEDER (1798) 337. - Abergleübig HORNSTEIN (1596) Dlv.
Die durchgesehenen meißnischen Drucke enthalten erhüben, gleuben (noch im 18. Jh.), zeubern, heupt, (ver)keuffen, teuffen und bereits im 16. Jh. leugnen. Hierbei wird deutlich, daß sich in der neuhochdeutschen Schriftsprache die bairisch-oberdeutschen Formen durchgesetzt haben. Lediglich bei leugnen und den Lexemen mit umlautbewirkenden Suffixen ist der Umlaut in die neuhochdeutsche Standardsprache eingegangen. Meißnische Belege: erleubet Part. Perf. BABST (1589) E6v, er ... erleubt DRESSER (1596) 113. - gegleubet Part. Perf. BABST (1589) B8r, gleuben ALBINUS (1590) 18, (er) gleubte DRESSER (1596) 72, (er) gläubte SCARAMUZA (1693) 3, glbuben HILSCHER (1721) 317 und 322. - zeubern BABST (1589) A5v und Hlv, der grewliche Zeuber ebd. A5r. - Heupttugendt ALBINUS (1590) 163, Heupt DRESSER (1596) 4, Heuptmann ebd. 6, Heuptleute ebd. 33. - keuffen DRESSER (1596) 80, verkeuffen ebd. 8, erkeuffen ebd. - teuffen DRESSER (1596) 19 und 28. - leugnen ALBINUS (1590) 14, verleugnen WEISE (1680) 60.
Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß das Zurückweichen der regionalen Formen in bayerischen Texten in erster Linie auf außersprachliche Faktoren zurückzuführen ist. Die Belege spiegeln im wesentlichen die gesprochene Mundart wider, da sie meist mit den heutigen Verhältnissen übereinstimmen. Der Vergleich mit der rezenten Mundart ist hier besonders wichtig, um auszuschließen, daß der Umlaut lediglich vergessen bzw. vernachlässigt37 oder aus drucktechnischen Gründen 38 nicht bezeichnet wurde. Die Darstellung hat darüber hinaus gezeigt, daß zahlreiche umlautlose bairisch-oberdeutsche Formen in die neuhochdeutsche Schriftsprache eingegangen sind (vgl. dazu u. S. 282).
37
Gilt vor allem für Handschriften.
38
Fehlen der Drucktype!
10 Verschlußlaute und Affrikaten
10.1 Die mittelbairische Konsonantenschwächung
Die mittelbairische Konsonantenschwächung, die im Gegensatz zur mitteldeutschen Lenisierung die Geminaten von Verschluß- und Reibelauten sowie die Affrikaten im Inlaut nicht erfaßte, begann um 1300 in Wien und breitete sich anschließend entlang der Isar-Donau-Straße aus.1 Da die Abschwächung im Bairischen nur Halbfortis erreichte, ist in den Texten vor allem bei b/p und d/t ein lange anhaltendes Schwanken zu beobachten. Vorahd. /k/, das gesamtbairisch als velare Affrikate verbreitet war, widersetzte sich offensichtlich stärker der Lenisierung.
Das durch die zweite Lautverschiebung2 entstandene /p-/ blieb anlautend nur im Südbairischen erhalten. 3 Im Mittelbairischen war nach der Konsonantenschwächung ein mehr oder weniger zur Fortis neigender Verschlußlaut in Gebrauch, der häufig mit wiedergegeben wurde. 4 Diese seit dem Althochdeutschen belegten p-Schreibungen sind in den untersuchten bayerischen Quellen bis ins 16./17. Jh. häufig anzutreffen, danach werden sie seltener, vereinzelt kommen sie auch noch im 18. Jh. vor. pillich (Cgm 225) lv, prot (Cgm 301) 239v, poswicht (Cgm 302) 22T, pey (Cgm 502) lra, paum (Cgm 522) 2va, plintigkait (Cgm 529) 15rb, paid (Cgm 543) 2r, pecher KUCHENMEYSTEREY (1486) D4r, perg REGIMENT (1490) Blr, gepurt EINBL. (1485), Prachmon EINBL. (1489), puchstab EINBL. (1491), prennen LANDPOT (1520) 43v, prauch GERICHTSORDNUNG (1522) lr, pesser HAUER (1523) A2v, prauch
1
Vgl. dazu Kranzmayer (1956) § 34c.
2
Zur Lautverschiebung im Altbairischen vgl. Schwarz (1927).
3
Zum Althochdeutschen vgl. Schatz (1907) § 69; Braune/Eggers (1987) § 136; letzterer bemerkt zu dem hier zitierten Abschnitt bei Schatz: "doch ist manches nicht bairisch". 4
Zum Mittel- und Frühneuhochdeutschen vgl. Weinhold (1867) § 121; Behagel (1933); Moser (1951) § 137.1; Kranzmayer (1956) § 27a4 u. § 30a; Tarvainen (1968) 157; Bürgisser (1988) 132-135; Mettke (1989) § 41.1; Paul/Wiehl/Grosse (1989) § 129.
126
Sprachliche Untersuchung
S C H A T Z G E R (1525) B4r, platt P E R N E D E R (1544) 19r, plbck 'Blöcke' MACER (1570) 38r, Pecher MÜLLER (1591) 29, plock MEICHEL (1631) 374, Holtzpiern THIRMAIR (1633) 17, Poden HALLWACHS (1680) 21, (sie) erpiethet sich W E I N B E R G E R (1727) 146, Pettl 'Bettelei' LV (1739), (sie) prachte F I N A U E R (1768) 22. A m l ä n g s t e n hält sich p- in d e n O r t s n a m e n Augspurg u n d Regenspurg5, die in d i e s e r F o r m bis E n d e d e s 18. Jh.s a u f t a u c h e n . Augspurg (Cgm 225) 38v, dass. EINBL. (1487), CHRONIK (1501) A3r, WIMPINÄUS (1563) l l v , HORNSTEIN (1591) D3v, THIRMAIR (1633) 18, KOLB (1745) 19, K O H L B R E N N E R (1783) 39. - Regenspurg (Cgm 225) 67r, dass. CHRONIK (1501) B2v, WALDNER (1562) N4r, HAFFNER (1568) 2r, MACER (1570) 2r, M Ü L L E R (1591) 83, HORNSTEIN (1596) C4v, O R D N U N G (1630) A3v, HALL WACHS (1680) 3, W E I N B E R G E R (1727) 6, KOLB (1745) 23, FINAUER (768) 85, Regenspurger Pfenning K O H L B R E N N E R (1783) 68. In d e n L e x e m e n Bayern,
bischof,
brief ('Schriftstück, U r k u n d e ' ) , bruder
und
burger wird b e r e i t s seit d e m 15. Jh. m e i s t < b - > g e s c h r i e b e n . D a d i e s B e z e i c h n u n g e n sind, die ü b e r w i e g e n d aus d e m B e r e i c h der K i r c h e u n d d e s R e c h t s w e s e n s s t a m m e n , h a n d e l t e s sich hier w o h l u m S c h r e i b k o n v e n t i o nen.6 Belege für Bayern auf S. 98. - Bischoff (Cgm 618) Ivb, dass. APPELLATION (1480) 15, bischoff TITULARBUCH (1490) 5v, bischof CHRONIK ((1501) A6r, bischoff AVENTIN (1519) Blr, Bischofliche wirde H A U E R (1523) G4r, Bischoff P E R N E D E R (1544) 7r. - brief (Cgm 225) 118v, dass. (Cgm 302) 3v, brieff (Cgm 323) 6v, dass. (Cgm 355) 18r, TITULARBUCH (1480) 4v, brief EINBL. (1486), EINBL. (1487), AVENTINUS (1519) Clv, LANDPOT (1520) 2r, GERICHTSORDNUNG (1522) 5v, BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 17.1, brieff P E R N E D E R (1544) 19r. - briider (Cgm 225) 16v, brüder N. PI. (Cgm 301) 237r, bruders G. Sg. (Cgm 502) 2ra, brueder (Cgm 522) 4ra, Brüdern D. PI. (Cgm 529) 18ra, briider N. PI. (Cgm 618) 71rb. - Burger (Cgm 290) 3v, Bürgern G E R I C H T S O R D N U N G (1522) lv. A u c h b e i j ü n g e r e n l a t e i n i s c h - r o m a n i s c h e n E n t l e h n u n g e n 7 f i n d e t sich < b - > für /p/. In d e n b a y e r i s c h e n T e x t e n k o n n t e n bis ins 17. Jh. z a h l r e i c h e F o r m e n n a c h g e w i e s e n w e r d e n . H i e r b e i ist allerdings z u b e r ü c k s i c h t i g e n , d a ß e i n i g e W ö r t e r (z.B. babst)
b e r e i t s im M i t t e l h o c h d e u t s c h e n ü b e r w i e g e n d mit < b - >
geschrieben wurden. (In alphabetischer Reihenfolge:) babst (Cgm 225) 13r, Babst (Cgm 616) lrb, Babst APPELLATION (1480) 4, dass. EINBL. (1487), babst TITULARBUCH (1490) 5r, dass. CHRONIK (1501) Blr, Babst LANDPOT (1520) 2v, Babstlich H A U E R (1523) G4r, Babst P E R N E D E R (1544) 25r, Bapstisch LAUTHER (1569) 15v. - hasteten oder
5
Vgl. dazu auch die Belege bei Bürgisser (1988) 132.
6
Vgl. Moser (1951) § 137.1a, Anm. 3; Kranzmayer (1956) § 36a3; Bürgisser (1988) 130; Paul/Wiehl/Grosse (1989) § 159.2. 7
Vgl. dazu Paul (1916) 1,263 f.
Verschlußlaute und Affrikaten
127
Torten MEICHEL (1631) 318. - bech MAYER (1607) C3r, deß Bechs G. Sg. MEICHEL (1631) 571, verbicht ebd., Bech GEIGER (1649) 18, SchaafBbltz 'Schafspelz' SCHÖNFELDER (1691) 136. - Fechtblatz MEICHEL (1631) 437. - bredigen (Cgm 529) 64vb. - briester (Cgm 525) 35r, Briester (Cgm 618) lra, briesterschafft APPELLATION (1480) 2, briesters G. Sg. LANDPOT (1520) 40r, ordenßbriester PERNEDER (1544) 18v. - brüfen BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 30.5.8 D i e U n s i c h e r h e i t d e s Mundartsprechers zeigt sich b e s o n d e r s deutlich in der bayerischen Handschrift C g m 362 (2. H. 15. Jh.), die m e h r e r e Korrekturen enthält, bei d e n e n pzub pant
verbessert wurde ( o d e r umgekehrt): gepet fol. 99v,
fol. 158r. A u f d e n Z u s a m m e n f a l l v o n /b/ und /p/ hat bereits A v e n t i n in
der 'Bayerischen Chronik' (S. 30) hingewiesen: "P, haissen die t e u t s c h e n Schreiber d e n plaser, hat gar ein klaine underschaid v o n b, wird eins für das ander g e n o m e n [...]." Heinrich Braun fordert in seiner 'Sprachkunst' (1765: 21 f.) die strenge T r e n n u n g v o n /b/ und /p/: "Dieser Buchstab [ = P ] m u ß mit fest g e s c h l o ß n e n L i p p e n z u m schärfesten ausgedrficket w e r d e n [...]: Pabst, Peter, Pech, Pest, Pfeffer, Pflug, nicht Babst, Beter, Bech, Best etc."
Heute
wird im Mittelbairischen und in T e i l e n des Nordbairischen a n l a u t e n d H a l b fortis g e s p r o c h e n (Verfasser 1989), im Südbairischen ist die Fortis bis h e u t e erhalten g e b l i e b e n . 9 D i e Lenisierung v o n ahd., mhd. It-/10 k o m m t in d e n untersuchten H a n d schriften d e s 15. Jh.s noch häufig vor, in d e n D r u c k e n ist sie d a g e g e n w e sentlich seltener anzutreffen. dochter (Cgm 249) 257r, (sie) detten 'taten' (Cgm 301) 241v, dücher N. PI. (Cgm 315) 31rb, gedan Part. Perf. (Cgm 453) 185r, dochter (Cgm 502) lra, disch (Cgm 522) 47vb, dj dieff (Cgm 625) 33vb, huner vnd dauben KUCHENMEYSTEREY (1486) C3r, (ich) due (Cgm 529) 45va, dod (Cgm 606) 18rb, dags G. Sg. zu 'Tag' (Cgm 639) 55v, deufel BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 1.5, dantz WIMPINÄUS (1563) 5r, verduschen DOBEREINER (1570) B5v, Deller SCHÖNFELDER (1691) 83, Dannenbaum MEICHEL (1631) 155 und 156, Er ... dantzte REIFFENSTUEL (1676) 82.
8
Die in mittel- oder frühneuhochdeutscher Zeit aus dem Niederdeutschen in die hochdeutschen Mundarten übernommenen Wörter auf nhd. p- (dazu Paul 1916: 1,262 f.) erscheinen in bayerischen Texten nur vereinzelt mit < b - > : gebräng MACER (1570) 18r, back dich hinweg MEICHEL (1631) 447, außblündert werden ebd. 696, Bländerung DALHOVER (1688) 34, Branger ebd. 566. 9
Zum 19. und 20. Jh. vgl. Schindler (1821) § 396; Kollmer (1949) 46; Grundier (1951) 30; Kranzmayer (1956) § 34c3; Maier (1965) 140; Zehetner (1978) 180. Vgl. ferner Kleiner Deutscher Sprachatlas Bd. 1.1 (1984), Karten 1-20. 10
Zum Althochdeutschen vgl. Braune/Eggers (1987) § 168; zum Mittel- und Frühneuhochdeutschen Moser (1951) § 143; Paul/Wiehl/Grosse (1989) § 143-148.
128
Sprachliche Untersuchung
Bei den Lexemen tapfer und Tinte, die bereits im Mittelhochdeutschen mit d- und t- geschrieben wurden, 11 setzt sich die heutige Schreibung erst im 19./20. Jh. endgültig durch. In unseren Texten wird d- bis ins 18. Jh verwendet. dapfer SCHATZGER (1525) Elr, dapffer WIMPINÄUS (1563) 23r, dass. HAFFNER (1568) 8r, DOBEREINER (1570) C4r, MACER (1570) 22v, MEICHEL (1631) 116,zwei dapffere Joannes DALHOVER (1688) 3, ein ... dapffers M&gdl SCHÖNFELDER (1691) 76, mit... dapfferen Helden WEINBEGER (1727) 153, dapffere Soldaten KOLB (1745) 19, dapfer FINAUER (1768) 30. - Dinten A. Sg. MEICHEL (1631) 660, Dinten=Zeug WEINBERGER (1727) 32, Dinte DIETL (1786) 176. Heinrich Braun bemerkt in seiner Grammatik (1765: 175): "Tinte nach der Etymologie; Dinte der Aussprache nach." Aufgrund der lautlichen Annäherung von /d/ und /t/ taucht für ahd., mhd. < d - > auch die umgekehrte Schreibung < t - > auf. 12 Vor Vokal zeigt sich dies bis ins 17. Jh., vor /r/ besonders häufig bis ins 18. Jh. Vor Vokal: türr 'dürr' (Cgm 385) 58v, (er) tancket (Cgm 522) 21ra, mich turstet (Cgm 529) 22va, turstig ebd. 13va, tachrinne MAYER (1577) 27v, Tach MEICHEL (1631) 182. Vor /r/: (in alphabetischer Reihenfolge): tringen (Cgm 315) 29ra, ir ... tringt SCHATZGER (1525) E2v, tringen LAUTHER (1569) lOr, dass. BINSFELD (1591) 32r, durchtringen MEICHEL (1631) 104, durchtrungen Part. Perf. REIFFENSTUEL (1676) 100, vortringlich HERTH (1715) 7, mit hertz tringenden Bitten WEINBERGER (1727) 143, Die eintringende Hungers=Noth HOLZER (1753) 8. - troen MEICHEL (1631) 555, Troungen REIFFENSTUEL (1676) 251, Feuerbetrohende Cometstern HERTH (1715) 11, bey unseren betrüblichen Zeiten HOLZER (1753) 9. - Truck (Buchdruck) WIMPINAUS (1563) 49v, (den) getruckten Catechismum A. Sg. HAFFNER (1568) 20v, truck (Buchdruck) LAUTHER (1569) 2r, Truck (dass.) DOBEREINER (1570) D2r, nachtruck 'Energie' BINSFELD (1591) 12V, Truck ('Druck, Last') GEIGER (1649) 1, eintrucken REIFFENSTUEL (1676) 15, eingetruckt WEINBERGER (1727) 112. - vertrießlich WEINBERGER (1727) 230. In medialer Position tritt die Lenisierung von ahd., mhd. /t/ kaum in Erscheinung: knoden 'Knoten' (Cgm 639) 8r, dass. WIMPINÄUS (1563) 66r, Knoden R E I F F E N S T U E L (1676) 215, zedel 'Zettel' APPELLATION (1480) 14, Zedelein M Ü L L E R (1591) 80. Da in mittelhochdeutscher Zeit neben knote 'Knoten' und zetel auch Formen mit Lenis in Gebrauch waren, 13 ist < d > in diesen Beispielen vermutlich nicht direkt auf die mittelbairische Konsonantenschwächung zurückzuführen. Die oben erwähnte Abschwächung zur Halbfortis hat jedoch dazu beigetragen, daß die Varianten mit d bis ins 17. Jh. weiterverwendet wurden. In der Verbindung -den und -del
11
Vgl. die Belege bei Lexer 2,1440.
12
Vgl. Weinhold (1867) § 140; ders. (1883) § 192; Moser (1951) § 142.1a u. § 142.1b.
13
Bei zedel hat sicherlich mlat. cedula eine Rolle gespielt.
Verschlußlaute und Affrikaten
129
wurde das unbetonte -e- sicherlich synkopiert, so daß hier wohl Halbfortis vor Konsonant anzusetzen ist. Die in der heutigen Mundart anzutreffende Assimilation -den > -n und -del > -l (z.B. [kno:n] 'Knoten', [tse:l] 'Zettel') ist für das Frühneuhochdeutsche unwahrscheinlich. 14
Nach Nasalen, vor allem nach /n/, war /t/ in alt- und mittelhochdeutscher Zeit zur Lenis geworden. Im Bairischen ist dieser Wandel allerdings nicht durchgedrungen. 15 In den untersuchten bayerischen Texten spiegelt sich dies in der Schreibung wider, die bis ins 16. Jh. belegt ist. überwintlicher streit (Cgm 225) 119r,freunten D. PI. (Cgm 529) 32ra, westentig 'beständig' (Cgm 639) 3r, in nachfolgentem p&echlein SCHATZGER (1525) A3r, lebentig BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 4.10, sonter 'sondern' WALDNER (1562) Flr.
Da < n t > (außer in den Verbalformen brannte, rannte etc.) in der zweiten Hälfte des 16. Jh.s aus der Schriftsprache verschwindet, wurde der Dental wohl allmählich mit geringerem Atemdruck gesprochen. 16
Vorahd. /k/ wurde bair. in der zweiten Lautverschiebung zur velaren Affrikate /kx/ verschoben. Dieser Wandel tritt in alt- und mittelhochdeutschen Handschriften vereinzelt im Anlaut auf, seit dem 15. Jh. auch im In- und Auslaut. 17 In den untersuchten bayerischen Quellen zeigt sich die Affrikate bis Ende des 15. Jh.s anlautend meist als , danach als < k h - > ; im Inund Auslaut wird oder , seltener auch < - c h > , und < - c h k > gebraucht. Diese Schreibungen lassen sich bis ins 16. Jh. häufig nachweisen, danach werden sie seltener und verschwinden schließlich Ende des 17. Jh.s aus der Schriftsprache. 18 Die folgende Stelle aus der Gram-
14
Vgl. hierzu auch Zaupser (1789: 4): "Das t und sogar das tt wird meist sehr gelinde wie d ausgesprochen Z.E. Gstridn für gestritten. Reidn ffir reiten. Glidn für gelitten." 15
Zum Mittel- und Frühneuhochdeutschen vgl. Weinhold (1867) § 141; Moser (1951) § 143.2; Tarvainen (1968) 163.
16
Vereinzelt war nt offensichtlich noch im 19. Jh. zu hören, heute ist es jedoch in Bayern nicht mehr anzutreffen; zum 19. Jh. vgl. Schmeller (1821) § 444 und Weinhold (1867) § 141. 17
Vgl. Weinhold (1867) § 179 u. § 201; Moser (1929) § 39; Mausser (1932) § 117; Kranzmayer (1956) § 38; Michels/Stopp (1979) § 171; Braune/Egger (1987) § 144; Bürgisser (1988) 145 f.; Paul/Wiehl/Grosse (1989) § 139 u. § 159.1. 18
Eine Ausnahme macht lediglich die Bezeichnung Kurfürst, die bis Ende des 18. Jh.s mit der Schreibung < C h - > verwendet wird; vgl. u. S. 206.
130
Sprachliche Untersuchung
matik v o n Heinrich Braun (1765: 85) zeigt, daß die hier g e n a n n t e n Grap h i e n seit der zweiten H ä l f t e des 18. Jhs. nicht mehr v o r k o m m e n : "Das alte kh und ckh hat d o c h endlich auch D e u t s c h l a n d r ä u m e n m ü s s e n . M a n schreibt nicht m e h r Traurigkheit, khomen, khlemmen, Khnall, khlar, s o n d e r n Traurigkeit, kommen, klemmen, Knall, klar etc. M a n sieht auch kein Stuckh, k e i n e n Danckh, keine Muckhen, keine Luckhen mehr; sondern e s giebt all e n t h a l b e n nur Stücke, Dank, Mücken und Lücken." Anlaut: chaufft Part. Perf. (Cgm 301) 258r, chlag (Cgm 302) lr, chain (Cgm 352) 68v, chraft (Cgm 376) 30v, chomen (Cgm 522) 20va, erkhennen EINBL. (I486), khain BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 2.3, (er) khan 'kann' LAUTHER (1569) 3r, Khue STENGEL (1622) 32, Khuefleisch ORDNUNG (1630) A6r, kheren SCHÖNFELDER (1691) 124. - Churßrst FINAUER (1768) 99, in den churbaierischen Landen ICKSTATT (1774) 54. Inlaut: versinkchen (Cgm 355) 29r, wolkchen (Cgm 355) 30r, ackher (Cgm 502) Iva), (sie) erschrakchen (Cgm 522) 28va, schickhung BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 1.2, steckhen V. LAUTHER (1569) 20r. Auslaut: strikch (Cgm 355) 45r, anplikch (Cgm 442) 83v, (Cgm 376) 9r, Genickh SCHÖNFELDER (1691) 76, Tranckh ebd. 45. - gedanch (Cgm 858) 198r, zwen seckch 'Säcke' (Cgm 522) 20rb, dikch 'dick' (Cgm 525) 84r. N a c h Liquiden, insbesondere nach Irl, wurde vorahd. /k/ s c h o n in alth o c h d e u t s c h e r Zeit, offensichtlich nur in einigen Wörtern, zur v e l a r e n Spirans / x / w e i t e r verschoben. 1 9 D i e unten aufgeführten B e l e g e auf < r c h > u n d < l c h > spiegeln w o h l diesen W a n d e l wider. In u n s e r e n T e x t e n ers c h e i n e n d i e s e Schreibungen vor allem in mark 'Gebiet, Besitz' und werk, die ü b e r w i e g e n d in D r u c k e n der herzoglichen Kanzlei v e r w e n d e t und dadurch w e i t verbreitet wurden. (In alphabetischer Reihenfolge:) kalch (Cgm 225) 89, chalch ofenn (Cgm 301) 256r, kalch offen (Cgm 352) 64v, kalch (Cgm 376) 42r, kalch ofen (Cgm 385) 180r, Kalch LEUTHNER (1790) 35 und 76, Kalcherde ebd. 24 und 26, Kalchsalpeter, oder Kalchsalz ebd. 26. karcher 'Kerker' (Cgm 323) 37r, charcher (Cgm 346) 158r, kärcher (Cgm 502) 9va, karcher (Cgm 522) 9vb, dass. (Cgm 525) 22va, kärcher (Cgm 543) 41r, kärcher BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 10.12. Hofmarch LV (1512) A3r, dass. GERICHTSORDNUNG (1522) 8v, Holtzmarch LV (1547) A4v, Hofmarchen D. PI. LV (1680) lr, Hofmarchsinhaber LV (1650) lr, Hofmarchen D. PI. LV (1690) 2r, Hofmarchs=Beambte LV (1726) lr, Hofmarchs Jnnhabem D. PI. LV (1730) lr, dass. LV (1731) lr, Hofmarch LV (1760) 2v 2 < / sarch (ahd. sarc\ (Cgm 352) 248r, Sarch MÜLLER (1591) 14, Särchen D. PI. ebd. 73, sarch FINAUER (1768) 60, Sarche D. Sg. ebd. 130, Sarchen A. PI. DALHOVER (1688) 33. werch (Cgm 290) 63r, dass. (Cgm 355) 14v, (Cgm 442) 3r, (Cgm 543) 22r, (Cgm 639)
19 Vgl. Schatz (1901) § 62c; Braune/Eggers (1987) § 144, Anm. 4 u. 5; Zum Mittel- und Frühneuhochdeutschen vgl. ferner Moser (1951) § 149.2aß; Michels/Stopp (1979) § 171; Paul/Wiehl/Grosse (1989) § 134. 20
Vgl. auch die Belege für -march bei Bürgisser (1988) 146.
Verschlußlaute und Affrikaten
131
17v, handtwerch EINBL. (I486), werchstatt LANDPOT (1520) 52v, werch BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 2.1, werch LV (1545) A2r, Fischwerch LV (1581) A4r, Fuhrwerch LV (1600) 3v, Scharwerch LV (1608) lr, Rauchwerch GEIGER (1649) 9, Scharwerch LV (1756) A3r.
Die velare Affrikate ist heute nur noch im Südbairischen anzutreffen. Im Mittel- und Nordbairischen wird prävokalisch im Anlaut sowie im Inlaut Fortis gesprochen, die vor allem im mittelbairischen Raum aspiriert wird.21 Die oben aufgeführten Belege auf könnten bedeuten, daß anlautend vor Vokal die Abschwächung zur behauchten Fortis bereits im 15. Jh. eingetreten ist.22 Die Beispiele auf und etc. legen die Vermutung nahe, daß im In- und Auslaut die Affrikate bis ins 17. Jh. beibehalten wurde. Der velare Spirant in den oben zitierten Beispielen auf Ich und rch ist heute vor allem im Südbairischen und in Teilen des Mittelbairischen gebräuchlich. 23 In initialer Position vor Konsonant ist mbair. heute überwiegend Lenis verbreitet (Verfasser 1989).24 Vermutlich war hier die Affrikate in präkonsonantischer Stellung nicht so stark ausgeprägt, so daß Rückbildung eintreten konnte. In den bayerischen Texten waren nur zwei Formen für diese Abschwächung anzutreffen: Gnapp 'knapp' WAKIUS (1713) 132, Greß 'Gekröse' (hier liegt allerdings gek- > k- vor) ebd. 136. Die Graphie für /k-/ zeigte sich darüber hinaus nur im Lehnwort Kutsche, das erst im 16. Jh. aus dem Ungarischen übernommen wurde 25 : Neun Gutschen MAYER (1607) Blv, ein Gutschen MAYER (1607) E4v. Zu diesen und den oben aufgeführten Belegen paßt auch eine Bemerkung von Heinrich Braun, der in seiner 'Sprachlehre' (1765: 83) auf die Vermischung von /g/ und /k/ hinweist,26 und dabei als mundartliche Beispiele lediglich Gutscher und Gleid (g- vor Konsonant!) erwähnt: "Das G wird sehr oft un21
Die Mundart des 19. und 20. Jh. bezeugen Mutzl (1860) 361; Pfalz (1936) 10 f.; Kollmer (1949) 92; Grundler (1951) 41; Kranzmayer (1956) § 34a u. § 38; Maier (1965) 175 ff. u. 230; Zehetner (1978) 221; - Verfasser (1989). Vgl. ferner Kleiner Deutscher Sprachatlas Bd. 1.1 (1984), Karten 86-93. 22
Phonetisch-artikulatorisch erklärt sich dieser Übergang durch Senkung der Zunge zum Öffnungslaut; vgl. Dieth (1968) § 335 23
Vgl. Brünner (1955) 42; Kranzmayer (1956) § 38c2; Maier (1965) 178; Zehetner (1978) 236. 24
Vgl. ferner Wittmann (1943) 66; Grundler (1951) 41; Merkle (1975) 28; Zehetner (1978) 180 f.
25
Vgl. Kluge/Seebold (1989) 421.
26
Vgl. dazu auch Matzel/Penzl (1982) 135.
132
Sprachliche Untersuchung
recht anstatt des Κ gesetzet; es schreiben einige: Gutscher für Kutscher, Gleid für Kleid u.d.gl." Die oben aufgeführten Belege legen die Vermutung nahe, daß die mittelbairische Konsonantenschwächung während des Untersuchungszeitraumes nur in Ansätzen ausgeprägt war. Inwieweit sich diese Entwicklung in der Schriftsprache widerspiegelt, wird in einem späteren Zusammenhang zu klären sein. 27
10.2 Der Wandel Pol > /w/
Das durch die zweite Lautverschiebung entstandene /p/ (vgl. auch Kap. 10.1) wurde in medialer Position um 1050 wieder zu /b/ und entwickelte sich nach 1100 zum bilabialen stimmhaften Reibelaut /w/.28 Die Schreibung < w > für fb/, die in unseren Texten bis ins 16. Jh. vorkommt, spiegelt wohl diesen Wandel wider. sy herwergten Konj. Präs. von 'beherbergen' (Cgm 225) 42v, herwerg 'Herberge, Haus' (Cgm 290) 22v, arwait (Cgm 606) 40ra, weywer 'Weiber' G. PL H A U E R (1523) C4v, umgewen Part. Perf. 'umgeben' ebd. Flr, gewen 'gegeben' ebd. B3r.
Infolge dieser Spirantisierung wurde seit dem 13. Jh. für ahd., mhd. b- im Anlaut auch < w - > verwendet. 29 Sie konnte nur in den Handschriften nachgewiesen werden, in die bayerischen Drucke dringt sie offensichtlich nicht ein. wibel 'Bibel' (Cgm 225) 13v, dass. (Cgm 525) 30va, wetrachten (Cgm 301) 235r, wetrübt
(Cgm 346) lv, wehend 'behende' ebd., wrieff 'Brief (Cgm 522) 19ra, wesitzen (Cgm 522)
2va, weraiten 'zubereiten' ebd. 3ra, weschaffen (Cgm 529) 9ra, wegeren (Cgm 639) lr. In den bairischen Mundarten ist der Übergang von /b/ zu /w/, der auf mangelnde Verschlußbildung zurückzuführen ist, im Inlaut bis heute weit
27
Formen wie Kurfürst zeigen, daß in einigen Fällen auch außersprachliche Kriterien die Schreibung beeinflußt haben. 28
Vgl. Weinhold (1867) § 134; Moser (1959) § 137.2a; Bürgisser (1988) 134 f.; Paul/Wiehl/Grosse (1989) § 129 u. § 159.2.
29
Vgl. Weinhold (1867) § 136; Moser (1929) § 43; Paul/Wiehl/Grosse (1989) § 129 u. § 159.2.
Verschlußlaute und Affrikaten
133
verbreitet. 30 Bei einigen meist aus dem Lateinischen stammenden Wörtern und Eigennamen wurde bis in die Mitte des 20. Jh.s auch im Anlaut ein bilabialer Spirant gesprochen, wie beispielsweise in [Wenedikt] = Benedikt.31 Dies widerlegt die in den Handbüchern aufgestellte Behauptung, daß anlautendes w- (s. o. wibel 'Bibel' etc.), das in Anlehnung an den in medialer Stellung erfolgten Wandel /b/ > /w/ entstanden ist, lediglich graphische Variante ohne lautliche Bedeutung sei.32 Interessant sind in diesem Zusammenhang auch die Ausführungen des bayerischen Grammatikers Heinrich Braun, der in seiner 'Sprachlehre' (1765: 18) auf die Annäherung von fb/ und /w/ hinweist und dabei lediglich Beispiele für den Anlaut aufführt: "Es klingt dieser Buchstab [= Β] härter als w, und weicher als p. Mithin spricht man gleichsam das Mittel, z.E. Bader, Baum, Benno, Bibel, Binder, Burger, nicht Wader, Waum, Wenno, Wibel, Winder, Würger [···]·" Da diese mundartliche Lautung bis in die Mitte unseres Jahrhunderts anzutreffen war und auch heute noch gesprochen wird, ist das Verschwinden der regionalen Varianten aus der Schriftsprache im 15./16. Jh. wohl auf außersprachliche Gründe zurückzuführen. Welche Rolle der Buchdruck bei der Auswahl der Konkurrenzformen gespielt hat, wird im einzelnen noch zu prüfen sein.
10.3 Der Wechsel zwischen /b/ und /f/
Der Wechsel zwischen fb/ und /f/, der inlautend in erster Linie vor -(e)l auftritt, 33 zeigt sich in den untersuchten Texten in zwifel 'Zwiebel' und knofla(u)ch 'Knoblauch': zwifaln A. PI. KUCHENMEYSTEREY (1486)
30
Die Mundart des 19. und 20. Jh.s ist bezeugt durch Schmeller (1821) § 407; Kollmer (1949) 46; Wittmann (1943) 56; Kranzmayer (1956) § 30b; Maier (1965) 140 f.; Gladiator (1971) 82; Zehetner (1978) 199 f.; Kollmer (1987) 1,38 ff.; - Verfasser (1989).
31
Vgl. Schmeller (1821) § 409; Kranzmayer (1956) § 36a2; Maier (1965) 141.
32
Vgl. beispielsweise Moser (1929) § 43: V wird anlautend in bair. und nürnb. Hss. der äfrnhd. Zeit (infolge der umgekehrten Schreibung [...)) öfter für den Labialverschlußlaut b ohne lautliche Bedeutung geschrieben [...]". 33
Vgl. dazu Kranzmayer (1956) § 31d; Paul/Wiehl/Grosse (1989) § 129 u. § 159.1.
134
Sprachliche Untersuchung
Blv, zwifel REGIMENT (1490) Clv, Zwiffl GEIGER (1649) 18, Zwifel REIFFENSTUEL (1676) 227; knoflach (Cgm 376) 118v und 119r. Die bei Fuchßperger (1542: 172) verzeichnete Schreibung zwibfl demonstriert die Unsicherheit des Mundartsprechers, der bei der Verschriftung zwischen < f > und < b > schwankt. Die ausschließlich auf bairisches Gebiet beschränkte Variante zwiefel34 ist vielleicht auch von mhd. zwivalt beeinflußt worden. Heinrich Braun kritisiert in seiner Grammatik (1765) die Formen Zwif(f)el (182) und Knofler (150) und fordert stattdessen Zwiebel und Knoblauch. Die bei Braun erwähnten mundartlichen Bildungen sind heute im gesamten bairischen Raum verbreitet (Verfasser 1989).35 schraube / schrauf Bei nhd. schraube,36 bair. schrauf, ist das Nebeneinander von /b/ und /f/ bereits in älteren romanischen Varianten zu beobachten. Der oben erwähnte Wechsel in zwiebel und knob(e)lauch hat wohl dazu beigetragen, daß im Bairischen bis heute schrauf 'Schraube' und schraufen 'schrauben' verwendet werden (Verfasser 1989): geschrauft Part. Perf. BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 9.8, ein ... Schrauffen N. Sg. MÜLLER (1591) 106, Schrauffen D. PI. STENGEL (1622) 76. er ... schraubte ebd. 80, schraufen V. MEICHEL (1631) 39.37
haber / hafer Das Substantiv Hafer38 (mhd. nur haber) wurde Ende des 15. Jh.s vom Niederdeutschen ins Mitteldeutsche übernommen und verdrängte seit dem 16. Jh. allmählich das ältere haber, das sich in bayerischen Texten während des gesamten Untersuchungszeitraums nachweisen ließ. Haberspreu REGIMENT (1490) A3v, habem D. BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 34.11, Haber THIRMAIR (1633) 9, Habem N. ORDNUNG (1630) A5v, dass. LV (1650), LV (1703) lr, Haber WAKIUS (1713) 208, Futterhaber KOHLBRENNER (1783) 23, Haber ebd. 35, dass. WESTENRIEDER (1798) 174.
34
Vgl. DWB 16,1129.
35
Zum 19. und 20. Jh. vgl. Schindler (1821) § 398; Mutzl (1860) 348; Kranzmayer (1956) § 31d; ders. (1960) 11; Zehetner (1978) 225 u. 233, Anm. 6. 36
Vgl. dazu auch Kluge/Seebold (1989) 653.
37
Zur gesprochenen Mundart im 19. und 20. Jh. vgl. Schmeller (1821) § 398 und dessen Wörterbuch (1877) 2,598; Zehetner (1978) 234.
38
Vgl. dazu Kluge/Seebold (1989) 285 f.
Verschlußlaute und Affrikaten
135
Nhd. Hafer ist im Bairischen heute meist als schwaches Maskulinum verbreitet (s. o. die Belege für habern).39
Die Ausführungen haben gezeigt, daß der Wechsel f/b in den oben aufgeführten Wörtern verschiedene Ursachen hat. Wie bei nhd. Hafer muß bei der Selektion regionaler Varianten wohl mit mitteldeutschem Einfluß gerechnet werden.
10.4 Der Wechsel zwischen Verschlußlauten und Affrikaten bzw. Spiranten
Bei den im 8. Jh. aus dem Lateinischen entlehnten Substantiven Pforte und Pförtner erscheint das anlautende p- zunächst nur auf mitteldeutschem Gebiet als Affrikate, im Bairischen bleibt dagegen der stimmlose Verschlußlaut anlautend bis heute erhalten; (Verfasser 1989). In den untersuchten bayerischen Quellen wird porte und portner bis ins 18. Jh. verwendet; die Affrikate taucht erst in der zweiten Hälfte des 18. Jh.s auf. porten D. Sg. (Cgm 225) 98r, dass. (Cgm 301) 237, port (Cgm 352) 49v, portten D. Sg. (Cgm 385) 166v, porten D. Sg. (Cgm 522) 41rb, dass. (Cgm 529) 35rb, Porten A. Sg. APPELLATION (1480) 10, Port der Kirchen REIFFENSTUEL (1676) 263, Porten A. PI. ERTL (1684) 97, dass. Α Sg. KRESSLINGER (1719) 8, D. PL HIEBER (1728) 8, Porte D. Sg. DIETL (1768) 136. - portner (Cgm 639) 66v und 74v, Portnerin MAYER (1577) 37r, Portner REIFFENSTUEL (1676) 235. - Pforten N. PI. FRONHOFER (1770) 22.
Das Maskulinum Schuppen wird im 17. Jh. aus den mittel- und niederdeutschen Mundarten übernommen und setzt sich schließlich als alleinige Form durch. 40 Im Bairischen wird dagegen seit jeher die verschobene Form verwendet, die noch in der zweiten Hälfte des 18. Jh.s nachgewiesen werden konnte: schupfen N. Sg. (Cgm 620) 26vb, Schupfen D. Sg. LV (1764) C2r. Das hier aufgeführte schwache Femininum ist in der gesprochenen Mundart bis heute anzutreffen (Verfasser 1989).
39
Die Mundart im 19. und 20. Jh. ist bezeugt durch Schmeller (1872) 1,1033; - Verfasser (1989).
40
Vgl. Kluge/Seebold (1989) 655 f.
136
Sprachliche Untersuchung
Die aus vorahd. /p/ entstandene Affrikate wurde im Alt- und Mittelhochdeutschen nach jr! und β/ meist zu If/ vereinfacht. In einigen Fällen ist bair. nach /r/ die Lautung /pf/ erhalten geblieben. Es sind dies die Lexeme harpfe bzw. härpfen schw. F. 'Harfe' sowie scharpf 'scharf, schärpfen und schärpfe. härpffen D. Sg. (Cgm 347) 56v, härpfen D. Sg. (Cgm 352) 92v, herppfen A. PI. (Cgm 366) 16v, harpfenn D. PI. (Cgm 453) 174r, härpffen D. PL (Cgm 502) 5va, herpfen D. Sg. (Cgm 525) 47vb, härpfen D. Sg. HAUER (1523) E2r, Hhrpffen WEINBERGER (1727) 108. mit seiner scharpffen schneid (Cgm 315) 26rb, ain scharppfes geschoß (Cgm 323) 60v, ein scharpfes schwert (Cgm 858) 118r, ain scharpfer dialectus HAUER (1523) Glr, scharpffe Richter WIMPINÄUS (1563) 54r, scharpf HAFFNER (1568) 44r, von den scharpffen krellen DOBEREINER (1570) A7v, mit einer ... scharpffen Gaißlung REIFFENSTUEL (1676) 29, scharpffe Regl KRESSLINGER (1719) 6, Scharpffsinnigkeit WEINBERGER (1727) 129, scharpff KOLB (1745) 64. - sch&rpffen DALHOVER (1688) 29, (ihr) sch&rpffet MEICHEL (1631) 510. - scherpff"Schärfe' HAUER (1523) G2v, sch&rpff N. Sg. BINSFELD (1591) 42v, sch&rpffe SCHÖNFELDER (1691) 10.
Von den oben zitierten Belegen ist im Bairischen heute vor allem noch das Verb schärpfen gebräuchlich. Die übrigen Wörter werden in zunehmendem Maße von der hochsprachlichen Variante verdrängt (Verfasser 1989). Bei nhd. Drache und Lache haben sich in der neuhochdeutschen Standardsprache die auf lat. draco und locus zurückgehenden Formen behauptet, im Bairischen sind dagegen die unverschobenen Varianten aus lat. draco und lacus durchgedrungen.41 drack (Cgm 323) 23r, tracken Α Sg. (Cgm 352) 184v, tracken pluet (Cgm 376) 63r, tracken Α Sg. (Cgm 529) 44va, drack BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 20.1, drack HAFFNER (1568) 3r, Drucken D. PI. MEICHEL (1631) 190 und 205. - Lacke Braun (1765) 152; dass. Zaupser (1789) 46; weitere Belege bei Schmeller (1877) 2,1432.
Das Substantiv lacke 'Lache'42 ist mundartlich bis heute weit verbreitet (Verfasser 1989). Das oben zitierte drack ist in der rezenten Mundart vor allem als Schimpfwort gebräuchlich (Verfasser 1989).43 Genau umgekehrt liegen die Verhältnisse beim Verbum backen. Im Bairischen gilt die Bildung bachen, die vorahd. einfaches /k/ voraussetzt, während in die neuhochdeutsche Schriftsprache backen (germ. *bakkan) eingegangen ist.44 pach smalcz (Cgm 249) 252, gepachen Part. Perf. (Cgm 301) 244r, pachoffen 'Backofen' (Cgm 522) 23vb, dass. (Cgm 525) 33\a,pachen V. BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 4.15,
41
Vgl. ebd. (1989) 153 u. 423 f.
42
Kranzmayer (1960: 10) zählt es zu den bairischen Kennwörtern.
43
Zum 19. Jh. vgl. auch Mutzl (1860) 349, der aus der bayerischen Mundart Drack und Lack'n zitiert. 44
Vgl. Trübner 1,215.
Verschlußlaute und Affrikaten
137
Bachofen THIRMAIR (1633) 22,gebachen ORDNUNG (1630) A5r, bachen MEICHEL (1631) 278.
In der gesprochenen Mundart ist bachen bis heute gebräuchlich (Verfasser 1989).45
Auch bei den hier aufgeführten Beispielen läßt sich die Entstehung der regionalen Varanten nicht auf einen gemeinsamen Nenner bringen; da die mundartlichen Formen heute noch gesprochen werden, hat ihr Zurücktreten aus der Schriftsprache wohl (unterschiedliche) außersprachliche Ursachen.
45
Zum 19. und 20. Jh. vgl. ferner Schmeller (1872) 1,194; Kollmer (1949) 52; Grundler (1951) 42; Maier (1965) 178.
11 Spiranten
11.1 Der W a n d e l / ν / > / b /
Mhd. w erscheint bair. seit dem Ende des 13. Jh.s anlautend öfter als Nach Moser (1929: § 43) handelt es sich hierbei um einen reinen Schreibwandel ohne lautliche Bedeutung. 2 Die Verhältnisse in den heutigen Mundarten (s. u.) legen allerdings die Vermutung nahe, daß der ursprünglich labiodentale Reibelaut /v/ tatsächlich bilabial gesprochen und deshalb < b > geschrieben wurde. In unseren Texten zeigt sich dieser Wandel vor allem in Handschriften des 15. Jh.s, in den Drucken nur noch bis in die erste Hälfte des 16. Jh.s. Absoluter Anlaut: beib 'Weib' (Cgm 315) 3vb, Ber 'wer' (Cgm 529) lOra, barhait 'Wahrheit' (Cgm 606) 7ra, bir 'wir' ebd. 49ra, beis phfengnig 'Weißpfennig' EINBL. (1482). Mittelbarer Anlaut: gebalt 'Gewalt' (Cgm 290) 27v, erberben 'erwerben' (Cgm 352) 23r, überbinden 'überwinden' (Cgm 385) 21r, ßrbar 'fürwahr' (Cgm 502) 45va, gebant 'Gewand' (Cgm 606) 20ra, albeg (= alweg) 'immer' HAUER (1523) A3r, dass. BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 4.4. - In Cgm 529 vereinzelt auch postkonsonantisch vor Vokal: sbert 'Schwert' 4rb, sbester 'Schwester' 42vb, zbay 'zwei' 28ra.
Gelegentlich kommt < b > für mhd. w auch in medialer Position nach Vokal vor. In den untersuchten Texten fanden sich lediglich schneiben (mhd. sniwen) und der Plural grabe har (mhd. gräwe här): mit schneiben vnd Regen (Cgm 376) 90r, es schneybt AVENTIN (1542) Flr, grabe har ebd. A6r. Seit dem 17./18. Jh. wurde beim Adjektiv grab-, das ursprünglich nur in der flektierten Form -b- aufwies, der stimmhafte Verschlußlaut auch in den Auslaut übertragen, wie das Lemma Grahb 'grau' im 'Jdiotikon' von Andreas Zaupser (1789: 32) beweist.
1 2
Vgl. Weinhold (1867) § 124.
Bei Paul/Wiehl/Grosse (1989: § 159.2) findet sich lediglich die Bemerkung: "Im Bairischen wird seit Ende des 13. Jh.s häufig < b > für /w/ geschrieben."
Spiranten
139
Heute sind von den oben aufgeführten Beispielen lediglich schneiben3 und grab im gesamten bairischen Raum anzutreffen. Im Anlaut ist /b-/ für mhd. w- dagegen nur in Teilen des Süd- und Nordbairischen verbreitet. 4 Die Belege legen die Vermutung nahe, daß /b-/ für mhd. w- früher auch im Mittelbairischen gesprochen wurde. Seit dem 15./16. Jh. ist im Anlaut offensichtlich wieder Rückbildung zum labiodentalen Spiranten /v-/ erfolgt, wobei vermutlich als Zwischenstadium der bilabiale Reibelaut /w/ anzusetzen ist. Bereits diese Zwischenstufe wurde anscheinend mit < w > bezeichnet.
11.2 Der Wechsel z w i s c h e n / f / u n d / b /
Der Übergang von ahd., mhd. /f/ > /p/ (/b/) vor /s/ zeigt sich im Bairischen vor allem in den Substantiven lebs(n) (mhd. lefse) 'Lippe' und weps(n) (mhd. wefse) 'Wespe', 5 die in dieser Form in der Mundart bis heute gebräuchlich sind (Verfasser 1989). Die untersuchten bayerischen Texte verwenden bis in die Mitte des 16. Jh.s lebse, danach bis Ende des 18. Jh.s ausschließlich lefze. lepsen A. PI. (Cgm 301) 243r, lebs (Cgm 323) 27v, lebsen D. PI. (Cgm 347) 8r, lebsen N. PI. (Cgm 529) 88va, dass. (Cgm 610) 168va, lebssen A. PI. (Cgm 639) 5r, lebsen D. PI. BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 11.3. - lefftzen MAYER (1570) 73v, Lefftzen A. PI. MÜLLER (1591) 29, Lefftze SAUTER (1608) 18, Lefftzen A. PI. REIFFENSTUEL (1676) 184, Lefzen A. PI. WESTENRIEDER (1798) 55.
Bei der Entstehung der neuhochdeutschen Schriftsprache wurde bairischoberdeutsch lefze durch das in der Luther-Bibel gebrauchte mitteldeutsche Synonym Lippe verdrängt. 6 Bair. weps(n) konnte in den untersuchten Texten nicht direkt nachgewiesen werden. Daß diese Variante während des Untersuchungszeitraums gespro-
3
Beim Infinitiv tritt allerdings häufig Assimilation von -ben > -m auf; vgl. dazu (für das Nordbairische) auch Karte 32 bei Gutter (1971).
4
Zur gesprochenen Mundart vgl. Schmeller (1821) § 682; Kranzmayer (1956) § 25a5; Maier (1965) 142 f.; Wolf (1982) 131 f.; Zehetner (1978) 251. 5
Vgl. dazu auch Kranzmayer (1956) § 31e.
6
Vgl. Kluge/Seebold (1989) 444.
140
Sprachliche Untersuchung
chen wurde, geht aus der Grammatik von Braun (1765: 179) und dem 'Idiotikon' von Zaupser (1789: 82) hervor, die wepse als mundartliche Form aufführen. Die Konsonantenverbindung -sp- in ahd., mhd., nhd. wespe ist wohl auf lat. vespa zurückzuführen. 7
11.3 Der Wandel /s/ > III
Der Spirant /s/, der wohl schon im Althochdeutschen einen i-ähnlichen Klang hatte, 8 wurde im Spätmittelhochdeutschen anlautend vor Konsonant zum palatalen Reibelaut /δ/.9 Im Bairischen geht /s/ seit dem 13. Jh. in der Verbindung -sp-, -st- und -rst- auch in medialer und finaler Position in /§/ über. 10 Die Schreibung in den folgenden Beispielen aus unseren Texten zeigt wohl diesen Wandel an:11 du Reuschberst (dich) SAUTER (1608) 7, (er) ischt 'ist' (Cgm 529) 17r, beschliescht die tür\ Imperativ ebd. 37r, Fürscht 'Fürst' WAKIUS (1713) 129. Auch im Inlaut vor Vokal und im Auslaut wurde /s/ zum palatalen Spiranten /§/, wie gelegentliche sc/i-Schreibungen zeigen. Diese Erscheinung ist allerdings nur vom 13. bis ins 15. Jh. für das Südbairische nachzuweisen. 12 Im Mittelbairischen ist /§/ in diesen Fällen offensichtlich nicht durchgedrungen; dies ist wohl auch der Grund, daß sich dafür nur in der bayerischen Handschrift Cgm 543 (15. Jh.) Belege fanden, die wohl auf südbairischen Einfluß zurückzuführen sind: rosch 'Roß' 18v, 20r, 22r; (er) schlosch 20v; pbsch 'böse' 34r.13
7
Vgl. ebd. 788.
8
Vgl. dazu Braune/Eggers (1987) § 168; vgl. zum Mittelhochdeutschen auch Mettke (1989) § 3.6 u. § 49; Paul/Wiehl/Grosse (1989) § 152.
9
Zur Schreibung < s p - > und < s t - > bzw. vor den übrigen Konsonanten vgl. Rosenfeld (1977). 10
Vgl. Moser (1951) § 147.2, Anm. 11 u. § 147.3a, Anm. 22; Kranzmayer (1956) § 32b.
11
Sie konnte aber nur vereinzelt nachgewiesen werden!
12
Vgl. Kranzmayer (1956) § 32b4.
13
Schwierig ist die Beurteilung von Formen wie (er) asch 'aß' (Cgm 543) 27r oder (er) sasch 'saß' ebd. 30r, bei denen < s c h > auf germ, t zurückgeht. Vielleicht handelt es sich in diesen Fällen lediglich um orthographische Angleichungen an Bildungen wie rosch 'Roß'
Spiranten
141
In den heutigen bairischen Mundarten wird /ä/ im In- und Auslaut vor allem in der Verbindung -sp- und -rst- gesprochen, wie beispielsweise in [khaSpB] = Kasper oder [wußät] = Wurst. In der Verbindung -st- ist /§/ nur noch in einigen Wörtern, überwiegend im bairisch-schwäbischen Übergangsbereich, dem sogenannten Lechrain, anzutreffen. 14 In der Verbindung -st- ist die Schreibung < s c h > offensichtlich infolge eines Lautwandels bereits Ende des 16. Jh.s aus der Schriftsprache verschwunden; bei -sp- und -rst- sind wohl außersprachliche Kriterien anzusetzen.
In bair. schol bzw. schollen 'sollen' ist anlautendes auf vorahd. /sk-/ zurückzuführen, das bekanntlich bei der zweiten Lautverschiebung nicht verändert wurde und im 12./13. Jh. zum stimmlosen Spiranten /ä/wurde. Die daneben seit dem 10. Jh. belegte Form sal, Inf. s(c)olen, suln, bei der /k/ in unbetonter Stellung ausgefallen ist,15 wurde seit dem Mittelhochdeutschen in den übrigen Mundarten zu sol(l) und ging schließlich in die neuhochdeutsche Standardsprache ein. 16 Die Variante auf sch- war in den untersuchten bayerischen Handschriften des 15. Jh.s noch häufig anzutreffen, in die Drucke dringt sie offensichtlich nicht ein. (du) scholt 'sollst' (Cgm 442) 58v, (sie) schulten (Cgm 346) 159r, (ich) schol (Cgm 347) 18r, (wir) schulten (Cgm 352) 163r, (er) schol (Cgm 355) 50r, sy schulten (Cgm 366) 68v, (er) schol (Cgm 376) 120v, (er) schol (Cgm 385) 134T, sy schol (Cgm 502) 38ra, Jr schult (Cgm 606) 9rb.
Die Form schol war bis ins 19. Jh. im Nordbairischen verbreitet, 17 im Mittelbairischen ist sie vermutlich schon im 16. Jh. durch sol ersetzt worden. Das Zurückweichen der mundartlichen Variante aus der Schriftsprache ist daher wahrscheinlich auf einen Wandel der gesprochenen Sprache zurück-
(vgl. o.). - Die Arbeit von Schulze (1967) zur Orthographie und Lautung der Dentalspiranten s und ζ im späten 13. und 14. Jahrhundert" gibt zu diesem Aspekt keine Auskunft (aus dem oberdeutschen Raum wird in dieser Darstellung allerdings überwiegend der nordbairisch-ostfränkische Raum behandelt!). 14
Die Mundart im 19. und 20. Jh. ist bezeugt durch Schmeller (1821) § 653 u. 654; Maier (1965) 154 ff.; Gladiator (1971) 35; Freudenberg (1974) 69; Zehetner (1978) 228; Verfasser (1989). 15
Vgl. Braune/Eggers (1987) § 374, Anm. 2
16
Vgl. zum Mittelhochdeutschen Michels/Stopp (1979) § 279.5; Mettke (1989) § 140; Paul/Wiehl/Grosse (1989) § 273. 17
Vgl. Schmeller (1821) 338 und dessen Wörterbuch (1877) 2,402.
142
Sprachliche Untersuchung
zuführen. Vielleicht wurden vereinzelt auftretende Formen im 16. Jh. auch von den Druckern beseitigt.
11.4 Der Wechsel zwischen /h/ und /x/
Inlautend nach Liquid, vor /t/ sowie im Auslaut war germ, /h/ in mittelhochdeutscher Zeit ein mehr oder wenig stark ausgeprägter velarer Reibelaut. 18 Im Frühneuhochdeutschen ist dieses h (=[x]) - außer vor Dental 19 - verstummt oder zum Teil als Dehnungszeichen verwendet worden. In den bayerischen Quellen ist nach Liquid und im Auslaut bis ins 18. Jh. für h öfter auch < c h > anzutreffen. Dies hängt wohl damit zusammen, daß die bairischen Mundarten in den hier genannten Fällen den Spiranten beibehalten haben. 20 (er) empfilcht (Cgm 290) 61v, befelchen REIFFENSTUEL (1676) 61, befolchen Part. Perf. DALHOVER (1688) 5, (er) befalche 'befahl' HERTH (1715) 14. - bevelch 'Befehl' LV (1512), beuelch LV (1535), dass. WIMPINÄUS (1563) 22v, bevelch HAFFNER (1568) 37r, Befelch BINSFELD (1591) 43r, dass. REIFFENSTUEL (1676) 16, DALHOVER (1688) 6, KRESSLINGER (1719) 10, KOLB (1745) 23. die weich 'Weihe' (Cgm 225) 98r, roch 'roh' (Cgm 249) 256r, vich 'Vieh' (Cgm 290) 26r, dye hoch (Cgm 502) 17rb, schuech (Cgm 522) 14va, (es) geschach (Cgm 543) lr, rauch 'rauh' LANDPOT (1520) 59v, sch&chriemen HAFFNER (1568) 49v, Werkschuch (ein Längenmaß) MAYER (1607) C4r, Schuech MEICHEL (1631) 10, roch 'roh' GEIGER (1649) 9, der Viehische Mahomet DALHOVER (1688) 8, rauch 'rauh' WAKIUS (1713) 83, vich LV (1726).
Auch intervokalisches h, das im Mittelhochdeutschen wohl als Hauchlaut gesprochen wurde, 21 ist frnhd. verstummt und lebt in der gesprochenen Sprache nur noch als Hiat-Tilger 22 oder in der Schriftsprache als Dehnungszeichen 23 weiter. In den untersuchten Texten erscheint hier jedoch h bis ins 18. Jh. auch noch als < c h > . Diese Schreibung zeigt wohl den
18
Vgl. Michels/Stopp (1979) § 158-160; Mettke (1989) § 54; Paul/Wiehl/Grosse (1989) § 140.
19
Vgl. beispielsweise mhd. naht.
20
In finaler Position hängt dies offensichtlich mit der Auslautverhärtung zusammen.
21
Vgl. dazu Michels/Stopp (1979) § 147.
22
Z.B. in nhd. sehen.
23
Vgl. nhd. zehn Num. < mhd. zehen.
Spiranten
143
Übergang zum velaren Spiranten an, der seit dem 13. Jh. für das Mittelbairische und teilweise für das Nord- und Südbairische belegt ist.24 zechen 'zehn' (Cgm 290) 29v, enpfliechen ebd. 6v, geschechen (Cgm 302) 8r, ziechen 'ziehen' (Cgm 543) lv, die zacher N. PI. 'Tränen' ebd. 543, sechen (Cgm 639) 5r, verzeichung SCHATZGER (1525) B4r, verschmechung LAUTHER (1569) 6v, verzeiche mirs GOTT HORNSTEIN (1596) E2r, geschechen REIFFENSTUEL (1676) 92, Trüchl 'kleine Truhe' KRESSLINGER (1719) 15, das Wiehern 'Wiehern' HIEBER (1728) 7.
Heinrich Braun kritisiert in seiner Grammatik (1765) mehrmals die Verwendung von ch statt h und bringt als Beispiele Befelch und befelchen (123), fliechen (136), der Floch 'Floh' (86 und 137), leichen 'leihen' (86), nache (ebd.) und schuch (ebd. und 171).25 In der Sprachlehre von Adelung (1782) wird dieser Spirant in Bd. 1 ebenfalls erwähnt und dabei auf die Formen Befelch (74), rauch 'rauh' (157) und Viech (ebd.) verwiesen. In der rezenten Mundart ist der velare Reibelaut für germ, h vor allem im Auslaut anzutreffen, in medialer Position zwischen Vokalen ist er überwiegend auf das Mittelbairische beschränkt. 26 Da er auch heute noch anzutreffen ist, ist das Verschwinden aus der Schriftsprache wohl auf außersprachliche Kriterien zurückzuführen.
24
Vgl. Kranzmayer (1956) § 33b.
25
Vgl. dazu auch Matzel/Penzl (1982) 135.
26
Zum 19. und 20. Jh. vgl. Schindler (1821) § 495; Kranzmayer (1956) § 33; Maier (1965) 180 ff.; Freudenberg (1974) 10-19 u. 25-29; Zehetner (1978) 242 ff. Die Verhältnisse im Nordbairischen sind außerdem dokumentiert bei Gütter (1971) Karte 25.
12 Nasale und Liquiden
12.1 Die Phonemverbindung /mb/
Mhd. -mb- erscheint in den untersuchten Texten bis in die erste Hälfte des 18. Jh.s auch als < m b > . Diese Schreibung verdeutlicht, daß die mittelhochdeutsche Konsonantenverbindung -mb-,1 die im Mitteldeutschen zu -mm- assimiliert und schließlich in die neuhochdeutsche Standardsprache übernommen wurde, 2 im Bairischen (bis heute) erhalten geblieben ist. lamp (Cgm 620) 35ra, vmb 'um' HAUER (1523) Blr, Gottes Lamb WALDNER (1562) F3v, drumb 'darum' MEICHEL (1631) 5, warumben KRESSLINGER (1719) 4, umb HIEBER (1729) 5. - Heute noch in der Mundart gebräuchlich: ymppen N. PI. 'Bienen' (Cgm 301) 263r, die Jmp HAUER (1523) E4v, ympp LV (1545) A3v, Ympp LV (1547) A4r, kamp 'Kamm' (Cgm 249) 256, dass. ΑVENTIN (1512) A4r, krump BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 87.4, lampel 'Lämmchen' (Cgm 323) 29r, lämpel (Cgm 525) 42vb, Ihmpl FUCHSPERGER (1542) 172, Belege für wampe(n) bei Schmeller (1877) 2,913 f.
In Analogie zu mhd. mb wurde seit dem 15. Jh. gelegentlich ein b nach m eingefügt, wo es historisch nicht berechtigt ist.3 Dieses etymologisch nicht begründete b taucht allerdings erst im 15./16. Jh. auf. Fürstenthumb LAUTHER (1569) 2r, rathsamb MEICHEL(1631) 7, Gehorsamb REIFFENSTUEL (1676) 7, nemblich DALHOVER (1688) 8, KRESSLINGER (1719) 7, Alterthumb WEINBERGER (1727) 1.
In den heutigen bairischen Mundarten ist die ursprüngliche Lautfolge /mb/ vor allem in mhd. imbe 'Biene', kambe 'Kamm' (vgl. den Namen Kampenwand in den Chiemgauer Bergen), lembel 'Lämmchen' und wambe 'Wamme'
1
Vgl. dazu Weinhold (1867) § 126; Michels/Stopp (1979) § 142; Hartweg/Wegera (1989) 113; Mettke (1989) § 37.3; Paul/Wiehl/Grosse(1989) § 159.7; zum Frühneuhochdeutschen vgl. ferner Moser (1929) § 29.3. 2
Vgl. mhd. lember, nhd. Lämmer.
3
Vgl. Weinhold (1883) § 162; Moser (1929) § 29.3.
Nasale und Liquiden
145
anzutreffen (Verfasser 1989).4 In den Wörtern der zweiten Gruppe, bei denen mb historisch nicht berechtigt ist, stellt diese Zeichenverbindung wohl nur eine Schreibvariante dar, die nicht gesprochen wurde. Sie wurde vermutlich in dem Bestreben nach Konsonantenvereinfachung im 17./18. Jh. wieder beseitigt. Schwierigkeiten bereitet das Zurückweichen der ersten Gruppe, da die dort aufgeführten Wörter weiterhin gesprochen wurden; hier müssen wohl außersprachliche Gründe angesetzt werden.
12.2 Der Wechsel zwischen /m/, /n/ und /η/
Die Schreibung < n g > für n(n), die in bairischen Texten seit dem Mittelhochdeutschen auftritt, spiegelt wohl den Übergang von /n/ > /η/ wider. 5 In den untersuchten Quellen konnte < n g > nur noch in den Lexemen gewinn und gewinnen nachgewiesen werden. gewingen (Cgm 352) 148v, dass. (Cgm 366) 159v, (es) gewingt (Cgm 522) 20vb, (er) gewang (Cgm 543) 5r, (man) gewingt (Cgm 606) 28rb, gewingen (Cgm 376) 123v, (er) gewingt BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 22.5; vgl. auch der gewing bei Schmeller (1877) 2,931.
Die Gutturalisierung des dental-alveolaren Nasals ist auch in den heutigen bairischen Mundarten vor allem bei den oben zitierten Beispielen gewing und gewingen gebräuchlich (Verfasser 1989).6 Nur vereinzelt ist [η] bei älteren Mundartsprechern in anderen Wörtern zu hören, wie beispielsweise in [forir)] 'vorhin'. Der velare Nasal wird aber hier in zunehmendem Maße von der hochsprachlichen Form verdrängt (Verfasser 1989). Da die mundartliche Lautung auch noch in unserem Jahrhundert anzutreffen ist, sind für das Zurückweichen aus der Schriftsprache in erster Linie außersprachliche Faktoren verantwortlich.
4
Zur rezenten Mundart vgl. auch Kranzmayer (1960) 18; Maier (1965) 141; Merkle (1975) 29; Denz (1977) 56; Zehetner (1978) 189. 5 6
Vgl. Weinhold (1867) § 170; Kranzmayer (1956) § 23a5.
Vgl. ferner Maier (1965) 161; Zehetner (1978) 256. - Die heute in Teilen des Nordbairischen bezeugte Gutturalisierung von /nd/ konnte in den untersuchten Texten nicht nachgewiesen werden; vgl. zur rezenten Mundart die Formen für geschwind bei Gütter (1971) Karte 28.
