Mitwirkungs- und Kooperationspflichten von Anteilsinhabern und Gläubigern von Kapitalgesellschaften in vorinsolvenzlichen Sanierungsverfahren: Zugleich eine Analyse von Eingriffsrechten in Mitgliedschaftsrechte der Anteilsinhaber in der Krise der Gesellschaft [1 ed.] 9783428558322, 9783428158324

Unternehmen lassen sich in vorinsolvenzlichen, außergerichtlichen Sanierungsverfahren häufig effektiver und erfolgreiche

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German Pages 210 [211] Year 2020

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Mitwirkungs- und Kooperationspflichten von Anteilsinhabern und Gläubigern von Kapitalgesellschaften in vorinsolvenzlichen Sanierungsverfahren: Zugleich eine Analyse von Eingriffsrechten in Mitgliedschaftsrechte der Anteilsinhaber in der Krise der Gesellschaft [1 ed.]
 9783428558322, 9783428158324

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Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Band 156

Mitwirkungs- und Kooperationspflichten von Anteilsinhabern und Gläubigern von Kapitalgesellschaften in vorinsolvenzlichen Sanierungsverfahren Zugleich eine Analyse von Eingriffsrechten in Mitgliedschaftsrechte der Anteilsinhaber in der Krise der Gesellschaft

Von

Fabian Brocke

Duncker & Humblot · Berlin

FABIAN BROCKE

Mitwirkungs- und Kooperationspflichten von Anteilsinhabern und Gläubigern von Kapitalgesellschaften in vorinsolvenzlichen Sanierungsverfahren

Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Herausgegeben von Professor Dr. Holger Fleischer, LL.M., Hamburg Professor Dr. Hanno Merkt, LL.M., Freiburg Professor Dr. Gerald Spindler, Göttingen

Band 156

Mitwirkungs- und Kooperationspflichten von Anteilsinhabern und Gläubigern von Kapitalgesellschaften in vorinsolvenzlichen Sanierungsverfahren Zugleich eine Analyse von Eingriffsrechten in Mitgliedschaftsrechte der Anteilsinhaber in der Krise der Gesellschaft

Von

Fabian Brocke

Duncker & Humblot · Berlin

Der Fachbereich Rechtswissenschaft der Philipps-Universität Marburg hat diese Arbeit im Jahre 2019 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2020 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: 3w+p GmbH, Rimpar Druck: CPI buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 1614-7626 ISBN 978-3-428-15832-4 (Print) ISBN 978-3-428-55832-2 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2018/2019 vom Fachbereich Rechtswissenschaften der Philipps-Universität Marburg als Dissertation angenommen, Rechtsprechung und Literatur konnten bis Dezember 2018 berücksichtigt werden. Ich bedanke mich an dieser Stelle herzlich bei meinem Doktorvater Prof. Dr. Wolfgang Voit für seine Unterstützung und seinen Rat bei der Erstellung dieser Arbeit. Mein Dank gilt auch Prof. Dr. Johannes Wertenbruch für die Übernahme und sehr schnelle Erstellung des Zweitgutachtens. Auch bei meinen Kollegen, allen voran Herrn Dr. Sven Tischendorf und Herrn Dr. Matthias Müller, ohne die die Erstellung dieser Arbeit nicht möglich gewesen wäre, möchte ich mich herzlich bedanken. Und ganz besonders möchte ich mich natürlich bei meiner Familie, allen voran meinen Eltern und meiner Ehefrau Raphaela, für die Unterstützung und Motivation während der Anfertigung dieser Arbeit bedanken. Und am wichtigsten, bei meinen Kindern Henry, Lilly und Noah, die an manchem Samstagmorgen auf mich verzichtet haben. Frankfurt am Main, im September 2019

Fabian Brocke

Inhaltsverzeichnis A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 I. Gegenstand und Problematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 II. Methodik und Gang der Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 B. Die Unternehmenskrise als Ausgangspunkt der Sanierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 I. Notwendigkeit der Sanierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 1. Merkmale einer Krise, Krisenursachen und Krisenstadien . . . . . . . . . . . . . . . 22 a) Begriffsbestimmung einer Krise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 b) Krisenursachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 c) Krisenarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 2. Die Sanierung des Krisenunternehmens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 a) Begriffsbestimmung einer Sanierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 b) Begriffsbestimmung Reorganisation und Restrukturierung . . . . . . . . . . . . . 28 c) Die Sanierungsfähigkeit des Unternehmens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 II. Denkbare Sanierungsmaßnahmen im Rahmen außergerichtlicher Sanierungen 31 1. Verringerung von Finanzverbindlichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 a) Schuldenschnitt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 b) Rangrücktritt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 c) Debt-Equity Swap . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 d) Stillhalteabkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 e) Sanierende Verschmelzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 2. Zuführung von Liquidität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 a) Finanzierung über Eigenkapital . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 aa) Kapitalschnitt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 bb) Kreditfinanzierung durch Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 b) Fremdfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 III. Vor- und Nachteile einer außergerichtlichen Sanierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 1. Vorteile der außergerichtlichen Sanierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 a) Kürzere Verfahrensdauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 b) Größere Flexibilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 c) Keine Publizitätswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 d) Kostenvorteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 e) Höhere Erfolgschancen der Sanierung bei frühzeitiger Einleitung . . . . . . . 42 aa) Anreize zu einer früheren Einleitung von Sanierungsmaßnahmen . . . . 43

8

Inhaltsverzeichnis bb) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 2. Nachteile der außergerichtlichen Sanierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 a) Einbindung dissentierender Gesellschafter und Gläubiger . . . . . . . . . . . . . 48 b) Rechtliche Hindernisse der vorinsolvenzlichen Sanierung . . . . . . . . . . . . . 48 aa) Keine Vollstreckungssperre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 bb) Fehlende Anreize zur Gewährung von Sanierungsdarlehen und Haftungsrisiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 cc) Keine Wahlmöglichkeit bei Abwicklung schwebender Rechtsgeschäfte 52 dd) Keine Kündigungssperre für Miet- oder Pachtverhältnisse . . . . . . . . . 52 ee) Arbeitsrechtliche Hindernisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 ff) Weitere insolvenzrechtliche Vorteile des Insolvenzverfahrens . . . . . . . 54 c) Haftungsrisiken bei vorinsolvenzlichen Sanierungsverfahren . . . . . . . . . . . 54 aa) Haftung aufgrund faktischer Organstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 (1) Haftungsrisiken der GmbH-Gesellschafter als faktische Geschäftsführer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 (2) Haftungsrisiken der Banken als faktische Geschäftsführer . . . . . . . 57 bb) Haftung der Banken auf Grund konzernrechtlicher Maßstäbe . . . . . . . 58 3. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61

C. Sanierungsbeiträge der Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 I. Die Gesellschaftsrechtliche Treuepflicht als Rechtsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 1. Entwicklung und dogmatische Herleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 a) Entwicklung der Treuepflicht in der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 aa) Entwicklung der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 bb) Ablehnung durch Flume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 b) Dogmatische Herleitung der Treuepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 aa) Gesetzliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 bb) Begründung von Rechtsbeziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 (1) Rechtsbeziehungen der Gesellschafter zur Gesellschaft . . . . . . . . . 71 (2) Rechtsbeziehungen der Gesellschafter untereinander . . . . . . . . . . . 71 cc) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 2. Ausprägungen der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 a) Treuepflicht der Gesellschafter gegenüber der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . 74 aa) Rücksichtnahmepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 bb) Förderpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 b) Treuepflicht der Gesellschafter untereinander . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 c) Treue- bzw. Aufopferungspflicht der Gesellschafter gegenüber Gläubigern 77 II. Inhalt und Umfang der Treuepflicht in der Sanierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 1. Strukturierung des Inhalts der Treuepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 a) Schutzrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 b) Verhältnismäßigkeit der Sanierungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85

Inhaltsverzeichnis

9

2. Mitwirkungspflichten bei Gesellschafterbeschlüssen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 a) Schranken- und Förderfunktion bzw. Enthaltung oder Zustimmungspflicht 86 aa) Schrankenfunktion – Beschränkungen des Stimmrechts . . . . . . . . . . . 88 (1) Ablehnung der Rechtsfigur der wirkungsbezogenen Treuepflicht 88 (2) Schutzrichtung der Treuepflicht bei Stimmenthaltung . . . . . . . . . . 89 bb) Förderfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 b) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 III. Sanierungsmaßnahmen und Zustimmungspflichten der Gesellschafter . . . . . . . . 93 1. Erscheinungsformen und Voraussetzungen von Sperrminoritäten . . . . . . . . . . 93 a) Qualifizierte Mehrheitserfordernisse AG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 b) Qualifizierte Mehrheitserfordernisse GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 c) Regelungsmöglichkeiten in der Satzung der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . 95 aa) Regelungsmöglichkeiten Satzung AG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 bb) Regelungsmöglichkeiten Satzung GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 2. Zustimmungspflichten bei Sanierung durch Kapitalschnitt . . . . . . . . . . . . . . . 97 a) Zustimmungspflicht zur Kapitalherabsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 aa) Vorteile vereinfachter gegenüber ordentlicher Kapitalherabsetzung . . 98 bb) Zweck der vereinfachten Kapitalherabsetzung in der Sanierung . . . . . 100 cc) Ablauf der vereinfachten Kapitalherabsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 dd) Kooperations- und Mitwirkungspflichten der Gesellschafter . . . . . . . . 103 b) Zustimmungspflicht zur Kapitalerhöhung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 aa) Ordentliche Kapitalerhöhung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 (1) Vor- und Nachteile der ordentlichen Kapitalerhöhung . . . . . . . . . . 105 (2) Ablauf und Mehrheitserfordernisse der ordentlichen Kapitalerhöhung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 (3) Kooperations- und Mitwirkungspflichten der Gesellschafter . . . . . 108 (4) Alternativvorschlag: Zustimmungspflicht auch in früheren Krisenstadien? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 (5) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 bb) Kapitalerhöhung aus genehmigtem Kapital . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 c) Sonderkonstellation 1: Kapitalherabsetzung auf Null und Kapitalerhöhung 112 d) Sonderkonstellation 2: Debt-Equity Swap . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 aa) Vor- und Nachteile des Debt-Equity Swap in der Sanierungssituation 116 bb) Rechtliche Umsetzung Debt-Equity Swap . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 (1) Forderungen gegen Gesellschaft als Einlagegegenstand und Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 (2) Beschlussfassung und weiterer Ablauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 cc) Zustimmungspflicht der Altgesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 3. Zustimmungspflicht bei der Übertragung vinkulierter Geschäftsanteile . . . . . 123 a) Vinkulierung von Namensaktien und Geschäftsanteilen . . . . . . . . . . . . . . . 124

10

Inhaltsverzeichnis b) Zustimmungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 4. Pflicht zur Übertragung des eigenen Anteils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 5. Zustimmungspflicht bei sanierender Verschmelzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 a) Hintergrund und Zweck der sanierenden Verschmelzung . . . . . . . . . . . . . . 130 b) Zustimmungspflicht zur sanierenden Verschmelzung . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 aa) Zustimmungspflicht der Gesellschafter der übertragenden Gesellschaft 132 bb) Zustimmungspflicht der Gesellschafter der übernehmenden Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 6. Weitere Mitwirkungs- und Kooperationspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 IV. Rechtsfolgen bei Verstoß gegen Treuepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 1. Stimmrechtsausübung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 a) Anfechtungs- und positive Beschlussfeststellungsklage . . . . . . . . . . . . . . . 136 b) Leistungsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 c) Einstweiliger Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 aa) Einstweiliger Rechtsschutz im Vorfeld der Beschlussfassung . . . . . . . 139 bb) Einstweiliger Rechtsschutz nach erfolgter Beschlussfassung . . . . . . . . 139 cc) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 d) Schadensersatzpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 2. Weitere Treuepflichtverstöße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 V. Zusammenfassung und Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141

D. Eingriffsrechte in Mitgliedschaftsrechte der Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 I. Ausschlussklauseln in Gesellschaftsverträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 1. Zwangseinziehung von Aktien in der AG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 2. Zwangseinziehung von Geschäftsanteilen in der GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 3. Nachteile der Zwangseinziehung in der Sanierungssituation . . . . . . . . . . . . . . 149 II. Ausschluss eines Gesellschafters aus wichtigem Grund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 E. Sanierungsbeiträge von Gläubigern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 I. Akkordstörer als Sanierungshindernis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 1. Rechtsprechung des BGH – Akkordstörer-Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . 153 2. Ansichten in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 II. Vorschläge zur Lösung der Akkordstörer-Problematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 1. Eingriff in Gläubigerrechte aufgrund Kooperationspflichten der Gläubiger 155 a) Dogmatische Grundlage von Kooperationspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 b) Kritik an dem Konzept von Eidenmüller und Stellungnahme . . . . . . . . . . . 159 c) Entstehung, Voraussetzungen und Inhalt von Kooperationspflichten . . . . . 163 aa) Zeitpunkt der Entstehung von Kooperationspflichten . . . . . . . . . . . . . . 163 bb) Inhalt und Umfang von Kooperationspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 (1) Verhandlungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 (2) Stillhaltepflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165

Inhaltsverzeichnis

11

d) Rechtliche Durchsetzbarkeit von Kooperationspflichten . . . . . . . . . . . . . . . 166 e) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 2. Vollstreckungsrechtlicher Schutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 3. Kreditversorgungspflichten der Banken in der Krise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 a) Darlehensbelassungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 aa) Schranken der ordentlichen Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 (1) Kündigung zur Unzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 (2) Rechtsmissbräuchliche Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 bb) Schranken der außerordentlichen Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 cc) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 b) Darlehensgewährungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 4. Prepackaged Plan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 a) Zulässigkeit Pre-Voted Plan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 b) Zulässigkeit schuldrechtlicher Stimmbindungsverträge . . . . . . . . . . . . . . . 175 c) Möglichkeiten und Vorteile eines Post-Voted Plan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 d) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 III. Zusammenfassung und Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 F. Gesamtergebnis und Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209

Abkürzungsverzeichnis a.A. AcP AG BaFin BayOLG BB BeckRS Begr. BetrVG BFuP BGB BGH BGHSt BGHZ BMJ BMWI BT BT-Drucks. bzw. CDDA CF DB DBW ders. d. h. Drucks. DStR DSWR DZWiR ESUG EWiR f./ff. FMStBG GbR GG GmbH GmbHG GmbHR GWR HGB

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Abkürzungsverzeichnis IDW IfM InsO i.S.d. i.V.m. JuS JW Kap. KO KSchG KStG KTS KWG LG MaRisk Mio. MoMiG m.w.N. NJOZ NJW No. NVwZ-RR NZG NZI OHG OLG OVG RegE RG RGZ Rn. RNotZ SchVG Sect. SoA SpruchG StGB UmwG URG USA VerglO VGH vgl. Vol. WM WPg WpÜG

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Institut der Wirtschaftsprüfer Institut für Mittelstandsforschung Insolvenzordnung im Sinne des/der in Verbindung mit Juristische Schulung Juristische Wochenschrift Kapitel Konkursordnung Kündigungsschutzgesetz Körperschaftsteuergesetz Konkurs-, Treuhand- und Schiedsgerichtswesen Kreditwesengesetz Landgericht Mindestanforderungen an das Risikomanagement Million Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen mit weiteren Nachweisen Neue Juristische Online Zeitschrift Neue Juristische Wochenschrift Number Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht – Rechtsprechungs-Report Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht Neue Zeitschrift für Insolvenz- und Sanierungsrecht Offene Handelsgesellschaft Oberlandesgericht Oberverwaltungsgericht Regierungsentwurf Reichsgericht Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Randnummer Rheinische Notar-Zeitschrift Schuldverschreibungsgesetz Section Scheme of Arrangement Spruchverfahrensgesetz Strafgesetzbuch Umwandlungsgesetz Unternehmensreorganisations-Gesetz United States of America Vergleichsordnung Verwaltungsgerichtshof vergleiche Volume Wertpapier-Mitteilungen Die Wirtschaftsprüfung Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz

14 WpÜG-AngV ZGR ZHR ZInsO ZIP ZPO ZZP

Abkürzungsverzeichnis WpÜG-Angebotsverordnung Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zivilprozessordnung Zeitschrift für Zivilprozess

A. Einleitung I. Gegenstand und Problematik Knapp zehn Jahre nach Inkrafttreten der Insolvenzordnung am 1. Januar 1999 entschied sich der Gesetzgeber zu einer weiteren Reform der Insolvenzordnung (InsO). Am 23. Februar 2011 brachte das Bundeskabinett durch einen Regierungsentwurf das überwiegend am 1. März 2012 in Kraft getretene Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) auf den Weg, insbesondere, um die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die Sanierung1 reformbedürftiger und -fähiger Unternehmen zu erleichtern.2 Der Gesetzgeber hat sich beim ESUGReformgesetz jedoch bewusst gegen die Implementierung eines vorinsolvenzlichen Sanierungsverfahrens – etwa nach englischem Vorbild des sogenannten Scheme of Arrangement (SoA)3 oder des procédure de sauvegarde4 nach französischem Recht – entschieden.5 Die vorinsolvenzlichen Sanierungsverfahren nach englischem und französischem Recht bieten sanierungsbedürftigen Unternehmen vor Eintritt der Insolvenz – und im Falle des englischen SoA sogar unabhängig von einer Krise der Gesellschaft – die Möglichkeit, ein für alle Beteiligte verbindliches Sanierungskonzept zu entwickeln und sich mit den Gesellschaftern und Gläubigern per Mehrheitsentscheidung6 auf erforderliche Sanierungsmaßnahmen zu einigen. Die Einbindung von Gläubigern und Anteilsinhabern in ein Sanierungskonzept unter 1 Etymologisch entstammt der Begriff Sanierung dem lateinischen Verb „sanare“ (= heilen, bessern bzw. gesund machen), vgl. hierzu Portisch, in: Finanzierung im Unternehmenslebenszyklus, S. 541; Hess/Groß, Sanierungshandbuch, S. 14. 2 Begr. RegE ESUG, BT Drucks. 17/5712, S. 17. 3 Das Scheme of Arrangement ist in Sect. 895 – 901 Companies Act 2006 geregelt, abrufbar unter http://www.legislation.gov.uk/ukpga/2006/46/contents (letzter Abruf 10. November 2017). 4 Die procédure de sauvegarde ist in Art. L620-1 ff. des Code de Commerce geregelt, abrufbar unter http://www.legifrance.gouv.fr/affichCode.do?cidTexte=LEGITEXT0000056343 79&dateTexte=20150828 (letzter Abruf 10. November 2017). 5 Die Regelungen des englischen Scheme of Arrangement haben – vor Inkrafttreten des ESUG – etwa die deutschen Unternehmen Tele Columbus GmbH, Rodenstock GmbH und Primacom Holding GmbH erfolgreich durchlaufen. Die procédure de sauvegarde wurde beispielsweise im Rahmen der Restrukturierung der Betreibergesellschaft für den Kanaltunnel zwischen Frankreich und Großbritannien, Eurotunnel, im Jahre 2005 erfolgreich angewandt. Die Umschuldung wurde mit einer knappen Zweidrittelmehrheit der Insolvenzforderungen von beiden Gläubigerausschüssen und der Hauptversammlung aller Inhaber von Schuldverschreibungen gebilligt. 6 Für eine Mehrheitsentscheidung gemäß SoA ist regelmäßig eine 3/4-Mehrheit erforderlich, während für eine procédure de sauvegarde eine 2/3-Mehrheit ausreichend ist.

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A. Einleitung

deutschem Recht ist im Vorfeld einer Insolvenz demgegenüber deutlich schwieriger. Dennoch entspricht es weit verbreiteter Ansicht in Praxis und Forschung, dass sich in der Krise befindliche Unternehmen in vorinsolvenzlichen, außergerichtlichen Sanierungsverfahren häufig effektiver und erfolgreicher restrukturieren lassen als in insolvenzrechtlichen Sanierungsverfahren, die den Regelungen der Insolvenzordnung unterliegen.7 Neben Kosten- und Effizienzvorteilen ist mangels Publizität8 besonders ein deutlich geringerer Reputationsverlust des jeweiligen Unternehmens im Vergleich zum Insolvenzfall entscheidend.9 Andererseits gibt es zahlreiche Hindernisse, die die Vorteile eines vorinsolvenzlichen Sanierungsverfahrens aufwiegen und die Implementierung eines tragfähigen Sanierungskonzepts vereiteln können. Insbesondere bei Sanierungsverfahren mit vielen, unterschiedliche Interessen verfolgenden Beteiligten können die auftretenden Kollektivhandlungshindernisse10 den Erfolg eines außergerichtlichen Sanierungsverfahrens gefährden.11 Sofern ein Unternehmen sanierungsfähig ist und für die Gläubiger gleichzeitig die Aussicht auf eine höhere Befriedungsquote besteht, ist es Aufgabe insbesondere der Geschäftsleitung eines Unternehmens, die Gläubiger für die Unterstützung eines Sanierungsverfahrens und damit einhergehend zur Leistung von Sanierungsbeiträgen zu gewinnen. Die Gläubiger des bedrohten Unternehmens, allen voran die finanzierenden Banken, verfolgen im Vorfeld einer Unternehmensinsolvenz eigene Interessen und sind im Falle einer Insolvenz an einer möglichst hohen Befriedigungsquote interessiert und regelmäßig nur unter bestimmten Voraussetzungen, insbesondere bei Stellung neuer Sicherheiten, bereit, weitere Darlehen zu gewähren und damit neues Kapital zuzuführen.12 Eines der zentralen Hindernisse vorinsolvenzlicher Sanierungsverfahren besteht darin, dass es nach Ansicht des Bundesge7 Vgl. etwa Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 263 f.; 331 ff.; Uhlenbruck, BB 2001, 1641 (1643 ff.); Uhlenbruck, in: Knops/Bamberger/Maier-Reimer, Recht der Sanierungsfinanzierung, § 5, Rn. 11 ff.; Maus, in: Römermann, Hdb Steuerberater, Rn. 86; Braun, Die vorinsolvenzliche Sanierung von Unternehmen, S. 24; Liebig/Witt, DB 2011, 1929 (1929). 8 Im gerichtlichen Insolvenzeröffnungsverfahren ist das zuständige Gericht gemäß § 30 Abs. 1 InsO verpflichtet, die Verfahrenseröffnung öffentlich bekannt zu machen; darüber hinaus hat das Gericht gemäß § 23 Abs. 1 InsO Verfügungsbeschränkungen des Schuldners nach § 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO sowie die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters öffentlich bekannt zu machen. Bei börsennotierten Aktiengesellschaften ist die Ad-hoc Publizitätspflicht gemäß § 15 WpHG zu beachten, im Einzelfall muss ein Antrag auf Befreiung von der Publizitätspflicht bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) gestellt werden, vgl. hierzu ausführlich Schneider, BB 2001, 1214 ff.; Kocher/Widder, NZI 2010, 925 ff. 9 So auch Uhlenbruck, in: Schmidt/Uhlenbruck, Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, Rn. 2.1. 10 Der Begriff des Kollektivhandlungshindernisses wurde besonders von Eidenmüller geprägt, der darunter das Risiko versteht, dass kollektiv nützliche Maßnahmen auf Grund opportunistischen Verhaltens Einzelner scheitern und die Ausfälle der Betroffenen deshalb noch höher sind, als sie im besten Fall sein müssten, vgl. Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 634. 11 Vgl. ebenfalls Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 264. 12 Vgl. zur Interessenlage der Banken z. B. Wittig, in: Schmidt/Uhlenbruck, Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, Rn. 2.230 f.

I. Gegenstand und Problematik

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richtshofs nicht möglich ist, opponierende Gläubiger durch Mehrheitsentscheidungen im Rahmen des außergerichtlichen Sanierungsverfahrens zu überwinden.13 Die fehlende Möglichkeit einer Majorisierung dissentierender Gläubiger führt regelmäßig zu einem Phänomen, das in der Spieltheorie unter dem Begriff Gefangenendilemma zusammengefasst wird.14 Jeder von der Insolvenz Betroffene, also sowohl Repräsentanten des Unternehmens, Anteilsinhaber und Gläubiger des Unternehmens, sind sich darüber bewusst, dass im Rahmen der Reorganisation Sanierungsbeiträge geleistet werden müssen, um noch größere Verluste abzuwenden, die bei einer Liquidation des Unternehmens entstünden. Allerdings hofft ein Großteil der Beteiligten darauf, dass die erforderlichen Sanierungsbeiträge von den jeweils anderen erbracht werden, während man selbst keine Einbußen hinnehmen muss. Dieses jeweils für sich rationale, aber kollektiv schädliche opportunistische Taktieren erweist sich häufig als eines der Haupthindernisse für eine erfolgreiche vorinsolvenzliche Sanierung von Unternehmen.15 Im Insolvenzplanverfahren stellt sich diese Problematik insbesondere auf Grund des Obstruktionsverbots gemäß § 245 InsO nicht in der gleichen Art und Weise.16 Ein Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit soll – wie der Titel schon sagt – auf möglichen Mitwirkungspflichten von Gläubigern im Rahmen vorinsolvenzlicher Sanierungsverfahren bzw. der Frage liegen, wie diese Problematik gelöst und die außergerichtliche Reorganisation von Unternehmen durch effektive Einbindung von Akkordstörern optimiert werden kann. Hierzu soll insbesondere der Begründungsansatz von Eidenmüller, der besondere Kooperationspflichten von Gläubigern begründet hat, aufgegriffen und näher beleuchtet werden.17 Nach Ansicht von Eidenmüller bestehen zwischen den Beteiligten einer außergerichtlichen Unternehmenssanierung schuldrechtliche Sonderverbindungen, die in einer Sanierungssituation gesellschaftsähnliche Verbindungen begründen und sich zu Verhandlungs- und Zustimmungspflichten verdichten können. Auf diese Weise könne sichergestellt werden, dass die Umsetzung eines für die Gesamtheit der Gläubiger bestmöglichen außergerichtlichen Sanierungsplans nicht durch das opportunistische Verhalten einzelner Gläubiger verhindert werde.

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BGHZ 116, 319 ff. sowie Gliederungspunkt D. in dieser Arbeit. Zum Gefangenendilemma vgl. Luce/Raiffa, Games and Decisions, S. 94 ff.; Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse des Zivilrechts, S. 63 ff.; Holler/Illing, Spieltheorie, S. 2 ff. 15 Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 564; Bitter, ZGR 2010, 147 (148); vgl. hierzu mit Blick auf die U.S.A. auch Adler/Baird/Jackson, Bankruptcy, S. 23 f. 16 Im Insolvenzrecht, das auf die kollektive Rechtsverfolgung der Gläubiger abzielt, gibt es neben dem Obstruktionsverbot weitere Mechanismen, die eigennütziges Verhalten einzelner Beteiligter zulasten des Kollektivs vermeiden sollen, insbesondere das Verbot von Einzelzwangsvollstreckungen (§ 89 Abs. 1 InsO), die Regelung, Sicherungseigentum nicht herausverlangen zu können (§ 51 Abs. 1 i.V.m. § 166 Abs. 1 InsO) oder die Möglichkeit, in Mitgliedschaftsrechte der Anteilsinhaber unter gewissen Voraussetzungen durch einen DebtEquity Swap eingreifen zu können (§ 225a Abs. 2 S. 1 InsO). 17 Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 551 ff. 14

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A. Einleitung

Neben dem Problem der effektiven Einbindung opponierender Gläubiger in den Sanierungsprozess bedarf die Rolle der Anteilsinhaber18 des in der Krise befindlichen Unternehmens ebenfalls einer näheren Untersuchung. Im Verhältnis des betroffenen Unternehmens zu ihren Anteilsinhabern offenbart sich in der Krise regelmäßig ein deutlicher Widerstreit der Interessen. Während für das betroffene Unternehmen in einer solchen Situation regelmäßig die Zuführung neuen Kapitals notwendig ist, sind die Anteilsinhaber in einer solchen Situation häufig selbst nicht mehr in der Lage oder willens, neue Liquidität bereitzustellen. Andererseits haben die Gesellschafter ein elementares Interesse an einer erfolgreichen Restrukturierung, da ihre Anteile ansonsten wertlos sind und sie bei einer Liquidation des betroffenen Unternehmens lediglich nachrangig befriedigt würden. Darüber hinaus werden auch unterstützende Gläubiger regelmäßig Sanierungsbeiträge der Anteilsinhaber fordern.19 Ein weiterer Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit wird daher darauf gelegt, die Mitwirkungs- und Kooperationspflichten der Anteilsinhaber vor dem Hintergrund der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht näher zu beleuchten. Es wird hierbei herausgearbeitet, dass auch den Anteilsinhabern im Rahmen der außergerichtlichen Sanierung trotz bestehender Mitwirkungspflichten20 ein erhebliches Blockadepotenzial, z. B. hinsichtlich notwendiger Beschlussfassungen zu Kapitalerhöhungen oder -herabsetzungen, Debt-Equity Swaps oder Umwandlungen, zukommt.21 Aus diesem Grund drängen die beteiligten Gläubiger, allen voran die beteiligten Banken, häufig auf eine Vereinfachung der gesellschaftsrechtlichen Eigentümerstruktur des in die Krise geratenen Unternehmens, um Entscheidungsprozesse innerhalb des Kreises der Anteilsinhaber zukünftig zu vereinfachen und das Blockadepotenzial der Anteilsinhaber zu minimieren. Insbesondere bei Unternehmen mit Minderheitsaktionären oder -gesellschaftern kommt es daher regelmäßig zu Eingriffen in die Mitgliedschaftsrechte der Anteilsinhaber. Die in diesem Zusammenhang vorgeschlagenen Möglichkeiten, einzelne Anteilsinhaber aus einem Unternehmen auszuschließen bzw. zum Verkauf und zur Abtretung ihrer Anteile zu zwingen, umfassen insbesondere die Möglichkeiten der Einziehung von Geschäftsanteilen sowie die Ausschließung von Anteilsinhabern. Die Untersuchung der Möglichkeiten und Grenzen dieser Eingriffsrechte in die Mitgliedschaftsrechte der Anteilsinhaber wird ebenfalls im Rahmen dieser Arbeit beleuchtet. Ziel dieser Arbeit ist es, eine detaillierte und umfassende Übersicht über die typischen Interessenlagen von Gesellschaftern und Gläubigern im Sanierungsfall zu geben und Möglichkeiten zur Verringerung des Blockadepotenzials der Beteiligten aufzuzeigen. 18

Die Anteilsinhaber, d. h. Aktionäre der AG sowie Gesellschafter der GmbH, werden im Folgenden auch gemeinsam teilweise als Gesellschafter bezeichnet. 19 Westpfahl/Knapp, ZIP 2011, 2033 (2036). 20 Vgl. ausführlich Gliederungspunkt C dieser Arbeit. 21 Swierczok, Das englische Scheme of Arrangement, S. 49; Eidenmüller/Engert, ZIP 2009, 541 (543); Eidenmüller, ZIP 2007, 1729 (1736).

II. Methodik und Gang der Darstellung

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II. Methodik und Gang der Darstellung Zunächst untersucht die vorliegende Arbeit in Teil B. den Weg eines Unternehmens in die Krise und die Frage, wie Unternehmenskrisen frühzeitig erkannt und ihnen entgegengesteuert werden kann. Die meisten Unternehmenskrisen – jedenfalls sofern sie nicht im Wesentlichen durch externe Krisenursachen wie z. B. die mit dem Zusammenbruch der Investmentbank Lehman Brothers im September 2008 voll zutage getretene Finanzkrise ausgelöst werden – deuten sich über einen längeren Zeitraum an und stellen häufig einen Erosionsprozess dar, bei dem zuerst das Erfolgspotenzial verfällt, sodann Verluste eintreten und schließlich die Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung eintritt.22 In diesem Zusammenhang wird auch der typische Regelungsbedarf im Falle einer vorinsolvenzlichen Sanierung von Unternehmen dargestellt. Sanierungskonzepte im Vorfeld und zur Abwendung einer Insolvenz beinhalten regelmäßig sowohl Maßnahmen, die zu einer Verringerung der Finanzverbindlichkeiten des betroffenen Unternehmens führen, als auch Beiträge von Gläubigern oder Gesellschaftern, die auf die Zuführung neuer Liquidität abzielen. Auf Grund der Vielschichtigkeit der möglichen Probleme und der zur Abwendung der Krise notwendigen Maßnahmen können in diesem Teil lediglich ausgewählte Bereiche und Konstellationen dargestellt werden, die sich regelmäßig für eine Vielzahl von in der Krise befindlichen Unternehmen stellen und die für den weiteren Fortgang der Arbeit von besonderer Bedeutung sind. Die Herausarbeitung des typischen Regelungsbedarfs von krisengeschüttelten Unternehmen im Rahmen außergerichtlicher Sanierungsverfahren ist überdies notwendig, um im Anschluss hieran in Teil B.III. der Arbeit sowohl die Vor- als auch die Nachteile eines vorinsolvenzlichen Sanierungsverfahrens im Vergleich zum Insolvenzplanverfahren darzulegen. Erst im Anschluss daran ist der Grundstein gelegt, um zunächst die Interessenlage der Beteiligten näher zu beleuchten und etwaige Mitwirkungs- und Kooperationspflichten von Gesellschaftern und Gläubigern herauszuarbeiten und zu begründen. In diesem Zusammenhang sollen auch die Möglichkeiten und Grenzen von Eingriffsrechten in die Mitgliedschaftsrechte von Anteilsinhabern eines Unternehmens dargestellt und ausgewertet werden. Dieser Teil der Arbeit rundet die zuvor gefundenen Ergebnisse hinsichtlich der gesellschaftsrechtlichen Treuepflichten der Anteilsinhaber und etwaiger Mitwirkungspflichten der Gläubiger ab. Sofern die aus der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht hergeleiteten Mitwirkungspflichten der Anteilsinhaber nicht mehr greifen und dissentierende Anteilsinhaber auf diesem Wege nicht mehr in ein Sanierungskonzept eingebunden werden können, ermöglichen Eingriffsrechte in die Mitgliedschaftsrechte der Anteilsinhaber unter Umständen im Interesse des Kollektivinteresses die Abfindung und den Ausschluss einzelner Anteilsinhaber.

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Müller, Krisenmanagement, S. 56.

B. Die Unternehmenskrise als Ausgangspunkt der Sanierung Die bestehenden Probleme bei sanierungsbedürftigen Unternehmen sind sehr unterschiedlich und die Sanierung von Unternehmen ist im Einzelfall sehr vielschichtig. Dies ergibt sich insbesondere aus den unterschiedlichen Finanzierungsstrukturen sowie der vielfältigen Zusammensetzung von Gesellschaftern und Gläubigern eines Unternehmens. Dennoch soll in dem folgenden Abschnitt der Versuch unternommen werden, typische Situationen herauszuarbeiten, die sich für eine Vielzahl von Kapitalgesellschaften im Vorfeld der Insolvenz stellen.

I. Notwendigkeit der Sanierung Die frühzeitige Einleitung eines Sanierungsverfahrens ist von elementarer Bedeutung für die Erfolgsaussichten einer Restrukturierung von betroffenen Unternehmen.23 Schon die Insolvenzrechtsreform im Jahre 1999 setzte hier an und nahm etwa die drohende Zahlungsunfähigkeit als Eröffnungsgrund in die Insolvenzordnung auf. Gemäß der Legaldefinition des § 18 Abs. 2 InsO droht ein Schuldner zahlungsunfähig zu werden, wenn er voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungspflichten im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen. Abzustellen ist hierbei auf eine überwiegende Wahrscheinlichkeit.24 Aber auch dieser Eröffnungsgrund der drohenden Zahlungsunfähigkeit setzt, wie nachfolgend aufgezeigt wird, häufig bereits zu spät an, um ein Unternehmen erfolgreich zu sanieren.25 Denn die Notwendigkeit zur Einleitung eines Sanierungsverfahrens deutet sich zumeist bereits zu einem deutlich früheren Zeitpunkt an.26 In der betriebswirtschaftlichen und rechtlichen Literatur werden Unternehmenskrisen in verschiedene Arten unterteilt, die im Hinblick auf die genaue Klassifizierung teilweise jedoch voneinander abweichen.27 Das Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) unterscheidet vier verschiedene 23

Vgl. etwa Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 409 f.; Winnefeld, Bilanz-HB, Kap. N, Rn. 599; Liebig/Witt, DB 2011, 1929 (1929). 24 Mönning, in: Nerlich/Römermann, Komm. InsO, § 18, Rn. 23. 25 Vgl. hierzu Gliederungspunkt B.III.1.e)aa). 26 Faulhaber/Grabow, Turnaround-Management, S. 18; Achsnick/Opp, Treuhand, S. 6; Bauer, Die GmbH in der Krise, Rn. 21. 27 Unterschieden werden mindestens drei verschiedene Krisenstadien (Strategiekrise, Ergebniskrise, Liquiditätskrise), vgl. so etwa Müller, Krisenmanagement, S. 53 ff.; Sartor, in: Richter/Timmreck, Effizientes Sanierungsmanagement, S. 280; Kraus, in: Buth/Hermanns, Restrukturierung, § 4, Rn. 8; Achsnick/Opp, Treuhand, S. 7; Axhausen/Radetzki, DSWR 2003,

I. Notwendigkeit der Sanierung

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Krisenarten, namentlich die Stakeholderkrise, die Strategiekrise, die Erfolgskrise und die Liquiditätskrise28, die typischerweise in der genannten Reihenfolge durchlaufen werden, im Einzelfall jedoch auch parallel, singulär oder überlappend auftreten können.29 Um einer Unternehmenskrise effektiv entgegentreten zu können, sollten idealerweise bereits in der Stakeholderkrise oder jedenfalls der nachfolgenden strategischen Krise Gegenmaßnahmen ergriffen werden, da die Handlungsmöglichkeiten mit zunehmender Zeitdauer abnehmen und sich dadurch die Chancen für eine erfolgreiche Sanierung verringern.30 Die verschiedenen Krisenarten bzw. die sich hieraus ableitenden Krisenstadien, die von existenzbedrohenden bis hin zu existenzvernichtenden Krisen reichen, kennzeichnen also den Grad der Bedrohung des Unternehmens.31 Mit jedem neu hinzutretenden Krisenstadium entstehen neue Kräfte, die sich kumulieren und zunehmend die Ertrags- und Finanzkraft des Unternehmens aufzehren, so dass eine immer bedrohlicher werdende Schieflage für das Unternehmen entsteht.32 Laut einer Untersuchung von Roland Berger Strategy Consultants werden effektive Gegenmaßnahmen jedoch nur bei einem Drittel der Unternehmen bereits innerhalb der strategischen Krise und zu 50 % in der Ergebniskrise eingeleitet. Etwa 20 % der betroffenen Unternehmen reagieren erst bei Auftreten von Liquiditätsproblemen mit Restrukturierungsmaßnahmen.33

141 (141) unterscheiden fünf verschiedene Krisenstadien (Strategiekrise, Strukturkrise, Erfolgskrise, Liquiditätskrise, Insolvenz), während der Entwurf des IDW Standards: Anforderungen an die Erstellung von Sanierungskonzepten (IDW ES 6) (Stand: 7. September 2011) sowie Beck, WPg 2009, 264 (264) sechs verschiedene Krisenstadien (Stakeholderkrise, Strategiekrise, Produkt- und Absatzkrise, Erfolgskrise, Liquiditätskrise und Insolvenzreife) unterscheiden. 28 WP-Handbuch 2014, Bd. II, Kap. L, Rn. 143; Crone, in: Crone/Werner, Sanierungsmanagement, S. 5. 29 Beck, WPg 2009, 264 (264 f.). Es ist auch möglich, dass einzelne Krisenphasen übersprungen werden. Dies war z. B. bei der Metallgesellschaft AG der Fall, die 1994 durch finanzwirtschaftliche Fehldispositionen mit Derivaten direkt in eine Liquiditätskrise abrutschte, vgl. hierzu ausführlich Goller, Vergleichsverfahren, S. 137 ff. 30 Müller, Krisenmanagement, S. 54; Kraus, in: Buth/Hermanns, Restrukturierung, § 4, Rn. 8; Gless, Unternehmenssanierung, S. 16. 31 WP-Handbuch 2014, Bd. II, Kap. L, Rn. 143. 32 Groß, WPg-Sonderheft 2003, 128 (129). 33 Roland Berger Strategy Consultants, Strategische Krise von Unternehmen und Möglichkeiten zur Krisenfrüherkennung (2003a); Roland Berger Strategy Consultants, Untersuchung von Ursachen und Erfolgsfaktoren von Restrukturierungen (2003b).

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B. Die Unternehmenskrise als Ausgangspunkt der Sanierung

1. Merkmale einer Krise, Krisenursachen und Krisenstadien a) Begriffsbestimmung einer Krise In der betriebswirtschaftlichen Literatur versteht man unter einer Krise34 das Ergebnis ungewollter endogener und/oder exogener Prozesse, die die Ertrags- und Finanzkraft eines Unternehmens substantiell und nachhaltig schwächen und den Fortbestand des Unternehmens gefährden oder sogar unmöglich machen können.35 Dieser Definition folgend werden zunächst nicht sämtliche unerwünschten und bewältigungsbedürftigen Probleme eines Unternehmens bereits als Krise bezeichnet. Vielmehr geht es um die Existenzgefährdung des Systems, also der selbstständigen Unternehmung.36 Andererseits umfasst der Begriff der Krise im betriebswirtschaftlichen Sinne nach überwiegender Ansicht solche Situationen nicht mehr, in denen feststeht, dass die Bedrohung des Unternehmens sicher in der Existenzvernichtung des Unternehmens enden wird. Die in dem Begriff der Unternehmenskrise enthaltene Chance zur positiven Wende soll vielmehr wesensbestimmend für den Begriff der Krise sein.37 In rechtlicher Hinsicht gibt es keinen übergeordneten Rechtsbegriff der Krise, der für alle Rechtsbereiche gilt.38 Eine Unternehmenskrise kann zwar in unterschiedlichen Bereichen Rechtsfolgen nach sich ziehen, jedoch verwenden die relevanten Gesetze den Begriff der Krise nicht, sondern knüpfen ihre Rechtsfolgen an jeweils eigene Tatbestände, in denen jeweils besondere Krisenmerkmale eine Rolle spielen.39 Vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) am 1. November 2008 war die Krise der Gesellschaft in den Regelungen über eigenkapitalersetzende Gesellschafterdarlehen (§ 32a Abs. 1 S. 1 GmbHG a.F.) gesetzlich definiert als „ein Zeitpunkt, in dem die Gesellschafter ihr (der Gesellschaft) als ordentliche Kaufleute Eigenkapital zugeführt hätten“. Ausgehend von dieser Legaldefinition entwickelte der BGH zwei wesentliche, voneinander unabhängige Begriffe zur Konkretisierung des Begriffs der Krise:40 Einerseits den Begriff der Kredit- bzw. Überlassungsunwürdigkeit und 34

Etymologisch stammt der Begriff Krise aus dem altgriechischen Wort Krisis (= Meinung, Beurteilung, auch Zuspitzung) ab, vgl. hierzu Witte, in: Bratschitsch/Schnellinger, Unternehmenskrisen, S. 9 ff. 35 Krystek, Unternehmenskrisen, S. 6; Hess/Groß Sanierungshandbuch, S. 4; Crone, in: Crone/Werner, Sanierungsmanagement, S. 4. 36 Witte, in: Bratschitsch/Schnellinger, Unternehmenskrisen, S. 10; Gless, Unternehmenssanierung, S. 11. 37 Krystek, Unternehmenskrisen, S. 12; Maus, in: Schmidt/Uhlenbruck, Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, Rn. 1.3. 38 Maus, in: Schmidt/Uhlenbruck, Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, Rn. 1.4. 39 Reuter, BB 2003, 1797 (1797). 40 BGH BB 2006, 1178 (1178).