146
Sprachliche Untersuchung
Der umgekehrte Vorgang, nämlich die Verlagerung der Artikulationsstelle nach vorn, wird durch die Schreibung < u m > für ng angezeigt. Dieser Wandel, der auf das Bairische beschränkt ist, erscheint ebenfalls seit dem Mittelhochdeutschen. 7 Die Belege reichen in unseren Texten bis Anfang des 16. Jhs. betrachtum 'Betrachtung' (Cgm 352) lr, begerum ebd., ergerum (Cgm 606) 32vb, erczeugum (Cgm 606) 37ra, gewamum 'Warnung' EINBL. (1482), dancksagum ΑVENTIN (1512) A7v, raitzum ebd. A8r, belonum ΑVENTIN (1519) B3v, rechnum ebd. B4r.
Die Unsicherheit des Mundartsprechers zeigt sich in der hyperkorrekten Schreibung Heiltung 'Heiligtum' bei Aventin (1519) B4r. Im Lechrain wurde -um statt ung anscheinend bis ins 19. Jh. gesprochen. 8 In den übrigen Gebieten des Mittelbairischen ist offensichtlich ein Lautwandel erfolgt, der sich in der Schriftsprache durch das Zurücktreten dieser Formen bemerkbar macht.
12.3 Die mittelbairische Liquidenvokalisierung
Die mittelbairische Liquidenvokaliserung erscheint urkundensprachlich seit dem Ende des 13. Jh.s. 9 In den untersuchten Texten konnte sie jedoch nur in Ansätzen nachgewiesen werden. Die /-Vokalisierung, die bair. meist postvokalisch vor Konsonant und im Auslaut auftritt, zeigte sich nur in Handschriften des 15. Jh.s vereinzelt als scheinbarer Konsonantenschwund: pad 'bald' (Cgm 352) 244v, vocks G. Sg. zu 'Volk' (Cgm 315) 27r, vock 'Volk' (Cgm 347) 12v. Für die Vokalisierung des Irl, die nach Vokal im In- und Auslaut erfolgt, fand sich nur ein Hinweis in einer Handschrift des 15. Jh.s: du wast 'du warst' (Cgm 502); auch hier erscheint die Palatalisierung lediglich als Konsonantenschwund. Der mundartliche Diphthong (vgl. u.) wird offensichtlich nicht bezeichnet. Die Vokalisierung des /r/ ist Anfang des 18. Jh.s auch durch eine Bemerkung von Wakius (1713: 100) bezeugt: "Ein jeder geb seinen Lands=Leuthen
7
Vgl. Weinhold (1867) § 139; ders. (1883) § 182; Moser/Stopp (1978) § 18.
8
Vgl. Schmeller (1821) § 614.
9
Vgl. Moser (1951) § 135, Anm. 5 u. § 136, Anm. 4; Kranzmayer (1956) § 50c3.
Nasale und Liquiden
147
wohl auf das Maul acht / und sehe / wie sie die Buchstaben aussprechen. Z.E. daß die Bayern dem R feind sind / und Heä sagen vor Herr / Jammä vor Jammer [...]." Die Liquidenvokalisierung ist heute im Mittelbairischen und im südlichen Teil des Nordbairischen verbreitet. Daß die Vokalisierung von /!/ und /r/ auch früher ins Nordbairische hineinreichte, zeigen die Ausführungen Andreas Zaupsers, der in der Nachlese zu seinem 'Jdiotikon' (1789: 2) feststellt: "Das / wird an einigen Orten der obern Pfalz mit i verwechselt. Stoiz ffir Stolz. Steizen, vielmehr Stäizen für Stelzen. [...] Die Oberpfälzer verschlucken den Buchstaben r sehr oft. 10 Sie sprechen goa, oder goua ffir gar, Mea ffir mehr, fia statt für, Zoan ffir Zorn, S'Thoa statt das Thor, und dergleichen mehr."11 Orthoepische Zeugnisse des 18. Jh.s verdeutlichen, daß die Liquidenvokalisierung während des Untersuchungszeitraums gesprochen wurde. Das seltene bzw. nur indirekte Auftreten dieser Palatalisierung in unseren Texten muß in Zusammenhang mit anderen Phänomenen, wie beispielsweise Rundung (vor /!/ und /r/!) und Entrundung, noch genauer erörtert werden.
10 Zum Teil wird postvokalisches /r/ (vor Konsonant) auch heute im Nordbairischen vokalisiert; vgl. Gütter (1971) Karte 5. 11
Das Vorkommen der Liquidenvokalisierung im 19. und 20. Jh. bezeugen ferner Schmeller (1821) § 369, § 523 u. § 525; Mutzl (1860) 346 f. u. 351 f.; Pfalz (1936) 16 ff.; Schönberger (1943) 71-74 u. 76 f.; Wittmann (1943) 33-35; Grundler (1951) 50-53; Maier (1965) 162 ff.; Freudenberg (1974) 47-52 u. 52-56; Bannert (1976) 22; Zehetner (1978) 260 ff.; Batlinger (1979) 1-225; - Verfasser (1989). Vgl. ferner DSA, Karten 83-86 und Kleiner Deutscher Sprachatlas Bd. 1.1 (1984), Karten 60-71 u. Bd. 1.2 (1987), Karten 192-201,206, 208-210.
13 Konsonantenzusatz
13.1 Konsonantenvorsatz
Konsonantenvorsatz entsteht im Bairischen häufig, indem ein Wort mit anlautendem Vokal den vorangehenden finalen Nasal übernimmt (vgl. bair. nast < ein ast). In den untersuchten Texten konnte lediglich das Substantiv nast nachgewiesen werden: Nast KHUEN (1640) 5.3, dass. KHUEN (1641) 9.3, ausgedörrte Baumnäst REIFFENSTUEL (1676) 147. Heute ist in den bairischen Mundarten vor allem das oben zitierte nast verbreitet (Verfasser (1989)). Im 19. Jh. war der Nasal auch in anderen Wörtern anzutreffen, die heute nur noch selten bei älteren Mundartsprechern zu hören sind (z.B. Nassel = 'Assel').1 Der Dental beim Präfix der- (+ Verb), das bair. seit dem Mittelhochdeutschen für die Vorsilbe er- verwendet wird, 2 erscheint in den untersuchten Texten lediglich bis ins 15. Jh. das der chennstw 'erkennst du' (Cgm 376) 67v, der ßllet Part. Perf. 'erfüllt' (Cgm 385) 24r, der slagen Part. Perf. 'erschlagen' (Cgm 385) 6r, der parmen 'erbarmen' (Cgm 543) 20v, der faren 'erfahren' (Cgm 543) 25v, der chennen 'erkennen' ebd. 19v.
In den bairischen Mundarten ist der- bis heute erhalten geblieben (Verfasser 1989).3
1
Die mundartlichen Formen des 19. und 20. Jh.s sind bezeugt durch Schmeller (1821) § 610; Zehetner (1978) 253; - Verfasser (1989). 2
Vgl. Weinhold (1867) § 234.10; Moser (1951) § 128.3; Ahld6n (1953).
3
Vgl. ferner Maier (1965) 116; Grundler (1951) 93; Zehetner (1978) 219 f.
Konsonan tenzusa tz
149
13.2 Konsonanteneinschub
Zwischen /η/ und /-el/, /-er/ wird im Bairischen seit dem 14. Jh. der stimmhafte Verschlußlaut /d/ eingeschoben.4 Dieser Gleitlaut ist vermutlich nach Synkope des unbetonten e entstanden, um die schwierig auszusprechende Konsonantenfolge /nl/ und /nr/ aufzulösen (vgl. bair. fandl 'Fähnlein'). Beim Ableitungsmorphem -(e)l zeigt sich dies vor allem in bair. kandel (mhd. kannel), das in dieser Form bis ins 17. Jh. belegt ist: kandel (Cgm 522) 46va, dass. (Cgm 639) 55v, KUCHENMEYSTEREY (1486) Dlv, kandl LANDPOT (1520) 20r, sambt einer Kandel Bier ORDNUNG (1630) A7r. V o r d e m D i m i n u t i v s u f f i x -el ( m h d . -eltn) k o m m t d n a c h η bis ins 18. J h . vor. von allen Tieren weibel vnd mändel (Cgm 522) 5ra, chomdl 'Körnchen' (Cgm 376) 52r, prot aus vil kbrndlen BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 63.11, reyndel (rein = 'Topf) ΑVENTIN (1512) D4r, fendel 'Fähnchen' SCHATZGER (1525) D4r, häendel 'Küken' BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 43.8, Br&ndl HALLWACHS (1680) 32. Vgl. Pfandl im 'Parnassus Boicus' (18 Jh.) bei BIRLO (1908) 68.
Beim Suffix -lieh fand sich der Gleitlaut nur in den Lexemen (ungewöhnlich, männlich und persönlich. Während gewöndlich und persöndlich bis in die Mitte des 16. Jh.s erscheinen, taucht mündlich lediglich in den Handschriften des 15. Jh.s auf. mit ainem vngewondlichen tod (Cgm 225) 65r, mit... vngewöndlicherpein (Cgm 301) 258v, gewöndlich (Cgm 323) lv, von ... vngewöndlichen Sachen (Cgm 618) 72rb, zu der gewöndlichen gült (Cgm 639) 60v, ungewbndliche weg LV (1512), gewbndlich LANDPOT (1520) 20r, dass. GERICHTSORDNUNG (1522) 54r, gewbndliche lehen PERNEDER (1544) 7r, gewbndlich LV (1545) A6v. - ane mündliche erben (Cgm 225) 4r, mündlich (Cgm 301) 256v, dass. (Cgm 502) 18vb, (Cgm 522) 41ra, mändleich (Cgm 529) 59ra. persöndlich (Cgm 225) 119r, persbnndlich GERICHTSORDNUNG (1522) 19r, vnpersbndlich BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 7.9,zßpersbndlichen leibdienst PERNEDER (1544) 16v.
Bair. aindlef(f), aindlif (mhd. einlif 'elf) zeigte sich nur in den Drucken bis in die erste Hälfte des 16. Jh.s, danach ist es offensichtlich völlig aus der Schriftsprache verschwunden: des aindleften teutschen königs AVENTIN (1519) A3r, Das aindlefft gesatz GERICHTSORDNUNG (1522) 34r, zum aindlefften BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 92.3, die aindlift stund ebd. 14.2.
4
Vgl. Moser (1951) § 129.8d-e.
150
Sprachliche Untersuchung
Der Einschub von /d/ zwischen /n/ und /r/ ist wesentlich seltener. 5 Er konnte in den untersuchten Texten nur in donner, erinnern, inner-, und fenrich nachgewiesen werden. er wart erindert (Cgm 315) 70rb, Jn der Jnnderen Stat (Cgm 290) 21v, Jnnderthalb der want ebd. 33v, erjnndert Part. Perf. LV (1512), ei dondert ΑVENTIN (1542) 13r,fendrich BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 59.3, Fenderich KHUEN (1641) 7.4.
Der Verschlußlaut zwischen /n/ und /l/ (z.B. in bair. kandl oder kömdl) ist heute vor allem in den mittelbairischen Mundarten anzutreffen. 6 Der Einschub vor /r/ (z.B. in donder) ist in unserem Jahrhundert überwiegend auf das Südbairische beschränkt. 7 Die oben aufgeführten Belege zeigen, daß der Gleitlaut früher auch im Mittelbairischen gesprochen wurde. Das / in bair. pischolf 'Bischof ist lautlich nicht begründet. Diese Schreibung ist vermutlich in Anlehnung an Eigennamen wie Rudolf entstanden. 8 Die Form mit Liquid konnte nur noch in den bayerischen Handschriften des 15. Jh.s nachgewiesen werden, in die Drucke dringt sie offensichtlich nicht ein: pischolf (Cgm 352) 103v, pischolff (Cgm 355) 13v, dass. (Cgm 522) 31 ra, pischolf (Cgm 529) 28rb, pischolff (Cgm 606) 74rb, dass. (Cgm 639) 67r.9 Bei den oben aufgeführten Belegen mit Konsonantenvorsatz und Konsonanteneinschub sind für das Zurückweichen der regionalen Formen wohl in erster Linie außersprachliche Kriterien verantwortlich. Wörter wie donder oder persöndlich legen allerdings die Vermutung nahe, daß auch die Veränderung der Aussprache eine Rolle gespielt hat.
5
Vgl. zum Frühneuhochdeutschen auch Moser (1951) § 129.8e.
6
Vgl. Kollmer (1949) 12; Maier (1965) 118 f.; Beranek (1967) 188; - Verfasser (1989).
7
Vgl. Lessiak (1903); Kranzmayer (1981) 62; Wolf (1982) 137.
8
Vgl. Weinhold (1867) § 159; zum Frühneuhochdeutschen Tarvainen (1968) 164.
9
Vgl. auch die Belege bei Bürgisser (1988) 131 und ebd. Anm. 490 (mit Verweis auf Reiffenstein 1979: 716 f.).
Konsonantenzusatz
151
13.3 Konsonantenanfügung
In frühneuhochdeutscher Zeit wird im unbetonten Auslaut nach /s/ bzw. altem ζ öfter ein -t und bei Adverbien analog zu den adverbiellen Genitiven in finaler Position ein -s angefügt. 10 Da dies nicht in allen Sprachlandschaften gleichmäßig durchgedrungen ist, finden sich in den Mundarten zahlreiche Ausnahmen. Im folgenden Abschnitt werden Beispiele aufgeführt, die im Bairischen bis heute vorkommen. Das seit dem 15. Jh. belegte Adverb änderst 'anders, sonst' wird in bayerischen Texten bis ins 18. Jh. verwendet: änderst WIMPINÄUS (1563) 39r, dass. LAUTHER (1568) 6r, WAKIUS (1713) 13, WEINBERGER (1727) 101.11
Bei nhd. Obst (mhd. obez) hat sich der auslautende Dental im Bairischen nur in einigen Gebieten durchgesetzt. In bayerischen Texten taucht daher öfter die ursprüngliche Form ob(e)s auf: obs Α VENTIN (1512) lv, Obs GEIGER (1649) 9. Bair. Überhaupts 'überhaupt', das analog zu den vielen Genitivadverbien gebildet wurde (vgl. nhd. morgens oder damals), konnte noch im 18. Jh. nachgewiesen werden: Ueberhaupts KOHLBRENNER (1783) 87.12 Keine Konsonantenanfügung liegt in bair. zand (ahd., mhd. zant, zandes) 'Zahn' vor. Hier ist die seit dem Althochdeutschen belegte Form bis heute erhalten geblieben, während in den mitteldeutschen Mundarten das -t abgefallen ist.13 die zenndt D. PI. (Cgm 302) 16r, zend N. PI. (Cgm 376) 91v, Ein aug vmb ein aug Ein tzanndt vmb ein tzannd (Cgm 502) 44va, mit den zenden (Cgm 529) 9vb, mit gifftigen zenden SCHATZGER (1525) Glr, D. [der Konsonant] macht ein linden zendschlag mit der zungen FUCHSPERGER (1542) 172.
10
Vgl. Moser (1951) § 130.5h.
11
Vgl. auch Prasch (1678) 4.
12
Vgl. auch Schmeller (1872) 1,1144.
13
Kranzmayer (1960: 14) zählt zand zu den bairischen Kennformen.
152
Sprachliche Untersuchung
Anders liegen die Verhältnisse in bair. predig, nhd. predigt, bei denen zwei verschiedene Vorstufen anzusetzen sind: Bair. predig geht auf mhd. predige zurück, nhd. predigt dagegen auf mhd. predigate.u predig H A U E R (1523) A2r, Predig HAFFNER (1568) lOv und l l v , dass. STENGEL (1622) Alv, ERTL (1684) 82, Sig=Predig DALHOVER (1688) Titelblatt, Lob=Predig ebd. 1 und 2.
In den bairischen Mundarten wird predig bis heute verwendet (Verfasser 1989).15
Die hier aufgeführten Beispiele zeigen, daß die Konsonantenanfügung unterschiedliche Ursachen hat. Ein Sprachwandel als Grund für das Zurückweichen aus der Schriftsprache scheidet aus, da diese Formen auch heute noch gesprochen werden.
14
Vgl. hierzu DWB 7,2083.
15
Zum 19. Jh. vgl. Schmeller (1872) 1,467.
14 Assimilation
Bei der Assimilation, die ein wichtiger Bestandteil der gesprochenen Sprache ist, werden benachbarte Laute einander angeglichen. Im folgenden wird zwischen progressiver (vorausschreitender), regressiver (rückwirkender) und reziproker (hin- und herschreitender) Assimilation unterschieden. 1 Auf das Resultat bezogen kann dabei entweder eine partielle oder totale Angleichung erfolgen. Die Assimilation von haupt > haup(p) und schuldig > schullig ist progressiv, d.h. das zweite Element wird dem ersten angeglichen. Während die Form haup(p) in den Handschriften des 15. Jh.s noch häufig vorkommt, ist sie in den Drucken nur noch bei Berthold von Chiemsee (1528) zu finden. hawp (Cgm 347) 26v, haupman (Cgm 352) 25 lr, hawpp (Cgm 366) 16v, haup (Cgm 376) 121v, haupp (Cgm 543) 29v, haup (Cgm 610) 159), dass. (Cgm 620) 130v, BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 14.14, hawplewt ebd. 59.3, haupstuckh ebd. 1.8, haupsünd ebd. 25.9.
Die Bildung schullig 'schuldig', die wohl in erster Linie im südbairischen Raum beheimatet ist, konnte nur in einer bayerischen Handschrift vom Jahre 1486 nachgewiesen werden: schullig (Cgm 346) 168r.
Der Übergang von -(e)ben > (e)-m (z.B. bair. lern 'Leben'), -egen > -(e)rj (bair. reng 'Regen') und -igen > -(/)η (bair. die heiling 'Heiligen') beruht wohl auf reziproker Berührungsassimilation. Das Entscheidende hierbei ist, daß keiner der ursprünglichen Teile erhalten bleibt. Der Ablauf ist progressiv-regressiv, wobei vermutlich folgende Stufen anzusetzen sind: leben > lern: bn > bm > m(m) regen > rei): gn > gη > η(η)
1 Vgl. Dieth (1968) § 353; zum Mittelhochdeutschen allgemein Mettke (1989) § 66; Paul/Wiehl/Grosse (1989) § 105.
154
Sprachliche Untersuchung
heiligen > heilirj: gn > gq > η(η) Der erste Schritt (progressiv) bewirkt eine partielle Assimilation, was nur bei Nasalen möglich ist.2 Die dabei entstandene Zwischenstufe läßt sich anhand des ersten Falles in den untersuchten Texten eindeutig nachweisen: lebm 'Leben' (Cgm 543) 32r, lebm Fuchßperger (1542) 188, gebm ebd., bleibm ebd. 180. Der nächste Schritt (regressiv) ist dann die totale Assimilation bm > m(m); das Endprodukt ist durch zwei Belege aus Handschriften des 15. Jh.s bezeugt: die selm 'selben' (Cgm 352) 184r, nemen ainem veld 'neben' (Cgm 302) 35v. Die Schreibung nemen ist wohl eine nachträgliche Erweiterung: neb(e)n > nebm > nem > nemen. In den anderen beiden Fällen, bei -egen > -(e)r) und igen > -(:')η, lassen sich die Zwischenstufen nicht nachweisen. Die Endstufe (s. u.), der velare Nasal /η/, wird in den untersuchten Texten mit wiedergegeben. Die Angleichung -(e)gen > -(e)rj zeigt sich in unseren Texten insbesonders bei den Lexemen Regen, regnen und segnen. reng tröpflein (Cgm 352) lOv, gerenget Part. Perf. 'geregnet' (es) rengt (Cgm 610) 181ra; reng und Rengsburg auch bei ΑVENTIN, vgl. JOCHEM (1926) 7 f. - gesenngt Part. Perf. 'gesegnet' (Cgm 502) 22vb, gesengt (Cgm 522) 16ra und 17ra, dass. (Cgm 529) lrb und 4rb.
Die Assinmilation von -(i)gen > -(ί)η erscheint im Bayerischen vor allem in heiling (PI. 'die Heiligen' und schwach dekliniertes Adjektiv), in anderen Wörtern ist sie selten. von aim mächting chünig (Cgm 525) 25ra,yn dem heiling hauß (Cgm 502) 26vb, mit allen heiling BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 4.2, die heiling ebd. 4.5; weitere Belege für heiling bei JOCHEM (1926) 8.
Bair. mir 'wir' ist wohl durch Angleichung des anlautenden Konsonanten an den finalen Nasal des vorangehenden Verbums entstanden (z.B. hören wir). Damit läge Assimilation von nw > mw > m(m) vor. Ist diese Vermutung richtig, dann handelt es sich hier ebenfalls um reziproke Berührungsassimilation mit der Reihenfolge regressiv-progressiv. Die folgenden Belege zeigen, daß mir schließlich als eigenständige mundartliche Variante des Personalpronomens aufgefaßt wurde: Damit mir mit ym mügen [...] (Cgm 346) 42v, Jn diesen worten Josephi hören mir HORNSTEIN (1596) B4v. Vgl. dazu auch Zaupser (1789): "Für wir spricht man mier [...] z.E. miersogn. Wir sagen." 2
Vgl. Dieth (1968) § 409.2.
Assimilation
155
In den bairischen Mundarten sind heute vor allem -(e)gen > -(e)rj, -(e)ben > -(e)m sowie die Formen seim 'seinem' und mir 'wir' anzutreffen. Das oben zitierte heiling ist heute nur noch in der Bezeichnung "die Heiligen Drei Könige" gebräuchlich (Verfasser 1989).3 Die progressive Assimilation schuldig > schullig ist auf das Südbairische beschränkt; 4 sie kann im Mittelbairischen nicht eintreten, da hier Liquidenvokalisierung erfolgt ist. Das oben zitierte Beispiel aus der bayerischen Handschrift Cgm 346 geht somit wahrscheinlich auf südbairischen Einfluß zurück. Die Bildung haupp war im Bayerischen bis ins 19. Jh. weit verbreitet; 5 heute ist sie jedoch nur noch selten zu hören (Verfasser 1989). Die Verhältnisse in der rezenten Mundart zeigen, daß die oben aufgeführten Assimilationserscheinungen im wesentlichen die gesprochene Mundart darstellen. Da sie auch heute noch gesprochen werden, ist das Verschwinden der regionalen Varianten aus der Schriftsprache offensichtlich auf außersprachliche Kriterien zurückzuführen.
3
Zur Mundart im 19. und 20. Jh. vgl. ferner Schmeller (1821) § 552, § 579, § 580 und dessen Wörterbuch (1877) 2,71 zum Lemma Regen; Maier (1965) 141; Denz (1977) 55. 4
Vgl. dazu Kranzmayer (1981) 96.
5
Vgl. Schmeller (1872) 1,1142.
15 Verben
15.1 Schwache Verben
Das Fehlen des Umlauts im Präteritum und Partizip der lang- und mehrsilbigen Jan-Verben - nach Jacob Grimm "Rückumlaut"1 genannt - ist ein wichtiges Kennzeichen des Mittelhochdeutschen. Dieser unterschiedliche Wurzelvokal wurde in frühneuhochdeutscher Zeit vereinheitlicht,2 lediglich bei den Verben auf nhd. -nn- und -nd- ist der Vokalwechsel erhalten geblieben: vgl. nhd. brennen, kennen, nennen, rennen, senden und wenden.3 In den bairischen Mundarten ist der Umlaut auch in den oben aufgeführten sechs Verben im Partizip durchgedrungen und bis heute beibehalten worden (das Präteritum fehlt in der gesprochenen Mundart!). Der umgelautete Vokal erscheint in den untersuchten bayerischen Quellen bis ins 18. Jh. Er läßt sich allerdings nur bei brennen, kennen und nennen anhand einer großen Belegdichte verfolgen. Der Umlaut beim Partizip von rennen und wenden konnte nur vereinzelt nachgewiesen werden, beim Verb senden dagegen nie. Aus orthoepischen Zeugnissen wird jedoch ersichtlich, daß auch hier bis ins 18. Jh. der Umlaut gesprochen wurde.4 verprent Part. Perf. 'verbrannt' (Cgm 290) 61v, dass. (Cgm 315) 42va, geprennt (Cgm 385) 71v, verprent EINBL. (1482), dass. ΑVENTIN (1519) B3r, verbrent H A U E R (1523) 3v, geprennt BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 13.10, verbrennt HAFFNER (1568) 34r, dass. MACER (1570) 12r, gebrennt MEICHEL (1631) 11, verbrennt KOLB (1745) 61, gebrennet KOHLBRENNER (1783) 25. erkennt Part. Perf. 'erkannt' (Cgm 323) 3v, dass. (Cgm 355) 99v, erkennet GERICHTSORDNUNG (1522) 53r, erkent BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 9.5, dass. PERNEDER (1544) 24v, erkennt HAFFNER (1568) 21r, dass. MAYER (1577) 69r, BINSFELD (1591) 17r, STENGEL (1622) 26, gekennt REIFFENSTUEL (1676) 98, zuerkennt DALHOVER (1688) 35, erkennet WEIN-
1 Vgl. dazu Michels/Stopp (1979) § 274; Mettke (1989) § 135; Paul/Wiehl/Grosse (1989) § 262. 2
Vgl. dazu Sobbe (1911); Starck (1912) 118 ff.
3
Die Lexeme senden und wenden haben Doppelformen entwickelt (vgl. sendete, gesendet und sandte, gesandt).
4
Vgl. dazu Aichinger (1754) 325 f. und Braun (1765) 430.
Verben
157
BERGER (1727) 42, dass. KOLB (1745) 46. genennt Part. Perf. 'genannt' (Cgm 225) 21v, genent (Cgm 639) lv, genennt GERICHTSO R D N U N G (1520) 53r, dass. BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 1.2, dass. PERNEDER (1544) 2r, BINSFELD (1591) lr, genendt STENGEL (1622) 45, genennt MEICHEL (1631) 651, genennet REIFFENSTUEL (1676) 16, dass. HALLWACHS (1680) 9, ERTL (1684) 84, HERTH (1715) 13, WEINBERGER (1727) 97, genennt KOLB (1745) 19. Belege für das Präteritalpartizip gerennt bei Schmeller (1877) 2,109 f. - angewendte Mitel REIFFENSTUEL (1676) 202, angewendte Artzneyen ebd. 204.
Beim Verb denken, das wie dunken, bringen und wirken nie ein i oder j als Stammformans besaß, 5 wird der Vokal α im Präteritum und Partizip ebenfalls in die neuhochdeutsche Standardsprache übernommen. Die bairischen Mundarten bilden in Anlehnung an Verben wie brennen oder kennen das Partizip nach dem Vokal des Präsens. In der bayerischen Schriftsprache zeigt sich dies noch im 18. Jh.: vgl. die Partizipien gedencket und verdenckt aus dem 'Parnassus Boicus' vom 18. Jh. bei Birlo (1908) 62.
Die schwachen Verben fürchten6 und wünschen7 weisen seit dem Mittelhochdeutschen auch ein starkes Präteritalpartizip auf, das im Bairischen bis heute verwendet wird (Verfasser 1989). Die Bildungen geforchten und gewunschen sind in unseren Texten bis ins 18. Jh. anzutreffen. geforchten Part. Perf. 'gefürchtet' MEICHEL (1631) 205, dass. REIFFENSTUEL (1676) 250; vgl. geforchten im 'Parnassus Boicus', zit. bei BIRLO (1908) 61. - gewunschen Part. Perf. 'gewünscht' DIETL (1786) 186; gewunschen ebenfalls im 'Parnassus Boicus', s. BIRLO (1908) 61.
Heinrich Braun (1765: 140) kritisiert in seiner Grammatik das Partizip geforchten und fordert das hochsprachliche gefürchtet.
Die Verben auf -ieren nehmen im Partizip schon mhd. das Präfix ge- an. 8 Während bei der Entstehung der neuhochdeutschen Schriftsprache diese Vorsilbe meist wieder getilgt wurde, lebt sie in den Mundarten vereinzelt bis in die Gegenwart weiter: Das heute noch im Bairischen verbreitete Partizip gestudiert kommt mehrmals bei Schatzger (1525) vor: (er hat) gestudiert fol. G3r, K2v, u.ö; vgl. dazu auch Weitenauer (1764: 58), der diese mundartliche Form ablehnt. 5
Zum Mittelhochdeutschen vgl. Paul/Wiehl/Grosse (1989) § 266.
6
Vgl. Lexer 3,601.
7
Vgl. Schmeller (1877) 2,961.
8
Vgl. Paul (1917) 2,278.
158
Sprachliche Untersuchung
15.2 Starke Verben
Die Verben der mittelhochdeutschen Ablautklassen 3b, 4 und 5 haben im gesamten Sg. Präs. Ind. den Stammvokal i.9 In einigen Mundarten wird bereits im 12./13. Jh. die 1. P. Sg. an den Plural des Indikativs und den Konjunktiv angeglichen; dieser Vokalwechsel im Sg. Präs. Ind. geht auch in die neuhochdeutsche Standardsprache ein (vgl. nhd. ich helfe, du hilfst). Das Bairische hat dagegen das i in der 1. P. Sg. beibehalten und somit den einheitlichen Vokal im Sg. Präs. bewahrt. 10 In den untersuchten Texten erscheint der Vokal i der 1. Pers. Sg. bis ins 18. Jh. Jch stirb (Cgm 225) 58v, (ich) sprich H A U E R (1523) A3r, dass. S C H A T Z G E R (1525) 2v, jch Iis 'lese' BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 7.9, ich vernimb L A U T H E R (1569) 4r, ich sihe D O B E R E I N E R (1570) D2r, (ich) gib M A Y E R (1577) 3r, dass. BINSFELD (1591) 3r, ich verspriche dir REIFENSTUEL (1676) 202, (ich) nimm W A K I U S (1713) 14, (ich) triff W E I N B E R G E R (1727) 154.
Heinrich Braun kritisiert in seiner Grammatik (1765: 249), "daß einige in der ersten Person fälschlich sagen: ich siehe, giebe usf.".11 Der Wurzelvokal i im Sg. Präs. Ind. wird im Bairischen bis heute gesprochen. 12 Da in den bairischen Mundarten kein Imperfekt existiert, treten hier in der Schriftsprache zahlreiche Unsicherheiten auf. Dies äußert sich in den untersuchten Texten dadurch, daß bei starken Verben analog zu den schwachen vor allem im 17. und 18. Jh. das Imperfekt auf -te gebildet wird. 13 (sie) waschten sich REIFFENSTUEL (1676) 13, (sie) single HIEBER (1728) 4, (sie) stoßte sich ebd. 9, (er) haltete KOLB (1745) 44, (er) Schlagte ebd. 23, (sie) schweigten ebd. 104, (sie) stoßten H O L Z E R (1753) 3, Er beruffte sich F I N A U E R (1768) 3, Er unterhaltete sich ebd. 24.
Das schon im Mittelhochdeutschen gebräuchliche schwache Präteritalpartizip gehebt bzw. erhebt14 wird im Bairischen bis heute verwendet
9
Zum Mittelhochdeutschen vgl. Michels/Stopp (1979) § 261-263; Mettke (1989) § 124-126; Paul/Wiehl/Grosse (1989) § 247-249. Vgl. ferner die Untersuchung von Joesten (1931), bes. 59-62. 10
Vgl. Weinhold (1867) § 265-267.
11
Ähnlich ebd. S. 45, 90, 394 u. 398.
12
Die Mundart im 19. und 20. Jh. bezeugen Mutzl (1860) 354; Gladiator (1971) 105 f.; Verfasser (1989). 13
Vgl. dazu auch Matzel/Penzl (1982) 145 zu Bemerkungen von Braun (1765).
14
Vgl. Lexer 1,1199.
Verben
159
(Verfasser 1989), in den untersuchten bayerischen Texten taucht es bis in die Mitte des 18. Jh.s auf: gehept (Cgm 385) 28v, erhebt (Cgm 442) 18r und 58r, aufgebebt LV (1545) A4w, gehebt GEIGER (1649) 15, dass. REIFFENSTUEL (1676) 198, auffgehebt LV(1690) 2r, erhebt HIEBER (1728) 6, erhöbt KOLB (1745) 24.
Bei den Verben der mittelhochdeutschen Ablautklassen 6 und 7,15 die umlautfähigen Wurzelvokal aufweisen, fehlt der Umlaut bair. in der 2. und 3. P. Sg. Präs. Ind. häufig bis ins 18. Jh. Ablautklasse 6: (in alphabetischer Reihenfolge): (sie) fahret Präs. Ind. HERTH. (1715) 3, (er) vergrabt (Cgm 225) 41r, du trägst (Cgm 352) 103r, (er) traget (Cgm 529) 2ra, du trägst (Cgm 639) 19r, (er) tragt ERTL (1684) 83, man tragt WAKIUS (1713) 25, (sie) traget WEINBERGER (1727) 77, (er) tragt HIEBER (1728), (es) wachst EINBL. (1487), (er) wascht (Cgm 347) 40r. Ablautklasse 7: (du) fallest WEINBERGER (1727) 80, (er) pehaltet (Cgm 290) 26v, (man) halt PERNEDER (1544) 30r, (er) behalt WIMPINÄUS (1563) 72v, (sie) haltet DALHOVER (1688) 7, (er) haltet KOLB (1745) 23, (er) lasst BERTRH. V. CHIEMSEE (1528) 6.6, dass. HAUER (1523) F4v, (er) verlaßt PERNEDER (1544) 13v, dass. HORNSTEIN (1596) A4v, Es laßt DALHOVER (1688) 29, (er) laufft (Cgm 225) 28v, dass. DALHOVER (1688) 30, (es) laufft WAKIUS (1723) 48, (er) schlofft (Cgm 639) 4v, (er) schlofft WAKIUS (1713) 155.
Der Umlaut unterbleibt in den oben genannten Fällen im Bairischen bis heute. 16
15.3 Besondere Verben
Der Infinitiv bair. derfen17 ist in den untersuchten Quellen bis ins 18. Jh. belegt: (sie) därffen STENGEL (1622) 3, (sie) derffen THIRMAIR (1633) 4, (wir) därffen DALHOVER (1688) 13b, dass. HIEBER (1728) 4, därffen Infinitiv KRESSLINGER (1719) 10, därffen LV (1769) 2r, (sie) därfften Konj. Präs. KOHLBRENNER (1783) 24. In der gesprochenen Mundart lebt es bis heute weiter (Verfasser 1989).
15
Zum Mittelhochdeutschen vgl. Michels/Stopp (1979) § 264-265; Mettke (1989) § 127128; Paul/Wiehl/Grosse (1989) § 251-253.
16
Die gesprochene Mundart im 19. und 20. Jh. bezeugen Schmeller (1821) § 129; Mutzl (1860) 352; -Verfasser (1989). 17
Zur Etymologie vgl. Kluge/Seebold (1989) 162.
160
Sprachliche Untersuchung
Das im Mittelhochdeutschen überwiegend verwendete Präteritalpartizip gewist 'gewußt' 18 kommt in den untersuchten Texten bis ins 17. Jh. vor, in der Mundart bis heute (Verfasser 1989): gewist (Cgm 51v), gewißt dass. P E R N E D E R (1544) 9v, dass. LAUTHER (1569) 14v, gewist DOBEREINER (1570) D2v, MACER (1570) 19r, MEICHEL (1631) 642 und 643. Bei der Herausbildung der neuhochdeutschen Standardsprache hat sich das aus dem Mitteldeutschen stammende Partizip gewußt durchgesetzt. 19 Die durch Diphthongierung von mhd. sin (1. 3. P. PI. Präs. Ind.) entstandene Form sein ist in den untersuchten Texten bis in die Mitte des 18. Jh.s belegt. (wir) sein (Cgm 302) 8r, dass. (Cgm 502) 64va, (sie) sein (Cgm 523) lrb, dass. KUCHENMEYSTERY (1486) A2v, (wir) sein T1TULARBUCH (1490) 2r, dass. LV (1505), LANDPOT (1520) 45r, HAUER (1523) A4r, (sie) sein BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 1.2, dass. PERNEDER (1544) lOv, WALDNER (1562) G3r, WIMPINÄUS (1563) 24v, LAUTHER (1569) 4v, (wir) sein MACER (1570) 19r, (sie) sein BINSFELD (1591) 2v, (wir) seyn WEINBERGER (1727) 151, (sie) seyn KOLB (1745) 49.
In den bairischen Mundarten wird heute meist (wir, sie) [san] gesprochen (Verfasser 1989).20 Die aus (sie) sind + (wir) sin entstandene Mischform seind, die seit dem 15. Jh. im Bairischen auftaucht, 21 wird in der bayerischen Schriftsprache ebenfalls bis in die Mitte des 18. Jh.s verwendet. (sie) seind EINBL. (1482), dass. SCHATZGER (1525) K4v, LV (1531) A2r, PERNEDER (1544) 24r, WIMPINÄUS (1563) lOv, (wir) seind LAUTHER (1569) 8r, dass. MAYER (1577) 27r, (sie) seind HORNSTEIN (1596) C2v, (wir) seynd MEICHEL (1631) 17, (sie) seynd GEIGER (1649) 4, dass. REIFFENSTUEL (1676) 12, HALLWACHS (1680) 14, DALHOVER (1688) 9, SCHÖNFELDER (1691) 3, WAKIUS (1713) 37, KRESSLINGER (1719) 10, HIEBER (1728) 6, LV (1750) Blr, HOLZER (1753) 4.
Der gebürtige Regensburger Johann Ludwig Prasch führt in seiner Grammatik (1687: 66) die Formen sein und sind gleichberechtigt nebeneinander auf: "Wir seyn / oder sind / ihr seyd j sie sind oder seyn." Heinrich Braun erwähnt in seiner 'Sprachkunst' (1765: 394) noch die Variante seynd, gibt aber bereits der Bildung sind den Vorzug; das mundartliche seyn bzw. san
18
Daneben auch gewest und vor allem md. gewust; vgl. dazu Weinhold (1867) § 333; Paul/Wiehl/Grosse (1989) § 270. 19
Vgl. dazu auch DWB 14.2,749.
20
Vgl. (zum Nordbairischen) ferner Gutter (1971) Karte 37. Zum gesamten deutschen Sprachgebiet DSA, Karten 108-111. 21
Vgl. DWB 10.1,233
Verben
161
lehnt er dagegen völlig ab: "Sind, oder seynd, beyde sind gut: seynd wegen dem Jnfinitiv, nach welchem die übrigen Abänderungen gebildet werden, und wegen der Aussprache: Sind aber ist fast älter und in itziger Zeit zierlicher, weil man das Seynd in gelehrten und guten Schriften fast nicht mehr sieht. Der Gebrauch guter Schriftsteller wird endlich zu einer Regel. Niemal aber spricht man im Jndicativ seyn: noch sän." Die hier aufgeführten Formen verdeutlichen, daß sich bei der Herausbildung der neuhochdeutschen Schriftsprache im Bereich der Morphemik in erster Linie die mitteldeutschen Varianten behauptet haben. Das bei der Selektion immer wieder zu beobachtende Ziel, die Formenvielfalt zu reduzieren, wurde dabei nicht konsequent verfolgt: So wurde beispielsweise bei den Verben der mittelhochdeutschen Ablautklassen 3b, 4 und 5 der Stammvokal i in der 1. P. Sg. Präs. aus dem Bairisch-oberdeutschen nicht übernommen, obwohl damit ein einheitlicher Wurzelvokal entstanden wäre (vgl. bair. ich sprich, du sprichst, er spricht).
16 Substantive
Da im Oberdeutschen durch die Apokope bei den Feminina und Maskulina das Pluralzeichen verlorenging, wurde der Plural hier öfter durch Umlaut bezeichnet. 1 Am häufigsten erscheint dieser umgelautete Stammvokal beim starken Maskulinum Tag, das bis Ende des 18. Jh.s Umlaut aufweist. Vereinzelt findet sich < ä > bzw. < ä > auch dann, wenn der Plural bereits eindeutig durch -e oder -en charakterisiert ist (s. u. die Tage, die Wägen). (In alphabetischer Reihenfolge:) H&nd A. PI. DALHOVER (1688) 30, tag A. PI. (Cgm 302) 52r, dass. (Cgm 347) 27r, t&g A. PI. APPELLATION (1480) 12, dass. H A U E R (1523) D4r, WIMPINÄUS (1563) 20r, Thg N. PI. HORNSTEIN (1596) Elv, dass. MEICHEL (1631) 45, SCHÖNFELDER (1691) 5, KRESSLINGER (1719) 15, FINAUER (1768) 139, DIETL (1786) 239, WESTENRIEDER (1798) 44, wägen N. PI. (Cgm 302) 79r, dass. D. PI. (Cgm 502) 19va, vgl. auch die Brünnen, nämen, Mauren u.a. bei BIRLO (1908) 50.
Heinrich Braun bemerkt in seiner Grammatik (1765: 291 f.) zur Deklination des Substantives Tag: "Die Sachsen sprechen: die Tage; wir aber die Täge."2 In den heutigen bairischen Mundarten tritt der Umlaut in den oben erwähnten Beispielen vor allem in den Lexemen Namen, Tag und Wagen, wie beim Sekundärumlaut üblich, durch helles /α:/ in Erscheinung (Verfasser 1989).
Bei den Feminina auf -e, die im Mittelhochdeutschen schwach und stark dekliniert wurden, 3 hat sich in den bairischen Mundarten meist die schwache Form durchgesetzt, während in der neuhochdeutschen Standardsprache in den überwiegenden Fällen die gemischte Deklination anzutreffen ist (vgl. mhd. brücke st.schw.f., bair. brücken, nhd. brücke). Die ursprünglich nur schwach deklinierten Feminina auf -e wurden im Bairischen meist bei-
1
Vgl. dazu auch Löfstedt (1944), bes. 316-329.
2
Vgl. zu diesem Aspekt auch Matzel/Penzl (1982) 131.
3
Vgl. Michels/Stopp (1979) § 212; Mettke (1989) § 79 u. § 84; Paul/Wiehl/Grosse (1989) § 183 u. § 198.
Substantive
163
behalten (z.B. kerze, kirche, kutte, lampe). Aus den unten aufgeführten Beispielen wird ersichtlich, daß die schwache Deklination auch in den Nominativ eingedrungen ist. Die Belege reichen bis ins 18. Jh. Mhd. stark und schwach dekliniert (In alphabetischer Reihenfolge): prugken D. Sg. (Cgm 225) 72v, dass. EINBL. (1486), Brucken N. Sg. WAKIUS (1713) 175, erden G. Sg. (Cgm 522) 8ra, erden D. Sg. KUCHENMEYSTEREY (1486) Blr, dass. WIMPINÄUS (1563) 93r, MAYER (1607) A2v, Erden G. Sg. FINAUER (1768) 9, vackeln D. Sg. (Cgm 355) 49v, flaschen A. Sg. (Cgm 385) 33v, gassen D. Sg. WIMPINÄUS (1563) 101, Gassen D. Sg. ORDNUNG (1630) A4r, dass. A. Sg. REIFFENSTUEL (1676) 95, glocken N. Sg. KUCHENMEYSTEREY (1486) A5r, Glogken N. Sg. LV (1512) A4r, grueben G. Sg. (Cgm 225) 119r, gruben D. Sg. KUCHENMEYSTEREY (1480) A4r, dass. D. Sg. WALDNER (1562) H4r, DOBEREINER (1570) A5v, Hütten N. Sg. WAKIUS (1713) 160, dass. G. Sg. REIFFENSTUEL (1676) 27, Ketten N. Sg. MAYER (1577) 38v, rueten N. Sg. HAUER (1523) B3v, Rueten N. Sg. WEINBERGER (1727) 124, Seiten D. Sg. REGIMENT (1490) Alv, Seiten D. Sg. WALDNER (1562) Mir, Seyten D. Sg. HALLWACHS (1680) 32, Stiegen A. PI. SCHÖNFELDER (1691) 44, suppen A. Sg. KUCHENMEYSTEREY (I486) B4v. Mhd. überwiegend schwach dekliniert: kirczen N. Sg. 'Kerze' (Cgm 610) 179rb, Kertzen N. Sg. MAYER (1607) F2v, dass. A. Sg. REIFFENSTUEL (1676) 220, kirchen N. Sg. APPELLATION (1480) 6, Kirchen D. Sg. PERNEDER (1544) 3r, dass. A. Sg. HALLWACHS (1680) 32, dass. KOLB (1745) 7, kutten A. Sg. (Cgm 301) 259v, Kutten A. Sg. MACER (1570) 9v, lampen A. Sg. (Cgm 352) 150r, dass. (Cgm 529) 7rb, Stuben REGIMENT (1490) A8r, tauben A. Sg. 'Taube' (Cgm 352) 173v.
Heinrich Braun präsentiert in seiner 'Sprachkunst' (1765: 95 ff.) eine Liste starker Feminina, die im Nominativ Singular ein -e aufweisen, in der Mundart aber mit -en verwendet werden, und bemerkt dazu im Vorspann: "Dergleichen Wörter sind so viel, daß man beynahe aus dem offenbaren Fehler eine Regel machen, und dieselbe durch den allgemeinen Gebrauch unsers Vaterlandes rechtfertigen könnte. Wir wollen den Anfängern zu Liebe ein Verzeichniß von dergleichen Wörtern beysetzen, damit der Mißbrauch desto eher erkannt und gehoben werde. Z.E. wir sagen auch in der einfachen Zahl schon: diese Pasteten ist nach meinem Geschmacke: bring mir eine Latten, eine Lauten, eine Lerchen u.s.f. da wir doch sagen sollen: die Pastete, eine Latte, eine Laute, eine Lerche etc., weil die Rede nicht von vielen Pasteten, Latten, Lauten und Lerchen ist." In den oben zitierten Belegen ist das Flexionsmorphem -en im Singular der starken Feminina auch in den heutigen bairischen Mundarten anzutreffen (Verfasser 1989). Wenn der Stamm auf [k], [ς] oder [x] endet, wird diese Endung allerdings in einigen Gebieten getilgt (z.B. mbair. [khira] 'Kirche'). 4
4
Vgl. Maier (1965) 136; Merkle (1975) 93 f.; Zehetner (1985) 116.
164
Sprachliche Untersuchung
Im Bairischen haben zahlreiche Substantive ein anderes Genus als in der neuhochdeutschen Standardsprache. In den meisten Fällen ist das in den bairischen Mundarten übliche Geschlecht bereits im Mittelhochdeutschen belegt, das in der neuhochdeutschen Schriftsprache verwendete ist daneben ebenfalls für das Mittelhochdeutsche bezeugt oder hat sich in frühneuhochdeutscher Zeit herausgebildet. Um die Entwicklung der einzelnen Lexeme zu verdeutlichen, wird bei der unten aufgeführten Übersicht der mittelhochdeutsche Status vorangestellt. Der beigegebene Kommentar aus der Grammatik von Adelung (1782) zeigt, daß während des Untersuchungszeitraums im wesentlichen die heutigen Verhältnisse existiert haben.
Gemeindeutsch Femininum, bair. Maskulinum: Asche: Mhd. überwiegend schwaches Femininum, vereinzelt auch als schwaches Maskulinum belegt;5 bair. schwaches Maskulinum: 6 jn dem aschen (Cgm) 376) 121v; vgl. dazu Adelung (1782) 1,262: "Die Asche, Oberd. der Asch." Fahne: Mhd. schwaches und starkes Maskulinum;7 bair. ebenso: 8 mit auffgerechtem fanen PERNEDER (1544) 8v, ein fliegender Fahn WAKIUS (1713) 193, den Fahnen ausstecken ebd; Dazu Adelung (1782) 1,363: "Die Fahne, Oberd. der Fahn, und der Fahnen." Gewalt: Mhd. starkes Femininum und starkes Maskulinum; 9 bair. meist starkes Maskulinum: 10 vmider dem gewalt der Römer (Cgm 225) 5r, ausz kaiserlichem gewalt APPELLATION (1480) 17, in meinem gewalt MACER (1570) 35r, mit allem Gewalt WEINBERGER (1727) 71; dazu Adelung (1782) 1,364: "Die Gewalt, Ob. der."
5
Vgl. Lexer 1,109.
6
Vgl. Weinhold (1867) § 239a.
7
Vgl. Lexer 3,18.
8
Vgl. Weinhold (1867) § 239a.
9
Vgl. Lexer 1,972.
10
Vgl. Weinhold (1867) § 239a.
Substantive
165
List: Mhd. starkes Femininum und starkes Maskulinum;11 bair. starkes Maskulinum: 12 durch ainen argen list (Cgm 225) 59v, mit grossem List STENGEL (1622) 28. Luft: Mhd. starkes Maskulinum;13 bair. ebenso:14 der luft Ν. Sg. (Cgm 376) 4v, ym lufft KUCHENMEYSTEREY (1486) B6r, von dem lufft HAFFNER (1568) 52r, den küelen Lufft A. Sg. THIRMAIR (1633) 4, in vngesundem Lufft SAUTER (1608) 12, der Lufft MEICHEL (1631) 21, Enderung deß Luffts SCHÖNFELDER (1691) 25, in dem Lufft WEINBERGER (1727) 94; dazu Adelung (1782) 1,365: "Die Luft, Oberd. der." Lust: Mhd. starkes Maskulinum und Femininum; 15 bair. starkes Maskulinum: 16 (was) man gem thuet vnnd einen lust dar zw hat SCHATZGER (1525) A2v, [Gott hat in das Paradies gepflanzt] den Baum des Lebens / die Ehre, den Lust und die Freude HIEBER (1728) 4. Wade: Mhd. schwaches Maskulinum;17 bair. wadel, starkes Maskulinum: 18 [die Lanzenstiche gingen] durch den Wadel REIFFENSTUEL (1676) 217; dazu Adelung (1782) 1,369: "Die Wade, Oberd. der Waden." Zwiebel: Mhd. z(w)ibolle, schwaches Maskulinum;19 bair. ebenfalls schwaches Maskulinum: 20 so prat des ein wenig in mite des zwifelß REGIMENT (1490) Clv, lull die rot haut vom zwifel ebd. Dir; dazu Adelung (1782) 1,369: "Die Zwiebel, Ob. der."
11
Vgl. Lexer 1,1936.
12
Vgl. Weinhold (1867) § 239a.
13
Vgl. Lexer 1,1977.
14
Vgl. Weinhold (1867) § 239a.
15
Vgl. Lexer 1,1991.
16
Vgl. Weinhold (1867) § 239a.
17
Vgl. Lexer 3,627.
18
Vgl. Weinhold (1867) § 239a.
19
Vgl. Lexer 3,1212.
20
Vgl. Weinhold (1867) § 239a.
166
Sprachliche Untersuchung
Gemeindeutsch Femininum, bair. Neutrum: Ecke: Mhd. starkes und schwaches Femininum, starkes Neutrum; 21 bair. starkes Neutrum: 22 ein kleines Eck REIFFENSTUEL (1676) 29; dazu Adelung (1782) 1,363: "Die Ecke, Oberd. das Eck." Im Bairischen auch als schwaches Femininum gebräuchlich. Nhd. vereinzelt auch das Eck, aber mit besonderer Bedeutung. Wange: Mhd. schwaches und starkes Neutrum; 23 bair. starkes Neutrum: 24 daz wang (Cgm 502) 68va, an dem Wang REIFFENSTUEL (1676) 240, warmit [= mit dem Pfeil] sie zwar das recht Wang / gleichwol nit recht / getroffen DALHOVER (1688) 34.
Gemeindeutsch Maskulinum, bair. Neutrum oder Femininum Honig: Mhd. starkes Neutrum; 25 bair. ebenso: 26 den [= den Richtern] die gab aussermassen süess ist als dem pern das hönig (Cgm 543) 14v, dass. H A U E R (1523) Elv, Und den Bienen gleich kann er aus Gift das Honig ziehn F R O N H O V E R (1770) 68. Husten: Mhd. schwaches Maskulinum; 27 bair. starkes und schwaches Femininum: 28 die hust (Cgm 249) 25lv, dy husten (Cgm 376) 97v und 106v, fur dy huesten (Cgm 610) 183va, Es hat etwan ein gantze Nacht ein eilende Huesten MEICHEL (1631) 595; dazu Adelung (1782) 1,364: "Der Husten, Oberd. die Huste."
21
Vgl. Lexer 1,507.
22
Vgl. Weinhold (1867) § 241b.
23
Vgl. Lexer 3,678.
24
Vgl. Weinhold (1867) § 241b.
25
Vgl. Lexer 1,1334.
26
Vgl. Weinhold (1867) § 241a.
27
Vgl. Lexer 1,1393.
28
Vgl. Weinhold (1867) § 240a.
Substantive
167
Ort: Mhd. starkes Neutrum und Maskulinum; 29 bair. starkes Neutrum: 30 daß ort oder die stat SCHATZGER (1525) B3v, an das Ort HALLWACHS (1680) 31, einfrey= und offnes Orth WEINBERGER (1727) 46, an das Orth LV (1739). Auch bei den hier aufgeführten Substantiven hat die Vorrangstellung Mitteldeutschlands bewirkt, daß die regionalen Varianten in der Schriftsprache aufgegeben wurden. Wörter wie Kirch(en) zeigen allerdings, daß vereinzelt auch mit innersprachlichen Kriterien gerechnet werden muß.
29
Vgl. Lexer 2,169.
30
Vgl. Weinhold (1867) § 241a.
17 Wortbildung
Das Suffix -nus bzw. -nuß, 1 das sich wahrscheinlich im Althochdeuschen auf bairischem Gebiet entwickelt hat, 2 wird in den untersuchten Texten bis ins 18. Jh. verwendet; in den Handschriften und Drucken findet sich bis ins 16. Jh. auch die Variante -nüss bzw. -nüß. Die in die neuhochdeutsche Standardsprache eingegangene Endung -nis3 setzt sich in unseren Texten erst in der zweiten Hälfte des 18. Jh.s durch. vinstemuß (Cgm 502) 17va, hindemüß (Cgm 620) 40ra, gleichnüß (Cgm 639) 19r, gedächtnüsz APPELLATION (1480) 4, verhengknus REGIMENT (1490) Air, empfencknus EINBL. (1494), verstentnuss GERICHTSORDNUNG (1522) 3v, pildnüß BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 1.4, bündtnuß PERNEDER (1544) 30v, Begrebnus WALDNER (1562) Llv, ärgemuß HAFFNER (1568) 8v, verhengnuß BINSFELD (1591) 4v, Wildtnus MAYER (1607) D4v, Geheimnus D O N A U E R (1611) 7, Gefencknuß MEICHEL (1631) 44, Beträbnuß REIFFENSTUEL (1676) 10, Gleichnus WAKIUS (1713) 104, Bitdnus WEINBERGER (1727) 26, Finstemuß KOLB (1745) 1, Zeugnuß HOLZER (1753) 6, Ged&chtnus LV (1756) lr. Ab dem 18. Jh. -nis oder -niß: Bildnis FINAUER (1768) 17, Kenntniß FRONHOFER (1770) 23, Geheimnis ICKSTATT (1774) 19, KOHLBRENNER (1783) 3, Besorgniß DIETL (1786) 16, Kenntniß LEUTHNER (1790) 4, Ged&chtniß LV (1792), Verzeichnis WESTENRIED ER (1798) 16.
Johann Ludwig Prasch erwähnt in seiner Grammatik (1687: 47) nur das Suffix -nüß, während Heinrich Braun in der 'Sprachkunst' (1765: 113 f.) auf die räumliche Verteilung von -niß und -nuß hinweist: "Es sind viele Wörter, welche bey uns auf ein nuß ausgehen, da sie in Sachsen mit dem niß geendet werden. [...] Man erwähle aus beyden, welches man will: beyde haben ihren Grund im Alterthum; wiewohl das niß zierlicher und der Aussprache auch sogar hiesiger Lande gemäßer zu sein scheint." Braun schreibt zwar keines der Suffixe zwingend vor, er bevorzugt aber doch die Endung -niß und folgt somit wie in vielen Fällen Gottsched, der in seiner Abhandlung über die deutsche Sprache (1762: 185) für -niß plädiert.
1
Vgl. zum Frühneuhochdeutschen Moser/Stopp (1978) § 15.
2
Vgl. dazu Besch (1967) 228.
3
Vgl. dazu allgemein Henzen (1965) § 114; (mit weiteren Literaturverweisen); Fleischer (1975) 157-159; Erben (1975) 91.
Wortbildung
169
In den heutigen bairischen Mundarten wird das Suffix -nis meist zu [-nes] abgeschwächt, wie beispielsweise in [tsaignus] 'Zeugnis' (Verfasser 1989). In einigen südbairischen Mundarten hat sich -nus offensichtlich bis Anfang unseres Jahrhunderts gehalten. 4 Der Diminutiv wird im Bairischen mit dem auf mhd. -elin zurückgehenden Suffix -el gebildet, 5 das in den untersuchten Texten bis Ende des 18. Jh.s belegt ist; bei umlautfähigem Wurzelvokal tritt dabei Umlaut ein. Uschi (Cgm 225) 44r, hewsei (Cgm 290) 70r, würml (Cgm 346) 67v, wasser krügel (Cgm 352) 165v, lempel 'kleines Lamm' (Cgm 529) 59ra Jischel (Cgm 610) 181ra, kindel (Cgm 618) 68va, plüemel (Cgm 639) 12r ,pechel 'kleiner Bach' Α VENTIN (1519) Clr, schiffet BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 16.1, Bßtl '(kleines ?) Blatt' MEICHEL (1631) 482, Tßchel GEIGER (1649) 16, Hbltzl REIFFENSTUEL (1676) 196, (ein) Gl&sl Wein S C H Ö N F E L D E R (1691) 97, Kettel 'kleine Kette' FINAUER (1768) 53, Bichel DIETL (1786) 11, Geldl 'kleiner Geldbetrag' KOHLBRENNER (1783) 5. Bei den Substantiven auf -er wird lediglich ein -l angefügt, so daß diese Lexeme auf -erl enden: schlaffkemerl (Cgm 529) 20rb, Pblsterl MEICHEL (1631) 443, nhterl 'kleine Schlange' BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 20.1, Messerl GEIGER (1649) 23.
Heinrich Braun lehnt in der 'Sprachkunst' (1765: 52) die Bildungen auf -(e)l ab und gibt der Endung -lein den Vorzug: "In unserem Vaterlande wird weder das chen noch das gen gehöret; man höret unter Standespersonen das lein, der Pöbel aber ist mit dem / allein zufrieden, und spricht: Mägdl, Htmdl, Gl&sl u.s.f. Diese Redensart kann aber zu keiner Regel im Schreiben dienen." Im zweiten Band (1783: 402) der Reisebeschreibung Fiedrich Nicolais wird dieses Suffix ebenfalls erwähnt: "[...] wie den hier [in Bayern] überhaupt das Diminutivum anstatt chen oder lein oder le mit rl gemacht wird." In den heutigen bairischen Mundarten ist die Endung -e(r)l weit verbreitet. 6 In einigen Wörtern ist allerdings der diminutive Charakter verloren gegangen, wie beispielsweise in den auch oben zitierten Wörtern krügel (heute allgemein 'Krug') oder Blätl (heute 'Blatt eines Baumes', aber auch 'ein Blatt Papier'). Zum Teil hat die Diminutivform auch eine andere Bedeutung als das Grundwort angenommen: bair. [glasl] 'Trinkglas', aber [glQs] als
4
Vgl. Lessiak (1903) 104.
5
Vgl. Weinhold (1867) § 243. Vgl. dazu auch allgemein Henzen (1965) § 91; Fleischer (1975) 180 f. u. 200. 6
Sie ist bezeugt durch Wittmann (1943) 47 f.; Brandstetter (1963) 335 ff.; Maier (1965) 118 f.; Moser (1969) 190 ff.; Zehetner (1985) 140 ff.; - Verfasser (1989). Vgl. ferner die Untersuchung von Kargl (1976), bes. 236-239.
170
Sprachliche Untersuchung
Materialbezeichnung. Für den Untersuchungszeitraum läßt sich dieser Bedeutungswandel nicht exakt nachweisen, da die Angaben in den Texten recht ungenau sind und zeitgenössische Äußerungen zu diesem Aspekt fehlen. Beim Zurücktreten der regionalen Suffixe aus der Schriftsprache haben neben außersprachlichen Kriterien anscheinend auch innersprachliche eine Rolle gespielt. Es liegt die Vermutung nahe, daß sich das Suffix -nis bereits Ende des 18. Jh.s zu [-nßs] abgeschwächt hat und deshalb in den Texten nicht mehr als -nus erscheint.
18 Wortschatz
Der mundartliche Wortschatz ist in den untersuchten Texten erwartungsgemäß nur gering vertreten, da die Lexik in den hochdeutschen Sprachlandschaften seit dem 16. Jh. bereits relativ gefestigt ist. Es fanden sich in erster Linie allgemein oberdeutsche Wörter und sogenannte bairische Kennwörter (dazu u.). Darüber hinaus konnten mundartliche Lexeme im eigentlichen Sinne nur vereinzelt nachgewiesen werden; wegen der geringen Aussagekraft dieser Belege werden sie in der vorliegenden Untersuchung vernachlässigt.
18.1 Allgemein oberdeutsche Wörter
In die folgende Darstellung wurden die Glossare von Petri (1522/23) und Wolf (1523) sowie das bayerisch-oberpfälzische 'Jdiotikon' von Zaupser (1789) eingearbeitet. Hierbei wird ersichtlich, daß die unten aufgeführten Belege bereits während des Untersuchungszeitraums als mundartlich empfunden wurden. bidmen Das Verb bidmen wird seit dem 16. Jh. durch die von Luther verwendete Variante beben im Mitteldeutschen allmählich aus der Schriftsprache verdrängt, 1 in oberdeutschen Texten kommt es dagegen bis ins 18. Jh. vor. Der Buchdrucker Adam Petri gab zu seinem 1522/23 in Basel erschienenen Nachdruck des Neuen Testaments ein Glossar mit Worterklärungen heraus, in dem er md. beben für die oberdeutschen Leser mit bidmen erklärte. 2 wenn himel vnd erde ... pidment (Cgm 442) 68r, daz erdtrich erpidmet (Cgm 620) 61va, das erdreich erpidmet (Cgm 352) 24v, das erdreich ... erpidemt (Cgm) 355) 95r, daz erdtrich
1
Vgl. v. Bahder (1925) 14 f. u. 40; Kluge/Seebold (1989) 66 f.
2
Vgl. Kluge (1918) 107.
172
Sprachliche Untersuchung
erpidmet (Cgm 620) 61va, tag des erpidmendem gerichts AVENTIN (1519) B4r. erdpidem m. 'Erdbeben' (Cgm 610) 187va und 187vb, Erdbidem m. REIFFENSTUEL (1676) 99.
bühel Das aus dem ostmitteldeutschen stammende Substantiv Hügel wird ebenfalls durch Luther in die neuhochdeutsche Schriftsprache eingeführt, es kann sich jedoch im Oberdeutschen gegen das hier vorherrschende bühel nicht durchsetzen. 3 Obd. bühel, das Petri in seinem Glossar als Synonym für hügel aufführt,4 ist bayer. während des ganzen Untersuchungszeitraums belegt. pühel (Cgm 453) 172v, schaytel despwhelß (Cgm 502) 21rb, Pihel HALLWACHS (1680) 41, Bbhel WAKIUS (1713) 132.
geiß Auch der Baseler Drucker Thomas Wolf versah seinen 1523 erschienenen Nachdruck des Alten Testaments mit einem Wortverzeichnis, in dem das Substantiv ziege mit geyß erklärt wird.5 Obd. geiß (mhd. geiz),6 das im 'Jdiotikon' von Andreas Zaupser (1789: 30) in der mundartlichen Formgoai gebucht ist, erscheint im bayerischen Schrifttum meist mit < a i > bzw. < e i > . gais (Cgm 249) 245v, Gayß (Cgm 502) 5ra, gayß (Cgm 610) 179va, geißmilch KUCHENMEYSTEREY (1486) C8r, Gaiß SCHONFELDER (1691) 14.
hafen Die obersächsische Form topf kann sich im Oberdeutschen nicht gegen die seit dem Althochdeutschen gebräuchliche Bezeichnung hafen durchsetzen.7 Für die bayerische Mundart ist hafen im 18. Jh. durch die Grammatik von Braun (1765: 144) und das 'Jdiotikon' von Zaupser (1789: 35) bezeugt. 8 hafen 'Topf (Cgm 249) 245r, dass. (Cgm 610) 180va, KUCHENMEYSTEREY (1486) A4r, REGIMENT (1490) C7r, Häfen A. PI. LV (1600) 5v, Fleisch=Hifen STENGEL (1622) 5, Hafen REIFFENSTUEL (1676) 49. - hafner 'Töpfer' BERTH. V. CIEMSEE (1528) 37.1, in des Haffners hand WALDNER (1562) G4v, Haffner THIRMAIR (1633) 12, Hafner HALLWACHS (1680) 80.
3
Vgl. v. Bahder (1925) 28 f. u. 40; Kluge/Seebold (1989) 319.
4
Vgl. Kluge (1918) 109. Zur Verteilung in den deutschen Mundarten vgl. auch Deutscher Wortatlas Bd. 4, Karte 10.
5
Vgl. Kluge (1918) 114; vgl. ferner v. Bahder (1925) 12 f. u. 40.
6
Zur rezenten Mundart vgl. Kretschmer (1969) 592 f.; Deutscher Wortatlas Bd. 5, Karte 14; Kollmer (1988) 2,133.
7 8
Vgl. v. Bahder (1925) 19 u. 44.
Zur rezenten Mundart vgl. Kretschmer (1969) 531 f; Kollmer (1988) 2,156; Deutscher Wortatlas Bd. 8, Karte 9 u. 10.