I. Notwendigkeit der Sanierung

23

andererseits den Begriff der Insolvenzreife. Unter dem Begriff der Kreditunwürdigkeit, der dem Stadium der Insolvenzreife zeitlich vorgelagert ist,41 verstand der BGH in ständiger Rechtsprechung eine Situation, in der eine Gesellschaft von dritter Seite keinen Kredit zu marktüblichen Bedingungen erhält und ohne Kapitalzufuhr liquidiert werden müsste.42 Durch das MoMiG wurden die §§ 32a, 32b GmbHG a.F. ersatzlos aufgehoben und die Regelungen zu den Gesellschafterdarlehen in das Insolvenzrecht verlagert,43 so dass der insolvenzrechtliche Begriff der Insolvenzreife in den Vordergrund rückt. Ein Unternehmen ist insolvenzreif, wenn die in § 15a Abs. 1 S. 1 InsO genannten Insolvenzgründe der Zahlungsunfähigkeit nach § 17 InsO44 oder der Überschuldung nach § 19 InsO45 objektiv vorliegen.46 In insolvenzrechtlicher Hinsicht befindet sich ein Unternehmen jedoch auch bei drohender Zahlungsunfähigkeit gemäß § 18 Abs. 2 InsO47 bereits in einer Krise.48 Auf die drohende Zahlungsunfähigkeit als Merkmal einer Krise wird auch im gesellschaftsrechtlichen Schrifttum im Rahmen von Voreinzahlungen auf zukünftige Kapitalerhöhungen einer Gesellschaft, die nur unter bestimmten Voraussetzungen und nach umstrittener Ansicht lediglich in der Krise der Gesellschaft geleistet werden dürfen, abgestellt.49 Auch die Insolvenzdelikte des Strafgesetzbuchs, normiert in den §§ 283 ff. StGB, knüpfen an die insolvenzrechtlichen Begriffe der drohenden Zahlungsunfähigkeit, Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung an.50 Darüber hinaus sind für den strafrechtlichen Krisenbegriff jedoch auch das Gebot der Stammkapitalerhaltung 41

Maus, in: Schmidt/Uhlenbruck, Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, Rn. 1.6. BGHZ 76, 326 (330); BGHZ 81, 252 (255), BGHZ 81, 311 (314 f.); BGHZ 105, 168 (175); BGHZ 109, 55 (62); BGHZ 119, 201 (204); BGH ZIP 1994, 1934 (1936); BGH ZIP 2011, 328 (330); Haas, NZI 2001, 1 (6). 43 Dahl, in: Michalski, Komm. GmbHG, Bd. 1, § 32b, Rn. 2 (2. Auflage). 44 Gemäß der Legaldefinition des § 17 Abs. 2 InsO ist ein Schuldner zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. 45 Gemäß der Legaldefinition des § 19 Abs. 2 S. 1 InsO liegt Überschuldung vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich. 46 Nerlich, in: Michalski, Komm. GmbHG, Bd. 2, § 64, Rn. 18. 47 Gemäß der Legaldefinition des § 18 Abs. 2 droht der Schuldner zahlungsunfähig zu werden, wenn er voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungspflichten im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen. 48 Dannecker/Hagemeier, in: Gottwald, Hdb Insolvenzrecht, § 127, Rn. 27; Gras, in: Nerlich/Kreplin, § 2, Rn. 1. 49 Vgl. etwa Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Komm. GmbHG, § 56, Rn. 21; ähnlich Kort, DStR 2002, 1223 (1225), der eine Krise dann annehmen will, wenn eine Gesellschaft „nahezu überschuldet oder zahlungsunfähig“ ist, sowie Karollus, DStR 1995, 1065 (1066), der eine Krise in diesem Zusammenhang annimmt, wenn der Eintritt eines Insolvenzgrundes für die nahe Zukunft zu erwarten ist. 50 Heine/Schuster, in: Schönke/Schröder, Komm. StGB, § 283, Rn. 50. Ob die strafrechtlichen Krisenbegriffe insolvenzrechtsakzessorisch oder eigenständig strafrechtlich auszulegen sind, ist Gegenstand andauernder dogmatischer Auseinandersetzungen in der Literatur, vgl. hierzu Heine/Schuster, in: Schönke/Schröder, Komm. StGB, § 283, Rn. 50a m.w.N. 42

24

B. Die Unternehmenskrise als Ausgangspunkt der Sanierung

(§§ 30 ff. GmbHG) sowie die Anzeigepflicht bei Verlust der Hälfte des Stammkapitals/Grundkapitals (§ 49 Abs. 3 GmbHG/§ 92 Abs. 1 AktG) relevant. Im Handelsrecht findet sich weiter der Begriff der bestandsgefährdenden Tatsachen (§§ 289, 321 Abs. 1 S. 3 HGB) im Zusammenhang mit der Prüfung des Jahresabschlusses von Kapitalgesellschaften durch einen Abschlussprüfer. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass sich der Beginn und das Ende einer Krise jeweils nicht trennscharf abgrenzen lassen. Aus rechtlicher Sicht ist eine solche Abgrenzung grundsätzlich auch nicht nötig, weil die einschlägigen Rechtsnormen nicht an den Begriff der Krise anknüpfen, sondern jeweils eigene Regeln und Fristen setzen.51 Demgegenüber ist der wirtschaftliche Ausgangspunkt jedoch stets derselbe: Das Unternehmen ist in seinem Fortbestand gefährdet und muss zur Erhaltung des Geschäftsbetriebs Gegenmaßnahmen ergreifen. Wesentliches Merkmal ist hierbei die Ambivalenz der Entwicklungsmöglichkeiten, d. h. die Krisenbewältigung ist genauso möglich wie die Existenzvernichtung. Für den Fortgang der nachfolgenden Arbeit soll grundsätzlich dieser wirtschaftliche Krisenbegriff zugrunde gelegt werden. b) Krisenursachen Ausgangspunkt für die Ausarbeitung eines Sanierungskonzepts ist zwingend die Analyse der Krisenursachen, ohne die eine erfolgreiche Bewältigung von Unternehmenskrisen nicht möglich ist.52 Unternehmenskrisen können vielfältige Ursachen haben, die sich häufig aus einem Zusammenspiel verschiedener externer und interner Ursachen zusammensetzen.53 Empirische Studien legen jedoch nahe, dass die meisten Unternehmenskrisen auf Managementfehler zurückzuführen sind: Entweder reagiert die Geschäftsleitung nicht ausreichend auf externe Krisenursachen (z. B. Veränderung des Markt- und Wettbewerbsumfelds) oder die interne Struktur des Unternehmens selbst führt in die strategische Krise (z. B. unzureichendes Controlling, ineffiziente Kostenstrukturen oder nicht wettbewerbsfähige Produktqualität).54 c) Krisenarten Wie eingangs in Gliederungspunkt B.I. bereits erläutert, wird in der rechts- und betriebswirtschaftlichen Literatur eine uneinheitliche Untergliederung verschiedener Phasen von Unternehmenskrisen vorgenommen. Nachfolgend soll die Differenzierung des IDW zugrunde gelegt werden, so dass vier verschiedene Krisenarten 51

Reuter, BB 2003, 1797 (1797). Kraus, in: Buth/Hermanns, Restrukturierung, § 4, Rn. 4; Beck, WPg 2009, 264 (265). 53 Vgl. zu verschiedenen Krisenursachen ausführlich Gras, in: Nerlich/Kreplin, § 2, Rn. 8 ff. 54 Krystek, Unternehmenskrisen, S. 68; Moldenhauer, in: Crone/Werner, Sanierungsmanagement, S. 91. 52

I. Notwendigkeit der Sanierung

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voneinander abzugrenzen sind: Stakeholderkrise, Strategiekrise, Ergebniskrise und Liquiditätskrise. Die Kenntnis der verschiedenen Krisenarten und die Einordnung der Situation des Unternehmens in ein spezifisches Krisenstadium ist für die Überprüfung der Handlungsalternativen und die Ausarbeitung und Umsetzung eines auf die konkrete Situation des betroffenen Unternehmens bezogenen Sanierungskonzepts unerlässlich, da in den verschiedenen Krisenstadien regelmäßig unterschiedliche Maßnahmen zu ergreifen sind.55 Bei Vorliegen einer strategischen Krise bieten sich beispielsweise regelmäßig Restrukturierungsmaßnahmen an, durch die leistungswirtschaftliche Prozesse und Strukturen modifiziert oder geändert werden, um wieder nachhaltig wettbewerbsfähig zu werden, während spätestens in einer Liquiditätskrise die rechtlichen Krisentatbestände in den Vordergrund rücken und die Zuführung neuer Liquidität oberste Priorität hat, um den Geschäftsbetrieb des Unternehmens aufrecht erhalten zu können.56 Ihren Anfang nimmt eine Unternehmenskrise häufig mit der Stakeholderkrise. Diese wird üblicherweise durch ein Führungsverhalten verursacht, das weniger durch engagiertes und gewissenhaftes Handeln als vielmehr durch Blockaden und Nachlässigkeiten geprägt ist.57 Zu den Stakeholdern werden in diesem Zusammenhang sowohl Mitglieder der Unternehmensleitung und deren Überwachungsorgane, die Gesellschafter, Arbeitnehmer und auch Banken und andere Gläubiger gezählt.58 Diese Krisenart ist häufig durch Konflikte zwischen verschiedenen Stakeholdern oder Gruppen von Stakeholdern, die sich auf die Unternehmenskultur negativ auswirken und zu Nachlässigkeiten und Blockadehaltungen in der gesamten Führungsstruktur des Unternehmens führen können, gekennzeichnet.59 Es entsteht ein Zersetzungsprozess, der die Schlagkraft des Unternehmens mindert. Auf Grund bestehender Führungsschwächen und mangelnder Zielausrichtung mündet die Stakeholderkrise häufig in einer Strategiekrise. Diese zeichnet sich regelmäßig durch die Störung oder Beseitigung der langfristig wirkenden Erfolgsfaktoren aus.60 Auf Grund unzureichender Kundenorientierung und unscharfer Wettbewerbsbeobachtung verstärken sich strategische und strukturelle Schwächen im Unternehmen.61 Krisenursachen werden in der Strategiekrise jedoch häufig noch 55 Moldenhauer, in: Crone/Werner, Sanierungsmanagement, S. 92; Beck, WPg 2009, 264 (264); Liebig/Witt, DB 2011, 1929 (1930). 56 Hommel/Knecht/Wohlenberg, in: Hommel/Knecht/Wohlenberg, Hdb Unternehmensrestrukturierung, S. 35. 57 WP-Handbuch 2014, Bd. II, Kap. L, Rn. 144. 58 Beck, WPg 2009, 264 (265); v. Werder, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Hdb Corporate Governance, S. 8; vgl. ebenfalls Donaldson/Preston, The Academy of Management Review, Vol. 20, No. 1 (Jan. 1995), 65 (67), die den Begriff des Stakeholder sehr weit definieren als „persons or groups with legitimate interests in procedural and/or substantive aspects of corporate activity“. 59 Groß, WPg-Sonderheft 2003, 128 (129 f.). 60 Müller, Krisenmanagement, S. 54; Brühl/Göpfert, Unternehmensrestrukturierung, S. 7. 61 Groß, WPg-Sonderheft 2003, 128 (129 f.).

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nicht wahrgenommen, da die betroffenen Unternehmen noch gute Betriebsergebnisse erzielen und die Auswirkungen der Krise erst später erkennbar werden.62 Als nächstes Stadium durchläuft ein in die Krise geratenes Unternehmen regelmäßig eine Erfolgskrise, in der das Unternehmen nicht mehr in der Lage ist, die Gewinn- und Rentabilitätsziele mittelfristig und dauerhaft zu realisieren.63 Durch die Ertragsrückgänge oder durch Verluste droht jedenfalls mittelfristig eine Überschuldung, so dass das betroffene Unternehmen regelmäßig in eine Liquiditätskrise gerät.64 Unter einer Liquiditätskrise versteht man schließlich eine Entwicklung, die die konkrete und akute Gefahr der Zahlungsunfähigkeit in sich birgt.65 2. Die Sanierung des Krisenunternehmens Sofern für die Sanierung eines Krisenunternehmens positive Erfolgsaussichten bestehen, ist die Geschäftsleitung grundsätzlich verpflichtet, alle gebotenen Maßnahmen zu treffen, um eine Insolvenz des Unternehmens zu vermeiden.66 Dies gilt nach überwiegender Ansicht selbst dann, wenn bereits eine Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens eingetreten ist. Die Geschäftsleiter sollen in einem solchen Fall nicht sofort Insolvenzantrag stellen dürfen, sondern haben innerhalb der dreiwöchigen Insolvenzantragsfrist zu prüfen, ob Sanierungsmöglichkeiten bestehen.67 Anderenfalls können sie sich gegenüber der Gesellschaft gemäß § 93 Abs. 2 AktG bzw. § 43 Abs. 2 GmbHG schadensersatzpflichtig machen.68

62 Brunke/Klein, in: Bamberger/Wrona, Strategische Unternehmensberatung, S. 50; Holzer, NZI 2008, 308 (311). 63 Müller, Krisenmanagement, S. 54; Beck, WPg 2009, 264 (266); Knabe, Unternehmensbewertung, S. 7. 64 Sartor, in: Richter/Timmreck, Effizientes Sanierungsmanagement, S. 279. 65 Müller, Krisenmanagement, S. 54; Harz/Hub/Schlarb, Sanierungs-Management, S. 7. 66 Lutter/Hommelhoff/Timm, BB 1980, 737 (739); Schlitt, NZG 1998, 701 (702); SchluckAmend/Walker, GmbHR 2001, 375 (376); Veil, ZGR 2006, 374 (378); Arnold/Spahlinger/ Maske-Reiche, in: Theiselmann, Praxishandbuch Restrukturierungsrecht, S. 4; Schmidt-Hern, in: Beck’sches Hdb AG, § 17, Rn. 78. 67 Müller, in: MüKo GmbHG, Bd. 3, § 64, Rn. 221; Baumbach/Hueck, Komm. GmbHG, § 64, Rn. 220; Krieger/Sailer-Coceani, in: Schmidt/Lutter, Komm. AktG, Bd. 1, § 92, Rn. 10; Weber/Brügel, DB 2004, 1923 (1924); Nerlich, in: Michalski, Komm. GmbHG, Bd. 2, § 64, Rn. 99 (2. Auflage 2010) weist darauf hin, dass durch das Inkrafttreten der InsO fraglich geworden sei, ob die unterlassene Sanierungsprüfung in der Drei-Wochen-Frist als Pflichtverletzung i.S.d. §§ 43 Abs. 1, 2 anzusehen sei, da der Insolvenzplan nach §§ 217 ff. InsO ein Sanierungsverfahren innerhalb des Insolvenzverfahrens ermögliche. Im Hinblick auf die wirtschaftlich unerwünschte Publizität der verfrühten Antragstellung i.E. aber ebenfalls zustimmend. 68 Vgl. etwa Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, Komm. GmbHG, Anh. § 64, Rn. 83 f.; Weber/Brügel, DB 2004, 1923 (1924).

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a) Begriffsbestimmung einer Sanierung In der wissenschaftlichen Diskussion existiert kein einheitlicher Sanierungsbegriff.69 Vielmehr existieren verschiedene Definitionen, die den Sanierungsbegriff unterschiedlich weit fassen. Teilweise werden hierunter im Rahmen eines finanzwirtschaftlichen Sanierungsbegriffs lediglich finanzielle Maßnahmen in der Rechnungslegung gefasst, die die Zahlungsfähigkeit und/oder die Überschuldung beseitigen.70 Dieser Sanierungsbegriff ist, jedenfalls im Hinblick auf die Analyse außergerichtlicher Sanierungsverfahren, als zu eng einzustufen, da die Aufrechterhaltung der jederzeitigen Zahlungsfähigkeit und die Beseitigung einer Überschuldung durch finanzwirtschaftliche Instrumente zwar das Überleben einer Unternehmung kurzfristig sichern kann, jedoch die Ursachen einer Unternehmenskrise nicht berücksichtigt.71 Lediglich im Steuerrecht findet sich eine Legaldefinition72 des Begriffs der Sanierung. Gemäß der Sanierungsklausel des § 8c Abs. 1a KStG73 ist die „Sanierung eine Maßnahme, die darauf gerichtet ist, die Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung zu verhindern oder zu beseitigen und zugleich die wesentlichen Betriebsstrukturen zu erhalten“. Zusätzlich neben den Insolvenzantragsgründen ist hier der Erhalt der Betriebsstrukturen wesentliches Tatbestandsmerkmal. § 8c Abs. 1a S. 3 KStG beschreibt in abschließender Aufzählung die Fälle, bei deren Vorliegen die wesentlichen Betriebsstrukturen als erhalten gelten. Relevant sind hiernach entweder der Erhalt der vorhandenen Arbeitsplätze74 oder die Zuführung wesentlichen Betriebsvermögens.75 Eine Übertragbarkeit dieser steuerrechtlichen Definition auf den (vor)insolvenzlichen Bereich 69 Hopt, ZHR 143 (1979), 139 (167); Claussen, ZHR 147 (1983), 195 (197); Meyer-Cording, NJW 1981, 1242 (1244); Flosbach, Sanierungsentscheidungen, S. 27; Märki, Sanierung, S. 9. 70 Uhlenbruck, GmbH & Co. KG, S. 89; Pausenberger, in: Janberg, Finanzierungshandbuch, S. 666. Teilweise wird dieser finanzwirtschaftliche Sanierungsbegriff auch als „enger Sanierungsbegriff“ bezeichnet, vgl. Gless, Unternehmenssanierung, S. 44. 71 Hentschel, Sanierungskonsortialkredit, S. 42. 72 Im juristischen Schrifttum war lange umstritten, ob es überhaupt einen rechtlichen Sanierungsbegriff gibt. Zustimmend vgl. bereits Emmerich, Die Sanierung, S. 6; Uhlenbruck, KTS 1981, 513 (535); zurückhaltender aber ders., in: Uhlenbruck, GmbH & Co. KG, S. 90; a.A. Hopt, ZHR 143 (1979), 139 (167); Schmidt, Gutachten 54. DJT 1982, D 18. 73 Gemäß § 8c Abs. 1a KStG ist ein Beteiligungserwerb zum Zweck der Sanierung für die Anwendung von § 8c Abs. 1 KStG unbeachtlich, d. h. bei einem Wechsel der Gesellschafterstruktur, der ausschließlich das Ziel einer Sanierung hat, gehen die laufenden Verluste sowie Verlustvorträge nicht unter, vgl. hierzu etwa Ziegenhagen/Thewes, BB 2009, 2116 (2116). 74 Voraussetzung ist danach, dass (i) Arbeitsplätze nur im Rahmen einer geschlossenen Betriebsvereinbarung mit Arbeitsplatzregelung abgebaut werden oder (ii) die Summe der maßgeblichen Lohnsummen der Zielkörperschaft innerhalb von fünf Jahren nach dem Beteiligungserwerb 400 % der Ausgangslohnsumme nicht unterschreiten. 75 Hierunter versteht man die Zuführung von neuem, bisher nicht vorhandenem Betriebsvermögen, das der Wertigkeit nach mindestens 25 % des in der Steuerbilanz zum Schluss des dem Beteiligungserwerb vorangegangenen Wirtschaftsjahres enthaltenen Aktivvermögens entspricht. Vgl. Roser, in: Gosch, KStG, § 8c, Rn. 201.

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B. Die Unternehmenskrise als Ausgangspunkt der Sanierung

erscheint jedoch nur bedingt möglich und sinnvoll. Denn sofern etwa die Sanierung der Kostenstruktur für den Fortbestand des Unternehmens elementar ist und kein Bedarf für neues Betriebsvermögen besteht, würde die Pflicht zur Erhaltung der Lohnsumme zu einer Konservierungspflicht der Krisenursachen führen.76 Aus diesem Grund ist diese steuerrechtliche Legaldefinition ebenfalls als zu eng einzustufen. Im Folgenden wird daher auf einen leistungswirtschaftlichen Sanierungsbegriff77 abgestellt, der auch die Ursachen einer Krise und die Implementierung von Gegenmaßnahmen mit einbezieht. Unter den Begriff Sanierung werden alle Maßnahmen unternehmenspolitischer, führungstechnischer, organisatorischer, finanz- und leistungswirtschaftlicher Art gefasst, die der Wiederherstellung existenzerhaltender und späterer gewinnversprechender Grundlagen des Unternehmens dienen.78 Des Weiteren wird im finanzwissenschaftlichen Schrifttum häufig zwischen interner und externer Sanierung unterschieden, wobei die interne Sanierung lediglich die (finanz- und/oder leistungswirtschaftlichen) Maßnahmen im Bereich der Unternehmung selbst betrifft, während bei der externen Sanierung Gläubiger oder sonstige Dritte in den Sanierungsprozess miteinbezogen werden.79 b) Begriffsbestimmung Reorganisation und Restrukturierung Von der Sanierung ist zunächst die Reorganisation begrifflich zu unterscheiden. Hierunter versteht man den Inbegriff aller organisatorischen Maßnahmen zur Neuordnung des Unternehmens.80 Damit wird im Gegensatz zur Sanierung der äußere Rahmen und seine organisatorische Ausgestaltung begrifflich erfasst.81 Die Sanierung ist mithin der umfassendere und weitere Begriff.

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Roser, in: Gosch, KStG, § 8c, Rn. 198. Teilweise auch als „weiter Sanierungsbegriff“ bezeichnet, vgl. Gless, Unternehmenssanierung, S. 44; Hentschel, Sanierungskonsortialkredit, S. 42; vgl. ebenfalls Zipperer, in: Uhlenbruck, Komm. InsO, § 270b, Rn. 13, der für eine angestrebte Sanierung in Eigenverwaltung gemäß § 270b InsO von einem weiten Sanierungsbegriff ausgeht. 78 Uhlenbruck, GmbH & Co. KG, S. 88; Harz/Hub/Schlarb, Sanierungs-Management, S. 8; Hentschel, Sanierungskonsortialkredit, S. 42; im Ergebnis auch bereits Baur, Sanierungen, S. 15; Korch, Aspekte der freien Sanierung, S. 16. Diese Begriffsbestimmung deckt sich grundsätzlich auch mit dem Sanierungsbegriff des Kreditreorganisationsgesetzes (KreditreorgG), wonach in einem Sanierungsverfahren für Banken – im Gegensatz zu einem Reorganisationsverfahren – noch keine Systemgefährdung i.S.d. § 48 b KWG vorliegen muss, sondern stattdessen bereits angeordnet werden darf, wenn ein Unternehmen sanierungsbedürftig ist; vgl. hierzu etwa Fridgen, in: BFS, KWG, Vor. § 1, Rn. 4 ff. 79 Vgl. Korch, Aspekte der freien Sanierung, S. 17; Schmidt, in: Schmidt/Uhlenbruck, Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, Rn. 2.6, 2.209. 80 Uhlenbruck, GmbH & Co. KG, S. 91; Märki, Sanierung, S. 11; Finsterer, Unternehmenssanierung, S. 10; Korch, Aspekte der freien Sanierung, S. 21 f. 81 Korch, Aspekte der freien Sanierung, S. 22. 77

I. Notwendigkeit der Sanierung

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Zwischen der Sanierung einerseits und der Restrukturierung andererseits wird häufig nicht begrifflich differenziert.82 Teilweise wird jedoch die Ansicht vertreten, dass eine Restrukturierung im Gegensatz zu einer Sanierung nicht zwingend an eine Krisensituation im Unternehmen gekoppelt sei.83 Nach dieser Ansicht ist die Restrukturierung mithin der allgemeinere Begriff. Eine Restrukturierung wird hiernach als ständiger Anpassungsprozess der betrieblichen Aktivitäten und Strukturen zum Zwecke der Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit betrachtet und sei der Sanierung damit häufig zeitlich vorgelagert.84 Angesichts des meist nur schwer erkennbaren Beginns einer Unternehmenskrise und der oftmals fließenden Übergänge der verschiedenen Krisenstadien wird dieser Ansicht nicht gefolgt. Im Folgenden werden die Begriffe Sanierung und Restrukturierung – wie in der neueren Literatur überwiegend üblich – synonym verwendet. c) Die Sanierungsfähigkeit des Unternehmens Ein in der Krise befindliches Unternehmen ist sanierungsbedürftig. Diese Feststellung sagt jedoch noch nichts darüber aus, ob ein betroffenes Unternehmen tatsächlich saniert und fortgeführt werden sollte. Vielmehr ist zunächst zu prüfen, ob das Unternehmen überhaupt sanierungsfähig ist. Über diese Feststellung hinaus muss jedoch weiter geprüft und entschieden werden, ob der Weg einer außergerichtlichen Sanierung beschritten werden sollte oder vielmehr andere Reorganisationsmechanismen, d. h. insbesondere eine Sanierung in der Insolvenz, erfolgversprechender erscheinen. Eine positive Prüfung der Sanierungsfähigkeit ist daher immer nur eine notwendige und keine hinreichende Voraussetzung für die Entscheidung zu einer außergerichtlichen Unternehmenssanierung.85 Die Beurteilung der Sanierungsfähigkeit im Sinne einer Klärung der objektiven Fortführbarkeit des Unternehmens ist vielmehr erforderlich, um den unterschiedlichen Individualinteressen der an der Sanierung Beteiligten eine Entscheidungsgrundlage zu liefern, ob und in welcher Form ein Unternehmen saniert werden sollte.86

82 Vgl. etwa Ritter, Unternehmenssanierung im neuen Insolvenzrecht, S. 32; Krystek/ Moldenhauer, Hdb Krisen- und Restrukturierungsmanagement, S. 209; Brunke/Klein, in: Bamberger/Wrona, Strategische Unternehmensberatung, S. 52; Klein/Paarsch, in: BFuP 1994, 177 (178); ebenso Krauss, in: Buth/Hermanns, Restrukturierung, § 4, Rn. 4, der den Begriff „Restrukturierungs- bzw. Sanierungskonzept“ benutzt. 83 Burtscher, Wertorientiertes Krisenmanagement, S. 62; Finsterer, Unternehmenssanierung, S. 11. 84 Burtscher, Wertorientiertes Krisenmanagement, S. 62; Hess, in: Siegwart, Restrukturierungen, 317 (319); ähnlich Clasen, Turnaround Management, S. 144, der die Restrukturierung zwar als Option des Krisenmanagements betrachtet, als denkbaren Ansatzpunkt für eine Restrukturierung jedoch an die Phase einer „nicht erkannte Unternehmenskrise“ oder eine „intern erkannte Unternehmenskrise“ wählen möchte. 85 Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 328. 86 Axhausen/Rieser, in: Beck’sches Hdb GmbH, § 15, Rn. 53.

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B. Die Unternehmenskrise als Ausgangspunkt der Sanierung

Wenn schon der Begriff der Sanierung nicht einheitlich definiert ist, wundert es nicht, dass sich auch hinsichtlich des Begriffs der Sanierungsfähigkeit87 keine einheitliche Begriffsdefinition herausgebildet hat. Hinsichtlich der Sanierungsfähigkeit geht es grundsätzlich um eine Prognoseentscheidung der Geschäftsleitung oder des Insolvenzverwalters, ob ein Unternehmen nach erfolgter Sanierung wieder lebensfähig sein wird. Sowohl im Vorfeld der Insolvenz als auch im Insolvenzverfahren sind diesbezüglich die gleichen Kriterien anzusetzen, da die Sanierungsfähigkeit eines Unternehmens in erster Line eine betriebswirtschaftliche Kategorie ist und sich insoweit nicht nach unterschiedlichen Maßstäben richtet.88 Die Festlegung dieser Kriterien ist jedoch umstritten. Der IDW-Standard „Anforderungen an die Erstellung von Sanierungskonzepten“ (IDW S 6) vom 20. August 201289 sieht ein Unternehmen nur dann als sanierungsfähig an, wenn von einer Unternehmensfortführung und einer Wiederherstellung der Wettbewerbs- und Renditefähigkeit ausgegangen werden kann. Ein Unternehmen ist im Sinne dieser Definition fortführungsfähig, wenn das erstellte Sanierungskonzept Maßnahmen vorsieht, mit denen sich die Gefahr des Eintritts von Zahlungsunfähigkeit und/oder Überschuldung mindestens für das laufende und folgende Jahr abwenden lässt, sodass das Krisenunternehmen auch in der Lage ist, seine Jahresabschlüsse unter der Annahme des Going-Concern Prinzips aufzustellen.90 Während über dieses Erfordernis der Unternehmensfortführung i.S.v. § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB91 weitgehend Einigkeit besteht, wird das Kriterium der Wettbewerbs- und Renditefähigkeit teilweise für nicht notwendig erachtet.92 Dieses Kriterium lasse sich aus der Insolvenzordnung nicht herleiten. Nach dieser Ansicht ist eine Sanierung vielmehr die Fortführung des Unternehmens bei gleichzeitiger Vermeidung erheblicher Vermögensminderungen mit dem Ziel, mittels eines Insolvenzplans das Unternehmen zu erhalten und die Gläubiger dabei besserzustellen, 87 Klarstellend wird darauf hingewiesen, dass im Rahmen dieser Arbeit in Übereinstimmung mit dem IDW-Standard IDW S 6 der Begriff Sanierungswürdigkeit nicht verwendet wird, da es hierbei um subjektive Einschätzungen geht, die jeder Beteiligte für sich selbst treffen muss. Vgl. IDW, DB 2010, 1413 (1415). Dies steht auch in Übereinstimmung mit der MaRisk (Mindestanforderungen an das Risikomanagement), wonach Banken die Sanierungswürdigkeit nicht mehr neben der Sanierungsfähigkeit betrachten müssen. Vgl. Rundschreiben BaFin 15/ 2009, S. 22. 88 Korch, Aspekte der freien Sanierung, S. 82. 89 Vgl. zur Begründung IDW, DB 2010, 1413 (1415); der IDW S 6 ist auch in der juristischen Literatur kontrovers diskutiert worden, vgl. etwa Prütting, ZIP 2013, 203 ff.; Pohl, ZInsO 2011, 207 ff.; Krystek/Klein, DB 2010, 1769 ff. 90 IDW, DB 2010, 1413 (1415). 91 Der Begriff der (handelsrechtlichen) Fortführungsprognose i.S.v. § 252 Abs 1 Nr 2 HGB wird vom IDW von der insolvenzrechtlichen Fortbestehensprognose gemäß § 19 Abs. 2 InsO unterschieden; unter letzterer wird eine rein liquiditätsorientierte Zahlungsunfähigkeitsprognose verstanden, um festzustellen, ob die Gesellschaft im Planungszeitraum voraussichtlich in der Lage sein wird, ihre fälligen Verbindlichkeiten fristgerecht zu bedienen. Vgl. hierzu IDW, DB 2010, 1413 (1415) Groß/Amen, DB 2005, 1861 ff.; a.A. etwa Ehlers, NZI 2011, 161 (162). 92 Siemon, ZInsO 2012, 1045 (1047).

II. Denkbare Sanierungsmaßnahmen i.R. außergerichtlicher Sanierungen

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als sie bei einer Liquidation des Unternehmens stehen würden.93 Jedoch ist zu beachten, dass eine Gesellschaft – sei es durch Aushöhlung der Substanz oder Liquiditätsleistungen der Gesellschafter – ihr Zahlungsgleichgewicht im Zweifel durch neue Liquiditätsquellen vorläufig aufrechterhalten kann.94 Ohne ein Sanierungskonzept, das auf die Wiedererzielung operativer Gewinne im Prognosezeitraum abzielt, ist dies jedoch langfristig nicht tragfähig. Folgerichtig reichen neue Liquiditätsquellen allein nicht aus. Es muss nach vorzugswürdiger Ansicht Aussicht auf Wiederherstellung der Ertrags- und Wettbewerbsfähigkeit bestehen.95 Im Folgenden wird daher der vom IDW entwickelte Begriff der Sanierungsfähigkeit zugrunde gelegt.

II. Denkbare Sanierungsmaßnahmen im Rahmen außergerichtlicher Sanierungen Nachfolgend sollen Sanierungsmaßnahmen – sofern sie einen rechtlichen Bezugspunkt besitzen – dargestellt werden, die im Rahmen einer außergerichtlichen Sanierung häufig eingesetzt werden und sich als effektive Sanierungsmaßnahmen erwiesen haben. Auf Grund der Vielschichtigkeit der möglichen Probleme und der zur Abwendung der Krise notwendigen Maßnahmen können in diesem Teil lediglich ausgewählte Bereiche und Konstellationen dargestellt werden, die sich regelmäßig für eine Vielzahl von in der Krise befindlichen Unternehmen stellen und die für den weiteren Fortgang der Arbeit von besonderer Bedeutung sind. 1. Verringerung von Finanzverbindlichkeiten Bei der Restrukturierung von Finanzverbindlichkeiten stellt sich für in die Krise geratene Unternehmen regelmäßig das Problem, dass Tilgungs- und Zinslasten nicht mehr bedient werden können und dementsprechend eine Verringerung der Finanzverbindlichkeiten erfolgen muss.96 Durch die positiven Folgen einer Verringerung der Finanzverbindlichkeiten auf die Bilanz der Gesellschaft kann darüber hinaus auch das Vertrauen von Gläubigern in das Unternehmen gestärkt werden.

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Siemon, ZInsO 2012, 1045 (1047). Ehlers, NZI 2011, 161 (162). 95 So ebenfalls Kern, in: MüKo InsO, Bd. 3, § 270b, Rn. 34; Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 290; Prütting, ZIP 2013, 203 (208); Uhlenbruck, GmbHR 1995, 195 (200); Maus, DB 1991, 1133 (1133); Groß, DStR 1991, 1572 (1572). 96 Westpfahl/Knapp, ZIP 2011, 2033 (2035). 94

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B. Die Unternehmenskrise als Ausgangspunkt der Sanierung

a) Schuldenschnitt Durch einen Schuldenschnitt kann die Vermögenslage der Gesellschaft ohne Zuführung von Liquidität verbessert und im Einzelfall eine drohende oder bereits eingetretene Überschuldung abgewendet werden.97 Denn durch die Forderungsverzichte der Gläubiger und dem hieraus resultierenden Wegfall der Verbindlichkeiten erhöht sich der Gewinn bzw. vermindert sich der Verlust des laufenden Geschäftsjahres, so dass die Passivseite der Bilanz entlastet und das Eigenkapital der Gesellschaft gestärkt wird.98 Die Gesellschaft muss die erloschene Forderung weder im Überschuldungsstatus noch in der Handels- und Steuerbilanz passivieren, da keine Verbindlichkeit mehr besteht.99 In rechtlicher Hinsicht schließen die Gläubiger zur Umsetzung des Forderungsverzichts einen Erlassvertrag gemäß § 397 Abs. 1 BGB oder ein negatives Schuldanerkenntnis gemäß § 397 Abs. 2 BGB mit dem durch die Geschäftsführung vertretenen Schuldnerunternehmen.100 Gemäß § 397 Abs. 1 BGB erlöschen durch den Verzicht die Forderungen der Gläubiger sowie etwaige akzessorische Sicherheiten. Nicht akzessorische Sicherheiten müssen die Gläubiger freigeben, da mit dem Verzicht auf die Forderung auch der Sicherungszweck wegfällt.101 Allerdings sind ausreichend besicherte Gläubiger, allen voran also die finanzierenden Banken, häufig nicht bereit auf ihre Forderungen zu verzichten, wenn sie bei einer Liquidation der Gesellschaft mit einer hohen Befriedigungsquote rechnen können.102 Ein Schuldenschnitt ohne Beteiligung der Banken ist aber in den meisten Sanierungsfällen nahezu wirkungslos. Als Lösung bietet sich in Einzelfällen ein Forderungsverzicht in Verbindung mit einer Besserungsabrede (sog. Besserungsschein) an, derzufolge die erlassene Forderung bei Besserung der finanziellen Situation der kriselnden Gesellschaft wieder auflebt und aus einem möglichen zukünftigen Gewinn oder Liquidationsüberschuss der Gesellschaft zurückzuzahlen ist.103 Dieses Schuldversprechen ist erfolgversprechend, wenn die Gläubiger ihre Aussicht auf vollständige Befriedigung auf diese Weise wahren oder sogar verbessern können.104 In rechtlicher Hinsicht kann dies umgesetzt werden, indem im Erlassvertrag ent97 Uhlenbruck, in: Schmidt/Uhlenbruck, Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, Rn. 2.215; Ehlers, DStR 1998, 1756 (1758); Nerlich, in: Nerlich/Kreplin, § 4, Rn. 252. 98 Arnold/Spahlinger/Maske-Reiche, in: Theiselmann, Praxishandbuch Restrukturierungsrecht, S. 41; Knebel, DB 2009, 1094 (1094). 99 Nerlich, in: Nerlich/Kreplin, § 7, Rn. 81; Gahlen, BB 2009, 2079 (2079); Richter, in: L/ B/S, Bankrechts-Komm, Kap. 31, Rn. 78; Classen, in: Richter/Timmreck, Effizientes Sanierungsmanagement, S. 145. 100 BGH WM 1995, 695 (696); Schlüter, in: MüKo BGB, Bd. 2, § 397, Rn. 1; Drukarczyk/ Schöntag, in: Gottwald, Hdb Insolvenzrecht, § 3, Rn. 107. 101 Schmidt, GesR, S. 9. 102 Drukarczyk/Schöntag, in: Gottwald, Hdb Insolvenzrecht, § 3, Rn. 107. 103 Gahlen, BB 2009, 2079 (2079); Jäger, NZG 1999, 238 (242); Classen, in: Richter/ Timmreck, Effizientes Sanierungsmanagement, S. 145. 104 Arnold/Spahlinger/Maske-Reiche, Praxishandbuch Restrukturierungsrecht, S. 42.

II. Denkbare Sanierungsmaßnahmen i.R. außergerichtlicher Sanierungen

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weder (i) ein auflösend bedingter Forderungsverzicht erklärt (§ 158 Abs. 2 BGB) oder (ii) eine neue Verbindlichkeit unter der aufschiebenden Bedingung (§ 158 Abs. 1 BGB) des späteren Besserungsfalls begründet wird.105 Bis zum Eintritt des Besserungsfalls sind die Forderungen nicht zu verzinsen, soweit die Parteien nichts anderes vereinbaren.106 b) Rangrücktritt Zur Vermeidung einer bestehenden oder drohenden Überschuldung können einer oder mehrere Gläubiger auch gegenüber dem Schuldner107 einen (qualifizierten) Rangrücktritt mit ihren Forderungen erklären.108 Hierdurch wird bewirkt, dass die betreffende Verbindlichkeit in der Überschuldungsbilanz nicht passiviert werden muss und so nicht Bestandteil der Bewertungsgrundlage wird.109 In rechtlicher Hinsicht handelt es sich nach überwiegender Ansicht um einen Schuldänderungsvertrag gemäß § 311 BGB zwischen Gläubiger und Schuldner zu einem bestehenden Darlehensvertrag.110 Anders als beim Forderungsverzicht erlöschen die Forderungen sowie die für sie bestellten Sicherheiten nicht.111 Der Parteiwille ist regelmäßig vielmehr darauf gerichtet, mit der Rangrücktrittsvereinbarung lediglich den Inhalt einer fortbestehenden Verbindlichkeit zu ändern.112 Ein Rangrücktritt bewirkt zunächst, dass die Forderung im Insolvenzfall ohne besondere Aufforderung (§ 174 Abs. 3 InsO) nicht als Insolvenzforderung angemeldet und im Rang noch nach den Forderungen gemäß § 39 Abs. 1 InsO berücksichtigt wird (§ 39 Abs. 2 InsO).113 Die Wirkungen des Rangrücktritts sind aber nicht auf den Nachrang im Insolvenzverfahren beschränkt. Der Rangrücktritt umfasst ein sofortiges Zahlungsmoratorium aus dem Darlehensvertrag (pactum de non petendo), dem im Insolvenzverfahren die Wirkung des § 39 Abs. 2 InsO beigemessen wird.114 Dem Schuldner steht damit im 105

Vgl. Häuselmann, BB 1993, 1552 (1552 f.); Knebel, DB 2009, 1094 (1095). Richter, in: L/B/S, Bankrechts-Komm., Kap. 31, Rn. 79. 107 Von diesem (absoluten) Rangrücktritt muss ein relativer Rangrücktritt, bei dem Gläubiger lediglich untereinander vereinbaren, dass die Forderung eines Gläubigers hinter die Forderungen eines anderen Gläubigers zurücktreten soll, unterschieden werden. Aus Sicht der schuldnerischen Gesellschaft bleibt der Charakter der zurückgetretenen Forderung unberührt, vgl. Wittig, NZI 2001, 169 (169); A/D/S, § 246 HGB, Rn. 129 ff. 108 Arnold/Spahlinger/Maske-Reiche, Praxishandbuch Restrukturierungsrecht, S. 46. 109 Classen, in: Richter/Timmreck, Effizientes Sanierungsmanagement, S. 147. 110 Habersack, ZGR 2000, 384 (403); Wittig, NZI 2001, 169 (170). 111 A/D/S, § 246 HGB, Rn. 134. 112 Häuselmann, BB 1993, 1552 (1553). 113 Schmidt, in: Schmidt/Uhlenbruck, Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, Rn. 2.217; Wittig, NZI 2001, 169 (170). 114 Schmidt, in: Schmidt/Uhlenbruck, Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, Rn. 2.218; Arnold/Spahlinger/Maske-Reiche, Praxishandbuch Restrukturierungsrecht, S. 46; Schmidt, in: FS Goerdeler, S. 487 (500 f.); Schmidt, GmbHR 1999, 9 (13); A/D/S, § 246 HGB, Rn. 133. 106

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B. Die Unternehmenskrise als Ausgangspunkt der Sanierung

Rahmen einer außergerichtlichen Sanierung eine Einrede gegen die Geltendmachung der Forderungen durch die betreffenden Gläubiger zu.115 c) Debt-Equity Swap Als Sanierungsinstrument kommt auch ein Debt-Equity Swap in Betracht, bei dem Fremd- in Eigenkapital umgewandelt und so die Finanzlage der Gesellschaft verbessert wird. Hierbei bringen Gläubiger Forderungen gegenüber der Gesellschaft teilweise oder vollständig im Rahmen einer Kapitalerhöhung als Sacheinlage in die Gesellschaft ein und erhöhen so die Eigenkapitalquote der Gesellschaft. Eine Kapitalerhöhung kann jedoch nur mit Zustimmung der Gesellschafter umgesetzt werden, so dass die Gesellschafter die Umsetzung eines Debt-Equity Swaps unter Umständen verhindern können. Einzelheiten des Debt-Equity Swaps in der Sanierungssituation und etwaige Zustimmungspflichten der Anteilsinhaber werden ausführlich in Gliederungspunkt C.III.2.d) behandelt. Auf die dortigen Ausführungen wird verwiesen. d) Stillhalteabkommen In den Kreditverträgen,116 die das Schuldnerunternehmen mit den finanzierenden Banken abschließt, werden der Gesellschaft durch die sog. Reporting- und Financial Covenants bestimmte Verhaltenspflichten auferlegt und wirtschaftliche Kennzahlen festgelegt, bei deren Verletzung den Banken ein Kündigungsrecht zusteht.117 Die Banken sind aber nicht zu einer Kündigung der Kreditverträge verpflichtet,118 so dass auch in einem faktischen Stillhalten der Kreditgeber bereits ein Sanierungsbeitrag liegen kann. Unter Stillhalten sind hier der Verzicht auf die Ausübung eines ordentlichen oder außerordentlichen Kündigungsrechts, der Verzicht auf die Beitreibung von fälligen Forderungen, die ohne Kündigung fällig geworden sind und die Duldung der Inanspruchnahme eines bisher noch nicht ausgeschöpften Kreditrah-

115 Richter, in: L/B/S, Bankrechts-Komm, Kap. 31, Rn. 74; vgl. allgemein zur Einrede auf Grund pactum de non petendo BGH NJW-RR 1989, 1048 (1049). 116 Der Begriff des Kreditvertrags ist in der juristischen Literatur nicht einheitlich definiert. Im Rahmen dieser Arbeit soll der Kreditvertrag als Oberbegriff zu Darlehensverträgen, sonstigen Finanzierungshilfen und Zahlungsaufschüben verstanden werden, durch den die Bank ihrem Kunden unmittelbar oder mittelbar Kaufkraft zeitweilig überlässt. Vgl. hierzu ausführlich Voglis, Kreditkündigung, S. 17 ff. m.w.N. 117 Vgl. ausführlich zu Reporting- und Financial Covenants in Kreditverträgen Diem, Akquisionsfinanzierung, S. 110 ff. 118 BGH NJW 1970, 657 (658); BGH NJW 2001, 2632 (2633); Hönn, in: Soergel, Komm. BGB, § 826, Rn. 151; Häuser, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Hdb Bankrecht, § 85, Rn. 114a; Batereau, WM 1992, 1517 (1518).

II. Denkbare Sanierungsmaßnahmen i.R. außergerichtlicher Sanierungen

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mens zu verstehen.119 Die Bank verhält sich in diesen Fällen auf Basis bestehender Verträge völlig passiv. Sofern die Banken im Falle einer Liquidation des Unternehmens einerseits lediglich geringe Befriedigungsquoten erwarten, andererseits aber von einer Sanierungsfähigkeit des betroffenen Unternehmens ausgehen, kommt über das passive Stillhalten der Banken hinaus der Abschluss einer Stillhaltevereinbarung (Standstill Agreement) in Betracht. Hierunter versteht man die vertraglich vereinbarte befristete Suspendierung bestimmter Kündigungsrechte der finanzierenden Banken gegenüber dem schuldnerischen Unternehmen.120 Rechtlich zielt das Stillhalten auf die Vermeidung bzw. Beseitigung einer drohenden bzw. bereits eingetretenen Zahlungsunfähigkeit i.S.d. §§ 17, 18 InsO sowie darauf ab, dass Forderungen derjenigen Gläubiger, die sich für die Zeit vor Eröffnung eines Insolvenzverfahrens mit einer späteren oder nachrangigen Befriedigung ihrer Forderungen einverstanden erklärt haben, bei der Prüfung einer möglichen Zahlungsunfähigkeit nicht zu berücksichtigen sind.121 Bei Konsortialkrediten entscheiden die Kreditgeber über den Abschluss einer Stillhaltevereinbarung ebenso wie über die Ausübung des Kündigungsrechts grundsätzlich mit der (vertraglich vereinbarten) Mehrheit von 66 2/3 ihrer Stimmen, die nach der Höhe ihrer Beteiligungsquoten gewichtet werden.122 Jedenfalls innerhalb eines Bankenkonsortiums sind demnach Mehrheitsentscheidungen möglich, die das Blockadepotenzial einzelner Banken minimieren können. e) Sanierende Verschmelzung Gesellschaftsrechtliche Strukturmaßnahmen können im Einzelfall ebenfalls zu einer erfolgreichen Sanierung von Unternehmen beitragen. Besondere Bedeutung kommt hierbei der sog. sanierenden Verschmelzung zu, deren Grundgedanke darin liegt, dass ein überschuldeter Rechtsträger auf einen gesunden Rechtsträger verschmolzen wird, der die Verluste des übertragenden Rechtsträger rechnerisch auffangen kann. Die sanierende Verschmelzung wird in Gliederungspunkt C.III.5. ausführlich behandelt. Auf die dortigen Ausführungen wird verwiesen. 119 Richter, in: L/B/S, Bankrechts-Komm., Kap. 31, Rn. 72; Obermüller/Kuder, in: Gottwald, Hdb Insolvenzrecht, § 97, Rn. 27, 30; Diem/Grell/Schormair, in: Theiselmann, Praxishandbuch Restrukturierungsrecht, S. 520; Ebbing, KTS 1996, 327 (332 f.). 120 Diem/Grell/Schormair, in: Theiselmann, Praxishandbuch Restrukturierungsrecht, S. 520. 121 BGHZ 173, 286 (295); Richter, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, BankrechtsKomm., Kap. 31, Rn. 72; Classen, in: Richter/Timmreck, Effizientes Sanierungsmanagement, S. 148. 122 Beispielsklausel: Ziffer 28.20 LMA Leveraged Finance Facility Agreement (Stand: November 2009).

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B. Die Unternehmenskrise als Ausgangspunkt der Sanierung

2. Zuführung von Liquidität Neben der Verringerung der Schuldenlast ist bei einer Sanierung von Unternehmen häufig die Zuführung von Liquidität notwendig, da die finanzielle Krise eines Unternehmens in den meisten Fällen zu einem Investitionsstau geführt hat, der die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens geschwächt und nur durch zusätzliche Liquidität aufgelöst werden kann. Zur Finanzierung eines Unternehmens stehen im Grundsatz drei Möglichkeiten zur Verfügung, nämlich eine Finanzierung über Eigenkapital, Fremdfinanzierung (Darlehen, Schuldverschreibungen) oder über einbehaltene Gewinne. a) Finanzierung über Eigenkapital aa) Kapitalschnitt In den vergangenen Jahren konnte man in der Unternehmenspraxis beobachten, dass der sog. Kapitalschnitt, der sich aus einer vereinfachten Kapitalherabsetzung und einer anschließenden effektiven Kapitalerhöhung zusammensetzt, bei diversen Sanierungskonzepten eine zentrale Rolle spielte.123 Ein Kapitalschnitt ist ein Mittel zur Sanierung des Eigenkapitals der Gesellschaft, bei dem zunächst durch die vereinfachte Kapitalherabsetzung eine drohende oder bestehende Überschuldung vermieden oder beseitigt werden und durch eine anschließende Kapitalerhöhung der Gesellschaft wieder Liquidität zugeführt werden kann. Auf den Kapitalschnitt und die damit verbundenen Blockadepotenziale hinsichtlich einer erfolgreichen Umsetzung dieser Kapitalmaßnahmen wird in Gliederungspunkt C.III.2. detailliert eingegangen. Auf die dortigen Ausführungen wird verwiesen. bb) Kreditfinanzierung durch Gesellschafter Die Gewährung von Gesellschafterdarlehen stellt eine Alternative zur Kapitalerhöhung dar.124 Durch die Streichung der §§ 32a, 32 b GmbHG mit Inkrafttreten des MoMiG sind auch Gesellschafterdarlehen in der GmbH in der Krise der Gesellschaft nicht mehr als sog. Eigenkapital ersetzende Darlehen mit haftendem Eigenkapital gleichzusetzen. Sämtliche Forderungen auf Rückgewähr eines Darlehens sind demnach zwar in der Insolvenz der Gesellschaft gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO nachrangig, dürfen vor Eintritt des Insolvenzfalls jedoch grundsätzlich zurückge-

123 Vgl. hierzu ausführlich Seibt, in: Theiselmann, Praxishandbuch Restrukturierungsrecht, S. 228 ff., der insbesondere eine Übersicht über vorgenommene Refinanzierungs- und Sanierungskapitalerhöhungen ausgewählter Unternehmen gibt. 124 So etwa Schmidt, in: Schmidt/Uhlenbruck, Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, Rn. 2.92; Stamm, in: Schüppen/Schaub, Mü Anw Hdb AktR, § 21, Rn. 4.

III. Vor- und Nachteile einer außergerichtlichen Sanierung

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zahlt werden. In diesem Falle unterliegen die Rückzahlungen jedoch dem Risiko der Insolvenzanfechtung gemäß § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO.125 b) Fremdfinanzierung Den finanzierenden Banken kommt im Falle einer drohenden Insolvenz eines Unternehmens eine Schlüsselstellung zu. Einige der den Banken zur Abwendung einer drohenden Insolvenz zur Verfügung stehenden Handlungsoptionen – vom bloßen Verzicht auf die Ausübung bestehender Kündigungsrechte bzw. der Vereinbarung von Stillhaltevereinbarungen über die Einbringung von Forderungen im Rahmen eines Debt-Equity Swaps bis hin zum Forderungsverzicht – wurden bereits angesprochen. Über diese Maßnahmen hinaus kann jedoch auch die Gewährung neuer Liquidität notwendig sein, um den Fortbestand des Unternehmens zu sichern und entsprechende Sanierungsmaßnahmen umsetzen zu können. Die Gewährung neuer Darlehen setzt zumindest eine positive Sanierungsprognose voraus. Im Zusammenhang mit der Gewährung von Überbrückungs- und Sanierungskrediten können sich für die Banken jedoch zusätzliche Haftungsrisiken ergeben, die sich – häufig gemeinsam mit dem bereits beschriebenen Gefangenendilemma – negativ auf die Bereitschaft der Banken zur Ausreichung weiterer Darlehen auswirken können. Hierauf wird in Gliederungspunkt B.III.2.c)bb) noch detailliert einzugehen sein. Andererseits kann sich im Einzelfall die Frage stellen, ob die Banken zur Gewährung von Überbrückungs- und Sanierungskrediten verpflichtet sein können. Insoweit wird auf die detaillierten Ausführungen in Gliederungspunkt E.II.3.b) verwiesen.