Wortschatz
173
lefze Obd. lefze 'Lippe' 9 wird in den untersuchten Texten bis ins 18. verwendet; vgl. o. die Ausführungen in Kap. 11.2 und die Belege ebd.
schoppen V. Das Verb schoppen,10 das wohl eine Intensivbildung zu schieben ist,11 wird in bayerischen Texten öfter für (aus-)stopfen gebraucht. Andreas Zaupser bringt in der Nachlese zu seinem 'Idiotikon' (1789: 38) das Reflexivum sich schoppen und dazu folgende Erklärung: "Sich häufen. D ' Arbat schoppt si. Die Arbeit häuft sich." (der Mund) wird verschoppet (Cgm 442) 1 lv, (sie) verschopptens mit Erd (Cgm 502) 2ra, verschoppen R E I F F E N S T U E L (1676) 206, den Magen Überschoppen S C H Ö N F E L D E R (1691) 11.
stadel Stadel ist im wesentlichen auf den bairischen Raum beschränkt, während im Alemannischen scheuer dominiert. 12 Es wurde bereits während des Untersuchungszeitraums als mundartlich empfunden, da es Zaupser in sein 'Idiotikon' (1789: 73) aufgenommen hat. Die Belege reichen bis ins 18. Ih. stadel (Cgm 529) 83rb, Stadl A. PI. L A N D P O T (1520) 43r, Städl A. PI. MEICHEL (1631) 694, Stadl S C H Ö N F E L D E R (1691) 130, dass. LV (1764) C2r.
Staffel Nhd. Stufe, das seit mittelhochdeutscher Zeit vor allem auf mitteldeutschem Gebiet belegt ist, gelangt wohl durch Luther in die neuhochdeutsche Schriftsprache. 1 3 Es wird in den Glossaren von Petri und Wolf den oberdeutschen Zeitgenossen mit Staffel erklärt, 14 das in den untersuchten Texten bis in die Mitte des 18. Ih.s vorkommt. 15 Staffel (Cgm 620) lira, dass. (Cgm 639) 35v, BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 26.2, fänff Staffeln
M A Y E R (1577) 35r, Staffel MÜLLER (1591) 84, Staffeln D.P1. SCHÖN-
F E L D E R (1691) 11, dass. KOLB (1745) 20.
9
Vgl. dazu auch v. Bahder (1925) 34 f., 40 u. 44.
10
Vgl. dazu auch Kollmer (1988) 2,264.
11
Vgl. D W B 9,1565.
12
Vgl. Kretschmer (1969) 407 f.; vgl. ferner v. Bahder (1925) 11.
13
Vgl. auch v. Bahder (1925) 9.
14
Vgl. Kluge (1918) 111 u. 114.
15
Zur rezenten Mundart vgl. Kretschmer (1969) 537.
174
Sprachliche Untersuchung
18.2 Bairische Kennwörter
Der Begriff "Bairische Kennwörter" stammt von Kranzmayer, der in seiner gleichnamigen Untersuchung (1960) Wörter zusammengestellt hat, die im gesamten bairischen Sprachraum anzutreffen sind. "In den angrenzenden Nachbardialekten dürfen diese Charakteristika nicht vorkommen, anders wären sie keine spezifisch bairischen Merkmale mehr." 16 Diese Kennwörter, die sich in den untersuchten Texten häufig fanden, sind meist nur bis ins 15/16. Jh. belegt. Offensichtlich wurden sie als extrem mundartlich empfunden und daher nach dem 16. Jh. in der Schriftsprache gemieden; in der gesprochenen Mundart werden sie bis heute verwendet (Verfasser 1989). Für die alten Dualpronomina es17 und enkw (eigentlich 'ihr beide' und 'euch beide') konnten nur einige Beispiele in den Handschriften des 15. Jh.s nachgewiesen werden; in die Drucke dringen diese Formen offensichtlich nicht ein. so nempt ez enk (Cgm 323) 45r, hüet es enk (Cgm 632) 34vb; encker fürst N. Sg. ebd. 42v, enckher hendt sind volpluetz (Cgm 366) 170r, wo ist encker vater begraben (Cgm 543) 13r.
Daß die Dualformen während des Untersuchungszeitraums gesprochen wurden, ist durch die Grammatiken von Aichinger (1754: 250), Braun (1765: 379) 19 und Hemmer (1769: 97) sowie das 'Jdiotikon' von Zaupser (1789: 7) belegt. 20 Das Adjektiv tenk21 'link' war in den Handschriften des 15. Jh.s häufig anzutreffen, in den Drucken dagegen nur noch bei Berthold von Chiemsee (1528). 22
16
Kranzmayer (1960) 7.
17
Vgl. Kranzmayer (1960) 9, 14 u. 16; Kollmer (1988) 2,104.
18
Vgl. Kranzmayer (1960) 9, 14 u. 16; Kollmer (1988) 2,104; DSA Karte 21.
19
Vgl. dazu auch Matzel/Penzl (1982) 142.
20
Die Mundart im 19. und 20. Jh. bezeugen Höfer (1815) 1,188; Schatz (1955) 147 u. 150; Kranzmayer (1960) 14 u. 16; Gütter (1971) Karte 34 u. 35. Vgl. ferner die Untersuchung von Kranzmayer (1954). 21
Vgl. dazu auch DWB 11.1.1,253.
22
Zur rezenten Mundart vgl. Kranzmayer (1960) 9, 13, 18, 29, 33 u. 34.
Wortschatz
175
vnder dem Tencken arm (Cgm 249) 240r, auff dy dencken seytten (Cgm 232) 57r, meine tencke hant (Cgm 352) lOv, in der tencken seilten (Cgm 376) llr, tzur rechtten vndzu der tenncken (Cgm 505) 19vb, dein tencke hant (Cgm 529) 21ra, in das tenck aug (Cgm 543) 4r, zu der tencken seytten (Cgm 610) 180rb, zÜ bederseit der rechten vnd tencken BERTH. V. CHIEMSEE (1528) 16.3. 23
Bair. erftychtag14 'Dienstag' und pfinztag25 'Donnerstag' konnten vor allem in den Handschriften und Drucken des 15. Jh.s nachgewiesen werden; danach sind sie in der Schriftsprache selten und wohl nur noch im 16. Jh. gebräuchlich. erchtag (Cgm 290) 58r, Erichtag (Cgm 639) 43r, dass. APPELLATION (1480) 12, EINBL. (1485), erichtag EINBL. (1491), EINBL. (1494), EINBL. (1501). pfinztag (Cgm 225) 121v, pfingsttag EINBL. (1482a), pfintztag EINBL. (1491), pfinstag (1485), pfinncztag EINBL. (1586), pfm(g)stag EINBL. (1489), pfintztag EINBL. (1494), dass. EINBL. (1501). 26
Neben den sogenannten Kennwörtern führt Kranzmayer (1960) auch Lexeme auf, die eigentlich als bairische Kennformen zu bezeichnen sind. Es handelt sich hierbei um Wörter, die im Bairischen in einer bestimmten Form verbreitet sind. Sie wurden in der vorliegenden Untersuchung bereits bei den jeweiligen lautlichen Erscheinungen behandelt: vgl. o. kersche (Kap. 2.2.2), pfersich (Kap. 2.2.2), kuchel (Kap. 9.4.4), knoflauch (Kap. 10.3), impe 'Biene' (Kap. 12.1) und zand 'Zahn' (Kap. 13.3). Diese Kennformen sind in den bairischen Mundarten ebenfalls bis heute anzutreffen (Verfasser 1989). Hierbei ist zu berücksichtigen, daß es sich bei einem Teil um die reguläre althochdeutsche bzw. mittelhochdeutsche Form handelt, deren Geltungsareal erst im Frühneuhochdeutschen eingeschränkt wurde. 27 Zu den in diesem Abschnitt behandelten Wörtern existierten in den mitteldeutschen Sprachlandschaften im Frühneuhochdeutschen jeweils
23
Zur Mundart im 19. und 20. Jh. vgl. Schmeller (1872) 1,524 f.; Höfer (1815) 3,223 f.; Unger/Khull (1903) 149; Kranzmayer (1960) 13, 19 u. 29. 24
Vgl. dazu Kranzmayer (1960) 8 f., 12, 22 u. 29; Wiesinger (1987) 644-647; Kollmer (1988) 2,160; DSA, Karte 26 u. 44.
25
Vgl. Kranzmayer (1960) 12, 22 u. 29; Wiesinger (1987) 647-650; Kollmer (1988) 2,220; vgl. ferner pfintztag bzw. phintztag bei Bürgisser (1988) 136 u. 145. 26
Die Mundart ist vom 18. bis ins 20. Jh. dokumentiert durch Zaupser (1789) 23 u. 59; Schmeller (1872) 1,127 u. 1,437; Höfer (1815) 1,184 u. 2,325 f.; Unger/Khull (1903) 8 u. 203; Schatz (1955) 70 u. 148; Kranzmayer (1960) 12 f. u. 29; Maier (1965) 129 f. 27
Vgl. ahd. imbi, mhd. imbe; ahd. zand, mhd. zant.
176
Sprachliche Untersuchung
Konkurrenzformen, die die bairisch-oberdeutschen Varianten schließlich aus der Schriftsprache verdrängt haben. Es liegt die Vermutung nahe, daß bei diesem Selektionsprozeß die Schriften protestantischer Autoren aus dem mitteldeutschen Raum eine entscheidende Rolle gespielt haben.
19 Zwischenergebnis: Schreibsprachwandel als Folge mundartlicher Veränderungen
Wie oben (S. 23) bereits erwähnt, können mit den von der Frühneuhochdeutschforschung aufgestellten fünf Prinzipien 1 nicht alle Vorgänge, die für ein Zurückweichen mundartlicher Formen aus der bayerischen Schriftsprache verantwortlich sind, erklärt werden. Nach Meinung des Verfassers ist ein Teil der regionalen Varianten deshalb aus der Schriftsprache verschwunden, weil sich die gesprochene Mundart geändert hat. Es handelt sich hierbei um Erscheinungen, die heute infolge eines Sprachwandels in den meisten Teilen Bayerns nicht mehr gesprochen werden, in anderen Regionen des gesamtbairischen Sprachraums jedoch noch in dieser oder einer leicht abweichenden Form nachgewiesen werden können. 2 Da der Wandel nicht in allen bairischen Gebieten gleichmäßig erfolgt ist, können die verschiedenen Stufen der Entwicklung aufgezeigt werden. Damit dient die rezente Mundart einerseits als Nachweis, daß diese Phänomene im Frühneuhochdeutschen auch tatsächlich gesprochen wurden, andererseits verdeutlicht sie, daß sich die Aussprache dieser Form geändert hat. Besonders anschaulich zeigt sich dies in der Veränderung der nichthaupttonigen Vokale, bei denen der Wandel überwiegend auf eine Abschwächung bzw. auf völligen Vokalausfall (Synkope) zurückzuführen ist.3 Der Vokal beim Morphem -at (Kap. 2.4.1.2) in der 3. P. Sg. Ind. Präs. (z.B. erfrolockat) und 3. P. PI. Ind. Prät. (z.B. sie lobaten 'lobten'), der noch in der rezenten südbairischen Mundart nachzuweisen ist, verschwindet Ende des 15. Jh.s aus den untersuchten bayerischen Texten. Da er heute in Bayern nicht mehr gesprochen wird, ist er wohl im Frühneuhochdeutschen
1
Sie sind unten im Resümee in die Gesamtbetrachtung mit einbezogen.
2
Vgl. dazu oben in den entsprechenden Abschnitten die Ausführungen zur rezenten Mundart.
3
Es handelt sich hier zwar um Flexions- bzw. Wortbildungsmorpheme, da die Veränderungen jedoch auf einen Wandel der Aussprache zurückzuführen sind, empfiehlt es sich, diese Phänomene hier zusammenfassend aufzuführen.
178
Sprachliche Untersuchung
zu [-B] abgeschwächt und schließlich durch Synkope beseitigt worden. Weil der Konjunktiv (des Präteritums) bei den schwachen (und teilweise auch bei den starken) Verben auf [-Bd] gebildet wird,4 waren Formen wie (er) frolockat (3. P. Sg. Präs.), die in unseren Texten lediglich bis Ende des 15. Jh.s verwendet werden, nicht eindeutig gekennzeichnet. Neben der Abschwächung mit folgender Synkope muß daher bei < a t > auch berücksichtigt werden, daß der gleichlautende Konjunktiv II mitgewirkt hat, daß diese Formen in unserem Untersuchungsareal aufgegeben wurden. 5 Beim Superlativmorphem -ist (vgl. z.B. der eltist in Kap. 2.4.3) wurde die Betonung des Vokals bis ins 18. Jh. beibehalten. Die Abschwächung des Vokals hat das Verschwinden dieser Form beeinflußt und somit zur Schreibung -est geführt, die heute als [-ast] erscheint. Der Rückgang der Betonung ist vermutlich erst allmählich in der zweiten Hälfte des 18. Jh.s eingetreten, da der Vokal noch Anfang des 19. Jh.s in einigen Gebieten Bayerns anzutreffen war. Da das Morphem -ein (vgl. guidein in Kap. 3.5.1) bei Adjektiven in den untersuchten Texten nur bis ins 15. Jh. vorkommt und seit dem 16. Jh. mit wiedergegeben wird, ist es wohl wie in den rezenten Mundarten zu [-Bn] abgeschwächt worden. 6 Ähnlich verhält es sich mit dem Suffix auf mhd. -lieh bei Adjektiven und Adverbien, das nur bis ins 15. Jh. als auftritt (vgl. tegleich in Kap. 3.5.1). Vermutlich ist das Morphem -leich wie in der rezenten Mundart allmählich zu [-IBX] abgeschwächt worden. Die Diphthongierung der Adjektivendung mhd. -iu, die in den Texten bis Ende des 15. Jh.s als oder verwendet wird (vgl. z.B. ein schonew Jnsel in Kap. 5.5), ist heute nicht mehr anzutreffen. Diese Schreibung wurde wohl im 16. Jh. aufgegeben, weil sich der Diphthong wie in der heutigen Mundart zu [-B] abgeschwächt hat. Das Suffix -nus (vgl. verhengknus in Kap. 17), das heute als [-nBs] gesprochen wird, kommt in den untersuchten Texten bis ins 18. Jh. vor; in einigen Gebieten außerhalb Bayerns hat sich die volle Form -nus bis in
4
Die Mundart kennt den Konj. Präs. - bis auf wenige Ausnahmen - nicht. Dies ist wohl der Grund, daß in der 1. und 3. P. Sg. Konj. Präs. der starken und schwachen Verben (Kap. 2.4.5.3) in den untersuchten Texten kaum apokopiert wird. 5 Dieser Aspekt muß wohl auch beim Partizip Präsens auf -und (vgl. u.) in Erwägung gezogen werden. 6
Vereinzelt hat sich -ein in der gesprochenen Mundart offensichtlich bis ins 19. Jh. gehalten.
Zwischenergebnis
179
unser Jahrhundert gehalten. Die Abschwächung ist hier wohl erst in der Mitte des 18. Jahrhunderts eingetreten. Der unterschiedliche Wurzelvokal im Präteritum wurde in frühneuhochdeutscher Zeit bekanntlich vereinheitlicht. Im Bairischen ist dagegen auch bei diesen Verben ein einheitlicher Wurzelvokal anzutreffen, da im Partizip der Präsensstamm beibehalten wurde. 7 Das Partizipialpräfix ge- müßte bei diesen Verben nach der oben aufgestellten Regel vor Verschlußlaut wegfallen, denn der Vokal wird synkopiert und g- an den folgenden Konsonanten assimiliert, wenn das Grundmorphem mit einem Verschlußlaut beginnt. In den untersuchten Texten wurde hier jedoch ausschließlich die volle Form verwendet (vgl. die Belege für geprennt und gekennt in Kap. 15.1). Vielleicht wurde der Vokal in ge- lediglich zu [a] abgeschwächt. 8 D a f ü r sprechen die Verhältnisse in der rezenten Mundart, da ge- in einigen Teilen des gesamtbairischen Raumes bis heute erhalten geblieben ist; im Südbairischen ist das Präfix sogar in Formen wie gebraucht oder gelauben anzutreffen. 9 Der Sproßvokal (Kap. 3.7), der nach /l/ und /r/ auftritt, ist - bis auf eine Ausnahme -nur bis ins 15./16. Jh. belegt. Daß er danach aus der bayerischen Schriftsprache verschwindet, hängt mit der mittelbairischen Liquidenvokalisierung zusammen. Vermutlich hat der folgende Sproßvokal die Palatalisierung, die ja zwischen Vokalen in der Regel ausblieb, zunächst unterdrückt. Danach hat der Liquid vokalischen Charakter angenommen, bis der Sproßvokal schließlich ausgestoßen wurde, um einen Triphthong zu vermeiden (z.B. erib > *[euib] 'Erbe'). Für diese These spricht auch die Tatsache, daß der Sproßvokal heute nur noch im Südbairischen, also außerhalb des Gebietes mit Liquidenvokalisierung, verbreitet ist. Eine Ausnahme macht das Wort millich, das bis ins 17. Jh. belegt ist und auch heute noch als alleinige Form mit Sproßvokal nach /l/ und /r/ in Bayern anzutreffen ist. Anscheinend wurde hier die Liquidenvokalisierung stärker bzw. länger behindert, um den durch die Palatalisierung enstehenden Hiat zu vermeiden. Die heute in einigen Teilen des Mittelbairischen ver-
7
Das Imperfekt fehlt in der gesprochenen Mundart.
8
Die in weiten Teilen des Mittel- und Südbairischen anzutreffende Synkope bzw. Assimilation wäre dann erst später (18./19. Jh.) eingetreten. 9
Zu den verschiedenen Abstufungen und zur arealen Verteilung vgl. Kranzmayer (1956) § 29e und Karte 19; vgl. ferner Lessiak (1959) 145 und Wiesinger (1989) 63 ff.
180
Sprachliche Untersuchung
breiteten Formen [muiq] und [ηΐζΐς] zeigen, daß sich auch hier später, wenngleich nur regional begrenzt, die Vokalisierung durchgesetzt hat. Die aus gedehntem /u/ und /ü/ entstandenen Diphthonge erscheinen in unseren Texten vor Nasal und /r/bis ins 16. Jh. als < ü > , < u e > oder < ü e > (vgl. z.B. sän in Kap. 5.1). Der Diphthong wird im Bayerischen heute im wesentlichen nur noch vor /r/ gesprochen (Liquidenvokalisierung), vor /n/ wird der Vokal gedehnt und nasaliert. Vermutlich hat sich diese Nasalierung erst im 16. Jh. durchgesetzt und damit die Diphthongierung in zunehmendem Maße verhindert. Dafür spricht auch, daß die diphthongische Schreibung vor /n/ nur bis Anfang des 16. Jh.s vorkommt. Das durch die zweite Lautverschiebung entstandene /p-/ (vgl. Kap. 10.1) ist im Südbairischen bis heute erhalten geblieben, im Mittelbairischen ist dagegen Konsonantenschwächung eingetreten, so daß hier heute nur noch (anlautend) Halbfortis in Gebrauch ist. Daß die p-Schreibungen seit dem 16./17. Jh. allmählich aus unseren Texten verschwinden, ist wohl darauf zurückzuführen, daß /p-/ mit geringerem Atemdruck gesprochen wurde. Diese Lenisierung setzte zwar schon im 14. Jh. ein, ist aber offensichtlich nicht ganz durchgedrungen 10 und hat somit zu Unsicherheiten bei der Verwendung von < b - > und < p - > geführt. Wahrscheinlich trifft dies auch für die Phonemverbindung /-nt-/ zu, in der sich der Dental zunächst der Lenisierung widersetzt hat, wie die Belege zeigen (vgl. z.B. lebentig in Kap. 10.1). Da die Verbindung in den untersuchten Texten seit dem 16. Jh. zugunsten von aufgegeben wurde, liegt die Vermutung nahe, daß nun der Dental mit geringerem Atemdruck gesprochen wurde. Die mittelbairische Konsonantenschwächung spielt auch im folgenden Fall eine Rolle. Vorahd. /k/ wurde bekanntlich bei der zweiten Lautverschiebung zur velaren Affrikate /kx/ verschoben, die in den untersuchten Texten bis ins 15. Jh. im Anlaut als und danach als erscheint. Der Wechsel von zu im 15./16. Jh. zeigt vermutlich den durch die mittelbairische Konsonantenschwächung bewirkten Übergang von der Affrikate
10
Vgl. dagegen Bürgisser (1988: 131), der zu diesen /»-Schreibungen bemerkt: "Der Schreibdialekt reflektiert die Verhältnisse in der gesprochenen Sprache kaum unmittelbar. Das aus voroberd. fb/ stammende /p/ wurde im Bairischen (abgesehen von Teilen des Südbairischen) wie die anderen Fortes im Hochmittelalter lenisiert."
Zwischenergebnis
181
(c/i-Schreibung) zur Aspirata an. 11 Das behauchte k wird anlautend vor Vokal im Bayerischen bis heute gesprochen, im Südbairischen ist dagegen die velare Affrikate erhalten geblieben. Ist dies richtig, dann wäre als phonetische Schreibung aufzufassen. Mhd. w-, das in den untersuchten Texten anlautend bis ins 16. Jh. als < b - > vorkommt (vgl. z.B. beib 'Weib' in Kap. 10.2), wird heute nur noch in Teilen des Süd- und Nordbairischen als bilabialer Verschlußlaut gesprochen. Die Belege legen die Vermutung nahe, daß im Mittelbairischen bereits im 16. Jh. wieder Rückbildung zu /v/ (= < w > ) erfolgt ist. Der Wandel /v/ > /b/ wurde offensichtlich durch den Übergang von fb/ > /w/ (bilabialer Spirant) ausgelöst. Folgender Ablauf ist denkbar: Da sich /v/ zu sehr dem Spiranten /w/ annäherte, drohte ein Zusammenfall von /b/ und /v/, weshalb sich /v/ zu fb/ weiterentwickelte und die frei gewordene Stelle im Phonemsystem besetzte. Aufgrund der Entwicklung fb/ > /w/ könnten Formen wie beib auch als hyperkorrekte Schreibungen aufgefaßt werden. Die Verhältnisse in der rezenten Mundart 12 legen die Vermutung nahe, daß der Laut tatsächlich existiert hat. Die Rückentwicklung von fb/ zu /v/ ist wahrscheinlich ebenfalls auf die mittelbairische Konsonantenschwächung zurückzuführen: Da das bei der zweiten Lautverschiebung entstandene /p/ allmählich abgeschwächt wurde und sich dadurch fb/ näherte, wich dieses vermutlich durch Lautwandel aus; als Zwischenstufe ist hier wohl der stimmhafte Spirant /w/ anzusetzen. Dies würde erklären, warum in der bayerischen Schriftsprache seit der zweiten Hälfte des 16. Jh.s die Schreibung < b > für mhd. w aufgegeben wurde. 13 Der Übergang von /ui)/ > /um/ (z.B. betrachtum) konnte in bayerischen Handschriften und Drucken bis in die Mitte des 16. Jh.s nachgewiesen werden (vgl. Kap. 10.2). Daß dieser Laut, der heute im Mittelbairischen nicht mehr anzutreffen ist, früher auch gesprochen wurde, ist durch hyperkorrekte Schreibungen (vgl. heiltung = heiltum 'Heiligtum') und durch dialektologische Untersuchungen des 19. Jh.s (für den Lechrain) bezeugt.
11
Z u m Wandel von der Affrikate zur Aspirata vgl. Kranzmayer (1956) § 38a.
12
Vgl. o. in Kap. 10.2 die Ausführungen zu den heutigen Mundarten.
13
Das hier angesprochene "Strukturprinzip" spielt vor allem bei der Entwicklung der haupttonigen Vokale und Diphthonge eine wichtige Rolle.
182
Sprachliche Untersuchung
Im 16. Jh. ist offensichtlich wieder Rückbildung zu [-urj] eingetreten, weshalb < - u m > aus der bayerischen Schriftsprache verschwunden ist. Der Gleitlaut zwischen /n/ und /-el/ bzw. /-er/ tritt in den untersuchten bayerischen Quellen bis in die Mitte des 16. Jh.s auf. Vor dem Suffix -lieh (z.B. persöndlich) sowie der Verbindung -er (z.B. donder) ist er heute im Mittelbairischen nicht mehr anzutreffen, so daß wir davon ausgehen können, daß er im 16. Jh. aufgegeben wurde. Formen wie hoffentlich (mhd. hoffenlich) und flehentlich (mhd. vlehe(n)lich), die in die neuhochdeutsche Standardsprache mit Dental eingegangen sind, zeigen allerdings, daß die Rückbildung nicht überall erfolgt ist.14 Die Ausführungen haben gezeigt, daß das Zurückweichen mundartlicher Formen mit großer Wahrscheinlichkeit auch auf einen Wandel der gesprochenen Mundart zurückzuführen ist. Da die regionalen Varianten als Reflex der Mundart anzusehen sind, ist davon auszugehen, daß sich eine Veränderung der Mundart auch auf diese Formen auswirkt. Dies kann zwar nicht mit absoluter Sicherheit bewiesen werden, muß aber als möglicher Faktor mit berücksichtigt werden. Auch wenn noch andere Gründe eine Rolle gespielt haben sollten, ist der Wandel der gesprochenen Mundart nicht zu unterschätzen, weil dadurch die mundartlichen Formen ihre Stütze verloren haben. Das oben auf S. 22 angesprochene Strukturprinzip muß vor allem bei der Entwicklung der haupttonigen Vokale und Diphthonge in Betracht gezogen werden. Der Verfasser geht dabei von der These aus, daß bestimmte mundartliche Erscheinungen in den untersuchten Texten deshalb nicht nachgewiesen werden konnten, weil sie noch nicht oder nur in Ansätzen ausgeprägt waren. Die Vorgänge wurden in diesem Fall durch einen drohenden Phonemzusammenfall behindert, was zu einer Verzögerung oder zu einem Sonderweg geführt hat. Ausgangspunkt dieser Überlegung ist der aus mhd. /ei/ entstandene Diphthong /QB/, der in den untersuchten Texten nicht nachgewiesen werden konnte. Die Entwicklung dieser Lautung bereitet erhebliche Schwierigkeiten, da mehrere Zwischenstufen angesetzt werden müssen. Nach Kranzmayer (1956: § 20al) wird der Wandel /ei/ > /QB/ durch die Veränderung der ganzen Reihe /ei ou öi/ ausgelöst, die im 12. Jh. durch den Übergang von
14
Vielleicht haben in diesen Fällen aber auch außersprachliche Faktoren eine Rolle gespielt.
Zwischenergebnis
183
/ou/ > /au/ eingeleitet wird. Die Theorie der Reihenentwicklung, die in anderen Fällen durchaus wahrscheinlich ist, wirkt hier jedoch nicht überzeugend, da diese Reihe eine Ausnahme macht und /ei/ nicht vollständig zu /a:/ wird, wie dies bei /ou/ und /öi/ der Fall ist: Mhd. /ei/ schlägt einen Sonderweg ein und bildet zahlreiche Varianten und Zwischenstufen, die heute noch in der rezenten Mundart anzutreffen sind. Konsequent erfolgt die Entwicklung lediglich bei dem aus ahd. -egi- entstandenen Diphthong (z.B. bei ahd. seginsa 'Sense'). 15 Die Ursache für diesen Wandel ist m.E. die bairische Diphthongierung, 16 die das mittelhochdeutsche Phonemsystem grundlegend verändert. Folgender Ablauf ist denkbar: Aufgrund der Diphthongierung von mhd. /i:/ > /ei/ entwickelt sich der alte Diphthong /ei/ durch Öffnung des ersten Bestandteils zu /ai/, um einen Zusammenfall der beiden Laute zu vermeiden. Als /ei/ (< mhd. /i:/) ebenfalls in /ai/ übergeht, bewirkt dies bei /ai/ (< mhd. /ei/) erneut einen Wandel: Da ein "Sprung" von /ai/ > /qe/ unwahrscheinlich ist, bietet sich als nächste Stufe der Diphthong /qi/ an, 17 der über [Qe] zu [qs] und schließlich zu /qe/ wird. Die folgende Übersicht soll dies noch einmal verdeutlichen (mhd. /i:/ und /ei/ sind durch Fettdruck hervorgehoben): /i:/ i
/ei/
=>
/ei/
l
l
/ai/
/ai/ i
/Qi/ [oi] I
15 In nhd. Getreide (ahd. gitregidi) wird heute allerdings der fallende Diphthong gesprochen. Wiesinger (1970: 2,126) vermutet, daß es als mitteldeutsches Lehnwort bereits mit /ei/ ins Bairische übernommen wurde. Wahrscheinlicher ist aber, daß Getreide im Bairischen auf ahd. gitragidi zurückgeht (Belege im DWB 4.1.3,4453). 16
Lüdtke (1968) äußert übrigens Bedenken zu der von Lindgren (1961) dargestellten Ausbreitung der neuhochdeutschen Diphthongierung; vgl. dazu auch die Erwiderung von Lindgren (1968). Vgl. ferner Jones (1979), der anhand einer computergestützten Untersuchung auf Schwächen bei Lindgren (1961) hinweist. Zur Diphthongierung in mittelhochdeutschen Handschriften vgl. auch Russ (1982) 161-171. 17
Vorher ist wohl [oi] anzusetzen.
184
Sprachliche Untersuchung
Verstärkt wurde dieser "Schub" durch die Tatsache, daß der aus mhd. /ü:/ entstandene Diphthong /oi/ zu /ai/ entrundet wurde. Die Graphik muß somit um den Wandel /ü:/ > /oi/ > /ai/ erweitert werden: /ü:/ i /oi/ i
/i:/ l /ei/ i
/ei/ ;
/ai/
/ai/
/ai/ /Qi/ [oi] /qb/
Die Entrundung /oi/ > /ai/ ermöglichte vermutlich erst die Bildung des Diphthongs /qi/ (< mhd. /ei/ über [oi]) an der freigewordenen Stelle im Phonemsystem. Es stellt sich nun die Frage, ob diese Zwischenformen (von /qi/ zu /qb[) in unserem Untersuchungsareal vorhanden waren und in welchem Maße sie sich durchsetzen konnten. Die Verhältnisse in der rezenten Mundart zeigen, daß der Diphthong /qi/ (< mhd. /ei/), der heute noch in Teilen des Süd- und Nordbairischen vorkommt, tatsächlich in größeren Bereichen existiert hat. Andreas Zaupser (1789: 2) erwähnt diesen Laut für die Oberpfalz und bringt als Beispiele die Formen Gschroy, oigti, zoign, hoimli und Oid.w Es ist unwahrscheinlich, daß die Entwicklung durch die im Französischen ähnliche Lautung beeinflußt wurde (vgl. frz. trois). Bei den aus dem Französischen übernommenen Wörtern, die in der mittel- und frühneuhochdeutschen Literatur in großer Zahl anzutreffen sind,19 wurde der Diphthong wohl nach der französischen Vorlage noch als /oi/ (/qi/ ?) gesprochen (der fallende Diphthong hat sich im Französischen erst im 18. Jh. entwickelt). 20 Eine Beeinflussung könnte somit erst später erfolgt sein, was jedoch bei zwei so unterschiedlichen Sprachsystemen kaum anzunehmen ist.
18
Interessant sind in diesem Zusammenhang die in Kap. 4.2 aufgeführten Belege auf < o e > , die wohl die Diphthongierung von /o:/ widerspiegeln.
19 Vgl. beispielsweise courtois, roy oder schoy, die auch noch im 15. Jh. häufig verwendet werden. 20
Vgl. dazu die Übersicht bei Meyer-Lübke (1913) § 83.
Zwischenergebnis
185
Die oben geschilderten Vorgänge müssen auch im Zusammenhang mit anderen Phänomenen betrachtet werden: Die Monophthongierung von mhd. -öuw- (über die Zwischenstufe /ai/)21 zu /a:/ zeigt sich nur noch in den Handschriften des 15. und vereinzelt in den Drucken des 16. Jh.s. Mhd. ströuwen weicht hiervon erheblich ab, da es noch Ende des 17. Jh.s in der monophthongierten Variante vorkommt. Vermutlich war hier die Monophthongierung am weitesten verbreitet; in den übrigen Beispielen (z.B. nhd. Heu oder Gau, bair. Gäu) existierten zunächst die entrundeten und monophthongierten Formen nebeneinander, bei mhd. vröuwen offensichtlich nur die entrundete Form. Die anhand der untersuchten Texte ermittelten Belege (vgl. Kap. 8) zeigen, daß bei ströuwen die Monophthongierung am stärksten durchgedrungen war, bei den übrigen Formen (mhd. höuwe und göuwe) nur zum Teil, bei vröuwen nur in Ansätzen oder gar nicht.22 Gestützt wird diese These durch die rezente Mundart, in der vor allem nhd. streuen (häufig auch das Part. Perf.) mit hellem /α:/ verbreitet ist, während bei Heu und Gau (bair. Gäu) die monophthongierten Varianten in zunehmendem Maße in den Hintergrund treten; nhd. freuen (mhd. vröuwen) ist heute dagegen nur in der entrundeten Form anzutreffen. Also muß auch in diesem Fall der Wandel in Zusammenhang mit der neuhochdeutschen Diphthongierung gesehen werden, wobei die Diphthongierung von mhd. /u:/ und /ü:/ die Entwicklung von mhd. /öi/ beeinflußt hat. Bei der Diphthongierung von /u:/ > /au/ ist als Zwischenstufe vermutlich /ou/ anzusetzen. 23 Um einen Zusammenfall zu verhindern, wurde mhd. /ou/ durch Senkung des ersten Bestandteils (über *[QU]) Z U /au/. Da sich nun
21
Diese von der Forschung aufgestellte These (zuletzt von Maier 1965: 104 unter Berufung auf Reiffenstein 1955: 13), daß /öi/ zunächst zu /ai/ entrundet und dann zu /a:/ monophthongiert wurde, wird auch von den in Kap. 8 aufgeführten Belegen gestützt. 22 23
Anscheinend hat das w die Monophthongierung behindert.
Schmitt (1931: 83 f.) erklärt die Diphthongierung mit einem Abnehmen der Vokalspannung, was zu einer Verminderung der "Artikulationspräzision" führt. Wrede (1939:267 ff.) nimmt an, daß es durch Apokope zunächst zur Akzentkonzentration auf der ersten Silbe kommt; bei mhd. /u:/ entsteht dann zweigipfliges uu, das anschließend dissimiliert wird. Erben (1970: 404) sieht die Ursachen der Diphthongierung in einer "Überdehnung, die zu einer gewissen Artikulationsbewegung, einer Zweigipfligkeit und schließlich zu einer Öffnung und Senkung des ersten Elements führt". Nach dieser Theorie, die am überzeugendsten klingt, muß bei der Diphthongierung von mhd. /u:/ die Zwischenstufe /ou/ entstehen. Die Schreibung < o u > (für mhd. /u:/) beweist, daß dieser Laut tatsächlich existiert hat; vgl. beispielsweise die Belege für hous bei Lexer 1,1399 und die Ausführungen bei Lindgren (1961) 21.
186
Sprachliche Untersuchung
/ou/ ( < mhd. /u:/) ebenfalls allmählich zu /au/ weiter entwickelte, trat die Monophthongierung von /au/ (< mhd. /ou/) > /a:/ ein. Vgl. dazu die folgende Übersicht (mhd. /u:/ und /ou/ sind durch Fettdruck hervorgehoben):
In:/ i
/ou/ l
/au/
=*· /ou/ i /au/
; /a:/ Parallel dazu hat die Diphthongierung von Mhd. /ü:/ > /oi/ (über [öi]) bewirkt, daß mhd. /öi/ zu /ai/ entrundet wurde. Danach erfolgte wegen /ai/ aus mhd. /i:/ der Wandel zu /a:/, um einen Zusammenfall von mhd. /ü:/ und /öi/ zu vermeiden. Die Übersicht wird daher im folgenden um den Wandel /öi/ > /ai/ > /a:/ erweitert (mhd. /u:/, /ou/ und /öi/ sind durch Fettdruck gekennzeichnet): /u:/ /ou/
/ou/ /au/
/öi/ i /ai/
/a:/
/a:/
; /au/
; Wie in Kap. 7.2 dargelegt, war auch mhd. /ei/ (über /ai/) zu /a:/ geworden, wodurch ein Zusammenfall mit dem aus mhd. /ou/ und /öi/ entstandenen Laut drohte. Hierbei muß auch berücksichtigt werden, daß die aus mhd. /i: u: ü:/ entstandenen Diphthonge /ai/, /au/ und /ai/24 seit dem 1300 ebenfalls vorübergehend zu /a:/ monophthongiert wurden. 25 Daß dieser Laut bald wieder aufgegeben wurde, hängt wohl mit der Monophthongierung der aus
24
Hier ist /ü:/ > /oi/ > /ai/ anzusetzten.
25
Vgl. Kranzmayer (1956) § 13e u. § 20el sowie Bürgisser (1988) 54.
Zwischenergebnis
187
mhd. /ou öi ei/ entstandenen Laute zusammen. 26 Der Wandel zu /a:/ ist bei /ou/, /öi/ und /ei/ wohl zeitlich verschoben eingetreten und nicht überall gleichmäßig durchgedrungen. Bei einem Teil der Wörter ist offensichtlich bald wieder Rückbildung erfolgt. Im Bayerischen wurde der Monophthong /a:/ ( < mhd. /ei/) völlig aufgegeben, so daß hier heute nur noch /QB/ bzw. /QI/ anzutreffen ist. Dies würde erklären, warum die regionalen Varianten, die diesen Laut widerspiegeln, 27 aus den untersuchten Texten Anfang des 16. Jh.s verschwunden sind. In der Verbindung mhd. -öuw- ist die Monophthongierung nur zögernd erfolgt, da das folgende w offensichtlich die Entwicklung behindert hat. 28 Die verschiedenen Entwicklungsstadien sind in der rezenten Mundart noch deutlich zu erkennen, die bei mhd. -öuwFormen mit Monophthong und /ai/ aufweist (bei mhd. /ei/ ist das hier gesprochene helle /α:/ heute im wesentlichen auf das Österreichische beschränkt). Das Nebeneinander von /a:/ und /ai/ zeigt sich auch in den in Kap. 8 aufgeführten Belegen, die als Reflex der gesprochenen Mundart angesehen werden können. Die Ausführungen verdeutlichen, wie sich die einzelnen Laute in ihrer Entwicklung gegenseitig beeinflußt haben. Auslösendes Moment für den oben beschriebenen Schub und die dadurch in Gang gesetzte Kettenreaktion war die bairische Diphthongierung, die auf die Reihe mhd. /ei ou öi/ großen Druck ausübte und dadurch einen umfassenden Lautwandel einleitete. Diese Theorie steht im Widerspruch zu der Auffassung Kranzmayers (1956),29 der davon ausgeht, daß sich die Reihe /ei ou öi/ (unabhängig von der Diphthongierung) als Ganzes verschoben hat. Die oben einzeln aufgeführten Schritte sollen im folgenden noch einmal zusammenfassend anhand einer Graphik betrachtet werden:
26
Vielleicht ist wegen /a:/ ( < mhd. /i: u: ü:/) bei mhd. /ou öi ei/, die ja ebenfalls zu /a:/ wurden, die Weiterentwicklung zum hellen la:l erfolgt, das heute noch anzutreffen ist. 27
Vgl. z.B. fläsch in Kap. 7.2.
28
Vermutlich konnte der Wandel von /öi/ > /a:/ ohnehin erst durch die Rückbildung des aus mhd. /ei/ entstandenen Monophthongs erfolgen. 29 Vgl. ebd. S. 58.: "Als um 800 nach Ausweis der Schreibungen ou für älteres au eintrat, wurde gleichzeitig auch ei aus ai gebildet, und als sich zu Beginn des 12. Jhs. Rückentwicklung von ou zu au bemerkbar machte, wurde parallel dazu ei wieder zu ai verwandelt."
188
Sprachliche Untersuchung
lui/
lü:l
i
l
Ii:/ ι
/oi/[öi]
/ei/
/ou/
/ou/
/öi/
/ei/
1
4
1
l
i
l
/au/
/au/
/ai/
/ai/
/ai/
/ai/
i
l
1
ι
1
C/a:/)
/a:/
/a:/
(/a-D
(/a :f)
/a://Qi/ l
D i e Übersicht veranschaulicht, daß die Diphthongierung mehrmals beinahe zu einem Zusammenfall mehrerer Laute führte, wodurch die Reihe /ou öi ei/ aufgelöst wurde. Bei der Weiterentwicklung drohten in /au/ zwei, in /ai/ vier und in /a:/ drei 30 Laute zusammenzufallen. Diese Entwicklung läßt sich sehr gut anhand einer Liniengraphik verfolgen, wobei wegen der besseren Übersicht auf die Schrägstriche verzichtet wird.31
u: ou
ou
öi
au
au
ai
a:
a:
[öi]
ü:
i:
oi
ei
ei
ai
ai
ai
a:
Qi QB
Diesen Überlegungen liegt die These zugrunde, daß dann ein phonemischer Lautwandel
eintritt, wenn die "Sicherheitszone",32
die jedes
Phonem
umgibt, überschritten wird. Kommt es dennoch zu Phonemzusammenfall,
30
Da der aus mhd. /i: u: ü:/ entstandene Monophthong bald wieder aufgegeben wurde, ist
er hier nicht berücksichtigt; in der Graphik ist er deshalb zwischen runde Klammern gesetzt. 31
Beim Wandel /ü:/ > /oi/ ist als Vorstufe [öi] anzusetzen.
32
Vgl. zu diesem Terminus Martinet (1981) 44 ff.
Zwischenergebnis
189
tritt bald Weiterentwicklung ein. Vermutlich war der Zusammenfall in /au/ oder /ai/ etc. nur in Ansätzen vorhanden. Denkbar ist, daß sich die Laute (vor allem bei /ai/) aneinander vorbei entwickelt haben, wenn ein Zusammenfall drohte. Dieser Vorgang demonstriert die Dynamik und Leistungsfähigkeit der gesprochenen Mundart, die sich in nichts von anderen Varietäten unterscheidet, sondern die sich im Gegenteil - da frei von äußeren Normierungseinwirkungen - organisch entwickeln kann. Also ist die Vorstellung von einem bewußt darauf achtenden und dementsprechend reagierenden Mundartsprecher, wie er eventuell als Pfeilspitze eines Gegenargumentes konstruiert werden müßte, völlig obsolet; dessen bedarf es nicht. Die Übersicht verdeutlicht den Umbau des Phonemsystems: Die langen Extremvokale mhd. /i: u: ü:/ wurden diphthongiert, die Diphthongreihe mhd. /ei ou öi/ wurde monophthongiert. 33 Damit war im "Idealfall" (in den bairischen Mundarten gibt es zahlreiche Ausnahmen!) die Symmetrie wieder hergestellt. Das Ausbleiben der frühneuhochdeutschen Monophthongierung von /ie uo üe/ im Bairischen könnte somit mit der "Geschlossenheit" des Phonemsystems (im Mittelbairischen), die nach der Monophthongierung von /ei ou öi/ wiederhergestellt war, erklärt werden. Das Ausbleiben der mitteldeutschen Monophthongierung spiegelt sich in unseren Texten deutlich wider: Die mittelhochdeutschen Diphthonge /ie/ und /uo/ treten bis ins 18. Jh. als < i e > und < u e > auf (vgl. Kap. 6.1 und 6.2). Der auf mhd. /üe/ zurückgehende Diphthong läßt sich in der Schreibung < ü e > und bis ins 17. Jh. nachweisen. Die Beurteilung dieser Zeichenverbindungen ist schwierig, da mhd. /üe/ seit dem 13. Jh. zu /in/ entrundet wurde. Die Verhältnisse in der rezenten Mundart und orthoepische Zeugnisse sprechen dafür, daß diese Entlabialisierung tatsächlich existiert hat. Darüber hinaus treten in den untersuchten Texten bis ins 18. Jh. zahlreiche Formen mit auf (vgl. z.B. betriebt in Kap. 6.3), die auf Entrundung hinweisen. Diese Tatsache muß bei der Interpretation von < ü e > berücksichtigt werden. Die Gegebenheiten in der heutigen Mundart zeigen, daß die Entlabialisierung nicht überall durchgedrungen ist; so fehlt sie beispielsweise in Teilen des Südbairischen, wo stattdessen /ÜB/ gebraucht wird. Vielleicht war die Entrundung /ÜB/ > /ΪΒ/ im Bayerischen zunächst nur in Ansätzen entwickelt, was auf den drohenden Phonemzusammenfall zurückgeführt werden könnte. Diese Vorstufe hat zu Unsicherheiten bei der
33 Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, daß in unserem Untersuchungsareal zum Teil wieder Rückbildung eingetreten ist.
190
Sprachliche Untersuchung
Verschriftung geführt, weshalb neben < i e > auch Formen mit < ü e > vorkommen. Das Zurücktreten der Varianten auf < ü e > in der bayerischen Schriftsprache würde somit den Übergang zur völligen Entrundung anzeigen. Die Betrachtung der Diphthonge konzentrierte sich im wesentlichen auf das Mittelbairische. Die Oberpfalz, die ebenfalls in die Untersuchung mit einbezogen wurde, war hierbei ausgeklammert, da im Nordbairischen aufgrund der sogenannten gestürzten Diphthonge die Verhältnisse anders liegen. Die Entwicklung dieser Laute, die bis auf eine Ausnahme nicht nachgewiesen werden konnte, ist schwierig zu erklären. Vielleicht ist deren Entstehung im Zusammenhang mit der Liquidenvokalisierung zu sehen. Da die Vokalisierung von /l/, bei der ebenfalls steigende Diphthonge entstehen, im Nordbairischen ausblieb, konnten sich hier die gestürzten Diphthonge ungestört entwickeln. 34 Die Darstellung hat gezeigt, wie sich der Wandel der einfachen Vokale und Diphthonge gegenseitig beeinflußt. Dieses Zusammenspiel kann in vielen Bereichen auch anhand der oben aufgeführten Belege verfolgt werden. Im Mittelbairischen wird die Analyse allerdings durch die Liquidenvokalisierung, bei der zahlreiche steigende und fallende Diphthonge entstehen, erschwert. In den untersuchten Texten tritt diese Erscheinung nur vereinzelt in Handschriften des 15. Jh.s als scheinbarer Konsonantenschwund auf (z.B. pad 'bald'). Die Form pad zeigt wohl eine Vorstufe der Liquidenvokalisierung an, bei der das /l/ zunächst leicht palatalisiert wird und schließlich in [/] (palataler Lateral) übergeht. 35 Diese Zwischenstufen sind heute noch in Teilen des Süd- und Nordbairischen anzutreffen, in denen die Liquidenvokalisierung nur ansatzweise durchgedrungen ist. Die nächste Stufe wäre dann die vollständige Vokalisierung des Liquids. Es drängt sich die Vermutung auf, daß die Vokalisierung während des Untersuchungszeitraums im Bayerischen noch nicht so stark ausgeprägt war und deshalb nicht bezeichnet wurde. Dies würde auch erklären, warum bei mehreren oben beschriebenen Phänomenen zahlreiche Formen mit / und r nach Vokal nach-
34
Bekanntlich können steigende Diphthonge ab einer bestimmmten Anzahl nur noch schwer auseinandergehalten werden. 35
Der vorangehende Vokal erfährt bei al eine Verdumpfung bzw. Hebung.
191
Zwischenergebnis
gewiesen werden konnten, die ja im Mittelbairischen aufgrund der Liquidenvokalisierung nicht v o r k o m m e n können. Vgl. dazu die folgende Übersicht: e ö i ü α ο e
> ö > e > ü > i > ο > α > i
(Kap. (Kap. (Kap. (Kap. (Kap. (Kap. (Kap.
2.3) 4.3) 3.3) 5.4) 1) 4.1) 2.2)
(z.B. Stötten, hör ' H e e r ' ) (z.B. frelich, kemdl 'Körnchen') (z.B. spül 'Spiel', wür 'wir') (z.B. verhillen, virsten 'Fürsten') (z.B. czolper 'zahlbar', worhait) (z.B. sal 'soll', zarnig36 'zornig') (z.B. kirzen 'Kerze')
Die R u n d u n g /e/ > /ö/ ist heute im Nordbairischen, am Lechrain und in Teilen des Südbairischen, die R u n d u n g /i/ > /ü/ noch in Teilen des Nordund Südbairischen verbreitet. Die oben aufgeführten Belege (vgl. Stötten, hör, spül und wür) lassen den Schluß zu, daß früher auch im westlichen Teil des Mittelbairischen ein mehr oder weniger stark gerundeter Vokal gesprochen wurde. D a in diesen Fällen im Mittelbairischen h e u t e Liquidenvokalisierung anzutreffen ist, würde dies bedeuten, daß die Vokalisierung im 15. (16.?) Jh. noch nicht oder erst in Ansätzen ausgeprägt war. D i e in Kap. 3.1 (/i/ > /ΪΒ/) und 5.1 (/u/ > /UB/) aufgeführten Belege, wie beispielsweise wier 'wir' und wärm, scheinen diese These zu widerlegen, da hier eindeutig der Diphthong vor Liquid bezeugt ist. Eine mögliche Erklärung wäre, d a ß die Vokalisierung von /r/, bei der nur fallende Dip h t h o n g e entstehen können, stärker als die /-Vokalisierung durchgedrungen ist. Vgl. dazu die folgende Zusammenstellung der dabei e n t s t a n d e n e n Laute: al
el
l
/qif /Qi/ /Σΐ/
il i
/ui/
ul
ol
ar
i
i
I
/ui/
/oi/
/QB/
or I
er
ir
I /QB/
ur I
/IB/
I
Μ
D a bei -ir- und -ur- als zweite Konstituente lediglich ein Schwalaut hinzutritt, hat sich hier der Diphthong wohl früher ausgebildet. F o r m e n wie wärm o d e r wier zeigen somit eine Zwischenform der Liquidenvokalisierung an, bei d e r der D i p h t h o n g u n d der Liquid gesprochen wurden. D a ß die Liquidenvokalisierung in der Verbindung -ar- und -or- nicht
36
Bei Formen auf ar ( < mhd. or) ist allerdings zu berücksichtigen, daß hier in einigen Gebieten [or] bzw. [är] gesprochen wird.
192
Sprachliche Untersuchung
nachgewiesen werden konnte, hat vermutlich verschiedene Ursachen. Bei mhd. -ar-, das heute in Teilen des Mittelbairischen als /QB/ erscheint, muß als Zwischenstufe /Qr/ angesetzt werden. Die Belege in Kap. 1 (vgl. z.B. jor 'Jahr') spiegeln diese Hebung wider. Die Beispiele auf < o r > ( < mhd. ar), die bis ins 16. Jh. auftreten, legen die Vermutung nahe, daß hier die rVokalisierung noch nicht durchgedrungen war. Die nächste Stufe, der Wandel /Qr/ > /QB/ (über [ Q A ] ? ) konnte in den untersuchten Texten nicht nachgewiesen werden. Dies gilt auch für den aus mhd. or entstandenen Diphthong /QB/, der ebenfalls die Lautung /Qr/ voraussetzt. Die Weiterentwicklung von /Qr/ ( < mhd. ar und or) zu /QB/ wurde wohl durch die Tatsache gestört, daß dies zu einem Zusammenfall mit mhd. /ei/ geführt hätte, das sich ebenfalls zu QB/ entwickelt hat. Aus diesem Grund entzieht sich /or/ offensichtlich zunächst der Liquidenvokalisierung und beharrt auf /Qr/, oder der Vokal wird um einige Grade gesenkt. Dieses Ausweichen vor dem drohenden Zusammenfall ist heute noch in Teilen des Mittelbairischen zu beobachten, das für mhd. or die Lautung [Qr] bzw. [är] aufweist. Die Belege in Kap. 4.1 (z.B. darff'Dorf) zeigen, daß diese Entwicklung bereits im 15. Jh. vollzogen war. Der Wandel /ol/ > /oi/ wurde vermutlich wegen mhd. /oi/ behindert und konnte sich deshalb erst nach der Entrundung /oi/ > /ai/ ausbilden. Probleme gab es wohl auch bei mhd. al und el, da hierbei Iqil entsteht, wodurch Zusammenfall mit /QI/ aus mhd. /ei/ drohte. Umgekehrt könnte die beginnende Palatalisierung aber auch den Wandel mhd. /öi/ > /ai/, /oi/ ( < mhd. /ü:/) > /ai/ und ΙψΙ ( < mhd. /ei/) > /QB/ beschleunigt haben. Im folgend werden die für diese Überlegungen wichtigen Verbindungen mhd. al, el, ol, ar und or in die Graphik von S. 188 integriert:
/u:/ ; /ou/ i /au/
/ou / i /au/ i /a:/
/öi/ l /ai/ l /a:/
/ü:/ ; /oi/ I /ai/
ol I /oi/
/[:/ I /ei/ I /ai/ 4 /a:/
ar
or
al
el
/ei/ ; /ai/ 4 Iqil i
l
i
l
i
4
4 /q\/
M/
/QB/
/QB/
/QB/
Zwischenergebnis
193
Betrachtet man die Entwicklung der mittelhochdeutschen langen Extremvokale und der Reihe /ei ou öi/, dann wird deutlich, daß sich dieser Wandel und die Liquidenvokalisierung gegenseitig beeinflußt haben. Die Übersicht demonstriert, daß mhd. al und el sowie ar und or zusammengefallen sind; diese Tatsache hat vermutlich die Palatalisierung verzögert bzw. in einigen Mundarten verhindert. Dies gilt wohl auch für mhd. il und ul, die deshalb in den untersuchten Texten nicht nachgewiesen werden konnten. Der drohende Zusammenfall von il und ul (zu /ui/) hat anscheinend auch bewirkt, daß die Entwicklung des aus altem /iu/ entstandenen Diphthongs /ui/ nur zögernd erfolgt ist. Stattdessen ist offensichtlich schon vorher der Diphthong /oi/ durchgedrungen, der in den Texten als < e u > oder < e w > erscheint (vgl. Kap. 5.5) und heute noch in Teilen des Bairischen anzutreffen ist. Die Ausführungen verdeutlichen, wie sehr die Gegebenheiten in der Mundart die Schriftsprache beeinflussen können. Eine besondere Rolle spielt in diesem Zusammenhang der im (Mittel-)Bairischen verbreitete Diphthong /QB/, da dieser auf vier unterschiedliche Ausgangspositionen zurückzuführen ist. Dieses Phänomen, das durch die Liquidenvokalisierung enstanden ist, soll abschließend die oben geschilderten Vorgänge noch einmal zusammenfassend verdeutlichen. Die einzelnen Stränge der Entwicklung werden im folgenden anhand einer Graphik demonstriert: mhd. /ar/ mhd. /or/ /QB/ mhd. /uo/ (vor Nasal) mhd. /ei/ Dieser Zusammenfall in einigen mittelbairischen Mundarten, der offensichtlich nur zögernd erfolgt ist, ist äußerst bemerkenswert. Es empfiehlt sich, zunächst die Zwischenstufen zu betrachten: /ar/ /or/ /uo/ /ei/
> >
/QT/
/Qr/
>
/ÜB/
>
/Qi/
194
Sprachliche Untersuchung
Bereits in diesem Stadium drohte ein Zusammenfall (von ar und or), der jedoch durch das Ausweichen auf [är] zunächst umgangen werden konnte. Die Weiterentwicklung wurde nun offensichtlich durch den drohenden Phonemzusammenfall verzögert. Dies ist wohl der Grund dafür, daß der (vielleicht schon in Ansätzen entwickelte) Diphthong /QB/ nicht widergegeben wurde. 37 Dieses Beispiel demonstriert anschaulich, wie sich die Laute gegenseitig beeinflußt haben. Ein drohender Phonemzusammenfall kann bewirken, daß ein Sonderweg eingeschlagen wird (vgl. dazu auch den in Kap. 7.2 beschriebenen "Ersatzwandel" /ei/ > /ai/ > ja:[). Ist dies nicht der Fall, wird die Weiterentwicklung zunächst verzögert. Dieser Vorgang, der - wie oben gezeigt wurde - auch für andere Phänomene gilt, wäre eine mögliche Erklärung dafür, warum mehrere mundartliche Erscheinungen in den untersuchten Texten nicht nachgewiesen werden konnten.
37
Die rezente Mundart zeigt, daß mhd. /ar/, /or/, /uo/ (vor Nasal) und /ei/ später dennoch zusammengefallen sind. Zu diesem Zeitpunkt war jedoch das Graphemsystem in unserem Untersuchungsareal bereits so gefestigt, daß keine neuen Zeichen mehr eingeführt wurden. Dieser Aspekt muß auch für andere mundartliche Erscheinungen in Erwägung gezogen werden.
II. Sprachnorm und Sprachnormierung
Wie oben ausgeführt, ist das Zurückweichen regionaler Varianten aus der bayerischen Schriftsprache zum Teil auf Lautwandelvorgänge innerhalb der gesprochenen Mundart zurückzuführen. Damit allein läßt sich der vom 15. bis zum 18. Jh. in Bayern zu beobachtende Schreibsprachwandel jedoch nicht erklären. Selbstverständlich sind auch außersprachliche Momente, nämlich politische und kulturelle Gegebenheiten zu berücksichtigen, womit der Komplex von Sprachnorm und Sprachnormierung angesprochen ist. In diesem Zusammenhang stellen sich verschiedene Fragen, die im folgenden zu beantworten sind, nämlich: In welchem Umfang sind Normierungsinstanzen 1 für die Entwicklung der bayerischen Schriftsprache verantwortlich zu machen? Welches Gewicht kommt dabei der in Mitteldeutschland geltenden Sprachnorm zu? Seit wann ist im eigentlichen Sinne von einer Normendiskussion zu sprechen, und welche Tendenzen lassen sich hierbei erkennen? Die Klärung dieser Fragen setzt zunächst einige grundsätzliche Überlegungen zu den Kernbegriffen Sprachnorm und Sprachnormierung voraus.
1
Zur Sprachnormierung allgemein vgl. Winterling (1974); zum Verhältnis von Sprachnorm, Sprachwandel und Sprachlenkung Moser (1967); zu Sprachnorm und Sprachwandel allgemein Äugst (1977).
0 Allgemeine Vorüberlegungen
0.1 Sprachnorm und Sprachwandel
Normen sind "allgemein anerkannte, also verbindlich geltende Regeln; Richtschnur, Maßstab für das Zusammenleben der Menschen." 2 Sie sind durch gemeinsame Handlungen (Konventionen), aber auch durch regelmäßiges Handeln festgelegt. 3 Sprachnormen sind somit als soziale Normen aufzufassen. 4 Küchler/Jäger (1976: 61) verstehen unter Sprachnormen "die Gesamtheit der sprachlichen und nichtsprachlichen Regeln, die dem Sprachverhalten bestimmter sozialer Gruppen tatsächlich zugrunde liegt. Abweichungen von Sprachnormen, die sich ja immer nur im Sprachverhalten manifestieren, liegen demnach immer dann vor, wenn Unterschiede im Sprachverhalten verschiedener sozialer Gruppen festzustellen sind." Nach Gloy (1980: 365 f.) lassen sich im wesentlichen grammatisch-semantische 5 und situative 6 Normen unterscheiden, wobei letztere in Normen der Äußerungsqualität,7 der Realisationsarten von Sprache 8 und der nichtsprach-
2
Duden 4 (1978) 1894. - Zur Definition von "Norm" vgl. auch Winterling (1974) 6 f.
3
Vgl. dazu Lewis (1975).
4
Vgl. auch Gloy (1975): 61: "Sprachnormen sind also nicht etwa sprachlich fixierte Normen überhaupt, d.h. Normformulierungen, sondern soziale Normen, die - gleichgültig, ob formuliert oder nicht formuliert - den Umfang, die Auswahl, den spezifischen Gebrauch von Sprachmitteln in irgendeiner Hinsicht als verbindlich festlegen." - Zu den sogenannten sozialen Normen vgl. ferner Winterling (1974) 6-20. 5
Sie sind vor allem durch Grammatiken und Wörterbücher festgelegt.
6
Sie sind von der jeweiligen Situation abhängig, wobei vor allem zwischen Kommunikationsnormen und Textsortennormen differenziert werden muß. Vgl. hierzu Herrmann (1976), Bayer (1977), Härtung (1977).
7 8
Hier spielen Fragen der Stilistik eine Rolle; vgl. dazu auch Sandig (1978).
Hier muß zwischen gesprochener und geschriebener Sprache differenziert werden; vgl. Sandig (1974) und Rupp (1965).
198
Sprachnorm und Sprachnormierung
liehen Komponenten 9 unterteilt werden können. 10 Schlotthaus (1973: 87 ff.) schlägt fünf Kategorien von Sprachnormen vor, nämlich semantische, syntaktische, sprechsprachliche, schriftsprachliche und stilistische Normen. Zur Norm wird vor allem diejenige Vielfalt der Varianten, die von gesellschaftlichen Gruppen bzw. Instanzen mit hohem Prestige verwendet wird. 11 Entscheidend sind der soziale und areale Geltungsbereich; d.h. Neuerungen müssen von möglichst vielen akzeptiert, aufgegriffen und verbreitet werden. Für die Entstehung der neuhochdeutschen Schriftsprache war es von großer Bedeutung, daß die Normen in die Literatur und in Druckerzeugnisse mit hohem Verbreitungsgrad Eingang gefunden haben. Durch die große Verbreitung wird die Norm einerseits gefestigt, andererseits aber auch ständig verändert. Eine wesentliche Voraussetzung des Sprachwandels ist somit die Existenz von sprachlichen Varianten. 12 Jeder Teilnehmer einer Sprachgemeinschaft nimmt kleinere oder größere Abweichungen wahr, die er entweder akzeptiert oder korrigiert. 13 Dadurch beherrscht jeder Sprachbenutzer mehrere Varianten einer lautlichen Form, eines Lexems oder verschiedene morphologische Strukturen. Diese Tatsache, die von Schnelle (1976: 413 ff.) individuelle Sprachausprägung genannt wird, gilt wohl für jede Sprachstufe, da alle Sprachteilnehmer aufgrund der verschiedenen Lebensumstände ihre eigenen Sprachausprägungen entwickeln. Dabei müssen der diachrone, diatopische und diastratische Aspekt berücksichtigt werden: 14 So benutzt jeder Teilnehmer einer Sprachgemeinschaft Elemente aus verschiedenen zeitlichen Stufen; je nach Situation wird eine ältere, veraltende oder vielleicht eine gerade in Mode gekommene neue Form verwendet. 15 Eine wichtige Rolle spielt daneben auch die soziale Schicht, der der Sprecher/Schreiber entstammt, da Sprachbesitz und Sprachgebrauch im wesentlichen vom sozialen Umfeld geprägt werden. Schließlich ist auch die Gegend, in der jemand aufwächst bzw. eine
9 10
Z.B. Betonung, Lautstärke oder Sprechtempo. Zur Definition von Normenkriterien vgl. Gloy (1975) 66 ff.
11
Vgl. Moser (1967) 22 ff.; Mattheier (1981) 298 ff.; Bartsch/Vennemann (1982) 146; Bartsch (1985) 150 f. 12
Vgl. dazu Mattheier (1984) 768 u. 775 f.
13
Vgl. Coseriu (1974) 58 f.: "Die Sprache wandelt sich gerade, weil sie nicht fertig ist, sondern durch die Sprachtätigkeit ständig geschaffen wird." 14 15
Vgl. hierzu auch Boretzky (1977) 60 f.
Nach Coseriu (1974: 108) ist die Tatsache, daß ältere und neuere Sprachstufen nebeneinander existieren, eine wesentliche Voraussetzung des Sprachwandels.
Allgemeine Vorüberlegungen
199
bestimmte Zeit verbringt, von Bedeutung, wird er doch mit großer Wahrscheinlichkeit durch die vorherrschende regionale Sprachform beeinflußt. 16 Die Varietäten, über die jeder Sprachteilnehmer verfügt, existieren selbstverständlich nie autonom, da sie sich immer wieder einander anpassen. Diese Anpassung vollzieht sich nach bestimmten Regeln, wobei dem Sprachbenutzer mit hohem Prestige eine Schlüsselrolle zukommt, da er von vielen Sprechern/Schreibern nachgeahmt wird. Aus diesen Ausführungen wird deutlich, daß die Heterogenität der Sprachgemeinschaft, die ja aus Individuen mit unterschiedlichem Bildungs- und Wissensstand zusammengesetzt ist, einen wesentlichen Faktor des Sprachwandels darstellt. 17 Jeder Sprachteilnehmer besitzt innerhalb des grammatikalischen Systems ein mehr oder weniger breites Spektrum von Varianten; die zwischen diesen bestehenden Unterschiede können alle Bereiche der Grammatik betreffen oder nur Teile, wie Morphologie oder Lexik. Trotz der damit gegebenen Inhomogenität muß jedoch eine Mindestmenge existieren, die alle Sprachteilnehmer kennen und verwenden. Diese festen Sprachmittel sind eine wesentliche Voraussetzung für das Funktionieren von Kommunikation, und im Interesse einer möglichst reibungslosen Verständigung sind die meisten Sprachteilhaber darum bemüht, sich des sprachlichen Repertoires im Rahmen des gültigen Normierungsgefüges zu bedienen. Abweichungen von der Norm sind möglich. Ob sie sich jedoch durchsetzen, d.h. gegenüber dem alten Gefüge zur neuen Norm entwickeln können, ist im wesentlichen von zwei Faktoren abhängig: von ihrer Funktionalität 18 einerseits und andererseits vom Prestige- und Auto-
16 Coseriu (1974: 100) spricht hier von der sozialen und regionalen Vielfalt des "Sprachwissens". 17 Vgl. dazu auch Bartsch/Vennemann (1982) 19 f. - Bartsch (1985: 188 f.) fügt hier als Ursache des Sprachwandels (neben der "Heterogenität in der Sprachgemeinschaft") noch ergänzend hinzu: "Die Heterogenität zwischen verschiedenen Stilen oder Registern einer Sprache" und die "Heterogenität im sprachlichen System". 18 Vgl. dazu auch Gloy (1980) 364: [Sprachnormen müssen das] "Kriterium der grammatischen Richtigkeit und semantischen Interpretierbarkeit erfüllen, bzw. solche Bedingungen, die dieses Kriterium erst ersetzen."
200
Sprachnorm und Sprachnormierung
ritätsgrad der Träger dieser Sprachveränderung; sind beide Bedingungen erfüllt, so bestehen gute Aussichten, daß die neuen Varianten Normcharakter gewinnen. 19 Sprache ist somit als ein Geflecht von variablen und konstanten Merkmalen anzusehen, das in jeder Sprachstufe anders strukturiert ist. Es liegt die Vermutung nahe, daß sich innerhalb dieses Systems nur einige Elemente gleichzeitig ändern dürfen, damit die Einheit gewahrt bleibt. Die verschiedenen bereits existierenden und neu dazugekommenen Teile werden offensichtlich systematisiert, verglichen und selektiert, was letztlich eine neue bzw. modifizierte Sprachnorm zur Folge hat. Die verschiedenen Varietäten sind hierarchisch angeordnet, wobei im Frühneuhochdeutschen bei den vielfältigen Ausgleichsprozessen zumindest seit dem 16./17. Jh. von einer überregionalen Norm gesprochen werden kann, die sich neben den zahlreichen Schriftdialekten entwickelt hat. Diese Sprachnorm spiegelt sich in den Normvorstellungen des 16. bis 18. Jh.s wider; auch wenn diese Äußerungen nicht mit der tatsächlichen Sprachnorm gleichzusetzen sind, so zeigen sie dennoch, von welchen Faktoren die herrschende Norm beeinflußt wurde.
0.2 Die Sprachnormenvorstellungen bis Ende des 18. Jh.s
Bei der Normendiskussion kommt dem Meißnischen zweifelsohne eine Schlüsselrolle zu. Während im 15. und 16. Jh. nur vereinzelt Bemerkungen über das Meißnische auftauchen, sind sie im 17. Jh. äußerst zahlreich. 20 Am weitesten verbreitet ist die Vorstellung, es sei die beste Mundart, weshalb es auch in anderen Regionen nachgeahmt würde; 21 der erste Hinweis hierauf findet sich in der Schrift 'Meißnische Land vnd Berg-Chronica' (1590: 319) von Petrus Albinus, der auch auf die oft zitierte Reinheit des Meißnischen hinweist: "Zu dieser reinligkeit gehöret auch etlicher massen die art der Meißnischen Sprach / welche für die zierlichste / beste / vnd
19 Mattheier (1984: 775) verweist übrigens zu Recht auf die Tatsache, daß es beim Sprachwandel weniger auf die Neuerungen, sondern vielmehr auf deren Durchsetzung ankommt. 20
Zur Rolle des Meißnischen im 16. und 17. Jh. vgl. Eichler/Bergmann (1967); Henne (1968); Bach (1970) § 174-175; Josten (1976) 20 ff.; von Polenz (1986).
21
Der Begriff "Meißnisch" war übrigens geographisch nicht eindeutig festgelegt; vgl. Eichler/Bergmann (1967) 29 und von Polenz (1986) 189 f.
Allgemeine Vorüberlegungen
201
reineste in gantz Germanien gehalten wird / daran denn auch kein zweiffei / alldieweil dieselbe im mittel zwischen den Oberlendischen und Sächsischen Völckern geborn [= entstanden] vnd gebraucht wird. [...] Man fördert auch die Meyßner / vnd so sich jhrer Sprach befleissigen / gern vnd für andern in den Cantzleyen der Fürsten vnd Stedte vnd gewehnen sich fast alle andere vnd vmbliegende örter nach vnserer Sprach zu reden." Die auch von Albinus gegebene Begründung, das Meißnische habe sich wegen seiner zentralen Lage in der Mitte Deutschlands zur reinsten Mundart entwickelt, bestimmt wesentlich das Meißen-Bild des 16. und 17. Jh.s. 22 Im 17. Jh. wird das Meißnische vielfach als das Hochdeutsche schlechthin angesehen, eine Vorstellung, die sich vereinzelt bis ins 18. Jh. hält. Selbst Adelung, der immer wieder betont, er orientiere sich an keiner Sprachlandschaft, bemerkt im Vorwort zur ersten Auflage seines Wörterbuchs (1774: 1,VI): "Allein im engern und gewöhnlichsten Verstände bezeichnet dieses Wort [d.i. hochdeutsch] die meißnische oder obersächsische Mundart." 23 In dem Aufsatz 'Was ist Hochdeutsch?' erläutert er, wie sich in Obersachsen allmählich die Sprache verfeinert habe, bis daraus das "neuere Hochdeutsch" entstanden sei.24 Nach Adelung versucht Wieland in einer Abhandlung, die ebenfalls den Titel 'Was ist hochdeutsch?' trägt, erneut die Vormachtstellung des Obersächsischen zu begründen. 25 Und noch in der dritten Auflage der 'Grundsätze der hochdeutschen Sprache' (1805: 2,43) Joseph Wismaiers wird Obersachsen, insbesondere die Gegend um Meißen, lobend hervorgehoben. Von den herausragenden Persönlichkeiten, deren Sprache ein großes Prestige hatte, ist seit dem 16. Jh. vor allem Luther zu nennen. 26 Sein Ansehen gründete sich in erster Linie auf die Bibelübersetzung, die von den Zeitgenossen häufig erwähnt wird. So ist es nicht verwunderlich, daß sich Hinweise auf die Sprache des Reformators überwiegend im religiösen 22
So beispielsweise im 'Deutschen Helicon' von Philipp Zesen (1649) 4 und (1656) 98.
23
Er wird dafür von den Zeitgenossen heftig angegriffen und verteidigt sich wohl deshalb im Vorwort zur zweiten Auflage (1793: l.VIII) gegen den Vorwurf, er habe die meisten Beispiele aus Werken obersächsischer Schriftsteller gewählt. 24
Der Aufsatz ist erschienen im 'Magazin für deutsche Sprache' 1 (1783); zur oben erwähnten Stellung des Obersächsischen vgl. ebd. 19. In seiner Grammatik (1788: 50) wiederholt Adelung im wesentlichen diese Aussage. 25 26
'Teutscher Merkur' (1782), Viertes Vierteljahr, bes. 166.
Zur Rolle Luthers in der Normendiskussion des 16. und 17. Jh.s vgl. Josten (1976) 104 ff.; Bergmann (1983) 265 ff.; Raab (1984).
202
Sprachnorm und Sprachnormierung
Schrifttum finden und daß seine Sprache von den Katholiken als ketzerisch abgewertet wurde. Im 17. Jh. tritt der religiöse Bezug allmählich in den Hintergrund, und Luther erscheint auch in zunehmendem Maße in sprachwissenschaftlichen Werken, wo er meist als Begründer bzw. Erneuerer der deutschen Sprache gilt. Stellvertretend sei hier Schottel (1663: 49) zitiert, der auch die sprachschöpferische Kraft Luthers hervorhebt: [Er hat] "alle Lieblichkeit, Zier / Ungestüm und bewegenden Donner in die Teutsche Sprache gepflantzet / die rauhe Bfirde in vielen jhr abgenommen / und den Teutschen gezeiget / was jhre Sprache / wenn sie wolten / vermögen könte." Seit dem 17. Jh. wird die Sprache des Reformators häufig in Zusammenhang mit dem Meißnischen erwähnt bzw. mit diesem gleichgesetzt, wohl weil man davon ausging, Luther verwende die beste deutsche Mundart. Zu Ende des Jh.s ist sein Ruhm jedoch verblaßt, und im 18. Jh. wird er nur noch vereinzelt erwähnt, ohne daß jedoch seine Sprache als Norm gesetzt wurde. 27 Daneben gab es zwar durchaus noch andere Leitbilder, 28 sie haben aber langfristig nur in geringem Umfang die Herausbildung der neuhochdeutschen Schriftsprache beeinflußt. Im wesentlichen wurde die Normendiskussion vom Meißnischen und von Luther geprägt, die im 16., 17. und teilweise noch im 18. Jh. großes Prestige besaßen. Wenn man die Verbreitung der Luther-Bibel sowie die Verwendung seiner Katechismen und Gesangbücher in den protestantischen Territorien 29 zusammen mit der Normvorstellung des 16. und 17. Jh.s berücksichtigt, dann wird deutlich, daß sein Einfluß auf die Entwicklung der neuhochdeutschen Schriftsprache nicht zu unterschätzen ist, zumal seine Sprache zeitweise mit dem Meißnischen gleichgesetzt wurde. Die Ausführungen zeigen, daß die Normendiskussion in Deutschland im wesentlichen von den Mitteldeutschen geprägt wurde. Es stellt sich nun die
27
Eine Ausnahme stellt der Jenaer Magister Litzel dar (vgl. u. S. 212 f.), der in seiner Abhandlung 'Der Undeutsche Katholik' (1731) noch einmal Luther als sprachliches Vorbild bemüht. 28 So hatte beispielsweise das Schlesische für kurze Zeit einen hohen Stellenwert, was wohl auf den Ruhm der Schlesischen Dichterschule zurückzuführen ist. Eine gewisse Bedeutung kommt sicherlich auch den Zentren des Buchdrucks zu, die im 16. Jh. zunehmend an Bedeutung gewinnen. 29
Im Schulunterricht wurden darüber hinaus Bibeltexte zu Lese- und Buchstabierübungen verwendet; vgl. die Bezeichnung Fibel (Bibel).
Allgemeine Vorüberlegungen
203
Frage, in welchem Umfang diese Norm im Süden des Reiches wirksam wurde und inwieweit die hier normierend wirkenden Kräfte davon beeinflußt wurden. In diesem Zusammenhang ist mithin zu klären, welche Rolle die herzogliche Kanzlei und Regierung, das Schulwesen, die Grammatiker und die Sprach- und Literaturgesellschaften gespielt haben.
1 Die herzogliche Kanzlei
Wie oben bereits erwähnt, wurden in der vorliegenden Arbeit auch Texte der herzoglichen Kanzlei untersucht, da die Sprache der zentralen Behörde zweifelsohne die gesamte Geschäftssprache 1 geprägt hat. Gegenstand der Untersuchung waren 56 gedruckte Landesverordnungen (LV) aus den Jahren 1505 (Herzog Albert IV.) bis 1799 (Karl Theodor), die Erlasse über Steuern, Münzwesen, Lebensmittelpreise etc. enthalten, ferner 'Das buech der gemeinen Landpot' (1520) sowie die 'Gerichtsordnung jm fürstenthümb Obern und Nidern Bayrn' (1522). Es zeigte sich, daß diese Drucke im wesentlichen den Sprachtypus der in Teil I ausgewerteten Textsorten aufweisen. In einigen Bereichen sind die regionalen Eigenheiten in den Schriften aus der herzoglichen Kanzlei allerdings um 50 bis 100 Jahre länger erhalten, weshalb diese Phänomene im folgenden noch einmal aufgegriffen und erörtert werden. Der Wandel /a/ > /Q/ (vgl. Kap. 1) zeigt sich vor allem im Partizip gethon und im Substantiv underthon(en) 'Untertan(en)', das in den Landesverordnungen stark vertreten ist. Während diese Hebung in den übrigen bayerischen Drucken nur bis ins 17. Jh. auftaucht (vor anderen Konsonanten sogar nur bis ins 16. Jh.), ist sie bei underthon(en) in den Texten aus der herzoglichen Kanzlei bis ins 18. Jh. belegt. 2 Die Rundung von /e/ erscheint wie bei den oben (in Kap. 2.3) aufgeführten
1
Mit Schmitt (1966) wird dieser Terminus für alle nichtliterarischen Texte verwendet (Schriften der Behörden einschließlich der Stadt- und Gemeindeverwaltungen sowie des Rechts- und Geschäftswesens). 2
gethon LV (1545) A5v, abgethon LV (1581) A2r, gethon LV (1594a) lv. - vnnderthon 'Untertan' LV (1512) A5v, (die) vnderthonen LV (1512) A2r, dass. LANDPOT (1520) A4r, LV (1545) A7r, LV (1565) Alv, LV (1581) Alv, LV (1594a) lr, Vnderthonen N. PI. LV (1617), LV (1626), LV (1644), LV (1650), Underthonen LV (1725), Underthonnen LV (1726).
Die herzogliche Kanzlei
205
Beispielen in erster Linie vor /!/ und /r/. Bei mhd. el zeigt sie sich in den Landesverordnungen jedoch bis ins 18. Jh., allerdings nur noch beim Verb stellen.3 Die Diphthongierung von /i/ > /ΪΒ/ taucht in den oben in Teil I ausgewerteten Schriften vor h bis ins 17. Jh. auf, vor r nur bis Ende des 15. Jh.s (vgl. Kap. 3.1). Die Texte der herzoglichen Kanzlei weichen hier erheblich ab, da < i e > vor r ca. 100 Jahre länger verwendet wird. Der Digraph < i e > ist hier allerdings nur noch beim Substantiv Wirt anzutreffen. 4 Die Senkung /u/ > /o/ vor Nasal bzw. Nasalverbindung (vgl. Kap. 5.2), zeigt sich im Mitteldeutschen auch in Wörtern wie verköndung, gonst, grond, honger und wonder, die sich in der neuhochdeutschen Standardsprache nicht durchgesetzt haben. Während die drei letzteren in die bayerischen Drucke nicht eindringen, werden verköndung und gon(n)st Anfang des 16. Jh.s, offensichtlich in Anlehnung an mitteldeutsche Vorlagen, vereinzelt in Texten der herzoglichen Kanzlei verwendet. 5 Beim Umlaut verhalten sich die herzoglichen Texte im wesentlichen wie die übrigen bayerischen Druckerzeugnisse. Eine Ausnahme macht sich lediglich Anfang der zwanziger Jahre des 16. Jh.s bemerkbar, da hier unter mitteldeutschem Einfluß der Umlaut beim Wort drucken 'ein Buch drucken' und sogar bei den Substantiven Druck ('Druckerzeugnis'), Buchdrucker und Druckerei durchgeführt ist.6 Vorahd. /k/ erscheint bayer. im Anlaut bis Ende des 17. Jh.s meist als < c h > bzw. < k h > (vgl. Kap. 10.1). In der Bezeichnung Kurfürst hält sich die Verbindung , die bereits im 16. Jh. aufgegeben wird, allerdings bis ins 18. Jh., was wohl durch die herzogliche Kanzlei bewirkt wurde: Nachdem im Jahre 1623 die pfälzische Kur an Maximilian I. von Bayern übergegangen war, wurde seit dem zweiten Viertel des 17. Jh.s in den meisten Landes-
3
abgestbllt 'abgestellt' LV (1701), abstbllen LV (1726), aufgestbllte Richter LV (1725).
4
Wierten D. PI. LV (1537) A3r, Hofiviert LV (1547) A3v, Wiert LV (1600) 2r.
5
verkbndung GERICHTSORDNUNG (1522) 55v und 75v, gonst LV (1519), LANDPOT (1520) Au gönnst GERICHTSORDNUNG (1522) 29r.
6
drückh ('Buchdruck') LANDPOT (1520) 56v, dass. GERICHTSORDNUNG (1522) 87r, drückhen LV (1524) B3v, BÜechdrücker LV (1524) B2v, Trückerey ebd.
206
Sprachnorm und Sprachnormierung
Verordnungen aus der herzoglichen Kanzlei unter den Titeln 7 der Herzöge auch die Bezeichnung Churfürst aufgeführt. 8 Da hier diese Schreibung unverändert beibehalten wurde, hat sie sich im literarischen Schrifttum ebenfalls lange behauptet (vgl. o. auf S. 130 die Belege aus der zweiten Hälfte des 18. Jh.s bei Finauer und Ickstatt). Daß < C h - > beim Lexem Kurfürst in Bayern erst mit dem Erwerb der Kurwürde weiter verbreitet wurde, verdeutlicht auch eine Anmerkung des Regensburgers Johann Ludwig Prasch, der in seiner Grammatik (1687: 13) schreibt: "Churfürst ist in Brauch kommen / für Kuhrfürst." Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß die Schriften aus der herzoglichen Kanzlei bis auf wenige Ausnahmen die Sprachform der übrigen bayerischen Drucke aufweisen. Da der Sprache der Landesbehörde im Bereich der Geschäftssprache das größte Prestige zukam, hat die zentrale Kanzlei wesentlich dazu beigetragen, den sprachlichen status quo in Bayern zu festigen.
7
Sie stehen in der Regel zu Beginn des Textes nach dem Namen des Herzogs, der die Verordnung erläßt. Es handelt sich hierbei meist um dieselbe Wendung: "Wir [Name des Herzogs], Pfalzgraf bei Rhein, Herzog in Ober- und Niederbaiern nach 1623 mit dem Zusatz Churfürst. 8
Chur Fürst LV (1626), Churfürst LV (1633), dass. LV (1635), LV (1644), LV (1650), LV (1680), LV (1718), Chur=Fürst LV (1726), dass. LV (1731), LV (1735), LV (1739), Churßrst LV (1756) lr, dass. LV (1760) lr, LV (1764) Air, LV (1769) lr, LV (1792), LV (1799) lr.
2 Das Schulwesen in Bayern bis in die Mitte des 18. Jh.s
Fragt man nach entscheidenden Normierungsinstanzen, kann das Schulwesen nicht außer acht gelassen werden, da - abgesehen von sonstigen Bildungs- und Erziehungszielen - im Bereich der Spracherziehung dezidiert die Orientierung auf die sprachliche Norm im Vordergrund steht. Die Darstellungen zum bayerischen Schulwesen behandeln den Sprachunterricht nur am Rande. 1 Gerade dieser Aspekt steht deshalb im Mittelpunkt der folgenden Ausführungen, 2 denen ein knapper Exkurs über die historische Entwicklung des Schulwesens in Bayern vorangestellt ist. Im Spätmittelalter entstanden neben den Stifts- und Klosterschulen allmählich auch in den Städten, Märkten und Dörfern Schulen, deren Lehrer entweder vom Pfarrer oder vom Magistrat eingesetzt bzw. beaufsichtigt wurden. In den deutschen Schulen (Elementarschulen) bildeten die Grundbegriffe des Lesens, Schreibens und Rechnens den Schwerpunkt des Unterrichts, während in den Lateinschulen die lateinische Sprache und Grammatik gelehrt wurden. Der Eintritt in die Lateinschule, die meist die einzige Bildung der Verwaltungsbeamten, Lehrer, Richter und (niederen) Geistlichen darstellte, erfolgte wie in die deutsche Schule bereits mit sechs oder sieben Jahren, wobei keinerlei Vorkenntnisse vorausgesetzt wurden. Seit der Mitte des 16. Jh.s gab es in Bayern auch gemischte, also deutsch-lateinische Schulen, in denen häufig nur ein Lehrer für beide Abteilungen zuständig war. Die daneben ohne Wissen und Genehmigung der Behörden existierenden "Winkelschulen" wurden nach 1569 von staatlicher Seite unterdrückt, da sie nicht unter religiöse Kontrolle gebracht werden konnten. Die Akten über die Kirchen- und Schulvisitationen aus den Jahren 1558-60 vermitteln einen guten Einblick in den Betrieb der Dorf-, Markt- und Stadt-
1 Vgl. Raumer III (1873) 397 ff.; Hanns (1881); Matthias (1907); Paulsen (1919-21); Rebele (1979) 950 ff. Vgl. ferner zusammenfassend Hartweg/Wegera (1989) 52-54. 2
Ausgewertet wurden hierzu in erster Linie die umfassenden Quellensammlungen zum bayerischen Schulwesen von Lurz (1907/08), Heigemooser/Bock (1923) und Schuster (1954).
208
Sprachnorm und Sprachnormierung
schulen in Bayern. 3 So hatte beispielsweise die Dorfschule in der Pfarrei Guntzelhofen im Landgericht Dachau einen katholischen Schulmeister, der 20 Schüler unterrichtete, 19 übten das Lesen deutscher Texte, einer lernte Latein. Weiter erfahren wir, daß die Kinder regelmäßig zur Beichte und Kommunion vorbereitet wurden und der Pfarrer täglich die Schule visitierte. Im Markt Rosenheim gab es einen lateinischen und zwei deutsche Schulmeister; der lateinische ließ vor allem lateinische Texte vortragen, während der deutsche Lesen und Rechnen lehrte. Gemischte Schulen existierten auch in Neuötting, Traunstein und Landau. Entscheidend für das Schulwesen und damit nicht zuletzt auch für die Entwicklung der Schriftsprache in Bayern war die bereits im 15. Jh. einsetzende und im 16. Jh. energisch vorangetriebene Katholische Reform sowie der seit dem Augsburger Religionsfrieden im Jahre 1555 auch in Bayern auftretende Gegenstoß des Katholizismus, die sogenannte Gegenreformation. 4 Da die Katholische Reform in Bayern aufgrund der schlechten Zusammenarbeit mit dem Episkopat und des desolaten Zustands des Klerus nur langsam voranging, entschloß sich Herzog Wilhelm IV. (ISOSSO), die Jesuiten ins Land zu holen. 5 Der Orden sollte das höhere Erziehungswesen in die Hand nehmen und die Ausbildung der künftigen Kleriker beeinflussen, da eine Reform des alten Klerus wenig Erfolg hatte. Mit der Berufung der Jesuiten Salmeron, Le Lay und Canisius im Jahre 1549 an die theologische Fakultät in Ingolstadt kamen drei der angesehensten Mitglieder der Societas Jesu nach Bayern. Der Orden übernahm bald die theologische Fakultät und die Artistenfakultät in Ingolstadt und bestimmte von nun an für lange Zeit das Geistesgeschehen an der Universität. Das 1555 in Ingolstadt gegründete Jesuitenkolleg wurde mit den Kollegien in Prag und Wien zur Oberdeutschen Ordensprovinz zusammengeschlossen, die bis 1559 unter der Leitung von Canisius stand. Das Kolleg in Ingolstadt, nach Köln und Wien das dritte im Reich gegründete, hatte den endgültigen Durchbruch des Jesuitenordens in Bayern zur Folge. In den darauffolgenden Jahren entstanden in Bayern vor allem auf Betreiben von
3
Abgedruckt bei Heigemooser/Bock 1 (1923) 56 ff.
4
Die von der neueren Forschung geforderte Differenzierung in Katholische Reform als einer von der Reformation unabhängigen inneren Erneuerung der katholischen Kirche und Gegenreformation gilt auch für Bayern. 5
Zur Rolle der Jesuiten in Bayern vgl. Hubensteiner (1978) 65 ff.; einen guten Überblick über das Wirken der Jesuiten im gesamten deutschen Sprachraum bietet die materialreiche Quellensammlung bei Duhr (1907-28).
Das Schulwesen
209
Canisius weitere Kollegien bzw. von Jesuiten geführte Gymnasien, wie beispielsweise in Regensburg, Augsburg, Altötting, Passau und Dillingen. 6 An den höheren Schulen und Seminaren sollte nicht nur - wie zunächst vorgesehen - die Ausbildung der Kleriker, sondern auch die der zukünftigen Staatsdiener erfolgen. Da die Universitäten in Ingolstadt und Dillingen die Studenten aus ganz Oberdeutschland anzogen, besaßen die Jesuiten auch im Universitätsbereich großen Einfluß. Die Gegenreformation 7 äußerte sich in Bayern in dem Bestreben der Herzöge, die Ausbreitung des Protestantismus zu stoppen und die reformatorischen Elemente zurückzudrängen. 8 Bereits Albrecht V. (155079) leitete eine strenge Kontrolle der Untertanen und umfassende Zensurmaßnahmen ein, und vor allem unter Maximilian I. (1597-1651) wurde Bayern von den übrigen protestantischen Territorien abgeriegelt, wodurch der geistige Austausch mit den Regionen Mittel- und Norddeutschlands eingeschränkt wurde. Die Bemühungen der herzoglichen Regierung, die neue Lehre abzuwehren, spiegelt sich auch in den Religionsmandaten und den Schulordnungen wider. Die Religionsmandate der Jahre 1548,1569, 1681 und 1738 hatten das Ziel, die Schüler von der neuen Lehre fernzuhalten. 9 Es erging damit das Verbot, nichtkatholische Schulen zu besuchen; wer auf fremde Schulen außerhalb des Landes ging, mußte sich abund anmelden und bei seiner Rückkehr Beicht-und Kommunionzettel vorlegen. In einer Verordnung vom Jahre 156910 wurden Prälaten, Städte und Märkte sowie Richter und Pfleger angewiesen, Bücher und Lehrer an den Schulen zu überprüfen, sektische ( = lutherische bzw. protestantische) Schriften zu entfernen und nicht-katholische Lehrer zu entlassen. In den Instruktionen für die Visitatoren, 11 die ebenfalls aus dem Jahre 1569 stammen, ist wiederum die Visitation der Schulen erwähnt, wobei vor allem auf den im Unterricht verwendeten Katechismus geachtet werden sollte. Der Erlaß enthält darüber hinaus die Aufforderung, alle Bibliotheken und
6
In Dillingen wurde auch die Universität unter ihre Leitung gestellt.
7
Eine Zusammenstellung der wichtigsten Literatur befindet sich bei Albrecht (1987) 714 ff. und im LThK 4,585. 8
D i e Rückführung der Oberpfalz gelang allerdings nur teilweise (dazu Högl 1903), was sich auch auf die Entwicklung der Schriftsprache in Bayern auswirkte. 9
D i e Mandate sind ediert bei Lurz 2 (1908) 4 ff.
10
Abgedruckt ebd. 48 ff.
11
Abdruck ebd. 43 ff.
210
Sprachnorm und Sprachnormierung
Buchhändler zu kontrollieren und sektische Bücher zu melden. Auch die Rentmeister der vier bayerischen Rentämter München, Landshut, Straubing und Burghausen wurden in mehreren Verordnungen angewiesen, Lehrer und Schulbücher zu überprüfen.12 Seit 156813 mußten die Schulmeister ein Glaubensbekenntnis ablegen und sich verpflichten, nur noch katholische Bücher zu lesen, wie beispielsweise den Katechismus des Petrus Canisius. In der Schulordnung vom Jahre 156914 wurde vorgeschrieben, nur katholische Lehrer einzustellen und ausschließlich katholische Lehrbücher (die an katholischen Orten gedruckt wurden) zu verwenden. Ein wichtiges Organ zur Überwachung der Anordnungen war der Geistliche Rat, 15 ein Gremium, dem auch weltliche Räte angehörten. Den Instruktionen für den Geistlichen Rat vom Jahre 160816 ist zu entnehmen, daß er neben der Kontrolle der Kleriker auch für die lateinischen und deutschen Schulen und das Buchwesen zuständig war. Er hatte darauf zu achten, daß keine protestantischen Bücher benutzt, verbreitet und importiert wurden, wobei insbesondere der Verkauf von Büchern in Städten und Märkten, auf Dulten, Kirchweihfesten und Jahrmärkten einer strengen Kontrolle unterzogen werden sollte. Insgesamt bedeutete dies eine totale Überwachung der Druckerzeugnisse, da auch die Kloster- und Stiftsbibliotheken visitiert wurden.17 Der Unterricht an den Elementarschulen beschränkte sich im wesentlichen auf die Grundbegriffe des Rechnens und Lesens, wobei die Lektüre des Katechismus im Unterricht einen breiten Raum einnahm. Die bayerische Schulordnung vom Jahre 1569 (s. Anm. 14) schrieb für die Schüler ausdrücklich die Lektüre des kleinen und großen Katechismus von Canisius vor, der bis ins 19. Jh. in vielen Auflagen erschienen ist. Aus den Visitationsakten ist zwar zu entnehmen, daß die Lehrer vereinzelt auch den Lu-
12
Die erste Anweisung erging 1580; sie wurde 1608, 1639 und 1669 wiederholt und 1750
erneuert. Bei letzterer wurde auch auf die Schulordnungen von 1682 und 1738 Bezug genommen; dazu Lurz 2 (1908) 78. 13
Vgl. die entsprechende Verordnung bei Lurz 2 (1908) 86.
Schul Ordnung der Fürstenthumb Obern und Nidern Bayerlands. München bey Adam Berg. M . D . L X I X . 14
15
Zum Geistlichen Rat unter Kurfürst Maximilian I. vgl. Heyl (1956).
16
Abgedruckt bei Lurz 2 (1908) 68 ff.
17
Die Instruktion des Geistlichen Rats vom Jahre 1629 enthält dieselben Punkte.
Das Schulwesen
211
therischen Katechismus verwendet haben, seit dem 17. Jh. wird jedoch der "Canisius" in zunehmenden Maße zum Standardwerk an den katholischen Schulen Altbayerns. Die Katechismen des Niederländers Petrus Canisius, die bis ins 19. Jh. verwendet wurden, meiden zwar im wesentlichen extreme Mundartformen, sie weisen jedoch keinesfalls die in Mitteldeutschland entstandene Ausgleichssprache auf. Die beiden durchgesehenen Exemplare, gedruckt in Ingolstadt (1584) und Landshut (1680), enthalten zahlreiche bairisch-oberdeutsche Varianten 18 . Aus den zeitgenössischen Quellen geht hervor, daß die Lehrer der deutschen Schulen mehrwöchige Kurse absolvieren mußten, bevor sie unterrichten durften. Dies trug aber offensichtlich kaum dazu bei, die deutschen Sprachkenntnisse der Schulmeister zu verbessern, zumal ja vor allem auf dem Lande viele unterrichteten, die keinerlei spezielle Ausbildung besaßen. Bei der Einstellung der Lehrer wurde großer Wert auf religiöses Wissen gelegt, da sie in vielen Pfarreien auch Mesnerdienste zu verrichten hatten. Seit dem 17./18. Jh. mußten sich die Lehrer in zunehmendem Maße einer Einstellungsprüfung unterziehen, in der vor allem das Alphabet, die arabischen Zahlen und meistens ein kurzer Text in Schönschrift gefordert wurden. So enthält etwa die Prüfungsaufgabe des Bewerbers um den Schuldienst in Meilenhofen vom Jahre 1735 sieben Zeilen aus Psalm 23, die (auswendig?) in verschiedenen Schriftarten niedergeschrieben werden mußten. Der Text, der hier zeichengetreu nach einer Ablichtung des Originals19 wiedergegeben wird, zeigt repräsentativ die Sprachkenntnisse eines Schulmeisters in der ersten Hälfte des 18. Jh.s,20 die von zahlreichen orthographischen Unsicherheiten und bairischen Elementen geprägt sind (letztere werden im folgenden durch Fettdruck hervorgehoben). Der Herr regieret mich darumb Wird mir Nichts Manglen: Er stelt Mich an Ein orth da guete Weide ist. er Nöhrt Mich an den sanfft fliessende Wasser. Vnnd erquickhet mein Seel. Er flrt mich auf Die Weeg der Gerechtigkeit: Vmb seines Namens willen. Vnnd ob Jch gleich mitten in dem Schatten deß Todts Wandlete: so Will ich doch Kein Vnglickh firchten: darumben ds du Bey mir Bist.
18 Auswahl aus Canisius (1584): Vnterdruckung 145, nutzliche Mittel N. PI. 115, austrucklich 39, Verlaugnung 92, Erkanntnus 71, Befelch 126, (er) befilcht 65, (sie) seynd 31, Feyert&g N. PL 1, T&g N. PI. 33, Bildnuß 96, Geheimnuß 49; häufig Apokope und Synkope. Auswahl aus Canisius (1680): alle Auserwbhlte N. PI. 22, die Auserwbhlten A. PI. 38, Das haißt 110, Landshuet Titelblatt, Haubtstuck 86, Unterdrückung 144, mit ... ausdrucklichen Worten 109, (sie) seynd 13, Fastthg 83, Finsternuß 3, Zeugnus 38; häufig Apokope und Synkope. 19 20
Schwarz-weiß Photographie, eingeklebt bei Schuster (1954) 2,65.
Auch die übrigen bei Schuster (1954) aufgeführten Dokumente weisen diesen Sprachtypus auf.
212
Sprachnorm und Sprachnormierung
Dieser Abschnitt, der wie die übrigen erhaltenen Dokumente aus dem Schulbereich stark mundartlich gefärbt ist, zeigt, daß die Elementarschulen bis in die Mitte des 18. Jh.s eher zur Erhaltung des von regionalen Formen durchsetzten Sprachtypus beigetragen haben, als diesen zu ändern. Von den höheren Schulen, deren Leitung zumindest seit dem Ende des 16. Jh.s überwiegend in den Händen der Jesuiten lag, konnte für die Entwicklung der Schriftsprache kein Impuls ausgehen, da im Unterricht meist Latein verwendet wurde. Seit dem 17. Jh. tauchen überdies immer wieder Klagen über das Schulwesen der Jesuiten auf, die den geringen Nutzen des Unterrichts und die schlechte Motivation der Lehrkräfte zum Inhalt haben. Nachdem die Kritik zunächst nur aus den eigenen Reihen kam, wurden die Mängel im 18. Jh. offen diskutiert. 21 Eine herausragende Rolle spielte der Benediktiner Franz Rothfischer, 22 der in seiner Jugend die Jesuitenschulen in Dillingen und Ingolstadt besucht hatte. Nachdem er sich mit dem Katholizismus überworfen hatte, veröffentlichte er 1752 in Leipzig sein protestantisches Glaubensbekenntnis: 'Franz Rothfischer, Nachricht von seinem Übergang von der römischen zu der evangelischen Kirche'. Diese Schrift enthält als Anhang eine Abhandlung 'Von der Unnützlichkeit der scholastischen Art zu studieren' und einen 'Vorschlag zu einer Katholischen Schulverbesserung'. Außer den Schulen wurde seit dem 18. Jh. auch häufig die (deutsche) Sprache der Jesuiten aufs Korn genommen. Der Jenaer Magister Georg Litzel publizierte 1731 unter dem Pseudonym Megalissus eine Schrift, 23 in der er die Gründe für die mangelhafte Sprache der Jesuiten aufzeigte. Litzel kritisiert darin vor allem die Schulen der Jesuiten, da in ihnen nicht deutsche Sprache und Dichtung gelehrt werde (63); er kommt dabei zu dem Ergebnis, daß die Sprache der Katholiken deshalb so schlecht sei, weil sie schlechte Schulen hätten (69 ff.). Er ist skeptisch, ob ihre Sprache besser werden könne, da man in den höheren und niederen Schulen nicht an die Unterweisung der deutschen Sprache
21
Vgl. dazu auch Kluckhohn (1875) 37 ff. und Seifert (1984) 43 ff.
22
Zu Leben und Werk vgl. ADB 29,361 ff.; BBB 647.
23
Der Undeutsche Catholik Oder Historischer Bericht Von der allzu grossen Nachläßigkeit der Römisch=Catholischen, insonderheit unter der Clerisey der Jesuiten. In Verbesserung der deutschen Sprache und Poesie. Wobey Die Ursachen solcher NachlSßigkeit angezeiget, die eifrige Bemühungen und Verdienste der Protestanten zur Nachfolge vorgelegt, und sichere Mittel zu einer allgemeinen Sprach=Verbesserung vorgeschlagen werden Durch MEGALISSVS. [...] JENA, bey Joh. Friedrich Rittern, 1731.
Das Schulwesen
213
denke (71) und sich die Gelehrten überwiegend mit toten Sprachen und nicht mit der Muttersprache beschäftigten (84 ff.). Als weiteren Grund nennt er die Tatsache, daß die Katholiken keine bedeutenden Theoretiker der deutschen Sprache und Poesie und keine guten Schriftsteller besäßen (46) und führt mehrere Dichter auf, die sie sich zum Vorbild nehmen sollten, wie beispielsweise Opitz, Hofmannswaldau, Gryphius und Lohenstein. Noch im selben Jahr veröffentlicht Litzel eine Sammlung von (deutschen) Gedichten, 24 die die schlechte Sprache der Jesuiten demonstrieren sollte. Das Werk enthält als Vorspann einen offenen Brief an die Jesuiten, in dem er sich über deren Dichtkunst lustig macht (4 f.): "Und weil Jhr selbsten im Versemachen und Singen geübte Meister seyd, fürchte ich, meine Kunst und Arbeit möchte vor Eurer Gesellschaft nicht bestehen. Jch bin ein grosser Liebhaber von Euren Gedichten, und hat mir jederzeit das Herz gelachet, wenn ich eines nur von ferne gesehen. [...] Nur schade ist es, daß Jhr Eure Kunst=Griffe so geheim haltet, und solche der Lehrbegierigen Welt nicht mittheilet. Die Poeten würden Eure Namen an die Sterne heften, und Eure Waaren mit dem kostbarsten Himmelblau bezahlen, wenn Jhr nur bisweilen eine Frucht aus Eurem poetischen Garten ablösen und auf dem Markte feilbieten würdet." In der folgenden Vorrede "An den deutschgesinnten Leser" weist Litzel erneut auf die Sprache der Jesuiten hin und bemerkt, daß er angesichts dieser Gedichte um die deutsche Sprache und Poesie sehr besorgt sei. Auch wenn die Kritik der Zeitgenossen übertrieben und wohl vor allem von der konfessionellen Auseinandersetzung geprägt war, so zeigt sie doch, daß im 18. Jh. die Sprache der oberdeutschen Katholiken, insbesondere der Jesuiten, keineswegs Teil einer anzustrebenden Norm war. Die Tatsache, daß die Ausbildung an den höheren Schulen und Universitäten im wesentlichen in lateinischer Sprache erfolgte, hat sicherlich dazu geführt, daß sie die Ausgleichsprozesse in den übrigen deutschen Sprachlandschaften kaum wahrgenommen und daher in besonderem Maße regionale Varianten in der Schriftsprache beibehalten haben. Dies wird besonders deutlich an einer Sammlung jesuitischer Missionsberichte, die der Jesuit Joseph Stöcklein 25
24
Deutsche Jesuiten=Poesie Oder Eine Sammlung Catholischer Gedichte, Welche Zur Verbesserung Allen Reimschmiden wohlmeinend vorleget MEGALISS VS. Franckfurth und Leipzig. Verlegts Johann Ehrenfried Müller 1731.
25
Zu Leben und Werk vgl. LThK 9,1086.
214
Sprachnorm und Sprachnormierung
in den Jahren 1726-29 herausgab. 26 Obwohl er im Vorwort betont, daß er sich an keine Sprachlandschaft anlehne, ist seine Sprache doch stark mundartlich gefärbt. Aus diesen Ausführungen wird deutlich, daß der Unterricht an den Schulen nicht dazu beigetragen hat, die regionalen Elemente in der Schriftsprache zurückzudrängen, zumal diese auch in sämtlichen Schriften des Bildungswesens 27 anzutreffen waren. Die deutsche Spracherziehung wurde lange Zeit vernachlässigt, was dazu führte, daß im Unterricht an den Elementarschulen bis ins 18. Jh. meist Dialekt gesprochen wurde. 28 Das Interesse der Regierung bestand vor allem darin, die Ausbreitung des Protestantismus an den Schulen zu stoppen und die Lehrer auf die "richtige" Religion hin zu überprüfen. Da aufgrund der oben erwähnten Kontrollmaßnahmen (Bücherzensur, Überwachung des gesamten Buchwesens) seit dem Ende des 16. Jh.s nur noch in geringem Umfang Druckerzeugnisse aus den protestantischen Territorien an die Schulen gelangten, wurde der Sprachaustausch stark beeinträchtigt. Erst als sich im Zuge der Aufklärung die religiösen Gegensätze abschwächten, gelangte - vorbereitet durch die Aktivitäten der gelehrten Gesellschaften - im Rahmen der Schulreform in der zweiten Hälfte des 18. Jh.s die in den mitteldeutschen Sprachlandschaften entstandene Ausgleichssprache an die Schulen in Bayern.
26
Der Neue Welt=Bott Mit allerhand Nachrichten [...] zusammengetragen von Joseph Stöcklein / gedachter SocietSt JESU Priester. [2 Bde.] Augspurg und GrStz. [1726-29], 27
Schulordnungen, Ernennungsurkunden, Prüfungsaufgaben, Briefwechsel zwischen Behörden etc. 28
Friedrich Nicolai äußert sich im sechsten Band (1785: 498, 624 ff.) seiner Reisebeschreibung recht abfällig über die bayerischen Schulen und erwähnt dabei auch, daß Lehrer und Schüler im Unterricht Dialekt gesprochen haben.
3 Die Grammatiker
Bei der Ausbildung der Norm kommt ferner den Grammatikern eine wichtige Funktion zu, da sie es sind, die die Vielfalt der Varianten systematisieren. Während die Grammatiker des 16. Jh.s in der Regel nur Aspekte der Orthographie, der Aussprache und (gelegentlich) der Syntax behandelten, entstanden im 17. und 18. Jh. größere Werke, die auch die Morphologie mit einbezogen. Schottel versuchte, in seiner 'Arbeit von der Teutschen Haubt-Sprache' (1663) erstmals eine umfassende Darstellung der deutschen Sprache zu geben, wobei er - im Unterschied zu früheren Werken - auch die Sprachgeschichte berücksichtigte. Der Einfluß dieser Grammatik, die das Vorbild zahlreicher Sprachtheoretiker war, wurde erst durch die Arbeiten Gottscheds 1 zurückgedrängt, der im 18. Jh. zur unangefochtenen sprachlichen Autorität aufstieg. Die herausragenden Zeugnisse der mittel- und norddeutschen Grammatikographie beeinflußten auch das Geschehen in Bayern, wie im folgenden zu zeigen sein wird.
3.1 Ortholph Fuchßperger
Die erste in Bayern gedruckte deutschsprachige Grammatik ist 1542 in Ingolstadt unter dem Titel 'Leeßkonst' erschienen. 2 Sie stammte von dem in Tittmoning geborenen Ortholph Fuchßperger, 3 der nach dem Studium in Ingolstadt, wo er das Lizentiat der Rechte erworben hatte, zunächst an der lateinischen Schule in Altötting unterrichtete. Seit 1526 lehrte er neben 1
'Grundlegung einer Deutschen Sprachkunst' (1748 u. ö.).
2
Auf den 1477 entstandenen 'Modus legendi' von Fortunatus Hueber (ed. Müller 1882: 9ff.) wird im Rahmen dieser Arbeit nicht eingegangen, da diese Leseanleitung nur handschriftlich überliefert ist und somit nicht weiter verbreitet war. 3
Zum Verfasser vgl. ABD 8,174 ff.; Müller (1882) 410 f.; Jellinek (1913) § 24.
216
Sprachnorm und Sprachnormierung
seiner Tätigkeit als Hofrichter im Kloster Mondsee die Fächer Logik und Rhetorik; danach wirkte er als Lehrer und Stadtrat in Passau, wo er seine deutsche Grammatik verfaßte. Ortholph Fuchßperger bediente sich in seinen Abhandlungen 4 meist der deutschen Sprache und gehörte somit zu den wenigen Gelehrten seiner Zeit, die wissenschaftliche Schriften nicht mehr ausschließlich in Latein abfaßten. Wie schon dem Titel zu entnehmen ist, war die während seines Aufenthalts in Passau entstandene Grammatik in erster Linie eine Anleitung für den Leseunterricht; der Verfasser hebt dies auch mit der nach dem Vorwort aufgeführten Überschrift "Leeskonst fur die anfahend iugend" (171) hervor. Zu Beginn der eigentlichen Darstellung gibt Fuchßperger eine knappe Inhaltsbeschreibung seines Werkes, das in Anlehnung an die antike Grammatik in die Abschnitte littera, syllaba, dictio und oratio unterteilt ist: "So ist dieses grondbfichel in vier underschiedlich weg vnd tail / vmb verstendiger leer willen / abgetailt worden. Erstlich ist der buchstaben halben ein kurzer lauter bericht dargethon. Zum Andern wie man dieselben gelernten buchstaben zesam heyraten / vnd ain sylb oder glid soll drukhen. Auß welchen sylben zum dritten / die verständigen wörter geschmidet. Darauß alsdann zum vierdten ein gantze ordenliche rede ist flussig." Im ersten Teil findet sich die in der antiken Grammatik übliche Unterscheidung in "figur"5, "kraft" 6 und "namen"7. Während in diesem und im folgenden Abschnitt ausführlich die Konsonanten, Vokale, Diphthonge und Silbenstrukturen erörtert werden, gibt Fuchßperger im dritten lediglich eine knappe Definition des Begriffes "wort",8 um dann im vierten auf die Interpunktion einzugehen. Es folgen schließlich noch einige Erläuterungen, wie der Unterricht gestaltet werden sollte, wobei auch die Zahlen berücksichtigt werden.
4
Er schrieb u.a. als erster eine Logik in deutscher Sprache und eine Übersetzung der Institutionen Justinians. 5
"Die Figur gibt yedem buchstaben ein sondre gstalt. [...] Also das ein yeder auf ein sondre art vnd form gemacht wird." (171 f.) 6
Gemeint ist die Lautung: "Die kraft ist die styme vnd halle / so bey den Buchstaben gehört / vnd bey yedem vnderschidlich vermerkht wird [...]." (172). 7 "Die dritt Buchstabisch aigenschafft ist der Namen / damit man sie vnderschiedlich nennet." (174) 8
"Dictio / Ein wort / ist ein yeder verständiger tail in der gantzen rede / von ainer oder mer sylben zesamgesetzt / als / ο / ochs / ochsenfurt. Got / gotlich / gotselich / gothait / gotselikait etc. Haysen darumbe wort / das man von ainem auf das ander warten muß / daß die red wird vfilig verstanden. Als Got ist vnser Herre vnnd Vater." (176)
Die Grammatiker
217
Die Arbeit enthält zwar (vor allem im Bereich der phonetisch-artikulatorischen Erläuterungen) eigene Überlegungen, insgesamt lehnt sie sich aber stark an die Grammatik von Ickelsamer an (vgl. u. Anm. 11). Die Abhandlung Fuchßpergers weist im wesentlichen den Sprachtypus der übrigen bayerischen Drucke aus dem 16. Jh. auf; d. h. der Text enthält zahlreiche regionale Elemente. 9 Bemerkenswert ist, daß die mitteldeutsche Senkung u > ο vor Nasal bzw. Nasalverbindung (vgl. o. Kap. 5.2) auch bei Wörtern wie grond 'Grund', kondig 'kundig', konftig 'künftig' und konst 'Kunst' vorkommt, 10 bei denen sich in der neuhochdeutschen Standardsprache ο im Stamm nicht durchgesetzt hat. Abweichend von dem vorherrschenden Usus ist auch die Schreibung zait (177), da der Digraph < a i > in bayerischen Texten nur bei mhd. /ei/ erscheint. Die Mundart des Verfassers zeigt sich vereinzelt auch in den aufgenommenen Wortbeispielen: So bringt Fuchßperger beim Diphthong oi (175) die in der Mundart übliche entrundete Form flait ('Flöte') statt der zu erwartenden Schreibung floit. Die eingestreuten Lesestücke, aus denen im folgenden zur Illustration ein kurzer Auszug (S. 181) wiedergegeben wird, enthalten ebenfalls regionale Formen: Du gib unß lere vnd erkhantnus deins Gßtlichen worts / vnd willens / das wir dir vmb deines Sonß Jesu Christi menschwerdung / bitter leiden vnnd sterben / auch aller gBthat vnd regiments / die du vnß erzeigst / dankhen / dich ffirchten / eeren vnd groß machen / deiner khainen augenblick in vnserm hertzen vergessen / khainen andern Got noch hilf dann dich suchen.
Fuchßpergers Grammatik war wie die übrigen Arbeiten der zeitgenössischen Schulmeister 11 vor allem für den Leseunterricht an den Elementarschulen
9
Z.B. dargethon Part. Perf. 'dargebracht, präsentiert' 171, gewenen 'gewöhnen' 183, Milich 'Milch' 166, liecht 183, guet 169, zaiger 167, sich erfreyen 'sich freuen' 167, Burgeren D. PI. 'Bürger' 167, nutzlich 169, laugnen 184, puchstab 172, albeg (= alweg 'immer') ebd., gedenkhen 167, handwerch 184, erindert Part. Perf. 'erinnert' 170, Maykerferl 167, bildnus 187, bleibm 180. 10 Vgl. grond 182, grondstain 168, leesgrond 169 u. 177, grondb&chel 171, khondig 168, verkhondigt Part. Perf., Verkhonden 188, khonftig 168,177 u. 181 f., leeskonst 166 u. 167, khonst 167 u. 168. 11 Valentin Ickelsamer, Die rechte weis auffs kürtzist lesen zu lernen ... (1527 u.ö.); Johannes Kolroß, ENchiridon (1530 u.ö.); Jacob Grüßbeutel, Ein fast nutzlich stymmen buchlein (1531 u.ö.); Johann Fabritius, Eyn Nutzlich büchlein etlicher gleich stymmender worther vngleichs Verstandes (1532); Peter Jordan, Leyenschfll (1533); Sebastian Helber, Syllabierbüchlein (1593).
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Sprachnorm und Sprachnormierung
vorgesehen. Dies zeigt sich besonders deutlich an den Erläuterungen zur Aussprache der einzelnen Buchstaben. Fuchßperger geht hier ausführlich auf den dazugehörigen Lautwert ein und weist dabei auch auf mögliche Fehlerquellen hin.12 Die Erklärungen und beigefügten Wortbeispiele enthalten allerdings zahlreiche regionale Formen, die somit auch Eingang in den Schulunterricht gefunden haben.
3.2 Johann Ludwig Prasch
Der in Regensburg geborene Johann Ludwig Prasch 13 wirkte nach dem Studium der Rechte in Jena, Straßburg und Gießen in seiner Heimatstadt als Syndikus, Ratsherr und Bürgermeister. Neben zahlreichen Arbeiten zur Rechtswissenschaft, Politik, Theologie und eigenen literarischen Werken schrieb er auch mehrere sprachtheoretische Abhandlungen: Auf die Schrift 'Mysterium linguae Teutonicae' und die 'Dissertatio de origine Germanica Latinae linguae' (beide 1686) folgte drei Jahre später die 'Dissertatio altera de origine Germanica Latinae linguae', der ein "Glossarium Bavaricum" beigegeben war. Dieses Verzeichnis mundartlicher Wörter, das ein Jahrhundert vor Zaupsers 'Versuch eines baierischen und oberpfälzischen Jdiotikons' (1789) und 150 Jahre vor Schindlers Wörterbuch (1. Aufl. 1827-36) erschienen ist, markiert den Beginn der bairischen Lexikographie. Noch im selben Jahr, nämlich 1689, formulierte Prasch seinen 'Entwurf der Hochrühmlichen Gesellschaft', in dem er die Gründung einer Sprachgesellschaft fordert, die ein deutsch-lateinisches und ein deutsch-griechisches Wörterbuch, eine umfassende deutsche Poetik und Grammatik sowie Dialektwörterbücher aller deutschen Stämme erstellen sollte.
12
Vgl. beispielsweise die Ausführungen zu den Labialen b, w und p: "Das w gibt von ym ein lind blasen / wie man den khindern das koch khuelt. Das b bläst sterkher / durch ainen mitlen lebßdrukh mit ausgedrengtem athem. So doch das ρ sein stym durch die wolzesamgedrukhten lebftzen noch herter außdringt. Als wen ainer etwas mit starkhem wind auß dem mund wirft [...]" (172) 13
Zu Leben und Werk vgl. ADB 26,505 ff.; BBB 599; Jellinek (1913) 186 ff.; Dachs (1957) 5-219; Dünninger (1954) 185 ff.; Dachs (1967) 235 ff.
Die Grammatiker
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Prasch, der die Pflege der Muttersprache als nationale Aufgabe betrachtete, hatte schon 1687 eine Grammatik publiziert.14 Gleich zu Beginn seiner Darstellung erwähnt er Schottels 'Ausführliche Arbeit von der Teutschen Haubt Sprache' (1631) und empfiehlt vor allem den Lehrern das Studium dieser Abhandlung. Er bemerkt dabei allerdings, daß den meisten die Fähigkeit fehle, dieses Buch zu gebrauchen, weshalb er selbst eine kurze Darstellung der deutschen Sprache geschrieben habe, damit "die blühende Jugend / ehe sie zur Lateinischen Sprache und anderen Wissenschaften gelangt in der Teutschen Mutter= Haubt= und Helden=Sprache [...] einen rechtschaffenen Grund lege / und nicht mit so ungewaschenen Füssen / wie bisher / zu ihrem mercklichen Schaden / in die Lateinische Schul hinein platze / mithin auch die Schreib = und Druckereyen eine beständige Richtschnur haben / nach welcher sie hinführo ohne Fehler und sonderbaren Zwispalt schreiben und drucken mögen" (Vorrede A2v). Anschließend betont Prasch in einem Exkurs über die Rechtschreibung die Notwendigkeit einer genormten Sprachform. 15 Er bedauert in diesem Zusammenhang, daß viel zu wenig auf Regeln geachtet würde, und beteuert (A3r): "Jch meines wenigen Orts kan sagen / daß ich kein Wort so oder so ohn Ursach und Bedacht schreibe; nach der allgemeinen Lehre des Cicero: Man soll nichts thun / was man nicht mit einer guten Ursach könte schirmen." Die Grammatik besteht aus zwei Teilen, in denen neben der Graphemik und Phonologie auch Aspekte der Morphologie und Syntax behandelt werden. 16 Den Schluß bildet eine Zusammenstellung von "Teutschen Redensarten" (190-220), der als Anhang eine Erklärung der wichtigsten Satzzeichen folgt. Im Gegensatz zu Hueber (vgl. o. Anm. 2) und Fuchßperger ist sich Prasch der Probleme des Mundartsprechers bewußt und geht
14
J.L.P. Neue / kurtz= und deutliche Sprachkunst/ Nicht nur in Cantzleyen / und Schreibstfiben / sondern auch in Teutschen Schulen / zu wolbenöthigter grfindlichen Unterweisung der zarten Jugend / und Verbesserung fast unzehlicher Fehler / nfitz= und rfihmlich zu gebrauchen. Regensburg / Gedruckt und verlegt bey Joh. Georg Hofmann. Anno 1687. 15 "Dann obwohl eine durchgehende Gleichheit (dero auch die Griechisch = und Lateinische Sprache sich nicht rfihmen können) mehr zu wfinschen / als zu hoffen; stfinde es doch fein / und klme desto leichter an zu lernen / wann man die meisten Wörter nach gewissen Regeln gleichförmig schribe." (Vorrede A3r) 16 Vgl. dazu den Vorbericht der Grammatik (lf.): "Ein Sprachkfindiger muß 4 Dinge wissen / 1. die Wörter recht zu schreiben / 2. ihnen den rechten Thon zu geben / 3. sie recht zu leiten und zu wenden / 4. sie recht zusammen zu ordnen. Daher entstehen 4 Theile der Sprachkunst / 1 . die Rechtschreibung (Orthographia) 2. der Thon (Prosodia) 3. die Ableitung (Etymologia) 4. die Ordnung (Syntaxis) der Wörter."
220
Sprachnorm und Sprachnormierung
darauf ein. Bereits in der Vorrede (A 3v) weist er auf die Entrundung von mhd. /üe/ und /ü/ und die daraus resultierenden Fehler hin. Bei dem aus mhd. /ei/ entstandenen Diphthong kritisiert er die mundartliche Aussprache ([qb]) und nennt sie "grobe Grfiltze" (8). Prasch hat auch die Lenisierung von /p-/ und /t-/ erkannt und bringt in diesem Zusammenhang zahlreiche Beispiele (11, 13). Bei den Substantiven bemerkt er, daß viele seiner Landsleute ein "unechtes Geschlecht" anführten und erwähnt dabei das Teller und der Lufft (34). Darüber hinaus weist Prasch mehrmals auf die Apokope hin, wobei er das Weglassen des -e als "grobe Sprachfehler und üble Mundarten" (15) bezeichnet. Da in der gesprochenen Mundart das Imperfekt gemieden wird, entstehen bei der Konjugation der starken Verben häufig Unsicherheiten. Aus diesem Grund bringt Prasch eine Zusammenstellung der "ungleichenden Wirkwörter" (80-109), die die Konjugationsformen der wichtigsten starken Verben enthält. Die Wörter sind alphabetisch angeordnet und können so leicht nachgeschlagen werden. Bereits zu seinen Lebzeiten war Prasch weit über seine Heimatstadt hinaus berühmt, wozu nicht zuletzt auch seine sprachwissenschaftlichen Arbeiten beigetragen haben. Sieben Jahre nach seinem Tod erwähnt ihn Johann Christian Wagensei] im 'Buch von der Meister-Singer Holdseligen Kunst' (1697: 452) und hebt seine Verdienste um die deutsche Sprache hervor. Auch Wakius, der nachweisen will, daß das Bayerische vom Syrischen abstammt, beruft sich in seiner Arbeit (s. Literaturverz.) in allgemein sprachlichen Dingen mehrmals auf Prasch. Die Leistung von Prasch bestand darin, daß er in seiner Grammatik zumindest in Ansätzen den Einfluß der Mundart auf die Schriftsprache berücksichtigt und seine Beispiele darauf abgestimmt hat. Da er in seinen Ausführungen meist Schottel folgte,17 richtete er sich im wesentlichen nach dem mitteldeutschen Sprachtypus. Auf den Einfluß von Schottel ist es wohl auch zurückzuführen, daß sich nur vereinzelt bairisch-oberdeutsche Formen
17 Prasch weist allerdings öfter darauf hin, daß auch die Arbeit von Schottel nicht die absolute Norm darstellt: "Jst aber H. Schottels Zeugnfiß gfiltig und genugsam? Es ist sehr gut und gfiltig / wann zumal kein anderer Beweis vorhanden. Jedoch ist es nicht allezeit so beschaffen / daß nicht andere gute Scribenten ihm bisweilen widersprechen / oder etwas beyzurucken an die Hand geben." (34) Als Beispiele führt er anschließend Abweichungen bei Fleming und Opitz an.
Die Grammatiker
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finden. 18 Das Werk wurde allerdings an den Schulen nur selten benutzt und hat somit die Entwicklung der Schriftsprache kaum beeinflußt. Erst die Grammatik von Braun (1765), die durch kurfürstlichen Erlaß zum Lehrbuch für die Schulen in Bayern bestimmt wurde, hatte langfristig eine durchgreifende Wirkung.
3.3 Heinrich Braun
Heinrich Braun 19 trat nach dem Studium in Salzburg 1750 in den Benediktinerorden ein und unterrichtete anschließend am Gymnasium in Freising und im Kloster Tegernsee Theologie. Seit 1767 war er Mitglied des Geistlichen Rats, von 1770-73 Landeskommissar für die Volksschulen und seit 1777 Direktor des gesamten Schulwesens in Bayern. Neben zahlreichen Publikationen zur Literatur und Sprache sowie zum Schulwesen ist vor allem seine Grammatik hervorzuheben. Das Werk, das auf Vorschlag der Bayerischen Akademie der Wissenschaften zum Standardwerk für die Schulen erklärt wurde, erschien 1765.20 Im Geleitwort, das auf Anordnung von Kurfürst Maximilian III. Joseph verfaßt wurde, ist die Zielsetzung ausführlich formuliert: "Also verordnen, wollen und gebiethen wir hiemit, daß sothane Sprachlehre in allen Schulen unserer Churlande eingeffihret, die Schuljugend darnach unterwiesen, und nicht nur diejenigen, welche zum geistlichen Stand aspiriren, und von Uns mit dem titulo mensae begnadiget werden wollen, sondern auch alle diejenigen, welche sich dem deutschen Schulhalten 21 zu widmen gedenken, daraus von nun= und hinffiran examinieret und geprüfet werden sollen."
18 Z.B. Hecht 29 und 31, Ruckfallwbrter 32; gelegentlich Apokope und Synkope, obwohl er sie als Sprachfehler bezeichnet. 19
Zur Biographie vgl. ADB 13,265 f.; NDB 2,2551; BBB 88; Gückel (1891) 5 ff.; Wolfram (1892); Jellinek (1913) 246 f. u. 268 f. 20
Anleitung zur deutschen Sprachkunst, Zum Gebrauche der Schulen in den Churlanden in Baiern. Mit Genehmhaltung der Churbaierischen Akademie der Wissenschaften. Mfinchen, Gedr. durch J. Fried. Ott, akadem. Buchdr. und zu haben bey Franz Lorenz Richter, akademischen Bficherverlagsinspector, 1765. 21
Vgl. dazu auch Braun (1765: 312):" wenigstens werden uns die deutschen Schulmänner [...] einen Dank wissen."
222
Sprachnorm und Sprachnormierung
In der Vorrede (5r) kritisiert Braun, daß in Deutschland keine einheitliche Hochsprache existiere und fordert wie Prasch feste grammatikalische Regeln. Bei der Frage, aus welcher Region diese übernommen werden sollten, kommt er (6r) zu dem Ergebnis, daß man sich die "Niederdeutschen" zum Vorbild nehmen sollte,22 da sich nach ihnen bereits die meisten deutschen Provinzen richten würden. Er bedauert in diesem Zusammenhang auch, daß "die bisherige oberdeutsche Schreibart nirgend anderswo das Glück gehabt hat, Eingang und Beyfall zu finden" (Vorrede 6r). Heinrich Braun behandelt in seiner Grammatik alle wesentlichen Aspekte und lehnt sich dabei stark an Gottsched an, der im 18. Jh. die unangefochtene sprachliche Autorität darstellte; er macht daraus keinen Hehl und verweist häufig auf seine Vorlage. 23 Im Gegensatz zu Gottsched geht jedoch Braun auf die sprachlichen Eigenheiten seiner Landsleute ein und berücksichtigt den Einfluß der Mundart auf die Schriftsprache. Braun (1765: 7) spricht den verschiedenen (gesprochenen) Mundarten keineswegs die Existenzberechtigung ab, strebt jedoch eine normierte, über den Mundarten stehende Hochsprache an, die in allen deutschen Landschaften anerkannt wird. Sein Ziel ist es, die Schriftsprache in Bayern dem Sprachtypus der mittel- und norddeutschen Territorien anzupassen, 24 um "im Schreiben und Drucken eine Gleichförmigkeit mit den meisten übrigen deutschen Provinzen einzuführen" (Vorrede 7r). Braun betont immer wieder, daß seine Grammatik für die speziellen Belange in Bayern geschrieben sei.25 Seine Ausführungen berücksichtigen stets die Schwierigkeiten des Mundartsprechers und enthalten Hinweise auf häufige Fehler. 26 Die Arbeit enthält mehrere Wortlisten, die in Zwei-
22
Braun meint damit wohl allgemein die Norddeutschen.
23
Z.B. 8, 58, 116, 249, 250, 257, 279 u.ö.
24
Braun will vor allem die geschriebene Sprache beeinflussen; vgl. dazu auch Matzel/Penzl (1982) 125.
25
Bereits in der Vorrede (6v) weist er darauf hin: "Sie [die Grammatik] ist hauptsichlich ffir unser Vaterland geschrieben." Und an anderer Stelle (315) heißt es: "Wir schreiben fibrigens ffir unsere Gegenden." 26
Vgl. o. in Teil I. die Ausführungen zur Hebung a > o, zum Zusammenfall von e und ö, zu Apokope und Synkope, zur Entrundung, zu den Diphthongen ie, ue, und üe, zum Umlaut, zur Konsonantenschwächung, zur velaren Affrikate, zur Verwendung von ch statt h, zum Vokal i in der l.P.Sg. bei den Verben der Ablautklassen 3b, 4 und 5, zur Deklination der Substantive und zur Wortbildung. - Brauns Grammatik demonstriert
Die Grammatiker
223
felsfällen konsultiert werden können. So erstellt Braun eine Liste der Feminina (95-111), die im Bairischen schwach, in den übrigen Sprachlandschaften dagegen meist stark dekliniert werden, sowie zwei weitere Gruppen von Substantiven, bei denen auf das Genus und auf die Flexion hingewiesen wird (280-284 und 315-345). Darüber hinaus sind die Formen der wichtigsten Verben aufgeführt (435 f. und 437-456); Braun wurde hierzu wohl von Gottsched angeregt, der bei den starken Verben (1762: 338) feststellt, daß die Oberdeutschen hierin recht unsicher seien.27 In Anlehnung an Gottsched ist auch das "Verzeichnis der meisten zweifelhaften Wörter, Syllben und Buchstaben" (116-182) entstanden, das vor allem die Unsicherheiten in der Orthographie berücksichtigt. Neben diesen Wortlisten finden sich auch praktische Anleitungen, wie Fehler vermieden werden können; 28 um zu zeigen, wie notwendig dies ist, führt er einen Beispielsatz an (239), der die häufigsten Versehen 29 enthält: Mein Mutter erstoch Gestert sein iltiste Tochter: sie fangete aber bald hernach ihr That zu bereuen an; sie schriebe der Frauen GrSffin von N. einen Brief, in welchen sie von deroselben den betrfibtisten Abschiede nähme, und nachdeme sie ihr besitzendes Haab und Guth denen Bedienten geschenket hatte, gäbe sie ihr selbst mit einen Degen zwey Stich; stürbe; und fahrete also ohnfehlbar der Höhlen zue.
Während die Mundart bei Prasch nur ansatzweise berücksichtigt wurde, stellte Braun diesen Aspekt in den Mittelpunkt seiner Darstellung. Er orientierte sich an Gottsched und übernahm so im wesentlichen die in Mitteldeutschland geltende Sprachnorm, die damit auch in Bayern verbreitet wurde. Da diese für die Praxis geschriebene Grammatik 30 zum Elementarwerk an den Schulen bestimmt wurde und auch die Lehrer darin geprüft wurden, hat sie die Entwicklung der Schriftsprache in Bayern entscheidend beeinflußt.
somit anschaulich, wie sehr die geschriebene Sprache von der Mundart beeinflußt wurde; vgl. dazu auch Matzel/Penzl (1982) 126. 27
"Die Oberdeutschen, sonderlich an der Donau, wissen sich damit gar nicht zu behelfen, und fehlen nirgends öfter, als darinnen."
28 Vgl. z.B. 238: "Man muß sich bey jedem Worte gleichsam selbst fragen [...], ob z.E. der Artikel, das Geschlecht, die Zahl u. s. f. mit den Regeln der Sprachlehre fibereinkommen." 29 30
Die regionalen Varianten sind im folgenden durch Fettdruck hervorgehoben.