III. Vor- und Nachteile einer außergerichtlichen Sanierung Wie bereits oben erläutert, schafft die Beurteilung der Sanierungsfähigkeit eines Unternehmens erst die Grundlage zur weiteren Beurteilung darüber, ob sich ein außergerichtliches Sanierungsverfahren als vorzugswürdig gegenüber anderen Sanierungsmöglichkeiten, insbesondere eines gerichtlichen Insolvenzverfahrens, erweist. Der Versuch einer wirtschaftlich sinnvollen Sanierung kann und soll gemäß der gesetzgeberischen Intention zur ESUG-Reform bereits außergerichtlich im Vorfeld einer Unternehmensinsolvenz unternommen werden. Indem der Gesetzgeber den Beteiligten einen Rechtsrahmen zur Verfügung stellt, in welchem sie die für sie vorteilhafteste Lösung finden und durchsetzen sollen, wird der Spielraum für die außergerichtliche Insolvenzabwicklung nicht eingeengt und die freie Sanierung von

125

S. 6.

Vgl. etwa Arnold/Spahlinger/Maske-Reiche, Praxishandbuch Restrukturierungsrecht,

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B. Die Unternehmenskrise als Ausgangspunkt der Sanierung

Unternehmen nicht zurückgedrängt.126 Zur Entscheidungsfindung sind insbesondere die generellen Vor- und Nachteile eines vorinsolvenzlichen Sanierungsverfahrens, d. h. diejenigen Faktoren, die unabhängig vom konkreten Einzelfall gegeben sind, gegenüber einer Sanierung im Insolvenzverfahren abzuwägen.127 1. Vorteile der außergerichtlichen Sanierung Nachfolgend werden die Vorteile einer außergerichtlichen Sanierung im Vergleich zu einer Sanierung im Insolvenzfall dargestellt. a) Kürzere Verfahrensdauer Außergerichtliche Sanierungsverfahren können regelmäßig schneller durchgeführt und abgewickelt werden.128 Erstens besteht bei einem gründlich vorbereiteten und ausgewogenen Sanierungskonzept die Chance, die Zustimmung der Gläubiger in verhältnismäßig kurzer Zeit zu erlangen.129 Zweitens kann auf die Einbindung eines Gerichts in den Prozess verzichtet werden.130 Dies wirkt sich in zeitlicher Hinsicht regelmäßig positiv aus. Denn durchschnittlich vergeht zwischen Insolvenzantragstellung durch den Schuldner und dem Eröffnungstermin bereits ein Zeitraum von regelmäßig drei Monaten. Bis zum ersten Berichtstermin vergehen häufig weitere drei Monate.131 Laut einer empirischen Erhebung des Instituts für Mittelstandsforschung Bonn aus dem Jahre 2010 dauerten Insolvenzplanverfahren von Kapitalgesellschaften, gerechnet vom Zeitpunkt der Insolvenzantragstellung bis zur Verfahrensaufhebung, im Durchschnitt etwa zwei Jahre.132 Verfahren mit übertragender Sanierung wurden sogar erst innerhalb von durchschnittlich drei Jahren abgeschlossen und konnten damit häufig nicht schneller als reine Liquidationsverfahren abgewickelt werden.133 Zwar beziehen sich diese Ergebnisse auf das Bundesland Nordrhein-Westfalen, jedoch ist nicht davon auszugehen, dass sich für den Bundesdurchschnitt signifikant andere Ergebnisse ergeben würden. Für Deutschland gibt es – soweit ersichtlich – 126

Begr. RegE, BT-Drucks. 12/2443, S. 77; Ganter/Lohmann, in: MüKo InsO, Bd. 1, § 1, Rn. 86. 127 Umfassende Checklisten bei Uhlenbruck, Gläubigerberatung in der Insolvenz, S. 158 ff.; Drukarczyk/Schöntag, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Hdb, § 3, Rn. 1 ff. 128 Uhlenbruck, in: Schmidt/Uhlenbruck, die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, Rn. 2.1; Uhlenbruck, BB 2001, 1641 (1644); Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 333. 129 Uhlenbruck, in: Knops/Bamberger/Maier-Reimer, Recht der Sanierungsfinanzierung, § 5, Rn. 12. 130 Bork, ZIP 2010, 397 (405). 131 Zipperer, in: Uhlenbruck, Komm. InsO, § 156, Rn. 1. 132 Icks/Kranzusch, IfM Materialien Nr. 195, S. 83; vgl. ebenfalls mit ähnlichen Befunden Paffenholz/Kranzusch, Insolvenzplanverfahren, S. 102. 133 Icks/Kranzusch, IfM Materialien Nr. 195, S. 121.

III. Vor- und Nachteile einer außergerichtlichen Sanierung

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keine verlässlichen Daten zur durchschnittlichen Verfahrensdauer außergerichtlicher Sanierungen. Teilweise wird in der Literatur eine durchschnittliche Zeitdauer von etwa acht bis zwölf Monaten angegeben.134 Diese Einschätzung deckt sich mit empirischen Studien aus den U.S.A., in denen für out-of-court restructurings eine durchschnittliche Verfahrensdauer von ca. 15 Monaten ermittelt wurde, während Insolvenzverfahren nach Chapter 11 Bankruptcy Code (BC) 28 Monate – und damit ähnlich lange wie Insolvenzplanverfahren in Deutschland – dauerten.135 Zwar sind diese empirischen Befunde auf die Rechtslage in Deutschland nicht unmittelbar übertragbar. Jedoch stützen sie die Annahme, dass außergerichtliche Vergleiche die effizienteste Form der Krisenbewältigung darstellen. b) Größere Flexibilität Neben der kürzeren Verfahrensdauer kann ein weiterer Anreiz für die Entscheidung zu einer außergerichtlichen Sanierung in der größeren Flexibilität eines solchen Sanierungsverfahrens liegen. Denn während ein gerichtliches Insolvenzverfahren festen Abläufen folgt, kann das Verfahren einer außergerichtlichen Sanierung je nach Situation konkret auf die Bedürfnisse des Unternehmens zugeschnitten werden. Oder andersherum ausgedrückt: Die höhere Rechtssicherheit des gerichtlichen Insolvenzverfahrens wird mit einem Verlust an Flexibilität erkauft. Zwar können auch die Gläubiger im Insolvenzverfahren gemäß § 157 S. 3 InsO Entscheidungen über den Fortgang des Verfahrens in späteren Terminen ändern. Dies führt aber regelmäßig zu zeitlichen Verzögerungen. Bei einer außergerichtlichen Sanierung sind die Beteiligten demgegenüber hinsichtlich des zeitlichen Ablaufs sowie der Festlegung der notwendigen Sanierungsmaßnahmen frei. Darüber hinaus können die Beteiligten die weitere Planung im Verlauf der außergerichtlichen Sanierung bedarfsgerecht anpassen. So lässt sich z. B. kurzfristig ein Finanzierungsmanagement einwechseln oder eine Workout-Gruppe einer Großbank bilden, die oftmals bereit ist, einen Überbrückungskredit zu gewähren.136 Des Weiteren ist zu beachten, dass die Beteiligten im Rahmen einer außergerichtlichen Sanierung nicht an das strikte Gleichbehandlungsgebot der Gläubiger der jeweiligen Gruppen gemäß § 226 Abs. 1 InsO gebunden sind.137 Da ein außergerichtliches Sanierungsverfahren häufig lediglich mit einer kleinen Gruppe der Gläubiger mit den höchsten Forderungen abgestimmt werden kann, während die 134

Vgl. Krystek/Moldenhauer, Hdb Krisen- und Restrukturierungsmanagement, S. 266, allerdings ohne nähere Nachweise zu Datenquellen. 135 Tashjian/Lease/McConnell, 40 J. Fin. Econ. (1996), 135, 141 f.; ähnliche Ergebnisse finden sich bei Carapeto, 11 J. Corp. Fin. (2005), 736 (744); mit Blick auf sog. Prepacks vgl. McConnell/Servaes, 3 J. App. Corp. Fin. (1991), 93 ff.; hierzu vgl. auch Gliederungspunkt E.II.4. dieser Arbeit. 136 Uhlenbruck, in: Knops/Bamberger/Maier-Reimer, Recht der Sanierungsfinanzierung, § 5, Rn. 13. 137 Ehlers, DStR 2010, 2523 (2525 f.).

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B. Die Unternehmenskrise als Ausgangspunkt der Sanierung

Gläubiger mit geringeren Forderungen normal weiterbedient werden, ist dieser Vorteil nicht zu unterschätzen.138 Auch können Maßnahmen der finanziellen Restrukturierung typischerweise auf die Finanzgläubiger beschränkt werden. Dementsprechend werden Drittforderungen, insbesondere von Lieferanten, vertragsgemäß bedient, um wirtschaftliche Beeinträchtigungen etwa durch Lieferung nur gegen Vorkasse oder Forderungen nach zusätzlichen Absicherungen zu Gunsten von Kunden etwa durch Avale zu vermeiden.139 c) Keine Publizitätswirkung Ein gerichtliches Insolvenzverfahren ist durch bestimmte Publizitätswirkungen gekennzeichnet. So ist das zuständige Gericht gemäß § 30 Abs. 1 InsO verpflichtet, die Verfahrenseröffnung öffentlich bekannt zu machen. Weiter hat das Gericht gemäß § 23 Abs. 1 InsO Verfügungsbeschränkungen des Schuldners nach § 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO sowie die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters öffentlich bekannt zu machen. Die Publizität des Insolvenzverfahrens dient der Sicherheit des Rechtsverkehrs und der Beschleunigung des Verfahrensablaufs. In der Insolvenz als einem Verfahren mit einer unbestimmten Zahl von Beteiligten ist die öffentliche Bekanntmachung notwendiges Instrument zur Gewährleistung der Verfahrensbeteiligung der Gläubiger und zur Verfahrensabwicklung.140 Die Beteiligten sollen in die Lage versetzt werden, ihr Verhalten auf die neue Situation einzustellen und insbesondere ihre Rechte und Pflichten im Verfahren sachgerecht wahrzunehmen.141 Demgegenüber können außergerichtliche Sanierungsverfahren häufig diskret durchgeführt werden. Die negativen Folgen der Publizität, die insbesondere durch den Verlust an Kreditwürdigkeit und gesunkenem Ansehen im Geschäftsleben gekennzeichnet sind, treten dann nicht ein.142 Inwieweit es allerdings gelingt, die Unternehmenssanierung geheim zu halten, hängt entscheidend auch davon ab, wie viele Gläubiger in den Sanierungsprozess einbezogen werden (müssen). Im Regelfall sollte lediglich ein kleiner Kreis der Gläubiger mit den höchsten Forderungen einbezogen werden. Je größer der Kreis der beteiligten Personen, desto größer ist das Risiko einzuschätzen, dass vertrauliche Informationen an die Öffentlichkeit getragen werden. Die Banken sind hier jedoch ohnehin an das Bankengeheimnis gebunden, zusätzlich werden in den Kredit- und auch etwaigen Sanierungsvereinbarungen regelmäßig Vertraulichkeitsklauseln aufgenommen.

138

Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 340. Westpfahl, ZIP 2011, 2033 (2036). 140 Keller, ZIP 2003, 149 (159). 141 Schmahl/Busch, in: MüKo InsO, Bd. 1, § 30, Rn. 2. 142 Vgl. etwa Keller, ZIP 2003, 149 (149); Eidenmüller, in: MüKo InsO, Bd. 3, Vor § 217, Rn. 64; Madaus, NZI 2011, 622 (623). 139

III. Vor- und Nachteile einer außergerichtlichen Sanierung

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Eine Geheimhaltung der Krise des Unternehmens bzw. der Umsetzung einer außergerichtlichen Sanierung wird aber spätestens dann nicht mehr möglich sein, wenn sich die betroffene Gesellschaft schon im insolvenznahen Bereich befindet oder die Krise im Laufe der außergerichtlichen Sanierung weiter fortschreitet. Sobald das Stamm- bzw. Grundkapital der Gesellschaft zur Hälfte verloren ist (§ 49 Abs. 3 GmbHG, § 92 Abs. 1 AktG), wird sich durch die Pflicht zur Einberufung einer Gesellschafter- bzw. Hauptversammlung auch eine außergerichtliche Sanierung nicht geheim halten lassen. Jedenfalls bei einer Aktiengesellschaft sind hiermit regelmäßig erhebliche Publizitätswirkungen verbunden.143 d) Kostenvorteile Ein außergerichtliches Sanierungsverfahren ist durch die Kombination aus kürzerer Verfahrensdauer, größerer Flexibilität und fehlender Publizität regelmäßig mit geringeren Kosten für das betroffene Unternehmen verbunden. Dies gilt auf Grund der höheren Flexibilität und der schnelleren Realisierbarkeit außergerichtlicher Sanierungsverfahren zunächst für die direkten, d. h. durch die Verfahrensabwicklung, entstehenden Insolvenzkosten. Hierunter fallen insbesondere die Gerichts- und Insolvenzverwalterkosten, die einem Unternehmen im Rahmen des Sanierungsprozesses entstehen und auf Grund gerichtlicher Vorgaben weitgehend unbeeinflussbar sind.144 Für Insolvenzverfahren in Deutschland betragen die direkten Insolvenzkosten im Regelfall ca. 4 – 5 % der Sollmasse.145 Allerdings wird der Kostenvorteil hinsichtlich dieser direkten Insolvenzkosten teilweise als vernachlässigbar betrachtet, da sie einerseits in der Höhe nicht wesentlich erscheinen und andererseits das Leistungsvermögen des Insolvenzplanverfahrens der außergerichtlichen Sanierung insoweit überlegen sei und den Vorteil der Kostenersparnis damit wieder aufwiege.146 Demgegenüber wird der Vorteil außergerichtlicher Sanierungsverfahren im Hinblick auf die indirekten, d. h. durch die Publizitätswirkung eines Insolvenzverfahrens ausgelösten Kosten überwiegend als wesentlich betrachtet.147 Mit indirekten Kosten werden die Nachteile definiert, die sich aus den Reaktionen der Marktpartner 143

Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 407. Knabe, Unternehmensbewertung, S. 12; Liebig/Witt, DB 2011, 1929 (1934). 145 Drukarczyk/Schöntag, in: Gottwald, Hdb Insolvenzrecht, § 3, Rn. 42. In den USA wurden hierzu in der Vergangenheit Studien durchgeführt, die die direkten Insolvenzkosten regelmäßig auf ungefähr 3 – 5 % des Marktwerts des Unternehmens zum Zeitpunkt der Insolvenz beziffern, vgl. etwa Warner, Journal of Finance, Vol. XXXII, No. 2 (1977), 337 (345); Altman, Journal of Finance, Vol. XXXIX, No. 4 (1984), 1067 (1077); Weiss, J. of Financial Economics 27 (1990), 285 (286). 146 Drukarczyk/Schöntag, in: Gottwald, Hdb Insolvenzrecht, § 3, Rn. 42 (am Beispiel der Gewährung eines Sanierungskredits). 147 Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 331; Drukarczyk/Schöntag, in: Gottwald, Hdb Insolvenzrecht, § 3, Rn. 42; Liebig/Witt, DB 2011, 1929 (1934). 144

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B. Die Unternehmenskrise als Ausgangspunkt der Sanierung

des Unternehmens ergeben und reduzierend auf den Unternehmenswert wirken, wenn die Krise des Unternehmens publik wird.148 Die mögliche Liquidation eines Unternehmens bei einem Scheitern der gerichtlichen Sanierung setzt sich unmittelbar bei den Beteiligten fest und kann so zu erheblichen Wertverlusten führen. Demgegenüber können außergerichtliche Sanierungsverfahren diskret durchgeführt werden, so dass Kunden und Geschäftspartner nicht beunruhigt werden. Die tatsächliche Höhe dieses Kostenvorteils ist jedoch einzelfallabhängig und kann nicht verallgemeinert werden.149 Aus diesen Kostenvorteilen einer außergerichtlichen Sanierung kann sich eine höhere Befriedigungsquote der Gläubiger ergeben, weil der zu verteilende „Kuchen“ größer ist.150 In den Verhandlungen mit den Gläubigern sollte die Geschäftsleitung diesen Vorteil herausstellen, um möglichst viele Gläubiger von der Sinnhaftigkeit der vorinsolvenzlichen Sanierung zu überzeugen. e) Höhere Erfolgschancen der Sanierung bei frühzeitiger Einleitung Je früher Unternehmenskrisen erkannt und Sanierungsmaßnahmen eingeleitet werden, desto größer ist die Chance einer erfolgreichen Sanierung.151 Die Vorteile der außergerichtlichen Sanierung sind also umso höher gegenüber einem gerichtlichen Insolvenzverfahren einzuschätzen, je früher die Sanierung eingeleitet wird. Dies liegt zunächst daran, dass der Unternehmenswert einer Gesellschaft in anfänglichen Krisenstadien noch höher ist als bei Eintritt der Liquiditätskrise. Des Weiteren ist auch der Handlungsdruck der Geschäftsleitung in einem solchen Fall noch geringer, so dass ein umfassendes Sanierungskonzept einfacher erarbeitet und im Anschluss daran umgesetzt werden kann.152 Trotz dieser Erkenntnis wurde bereits in Gliederungspunkt B.I. darauf hingewiesen, dass Sanierungsverfahren zumeist zu spät eingeleitet werden. Die Gründe hierfür sind vielfältig. Einerseits werden Krisen vom Management teilweise tatsächlich zu spät erkannt. Andererseits sind Gesellschafter und Geschäftsleiter bei der Einschätzung der Überlebenschancen der Gesellschaft systematisch zu optimistisch und verdrängen regelmäßig die sich mehrenden Krisenanzeichen.153 Darüber hinaus überbewerten sie solche Informationen, die sie in ihrer Fortführungsentscheidung (scheinbar) bestätigen. Dabei ist anerkannt, dass die Geschäftsleitung mit Eintritt 148

Kreplin, in: Nerlich/Kreplin, § 1, Rn. 9. Drukarczyk/Schöntag, in: Gottwald, Hdb Insolvenzrecht, § 3, Rn. 42; Kruschwitz/ Lodowicks/Löffler, DBW 2005, 221 (224). 150 Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 337. 151 Vgl. etwa Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 409 f.; Winnefeld, Bilanz-HB, Kap N, Rn. 599. Vgl. bereits Berger, in: Christians, Finanzierungshandbuch, S. 783 (S. 792); Krystek/Moldenhauer, Hdb Krisen- und Restrukturierungsmanagement, S. 263. 152 Liebig/Witt, DB 2011, 1929 (1929). 153 Klöhn, in: MüKo InsO, Bd. 1, § 15a, Rn. 38. 149

III. Vor- und Nachteile einer außergerichtlichen Sanierung

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einer Krise die Sanierung der Gesellschaft einzuleiten hat.154 Möglichen Schadensersatzpflichten der Geschäftsleiter aus § 93 Abs. 2 S. 1 AktG bzw. § 43 Abs. 2 GmbHG kommt auf Grund des weiten Ermessensspielraums und schwieriger Nachweismöglichkeiten hinsichtlich des Schadenseintritts jedoch kaum verhaltenssteuernde Wirkung zu.155 Außerdem ist der Kausalitätsnachweis schwer zu führen, weil dazu davon ausgegangen werden müsste, dass sich die Anteilsinhaber infolge pflichtgemäßer Information und Vorlage eines Sanierungskonzepts durch die Geschäftsleitung zur Umsetzung entsprechender Sanierungsmaßnahmen entschlossen hätten.156 Folgerichtig stellt sich die Frage, ob es anderer Anreize bedarf, um die Geschäftsleitung von Unternehmen zu einer früheren Einleitung von Sanierungsmaßnahmen zu motivieren bzw. zu verpflichten. aa) Anreize zu einer früheren Einleitung von Sanierungsmaßnahmen Eine frühere Einleitung von Sanierungsmaßnahmen könnte durch ein geändertes Haftungsregime erreicht werden. Im Kern geht es bei sämtlichen Haftungsstrategien um eine persönliche Verantwortlichkeit der Geschäftsleiter, wenn sie die Stellung des Insolvenzantrags verzögern. Dem liegt der Grundgedanke zugrunde, dass die Geschäftsleiter eines Unternehmens ohne persönliche Haftung einen Anreiz haben, die Insolvenz über den optimalen Liquidations- bzw. Reorganisationszeitpunkt zu Lasten der Gläubiger hinauszuschieben, da sie zwar von den Chancen risikoreicher Geschäfte profitieren, aber nicht in entsprechendem Umfang an den Risiken teilhaben.157 Das deutsche Insolvenzrecht trägt diesem Grundgedanken in § 15a Abs. 4 InsO Rechnung, in dem die unterlassene, nicht rechtzeitige oder nicht korrekte Insolvenzantragstellung mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe geahndet wird. Die strafbewehrte Unterlassung der Stellung eines Insolvenzantrags setzt damit erst bei Vorliegen der Insolvenzgründe der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung und damit sehr spät an. Auch die Zahlungsverbote gemäß §§ 92 Abs. 2 S. 1, 93 Abs. 3 Nr. 6 AktG bzw. § 64 S. 1 GmbHG stellen auf die Insolvenzreife ab. Wie bereits dargelegt wurde, sind die Sanierungschancen in diesem Stadium – die Gesellschaft befindet sich bereits in der Liquiditätskrise – regelmäßig schlechter als bei früherer Antragstellung. Die Einfügung der drohenden Zahlungsunfähigkeit gemäß § 18 InsO als Eröffnungsgrund in die InsO im Rahmen der Insolvenzrechtsreform des Jahres 1999 hat ebenfalls nicht zu einer frühzeitigeren Einleitung von Insolvenzverfahren geführt. Laut einer Erhebung des Statistischen 154 Lutter/Hommelhoff/Timm, BB 1980, 737 (739); Schmidt, Gutachten 54. DJT 1982, D 122; Schlitt, NZG 1998, 701 (702); Schluck-Amend/Walker, GmbHR 2001, 375 (376); Veil, ZGR 2006, 374 (378); Arnold/Spahlinger/Maske-Reiche, in: Theiselmann, Praxishandbuch Restrukturierungsrecht, S. 4. 155 Vgl. etwa Spindler, in: MüKo AktG, Bd. 2, § 91, Rn. 69; Veil, ZGR 2006, 374 (380); Westermann, DZWiR 2006, 485 (487); Bork, ZIP 2011, 101 (109). 156 Veil, ZGR 2006, 374 (380); Bork, ZIP 2011, 101 (109). 157 Klöhn, in: MüKo InsO, Bd. 1, § 15a, Rn. 35; Fleischer, ZGR 2004, 437, 446.

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B. Die Unternehmenskrise als Ausgangspunkt der Sanierung

Bundesamts aus dem Jahre 2008 wurde eine drohende Zahlungsunfähigkeit von weniger als 1 % aller Unternehmen in Deutschland als Eröffnungsgrund für ein Insolvenzverfahren genutzt.158 Für die Einleitung des gerichtlichen Insolvenzverfahrens ist grundsätzlich nicht zu beanstanden, auf die Insolvenzreife der Gesellschaft abzustellen und ansonsten lediglich bei drohender Zahlungsunfähigkeit den Geschäftsleitern des betroffenen Unternehmens die Möglichkeit der Antragstellung zu eröffnen. Denn zum Insolvenzverfahren kommt es zwingend erst zu dem ökonomisch zutreffenden Zeitpunkt, in dem keine reguläre Fortführungschance auf dem freien Markt mehr besteht und eine staatlich geordnete Sanierung oder Abwicklung erforderlich ist.159 Der Schutz der Gläubiger vor einer (weiteren) Verringerung der Haftungsmasse legitimiert in diesem Fall die Antragspflicht.160 Anreize für außergerichtliche Sanierungsverfahren in möglichst frühen Krisenstadien des Unternehmens ergeben sich hieraus jedoch nicht. Im juristischen Schrifttum sind aus diesem Grund verschiedene Vorschläge unterbreitet worden, um Anreize für eine frühere Einleitung von Sanierungsmaßnahmen zu setzen. Beachtenswert erscheint hier insbesondere ein Vorschlag von Eidenmüller, der eine Vorverlagerung der haftungsrechtlichen Verantwortlichkeit für die Geschäftsleiter vorschlägt.161 Seine Grundüberlegung geht dahin, dass sich bei schmelzender Eigenkapitalposition einer Gesellschaft die Pflichtenrichtung der Geschäftsleiter sukzessive ändert. Sie sind zunehmend nicht mehr den Gesellschaftern, sondern vielmehr den Gläubigern als den neuen Residualberechtigten verpflichtet.162 Die Haftungsnorm des § 15a InsO müsse daher dahingehend geändert werden, dass Geschäftsleiter, die eine Gesellschaft ohne Einleitung notwendiger Sanierungsmaßnahmen fortführen, obwohl sie wissen oder wissen müssen, dass die Gesellschaft innerhalb des nächsten Jahres zahlungsunfähig und/oder überschuldet zu werden droht, der Gesellschaft für die dadurch bewirkte Nettovermögensminderung verantwortlich sind. Die Haftung entfiele, wenn die Mitglieder des Vertretungsorgans alle kaufmännisch gebotenen Maßnahmen ergriffen haben, um den Eintritt dieses Ereignisses zu vermeiden. Hierfür obläge den Geschäftsleitern die Beweislast. Die bestehenden Insolvenzantragsrechte (§§ 14, 15 und 18 InsO) blieben von der Haftungsnorm des neu gefassten § 15a InsO nach dem Vorschlag von Eidenmüller unberührt. Ähnliche Regelungen findet man etwa in Großbritannien (Section 214 Insolvency Act)163 und Österreich (§ 22 Abs. 1 Nr. 1 Unternehmensreorganisations158

Statistisches Bundesamt, Wirtschaft und Statistik, 4/2008, 302 (306). Hirte, ZInsO 2010, 1986 (1992). 160 Bork, ZIP 2010, 397 (402). 161 Eidenmüller, ZIP 2010, 649 ff. 162 Eidenmüller, ZIP 2010, 649 (652). 163 Nach dieser Haftungsnorm können die Geschäftsleiter zu einer im Ermessen des Gerichts stehenden Schadensersatzleistung herangezogen werden, wenn sie eine Gesellschaft fortgeführt haben, obwohl es keine vernünftigen Aussichten gab, eine insolvenzbedingte Liquidation zu vermeiden (wrongful trading); allgemein zur wrongful-trading-Haftung in 159

III. Vor- und Nachteile einer außergerichtlichen Sanierung

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Gesetz (URG)),164 wo Geschäftsleiter unter bestimmten Voraussetzungen zu Schadensersatzleistungen herangezogen werden können, wenn sie eine Gesellschaft trotz Sanierungsbedarf fortgeführt haben.165 Eine Vorverlagerung des Verbots der Masseschmälerung (§ 64 S. 1 GmbHG bzw. §§ 92 Abs. 2 S. 1, 93 Abs. 3 Nr. 6 AktG) auf den Zeitpunkt der Krise wird dagegen in der Literatur mehrheitlich abgelehnt, da eine so umfassende Kapitalbindung ab dem Zeitpunkt der Krise der Gesellschaft die Handlungsfähigkeit der Geschäftsführer in unangemessener Weise einschränken würde.166 Neben einer Änderung des Haftungsregimes für die Geschäftsleiter eines Unternehmens wird, ebenfalls mit Blick auf die Regelungen in Großbritannien, gelegentlich eine Disqualifizierungsstrategie vorgeschlagen, wonach Geschäftsleiter, die sich der Insolvenzverschleppung gemäß 15a Abs. 4 InsO schuldig gemacht haben, nicht mehr als Geschäftsleiter tätig werden dürfen.167 Vorbild wäre der englische Companies Directors Disqualifications Act 1986. Jedoch darf auch nach bereits geltender Rechtslage ein Geschäftsführer, der wegen Insolvenzverschleppung (§ 6 Abs. 2 S. 2 Nr. 3a) GmbHG bzw. § 76 Abs. 3 Nr. 3a) AktG) oder den InsolvenzGroßbritannien vgl. etwa Bachner, Creditor Protection, S. 208 ff.; Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 174 ff. 164 Die Vorschrift lautet: „§ 22 (1) Wird über das Vermögen einer prüfpflichtigen juristischen Person, die ein Unternehmen betreibt, der Konkurs oder der Anschlusskonkurs eröffnet, so haften die Mitglieder des vertretungsbefugten Organs gegenüber der juristischen Person zur ungeteilten Hand, jedoch je Person nur bis zu 100.000 Euro, für die durch die Konkursmasse nicht gedeckten Verbindlichkeiten, wenn sie innerhalb der letzten zwei Jahre vor dem Konkursoder Ausgleichsantrag 1. einen Bericht des Abschlussprüfers erhalten haben, wonach die Eigenmittelquote (§ 23) weniger als 8 % und die fiktive Schuldentilgungsdauer (§ 24) mehr als 15 Jahre beträgt (Vermutung des Reorganisationsbedarfs), und nicht unverzüglich ein Reorganisationsverfahren beantragt oder nicht gehörig fortgesetzt haben oder 2. einen Jahresabschluss nicht oder nicht rechtzeitig aufgestellt oder nicht unverzüglich den Abschlussprüfer mit dessen Prüfung beauftragt haben“. 165 Eidenmüller, ZIP 2010, 649 (653). 166 Vgl. hierzu ausführlich, Veil, ZGR 2006, 374 (389 ff.) unter Hinweis auf einen Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz hinsichtlich eines „Gesetzes zur Bekämpfung von Missbräuchen, zur Neuregelung der Kapitalaufbringung und zur Förderung der Transparenz im GmbH-Recht“ (MiKaTraG); Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 174 (213). 167 Dieser Vorschlag wird gelegentlich in der juristischen Literatur aufgegriffen, wobei nicht erkennbar ist, dass die nachfolgend genannten Autoren positiv zu einem solchen Disqualifizierungsverfahren stünden; vgl. Hirte, ZInsO 2010, 1986 (1992); Klöhn, in; MüKo InsO, Bd. 1, § 15a, Rn. 39; soweit in diesem Zusammenhang ein Aufsatz von Hirte/Lanzius/Mock, in: ZGR-Sonderheft 17 (2006), 301 ff. zitiert wird, ist darauf hinzuweisen, dass von den Autoren insbesondere kritisiert wurde, dass der Tatbestand der Insolvenzverschleppung nicht in den Ausschlussgründen für die Bestellung eines Geschäftsführers einer GmbH oder eines Vorstands einer AG enthalten war und sie die bestehenden Tätigkeitsverbote zum damaligen Zeitpunkt daher als unzureichend ansahen. Durch Erweiterung der Ausschlussgründe um den Tatbestand der Insolvenzverschleppung in § 6 Abs. 2 S. 2 Nr. 3a) GmbHG bzw. § 76 Abs. 3 Nr. 3a) AktG im Rahmen des MoMiG ist davon auszugehen, dass die seinerzeitigen Ausführungen der Autoren insoweit nicht mehr oder nur noch bedingt relevant sind.

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B. Die Unternehmenskrise als Ausgangspunkt der Sanierung

straftaten gemäß §§ 283 – 283d StGB (§ 6 Abs. 2 S. 2 Nr. 3b) GmbHG bzw. § 76 Abs. 3 Nr. 3a) AktG) verurteilt worden ist, für einen Zeitraum von fünf Jahren ab Rechtskraft des Urteils nicht mehr zum Geschäftsführer bestellt werden. Darüber hinaus kommt eine Gewerbeuntersagung gemäß § 35 GewO in Betracht.168 Auf Grund der bestehenden gesetzlichen Regelungen in Deutschland ist aus Sicht des Verfassers insoweit kein Regelungsbedarf erkennbar. Darüber hinaus könnte man die Antragsrechte für Gläubiger erweitern und damit deren Kontrollmöglichkeiten stärken.169 Auch dieser Vorschlag basiert auf Beobachtungen des englischen Rechts. Dort reicht gemäß Section 123 Insolvency Act Verzug mit einer unstreitigen Forderung oberhalb einer Minimalgrenze von £ 750 grundsätzlich zum Nachweis der Zahlungsunfähigkeit aus. Auch die Gläubiger sind in einem solchen Fall zur Insolvenzantragstellung berechtigt.170 In Deutschland sind die Voraussetzungen, unter denen ein Gläubiger einen Insolvenzantrag stellen darf, deutlich strenger.171 Gemäß § 14 Abs. 1 S. 1 InsO ist ein Insolvenzantrag eines Gläubigers nur zulässig, wenn der Gläubiger seine Forderung und einen Eröffnungsgrund glaubhaft macht und er darüber hinaus ein rechtlich geschütztes Interesse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners hat. Demgegenüber weist man im englischen Recht darauf hin, dass die Nichtzahlung einer unstreitigen Schuld ein deutliches Warnsignal nach außen sei, an das man mit Recht die Vermutung der Zahlungsunfähigkeit knüpfen dürfe. Gegen verfrühte Verfahren, etwa bei bloßen Zahlungsstockungen, könne sich der Schuldner verteidigen, ebenso gegen missbräuchliche Druckverfahren zur Durchsetzung streitiger Ansprüche. Der Missbrauch des Insolvenzverfahrens zur Einzelzwangsvollstreckung werde damit hinreichend verhindert.172 bb) Fazit Die Vorschläge hinsichtlich einer Disqualifizierungs- bzw. Kontrollstrategie setzen an den bestehenden Insolvenzantragsgründen an und tragen damit schon aus diesem Grund nicht zu einer wesentlich früheren Einleitung von Sanierungsmaßnahmen im Vorfeld der Insolvenz – idealerweise bereits im Stadium der Stakeholderoder Strategiekrise – bei. Die Krise eines Unternehmens wird für die Gläubiger aber zumeist auch erst zu einem späten Zeitpunkt offenbar. Dies gilt regelmäßig auch für die Banken des betroffenen Unternehmens, die trotz entsprechender Covenants in den Kreditverträgen häufig erst zu spät die Krise eines Unternehmens bemerken.173 Eine Stärkung der Kontrollrechte der Gläubiger kann aus Sicht des Verfassers, un168 169 170 171 172 173

Vgl. etwa OVG Münster NJOZ 2005, 4898 ff.; VGH Kassel NVwZ-RR 2012, 269 ff. Hirte, ZInsO 2010, 1986 (1992). Meyer-Löwy/Poertzgen/de Vries, ZInsO 2005, 293 (295). Vgl. etwa zu den Voraussetzungen Schmahl/Vuia, in: MüKo InsO, Bd. 1, § 14, Rn. 1 ff. Hirte, ZInsO 2010, 1986 (1992). So z. B. Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 268.

III. Vor- und Nachteile einer außergerichtlichen Sanierung

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abhängig davon, dass durch unberechtigte Anträge die Gefahr massiver Eingriffe in das Vermögen und die Rechtsstellung eines Schuldners besteht, daher nicht wesentlich zu einer früheren Einleitung von Sanierungsverfahren beitragen. Wenn Sanierungsbemühungen aus dem unmittelbaren Zeitpunkt vor der Insolvenz des Unternehmens vorverlagert werden sollen in ein vorinsolvenzliches Stadium, in dem die Liquiditätskrise des Unternehmens noch weit entfernt ist, dann erscheint lediglich der Vorschlag von Eidenmüller hinsichtlich einer Vorverlagerung des Haftungsregimes der Geschäftsleiter erfolgversprechend. Gegen diesen Vorschlag kann zwar vorgebracht werden, dass insbesondere die präzise Vorgabe durch die Gerichte, welche Restrukturierungspflichten die Geschäftsleiter in diesem Zusammenhang konkret treffen würden, Schwierigkeiten bereiten könnten. Eidenmüller weist allerdings zutreffend darauf hin, dass sich die zuständigen Gerichte an best practice codes wie z. B. dem IDW S 6 orientieren könnten. Auch würden, so ein weiterer Einwand, Geschäftsleiter auf Grund limitierter Eigenmittel durch zivilrechtliche Haftungsansprüche regelmäßig nur in geringem Maße abgeschreckt.174 Angesichts gerichtlicher Entscheidungen wie etwa der „Siemens/-Neubürger-Entscheidung“ des Landgerichts München I175 muss diese Einschätzung allerdings revidiert werden. Schwieriger wiegt allerdings die Beweislast der Anspruchsteller hinsichtlich des Vorliegens einer Nettovermögensminderung. Der Nachweis, dass eine Vermögensminderung durch Unterlassen angemessener Sanierungsmaßnahmen eingetreten ist, dürfte in vielen Fällen nur schwer zu führen sein. Diesbezüglich käme den Anspruchstellern jedoch regelmäßig die Beweiserleichterung des § 287 ZPO zugute. Die Ausführungen von Eidenmüller erscheinen daher trotz der vorgebrachten Kritikpunkte als ein interessanter Vorschlag, um vorinsolvenzliche Sanierungsverfahren frühzeitig einzuleiten und Sanierungsmaßnahmen damit effizienter und erfolgversprechender umsetzen zu können. Überlegenswert erscheint aus Sicht des Verfassers jedoch, die Insolvenzantragspflichten des § 15a InsO bei Insolvenzreife unangetastet zu lassen und vielmehr die Haftung für die unterlassene Einleitung von Sanierungsmaßnahmen zusätzlich im GmbHG bzw. AktG zu statuieren. Der Vorschlag Eidenmüllers statuiert schließlich Pflichtenbindungen, die ein Fehlverhalten im Vorfeld der Insolvenz unterbinden sollen. Lässt sich die Insolvenz des Unternehmens trotz Einleitung von Sanierungsmaßnahmen nicht verhindern, sollte mit Eintritt der Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit weiterhin die Pflicht der Geschäftsleiter bestehen, Insolvenzantrag zu stellen. In diesem Moment muss das Interesse der Gläubiger an einer Masseschmälerung überwiegen. Auch in Österreich besteht die Haftung gemäß § 22 URG neben der Pflicht zur Stellung eines Insol174

Vgl. etwa Hirte/Lanzius/Mock, ZGR Sonderheft 17, 301 (304). LG München BB 2014, 850 ff.; in dieser Entscheidung hat das Landgericht den früheren Finanzvorstand der Siemens AG, Herr Neubürger, wegen der Verletzung von Organisationspflichten im Zusammenhang mit Vorwürfen, Siemens Mitarbeiter hätten ausländische Amtsträger bestochen, dazu verurteilt, seinem früheren Arbeitgeber 15 Mio. EUR Schadensersatz zu zahlen. 175

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B. Die Unternehmenskrise als Ausgangspunkt der Sanierung

venzantrags gemäß § 69 Abs. 2 der österreichischen Insolvenzordnung (IO) bei Zahlungsunfähigkeit (§ 66 IO) oder Überschuldung (§ 67 IO). Beachtenswert ist, dass den Geschäftsleitern in Österreich trotz vorhergehender Pflicht zur Einleitung von Sanierungsmaßnahmen ein deutlich längerer Zeitraum von 60 Tagen zur Stellung des Insolvenzantrags nach Eintritt von Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung eingeräumt wird. 2. Nachteile der außergerichtlichen Sanierung Trotz der nunmehr herausgearbeiteten Vorteile einer außergerichtlichen Sanierung dürfen die Nachteile und rechtlichen Hindernisse einer solchen freien, auf dem Prinzip der Vertragsfreiheit beruhenden Sanierung nicht vernachlässigt werden. a) Einbindung dissentierender Gesellschafter und Gläubiger Die regelmäßig größte Schwierigkeit vorinsolvenzlicher Sanierungsverfahren liegt in der Einbindung dissentierender Gesellschafter und Gläubiger und der grundsätzlich fehlenden Möglichkeit von Mehrheitsentscheidungen. Dies stellt sich grundsätzlich als entscheidender Nachteil gegenüber dem Insolvenzplanverfahren dar, in dem durch das in §§ 245, 251 InsO statuierte Obstruktionsverbot unter bestimmten Voraussetzungen der Widerstand einzelner Gläubiger oder sogar einzelner Gläubigergruppen überwunden und die Zustimmung einer den Insolvenzplan ablehnenden Gruppe unter den Voraussetzungen des § 245 Abs. 1 InsO fingiert werden kann. Gemäß § 217 S. 2 InsO können auch die Anteilsinhaber in den Insolvenzplan einbezogen und dadurch ihr Blockadepotenzial verringert werden. Die Einbindung dissentierender Gesellschafter und Gläubiger in außergerichtliche Sanierungsverfahren wird in Gliederungspunkten C. und D. detailliert behandelt. Auf die dortigen Ausführungen wird verwiesen. b) Rechtliche Hindernisse der vorinsolvenzlichen Sanierung Gerichtliche Insolvenzverfahren sind durch eine Vielzahl rechtlicher Privilegierungen gekennzeichnet, die sich im Einzelfall – je nach Ausprägung und konkretem Bedarf des betroffenen Unternehmens – als signifikante Vorteile gegenüber einem außergerichtlichen Sanierungsverfahren erweisen können. aa) Keine Vollstreckungssperre Anders als bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens gemäß § 90 Abs. 1 InsO besteht im Rahmen einer freien Sanierung keine allgemeine Vollstreckungssperre, so dass einzelne Gläubiger grundsätzlich nicht gehindert sind, in das Gesellschafts-

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vermögen zu vollstrecken.176 Sofern ein Gläubiger zu der Einschätzung gelangt, dass er im Rahmen einer Unternehmenssanierung voraussichtlich schlechter stehen wird als bei sofortiger Zwangsvollstreckung, dann wird er mit großer Wahrscheinlichkeit die letztere Möglichkeit wählen.177 Hierdurch kann eine Kettenreaktion ausgelöst werden, die in kürzester Zeit zur Zahlungsunfähigkeit des betroffenen Unternehmens führen kann. Dieser „Wettlauf der Gläubiger“ um Befriedung und Sicherung kann allerdings auch für die Gläubiger erhebliche negative Konsequenzen nach sich ziehen, da für sie die Gefahr besteht, etwaige Zwangsvollstreckungen auf Grund der Rückschlagsperre des § 88 InsO oder der Insolvenzanfechtungsgründe der §§ 129 ff. InsO wieder rückabwickeln zu müssen. Die Gläubiger hätten in einem solchen Fall „mit Zitronen gehandelt“, da die Vollstreckungshandlungen einerseits unwirksam sind und andererseits die Chance zur Sanierung womöglich vertan wurde. Hat ein Insolvenzgläubiger im letzten Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch Zwangsvollstreckung eine Sicherung an dem zur Insolvenzmasse gehörenden Schuldnervermögen erlangt, so wird diese Sicherung nach § 88 InsO mit der Eröffnung des Verfahrens unwirksam. Liegt die Vollstreckungshandlung länger als einen Monat zurück, kommt im eröffneten Insolvenzverfahren eine Insolvenzanfechtung des Insolvenzverwalters wegen vorsätzlicher Gläubigerbenachteiligung gemäß § 133 Abs. 1 InsO in Betracht. Erforderlich ist allerdings eine Rechtshandlung des Schuldners. Demgemäß scheidet eine Insolvenzanfechtung nach Ansicht der Rechtsprechung und des überwiegenden Teils der Literatur aus, wenn der Schuldner nur noch die Wahl hat, die geforderte Zahlung sofort zu leisten oder die Vollstreckung zu dulden, d. h. wenn jede Möglichkeit seines selbstbestimmten Handelns ausgeschaltet ist.178 In diesem Fall fehlt es an einer Rechtshandlung des Schuldners. Allerdings werden Zahlungen des Schuldners, die zur Abwendung von Vollstreckungshandlungen in der Krise vorgenommen werden, von der Rechtsprechung regelmäßig als anfechtbare Rechtshandlungen ausgelegt.179 Entscheidend ist, ob der Schuldner noch willentlich über die konkrete Art und Weise der Befriedigung des Gläubigers entscheiden konnte oder ob das Vollstreckungsorgan die konkret vom Schuldner erbrachte Leistung hätte erzwingen können. Für den Gläubiger bedeutet dies letztlich, dass er grundsätzlich nur dann eine der Anfechtung nach § 133 InsO entzogene Befriedigung erlangen kann, wenn er nach §§ 808 ff. ZPO auf körperliche Sachen oder Bargeld bzw. nach §§ 828 ff. ZPO im 176

Uhlenbruck, in: Knops/Bamberger/Maier-Reimer, Recht der Sanierungsfinanzierung, § 5, Rn 18; Uhlenbruck, in: Schmidt/Uhlenbruck, Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, Rn. 2.2; Krystek/Moldenhauer, Hdb Krisen- und Restrukturierungsmanagement, S. 264. 177 So auch Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 354. 178 BGHZ 162, 143 (147 f.); BGHZ 167, 11 (14); BGH NZI 2006, 159 (162); BGH NZI 2011, 589 (592); BGH NZI 2012, 658 (658); BGH ZIP 2014, 35 (35); Huber, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, § 48, Rn. 5; Kayser, in: MüKo InsO, Bd. 2, § 133, Rn. 8 f.; Bork, ZIP 2004, 1684 (1685); a.A. Kreft, KTS 2004, 205 (216 ff.); Kübler, in: FS Greiner, 159 (160 f.); Brinkmann/Luttmann, ZInsO 2007, 565 ff.; Rendels, ZIP 2004, 1289 ff. 179 BGH NJW 2003, 3347 (3348); BGH NJW 2005, 1121 (1123); BGH ZIP 2008, 131 (132); BGH NZI 2012, 658 (658); Kayser, in: MüKo InsO, Bd. 2, § 133, Rn. 9a.