Vgl. Matzel/Penzl (1982) 148: [Braun] "legt eine von wissenschaftlichem Beiwerk entlastete Sprachlehre vor."
4 Die gelehrten Gesellschaften im 18. Jahrhundert
Im 18. Jh. entstanden in Bayern mehrere Gesellschaften, die sich um die Pflege der deutschen Sprache und Literatur bemühten. Die Zeitschriften dieser Vereinigungen enthielten neben Themen aus dem Alltagsleben (z.B. Politik, Erziehung) kurze Erzählungen, Satiren, Fabeln und Gedichte, Aufsätze zur Geschichte der deutschen Literatur und Sprache, Abhandlungen über Metrik und Theater sowie Besprechungen von Neuerscheinungen auf dem Büchermarkt. Da die Beiträge auch von Autoren außerhalb Bayerns kamen, lernten die Leser auf diesem Wege die Literatur (und damit die Sprache) aus dem übrigen Deutschland kennen. Die Schriften der Gesellschaften stellten ein wichtiges Bindeglied zwischen dem katholischen Süden und dem protestantischen Norden dar und beeinflußten somit die literarische und sprachliche Entwicklung in Bayern. Die Forschung hat die Publikationen dieser gelehrten Vereinigungen in erster Linie unter kultur- und literaturgeschichtlichen Gesichtspunkten betrachtet und die Bemühungen um die Muttersprache meist übergangen oder nur am Rande gestreift. Die folgende Untersuchung stellt daher die sprachlichen Aktivitäten dieser Gesellschaften in den Mittelpunkt der Betrachtung und zeigt deren Bedeutung für die Entwicklung der Schriftsprache in Bayern auf.
4.1 Die Nutz- und Lusterweckende Gesellschaft der vertrauten Nachbarn am Jsarstrom
Die zwanzig Mitglieder der "Nutz- und Lusterweckenden trafen sich erstmals am 9. Januar 1702. Insgesamt fanden lungen statt, bei denen der Vorsitzende jeweils ein Thema dann erörtert wurde. Neben Diskussionen über Politik
1
Vgl. dazu Reinhardstöttner (1900) 253 ff.
Gesellschaft" 1 30 Versammvorschlug, das und religiöse
Die gelehrten Gesellschaften
225
Streitfragen trugen die Anwesenden Erzählungen vor, 2 in die Gedichte, Briefe, Dialoge und Gebete eingestreut waren. Die Inhalte dieser Treffen wurden von 1702 bis 1704 in fünf Bänden, die auf dem Titelblatt den Namen der Gesellschaft aufwiesen, veröffentlicht; 3 die Bände stellen somit eine Art Protokoll dieser Sitzungen dar. Der Mitgliederliste, die sich zu Beginn des ersten Bandes befindet, ist zu entnehmen, daß der Gesellschaft bedeutende Persönlichkeiten aus Politik und Wissenschaft angehörten. 4 Die Ziele der Gesellschaft sind in der Vorrede des ersten Bandes in fünf Punkten zusammengefaßt: Danach wollte die Vereinigung (1.) den Ruhm des Herrscherhauses mehren, (2.) gegen unkatholische Schriften kämpfen, (3.) den Leser mit gelehrten Diskursen informieren und unterhalten und (4.) die geistigen und kulturellen Strömungen in Bayern aufzeigen. Am vierten Punkt wird deutlich, daß man mit den Schriften den Beweis erbringen wollte, daß die literarische Situation in Bayern nicht so schlecht sei, wie allenthalben behauptet wurde; die Gesellschaft hoffe daher, "es werde dieser Anfang andere Patrioten zu einer Nachfolg incitirn / und die wackern Bayrn [...] Jhnen nicht nachsagen lassen / daß andere teutsche Nationes oder auch ettwan nur heimlich odiose Schrifftensteller in denen Reichs=Städten / sich ihrer Feder nach Belieben mißbrauchen und in dem Wahn stehen sollen, daß sich niemand Capabler antreffen lasse / jhnen dero in vielen Stücken suo modo & loco, tadlhaffte und unzulässige narrationes zu beschreyen / zu negiern / und das Widerspiel zu probiern" (Vorrede 6r). Geisteshaltung, Stil und Sprache der Publikationen wurden von den Lesern zum Teil heftig angegriffen. Im dritten Band (1703: 13) berichtet die
2
Jeder Band enthält ein oder mehrere solcher Stücke: z.B. 1,23 ff.; 2,24 ff.; 3,28 ff.; 4, 51 ff.; 5,12 ff. 3
Nutz= und Lust= erweckende Gesellschaft Der vertrauten Nachbarn am Jsarstrom. Das ist / Etlicher = in selbiger Chur= Bayerischen Refier wohnender guten Freund Vertrauliche= politisch= und Historische Discursen fiber allerhand Zeit=lSuffige Begebenheiten / und dardurch veranlassende Materien. Gedruckt im Jahr / 1702 [ff.] 4
So etwa Urban Heckenstaller (Geheimer Ratssekretär) und Hans Georg Lüttich (ebenfalls Geheimer Ratssekretär und Hofbibliothekar); zu den Mitgliedern gehörte auch Johann Kandier, der Vater von Agnellus Kandier, eines Mitbegründers des 'Parnassus Boicus'.
226
Sprachnorm und Sprachnormierung
Gesellschaft von den gegen sie gerichteten Vorwürfen 5 und versucht sie anschließend zu widerlegen. Die Mitglieder kommen zu dem Ergebnis, daß die Angriffe ungerechtfertigt seien, beschließen aber, zukünftig mehr auf die Sprache zu achten und weniger Fremdwörter zu verwenden (vgl. Punkt 2), um "dem teutschen Michel zu gefallen" (15). Die Veröffentlichungen der Vereinigung spiegeln die politische und religiöse Denkweise am Anfang des 18. Jh.s wider und stellen so auch ein wichtiges kulturhistorisches Dokument dar. Im Gegensatz zu den Publikationen der späteren gelehrten Gesellschaften spielte die Muttersprache eine untergeordnete Rolle. So fehlen einerseits theoretische Abhandlungen zur Grammatik des Deutschen, andererseits sind die Beiträge selbst stark mundartlich gefärbt. Das eigentliche Ziel der Vereinigung war wohl die Unterhaltung der Mitglieder, wobei die Literatur eine wichtige Stelle einnahm. 6 Für die Entwicklung der Schriftsprache in Bayern hatte die Gesellschaft nur geringe Bedeutung. Die Erörterung über die Sprache beschränkte sich meist auf das Für und Wider von Fremdwörtern, ein Thema, das bereits im 17. Jh. Anlaß heftiger Auseinandersetzungen war.7 Der Entschluß, man werde "hierinnen etwas nachgeben" (15), zeigt aber, daß die Mitglieder bereit waren, ihre Sprache den Normenvorstellungen anzupassen.
4.2 Die Academia Carolo Albertina und der 'Parnassus Boicus'
Im Jahre 1720 planten der Augustiner-Chorherr Eusebius Amort aus Polling und die Münchner Augustiner Gelasius Hieber und Agnellus Kandier die 5
Es werden sieben Punkte aufgezählt: "Imo will Etlichen die geistliche Liebs=Gschicht nit anstehen / und tauffen selbe benebenst einen Roman, 2do werden gar zu vil Französisch = oder Lateinische Wort eingemenget, 3tio ist einigen unrecht / daß weder Authoris noch Buchtruckers Namen beygeffigt / 4to halte man allzusehr die Frantzfisische Parthey / 5to befinde sich dises = oder jenes angefangen / und nit gar ausgeführet / 6to rfieche das Buch allzusehr nach Pfafferey / und 7mo wider die Un=Catholischen scheine die Feder etwas zu scharf zu sein etc. und was dergleichen mehr." 6 7
Vgl. dazu auch die Diskussion im ersten Band (1702) 111 ff.
Hier ist vor allem die im Jahre 1617 von Fürst Ludwig von Anhalt gegründete "Fruchtbringende Gesellschaft" zu nennen, die mit großem Eifer das Fremdwort in der deutschen Sprache bekämpfte.
Die gelehrten Gesellschaften
227
Gründung einer Akademie in München. 8 Kandier und Hieber waren als Leiter der Gesellschaft vorgesehen, die den Namen "Academia Carolo Albertina" tragen sollte. Geplant waren 18 votierende Mitglieder, die viermal jährlich eine Abhandlung publizieren sollten. Da die Bestrebungen zur Gründung einer Akademie scheiterten, 9 wollten Amort, Hieber und Kandier ihre Ideen in einer gelehrten Zeitschrift verwirklichen. Die vom Jahre 1722 bis 1727 erschienenen Lieferungen, an denen zahlreiche weltliche und geistliche Gelehrte mitarbeiteten, sind in vier Bänden zusammengefaßt, die den Titel 'Parnassus Boicus' 10 tragen. Nachdem Amort mehrere Jahre nach Italien gegangen und Hieber 1731 verstorben war, ruhte die Edition für geraume Zeit. Von der Akademiebewegung in Italien beeindruckt, regte Amort nach seiner Rückkehr im Jahre 1735 die Weiterführung an, und so erschien 1736 unter dem Titel 'Neueröffneter Parnassus Boicus' der fünfte Band. Die Wirren des Österreichischen Erbfolgekrieges verhinderten allerdings die Fortsetzung des Werkes, so daß erst vier Jahre später der sechste Band zustande kam, mit dem der 'Parnassus Boicus' sein Erscheinen einstellte. Die Zielsetzung des 'Parnassus Boicus' - die Förderung der Wissenschaften und Künste sowie die Pflege der Muttersprache - ist im Vorwort des ersten Bandes (1722 :7) formuliert: "Jm übrigen wie11 diser Parnassus Boicus zu seinem Zihl und Ende kein anderes nicht hat / als daß man hierdurch suche so vile darnider ligende schöne Ingenia auffzumunteren / jhnen ein Lustreitzendes Keder zu allerhand Künsten vnd Wissenschaften vorzulegen / vnd die sogenannte Beiles lettres in vnserem Vatterlande desto baß floriren zu machen wenigist in vnserer Mutter=Sprach." Neben den Artikeln zur Poesie und Sprache, auf die weiter unten noch ausführlich eingegangen wird, enthält der 'Parnassus 'Boicus' eine gelungene Mischung aus wissenswerten und unterhaltsamen Beiträgen: Darunter befinden sich Aufsätze zur bayerischen Geschichte, 12 Berichte aus verschiedenen Ländern, 13 Ab-
8
Der Akademiegedanke war nicht neu. Nachdem bereits in Italien, Frankreich und England Akademien existierten, wurde im Jahre 1700 in Berlin durch Friedrich I. die Preußische Akademie gestiftet.
9
Vgl. dazu Hammermayer (1959) 40.
10
Vgl. dazu Lenk (1967) 2,124 ff.; Gemert (1984); Reiffenstein (1988).
11
Das wie ist hier nachgestellt: Gemeint ist wohl "Wie übrigens...".
12
Z.B. 1,40 ff.; 1,108 ff.; 1,199 ff. Daneben mehrere Aufsätze zur bayerischen Kirchengeschichte, wie beispielsweise in 1,209 ff.; 1,308 ff.; 2,97 ff.
228
Sprachnorm und Sprachnormierung
handlungen zur Chemie und Medizin,14 Besprechungen von Neuerscheinungen auf dem Büchermarkt 15 sowie Aufsätze über Bibliotheken 16 und mittelalterliche Handschriften 17 . Zu den Hauptanliegen des 'Parnassus Boicus' gehörte die Pflege der deutschen Sprache und Literatur. Die meisten Abhandlungen zu diesem Thema stammten von Gelasius Hieber, der mit seinen Beiträgen der Zeitschrift zu hohem Ansehen verhalf: Der erste Band (1723: 487) enthält (wahrscheinlich nach dem Druck von Opitz) eine Probe des 'Annoliedes', der zweite (1723: 21 ff.) die Straßburger Eide vom Jahre 842 sowie das althochdeutsche Vaterunser und einige weitere Stücke der althochdeutschen Periode (jeweils mit Übersetzung); im dritten Band (1725/26)18 bringt Hieber eine umfassende Erörterung zur Theorie der Dichtkunst, wobei er sich stark an antike Autoren anlehnt. In dem Abschnitt "Von der Teutschen Poeterey", der ebenfalls im dritten Band (404 ff.) erschienen ist, beklagt Hieber - ausgehend von den Höhepunkten der alt- und mittelhochdeutschen Dichtung - wie die Literatur "Catholischer Seyts in Verfall" geraten ist (bes. 409 ff.). Als Hauptpunkte nennt er (416 ff.) die Vernachlässigung der Muttersprache, "denn wie / wo / wann / solte der eingebohrene Teutsche die Reinigkeit / die Zierde / die Eygenthumblichkeit / vnd Reichthumb seiner Sprach lehrnen? von seiner Mutter / Arne [!] / oder Kinds=Menschen? Wann nun in den Schuelen hiervon wenig oder gar nichts der Jugend wird beygebracht / in den meisten teutschen Bficheren aber ersagte Eigenschafften / will nit sagen zugleich / sondern auch gar nicht einmahl eintzles 19 anzetreffen / in was vor andren Brünnen [!] dann können / sollen vnd müssen abgesagte Eigenschafften vnsrer teutschen Mutter=Sprach gesucht vnd gefunden werden / als in der Poetischen?"
13
Z.B. über ein "Genealogisch = Politisch= vnd Historisches Werck" aus der Schweiz (1,81 ff.), eine Hebräische Grammatik aus Frankreich (1,88), über neugegründete gelehrte Gesellschaften in Spanien und Portugal (1,92) oder über eine Reise ins Heilige Land (3,62 ff.). 14
Vgl. die Beschreibung von chemischen Experimenten (1,153 ff.) oder die Aufsätze über die Pest (1,179 ff.; 1,462 ff.). 15
Z.B. 1,66 ff.; 1,372 ff.; 3,65 ff.; 4,230 ff.
16
Beispielsweise in 4,53 ff. und 4,225 ff.
17
Vgl. dazu die Beiträge in 1,166 ff. oder 4,378 ff.
18
17 ff.; 85 ff.; 164 ff.; 244 ff.
19
'Einzelnes'.
Die gelehrten Gesellschaften
229
Die Bemühungen um die deutsche Sprache haben Hieber schon früher dazu veranlaßt, ausführlich darauf einzugehen. Der zweite Band (1723/25) enthält fünf Beiträge, 20 die zusammen einen Abriß der deutschen Grammatik darstellen. 21 Er erörtert darin den Ursprung der Sprache und zeigt dann (23 ff.), wie nach einer langen Periode der Sprachpflege von Karl dem Großen bis Kurfürst Maximilian I. von Bayern im 18. Jh. der Niedergang eingetreten ist. Hieber kritisiert (194 ff.) den Zustand der deutschen Sprache (im 18. Jh.) und führt als Mängel die schlechte Aussprache, das Eindringen von Fremdwörtern und modischen Neuerungen sowie die Verwendung regionaler Formen an. Er weist darauf hin, daß diese in allen Sprachlandschaften anzutreffen seien, und führt mehrere Beispiele an 22 Hieber ist der Auffassung, daß das Hochdeutsche frei von Dialektmerkmalen sein sollte, und rügt dabei Luther, der das Ziel gehabt habe, "seiner Ober=Sächsischen Teutschen Sprach die universal Monarchi in dem Hoch=Teutschen einzuräumen"; bedauerlicherweise würden ihn seine Landsleute bis in die Gegenwart nachahmen, und sogar die Katholiken versuchten, "wann sie ein dergleichen Protestantisches Lufft=Wort erschnappen / sich weiß nit / wie breit zu machen" (205). Um zu einer überregionalen Sprachform zu gelangen, müßten aber alle ihre Eigenheiten zugunsten einer allgemein anerkannten Ausgleichssprache zurückstellen: "Bestehet demnach das wahre Hochteutsche weder in der Schwäbischen / noch Bayrischen / noch Oesterreichischen / noch Sächsischen / noch Mayn= noch Rhein=Strohmischen / sonder in der R e d = vnd Schreib=Art der Gelehrten / welche Kenner / Meister / vnd Besitzer seyn diß vnsrer mannhaften / körnig= vnd zier-
20
"Von der Kunst vnd Wissenschafft der sogenannten Grammatica oder Sprach=Lehre vnd jhren Eigenschafften" (6 ff.); "Fortsetzung von der Hoch=Teutschen Sprach / wie selbe in gegenwärtig= achzehenden Saeculo in jhrer Zierde vnd Reinigkeit mehr ab= als zugenommen" (192 ff.); "Von der Beschaffenheit vnd wahrer Zierde der Teutschen Sprach" (288 ff.); "Weitere Fortsetzung von der Hochteutschen Helden=Sprach" (385 ff.); "Von dem [!] Syntax, oder Kunst=mSssiger Zusammensetzung einer Rede" (480 ff.). 21
Wie Reiffenstein (1988: 31 ff.) nachgewiesen hat, lehnt sich Hieber in seinen Ausführungen stark an die Grammatik von Bödiker/Frisch (1723) an. 22
'Parnassus Boicus' 2 (1723/25) 204: [Es] "findet sothaner verschidener Accent vnd Aussprechung einerley Worts mercklichist in vnserem Teutschland / dann die Herren Schwaben tragen sonders Behagen an dem A; die Ober= Nider= Mayn= vnd Rhein=Str6mer an dem Y; die Herren Bayrn vnd Tyroller an dem O; die Herren Schweitzer an dem V; wann nun ein jeder ein Dialectum oder landliche Red=Art in das Hoch=Teutsche will eintringen / behfite GOtt!"
230
Sprachnorm und Sprachnormierung
lieh=klingenden Teutschen Mutter=Zungen" (207).23 In seinem dritten Beitrag zählt Hieber (308 f.) 16 Bereiche auf, 24 die man zur vollkommenen Beherrschung der Muttersprache kennen sollte; in der vierten und fünften Abhandlung werden diese Punkte dann erläutert. Die Aufsätze zur deutschen Sprache stießen bei den Gelehrten aus Mittelund Norddeutschland verständlicherweise auf Ablehnung. In der von Gottsched herausgegebenen Zeitschrift 'Beyträge zur Critischen Historie Der Deutschen Sprache, Poesie und Beredsamkeit' erschien (1735/36: 264 ff.) ein Artikel über die ersten vier Bände des 'Parnassus Boicus', in dem die Ausführungen von Hieber zusammengefaßt und zum Teil heftig kritisiert wurden. Im selben Band der 'Beyträge zur Critischen Historie' findet sich ein Aufsatz von Heinrich Christian Lemcker (74 ff.), Konrektor der Michaelisschule in Limburg, zu Hiebers Behauptung, es sei in Deutschland niemals ein ärgerer Sprachverderber aufgestanden als Luther; er führt darin mehrere Beispiele aus dem Neuen Testament (1527) des Reformators auf, die diesen Vorwurf widerlegen sollten, und schließt seine Abhandlung mit einer Laudatio auf Luthers Sprachschaffen. Der fünfte Band des 'Parnassus Boicus' enthält (1736: 67 ff.) einen Aufsatz von Agnellus Kandier, in dem Hiebers Diskussion über das wahre Hochdeutsch fortgeführt wird.25 Unter Hinweis auf die verschiedenen Sprachlandschaften fordert Kandier ebenfalls eine überregionale Sprachform und bedauert, daß diese in keinem der deutschen Territorien anzutreffen sei.26
23
Weiter unten (297) wiederholt er diesen Aspekt: "Die Hochteutsche Sprach betreffend / ist / wie erindert / keine Mund=Art eines einigen Volcks oder Nation der Teutschen / sondern auß allen durch Fleiß der Gelehrten zu solcher Zierde erwachsen / vnd in gantz Teutschland in Schreiben der Gelehrten wie auch im reden vornehmer Leute fiblich." 24
"[...] erstlichen die Orthographia oder Rechtschreibung / 2. die Etymologie oder Wortforschung / 3. die Syntax oder Wortffigung / 4. die Prosodie oder Zeit=Maß der Außsprechung / 5. der Articulus oder der Artickl / 6. das Nomen oder Nennwort / 7. das Pronomen oder Vorwort / 8. das Verbum oder Zeit=Wort / 9. das Participium oder N e n n = vnd Zeit=Wort / 10. das Adverbium oder Beywort / 11. die Conjunctio oder das Verbindungs=Wort /12. Praepositio oder das Vorsetzungs=Wort /13. Interjectio oder das Ausruffungs=Wort / 14. Interpunctio oder die Unterscheidungszeichen / 1 5 . Derivatio die Ableitung oder Abstammung / 16. Compositio die Zusammenffigung oder Aneinanderknfipffung." 25 26
"Einige Anmerkungen fiber die Teutsche Sprach".
Er verweist an dieser Stelle auf die Ausführungen Hiebers im zweiten Band (1723/25: 192 ff.) des 'Parnassus Boicus'.
Die gelehrten Gesellschaften
231
Die "Herren Lutheraner", vor allem deren Sprachgesellschaften, gäben sich zwar große Mühe, die Sprache zu verbessern, doch hätten diese Anstrengungen nicht ausgereicht, eine "allgemein verbesserte / durchaus gleichlautende Mund= und Schreib=Ordnung in Teutschland einzuführen" (70). Dies sei nicht verwunderlich, da die Mitglieder dieser Gesellschaften alle aus derselben Region kämen, keine (politische) Macht hätten, um Veränderungen durchzusetzen, und darüber hinaus keine geeignete sprachliche Richtschnur besäßen. Man könne daher die "Katholischen" nicht kritisieren, wenn sie sich bis zur Einführung einer geeigneten Hochsprache nach dem in ihren Gegenden üblichen Sprachtypus richteten. Kandier wendet sich gegen die Vorherrschaft des Obersächsischen und gegen die Auffassung, daß in sprachlichen Zweifelsfällen die Lutherbibel die absolute Autorität sei. Dies sollten sich "jene Catholische Schreiber und Buchdrucker wohl zur Gedächtnuß nemmen / welche blindhin alles nachmahlen und nachaffen, was sie in einem Säschsischen Buch lesen und aufklauben / da doch solche Schreib=Art mehrmahlen kein andere Brunn= Quell / als die Lutherische Bibel / und keinen tiefferen Grund hat als des Luthers Willkuhr" (74). Wie Hieber weist er darauf hin, daß auch Luther viele regionale Formen aufgenommen und dabei vor allem dem Obersächsischen den Vorzug gegeben hatte. 27 Kandier schließt seine Ausführungen mit der Bemerkung, daß noch nicht entschieden sei, welche Region sich letztlich durchsetzen werde, und "daß solchemaßen biß auf höhere Entscheidung ein Patriot von seiner angebohrenen Mund=Art nicht so leichtsinnig abweichen / und seine Zung und Feder ohne Noth in fremdes Geschirr zwingen solle" (76). Hieber und Kandier wandten sich mit ihren Beiträgen zur Sprache gegen die dominierende Rolle des Obersächsischen. Die Auseinandersetzung mit der Lutherischen Sprachnorm, die im 18. Jh. bereits in den Hintergrund getreten war, ist wohl auf die Tatsache zurückzuführen, daß beide Verfasser katholische Kleriker waren. Die polemischen Bemerkungen über die Bibelübersetzung des Reformators verdeutlichen dies in anschaulicher Weise. 28 Bei der Diskussion um das wahre Hochdeutsch kommen sie zwangsläufig zu dem Ergebnis, daß auch die Oberdeutschen ihre Sprachform aufgeben 27
"Übrigens muß Luther mit seiner Bibel (ich enthalte mich mit allem Fleiß, von der Treu und Richtigkeit im Ubersetzen etwas zu melden) nicht allein von denen Catholischen / sondern auch von eyffrigen Lutheranern den Vorwurff erdulden, er habe in selber die Ober=Slchsische Land=Sprach zimlich herrschen lassen" (74 f.). 28
Kandier spricht in Band zwei (1723/25: 204) von der "Teutschen Affter=Bibel".
232
Sprachnorm und Sprachnormierung
müssen. Hieber und Kandier betonen zwar immer wieder, daß regional begrenzte Formen gemieden werden müßten, ihre Sprache ist aber dennoch mit zahlreichen bairisch-oberdeutschen Varianten durchsetzt. 29 Auch die übrigen Beiträge des 'Parnassus Boicus' weisen den in der ersten Hälfte des 18. Jh.s in Bayern üblichen Sprachtypus auf.30 Die Bedeutung der Zeitschrift lag vor allem darin, daß die Diskussion über die Sprachnorm und das Aufzeigen von Sprachfehlern ein größeres Publikum erreichte, das sich sonst nicht speziell mit Sprachtheorie auseinandergesetzt hatte. Auch wenn die Zeitschrift selbst nur bedingt der darin vertretenen Sprachnorm entsprach, 31 hat sie in Bayern dennoch das Interesse für die Sprache und das Bewußtsein für die sprachlichen Gegensätze innerhalb der deutschen Territorien gestärkt.
4.3 Die Bayerische Akademie der Wissenschaften
Auch nachdem die Gründung einer Akademie im Jahre 1720 gescheitert war, blieb der Akademiegedanke in Bayern bestehen und wurde in den folgenden Jahrzehnten immer wieder aufgegriffen. Im Laufe der Zeit reifte die Einsicht, daß die Ziele nur mit staatlicher Unterstützung und durch das Zusammenwirken der verschiedenen geistigen Strömungen zu realisieren sein würden. Die eigentliche Triebkraft der Akademiebewegung seit den vierziger Jahren war Johann Georg Lori, 32 der 1749 nach einem Treffen
29
Beispiele aus Hiebers Beiträgen im 'Parnassus Boicus' 2 (1723/25): Pembsel (303), Waitzen (194), Liecht (ebd.), hupffen 'hüpfen' (305), prechen (388), erindem (289), neu =gebachen Wort (202), genennet Part. Perf. (15), (sie) seynd (20), ich stirbe (400), bey der Prucken (294), Kuchel 'Küche' (292), Geheimbnuß (199); obd. Wortschatz: Lefftzen A. PI. (192), der Geiß=ßssige Waldmann (195), Scheuren A. PI. (301); häufig Apokope und Synkope. 30
Vgl. dazu auch Reiffenstein (1988) 35-37.
31
Dieser Gegensatz zwischen Theorie und Praxis wird auch in dem oben erwähnten Aufsatz, der in den 'Beyträgen zur Critischen Historie' (1736: 274) erschienen ist, angesprochen: "Wir [...] glauben aber nicht, daß nach demselben der Verfasser sich selbst ffir einen Kenner und Besitzer des Hochdeutschen halten könne, weil in seinen Schriften ungemein viele abgeschmachtigte und schroffächtige Bayerische landlSuffige Zungarten unterlaufen." 32
Vgl. ADB 19,183 ff.; BBB 490.
Die gelehrten Gesellschaften
233
mit Eusebius Amort, dem Mitbegründer des 'Parnassus Boicus', die Gründung einer gelehrten Gesellschaft plante. Als Lori, der seit 1749 als Professor der Rechtsgeschichte an der Universität Ingolstadt gewirkt hatte, nach Auseinandersetzungen mit den Jesuiten im Jahre 1752 als Hofrat an das neu gegründete Münz- und Bergkollegium nach München versetzt wurde, verlagerten sich auch die Akademiepläne nach München. 33 Im Oktober 1758 bewirkte Lori schließlich die Gründung der zunächst privaten "Bayerischen Gesellschaft" in München, aus der 1759 die "Churbaierische Akademie der Wissenschaften" wurde, nachdem der Kurfürst die Statuten bestätigt hatte. Der in der Verfassung der Akademie verankerte Grundsatz, man wolle die Bestrebungen des 'Parnassus Boicus' fortsetzen, 34 stieß zum Teil auf heftige Kritik. In einem Brief vom 23.8.175935 an Lori lobt Gottsched die Gesetze der Akademie, bedauert jedoch, daß der 'Parnassus Boicus' als Vorbild genannt werde: "Daß man in Deutscher Sprache die Schriften der Akademie abfassen und ans Licht stellen will, ist sehr zu loben; und E. Hochedlg. werden standhaft bey dieser Satzung beharren. Daß aber der Parnassus Boicus zum Gewährsmann dieser vortrefflichen Anstalt, oder doch zu ihrem Vorläufer erkläret worden, hätte mir fast ein lautes Gelächter abgedrungen. Um Gottes Willen! gedenken doch E. Hochedlg. dieses Parnassus Boicus nicht mehr, wenn sie nicht alle Ihre Bemühungen bey dem größten Theile von Deutschland lächerlich machen wollen. In den Kritischen Beyträgen, 36 die hier zwischen 30 und 40 herausgekommen, ist das Urteil zu sehen, welches eine so unzeitige Geburt damals bey der Morgenröthe unserer Litteratur und Kritik verdienet hat. Was würde nicht itzo am hellen Mittage des guten Geschmackes für eins erschallen?" 37
33
Zur Geschichte der Bayerischen Akademie der Wissenschaften vgl. Westenrieder (1804/07); Hammermayer (1959); Spindler (1966) 78 ff.
34
Vgl. Punkt 1 der Statuten: "Die im Parnasso boico fest gestellte Absichten, alle nfitzliche Wissenschaften und freie Künste in Baiern auszubreiten, sollen ausgeffihret, hievon aber Glaubenssachen und juristische Ausführungen besonderer Streitigkeiten ausgeschlossen werden." Die Verfassung ist vollständig ediert bei Westenrieder 1 (1804) 25 ff. 35
Ediert bei Spindler (1959) 138.
36
Gemeint sind wohl die oben (S. 230) erwähnten Aufsätze in der von Gottsched herausgegebenen Zeitschrift 'Beyträge zur Critischen Historie Der Deutschen Sprache, Poesie und Dichtkunst', in denen die Sprache des 'Parnassus Boicus' kritisiert wird. 37
In einem späteren Schreiben verteidigt Lori die Mitarbeiter des 'Parnassus Boicus' und bezeichnet sie als "ehrliche Patrioten", die sich redlich bemüht hätten. Der Brief (vom 25. November 1759) ist abgedruckt bei Spindler (1959) 216 ff.
234
Sprachnorm und Sprachnormierung
Der Akademie, die in eine Philosophische und Historische Klasse unterteilt war, standen ein kurfürstlicher Minister als Präsident, ein von den ordentlichen Mitgliedern gewählter Vizepräsident, ein Akademiesekretär sowie die Direktoren der beiden Klassen vor.38 In den regelmäßigen Versammlungen sollten "Sachen, welche die Aufnahme der nützlichen Wissenschaften und freyen Künste oder den Zustand der Akademie insgemein betreffen" erörtert, neue Mitglieder aufgenommen und einmal jährlich "zwey Aufgaben theils aus der deutschen Historie, theils aus der Weltweisheit, für künftige Preise, allen welche keine Mitglieder sind, öffentlich aufgeworfen", sowie "Preis = Prob= und alle andere Schriften abgelesen, und in Untersuchungen genommen" werden. 39 Ein wichtiges Ziel der Akademie war die Pflege der Muttersprache; bereits bei der Gründung der Gesellschaft wurde festgelegt, daß die wissenschaftlichen Abhandlungen der Mitglieder und die eingereichten Beiträge in deutscher Sprache verfaßt werden sollten. Im Briefwechsel, den Lori als Akademiesekretär mit den Gelehrten in Deutschland führte, spielt dieser Punkt eine wichtige Rolle. In einem Schreiben vom 2. Juli 175940 an Gottsched berichtet Lori von der Gründung der Akademie und beklagt, daß das Vorhaben, die Beiträge in deutscher Sprache zu verfassen, vor allem bei den Klerikern auf Ablehnung stoße: "Unsere geistliche sind nicht alle zufrieden, daß sie in Teutscher Sprache zu schreiben angewiesen wurden. Wir halten aber unerbittlich auf das 46. Geseze, weil wir zur gleichen Zeit, ohne es merken zu lassen, die Muttersprache in unsern Gegenden gemeiner und volkomner zu machen entschlossen [= beschlossen] haben." Der Ordinarius der Rechte und Direktor der Universität Ingolstadt, Johann Adam von Ickstatt, gibt in einem Brief vom 28. Dezember 1759 zu bedenken, 41 daß bestimmte Themen nur schwer in der Muttersprache abzufassen seien, und weist darauf hin, daß lediglich wenige Wissenschaftler darin Übung hätten: "Es ist ein hartes Gesetz, daß die Academie nur Teutsche Aufsätze annimbt. Viele Sachen sind in der Muttersprache schwer auszuarbeiten oder es gehören wenigstens vollkomene Meister der Teutschen Sprache dazu." Der be-
38
Lori, der bis 1760 die historische Klasse leitete, bekleidete bis 1761 das Amt des Akademiesekretärs. 39
Punkt 3 der Statuten; vgl. den Abdruck der Verfassung bei Westenrieder 1 (1804) 25
f. 40
Ediert bei Spindler (1959) 82 f.
41
Schreiben an Lori; abgedruckt bei Spindler (1959) 250 f.
Die gelehrten Gesellschaften
235
rühmte Regensburger Naturforscher Jacob Christian Schäfer schlägt Lori vor, 42 die eingeschickten Aufsätze vor der Drucklegung überarbeiten zu lassen: "Würde nicht vor allen Dingen darauf angetragen werden, daß die deutschen Schriften ehe sie abgedruckt werden, von einem der guten deutschen Sprache und Orthographie Kundigen durchgesehen, dahin abgeändert, und so auch die Correctur von ihm besorgt würde. Außer dem mögte [!] die beste Schrift dem Innhalt nach, der Orthographie und Stylo nach, bey Auswärtigen Anstoß finden. Wenn die Journale, wie es scheint, hier gedruckt werden sollten, wollte ich auch hierzu gern die Hand biethen." Dem Schreiben ist zu entnehmen, daß bereits im Gründungsjahr eine eigene Schriftenreihe bzw. eine regelmäßig erscheinende Zeitschrift geplant war. In der Folgezeit spielt der Kurfürst eine wichtige Rolle: Maximilian III. Josef (1745-77), der von Ickstatt 43 erzogen und daher stark von der Aufklärung beeinflußt wurde, setzte in Bayern mehrere entscheidende Reformen durch und förderte in großem Umfang die Bildung (Einführung der allgemeinen Schulpflicht!) und die Wissenschaften. 1765 beauftragte er die Akademie, einen Lehrstuhl für deutsche Sprache und Rhetorik einzurichten und die Abfassung einer deutschen Sprachlehre zu veranlassen. Der Text dieser Anordnung vom 22. Mai 1765 wurde der Grammatik von Braun, die von der Akademie vorgeschlagen wurde, als Vorwort beigegeben und am 1. Juni noch einmal separat veröffentlicht. 44 Die Sprachlehre sollte die mundartlichen Eigenheiten des Landes berücksichtigen und als Schulgrammatik in ganz Bayern verwendet werden: "Wir haben daher unserer Akademie der Wissenschaften aufgetragen, nicht nur einen öffentlichen Lehrstuhl der deutschen Sprach = und Redekunst in Unserer Residenz=Stadt zu bestellen, sondern auch eine nach der hiesigen Landes = Beschaffenheit und Mundart soviel möglich eingerichtete Anleitung zur deutschen Sprachkunst zum Gebrauche der Schulen unserer Churlande
42
Schreiben vom 28. Juli 1759, in dem sich Schäfer für die Einladung zum Beitritt bedankt, und Vorschläge zur Vereinheitlichung der Sprache unterbreitet; Abdruck bei Spindler (1959) 122 ff., hier 124. 43
Johann Adam Freiherr von Ickstatt (1702-1776), der u.a. bei dem Philosophen Christian Wolff in Marburg studiert hatte, kam 1741 nach München, um die Erziehung des zukünftigen Kurfürsten zu übernehmen. Seit 1746 war er Direktor der Universität Ingolstadt und bereits 1759 (also im Gründungsjahr) Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. 44
Das Mandat vom 1. Juni ist abgedruckt bei Lurz 2 (1908) 200 ff.
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Sprachnorm und Sprachnormierung
durch einige aus ihrem Mittel verfassen und in Druck legen zu lassen."45 Die Grammatik, die in der ersten Auflage anonym erschienen ist, trug auf dem Titelblatt den Vermerk "Mit Genehmhaltung der Churbaierischen Akademie der Wissenschaften" und war so als Publikation, die im Auftrag der Akademie herausgegeben wurde, ausgewiesen. Die Akademie selbst sollte den Vertrieb übernehmen und einen Teil der Geldstrafe bekommen, die bei Vergehen gegen das Urheberrecht vorgesehen war. 46 Mit der Auswahl dieser Grammatik und der Berufung Heinrich Brauns auf den neuerrichteten Lehrstuhl für deutsche Sprache hatte sich die Akademie für einen der bedeutendsten Sprachtheoretiker des Landes entschieden; da sich Braun in seinen Schriften an der von Gottsched vertretenen Sprachnorm orientierte, haben sie letztlich auch dem mitteldeutschen Sprachtypus in Bayern zum Durchbruch verholfen. Seit 1764 gab die philosophische Klasse der Akademie unter dem Titel 'Baierische Sammlungen' 47 eine eigene Monatsschrift heraus, die von Osterwald 48 , Pfeffel 49 und Braun betreut wurde. Im Vorwort der ersten Lieferung (1764: A2r) wird betont, "daß nichts vermögender sey, den guten Geschmack in schönen Wissenschaften, besonders aber einer zierlichen
45
Braun (1765) 3r und Lurz 2 (1908) 201.
46
Vgl. den Schluß des Mandats vom 22. Mai (bei Braun 1765: 3v) bzw. vom 1. Juni (bei Lurz 2,202): "Und zumalen wir den Debit solcher Sprachlehre Unserer Akademie private fiberlassen, und zugleich gnädigist vergfinstiget haben: alle Exemplarien auf dem Titelblatte mit einem gewissen Stempfei bezeichnen zu därfen. So verbiethen wir hiemit mSnniglich, dieselben in diesem oder einem anderen Format nachzudrucken, oder dergleichen nachgedruckte oder ungestempfelte Exemplarien in Unseren Churlanden zu distrahieren, und zu verkaufen, bey Vermeydung der Confiscation und 10 Reichsthaler Strafe ffir jedes verbothene Exemplar, welche von den Uebertrettern unnachlissig erfordert, und ein Theil davon Unserem Fisco, ein Theil Unserer Akademie der Wissenschaften, und der dritte Theil dem Aufbringer mit Verschweigung dessen Namens zugetheilt werden solle." (Zitiert nach Braun 1765). 47
Baierische Sammlungen und Auszüge zum Unterricht und Vergnfigen. Erstes Monatsstfick. Jm October 1764. Mfinchen bey Franz Lorenz Richter, Akad. Bücherverl. Inspector. [4 Bde. 1764-68], 48
Der Geheime Rat Peter von Osterwald war 1762-68 Direktor der philosophischen Klasse. In Band 2.2 (1965: 578 ff.) der 'Baierischen Sammlungen' ist sein Aufsatz "Gedanken fiber die beste Art die klassischen Schriften mit der Jugend zu lesen" erschienen. 49
Vermutlich arbeitete neben Christian Friedrich Pfeffel, der von 1763-67 Direktor der historischen Klasse und Herausgeber der Reihe "Monumenta Boica" war, auch dessen Bruder, der Dichter Gottlieb Johann Pfeffel, mit.
Die gelehrten Gesellschaften
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Schreibart, und reinen Sprachkunst, in einem Lande rege zu machen, und auszubreiten, als gelehrte Journale." Es sei allerdings nicht zu leugnen, daß in diesem Punkt im Vaterlande noch vieles im Argen liege. Viele Patrioten hätten sich schon seit langem gewünscht, daß in den Buchläden Werke angeboten würden, "worinnen der gute Geschmack und eine reine deutsche Schreibart herrschet, und daß solche Bücher durch gelehrte Zeitungen bekannt gemacht würden" (A 3v). Die Akademie habe daher beschlossen, einen großen Vorrat der neuesten Bücher anzuschaffen, "welche in dem besten Geschmacke und in der reinesten Schreibart abgefasset sind" (A5r). 50 Die Akademie sei allerdings noch einen Schritt weiter gegangen und habe einigen ihrer Mitglieder aufgetragen, ein gelehrtes Journal zu entwerfen und monatlich herauszugeben. Mit den 'Baierischen Sammlungen' wollte die Akademie den Beweis erbringen, daß man auch in deutscher Sprache niveauvoll schreiben könne. Aufgenommen wurden Gedichte, kleinere Erzählungen, Fabeln und Satiren, die in Stil und Sprache als vorbildlich angesehen wurden; dazu kamen naturwissenschaftliche Abhandlungen, Nachrichten aus dem Umfeld der Akademie, Buchbesprechungen und Hinweise auf Neuerscheinungen, die in der "Churfürstlichen akademischen Buchhandlung" erhältlich waren. 51 Wie dem Vorwort zur ersten Lieferung zu entnehmen ist, wurde ein Teil der Beiträge aus anderen (zumeist mittel- und norddeutschen) Zeitschriften entnommen. 52 Auf diesem Wege gelangten in die 'Baierischen Sammlungen' Stücke von Geliert, Gleim, Hagedorn, Haller, Kleist, Lessing und Uz. Die 'Sammlungen' enthielten allerdings auch Beiträge, die erstmals veröffentlicht wurden, wie beispielsweise Gellerts Vorlesung "Von der Beschaffenheit, dem Umfange und dem Nutzen der Moral" (Band 2.1, 1765: 167 ff.). Darüber hinaus wurden auch bayerische Autoren aufgefordert, ihre Werke einzusenden: Außer den naturwissenschaftlichen Abhandlungen, die meist von den Mitgliedern der Akademie stammten, sind vor allem die Ge-
50
Diese Neuerwerbungen wurden regelmäßig in einem Bücherverzeichnis angekündigt und in einem eigenen Buchladen angeboten. 51
Ein komplettes Inhaltsverzeichnis der Beiträge findet sich im Anhang von Band 4.2 (1768).
52
"so haben wir uns entschlossen, die meisten Stficke aus den besten der heutigen europSischen Journale auszugsweise zu nehmen, und die brauchbaresten nfitzlichsten und schönsten Materien daraus dem unserigen miteinzuverleiben, worinnen ein bescheidener Witz herrschet, eine reine Schreibart angebracht, und alle Gelegenheit zu Anstößigkeiten vermieden wird." (Vorwort zu Bd. 1.1, 1764: A4v).
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Sprachnorm und Sprachnormierung
dichte Fronhofers, die O d e n von Braun und die Ü b e r s e t z u n g e n der 'Tristien' Ovids v o n Cajetan A d a m i hervorzuheben. N e b e n d i e s e n Beiträgen, die als sprachliches Vorbild d i e n e n sollten, enth a l t e n die 'Baierischen S a m m l u n g e n ' m e h r e r e Stücke, die sich direkt mit der d e u t s c h e n S p r a c h e beschäftigen. In B a n d 2.1 (1765: 215 f.) b e f i n d e t sich ein Brief, d e n ein V a t e r verfaßt hat, u m s e i n e m Sohn zu zeigen, w i e ein stilistisch und orthographisch einwandfreies Schriftstück a u s s e h e n sollte. In d e m S c h r e i b e n f i n d e n sich zahlreiche orthographische und syntaktische U n s i c h e r h e i t e n s o w i e bairische Varianten, die auf diese W e i s e in F o r m einer Satire eindringlich demonstriert w e r d e n . 5 3 D e r fingierte Brief war in d e n 'Baierischen S a m m l u n g e n ' ein b e l i e b t e s Mittel, u m sprachliche M ä n g e l aufzuzeigen. In e i n e m "Schreiben a n e i n e D a m e , w e l c h e rein D e u t s c h lernet" ( B a n d 4.1, 1767: 123 ff.), sollte auf die T a t s a c h e h i n g e w i e s e n w e r d e n , daß der A d e l und die Oberschicht e i n e V o r l i e b e für das Französische b e s a ß e n und daher die d e u t s c h e S p r a c h e nur u n g e n ü g e n d beherrschten. D e r Verfasser d e s Briefes rät der D a m e dringend ab, g u t e s D e u t s c h zu lernen, da dies nicht notwendig sei. 5 4
A n anderer
Stelle ( B a n d 3.1, 1766: 149 ff.) macht sich Braun über die S p r a c h e e i n e s
53
Bereits die ersten Zeilen verdeutlichen, wie weit hier Anspruch und Wirklichkeit in dem als Musterbrief bezeichneten Text auseinanderklaffen: "Hochgehrtiste Herren! Wiewohl ich auf dem Parnaß ein Fremdling bin, und noch nicht viel Wasser aus dem Brunnen Aganippe getrunckhen habe. So kann ich doch nit in Abrede stehlen, daß mich der Pegasus gleichsam in vorbeyflüchen ein wenig getroffen, folglich auch geschickt gemacht habe, ein so anders Gedicht zu verfassen. Weil ich nun gewahr nihm, daß andere Landsleute vor mir meinen hochgeehrtisten Herren so vile poetische Werckher einsendten, so habe ich nicht unterlassen können auch mit einigen aufzuwarten. Obwohlen ich nun freylich nicht verneinen kan, daß ich schon viele kurze Piecen ins Publikum ausflüchen lassen, und auch etwelche theatralische Schauspiel auf unserem Marckhtheater mit dem Beyfall gemeiner Leute produziert habe, weil ich aber mit all deme von Seiten der guten Känner oder panckmäßigen Gelehrten noch nicht gesichert bin, ob mein geflügeltes Pferd auf ein oder zwey Füssen hincke, oder im vollen Galopp etwan gar den ganzen Parnassus verfähle; so habe ich die Meynung geschöpfet, ich will ihnen etliche Piecen einschicken, so wie unlingst aus meiner Schmidten gekommen sind." 54
"lassen sie es gut seyn, diese ungeschliffene Ketzersprache steht ihnen nicht an; denn entweder wollen sie reden, oder schreiben, und lesen, zu keinem kann sie ihnen nützlich seyn. Freylich sind sie in die traurige Nothwendigkeyt versetzt fast nur deutsche Dienstboten um sich zu haben, aber ffir diese niedrige Geschöpfe ist das schlechteste Deutsch gut genug, und der rechtschaffene Adel redet ja ohnehin mit diesen Sclaven fast nichts. Mit besseren Leuten reden sie eine fremde Sprache und zum Lesen und Schreiben Deutsch lernen, verlohnet sich der Mfihe gar nicht, denn wenn ein Buch nur deutsch geschrieben, so können sie sicher glauben, daß elendes Zeug darinn enthalten seyn mfisse."
Die gelehrten Gesellschaften
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eingereichten Gedichtes lustig, wobei er vor allem die regionalen Formen hervorhebt: "Wollen sie nun wissen, was ich von den übrigen Versen halte? ich sage ihnen eben dieß, was ich von den zween ersten gehalten habe. Vor allem gefällt mir der Ausdruck die vbste Vbstungswerk: ein sehr schönes und nachdrückliches Beywort! oder was kann man von einer Vöstung größeres und wahrhaftere sagen, als daß sie vöst sey. Alle Nachkömmlinge werden diesen Gedanken zu allen Zeiten bewundern, und selbst unsere Vorältern werden ihrer feder danken, daß sie ihnen bey diesem Gedanken ihr liebes ckh noch von dem gänzlichen Untergange gerettet haben." 55 Bemerkenswert ist das in Band 2.1 (1765: 142) veröffentlichte Spottgedicht "Auf die im Drucke erschienene Churbaierische deutsche Sprachkunst", das auf die Grammatik von Braun hinweist und die Vermutung nahelegt, daß die neu eingeführte Sprachprüfung großes Unbehagen hervorrief: Der Schreiber Doran stund untz dato in dem Wahn, daß er in deutscher Sprach ufs [!] beste schreiben kann; Und weil er keine sonst als diese Sprache kennet, Ward sie von ihm die schönst, und trefflichste genennet. Allein nachdem man ihm die Sehte Sprachkunst wies Und er zugleich erfuhr, die sei nun anbefohlen; So wurd er so erbost, daß er das Buch zerriß Und sprach: Der Teufel soll die deutsche Sprache holen.
Der Aufsatz "Betrachtungen über den fruchtbaren Einfluß der Bemühungen der deutschen Gesellschaften in das deutsche Staatsrecht" in Band 2.2 (1766: 720 ff.) enthält einen längeren Abschnitt, in dem die Notwendigkeit der Sprachpflege durch gelehrte Gesellschaften hervorgehoben wird: Hauptziel der Gesellschaften sollte sein, "das Wesen der deutschen Sprache zu untersuchen, selbst in die Untersuchung der Buchstaben, ihrer äußerlichen Figur und Bildung, ihrer Bedeutung und ihrer mannigfaltigen Veränderungen hineinzugehen, den Ursprung der Wörter zu forschen, ihre Bedeutungen zu entwickeln, die verschiedenen deutschen Mundarten zu erklären, die mit gutem Nutzen angefangenen deutschen Glossaria nach und nach in vollkommneren Stand zu setzen, die Schreibart der Welt von der Schreibart der Schule zu unterscheiden, die Sprache der Kabinete und Kanzleyen in eine methodische Lehrart zu bringen, eine pragmatisch männliche Beredtsamkeit zu üben, gute Muster der Sprachkunst der Staatsklugen zu sammeln, und die derselben eigene Schönheiten, welche eben nicht in oratorischen Blümchen bestehen, recht kenntlich zu machen" (721 f.). Die Ab-
55
Zur Rundung von /e/ und zur velaren Affrikate /kxj vgl. Teil I, Kap. 2.3 und 10.1.
240
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handlung weist abschließend auf die Aktivitäten früherer Gesellschaften hin und betont, daß sich auch die momentan existierenden Vereinigungen bemühen sollten, die deutsche Sprache dem Staate nutzbar zu machen und so die Aufmerksamkeit und Achtung der Regierung zu erwecken. Mit dem Abdruck dieses Beitrages verfolgten die Herausgeber zwei Ziele: Während sie einerseits ihre eigenen Bemühungen um die Muttersprache herausstreichen wollten, sollte andererseits das Interesse und die Unterstützung des Kurfürsten, unter dessen Schutz die Akademie stand, gefördert werden. Im Jahre 1768 erschien die letzte Lieferung der 'Baierischen Sammlungen'; im Schlußwort (Band 4.2, 1768: 865) wurde noch einmal an die Zielsetzung der Zeitschrift erinnert und die Hoffnung geäußert, daß sich die Leser, nachdem sie einige Auszüge kennengelernt hätten, das Gesamtwerk der in der Monatsschrift vorgestellten Autoren besorgen würden: "Wir hatten uns kein anderes Ziel vorgenommen, als unseren Landsleuten gute Muster in verschiedenen Gattungen der deutschen Sprach = Dicht = und Redekunst in die Hände zu spielen. Damit nun die ganze Sammlung für Liebhaber nicht zu kostbar werden möchte, so hören wir zu sammeln auf; denn weil wir die Quellen immer angezeiget, woraus wir geschöpfet haben, so haben unsere Leser hiedurch Gelegenheit genug bekommen, sich mit den besten Auetoren Deutschlands bekannt zu machen, und dieselben selbst anzuschaffen." Bereits einige Monate später wurde (Anfang 1769) im Auftrag der Akademie die von Braun betreute Wochenschrift 'Der Patriot in Baiern' 56 herausgegeben. In dem Abschnitt "Der Plan und die Einrichtung dieser Wochenschrift", der der ersten Lieferung vorangestellt wurde, sind die Ziele der Zeitschrift ausführlich dargelegt: Eingangs weist der Herausgeber darauf hin, daß nun die Gelehrsamkeit nicht mehr durch die lateinische Sprache eingeschränkt sei, und die Bürger deshalb die Gelegenheit hätten, an der Wissenschaft teilzunehmen. Da man ihnen jedoch nicht zumuten könne, sich große umfangreiche Werke anzuschaffen und diese neben den Berufsgeschäften durchzuarbeiten, seien Zeitschriften, die Nützliches mit dem Angenehmen verbänden, eine gute Möglichkeit, sich Wissen anzueignen. Man habe daher die Blätter so eingerichtet, daß sie nicht nur für Gelehrte von Interesse wären. Die aufgenommenen Stücke sollten "durchgehende neu,
56
Der Patriot in Baiern. Eine Wochenschrift mit Kupfern. Mit Churffirstl. allergnSdigster Freyheit. Mfinchen 1769.
Die gelehrten Gesellschaften
241
und in einer solchen Schreibart abgefaßt seyn, daß sie zugleich als gute Muster zur Verbreitung der guten deutschen Schreibart dienen können" (11). Nach diesen Richtlinien wurden naturwissenschaftliche Abhandlungen 57 , Aufsätze über Erziehung 58 , Fabeln 59 , Erzählungen 60 und Gedichte 61 abgedruckt. Neben der wöchentlichen Zeitschrift erschienen die 'Monathlichen kritischen Beyträge zum Patrioten', die über Neuerscheinungen auf dem Büchermarkt informierten; 62 jede Lieferung enthielt "Ausführliche Nachrichten" mit längeren Zitaten aus den besprochenen Werken und "kurze Nachrichten" mit knappen Inhaltsangaben. Unter den Besprechungen waren stets Arbeiten zur deutschen Sprache; die bekanntesten Titel waren wohl die 'Anleitung zur deutschen Rechtschreibung' (Wien 1768) von Franz Bob und die 'Kurze Anweisung zur Redekunst' (Reval und Leipzig 1768) von Jakob Martin Herold. 63
57
Z.B. "Nachricht und physikalische Untersuchung von einem Steine, der unweit Mauerkirchen von der Luft herabgefallen" (Bd.l, 1769: 33 ff.); "Der Baumstein" (1,66 ff.); " H I P P O P O T A M U S oder das Wasserpferd" (1,257 ff.). 58
Die Beiträge enthalten eine Inhaltsbeschreibung der Schulordnung von ausländischen Unterrichtsanstalten: "Entwurf des neueingerichteten Jnstituts der deutschen Schulen in Innsbruck" (1,113 ff.); "Von der Erziehungsschule der Kaiserlichen Akademie der Kfinste in Petersburg" (1,177 ff.). 59
Unter den literarischen Formen ist die Fabel am häufigsten vertreten: z.B. "Der Äff und der Pfau" (1,32); "Der Fuchs und der Esel" (1,39); "Die Geschichte des Wolfes Jsegrim in III Fabeln" (1,47 ff.); "Der Esel mit dem L6wen" (1,137); "Die Eule und der Schatzgräber" (1,138). 60
Die Erzählungen waren meist didaktisch ausgerichtet: z.B. "Der Traum unter der Arbeit" (1,110); "Der ehrliche Mann vom Kirchhofe gegen fiber" (1,172 ff.); "Die Uhr und der Wecker" (1,322); "Empfindungen an dem ersten schönen Frühlingstage" (1,241 ff.), mit vorangestellten Versen von Kleist. 61
Z.B. "Die gute Frau, nach Geliert" (1,303 f.); "Das Gespenst" (1,317 ff.); "Die wahren Helden" (1,174); "Das wahre Glfick der Menschen, ein moralisches Gedicht" (1,241 ff.).
62
In dem Abschnitt "Der Plan und die Einrichtung dieser Wochenschrift" zu Beginn der Zeitschrift (1769: 13 f.) bemerkt der Herausgeber dazu: "Diese [monatlichen Beiträge] werden nicht nur Originale und ausffihrliche Kriticken und Anmerkungen fiber neue Bficher und Schriften enthalten, die in unseren Gegenden von Zeit zu Zeit zum Vorscheine kommen, sondern es werden auch auswirtige Schriften auszugsweise nach dem Urtheile der größten Kritiker Deutschlands in etlichen Zeilen beurtheilet werden. Unsere Patrioten werden hiedurch den Vortheil erhalten, daß sie gute Bficher kennen lernen, und ihr Geld nicht mehr ffir schöne und reitzende Bfichertitel, wie es bisher vielfältig geschehen ist, sondern ffir wahrhafte gute Werke ausgeben." 63
Die Besprechungen zu den hier genannten Werken befinden sich in den 'Monatlichen Beiträgen', im Anhang von Band eins (1769), S. 27 und 66.
242
Sprachnorm und Sprachnormierung
Neben den oben erwähnten Themen enthielt die Zeitschrift auch mehrere philologische Abhandlungen, wie beispielsweise die "Gedanken über die äsopische Fabel" in Band eins (1769: 129 ff.) und die "Abhandlung von dem Theater" in Band zwei (1769/70: 289 ff. und 321 ff.). Fronhofers Dichtung 'Christus am Ölberg', die in Anlehnung an den 'Messias' von Klopstock entstanden war und in Band eins (1769: 161 ff.) der Zeitschrift erstmals veröffentlicht wurde, erregte großes Aufsehen und eine langanhaltende Diskussion über die Form des Werkes. Bereits der 'Messias', der seit 1748 in mehreren Teilen erschienen war, 64 stieß bei den Zeitgenossen teilweise auf Ablehnung, was vor allem auf die Tatsache zurückzuführen war, daß Klopstock auf ein silbenzählendes Versmaß und den Endreim verzichtet hatte. Da sich Fronhofer auch formal stark an Klopstock orientierte, erhitzten sich in Bayern ebenfalls die Gemüter, als sein Werk erschien. 'Der Patriot' druckte darauf eine kurze satirische Erzählung mit dem Titel "Die Gegend der Versemacher auf dem Parnaß" (2,172 f.), in der die unverständigen Leser mit den Bewohnern einer (literarischen) Einöde gleichgesetzt werden. 65 Wie groß die Aufregung war, zeigt auch "Ein Schreiben an den Patrioten", das weiter unten (1,221 f.) abgedruckt wurde und mit den Worten begann: "Wo haben sie dann hin gedacht? werther Herr Patriot! Wohin? - mit ihrem Stücke von [!] 24. März? - den Oelberg in eine Wochenschrift - und den Satan auf den Oelberg! - und Verse ohne Reime! - und eine Versart, die - ich weis gar nicht, was ich davon sagen soll." Zwei Seiten danach (1,224) wurde die Antwort veröffentlicht, in der der Schreiber dieser Zeilen den Rat erhält, er solle doch die neue Form erst kennenlernen, bevor er sie kritisiere. Um dem Leser die Verse ohne Endreim nahezubringen, wurde wenig später (1,233 ff.) ein Aufsatz mit dem Titel "Von dem ungereimten Sylbenmaße und der geistlichen Poesie" publiziert, der Passagen aus dem 'Messias' von Klopstock enthielt.
64 65
Die ersten drei Gesänge wurden erstmals in den 'Bremer Beiträgen' abgedruckt.
Der Beitrag wird im folgenden vollständig wiedergegeben: "Selten bekommen die Einwohner dieser Gegend etwas von der reinen Quelle. Immer sitzen sie in ihren höckrichten Höhlen, machen Verse und reimen. Endlich kam Alciphron ein Poet, der nur Gedanken, nicht bloß Reime, und Verse sang. Wie abgeschmackt ist dieses Lied nicht? sagten sie. Wie übel klingt es - Alciphron hielt es für seine Pflicht, ihnen das Vorurtheil zu benehmen. Ich singe für das Herz, sagte er, nicht für die Ohren. Ach nein widersetzten sie. Wie unangenehm fällt diese Strophe? ~ Es tönen keine Reime mehr -- Weg - weg! wir können es nicht hören. Kurz! Alciphron fand keinen Beyfall, bis er in die oberen Gegenden des Parnasses kam, - in die Gegenden der Dichter. Klopstock kam in gewisse Gegenden Deutschlands deren Einwohnern er nicht gefiel."
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Als die letzte Lieferung der Zeitschrift im Jahre 1770 veröffentlicht wurde, schrieb der Herausgeber: "Mit diesem Blatte schließt nun das zweyte Bändchen des Patrioten. Man hat sich zwar durchgehende beflissen durch die beliebte Abwechslung der Materien dieses Wochenstfick angenehm zu machen, man hat aber gefunden, daß man noch mit einer Wochenschrift von dieser Gattung um etliche Jahre in unserem Vaterlande zu frühe [!] gekommen." 66 Die resignierende Schlußbemerkung legt die Vermutung nahe, daß die Redaktion mit dem Echo der Zeitschrift nicht zufrieden war. Die Reaktionen auf das Werk Fronhofers zeigen, daß ein Teil der Leser an den literarischen Beiträgen Anstoß genommen hatte, was wohl dazu geführt hat, daß der Absatz hinter den Erwartungen zurück geblieben war.
Mit den Artikeln in ihren beiden Zeitschriften wollte die Akademie "gute Muster" der deutschen Sprache vorlegen und damit den Beweis erbringen, daß man auch in der Muttersprache anspruchsvolle Themen abhandeln könne. Durch den Abdruck der Stücke mittel- und norddeutscher Dichter lernten die Leser die Literatur und Sprache aus dem übrigen Deutschland kennen. Zugleich trugen diese Auszüge zur Verbreitung dieser Literatur bei und bewirkten ein zunehmendes Interesse am Gesamtwerk der vorgestellten Autoren. Die Akademie gab aber auch unbekannten einheimischen Dichtern die Gelegenheit, ihre Werke zu veröffentlichen und förderte somit wesentlich die literarische Szene in Bayern. Da die sprachliche Form in den Zeitschriften dem mitteldeutschen Sprachtypus entsprach, trugen sie zur Verbreitung und Festigung dieser Norm bei. Einen entscheidenden Anteil hatte dabei Heinrich Braun, der als Herausgeber die Möglichkeit besaß, die Inhalte zu bestimmen und dabei auch die in seiner 'Sprachlehre' (1765) aufgestellten Forderungen in die Praxis umzusetzen.
4.4 Die sittlich-ökonomische Gesellschaft
Im Jahre 1765 gründete der Weltpriester Franz Xaver von Hoppenbichl zusammen mit Beamten und Offizieren in Altötting die "Sittlich-ökonomische
66
Abgedruckt in den 'Monatlichen Beiträgen', im Anhang zu Band zwei (1769/70), S. 96.
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Gesellschaft". 67 Das Ziel der Vereinigung war zunächst die Pflege der deutschen Sprache und Literatur. In ihren Vorträgen und Publikationen weisen die Mitglieder immer wieder auf die mangelhaften Kenntnisse der Muttersprache hin und fordern einen gezielten Sprachuntericht. Bereits in seiner ersten öffentlichen Rede am 31. März 176668 geht Hoppenbichl auf dieses Thema ein und betont, daß sich die Gesellschaft bemühen werde, "die Wissenschaften auch in dasigen Gegenden zu befördern, und so die so verderbte deutsche Landsprache nach aller Thunlichkeit, und Kräften ins Reine zu bringen". Er erinnert anschließend an den kurfürstlichen Erlaß vom Jahre 1765, in dem der Unterricht der deutschen Sprache auf der Grundlage der Grammatik von Heinrich Braun angeordnet wurde, und bittet die Mitglieder um tatkräftige Mitarbeit: "lassen Sie sich das Wohlgefallen unsers gnädigisten Landesfürsten zur Aufmunterung dienen, durch ihre lobwürdigen Unternehmungen nach ihrem gesellschaftlichen Sinnspruche (Vis unita fortior) mit vereinigten Kräften das Wachsthum der zierlichen Wissenschaften, und die Reinigung der Muttersprache zu befördern" (7). Aus den Äußerungen Hoppenbichls (und auch der übrigen Mitglieder, vgl. u.) geht hervor, daß das Interesse an der deutschen Sprache durch das Mandat des Kurfürsten und die darauffolgenden Aktivitäten der Bayerischen Akademie der Wissenschaften ausgelöst wurde. Casimir Georg Maria von Hoppenbichl, der jüngere Bruder von Franz Xaver von H., widmet eine Rede 69 ausschließlich der deutschen Sprache. Dieser am 12. Oktober 1768 gehaltene Vortrag verdeutlicht die Bemühungen der Gesellschaft um die Muttersprache; er zeigt darüber hinaus, daß die Mitglieder die in Mitteldeutschland entwickelte Sprachnorm als vorbildlich
67
Vgl. dazu Reinhardstöttner (1895) 48 ff.
68
Rede von dem großen Nutzen und der Gifickseligkeit eines Landes durch den Flor, und Aufnahme der zierlichen Wissenschaften, welche an dem höchsterfreulichen Geburtsfeste Seiner Churfl. Durchleucht in Baiern etc. etc abgehalten worden von Joseph Franz Xaveri von Hoppenbichl, etc. einer Gesellschaft der Wissenschaften zu Oettingen am Jnn der Zeit Vorsteher, den 31. März 1766. Mfinchen, gedruckt bey Magdalena Mayrin, verw. Stadtbuchdr. 69
Rede von der großen Nothwendigkeit, und dadurch erfolgenden Vorzfiglichkeit einer guten reinen deutschen Sprache und Schreibart im Vaterlande. Welche an dem höchsterfreulichen Namensfest Seiner Churfl. Durchleucht in Baiern etc. etc. Unsers gnSdigisten Landesffirsten und Herrn etc. abgelesen worden von Casimir Georg Maria von Hoppenbichl, der Zeit Cooperator in Puchbach, und Mitglied der Gesellschaft der schönen Wissenschaften zu Oettingen am Jnn. den 12. Weinmonath 1768. Mfinchen, gedruckt bey Magdalena Mayrin, verw. Stadtbuchdr.