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B. Die Unternehmenskrise als Ausgangspunkt der Sanierung

Wege des Pfändungs- und Überweisungs- oder Einziehungsbeschlusses auf Bankguthaben des Schuldners zugegriffen hat.180 Es ist im konkreten Einzelfall Aufgabe des Sanierungsberaters oder der organschaftlichen Vertreter des Krisenunternehmens, die Gläubiger auf die Wirkungen und möglichen Risiken von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen im Vorfeld der Insolvenz des Unternehmens hinzuweisen und unter Hinweis auf das Eigeninteresse der Gläubiger darauf hinzuwirken, Einzelzwangsvollstreckungen zur Vermeidung der Stellung des Insolvenzantrags zu vermeiden. In der Praxis sollte das sanierungsbedürftige Unternehmen in diesem Zusammenhang versuchen, Stillhaltevereinbarungen mit den Gläubigern abzuschließen. bb) Fehlende Anreize zur Gewährung von Sanierungsdarlehen und Haftungsrisiken Die Aufrechterhaltung der Liquiditätsversorgung eines in der Krise befindlichen Unternehmens – und damit die Gewährung von Sanierungsdarlehen – ist für eine Vielzahl von Sanierungsverfahren von besonderer Bedeutung. Hierunter versteht man Darlehen, die einem Schuldner zur Abwendung eines drohenden bzw. bereits eingetretenen Insolvenztatbestandes (Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung) von Altgläubigern, Neugläubigern oder Gesellschaftern gewährt werden.181 Die Aufnahme von Sanierungsdarlehen wird im Stadium der Insolvenz des Unternehmens dadurch erleichtert, dass vom vorläufigen Insolvenzverwalter oder dem Schuldner unter der Voraussetzung des § 270b Abs. 3 InsO aufgenommene Darlehen vorrangig zu befriedigende Masseverbindlichkeiten darstellen.182 Masseverbindlichkeiten sind nach § 53 InsO vorweg, d. h. vor den – quotal zu befriedigenden – Insolvenzgläubigern in voller Höhe aus der Masse zu begleichen.183 Diese Privilegierung ist notwendig, weil der vorläufige Insolvenzverwalter bzw. der Schuldner im Rahmen der Eigenverwaltung ohne diese Begünstigung nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen Rechtsgeschäfte abschließen könnten.184 Die bevorzugte Rückzahlung solcher Sanierungsdarlehen stellt gleichzeitig einen Anreiz für potentielle Kreditgeber dar, Sanierungsdarlehen zu gewähren.185 Verstärkt wird dies durch die per180

So Ede/Hirte, in: Uhlenbruck, Komm. InsO, § 133, Rn. 21. Drukarczyk/Schöntag, in: Gottwald, Hdb Insolvenzrecht, § 3, Rn. 39. Von Sanierungsdarlehen sind Überbrückungsdarlehen begrifflich abzugrenzen. Überbrückungsdarlehen dienen dazu, einen kurzfristigen Liquiditätsengpass zu beseitigen, oft auch, um den Zeitraum bis zur Entscheidung über die Sanierungsfähigkeit des Unternehmens zu überbrücken, vgl. hierzu etwa BGH NJW 1998, 1561 (1564); ausführlich auch Wallner/Neuenhahn, NZI 2006, 553 (554). 182 Wuschek, ZInsO 2012, 1294 (1296). 183 Henckel, in: Jaeger, Großkomm. InsO, § 53 Rn. 32; Hefermehl, in: MüKo InsO, Bd. 1, § 53, Rn. 12. 184 Hefermehl, in: MüKo InsO, Bd. 1, § 55, Rn. 1. 185 Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 369. 181

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sönliche Haftung des Insolvenzverwalters für die Rückzahlung solcher Sanierungsdarlehen gemäß § 61 S. 1 InsO einerseits und ein nur begrenztes Haftungsrisiko der Darlehensgeber andererseits, da voll informierte Insolvenzgläubiger explizit über den Insolvenzplan und damit auch dessen Finanzierung abstimmen.186 Demgegenüber können aus einem vor Insolvenzeröffnung des Unternehmens ausgezahlten Sanierungsdarlehen nicht unerhebliche Haftungsrisiken für den Darlehensgeber resultieren, die eine Darlehensgewährung häufig erschweren.187 Vor Eintritt der Insolvenzreife gewährte Sanierungsdarlehen beseitigen regelmäßig – jedenfalls kurzfristig – den Insolvenzgrund der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit und führen damit häufig zu einer zeitlichen Verzögerung der Insolvenzantragstellung. Dies birgt für die Gläubiger eines Unternehmens grundsätzlich das Risiko der – weiteren – Masseschmälerung. Außerdem können die anderen Gläubiger durch die Krediteinräumung über die Kreditwürdigkeit des Kreditnehmers getäuscht werden und dadurch zu Schaden kommen, dass sie weitere Geschäfte mit dem Unternehmen tätigen oder ihre bestehenden Forderungen stunden.188 In diesem Spannungsverhältnis können sich für Darlehensgeber, insbesondere also die finanzierenden Banken, Haftungsrisiken ergeben, wenn ein Sanierungsdarlehen nicht der Behebung einer überwindbaren und vorübergehenden Krise dient, sondern aus eigennützigen Motiven gewährt wird, um sich gegenüber den anderen Gläubigern einen Vorteil zu verschaffen.189 So etwa, wenn durch die Darlehensgewährung lediglich die gebotene Insolvenzantragsstellung hinausgeschoben werden soll, um eine Rückführung etwa bestehender Altkredite zu erreichen oder den darlehensgewährenden Gläubiger anderweitig in die Lage zu versetzen, sich in der gewonnenen Zeit aus Sicherheiten zum Nachteil anderer Gläubiger ungehindert zu befriedigen.190 In einem solchen Fall droht eine Haftung wegen Insolvenzverschleppung, d. h. die anderen Gläubiger können Schadensersatzansprüche gemäß § 826 BGB geltend machen.191 Darüber hinaus wird der Insolvenzverwalter die Rückgewähr der vom Schuldner bestellten Sicherheiten verlangen, weil die Qualifizierung als sog. eigennütziger Kredit die Sittenwidrigkeit und Nichtigkeit des Sicherungsvertrages nach § 138 BGB nach sich ziehen kann.192 Um diesen Konsequenzen zu entgehen, muss das Sanierungsdarlehen ausdrücklich zum Zwecke der Sanierung gewährt werden und hierfür auch geeignet

186

Drukarczyk/Schöntag, in: Gottwald, Hdb Insolvenzrecht, § 3, Rn. 41. Knops, in: Knops/Bamberger/Maier-Reimer, Recht der Sanierungsfinanzierung, § 7 A, Rn. 5; Uhlenbruck, WPg 1978, 661 (673). 188 Bornheimer, in: Nerlich/Kreplin, § 29, Rn. 29. 189 BGHZ 10, 228 (233); Bornheimer, in: Nerlich/Kreplin, § 29, Rn. 29; Kuntz, ZIP 2008, 814 (822). 190 BGH WM 1962, 962 (965); BGH NJW 1970, 657 (658); vgl. hierzu auch Schönfelder, WM 2013, 112 (113). 191 BGH NJW 1970, 657 (658); Obermüller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis, Rn. 5.152; Schönfelder, WM 2013, 112 (113). 192 Gogger, Insolvenzgläubiger-Handbuch, § 3, Rn. 294. 187

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B. Die Unternehmenskrise als Ausgangspunkt der Sanierung

sein.193 Die geforderte positive Sanierungsprognose muss sich die darlehensgewährende Bank regelmäßig von einem unabhängigen Wirtschaftsprüfer oder einem anderen sachverständigen Dritten bestätigen lassen.194 Es liegt auf der Hand, dass sich diese Haftungsrisiken und das Erfordernis der Erstellung einer positiven Sanierungsprognose durch einen Dritten als äußerst hinderlich für die Darlehensgewährung in der Krise der Gesellschaft erweisen. Das Haftungsrisiko der darlehensgewährenden Bank wird allerdings entschärft, wenn sich das betroffene Unternehmen erst in einem frühen Krisenstadium befindet. Je früher die Sanierungsmaßnahmen eingeleitet werden, desto gleichwertiger sind die abzuwägenden Interessen der Gläubiger und des Kreditgebers, die sich außerhalb des Insolvenzverfahrens grundsätzlich ja in einem legitimen Wettlauf um die bestmögliche Sicherung und Befriedigung ihrer Forderungen befinden.195 Die Pflicht der darlehensgewährenden Bank zur Rücksichtnahme auf die anderen Gläubiger – und damit das Haftungsrisiko – nimmt im Verlauf der Krise des betroffenen Unternehmens demnach stetig zu. Eine frühzeitige Einleitung von Sanierungsmaßnahmen kann daher auch unter Haftungsaspekten im Interesse der beteiligten Gläubiger liegen. cc) Keine Wahlmöglichkeit bei Abwicklung schwebender Rechtsgeschäfte In der Insolvenz des Unternehmens steht dem Insolvenzverwalter bei nicht oder nicht vollständig erfüllten gegenseitigen Verträgen gemäß § 103 Abs. 1 InsO ein Wahlrecht zu, ob er den Vertrag erfüllen will oder es bei der Nichterfüllung belassen möchte. Der Zweck des Erfüllungswahlrechtes liegt darin, dem Insolvenzverwalter im Interesse der Masse und damit der Gläubigergemeinschaft durch die Erfüllung des Vertrages einen Anspruch auf die ihm vorteilhaft erscheinende Gegenleistung zu verschaffen, auf die er ohne die Erfüllungswahl einen durchsetzbaren Anspruch nicht hätte.196 dd) Keine Kündigungssperre für Miet- oder Pachtverhältnisse Gemäß § 112 InsO darf ein Vertragspartner als Mieter oder Verpächter des insolventen Unternehmens ein Miet- oder Pachtverhältnis nach dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht wegen Verzug oder Verschlechterung der 193 BGH WM 1965, 918 (919); Wallner/Neuenhahn, NZI 2006, 553 (556); Schönfelder, WM 2013, 112 (113 f.). 194 BGHZ 10, 228 (228); BGH NJW 1998, 1561 (1564); Wallner/Neuenhahn, NZI 2006, 553 (556); in der Literatur wird die Notwendigkeit der Sanierungsprüfung durch Dritte teilweise angezweifelt, vgl. etwa Schäffler, BB 2006, 56 (59); Ebbing, KTS 1996, 327 (349); Wenzel, NZI 1999, 294 (298). Im Ergebnis wird die Einholung zu Beweiszwecken aber auch von dieser Ansicht empfohlen. 195 So auch Wallner/Neuenhahn, NZI 2006, 553 (555). 196 BGH NZI 2001, 537 (537); BGH NZI 2002, 380 (382); Wegener, in: Uhlenbruck, Komm. InsO, § 103, Rn. 2.

III. Vor- und Nachteile einer außergerichtlichen Sanierung

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Vermögensverhältnisse des Schuldners kündigen. Die Kündigungssperre des § 112 InsO beruht auf dem Gedanken, dass die wirtschaftliche Einheit im Besitz des Schuldners nicht zur Unzeit auseinandergerissen werden darf.197 Dem Insolvenzverwalter soll es ermöglicht werden, das Unternehmen so lange intakt zu erhalten, bis eine Entscheidung über eine Fortführung, Sanierung, Gesamtveräußerung oder ordnungsgemäße Abwicklung des Unternehmens getroffen werden kann.198 Angesichts bestehender Kündigungsrechte bei Zahlungsverzug ist – soweit wirtschaftlich möglich – der Aufrechterhaltung von Miet- oder Pachtzahlungen im Rahmen der außergerichtlichen Sanierung erhöhte Priorität einzuräumen. ee) Arbeitsrechtliche Hindernisse Im Rahmen außergerichtlicher Sanierungen sind arbeitsrechtliche Vorschriften strikt einzuhalten. Angesichts der Tatsache, dass eine Reduzierung der Personalkosten notwendiger Bestandteil vieler Sanierungspläne ist, kann dies die Umsetzung außergerichtlicher Sanierungspläne erheblich behindern. Die Insolvenzordnung enthält demgegenüber Regelungen, die die arbeitsrechtlichen Vorschriften in der Insolvenz des Unternehmens modifizieren, um auf diese Weise eine schnellere Klärung der Personalsituation zu ermöglichen und damit mögliche Sanierungen durch Rationalisierungsmaßnahmen zu ermöglichen. Die relevanten Vorschriften finden sich in der Insolvenzordnung in den §§ 113, 120 – 128 InsO. Dienst- und Arbeitsverhältnisse können gemäß § 113 InsO ohne Rücksicht auf eine vereinbarte Vertragsdauer oder einen vereinbarten Ausschluss des Rechts zur ordentlichen Kündigung vorzeitig gekündigt werden. Die Anwendung des KSchG wird durch die §§ 125 – 128 InsO modifiziert und eine Vorklärung der notwendigen Kündigungen, die die gekündigten Arbeitnehmer nur eingeschränkt gerichtlich überprüfen lassen können, ermöglicht. Zu beachten ist weiterhin die Möglichkeit der Kündigung von Betriebsvereinbarungen gemäß § 120 Abs. 1 S. 2 InsO. Das insolvente Unternehmen kann hierdurch kurzfristig von aus der Betriebsvereinbarung resultierenden Verbindlichkeiten entlastet werden. Die Verhandlungen über Rationalisierungsmaßnahmen gestalten sich im Rahmen außergerichtlicher Sanierungsverfahren deutlich schwieriger. Bei der Realisierung eines notwendigen Arbeitsplatzabbaus innerhalb einer kurzen Zeitspanne kommt der Kompromiss- und Verhandlungsbereitschaft der Beteiligten, insbesondere des Betriebsrats der betroffenen Gesellschaft, eine Schlüsselstellung zu.

197

Begr. zu § 126 RegE, BT-Drucks. 12/2443, S. 148; Balthasar, in: Nerlich/Römermann, Komm. InsO, § 112, Rn. 4. 198 Eckert, in: MüKo InsO, Bd. 2, § 112, Rn. 1; Balthasar, in: Nerlich/Römermann, Komm. InsO, § 112, Rn. 4.

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B. Die Unternehmenskrise als Ausgangspunkt der Sanierung

ff) Weitere insolvenzrechtliche Vorteile des Insolvenzverfahrens Das Insolvenzrecht enthält weitere Regelungen, die sich im Einzelfall jeweils als positiver Aspekt einer Unternehmenssanierung in der Insolvenz herausstellen können. In diesem Zusammenhang sind etwa die Anfechtungsrechte der §§ 129 ff. InsO zu nennen, die – obgleich darin nicht ihr Hauptzweck zu sehen ist – zu einer oftmals nicht unwesentlichen Mehrung der Insolvenzmasse führen können.199 Sanierungen in der Insolvenz können auch durch die Insolvenzgeldregelung, es handelt sich hierbei um eine Absicherung aller Arbeitnehmer gegen insolvenzbedingte Lohnausfälle, erleichtert werden. Durch die Vorfinanzierung der Arbeitnehmeransprüche gegenüber der Arbeitsagentur durch ein Kreditinstitut kann der vorläufige Verwalter das Unternehmen in die Lage versetzen, für einen Zeitraum von bis zu drei Monaten alle betrieblichen Aktivitäten fortzusetzen, ohne Lohnzahlungen einschließlich Lohnsteuern und Sozialabgaben leisten zu müssen.200 Die hierdurch bedingte Schonung der Liquidität des Unternehmens kann die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Sanierung erheblich steigern. c) Haftungsrisiken bei vorinsolvenzlichen Sanierungsverfahren Neben den Haftungsrisiken, die sich insbesondere für Banken durch Gewährung eines Sanierungsdarlehens ergeben können und bereits in Gliederungspunkt B.III. 2.b)bb) dargestellt wurden, können sich weitere Haftungsrisiken der Beteiligten insbesondere durch die Rechtsfigur der faktischen Geschäftsführung sowie auf Grund konzernrechtlicher Maßstäbe ergeben. aa) Haftung aufgrund faktischer Organstellung Die Rechtsfigur des faktischen Organs ist im Rahmen der zivil- und strafrechtlichen Insolvenzverschleppungshaftung fest etabliert und lässt sich dogmatisch als Sonderverbindung kraft tatsächlicher Leitung einordnen.201 Obwohl ein Großteil der relevanten Urteile des BGH und anderer Obergerichte zum faktischen Geschäftsführer bei der GmbH ergangen sind, ist diese Rechtsfigur nicht darauf beschränkt, sondern auch auf andere Gesellschaftsformen anwendbar.202 199

Krystek/Moldenhauer, Hdb Krisen- und Restrukturierungsmanagement, S. 264. Liebig/Witt, DB 2011, 1929 (1932); Smid/Rattunde/Martini, Insolvenzplan, Kap. 1, Rn. 1.21. 201 Fleischer, AG 2004, 517 (523 f.); ders., GmbHR 2011, 337 (340); zustimmend Hüffer/ Koch, Komm. AktG, § 93, Rn. 38; Schürnbrand, Organschaft, S. 303; Kübler/Assmann, GesR, S. 211; ausführlich zur dogmatischen Rechtfertigung der Figur des faktischen Geschäftsführers vgl. Ehricke, Konzernunternehmen, S. 231 ff. 202 Der BGH hat in BGHSt 21, 101 (104) eine Anwendung der Regeln über die faktische Geschäftsführung auch für die AG bejaht; eine Anwendung auf die AG wird auch in der Literatur überwiegend bejaht, vgl. etwa Damnitz/Degenhardt, WM 2005, 583 (590); Strohn, DB 2011, 158 (158); Bork, WM 2014, 1841 (1841); Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, Bd. 4/2, 200

III. Vor- und Nachteile einer außergerichtlichen Sanierung

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Eine faktische Organschaft setzt voraus, dass eine natürlich Person203 in maßgeblichem Umfang typische, der Geschäftsleitung eines Unternehmens durch Gesetz oder Gesellschaftsvertrag zugewiesene Geschäftsführungsaufgaben übernommen hat, ohne selbst als Vorstandsmitglied oder Geschäftsführer bestellt worden zu sein.204 Hierbei kommt es auf eine materielle Gesamtschau, d. h. das Gesamterscheinungsbild seines Auftretens, an. Nach der Rechtsprechung des BGH und Teilen der Lehre ist ferner erforderlich, dass erstens das für die Bestellung der Geschäftsführer zuständige Organ, d. h. der Aufsichtsrat der AG oder der mitbestimmten GmbH oder ansonsten die Gesellschafterversammlung der GmbH, die faktische Geschäftsführung duldet oder zumindest Kenntnis davon hat205 und zweitens die natürliche Person die Geschicke der Gesellschaft über die interne Einwirkung auf die Geschäftsleitung hinaus selbst durch eigenes Handeln im Außenverhältnis prägt.206 Der Grund für die Haftung des faktischen Organs liegt in dem zwingenden spiegelbildlichen Verhältnis der faktischen Befugnis zur Geschäftsführung einerseits und der Verantwortlichkeit für das eigene Handeln andererseits. Der BGH stellt insoweit fest, dass derjenige, der ohne dazu berufen zu sein, wie ein Geschäftsführer handelt, auch die Verantwortung eines Geschäftsführers tragen und wie ein solcher auftreten muss, wenn nicht der Schutzzweck des Gesetzes gefährdet § 93, Rn. 362 ff.; vgl. ausführlich zur faktischen Organschaft bei der AG auch Fleischer, AG 2004, 517 ff. 203 Nach der Rechtsprechung des BGH kann lediglich eine natürliche Person, nicht aber eine juristische Person als faktischer Geschäftsführer agieren, vgl. BGHZ 150, 61 (68); zustimmend Drescher, Haftung GmbH-Geschäftsführer, Rn. 85; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, Komm. GmbHG, § 43 Rn. 3; a.A. Burgard, NZG 2002, 606 (607 f.); Ehricke, Konzernunternehmen, S. 229; Fleischer, AG 2004, 517 (526); Schürnbrand, Organschaft, S. 305; WimmerLeonhardt, Konzernhaftungsrecht, S. 400 f.; Bork, WM 2014, 1841 (1844). Gleichwohl kann dem faktischen Geschäftsführer im Einzelfall ein Aufwendungsersatzanspruch gegen die juristische Person zustehen, so dass die wirtschaftlichen Folgen häufig ähnlich sind, vgl. Strohn, DB 2011, 158 (163). 204 BGHSt 3, 32 (37); BGHZ 104, 44 (46); BGHZ 150, 61 (69); Himmelsbach/Achsnick, NZI 2003, 355 (355); Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, Komm. GmbHG, § 43, Rn. 3; Klöhn, in: Bork/Schäfer, Komm. GmbHG, § 43, Rn. 10; Oetker, in: Henssler/Strohn, GesR, § 43 GmbHG, Rn. 9. 205 BGHSt 3, 32 (38); BGHSt 21, 101 (104); BGH GmbHR 1990, 173 (173); Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, Komm. GmbHG, § 43, Rn. 3; offengelassen, ob es auf das Einverständnis ankommt jedoch BGHSt 31, 118 (122); ablehnend Fleischer, MüKo GmbHG, Bd. 2, § 43, Rn. 234; Schürnbrand, Organschaft, S. 306 f.; Schneider, in: Scholz, Komm. GmbHG, Bd. 2, § 43, Rn. 28c; Bork, WM 2014, 1841 (1845). 206 BGHZ 104, 44 (48); BGHZ 150, 61 (69); BGH NZG 2000, 1032 (1033); BGH WM 2005, 1606 (1607); BGH NZG 2008, 468 (469); zustimmend Zöllner/Noack, in: Baumbach/ Hueck, Komm. GmbHG, § 43, Rn. 3; Cahn, ZGR 2003, 298, 314 f.; Paefgen, in: Großkomm. GmbHG, Bd. 2, § 43, Rn. 20; das Erfordernis des Handelns im Außenverhältnis wird in der Literatur vielfach kritisiert, vgl. Grigoleit, Gesellschafterhaftung für interne Einflussnahme im Recht der GmbH, S. 117; Schürnbrand, Organschaft, S. 307 ff.; Klöhn, in: Bork/Schäfer, GmbHG, 2010, § 43, Rn. 11; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, Komm. GmbHG, § 43, Rn. 4; Schneider, in: Scholz, Komm. GmbHG, Bd. 2, § 43, Rn. 28c; Fleischer/Schmolke, WM 2011, 1009 ff.

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B. Die Unternehmenskrise als Ausgangspunkt der Sanierung

werden soll.207 Eine Haftung der faktischen Organe kann sich insbesondere wegen einer Verletzung der Insolvenzantragspflicht nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 15a InsO208 und aus einer analogen Anwendung der Schadensersatznormen aus § 93 Abs. 2 AktG209 bzw. § 43 Abs. 2 GmbHG210 sowie der Zahlungsverbote gemäß §§ 92 Abs. 2 S. 1, 93 Abs. 3 Nr. 6 AktG sowie § 64 S. 1, S. 3 GmbHG211 ergeben. 212 (1) Haftungsrisiken der GmbH-Gesellschafter als faktische Geschäftsführer Die Gesellschafter einer GmbH können den Geschäftsführern der Gesellschaft durch Gesellschafterbeschluss gemäß § 47 GmbHG Weisungen erteilen und hierüber Einfluss auf die Entscheidungsfindung innerhalb der Gesellschaft ausüben.213 Hieraus ergibt sich grundsätzlich selbst dann keine Haftung der Gesellschafter auf Grund faktischer Geschäftsführung, wenn der Geschäftsführer der Gesellschaft durch eine extensive Anwendung des Weisungsrechts in seinem Handlungsspielraum erheblich eingeschränkt wird.214 Anders ist dies allerdings zu beurteilen, wenn ein (Mehrheits-)Gesellschafter unter Umgehung der Gesellschafterversammlung Weisungen erteilt und die Geschäftsführung maßgeblich steuert; in einem solchen Fall kann ein Haftungsrisiko für den Gesellschafter auf Grund faktischer Geschäftsführung entstehen.215 Darüber hinaus kann sich eine Haftung für die Gesellschafter realisieren, wenn sie aktiv in die Geschäftsführung eingreifen und auch im Außenverhältnis, z. B. bei Verhandlungen mit Banken und anderen Gläubigern, entsprechend auftreten.216 Eine völlige Verdrängung der Geschäftsführer ist nicht notwendig.217 Gerade in Sanierungssituationen, in denen die Gesellschafter regelmäßig den Prozess aktiv mitgestalten und steuern wollen, kann sich hieraus ein Haftungsrisiko entwickeln. Beachtenswert ist in diesem Zusammenhang jedoch ein Urteil des OLG München aus dem Jahre 2011,218 in dem ein Komplementär grundsätzlich durch eigenes Handeln im Außenverhältnis als faktischer Geschäfts207

BGH NJW 1988, 1789 (1790). BGHZ 104, 44 (46). 209 Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, Bd. 4/2, § 93 Rdn. 362 ff.; Spindler, in: MüKo AktG, Bd. 2, § 93, Rn. 18; Fleischer, AG 2004, 517 (528). 210 Fleischer, GmbHR 2011, 337 (339); Bork, WM 2014, 1841 (1841). 211 BGHZ 104, 44 (46); BGH WM 2005, 1706 (1708); Schmidt, in: Scholz, Komm. GmbHG, Bd. 3, § 64 Rn. 153; Geißler, GmbHR 2003, 1106 (1113). 212 Ausführlich zu möglichen weiteren Anspruchsgrundlagen vgl. Bork, WM 2014, 1841 (1841), der hinsichtlich der GmbH auf eine analoge Anwendung der §§ 9a Abs. 1, 31 Abs. 6, 57 Abs. 4, 73 Abs. 3 GmbHG sowie allgemein auf eine deliktische Haftung aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 263, 266 oder 266a StGB hinweist. 213 BGH NZG 2004, 580 (582); Lenz, in: Michalski, Komm. GmbHG, § 37, Rn. 16. 214 BGH NZG 2005, 755 (756); Gehrlein, BB 2005, 1871 (1871). 215 Fleischer, GmbHR 2011, 337 (345); Strohn, DB 2011, 158 (161). 216 Mätzig, in: Beck’scher Komm. GmbHG, § 64, Rn. 16. 217 BGHZ 104, 44 (47); zustimmend etwa Ehricke, Konzernunternehmen, S. 236. 218 OLG München WM 2011, 40 ff.; Ehricke, Konzernunternehmen, S. 245. 208

III. Vor- und Nachteile einer außergerichtlichen Sanierung

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führer hätte qualifiziert werden können. Das OLG München führt in den Entscheidungsgründen aus, dass eine zu strenge Handhabung der faktischen Geschäftsführung Investitionen in Unternehmen, die sich in einer finanziell angeschlagenen Phase befinden, nachhaltig erschweren würde und für eine Haftung auf Grund faktischer Geschäftsführung daher kein Raum sei. Aus Sicht des Sanierungspraktikers ist diese Entscheidung des OLG München durchaus begrüßenswert. Allerdings sprechen dogmatisch nur wenige Gründe für ein solches Sanierungsprivileg, wie insbesondere ein Vergleich mit den Sanierungsprivilegien der Gesellschafter in § 39 Abs. 4 S. 2 InsO und § 37 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 WpÜG i.V.m. § 9 S. 1 Nr. 3 WpÜGAngebV zeigt. Denn diese Sanierungsprivilegien sind vor dem Hintergrund zu sehen, sanierungswillige Gesellschafter über ihren Sanierungsbeitrag hinaus nicht mit den zusätzlichen finanziellen Nachteilen des Rangrücktritts bzw. des Pflichtangebots zu belasten.219 Diese Schutzrichtung ist mit der Haftung eines faktischen Geschäftsführers auf Grund eines möglichen Fehlverhaltens nicht vergleichbar. (2) Haftungsrisiken der Banken als faktische Geschäftsführer Eine Haftung von Banken und anderen Kreditgebern als faktische Geschäftsführer scheidet in der Regel schon deshalb aus, weil nach der Rechtsprechung des BGH lediglich natürliche Personen als faktische Organe in Betracht kommen.220 Allerdings kann sich eine mittelbare Haftung der Bank bei Inanspruchnahme ihrer Vertreter ergeben.221 Banken bzw. ihre Repräsentanten treten nur selten nach außen wie ein Geschäftsführer auf und nehmen mit ihrer Einflussnahme außerdem lediglich ihre eigenen, originären Gläubigerinteressen wahr.222 Sie stehen, anders als ein Anteilsinhaber, in keinem Näheverhältnis zur Gesellschaft.223 Es geht ihnen im Allgemeinen nicht um eine tatsächliche Einflussnahme auf Führungsentscheidungen des Kreditnehmers, sondern allein um die Sicherung ihrer vertraglichen Ansprüche. Es besteht daher vielmehr ein natürlicher Interessenwiderstreit zwischen den darlehensgebenden Banken einerseits und den darlehensnehmenden Unternehmen andererseits. Bei bloßer Wahrnehmung ihrer Gläubigerinteressen trifft die Banken daher keine Verantwortlichkeit als faktisches Organ der kreditnehmenden Gesellschaft.224 Hieran ändert sich auch nichts, wenn sich die darlehensgewährende Bank 219

Vgl. hierzu ausführlich Fleischer/Schmolke, WM 2011, 1009 (1013 ff.). So auch Fleischer, GmbHR 2011, 337 (344); Fleischer, in: MüKo GmbHG, § 43, Rn. 238. 221 Bork, WM 2014, 1841 (1844); Sandhaus, Kreditgeber, S. 240 f., der allerdings auch weitergehend eine Haftung juristischer Personen als faktische Geschäftsführer für möglich hält, vgl. dort S. 148 m.w.N. 222 Neuhof, NJW 1998, 3225 (3227); Fleischer/Schmolke, WM 2011, 1009 (1015). 223 Vgl. hierzu etwa Ehricke, Konzernunternehmen, S. 247. 224 Fleischer/Schmolke, WM 2011, 1009 (1015). 220

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B. Die Unternehmenskrise als Ausgangspunkt der Sanierung

schuldvertragliche Informations- und Inspektionsrechte zusichern lässt. Vielmehr ist die Bank gemäß § 18 KWG sogar ausdrücklich verpflichtet, sich fortlaufend über die wirtschaftlichen Verhältnisse zu informieren; ein Verstoß gegen diese Informationspflichten stellt gemäß § 56 Abs. 3 Nr. 4 KWG eine Ordnungswidrigkeit dar.225 Die Einengung des Handlungsspielraums der Geschäftsführer ist insoweit irrelevant. Eine andere Beurteilung ergibt sich erst dann, wenn die Bank bzw. die sie vertretenden Organe unmittelbaren Einfluss auf die Geschäftsführung und das Tagesgeschäft des betroffenen Unternehmens nehmen und auch im Außenverhältnis gegenüber Kunden oder anderen Gläubigern als Entscheidungsträger in Erscheinung treten.226 Hieran sind jedoch hohe Anforderungen zu stellen.227 Teilweise wird in der Literatur jedenfalls die exklusive Übernahme von Sanierungsverhandlungen mit den übrigen Gläubigern als ausreichend betrachtet.228 Anderen Autoren zufolge könne erst von einer faktischen Organschaft ausgegangen werden, wenn der Geschäftsführung jeder Handlungsschritt diktiert und die Sanierung im Ergebnis eigenständig von der Bank umgesetzt werde.229 bb) Haftung der Banken auf Grund konzernrechtlicher Maßstäbe Durch die Notwendigkeit der Zuführung neuer Liquidität in der Krise von Gesellschaften kommt den beteiligten Banken im Rahmen eines Sanierungsverfahrens regelmäßig eine außerordentliche Machtposition zu. Je nach Ausgestaltung der Covenants in den Kreditverträgen kann diese Machtposition im Einzelfall unterschiedlich ausgestaltet sein. Typischerweise enthält ein Kreditvertrag jedoch eine Reihe von Reporting- und Financial Covenants, die einerseits gewisse Informationsund Vorlagepflichten seitens des Kreditnehmers vorsehen und dem Kreditgeber so einen Einblick in die Unternehmenssituation geben und andererseits die finanzielle Handlungsfreiheit des Kreditnehmers durch gewisse Zustimmungsvorbehalte der Banken, etwa hinsichtlich der Aufnahmen weiteren Fremdkapitals oder der Gewinnverwendung, beschränken.230 Auf Grund dieser tatsächlichen Machtposition wird in der juristischen Literatur diskutiert, ob sich hieraus eine gesellschafterähnliche Stellung der Banken und damit eine konzernrechtliche Haftung ergeben könnte. Eine direkte Anwendung konzernrechtlicher Haftungsgrundlagen scheidet für eine Haftung der beteiligten Banken zunächst aus. Die Verlustausgleichspflicht aus 225 Himmelsbach/Achsnick, NZI 2003, 355 (356); Häuser, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Hdb Bankrecht, § 85, Rn. 124c; Sandhaus, Kreditgeber, S. 264; Fleischer/Schmolke, WM 2011, 1009 (1015). 226 Häuser, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Hdb Bankrecht, § 85, Rn. 124c. 227 Schürnbrand, Organschaft, S. 314. 228 Vgl. etwa Fleischer, GmbHR 2011, 337 (344). 229 Vgl. etwa Strohn, DB 2011, 158 (162). 230 Vgl. ausführlich zu Covenants in Kreditverträgen Diem, Akquisitionsfinanzierungen, S. 110 ff.

III. Vor- und Nachteile einer außergerichtlichen Sanierung

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§ 302 AktG scheitert daran, dass die zwischen Kreditgeber und Kreditnehmer geschlossenen Verträge keinen Beherrschungsvertrag i.S.d. § 291 AktG darstellen.231 Für sogenannte atypische232 bzw. verschleierte Beherrschungsverträge, d. h. Verträge, die in ihren Wirkungen einem Beherrschungsvertrag nahekommen, dessen gesetzliche Kriterien jedoch nicht erfüllen, wird in der Literatur aber teilweise eine analoge Anwendung der Vorschriften für Beherrschungsverträge befürwortet.233 Auf Kreditverträge bezogen könnte im Falle einer solchen Analogiebildung eine konzernrechtliche Haftung der Banken jedenfalls bei weitgehenden Zustimmungs- und Vetorechten auf Grund der in den Kreditverträgen eingeräumten Covenants in Betracht kommen.234 Im Hinblick auf diese Zustimmungs- und Vetorechte konzentriert sich der Streit darauf, ob Zustimmungsvorbehalte im Einzelfall eine Weisung darstellen bzw. einer solchen gleichgestellt werden können.235 Befürworter einer analogen Anwendung argumentieren insoweit, dass eine Unterscheidung zwischen Weisungsrecht und Zustimmungsvorbehalt nicht mehr sachgerecht sei, wenn die Zustimmungsvorbehalte ein besonders breites und umfassendes Spektrum von Geschäftsführungsmaßnahmen abdecken und dabei insbesondere die zentralen Führungsentscheidungen der Gesellschaft betreffen.236 Nach gegenteiliger Ansicht in der Literatur ist eine solche Analogiebildung abzulehnen und die Rechtsfigur atypischer Beherrschungsverträge nicht anzuerkennen.237 Denn es komme allein auf den Mindestinhalt eines Beherrschungsvertrags an.238 Bezüglich der hier relevanten Zustimmungsvorbehalte wird darauf hingewiesen, dass diese den Begünstigten keine originären Einwirkungsmöglichkeiten verschaffen, sondern stets eine Initiative der Geschäftsleitung voraussetzen.239 Ohne ein solches Initiativrecht könnten Zustimmungsvorbehalte jedoch keine Befugnis zur Erteilung von Weisungen im Sinne von 231

Hentschel, Sanierungskonsortialkredit, S. 346: Bork, WM 2014, 1841 (1847). Altmeppen, in: MüKo AktG, Bd. 5, § 291, Rn. 42 weist darauf hin, dass die Bezeichnung „atypisch“ unglücklich gewählt sei und nicht verwendet werden sollte, weil diese Verträge ungeachtet der unrichtigen Bezeichnung ja gerade typische Elemente von Beherrschungsverträgen aufwiesen. 233 Veil, Unternehmensverträge, S. 24 ff.; Veil, in: Spindler/Stilz, Bd. 2, § 291, Rn. 27; Altmeppen, in: MüKo AktG, Bd. 5, § 291, Rn. 43; Emmerich, in: FS Hüffer, 179 (181); Emmerich, in: Emmerich/Habersack, KonzernR, AktG, § 291, Rn. 24c; vgl. ebenfalls Schürnbrand, ZHR 169 (2005), 35 (59), der sogar eine direkte Anwendung der §§ 291 ff. AktG für möglich hält. 234 Vgl. etwa Emmerich, in: FS Hüffer, 179 (181) sowie Schürnbrand, ZHR 169 (2005), 35 (59), die die Annahme eines Beherrschungsvertrags bei Zustimmungsvorbehalten grundsätzlich für möglich halten. 235 Vgl. OLG München AG 2012, 802 (803) bezüglich des Erfordernisses der Weisungsmacht als unverzichtbares Merkmal des Beherrschungsvertrags. 236 Vgl. Schürnbrand, ZHR 169 (2005), 35 (45). 237 Decher, in: FS Hüffer, 145 (150 f.); Paschos, in: Henssler/Strohn, GesR, § 291 AktG, Rn. 15; Deilmann, in: Hölters, Komm. AktG, § 291, Rn. 32; Goslar, DB 2008, 800 (805); Ederle, Verdeckte Beherrschungsverträge, S. 119 ff.; Ederle, AG 2010, 273 (278). 238 Paschos, in: Henssler/Strohn, GesR, § 291 AktG, Rn. 15. 239 Koppensteiner, in: Kölner Komm. AktG, Bd. 6, § 308, Rn. 14. 232

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B. Die Unternehmenskrise als Ausgangspunkt der Sanierung

§ 308 Abs. 1 S. 1 AktG vermitteln und damit auch keinen Übergang der Leitungsmacht auf einen Dritten bezwecken.240 Solche Vereinbarungen seien allein an den allgemeinen Regelungen des Privatrechts (§§ 138, 307, 826 BGB) zu messen.241 Eine Haftung der darlehensgebenden Banken auf Grund eingeräumter Zustimmungs- und Vetorechte in den Finanzierungsverträgen kann angesichts des Streitstands damit jedenfalls nicht ausgeschlossen werden. Allerdings weisen auch Befürworter einer analogen Anwendung darauf hin, dass die Annahme eines atypischen Beherrschungsvertrags lediglich in Betracht komme, wenn eine Gleichstellung von Weisungsrechten und Zustimmungsvorbehalten auf Grund der erheblichen Tragweite auf die Unternehmensentscheidungen im Einzelfall geboten erscheine.242 Eine diesbezügliche Haftung darlehensgewährender Banken erscheint daher jedenfalls auf Ausnahmefälle beschränkt. Sofern eine Haftung auf Grund eines atypischen Beherrschungsvertrags – generell oder im Einzelfall – verneint wird, könnte sich eine Haftung der Banken grundsätzlich noch aus den Regelungen des faktischen Konzerns gemäß §§ 311, 317 AktG ergeben.243 Nach der Rechtsprechung des BGH und diverser Obergerichte kann eine Bank insoweit jedoch nicht als herrschendes Unternehmen i.S.d. § 17 AktG qualifiziert werden, weil es an einem gesellschaftsrechtlich vermittelten Einfluss auf das Unternehmen fehlt.244 Teilweise wird das Konzernrecht aber rechtsformübergreifend betrachtet und die Begriffe des herrschenden und abhängigen Unternehmens i.S.v. §§ 15 ff. AktG funktional definiert.245 Dann könnte jeder Rechtsträger ein abhängiges Unternehmen sein und umgekehrt müsste der Einfluss nicht gesellschaftsrechtlich vermittelt sein. Hier ist zu beachten, dass einer zu weiten Ausdehnung der Abhängigkeitsfeststellung begegnet werden muss. Auch kann gegen die zuletzt dargestellte Ansicht vorgebracht werden, dass § 17 AktG spezifisch aktienrechtliche Regelungen trifft und die §§ 311 ff. AktG auf externe Abhängigkeiten nicht zugeschnitten sind.246 Für die Mindermeinung können aber auch gewichtige Argumente angeführt werden. Denn es muss insbesondere berücksichtigt werden, 240

Deilmann, in: Hölters, Komm. AktG, § 291, Rn. 32; Hüffer/Koch, Komm. AktG, § 291, Rn. 10; i.E. ebenfalls Habersack, ZGR 2000, 384 (397); Koppensteiner, in: Kölner Komm. AktG, Bd. 6, § 308, Rn. 14. 241 Deilmann, in: Hölters, Komm. AktG, § 291, Rn. 32; Habersack, ZGR 2000, 384 (397 f.). 242 So etwa Emmerich, in: Emmerich/Habersack, KonzernR, AktG, § 291, Rn. 24a, 24b; Bachmann/Veil, ZIP 1999, 348 (354). 243 Emmerich, in: Emmerich/Habersack, KonzernR, AktG, § 291, Rn. 24a. 244 Zum Erfordernis des gesellschaftsrechtlich vermittelten Einflusses vgl. BGHZ 90, 381 (395 f.); OLG Frankfurt am Main AG 1998, 139 (140); OLG Karlsruhe NZG 2004, 334 (335); OLG Düsseldorf AG 2005, 538 (539); zustimmend etwa Bayer, in: MüKo AktG, Bd. 1, § 17, Rn. 22; Maier, in: Henssler/Strohn, GesR, § 17 AktG, Rn. 5; Hüffer/Koch, Komm. AktG, § 17, Rn. 8. 245 Vgl. etwa Schall, in: Spindler/Stilz, Bd. 1, § 17, Rn. 20 ff.; Soudry/Löb, GWR 2011, 127, 128 ff. 246 So Hüffer/Koch, Komm. AktG, § 17, Rn. 8.

III. Vor- und Nachteile einer außergerichtlichen Sanierung

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dass Zweck- und Treuhandgesellschaften teilweise allein über vertragliche Bindungen, nicht über gesellschaftsrechtliche Mittel gesteuert werden.247 Angesichts der eindeutigen ablehnenden Haltung des BGH und diverser Obergerichte erscheint die Möglichkeit einer Haftung der Banken auf Grund einer Anwendung der Regelungen über den faktischen Konzern trotz teilweise überzeugender Argumente der Mindermeinung allerdings sehr gering. 3. Fazit Die Betrachtung der Vor- und Nachteile eines außergerichtlichen Sanierungsverfahrens hat gezeigt, dass häufig signifikante Anreize für die Beteiligten bestehen, frühzeitig Sanierungsmaßnahmen einzuleiten, um eine Insolvenz des Unternehmens zu vermeiden. Zwar ist die Beurteilung der Vor- und Nachteile stark vom jeweiligen Einzelfall abhängig. Jedoch lassen sich diejenigen Faktoren, die im Einzelfall die Einleitung eines außergerichtlichen Sanierungsverfahrens erfolgversprechend erscheinen lassen, bereits im Vorfeld der Sanierung häufig realistisch einschätzen. In einem ersten Schritt muss die Geschäftsleitung die Gläubiger von der Sanierungsfähigkeit des Unternehmens überzeugen. Zu diesem Zweck empfiehlt sich regelmäßig die Erstellung eines Sanierungsgutachtens von einer renommierten Unternehmensberatungsgesellschaft. Wenn darüber hinaus die möglichen Vorteile der außergerichtlichen Sanierung – schnellere Umsetzung, höhere Flexibilität, fehlende Publizität – aus Sicht der Gläubiger potentiell zu (erheblichen) Kostenvorteilen, d. h. höheren Befriedigungsquoten, gegenüber einem gerichtlichen Insolvenzverfahren führen, dann ist die Motivation der Beteiligten zu einer außergerichtlichen Sanierung regelmäßig hoch. Das konkrete Ausmaß möglicher Kostenvorteile wird regelmäßig durch (i) den Zeitpunkt der Einleitung der Sanierungsmaßnahmen sowie (ii) die Einschätzung der Gläubiger bestimmt, ob und inwiefern (x) eine schnelle und effiziente Einigung der Beteiligten und damit eine Sanierung des Unternehmens möglich erscheint, (y) eine Insolvenz des betroffenen Unternehmens einen erheblichen negativen Publizitätseffekt und damit eine Minderung der Befriedigungsquoten nach sich ziehen würde und (z) gleichzeitig die Geheimhaltung der außergerichtlichen Sanierung als realistisch eingeschätzt wird.248 Je positiver die Einschätzung der Beteiligten insoweit ausfällt, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, etwaige Hindernisse im Rahmen der außergerichtlichen Sanierung zu überwinden.

247 248

Schall, in: Spindler/Stilz, Bd. 1, § 17, Rn. 21. Ähnlich Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 332.

C. Sanierungsbeiträge der Gesellschafter Unabdingbare Voraussetzung für das Gelingen einer außergerichtlichen Sanierung im Vorfeld der Insolvenz ist regelmäßig, dass sowohl Anteilsinhaber als auch Gläubiger zu einer Mitwirkung und insbesondere zu – teils einschneidenden – Sanierungsbeiträgen bereit sind. Im Folgenden sollen Handlungsmöglichkeiten und Sanierungsbeiträge der Anteilsinhaber einer in der Krise befindlichen Gesellschaft dargestellt und aufgezeigt werden, dass sich für die Anteilsinhaber im Rahmen der Sanierung Einschränkungen ihrer Handlungsfreiheiten – insbesondere in Bezug auf Zustimmungspflichten zu notwendigen Hauptversammlungs- oder Gesellschafterbeschlüssen – ergeben können.

I. Die Gesellschaftsrechtliche Treuepflicht als Rechtsprinzip Bei der Wahrnehmung ihrer gesellschaftsrechtlichen Interessen unterliegen die Anteilsinhaber gewissen, von Rechtsprechung und Lehre unter dem Begriff der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht herausgearbeiteten Pflichtbindungen. Im Folgenden soll der aktuelle Forschungsstand diesbezüglich dargestellt werden, bevor im Anschluss daran auf die daraus entwickelten Einzelpflichten, stets mit Bezugnahme zu außergerichtlichen Sanierungsverfahren, eingegangen wird. Hierbei wird besonders herauszustellen sein, dass die Treuepflichten der Anteilsinhaber in besonderem Maße zur Disziplinierung von Mehrheitsgesellschaftern entwickelt wurden, es im Rahmen außergerichtlicher Sanierungsverfahren jedoch in gleicher Weise darum gehen kann, Minderheitsgesellschafter zur Kooperation zu verpflichten. Auch insoweit kann die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht, die sämtliche mitgliedschaftlichen Rechte und Kompetenzen der Anteilsinhaber erfasst, eingreifen.249 Es wird aufgezeigt werden, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang sich für die Gesellschafter in der Sanierungssituation Treuepflichten im Verhältnis zur Gesellschaft sowie zu den übrigen Gesellschaftern ergeben können. Klärungsbedürftig ist in diesem Zusammenhang weiter, ob die Gesellschafter unter Umständen sogar einer Treuepflicht im Verhältnis zu den Gläubigern der Gesellschaft unterliegen.

249 BGZ 129, 136 (144 f.); Timm, WM 1991, 481 (483); Dreher, ZHR 157 (1993), 150 (157); Hennrichs, AcP 195 (1995), 221 (241); Lutter, ZHR 162 (1998), 164 (165); Hofmann, Minderheitsschutz, S. 25 f.

I. Die Gesellschaftsrechtliche Treuepflicht als Rechtsprinzip

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1. Entwicklung und dogmatische Herleitung Das grundsätzliche Bedürfnis, Treuepflichten von Gesellschaftern zu begründen, wurde bereits vom Reichsgericht erkannt und bejaht.250 Die Mitgliedschaft in einer Gesellschaft begründet eine besondere Stellung der Gesellschafter zur Gesellschaft und untereinander.251 Sie sind im Rahmen gemeinsamer Willensbildung auf ihre gegenseitige Mitwirkung angewiesen, um den in der Satzung festgelegten Gesellschaftszweck zu fördern und zu erreichen. Diese gemeinsame Willensbildung kann dauerhaft nur wirksam umgesetzt werden, wenn die Gesellschafter untereinander und im Verhältnis zur Gesellschaft zu loyalem Verhalten verpflichtet sind.252 Es ist aber schlechterdings undenkbar, sämtliche mögliche Konfliktfälle, die sich aus einer Blockadehaltung von Gesellschaftern ergeben können, schon bei der Gründung einer Gesellschaft vorauszusehen und in der Satzung der Gesellschaft oder einer Gesellschaftervereinbarung niederzulegen.253 Die Treuepflicht ist daher ein notwendiges Korrelativ, um innergesellschaftliche Konfliktpotenziale zu kanalisieren und rechtsmissbräuchliches Verhalten zu sanktionieren. Damit steht die Treuepflicht jedoch in einem Spannungsfeld zum grundsätzlich im Kapitalgesellschaftsrecht geltenden Prinzip der freien Stimmrechtsausübung.254 Zwar dürfen die Gesellschafter ihr Stimmrecht nicht rechtsmissbräuchlich ausüben,255 sie sind im Übrigen aber in der Ausübung ihres Stimmrechts grundsätzlich frei und die Privatautonomie schützt in diesem Zusammenhang auch – für die Gesellschaft oder die übrigen Gesellschafter – nachteilige Entscheidungen. Um das Verständnis für die Entwicklung der Treuepflicht zu schärfen, soll zunächst die Begründung der Rechtsprechung zur Bejahung von Treuepflichten nachgezeichnet werden, bevor auf die dogmatischen Grundlagen eingegangen wird. a) Entwicklung der Treuepflicht in der Rechtsprechung aa) Entwicklung der Rechtsprechung Eine Treuepflicht der Gesellschafter gegenüber der Gesellschaft wurde von der Rechtsprechung schon früh rechtsformübergreifend sowohl für Personen-256 als auch 250

159 ff. 251

Vgl. RG JW 1913, 29 ff.; RGZ 107, 72 ff.; RGZ 107, 202 ff.; RGZ 112, 14 ff.; RGZ 122,

Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Komm. GmbHG, § 13, Rn. 20. Raiser, ZHR 151, 422 (422 f.); Schmidt, GesR, S. 588; BGH DStR 1994, 214 (216); Lutter, ZHR 162 (1998), 164 (165 f.). 253 Vgl. hierzu bereits Lutter, AcP 180 (1980), 84 (92). 254 Vgl. BGHZ 14, 25 (37); Marsch-Barner, ZHR 157 (1993), 172 (177). 255 So schon RGZ 149, 305 (311 f.). 256 Vgl. etwa RG JW 1913, 29 ff.: In der dieser Entscheidung zugrundeliegenden Konstellation gründeten zwei Personen eine GbR, um ein Unternehmen zu erwerben und im Anschluss in eine GmbH einzubringen. Einer der Beteiligten wirkte aber lediglich an dem Erwerb des Unternehmens mit, verweigerte dann aber seine Mitwirkung an der Einbringung in die 252

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C. Sanierungsbeiträge der Gesellschafter

für Kapitalgesellschaften bejaht.257 Aus der gemeinschaftlichen Zweckverfolgung entsteht die rechtliche und faktische Verpflichtung der Gesellschafter, das Kollektivinteresse vor negativen Beeinträchtigungen durch die Gesellschafter zu schützen.258 Hinsichtlich des Verhältnisses der Gesellschafter untereinander wurde die Rechtsfigur der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht jedoch zunächst nur für das Verhältnis der Gesellschafter von Personengesellschaften, die sich insoweit auf Grund ihrer personalistischen Struktur von Kapitalgesellschaften unterscheiden, entwickelt259 und erst später auf Kapitalgesellschaften erstreckt. Dementsprechend wurde ursprünglich ein echtes Gemeinschaftsverhältnis zwischen den an einer Personengesellschaft beteiligten Personen gefordert und die Anwendung der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht damit auf Anwendungsfälle reduziert, in denen eine Gesellschaft auf eine partnerschaftliche Zusammenarbeit ausgerichtet war.260 Aus diesem Gemeinschaftsverhältnis wurde die Verpflichtung der Gesellschafter geschlussfolgert, das Gesellschaftsinteresse und die durch den Gesellschaftszweck geschützten Interessen der Mitgesellschafter nicht zu schädigen und gleichzeitig diese Interessen zu fördern.261 Das Verhältnis von Gesellschaftern einer Kapitalgesellschaft untereinander – so die damalige Argumentation – könne man demgeGmbH. Wie sich herausstellte, hatte er für den Erwerb des Unternehmens eine Prosivion erhalten. Das Reichsgericht berief sich in seiner Urteilsbegründung auf die Treuepflicht des Beklagten, die es ihm nicht gestatte, seinem Mitgesellschafter eine solche Vorteilsgewährung zu verheimlichen und entscheid, dass der Provisionsanspruch an die Gesellschaft zu zahlen sei. Vgl. zu weiteren Entscheidungen des Reichtsgerichts etwa RGZ 128, 1 (16); RGZ 142, 212 (216); RGZ 169, 153 (156). 257 Mit Blick auf die GmbH: BGHZ 9, 157 (163 f.): In dieser Entscheidung hat der BGH dargelegt, dass ein Gesellschafter bei einem in seiner Person leiegenden wichtigten Grundes auf Grund der Treuepflicht ausgeschlossen werden kann, auch wenn die Satzung diese Möglichkeit nicht eröffnet. Denn den Gesellschaftern einer GmbH obliege, so der BGH in seiner Urteilsbegründung, eine über den Grundsatz von Treu und Glauben hinausgehende Treuepflicht. Begründet wird dies durch die persönliche Beziehung der Gesellschafter zur GmbH. Wenn ein Gesellschafter dieses Vertrauensverhältnis zerstöre, so sei für ihn in der Gesellschaft kein Raum mehr. Vgl. ebenfalls BGHZ 14, 25 (38); BGHZ 16, 317 (322 ff.); mit Blick auf die AG: RGZ 146, 385 (395): In dieser Konstellation wurde der Aufsichtsrat einer Aktiengsellschaft aus Vertretern der Mehrheitsaktionäre gebildet. Nachdem dieser seinen Aufsichtspflichten nicht ausreichend nachgekommen war, beantragte ein Minderheitsaktionär die Einrichtung einer Untersuchungskommission, um Regressansprüche gegen den Aufsichtsrat prüfen zu lassen. Die Mehrheitsaktionäre lehnten dies jedoch ab. Das Reichtsgericht entschied hier zugunsten der Minderheitsaktionäre und führte aus, dass die Mehrheitsaktionäre bei der Beschlussfassung auf Grund ihrer Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft nicht hätten mitstimmen und den Beschluss ablehnen dürfen. Vgl. ebenfalls BGHZ 14, 25 (38). 258 Vgl. zum allgemeinen Schädigungsverbot z. B. OLG Brandenburg NZG 1998, 263 (264); Merkt, in: MüKo GmbHG, § 13, Rn. 143 ff.; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Komm. GmbHG, § 13, Rn. 62; Raiser, ZHR 151 (1987), 422 (440). Vgl. detailliert zur Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft unter Gliederungspunkt C.I.2.a). 259 Vgl. etwa BGHZ 64, 253 (258). 260 BGHZ 9, 157 (163); grundlegend Hueck, Treuegedanke, S. 18 f.; Hueck, Recht der OHG, S. 192; Stimpel, in: Juristische Studiengesellschaft Karlsruhe, 15 (18). 261 Grundlegend Hueck, Treuegedanke, S. 19; ebenso Lutter, AcP 180 (1980), 84 (108 ff.).

I. Die Gesellschaftsrechtliche Treuepflicht als Rechtsprinzip

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genüber nicht unmittelbar auf die Mitgliedschaft als besonderes Rechtsverhältnis stützen, da zwischen den Gesellschaftern keine rechtlichen Beziehungen persönlicher Art bestünden und eine Treupflicht insoweit verneint werden müsse.262 Erst im Laufe der Zeit hat sich dieses Verständnis gewandelt. Die erste richtungsweisende Erweiterung der Treuepflicht auf die Kapitalgesellschaften wurde vom BGH in der sog. ITT-Entscheidung aus dem Jahre 1975 durch Anerkennung einer Treuepflicht zwischen den Gesellschaftern einer GmbH vorgenommen.263 Der Hauptstreitpunkt dieser Entscheidung lag in der Zahlung einer Konzernumlage, zu der der Mehrheitsgesellschafter einer GmbH die Geschäftsführer der GmbH gegen den Willen und die Interessen der Minderheitsgesellschafter veranlasst hatte. Der BGH führte in den Entscheidungsgründen aus, dass eine GmbH einerseits durch die Einflussnahme der Gesellschafter auf die Ausgestaltung der Organisation und der wirtschaftlichen Betätigung der Gesellschaft eine Nähe zu den Personengesellschaften aufweisen könne und andererseits insbesondere die für eine Gesellschaftermehrheit bestehende Möglichkeit, durch Einflussnahme auf die Geschäftsführung die gesellschaftsbezogenen Interessen der Mitgesellschafter zu beeinträchtigen, als Gegengewicht die gesellschaftsrechtliche Pflicht verlange, auf diese Interessen Rücksicht zu nehmen.264 Auch nach dieser richtungsweisenden Entscheidung wurde vom BGH jedoch weiterhin die Auffassung vertreten, dass in einer Aktiengesellschaft die Rechtsbeziehungen der Aktionäre nur auf die Gesellschaft, nicht aber auf persönliche Beziehungen zu den übrigen Aktionären gerichtet seien und es daher keine Treuepflichten der Aktionäre untereinander gebe.265 In der sog. Linotype-Entscheidung im Jahre 1988 gab der BGH diese Rechtsprechung auf und entschied, dass auch in einer Aktiengesellschaft Treuepflichten jedenfalls des Mehrheitsaktionärs gegenüber den anderen Aktionären bestehen können.266 Unter Hinweis auf die zu starke Fokussierung der körperschaftlichen Struktur der Aktiengesellschaft in der bisherigen Rechtsprechung des BGH wurde nunmehr klargestellt, dass auch bei der Aktiengesellschaft primär auf die Einwirkungsmöglichkeiten des Mehrheitsaktionärs und die damit verbundenen potentiellen Nachteile der gesellschaftsbezogenen Interessen der anderen Aktionäre abzustellen ist.267 Diese Rechtsprechung wurde dann in der sog. Girmes-Entscheidung im Jahr 1995 weiter konkretisiert, indem auch Treuepflichten von Minderheitsaktionären unter bestimmten Voraussetzungen – nämlich 262 Mit Blick auf die AG BGHZ 18, 350 (365); Hueck, Treuegedanke, S. 14 f.; a.A. schon damals Ballerstedt, Kapitalgesellschaften, S. 181 ff. (jedenfalls mit Blick auf die GmbH); Wiedemann, in: FS Barz, S. 561 (568 f.); Immenga, Die personalistische Kapitalgesellschaft, S. 270 f. (jedenfalls mit Blick auf die GmbH); kritisch ebenfalls Zöllner, Stimmrechtsmacht, S. 350, der bei Gesellschaftern einer Kapitalgesellschaft jedenfalls ein „Gemeinschaftsverhältnis im weiteren Sinne“ bejaht. 263 BGHZ 65, 15 ff. („ITT-Entscheidung“). 264 BGHZ 65, 15 (19). 265 BGHZ 18, 350 (365); BGH WM 1976, 449 (450) („Audi NSU Entscheidung“). 266 BGHZ 103, 184 ff. („Linotype-Entscheidung“); in der Folge bestätigt in BGH ZIP 1992, 1464 (1470). 267 BGHZ 103, 184 (194 f.).

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C. Sanierungsbeiträge der Gesellschafter

wenn ihnen allein oder mit anderen Minderheitsgesellschaftern Möglichkeiten der Einflussnahme oder Machtausübung offenstehen268 – bejaht wurden.269 In der Girmes-Entscheidung verfügten die Minderheitsaktionäre über eine Sperrminorität, die es ihnen ermöglichte, die Durchführung eines von der Mehrheit getragenen Sanierungskonzeptes zu verhindern. Aufgrund der unter den Aktionären bestehenden Treupflicht sei es dem einzelnen Aktionär – so der Leitsatz des BGH – nicht erlaubt, eine sinnvolle und mehrheitlich angestrebte Sanierung der Gesellschaft aus eigennützigen Gründen zu verhindern. Durch diese Rechtsprechung, die im Schrifttum breite Zustimmung gefunden hat,270 ist die personalistische Ausgestaltung der Gesellschaft für die Anwendbarkeit der Treuepflicht immer weiter in den Hintergrund getreten und spielt aus heutiger Sicht, abgesehen von der Bedeutung der Realstruktur für den Umfang der Treuepflicht,271 kaum noch eine Rolle.272 Vielmehr ist auf die Sonderrechtsbeziehung der Gesellschafter sowie die Wechselwirkung von Einwirkungsmacht und Rücksichtnahmepflichten abzustellen, die einen Anteilsinhaber, je nach Umfang der Möglichkeit zur Einflussnahme, zur Rücksichtnahme auf das Gesellschaftsinteresse oder der gesellschaftsbezogenen Belange der anderen Anteilsinhaber verpflichten kann.273 Diese aus der Sonderrechtsbeziehung resultierenden Rücksichtnahmepflichten manifestieren sich regelmäßig in Unterlassungspflichten, können sich im Einzelfall jedoch auch zu aktiven Handlungspflichten verdichten.274 bb) Ablehnung durch Flume Soweit ersichtlich, hat lediglich Flume nach der Girmes-Entscheidung noch grundsätzliche Einwände gegen die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht im Kapitalgesellschaftsrecht geltend gemacht.275 Laut Flume handelt es sich bei der 268 Vgl. im Hinblick auf die Unterscheidung zwischen wirkungsbezogenem und inhaltsbezogenem Ansatz zur Bestimmung der Treuepflicht von Minderheitsgesellschaftern Gliederungspunkt C.II.2.a)aa)(1). 269 BGHZ 129, 136 ff. („Girmes-Entscheidung“). 270 Vgl. etwa Bungert, DB 1995, 1749 ff.; Lutter, JZ 1995, 1053 ff.; Henssler, DZWir 1995, 430 ff.; Lamprecht, ZIP 1996, 1372 ff.; Schnorbus, JuS 1998, 877 ff.; Henze, ZHR 162 (1998), 186 (187); kritisch Altmeppen, NJW 1995, 1749 ff.; Flume, ZIP 1996, 161 ff.; zum Aufsatz von Flume kritisch Marsch-Barner, ZIP 1996, 853 ff. („Seine Ausführungen können aus Sicht des Praktikers nicht überzeugen“). 271 Vgl. etwa Henze, BB 1996, 489 (492); Schmidt, GesR, S. 592; Schiessl, in: Mü Hdb GesR, Bd. 3, § 32, Rn. 19; Hirte, GesR, S. 306. 272 Cahn/v.Spannenberg, in: Spindler/Stilz, Bd. 1, § 53a, Rn. 45; Wimmer-Leonhardt, Konzernhaftungsrecht, S. 162. 273 BGHZ 129, 136 (143). 274 Vgl. etwa Cahn/v. Spangenberg, in: Spindler/Stilz, Bd. 1, § 53a, Rn. 38; Seibt, in: Scholz, Komm. GmbHG, Bd. 1, § 14, Rn. 54, 60; Ulmer/Schäfer, in: MüKo BGB, Bd. 5, § 705, Rn. 223. 275 Flume, ZIP 1996, 161 ff.

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Treuepflicht um eine „Leerformel“276, die keinen Beitrag zur Lösung von Interessenkollisionen im Gesellschaftsrecht leiste. Die Schranken für die Ausübung des Mitgliedschaftsrechts, die sich im Verhältnis der Gesellschafter untereinander insbesondere in dem Verbot der Erlangung von Sondervorteilen und gegenüber der Gesellschaft in dem Grundsatz der gemeinsamen Verfolgung des Gesellschaftsinteresses manifestieren, seien insoweit ausreichend.277 Denn ein Gesellschafter übe sein Stimmrecht nur rechtmäßig aus, wenn die Stimmabgabe auf das Gesellschaftsinteresse gerichtet sei. Die Anwendung der Treuepflicht würde daher die Unsicherheit bei der Beurteilung entsprechender Fallkonstellationen erhöhen, anstatt einen Beitrag zur Rechtssicherheit zu leisten. Der Argumentation und Kritik Flumes ist einerseits darin zuzustimmen, dass im Laufe der Rechtsprechungshistorie durch das Reichsgericht und den BGH zunächst eine Vielzahl von Einzelfällen entschieden wurden, die sich erst im Laufe der Zeit zu einer rechtsfortbildenden Generalklausel entwickelt haben. Dann bleibe aber offen, so Flume, wieso die Einzelentscheidungen begründet sein konnten, bevor sich die richterliche Generalklausel entwickelt habe. Andererseits kann sich die richterliche Rechtsfortbildung eben gerade darin zeigen, dass die Entwicklung durch zahlreiche Einzelurteile ergänzt, erweitert und unter Umständen auch wieder korrigiert wird.278 Darin ist nicht zwingend ein Widerspruch zu sehen. Die Treuepflicht ist eine Generalverpflichtung der Gesellschafter, die sich erst durch konkrete Wertungen im Einzelfall zu bestimmten Verhaltenspflichten verdichtet. Daher ist es aus Sicht des Verfassers richtig und konsequent – und dieses Ziel verfolgt ja die vorliegende Arbeit – für die Konkretisierung der Generalklausel Leitlinien zu entwickeln, die ihrerseits bei der Entscheidung von Einzelfällen unterstützend wirken. Unter diesem Blickwinkel handelt es sich dann bei der Treupflicht aber keineswegs um eine Leerformel, sondern um eine Rechtsfigur, die sehr wohl geeignet ist, Interessenkollisionen im Gesellschaftsrecht zutreffend zu lösen. Weiter muss beachtet werden, dass die Treuepflicht über die allgemeinen Schranken der Ausübung des Mitgliedschaftsrechts – zu denken ist etwa an § 243 Abs. 2 AktG – hinausgeht. Selbstverständlich wird ein Gesellschafter häufig treuwidrig abstimmen, um dadurch einen Sondervorteil zu erreichen. Zwingend erscheint dies indes nicht. Es ist nicht ausgeschlossen, dass ein Minderheitsgesellschafter etwa aus Gleichgültigkeit gegenüber der Gesellschaft und den übrigen Gesellschaftern seine Stimme entgegen des Gesellschaftsinteresses ausübt. Man wird die Motivationslage eines Gesellschafters schlicht nicht in jedem Einzelfall ergründen können. Gerade deshalb erscheint die Treuepflicht als geeignetes Instrument der Konfliktlösung, weil nicht nur die Verfolgung gesellschaftsfremder Sondervorteile sanktioniert wird, sondern vielmehr ein 276

Flume, ZIP 1996, 161 (165). In diese Richtung tendierend bereits Fechner, Treubindungen, S. 98, der davon ausgeht, dass das Reichtsgericht in den zum damaligen Zeitpunkt entschiedenen Fällen auch auf das Gleichheitsprinzip als den „wichtigsten Grundsatz des aktienrechtlichen Verkehrs“ hätte abstellen können und es demnach keines Rückgriffs auf die Treuepflicht bedurft hätte. 278 Vgl. etwa Wiedemann, NJW 2014, 2407 (2410). 277

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C. Sanierungsbeiträge der Gesellschafter

objektiver Maßstab zugrunde gelegt werden kann, der darauf abstellt, ob sich aus der Treuepflicht für die Gesellschafter z. B. in einer Sanierungssituation Rücksichtnahme- oder Förderpflichten ergeben, wenn dies zum Bestandserhalt der Gesellschaft notwendig ist und die avisierten Sanierungsmaßnahmen verhältnismäßig sind.279 b) Dogmatische Herleitung der Treuepflicht Obwohl die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht nach einhelliger Auffassung als rechtsformübergreifendes Verbandsprinzip anerkannt ist,280 gibt es hinsichtlich der dogmatischen Herleitung dieser Rechtsfigur verschiedene Ansätze. Dies liegt einerseits an der Vielschichtigkeit möglicher Anwendungsfelder der Treuepflicht, andererseits hat sich der Anwendungsbereich wie soeben erläutert erst im Laufe der Zeit erweitert und so auch andere dogmatische Begründungen und Definitionsversuche nach sich gezogen. Die Rechtsprechung hat sich bezüglich der dogmatischen Herleitung nicht klar festgelegt.281 aa) Gesetzliche Grundlagen Nach Ansicht verschiedener Autoren soll sich der Ursprung bzw. der Entstehungsgrund der Treuepflicht entweder aus dem Gesellschaftsverhältnis als Sonderrechtsbeziehung zwischen den Gesellschaftern282 oder dem Gesellschaftsvertrag283 bzw. im Hinblick auf die Kapitalgesellschaften allgemeiner aus dem Mitgliedschaftsverhältnis284 ergeben. Um aus der Treuepflicht konkrete Rechtsfolgen

279

Vgl. dazu ausführlich Gliederungspunkt C.II. Vgl. etwa Lutter, AcP 180 (1980), 84 (105); Lutter, ZHR 162 (1998), 164 (166); Henze, ZHR 162 (1998), 186 (187 f.); Schmidt, GesR, S. 592; Wiedemann, in: FS Heinsius, S. 949 (949); Wiedemann, ZGR Sonderheft 17, 5 (20); Müller, Der Verband in der Insolvenz, S. 331; Wimmer-Leonhardt, Konzernhaftungsrecht, S. 162; Schiessl, in: Mü Hdb GesR, Bd. 3, § 32, Rn. 18. 281 Vgl. hierzu etwa Raiser, ZHR 151 (1987), 422 (430), der ausführt, dass es dem Wesen der Rechtsprechung entspricht, sich in dieser Frage nicht zu stark festzulegen, um sich die notwendige Flexibilität für die Zukunft zu bewahren. 282 Cahn/v. Spangenberg, in: Spindler/Stilz, Bd. 1, § 53a, Rn. 39; ähnlich Henrichs, AcP 195 (1995), 221 (240), der den Entstehungsgrund im Gesellschaftsverhältnis und die Rechtsgrundlage in § 242 BGB sieht. 283 Hüffer, in: FS Steindorff, S. 59 (65 ff.); Hüffer/Koch, Komm. AktG, § 53a, Rn. 15; Ulmer/Schäfer, in: MüKo BGB, Bd. 5, § 705, Rn. 222; Winter, Mitgliedschaftliche Treuebindungen, S. 63 ff. (mit Bezug auf das Treueverhältnis der Gesellschafter zur Gesellschaft); kritisch zur Grundlage der Treuepflicht im Gesellschaftsvertrag Cahn/v. Spangenberg, in: Spindler/Stilz, AktG, § 53a, Rn. 39. 284 Dreher, ZHR 157 (1993), 150 (153); Lutter, AcP 180 (1980), 84 (97); Lutter, ZHR 162 (1998), 164 (166 f.); Marsch-Barner, ZHR 157 (1993), 172 (173); Schmidt, in: MüKo HGB, Bd. 2, § 105, Rn. 188; Winter, Mitgliedschaftliche Treuebindungen, S. 67 (mit Bezug auf das 280

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ableiten und sie damit – so Hüffer285 – „stabilisieren“ zu können, bedarf es darüber hinaus einer Rechtsgrundlage.286 Basierend auf den teils unterschiedlichen Ansätzen bezüglich des Entstehungsgrundes wird die Treuepflicht als Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB,287 als Ausfluss der Förderpflicht des § 705 BGB288 oder als gewohnheitsrechtlich anerkannter Rechtssatz in Gestalt einer auf richterrechtlicher Rechtsfortbildung beruhenden Generalklausel289 angesehen. Teilweise wird auch nach der Funktion der Treuepflicht differenziert, so dass die rechtsbegrenzenden Aspekte der Treuepflicht auf § 242 BGB und die Pflichten zu positivem Tun (z. B. Stimmpflichten) der Hauptpflicht entsprechend § 705 BGB zugewiesen werden.290 Der Rückgriff auf § 242 BGB als Rechtsgrundlage erscheint zunächst konsequent, wenn man die Treuepflicht nicht als eigenständige Pflicht, sondern als eine besonders intensive Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben betrachtet. Hiergegen wird jedoch zu Recht vorgebracht, dass der sich aus § 242 BGB ergebende Grundsatz von Treu und Glauben keine (positiven) Handlungspflichten im Sinne der Treuepflicht begründen kann, weil § 242 BGB lediglich die Modalitäten bestimmt, zu denen eine schon geschuldete Leistung erbracht werden muss.291 Die Treuepflicht ist aber qualitativ etwas anderes und geht über den Grundsatz von Treu und Glauben hinaus. Dementsprechend betrachten andere Autoren § 705 BGB als Rechtsgrundlage und argumentieren, die Treuepflicht sei als mitgliedschaftliche Förderpflicht im Sinne des § 705 BGB einzustufen.292 Bei einer GbR stellt der Gesellschaftsvertrag Treueverhältnis der Gesellschafter untereinander) Schmidt, GesR, S. 588; Altmeppen, NJW 1995 1749 (1750). 285 Vgl. Hüffer, in: FS Steindorff, S. 59 (68); sinngemäß ebenso Hüffer/Koch, Komm. AktG, § 53a, Rn. 15. 286 Das Abstellen auf eine Rechtsgrundlage wird teilweise für entbehrlich gehalten, vgl. etwa Cahn/v. Spannenberg, in: Spindler/Stilz, Bd. 1, § 53a, Rn. 43; Wiedemann, GesR, Bd. 2, S. 198. 287 Vgl. insbesondere Hennrichs, AcP 195 (1995), 221 (228 ff.); Kropff, in: FS Lutter, S. 1133 (1145); Roth/Schubert, in: MüKo BGB, Bd. 2, § 242, Rn. 186; Ronge, Treubindung, S. 109. 288 Marsch-Barner, ZHR 157 (1993), 172 (173); Lutter, AcP 180 (1980), 84 (117); Lutter, ZHR 153 (1989), 446 (454); Westermann, Vertragsfreiheit, S. 143. 289 Stimpel, in: Juristische Studiengesellschaft Karlsruhe, 15 (18); Hüffer, in: FS Steindorff, S. 59 (65 ff.); Hüffer/Koch, Komm. AktG, § 53a, Rn. 15; Paschke, in: FS Serick, S. 313 (320). Ulmer, in: Straub, Komm. HGB, Bd. 3, § 105, Rn. 233; Henze/Notz, in: Großkomm. AktG, Bd. 2, Anh. § 53a, Rn. 19; Schiessl, in: Mü Hdb GesR, Bd. 3, § 32, Rn. 22. 290 So Winter, Mitgliedschaftliche Treuebindungen, S. 13 f.; Häuser, Unbestimmte Maßstäbe, S. 182. 291 Marsch-Barner, ZHR 157 (1993), 172 (173); Lutter, AcP 180 (1980), 84 (103, Fn. 93); Lutter, ZHR 153 (1989), 446 (454); Timm, WM 1991, 481 (482); a.A. etwa Hennrichs, AcP 195 (1995), 221 (225 ff.). 292 Vgl. etwa Hadding/Kießling, in: Soergel, Komm. BGB, § 705, Rn. 58 (für Personengesellschaften).

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eine schuldvertragliche293 Grundlage der Gesellschaft dar, aus der auch vertragliche Beziehungen zwischen den Gesellschaftern erwachsen.294 Bei Kapitalgesellschaften regeln die zwingend korporativen Bestandteile der Satzung dagegen grundsätzlich nur das Verhältnis der Gesellschafter zur Gesellschaft, nicht aber untereinander.295 Zwar kann der Gesellschaftsvertrag auch das Verhältnis der Gesellschafter untereinander, etwa im Hinblick auf Vorkaufsrechte oder Anbietungspflichten, regeln, wobei dann im Einzelfall zu entscheiden ist, ob es sich um korporative Satzungsbestandteile oder schuldrechtliche Abreden handelt.296 Allerdings ist die Vorschrift des § 705 BGB seinem eindeutigen Wortlaut nach lediglich auf das Verhältnis der Gesellschafter zur Gesellschaft beschränkt. Denn § 705 BGB verpflichtet die Gesellschafter nur zur Förderung des Gesellschaftszwecks. Insoweit greift § 705 BGB als Rechtsgrundlage für die Treuepflicht, die nach heutigem Diskussionsstand auch das Verhältnis der Gesellschafter untereinander betrifft, zu kurz.297 Es handelt sich nach zutreffender Ansicht vielmehr um eine richterrechtliche Generalklausel, die sich aus verschiedenen Rechtsnormen, u. a. aus § 242 BGB sowie § 705 BGB, ableiten und auf praktische Notwendigkeit und gesetzliche Ableitungsbasis stützen lässt.298 Als weitere Normen können z. B. §§ 112, 113 HGB (Wettbewerbsverbot), § 53a AktG (Gleichbehandlungsgebot) oder § 243 Abs. 2 AktG (Verbot unzulässiger Verfolgung von Sondervorteilen) genannt werden.299 Zwar sind diese Normen teilweise rechtsformgebunden und inhaltlich nicht ohne Weiteres auf andere Gesellschaftsformen übertragbar. Dennoch sollten diese Vorschriften ergänzend herangezogen werden, um eine möglichst breite Basis zur Begründung der Treuepflicht aus den gesetzlichen Vorschriften herzuleiten. Dies erscheint bereits vor dem Hintergrund der Entwicklungsgeschichte der Treuepflicht, die von Rechtsprechung und Literatur im Laufe der Zeit immer weiter entwickelt und durch neue Fallgruppen ergänzt wurde, sachgerecht. Die Treuepflicht ist die Zu293 Vgl. Winter, Mitgliedschaftliche Treuebindungen, S. 10 f.; differenzierend Hüffer, in: FS Steindorff, S. 59 (66), der zwischen schuldrechtlichen und organisationsrechtlichen Pflichten unterscheidet. 294 Schäfer, in: MüKo BGB, Bd. 6, § 705, Rn. 216. 295 Vgl. etwa Flume, Allg. Teil BGB, Bd. 1, 2. Teil, § 8 I (S. 269); Priester, in: Scholz, Komm. GmbHG, Bd. 3, § 53, Rn 10. 296 Vgl. etwa Wicke, in: MüKo GmbHG, Bd. 1, § 3, Rn. 126; Hüffer, in: FS Steindorff, S. 59 (67); anders aber etwa Kübler/Assmann, GesR, S. 281; Ivens, GmbHR 1988, 249 (250) (der im Übrigen eine Förderpflicht von GmbH-Gesellschaftern aus § 705 BGB herleiten will), die davon ausgehen, dass der Gesellschaftsvertrag einer Kapitalgesellschaft keine Rechtsbeziehungen der Gesellschafter untereinander begründet. 297 So bereits Hüffer, in: FS Steindorff, S. 59 (70). 298 Vgl. etwa Stimpel, in: Pehle/Stimpel, Richterliche Rechtsfortbildung, S. 15 (18 ff.); Hüffer/Koch, Komm. AktG, § 53a, Rn. 15; Fleischer, in: Schmidt/Lutter, Komm. AktG, Bd. 1, § 53a, Rn. 46; Henze/Notz, Großkomm. AktG, Bd. 2, Anh. § 53a, Rn. 19; Hüffer, in: FS Steindorff, S. 59 (68 ff.); Lutter, ZHR 162 (1998), 164 (166); Henze, ZHR 162 (1998), 186 (191); Bungeroth, in: MüKo AktG, Bd. 1, Vor § 53a, Rn. 20; Rieckers, in: Mü Hdb GesR, Bd. 4, § 17, Rn. 15. 299 Vgl. Hüffer, FS Steindorff, S. 59 (72 f.).

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sammenfassung verschiedener Teilelemente des Gesellschaftsrechts, die im Rahmen der richterlichen Rechtsfortbildung zu einem eigenen System entwickelt werden kann. Der Versuch, hier auf eine einzelne Norm als Rechtsgrundlage abzustellen, kann angesichts der Vielschichtigkeit der Treuepflicht nicht gelingen. bb) Begründung von Rechtsbeziehungen Der Nachweis von Rechtsbeziehungen der Gesellschafter gegenüber der Gesellschaft als auch untereinander ist unabdingbar zur Begründung der Treuepflicht. (1) Rechtsbeziehungen der Gesellschafter zur Gesellschaft Es wird aus heutiger Sicht nicht mehr angezweifelt, dass eine Rechtsbeziehung zwischen den Gesellschaftern und der Gesellschaft besteht,300 wobei die Begründung für diese Rechtsbeziehungen teils unterschiedlich ausfällt. Häufig wird die Satzung als Grundlage von Rechtsbeziehungen zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern herangezogen. Jedoch muss man diesbezüglich zwischen Gesellschaftsverträgen von Personengesellschaften einerseits und Satzungen von Kapitalgesellschaften andererseits unterscheiden. Denn während im ersteren Fall der Personenverbund auf dem Gesellschaftsvertrag beruht und der Gesellschaftsvertrag die Gesellschafter demnach sowohl untereinander als auch gegenüber der Gesellschaft verpflichtet, handelt es sich bei der Satzung von Kapitalgesellschaften um eine körperschaftliche Verfassung, die – jedenfalls abgesehen von der Gründungssatzung – von seinen Mitgliedern grundsätzlich losgelöst ist. Zwar verpflichtet die Satzung die Gesellschafter, jedoch erscheint es nicht möglich, darüber hinausgehende rechtliche Beziehungen der Gesellschafter zu begründen. Allerdings unterscheidet sich das Verhältnis der Gesellschafter zu ihrer Gesellschaft im Vergleich zu Dritten dadurch, dass sie Mitglieder der Gesellschaft sind. Auf Grund ihrer Mitgliedschaft unterliegen sie besonderen Rechten und Pflichten. Da die Mitgliedschaft in einem Verband ein Rechtsverhältnis darstellt,301 ist es folgerichtig, nicht auf die Satzung als Ansatzpunkt für die rechtlichen Beziehungen der Gesellschafter zur Gesellschaft abzustellen, sondern stattdessen die Mitgliedschaft selbst in den Fokus zu rücken und hierauf abzustellen. Denn allein aus der Mitgliedschaft resultieren die Rechte, Pflichten und Einflussmöglichkeiten der Gesellschafter gegenüber der Gesellschaft. (2) Rechtsbeziehungen der Gesellschafter untereinander Vor dem Hintergrund, dass – anders als bei Personengesellschaften – die juristische Person verselbständigt ist und die Gesellschafter zwar Mitglieder des Verbandes, aber nicht Träger einer Gesamthandsgemeinschaft sind, ist die Herleitung 300 301

Vgl. nur Flume, Allg. Teil BGB, Bd. 1, 2. Teil, § 8 I (S. 269). Lutter, AcP 180 (1980), 84 (97).

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von Rechtsbeziehungen zwischen den Gesellschaftern in dogmatischer Hinsicht komplexer als die Herleitung von Rechtsbeziehungen zwischen den Gesellschaftern und der Gesellschaft. Dementsprechend wird das Bestehen von Rechtsbeziehungen zwischen den Gesellschaftern einer Kapitalgesellschaft teilweise auch gänzlich verneint.302 Der strukturelle Unterschied zwischen Personen- und Kapitalgesellschaften und die dogmatische Grundregel, dass auf Grund der eigenen Rechtspersönlichkeit der Kapitalgesellschaft Rechtsbeziehungen nur zwischen der Gesellschaft und ihren Mitgliedern bestünden, bedinge, dass Rechtsbeziehungen zwischen Gesellschaftern einer Kapitalgesellschaft verneint werden müssen. Von diesen kritischen Stimmen abgesehen, werden Rechtsbeziehungen zwischen den Gesellschaftern – wenn auch mit teils unterschiedlichen rechtssystematischen Begründungen – von der überwiegenden Mehrheit in der Literatur bejaht.303 In rechtspolitischer Hinsicht erscheint dies vor dem Hintergrund, dass es von den Umständen des Einzelfalles und damit vom Zufall abhängt, ob sich die Gesellschaft – z. B. weil ein Gesellschafter gleichzeitig alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer ist – oder ein Gesellschafter auf die Treuepflicht beruft, zwingend. Aber auch in dogmatischer Hinsicht erscheint es folgerichtig, wie Raiser korrekt angemerkt hat, die Lehre von der juristischen Person nicht derart zu überhöhen, dass die rechtlichen Beziehungen der Gesellschafter untereinander vollständig hiervon aufgesogen werden.304 Eine ältere Ansicht hat argumentiert, die Rechtsbeziehungen der Gesellschafter, jedenfalls für die personalistische GmbH, aus einer zwischen den Gesellschaftern vereinbarten BGB-Innengesellschaft herzuleiten.305 Dieser Ansatz konnte sich jedoch nicht durchsetzen und wird, soweit ersichtlich, heute nicht mehr vertreten. Einen anderen Ansatz hat Mertens gewählt, der die Treuepflicht aus dem Deliktsrecht abzuleiten versucht.306 Dieser Ansatz ist zunächst dahingehend interessant, als dass die Mitgliedschaft der Gesellschafter nach überwiegender Ansicht als „sonstiges Recht“ i.S.d. § 823 Abs. 1 BGB betrachtet wird.307 Andererseits setzt das Deliktsrecht keine besonderen Rechtsbeziehungen voraus, so dass sich nach diesem Ansatz die Treuepflicht gegen jedermann richten würde. Wenn man das Charakte302 So insbesondere Flume, Allg. Teil BGB, Bd. 1, 2. Teil, § 8 I (S. 258 ff., 270); Flume, ZIP 1996, 161 (164). 303 Vgl. etwa Lutter, AcP 180 (1980), 84 (127); Raiser, ZHR 151 (1987), 422 (434 f.); Hüffer, in: FS Steindorff, S. 59 (67); Schmidt, GesR, S. 589; Hoffmann, GmbHR 1963, 61 (63); Winter, Mitgliedschaftliche Treuebindungen, S. 69. 304 Raiser, ZHR 151 (1987), 422 (435). 305 Verhoeven, Konzern-Innenrecht, Rn. 204 (für GmbH und AG); Hoffmann, GmbHR 1963, 61 (63). 306 Mertens, AcP 178 (1978), 227 (243); Mertens, in: FS R. Fischer, S. 461 (468 ff.). 307 Vgl. BGH NJW 1990, 2877 (2878); Sprau, in: Palandt, § 823, Rn. 21.

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ristikum der Treuepflicht aber zutreffend darin sieht, dass sich gerade zwischen den Gesellschaftern aus ihrer besonderen Stellung zueinander eine Treuepflicht manifestiert, ist dieser Ansatz nicht zur Begründung der Treuepflicht geeignet. Vielmehr ergibt sich die Treuepflicht nach vorzugswürdiger Ansicht aus der Sonderrechtsbeziehung der Gesellschafter untereinander als Folge ihrer Mitgliedschaft in der Gesellschaft.308 Denn die Gesellschafter können untereinander wechselseitig auf ihre Rechte einwirken, und zwar in gesteigerter Form als dies in einem Verhältnis zu Dritten möglich wäre. Als Gegengewicht zu dieser gesteigerten Einwirkungsmacht bedingt die Mitgliedschaft in einer Gesellschaft daher auch Rücksichtnahme- und Loyalitätspflichten der Gesellschafter untereinander. Denn die Gesellschafter dürfen ihre Rechte nicht schrankenlos ausüben. Dieses Wechselspiel von Einwirkungsmacht und Loyalitätspflichten rechtfertigt es, das Verhältnis der Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft als rechtliche Sonderverbindung zwischen den Gesellschaftern einzustufen. cc) Fazit In praktischer Hinsicht hat dieser Grundlagenstreit jedoch keine Auswirkungen, da – wie Lutter nach der Girmes-Entscheidung im Jahre 1998 angemerkt hat – die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht nach allen Ansichten gewohnheitsrechtlich anerkannt ist und es vielmehr darum gehen müsse, den Umfang und die Grenzen der Treuepflicht auszumessen.309 Dies soll im Folgenden für die Treuepflicht der Gesellschafter in Sanierungssituationen vorgenommen werden. 2. Ausprägungen der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht Wie bereits eingangs aufgegriffen, entfaltet die Treuepflicht unterschiedliche Wirkungen, je nachdem, ob eine Pflicht des Mehrheits- oder Minderheitsgesellschafters in Rede steht und ob sie sich im Verhältnis der Gesellschafter zur Gesellschaft oder der Gesellschafter untereinander manifestiert. Darüber hinaus ist klärungsbedürftig, ob sich eine Treuepflicht der Gesellschafter auch im Verhältnis zu den Gläubigern entfalten kann.

308 309

Vgl. etwa Hennrichs, AcP 195 (1995), 221 (234 f.); Lutter, ZHR 162 (1998), 164 (168). Lutter, ZHR 162 (1998), 164 (166).

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a) Treuepflicht der Gesellschafter gegenüber der Gesellschaft Die Treuepflicht gegenüber dem Interesse der Gesellschaft entfaltet sowohl eine Rücksichtnahme- als auch eine Förderungspflicht der Gesellschafter.310 Der Begriff des Gesellschaftsinteresses bedarf hier näherer Erläuterung. Das Gesellschafts- oder Verbandsinteresse leitet sich nach überwiegender Ansicht zwingend aus den Einzelinteressen der Gesellschafter ab und verdichtet sich auf diese Weise zu einem herausgehobenen, gemeinsamen Mitgliederinteresse.311 Angesichts der häufig widerstreitenden Interessen einzelner Gesellschafter kann das Gesellschaftsinteresse nicht von einem tatsächlichen Interessengleichlauf der Mitglieder abhängig gemacht werden.312 Abzustellen ist ausschließlich auf den von den Mitgliedern festgesetzten Verbandszweck, der die verschiedenen Einzelinteressen der Mitglieder zu einem gemeinsamen Gesellschaftsinteresse bündelt.313 Der Verbandszweck geht über den in der Satzung festgelegten Unternehmensgegenstand dergestalt hinaus, dass auch das Formalziel normtypischer Kapitalgesellschaften, namentlich die Gewinnerzielungsabsicht, hiervon umfasst ist.314 Auf diese Weise kann das Gesellschaftsinteresse nach objektiven Kriterien festgelegt werden und umfasst sämtliche, den Verbandszweck fördernde Umstände. Im Einzelfall können sich hieraus Unterlassungs- und Handlungspflichten der Gesellschafter in Form von Rücksichtnahme- oder Förderungspflichten ergeben.

310

Fleischer, in: Schmidt/Lutter, Komm. AktG, Bd. 1, § 53a, Rn. 54 f.; Bungeroth, in: MüKo AktG, Bd. 1, Vor § 53a, Rn. 25 ff.; Henze/Notz, Großkomm. AktG, Bd. 2, Anh. § 53a, Rn. 57 ff., 81 ff.; Schäfer, in: Staub, Großkomm. HGB, Bd. 3, § 105, Rn. 230 f.; Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Komm. GmbHG, § 13, Rn. 21; Michalski/Funke, in: Michalski, Komm. GmbHG, Bd. 1, § 13, Rn. 160 ff.; Hofmann, Minderheitsschutz, S. 28; Wiedemann, GesR, Bd. 2, S. 199. 311 Olson, Logik des kollektiven Handelns, S. 6 f.; Zöllner, Stimmrechtsmacht, S. 20; Hopt, ZGR 1993, 534 (535); Kunze, Stimmpflichten, S. 52; Lutter, ZHR 162 (1998), 164 (183); Bitter, ZGR 2010, 147 (171); Bitter, Durchgriffshaftung, S. 314; Verse, Gleichbehandlungsgrundsatz, S. 254; Cahn/v. Spannenberg, in: Spindler/Stilz, Bd. 1, § 53a, Rn. 40; Schneider, Gesellschafter-Stimmpflichten, S. 211; a.A. etwa Pfeifer, GmbHR 2008, 1074 (1076 ff.); Winter, ZGR 1994, 570 (580 ff.); Winter, Mitgliedschaftliche Treuebindungen, S. 190 ff.; Junge, in: FS Caemmerer, S. 547 (551). 312 So Zöllner, Stimmrechtsmacht, S. 18. 313 Vgl. etwa Verse, Gleichbehandlungsgrundsatz, S. 254; Rieckers, in: Mü Hdb GesR, Bd. 4, § 17, Rn. 24; ähnlich Zöllner, Stimmrechtsmacht, S. 23; Kunze, Stimmpflichten, S. 121, die davon ausgehen, dass „im Verbandsinteresse alles liegt, was Bestand, Funktionsfähigkeit und Aufgabenerfüllung des Verbands begünstigt und gewährleistet“. 314 So die weit überwiegende Ansicht, vgl. etwa OLG Hamburg BB 1968, 267 (267); Zöllner, Stimmrechtsmacht, S. 27 f.; Tieves, Unternehmensgegenstand, S. 23 ff.; Birke, Formalziel der Aktiengesellschaft, S. 141; Pentz, in: MüKo AktG, Bd. 1, § 23, Rn. 70 ff., 76; Verse, Gleichbehandlungsgrundsatz, S. 254 f.

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aa) Rücksichtnahmepflicht Das Rücksichtnahmegebot beinhaltet eine Schrankenfunktion, die die Gesellschafter zur rücksichts- und verantwortungsvollen Ausübung ihrer mitgliedschaftlichen Rechte und Einflussmöglichkeiten verpflichtet und sie damit in der Ausübung ihrer Mitgliedschaftsrechte begrenzt.315 Die Mitgliedschaftsrechte lassen sich dem Inhalt nach grundsätzlich in (i) Verwaltungsrechte (insbesondere Teilnahme- und Rederecht (§ 118 AktG bzw. § 48 GmbHG), Stimmrecht (§ 12 AktG bzw. § 47 GmbHG), Informationsrechte und Anfechtungsrechte) sowie (ii) Vermögensrechte (insbesondere Dividendenanspruch und Gewinnbezugsrecht (§ 174 AktG bzw. § 29 GmbHG), Recht auf Teilhabe am Liquidationserlös und Bezugsrechte (§ 186 AktG bzw. § 55 GmbHG) untergliedern.316 Im Rahmen der Treuepflicht werden außerdem eigennützige und fremdnützige Mitgliedschaftsrechte voneinander unterschieden.317 Bei Ausübung von fremdnützigen Mitgliedschaftsrechten wird das Gesellschaftsinteresse gefördert, das durch die Satzung, den Verbandszweck und das Unternehmensziel konkretisiert wird. Dem Gesellschaftsinteresse ist grundsätzlich Vorrang vor den fremdnützigen Mitgliedschaftsrechten einzuräumen, da diese Rechte dem Gesellschafter nicht zur Förderung seiner privaten Interessen, sondern zur Förderung des Gesellschaftszwecks eingeräumt wurden.318 Zu den fremdnützigen Mitgliedschaftsrechten sind insbesondere die organschaftlichen Befugnisse der Gesellschafter (u. a. das Stimmrecht) zu zählen.319 Mit der Wahrnehmung eigennütziger Mitgliedschaftsrechte verfolgt der Aktionär in der Gesellschaft demgegenüber seine eigenen Interessen (insbesondere Gewinn- oder Dividendenanspruch, individuelle Kontrollrechte und im Hinblick auf die AG auch das Teilnahmerecht an der Hauptversammlung).320 Die Ausübung der eigennützigen Mitgliedschaftsrechte 315 Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 11, Rn. 50; Cahn/v. Spannenberg, in: Spindler/ Stilz, Bd. 1, § 53a, Rn. 38; Rieckers, in: Mü Hdb GesR, Bd. 4, § 17, Rn. 21; Henze/Notz, in: GroßkommAktG, Anh. § 53a, Rdn. 52; Bungeroth, in: MüKo AktG, Vor § 53a Rn. 25; Fleischer, in: Schmidt/Lutter, Komm. AktG, § 53a, Rn. 54. 316 Verse, in: Henssler/Strohn, GesR, § 14 GmbHG, Rn. 43, der darauf hinweist, dass es weitere Mitgliedschaftsrechte gibt, die sich keiner der beiden genannten Gruppen zuordnen lassen (z. B. das Recht zum Austritt aus wichtigem Grund oder das Recht auf gleichmäßige Behandlung); Heider, in: MüKo AktG, Bd. 1, § 2, Rn. 46. 317 Vgl. zu dieser Unterscheidung bereits Hueck, in: FS Hübner, S. 72 (81); ebenso Ulmer in: FS Möhring, 1975, S. 295 (300 f.); Lutter, ZHR 162 (1998), 164 (168); Henze, BB 1996, 489 (492); Hüffer/Koch, Komm. AktG, § 53a, Rn. 17; kritisch zu diesen Begriffen Fleischer, in: Schmidt/Lutter, Komm. AktG, Bd. 1, § 53a, Rn. 55; Bungeroth, in: MüKo AktG, Vor § 53a Rn. 25; Jäger, NZG 1999, 238 (240 f.). 318 Hüffer/Koch, Komm. AktG, § 53a, Rn. 17; Ulmer/Schäfer, in: MüKo BGB, Bd. 5, § 705 Rn. 224, 22; Hadding/Kießling, in: Soergel, Komm. BGB, § 705, Rn. 59; Westermann, in: Erman, Komm. BGB, § 705, Rn. 48 f.; Habermeier, in: Staudinger, § 705, Rn. 51. 319 Hüffer/Koch, Komm. AktG, § 53a, Rn. 17; Emmerich, in: Scholz, Komm. GmbHG, Bd. 1, § 13, Rn. 39. 320 Vgl. etwa Henze, BB 1996, 489 (492); Ulmer, in: Staub, Großkomm. HGB, Bd. 3, § 105 Rn. 240; Hüffer/Koch, Komm. AktG, § 53a, Rn. 17.

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wird im Regelfall nicht durch die Treuepflicht begrenzt.321 Etwas anderes gilt nur in Ausnahmefällen, etwa bei sonst drohender Existenzgefährdung des Unternehmens.322 Im Übrigen ergeben sich die Schranken der Ausübung eigennütziger Mitgliedschaftsrechte aus dem Verbot einer willkürlichen oder unverhältnismäßigen Rechtsausübung.323 bb) Förderpflicht Im Gegensatz zur Rücksichtnahmepflicht, die im Wesentlichen Unterlassungspflichten statuiert, folgt aus dem Gebot der Förderpflicht eine aktive Handlungspflicht zur Förderung des Gesellschaftsinteresses.324 Die Anforderungen, die an die Bejahung einer solchen Handlungspflicht – im Vergleich zu den teilweise als milder wahrgenommenen Rücksichtnahmepflichten – gestellt werden, sind höher und eine Förderpflicht ist daher nach überwiegender Ansicht nur in Ausnahmefällen zu bejahen.325 Eine strenge Auslegung der Förderpflicht ist auf Grund der teilweise erheblichen Folgen für den Gesellschafter einerseits zwingend, andererseits kann sich dieser Ausnahmecharakter als schwerwiegender Hinderungsgrund einer erfolgreichen Sanierung – insbesondere im Zusammenhang mit etwaigen Zustimmungspflichten der Gesellschafter – erweisen. Im Einzelfall muss daher stets eine Abwägung der geschützten Interessenlage der Gesellschaft einerseits und der Gesellschafter andererseits erfolgen.326 b) Treuepflicht der Gesellschafter untereinander Die Treuepflicht der Gesellschafter untereinander entfaltet durch die Rücksichtnahmepflicht der Gesellschafter auf die mitgliedschaftlichen Interessen ihrer Mitgesellschafter ebenfalls eine Schrankenfunktion dergestalt, dass die einzelnen Gesellschafter ihre Eigeninteressen nicht zum Nachteil der Mitgesellschafter ausüben dürfen.327 Eigenständige Bedeutung kommt dem Schutz dieser mitglied321

Winter, Mitgliedschaftliche Treuebindungen, S. 121; Hüffer/Koch, Komm. AktG, § 53a, Rn. 17; Henze, BB 1996, 489 (492). 322 Hüffer/Koch, Komm. AktG, § 53a, Rn. 17. 323 Bamberger, in: Knops/Bamberger/Maier-Reimer, Recht der Sanierungsfinanzierung, § 16, Rn. 54; Fleischer, in: Schmidt/Lutter, Komm. AktG, Bd. 1, § 53a, Rn. 55; Wiesner, in: Mü Hdb GesR, Bd. 4, § 17, Rn. 22. 324 Vgl etwa Cahn/v. Spannenberg, in: Spindler/Stilz, Bd. 1, § 53a, Rn. 38. 325 Vgl. etwa Cahn/v. Spannenberg, in: Spindler/Stilz, Bd. 1, § 53a, Rn. 38; Fleischer, in: Schmidt/Lutter, Komm. AktG, Bd. 1, § 53a, Rn. 55; Wiesner, in: Mü Hdb GesR, Bd. 4, § 17, Rn. 22; Henze/Notz, in: Großkomm. AktG, Bd. 2, Anh. § 53a, Rn. 82; Wiedemann, GesR, Bd. 2, S. 200. 326 Vgl. etwa Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Komm. GmbHG, § 13, Rn. 23; Emmerich, in: Scholz, Komm. GmbHG, Bd. 1, § 13, Rn. 39. 327 BGHZ 103, 184 (194); BGHZ 129, 136 (142); Bungeroth, in: MüKo AktG, Vor § 53a Rn. 25.