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und nachahmenswert ansahen. Eingangs weist der Verfasser darauf hin, daß es in allen Ländern üblich sei, sich mit großem Eifer die Landessprache anzueignen, denn nur so könne ein jeder die Schönheit und Vielfalt der Muttersprache kennenlernen. Dies sei auch die Absicht des Kurfürsten gewesen, als er angeordnet habe, "daß eine gute, reine, verständige, von allen Fehlern gesäuberte deutsche Schreibart und Schreibkunst [im] Vaterlande eingeffihret werden sollte" (5). Hoppenbichl lobt in diesem Zusammenhang die Bemühungen der Gesellschaft in Altötting und weist anschließend auf den von konfessionellen Gegensätzen geprägten Streit um die sprachliche Norm in den vergangenen Jahrzehnten hin; er stellt fest, daß die Zeit endgültig vorbei sei, da man wegen einer guten deutschen Schreibart (gemeint ist der mitteldeutsche Schreibusus) als Freigeist oder Ketzer beschimpft wurde; er habe sich daher entschlossen, seine Gedanken über die Notwendigkeit und die Vorzüge einer reinen Landessprache vorzutragen (6). Zunächst müsse man den Landsleuten eine gute Form der Muttersprache zeigen und die Vorurteile abbauen (7). Dies sei notwendig, weil eine "zierliche Sprache und Schreibkunst" die Untertanen im Lande gesittet mache (8). Als Beispiel nennt er die Römer, die - nachdem sie von den Griechen die Anleitung zur Dichtkunst erhalten hätten - Dummheit und Barbarei abgelegt hätten und zu einem der gesittetsten Völker geworden wären (9 f.). Nach diesem Exkurs wendet sich Hoppenbichl wieder den deutschen Landschaften zu; er betont, daß man auch hier bereits seit einiger Zeit Anstrengungen unternommen habe, die deutsche Sprache zu fördern, und nennt mehrere Grammatiker und Lexikographen, wie beispielsweise Henisch, 70 Stieler, 71 Frisch72 und Gottsched 73 . Darüber hinaus würden sich auch die Akademien und gelehrten Gesellschaften große Mühe geben, "die in sich selbst schöne, als Wörterreiche deutsche Sprache immer zu verbessern: und auf den Grad der Vollkommenheit zu bringen" (10). Einen größeren Abschnitt seiner Rede widmet Hoppenbichl dem Unterrichtswesen (13 ff.). Er weist auf das schlechte Niveau der Schulen hin und beklagt den mangelhaften Wissensstand der Lehrer, die letztlich für die
70
Vgl. Georg Henisch, Teutsche Sprache und Weissheit, Augsburg 1616.
71
Vgl. Kaspar Stieler, Der Teutschen Sprache Stammbaum und Fortwachs oder Teutscher Sprachschatz, Nürnberg 1691. 72 73
Vgl. Johann Leonhard Frisch, Teutsch-lateinisches Wörterbuch, Berlin 1741.
Vgl. Johann Christoph Gottsched, Grundlegung einer deutschen Sprachkunst, Leipzig 1748 (5. Aufl. 1762).
246
Sprachnorm und Sprachnormierung
Vernachlässigung der Muttersprache verantwortlich seien. 74 Das geringe Ansehen und die schlechte Bezahlung halte die wirklich fähigen Männer ab, sich für dieses mühevolle Amt zu bewerben. Es sei deshalb die dringliche Aufgabe des Landesherren, dieser Entwicklung gegenzusteuern und geeignete Schritte einzuleiten. Der Redner bemerkt daraufhin, daß in den meisten deutschen Territorien bereits die reine deutsche Sprache und Schreibkunst eingeführt worden sei; seine Landsleute sollten deshalb ebenfalls danach streben, es ihren Nachbarn gleich zu tun, denn eine gereinigte Muttersprache und Schreibkunst gereiche einem Lande zu großer Ehre (17). Hoppenbichl beendet seinen Vortrag mit dem Hinweis, daß die Gesellschaft in Altötting beschlossen habe, ihr Betätigungsfeld auszuweiten und sich fortan auch mit Themen aus dem Bereich der Landwirtschaft beschäftigen werde: "Weil also die Verbesserung der landwfirthschaftlich= und sittlichen Wissenschaften in unserm Vaterlande noch eine der nöthigsten Unternehmungen ist; wie selbst alle bescheiden denkende, von alten, bösen Vorurtheilen, und der sträflichen Eigensinnigkeit gereinigte Landesleute fiberwiesen einsehen: so werden demnach unsere kfinftigen Bemfihungen förmlich der Verbesserung der landwfirthschaftlich=schönen, besonders sittlichen Wissenschaften gewidmet sein" (22 f.).75 In den Publikationen und Reden der Mitglieder spielt das Unterrichtswesen eine wichtige Rolle. Am ausführlichsten beschäftigten sich damit Franz Steer und später der Reichsgraf von Törring, dessen umfangreiche Abhandlung neben anderen Beiträgen zum Schulwesen in der Zeitschrift der Gesellschaft abgedruckt wurde (s. u. S. 249). In seiner Rede vom 12. Oktober 176776 hebt der Pfarrer Franz Steer vor allem die schlechte Ausbildung
74
"Der unendlich große Mangel an tüchtigen deutschen Lehrern, und Schulmeistern ist ganz gewiss die Pest unsers Vaterlandes; wodurch die reine Auszierung der Muttersprache, und guten Schreibart, leider ! nur allzusehr vernachlässigt wird. Wie viele tfichtige Schulmeister können wir wohl finden, welche dasjenige nur von weitem zu besitzen sich rfihmen dörfen, was in Betracht der deutschen Sprache, und Schreibkunst, als des Vorläufers anderer Kfinste, und Wissenschaften, auch höchstnöthigen Handel = und Wandels, von den selben erfordert wird?" (13). 75
Diese Zuwendung zur Landwirtschaft, auf die weiter unten noch eingegangen wird, erscheint auch in den Statuten der Gesellschaft. 76
Rede von der unumgänglichen Nothwendigkeit der Wissenschaften, dem Lehrstande, welche an dem höchsterfreulichen Namensfeste Seiner Churfl. Durchleucht in Baiern etc. etc. gehalten worden von Franz Steer, der H. Gottesgelehrtheit, und der geistlichen Rechte Candidate, Hofmarkts=Vicari zu Alten= und Spital=Pfarrer zu Neuenöttingen, der
Die gelehrten Gesellschaften
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der Lehrer hervor und bedauert, daß die Muttersprache im Unterricht zu wenig berücksichtigt werde. Wie zahlreiche Mitglieder der Gesellschaft weist auch er auf den kurfürstlichen Erlaß zur Förderung der deutschen Sprache hin und bemerkt: "es ist doch die gnädigste Landesherrliche Verordnung bekannt, kraft welcher die Jugend in der guten, reinen deutschen Sprache und Schreibkunst unterrichtet werden sollte [...]. Lerne man doch die Schönheit, den kostbaren innern Werth, die Erhabenheit unserer edlen deutschen Sprache genauer erkennen!" (16). Steer ist überzeugt, daß eine Verbesserung und Reinigung der Muttersprache langfristig nur durch eine sorgfältige Ausbildung erreicht werden könne und fordert deshalb, daß bereits die Jugend "in der reinen Muttersprache gelehrt werden sollte" (17). Im Jahre 1768 vollzog sich, wie C.G.M. von Hoppenbichl in seiner Rede angekündigt hatte, die Umstrukturierung der Gesellschaft. Die Zuwendung zur Landwirtschaft war vermutlich ein wohlüberlegter Schachzug, um die Anerkennung als unabhängige Vereinigung zu erreichen, denn bereits im darauffolgenden Jahr erhielt die Gesellschaft das kurfürstliche Dekret und durfte sich nunmehr "churbaierische" Gesellschaft nennen; sie hatte damit das Recht, ein eigenes Siegel zu benutzen und konnte ihre Schriften ohne Kontrolle der Zensurbehörde publizieren. Nach den 1768 aufgestellten Statuten 77 war eine Unterteilung in drei Hauptklassen vorgesehen, die sich um das Schulwesen, die Landwirtschaft und die Naturwissenschaften kümmern sollten. 78 Wie sehr den Mitgliedern das Unterrichtswesen am Herzen lag, zeigt die Tatsache, daß dafür eine eigene Sektion geschaffen werden sollte. Dieses Vorhaben ist unter den gelehrten Gesellschaften in Bayern wohl einzigartig und verdient besonderes Interesse. Der betreffende Abschnitt wird daher im folgenden vollständig wiedergegeben: Die erste Classe ist dem Schulwesen gewidmet. Ihre Gegenstände und Beschäftigung sind a) Wenn Plaz und Schulhaus gewidmet ist, eine Schule anzulegen, wo jene Kinder,
Gesellschaft der Wissenschafschaften daselbst Mitgliede. den 12. Weinmonaths 1967. Mfinchen, gedruckt bey Magdalena Mayrin, verwit. Stadtbuchdr. 77 78
Ediert bei Reinhardstöttner (1895) 124 ff.
Vgl. Absatz 2 der Statuten: "2do. Theilet sich diese Gesellschaft in drey Haupt Classen ab, nämlich die erste für das Schulwesen, und für einen schicklichen Unterricht der Jugend in den nöthigsten Wissenschaften: der Moral und der Weltweisheit. Die 2te Classe für die Landwürthschaft überhaupt, die 3te Classe für die Phisik, Naturlehre und Botanik, wohin also die dermal vorhandenen und noch weiters beytrettenden Mitglieder, nach Anleitung ihres Genie, Fähigkeit, Gelehrsamkeit den besten Nutzen zu verschaffen und Unterricht zu geben, vertheilet werden."
248
Sprachnorm und Sprachnormierung
die Bürger werden, oder zu andern Künsten sich appliciren wollen, die Anfangsgründe der schönen und nöthigsten Wissenschaften hierzu erhalten sollten, fast so wie es in den Realschulen geschiht. b) Die Moral, und Sittenzucht in deutscher Sprache der Jugend zu geben, so dass die Jünglinge selbst Sittenlehrer und Beyspielgeber werden müssen. c) Die Land- und Dorfschulen auf bessern Fuss zu sezen: und daher die Schulvisitation im ganzen nidern-Bayern zu besorgen: damit sie ganz uniforme, nüzlich und wirkend betriben werden. d) Endlich die Schulmeister gleich in einer Schulacademie in Zwey, 3-4monatl. Unterricht zu nehmen: und dessen Salarierung halber bey dem Pfarrer, Gemeinde oder der Orts-Obrigkeit zu sorgen: die deutsche Sprache, Lesen und Schreiben auch rechnen zu lernen. e) Daher hat diese Classe neue uniforme, wohleingerichtete Schulbücher wie zu Sagan in Schlesien oder wie zu Berlin zu verfassen, in die Censur zu nehmen, selbst zu drucken und zu verlegen. f) Überigens hat diese erste Classe auch in Niderbajern herauskommende geistliche und moralische Bücher zu Censiren, und auf die reine Lehre der Christcatolischen heiligen Religion, so wie auf die Einführung guter Sitten überhaupt, wachsames Aug zu tragen: folgl. den einreissenden Unförmen, Lastern, und Untugenden sich brevi manu nach allen Kräften entgegen zu sezen: und, wo man keine Ausrichtung mit guten fände, die Frevler bey der Orts-Obrigkeit- oder gar bey den Churfrtl. Regierungen abstraffen zu lassen. D i e s e A u s f ü h r u n g e n zeigen, daß der Unterricht der M u t t e r s p r a c h e e i n e wichtige Stelle e i n n a h m (vgl. Absatz b und d). D a sich die Schulbücher an V o r l a g e n aus Mittel- und Norddeutschland orientieren sollten, war damit e i n e Ü b e r n a h m e o d e r zumindest e i n e Beeinflussung durch die dort herrs c h e n d e S p r a c h n o r m g e g e b e n . Darüber hinaus wird deutlich, daß die G e s e l l schaft die N o t w e n d i g k e i t einer Schulreform erkannt hat und auf e i n e gründlichere A u s b i l d u n g der Lehrer drängte (vgl. A b s a t z d); d i e s e s T h e m a wird auch in d e n R e d e n der Mitglieder und in der Zeitschrift der V e r e i n i g u n g häufig a n g e s p r o c h e n . D i e Vereinigung, die 1772 ihren Sitz nach Burghausen verlegte, gab seit 1779 e i n e
eigene
Monatsschrift heraus.
Unter
dem
Titel
'Baierisch-
ö k o n o m i s c h e r Hausvater' 7 9 sind bis 1786 die Lieferungen zu acht B ä n d e n erschienen, die d e n Geist der Gesellschaft widerspiegeln. In der "Nachricht an das Publikum" 8 0 w e i s e n die H e r a u s g e b e r darauf hin, daß sie mit ihrer Zeitschrift e i n e Lücke füllen werden; es h a b e zwar im V a t e r l a n d s e l t e n s t e n Schriften g e g e b e n , niemand sei j e d o c h bisher auf die
die Idee
79
Baierisch ökonomischer Hausvater. Zum Nutzen und Vergnfigen. Mfinchen bey Franz Bos bfirgerlichem Buchhändler nächst dem schönen Thurm. [8 Bde. 1779-86]. 80
Die zweiseitige Ankündigung mit der Einladung zur Subskribtion der Zeitschrift ist im Exemplar der Universitätsbibliothek München in Band eins vor dem Titelblatt eingeheftet, (s. Literaturverz.).
249
Die gelehrten Gesellschaften
gekommen, "einen baierisch-ökonomischen Hausvater zum Nutzen und Vergnügen" zu schreiben. Die Lieferungen beinhalten die Reden der Mitglieder sowie eigens für die Zeitschrift geschriebene Beiträge. Neben Abhandlungen zur Landwirtschaft 81 , Medizin 82 und zum Staatswesen 83 enthält der 'Hausvater' auch mehrere Artikel über die Erziehung sowie Aufsätze zur deutschen Literatur und Sprache. Der wichtigste Beitrag zum Unterrichtswesen stammt von Anton von Törring, der in seiner "Rede von der Erziehung der Jugend" 84 auch auf die deutsche Sprache eingeht. Der Redner bemerkt (727 f.), daß man zwar Zeit und Mühe für die lateinische Sprache verwende, die Muttersprache dabei jedoch völlig vernachlässige. Letztere sei zwar nicht schwieriger als irgend eine Fremdsprache, die umständliche Grammatik stelle jedoch ein großes Hindernis dar, und nur der "Umgang, eine fleißige Uebung und die Hindansetzung [!] einer verwirrenden Methode, und eckelhafter Regeln" könnten eine Verbesserung bringen (728). Das Erziehungswesen, das in den Statuten der Gesellschaft einen herausragenden Platz einimmt, wird im 'Hausvater' öfter angesprochen. 85 Darüber hinaus finden sich Hinweise auf die Werke zeitgenössischer Grammatiker und Schulreformer, nämlich Heinrich Braun (6,774) und Johann von Ickstatt sowie im Anschluß an einen Artikel über die Erziehung und das Schulwesen ein Kupferstich von Andreas Zaupser (6,793). Band acht (1786: 699 ff.) enthält einen längeren Abschnitt über Literatur und Theater, der zeigt, daß man in Bayern regen Anteil an der literarischen (und damit indirekt auch an der sprachlichen) Entwicklung in Mittel- und Norddeutschland nahm. Der Verfasser bedauert in seinem Aufsatz, daß das Theater in Deutschland noch immer zu sehr unter französischem Einfluß stehe und weist in diesem Zusammenhang auf das Theater in München hin,
81
Z.B. "Von den verschiedenen Erdarten, als dem Grund der ganzen Landwirtschaft", 1 (1779) 3 ff.; "Abhandlung von der Vermehrung und Verbeßerung der Wiesen, als der eigentlichen Urquelle der Landwirtschaft und des Ackerbaus", 2 (1780) 421 ff. 82 Z.B. "Viele langjShrige, trostvolle, und glfickliche Erfahrungen fiber die Heilungsart verschiedener, selbst äußerst verwahrloster, gefShrlicher Wunden", 3 (1781) 230 ff.; vgl. auch die Aufzählung bewährter Hausmittel in Band 8 (1786) 533 f. 83
Z.B. "Gedanken ueber die Polizei", 1 (1780) Polizeywissenschaften", 2 (1780) 458 ff. und 538 ff.
84 85
26
ff.; "Fortsetzung
von
den
Hausvater 6 (1782) 704 ff. und 729 ff.
Z u m Schulwesen: 2 (1780) 468 ff. und 582; Über den schlechten Wissensstand der Lehrer: 6 (1782) 762 f. und 791 f.; allgemein über Erziehung: 8 (1786) 515.
250
Sprachnorm und Sprachnormierung
das neue Wege gehe. 86 Er hebt die Erfolge der vergangenen Jahre hervor, gibt jedoch zu bedenken, daß man von dem Ziel der Vollkommenheit noch weit entfernt sei: "Und gewiss erreichen wir es nicht, wenn wir unsere Schauspieldichter mit Gewalt um fünfzig Jahre zu frühezeitig in den Rang der Lessinge, Weise und Engel einbettein wollen" (702). Anschließend geht der Verfasser auf die Werke von Uz, Haller, Hagedorn, Geliert, Lessing und Wieland ein und fordert die einheimische Jugend auf, sich diese Autoren zum Vorbild zu nehmen: "Betretet diese Bahne, Jünglinge meines Vaterlandes! die ihr den Lorbeerkranz mit dem geheiligten Eichenlaube zu verschönern wünschet, aber prüfet euere Kräfte" (703).
Die "Sittlich-ökonomische Gesellschaft" war neben der Bayerischen Akademie der Wissenschaften die bedeutendste gelehrte Vereinigung in Bayern. Wie den Reden der Mitglieder zu entnehmen ist, wurden die Bemühungen um die deutsche Sprache durch den kurfürstlichen Erlaß vom 22. Mai 1765 und die Aktivitäten der Bayerischen Akademie ausgelöst. In den von der Akademie herausgegebenen 'Baierischen Sammlungen' erschien im dritten Band (1767: 643 ff.) in der Rubrik "Gelehrte Nachrichten" ein Bericht über die "Sittlich-ökonomische Gesellschaft", in dem die Pflege der Muttersprache hervorgehoben wird: "Die gelehrte Gesellschaft, welche sich in Neuöttingen zur Verbreitung der schönen Wissenschaften versammelt hat, giebt sich ungemein viele Mühe, die deutsche Sprache und die gesunde Moral der Ethik in dasigen Gegenden empor zu bringen. Es sind uns unlängst verschiedene Stücke von den Mitgliedern derselben in die Hände gekommen, welche theils in prosa, theils auch in Versen bestehen, und sowohl von dem Fleiße, als der Fähigkeit ihrer Verfasser Zeugnis geben" (649). Die Bedeutung der Gesellschaft bestand nicht zuletzt auch darin, daß sie immer wieder auf die Mängel im Unterrichtswesen hinwies. Die in diesem Zusammenhang angesprochenen Themen 87 sind ein wesentlicher Bestandteil der in den 70er Jahren einsetzenden Schulreform in Bayern.
86
"Wir haben in München eine Bühne, die mit einiger Unterstützung eine der vorzfiglichsten Teutschlands werden könnte" (700 f.).
87
Verbesserung der Lehrerausbildung, Förderung der Muttersprache durch gezielten Sprachunterricht.
5 Heinrich Braun und die Schulreform in Bayern
5.1 Der Sprachtheoretiker
Die Entwicklung der Schriftsprache in Bayern und die damit verbundene Anpassung an die mitteldeutsche Sprachnorm in der zweiten Hälfte des 18. Jh.s wurde wesentlich von Heinrich Braun geprägt.1 Der aus Trostberg stammende Benediktiner vom Kloster Tegernsee hat seit seiner Berufung an die Akademie in zahlreichen Publikationen immer wieder auf die Notwendigkeit einer Reform des Unterrichtswesens hingewiesen und insbesondere eine Verbesserung des (deutschen) Sprachunterrichts gefordert. Am 28. März 1765 führte der Direktor der Philosophischen Klasse, Peter von Osterwald, Heinrich Braun in die Akademie ein und bekundete damit den Respekt, den die Akademie dem Inhaber des neuen Lehrstuhls für deutsche Sprache und Rhetorik entgegenbrachte. Sein Vortrag 2 verdeutlicht, wie sehr der Akademie die Pflege der Muttersprache am Herzen lag: Osterwald geht in seiner Rede ausführlich auf die deutsche Sprache ein und betont, daß diese noch immer sehr vernachlässigt werde. 3 Er bedauert in diesem Zusammenhang, daß in lateinischen Reden und Schriften die klein-
1
Z u Braun vgl. o. S. 221, Anm. 19; zum Schulwesen in der 2. Hälftes des 18. Jh.s bieten die Arbeiten von Lurz (1905) und ders. (1908) eine umfangreiche Zusammenstellung wichtiger Quellen, die bisher nur ansatzweise ausgewertet wurden; vgl. ferner die Arbeiten von Pösel (1922) und Ebner (1928). 2
Akademische Rede von der lateinischen Sprachlehre welche an dem höchsterfreulichen Geburtsfeste Seiner Churffirstl. Durchleucht in Baiern etc etc. Abgehalten worden von Peter von Osterwald, Churffirstl. geistlichen Raths=Director weltlicher Bank, weiland Sr. Durchl. Eminenz, Cardinais von Baiern, wirkl. Geheimen Rathe, und Director der philosophis. Classe der Churbaieris. Akademie der Wissenschaften. Den 28ten M i r z 1765. Mfinchen gedruckt bey Johann Friedrich Ott, Churffirstl. akademis. Buchdruckern.
3
Vgl. auf Bl. C3v: "Haben wir nicht unsere deutsche Muttersprache aus dem Grunde, und in ihrer Vollkommenheit zu lernen? welche zu unserer Schande so sehr vernachlSßiget wird, daß andere deutsche Völcker unsere deutschen Schriftsteller kaum verstehen. Und wie kann es anders seyn, da die Schulaufgaben recht dazu gemacht zu seyn scheinen, die deutsche Sprache in Grund und Boden zu verderben?"
252
Sprachnorm und Sprachnormierung
sten Fehler gerügt, bei Verwendung der deutschen Sprache dagegen "die äußerste Barbarey und die gröbsten Fehler ganz gleichgültig" hingenommen würden (C3v). Er gibt zu bedenken, daß die deutsche Sprache in allen Lebensbereichen benötigt werde, während die lateinische nur noch in der Kirche und in der Wissenschaft anzutreffen sei. Er kritisiert anschließend, daß die Absolventen der Schulen und Universitäten die deutsche Sprache kaum gelernt hätten und fordert eine gründliche Ausbildung der Jugend. Heinrich Braun, der auf den bei der Akademie eingerichteten Lehrstuhl für deutsche Sprache und Rhetorik berufen wurde, stellt in seiner Antrittsvorlesung am 2. Mai 1765 die Muttersprache in den Mittelpunkt seines Vortrages. 4 Wie Osterwald weist auch er auf die Tatsache hin, daß viele seiner Landsleute zwar die lateinische Sprache beherrschten, in der Muttersprache dagegen recht unsicher seien. Braun ist ebenfalls der Überzeugung, daß eine Besserung langfristig nur durch eine Reform des Unterrichtswesens erreicht werden könne, denn hier liege vieles im Argen: "Wie wäre es [...] möglich, daß Schulmeister ihre Schüler in einer Sprache gründlich unterweisen könnten, der sie selbst nicht mächtig sind? Der Schüler erwächst: er wird im Latein ein Dichter; ein Redner, ein Philosoph; soll er aber nur einen einzigen deutschen Brief verfassen, so findt man wohl in einer Zeile zehn und noch mehr Sprachfehler, ohne die tolle scheckigte Schreibart der halb deutsch, und halb lateinischen Wörter dazuzurechnen" (B2r). Braun bemängelt weiter, daß sich der Unterricht der Muttersprache meist auf das Schönschreiben beschränke, die Grammatik jedoch kaum berücksichtigt werde. 5 Wer jedoch "die Sprachlehre Gottscheds, Hempels, Bödikers, Aichingers, 6 und anderer einmal gesehen, und nur etliche Abschnitte
4
Akademische Rede von den Vortheilen des Staats aus der deutschen Sprachkunst, welche bei Erßffnung der fiffentlichen Vorlesungen fiber die deutsche Sprach= und Redekunst gehalten worden von P. H. Braun, Benediktinerordens, der Churbaierischen Akademie der Wissenschaften ordentlichen Mitgliede, und öffentlichen Lehrer der deutschen Sprach= und Redekunst. Den 2ten. May, 1765. Mfinchen, gedruckt bey Johann Friedrich Ott, Churffirstl. akademis. Buchdrucker. 5
Vgl. dazu Bl. B3r: "Die Schulmänner glaubten schon ihre Pflicht erffillet, und den Namen eines Sprachlehrers verdient zu haben, wenn nur die Schfiler von ihnen eine zierliche Schrift lernen, um die richtige Schreibart bekfimmern sie sich wenig; sie verstehen auch meistentheils die selbe selbst nicht." 6
Vgl. Johann Christoph Gottsched, Grundlegung einer Deutschen Sprachkunst, Leipzig 1748 (u. ö.); Christian Friedrich Hempel, Erleichterte Hoch-Teutsche Sprach-Lehre, Frankfurt und Leipzig 1754; Johann Bödiker, Grund-Sätze der Deutschen Sprachen, Cölln 1690 (Braun wird wohl eine der späteren Ausgaben benutzt haben: Berlin 1723,1729 oder 1746); Carl Friedrich Aichinger, Versuch einer teutschen Sprachlehre, Frankfurt und Leipzig 1753 (u. ö.).
Heinrich Braun und die Schulreform in Bayern
253
gelesen hat, der denket gewiß ganz anders, der Zusammenhang und die Verbindung einer Sprache in ihren Sylben, Worten und Redensarten ist hauptsächlich der Gegenstand einer Sprachkunst" (B3r). Anschließend weist Braun auf die Anordnung des Kurfürsten hin, der beschlossen habe, die Muttersprache zu fördern, und äußert die Hoffnung, die öffentlichen Vorlesungen über die deutsche Sprache und Redekunst sowie die Aufforderung der Akademie, "Beyträge zum Unterricht und Vergnügen des Verstandes" 7 einzureichen, werde dazu führen, daß an der Verbesserung der Muttersprache so intensiv gearbeitet werde, wie dies bereits in den Nachbarländern geschehen sei (B4r). In der Folgezeit veröffentlichte Braun mehrere richtungsweisende Arbeiten zur deutschen Sprache und Literatur, die großes Aufsehen erregten. Neben seiner 'Sprachkunst' erschienen noch im selben Jahr (1765) eine 'Anleitung zur deutschen Redekunst' 8 sowie eine 'Anleitung zur deutschen Dicht- und Verskunst 9 , die wie seine Grammatik als Begleitmaterial für Vorlesungen gedacht waren (vgl. die Titel in Anm. 8 und 9). In der 'Anleitung zur Redekunst' behandelt Braun alle wichtigen Aspekte der Rhetorik, "damit die Liebhaber der deutschen Beredsamkeit gleichsam einen Grundriß, oder einen Plan vor sich haben, nach welchen die akademischen Vorlesungen eingerichtet sind" (Vorrede 2v). Bemerkenswert ist, daß sich Braun mit diesem Werk auch an die Nichtakademiker wendet und so sein Interesse für eine breite Volksbildung dokumentiert, die später bei seiner Reform der Elementarschulen eine wichtige Rolle spielt.10
7
Gemeint ist wohl die seit 1764 von der Akademie herausgegebene Monatsschrift 'Baierische Sammlungen und Auszüge zum Unterricht und Vernügen'. 8
Anleitung zur deutschen Redekunst, in kurzen Sitzen, zum Gebrauche akademischer Vorlesungen. Von P. H. Braun, Benedictiner aus dem uralten Stifte, und Kloster Tegernsee, der churbaierischen Akademie der Wissenschaften ordentlichen Mitgliede, und öffentlichen Lehrer der deutschen Sprache, Dicht= und Redekunst, Mfinchen, Gedr. bey J.F. Ott, akad. Buchdr. und zu haben bey Fr. Lor. Richter, akad. Bficherverlagsinspector, 1765. 9
Anleitung zur deutschen Dicht = und Versekunst, zum Gebrauche akademischer Vorlesungen. Von P. H. Braun, Benedictiner aus dem uralten Stifte, und Kloster zu Tegernsee, der churbaierischen Akademie der Wissenschaften ordentlichen Mitgliede und öffentlichen Lehrer der deutschen Sprache, Dicht = und Redekunst. Mfinchen, gedruckt bey J.F. Ott, Churf. akad. Buchdrucker, und zu haben bey Fr. Lorenz Richter, akademischen Bficherverlagsinspector. 10
In der Vorrede (3r) betont Braun, daß er die Abhandlung bewußt in deutscher Sprache abgefaßt habe, damit sie auch diejenigen, die kein Latein beherrschten, benutzen können.
254
Sprachnorm und Sprachnormierung
In der 'Anleitung zur deutschen Dicht- und Versekunst' hebt Braun den Nutzen der Dichtkunst hervor. Seiner Meinung nach sollte jeder neben der "Weltweisheit" und der Muttersprache auch die Grundzüge der Dicht- und Redekunst kennen. Es sei zwar nicht nötig, daß jeder Gelehrte Gedichte und Verse schreibe, er sollte jedoch Lyrik und Dramen sachkundig beurteilen können (Vorwort 3r). Im Jahre 1767 brachte Braun als Ergänzung zu seiner 'Sprachlehre' ein 'Deutsch-orthographisches Wörterbuch' heraus. 11 In dem Abschnitt "Von der Einrichtung und dem Gebrauche dieses Wörterbuches", der dem Werk vorangestellt ist, schreibt Braun dazu: "Ein Wörterbuch ist das beste Mittel eine richtige und gleichförmige Orthographie in kurzer Zeit in einem Lande einzuführen. Eine regelmäßige Sprachkunst 12 muß freilich vorausgehen, und sie ist ohne Zweifel der Grund einer richtigen Rechtschreibung" (2r). Braun weist darauf hin, daß die deutsche Sprache zahlreiche Zweifelsfälle aufweise, über die sich auch die Gelehrten nicht einigen könnten. Weil aber eine regelmäßige Orthograhie notwendig sei, sollten sich seine Landsleute nach seinem von der Akademie empfohlenen Wörterbuche richten, "zumalen, wenn man weis, daß der Landesfürst eine Richtigkeit und Gleichförmigkeit, im Schreiben eingeführet wissen will" (2v).13 Anschließend beschreibt Braun den Aufbau der einzelnen Wortartikel. Er weist auf häufige Fehler seiner Landsleute hin und setzt bei Zweifelsfällen die Form, die gemieden werden sollte, in Klammern. Wie in seiner Grammatik berücksichtigt er auch hier vor allem die Probleme des Mundartsprechers und gibt zahlreiche Hilfestellungen. 14 Er merkt allerdings (im Hinblick auf den Mundartsprecher) an, daß der Benutzer Grundkenntnisse besitzen müsse, da er sonst vergeblich nach bestimmten Wörtern suchen würde: "Daß man ein jedes Wort nach der guten Aussprache suche: wenn ich ζ. E. wollte Muetter, Brueder, Reuter, Jeger anstatt Mutter, Bruder, Reiter, Jäger suchen, so würde ich freylich diese Worte nicht finden; man muß also
11
Deutsch=orthographisches Wörterbuch sammt einem Verzeichniße, wie man ausländischen Wörter [!], die zum Sfftesten vorkommen, gut deutsch geben könne. Von H. Braun Mfinchen. zu finden im akademischen Bficherverlage, 1767. 12
Braun verweist hier auf seine 1765 erschienene Grammatik.
13
Man beachte, daß auch hier wieder der Hinweis auf die kurfürstliche Anordnung vom 22. Mai 1765 erfolgt. 14 Vgl. beispielsweise die Lemmata abbrechen und abbrennen, bei denen er vor typischen Mundartfehlern warnt: "abbrechen, ich breche (nicht brich) ab, abgebrochen. Sieh brechen. - abbrennen, ich brenne ab, abgebrannt (nicht abgebrennet). Sieh brennen."
Heinrich Braun und die Schulreform in Bayern
255
zum Voraus in der Sprachkunst, und der feinen Schreibart nicht gänzlich fremd seyn" (4v). Während sich Braun wie in seiner 'Sprachlehre' (1765) meist nach der mitteldeutschen Norm richtet, setzt er hier den Artikel grundsätzlich nach oberdeutschen Richtlinien; er betrachtet dies allerdings lediglich als Vorschlag und läßt auch die mitteldeutsche Form gelten. 15 Mit dem Wörterbuch verfolgte Braun das Ziel, in Bayern eine genormte Orthographie einzuführen. Es war als schnelles Nachschlagewerk für Zweifelsfälle gedacht, sollte aber auch denen, die nicht die Möglichkeit hatten, sich die Muttersprache gründlich anzueignen, eine Orientierungshilfe bieten. 16 Da Braun davon ausging, daß man zum Erlernen der Muttersprache nicht nur theoretische Schriften, sondern auch gutes Anschauungsmaterial benötige, gab er 1768 eine 'Sammlung von guten Mustern der deutschen Sprach-, Dicht- und Redekunst' heraus. 17 Im Vorwort weist er darauf hin, daß nunmehr in ganz Deutschland Aktivitäten zu beobachten seien, die das Ziel hätten, die "Muttersprache empor zu bringen" (2v). Auf Grund dieser Bemühungen seien hervorragende Muster der Sprach-, Dicht-, und Redekunst entstanden, die sich durchaus mit ausländischen Werken messen könnten. In Bayern sei man davon allerdings noch weit entfernt; nachdem jedoch durch eine "regelmäßige Sprachkunst" 18 die Basis geschaffen sei, hätten sich doch in zunehmendem Maße fähige Köpfe hervorgetan, "denen es bisher niemals an der Lust, wohl aber an der Gelegenheit gefehlet hatte"
15 Vgl. Absatz VI der Vorrede (4r): "Die Artikel sind insgemein nach unserer Mundart gesetzt. Man kann sie in diesem Stficke nicht ffir fehlerhaft erklären. Wir hören und lesen lieber, was wir von Jugend auf gehöret haben, und wenn es doch richtig und regelmäßig ist, so sehe ich nicht, warum wir andern Nachbarn folgen sollen, die eben so wenig Recht haben uns die ihrigen, als wir ihnen die unsrigen aufzudringen. Soll jemand mehr Lust haben, das Gedbchtniß, das Finsterniß, als die Gedbchtniß, die Finsterniß u.s.f. zu schreiben, so bleibt es ihm unverwehrt." 16
Vgl. dazu Vorrede, Bl. 2r: [...] "viele haben auch nicht so viel Muße, daß sie die Sprache nach gewissen Regeln lernen und die Grfinde derselben einsehen können; zu geschweigen, daß es, besonders in einem hohen Alter, eine sehr verdrießliche Sache ist, sich mit Erlernung einer Sprache, und mit Schulregeln noch abzugeben. Es sind aber die Hauptbeschwernisse gehoben, wenn man alle Worte, woran man zweifeln kann, in einem Wfirterbuche aufschlagen, und mehr durch die Uebung als durch Regeln sich eine richtige Rechtschreibung angewöhnen kann." 17 Heinrich Brauns Sammlung von guten Mustern von der deutschen Sprach = Dicht = und Redekunst. Zur Beförderung des guten Geschmackes in Oberdeutschlande. Mfinchen bey Joseph Aloys CrStz. 1768. 18
Braun verweist hier - wie schon öfter - auf seine eigene Grammatik (1765).
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Sprachnorm und Sprachnormierung
(3r). Anschließend kommt er, wie in fast allen seinen Schriften, auf das Unterrichtswesen zu sprechen und beklagt in diesem Zusammenhang, daß die Muttersprache zu sehr vernachlässigt werde. 19 Dies sei vor allem auf das niedrige Niveau der Lehrer zurückzuführen, die nicht in der Lage seien, "die Jugend zur guten Schreibart und feinen Denkungsart zu leiten" (4v). Aufgrund des geringen Ansehens der Lehrer dürfe man sich allerdings nicht wundern, wenn man keine tüchtigen Lehrer fände. 20 Anschließend stellt Braun sein Werk vor, mit dem er seinen Landsleuten "Muster von allen Hauptgattungen der deutschen Sprach = Dicht = und Redekunst" vorlegen wolle. Die aus acht Bänden bestehende Sammlung enthält Briefe (Bd. 1), Sittenschriften (2), Satiren (3), Reden (4), Oden und Lehrgedichte (5), Fabeln, Erzählungen und Sinngedichte (6), Scherzhafte Gedichte (7) und theatralische Stücke (8). Jedem Band ist eine kurze Einleitung vorangestellt, in der die jeweilige literarische Gattung kurz erklärt wird, wobei er sich zum Teil an Abhandlungen anderer Autoren orientiert. 21 Vermutlich sah sich Braun durch seine Tätigkeit als Herausgeber der 'Baierischen Sammlungen' zu der Zusammenstellung der Texte veranlaßt, da sich diese Monatsschrift ebenfalls zum Ziel gesetzt hatte, "gute Muster in verschiedenen Gattungen der deutschen Sprach = Dicht = und Redekunst" aufzuzeigen. Parallel zur 'Sammlung von guten Mustern von der deutschen Sprach-, Rede- und Dichtkunst' gab Braun im selben Jahr als Ergänzung eine Zusammenstellung von Briefen heraus. 22 Mit diesen Musterbriefen, die er
19
Vgl. Vorrede 3v: "Wir sind fiberhaupt, wenn man es sagen darf, auf die Erziehung unserer Jugend zu wenig aufmerksam. Der Knab kommt in die deutsche Schule, und da lernet er alle Sprachfehler, die es nur immer in seiner Landsprache giebt." Und weiter unten (5r) heißt es: "So kommt der Knab aus den deutschen in die lateinischen Schulen, und wenn er auch den besten Lehrern unter die Hände kommt, so lißt sich doch der Schaden nicht mehr so leicht abhelfen." 20 Vgl. ebd. 4v: "Tüchtigen MSnnern ist das Amt eines Schulmeisters in unsern Gegenden zu verichtlich, und der Unterhalt zu gering, als daß sie sich mit einem so mfihesamen Geschifte lebenslänglich abgeben sollten, und von andern als t&chtigen Minnern kann man sich nicht viel Gutes versprechen." Braun wiederholt diese Gedanken zum Teil wörtlich in seiner 'Rede von der Wichtigkeit einer guten Einrichtung im deutschen Schulwesen' (vgl. u. S. 257). 21
In erster Linie haben ihm wohl die theoretischen Schriften von Rabner und Geliert als Vorlage gedient. Aus Gellerts Werken sind auch mehrere Abhandlungen abgedruckt: vgl. 2,6 ff.; 3,113 ff.; 3,142 ff. 22
Heinrich Brauns Briefe. Augsburg, auf Kosten Conrad Heinrich Stage, 1768.
Heinrich Braun und die Schulreform in Bayern
257
selbst verfaßt hatte, wollte er gegen den weit verbreiteten Kanzleistil zu Felde ziehen: "Es haben viele in unseren Gegenden noch einen ganz verderbten Geschmack im Briefschreiben. Sie sind in die Kanzleischreibart zu sehr verliebt [...] Sie schreiben ihren Freunden recht actenmäßig" (2 f.). Braun beklagt an derselben Stelle, daß sich kaum jemand um die Form von Briefen kümmere und darüber hinaus die "Reinigkeit" der Muttersprache völlig vernachlässigt werde. Er bringt dann einen langen Abschnitt aus Gellerts 'Abhandlung vom guten Geschmacke in Briefen', der zeigt, daß er sich auch in diesem Falle sehr stark an den aus dem ostmitteldeutschen Raum stammenden Dichter anlehnte. Im Jahre 1768 beauftragte die Akademie Heinrich Braun, eine Festrede 23 über die deutsche Schulreform zu halten. In dieser Abhandlung wird ausführlich auf den mangelhaften Unterricht der Muttersprache eingegangen (16 f.). Er betont hier - wie schon öfter - den schlechten Zustand der deutschen Schulen und fordert eine grundlegende Reform, wobei er auf die Schulordnungen der Nachbarländer hinweist.24 Braun wiederholt hier seine Forderung, daß zunächst der Lehrerberuf attraktiver werden müsse, denn um tüchtige Lehrer für den Schuldienst zu gewinnen, müßten das Ansehen und das Gehalt der Lehrer verbessert werden. 25 Als weiteren reformbedürftigen Aspekt nennt er die Gestaltung des Unterrichts, der so gehalten werden solle, "daß der Jugend das Lernen nicht zu sauer werde" (18); dies führe nur zu einer Abneigung gegen das Lernen, gegen die Wissenschaften, gegen Bücher und Lehrer. Anschließend fordert er die Schulmeister auf, sich beim Unterricht der deutschen Sprache Mühe zu geben, denn "wer sich einmal alle möglichen Sprach = und Schreibfehler in der deutschen Sprache angewöhnet, der gewöhnet sich dieselben so leicht nicht mehr ab" (ebd.). Braun kommt zu dem Schluß, daß es an guten Ideen
23
Akademische Rede von der Wichtigkeit einer guten Einrichtung im deutschen Schulwesen, welche an dem höchsterfreulichen Geburtsfeste Sr. churffirstl. Durchleucht in Bayern etc. etc. auf dem akademischen Saale abgelesen worden von Heinrich Braun. Mfinchen, in der churffirstl. akademischen Buchhandlung, 1768. 24
"Die Schulordnungen unserer Nachbarn sind im Drucke, nehme man davon, was gut, und in unser Vaterland schicklich ist" (18). 25
Vgl. ebd.: "Stelle man tfichtige Leute auf, die im Stande sind die Jugend zu einer guten Schreib- und Denkart anzuffihren; gebe man ihnen aber einen ansehnlichen Karakter, und einen guten Gehalt; denn geschickten und tüchtigen Leuten ist der Karakter eines Schulmeisters in unsern Gegegenden zu verächtlich, und öfters auch der Unterhalt zu gering, als daß sie Lust hätten, sich mit einem so mfihesamen Geschifte lebenslänglich abzugeben."
258
Sprachnorm und Sprachnormierung
und Vorschlägen nicht mangle, doch müßten sie endlich in die Tat umgesetzt werden. Da Eltern und Lehrer dazu offensichtlich nicht in der Lage seien, könne dies jedoch nur durch die "Obrigkeiten" geschehen. Die in dieser Rede vorgetragenen Gedanken hatte Braun bereits mehrfach an anderer Stelle geäußert. Aufgrund seines hohen Ansehens hatten seine Reformvorschläge großes Gewicht, und er sollte bald Gelegenheit bekommen, seine Überlegungen in die Praxis umzusetzen.
5.2 Die Bemühungen um die Schulreform (1770-1780)
Im Jahre 1770 wurde Braun zum Landeskommissar der Volksschulen in Bayern berufen 26 und erhielt zugleich den Auftrag, einen Plan für die Schulreform und geeignete Unterrichtsbücher auszuarbeiten. Noch im selben Jahr legte er einen Entwurf dieses Vorhabens 27 und den Text für ein Generalmandat zur Durchführung vor. Das auf den 3. September datierte Mandat 2 8 weist eingangs auf den schlechten Zustand der Trivialschulen ( = Elementarschulen) hin und betont die Notwendigkeit einer Schulreform, die vor allem die Schulbücher, die Lehrerausbildung und die Gestaltung des Unterrichts erfassen sollte. In § 1 wird die Einteilung der Elementarschule in sechs Klassen beschrieben, und in § 2 werden parallel dazu die von Braun verfaßten Lehrbücher vorgestellt: In der 1. Klasse soll anhand der 'Buchstaben Tabelle' 29 und des 'Buchstabierbüchleins' 30 das
26
Er hatte dieses Amt bis zu seinem Rücktritt im Jahre 1773 inne.
27
Plan der neuen Schuleinrichtung in Baiern nebst einem Unterrichte ffir die Schulmeister wie sie dem Churffirstl. gnädigisten Befehle gemäss in den deutschen Schulen lehren, und was sie ffir Eigenschaften haben sollen. Auf Churffirstl. gnädigsten Befehle herausgegeben von Heinrich Braun Sr. Churffirstl. Durchl. in Baiern etc. wirkl. geistl. Rathe und Canonicus bey dem Churffirstl. Collegiat=Stifte Unsrer Frau in Mfinchen. München, 1770. zu finden bey Johann Nepomuck Fritz, Buchhändler unter dem schönen Thurme. 28
Ediert in der 'Pragmatischen Geschichte' (s. Literaturverzeichnis) 17 ff.
29
Curbaierisches neueingerichtetes A B C , oder Buchstabentabelle, nebst einer Erklärung auf churffirstl. höchsten Befehl zum Gebrauche der deutschen Schulen herausgegeben ffir die I. Classe der Kinder. Mit Churffirstl. gnädigster Freyheit. Mfinchen, zu finden bey Johann Fritz, Buchhindler unter dem schönen Thurme 1771. 30
Curbaierisches neueingerichtetes Namen= und Buchstabier=bfichlein, auf churffirstl. höchsten Befehl zum Gebrauche der deutschen Schulen herausgegeben. Mit Churffirstl. gnidigster Freyheit. Mfinchen, zu finden bey Johann Nepomuck Fritz, Buchhändler nächst
259
Heinrich Braun und die Schulreform in Bayern
A l p h a b e t geübt werden. In der 2. Klasse s t e h e n das L e s e n v o n T e x t e n und die A n f a n g s g r ü n d e der Grammatik im Mittelpunkt des Unterrichts; in d e m dafür v o r g e s e h e n e n 'Lesebüchlein' 3 1 weist Braun - wie häufig in s e i n e n A r b e i t e n zur d e u t s c h e n Sprache - auch auf die P r o b l e m e d e s Mundartsprechers hin. 3 2 D a s Ziel der 3. Klasse ist der Erwerb einer s c h ö n e n u n d leserlichen Schrift, 3 3 und in der 4. Klasse w e r d e n die bereits in der 2. Klasse vermittelten Kenntnisse der deutschen Grammatik systematisiert u n d erweitert, w o b e i e i n e gekürzte Fassung v o n Brauns 'Sprachlehre' 3 4 die G r u n d l a g e d e s Unterrichts bildet. In der 5. Klasse tritt der Sprachunterricht in d e n Hintergrund, da hier vor allem die "Rechenkunst" d e n V o r r a n g hat. 3 5 D i e 6. Klasse soll die Grundlagen der Briefkunst vermitteln, die Braun b e s o n d e r s a m H e r z e n lag. In d e m dazu v o r g e s e h e n e n
Übungs-
b u c h 3 6 zählt Braun m e h r e r e Punkte auf, die "bey einer g u t e n Schreibart" g e m i e d e n w e r d e n sollten: N e b e n Archaismen und Fremdwörtern nennt er hier auch "Provincialwörter, als ζ. E. erchtag für Dienstag,
trenzen
für weinen
u. s. f." (30). D a s G e n e r a l m a n d a t enthält e i n e n längeren Abschnitt über die Lehrer, die
dem schönen Thurme. 1771. 31
Curbaierisches neueingerichtetes Lesbfichlein, auf churffirstl. höchsten Befehl zum Gebrauche der deutschen Schulen herausgegeben. Ffir die II. Classe der Kinder. Mfinchen [1770], zu finden bey Johann Nepomuck Fritz, BuchhSndler unter dem schönen Thurme. 32 Vgl. beispielsweise die auf Bl. A3r angesprochene Trennung von /e/ und /öl, die in weiten Teilen des Bairischen durch die Entrundung /ö/ > /e/ (vgl. Teil I, Kap.4.3) weggefallen ist: "Man muß jeder Sylbe in einem Worte ihren gehörigen, und eigenen Ton geben. Z.B. Leben, und Lbwen sind verschiedene Wörter." 33
Vgl. das hierfür von Braun entworfene Lehrbuch: Regeln der deutschen Schönschreibekunst nebst den hierzu nöthigen Tabellen auf churffirstl. höchsten Befehl zum Gebrauche der deutschen Schulen herausgegeben. Ffir die III. Classe der Kinder. Mfinchen [1770], zu finden bey Johann Nepomuck Fritz, BuchhSndler unter dem schönen Thurme. 34
Anleitung zur deutschen Sprachkunst auf churffirstl. höchsten Befehl zum Gebrauche der deutschen Schulen herausgegeben ffir die IV. Klasse der Kinder. Mfinchen 1772. bey Johann Nepomuck Fritz, BuchhSndler unter dem schönen Thurm. 35
Das dafür bestimmte Lehrbuch stammt von Deutinger: Anfangsgrfinde der Rechenkunst. Auf churffirstl. höchsten Befehl zum Gebrauch der deutschen Schulen herausgegeben für die V. Classe der Kinder. Mit gnidigster Freyheit. Mfinchen, 1770. bey Johann Nepomuck Fritz, BuchhSndler unter dem schönen Thurm. 36
Kurze Anleitung zur deutschen Briefkunst. Auf churffirstl. höchsten Befehl zum Gebrauche der deutschen Schulen herausgegeben ffir die VI. Classe der Kinder. Mit Churffirstlich gnSdigster Freyheit. Mfinchen 1770. zu finden bey Johann Nepomuck Fritz, BuchhSndler unter dem schönen Thurm.
260
Sprachnorm und Sprachnormierung
darin ausdrücklich angewiesen werden, keine anderen als die oben genannten Schulbücher zu verwenden. 37 Im Jahre 1774 veröffentlichte Braun eine Abhandlung über die Erziehung und den öffentlichen Unterricht, 38 die die Schulpolitik in Bayern wesentlich beeinflußt hat. Eingangs (8 ff.) betont er, daß die Nachbarländer bereits ausgearbeitete Schulordnungen besäßen, und führt eine große Anzahl dieser Schulpläne auf, die ihm zum Teil als Vorlage gedient haben. Braun fordert in seinem Entwurf (12 f.) eine Dreigliederung des Schulwesens in Trivialschule ( = Elementarschule), Realschule und lateinische Schule, die aufeinander aufbauen. In der Trivialschule (12 ff.) sollen vor allem das Buchstabieren, Lesen, Schönschreiben und Rechnen geübt werden; Braun verweist hier auf seine Lehrbücher, nennt aber auch die Werke mittel- und norddeutscher Autoren, wie beispielsweise das "fuldaische ABC Buch" vom Jahre 1770 (32) oder die "Grundsätze des Hannoverschen Schullehrerseminars" von Geßner (34). Braun fordert die Lehrer auf, in der Elementarschule besonders auf die korrekte Aussprache zu achten und mundartliche Färbung zu meiden: "Jedem Buchstaben seinen gehörigen Ton in der Sylbe geben [...] und diesen Ton weder mit einer bäurischen, noch mit einer affectirten Aussprache, noch auch mit einem Provinzialtone eines schwäbischen, tyrolischen, baierischen Dialekts u. d. gl. vermischen, dieß ist freylich ganz was anders. Man bringt auch diesen reinen Ton nicht leicht zuwege. Je näher man der guten Mundart kömmt, 39 desto besser ist es." Anschließend geht Braun ausführlich auf die Realschule ein (124 ff.), in der "nicht nur Sprachen, sondern auch was reelles, nöthiges und nützliches in Absicht auf [...] künftige Standesgeschäfte" (126) gelehrt werden sollten. Braun schlägt drei verschiedene Ausbildungsrichtungen vor: "1. Die bürgerliche Nahrungs= und Hauswirthschafts=Classe", 2. Die bürgerlich philosophische Classe, 3. Die bürgerlich = rhetorisch = und historische Classe" ( 1 3 8 ) . Bei der Besprechung der 3. Abteilung geht Braun detailliert auf den Unterricht der Muttersprache ein: Er bemerkt, daß seine 'Sprachkunst' seit
37
Vgl. § VIII, Absatz III, der Verordnung.
38
Heinrich Brauns, Churffirstl. geistlichen Rathes und Canonici am U.L. Frauenstifte zu Mfinchen, Gedanken fiber die Erziehung und den öffentlichen Unterricht in Trivial= Real= und lateinischen Schulen nach den katholischen Schulverfassungen Oberdeutschlandes. Ulm, bey Johann Conrad Wohler, 1774. 39
Gemeint ist eine von mundartlichen Einflüssen freie Hochsprache.
Heinrich Braun und die Schulreform in Bayern
261
ihrem Erscheinen im Jahre 1765 zum Teil auf großen Widerstand gestoßen sei, nunmehr aber in einer gekürzten Fassung in den meisten Schulen verwendet werde, da man die Notwendigkeit einer gründlichen Kenntnis der Landessprache erkannt habe (160). Er erörtert anschließend, wie die deutsche Sprache gelehrt werden solle, wobei er die Auffassung vertritt, daß der Schüler erst dann eine Fremdsprache (ζ. B. Latein) lernen sollte, wenn er die Regeln der Muttersprache gründlich beherrsche. Er wendet sich damit gegen den bis ins 17./18. Jh. andauernden Usus, die Kinder ohne vorherige Ausbildung direkt in die Lateinschulen zu schicken. Es folgt der Plan über die lateinischen Schulen (178 ff.), die neben den klassischen Sprachen auch die deutsche Sprache und Literatur berücksichtigen sollten. In dem Abschnitt "Von der deutschen Sprache" (190 ff.) geht Braun auf die Muttersprache ein und ermahnt die Lehrer, darauf zu achten, "daß die Reinigkeit der Sprache beobachtet, und 1) sowohl undeutsche Redensarten, als 2) Provinzialwörter, 3) schwülstige und überstudirte Ausdrücke vermieden, 4) jedes Wort in seiner eigenen Bedeutung angebracht und 5) das mehr bedeutende vor dem gleichgültigen genommen und jederzeit der Unterschied nach etymologisch = und philosophischen Gründen (die der Lehrer verstehen muß) erkläret und auseinander gesetzt werden" (192). Der Lehrer sollte dem Schüler gute und schlechte Muster der deutschen Sprache vorlegen und den entscheidenden Unterschied aufzeigen. Braun verweist an dieser Stelle auf zeitgenössische Grammatiken und Wörterbücher, die der Lehrer neben der gerade vorgeschriebenen Sprachlehre heranziehen müsse (193 ff.).40 Ausführlich geht Braun sodann auf die deutsche Literatur ein (248 ff.) und empfiehlt als gute Muster der deutschen Sprache unter anderem die Werke von Klopstock, Geßner, Hagedorn, Kleist, Wieland, Geliert, Haller, Lessing und Gleim. Der Lehrer solle Proben dieser Dichter vorlesen und erklären, denn "aus den einzeln betrachteten Schönheiten der Dichter ergeben sich nun die allgemeinen Regeln der Dichtkunst von selbst, welche die Schönheiten und den Grund davon bestimmen, den guten Geschmack bilden und die Maaßregel zur poetischen Erfindung, Ordnung und Schreibart geben" (252). Den Schluß dieser Abhandlung bildet der Abschnitt "Von den Haupt-
40
Er nennt unter anderem die Grammatiken von Gottsched (1748 u. ö.), Bödiker (1690 u. ö.), Aichinger (1753 u. ö.) Popowitsch (1754), Freyer (1728 u. ö.) und Heynatz (1770 u. ö.) sowie die Wörterbücher von Frisch (1741) und Stosch (1770 ff.) und den soeben erschienenen 'Versuch eines vollständigen grammatisch = kritischen Wörterbuches der hochdeutschen Mundarten', Theil I, Leipzig 1774, ohne den Verfasser zu nennen (es handelt sich um den ersten Band von Adelungs Wörterbuch).
262
Sprachnorm und Sprachnormierung
erfordernissen zum Vollzug dieses Planes" (290 ff.), in dem Braun erneut eine bessere Ausbildung und Bezahlung der Lehrer und die Verwendung guter Schulbücher fordert. Der Entwurf über die Neuorganisation der öffentlichen Schulen wurde einer Kommission vorgelegt, die eine Schulordnung auszuarbeiten hatte. Diese nahm zwar mehrere Änderungen vor, im wesentlichen sind jedoch die Vorschläge von Braun in die bayerische Schulordnung vom 8. Oktober 177441 eingegangen. Im Jahre 1776 wurde Braun zum Direktor der Theologischen Fakultät an die Universität Ingolstadt berufen; mit dieser Stelle war zugleich die Leitung des Ingolstädter Gymnasiums verbunden. Im darauffolgenden Jahr arbeitete Braun im Auftrag der kurfürstlichen Regierung eine Schulordnung 42 aus, in der nunmehr auch eingehend der Unterricht der deutschen Sprache berücksichtigt wurde. Wie in seiner Abhandlung über die Realschulen (vgl. o. Brauns 'Gedanken über die Erziehung und den öffentlichen Unterricht') fordert der Verfasser, daß im Sprachunterricht mit der Muttersprache begonnen und erst nach einiger Zeit eine Fremdsprache dazugenommen werden sollte: "Jn der Principienclasse fängt man ζ. B. die lateinische Sprache an, nachdem der Schüler in seiner Muttersprache etwas stärker geworden ist, als er's in den deutschen Schulen war. Dann geht man immer in der gleichen Methode mit fort, bemerkt die Aehnlichkeit oder Unähnlichkeit beyder Sprachen, lehret den Schfiler immer im Parallel mit der Muttersprache die Abänderung der Haupt= Bey= und richtigen Zeitwörter u.s.f." Auf Grund dieser Schrift, die auch mehrere Vorschläge zur Reduktion der Kosten enthielt, wurde Braun zum Direktor des höheren Schulwesens bestellt, und seine Richtlinien für das Ingolstädter Gymnasium wurden auch für die übrigen Gymnasien in Bayern übernommen. Er leitete eine tiefgreifende Reform in der Verwaltung und im Unterricht der Gymnasien ein, wobei vor allem bei der Auswahl der Lehrer strengere Maßstäbe angesetzt wurden: Braun bewirkte, daß fortan jeder Lehrer vor der Anstellung eine Aufnahmeprüfung ablegen und seine Kenntnisse in Theorie und Praxis unter Beweis stellen mußte. Als im Jahre 1780 das Gymnasialwesen neu geregelt und einer Kom-
41 42
Ediert bei Lurz 2 (1908) 203 ff.
Entwurf der Einrichtung des churffirstlich akademischen Gymnasiums zu .Ingolstadt. Auf höchsten gnädigsten Befehl verfaßt und in den Druck gegeben von H. B. Mfinchen, bey Aloys von CrStz. 1777.
Heinrich Braun und die Schulreform in Bayern
263
mission unterstellt wurde, verlor Braun seine Position als Direktor und zog sich aus dem öffentlichen Leben zurück.
Mit seinen sprachtheoretischen Schriften hat Braun die Entwicklung der Schriftsprache in Bayern entscheidend beeinflußt. Da er sich in seinen Werken stets an der mitteldeutschen Norm orientierte, hat er dazu beigetragen, daß dieser Sprachtypus auch in Bayern allmählich zur Norm wurde. Der Erfolg und die rasche Verbreitung seiner Grammatik sind sicherlich auf die Unterstützung der Bayerischen Akademie der Wissenschaften zurückzuführen, die der kurfürstlichen Regierung das Werk als Schulgrammatik vorschlug. Durch das Mandat vom 22. Mai 1765 wurde die Braunsche Grammatik für Jahrzehnte zu einer sprachlichen Institution in Bayern. 43 Während seiner Amtszeit als Direktor des Schulwesens hatte Braun die Möglichkeit, seine Theorien und Reformpläne in die Praxis umzusetzen, wobei vor allem die Einführung eines gezielten Unterrichts der deutschen Sprache in den Trivialschulen hervorzuheben ist. Seine Bemühungen um die Schulen wurden auch in den übrigen deutschen Territorien aufmerksam beobachtet. Bemerkenswert ist die Rezension in der von Friedrich Nicolai herausgegebenen Zeitschrift 'Allgemeine deutsche Bibliothek' (Bd. 24, 1775: 242 ff.) zu Brauns 'Gedanken über die Erziehung und den öffentlichen Unterricht in Trivial-, Real-und lateinischen Schulen', die dessen Aktivitäten große Anerkennung zollt: "Bayern ist glücklich zu preisen, daß es einen Churfürsten zum Regenten hat, der einen Braun zu schätzen weis, und eines solchen Mannes Vorschläge zur Verbesserung der Erziehungsanstalten verlangt und sie ausführen läßt. Wenn in den katholischen Ländern Oberdeutschlands Männer wie Braun, das Vertrauen des Fürsten finden und anfangen, wirksame Einflüsse in die Einrichtung der Schulanstalten zu bekommen: so wird die große Unwissenheit und der Mangel des Geschmacks, welche unterdessen, da alles umher in der Cultur des Geistes so weit fortgeschritten war, noch in den katholischen Ländern von Oberdeutschland herrschten, bald verschwinden."
43
Auch nach seinem Rücktritt wurde die Grammatik in den Schulen weiter verwendet: Vgl. hierzu Absatz V der bayerischen Schulordnung vom 30. August 1782 (ed. Lurz 1908: 2,270 ff.): "Unsere Muttersprache darf am wenigsten vernachlässigt werden, sonst würden wir allein das nicht thun, was so viele Nationen sich ereifern, daß ihre Sprache kultiviert werde [...] Man lernet also in den ersten zwo Klassen die Regeln ohne Fehler zu componiren nach Herrn Brauns Sprachlehre" (277).
6 Zwischenergebnis: Soziokulturelle Momente als Ursachen des Sprachwandels
Die Ausführungen haben gezeigt, daß Kanzlei- und Schulwesen in Bayern bis in die Mitte des 18. Jh.s eher dazu beigetragen haben, den vorherrschenden Sprachtypus zu festigen als ihn zu verändern. Die Grammatik von Ortholph Fuchßperger (Ingolstadt 1542) enthält wie die übrigen bayerischen Texte des 16. Jh.s zahlreiche mundartliche Elemente und konnte somit ebenfalls nicht zur Reduzierung der regionalen Varianten beitragen. Der Regensburger Johann Ludwig Prasch meidet zwar im wesentlichen regionale Formen, seine 'Sprachkunst' (Regensburg 1687) hat jedoch die Schriftsprache nicht beeinflussen können, da sie kaum im Unterricht verwendet wurde. 1 Die durch die Gegenreformation bewirkte Spaltung des deutschen Sprachgebiets in einen katholischen und einen protestantischen Einflußbereich hatte zur Folge, daß Bayern lange den eigenen Sprachtypus beibehielt. Dennoch ist schon vor der sprachlichen Lenkung durch die herzogliche Regierung im 18. Jh. ein Zurückweichen regionaler Formen aus der Schriftsprache zu beobachten. Da die in Frage kommenden Varianten heute noch gesprochen werden, ist in diesen Fällen ein Wandel der Mundart, wie er in Teil 1.19 vorausgesetzt wurde, auszuschließen. Die einzelnen Erscheinungen verhalten sich recht unterschiedlich, wie im folgenden zu zeigen sein wird. Zur besseren Übersicht werden diese Formen zu vier Gruppen zusammengefaßt: vorangestellt sind die regionalen Varianten, welche lediglich in den Handschriften bis Ende des 15. Jh.s anzutreffen sind; es folgen sodann jene, die bis ins 16./17. Jh. belegt sind (Gruppe 2 und 3); abschließend finden sich die Elemente, die bis ins 18. Jh. verwendet werden (Gruppe 4). Zur Orientierung ist nach der Beschreibung des Sprachwandels zwischen geschweiften Klammern jeweils ein Beispiel aus den in Teil I zitierten Belegen aufgeführt.
1
In den Lehrplänen, Visitationsberichten und Schulordnungen wird sie nicht erwähnt.
Zwischenergebnis
265
1 Nur in den Handschriften bis Ende des 15. Jh.s belegt Die Senkung /o/ > /a/ {z.B. wart 'Wort'} tritt nur noch in den Handschriften des 15. Jh.s in Erscheinung (Kap. 4.1). Auch der Dental beim Präfix -der {z.B. der slagen}, das bairisch für die Vorsilbe -er verwendet wird, erscheint nur in den Handschriften des 15. Jh.s, in die Drucke dringt diese Variante nicht ein (Kap. 13.1). 2 Überwiegend bis ins 15-/16. Jh. belegt Der Wandel von altem /iu/ > /oi/ (Kap. 5.5), der als < e u > oder < e w > in Erscheinung tritt {dewb}, zeigt sich vor allem in den Handschriften des 15. Jh.s und nur noch vereinzelt in den Drucken des 16. Jh.s. Auch der Übergang von /-b-/ > /-v-/ {Herwerg 'Herberge'} ist in erster Linie in den Handschriften des 15. Jh.s anzutreffen (Kap. 10.2); von den untersuchten Drucken weist lediglich der Text von Hauer (1525) die Schreibung < w > für b auf. Im Anlaut zeigt sich für b nur noch in den Handschriften des 15. Jh.s. Bair. schol 'soll' wird nur noch in den Handschriften des 15. Jh.s verwendet; in den Drucken des 16. Jh.s taucht es nur noch bei Hornstein (1596) auf. Die Assimilation (Kap. 14) von Haupt > haup(p), -ben > m(m) und -egen > η(η) ist vor allem in den Handschriften des 15. Jh.s anzutreffen; in den Drucken des 16. Jh.s nur noch vereinzelt Anfang des Jahrhunderts. Die bairischen Kennwörter (Kap. 18.2) erchtag, pfinztag und tenk sind in erster Linie in den Handschriften des 15. Jh.s belegt, in den Drucken nur noch bis Anfang des 16. Jh.s. Die Dualpronomina es und enk fanden sich dagegen lediglich in den Handschriften des 15. Jh.s. 3 Überwiegend bis ins 17. Jh. belegt Die Hebung von /a/ {motiung 'Mahnung'}, die in den untersuchten Texten als < o > in Erscheinung tritt (Kap. 1), zeigt sich vor allem bis ins 17. Jh.; lediglich in den gedruckten Landesverordnungen ist diese Verdumpfung vereinzelt noch im 18. Jh. beim Substantiv (die) Untertonen nachzuweisen. Die Hebung /e/ > /i/ vor /r/ bzw. /r/ + Konsonant {kirczen 'Kerze'} ist bereits in den Drucken des 15. und 16. Jh.s selten; im 17. Jh. konnte nur noch wirme nachgewiesen werden (Kap. 2.1). 4 Überwiegend bis ins 18. Jh. belegt Große Unsicherheit zeigt sich beim unbetonten e, das in der gesprochenen Mundart meist synkopiert oder apokopiert wird. So konnte in den unter-
266
Sprachnorm und Sprachnormierung
suchten Texten beim Präfix ge- {gmüt} (Kap. 2.4.4.1), beim Flexionsmorphem -es {diensts} (Kap. 2.4.4.3) und bei mhd. -el {Mittl} (Kap. 2.4.4.5) die Synkope bis ins 18. Jh. nachgewiesen werden. Die Apokope erscheint bei den Substantiven vor allem im N. Sg. der starken Feminina, im N. PI. der starken Maskulina, im N. Sg. der schwachen Maskulina, Feminina und Neutra sowie im D. Sg. der starken Maskulina bis ins 18. Jh. (Kap. 2.4.5.1). Der Vokalwechsel e/i (Kap. 2.2), der unterschiedliche Ursachen hat, wie beispielsweise den Wandel germ, /e/ > /i/, germ, /i/ > /e/ oder alte Doppelformen, führt zu zahlreichen Varianten: bair.pemsel und brinnen sind bis ins 18. Jh. belegt; bair. tegel, stingel, schmirz(haft), gelirnig und schrick dagegen nur bis ins 17. Jh. und bair. scheff und scherm lediglich bis ins 16. Jh. Die dem Vokalwechsel Hu (Kap. 3.4) zuzuordnenden Formen hülfe und würken tauchen bis ins 18. Jh. auf, während die Formen wirde und wirdig nur bis ins 16. Jh. vorkommen. Die regionalen Formen beim Wechsel m/o (Kap. 5.3) erscheinen in den untersuchten Texten bis ins 18. Jh.; es sind dies gunnen, kunnen, antwurt, gulden und trucken Adj. Die Entrundung der Vorderzungenvokale /ö/ {kestlich} (Kap. 4.3) und /ü/ {winschen} (Kap. 5.4) ist ein wesentliches Kennzeichen des Bayerischen; in unseren Texten zeigte sich diese Erscheinung bis ins 18. Jh. Die mhd. Diphthonge /ie/ (Kap. 6.1) und /uo/ (Kap. 6.2), die sich in der gesprochenen Mundart bis heute der Monophthongierung widersetzen, treten bis ins 18. Jh. auf {z.B. in liecht und genueg}. Das Ausbleiben des Umlauts zeigt sich vor allem bei mhd. /u/ (Kap. 9.4); vor Affrikate {stuck, hupfen, nutzlich}, Liquida + Konsonant {schuldig}, Nasal + Konsonant {tungen 'düngen'} und vor Guttural {kuchel 'Küche'} unterbleibt er in den untersuchten Texten bis ins 18. Jh. Bei mhd. /o/ fehlt der Umlaut vor dem Suffix -lieh {kostlich} und bei dem aus mhd. /u:/ entstandenen Diphthong /au/ vor /m/ {räumen} ebenfalls bis ins 18. Jh. (Kap. 9.3 und 9.5). Das Nebeneinander von lb/ und /f/ (Kap. 10.3 und 11.2) zeigt sich in den Varianten haber, lefze und schrauf 'Schraube'; während die ersten beiden bis ins 18. Jh. verwendet werden, kommt schrauf nur bis ins 17. Jh. vor. Der Wechsel zwischen Verschlußlaut und Affrikate bzw. Spirant (Kap. 10.4) führt zu regional begrenzten Formen: porte und harpfe sind bis ins 18. Jh. belegt, scharpf 'scharf und drack 'Drache' dagegen lediglich bis ins 17. Jh. Der Einschub des stimmhaften Verschlußlautes Id/ zwischen η und -el {fendel 'Fähnchen'} bzw. η und -er {erinndert Part. Perf.} zeigt sich in
Zwischenergebnis
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bayerischen Texten ebenfalls bis ins 18. Jh. (Kap. 13.2). Die Phonemverbindung mhd. /mb/ (Kap. 12.1), die im Bairischen in einigen Wörtern erhalten geblieben ist, war in den untersuchten Texten vor allem im 16. Jh. anzutreffen {Jmp 'Biene'}; im 17./18 Jh. finden sich nur noch vereinzelt Beispiele. Bei den Verben der mittelhochdeutschen Ablautklassen 6 und 7, die umlautfähigen Wurzelvokal aufweisen, fehlt der Umlaut in der 2. und 3. P. Sg. Präs. ebenfalls bis ins 18. Jh. {sie fahret, du fallest} (Kap. 15.2). Substantive, die im Bairischen ein anderes Geschlecht als in der neuhochdeutschen Standardsprache aufweisen {der luft, der lust oder die husten}, sind meist bis ins 17./18. Jh. belegt, einige allerdings auch nur bis ins 17. Jh. (vgl. Kap. 16). Die mhd. ursprünglich schwach deklinierten Feminina werden in den untersuchten Texten während des gesamten Untersuchungszeitraums verwendet (Kap. 16). Der als Ersatz für die Apokope eingeführte Umlaut als Pluralkennzeichen bei den Feminina und starken Maskulina erscheint in erster Linie beim Substantiv Tag, das bis Ende des 18. Jh.s umgelauteten Stammvokal aufweist (Kap. 16). Im Bereich der Wortbildung (Kap. 17) ist vor allem das Diminutivsuffix e(r)l zu erwähnen, das bis Ende des 18. Jh.s belegt ist {Gläsl}. Der mundartliche Wortschatz (Kap. 18) war in den untersuchten Texten nur schwach vertreten. Bis ins 18. Jh. waren lediglich bühel, leftze, Staffel und stadel anzutreffen, andere Lexeme, wie bidmen, geiß, hafen ( T o p f ) und das Verb schoppen ('ausstopfen') dagegen nur bis ins 17. Jh. Wie aus der Übersicht hervorgeht, kommt ein Teil der regionalen Formen bis ins 18. Jh. vor. Aufgrund der eigenständigen kulturellen und sprachlichen Entwicklung wurden neben entrundeten und umlautlosen Varianten vor allem Doppelformen wie pemsel, brinnen, hülfe, haber, antwurt oder trucken (Adj.) bis in die zweite Hälfte des 18. Jh.s beibehalten. Die allgemein oberdeutschen Wörter bühel, lefze, Staffel und stadel wurden ebenfalls bis ins 18. Jh. verwendet. Daneben gibt es allerdings auch Varianten, die zeigen, daß nur ein Teil der Mundartwörter bis in die Mitte des 18. Jh.s verbreitet war. So sind beispielsweise die Lexeme erchtag, pfintztag und tenk bis ins 16. Jh. belegt, während die Dualpronomina es und enk auf die Handschriften des 15. Jh.s beschränkt sind. Die unter dem Gesichtspunkt der Morphologie zusammengestellten Phänomene, die in den Texten größtenteils bis ins 18. Jh. anzutreffen sind, demonstrieren, daß im Bereich der Morphologie die
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regionalen Varianten den mitteldeutschen Formen nur zögernd gewichen sind. Die Bedeutung der soziokulturellen Faktoren zeigt sich besonders bei der Diskussion um die Apokope, die bis ins 18. Jh. anhält. Während die Oberdeutschen das auslautende -e als "Lutherische" Schreibart bezeichnen, sprechen die Mittel- und Norddeutschen bei der Apokope von einer oberdeutschen Unart. 2 Der Schwabe Dornblüth, ein erbitterter Gegner Gottscheds, bringt in seinen 'Observationes' (1755: 265 f.) eine lange Abhandlung zur Apokope, die demonstriert, wie polemisch diese Auseinandersetzung geführt wurde: "Gleichwie die Sachsen in ihrer Rede vnd Schreib=Art durchaus affectiert seind und etwas besonders auszukfinstlen pflegen, also seind sie auch mit dem ungereimbten und unnutzlichen Zusatz des e fine, nach und nach also weit gekomen, daß sie es nicht nur allen Substantivis, sondern sogar denen Adverbiis ohne Ursach und Vernunfft anschmieren." Dornblüth zitiert anschließend die Grammatik von Bödiker, die Apokope in einigen Fällen erlaubt, und fährt dann fort: "Jndessen folgt jedoch Gottsched auch diser Regul Böttigers nicht, sondern setzt offt (uti in Praefat. p. 2. Zuhörer) den Pluralem ohne e; hingegen den Singularem fast immer ineptissime mit einem e [...]. Ferners schmiert er das e an Pluralem der sich doch propter mutationem Vocalis ffir sich selbst zeigt. [...] Hieraus erhellt, daß jedem Schulmeister bei denen Sachsen etwas neues eigensinnig in die Sprache zu sticken erlaubt seye; und wie ungereimbt selbiges gleich auch seye, man selbigem jedoch (dummodo novum sit) sine discussione blinder Dingen nachame." Der in Innsbruck lehrende Ignaz Weitenauer schlägt in seiner Grammatik (1764: 23 f.) beim Streit um die Apokope einen Mittelweg ein und bedauert, daß die sprachwissenschaftliche Diskussion von der Glaubenslehre bestimmt werde: "Wer wird nun mit dem Ε eine zulängliche Einrichtung treffen, welches eigentlich der Stein des Anstoßes ist, und die Strengen [= die Oberdeutschen] von den Gelinden [= die Norddeutschen] absondert? Ganze Länder sind diesem Buchstaben so abgeneigt, und hingegen andre Provinzen so sehr darauf erpicht, daß es ganz unmöglich scheinet, dießfalls eine Einigkeit zu stiften. [...] So lasse man immer den Zungen ihren längst gewohnten Lauf, welchen zu verändern sonderbar die Ungelehrten unmöglich zu bereden sind. Sollten aber auch im Schreiben die Gelehrten zu keiner Einträchtigkeit jemals zu bringen seyn? Woher entspringet doch dieser unversöhnliche Haß wider das unglückliche
2
"Lutherische" Schreibart steht offensichtlich allgemein für den mittel- und norddeutschen Schreibusus, der teilweise mit der Sprache des Reformators gleichgesetzt wurde.
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E? Ist der Uebelklang des armen Buchstaben, oder ein unerbittliches altes Vorurtheil, oder wohl gar die Religion, an seiner Verdammung schuldig? Von der Religion erstlich zu reden, ist es schwer zu begreifen, wie man sie in die Rechtschreibung eingemischet. Was hat immermehr die Glaubenslehre mit dem Ε zu thun?" Der Pfälzer Jacob Hemmer vertritt wie Weitenauer eine gemäßigte Position und bemerkt (1769: 129 f.) zur Apokope: "Es will ihnen [das sind seine Landsleute] nichts weniger in den Kopf, als öftere Anhenkung des e. Sie sagen, dieses sey eine affectierte, weibische Art, und wie man von vielen Katholiken höret, lutherische Art zu reden." Die Norddeutschen sind über den Begriff "lutherische Art" irritiert, wie der folgende Abschnitt, den die 'Erfurtische gelehrte Zeitung' (1771: 131) daraufhin veröffentlicht, zeigt: "Geht man doch gar so weit, daß man, wie uns der Verf. [gemeint ist Hemmer] S. 130 erzählt, die Bemfihungen um die Reinigkeit der Sprache dadurch verhaßt zu machen sucht, daß man sie die lutherische Art zu reden nennt." Braun spricht in seiner Grammatik (1765: 61) ebenfalls den Streit um die Apokope an: "Es ist kein Buchstabe, welcher so viel Feind hat als dieser." Er weist als einziger auf die Tatsache hin, daß das sogenannte "Lutherische e" bereits in vorlutherischen Bibeldrucken anzutreffen ist; er führt zahlreiche Beispiele an und stellt anschließend fest: "Es haben also die itzigen Regeln auch einen Grund in dem Alterthume : und die sogenannte lutherische Schreib = und Redensart ist nichts minder als lutherisch, zu geschweigen, daß in vielen Ländern, ζ. E. in Schlesien, in beyden rheinischen Kreisen, in dem niedersächsischen Kreise etc. viele hundert gute Katholische eben so reden und schreiben" (62). Wie kurios diese Auseinandersetzung zum Teil war, zeigt eine Berner Chronik vom Jahre 1750, in der berichtet wird, daß Jacob Wolf, ein Diakon zu Bern, einen Streit wegen der Apokope anfing und daraufhin einen Katechismus drucken ließ, in dem er zahlreichen Wörtern zusätzlich ein historisch unberechtigtes -e anfügte (wie beispielsweise Lobe oder Tröste).3
Aus der obigen Zusammenstellung geht auch hervor, daß ein Teil der mundartlichen Phänomene bereits im 16./17. Jh. aufgegeben wurde (Gruppe 2 und 3). Betroffen sind vor allem die auf den Wandel a > o, e > i (vor r) und Assimilation zurückgehenden Varianten sowie bairische Kennwörter und allgemein oberdeutsche Wörter, wie bidmen, geiß, hafen und schoppen (Verb). Hierbei wird deutlich, daß trotz der religiösen und politischen
3
Vgl. Berner Chronik von 1701-1761, hg. von J. Sterchi, in: Blätter für Bernische Geschichte 9 (1913) 247.
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Sprachnorm und Sprachnormierung
Abgrenzung sprachlandschaftliche Ausgleichsvorgänge möglich waren. Ein völliges Abschotten zwischen Mittel- und Süddeutschland war ja auch im Zeitalter der Gegenreformation kaum möglich. So war beispielsweise die Grammatik von Johannes Clajus,4 die sich bereits im Titel mit dem Hinweis "ex bibliis Lutheri" auf den Reformator beruft, auch im katholischen Süden verbreitet. Es ist in diesem Zusammenhang bezeichnend für den Pragmatismus der Jesuiten, daß im Exemplar des Jesuitenkollegs in München der Zusatz "ex bibliis Lutheri" auf dem Titelblatt durchgestrichen und das Vorwort, in dem sich Clajus (der aus dem ostmitteldeutschen Raum stammte) begeistert über Luther äußert, herausgeschnitten wurde. 5 In den späteren Ausgaben wurde dann auf die katholischen Leser Rücksicht genommen und auf dem Titelblatt der Hinweis auf Luther beseitigt. 6 Die lediglich in den Handschriften des 15. bzw. in den Drucken Anfang des 16. Jh.s auftretenden Phänomene zeigen, daß ein Teil nicht oder nur in Ansätzen Eingang in die Drucke gefunden hat. Vielleicht haben in diesen Fällen die Drucker bei der Entstehung der neuhochdeutschen Schriftsprache durch ihr Selektieren einen gewissen Einfluß ausgeübt. 7 Sie waren ja selbst als Verfasser und Verleger tätig und so direkt für die sprachliche Form des Werkes verantwortlich und haben darüber hinaus häufig auch an den ihnen zum Druck übergebenen Werken erhebliche sprachliche Eingriffe vorgenommen. 8 Dabei wurden in erster Linie regional begrenzte Formen gemieden, um den Druckerzeugnissen ein möglichst großes Absatzgebiet zu sichern. In unserem Falle dürfte die gegenseitige Beeinflussung der ober-
4
Grammatica G E R M A N I C A L I N G U A M. IOHANNIS Claji Hirtzbergensis: EX BIBLIIS LVTHERI GERMANICIS ET ALIIS EIVS LIBRIS COLLECTA MD. LXXVIII.
5
Das Exemplar (s. Literaturverz.) kam nach dem Verbot des Ordens zusammen mit der Bibliothek des Münchner Jesuitenkollegs in die Bayerische Staatsbibliothek München. 6
Vgl. den Titel der Ausgabe vom Jahre 1625: GRAMMATICA G E R M A N I C A L I N G U A Ex optimis quibusque Autoribus collecta, operä & studio M. JOHANNIS CLAII, Hertzberg. EDITIO SEPTIMA LIPSI/E, Apud Haeredes HENNINGI GROSI junioris. Excudebat Johannes Albertus Minzelius. Anno MD C XXV. 7
Eine Gegenposition vertritt Schirokauer (1951) 317 ff. und (1957) 894 ff., der den Einfluß der Drucker bei der Entstehung der neuhochdeutschen Schriftsprache in Zweifel zieht (mit Argumenten, die in erster Linie das 15. Jh. betreffen). 8
So ist es verständlich, wenn Geiler von Keisersberg klagt, er kenne sein eigenes Buch nicht wieder, wenn er es vom Drucker zurückbekomme; auch Luther erwähnt öfter die Willkür der Drucker. Die Eingriffe der Drucker demonstriert besonders deutlich ein Vergleich zwischen Handschriftenvorlage und Druck bei Hans Sachs und Albrecht Dürer; vgl. dazu Pietsch (1883) 101, Arndt (1962) 132 f. und Hartweg (1985) 1424.
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deutschen Druckzentren Nürnberg, Augsburg, München, Ingolstadt, Regensburg und Wien eine Rolle gespielt haben, wobei über Nürnberg und Regensburg vermutlich mitteldeutsche Elemente nach Altbayern gelangten. Es sei hier daran erinnert, daß bis ins 16. Jh. ein reger Sprachausgleich zwischen dem ostober- und ostmitteldeutschen Raum stattfand; so haben wohl auch die Bibelübersetzungen und Katechismen Luthers die Sprache des katholischen Südens direkt oder indirekt beeinflußt. 9 Die Oberpfalz nimmt bei der Entwicklung der bayerischen Schriftsprache eine Sonderstellung ein. Da sich hier der Protestantismus rasch ausbreiten und lange behaupten konnte, war die religiös motivierte Abschirmung zum mitteldeutschen Raum hin weniger wirksam. Vor allem von der freien und protestantischen Reichsstadt Regensburg, die bis ins Spätmittelalter das wichtigste politische, wirtschaftliche und kulturelle Zentrum in Ostbayern war, 10 ging eine starke Strahlkraft aus, die weit nach Altbayern hinein reichte. Und selbst als die wirtschaftliche Bedeutung allmählich nachließ, 11 behielt die Stadt ihre kulturelle und politische Stellung bei, zumal ab 1663 der "Immerwährende Reichstag" seinen Sitz in Regensburg hatte. Die politische Sonderstellung und die kulturelle Vielfalt haben sich zweifelsohne auch positiv auf den Sprachausgleich im Einflußbereich der Stadt ausgewirkt. Es ist bezeichnend, daß im 17. und 18. Jh. die vorbildliche Sprache Regensburgs hervorgehoben wird. Grimmelshausen weist in seinem Werk 'Deß Weltberuffenen Simplicissimi Prahlerey und Gepräng mit seinem Teutschen Michel' (1673: 55) darauf hin, daß sich die Sprache in Regensburg deutlich von der Altbayerns abhebe: "Auff der kleinen Seyten zu Prag wird so gut Teutsch geredet / als irgendswo in gantz Teutschland; das macht / daß die Teutschredende keine bäurische Nachbarn auff den umbligenden Dörffern haben / die ihnen ihre Sprach verderben; dahingegen die Franckfurter von den Wetterauern: die Straßburger von den Kocherspergern: die Tfibinger
9 Luther benutzte in seinen Werken bekanntlich nicht nur mitteldeutsche, sondern in beschränktem Umfang auch süddeutsche Elemente und hat somit den Sprachausgleich gefördert. In den späteren Drucken gibt er allerdings einige der Konkurrenzformen auf und entscheidet sich in zunehmendem Maße für die mitteldeutschen Formen, wie beispielsweise brennen, sondern, leugnen oder das Suffix -ms (gegen bair.-obd. brinnen, sundem, laugnen oder -nus). 10 Vgl. zur Entwicklung der Stadt Regensburg den Überblick mit weiterführender Literatur bei Ziegler (1979) 1423 ff. 11
Seit dem Spätmittelalter wird die Donaumetropole in zunehmendem Maße von den süddeutschen Handelszentren Augsburg und Nürnberg überflügelt.
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Sprachnorm und Sprachnormierung
von den Schwaben; die Regenspurger von den Bayern [...] und also auch andre von ihren grobteutschredenden Nachbarn vil Unzierden an sich nehmen müssen." Kaspar Stieler setzt in seiner Schrift 'Zeitungs Nutz und Lust' (1695: 37) die Sprache in der freien Reichsstadt mit der am sächsischen Hofe gleich: "Man merket bald / wo die Zeitungen hergeschrieben werden / ob es ein guter Teutscher oder Kurtisan 12 ist. Ob er bey der Sache bleibet / oder sich mit prächtigen Reden / so allhier nichts nütze sind / ausbreitet? Von Regensburg / wo teutsche Räthe und Gesandte versamlet seyn / kommen wol die beste; wie auch von den Sachsischen Höfen." Die besondere Rolle Regensburgs verdeutlicht auch eine Äußerung von Lori 13 , der in einem Brief 14 vom 21. November 1760 Jacob Christian Schäfer in Regensburg bittet, einige Abhandlungen der Akademie ins Deutsche zu übersetzen: "Sorgen Euer p. doch für eine gute Dolmetschung. In gantz Bayern sind vielleicht nicht so viel Gelehrte, die teutsch verstehen als in Regensburg." Die sprachliche Untersuchung hat ergeben, daß die oberpfälzischen Handschriften und Drucke in stärkerem Maße bairisch-oberdeutsche Varianten meiden als die übrigen Texte in Bayern. Am deutlichsten zeigt sich dies an der Grammatik des Regensburgers Johann Ludwig Prasch (Regensburg 1687), die kaum noch süddeutsche Elemente aufweist. Neben dem frühen Zurücktreten solcher Formen ist der mitteldeutsche Einfluß in oberpfälzischen Texten auch direkt an mehreren sprachlichen Varianten ersichtlich, die während des Untersuchungszeitraums überwiegend im mitteldeutschen Raum verbreitet waren: So enthalten die Drucke von Waldner (Regensburg 1562) und Donauer (Amberg 1611) mitteldeutsche Formen wie entschuldigen, kündigen, Geukler, teufen, gleuben oder (verleugnen (bair. verlaugnen). Hierbei wird deutlich, daß die Oberpfalz auch nach dem Einsetzen der Gegenreformation den Sprachausgleich gefördert hat und somit bis zu einem bestimmten Grad als Vermittler zwischen dem katholischen Oberdeutschland und dem protestantischen Mitteldeutschland angesehen werden kann. Die Zusammenstellung regionaler Varianten hat gezeigt, daß nur ein Teil dieser Formen bis ins 18. Jh. beibehalten wurde. Die Kritik der mittel- und
12
Hier 'einer, der das Fremdartige liebt'.
13
Johann Georg Lori war Mitbegründer der Bayerischen Akademie der Wissenschaft; vgl. o. in Teil II Kap. 4.3. 14
Ediert bei Spindler (1959) 340.
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norddeutschen Gelehrten, die immer wieder die Rückständigkeit der bairisch-oberdeutschen Sprache anprangerten, war daher nur bedingt berechtigt. Die Diskussion um die Apokope verdeutlicht, daß die Meinungsbildung zudem stark von den religiösen Auseinandersetzungen geprägt war. Wie in Teil II aufgezeigt wurde, überwanden die im Zuge der Aufklärung entstandenen Sprach- und Literaturgesellschaften des 18. Jh.s die konfessionellen Gegensätze und bereiteten somit den Weg für die endgültige Anpassung an die mitteldeutsche Sprachnorm.
III Resümee
Zum Abschluß seien die wesentlichen Ergebnisse zusammengefaßt. Wie in Abschnitt 1.19 dargelegt, ist das Verhältnis von Mundart und Schriftsprache im Bayerischen differenziert zu betrachten. Einerseits weist die bayerische Schriftsprache eine Reihe von Varianten auf, die mit der Zeit in den Hintergrund treten und verschwinden, weil sich offensichtlich die gesprochene Mundart verändert hat. Dieser Vorgang, der bis jetzt von der Forschung nicht beachtet wurde, konnte durch den Vergleich mit der rezenten Mundart und die Auswertung orthoepischer Zeugnisse nachgewiesen werden. Es hat sich darüber hinaus gezeigt, daß andererseits zahlreiche Phänomene fehlen, weil diese Laute in unserem Untersuchungsareal noch nicht oder erst in Ansätzen entwickelt waren. Eine wichtige Rolle spielte in diesem Zusammenhang der Umbau des mittelhochdeutschen Phonemsystems; dabei sind neue Laute mit bereits existierenden beinahe bzw. vorübergehend zusammengefallen, wodurch erneut ein Lautwandel ausgelöst wurde. Diese Kettenreaktion ist bei mhd. /ei ou öi/ bisher mit der Reihenentwicklung erklärt worden, wonach ein Glied der Reihe ausschert und die übrigen Laute nach sich zieht. Wie in der vorliegenden Arbeit nachgewiesen werden konnte, ist dieser Wandel jedoch durch die bairische Diphthongierung verursacht worden. Die Umstrukturierung des Phonemsystems erweist sich somit nicht - wie bisher angenommen - als Sogbewegung, sondern als Schub, der zur Auflösung der Reihe mhd. /ei ou öi/ führte. Der drohende Phonemzusammenfall hat in vielen Fällen die Weiterentwicklung verzögert oder behindert, weshalb diese Phänomene in der Schriftsprache nicht erscheinen. Daneben müssen bei einem Teil der regionalen Varianten - sie werden heute noch gesprochen - auch soziokulturelle Aspekte in Erwägung gezogen werden. Hierbei wurde deutlich, daß sich die einzelnen Elemente recht unterschiedlich verhalten und vielfach schon im 16./17. Jh. in der Schriftsprache aufgegeben werden. Die durch die Glaubenskämpfe entstandenen Barrieren waren somit nicht unüberwindlich und ließen durchaus einen Sprachausgleich zwischen Süd- und Mitteldeutschland zu. Im 18. Jh. vollzog sich schließlich die endgültige Anpassung an die mitteldeutsche Norm,
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Resümee
wobei der entscheidende Impuls von der herzoglichen Regierung ausging.1 Vorbereitet und gestützt wurde diese Entwicklung durch die gelehrten Vereinigungen, vor allem die "Bayerische Gesellschaft", die spätere "Akademie der Wissenschaften".2 Die von der Akademie vorgeschlagene 'Sprachlehre' von Heinrich Braun wurde 1765 von der kurfürstlichen Regierung zur Schulgrammatik erklärt. Diese Abhandlung, die vor allem für den praktischen Unterricht konzipiert war,3 berücksichtigte im Gegensatz zu den in Bayern entstandenen Grammatiken des 16. und 17. Jh.s in großem Umfang die speziellen Probleme des Mundartsprechers. 4 Die von Friedrich Nicolai begründete 'Allgemeine deutsche Bibliothek' rezensiert in Band 27 (1775: 571 ff.) ausführlich die zweite Auflage (München 1775) und hebt dabei die Bedeutung dieser Grammatik für die Entwicklung der Schriftsprache in Bayern hervor: "Der Verfaßer leistet wirklich seinen Landsleuten einen Dienst, welcher alle ihre Erkenntlichkeit verdienet, da er sich so eifrig angelegen seyn läßt, ihre fehlerhafte Aussprache, Rechtschreibung und Wortfügung nach gewissen Regeln zu verbessern [...] Es kann nicht anders als zur Aufnahme unserer Sprache gereichen, daß man anfängt, auch in solchen Ländern, wo sie bisher sehr schlecht ist geredet und geschrieben
1 Jakob Hemmer hebt in seiner Grammatik (1769: 8) ausdrücklich diese staatliche Förderung in Bayern hervor. 2
Die Sprache in den Schriften der Akademie wurde von mittel- und norddeutschen Gelehrten mehrfach erwähnt. Die von Friedrich Nicolai herausgegebene 'Allgemeine deutsche Bibliothek' bemerkt in Band eins (1765: 69) in einer Rezension zu den 1763 erschienenen 'Abhandlungen der Churf. Bayrischen Akademie': "Die gute deutsche Schreibart, welche in diesen Aufsätzen gebraucht worden, verdient bey einem Bayrischen Werke wohl gerühmt zu werden." 3
Vgl. z.B. Braun (1965) 357: "Die Uebung wird in diesem Stficke wiederum die beste Lehrmeisterinn seyn." Braun betont immer wieder, daß die Regeln kurz und einprägsam sein müssen: "Wir sehen wohl, in andern Sprachlehren ein ganzes GewSsch [...]. Allein wir ziehen mit dem Horatz die Kfirze der WeitlSufigkeit immer vor. Eine gar zu tiefsinnige und speculative Abhandlung wird dem Leser, wie in allen Schriften, destomehr aber in einer Grammatik mfide machen; wenn man das Nöthige weis, so liest man das Ueberflfissige mit Verdruß" (391). Und weiter unten (613) heißt es: "Alle diese Ffigungen weis nun ein Deutscher von sich selbst, ohne daß er sein GedSchtniß mit vielen Regeln fiberladen darf. Es ist auch fiberhaupt besser, wenn man in Sprachlehren die Regeln, so viel es möglich ist, ins Kurze zieht, und vielmehr praktisch als speculativ in die Sache geht, damit der Schfiler dasjenige, was er ließt desto eher begreife, seinem GedSchtniß einprSge, und doch dabey mehr ergötzet als beladen werde." - Vgl. zu diesem Aspekt auch Matzel/Penzl (1982) 136-138. 4
Bereits in der Vorrede (7r) wird auf diesen Aspekt hingewiesen: "Dieses Buch ist blos als ein Schul= und Handbuch fiberhaupt, ffir unsere Landsleute, sonderbar ffir die studierende Jugend anzusehen [...]".
Resümee
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worden, sich einer mehreren Reinigkeit zu befleißigen, und vermuthlich wird diese Arbeit des Hrn. B. viel dazu beytragen, die elende Schreibart zu verbessern [...]."5 Die Ausführungen in Teil I und II verdeutlichen, daß die politischen und religiösen Gegebenheiten die Entwicklung der neuhochdeutschen Schriftsprache erheblich beeinflußt haben. Bis ins 16. Jh. waren mehr oder weniger alle Sprachlandschaften an der Entwicklung der neuhochdeutschen Schriftsprache beteiligt, wobei das Bairische einen wesentlichen Teil dazu beigetragen hat. 6 Die Diskussion um die Sprachnorm wurde jedoch in der Folgezeit überwiegend von Grammatikern geprägt, die aus dem protestantischen Einflußbereich stammten und daher den bairisch-oberdeutschen Sprachtypus als katholisch-rückständig ablehnten; dies führte dazu, daß bairisch-oberdeutsche Elemente bei der Normendiskussion weitgehend ausgeklammert wurden. Die sich im 17. und 18. Jh. festigende Vorherrschaft des Meißnischen, die wohl auf die kulturelle und wirtschaftliche Blüte dieser Region zurückzuführen war, wurde zwar auch von den norddeutschen Grammatikern gelegentlich angezweifelt, konnte jedoch das Prestige dieser Mundart nicht schmälern. So hat bereits der aus Braunschweig stammende Schottel (1663: 158) die Vorrangstellung des Meißnischen kritisiert: "Es ist sonst fast lächerlich / daß ein und ander / sonderlich aus Meissen / jhnen einbilden dürfen / der Hochteutschen Sprache / jhrer Mundart halber / Richter und Schlichter zu seyn [...]." Und wenn er weiter oben (152) feststellt, "Die Hochdeutsche Sprache ist kein Dialectus", dann meint er damit in erster Linie, daß das Hochdeutsche eine über allen Mundarten stehende Sprachform sein sollte.7 Gottsched 8 , der im 18. Jh. als unangefochtene sprachliche Autorität galt, strebte zwar eine überregionale Sprach-
5
Adelung äußert sich ebenfalls lobend über Braun und stellt ihn im ersten Band seiner Grammatik (1782: 86) in die Reihe oberdeutscher Gelehrter, "welche auch in Ansehung der Sprache den besten Schriftstellern der Nation an die Seite gesetzt zu werden verdienen." 6
Es sei hier vor allem auf die Diphthongierung der mittelhochdeutschen Langvokale /i:/, /u:/ und /ü:/ verwiesen, die im 12. Jh. im Südbairischen einsetzte und zu einer völligen Umstrukturierung des Phonem- und Graphemsystems geführt hat. 7
Ähnlich äußert sich beispielsweise auch Bödiker (1723: 275): "Die Hoch=Teutsche Sprache ist keine Mund=Art eines einigen Volks oder Nation der Teutschen, sondern aus allen durch Fleiß der Gelehrten zu solcher Zierde erwachsen, und in ganz Teutschland im Schreiben der Gelehrten, wie auch im Reden vieler vornehmer Leute üblich." 8
Zitiert wird im folgenden nach der 5. Auflage der Gottschedschen Grammatik vom Jahre 1762 (erstmals erschienen 1748).
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form an, aber auch er ging noch vom ostmitteldeutschen Ideal aus, wie seiner 'Sprachkunst' (1762: 401 f.) zu entnehmen ist: "Folglich bleibt es wohl dabey, daß die Gegenden von Deutschland, zwischen Köthen, Weimar und Halle, als den dreyen Oertern, wo die Oberhäupter des Palmenordens ihren Sitz gehabt, d. i. das eigentliche sogenannte Obersachsen, oder Meißen, die beste Mundart im Deutschen behaupten könne." Bemerkenswert ist, daß Gottsched das gesprochene Obersächsische oder Meißnische, das sicherlich Dialektfärbung aufwies, als die beste Mundart bezeichnete, die die Grundlage für eine ideale Schriftsprache sein sollte. 9 Sogar Adelung, der eine überregionale Norm anstrebte, sah sein Ideal vom wahren Hochdeutschen in der Sprache der Oberschicht in Meißen und Obersachsen verwirklicht. Oberdeutsche Grammatiker, wie beispielsweise der Schwabe Dornblüth 10 und der Oberpfälzer Aichinger 11 , kritisierten in ihren Werken, daß Gottsched das Meißnische anderen Sprachlandschaften vorzog, doch ihre Abhandlungen hatten kaum Einfluß. Der oberdeutsche Jesuit Weitenauer war auf Ausgleich bedacht - er wies beispielsweise die Polemik von Dornblüth scharf zurück - und plädierte für eine Annäherung der sprachlichen Gegensätze; von den mittel- und norddeutschen Sprachtheoretikern
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Vgl. dazu auch Gottsched (1762) 402: "Heißet es also von Jtalien La lingua toscana in boca romana, sey die beste Sprache; weil nämlich in Florenz die berfihmte Academia della Crusca, als eine Sprachgesellschaft, viel Fleiß auf ihre Muttersprache gewandt, ein treffliches Wörterbuch, und viele andere dahingehfirige Sachen und Anmerkungen geschrieben; in Rom aber, als in der größten Residenzstadt, die angenehmste Aussprache herrschet: so werden wir in Deutschland ohne Zweifel der chursSchsischen Residenzstadt Dresden, zumal des Hofes angenehme Mundart, mit den Sprachregeln und kritischen Beobachtungen verbinden mfissen, die seit vielen Jahren in Leipzig gemachet, und im Schreiben eingeffihret worden; um durch beydes die rechte Wortfügung im Deutschen fest zu setzen." Auch an anderer Stelle wird deutlich, daß Gottsched das Meißnische bevorzugt; so stellt er beispielsweise bei der Aufzählung der Substantive, die in den Mundarten ein verschiedenes Geschlecht aufweisen, stets die meißnische Variante voran; vgl. 'Sprachlehre' (1762) 217. 10 Der Benediktiner aus Gengenbach im Schwarzwald verstand seine 'Observationes' (1755) vor allem als Kritik an den sprachwissenschaftlichen Abhandlungen Gottscheds und versäumte keine Gelegenheit, die "Fehler und Barbarismen" des Sächsischen aufzuzeigen; vgl. dazu vor allem Observationes', Vorrede 3v. 11
Seine 1754 erschienene Arbeit 'Versuch einer teutschen Sprachlehre' enthält zahlreiche bairisch-oberdeutsche Varianten, weshalb sie außerhalb des Oberdeutschen auf Ablehnung stieß: z.B. f&hndrich 145, die Formen ich brich ... ich stirb 303, gebrennet Part. Perf. 326, Liecht Titelblatt und 475, drucken in der Bed. 'drücken') 481; bei den Suffixen (vgl. 56 u. 147) fordert er die Endung -nus.
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wurde er allerdings nicht beachtet.12 Die sprachwissenschaftlichen Werke Gottscheds und Adelungs haben die Sprache des 18. und 19. Jh.s wesentlich beeinflußt.13 Da sich beide in Zweifelsfällen häufig für die ostmitteldeutsche Variante entschieden haben, verhalfen sie dieser Richtung zur Durchsetzung.14 Eine nicht zu unterschätzende Wirkung hatten vor allem die Grammatiken Adelungs, da sie vielfach im Schulunterricht Verwendung fanden.15 Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang ebenfalls Adelungs Wörterbuch, das im 19. Jh. das gebräuchlichste Nachschlagewerk in Zweifelsfällen war und bekanntlich auch von Goethe häufig herangezogen wurde. Trotz dieser Entwicklung sind in begrenztem Umfang bairisch-oberdeutsche Formen in die neuhochdeutsche Standardsprache gelangt. Auch wenn dies nicht in allen Fällen mit absoluter Sicherheit nachgewiesen werden kann, so hat die Verwendung dieser Varianten in der bayerischen Schriftsprache doch deren Verbreitung und Festigung gefördert. Die mitteldeutsche Vokalsenkung /u/ > /o/ vor Nasal (Kap. 5.2), die im Bairischen nicht durchgedrungen ist, hat im Mitteldeutschen zu Formen wie gonst, grond, hond, honger, konft(ig), konst und wonder geführt. Im Bairischen dagegen ist in diesen Wörtern u im Stamm erhalten geblieben, was sicherlich dazu beigetragen hat, daß sich diese Varianten in der neuhochdeutschen Standardsprache durchgesetzt haben. In den Wörtern Bayern,16 Laie, Kaiser, Saite und Waise hat die im Bairischen vorherrschende «/-Schreibung (für mhd. /ei/) deren Verbreitung beeinflußt (vgl. Kap. 7.1). Auch wenn bei Laie und Kaiser (lat. laicus und 12 Vgl. dazu Weitenauer (1764), Vorrede 4v: "Stfinde es nicht schöner, wenn man auch in Nebendingen immer nSher zusammen träte? Kein Land wird jemals das andere ffir seinen Schiedsrichter erkennen [...]." 13 Vgl dagegen Piirainen (1980: 599), der den Abschnitt "Grammatiker und sellschaften" (des 17./18. Jh.s) mit den Worten beschließt: "Die Arbeit der sellschaften und der Grammatiker ist an den natürlichen Entwicklungstendenzen schen vorbeigegangen. Die Rolle der genannten Persönlichkeiten ist in der Sprachforschung mehrfach überbetont worden." Diese Auffassung muß m.E. werden.
SprachgeSprachgedes Deutdeutschen relativiert
14 Schmidt-Wilpert (1985:1558 f.) weist in ihrer Abhandlung darauf hin, daß vor allem die Werke von Adelung die sprachliche Form bei Jean Paul, Wieland, Goethe, Schiller, E.T.A. Hoffmann und Heine beeinflußt haben. 15 16
Vgl. dazu Bergmann (1982) 74 f.
Die heutige Schreibung mit ay (bis ins 18. Jh. waren auch häufig Formen mit ai anzutreffen) wurde am 20.10.1825 von König Ludwig I. ohne Begründung verfügt; vgl. dazu Rosenfeld (1987) 1331, Anm. 119.
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Resümee
Caesar) etymologische Überlegungen und bei Saite und Waise das Bestreben der Grammatiker nach semantischer Differenzierung berücksichtigt werden muß, so haben die αι-Formen doch die Entscheidung für die heutige Schreibung gestützt. 17 Der Einfluß des Bairischen auf die neuhochdeutsche Standardsprache zeigt sich besonders im Fehlen des Umlauts, das ja ein wesentliches Kennzeichen der gesprochenen bairischen Mundart darstellt. Bei Wörtern wie pfarrer, Schuldner, zauberer, erlaubnis und Verdammnis, die im Mitteldeutschen Umlaut aufweisen, muß neben der oben erwähnten Neigung zur Umlautlosigkeit des Bairischen wohl zusätzlich noch die Anlehnung an das Grundwort berücksichtigt werden. Dies gilt auch bei den Bildungen schuldig, entschuldigen, geduldig, hungrig und durstig, obwohl hier natürlich in erster Linie der Liquid, der in der gesprochenen bairischen Mundart umlauthemmend wirkt, für den Stammvokal u verantwortlich ist. Auf den Einfluß der gesprochenen Mundart gehen sicherlich Bildungen wie erlauben, glauben, haupt, kaufen oder taufen zurück, 18 da - wie oben (Kap. 9.6) aufgeführt - im Bairischen der Umlaut von mhd. /ou/ vor Labial oder Velar behindert wurde. Das Ausbleiben des Umlauts von u vor ck (vgl. bair. stuck 'Stück') zeigt sich beim Verb drucken ('ein Buch drucken'), das in dieser Form Eingang in die neuhochdeutsche Standardsprache gefunden hat: Da die Zentren des frühen Buchdrucks im oberdeutschen Raum lagen, hat sich die umlautlose Variante mit dem Buchdruck im gesamten deutschen Sprachgebiet verbreitet. Bei den hier aufgeführten Formen hat vermutlich auch die Sonderstellung der Oberpfalz dazu beigetragen, daß bairisch-oberdeutsche Varianten ins Mitteldeutsche und damit in die neuhochdeutsche Schriftsprache gelangt sind. Eine wichtige Rolle hinsichtlich des Sprachausgleichs spielte sicherlich auch die freie und überwiegend protestantische Reichsstadt Nürnberg, die wie Regensburg sowohl zum mitteldeutschen als auch zum altbayerischen
17
Vgl. dazu auch Adelung (1788: 143): "Da diese Laute [gemeint ist der Diphthong /ai/] den Hochdeutschen [ = den Mittel- und Norddeutschen] fremd und widrig sind, so haben sie das ai nur in wenigen Fällen behalten, wo es entweder den verjährten Gebrauch, wie in Kaiser vor sich hatte, oder zur Unterscheidung einiger gleich lautender Wörter, wie in Waise, orphanus, Saite, chorda..." [verwendet wurde]. Die 'Allgemeine deutsche Bibliothek', Bd. 88 (1789: 31), geht in ihrer Rezension zur Adelungschen Grammatik (1788) ausführlich auf diese Stelle ein. 18
Auch diese Formen haben im Mitteldeutschen häufig Umlaut.
Resümee
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R a u m hin offen war. 19 Diese Beispiele verdeutlichen, daß sich trotz der konfessionellen Gegensätze bairisch-oberdeutsche Formen in der mitteldeutschen Region behauptet haben und damit in die neuhochdeutsche Standardsprache gelangt sind. Die verschiedenen Varianten existierten schon vor der konfessionellen Spaltung im mitteldeutschen Raum nebeneinander und wurden auch im 17. und 18. Jh. nicht aufgegeben. D a ß nicht mehr bairisch-oberdeutsche Formen in die neuhochdeutsche Standardsprache gelangt sind, hängt nicht zuletzt damit zusammen, daß sich die staatliche Lenkung der Sprache in Bayern an der mitteldeutschen Norm orientierte. Die Ausführungen machen mithin evident, daß die von der Frühneuhochdeutschforschung aufgestellten fünf Erklärungsprinzipien (vgl. o. S. 20 ff.) in bezug auf die Entwicklung der Schriftsprache in Bayern modifiziert werden müssen. Denn aufgrund der politischen und kulturellen Gegebenheiten sind bei den Misch- und Ausgleichsvorgängen zwei einschneidende Zäsuren zu berücksichtigen, nämlich die durch den Augsburger Religionsfrieden (1555) bewirkte Teilung des deutschen Sprachgebietes in einen protestantischen und einen katholischen Einflußbereich und die seit 1765 von der herzoglichen Regierung eingeleitete sprachliche Lenkung in Bayern. 20 Die daraus resultierenden Zeitabschnitte sind folgendermaßen charakterisiert: Vor der konfessionellen Teilung im Jahre 1555 findet ein reger Sprachausgleich zwischen den verschiedenen Sprachlandschaften statt, so daß die von Besch/Stopp aufgestellten Erklärungsprinzipien vermutlich auch die Entwicklung der bayerischen Schriftsprache beeinflussen, wobei allerdings Faktoren wie Geltungsgrad und Strukturprinzip bei den großräumig verlaufenden Selektionsprozessen eine untergeordnete Rolle spielen. Neben diesen überlandschaftlichen Misch- und Ausgleichsvorgängen muß aber auch ein "innerbayerischer" Einfluß berücksichtigt werden, da die Mundart auf die Schriftsprache wirkt. Wie oben aufgezeigt wurde, findet bei gewissen Phänomenen ein Wandel der gesprochenen Mundart statt, der sich in der
19 Wichtig ist in diesem Zusammenhang, daß der im Jahre 1644 in Nürnberg gegründete Pegnitzorden stark unter dem Einfluß der protestantischen Literatur und der norddeutschen Sprachgesellschaften stand und sich daher zum Teil auch dem in Mittel- und Norddeutschland üblichen Sprachusus anschloß. 20 D i e Jahreszahlen verstehen sich lediglich als ungefähre Anhaltspunkte; die damit verbundenen Auswirkungen auf die Schriftsprache sind erst innerhalb eines größeren Zeitraumes in den Jahren danach erfolgt.
284
Resümee
Schriftsprache widerspiegelt. Die folgende Graphik verdeutlicht die überregionalen Ausgleichsvorgänge und die verschiedenen Impulse auf die bayerische Schriftsprache vor 1555:
überregionale
Verkehrssprachen
\1/
bayerische
A\
Schriftsprache
A\
bayerische Mundart
Nach 1555 zerfällt Deutschland in einen katholischen und in einen protestantischen Einflußbereich, was zur Folge hat, daß die Erklärungsprinzipien von Besch/Stopp im wesentlichen nur noch innerhalb dieser beiden Bereiche Gültigkeit haben. Übergreifend wirkt lediglich die "Geltungshöhe", da im Zeitalter der Gegenreformation das Sprachprestige zunehmend an Bedeutung gewinnt. Darüber hinaus beeinflußt die gesprochene Mundart auch weiterhin die bayerische Schriftsprache, letztere hat aber - wie oben dargelegt wurde - aufgrund der politischen und konfessionellen Gegebenheiten nur noch im beschränkten Umfang Anteil an der Entwicklung der Hoch-
285
Resümee
spräche. Die folgende Graphik zeigt die Situation nach 1555, wobei die durch die religiöse Spaltung bewirkte Barriere mit einer horizontalen Linie markiert ist.
Hochsprache
Geltungshöhe
Φ
Ψ
bayerische Schriftsprache
bayerische Mundart
Als sich im Zuge der Aufklärung die konfessionellen Gegensätze abschwächen, gewinnen Faktoren wie Geltungsareal und Landschaftskombinatorik wieder an Bedeutung, sie werden aber nach 1765 in Bayern irrelevant, da nun per kurfürstlicher Verordnung die Angleichung an die in Mittel- und Norddeutschland geltende Sprachnorm vollzogen wird. Dieser Sprachtypus dringt damit ungehindert in die bayerische Schriftsprache, wodurch der Einfluß der gesprochenen Mundart in zunehmendem Maße re-
286
Resümee
duziert wird, was im folgenden durch die horizontale Linie zwischen Mundart und Schriftsprache angedeutet ist.
sl/
sj/
Aus diesen Ausführungen folgt, daß die Thesen von Besch und Stopp in erster Linie bei den in Kap. II.6 zusammengestellten mundartlichen Varianten, die im 15./16. Jh. aus der bayerischen Schriftsprache eliminiert wurden, berücksichtigt werden müssen. So werden beispielsweise die sogenannten bairischen Kennwörter, die auf den bairischen Raum beschränkt sind, zum Teil schon im 15. Jh. aufgegeben, während allgemein oberdeutsche Wörter offensichtlich aufgrund des größeren Geltungsareals in den untersuchten
Resümee
287
Texten bis ins 18. Jh. verwendet werden. Dieses Beispiel verdeutlicht, inwieweit die Thesen von Besch/Stopp für das Bayerische gültig sind: Vor 1555 ist ein großräumiger Sprachausgleich möglich, weshalb oberdeutsche Wörter auch im Mitteldeutschen anzutreffen sind. Nach der konfessionellen Spaltung werden Wörter wie bühel oder stadel von den Konkurrenzformen Hügel oder scheune verdrängt, da letztere wegen der Ausdehnung des mitteldeutschen Sprachtypus auf niederdeutsches Gebiet den größeren Geltungsbereich besitzen; in Bayern bleiben die oberdeutschen Varianten dagegen weiterhin in Gebrauch, weil ihnen im Süden das größere Geltungsareal zukommt. Die im Jahre 1765 eingeleiteten Maßnahmen der herzoglichen Regierung führen aber schließlich dazu, daß auch in Bayern die mitteldeutschen Formen hügel oder scheune übernommen werden und die oberdeutschen Wörter aus der Schriftsprache verschwinden. Ende des 18. Jh.s wird der bayerische Sprachtypus aufgegeben, und es erfolgt die völlige Angleichung an den in Mittel- und Norddeutschland üblichen Sprachusus. 21 Durch die von der herzoglichen Regierung eingeleitete sprachliche Lenkung wird der Einfluß der Mundart immer mehr unterbunden, 2 2 bis sie schließlich ganz von der Schriftsprache abgetrennt wird. Mit der Profanisierung des Denkens treten die von großer Polemik begleiteten religiösen Streitigkeiten in den Hintergrund, so daß im 19. Jh. aufgrund großräumiger Ausgleichsvorgänge, an denen nunmehr wieder alle Sprachlandschaften beteiligt sind, allmählich die neuhochdeutsche Standardsprache entstehen kann. 23
21
Verstärkt wurde dieser Vorgang wohl auch durch den Einfluß Weimars, das seit 1790 für kurze Zeit zum geistigen Zentrum aufstieg. Auch wenn die Bedeutung Weimars im 19. Jh. häufig verklärt wurde, kann seine kulturelle Strahlkraft doch nicht geleugnet werden. In bzw. um Weimar lebten bekanntlich Goethe, Herder, Wieland, Schiller und für kurze Zeit auch Jean Paul. Da diese Autoren eine von regionalen Elementen freie Hochsprache anstrebten, ging von hier ein starker Impuls auf die Entwicklung der neuhochdeutschen Schriftsprache aus, der auch nach Bayern reichte. Eine herausragende Bedeutung kommt dabei den Schriften Wielands zu, die in Oberdeutschland weit verbreitet waren. So bemerkt Goethe am 18. Januar 1825 zu Eckermann: "Wielanden [...] verdankt das ganze obere Deutschland seinen Stil. Es hat viel von ihm gelernt, und die Fähigkeit sich gehörig auszudrücken, ist nicht das geringste." (Zitiert nach der von Biedermann (1910) herausgegebenen Ausgabe der Gespräche Goethes, hier S. 158). 22
In der zweiten Hälfte des 19. Jh.s erlebt sie allerdings durch Mundartdichter wie Karl Stieler, Josef Anselm Pangkofer oder Franz von Kobell eine Renaissance, die jedoch die Entwicklung der überregionalen Schriftsprache nicht beeinflußt hat. 23
Bis zu einer einheitlichen gesamtdeutschen Norm müssen allerdings noch zahlreiche Hindernisse überwunden werden; die weitere Entwicklung über Duden bis hin zu den Reformdiskussionen des 20. Jh.s ist skizziert bei Veith (1985) 1482 ff.
288
Resümee
Hochsprache neuhochdeutsche Standardsprache bayerische Schriftsprache
bayerische Mundart
Die Darstellung hat gezeigt, daß die Erklärungsprinzipien von Besch/Stopp für den untersuchten Zeitraum nur bedingt Aufschluß über die schriftsprachlichen Ausgleichsvorgänge in Bayern geben können. Da aufgrund der konfessionellen Auseinandersetzungen seit der zweiten Hälfte des 16. Jh.s eine Ideologisierung der regionalen Varianten erfolgt, 24 werden die Selektionsmechanismen in zunehmendem Maße vom Sprachprestige gesteuert. Neben den soziokulturellen Einflüssen sind zusätzlich innersprachliche Faktoren zu berücksichtigen, wobei - wie oben dargelegt - die gesprochene Mundart eine wichtige Rolle spielt. Die Untersuchung macht mithin evident, daß Sprachwandelprozesse multifaktoriell beeinflußt werden und somit von verschiedenen Seiten ausgeleuchtet werden müssen.
24
Dies zeigt sich besonders beim Streit um das "Lutherische e".
Literaturverzeichnis
Quellen (und Nachschlagewerke bis 1800).
Bei den Quellen wird in runden Klammern stets die Bibliothekssignatur aufgeführt; wenn keine zusätzlichen Angaben dabeistehen, handelt es sich um ein Exemplar der Bayerischen Staatsbibliothek München. Ergänzungen in eckigen Klammern stammen von mir.
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1489 a). EINBL. (1491): [Kalender; - München: Benedikt Buchbinder, um 1491], (Einbl. Kai. 1491 b). EINBL. (1494): [Kalender; - Ingolstadt: Johann Kachelofen, um 1494]. (Einbl. Kai. 1494 c). EINBL (1501): [Kalender; - München: Johann Schobser, um 1501]. (Einbl. Kai. 1501 c). E R T L (1684): Seraphinischer Triumpf=Wagen / Das ist: Schuldigiste Lob= und Ehren=Predig deß Dreyfach=Seraphinischen Ordens Sancti Francisci. [...] Den 19. Apriliis dises Lauffenden 1684. Jahrs / öffentlich auff der Cantzel gezaichnet vnd vorgestellt / Durch R. P. IGNATIUM ERTL, Ord. Eremit. S. Augustini, dermahlen wohlbestellten Prediger in ersagtem München. (4° Bavar. 1584). FINAUER (1768): Baierische Mfinzbelustigung, darinnen Schaustücke, Ducaten, Thaler und andere merkwürdige Gold= und Silbermünzen zu finden, Die richtig im Kupfer abgebildet, aus der Geschichte beschrieben und erläutert worden von Peter Paul Finauer. [...] München, auf Kosten des Verfassers 1768. (4° Bavar. 701 a). FRANCK (1534): WEltbüch: spiegel vnd bildtniß des gantzen erdbodens von Sebastiano Franco Wördensi in vier büchern / nemlich in Asiam / Aphricam / Europam vnd Americam gestelt vnd abteilet [...] ANNO. M. D. XXXIIII. [Am Schluß des Bandes:] Getruckt zü Tübingen durch Virich Morhart / im tausent fünff hundert vnd dreyssigsten jar. (2° Geo. U. 25 a). FRISCH (1741): Teutsch=lateinisches W6rter=Buch. Darinnen nicht nur die ursprünglichen, nebst denen davon hergeleiteten und zusammengesetzten allgemein gebräuchlichen Wörter; sondern auch die bey den meisten Zünften und Handwerkern, bey Berg= und Salzwerken, Fischereyen, Jagd=, Forst = und Haus=Weßen, u.a.m. gewöhnliche Teutsche Benennungen befindlich, Vor allen, Was noch in keinem W6rter=Buche geschehen, Denen Einheimischen und Ausländern, so die in den mittleren Zeiten geschriebenen Historien, Chroniken, Übersetzungen, Reimen u.d.g. mit ihren veralteteten Wörtern und Ausdrücken verstehen wollen, möglichst zu dienen [...]. [2 Bde.] Berlin, Verlegts Christoph Gottlieb Nicolai, 1741. (4° L. lat. 197). F R O N H O F E R (1770): Ludwig Fronhofers Versuch in Gedichten. Mit einer Vorrede des churfürstl. geistlichen Rath und Canonici Braun. München, 1770. verlegts Johann Nepomuck Fritz, churfürstl. akademisch = und bürgerlicher Buchhändler nächst dem schönen Thurm. (P. o. germ. 404).
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Quellen
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mügen erkennt werden. Was auch das ampt rechter Vorsteher seye: vnnd zflhörer jre mängel sollen bessern / vnd dem Exempel Johannis in der lehr / vnd leben nachuolgen. Durch Petrum Haffner Iuliomagnensem, Pfarrherr zü Pförring. [...] Getruckt zü Jngolstatt / durch Alexander vnd Samuel Weissenhorn. ANNO MDLXVIII. (4° Horn. 804). HALLWACHS (1680): Gnadenreiches Renn=Schiff. [...] Beschreibung der wunder-barlichen Überführung deß Jesu Marianischen Gottshauß auß Penning / inß Alburgerfeld nacher Sossau negst der Chrfürstl.: Hauptstatt Straubing / durch Englische Macht übergebracht [...] in Truck gegeben Durch R. P. CHRISTOPHORUM Halwax Canonicum Windbergensem in Latein vnd Teutsch auß glaubwürdigen Authoribus und Schrifften beschrieben [...] Gedruckt zu Straubing / Bey Johan: Chrysostomus Haan / 1680. (Bavar. 1187). HAMMER WERKSORDNUNG (1594): Die new Zehenjerig Hammerwercks Ainigung Amberger vnd Sultzbacher Rivir / von Pfingsten Anno 1594. biß wider Pfingsten / des 1604 Jars wehrend. Gedruckt in der Churfürstlichen Stadt Amberg / durch Michaeln Forstern. M.D.XCIIII. (2° Bavar. 392). H A U E R (1523): Drey christlich predig vom Salue regina / dem Euangeli vnnd heyligen Schrift gemeß. Gepredigt durch Georgium Hawer doctor vnd Pfarrherrn zu der schönen vnser frawen in Jngolstat. Anno domini 1523. (4° Horn 1782 a). HELBER (1593): Teutsches Syllabierbüchlein. Freiburg 1593. [Zitiert nach der von Gustav Roethe herausgegebenen Ausgabe. Freiburg i.Br. und Tübingen 1882]. H E M M E R (1769): Abhandlung über die deutsche Sprache zum Nutzen der Pfalz, in öffentlicher akademischer Versammlung vorgelesen von Jacob Hemmern [...] Mannheim mit akademischen Schriften 1769. (L. germ. 102). H E R T H (1715): Durchläuchtigiste Lands=Sonnen MAXIMILIAN EMMANUEL, Bey erhellenden Friedens=Tag Den Chur=Bäyerischen Himmel nun widerumen bescheinend. Das ist: Lob= und Danck=Predig / Welche [...] vorgetragen worden durch P. ALEXANDRUM HERTH, Ord. Min. S. Franc. Conventual. Phil. Lect. Francum Orient, [...] Den 18. Febr. 1715. Regenspurg bey Joh. Babtist Lang / Hochfürstl. Bischoffl. Hoff=Buchdruckern. (2° Bavar. 407). HIEBER (1728): Der Wunder= und Geheimnus=volle Baum des Lebens im Jrdischen Paradeyß=Garten / Außgelegt Vom uralten / Weitberühmt= und Wunderthätigen Heiligen Creutz zu Polling [...] Da selbes Hochlöbl.
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Stifft / und Gottshauß der Hochwürdig=Regulierten Chor=Herren deß heiligen Agustini Jhr Tausend = vnd Hundertjähriges SAECULUM Mit großem Ehren=Gepräng Am Fest Creutz Erhöhung 1728 celebrierten / Von P. Gelasio Hieber [...] Mit Genehmhaltung der Oberen. Mönchen, gedruckt bey Lucas Straub, Gem. Hochlöbl. Landschafft = und Stadt=Buchdruckern allda. (2° Bavar. 413 a). HILSCHER (1721): Etwas Zu der Kirchen=Historie in Alt=Dresden, Von der Reformation an biß auff das andere Juliaeum [...] zusammen gebracht durch M. Paul Christian Hilschern [...] Dresden und Leipzig. Verlegts Johann Christoph Mieths sei. Erben. 1721. (H. Ref. 190/1). H O L Z E R (1753): Allgemeine Danck= und Freudens=Pflicht, Einem Academischen Collegio Societatis JESU zu Passau Besonders obligend [...] Verfasset und in der Academischen Kirchen S.J. vorgetragen Von P. FRANCISCO HOLZER, aus der Gesellschaft JESU, in benannter Kirchen gewöhnlichen Sonntag=Prediger. Passau, Gedruckt und zu haben bey Fridrich Mangold, Hochfürstl. Hofbuchdruckern, 1753. (2° Bavar. 427). HOPPENBICHL (1766): Rede von dem großen Nutzen und der Glückseligkeit eines Landes durch den Flor, und Aufnahme der zierlichen Wissenschaften, welche an dem höchsterfreulichen Geburtsfeste Seiner Churfl. Durchleucht in Baiern etc. etc. abgehalten worden von Franz Xaver Hoppenbichl, etc. einer Gesellschaft der Wissenschaften zu Oettingen am Jnn der Zeit Vorsteher, den 31. März 1766. München, gedruckt bey Magdalena Mayrin, verwitw. Stadtbuchdr. (4° Bavar. 985). HOPPENBICHL (1768): Rede von der großen Notwendigkeit, und dadurch erfolgenden Vorzüglichkeit einer guten, reinen deutschen Sprache, und Schreibart im Vaterlande. Welche an dem höchsterfreulichen Namensfest Seiner Churfl. Durchleucht in Baiern etc. etc. Unsers gnädigisten Landesfürsten und Herrn etc. abgelesen worden von Casimir Georg Maria von Hoppenbichl, der Zeit Cooperator in Puchbach, und Mitglied der Gesellschaft der schönen Wissenschaften zu Oettingen am Jnn. den 12. Weinmonath 1768. München, gedruckt bey Magdalena Mayrin, verw. Stadtbuchdr. (4° Diss. 1638/17). HORNSTEIN (1596): Reformierter Reichs Calender Oder Ein Newes kurtzweiliges Gespräch / vom Alten vnd newen Calender / welcher der recht seye: Folgendts welche parthey recht daran thue / die so es mit dem Newen / oder aber die es mit dem Alten Calender haltet. [...] zusamen getragen vnd in Truck geben. Durch M. Jacobum Hornstein Acronianum.
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Getruckt zu Jngolstatt bey Wolfgang Eder. ANNO M.D.XCVI. (4° Chrlg. 41 m). ICKSTATT (1774): Akademische Rede von der Stufenmäßigen Einrichtung der niederen und höherern Landschulen in Rücksicht auf die churbaierischen Lande, welche an dem höchsterfreulichen Geburtsfeste Sr. churffirstl. Durchlaucht in Bayern etc. etc. in dem akademischen Saale in München den 28. März 1774 abgelesen worden von Johann Adam Freyherr von Jckstatt [...] Ingolstadt gedruckt bey Ferd. Lantzenberger, Universitäts Buchdr. (4° Bavar. 2132b/l). KHUEN (1639): Die Geistlich Turteltaub Mit zwölf newen Gesänglen vnd anmfitigen Melodeyen CHRISTO IESV Dem Bräutigam der Seelen zu Ehren Dann auch allen Gottliebenden Hertzen zu trost / in Truck verfertigt. Getruckt zu München / Bey Niclas Hainrich. M.DC.XXXIX. (Res. Asc. 4975/1). KHUEN (1640): Engelfrewd oder Bußseufftzer / Zwölff zerknirschter vnnd gedemütigter Hertzen / auff Sechs Chör angestimbt. Allen Bußfertigen Seelen zu Trost / in Truck verfertigt [...] München / Bey Melchiorn Segen. M.DC.XXXX. (Res. Asc. 4975/2). KHUEN (1641): Der Potentaten Grabschrifft / Vrlaub vnd Abschidt. Von den zeitlichen Digniteten, mit Erklärung aller Eytelkeyt. Durch zwölff Geistliche Gesänger / nutzlich zulesen / lieblich zu singen. Hohen vnd Niderstandts Personen zu nutz vnd trost in Truck verfertigt [...] München / Bey Melchiorn Segen. M.D.CLI. (Res. Asc. 4975/3). KOHLBRENNER (1783): Beiträge zur Landwirtschaft, und Staatistik in Baiern. Von Franz Edeln von Kohlbrenner etc. München 1783. Gedruckt bey Franz Joseph Thuille, und zu haben bey den von Kohlbrennerischen Erben auf dem Schrannenplatz. (Bavar. 1485 d). KOLB (1745): T a u s e n d j ä h r i g e s Eychstätt, Jn LXV. Hochwürdigsten Eychstättischen Bischöffen, Zugleich Des Heil. Röm. Reichs Fürsten, Da Jhro Hochfürstl. Gnaden JOANNES ANTONIUS II. Jm IX. ten Jahr glückseeligist regieret; Jn den Druck heraus gegeben Durch P. G R E G O R I U M KOLB, Soc. JESU, Anno 1745 [...] Jngolstadt / gedruckt und verlegt von Johann Paul Schleig / Chur=Bayrischen Universitäts =Buchdruckern. (4° Bavar. 1129). KRESSLINGER (1719): Kloster Anger. Ein Königlicher Hof / Jn welchem die Durchleuchtigiste Princessin MARIA ANNA CAROLINA auß Bayrn etc. etc. mit dem König aller Königen CHRISTO JESU Königlich vermählet worden. Das ist EXHORTATIO Bey solennen Einkleydungs=Act Höchstgedachter Durchleuchtigister Princessin in dem Löbl. Closter bey
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S. JACOB auf dem Anger ORDINIS S. CLARAE. Vorgetragen [...] Von P. F. MASSAEO KRESSLINGER, Ordinis Minorum S. P. Francisci Lectore Jubilato, und der Reformiert=Chur=Bayerischen Provintz der Zeit Provinciali Ministro, den 29. Octob. Anno 1719. Gedruckt und zufinden / in der Churffirstlichen Hof=Buchdruckerey. (2° Bavar. 226/2). KUCHENMEISTEREY (1486): Kuchenmeisterey. [Passau: Johann Petri, um I486], (4° Inc. s.a. 161a/3). LANDESFREIHEIT (1514): Die Neü Erclärung der Lanndsfreyhait des lölichen hauwss vnd Ffirstenthumbs zue Bairn Anno Fünfftzehennhundert vnd im vierzehenden auf den zwaintzigisten tag des Monats Februarij zue Mfinchen aufgericht. (2° Bavar. 236). LANDPOT (1520): Das buech der gemeinen Landpot. Landsordnung. Satzung vnd Gebreüch des Fürstenthumbs in Obern vnd Nidern Bairn Jm Fünftzehnhundert vnd Sechtzehendem Jar aufgericht. [Schluß des Bandes:] München [...] jm Fünffzehenhundert vnd zwaintzigistem jare. (2° Bavar. 502). LAUTHER (1569): Ableinung Der vermainten GRATVLATION D. Iacobi Andrae als sollen die Prediger vnd Lehrer im Hertzogthumb Bayern Lutherisch worden sein. Darinn [...] kfirtzlich vnnd grundlich erwisen wird / das die Bayerische Lehrer vnd Prediger bey der Catholischen Kirchen / inn den Articuln vom thewern verdienst Jesu Christi / vnd vergwissung der gnaden Gottes / so wol als in andern allen / noch vest vnd steiff stehen. D. Georgius Lautherius. Gedruckt zu Mfinchen / bey Adam Berg. Anno Domini 1569. (4° Bavar. 1175). L E U T H N E R (1790): Physisch=chemische Untersuchung des alt=berfihmten Gesundbrunnens und mineralischen Seifenbades zu Maria Brunn nächst Moching im churpfalzbaierischen Landgerichte Dachau Oberlandes Baiern verfaßt von Anton Johann Nepomuck Leuthner [..] Mfinchen 1790. gedruckt bey Anton Franz, churffirstl. Hof=Akademie= und Landschaftsbuchdrucker. (4° Bavar. 1199/1). LORI (1772): Abhandlung von Ludwig dem Reichen, Herzog in Baiern, Stifter der Hohenschule in Jngolstadt, an dem Geburtstage Sr. Churffirstl. Durchleucht in öffentlicher Versammlung der churbaierischen Akademie der Wissenschaften den 28ten März, 1772, abgelesen von Johann Georg Lori [...] Mfinchen, gedruckt mit akademischen Schriften. (4° Bavar. 2132/9). LV = Gedruckte Landesverordnung. [Ergänzungen in eckigen Klammern stammen von mir]. LV (1505): [Ausschreibung der Landschaft]. (2° Bavar. 960 I,lk).