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schaftlichen Interessen jedoch nur zu, soweit nicht bereits die Interessen der Gesellschaft berührt sind.328 Beispielhaft seien das Interesse der Gesellschafter am Bestand ihrer Mitgliedschaft oder an der Höhe ihrer Gewinnbeteiligung genannt.329 In diesen Fällen sind die Gesellschafter befugt, unverhältnismäßige Beeinträchtigungen ihrer geschützten Interessen unter Bezugnahme auf die Treuepflicht der anderen Gesellschafter abzuwehren. Die Gesellschafter sind jedoch nicht verpflichtet, die mitgliedschaftlichen Interessen ihrer Mitgesellschafter aktiv zu fördern.330 Denn bei Bejahung einer solchen Förderpflicht müsste ein Gesellschafter unter Umständen auf eigene mitgliedschaftliche Rechte zugunsten eines oder mehrerer Mitgesellschafter verzichten. Die Interessen der Gesellschafter sind jedoch als gleichrangig einzustufen, so dass eine Förderungspflicht insoweit zu weitgehend wäre.331 Des Weiteren ist die Treuepflicht auf die mitgliedschaftlichen Rechte der Gesellschafter beschränkt, so dass private Interessen der Gesellschafter von der Treuepflicht regelmäßig nicht umfasst sind.332 Es fehlt insoweit an einer Sonderverbindung und damit an einem Anknüpfungspunkt für eine gesteigerte Pflichtenlage.333 Etwas anderes kann sich lediglich bei Gesellschaften mit einem kleinen Gesellschafterkreis und einer Ausrichtung auf eine enge und persönliche Zusammenarbeit ergeben, wenn sich Störungen im privaten Bereich auf den mitgliedschaftlichen Bereich auswirken und so den Verbandszweck gefährden.334 c) Treue- bzw. Aufopferungspflicht der Gesellschafter gegenüber Gläubigern Im Gegensatz zum Verhältnis der Gesellschafter untereinander ist im Schrifttum bisher nur stellenweise zu der Frage Stellung genommen worden, ob die Gesellschafter auch gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft zur Rücksichtnahme verpflichtet sein können. Dies mag auch daran liegen, dass die Gläubiger häufig ohnehin von der Treuepflicht der Gesellschafter gegenüber der Gesellschaft profitieren, da ihnen die Pflicht der Gesellschafter, den Gesellschaftszweck zu fördern und 328 So explizit BGH NJW 1992, 3167 (3171); ebenfalls Immenga, in: FS 100 Jahre GmbHGesetz, S. 189 (193); Hüffer/Koch, Komm. AktG, § 53a, Rn. 16; Ulmer, in: Staub, Großkomm. HGB, § 105, Rn. 241. 329 Schneider, Gesellschafter-Stimmpflichten, S. 212. 330 Winter, Mitgliedschaftliche Treuebindungen, S. 14; Hadding/Kießling, in: Soergel, Komm. BGB, § 705, Rn. 60; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Komm. GmbHG, § 13, Rn. 36; Schneider, Gesellschafter-Stimmpflichten, S. 210; Kunze, Stimmpflichten, S. 128. 331 Kunze, Stimmpflichten, S. 128; Winter, Mitgliedschaftliche Treuebindungen, S. 182 f.; Beckerhoff, Treupflichten, S. 82. 332 Henze/Notz, in: Großkomm. AktG, Bd. 2, Anh § 53a Rn. 25; Ulmer, in: Staub, Großkomm. HGB, § 105, Rn. 243; Emmerich, in: Scholz, Komm. GmbHG, Bd. 1, § 13, Rn. 39a. 333 Schneider, Gesellschafter-Stimmpflichten, S. 213. 334 BGH NJW 1992, 3167 (3171); Lutter, AcP 180 (1980), 84 (129, 159).

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C. Sanierungsbeiträge der Gesellschafter

schädliche Handlungen insoweit zu unterlassen, mittelbar zugutekommt.335 Das Gläubigerinteresse ist zwar ausschließlich auf die bestmögliche Befriedigung der bestehenden Forderungen und nicht auf die Förderung des Gesellschaftszwecks der schuldnerischen Gesellschaft gerichtet. Jedenfalls bei profitablen Gesellschaften ist im Regelfall aber von einem Gleichlauf der Interessen auszugehen, da die Gewinnerzielungsabsicht des Unternehmens bzw. die Erzielung von Unternehmensgewinnen zwingend auch dem Gläubigerinteresse auf bestmögliche Befriedigung zugutekommt. Gerade in Sanierungssituationen, in denen sich das Blockadepotenzial sowohl von Gesellschaftern als auch Gläubigern in erheblicher Weise negativ auf den Sanierungserfolg auswirken kann, ist ein solcher Gleichlauf des Gesellschaftsinteresses einerseits und des Gläubigerinteresses andererseits allerdings nicht mehr zwangsläufig gegeben. Eine Beeinträchtigung der Interessen der Gläubiger auf bestmögliche Befriedigung kann sich insbesondere daraus ergeben, dass einvernehmlich handelnde Gesellschafter – in gleicher Weise wie der alleinige Gesellschafter einer Gesellschaft – keiner Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft unterliegen.336 Denn die Interessen der Gesellschaft und der einvernehmlich handelnden Gesellschafter sind in einem solchen Fall identisch und ein Interessenkonflikt demnach nicht möglich.337 Bei Bejahung einer Treue- und Rücksichtnahmepflicht der Gesellschafter gegenüber den Gläubigern würde insoweit die potentielle Haftung der Gesellschafter bei schädigendem Verhalten gegenüber den Gläubigern erweitert und das Druckpotenzial zur Beteiligung an Sanierungsmaßnahmen gesteigert. Fraglich ist, ob eine solche Rücksichtnahme- und Treuepflicht dogmatisch begründet werden kann. Die Interessen der Gesellschaftsgläubiger werden nach überwiegender Ansicht in der Literatur nicht vom Schutzbereich der mitgliedschaftlichen Treuepflicht erfasst, da zwischen den Gesellschaftern und Gläubigern keine vertragliche Sonderbeziehung bestehe, aus denen eine Treuepflicht hergeleitet werden könne.338 Der Schutz der Gläubiger muss dann über die Regelungen der 335 Vgl. etwa Winter, Mitgliedschaftliche Treuebindungen, S. 87 f.; Grigoleit, Gesellschafterhaftung, S. 317 ff.; Henze, NZG 2003, 649 (654 f.); Bungeroth, in: MüKo AktG, Bd. 1, Vor § 53a, Rn. 24. Die Autoren sprechen teilweise von einem „reflexiven Gläubigerschutz“. 336 BGHZ 119, 257 (259 f.); BGHZ 122, 333 (336); BGH NZG 2008, 187 (188); Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Komm. GmbHG, § 13, Rn. 38; Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Komm. GmbHG, § 13, Rn. 20; Merkt, in: MüKo GmbHG, § 13, Rn. 106; Roth/Altmeppen, Komm. GmbHG, § 13, Rn. 59; Bungeroth, in: MüKo AktG, Bd. 1, Vor § 53a, Rn. 24; a.A. Ulmer, ZHR 148 (1984), 391 (418 f.); Priester, ZGR 1993, 512 (520); Die Beantwortung dieser Frage hängt entscheidend davon ab, ob man ein Eigeninteresse der Gesellschaft bejaht oder – wie oben in Gliederungspunkt C.I.2.a) dargelegt, das Interesse der Gesellschaft als Bündelung der mitgliedschaftlichen Interessen der Gesellschafter betrachtet. 337 Vgl. etwa Merkt, in: MüKo GmbHG, § 13, Rn. 106; Michalski/Funke, in: Michalski, Komm. GmbHG, Bd. 1, § 13, Rn. 146. 338 Vgl. etwa Schäfer, in: FS Hommelhoff, S. 939 (946); Kunze, Stimmpflichten, S. 129 f.; Ronge, Treubindung, S. 283; Sassenrath, ZIP 2003, 1517 (1519); Noack, in: FS Röhricht, S. 455 (460); Brinkmann, WM 2011, 97 (99); Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Komm. GmbHG, § 13, Rn. 20; Schneider, Gesellschafter-Stimmpflichten, S. 213; Roth/Altmeppen, Komm.

I. Die Gesellschaftsrechtliche Treuepflicht als Rechtsprinzip

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Kapitalerhaltung und die Rechtsprechung zum existenzvernichtenden Eingriff gemäß § 826 BGB gewährleistet werden.339 Dieser Ansicht ist zunächst insoweit darin zuzustimmen, dass eine vertragliche Sonderbeziehung nicht besteht und die „klassische“ gesellschaftsrechtliche Treuepflicht demnach nicht geeignet ist, um in einer Sanierungssituation Gläubigerinteressen gegenüber mehreren einvernehmlich handelnden Gesellschaftern zu schützen.340 Andererseits darf nicht verkannt werden, dass auch zwischen den Gesellschaftern und Gläubigern einer Gesellschaft eine Gefahren- und Interessengemeinschaft und damit letztendlich ebenfalls eine Art Sonderbeziehung besteht.341 Um das Blockadepotenzial der Anteilsinhaber in einer Sanierungssituation zu verringern könnte man – wie von Bitter auf dem ZGR-Symposium 2010 vorgeschlagen – zwischen der zwischen den Gesellschaftern wirkenden gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht einerseits und einer Aufopferungspflicht der Gesellschafter gegenüber den Gläubigern andererseits unterscheiden.342 Bitter stellt insbesondere darauf ab, dass auch im Hinblick auf die Begründung der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht vorrangig auf die Intensität der Einwirkungsmacht abgestellt werde und eine vertragliche Grundlage zur Begründung von Rücksichtspflichten – wie von der Gegenansicht gefordert – nicht zwingend notwendig sei.343 Zwar habe der BGH im Girmes-Urteil auf die Intensität der Einwirkungsmacht nur innerhalb der bestehenden Vertragsbindung abgestellt, jedoch sei die Einwirkungsmacht kein Spezifikum vertraglicher Bindung. Vielmehr finde man im Wirtschaftsrecht auch an anderen Stellen Regelungen – wie etwa den Squeeze-Out im Aktienrecht (§§ 327a ff. AktG) – die vom Aufopferungsgedanken getragen würden. Ein Blick auf die weiteren Aufopferungsansprüche des Zivilrechts, insbesondere § 906 Abs. 2 BGB zeige, dass sämtliche Aufopferungspflichten von dem Bestreben um die Lösung von Interessenkonflikten getragen würden und im Rahmen einer Interessenabwägung einer Partei ein dauerhafter oder vorübergehender Eingriff in die Rechte oder Rechtsgüter der anderen Partei gegen Ausgleich gestattet werde.344 Auch im Insolvenzrecht spiegele sich dieser Aufopferungsgedanke in den §§ 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 5, 135 Abs. 3 InsO – insoweit allerdings bezogen auf die Gläubiger – wider.

GmbHG, § 13, Rn. 59 f., 73; Michalski/Funke, in: Michalski, Komm. GmbHG, Bd. 1, § 13, Rn. 146; Emmerich, in: Scholz, Komm. GmbHG, Bd. 1, § 13, Rn. 38b; unentschlossen Westpfahl, ZGR 2010, 385 (398) sowie ZIP 2011, 2033 (2036), der ein Treue- und Rücksichtnahmeverhältnis zwar für naheliegend hält, aber lediglich darauf verweist, dass diese Problematik noch nicht ausreichend diskutiert worden sei. 339 Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Komm. GmbHG, § 13, Rn. 20. 340 Vgl. Bitter, ZGR 2010, 147 (172). 341 So Bamberger, in: Knops/Bamberger/Maier-Reimer, Recht der Sanierungsfinanzierung, § 16, Rn. 55. 342 Bitter, ZGR 2010, 147 (171 ff.). 343 Bitter, ZGR 2010, 147 (175). 344 Klöhn, Abfindungsansprüche, S. 164 ff.; Bitter, ZGR 2010, 147 (175).

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C. Sanierungsbeiträge der Gesellschafter

Aus Sicht des Verfassers kann hier noch breiter angesetzt werden. Zu denken ist zusätzlich und insbesondere an die aus § 241 Abs. 2 BGB im Rahmen von Schuldverhältnissen folgenden Rücksichtnahmepflichten. Der Begriff des Schuldverhältnisses wird in der juristischen Literatur häufig als „Sonderverbindung“ beschrieben.345 Auf das besondere Verhältnis – eben die zwischen Gesellschaftern und Gläubigern bestehende Gefahren- und Interessengemeinschaft – wurde bereits hingewiesen. Zusätzlich ist zu bedenken, dass vertragliche Pflichten grundsätzlich auch auf den Schutz von Nicht-Vertragsparteien gerichtet sein können, wie sich insbesondere aus den Rechtsfiguren des Vertrags zugunsten Dritter (§ 328 BGB) und der Schutzpflicht von Dritten (§ 311 Abs 2 Nr. 3 BGB) ergibt. Mit Blick auf diese Definition des Schuldverhältnisses und den weiten Schutzbereich vertraglicher Pflichten erscheinen Rücksichtnahmepflichten der Gesellschafter gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft daher zumindest nicht ausgeschlossen. Dies bedarf jedoch näherer Betrachtung. Gegen die Annahme eines Schuldverhältnisses und damit von Rücksichtnahmepflichten der Gesellschafter auf die Rechte und Interessen der Gläubiger spricht zunächst, dass das Schuldverhältnis im eigentlichen Sinne nicht zwischen den Gesellschaftern und den Gläubigern direkt, sondern lediglich zwischen der Gesellschaft und den Gläubigern besteht und damit das Bestehen einer Sonderverbindung bzw. eines Schuldverhältnisses unter Umständen verneint werden muss. Diese Sichtweise verfängt aus Sicht des Verfassers aber nur bedingt, nämlich im Hinblick auf das Schuldverhältnis im engeren Sinne. Hiermit werden die einzelnen Leistungsbeziehungen zwischen Gläubiger und Schuldner bezeichnet, d. h. der Zustand, in dem sich ein Anspruch und die entsprechende Schuld gegenüberstehen.346 Der Leistungsanspruch eines Gläubigers richtet sich tatsächlich regelmäßig nur gegen die Gesellschaft, nicht gegen den einzelnen Gesellschafter. Aber in das Schuldverhältnis im weiteren Sinne, d. h. das gesamte zwischen den Parteien bestehende Rechtsverhältnis, sind die Gesellschafter faktisch einbezogen. Denn der Begriff des Schuldverhältnisses im Sinne des § 241 BGB ist nicht auf vertragliche Schuldverhältnisse beschränkt.347 Zwischen den Gesellschaftern und Gläubigern bestehen aus Sicht des Verfassers „ähnliche geschäftliche Kontakte“348 im Rahmen eines rechtsgeschäftsähnlichen Schuldverhältnisses gemäß § 311 Abs. 2 Nr. 3 BGB. Die Gesellschafter haben in einer Sanierungssituation häufig – genau wie von Bitter mit Blick auf die Aufopferungspflichten ausgeführt – eine Einwirkungsmacht auf die Rechte, Rechtsgüter oder Interessen der Gläubiger und erfüllen damit ein wichtiges Kriterium für die Bejahung einer Fallkonstellation des § 311 345 Vgl. Medicus/Lorenz, SchuldR AT, Rn. 2 (Überschrift); Bachmann, in: MüKo BGB, Bd. 2, § 241, Rn. 4. 346 Vgl. etwa Medicus/Lorenz, SchuldR AT, Rn. 8. 347 Grüneberg, in: Palandt, Einl. v § 241, Rn. 3. 348 Hierunter werden Sachverhalte gefasst, in denen eine geschäftliche Beziehung zwischen den Beteiligten besteht, die aber nicht auf den Abschluss eines Vertragsverhältnisses abzielt, vgl. Kindl, in: Erman, Komm. BGB, Bd. 1, § 311, Rn. 22.

I. Die Gesellschaftsrechtliche Treuepflicht als Rechtsprinzip

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Abs. 2 Nr. 3 BGB.349 Denn durch ihre Mitwirkung an der Sanierung eines Unternehmens werden mittelbar auch die Interessen der Gläubiger gewahrt. Aus Sicht des Verfassers sprechen die in § 241 Abs. 2 BGB normierten Rücksichtnahmepflichten daher für die Bejahung einer Aufopferungspflicht der Gesellschafter gegenüber den Gläubigern einer Gesellschaft.350 Auch der Grundgedanke des § 328 BGB – der Vertrag zu Gunsten Dritter – kann für eine Aufopferungspflicht der Gesellschafter gegenüber den Gläubigern einer Gesellschaft fruchtbar gemacht werden. Das Stammkapital der GmbH ist gemäß § 3 GmbHG zwingender Satzungsbestandteil, es kennzeichnet das bei der Gründung durch Einlagen der Gesellschafter aufzubringende Gesellschaftsvermögen und gibt dadurch Aufschluss über die ursprüngliche Eigenkapitalausstattung der Gesellschaft. Kommen die Gesellschafter ihrer Einlagepflicht nicht oder nicht vollständig nach, hat die Gesellschaft gemäß § 9a GmbHG einen Anspruch gegenüber den Gesellschaftern.351 Damit sind zwar die Leistungsansprüche gegen die Gesellschafter der Gesellschaft zugewiesen, die Gläubiger sind aber zweifelsfrei in den Schutzbereich insoweit einbezogen, als dass ihnen das Stammkapital der jeweiligen Gesellschaft als Mindesthaftungsmasse zur Verfügung stehen soll. Damit trägt auch der Gesellschaftsvertrag einer GmbH Charakterzüge eines Vertrages zugunsten Dritter. Das Zusammenspiel zwischen einer solchen Einbeziehung der Gläubiger in den Gesellschaftsvertrag der Gesellschaft sowie die unbestrittene Einwirkungsmacht der Gesellschafter gegenüber den Gläubigern in einer Sanierungssituation sprechen daher ebenfalls dafür, eine Aufopferungspflicht der Gesellschafter gegenüber den Gläubigern einer Gesellschaft grundsätzlich zu bejahen. Diese Sichtweise kann auch durch die Rechtsprechung des BGH untermauert werden. Der BGH hat in verschiedenen Urteilen im Rahmen von Zwangsvollstreckungsverfahren eine „Sonderrechtsbeziehung privatrechtlicher Art“ zwischen Gläubigern und Schuldnern und auch zwischen Gläubigern und etwaigen Drittberechtigten anerkannt.352 Insbesondere hat der BGH in einer Entscheidung aus dem Jahr 1984 entschieden, dass die zwischen Gläubiger und Schuldner bestehende (gesetzliche) Sonderverbindung für den Vollstreckungsgläubiger Pflichten zur Wahrung der Interessen des Schuldners erzeuge.353 Es handelt sich insoweit zwar um

349 Generell zur Einwirkungsmacht bei ähnlichen geschäftlichen Kontakten gemäß § 311 Abs. 2 Nr. 3 BGB vgl. Gehrlein/Sutschet, Beck’scher Komm. BGB, § 311, Rn. 49. 350 Vgl. hier aber Schulz, Debt-Equity Swap, S. 357, der den Ansatz, aus § 241 Abs. 2 BGB eine (schuldvertragliche) Treuepflicht herzuleiten (allerdings unter dem Blickwinkel einer möglichen Majorisierung von Gläubigern im Rahmen eines Debt-Equity Swaps in der Insolvenz eines Unternehmens) für „kaum vertretbar“ hält. 351 Vgl. Herrler, in: MüKo GmbHG, Bd. 1, § 9a, Rn. 10. 352 Vgl. BGHZ 58, 207 (214 f.); BGHZ 74, 9 (11) (nur indirekte Bezugnahme auf Sonderverbindung); BGH NJW 1985, 3080 (3081). 353 BGH NJW 1985, 3080 (3081); vgl. hierzu jedoch ablehnend Gaul/Schilken/BeckerEberhard, ZwangsvollstrR, § 7, Rn. 23, die in der zwischen Gläubiger und Schuldner beste-

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C. Sanierungsbeiträge der Gesellschafter

die umgekehrte Konstellation, in der von einem Gläubiger eine Rücksichtnahmepflicht gegenüber dem Schuldner verlangt wurde, aber dennoch kann der Grundgedanke für die Aufopferungspflicht der Gesellschafter zugunsten der Gläubiger aufgegriffen werden. Denn im Grundsatz geht es jeweils darum, dass eine Personengruppe – unabhängig von vertraglichen Beziehungen – die ihnen faktisch und rechtlich zustehende Einwirkungsmacht auf eine andere Gruppe nicht schrankenlos ausüben darf. Aus Sicht des Verfassers ist der Ansatz von Bitter daher eine konsequente Fortentwicklung der Rechtsprechung des BGH zur Treuepflicht der Gesellschafter. Eine Treuepflicht der Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft untereinander wurde schließlich ebenfalls für geraume Zeit mit dem Argument verneint, dass zwischen diesen keine rechtlichen Beziehungen persönlicher Art bestünden.354 Die Herleitung und Begründung der Treuepflicht hat sich seit der ITT-Entscheidung im Jahre 1975 jedoch erheblich gewandelt und die Bedeutung des Umfangs der vertraglichen Bindung ist im Rahmen der Rechtsprechung des BGH immer weiter in den Hintergrund getreten. Es erscheint unter diesem Blickwinkel und im Hinblick auf die obengenannten Argumentation nur folgerichtig, die Treuepflicht der Gesellschafter um eine Aufopferungspflicht gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft zu erweitern. Einer zu weiten Ausdehnung würde bereits dadurch begegnet, dass eine solche Aufopferungspflicht – anders als die Treuepflicht – keine aktiven Förderpflichten, sondern lediglich eine passive Duldungspflicht umfassen würde.355 Der Anwendungsbereich der Aufopferungspflicht gegenüber Gläubigern wäre also von vornherein auf Fälle beschränkt, in denen ein Gläubiger den Verlust seiner Rechtsposition oder die Schmälerung ihm zustehender Vermögenswerte nur durch einen Eingriff in die Rechtsposition der aufopferungspflichtigen Person gegen Wertausgleich abwenden kann.356 Trotz der hier dargelegten, von Bitter entwickelten und aus Sicht des Verfassers überzeugenden Argumente bleibt an dieser Stelle festzuhalten, dass es nach heutigem Stand keine für die Sanierungspraxis ausreichende Grundlage für die Annahme einer Treue- bzw. Aufopferungspflicht der Gesellschafter gegenüber den Gläubigern des Unternehmens gibt.357 Aus praktischer Sicht wird man nach heutigem Stand daher auf die Regelungen der Kapitalerhaltung und der Rechtsprechung zur Existenzvernichtung zurückgreifen müssen. Aus theoretischer und rechtsdogmatischer Sicht ist jedoch zu hoffen, dass die Diskussion um die Aufopferungspflichten von Gesellschaftern gegenüber Gläubigern der Gesellschaft weitergeführt und vertieft wird. henden Sonderverbindung keine taugliche Haftungsgrundlage sehen; vgl. auch Gaul, ZZP 110 (1993), 3 (19). 354 Vgl. hierzu Gliederungspunkt C.I.1. 355 Bitter, ZGR 2010, 147 (180); Brinkmann, WM 2011, 97 (100). 356 Bitter, ZGR 2010, 147 (184). 357 So ebenfalls Westpfahl, ZGR 2010, 385 (398).

II. Inhalt und Umfang der Treuepflicht in der Sanierung

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II. Inhalt und Umfang der Treuepflicht in der Sanierung Ein Gesellschafter darf, so der BGH in der Girmes-Entscheidung, auf Grund der ihm obliegenden Treuepflicht eine „sinnvolle und mehrheitlich angestrebte Sanierung nicht aus eigennützigen Gründen verhindern“. Der sanierungsunwillige Gesellschafter muss schutzwürdige Gründe für seine Weigerung an der Mitwirkung von Sanierungsmaßnahmen anführen können und darlegen, dass die von der Mehrheit angestrebte Sanierung nicht sinnvoll ist. Die angestrebte Sanierungsmaßnahme ist sinnvoll, wenn (i) die Insolvenz der Gesellschaft – aus einer ex-ante Perspektive des Gesellschafters – bei einem Scheitern der Sanierungsmaßnahme unvermeidlich ist und (ii) im Falle des Zusammenbruchs die Stellung des einzelnen Gesellschafters ungünstiger ist als bei einem Austritt aus der fortbestehenden Gesellschaft, (iii) die Durchführung der Sanierungsmaßnahmen die Verfolgung des Gesellschaftszwecks nach objektiver Einschätzung nachhaltig sicherstellt und (iv) der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gewahrt, d. h. keine schonendere Sanierung möglich ist.358 Zwar ist die Treuepflicht nicht auf die Sanierung von Unternehmen beschränkt, jedoch kann an dieser Stelle bereits geschlussfolgert werden, dass sich die aus der Treuepflicht ergebende Bindung der Gesellschafter im Verlauf einer Krise der Gesellschaft verstärkt und Treuepflichten in besonderer Weise im unmittelbaren Vorfeld der Insolvenz eingreifen. Bei Sanierungsbemühungen in früheren Krisenstadien können etwaige aus der Treuepflicht resultierende Mitwirkungs- und Kooperationspflichten daher häufig (noch) nicht nutzbar gemacht werden, so dass das Blockadepotenzial der Gesellschafter bei früherer Einleitung von Sanierungsmaßnahmen höher ist als im unmittelbaren Vorfeld der Insolvenz. Angesichts der bereits getroffenen Feststellung, dass Sanierungsverfahren bei frühzeitiger Einleitung ein größeres Erfolgspotenzial aufweisen, eine unbefriedigende Feststellung, die sich aber durch den notwendigen Ausnahmecharakter der Treuepflicht nicht vermeiden lässt. Im Folgenden sollen zunächst die Kriterien zur Bestimmung des Inhalts und Umfangs der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht näher beleuchtet werden, bevor eine Anwendung dieser Kriterien auf die für die Sanierung von Unternehmen im Vorfeld der Insolvenz relevanten Sanierungsmaßnahmen vorgenommen werden kann. 1. Strukturierung des Inhalts der Treuepflicht Zur Bestimmung des Inhalts der Treuepflicht muss im Einzelfall stets eine umfassende Interessenabwägung vorgenommen werden, die auch die Besonderheiten der Sanierung und die Tatsache berücksichtigt, dass die betroffenen Unternehmen sich regelmäßig bereits in einer existenzbedrohenden Lage befinden.359 In den 358

Vgl. hierzu BGHZ 129, 136 (138). Michalski/Funke, in: Michalski, Komm. GmbHG, Bd. 1, § 13, Rn. 155; Müller, Der Verband in der Insolvenz, S. 326. 359

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C. Sanierungsbeiträge der Gesellschafter

vorangegangenen Gliederungspunkten wurden bereits einige der relevanten Bestimmungsfaktoren dargestellt. So richtet sich der Umfang der Treuepflicht u. a. nach der Realstruktur, d. h. der personalistischen oder eher kapitalistischen Ausrichtung der Gesellschaft sowie dem Grad des hierdurch geschaffenen Vertrauensverhältnisses der Gesellschafter untereinander.360 Des Weiteren ist der Einfluss des Gesellschafters auf die Gesellschaft und die Rechte und Rechtspositionen der Gesellschafter sowie die Frage, ob es sich um fremd- oder eigennützige Mitgliedschaftsrechte handelt, für den Umfang der Treuepflicht von Bedeutung.361 Je größer die Einflussmöglichkeiten eines Gesellschafters und damit die Möglichkeit der negativen Beeinflussung des Gesellschaftsinteresses oder der mitgliedschaftlichen Interessen der Mitgesellschafter ist, desto stärker muss auch die Treuepflicht des Gesellschafters als Gegengewicht dieser Einwirkungsmacht gegenüberstehen. Über diese Feststellungen hinaus sind jedoch die Schutzrichtung der Treuepflicht zu bestimmen sowie die Verhältnismäßigkeit der jeweiligen Sanierungsmaßnahme, auf Grund derer die Gesellschafter zur treugemäßen Kooperation verpflichtet werden sollen, im Rahmen einer Interessenabwägung zu prüfen. Die Schutzrichtung der Treuepflicht und die übrigen Bestimmungsfaktoren sind in die Abwägung und Prüfung der Verhältnismäßigkeit miteinzubeziehen. Hierbei dürfen die jeweiligen Sanierungsmaßnahmen nicht einzeln und isoliert, sondern müssen in einer Gesamtschau betrachtet und die verschiedenen Bestandteile so aufeinander abgestimmt werden, dass sie in ihrer Summe die Grundlage für eine Fortführung der Gesellschaft bilden und die Gesellschafter so zu treugemäßem Verhalten verpflichten. a) Schutzrichtung Treuepflichten können unterschiedliche Schutzrichtungen entfalten. Auf Grund der Sonderrechtsbeziehung der Gesellschafter gegenüber der Gesellschaft als auch untereinander und – nach hier vertretener Ansicht – gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft können sich im Einzelfall zu präzisierende Treuepflichten sowohl im Hinblick auf das Gesellschafts- oder Verbandsinteresse als auch die mitgliedschaftlichen Interessen der Gesellschafter ergeben.362 Auch der Erhalt der Gesellschaft und ihrer Vermögensgrundlagen werden in Rechtsprechung und Literatur als schützenswerte Interessen anerkannt.363 Nach der Rechtsprechung des BGH entfaltet sich das Bestandsinteresse der Gesellschaft allerdings nicht aus der gegenüber der Gesellschaft bestehenden Treuepflicht, da eine in der Krise befindliche Gesellschaft jederzeit durch Mehrheitsbeschluss mit 3/4-Mehrheit (§ 262 Abs. 1 Nr. 2 AktG bzw. 360

Vgl. hierzu bereits Gliederungspunkt C.I.1. Vgl. hierzu bereits Gliederungspunkt C.I.2.a)aa). 362 Vgl. etwa Schmidt, GesR, S. 589; Kunze, Stimmpflichten, S. 118; a.A. Ronge, Treubindung, S. 284 f., der davon ausgeht, dass die Treuepflicht nicht die Verfolgung des Gesellschaftszwecks schützt. 363 BGH DB 1979, 1836 (1836 f.); BGH NJW 1985, 972 (973); BGHZ 98, 276 (279); BGHZ 129, 136 (152); ausführlich Schneider, Gesellschafter-Stimmpflichten, S. 216 ff. 361

II. Inhalt und Umfang der Treuepflicht in der Sanierung

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§ 60 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG364) aufgelöst werden kann und daher keinen allgemeinen Bestandsschutz genießt.365 Das schützenswerte Interesse am Erhalt der Gesellschaft leitet sich aber aus der mitgliedschaftlichen Treuepflicht ab, da nicht die einzelnen Gesellschafter durch ihre Blockadehaltung mittelbar über Auflösung oder Fortführung der Gesellschaft entscheiden dürfen.366 Sofern keine notwendige Mehrheit für die Auflösung der Gesellschaft besteht, kann den am Erhalt der Gesellschaft interessierten Gesellschaftern im Einzelfall ein gesetzlich geschütztes Interesse am Verbandserhalt zugesprochen werden.367 Im Hinblick auf die nach hier vertretener Auffassung den Gesellschaftern auch gegenüber den Gläubigern obliegende Treue- oder Aufopferungspflicht ist die Schutzrichtung darin zu sehen, dass die Beteiligten ein gemeinsames Interesse an der Erhaltung des Unternehmenswertes haben.368 Denn die Gesellschafter haben ein Interesse an einem möglichst hohen Wert ihrer Beteiligung und die Gläubiger sind an einer bestmöglichen Befriedigungsquote ihrer offenen Forderungen interessiert. In diesem Zusammenhang hat Grigoleit den Begriff der dezentralen Gewinnverwendung, der nach dort vertretener Auffassung gläubigerschützende Wirkung entfaltet, geprägt.369 Im Unterschied zu der hier vertretenen Ansicht geht Grigoleit allerdings von einem Eigeninteresse der Gesellschaft370 aus, um der den Gesellschaftern obliegenden Zweckförderungspflicht sodann einen originär gläubigerschützenden Charakter beizumessen. Trotz dieses unterschiedlichen Ansatzpunktes sind die Parallelen der beiden Ansätze, die jeweils auf ein gemeinsames Interesse der Beteiligten an dem Erhalt von Vermögenswerten abstellen, nicht zu verkennen. b) Verhältnismäßigkeit der Sanierungsmaßnahmen Ausgangspunkt der Überlegungen muss die Frage sein, ob geschützte Interessen, d. h. der Verbandszweck, der Erhalt der Gesellschaft und ihrer Vermögenswerte oder andere mitgliedschaftliche Interessen der Mitgesellschafter, betroffen sind und Unterlassungs- oder Handlungspflichten seitens der Gesellschafter erfordern. Sofern dies zu bejahen ist, muss im Rahmen einer interessenbezogenen Abwägung ermittelt werden, ob die Interessen eines Gesellschafters im Einzelfall hinter die im Einzelfall geschützten Interessen zurücktreten müssen. Dies ist der Fall, wenn die vorgese364 Bei der GmbH kann, anders als bei der AG, auch eine geringere Mehrheit in der Satzung vorgesehen werden, vgl. Baumbach/Hueck, Komm. GmbHG, § 60, Rn. 17. 365 BGHZ 129, 136 (151). 366 BGH 129, 136 (151 f.); ebenso Henze, BB 1996, 489 (494); Hennrichs, AcP 195 (1995), 221 (260 f.); Henze, ZHR 162 (1998), 186 (192); Brandes, WM 1997, 2281 (2281); Grunewald, in: FS Kropff, S. 89 (96); Schneider, Gesellschafter-Stimmpflichten, S. 218. 367 Henze, BB 1996, 489 (494). 368 So ähnlich auch Bamberger, in: Knops/Bamberger/Maier-Reimer, Recht der Sanierungsfinanzierung, § 16, Rn. 55. 369 Grigoleit, Gesellschafterhaftung, S. 317 ff. 370 Vgl. hierzu Gliederungspunkt C.I.2.a).

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C. Sanierungsbeiträge der Gesellschafter

henen Sanierungsmaßnahmen im Vergleich zu den Nachteilen, die dem treupflichtigen Gesellschafter hierdurch entstehen, überwiegen und in einem verhältnismäßigen Verhältnis zueinander stehen. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, wonach eine die Interessen der Gesellschafter berührende Maßnahme geeignet, erforderlich und angemessen sein muss, ist im Kapitalgesellschaftsrecht allgemein anerkannt.371 Die vorgesehenen Sanierungsmaßnahmen sind zum Erreichen des angestrebten Ziels geeignet, wenn sie tatsächlich im Interesse der Gesellschaft liegen.372 Hierbei ist der sanierungswilligen Mehrheit ein weiter Ermessensspielraum einzuräumen.373 Eine Maßnahme ist weiter erforderlich, wenn kein milderes, die Gesellschaft oder die übrigen Gesellschafter weniger belastendes Mittel zur Verfügung steht.374 Im letzten Schritt ist stets eine Angemessenheitsprüfung durchzuführen. Nur wenn diese ergibt, dass die beabsichtigten Vorteile für die Gesellschaft in einem angemessenen Verhältnis zu den für den Gesellschafter mit dem Eingriff verbundenen Nachteilen stehen, ist die Maßnahme verhältnismäßig.375 Im Einzelfall können diese Kriterien selbstverständlich unterschiedlich zu gewichten sein. 2. Mitwirkungspflichten bei Gesellschafterbeschlüssen Kooperations- und Mitwirkungspflichten der Gesellschafter in Sanierungssituationen ergeben sich insbesondere bei Gesellschafterbeschlüssen, die zur Umsetzung von Sanierungsmaßnahmen getroffen werden müssen. Im Folgenden soll zunächst aufgezeigt werden, dass aus der Treuepflicht sowohl die Verpflichtung der Gesellschafter zur Stimmenthaltung als auch eine Pflicht zur positiven Stimmabgabe folgen kann. Im Anschluss daran werden verschiedene, in Sanierungssituationen häufig anzutreffende Sanierungsmaßnahmen aufgegriffen und ausführlich dargelegt, unter welchen Umständen sich Kooperations- und Mitwirkungspflichten der Gesellschafter in Form von Stimmenthaltungen oder Mitwirkungspflichten ergeben können. a) Schranken- und Förderfunktion bzw. Enthaltung oder Zustimmungspflicht376 In Rechtsprechung und Lehre ist bisher nicht eindeutig geklärt, ob die Erzwingung zur Kooperation bei bestimmten Beschlüssen zu Sanierungsmaßnahmen nur 371 Vgl. etwa BGHZ 71, 40 (46); BGHZ 83, 319 (321); Born, in: EBJS, Komm. HGB, Bd. 1, § 109, Rn. 26. 372 Born, in: EBJS, Komm. HGB, Bd. 1, § 109, Rn. 26. 373 Schäfer, ZGR 2013, 237 (267). 374 Müller, Der Verband in der Insolvenz, S. 326. 375 BGHZ 71, 40 (46); Born, in: EBJS, Komm. HGB, Bd. 1, § 109, Rn. 26; Raiser, in: Großkomm. GmbHG, Bd. 1, § 14, Rn. 88; Schäfer, ZGR 2013, 237 (267). 376 Nachfolgende Gliederung in Anlehnung an Kommentierung von Michalski/Funke, in: Michalski, Komm. GmbHG, Bd. 1, § 13, Rn. 160 ff.

II. Inhalt und Umfang der Treuepflicht in der Sanierung

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durch eine Stimmenthaltung oder auch durch eine Zustimmungspflicht begründet werden kann. Teilweise wird eine Zustimmungspflicht gänzlich abgelehnt,377 teilweise wird argumentiert, dass eine Stimmenthaltung, da nur ein Unterlassen erzwungen werde, einem Gesellschafter jedenfalls als milderes Mittel eher zuzumuten sei als eine Zustimmungspflicht, da hierdurch eine Handlungspflicht begründet werde.378 Hier ist die Unterscheidung zwischen der Schranken- und Förderfunktion der Treuepflicht angesprochen. Darüber hinaus wird die Notwendigkeit einer Differenzierung zwischen Stimmenthaltung und Zustimmung von anderen Autoren teilweise komplett verneint und für nicht notwendig erachtet.379 Häufig werden sich diese unterschiedlichen Sichtweisen im Ergebnis nicht voneinander unterscheiden, da eine Stimmenthaltung der Minderheitsaktionäre oft ausreichend ist, um einen bestimmten Beschluss mittels Mehrheitsentscheid zu beschließen. Im Einzelfall, nämlich wenn eine positive Stimmabgabe des Minderheitsgesellschafters zur Umsetzung einer bestimmten Sanierungsmaßnahme zwingend notwendig ist und die Sanierung ansonsten zu scheitern droht, können sich durch diese Differenzierung zwischen Stimmenthaltung und Stimmabgabe aber faktische Unterschiede ergeben. Bevor im Folgenden näher auf die von Rechtsprechung und Literatur entwickelten Pflichten von Gesellschaftern zur Stimmenthaltung oder Zustimmung zu bestimmten Sanierungsmaßnahmen eingegangen wird, ist vorab die Neuregelung des am 01. Januar 2014 in Kraft getretenen § 7 Abs. 7 FMStBG (Finanzmarktstabilisierungsbeschleunigungsgesetz) zu beachten. Hiernach machen sich die Aktionäre von Unternehmen des Finanzsektors schadensersatzpflichtig, wenn sie eine für den Fortbestand der Gesellschaft erforderliche Kapitalmaßnahme, insbesondere durch Ausnutzung einer Sperrminorität, verzögern oder vereiteln, um ungerechtfertigte Vorteile zu erlangen. Auch wenn es sich hierbei um eine spezielle Regelung zur Behebung der Finanzkrise handelt, lässt sich hieran sehr deutlich die verallgemeinerungsfähige Intention des Gesetzgebers erkennen, Sanierungen zu ermöglichen und nicht durch eigennütziges Verhalten einzelner dissentierender Gesellschafter scheitern zu lassen.380 In gewisser Weise handelt es sich um eine gesetzliche Kodifizierung der Rechtsprechung des BGH zur Etablierung von Stimmpflichten der Gesellschafter und der Fortentwicklung dieser Grundsätze durch die Literatur.381 Im Folgenden sollen diese Grundsätze näher dargelegt werden.

377

Kunze, Stimmpflichten, S. 181 f.; Piepenburg, Treupflichten, S. 191 f. Timm, WM 1991, 481 (486). 379 Vgl. etwa Schäfer, in: FS Hommelhoff, S. 939 (955); Nehls, Treuepflicht, S. 88 f.; Ronge, Treubindung, S. 300. 380 Servatius, in: Spindler/Stilz, Bd. 3, § 182, Rn. 15a. 381 Servatius, in: Spindler/Stilz, Bd. 3, § 182, Rn. 15a; Langenbucher, ZGR 2010, 75 (97). 378

88

C. Sanierungsbeiträge der Gesellschafter

aa) Schrankenfunktion – Beschränkungen des Stimmrechts Die Gesellschafter können auf Grund der ihnen obliegenden Treuepflicht gehalten sein, ein grundsätzlich zulässiges Verhalten im Interesse der übrigen Gesellschafter (bzw. nach hier vertretener Ansicht auch der Gläubiger) zu unterlassen. Einzelne oder mehrere Gesellschafter können im Einzelfall eine Sperrminorität besitzen und durch ihr Abstimmungsverhalten eine von der Mehrheit angestrebte Sanierung verhindern. An dieser Stelle muss deutlich herausgestellt werden, dass solche Sperrminoritäten aus gutem Grunde – namentlich zum Schutz der Minderheit – bestehen und insoweit nicht leichtfertig ausgehöhlt werden dürfen. Der notwendige Ausnahmecharakter der Treuepflicht zeigt sich hierin abermals. Die Treuepflicht begrenzt aber dennoch inhaltlich den Spielraum, der einem Gesellschafter bei Abstimmungen zur Verfügung steht. Von Gesellschaftern, die – einzeln oder gemeinsam – eine Sperrminorität bilden können, kann in Einzelfällen jedenfalls eine Rücksichtnahmepflicht auf die Interessen der übrigen Gesellschafter verlangt werden. Eine Verletzung geschützter Interessen zum eigenen Vorteil ist verboten und die betreffenden Gesellschafter können in einem solchen Fall zur Aufgabe ihrer Sperrminorität verpflichtet sein. Damit ist der Inhalt ihrer Stimmabgabe angesprochen: Im Gegensatz zur Zustimmungspflicht wird von den Gesellschaftern im Rahmen der Schrankenfunktion – es handelt sich hierbei um eine negative Begrenzung des Stimmrechts – keine Stimmabgabe bestimmten Inhalts verlangt, sondern umgekehrt, die Stimmabgabe eines bestimmten Inhalts wird ihnen als rechtsmissbräuchlich untersagt. (1) Ablehnung der Rechtsfigur der wirkungsbezogenen Treuepflicht Seit der Girmes-Entscheidung des BGH entspricht es höchstrichterlicher Rechtsprechung, dass auch Minderheitsgesellschafter der Treuepflicht unterliegen.382 Teilweise wird jedoch von Vertretern einer sog. wirkungsbezogenen Treuepflicht die Ansicht vertreten, dass Minderheitsgesellschafter nur dann einer Treuepflicht unterliegen, wenn sie entweder allein oder – und dies ist entscheidend – in ihrer Gesamtheit durch Stimmbindung oder Stimmbündelung eine Machtstellung erhalten und so Einfluss auf die Interessen der Gesellschaft bzw. der übrigen Gesellschafter ausüben können.383 Sofern sich Sperrminoritäten und damit Blockadepositionen der Minderheitsgesellschafter dagegen zufällig ergeben, unterliegen die Minderheitsgesellschafter nach dieser Ansicht keiner Treuepflicht. Vom BGH wurde in der Girmes-Entscheidung ausdrücklich offengelassen, ob ein solcher wirkungsbezogener Ansatz den Vorzug verdient, da es im konkreten Fall nicht entschei-

382

BGHZ 129, 136 ff. („Girmes-Entscheidung“), vgl. bereits Gliederungspunkt C.I.1. Dreher, ZHR 157 (1993), 150 (158 ff.); Marsch-Barner, ZHR 157 (1993), 172 (181); Servatius, Strukturmaßnahmen, S. 226. 383

II. Inhalt und Umfang der Treuepflicht in der Sanierung

89

dungsrelevant war.384 In der Literatur wird dieser Ansatz jedoch zu Recht überwiegend abgelehnt und stattdessen auf einen inhaltsbezogenen Ansatz zur Bestimmung der Treuepflicht der Minderheitsgesellschafter abgestellt.385 Danach sind die Beteiligungsquote des jeweiligen Gesellschafters und ein koordiniertes Abstimmungsverhalten der Minderheitsgesellschafter für das Bestehen der Treuepflicht irrelevant.386 Jeder Gesellschafter kann unabhängig von den jeweiligen Stimmverhältnissen im Einzelfall der Treuepflicht unterliegen. Diese Ansicht ist dahingehend überzeugend, dass die Entstehung von Treuepflichten ansonsten zufallsabhängig wäre.387 Zwar kann es nach dieser Ansicht durchaus sein, dass sich Treuepflichten im Einzelfall nicht materialisieren, da ein entsprechender Gesellschafterbeschluss auch ohne Mitwirkung der dissentierenden Gesellschafter zustande kommt. Diese Tatsache ist aber – wie bereits im Anschluss an die Girmes-Entscheidung von Henze richtig angemerkt wurde – keine Voraussetzung für das Entstehen einer Treuepflicht, sondern eine Frage der Kausalität.388 (2) Schutzrichtung der Treuepflicht bei Stimmenthaltung Wie bereits erörtert wurde, kann als Schutzrichtung der Treuepflicht generell das Gesellschaftsinteresse oder das mitgliedschaftliche Interesse der übrigen Gesellschafter in Betracht kommen. Dabei geht es um die Frage, welche geschützten Interessen durch ein bestimmtes Verhalten eines Gesellschafters negativ betroffen und damit vom Schutzbereich der Treuepflicht umfasst sein können. Bei einem zur Umsetzung einer erforderlichen und verhältnismäßigen Sanierungsmaßnahme not384 BGHZ 129, 136 (146 f.); vgl. jedoch Henze, BB 1996, 489 (496), der im Girmes-Urteil Berichterstatter war und sich in diesem Aufsatz eindeutig gegen die wirkungsbezogene Ansicht wendet. 385 Vgl. Bungeroth, in: MüKo AktG, Bd. 1, Vor § 53a, Rn. 26; Fleischer, in: Schmidt/Lutter, Komm. AktG, Bd. 1, § 53a, Rn. 50; Hentze/Notz, in: Großkomm. AktG, Anh. § 53a, Rn. 73; Lutter, JZ 1995, 1053 (1054); Schäfer, in: FS Hommelhoff, S. 939 (947); Henssler, DZWiR 1995, 430 (431); Henze, BB 1996, 489 (496); Hennrichs, AcP 195 (1995), 221 (237); Kunze, Stimmpflichten, S. 119 f.; Ronge, Treubindung, S. 300 f.; Beckerhoff, Treupflichten, S. 64 ff.; Schneider, Gesellschafter-Stimmpflichten, S. 251 f. 386 Bungeroth, in: MüKo AktG, Bd. 1, Vor § 53a, Rn. 26. 387 Vgl. etwa Henssler, DZWiR 1995, 430 (431). Dazu auch das folgende prägnante Beispiel von Ronge, Treubindung, S. 301: Mehrere Gesellschafter, die insgesamt maximal 13 % der Mitgliederstimmen auf sich vereinigen können, bilden eine Stimmkoalition. Wenn am Beschluss der Gesellschafter- oder Hauptversammlung lediglich 50 % teilnehmen, können die Koalitionäre (da nicht vertretene Gesellschafter in der Versammlung gemäß § 179 Abs. 2 S. 1 AktG bzw. § 53 Abs. s S. 1 GmbHG unberücksichtigt bleiben) 26 % der Stimmen auf sich vereinigen und damit z. B. eine Sperrminorität bezüglich einer Kapitalerhöhung bilden. Sind dagegen nur geringfügig mehr Gesellschafter zur Beschlussfassung anwesend, im Beispiel Ronges 52 %, so verfehlen die Koalitionäre ihre Sperrminorität. Stimmen nun aber einzelne oder mehrere Gesellschafter – unabhängig und nicht in Absprache mit den Koalitionären – auch gegen den entsprechenden Beschlussgegenstand, so hat die Stimmkoalition zwar ihr Ziel erreicht, würde nach Ansicht des wirkungsbezogenen Ansatzes jedoch keiner Treuepflicht unterliegen. 388 Henze, BB 1996, 489 (496).