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LV (1506): [Münzverordnung]. (2° Bavar. 960 I,ln). LV (1512): Gemain Landpot vnd Ordnung, wider die Mörder. Todschleger [...] auch Ordnung von rüsstigung der Ambtleüt vnnd Fußvolckhs jm Lannde zue Bairn etc. Anno etc. jm zwelfften jare. (2° Bavar. 960 1,2). LV (1519): Die Ordnung der Landsteur. (2° Bavar. 960 I,3g). LV (1524): Lanndpot / jmm Hertzogthumb Obern vnnd Nydern Bayrn / wider die Lüttheranischen Sect. (2° Bavar. 960 1,2). LV (1526): Der Furstenn in Obern vnnd Nidem Bairn Lanndtpot. (2° Bavar. 960 1,4). LV (1529): [Münzverordnung]. (2° Bavar. 960 1,6). LV (1530): [Anweisung, wie man sich im Falle eines Krieges verhalten soll]. (2° Bavar. 960 1,9). LV (1531): Der durchleüchtigen Fürsten vnnserer genedigen Herren Hertzog Wilhelms vnnd Hertzog Ludwigs in Bayrn etc. brüder. Ausschreiben der Artickel von erhaltung Christenlicher religion vermüg des Reichs abschids zfi Augspurg Anno etc. M.D.XXXI. (2° Bavar. 960 1,14). LV (1532): [Verordnung über den Verkauf des Schlachtviehs]. (2° Bavar. 960 1,15). LV (1533): [Die Fürsten Wilhelm und Ludwig verbieten, daß jemand aus dem Fürstentum wegzieht]. (2° Bavar. 960 1,16). LV (1535): [Steuerverordnung]. (2° Bavar 960 I, 16s). LV (1537): Instruktion vnd Ordnung / wie sich vermüg vnserer gnedigen herren der Landsfürsten vnd gmainer Landschafft abschid / ain yeder Landsäss / in anlegung / beschreibung / vnd andern Sachen / der landsteür / zü Straubing Anno etc. xxxvij Jüngst bewilligt / Gegen seinen vntterthonen die jme zesteürn gebürn / halten sol. (2° Bavar. 960 1,19). LV (1543): [Aufforderung, die Schriften von Caspar Schatzger zu kaufen und zu lesen]. (2° Bavar. 960 1,22). LV (1545): INstruktion Ordnüng vnd Anschlag in Jüngstm Landtag zü München des bewilligten Cristennlichen hilfgeltzhalb wider den Türckhen beschlossen / welher massen sich ein yeder Landsäss / Jn Obern vnnd Nydern Bayrn / in Anlegung vnd Einbringung desselben halten vnd handeln soll. Anno 1545. (2° Bavar. 960 1,25). LV (1547): Instruktion Ordnung vnnd Anschlag / Gemeiner Landschafft in Obern vnnd Nidern Bayern etc. Jüngst zfl Landßhflt bewilligter Steür des Vorrats / der vorsteennden Kriegßleüff / Sorg vnnd geferlichaithalb / zübeschützung gemains Furstenthümbs / vnd vatterlanndts / Vnd wie sich hierjnnen ain yeder Lanndsäss / mit Anlegen / Beschreiben / Einbringen / vnnd vberanntwortung solcher Steür / hallten vnnd hanndeln soll. Anno
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Literaturverzeichnis
1547. (2° Bavar. 960 1,26). LV (1552): [Einberufung der Landstände]. (2° Bavar. 960 11,2). LV (1555): [Verordnung gegen das Betteln]. (2° Bavar. 960 11,9). LV (1565): Jnnstruction vnnd Ordnung der Vnnter Einnemer des A u f schlags / Jm Fürstenthflmb Bayrn / Anno. etc. Lxv. verneut vnnd aufgericht. (2° Bavar. 960 11,10). LV (1567): [Einberufung der Landstände]. (2° Bavar. 960 11,12). LV (1577): INstruction vnnd Ordnung deß Neuen Wein vnd Pier aufschlags / wie derselb Anno M.D.LXXvij. im Ffirstenthomb Obern vnnd Nidern Bayrn / ffirgenomen vnd bewilligt ist / auch hinffiron / auff zehen Jar die nechsten eingebracht werden soll. M.D.L.XXVII. (2° Bavar. 960 11,17). LV (1581): Der Durchleuchtigen / Hochgebornen Fürsten vnnd Herren / Herren Wilhelmen / vnnd Herrn Philips Ludwigen / bayder Pfaltzgrauen bey Rhein / Hertzogen in Bayrn / etc. Geuettern / vernewerte Vischordnung / [...]. M.D.L.XXXI. (2° Bavar. 960 11,20). LV (1594): [Handels- und Verkaufsverordnung]. (2° Bavar. 960 11,25). LV (1594a): [Steuer- und Abgabenverordnung]. (2° Bavar. 960 11,26). LV (1600): [Steuerverordnung]. (2° Bavar. 960 111,4). LV (1608): [Verordnung den Troß und dessen Anhang betreffend]. (2° Bavar. 960 111,33). LV (1617): [Über Verkünden und Bekanntmachen von Verordnungen]. (2° Bavar. 960 IV,4). LV (1622): [Verordnung über den Verkauf von Lebensmitteln]. (2° Bavar. 960 IV,7). LV (1626): [Steuerverordnung]. (2° Bavar. 960 IV,19). LV (1633): [Abgaben- und Steuerverordnung]. (2° Bavar. 960 IV,25). LV (1635): [Münzverordnung]. (2° Bavar. 960 IV,29). LV (1644): [Verordnung die Schulen und die Religion betreffend]. (2° Bavar. 960 IV,51). LV (1650): [Abgaben- und Steuerverordnung]. (2° Bavar. 960 IV,59). LV (1680): [Handels- und Verkaufsverordnung]. (2° Bavar. 960 VI,2). LV (1690): [Handelsverordnung]. (2° Bavar. 960 VI,40). LV (1701): [Tabaksverordnung]. (2° Bavar. 960 VII,5). LV (1703): [Verordnung über die Getreideabgaben]. (2° Bavar. 960 VII,23). LV (1718): [Mitteilung über Vereinbarungen mit dem Bischof von Freising]. (2° Bavar. 960 IX,6). LV (1725): [Abgaben- und Steuerverordnung]. (2° Bavar. IX,38). LV (1726): [Abgaben- und Steuerverordnung]. (2° Bavar. IX,40).
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LV (1730): [Verordnung über den Handel mit Stoffen]. (2° Bavar. 960 X,11). LV (1731): [Brandschutzverordnung]. (2° Bavar. X,21). LV (1735): [Verordnung über das Wegrecht und den Handel an den Straßen], (2° Bavar. 960 X,51). LV (1739): [Befehl an die in Ungarn stationierten Truppen]. (2° Bavar. 960 X,79). LV (1745): [Befehl an das Heer]. (2° Bavar. 960 XI,49). LV (1748): [Abgaben- und Steuerverordnung]. (2° Bavar. 960 XII,4). LV (1750): Neu=verbesserte H o f = Rats=Ordnung. 1750. (2° Bavar. 960 XII,32). LV (1756): [Verordnung über den Frondienst], (2° Bavar. 960 XIII,35). LV (1760): [Verordnung über das Ausheben von Rekruten]. (2° Bavar. XIV,5). LV (1764): [Steuerverordnung]. (2° Bavar. 960 XV,8). LV (1769): [Verordnung über das Einquartieren von Truppen]. (2° Bavar. VXI.41). LV (1777): [Verordnung über die Biersteuer]. (2° Bavar. 960 XVIII,14). LV (1784): [Verordnung über die Herstellung von Pottasche], (2° Bavar. 960 XXI,36). LV (1792): [Verordnung an die Untertanen von Schwaben und Franken gerichtet, sich bei Streitigkeiten an das Hofgericht zu wenden]. (2° Bavar. 960 XXIII,90). LV (1797): [Abgaben- und Steuerverordnung]. (2° Bavar. 960 XXIV,50). LV (1799): [Verordnung über die Einfuhr von Waren]. (2° Bavar. 960 XXIV,60], MAALER (1561): Die Teütsch spraach. Alle wörter / namen / vnd arten zü reden in Hochteütscher spraach / dem ABC nach ordenlich gestellt / vnnd mit gfltem Latein gantz fleissig vnnd eigentlich vertolmetscht / dergleychen bißhär nie gesähen / Durch Josua Maaler burger zfl Zürich. DICTIONARIVM GERMANICOLATINUM NOVVM. [...] TIGURI [=Zürich] Excudebatur Christophorus Froschauerus. M.D.LXI. [Reprografischer Nachdruck Hildesheim, New York 1971). MACER (1570): Euangelische Fragstuck / Auß D. Martin Luthers Büchern / vnnd manigfältigen Schrifften / fleissig gezogen / Durch Casparum Macrum Albimoenium, bayder Rechten Doctom / Suffraganeum, vnd Thflmbpredigern des Stiffts Regenspurg etc. [..] Getruckt zü Jngolstat durch Alexander Weissenhorn. ANNO M.D.LXX. (4° Polem. 1973). MAYER (1577): Gemaine Beichtform. Wie der Sünder leychtlich zü
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erkantnuß seiner Sünden kommen / vnd dieselben ordenlich Beichten kan. Durch Georgium Mayer vonn München / der freyen Künsten Magister / vnd Pfarrer zü Tegernsee / samt andern kleinen / schönen vnd geistlichen Tractätlein [...] in Truck geben. Getruckt zfi Tegernsee im Jar M.D.LXXVII. (Jes. 713/3). MAYER (1607): COMPENDIUM, Das ist Kurtzer Bericht / wie der Durchleuchtigist Fürst vnnd Herr / Herr Maximiiianus / Pfalzgraue bey Rhein / Hertzog in Obern vnd Nidern Bayern / etc. Jr Fürstlichen Durchl. Ertzhertzog von Grätz vnnd Oesterreich / sambt seinem hochgeliebten Gmahel / vnd Fraw Mutter / auch andern Geschwistern entgegen gezogen / vnd in die Ffirstl. Hauptstat München den 30. Augusti / Anno 1607. einbeleitet. [...] Durch Johann Mayer / Teutschen Poeten vnd Burgern in Mönchen. Gedruckt zu Mfinchen bey Adam Berg. ANNO. M.DC.VII. (4° Bavar. 1267). MEGALISSVS (1731): Der Undeutsche Catholik Oder Historischer Bericht Von der allzu grossen Nachläßigkeit der Römisch=Catholischen, insonderheit unter der Clerisey der Jesuiten. In Verbesserung der deutschen Sprache und Poesie. Wobey Die Ursachen solcher Nachläßigkeit angezeiget, die eifrige Bemühungen und Verdienste der Protestanten zur Nachfolge vorgelegt, und sichere Mittel zu einer allgemeinen Sprach=Verbesserung vorgeschlagen werden Durch MEGALISSVS. [...] JENA, bey Joh. Friedrich Rittern, 1731. (L. germ. 169/1). MEGALISSVS (1731a): Deutsche Jesuiten=Poesie Oder Eine Sammlung Catholischer Gedichte, Welche Zur Verbesserung Allen Reimschmiden wohlmeinend vorleget MEGALISSVS. Franckfurth und Leipzig. Verlegts Johann Ehrenfried Müller 1731. (L. germ. 169/2). MEICHEL (1631): Creutz Schuel In welcher die Gedult gestärckt: hülff vnd trost an die Hand gegeben wirdt Durch Hieremias Drexel der Societas IESV Priester vnd Chur Fürstl. Hofprediger. Anjetzt mit desselben guthaissen auß dem Latein verteutscht durch M. Ioachim Meichel. München in der Hertsroyschen Truckerey bey Cornelio Leysserio Chur=Fürstl. Buchtrucker vnd Buchhanler [!] 1631. (Asc. 1515). MENANTES (1717) [d. i. Chr. F. Hunold]: Die Allerneueste Art / Zur Reinen und Galanten Poesie zu gelangen. Allen Edlen und dieser Wissenschaft geneigten Gemühtern / Zum Vollkommenen Unterricht / Mit überaus deutlichen Regeln / und angenehmen Exempeln ans Licht gestellet / Von Menantes. Bey Joh. Wolffg. Fickweiler / im Dom / 1717. (UB München: 8° P. o. germ 568). M O R H O F (1700): Daniel Georg Morhovens Unterricht von der Teutschen
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kontrastiv. Sprachhefte für den Deutschunterricht. Heft 2). - (1978): Kontrastive Morphologie: Bairisch / Einheitssprache. - In: Grundlagen einer dialektorientierten Sprachdidaktik. Hg. von Ulrich Ammon, Ulrich Knoop und Ingulf Radtke. Weinheim, Basel. S. 313-331. - (1985): Das bairische Dialektbuch. München. Ziegler, Walter (1979): Die Reichsstadt Regensburg. - In: Handbuch der Bayerischen Geschichte. Hg. von Max Spindler. Bd. 3.2. München. S. 1423-1438. Zwirner, E. (1959): Phonometrische Isophonie der Quantität der deutschen Mundarten. - In: Phonetica. Suppl. ad. Vol. 4. S. 93-125. Zwerger, Franz (1914): Geschichte der realistischen Lehreranstalten in Bayern. Berlin. (Monumenta Germaniae Paedagogica 53).
Wortverzeichnis
aaffi 106 Aberglefibig 124 abgetauft 123 abgewfischt 61 Ablegung 113 ableschung 74 ablöschen 74 abtrinnig 83 abtrinnigen 83 achtat 40 Acker 31 ackher 130 Affe 31 Aid 101 aigen 101 aigne 51 ailff 100 Ailfften 100 Ailfftens 100 ain 51 aindlef 100 aindleff 149 aindlefft 149 aindlefften 149 aindleften 149 aindlif 149 aintweder 100 aintweders 100 albeg 138 allain 97 allerseeligiste 41 alweg 138 andacht 36 andachtig 111 änderst 151 äne 54 anfanklich 111 angewendte 157
angstlich 111 aniu 54 Ankunft 80 Annalibus 116 anntwurt 81 anplikch 130 anrueffen 92 ans 46 anttwurt 81 Antwort 81 antwurt 81, 266 antwürte 81 Apostel 99 arbait 112 arbays 112 arbeis 112 arbeit 112 arbiß 112 arcznei 112 arczney 112 argen 165 ärgernuß 168 Argumente 116 Armuet 92 arndt 110 Arndte 111 ärne 110 art 51 artickel 44 artigkl 46 artzney 112 Artzneyen 112 arwait 132 arweiz 112 arzenie 112 arznei 112 Asche 164 aschen 164
342 ast 148 aufbaumen 123 auffgehebt 159 auffgerechtem 164 auffi 106 auffs 41 aufgehebt 159 aufm 47 aufn 47 aug 48, 175 äugen 86 Augenwfincker 61 Augspurg 126 ausdrücken 116 ausdrücklich 115 ausdrücklich 115 ausgeblindert 84 ausgedörrte 148 ausgestorbnen 46 ausgewfirkt 63 ausschitten 83 Ausschmuckung 114 außdrücklich 115 aussermassen 166 ausserwfihlet 37 außlöschung 74 außspielen 95 ausstecken 164 ausstopfen 173 außtrficklich 115 austrucklich 115 awsm 47 ay 98 aydspflicht 97 aygenew 86 aylfft 100 Aynttweder 100 Ayr 97 b6 38 Baam 106 Babst 126 Babstlich 126 bachen 136 Bachofen 137 backen 136 Bader 133
Wortverzeichnis baebel 103 Baiern 98 Bainbrfich 48 Bairen 98 bairisch 101 bakkan 136 Bapstisch 126 barhait 138 Bart 71 basteten 126 Baum 106 Baumen 123 BaumnSst 148 Bayern 126, 281 BSyern 98 Bayren 97, 98 Bayrn 41 beben 171 bech 127 Bfiecher 94 bedeithet 88 bederseit 175 bedeut 47 bedeutet 88 bedevttung 87 bedtincket 121 bedorff 29 bedunckt 120 bedürftig 118 befahle 56 befalche 142 Befelch 142 befelchen 143 befolchen 142 befreuet 106 beffirdern 118 begäbe 56 begehen 44 begerum 146 begraben 174 Begrebnus 168 begreuffen 106 begriffen 119 begürligkait 61 behalt 159 behfieten 94
Wortverzeichnis beib 138, 181 Bein 101 beis 138 bekanntnuß 109 bekantnuß 109 bekenn 52 bekümmern 119 beliben 44 belonum 146 bemsel 36 Benedikt 133 Benno 133 beraubet 45 bereyen 87 Berg 48 Bernardus 113 fiberschoppen 173 Berueff 92 berfieren 94 beruffte 158 beschehen 52 beschenigen 73 beschiecht 59 beschiermer 59 beschliescht 140 beschürme 61 beschütz 61 beschützet 117 Beschwerde 49 bese 75 Besorgniß 168 Best 127 bestandig 111 besträ 105 besuechte 92 Beter 127 betrachtum 146, 181 Betrangnussen 109 betriebt 95, 189 Betriebt 95 betriegen 91 betriegende 91 betriegt 91 betrohlichen 128 Betrfibnuß 168 betrug 121
343 Betrug 121 betrügen 91 bett 52 bettat 40 Bettlstab 46 Beutl 46 bevelch 142 bewfircke 52 Beyern 98 Bezfirck 61 bfunden 44 Bibel 133 bidmen 171,269 bilde 56 Bildnus 168 Binder 133 bindig 83 bir 138 bischof 126 Bischofliche 126 Bitt 51 blaich 97 Blaim 94 Blitl 169 blawe 51 bleibm 154 bliben 44 blousen 31 Blout 93 Bluet 92, 93 bluetig 92 bluome 94 Blut 93, 118 blutdürstig 119 Blutdurstigen 119 Boan 101 boarsch 101 Böhm 50 Born 80 bßllet 37 B6ltz 127 bßse 75 Both 48 Bou 93 boum 105 bracht 43
344 brait 97 braite 51 Braite 49 bredigen 127 brennan 36 brennen 157 brflder 126 Brieder 95 brief 126 briester 127 briesterschafft 127 bringe 52 bringen 157 brinnan 36 brinnen 36, 266 f. brinnend 36 Bron 79 bronnen 77 Brot 83 Bruck=Zollner 114 Brfick 115 brücke 162 Brficke 114 brücken 162 brueder 92, 126 brfifen 127 Brfindl 149 Brunn 79 brunnen 77, 80 Brünnen 162 Brustbild 114 bsonder 44 bständig 44 bsteht 44 bsuecht 44 Bub 5 0 , 9 3 Buch 93 Buchdrucker 115 Buchdrficker 115 Buchdruckerkunst 115 Buchstaben 118 Bue 93 Buech 93 Bfiche! 169 bficken 115 Bfihel 172
Wortverzeichnis bühel 172,267 bündtnuß 168 Bürde 118 Burger 133 BErger 109 bürgerlichen 118 Burgermaister 109 Burgerschaft 109 Caesar 9 8 , 2 8 2 Camink6hrer 37 capitl 46 Catechismum 128 chain 130 chalch 130 chäm 106 charcher 130 chaufft 130 chennen 148 chennstw 148 chlag 130 chomen 130 chorndl 149 chraft 130 chran 69 chranchait 86 Christen 51 chuchen 121 chuchl 122 chünig 154 Chur=Hauß 41 churbaierischen 130 Churffirst 130 clager 108 Cometstern 128 Cron 82 Cronen 118 Crucifix=Bilde 56 czolper 29, 191 czw 86 dach 69 danckat 40 Danckh 130 dancksagum 146 Dannenbaum 127 dantz 127 dapfer 128
Wortverzeichnis dapffer 128 darff 69 deckl 46 degel 35 degelein 35 Deib 91 deinew 86 deme 54 Demflt 92 detten 127 deub 85, 86 deubstal 85 deufel 127 dew 85 dewb 85, 265 dewbhayl 85 dewbig 85 dewbisch 85 dewbs 85 dewbstall 85 dewf 85 dewpp 85 dialectus 136 Dicke 49 dickh 130 Dieb 91 dieff 127 dienat 40 diener 89 dienst 89 Dienste 117 diensts 45 dier 59 diesen 154 Dinte 128 Dinten 128 Dinten=Zeug 128 disch 127 dise 51 disew 86 dochter 127 dod 127 domalen 30 domit 30 donder 150, 182 döuwen 105
Drache 136 drack 136,266 draco 136 drücken 116 drei 86 dreu 86 drew 86 drewhundert 86 dirffen 159 drucken 83, 115, 282 drücken 115, 116 druckh 115 druckt 116 drumb 144 dücher 127 due 127 dunckt 120 dfincken 121 diung 105 düngen 121 dunken 157 dünken 121 durchleuchtigisten 41 durchtringen 128 durchtrungen 128 durich 67 durstig 119 Eck 166 eckat 39 Ecke 166 Edict 98 Ehr 51 ehrlich 38 eindlef 99 eingedrfickt 116 eingetruckt 128 einlif 149 einlifferen 57 eintringende 128 eintrucken 128 eintweder 99 Elend 38 eltisten 41 empfelichen 67 Enge 49 Engel 38
346 enpfliechen 143 entdeckte 52 entfernet 45 entnimmet 45 entpfangknuß 109 entschfildigen 118, 272 entschfildiget 118 entschlupfen 116 Entschluß 38 entschuldigen 117, 118, 228 erbarmen 38 Erbarmnis 110 erbarmnuß 110 erbeit 111 erberben 138 Erbthail 101 erchtag 175, 265, 267 erczney 112 erdpidem 172 erdreich 171 erdruckhen 116 erdtrich 171 erdulden 118 erfreyen 105 erfundnes 46 ergerum 146 ergetzen 74 ergötzen 73 ergötzen 74 Ergötzligkeit 74 Ergötzlichkeiten 74 erhöbt 159 erib 66, 179 eribschaft 66 eribsündt 66 eribtail 66 erichtag 67, 175 erindert 150 erinndert 266 erinnern 150 erjnndert 150 erkandnuß 109 erkantnusz 109 erkent 156 erkeuffen 124 erkhennen 130
Wortverzeichnis erkfindigen 121 erkundigen 121 erlauben 123, 282 erlaubnis 282 Erlaubnis 110 Erlaubnfiß 110 Erlaubnuß 110 erlaubt 123 erlediget 45 erleschen 73 erleser 73 erleuben 124 erleubet 124 erleubnis 110 Erleubnfis 110 erleubt 124 erlöschen 73 erlustiget 45 ermonung 29 erneueren 57 ernörn 37 eröffnete 52 erpidemt 171 erpidmendem 172 erpidmet 172 erpiethet 126 erschiene 56 erschrakchen 130 erschricken 34 erschricket 34 erschwfingen 61 ertzney 112 Erwegung 106 erwirdigkeit 64 erwöhlen 37 erwölen 37 erwöhlet 37 erzaige 52 Erzöhlung 37 erznei 112 Esel 38 essen 43 essn 46 etliche 115 etwan 166 ewige 51
347
Wortverzeichnis Fahn 164 Fahnen 164 fahret 159 falisch 68 falische 68 falischen 68 falsche 51 Falschglaubige 124 falschlich 111 fandl 149 fanen 164 faren 148 faricht 67 farichtsamer 67 Faße 48 Fäule 49 Fechtblatz 127 Feder 91 feicht 87 feichtikait 87 Feind 50 Feinde 50 feldplaimen 94 fendel 149, 266 fendrich 150 fewr 51 fewrein 65 ffihrte 52 fieß 95 fimf 84 findt 47 finf 84 finffczig 84 finge 56 Finstere 49 Finsternuß 168 fischel 169 Fischwerch 131 flaisch 99 fläsch 103 Haschen 163 Flecken 51 flehentlich 182 fleisch 99 Fleisch=HSfen 172 fleissigist 41
fleissigleichen 65 Fleuge 86 fleugen 85 fliechen 143 fliegender 164 fliessund 41 Ffille 121 flöhe 56 Fl6ck 37 flouchn 93 fluchen 93 Fluecha 93 fluechen 92 Fluß 93 Flfiß 48 forcht 82 Fous 93 Frag 48 fraindtlichheit 87 fraint 87 franboten 69 freid 105 Freide 106 frelich 73, 191 freyd 105 freyden 105 freye 51 freyen 105 freyet 105 Frieling 95 froe 72 froleich 65 frolockat 40, 177 frömd 37 fr6mbd 37 frömden 37 frömder 37 fromer 78 fromm 78 Fromme 78 Frommen 80 frommer 80 fronboten 69 frume 78 frumen 78 frumer 78
348 frumm 78 frümmer 78 Ffiß 48 Fueg 92 füeren 94 Fflerman 92 Fues 93 fflsschamel 111 Fueß 92 Fuhrwerch 131 fümf 84 funden 43 fünf 84 fünff 84 ffinf 103 ffinff 84 furcht 81 fürchten 81 fürdern 118 fürichten 67 Ffirscht 140 fürst 174 Fürst 118 fursten 41 Ffirstenthumb 144 füsch 61 Fuß 93 Futterhaber 134 fynf 84 gab 51 gäbe 57 gais 172 Gaiß 172 gaißlen 97 Gaißlung 136 gaist 99 gaistlich 99 gangen 43 ganngen 43 gantze 166 Gartner 109 Gasse 31 Gassen 163 Gäu 107, 185 Gauckeln 123 gaucklt 123
Wortverzeichnis gaukeln 123 Gay 105 gayß 172 Gayß 172 geantwort 47 gebachen 137 gebalt 138 gebant 138 geben 43 Gebey 87 Gebühr 118 Geblfiet 94 gebm 154 gebognen 46 gebrennet 156 gebrennt 156 gedächtnüsz 168 GedSchtniß 168 GedSchtnus 168 gedan 127 gedanch 130 gedencket 157 gedruckten 116 Gedrugkt 115 gedulden 118 gedultig 118 geduncket 120 gedunckt 120 gedünkt 120 geendt 47 gefahrlichen 111 Gefencknuß 168 Gefeß 51 gefürchtet Gegenden 46 gegenwertig 34 gegenwirtig 34 gegenwirtig 34 Gegenwöhr 37 gegenwärtig 34 gegleubet 124 geh 56 gehe 52 gehebt 159 Geheimnus 168 gehept 159
349
Wortverzeichnis Gehorsamb 144 geiß 172,267 geißmilch 172 geist 73, 102 geistlich 99 geiz 172 gejaid 100, 104 Gejaid=Scharwerch 100 Gejaids=Ueberreuter 100 gekennt 156 gelaben 105 gelauben 179 gelaubet 43 Gelde 56 Geldl 169 gelehret 46 gelehrt 46 gelerning 34 Geliebet 46 geliebt 46 gelirnig 34, 266 gelob 52 gelobet 45 geluck 116 gelucke 116 gelücksrad 116 gemachet 45 gemacht 124 gemfiet 94 Gemfiether 95 gemont 29 gemontt 29 gen 169 genendt 157 genennet 157 Genickh 130 geniegen 95 genueg 92, 266 genfieg 136 geprediget 45 geprennt 179 gepurt 125 geraumet 122 Gerechtigkeit 51 geredt 47 gerenget 154
gerennt 157 gerichts 172 Gerichtzstandt 34 Gerichtzyebung 95 gern 165 Gerüche 56 gesait 100 gesatz 149 gesaytt 100 geschadt 47 geschechen 143 geschiecht 59 geschlacht 110 geschmächet 45 geschmuck 79 geschmucket 114 geschmückte 114 geschmücktes 114 geschoß 136 geschrauft 134 Geschrey 101 geschrickig 34 geschützt 117 gesengt 154 geseumet 122 Gesichte 56 gesmuckt 114 gesprochene 280 gessen 43 Gestalte 55 gestanden 44 gestellet 45 gestorben 44 gestfillet 61 gestrat 105 gesträet 105 gesträt 105 gestudiert 157 getaufft 123 Getetet 73 gethon 29 getraid 100 Getraidt 100 getrawmpt 123 getrayd 100 Getreide 48
350 getrestet 73 getroffen 166 getröst 47 getruckt 115 getruckten 128 Geuckler 109 geuoligt 67 Gewalt 164 gewang 145 gewanheit 69 gewarnum 146 gewen 132 gewenlichen 73 gewesen 44 gewing 145 gewingen 145 gewingt 145 gewinn 145 gewinnen 145 gewist 160 gewohnlich 112 gewohnliche 113 gewohnlichen 113 gewöndlich 149 gew6ndliche 149 gewonlicher 113 gewunschen 157 gewunschen 157 gewußt 160 Gey 105 geyß 172 geyst 48 Geywirt 105 gezzen 43 Gfengnus 42 ghaltn 46 gib 158 giebe 158 gieng 56 gienge 52 gifftigen 151 Gift 166 gijagidi 100 gitregidi 100 gläb 105 GlSsl 169, 267
Wortverzeichnis gliubte 124 glatte 51 glaub 52 glauben 123, 282 Glaubigen 124 glaubt 43 glawben 123 glawbig 124 glayt 42 glück 42, 116 G6gner 37 gfilden 118 güldene 118 güldenem 118 güldenen 82 glebt 42 glehrt 42 gleich 42 gleichförmig 113 Gleichnus 168 gleichnüß 168 gleichwol 166 Gleid 131 gierten 42 gleuben 123 gleubst 123 gleubte 124 glocken 163 Glogken 163 glorreichisten 42 glouben 105 glück 42, 116 gmain 42 gmüt 42, 266 gmüter 42 gnad 42 Gnaden 42 Gnapp 131 gnaw 42 gnueg 42 gnug 42 goas 172 Gold 82 golden 82,83,118 gonde 81 gönnen 81
351
Wortverzeichnis gonst 80, 281 Gottes 85 Gottesnamen 45 gottselige 51 GOTTshauß 45 gotz 45 göuwe 185, 105 grab 139 grabe 138 GrafenhSusern 46 Grahb 138 gräwe 138 Greß 131 gröblich 113 grond 80, 281 groß 71 grossem 165 grous 71 grouß 71 größe 49 Gärtner 109 gruben 163 grueben 163 grueß 92 grund 80 grundlich 120 gründlich 120 grfindlich 120 gruntlich 120 grüntlich 120 Gruß 93 gschiecht 59 gschrieben 44 gschrift 42 Gschroa 101 Gschroy 101 Gsell 43 Gsellen 43 gstalt 42 gstanden 44 gstorben 44 gstudiert 44 gsworn 46 gfltwillige 51 Guet 93 guetew 86
güetigister 41 guetten 92 guidein 64 gulden 1 1 8 , 8 2 , 2 6 6 güldene 82 güldenen 82 guldin 82 gullden 82 gült 149 gunde 81 gunnen 81, 266 gunst 80 gflt 92 Guß 93 gutdfincken 121 Güte 49 Gutschen 131 Gutscher 131, 132 güttleich 65 gwalt 43 gwesen 44 hab 52 haben 124 haber 266 Haber 134 habern Haberspreu 134 habt 105 häe 105 hafen 267 Hafer 134, 135 hafner 172 Hafner 172 Hagel 31 hail 99 hailig 99 hailigen 99 hailiger 99 haim 97 haimleichkait 65 haimlich 100 haimliche 51 haimsüchen 92 hainrich 100 Hainrichen 100 haiß 97
352 haißt 97 hSlgen 103 Hall 80 halt 52 haltet 159 haltete 158 hand 55 hande 56 Hände 56 handlung 34 handtwerch 131 hant 175 harpfe 136, 266 härpfen 136 HSrpffen 136 Has 50 häschrecken 105 hassen 101 hast 31 hat 44 haubt 123 haup 153 haupman 153 haupp 153, 155, 265 haupstuckh 153 haupsünd 153 haupt 153,265,282 hawp 153 hawplewt 153 hawpp 153 haymleich 100 heessen 101 Heil 99 heilig 99 heiligen 99 Heiligew 86 heiling 154 heiltum 181 heiltung 181 heimlich 100 Heimon 105 Heinrich 100 heissen 101 helde 56 Helden 128 helfe 158
Wortverzeichnis hell 74 helle 74 Hellen 74 helt 56 hendt 174 Henne 56 her 67 herein herpfen 136 hertz 128 herwerg 132, 265 herwergten 132 Heu 107, 185 heupt 124 Heuptleute 124 Heuptmann 124 Heupttugendt 124 heutigen 45 hewsel 169 hey 105 Heyl 99 hielte 56 hiers 59 hiert 59 hiertten 59 Hieter 95 hilf 62 hilfe 64 hilff 48 Hilff 62 hilfst 158 hiliff 67 himel 171 Himmels=Liecht 89 Himmlische 51 hinauf 106 hinderaten 40 hindernüß 168 hiren 32 hirt 34 Hirte 78 hirtter 32 hoassen 101 hoch 142 hochwirdigew 86 hochwirdigist 41
Wortverzeichnis hochzeutlichen 106 hoffenlich 182 hoffentlich 182 hoffnung 51 Hofmarch 130 Hofmarchen 130 Hofmarchs 130 Hofmarchs=Beambte 130 Hofmarchsinhaber 130 Hofs 45 Hogel 31 hoimli 101 hoissen 101 höld 37 höll 74 H611 74 hölle 73 Hölle 74 Höllen=W5lf 74 höllische 51 Höltzl 169 Holtzmarch 130 Holtzpiern 126 honag 113 hönig 113 H6nig=Keller 113 hSnigfliesende 113 hond 80, 281 honger 80, 281 honig 113, 166 hönig 113, 166 hör 37, 191 hör 37, 191 Hör 52 hören 154 höret 45 Host 31 hot 30 hoüch 71 housen 31 höuwe 105, 185 huesten 166 hüet 174 hfietete 94 hügel 172, 287 hülczein 65
hülf 62 hülfe 62 hülfe 64,266 Hfilf 62 hülfe 62 hfilff 117 Hfilffe 62 Hörstrassen 37 Hund 80 hundert 82 hundt 80 hunger 80 hungerig 120 Hungers=Noth 128 hungrig 120, 282 hupfen 166, 266 hür 61 hust 166 husten 166 ihme 53 ihne 54 imbe 144 ime 54 impe 175 Jahre 48 Jahren-Kraiß 97 Jammi 147 Jammer 147 Jare 48 jhme 53 jhne 54 jm 123 jme 53 Jmp 144, 267 Jfingling 120 Jnsel 86 jore 29 Jungfrau 42 kain 97 Kaiser 102, 281 kaiserlichem 164 Kalch 130 Kalcherde 130 Kalchsalpeter 130 Kalchsalz 130 käm 106
354 kambe 144 käme 56 kamp 144 Kampenwand 144 Kandel 149 kandl 150 kannel 149 karb 69 karcher 130 karicher 67 karicher 67 kaufen 123,282 kauffen 123 Kauffer 108 Kayser 98 Kayserlich 98 Kayserliche 98 Keisern 98 Kelch 82 kelten 49 Kenntniß 168 kerndl 191 kerrsen 34 Kerschbaum kersche 34, 175 kerschen 34 Kerschenmues 34 Kertzen 163 kerze 163 kestlich 73, 266 Kettel 169 Ketten 163 keuffen 124 Keyser 98 khain 130 khan 130 kheren 130 khindern 98 khlar 130 khlemmen 130 Khnall 130 khomen 130 Khue 92, 130 Khuefleisch 130 kindel 169 Kinds 45
Wortverzeichnis kini 79 kinigen 83 Kirch 48, 124 kirche 163 Kirchen 135 Kirchen=Beherrschers 42 Kirchenrauber 108 kirczen 32, 34, 163, 265 kiriche 67 kirichen 67 kirichwat 67 kirihha 67 Kirschbaum 35 kirsche 34 kirzen 191 Klag 48 Klage 49 klain 97 klar 130 Kleid 132 kleines 166 klemmen 130 Klösteren 55 klög 92 Knab 50 Knall 130 Knecht 48 Knei 91 KnSi 91 Knie 91 Knien 46 knobelauch 134 Knoblauch 134 knoden 128 Knoden 128 knoflach 134 knoflauch 133, 175 Knofler 134 knote 128 komen 43 kommen 43 konde 81 konftig 80, 281 könig 77, 79 k6nig 80, 100 k6nigs 149
Wortverzeichnis können 79 konst 80, 281 korfreytags 29 körndl 150 kostlich 113 kostliche 113 Kouh 93 kran 69 Kranckenwarter 109 kSrcher 130 Kreis 102 kreitz 87 krellen 136 Kriegshör 37 kropfat 39 kfirndlen 149 kfirtze 119 krügel 169 krump 144 Küche 121 Kfiche 121 kuchel 266 Kuchel 122 Kuchelherd 122 Kuchen 121 Kuchl=Dienst 122 Kueh 93 Kuh 93 Kuhe 56 kummernuß 109 Kummernuß 109 künde 81 kundig 121 kündig 121 kfindig 121 kfindigen 272 künftig 120 künftiger 120 kfinfftig 120 kfinfftigen 120 kung 103 Kfini 79 künig 79 kunnen 81, 266 kunnte 81 kunnten 81
Kunst 80, 83 künstlich 120 kunstliche 120 kunt 81 kupffrein 64 kürtz 119 kürtze 118 kürtzlich 118 kürzlich 119 Kutsche 131 Kutscher 132 kutte 163 kutten 163 kyen 95 Kiyser 98 laaffa 106 Lache 136 lacke 136 lacus 136 Ladenhfieter 95 laff 105 läge 56 laicus 98, 281 Laie 9 7 , 2 8 1 laim 100 Laimb 100 Laimen 100 lamp 144 lampe 163 lämpel 144 land 47 Landen 130 landkfindig 120 Landsordnung 45 Iangwfirig 61 lannde 48 lannden 37 laß 52 lasst 159 laßt 159 Latte 163 Latten 163 laufen 106 Lauffer 109 lauffund 41 laugnen 123
356 läugnen 123 Laute 163 Lauten 163 lay 98 Layen 98 laym 100 leb 73 Leb 75 lebe 53 leben 74 leben 38 lebentig 129 lebhaffte 51 lebm 154 lebs 139 lebse 139 lebsen 139 lebsn 139 Leffel 74 Lefftze 139 lefftzen 139 lefse 139 leftze 267 lefze 173,266 Lefzen 139 lehr 48 leib 48 leibdienst 149 leichen 143 Leichter 87 leidet 45 leige 97 leim 99 leit 87 Leite 88 Leiter 101 lern 153 lembel 144, 159 lepsen 139 Lerche 163 Lerchen 163 lernung 116 lesch 74 leschen 74 lestratn 40 leuchten 90
Wortverzeichnis leugnen 124 lefignen 123 lewe 73 leynein 65 leyten 87 licht 90 Lieb 48 liebest 45 liebet 45 Liebhaberen 55 liebleich 65 liebst 45 liebt 45 liecht 89,266 liechtmeß 89 Liechtmess 89 Liechts 45 liege 53 liegen 91 lige 52 ligen 91 linden 151 Lippe 139 Iis 158 list 165 List 165 liugt 91 Loata 101 lob 45 Lob=Predig 152 lobaten 40, 177 lobe 45 Lobe 269 l6ben 38 lobest 45 lobet 45 loblich 113 loblichist 41 lobst 45 lobt 45 locharten 39 lochraten 39 loffel 39, 75 Löffel 74 loun 71 löscht 74
Wortverzeichnis löstern 37 L6w 74, 75 löwe 73 Löwe 74 Löwen 74 Luckhen 130 Ludewic 65 ludweig 65 Ludwig 65 lufft 165 Luffts 165 luft 165,267 lug 121 Luge 121 lüge 121 Lüge 91 Lugen 121 lügen 91 lugina 91 lugner 108 Lfigneren 55 lust 165, 267 Lust 165 mache 53 machn 46 macht 151 mächten 73 machtig 111 mächting 154 Magen 173 MSgdl 128 magister 100 Mahomet 142 mainadt 103 mainen 101 maister 104 Maister 100 Maisterlich 100 man 78 mändel 149 Mandelöhl 95 mändleich 149 mändlich 149 manig 78 mann 42 Mann 99
357 männlich 149 mannlichen 111 mantl 46 margen 70 margenstern 69 mark 130 Maultrummel 80 Mauren 162 M l u r e r 108 Mayestat 98 mecht 73 Meer 51 meine 51 Mensche 55 menschen 47 Menschen=Kinderen 55 Merck 52 meß 99 Messerl 169 mewl 106 mier 60 Mihr 60 milich 67 millich 179 mißgunnenden 81 mite 165 mogst 29 mon 70 mönch 78 Mönch 80 monung 29, 265 mör 37 mör 37 morgen 70 morgens 151 morter 29 Möth 37 Moust 93 ΜSek 115 Muckhen 130 Mficken 130 mfied 94 muet 92 mueter 92 Muetter 95 mügen 154
358 Mühe 48 Mfihe 48 münch 77 Münch 79 Münch 80 Mönch 79 Mfinche 80 Mfinchen 79 mund 47 Mund 49 Munde 55 mündliche 120 mündtlich 120 müntlich 120 Mfinz 48 Mfinze 82 Mfinze 118 mfleter 92 nachdeme 54 nache 143 nachfolgentem 129 Nachfolgere 55 Nacht 166 nachtruck 128 nachuoligen 67 nachvoliger 67 nackat 39 nackaten 39 nakat 39 Nam 48 Namen 162 nämen 162 narrat 39 Nassel 148 nast 148 nSterl 169 neben 154 nebm 154 Nef 48 nehmen 57 Nei 91 neigen 101 nem 154 nemblich 144 nemen 154 nempt 174
Wortverzeichnis nennen 156 Netz 118 Neun 131 neymand 90 niS 91 NSi 91 Nidern 98 nidertrucken 116 niedergfallen 42 nimm 158 nimme 57 Noagn 101 noet 72 noetig 72 nom 29 nonne 77, 78, 80 Nordgä 105 notturftig 118 nuer 76 nün 76 Nunen 78 nunne 77 Nunnen 78 nfitze 116 nfitzen 116 nfitzlich 117 nfitzt 116 nutzlich 117, 266 nyme 57 Oagn 101 Obern 98 Oengel 38 Oentschluß 38 Oepffel 37 Oesel 38 ofen 130 offenlich 113 öffentlich 112 offnes 167 ofn 46,54 ohne 54 öhrlich 38 Oid 101, 184 oign 101, 184 Olt 31 one 54
Wortverzeichnis öpfel 37 öpffel 51 öpfl 37 ordenlich 113 ordenßbriester 127 ort 167 Orth 167 Pabst 127 pach 136 pachen 136 pachoffen 136 pad 146 pSm 105 Palaste 82 paid 125 parmen 148 Pastete 163 Pasteten 163 paum 125 Pech 127 pechel 169 pecher 125 Pecher 126 pedeiten 87 pedorf 29 pehaltet 159 pehentleich 65 peicht 85 pein 149 pemsel 266 Pemsel 36 pensei 36 perg 125 perig 67 pern 166 persöndlich 149, 150, 182 persönlich 149 persönndlich 149 pes 73 pesser 125 Pest 127 Peter 127 pettat 40 Pettl 126 pey 125 peytel 87
Pfandl 149 pfard 110 pfarkirchen 97 pfarrer 109 Pfarrern 109 Pfeffer 127 Pfeil 48 Pfenning 126 Pferd 50 Pferde 50 Pferrer 108 pferrich 67 pfersich 35, 175 pfersichen 35 Pfersichfarbe 35 pfingstag 175 pfinncztag 175 pfinstag 175 pfintztag 175, 267 pfinztag 175, 265 Pfirsich 35 pflamen 106 Pfleg=Kinderen 55 Pflug 127 Pforte 135 Pforten 135 Pförtner 135 pfützen 116 phfengnig 138 pidment 171 Pihel 172 pildnüß 168 pilleich 65 pillich 125 pinsel 36 pischolf 150 pischolff 150 pixen 83 plaim 94 platt 126 pl5ck 126 plintigkait 125 plock 126 plous 71 plüemel 169 pluet 136
360 plfit 92 pluetz 174 Poden 126 Pölsterl 169 porigschaft 67 port 135 porte 135, 266 porten 135 portner 135 Portnerin 135 portten 135 pfisch 140 pßse 51 poswicht 125 Prachmon 125 pracht 43 prachte 126 prat 165 prauch 125 predig 51 Predig 152 predigate predige 52, 152 prediget 45 predigt 152 prennen 125 Preuß 50 preytigam 87 prinnen 36 print 36 Proceß 87 prot 125, 149 prout 71 pruck 114 prucken 114 prugk 114 prugken 163 prunn 79 prunnen 77 prynnen 36 prynnender 36 puchstab 125 pucklat 39 Puess 92 püessen 94 pühel 172
Wortverzeichnis purde 118 Raach 48 raaffa 106 rächen 105 rain 99 rainikait 99 Raiß 48 raitzum 146 Ram 69 rannte 129 rate 55 rathsamb 144 Rauber 109 Raubig 85 rauch 142 Rauchwerch 131 raufen 106 Räume 122 räumen 122 6rbarmen 38 rfle 92 rechnum 146 recht 166 Recht 92 rechten 175 rechtew 86 rechtgläubige 124 Rechtgläubigen 124 Rechtsglaubige 124 Rechtstuel 92 rechtten 175 red 48 redet 45 redt 47 Regen 138, 154 Regenspurg 126 Regenspurger 126 Regiment 99 regl 46 Regl 136 regnen 154 Reich 124 reichs 99 reidige 87 rein 99, 149 reissende 51
Wortverzeichnis reng 153 Rengsburg 154 rengt 154 rennen 156 Renntmaister 100 respect 118 reuffer 106 reumen 122 Reuschberst 140 rew 86 reyndel 149 rhfle 92 richtaten 40 Richter 136 Richteren 55 Ries 50 ritter 78 roch 142 Römer 164 rosch 140 rößlat 39 rot 165 roüt 71 Rube 109 ruck 114 rucken 114 Rucken 114 Ruckgabe 114 Rucksicht 114 Rudolf 150 rueten 163 Rueten 92, 163 ruhe 48 rümen 122 sabel 111 sach 51 Sachen 149 Sacrament 41 Saft 31 sag 52 sagen sähe 56 sait 100 Saite 98, 281 f. Saiten 98 saitenn 98
sal 69 Saltzsämer 105 Salzbrunnen 80 salzsoumaere 105 sambt 149 san 160 sarc 130 sarch 130 Sarch 130 Sarche 130 Sarchen 130 Särchen 130 sarg 69 säumen 122 Säumen 122 SSmer 105 säumet 122 saumeten 122 saure 51 sbert 138 sbester 138 scamal 111 scamil 111 Schacher 108 Schaden 95 schalick 67 schall 32 schamel 111 schämel 111 schämen 110 schammen 111 schampten 111 Schand 48 schänes 73 scharpf 136, 266 schSrpff 136 schSrpffe 136 schärpfen 136 scharpfer 136 scharpfes 136 scharpff 136 scharpffe 136 Schärpffe 49 scharpffen 136 Scharpffsinnigkeit scharppfes 136
362 Scharwerch 131 schäumen 122 Schäumen 122 schaumende 122 schaytel 172 schedleichkait 65 scheff 34,266 scheffman 34 scheflewt 34 Scheflohn 34 schefreychen 34 Scheibe 56 Schemen 110 schepfen 74 schepfen 73 schepfet 74 schepffer 74 scherm 34, 266 schermen 34 schermer 34 scherpff 136 scheuer 173 scheune 287 scheute 52 schickhung 130 schieben 173 schiff 34 schiffel 169 schirm 34, 117 schlaff 52 schlaffkemerl 169 schlafft 159 Schlagte 158 schieinigem 87 Schiissel 83 schloff 29 schlosch 140 Schlüpfrig 116 schmirtzhafft 36 schmirzen 36 schmirzhaft 35 schmirzhaft 266 schmficken 114 schmfickt 114 schneiben 138 schneid 136
Wortverzeichnis schneybt 138 schof 30 schoffen 29 schol 141 schollen 141 scholt 141 schßne 51 schonew 86, 178 schöpfen 73 schöpfen 74 schöpften 74 schoppen 173, 267 schfildig 118 schraube 134 schrauf 134, 134 schraufen 134 schraufte 134 schrecken 105 Schreibere 55 schreibet 45 schrepfen 74 Schrepffeysen 74 schrick 34, 266 schricken 34 schrickig 34 schriebe 57 schritten 51 Schriftsteilere 55 schröpfen 74 schr6pffen 74 schuch 143 Schuch 93 schuech 142 Schuech 93, 142 schüfprüchig 61 schulde 56 schuldig 118, 266, 282 Schuldner 282 Schuler 109 schulldig 117 schullen 141 schullig 153 schult 56, 141 schümen 122 schupfen 135 Schuppen 135
Wortverzeichnis Sch firms 61 schflster 92 Schutz 117 Schfitz 117 Schütz 117 schützen 117 Schwab 50 Schwaiff 97 Schwaig 101 schwaiß 97 Schwäre 49 schwartze 51 schwelgten 158 schweren 73 schwert 136 Schwert 71 Schwesteren 55 Schwoach 101 schwör 52 schwören 73 schwörn 74 SchwSrtze 49 scolen 141 sechen 143 sechs 115 seckch 130 See=Rauber 119 Seel 48 Seele 56 Seelen=Heyl 99 seginsa 183 segit 100 segnen sehe 52 sehen 57 sei 87 Seiten 163 Seitenspiel 98 seitten 175 selm 154 senden 156 setze 52 setzet 45 seumen 122 seumeten 122 sew 87
seynd 160 seytten 175 st 88 sibenczig 115 sicherleichen 65 siech 59 siechst 59 siecht 59 siehe 158 siehst 60 sieht 60 siesses 95 Sig=Predig 152 sihe 57, 158 silbrein 64 singe 53 singet 45 singte 158 slagen 148 smalcz 136 smirzen 35 sneydund 41 sniwen 138 Soft 31 söhn 77, 154 Sohn 80 sol 141 solche 51 Soldaten 128 Solidus 82 soll 141 sommer 77 Sommerbier 79 Sommerblaim 94 sonder 79 Sonn 48 sonnder 78 sonne 77 Sonnen 82 Sonnenlicht 90 sonntag 77 sonst 79 Sontag 78 sonter 129 speyß 113 Spiegel 89
364 spil 89 spill 89 Spindl 46 sprechund 41 sprich 158 sprichst 161 Sprüch 99 spül 61, 191 sfisse 51 stadel 173 Stadel 173 Stadl 173 Stadtpflegere 55 Staffel 173,267 Staffel 173 Staffeln 173 stain 32 stainige 51 Stains-Trimmer 83 stamm 111 Stand 50 stat 86, 167 steckhen 130 stehet 45 steigen 101 stein 48 Steizen 147 stelle 52 stellet 45 Stelzen 147 stengel 35 steten 37 steuf 85 steüffbrueder 85 steuffuatter 85 steufmuter 85 steüfsun 85 Steuftochter 85 Steufvater 85 Stiegen 163 stingel 35 stirb 158 stoagn 101 Stoan 101 Stoiz 147 stöllen 191
Wortverzeichnis stöllen 37 Stolz 147 Stoß 71 stoßte 158 Stouß 71 sträen 105 straffe 53 Strahlen 118 streit 129 streuen 185 strey 105 strikch 130 ströuwe 105 ströuwen 105, 185 Stuben 163 Stuck 114 stück 115 stück 115 Stück 114 stücke 115 Stücke 114 Stucke 114 stückel 115 stucken 114 Stuckh 130 stückl 115 stücklein 83 Stücklein 115 stücklein 115 stuel 39 Stuel 92 stüel 92 Stufe 173 stund 149 stundon 29 sturmende 118 sturmisch 118 suchte 52 suechen 92 süess 166 suln 141 sümen 122 sumer 79 summer 77 Summer 79 Summerhauß 79
Wortverzeichnis sun 78 sfln 76, 180 Sfln 76 Sfind 120 sünd 51, 120 Sünde 119 sunder 78 sundt 120 sunn 77 sunnder 77 sunnen 78 sunst 79 sunsten 77 suntag 77 suppen 163 swein 103 sweren 74 tabernackel 60 Tach 128 tachrinne 128 tachter 69, 86 Tafeln 51 täg 106 tig 162 Tig 162 tage 70 Tage 162 Tages 45 taglich 111 tags 45 taig 97 tain 94 tancket 128 tapfer 128 tauben 163 Tiucher 108 taufen 123, 282 tauff 85 tauffen 123 Tauffers 109 tausend 82 techtern 73 tegel 35,266 tegleich 65, 178 tegula 35 tenck 175
tencke 175 tencken 175 Tencken 175 tenk 174,265,267 Teucher 109 teuf 85, 86 teufen 272 teuffen 124 teutschen 149 Teütschen 78 tewff 85 thail 97 thain 94 than 43 Thier 50 Thiere 50 Thor 147 thQen 92 thüer 76 thuet 165 thfit 92 thumb 118 Thunagä 105 thur 118 Tiechel 95 Tieffe 49 tiegel 35 tier 41 Tieren 149 Tinte 128 Tisch 49 Tische 49 tischl 169 tobundes 41 Tochter 70 tod 149 tödte 52 toed 72 toge 70 topf 172 torat 39 Torten 127 tracken 136 träet 103 tragen 43 trager 108
366 traget 159 trägst 159 tragt 159 trait 100 träm 105 Tranckh 130 trät 103 träumen 123 Traumer 108 Traurigkeit 130 Traurigkheit 130 Trawmt 123 trayt 100 tregit 100 triegen 91 triff 158 trimmern 83 tringen 128 tringenden 128 tringt 128 Trinitat 86 Trinkgeschfirr 61 Tr6ber 37 trockner 83 troen 128 troffen 43 trois 184 trommel 78 tröpflein 154 Tröste 269 troster 108 Troungen 128 troust 71 Trfichl 143 truck 128 Truck 128 trucken 83 truckens 83 Trückerey 115 Trückne 49 trug 121 trügen 91 trummel 77, 79, 78 truncken 43 trfincken 61 Tuech 92
Wortverzeichnis tüer 76 tueren 76 tuncket 120 tungen 266 tunngen 119 tuon 94 tür 140 türr 128 turstet 128 turstig 128 tutt 165 tzannd 151 überbinden 138 überhaupts 151 überwintlicher 129 überwünder 61 Ueberhaupts 151 ungew6ndliche 149 ungewönlich 149 Ungläubigen 124 unkfindig 121 unruhige 95 unterdrucken 116 unterdrücken 116 unterhaltete 158 Untertonen 265 unversSumet 122 vackeln 163 varib 66 varund 41 vastat 40 väterleich 65 Vatter 41 Vatterlande 48 vbertreffliche 51 Veich 91 veld 154 verabsäumten 122 verbicht 127 verbrennt 156 verbrent 156 verdambbuß 110 Verdammnis 282 Verdammnis 110 Verdammnfis 110 verdammnuss 110
367
Wortverzeichnis Verdamnuß 110 verdenckt 157 Verdruß 93 verduschen 127 Verehrere 55 Verehreren 55 verffiegen 94 verffieren 94 verfüerische 51 Vergessenheit 113 vergolden 82 vergrabt 159 vergulden 118 vergfilden 82 vergünnen 81 verhengknus 168, 178 verhengnuß 168 verhillen 84, 191 verhinderen 57 verkaufen 123 verkeuffen 124 verkinde 83 verlaßt 159 verlaugnen 272 verleugnen 123, 272 vermonet 29 vernimb 158 verpargen 69 verplendt 47 verprent 156 verprinet 36 Versammlunge versäum 122 Versaumbte 122 versäumen 122 versäumte 122 versawmen 122 verschmechung 143 verschoppen 173 verschoppet 173 verschopptens 173 versinkchen 130 versorget 45 verspräche 158 verstanntnuss 109 versteigern 101
verstentnuss 168 Verstoagern 101 versuech 52 Vertheidigere 55 vertilgit 67 vertrießlich 128 verwaisten 98 verwfiestung 94 verzeiche 143 Verzeichnis 168 verz6hrt 37 vespa 140 vich 142 Viehische 142 viech 59 Viech 143 Vieh 6 0 , 9 1 vier 103 vierern 95 vil 124 vinsternuß 168 virsten 83, 191 vlehenlich 182 vnbegreuflich 106 vnbekimmert 83 vnchristliche 51 vndäen 105 vnderdruckhen 116 vnderthonen 29 vngelirnig 34 vngelück 116 vngesundem 165 vngetrßst 47 vngewondlichen 149 vngewüß 61 vnglaubige 124 Vnglaubigen 124 vnkeisch 87 vnnder 164 vnnfitz 116 vnnfitze 116 vnnfitzlich 117 vnnutz 116 vnnütz 116 vnnütze 116 vnpersßndlich 149
368 vnschedleich 65 vnschuldig 117 vnschfildig 118 vnterdrficken 115 vnverschambt 111 vnverschampter 111 vock 146 vol 174 volg 52 volick 67 voligt 67 volkömlich 113 Volks 45 vollendt 47 Vorbereutung 106 vorcht 82 vorlauffer 108 Vorster 108 vortringlich 128 vröude 105 vröuwen 185 Vrsachen 51 waar 51 wach 52 wachat 40 Wachskßrtz 37 wachst 159 W achter =Ambt 109 wachund 41 Wade 165 Wadel 165 Wader 133 waed 103 Wagen 162 wägen 162 waid 97 wainen 97 Waise 98, 281 f. Waisen=Hauß 98 Waisenpfleger 98 Waizen 97 Walde 55 Walfart 113 wambe 144 wampen 144 wanen 69
Wortverzeichnis Wang 166 want 150 wanung 69 ware 51 warew 86 warmit 166 wart 85 wartaten 40 warumben 144 wascht 159 waschten 158 wasrein 65 wasser 34 wasserteufen 123 wast 146 Waum 133 waynund 41 weise 139 wege 55 wegeren 132 wehend 132 wehölt 37 weibel 149 weich 142 Wein 169 weinat 40 Weingartner 108 weiß 111 weite 51 weiten 49 weit 86 wenden 156 wenig 165 wenigist 41 wenn 171 Wenno 133 wepse 140 wepsn 139 wer 85 weraiten 132 werch 130, 131 werchstatt 131 werck 49, 86 wercken 73 werden 119 werich 67
Wortverzeichnis werichen 67 werk 130 Werk 49 Werkschuch 142 werme 32 weschaffen 132 wesitzen 132 wespe 140 westentig 129 wetrachten 132 wetrübt 132 wew 85, 86 weyb 86 weywer 132 wibel 132 Wichern 143 Widergang 111 widerhollet 45 widerwärtig 111 wier 59, 60, 191 wiert 59 wieten 95 wieyr 59 Wihr 60 Wildtnus 168 Will 48 Wind 118 Winder 133 winschen 83, 266 wircken 63 wircket 45 wird 63 wirde 64, 266 wirden 63 wirdest 47 wirdet 47 wirdig 64, 266 wirdigkait 63, 64 wirken 62, 63, 157 wirklich 63 Wirklichkeit 63 Wirkung 63 Wirkung 63 wirm 32 wirme 32, 265 Wirth 48
wissund 41 Witterung 83 Witwen 98 wochenlich 113 wohn 29 wölch 37 wölche 37 wölchen 37 w6lches 37 W6lff 51 w6lle 52 wolkchen 130 wollust 99 wonder 80, 281 wonne 77 Wonnemonat 79 wör 37 worden 43 worhait 29, 919 Worte 118 worten 154 wortlein 113 worzaichen 29 wourt 71 wrieff 132 wSnderliche 121 Wünsch 48 wfir 61 wfircken 63 wfircklich 63 Wfirckung 63 Wfirde 64 wfirdig 64 wfirdigkait 64 wfirklich 63 wfirklich 63 wflrm 76, 191 wflt 92 wuecher 92 wuetund 41 wunder 80 wunderlich 120 wünderlich Wunderstuck 46 Wundtärtzt 48 wunn 79
370 wunnigklicher 79 wünschen 157 wunten 85 wür 191 Würbel 61 würchlich 63 würcken 63 würckung 63 wurd 119 würde 63, 64 würdig 64 Würdigkeit 64 Würger 133 würken 62, 63 würken 266 wurkjan 63 würklich 63 würkung 63 wurmige 51 würml 169 wüssen 61 wüste 52 yber 83 yeben 95 ympp 144 Ympp 144 ymppen 144 zächer 143 zaigt 97 zal 82 zäm 105 zand 151, 175 zandes 151 zant 151 zarnig 69, 191 zauberer 108, 282 zaubern 123 zbay 138 zechen 143 zedel 128 Zedelein 128 zederpam 105 zederpamm 105 zend 151 zenden 151 zendschlag 151
Wortverzeichnis zenndt 151 zerat 40 zerittung 83 zersträt 105 zersträung 105 zetel 128 Zetteln 116 Zettl 46 Zeuber 124 Zeuberer 108 zeubern 124 Zeugnuß 168 zeugnüß 68 ziechen 143 ziege 172 Ziehborne 80 ziehet 45 ziehn 166 zierlichist 41 Zifferen 55 Zitteren 57 Zoagn 101 Zoan 147 zöge 56 zoign 101, 184 Zorn 147 zoum 105 zuerkennt 156 zuffiegen 95 zugethon 29 zungen 151 zfl 92 zflkunft 80 zim 105 zäms 105 zurfick 114 zurecht 52 zuruck 114 Zustande 55 zwaeten 103 zwaintzig 103 zwainzig 103 zwanzig 103 zwanzigsten 103 zwar 166 zwei 128
Wortverzeichnis zweinzig 103 zwelf 74 zwelff 74 zwelif 67 zwen 130 zwibfl 134 zwibolle 165 zwiebel 134 Zwiebel 165 zwiefel 134
zwifaln 133 Zwifel 134 zwifelß 165 Zwiffel 134 Zwiffl 134 zwivalt 134 zwölf 74 zwölf 74 zwfilff 74
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Walter de Gruyter Berlin · New York
STUDIA LINGUISTICA GERMANICA JONATHAN W E S T
Lexical Innovation in Dasypodius' Dictionary A contribution to the study of the development of the Early Modern German Lexicon based on Petrus Dasypodius'Dictionarium Latinogermanicum, Strassburg 1536 Groß-Oktav. XV, 486 Seiten. 1989. Ganzleinen DM 176,1SBN 3 11 Ol 1360 0 (Band 24) FELICITY RASH
French and Italian lexical influences in German-speaking Switzerland (1550-1650) Groß-Oktav. XII, 411 Seiten. 1989. Ganzleinen DM 172,ISBN 3 11 011862 9 (Band 25) ANDREAS LUDWIG
Die deutsche Urkundensprache Churs im 13. und 14. Jahrhundert Graphemik, Phonologie und Morphologie Groß-Oktav. XII, 358 Seiten, 8 Abbildungen. 1989. Ganzleinen DM 158,- ISBN 3 11 012241 3 (Band 26) WILLIAM J. JONES
German Kinship Terms (750-1500) Documentation and Analysis Groß-Oktav. XI, 282 Seiten, 4 Klapptafeln. 1990. Ganzleinen DM 124,- ISBN 3 11 012023 2 (Band 27) Preisänderungen vorbehalten
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Walter de Gruyter Berlin · New York
STUDIA LINGUISTICA GERMANICA PETER AUER
Phonologie der Alltagssprache Eine Untersuchung zur Standard/Dialekt Variation am Beispiel der Konstanzer Stadtsprache Groß-Oktav. X, 358 Seiten, diverse Abbildungen. 1990. Ganzleinen DM 164,- ISBN 3 11 011954 4 (Band 28) SUSANNE M .
RAABE
Der Wortschatz in den deutschen Schriften Thomas Murners Band 1: Untersuchungen - Band 2: Wörterbuch Groß-Oktav. Band 1: XVIII, 404 Seiten. 1990. Band 2: XXXVIII, 816 Seiten. 1990. Ganzleinen DM 358,- ISBN 3 11 012456 4 (Band 29) JELLE STEGEMAN
Übersetzung und Leser Untersuchungen zur Übersetzungsäquivalenz dargestellt an der Rezeption von Multatulis "Max Havelaar" und seinen deutschen Übersetzungen Groß-Oktav. XVI, 555 Seiten. 1991. Ganzleinen DM 232,ISBN 3 11 012470 X (Band 30) ELISABETH LEISS
Die Verbalkategorien des Deutschen Ein Beitrag zur Theorie der sprachlichen Kategorisierung Groß-Oktav. VI, 334 Seiten, zahlreiche Tabellen. 1992. Ganzleinen DM 140,- ISBN 3 11 012746 6 (Band 31)
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