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C. Sanierungsbeiträge der Gesellschafter

wendigen Gesellschafterbeschlusses ist regelmäßig das Bestandsinteresse der Gesellschaft als schützenswertes Interesse betroffen. Nach der Rechtsprechung des BGH entfaltet sich das Bestandsinteresse der Gesellschaft nicht aus der gegenüber der Gesellschaft bestehenden Treuepflicht, sondern das schützenswerte Interesse am Erhalt der Gesellschaft leitet sich aus der mitgliedschaftlichen Treuepflicht ab, da nicht die einzelnen Gesellschafter durch ihre Blockadehaltung mittelbar über Auflösung oder Fortführung der Gesellschaft entscheiden dürfen.389 Sofern man auch die Gläubiger in den Schutzbereich der Treuepflicht einbeziehen möchte, spricht auch der Erhalt der Vermögenswerte des Unternehmens als schützenswertes Interesse angeführt werden, aus dem sich die Pflicht der Gesellschafter zur Stimmenthaltung ergeben kann. bb) Förderfunktion Die aus der Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft folgende Förderpflicht der Gesellschafter unterscheidet sich von der bloßen Rücksichtnahmepflicht der Gesellschafter, die sich sowohl gegenüber der Gesellschaft als auch gegenüber anderen Mitgesellschaftern entfalten kann. In der Literatur wird gleichwohl häufig ohne nähere Begründung angenommen, dass ein Gesellschafter einer Sanierungsmaßnahme auf Grund der ihm obliegenden Treuepflicht zustimmen muss, wenn die Maßnahme im dringenden Interesse der Gesellschaft liegt und den einzelnen Gesellschaftern zuzumuten ist.390 Diesem Ansatz ist im Ergebnis darin zuzustimmen, dass eine Differenzierung zwischen einer bloßen Stimmenthaltung und einer positiven Stimmpflicht, d. h. zwischen Rücksichtnahme- und Förderpflicht, im Rahmen von Gesellschafterbeschlüssen zu Sanierungszwecken nicht zielführend ist. Denn einerseits ist ein dissentierender Gesellschafter vielfach in gleicher Weise betroffen, unabhängig davon, ob er sich „bloß“ seiner Stimme enthalten oder seine Zustimmung erteilt hat. Andererseits sind die sich aus einer Differenzierung ergebenden unterschiedlichen Auswirkungen für den Bestand der Gesellschaft – nämlich Fortführung oder sofortige Liquidation – gravierend. Wenn man aber mit dem überwiegenden Teil der Literatur dem BGH darin zustimmt, dass ein dissentierender Gesellschafter in einer Sanierungssituation keiner Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft unterliegt, sondern sich das Bestandsinteresse der Gesellschaft und damit die Treuepflicht des Gesellschafters in einer Sanierungssituation aus den mitgliedschaftlichen Interessen der übrigen Gesellschaftermehrheit ableitet, kann eine Differenzierung zwischen Förderungs- und Rücksichtnahmepflicht nicht ohne Weiteres unterbleiben und als „willkürliche Förmelei“ abgetan werden.391 Denn es besteht lediglich eine Pflicht zur 389

Vgl. hierzu bereits allgemein Gliederungspunkt C.II.1.a). Vgl. etwa Hüffer/Koch, Komm. AktG, § 179, Rn. 30, Wiedemann, in: Großkomm. AktG, § 179, Rn. 157; Säcker, in: FS Lukes, S. 547 (553); Zöllner: in Kölner Komm. AktG, Bd. 5/1, § 179, Rn 214. 391 So Ronge, Treubindung, S. 300. 390

II. Inhalt und Umfang der Treuepflicht in der Sanierung

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Förderung des Gesellschaftsinteresses, nicht aber gegenüber den Interessen der übrigen Gesellschafter.392 Diesen gegenüber ist die Treuepflicht auf das Rücksichtnahmegebot beschränkt. In dogmatischer Hinsicht besteht daher nur die Möglichkeit, eine Zustimmungspflicht zur Umsetzung von Sanierungsmaßnahmen entweder zu verneinen393 oder aber die Zustimmungspflicht nicht ausschließlich auf die aus den mitgliedschaftlichen Interessen am Bestandserhalt der Gesellschaft herzuleitende Treuepflicht zu stützen. Letzteres erscheint möglich und vorzugswürdig. Denn die Begründung des BGH, eine Treuepflicht der Gesellschafter gegenüber der Gesellschaft in der Sanierungssituation bestehe auf Grund der Möglichkeit der Auflösung der Gesellschaft nicht, ist nicht zwingend. Solange die Auflösung nicht mit der dafür erforderlichen Mehrheit beschlossen wurde, erscheint eine Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft durchaus naheliegend. Es ist nicht einzusehen, warum die bloß theoretische Möglichkeit der Auflösung bereits die Treuebindung des Gesellschafters gegenüber der Gesellschaft aufheben muss.394 Außerdem sind Sanierungsmaßnahmen, solange sie Aussicht auf Erfolg haben, zur Verfolgung des Gesellschaftszwecks geboten und liegen damit – jedenfalls auch – im Gesellschaftsinteresse.395 Es ist daher aus Sicht des Verfassers möglich, eine Zustimmungspflicht der Gesellschafter zu Sanierungsbeschlüssen – jedenfalls zusätzlich neben der aus der gegenüber den Mitgesellschaftern am Bestandserhalt der Gesellschaft resultierenden Treuepflicht – direkt aus der Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft abzuleiten.396 Folglich können Gesellschafter bei Gesellschafterbeschlüssen nach hier vertretener Ansicht zur Umsetzung von Sanierungsmaßnahmen im Einzelfall sowohl zu einer Stimmenthaltung als auch zu einer positiven Stimmabgabe verpflichtet sein. b) Fazit Aus den obigen Ausführungen ergeben sich die folgenden Kernpunkte, die bei der Prüfung, ob im Einzelfall eine Mitwirkungs- oder Kooperationspflicht besteht, berücksichtigt werden müssen. Die nachfolgende Übersicht berücksichtigt insbesondere die vom BGH aufgestellten und von der Literatur herausgearbeiteten Voraussetzungen.

392

Vgl. hierzu bereits Gliederungspunkt C.I.2. So insbesondere Kunze, Stimmpflichten, S. 181. 394 Schäfer, in: FS Hommelhoff, S. 939 (948). 395 Schwab, in: Schmidt/Lutter, Komm. AktG, Bd. 2, § 243, Rn. 14. 396 So im Ergebnis wohl auch Lutter, ZHR 153 (1989), 446 (468); Schwab, in: Schmidt/ Lutter, Komm. AktG, Bd. 2, § 243, Rn. 14 will dagegen ausschließlich auf Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft abstellen; in diese Richtung offenbar auch tendierend, aber im Ergebnis offenlassend Schäfer, in: FS Hommelhoff, S. 939 (948). 393

92 1.

C. Sanierungsbeiträge der Gesellschafter Schutzrichtung der Treuepflicht • Gesellschaftsinteresse: Rücksichtnahme- und Förderpflicht des Gesellschafters (Intensität insb. abhängig von Einwirkungsmacht), Vorrang des Gesellschaftsinteresses insb. ggü. fremdnützigen Gesellschaftsinteressen • Mitgliedschaftliche Interessen der Gesellschafter: Lediglich Rücksichtnahmepflicht • Interessen der Gläubiger der Gesellschaft: Erhalt der Vermögenswerte der Gesellschaft • Sonderfall Zustimmungspflicht zu Gesellschafterbeschlüssen: Bestandserhalt (leitet sich aus mitgliedschaftlichen Interessen ab) und Gesellschaftsinteresse (weil zur Verfolgung des Gesellschaftszwecks geboten), daher auch Zustimmungspflicht (= aktive Förderpflicht möglich)

2.

Sanierungsfähigkeit der Gesellschaft Sanierungsgutachten nicht zwingend, aber meist zu empfehlen

3.

Verhältnismäßigkeit der Sanierungsmaßnahme a) Geeignetheit: Sanierungsmaßnahme ist zum Erreichen des angestrebten Ziels grds. geeignet, wenn sie tatsächlich im Interesse der Gesellschaft liegt; grds. weiter Ermessensspielraum der sanierungswilligen Mehrheit der Gesellschafter. Im Sanierungsszenario: Gesellschaftszweck wird durch Sanierungsmaßnahme nach objektiver Einschätzung nachhaltig sichergestellt und entspricht den Interessen aller – d. h. auch der dissentierenden – Gesellschafter. b) Erforderlichkeit: Maßnahme ist grundsätzlich erforderlich, wenn kein milderes, die Gesellschaft oder die übrigen Gesellschafter weniger belastendes Mittel zur Verfügung steht. Im Sanierungsszenario: Sanierung ist notwendig, weil Insolvenz bei Scheitern der Sanierungsmaßnahme aus ex-ante Perspektive unvermeidlich (d. h. kein milderes Mittel) und Stellung des Gesellschafters bei Insolvenz schlechter als bei Austritt aus fortbestehender Gesellschaft. c) Angemessenheit: Die beabsichtigten Vorteile für die Gesellschaft müssen grds. in einem angemessenen Verhältnis zu den für den Gesellschafter mit dem Eingriff verbundenen Nachteilen stehen. Im Sanierungsszenario: Berücksichtigung, ob eigen- oder fremdnützige Rechte des Minderheitsgesellschafters betroffen sind; auch Einwirkungsmacht des Gesellschafters und Realstruktur können relevant sein.

III. Sanierungsmaßnahmen und Zustimmungspflichten der Gesellschafter

93

III. Sanierungsmaßnahmen und Zustimmungspflichten der Gesellschafter Im Folgenden werden verschiedene, im Rahmen von Sanierungen häufig angewendete Sanierungsmaßnahmen dargestellt und untersucht, ob und unter welchen konkreten Voraussetzungen Gesellschafter zur Stimmenthaltung oder Zustimmung zu Gesellschafterbeschlüssen verpflichtet sein können. 1. Erscheinungsformen und Voraussetzungen von Sperrminoritäten Meinungsverschiedenheiten werden im Gesellschaftsrecht grundsätzlich nach dem Mehrheitsprinzip entschieden. Minderheitsgesellschafter können insofern zwar keine Entscheidungen positiv herbeiführen, sofern Gesellschafterbeschlüsse als Wirksamkeitsvoraussetzung jedoch qualifizierte Mehrheiten erfordern, können sie mittels der ihnen möglichen Sperrminorität im Einzelfall aber Entscheidungen verhindern und damit Beschlussergebnisse nach ihren Vorstellungen beeinflussen. Minderheitsgesellschaftern kann daher – gerade in Sanierungssituationen – ein erhebliches Macht- und Blockadepotenzial zukommen. Von besonderer Bedeutung für Sperrminoritäten sind mit qualifizierter Mehrheit in Höhe von 75 % zu fassende Gesellschafterbeschlüsse, wobei hinsichtlich der Berechnung der Mehrheitsverhältnisse zwischen Beschlüssen in einer AG und einer GmbH unterschieden werden muss. Sowohl in der AG als auch der GmbH soll diese Schwelle jedenfalls sicherstellen, dass ein Mehrheitsgesellschafter eine avisierte Maßnahme nur bei entsprechend hoher Beteiligung durchsetzen kann oder ansonsten auf die Mitwirkung der Minderheit angewiesen ist.397 Unabhängig von den rechtsformbedingten Unterschieden ist als jeweilige Bezugsgröße auf die bei der konkreten Beschlussfassung mit „Ja“ oder „Nein“ abgegebenen Stimmen abzustellen, so dass Stimmenthaltungen in die jeweiligen Beschlussfassungen nicht mit eingerechnet werden.398 Durch die Nichtbeachtung von Stimmenthaltungen kann der Möglichkeit einer treuwidrigen Blockierung wichtiger Entscheidungen vielfach durch die Verpflichtung zu Stimmenthaltungen ausreichend begegnet werden. a) Qualifizierte Mehrheitserfordernisse AG Bei der Berechnung qualifizierter Mehrheiten werden je nach Beschlussgegenstand unterschiedliche Bezugsgrößen, nämlich eine qualifizierte Kapital- oder Stimmenmehrheit, zugrunde gelegt. Eine qualifizierte Stimmenmehrheit in Höhe von 75 % der abgegebenen Stimmen ist etwa für die Abberufung von Aufsichts397

Hofmann, Minderheitsschutz, S. 189. BGHZ 129, 136 (153); Hüffer/Koch, Komm. AktG, § 179, Rn. 31; Stein, in: MüKo AktG, Bd. 4, § 179, Rn. 219; Zöllner in: Kölner Komm. AktG, Bd. 5/1, § 179, Rn. 213; a.A. Timm, WM 1991, 481 (486). 398

94

C. Sanierungsbeiträge der Gesellschafter

ratsmitgliedern gemäß § 103 Abs. 1 AktG notwendig. Eine qualifizierte Kapitalmehrheit in Höhe von 75 % des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals, die regelmäßig als zusätzliches Erfordernis zur einfachen Stimmenmehrheit hinzukommen muss, ist bei der Aktiengesellschaft demgegenüber für Beschlüsse vorgesehen, die die Grundlagen der Gesellschaft betreffen oder für die Mitgliedsrechte der Aktionäre von besonderer Bedeutung sind.399 Zusätzlich zur einfachen Stimmenmehrheit gemäß § 133 Abs. 1 AktG bedarf es einer 3/4-Mehrheit des vertretenen Grundkapitals bei Satzungsänderungen (§ 179 Abs. 2 AktG), Übertragungen des gesamten Vermögens (§ 179a AktG), ordentlichen und bedingten Kapitalerhöhungen (§ 182 Abs. 1 AktG bzw. § 193 Abs. 1 AktG), Bezugsrechtsausschlüssen (§ 186 Abs. 3 AktG), zur Schaffung von genehmigtem Kapital (§ 202 Abs. 2 AktG) sowie Kapitalherabsetzungen (§§ 222 Abs. 1, 229 Abs. 3 AktG). Auch die Zustimmungsbeschlüsse der Hauptversammlungen des übernehmenden und des übertragenden Rechtsträgers zu Verschmelzungen bedürfen gemäß § 65 Abs. 1 UmwG einer 3/4-Mehrheit des vertretenen Grundkapitals sowie der einfachen Stimmenmehrheit.400 b) Qualifizierte Mehrheitserfordernisse GmbH Sofern für Beschlussfassungen im GmbHG qualifizierte Mehrheiten vorgesehen sind, wird im Gegensatz zum Aktienrecht nicht auf Kapitalmehrheiten, sondern ausschließlich auf eine qualifizierte Stimmenmehrheit abgestellt.401 Einer 3/4Mehrheit der abgegebenen Stimmen bedarf es insbesondere für Änderungen des Gesellschaftsvertrages gemäß § 53 Abs. 2 S. 1 GmbHG, d. h. auch für Kapitalerhöhungen und -herabsetzungen.402 Gleiches gilt gemäß § 50 Abs. 1 UmwG für die Zustimmungsbeschlüsse der Gesellschafterversammlungen des übernehmenden sowie des übertragenden Rechtsträgers bei Verschmelzungen.403 Gemäß § 47 Abs. 2 GmbHG gewährt jeder Euro eines Geschäftsanteils grundsätzlich eine Stimme. 399

Schmidt, GesR, S. 459; Schröer, in: MüKo AktG, Bd. 3, § 133, Rn. 45 f. Vgl. Junker, in: Henssler/Strohn, GesR, § 65 UmwG, Rn. 1 f.; Bei Konzernverschmelzungen gelten die folgenden Sonderregelungen: Ist eine AG zu mindestens 90 % an dem Grundkapital der übertragenden Rechtsträger beteiligt, bedarf es gemäß § 62 Abs. 1 UmwG keines Beschlusses der Hauptversammlung des übernehmenden Rechtsträgers; sofern die übernehmende AG sogar 100 % des Grundkapitals der übertragenden Gesellschaft hält, ist gemäß § 62 Abs 4 UmwG auch der Beschluss der Hauptversammlung des übertragenden Rechtsträgers entbehrlich. 401 Vgl. etwa Wolff, in: Mü Hdb GesR, Bd. 3, § 39, Rn. 8. 402 Wegmann, in: Mü Hdb GesR, Bd. 3, § 53, Rn. 13, § 54, Rn. 4. 403 Haeder, in: Henssler/Strohn, GesR, § 50 UmwG, Rn. 1; gemäß § 50 Abs. 2 UmwG kann darüber hinaus die Zustimmung einzelner Gesellschafter notwendig sein, wenn durch die Verschmelzung auf dem Gesellschaftsvertrag beruhende Minderheitsrechte eines einzelnen Gesellschafters einer übertragenden Gesellschaft oder die einzelnen Gesellschaftern einer solchen Gesellschaft nach dem Gesellschaftsvertrag zustehenden besonderen Rechte in der Geschäftsführung der Gesellschaft, bei der Bestellung der Geschäftsführer oder hinsichtlich eines Vorschlagsrechts für die Geschäftsführung beeinträchtigt werden. 400

III. Sanierungsmaßnahmen und Zustimmungspflichten der Gesellschafter

95

c) Regelungsmöglichkeiten in der Satzung der Gesellschaft Individuelle Regelungsmöglichkeiten zur Gestaltung einer vom gesetzlichen Leitbild abweichenden Corporate Governance ergeben sich, wenn auch in unterschiedlichem Maße, sowohl bei der AG als auch der GmbH. aa) Regelungsmöglichkeiten Satzung AG Bei der AG ist es den Aktionären auf Grund der in § 23 Abs. 5 AktG statuierten Satzungsstrenge nur bedingt möglich, von dem gesetzlich vorgegebenen Leitbild abzuweichen. Die Satzung darf von den Vorschriften des Aktiengesetzes nur abweichen, wenn dies ausdrücklich zugelassen ist. Der Begriff „ausdrücklich“ ist hier wörtlich in dem Sinne einer klaren und positiven Aussage des Gesetzes zu verstehen.404 Eine solche Abweichungsmöglichkeit ergibt sich insbesondere aus § 179 Abs. 2 AktG, wonach die Mehrheitserfordernisse für Satzungsänderungen grundsätzlich herabgesetzt werden dürfen. Allerdings darf das Erfordernis der einfachen Stimmenmehrheit gemäß § 133 Abs. 1 AktG nicht abgeschwächt, sondern lediglich das Erfordernis der qualifizierten Kapitalmehrheit bis zur einfachen Mehrheit des vertretenen Grundkapitals herabgesetzt werden.405 Dies gilt gemäß § 179 Abs. 2 S. 2 AktG jedenfalls für Satzungsänderungen ohne Änderung des Unternehmensgegenstandes und gemäß § 182 Abs. 1 S. 2 AktG für ordentliche Kapitalerhöhungen, soweit diese nicht durch Ausgabe von Vorzugsaktien ohne Stimmrecht erfolgen. Für die Schaffung von bedingtem oder genehmigtem Kapital fordert das Gesetz gemäß §§ 193 Abs. 1, 202 Abs. 2 AktG jedoch zwingend eine 3/4-Mehrheit des vertretenen Grundkapitals.406 Als zwingende Untergrenze besteht daher das Erfordernis einer einfachen Stimmen- und einer einfachen Kapitalmehrheit. Ein gänzlicher Verzicht auf das Erfordernis der Kapitalmehrheit mit der Folge, dass allein die einfache Stimmenmehrheit gemäß § 133 Abs. 1 AktG relevant wäre, ist auf Grund des Wortlauts („andere Kapitalmehrheit“) jedoch nicht zulässig.407 Unterschiede können sich diesbezüglich aber lediglich ergeben, wenn Aktien existieren, bei denen das Stimmgewicht ihrem Nennbetrag oder bei Stückaktien ihrer Zahl nicht entspricht.

404 Pentz, in: MüKo AktG, Bd. 1, § 23, Rn. 161; eine Auflistung der aktienrechtlichen Vorschriften mit Abweichungsbefugnissen findet sich bei Limmer, in: Spindler/Stilz, Bd. 1, § 23, Rn. 29. 405 BGH NJW 1975, 212 (212); Holzborn, in: Spindler/Stilz, Bd. 2, § 179, Rn. 121 f. 406 Stein, in: MüKo AktG, Bd. 4, § 179, Rn. 115. 407 Zöllner, in: Kölner Komm. AktG, Bd. 5/1, § 179, Rn. 153; Limmer, in: Spindler/Stilz, Bd. 2, § 182, Rn. 19.

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C. Sanierungsbeiträge der Gesellschafter

bb) Regelungsmöglichkeiten Satzung GmbH Bei der GmbH stellt das Erfordernis einer qualifizierten Mehrheit insbesondere bei Satzungsänderungen eine gesetzliche Mindestanforderung mit zwingendem Charakter dar, von der in der Satzung nicht nach unten abgewichen werden darf.408 Die Satzung darf also keine geringere Mehrheit genügen lassen. Allerdings kann die Satzung der GmbH trotz des weitgehend zwingenden Charakters des § 53 Abs. 2 S. 1 GmbHG Regelungen enthalten, die die Stimmverteilung im Vergleich zum gesetzlichen Leitbild doch erheblich modifizieren. So können in der Satzung einer GmbH beispielsweise Mehrstimmrechte409 oder eine Stimmabgabe nach Köpfen410 verankert oder stimmrechtslose Geschäftsanteile411 vorgesehen werden, da die Regelung des § 47 Abs. 2 GmbHG, wonach grundsätzlich jeder Euro eines Geschäftsanteils eine Stimme gewährt, dispositiv ist.412 Sofern Sonderrechte eines Gesellschafters nachträglich in der Satzung verankert oder Geschäftsanteile nachträglich stimmrechtslos gestellt werden sollen, ist eine Zustimmung aller betroffenen Gesellschafter notwendig.413 Im Übrigen sind diese Sonderregelungen für sämtliche Maßnahmen, insbesondere auch Satzungsänderungen, möglich.414 Der Minderheitenschutz kann durch solche Regelungen zwar ebenso beeinträchtigt werden wie durch eine Herabsetzung des Mehrheitserfordernisses, doch entspricht dieses Ergebnis der eindeutigen gesetzlichen Konzeption.415 Folglich können in der Satzung einer GmbH, unter Umständen flankiert durch Regelungen in einer Gesellschaftervereinbarung, Regelungen vorgesehen werden, die das Verhältnis der Gesellschafter untereinander und damit die Corporate Governance der Gesellschaft abweichend vom gesetzlichen Leitbild regeln. Mit Blick auf die effektive Steuerung von Sanierungsprozessen ist insbesondere denkbar, einem Mehrheitsgesellschafter genau für den Fall, dass die Gesellschaft in eine Krise gerät und dies den Gesellschaftern von der Geschäftsführung etwa durch Vorlage 408 Vgl. ewa Hoffmann, in: Michalski, Komm. GmbHG, Bd. 2, § 53, Rn. 65; Schröer, in: MüKo AktG, Bd. 3, § 133, Rn. 34. 409 BayOblG GmbHR 1986, 87 (87); OLG Frankfurt am Main GmbHR 1990, 79 (80); Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Komm. GmbHG, § 47 Rn 5. 410 Drescher, in: MüKo GmbHG, Bd. 2, § 47, Rn. 124. 411 BGHZ 14, 264 (270); Schmidt, in: Scholz, Komm. GmbHG, Bd. 2, § 47, Rn. 11; Schäfer, GmbHR 1998, 113 (115 ff.); klarstellend sei darauf hingewiesen, dass der Ausschluss des Stimmrechts nicht das insbesondere aus § 53 Abs. 3 GmbHG sowie der Kernbereichslehre folgende Zustimmungsrechte jedes Gesellschafters betrifft, wodurch auch stimmrechtslosen Gesellschaftern bei Beschlüssen mit wesentlicher Bedeutung für ihre Rechtsstellung ein Zustimmungsrecht zusteht, vgl. ausführlich Schäfer, GmbHR 1998, 168 ff. 412 BGHZ 14, 264 (270); Zöllner, in: Baumbach/Hueck, Komm. GmbHG, § 47, Rn. 67. 413 OLG Frankfurt am Main GmbHR 1990, 79 (80); Drescher, in: MüKo GmbHG, Bd. 2, § 47, Rn. 126; Hilmann, in: Henssler/Strohn, GesR, § 47 GmbHG, Rn. 48. 414 Mit Blick auf die Stimmrechtslosigkeit vgl. etwa Zöllner, in: Baumbach/Hueck, Komm. GmbHG, § 47, Rn. 70a; Drescher, in: MüKo GmbHG, Bd. 2, § 47, Rn. 124. 415 Hoffmann, in: Michalski, Komm. GmbHG, Bd. 2, § 53, Rn. 66.

III. Sanierungsmaßnahmen und Zustimmungspflichten der Gesellschafter

97

eines unabhängigen Sanierungsgutachtens bestätigt wird, Mehrstimmrechte einzuräumen oder die Anteile der Minderheitsgesellschafter für diesen Fall stimmrechtslos auszugestalten. Der notwendige Minderheitenschutz kann z. B. durch eine Klarstellung sichergestellt werden, dass die vorzunehmenden Sanierungsmaßnahmen die Minderheitsgesellschafter aus einer ex-ante Perspektive gegenüber dem Mehrheitsgesellschafter rechtlich und wirtschaftlich nicht benachteiligen dürfen. Eine Zuwiderhandlung des Mehrheitsgesellschafters gegen ein solches Benachteiligungsverbot könnte in einer zwischen den Gesellschaftern geltenden Gesellschaftervereinbarung mit einer Vertragsstrafe belegt und der Mehrheitsgesellschafter insoweit diszipliniert werden. Bei einer GmbH sind daher bereits im Vorfeld einer Krise vertragliche Regelungen möglich, um die Voraussetzungen für ein effektives Krisenmanagement durch den Mehrheitsgesellschafter gemeinsam mit der Geschäftsführung zu schaffen. Selbstverständlich müssen die vertraglichen Regelungen auf den Einzelfall abgestimmt und auch in diesem Fall eine Einigung der Gesellschafter erzielt werden. Eine solche Einigung kann im Vorfeld einer Krise jedoch unter Umständen leichter zu erzielen sein als im Falle einer Krise oder gar einer unmittelbar bevorstehenden Insolvenz des Unternehmens, weil gerade in einer solchen Situation durch das bereits beschriebene Gefangenendilemma416 häufig Blockadepositionen aufgebaut werden. 2. Zustimmungspflichten bei Sanierung durch Kapitalschnitt Ein Kapitalschnitt ist, wie bereits in Gliederungspunkt B.II.2.a)aa) kurz angerissen wurde, ein Mittel zur Sanierung des Eigenkapitals der Gesellschaft. Das Eigenkapital stellt die Haftungsmasse dar, die (mindestens) für die Befriedigung der Gläubiger zur Verfügung stehen soll.417 Durch die vereinfachte Kapitalherabsetzung kann eine drohende oder bestehende Überschuldung vermieden oder beseitigt werden, indem durch Senkung der Grund- bzw. Stammkapitalziffer das Volumen des gebundenen Vermögens verringert und so eine Unterbilanz beseitigt wird.418 Durch eine anschließende Kapitalerhöhung kann der Gesellschaft wieder Liquidität zugeführt und so weitere Sanierungsmaßnahmen ermöglicht bzw. erleichtert werden. Nach einem Kapitalschnitt ist die Gesellschaft regelmäßig attraktiver für neue Gesellschafter, die durch weitere Einlagen wiederum zur Sanierung des Unternehmens beitragen können.419 Die zur Umsetzung eines Kapitalschnitts notwendigen Gesellschafterbeschlüsse setzen jeweils eine 3/4-Mehrheit des vertretenen Grundkapitals bzw. der abgegebenen 416 417

Rn. 8.

Vgl. hierzu die Einleitung zu dieser Arbeit unter Gliederungspunkt A.I. Schwandtner, MüKo GmbHG, Bd. 1, § 5, Rn. 3; Heider, in: MüKo AktG, Bd. 1, § 7,

418 Arnod/Spahlinger/Maske-Reiche, in: Theiselmann, Praxishandbuch Restrukturierungsrecht, S. 65. 419 Buth/Hermanns, in: Buth/Hermanns, Restrukturierung, § 16, Rn. 8.

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C. Sanierungsbeiträge der Gesellschafter

Stimmen voraus420 und müssen, zumindest wenn das Grund- oder Stammkapital unter den Mindestbetrag der § 7 AktG bzw. § 5 Abs. 1 GmbHG herabgesetzt wird, gemeinsam gefasst werden.421 Im Folgenden soll dargelegt werden, unter welchen Voraussetzungen sich Zustimmungspflichten der Gesellschafter zu einer Kapitalherabsetzung und einer (anschließenden) Kapitalerhöhung ergeben können. a) Zustimmungspflicht zur Kapitalherabsetzung Bei den Kapitalgesellschaften kann eine Kapitalherabsetzung durch eine ordentliche Kapitalherabsetzung gemäß §§ 222 ff. AktG bzw. § 58 GmbHG oder durch vereinfachte Kapitalherabsetzung gemäß §§ 229 ff. AktG bzw. § 58a GmbHG durchgeführt werden. Im Aktienrecht gibt es darüber hinaus die Möglichkeit der Kapitalherabsetzung durch Einziehung von Aktien gemäß §§ 237 ff. AktG. Auch wenn die Regelungen des GmbHG zur Kapitalherabsetzung und Kapitalerhöhung im Vergleich zu den Vorschriften des AktG rudimentär erscheinen,422 sind sich die Regelungen sehr ähnlich und die zwischen den Rechtsformen bestehenden Unterschiede gering.423 Die nachfolgenden Ausführungen können daher für AG und GmbH gemeinsam vorgenommen und lediglich an den notwendigen Stellen rechtsformspezifisch ausgestaltet werden. aa) Vorteile vereinfachter gegenüber ordentlicher Kapitalherabsetzung Die ordentliche Kapitalherabsetzung erweist sich durch eine Reihe von Vorschriften als schwerfällig und für Sanierungen ungeeignet.424 Zu Sanierungszwecken wird regelmäßig auf die vereinfachte Kapitalherabsetzung gemäß §§ 229 ff. AktG bzw. §§ 58a – f GmbHG zurückgegriffen, die speziell auf die Bedürfnisse von in der Krise befindlichen Gesellschaften zugeschnitten und ausschließlich zu Sanierungszwecken zulässig ist.425

420 Für die AG ergibt sich dies aus §§ 229 Abs. 3, 222 Abs. 1 S. 1 und § 182 Abs. 1 S. 1 AktG, für die GmbH aus § 58a Abs. 5, 53 Abs. 2 S. 1 und § 53 Abs. 2 S. 1 GmbHG. 421 Dies ergibt sich aus § 228 Abs. 1 AktG bzw. § 58a Abs. 4 GmbHG. 422 So Priester, in: Scholz, Komm. GmbHG, Bd. 3, § 58, Rn. 3. 423 §§ 58a – f GmbHG entsprechen nahezu vollständig den Regelungen der §§ 229 – 236 AktG, vgl. Zöllner, in: Baumbach/Hueck, Komm. GmbHG, § 58a, Rn. 2. Unterschiede ergeben sich aber im Detail, z. B. im Hinblick auf die Verwendung der Mittel zur Dotierung von Kapitalrücklagen und die Dauer der Ausschüttungssperre der frei gewordenen Beträge, vgl. Vetter, in: MüKo GmbHG, Bd. 3, Vor § 58, Rn. 56. 424 Vetter, in: MüKo GmbHG, Bd. 3, Vor § 58, Rn. 33 ff.; Marsch-Barner, in: Spindler/Stilz, Bd. 2, § 229, Rn. 1. 425 Hüffer/Koch, Komm. AktG, § 229, Rn. 1; Vetter, in: MüKo GmbHG, Bd. 3, § 58a, Rn. 1; Jäger, NZG 1999, 238 (239); ausführlich zur vereinfachten Kapitalherabsetzung bei der GmbH vgl. auch Hirte, Kapitalherabsetzung, S. 29 ff.

III. Sanierungsmaßnahmen und Zustimmungspflichten der Gesellschafter

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Im Gegensatz zur ordentlichen Kapitalherabsetzung müssen, wie sich aus den fehlenden Verweisungen auf die Gläubigerschutzvorschriften in § 229 Abs. 3 AktG bzw. § 58a Abs. 5 GmbHG ergibt, bei einer vereinfachten Kapitalherabsetzung die präventiven Gläubigerschutzvorschriften der § 225 AktG bzw. § 58 Abs. 1 Nr. 1 – 4 GmbHG nicht angewendet werden.426 Die strengen Gläubigerschutzvorschriften sind im Rahmen der ordentlichen Kapitalherabsetzung notwendig, weil hierdurch die Rückzahlung von bisher gebundenem Kapital an die Gesellschafter ermöglicht wird.427 Durch die gesetzlichen Sperrfristen – bei der AG können die Gläubiger gemäß § 225 Abs. 1 AktG innerhalb von sechs Monaten und bei der GmbH gemäß § 58 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG428 innerhalb von zwölf Monaten Sicherheitsleistung oder Befriedigung verlangen – wäre eine für die Sanierung notwendigerweise zeitnahe Umsetzung der Kapitalherabsetzung nicht möglich. Darüber hinaus wäre eine Sicherheitsleistung an die Gläubiger für die meisten Gesellschaften in einer Sanierungssituation nicht möglich.429 Im Rahmen der vereinfachten Kapitalherabsetzung ist ein solch präventiver Gläubigerschutz dagegen nicht notwendig, weil keine finanziellen Mittel abfließen, sondern lediglich eine bilanzielle Bereinigung vorgenommen wird. Der BGH hat hierzu in der sog. Sachsenmilch-Entscheidung hervorgehoben, dass „die Gefährdung der Gläubiger auf den bereits eingetretenen Verlusten, nicht aber auf der Kapitalherabsetzung [beruht]“.430 Im Rahmen der vereinfachten Kapitalherabsetzung wird daher eine nachträgliche Gewährleistung des Gläubigerschutzes im Hinblick auf die Verwendung der frei gewordenen Beträge insbesondere durch die Ausschüttungssperre des § 150 Abs. 4 S. 1 AktG bzw. § 58b Abs. 3 GmbHG431 und Beschränkungen von Gewinnausschüttungen gemäß § 233 AktG bzw. § 58d GmbHG für ausreichend erachtet. Hierdurch soll sichergestellt werden, dass Erträge aus der Kapitalherabsetzung ausschließlich der Unternehmenssanierung zugutekommen.432 Bei einer GmbH würde die Ausschüttung des Herabsetzungsbetrages an die Gesellschafter außerdem gegen das auch im Rahmen

426 Oechsler, in: MüKo AktG, Bd. 4, Vor § 222, Rn. 4; Zöllner/Haas, in: Baumbach/Hueck, Komm. GmbHG, Vor § 58a, Rn. 3. 427 Vgl. etwa Arnold/Spahlinger/Maske-Reiche, in: Theiselmann, Praxishandbuch Restrukturierungsrecht, S. 66; Marsch-Barner, in: Spindler/Stilz, Bd. 2, § 225, Rn. 1. 428 Die Kapitalherabsetzung darf gemäß § 58 Abs. 1 Nr. 3 GmbHG erst zwölf Monate nach ordnungsgemäßer Bekanntmachung beim Handelsregister zur Eintragung angemeldet werden; innerhalb dieser Frist können die Gläubiger jederzeit Ansprüche anmelden, vgl. etwa Waldner, in: Michalski, Komm. GmbHG, Bd. 2, § 58, Rn. 21. 429 Vgl. etwa Rühland, in: Beck’scher Komm. GmbHG, § 58a, Rn. 2.1. 430 BGHZ 138, 71 (79) („Sachsenmilch-Entscheidung“). 431 Die Regelung des § 58b Abs. 3 GmbHG ist der allgemeinen Regelung des § 150 Abs. 4 S. 1 AktG, wonach das Grundkapital der Aktiengesellschaft streng gebunden ist, nachgebildet; vgl. etwa Förschle/Heinz, in: Budde/Förschle/Winkeljohann, Sonderbilanzen, Q, Rn. 102. 432 Oechsler, in: MüKo AktG, Bd. 4, § 229, Rn. 4.

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einer vereinfachten Kapitalherabsetzung geltende Kapitalerhaltungsgebot des § 30 Abs. 1 GmbHG verstoßen.433 Andererseits ist die vereinfachte Kapitalherabsetzung lediglich als ultima ratio zulässig. Die betroffene Gesellschaft darf, bevor das Grund- bzw. Stammkapital herabgesetzt werden kann, gemäß § 229 Abs. 2 AktG bzw. § 58a Abs. 2 GmbHG keinen Gewinnvortrag ausweisen und es müssen sämtliche frei verfügbaren Eigenkapitalbestandteile aufgelöst werden. Dies gilt für sämtliche Gewinnrücklagen sowie für die gesetzliche Rücklage und die Kapitalrücklage in der Höhe, in der sie 10 % des nach der Kapitalherabsetzung bestehenden Grund- bzw. Stammkapitals übersteigen. Der Gläubigerschutz wird also nur in einer Ausnahmesituation und zum Zweck der Unternehmenssanierung der Gesellschaft gelockert. bb) Zweck der vereinfachten Kapitalherabsetzung in der Sanierung Die vereinfachte Kapitalherabsetzung dient als Instrument zur Sanierung finanziell angeschlagener Gesellschaften, da sie nur durchgeführt werden darf, um Wertminderungen auszugleichen, Verluste zu decken oder – bei der AG – Beträge in die Kapitalrücklage einzustellen und, wie oben bereits gezeigt wurde, außerdem die Gläubigerschutzregeln gemäß § 225 AktG bzw. § 58 Abs. 1 Nr. 1 – 4 GmbHG nicht angewendet werden müssen. Sie zielt, obwohl dies keine Zulässigkeitsvoraussetzung der vereinfachten Kapitalherabsetzung ist,434 als sog. Buchsanierung explizit auf die Beseitigung einer Unterbilanz ab.435 Eine Unterbilanz liegt vor, wenn das Reinvermögen436 oder das ausgewiesene Eigenkapital437 der Gesellschaft nicht mehr das Grund- bzw. Stammkapital deckt. Beide Berechnungsmethoden kommen grundsätzlich zum gleichen Ergebnis.438 Durch die Kapitalherabsetzung wird nun der Betrag des Grund- oder Stammkapitals ziffernmäßig an den Betrag des (niedrigeren) 433 Rühland, in: Beck’scher Komm. GmbHG, § 58a, Rn. 2.1; Vetter, in: MüKo GmbHG, Bd. 3, § 58, Rn. 130. 434 Haberstock/Greitemann, in: Hölters, Komm. AktG, § 229, Rn. 16. 435 OLG Düsseldorf GmbHR 2006, 535 (536); Schmidt, ZGR 1982, 519 (520); Hüffer/Koch, Komm. AktG, § 229, Rn. 2; Fleischer, in: Henssler/Strohn, GesR, § 30 GmbHG, Rn. 21; Arnod/Spahlinger/Maske-Reiche, in: Theiselmann, Praxishandbuch Restrukturierungsrecht, S. 67. 436 So etwa Schmidt, GesR, S. 1135; Roth/Altmeppen, Komm. GmbHG, § 30 Rn. 9; Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Komm. GmbHG, § 30 Rn. 15 f.; Hüffer/Koch, Komm. AktG, § 229, Rn. 7; Das Reinvermögen ergibt sich aus der Differenz der Aktiva gemäß § 266 Abs. 2 HGB und den Verbindlichkeiten einschließlich der Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten gemäß § 266 Abs. 3 B., C. HGB. 437 So etwa Commandeur, in: Küting/Weber, Hdb Rechnungslegung, Bd. Ia, § 269, Rn. 14; Wirth, DB 1996, 867 (869); Marsch-Barner, in: Spindler/Stilz, Bd. 2, § 229, Rn. 8; Oechsler, in: MüKo AktG, Bd. 4, § 229, Rn. 21; das gezeichnete Kapital ist teilweise aufgezehrt ist, wenn ein Jahresfehlbetrag zzgl. eines Verlustvortrags abzgl. eines Gewinnvortrags die Summe der Kapital- und Gewinnrücklagen übersteigt. 438 Vetter, in: MüKo GmbHG, Bd. 3, § 58a, Rn. 15.

III. Sanierungsmaßnahmen und Zustimmungspflichten der Gesellschafter

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vorhandenen Eigenkapitals angeglichen. Es fließen der Gesellschaft bei der vereinfachten Kapitalherabsetzung keine finanziellen Mittel zu, sondern im Grunde wird lediglich eine real bereits eingetretene Situation bilanziell nachgetragen. Durch die Möglichkeit, das Grund- bzw. Stammkapital unter die Mindestkapitalziffer der § 7 AktG bzw. § 5 Abs. 1 GmbHG herabzusetzen, wenn diese durch eine zeitgleich beschlossene Barkapitalerhöhung wieder erreicht wird (§§ 229 Abs. 3 i.V.m. 228 Abs. 1 AktG, § 58a Abs. 4 S. 1 GmbHG), kann zwar eine Unterbilanz vollständig, nicht aber eine rechnerische Überschuldung beseitigt werden. Die vereinfachte Kapitalherabsetzung ist daher für sich genommen nicht geeignet, eine tiefgreifende Finanzierungskrise einer Gesellschaft zu lösen.439 Dennoch, und dieser Punkt wurde eingangs bereits angedeutet, trägt die Kapitalherabsetzung in einer Sanierungssituation regelmäßig zur Attraktivitätssteigerung der Gesellschaft für neue Eigenkapitalgeber bei und ist, wie im Folgenden zu zeigen sein wird, in der Kombination mit einer anschließenden effektiven Kapitalerhöhung ein elementarer Bestandteil diverser Unternehmenssanierungen.440 Dies liegt zunächst daran, dass ein neuer Investor nicht bereit sein wird, die bisher aufgelaufenen Verluste anteilig zu tragen.441 Genau dies würde aber geschehen, wenn eine Kapitalerhöhung ohne vorhergehende Kapitalherabsetzung durchgeführt würde. Die bisherigen Gesellschafter würden davon profitieren, dass neue Anteile mindestens zum Nennwert ausgegeben werden müssen und ein neuer Investor auf diese Weise an bereits eingetretenen Verlusten partizipieren würde. Für die Aktiengesellschaft ergibt sich das Verbot von Unter-Pari Emissionen unmittelbar aus § 9 AktG. Im GmbHG ist das Verbot von Unter-Pari Emissionen zwar nicht ausdrücklich geregelt, ergibt sich aber mittelbar aus § 5 Abs. 3 Satz 2 sowie § 19 Abs. 2 GmbHG und entspricht einhelliger Auffassung.442 Weiter hat die Kapitalherabsetzung auf ein niedrigeres Grundkapital den Vorteil, dass verschiedene Ausschüttungssperren verringert bzw. früher überwunden werden können. Bei der GmbH gilt die Ausschüttungssperre des § 30 GmbHG, wonach Ausschüttungen verboten sind, wenn und soweit durch sie das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen angetastet wird. In der AG kann angesichts der geschrumpften Grundkapitalziffer ein Bilanzgewinn gemäß § 57 Abs. 3 AktG eher an die Gesellschafter ausgeschüttet werden.443 Denn zum Ausweis eines Bilanzgewinns muss eine Unterbilanz, wie sich aus § 158 Abs. 1 AktG ergibt, vorher vollständig beseitigt werden. Des Weiteren können Rücklagen gemäß § 150 Abs. 3, 439 Wirth, Vereinfachte Kapitalherabsetzung zur Unternehmenssanierung, DB 1996, 867 (867); Schmidt-Hern, in: Beck’sches HdB AG, § 17, Rn. 97. 440 Vgl. hierzu etwa Schmidt-Hern, in: Beck’sches HdB AG, § 17, Rn. 97; Schmidt, GesR, S. 898; Häfele, Treuepflicht, S. 50. 441 Schmidt, GesR, S. 898. 442 Roth/Altmeppen, Komm. GmbHG, § 5, Rn. 25; Zeidler, in: Michalski, Komm. GmbHG, Bd. 1, § 5, Rn. 37. 443 Oechsler, in: MüKo AktG, Bd. 4, § 229, Rn. 5.

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Abs. 4 AktG eher aufgelöst und ein Gewinn gemäß § 233 Abs. 1 S. 1 AktG eher ausgeschüttet werden.444 Darüber hinaus werden die Sanierungsmöglichkeiten durch weitere Erleichterungen wie die Möglichkeit der rückwirkenden bilanziellen Abbildung (§§ 234, 235 AktG bzw. §§ 58e, f GmbHG) verbessert.445 Zwar hat auch diese Rückwirkung, die das Stichtagsprinzip durchbricht, rein bilanzielle Folgen, allerdings können negative Auswirkungen insbesondere auf Gesellschaftskredite vermieden werden.446 Denn im Jahresabschluss des vor dem Beschluss der Kapitalherabsetzung abgelaufenen Geschäftsjahres können das Grund- bzw. Stammkapital sowie die Rücklagen so ausgewiesen werden, als ob die Kapitalherabsetzung wirksam durchgeführt worden wäre. cc) Ablauf der vereinfachten Kapitalherabsetzung Eine Kapitalherabsetzung setzt zunächst einen Beschluss der Haupt- bzw. Gesellschafterversammlung voraus, der bei der AG gemäß §§ 229 Abs. 3, 222 Abs. 1 S. 1 AktG mit 3/4-Mehrheit des vertretenen Grundkapitals und bei der GmbH gemäß § 58a Abs. 5, 53 Abs. 2 S. 1 GmbHG mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst wird. Die beschlossene Kapitalherabsetzung wird gemäß §§ 229 Abs. 3, 224 AktG bzw. §§ 58a Abs. 5, 54 Abs. 3 GmbHG mit Eintragung im Handelsregister wirksam. Bei der AG muss der Vorstand in vertretungsberechtigter Zahl gemeinsam mit dem Vorsitzenden des Aufsichtsrates zunächst den Kapitalherabsetzungsbeschluss gemäß § 223 AktG zum Handelsregister anmelden,447 bevor nach Durchführung der zur Herabsetzung des Grundkapitals erforderlichen Maßnahmen die Durchführung der Kapitalherabsetzung vom Vorstand in vertretungsberechtigter Zahl gemäß § 227 Abs. 1 AktG separat anzumelden ist.448 Bei der GmbH muss lediglich der Kapitalherabsetzungsbeschluss beim Handelsregister angemeldet werden, eine Anmeldung der Durchführung der Kapitalherabsetzung ist nicht notwendig.449 Die Anmeldung ist jedoch gemäß § 78 GmbHG von sämtlichen Geschäfts444

Vgl. etwa Schmidt, ZGR 1982, 519 (521); Vaupel/Reers, AG 2010, 93 (103). Kreplin, in: Nerlich/Kreplin, § 9, Rn. 17. 446 Vgl. etwa Arnold/Spahlinger/Maske-Reiche, in: Theiselmann, Praxishandbuch Restrukturierungsrecht, S. 67; Zöllner/Haas, in: Baumbach/Hueck, Komm. GmbHG, § 58e, Rn. 1, Hüffer/Koch, Komm. AktG, § 234, Rn. 1. 447 Die in § 223 geregelte Anmeldung des Kapitalherabsetzungsbeschlusses ist von der Anmeldung der zugrunde liegenden Satzungsänderung zu unterscheiden, die gemäß § 181 Abs. 1 S. 1 AktG nur vom Vorstand in vertretungsberechtigter Zahl vorzunehmen ist, vgl. Stein, in: MüKo AktG, Bd. 4, § 181, Rn. 10. Beide Anmeldungen werden in der Praxis aber regelmäßig verbunden, weil die Eintragung des Kapitalherabsetzungsbeschlusses nur erfolgen kann, wenn zuvor die berichtigende Satzung vorliegt, vgl. Oechsler, in: MüKo AktG, Bd. 4, § 223, Rn. 1. 448 Krafka/Kühn, Registerrecht, Rn. 1538; Oechsler, in: MüKo AktG, Bd. 4, § 223, Rn. 1. 449 Vetter, in: MüKo GmbHG, Bd. 3, § 58, Rn. 131. 445

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führern vorzunehmen.450 Im Anschluss an die Eintragung der Kapitalherabsetzung ist bei der GmbH gemäß § 40 Abs. 2 GmbHG eine aktualisierte Liste der Gesellschafter beim zuständigen Registergericht einzureichen. dd) Kooperations- und Mitwirkungspflichten der Gesellschafter In allgemeiner Hinsicht wurde bereits dargelegt, dass sich aus der Treuepflicht der Gesellschafter im Einzelfall Zustimmungspflichten ergeben können. Leitentscheidung einer Zustimmungspflicht der Minderheitsgesellschafter zu einer Kapitalherabsetzung ist die im Rahmen dieser Arbeit bereits mehrfach erwähnte GirmesEntscheidung des BGH,451 nach der ein Minderheitsgesellschafter eine sinnvolle und mehrheitlich angestrebte Sanierung der Gesellschaft – einschließlich einer zum Sanierungskonzept gehörenden Kapitalherabsetzung – nicht aus eigennützigen Gründen verhindern darf. Eine Zustimmungspflicht wird auf Grund dieser Rechtsprechung des BGH, sowohl für die AG als auch die GmbH, im Schrifttum daher überwiegend für möglich gehalten, wobei zumeist keine genauen Angaben über die konkreten Voraussetzungen gemacht werden.452 Teilweise wird davon ausgegangen, dass eine Zustimmungspflicht bestehe, wenn die Kapitalherabsetzung „der einzige Weg“ sei,453 teilweise wird jedenfalls ein „schlüssiges Sanierungskonzept“454 oder ein „aussichtsreicher Sanierungsplan“455 gefordert. Andererseits hat der BGH die Voraussetzungen klar umrissen. Die vom BGH aufgestellten und von der Literatur ergänzten Anforderungen wurden im Rahmen dieser Arbeit in Gliederungspunkt C.II.2.b) zu einem Prüfungsschema verdichtet, das nunmehr angewendet werden soll. In einer Sanierungssituation liegt die Schutzrichtung der Kapitalherabsetzung im Interesse der Gesellschafter am Bestandserhalt des Unternehmens sowie der aus dem Gesellschaftsinteresse folgenden Verfolgung des Gesellschaftszwecks. Die Kapitalherabsetzung ist, wie soeben dargelegt wurde, geeignet einen wichtigen Baustein 450

Krafka/Kühn, Registerrecht, Rn. 1074. BGHZ 129, 136 ff. 452 Vgl. etwa Häsemeyer, ZHR 160 (1996), 109 (128); Schmidt, GesR, S. 134; Priester, in: Scholz, Komm. GmbHG, Bd. 3, § 58a, Rn. 18; Casper, in: Großkomm. GmbHG, Bd. 3, § 58a, Rn. 27; Roth/Altmeppen, Komm. GmbHG, § 58a, Rn. 11; Michalski/Funke, in: Michalski, Komm. GmbH, Bd. 1, § 13, Rn. 169; Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, Komm. GmbHG, § 58a, Rn. 20 f.; Schnorbus, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Komm. GmbHG, § 58a, Rn. 11; Lutter, in: Kölner Komm. AktG, Bd. 5/1, § 222, Rn. 56; Marsch-Barner, ZHR 157 (1993), 172 (180 f.); Marsch-Barner, in: Spindler/Stilz, Bd. 2, § 222, Rn. 28; Oechsler, in: MüKo AktG, Bd. 4, § 222, Rn. 27; Schäfer, in: FS Hommelhoff, 939 (949 ff.); Sethe, in: Großkomm. AktG, Bd. 7/1, § 222, Rn. 63; ablehnend Waldner, in: Michalski, Komm. GmbHG, Bd. 2, § 58a, Rn. 9; allgemein ablehnend zu Zustimmungspflichten Kunze, Stimmpflichten, S. 181, vgl. bereits oben Gliederungspunkt C.II.2.a)bb). 453 So Michalski/Funke, in: Michalski, Komm. GmbH, Bd. 1, § 13, Rn. 169. 454 Marsch-Barner, in: Spindler/Stilz, Bd. 2, § 222, Rn. 28. 455 Priester, in: Scholz, Komm. GmbHG, Bd. 3, § 58a, Rn. 18. 451

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einer Unternehmenssanierung darzustellen, weil eine Unterbilanz beseitigt werden und dadurch die Attraktivität des Unternehmens für neue Investoren gesteigert werden kann. Anders ausgedrückt: Die Kapitalherabsetzung kann notwendige Vorstufe einer zum Fortbestand des Unternehmens essentiellen Kapitalerhöhung und damit im Einzelfall erforderlich sein, um die Insolvenz des Unternehmens zu verhindern. Regelmäßig ist eine geeignete und erforderliche Kapitalherabsetzung auch angemessen, da die Interessen der sanierungsunwilligen Gesellschafter regelmäßig im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung zurücktreten müssen. Denn die Kapitalherabsetzung stellt keinen Eingriff in den Kernbereich der Mitgliedschaft dar, weil sie sich durch die gleichmäßige Herabsetzung des Kapitals nicht unmittelbar auf die Beteiligungsquote der Gesellschafter auswirkt.456 Dies ändert sich auch nicht dadurch, dass die Verwässerung der Anteile beim Kapitalschnitt durch die nachfolgende Kapitalerhöhung umso stärker ausfallen kann. Sofern es nämlich allein um den Vermögensnachteil des sanierungsunwilligen Gesellschafters geht, ist dieser im Rahmen der hier vorzunehmenden Interessenabwägung irrelevant. Denn im Falle der Insolvenz wären seine Anteile ebenfalls wertlos. Eine Verwässerung des Stimmrechts kann im Einzelfall allerdings berücksichtigungsfähig sein. Hierbei kommt es jedoch auf die Realstruktur der jeweiligen Gesellschaft im Einzelfall an. Die im Rahmen der Angemessenheitsprüfung vorzunehmende Interessenabwägung fällt daher regelmäßig zu Lasten der dissentierenden Gesellschafter aus, da sie durch die Kapitalherabsetzung jedenfalls nicht schlechter stehen als bei einer Liquidation. Schließlich werden bei der Kapitalherabsetzung lediglich real bereits eingetretene Verluste nachvollzogen. Als Fazit kann an dieser Stelle daher festgehalten werden, dass dissentierende Minderheitsgesellschafter auf Grund der ihnen obliegenden Treuepflicht einer Kapitalherabsetzung jedenfalls dann zustimmen müssen, wenn es sich um ein sanierungsfähiges Unternehmen handelt und sich ohne die Kapitalherabsetzung die Insolvenz der Gesellschaft nicht abwenden lässt. b) Zustimmungspflicht zur Kapitalerhöhung Eine Kapitalerhöhung kann entweder als effektive oder als nominelle Kapitalerhöhung vorgenommen werden. Bei einer nominellen Kapitalerhöhung fließen der Gesellschaft jedoch keine neuen Finanzmittel zu, da lediglich bereits vorhandene Rücklagen gemäß § 207 Abs. 1 AktG bzw. § 57c Abs. 1 GmbHG in Grund- bzw. Stammkapital umgewandelt werden. Bei einem Kapitalschnitt kommt die nominelle Kapitalerhöhung regelmäßig schon deshalb nicht in Betracht, weil eine vereinfachte Kapitalherabsetzung lediglich möglich ist, wenn vorher bereits sämtliche Gewinnrücklagen sowie die gesetzliche Rücklage und die Kapitalrücklage in der Höhe, in der sie 10 % des nach der Kapitalherabsetzung bestehenden Grund- bzw. Stammkapitals 456 BGHZ 138, 71 (76) („Sachsenmilch-Entscheidung“); Casper, in: Großkomm. GmbHG, Bd. 3, § 58a Rn. 39; Kunze, Stimmpflichten, S. 178 f.; Schneider, Gesellschafter-Stimmpflichten, S. 286; Weber, DStR 2010, 702 (704).

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übersteigen, aufgelöst wurden. Aber auch ohne vorhergehende Kapitalherabsetzung ist die nominelle Kapitalerhöhung für Sanierungszwecke in der Regel uninteressant, weil sie keine Maßnahme der Kapitalbeschaffung darstellt.457 Im Folgenden wird die nominelle Kapitalerhöhung daher nicht weiter betrachtet. Eine effektive Kapitalerhöhung kann als ordentliche Kapitalerhöhung durch satzungsändernden Beschluss gemäß § 182 Abs. 1 AktG bzw. § 55 Abs. 1 GmbHG oder durch den Sonderfall der Ausnutzung von genehmigtem Kapital gemäß §§ 202 ff. AktG bzw. § 55a GmbHG vorgenommen werden. Bei der Aktiengesellschaft besteht darüber hinaus die Möglichkeit der bedingten Kapitalerhöhung gemäß §§ 192 ff. AktG, die in einer Sanierungssituation insbesondere eingesetzt werden kann, um Gläubigern von Wandelschuldverschreibungen Umtausch- oder Bezugsrechte zu gewähren. aa) Ordentliche Kapitalerhöhung Bei der ordentlichen Kapitalerhöhung wird das Grund- bzw. Stammkapital gemäß § 182 Abs. 1 S. 4 AktG bzw. § 55 Abs. 3 GmbHG durch Ausgabe neuer Aktien bzw. Geschäftsanteile gegen Bar- oder Sacheinlagen erhöht. Bei der GmbH ist – entgegen des Wortlauts des § 55 Abs. 3 GmbHG – neben der Ausgabe neuer Geschäftsanteile unter gewissen Voraussetzungen auch eine Erhöhung der Nennbeträge der vorhandenen Geschäftsanteile möglich.458 (1) Vor- und Nachteile der ordentlichen Kapitalerhöhung Eine ordentliche Kapitalerhöhung stellt den gesetzlichen Grundfall der Bezugsrechtsemission dar und kann auch in Sanierungssituationen eingesetzt werden. Sofern der Liquiditätsbedarf eines in die Krise geratenen Unternehmens das Volumen der Ermächtigung zur Durchführung einer Kapitalerhöhung aus genehmigtem Kapital übersteigt, ist zwingend auf eine ordentliche Kapitalerhöhung zurückzugreifen.459 Jedoch ist eine ordentliche Kapitalerhöhung – jedenfalls bei der AG – im Vergleich zur Kapitalerhöhung aus genehmigtem Kapital umständlich und zeitraubend und steht dadurch dem Interesse an einer schnellen Umsetzung der Kapitalerhöhung in der Krise der Gesellschaft häufig entgegen.460 Zwischen der Einladung 457

Vgl. so ebenfalls Arnold/Spahlinger/Maske-Reiche, in: Theiselmann, Praxishandbuch Restrukturierungsrecht, S. 64; Förschle/Heinz, in: Budde/Förschle/Winkeljohann, Sonderbilanzen, Q, Rn. 139; Arnold, in: MüKo AktG, Bd. 4, § 207, Rn. 1. 458 Vgl. etwa Lieder, in: MüKo GmbHG, Bd. 3, § 55, Rn. 42 ff.; Hermanns, in: Michalski, Komm. GmbHG, Bd. 2, § 55, Rn. 22; eine Aufstockung vorhandener Geschäftsanteile ist demnach zulässig, wenn die zu erhöhenden Anteile (i) noch von den Gründern oder ihren Gesamtnachfolgern gehalten werden (vgl. BGHZ 63, 116 (118)), (ii) vollständig eingezahlt sind (vgl. BGH NJW 2013, 2428 (2428)) oder (iii) die Haftung nach Ablauf der Fünfjahresfrist des § 22 Abs. 3 GmbHG ausgeschlossen ist. 459 Seibt, in: Theiselmann, Praxishandbuch Restrukturierungsrecht, S. 236 f. 460 Schmidt, GesR, S. 901.

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C. Sanierungsbeiträge der Gesellschafter

zur Hauptversammlung und der Umsetzung des Bezugsangebots liegt in der Praxis mindestens ein Zeitraum von zehn Wochen, als realistisch wird regelmäßig eine Zeitspanne von 14 – 20 Wochen eingeschätzt.461 (2) Ablauf und Mehrheitserfordernisse der ordentlichen Kapitalerhöhung Eine ordentliche Kapitalerhöhung vollzieht sich in mehreren Schritten. Der zunächst zu fassende und notariell zu beurkundende462 Kapitalerhöhungsbeschluss bedarf bei der AG gemäß § 182 Abs. 1 S. 1 AktG einer 3/4- Mehrheit des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals sowie einer einfachen Mehrheit der abgegebenen Stimmen (§ 133 Abs. 1 AktG) und bei der GmbH gemäß § 53 Abs. 2 GmbHG einer 3/4-Mehrheit der abgegebenen Stimmen.463 Im Kapitalerhöhungsbeschluss müssen jeweils der Erhöhungsbetrag sowie die wesentlichen Punkte der Kapitalerhöhung festgelegt werden.464 Es kann sowohl ein fixer Erhöhungsbetrag als auch ein Höchstbetrag – sog. „Bis-zu“ Kapitalerhöhung – vorgesehen werden, wobei letzteres aus Gründen der Rechtssicherheit regelmäßig vorzugswürdig erscheint. Denn die konstitutiv wirkende Eintragung der Kapitalerhöhung im Handelsregister darf nicht vorgenommen werden, wenn der in dem Kapitalerhöhungsbeschluss angegebene Erhöhungsbetrag nicht erreicht wird.465 Da eine Pflicht zur Zeichnung neuer Aktien bzw. Übernahme neuer Geschäftsanteile durch den Kapitalerhöhungsbeschluss für die Gesellschafter nicht begründet wird466 und daher die exakte Höhe der Kapitalerhöhung häufig nicht exakt vorhergesehen werden kann, kann die Gefahr eines Scheiterns der Kapitalerhöhung auf Grund Unterzeichnung durch Nennung eines flexiblen Höchstbetrags jedenfalls minimiert werden.467 Der Beschluss über die Kapitalerhöhung ist sodann gemäß § 184 Abs. 1 AktG bzw. § 57 Abs. 1 GmbHG zur Eintragung beim Handelsregister anzumelden. Im Anschluss daran werden die Aktien gemäß § 185 Abs. 1 AktG gezeichnet bzw. die Geschäftsanteile gemäß § 55 GmbHG übernommen. Hierzu werden Zeichnungs- bzw. 461

Seibt, in: Theiselmann, Praxishandbuch Restrukturierungsrecht, S. 236 f. Bei der GmbH ergibt sich das Beurkundungserfodernis aus § 53 Abs. 2 S. 1 GmbHG, im Aktienrecht müssen Hauptversammlungsbeschlüsse von börsennotierten Gesellschaften gemäß § 130 Abs. 1 S. 1 AktG stets beurkundet werden, bei nicht börsennotierten Gesellschaften ist dies gemäß § 130 Abs. 1 S. 3 AktG nur notwendig, wenn Beschlüsse gefasst werden, für die das Gesetz eine 3/4- oder größere Mehrheit vorsieht. 463 Auf die satzungsmäßigen Gestaltungsmöglichkeiten, insbesondere die Möglichkeit der Herabsetzung der Kapitalmehrheit bei der AG wurde bereits in Gliederungspunkt C.III.1.c) hingewiesen. 464 Schürnbrand, in: MüKo AktG, Bd. 4, § 182, Rn. 40; Krieger, in: Mü Hdb GesR, Bd. 4, § 56, Rn. 22; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Komm. GmbHG, § 55, Rn. 8; Ziemons, in: Beck’scher Komm. GmbHG, § 55, Rn. 32. 465 RGZ 55, 65 (67 f.); RGZ 85, 205 (207); Priester, in: Scholz, Komm. GmbHG, Bd. 3, § 55, Rn. 102; Hüffer/Koch, Komm. AktG, § 182, Rn. 12. 466 Lutter, in: FS Schilling, S. 207 (210); Lieder, in: MüKo GmbHG, Bd. 3, § 55, Rn. 66; Schürnbrand, in: MüKo AktG, Bd. 4, § 185, Rn. 1. 467 Seibt/Voigt, AG 2009, 133 (135). 462

III. Sanierungsmaßnahmen und Zustimmungspflichten der Gesellschafter

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Übernahmeverträge zwischen der Gesellschaft und den Übernehmern des erhöhten Kapitals abgeschlossen.468 Nach Einzahlung des Mindesteinlagebetrages, der mindestens 1/4 des Nennbetrages der Aktien bzw. Geschäftsanteile umfassen und zur freien Verfügung der Geschäftsleiter stehen muss,469 ist die Vornahme der Erhöhung zur Eintragung beim Handelsregister gemäß § 188 Abs. 1 AktG anzumelden.470 Durch dieses Erfordernis der Einzahlung jedenfalls eines Teilbetrags ihrer Einlagepflicht bereits vor der Anmeldung der Vornahme der Kapitalerhöhung beim Handelsregister besteht für die Übernehmer der Aktien bzw. Geschäftsanteile das Risiko, bei einem Scheitern der Kapitalerhöhung Zahlungen rechtsgrundlos geleistet zu haben. Zwar steht den Übernehmern in einem solchen Fall ein aus ungerechtfertigter Bereicherung resultierender Rückforderungsanspruch gegenüber der Gesellschaft zu.471 Jedoch ist dieser Anspruch unter Umständen nicht zu realisieren, wenn bereits das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft eröffnet wurde, da es sich insoweit um reguläre Insolvenzforderungen handelt.472 Das Insolvenzrisiko der betroffenen Gesellschaft ist bei einem Scheitern der zur Sanierung durchgeführten Kapitalerhöhung aber besonders hoch. Um die Motivation von Gesellschaftern und Dritten zur Beteiligung an einer Kapitalerhöhung zu Sanierungszwecken aufrecht zu erhalten und nicht zu schmälern, muss dem Vorleistungsrisiko der Übernehmer daher in angemessener Weise begegnet werden. Nach wohl überwiegender und aus Sicht des Verfassers überzeugender Ansicht kann die Übernahme der Aktien bzw. Geschäftsanteile unter die aufschiebende Bedingung der Anmeldung bzw. die auflösende Bedingung des endgültigen Scheiterns der Kapitalerhöhung gestellt werden.473 Denn es genügt, wenn die Einlage der Gesellschaft 468 Zöllner/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Komm. GmbHG, § 55, Rn. 31; Hüffer/Koch, Komm. AktG, § 185, Rn. 4. 469 Vgl. §§ 57 Abs. 2, 56a, 7 Abs. 2 S. 1 GmbHG; §§ 188 Abs. 2 S. 1, 36 Abs. 2, 36a Abs. 1 AktG. 470 Der Erhöhungsbeschluss und die Vornahme der Kapitalerhöhung können gemäß § 188 Abs. 4 AktG auch gleichzeitig angemeldet werden. 471 Grundsätzlich ist die condictio indebiti gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt. BGB einschlägig; sofern im Anwendungsbereich des § 185 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 AktG oder sonst vertraglich eine Befristung vorgesehen ist, die Wirkung der Erklärung also erst vom Zeitpunkt der Unverbindlichkeit an entfällt, ist die condictio ob causam finitam gemäß § 812 Abs. 1 S. 2 1. Alt. BGB einschlägig; vgl. BGHZ 140, 258 (261); LG Düsseldorf BeckRS 2009, 11227; Schürnbrand, in: MüKo AktG, Bd. 4, § 185, Rn. 35; Hüffer/Koch, Komm. GmbHG, § 185, Rn. 16; Lutter, in: Kölner Komm. AktG, Bd. 5/1, § 185, Rn. 52. 472 Lutter, in: FS Schilling, S. 207 (224); Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Komm. GmbHG, § 55, Rn. 45. 473 So etwa BGHZ 140, 258 (261); Lutter, in: FS Heinsius, S. 497 (509 ff.); Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Komm. GmbHG, § 7, Rn. 26; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Komm. GmbHG, § 55, Rn. 40, 45; Hermanns, in: Michalski, Komm. GmbHG, Bd. 2, § 56a, Rn. 47; Priester, in: Scholz, Komm. GmbHG, Bd. 3, § 56a, Rn. 43; Wellensieck/SchluckAmend, in: MAH GmbH-Recht, § 23, Rn. 47; ablehnend etwa Ulmer/Casper, in: Großkomm. GmbHG, Bd. 1, § 7, Rn. 61 (in Bezug auf Sacheinlagen); Pentz, in: MüKo AktG, Bd. 1, § 36, Rn. 65.

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C. Sanierungsbeiträge der Gesellschafter

erst bei Eintragung uneingeschränkt zur Verfügung steht.474 Eine weitere Möglichkeit besteht darin, den Einlagebetrag auf ein Treuhandkonto mit der unwiderruflichen Anweisung zu zahlen, den Betrag nach Eintragung der Vornahme der Kapitalerhöhung im Handelsregister an die Geschäftsleitung auszuzahlen.475 (3) Kooperations- und Mitwirkungspflichten der Gesellschafter Der BGH hat sich mit der Frage, ob die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht eine Zustimmungspflicht zu einer Kapitalerhöhung begründen kann, bisher nur in dem Sonderfall der Erhöhung des Stammkapitals zur Anpassung an veränderte Mindestkapitalerfordernisse auf Grund der mit Wirkung zum 01. Januar 1981 in Kraft getretenen GmbH-Novelle bei der GmbH geäußert.476 In der Literatur wird eine Zustimmungspflicht zu einer Kapitalerhöhung zu Sanierungszwecken nach wohl allgemeiner Ansicht für möglich gehalten.477 Im Folgenden sollen die im Rahmen dieser Arbeit herausgearbeiteten Voraussetzungen, in denen sich eine Zustimmungspflicht ergeben kann, wiederum auf den Einzelfall angewendet werden. In besonderer Weise muss bei der nachfolgenden Abwägung berücksichtigt werden, dass einem Gesellschafter unter Umständen eine Zustimmungspflicht zu einem Kapitalerhöhungsbeschluss obliegen kann, ohne dass er an der nachfolgenden Kapitalerhöhung – aus freiem Entschluss oder durch Bezugsrechtsausschluss – selbst teilnimmt und so eine Verwässerung seiner Mitgliedschaft hinnehmen muss. Die Schutzrichtung der Kapitalerhöhung liegt – genau wie bei der Kapitalherabsetzung – im Interesse der Gesellschafter am Bestandserhalt des Unternehmens sowie der aus dem Gesellschaftsinteresse folgenden Verfolgung des Gesellschaftszwecks. Die Kapitalerhöhung kann durch die Zuführung neuer Finanzmittel im Einzelfall geeignet und erforderlich sein, um den Fortbestand einer sanierungsfä-

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Priester, in: Scholz, Komm. GmbHG, Bd. 3, § 56a, Rn. 43. Lutter, in: FS Heinsius, S. 497 (500 ff.); Lutter, in: FS Schilling, S. 207 (226); Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Komm. GmbHG, § 7, Rn. 26; Döbereiner, in: Spindler/Stilz, Bd. 1, § 36, Rn. 21; Arnold, in: Kölner Komm. AktG, Bd. 1, § 36, Rn. 32; ablehnend Pentz, in: MüKo AktG, Bd. 1, § 36, Rn. 50. 476 BGHZ 98, 276 (279); BGH NJW 1987, 3192 (3193). Durch die GmbH-Novelle wurde der Mindestbetrag des Stammkapitals der GmbH von 20.000 DM auf 50.000 DM erhöht. 477 Schmidt, GesR, S. 134; Schorlemer/Stupp, NZI 2003, 345 (349 ff.); Hermanns, in: Michalski, Komm. GmbHG, Bd. 2, § 55, Rn. 12; Michalski/Funke, in: Michalski, Komm. GmbHG, Bd. 1, § 13, Rn. 186; Lieder, in: MüKo GmbHG, Bd. 3, § 55, Rn. 33a; Roth/Altmeppen, Komm. GmbHG, § 55, Rn. 8; Priester, in: Scholz, Komm. GmbHG, Bd. 3, § 53, Rn. 37, § 55, Rn. 14; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Komm. GmbHG, § 55, Rn. 6; Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, Komm. GmbHG, § 58a, Rn. 15b; Schnorbus, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Komm. GmbHG, § 55, Rn. 21; Ulmer, in: Großkomm. GmbHG, Bd. 3, § 55, Rn. 39; Servatius, in: Spindler/Stilz, Bd. 2, § 182, Rn. 15a; Veil, in: Schmidt/Lutter, Komm. AktG, Bd. 2, § 182, Rn. 28; Wiedemann, in: Großkomm. AktG, Bd. 6, § 182, Rn. 38; MarschBarner, ZHR 157 (1993), 172 (179 f.); Henze, ZHR 162 (1998), 186 (193 f.) 475

III. Sanierungsmaßnahmen und Zustimmungspflichten der Gesellschafter

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higen Gesellschaft zu sichern.478 Denn unter Umständen wird der Gesellschaft in der Krisensituation kein weiteres Fremdkapital, jedenfalls nicht zu vergleichbaren Konditionen, bereitgestellt.479 Denkbar ist auch, dass die finanzierenden Banken nur dann bereit sind, neue Kreditlinien bereitzustellen oder auf einen Teil ihrer Forderungen zu verzichten, wenn die Anteilseigner ebenfalls neues Eigenkapital in die Gesellschaft einbringen.480 Häufig wird zur Sanierung der betroffenen Gesellschaft daher kein milderes Sanierungsinstrument zur Verfügung stehen. Die Interessen der sanierungsunwilligen Gesellschafter müssen im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung regelmäßig hinter die Interessen der übrigen Gesellschafter am Bestandserhalt des Unternehmens sowie der aus dem Gesellschaftsinteresse folgenden Verfolgung des Gesellschaftszwecks zurücktreten. Grundsätzlich müssen die sanierungsunwilligen Gesellschafter abwägen, ob sie ihre Beteiligungsquote stabil halten und von ihrem Bezugsrecht Gebrauch machen oder auf eine Beteiligung an der Kapitalerhöhung verzichten und so eine Verwässerung ihrer Beteiligung hinnehmen wollen.481 Eine Pflicht zur Übernahme neuer Aktien oder Geschäftsanteile besteht nicht. Bei der AG ergibt sich dies aus der zwingenden und abschließenden Regelung in § 54 Abs. 1 AktG, wonach die Verpflichtung der Aktionäre zur Leistung der Einlagen durch den Ausgabebetrag der Aktien begrenzt wird. Nach nahezu einhelliger Auffassung gilt dies jedoch auch für GmbH-Gesellschafter.482 Dies ist angesichts der beschränkten Haftung der Gesellschafter konsequent. Im Liquidationsfall erhalten sie zwar unter Umständen den Wert ihrer Einlage nicht zurück, zu weiteren Nachschusspflichten sind sie aber nicht verpflichtet. Sofern die Gesellschafter keine neuen Anteile übernehmen, ist die drohende Verwässerung der mitgliedschaftlichen Rechte der sanierungsunwilligen Gesellschafter in die notwendige Abwägung miteinzubeziehen. Dieses Interesse ist aber dann nicht zu berücksichtigen, wenn die dissentierenden Gesellschafter durch die Kapitalerhöhung jedenfalls nicht schlechter stehen als bei einer sofortigen Liquidation.483 Da die Anteile einer Gesellschaft im unmittelbaren Vorfeld der Insolvenz zumeist wertlos sind und ein Liquidationserlös meist nicht realisierbar ist, wird ein sanierungsunwilliger Gesellschafter durch eine Kapitalerhöhung zu Sanierungszwecken regelmäßig nicht schlechter gestellt als bei einer sofortigen Liquidation der Gesellschaft. 478 Vgl. hierzu auch OLG München ZIP 2014, 472 ff., wonach eine Zustimmungspflicht von Aktionären zu einem Kapitalschnitt zu verneinen ist, wenn kein Sanierungskonzept vorgelegt wurde. 479 Schneider, Gesellschafter-Stimmpflichten, S. 294; Kunze, Stimmpflichten, S. 177. 480 Vgl. Bacina/Redeker, DB 2010, 996 (996). 481 So Schmidt, GesR, S. 134; Schmidt, ZGR 1982, 519 (524 f.). 482 Vgl. Lieder, in: MüKo GmbHG, Bd. 3, § 55, Rn. 33, 66; Vetter, in: MüKo GmbHG, Bd. 3, Vor § 58, Rn. 83; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Komm. GmbHG, § 55, Rn. 33; Priester, in: Scholz, Komm. GmbHG, Bd. 3, § 55, Rn. 71; Ulmer, in: Großkomm. GmbHG, Bd. 3, § 55, Rn. 39 (der allerdings auf „seltene Ausnahmefälle“ verweist); Zöllner/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Komm. GmbHG, § 55, Rn. 41; Roth/Altmeppen, Komm. GmbHG, § 55, Rn. 8. 483 Henze, ZHR 162 (1998), 186 (193); Schneider, Gesellschafter-Stimmpflichten, S. 296.

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C. Sanierungsbeiträge der Gesellschafter

Auch fällt die potentielle Verringerung des Gewinnbezugsrechts nicht ins Gewicht, da die Gesellschaft ohne Kapitalerhöhung aufgelöst würde und damit überhaupt nicht mehr werbend tätig wäre.484 Demgegenüber kann ein sanierungsunwilliger Gesellschafter bei erfolgreicher Umsetzung des Sanierungskonzeptes an zukünftigen Gewinnen der Gesellschaft, wenn auch in geringerem Maße, partizipieren und ist unter diesem Blickwinkel trotz geringerer Gewinnbeteiligung besser gestellt als im Falle der Liquidation. (4) Alternativvorschlag: Zustimmungspflicht auch in früheren Krisenstadien? Die Feststellung, dass Gesellschafter im unmittelbaren Vorfeld der Insolvenz und zur Abwendung derselben Zustimmungspflichten unterliegen können, ist vor dem bereits dargelegten Hintergrund, dass Sanierungsmaßnahmen zur Verbesserung der Sanierungschancen eines Unternehmens bereits in einem möglichst frühen Krisenstadium eingeleitet werden sollten, nur bedingt zufriedenstellend. Einerseits ist zwar, auch dies wurde bereits im Rahmen dieser Arbeit behandelt, angesichts des notwendigen Ausnahmecharakters der Treuepflicht und dem notwendigen Schutz der Minderheitsgesellschafter nachvollziehbar, eine Zustimmungspflicht nur anzunehmen, wenn ansonsten eine Vermeidung der Insolvenz nicht mehr gewährleistet werden kann. Andererseits ist es aus Sicht einer sanierungswilligen Gesellschaftermehrheit nur schwer zu akzeptieren, dass etwa ein notwendiger Kapitalschnitt durch vorhergehende Blockadehaltungen einzelner Mitgesellschafter unter Umständen erst zu einem Zeitpunkt umgesetzt werden kann, wenn sich die Gesellschaft bereits in einer akuten Liquiditätskrise befindet. Denn auch wenn eine Gesellschaft noch nicht unmittelbar insolvenzbedroht ist, kann sie dringenden Kapitalbedarf haben, um ihren Fortbestand mittelfristig zu sichern. Schäfer hat in einem Beitrag Argumente herausgearbeitet und geschlussfolgert, dass man Stimmpflichten von Aktionären zu einem Kapitalschnitt auch bereits in früheren Krisenstadien und nicht erst bei drohender Insolvenz des Unternehmens bejahen könnte.485 Seiner Argumentation zufolge sind die Aktionäre bei einem Kapitalschnitt durch ihr Bezugsrecht sowie durch die Regelung in § 222 Abs. 4 AktG ausreichend geschützt. Durch diese Vorschrift soll bei einer Kapitalherabsetzung grundsätzlich der Nennbetrag der Aktien herabgesetzt werden und es darf nur subsidiär auf eine Zusammenlegung von Aktien zurückgegriffen werden, da eine Herabsetzung die Beteiligungsquote des Aktionärs unberührt lässt und, sofern alle Mitgliedschaftsrechte proportional schrumpfen, auch Stimmrechtsmacht und Gewinnverteilungsansprüche im Verhältnis zu den Mitgesellschaftern erhalten bleiben. Bei einem angemessenen Ausgabebetrag für die neuen Aktien, so Schäfer, komme eine Zustimmungspflicht daher auch bereits in Betracht, wenn die Gesellschaft zwar noch nicht insolvenzbedroht ist, jedoch dringend neues Kapital benötigt und das Grundkapital teilweise bereits durch 484 v. Schorlemer/Stupp, NZI 2003, 345 (351); Schneider, Gesellschafter-Stimmpflichten, S. 296. 485 Schäfer, in: FS Hommelhoff, S. 939 (950 f.).

III. Sanierungsmaßnahmen und Zustimmungspflichten der Gesellschafter

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eingetretene Verluste aufgezehrt ist. Die drohende Insolvenz der Gesellschaft, die vom BGH in sämtlichen Entscheidungen betont wurde, sei daher keine notwendige Bedingung für eine Zustimmungspflicht, sondern bewirke lediglich eine besondere Eilbedürftigkeit in Bezug auf die Durchsetzung der Zustimmungspflichten. Dieser Argumentation ist im Ergebnis jedenfalls im Hinblick auf eine Kapitalerhöhung nicht zuzustimmen. Denn eine Zustimmungspflicht zu einer Kapitalerhöhung darf auf Grund des Eingriffs in die Gesellschafterstellung lediglich als ultima ratio in Betracht kommen, wenn mildere Sanierungsmaßnahmen für die Gesellschaft nicht mehr realisierbar sind. In früheren Krisenstadien wird es für eine betroffene Gesellschaft jedoch regelmäßig möglich sein, auf andere Weise die Liquidität der Gesellschaft aufrecht zu erhalten und z. B. zu angemessenen Konditionen Darlehen aufzunehmen. Ein Eingriff in die Mitgliedschaftsrechte der Gesellschafter erscheint zu diesem Zeitpunkt nicht vertretbar. (5) Fazit Wenn und soweit eine Kapitalerhöhung für den Bestandserhalt eines sanierungsfähigen Unternehmens sowie die aus dem Gesellschaftsinteresse resultierende Verfolgung des Gesellschaftszwecks erforderlich ist, d. h. kein milderes Sanierungsinstrument zur Verfügung steht, und in einem angemessenen Verhältnis zu den zu berücksichtigenden Interessen der sanierungsunwilligen Gesellschafter steht, muss das Interesse der dissentierenden Gesellschafter regelmäßig zurücktreten und die Gesellschafter sind verpflichtet, einer Kapitalerhöhung zuzustimmen. Dies ist im Vorfeld der Insolvenz regelmäßig der Fall, da die Anteile wertlos und die sanierungsunwilligen Gesellschafter daher durch die Kapitalerhöhung wirtschaftlich nicht schlechter stehen als bei einer sofortigen Liquidation der Gesellschaft. bb) Kapitalerhöhung aus genehmigtem Kapital Bei einer Kapitalerhöhung aus genehmigtem Kapital werden gemäß § 202 Abs. 1 AktG bzw. § 55a Abs. 1 GmbHG der Vorstand bzw. die Geschäftsführung durch Beschluss der Haupt- bzw. Gesellschafterversammlung ermächtigt, innerhalb eines festgelegten Zeitraums von maximal fünf Jahren das Grund- bzw. Stammkapital durch Ausgabe neuer Aktien bzw. Geschäftsanteile zu erhöhen. Der Nennbetrag des genehmigten Kapitals darf gemäß § 202 Abs. 3 AktG bzw. § 55a Abs. 1 S. 2 GmbHG die Hälfte des Grund- bzw. Stammkapitals, das zur Zeit der Ermächtigung vorhanden ist, nicht übersteigen. Eine Kapitalerhöhung aus genehmigtem Kapital lässt sich im Vergleich zu einer von der Haupt- oder Gesellschafterversammlung direkt beschlossenen Kapitalerhöhung daher schneller umsetzen und ermöglicht so eine flexible Mittelbeschaffung für die jeweilige Gesellschaft.486 Über die Ermächtigung zur Ausnutzung des genehmigten Kapitals entscheidet jedoch ebenfalls die Haupt486 Bayer, in: MüKo AktG, Bd. 4, § 202, Rn. 1; Arnold/Spahlinger/Maske-Reiche, in: Theiselmann, Praxishandbuch Restrukturierungsrecht, S. 62.

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C. Sanierungsbeiträge der Gesellschafter

bzw. Gesellschafterversammlung mit qualifizierter Mehrheit. Die Aktionäre bzw. Gesellschafter sind aber regelmäßig nicht verpflichtet, dem Ermächtigungsbeschluss zuzustimmen, da ein solcher Beschluss zur Schaffung genehmigten Kapitals zumeist nicht in der Krise der Gesellschaft gefasst wird und sich aus der Treuepflicht daher keine Zustimmungspflicht begründen lässt. c) Sonderkonstellation 1: Kapitalherabsetzung auf Null und Kapitalerhöhung Wenn die Haupt- oder Gesellschafterversammlung über eine vollständige Kapitalherabsetzung und eine gleichzeitige Kapitalerhöhung beschließt, stehen sanierungsunwillige Gesellschafter nicht nur vor der Entscheidung, sich entweder an der Kapitalerhöhung zu beteiligen oder eine Verwässerung ihrer Mitgliedschaft hinzunehmen, sondern müssen weitergehend eine Abwägung zwischen Teilnahme an der Kapitalerhöhung oder Ausscheiden aus der Gesellschaft vornehmen. Es entspricht aber, jedenfalls im Hinblick auf die AG, ständiger Rechtsprechung des BGH, dass eine Kapitalherabsetzung auf Null zulässig ist, wenn sie mit einer Kapitalerhöhung verbunden wird, die mindestens den Mindestnennbetrag des Grundkapitals wieder erreicht.487 Diese für das Aktienrecht aufgestellten Grundsätze können nach allgemeiner Ansicht auf die vereinfachte Kapitalherabsetzung bei einer GmbH übertragen werden.488 Es muss bei der Durchführung der Kapitalerhöhung aber grundsätzlich allen Gesellschaftern die Möglichkeit eröffnet werden, weiterhin Mitglied der Gesellschaft zu bleiben.489 Den Gesellschaftern steht bei Wiedererhöhung des Kapitals grundsätzlich das gesetzliche Bezugsrecht gemäß § 186 Abs. 1 S. 1 AktG (für die GmbH nach überwiegender Ansicht in analoger Anwendung)490 zu.491 Ein vollständiger Ausschluss des Bezugsrechts, der ein zwangsläufiges Ausscheiden sämtlicher Gesellschafter nach sich zieht, ist daher nur in Ausnahmefällen zulässig.492 487

BGHZ 119, 305 (319 f.) („Klöckner“); BGH ZIP 1999, 1444 (1445) („Hilgers“). Vgl. etwa Schnorbus, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Komm. GmbHG, § 58a, Rn. 15; Priester, in: Scholz, Komm. GmbHG, Bd. 3, § 58a, Rn. 41; Priester, DNotZ 2003, 592 (594); Zöllner/Haas, in: Baumbach/Hueck, Komm. GmbHG, § 58a, Rn. 35; Gummert, in: Henssler/ Strohn, GesR, § 58a GmbHG, Rn. 14; Waldner, in: Michalski, Komm. GmbHG, Bd. 2, § 58a, Rn. 19. 489 BGH ZIP 1999, 1444 (1445); Priester, in: Scholz, Komm. GmbHG, Bd. 3, § 58a, Rn. 41; Marsch-Barner, in: Spindler/Stilz, Bd. 2, § 228, Rn. 6. 490 So etwa Priester, in: Scholz, Komm. GmbHG, Bd. 3, § 55, Rn. 42; Lieder, in: MüKo GmbHG, Bd. 3, § 55, Rn. 70; Zöllner/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Komm. GmbHG, § 55, Rn. 20; Hermanns, in: Michalski, Komm. GmbHG, Bd. 2, § 55, Rn. 39; Schnorbus, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Komm. GmbHG, § 55, Rn. 41 f.; a.A. Ulmer, in: Großkomm. GmbHG, Bd. 3, § 55, Rn. 45, 51 ff.; Roth/Altmeppen, Komm. GmbHG, § 55, Rn. 20; offenlassend BGH NZG 2005, 551 (552). 491 Vgl. etwa Krieger, ZGR 2000, 885 (898); Marsch-Barner, in: Spindler/Stilz, Bd. 2, § 228, Rn. 6. 492 So Marsch-Barner, in: Spindler/Stilz, Bd. 2, § 228, Rn. 6; Krieger, ZGR 2000, 885 (899 f.); Priester, DNotZ 2003, 592 (598); Oechsler, in: MüKo AktG, Bd. 4, § 228, Rn. 5; Reger/Stenzel, NZG 2009, 1210 (1211); weniger strikt offenbar Zöllner/Haas, in: Baumbach/ 488

III. Sanierungsmaßnahmen und Zustimmungspflichten der Gesellschafter

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Denn der durch die Kombination von Kapitalherabsetzung und Kapitalerhöhung intendierte Schutz der Minderheitsgesellschafter würde regelmäßig ins Leere laufen, wenn die Altgesellschafter ebenso regelmäßig von der Teilnahme an der Kapitalerhöhung ausgeschlossen werden könnten.493 Ein vollständiger Bezugsrechtsausschluss soll daher nur zulässig sein, wenn (i) eine andere Alternative sicher ausscheidet, d. h. eine Durchführung der Kapitalerhöhung etwa durch Beiträge der Altgesellschafter nicht möglich ist, (ii) die erfolgreiche Sanierung bei Ausschluss des Bezugsrechts gewährleistet ist und (iii) die völlige Wertlosigkeit der bestehenden Beteiligungen zweifelsfrei feststeht.494 Im Einzelfall kann sich auch bei einer Kapitalherabsetzung auf Null und einer anschließenden Kapitalerhöhung eine Pflicht der Gesellschafter ergeben, den notwendigen Beschlüssen zuzustimmen. Diesbezüglich ist auf die bereits herausgearbeiteten Grundsätze sowie (modifizierend) auf die vom BGH in der vielbeachteten sog. „Sanieren oder Ausscheiden“ Entscheidung vom 19. Oktober 2009495 aufgestellten Voraussetzungen, unter denen sanierungsunwillige Gesellschafter einer Personengesellschaft bei Nichtteilnahme an einer Kapitalerhöhung ausscheiden müssen, abzustellen.496 Der BGH entschied in diesem Urteil, dass die Treuepflicht die Gesellschafter zwar nicht zu Nachschüssen verpflichte, von ihnen aber verlangt werden könne, eine sinnvolle und von der Mehrheit getragene Sanierung nicht aus eigennützigen Gründen zu blockieren, wenn schützenswerte Belange des einzelnen Gesellschafters nicht entgegenstehen.497 Diese Feststellungen fügen sich in die Hueck, Komm. GmbHG, § 58a, Rn. 35, die auf die zum regulären Bezugsrechtsausschluss entwickelten Regeln verweisen. 493 Oechsler, in: MüKo AktG, Bd. 4, § 228, Rn. 5. 494 So etwa Krieger, ZGR 2000, 885 (899 f.); Priester, DNotZ 2003, 592 (598); Priester, DNotZ 2003, 592 (598); Lutter, in: Kölner Komm. AktG, Bd. 5/1, § 228, Rn. 12. 495 BGHZ 183, 1 ff. Auf die teilweise als „Sanieren oder Ausscheiden II“ genannte Entscheidung BGH ZIP 2011, 768 ff. wird im Folgenden nicht weiter eingegangen, da diese Entscheidung eine Sonderkonstellation betrifft und für den Fortgang der Arbeit nur am Rande relevant ist. Der BGH bestätigte hierin die in „Sanieren oder Ausscheiden“ aufgestellten Grundsätze, verneinte aber das Bestehen einer Treuepflicht für die sanierungsunwilligen Gesellschafter zur Zustimmung einer nachträglich eingeführten Ausscheidensregelung, weil der ursprüngliche Gesellschaftsvertrag bereits eine Regelung dergestalt enthielt, dass die nicht an einer Kapitalerhöhung teilnehmenden Gesellschafter lediglich eine „Verringerung ihrer Beteiligungsquoten“ hinnehmen müssen. Diese Entscheidung wird überwiegend als Abgrenzung zur „Sanieren oder Ausscheiden“ Entscheidung gesehen (so etwa Vetter, in: MüKo GmbHG, Bd. 3, Vor. § 58, Rn. 74; Schneider, NZG 2011, 575 (577); weitergehend aber Schöne, ZIP 2015, 501 (503), der hierin eine Abkehr von der „Sanieren oder Ausscheiden“ Entscheidung sieht.). 496 Vgl. etwa Lieder, in: MüKo GmbHG, Bd. 3, § 55, Rn. 33b; Vetter, in: MüKo GmbHG, Bd. 3, Vor. § 58, Rn. 74 ff.; Priester, ZIP 2010, 497 (499 ff.); Bacina/Redeker, DB 2010, 996 (1000 ff.); Ulrich, GmbHR 2010, 36 (36 f.); Nentwig, GmbHR 2012, 664 (665 ff.); Brand, KTS 2011, 481 (488 ff.). 497 Vgl. hierzu auch Schäfer, in: FS Ganter, S. 33 (40); Schäfer, in: FS Hommelhoff, S. 939 (943), der der Entscheidung des BGH zwar zustimmt, allerdings auf eine Ausschließung aus wichtigem Grund abstellen möchte. Vgl. zustimmend im Hinblick auf die Zustimmungspflicht aber Schäfer, ZGR 2013, 237 (261).

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C. Sanierungsbeiträge der Gesellschafter

ständige Rechtsprechung des BGH ein und bestätigen die insbesondere in der Girmes-Entscheidung aufgestellten Voraussetzungen einer Zustimmungspflicht. Die Entscheidung entwickelt die Voraussetzungen zur Treuepflicht im Personengesellschaftsrecht jedoch dahingehend weiter, dass der BGH entgegen den Vorinstanzen die Änderung des Gesellschaftsvertrags, derzufolge die nicht an der Kapitalerhöhung teilnehmenden Gesellschafter aus der Gesellschaft ausscheiden mussten, für wirksam hielt. Die durch die Einfügung dieser Ausscheidensklausel vorgenommene Änderung des Gesellschaftsvertrages bedurfte der Zustimmung der ausgeschiedenen Gesellschafter.498 Der BGH ging hier jedoch davon aus, dass die dissentierenden Gesellschafter der Änderung des Gesellschaftsvertrages treuwidrig nicht zugestimmt haben und ihre Zustimmung daher fingiert werden könne. Dies sei zwar nur in Ausnahmefällen zulässig, gelte aber jedenfalls dann, wenn die Änderung des Gesellschaftsvertrags dringend erforderlich sei und keine schutzwürdigen Belange der dissentierenden Gesellschafter entgegenstünden. Denn den sanierungsbereiten Gesellschaftern sei es regelmäßig nicht zuzumuten, dass die sanierungsunwilligen Gesellschafter sich einerseits nicht an einer Kapitalerhöhung beteiligen, andererseits aber in der Gesellschaft verbleiben und damit an einem möglichen Sanierungserfolg in der Zukunft partizipieren möchten. Diese Ausführungen des BGH zur Satzungsänderung sind aus Sicht des Verfassers auf Grund der strukturellen Unterschiede zwischen Personen- und Kapitalgesellschaften zwar nur bedingt auf das Kapitalgesellschaftsrecht übertragbar, da die Mitgliedschaft in einer Kapitalgesellschaft zwingend an die Beteiligung am Grund- oder Stammkapital gekoppelt ist: Wenn bei einer AG oder GmbH das Grund- oder Stammkapital gemäß § 228 AktG bzw. § 58a Abs. 4 GmbHG auf Null herabgesetzt und gleichzeitig eine effektive Kapitalerhöhung auf den Mindestbetrag beschlossen wird, scheiden die nicht an der Kapitalerhöhung teilnehmenden Gesellschafter demnach automatisch aus der Gesellschaft aus.499 Im Personengesellschaftsrecht kann ein Gesellschafter demgegenüber auch ohne Kapitalanteil Mitglied des gesamthänderisch strukturierten Personenverbandes sein.500 Abgesehen von diesen strukturellen Unterschieden ist im Lichte dieser Entscheidung aber davon auszugehen, dass insbesondere die vom BGH gemachten Ausführungen zur Interessenabwägung zwischen den sanierungswilligen und dissentierenden Gesellschaftern auf die Kapitalgesellschaften übertragen werden können501 und daher insbesondere auch das Interesse der Gesellschaftermehrheit, 498

Vgl. hierzu BGHZ 170, 283 (286 f.); BGHZ 179, 13 (20 f.); Roth, in: Baumbach/Hopt, Komm. HGB, § 119, Rn. 36 ff. 499 Priester, ZIP 2010, 487 (500). 500 Allg. Meinung, vgl. etwa Priester, in: MüKo HGB, Bd. 2, § 120, Rn. 91; Roth, in: Baumbach/Hopt, Komm. HGB, § 120, Rn. 23; Priester, ZIP 2010, 497 (500). 501 Für eine Übertragbarkeit grundsätzlich auch Segmiller, Kapitalmaßnahmen, S. 125 ff.; Priester, ZIP 2010, 497 (500 f.); Bacina/Redeker, DB 2010, 996 (998 ff.); Ulrich, GmbHR 2010, 36 (37); Schmidt, in: FS Goette, S. 459 (468); Lieder, in: MüKo GmbHG, Bd. 3, § 55, Rn. 33c; Vetter, in: MüKo GmbHG, Bd. 3, Vor. § 58, Rn. 75; einschränkend für die AG Brand, KTS 2011, 481 (485 ff.); skeptisch Weitnauer, GWR 2011, 209 (209), der bei den Kapitalgesellschaften jedenfalls keinen „Trittbrettfahrerbonus“ sieht; ablehnend Nentwig, GmbHR 2012,

III. Sanierungsmaßnahmen und Zustimmungspflichten der Gesellschafter

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dissentierende Gesellschafter nicht an einem möglichen Sanierungserfolg teilhaben zu lassen, im Einzelfall berücksichtigungsfähig ist. Diesbezüglich sind die widerstreitenden Interessen im Personen- und Kapitalgesellschaftsrecht ähnlich.502 Auch muss in der Interessenabwägung berücksichtigt werden, dass der BGH in der „Sanieren oder Ausscheiden“ Entscheidung bei der Publikumspersonengesellschaft sogar ein mit beträchtlichen Kosten verbundenes Ausscheiden für zumutbar erachtet hat, so dass in einem Umkehrschluss geschlussfolgert werden kann, ein unentgeltliches Ausscheiden ohne weitere Zahlungsverpflichtungen aus einer Kapitalgesellschaft erst recht zu befürworten, wenn die Gesellschaft sanierungsfähig ist und die Kapitalherabsetzung auf Null und die anschließende Kapitalerhöhung verhältnismäßig sind.503 Nach alledem muss das Interesse der dissentierenden Gesellschafter an einem Verbleib in der Gesellschaft zurücktreten, wenn die vollständige Kapitalherabsetzung und anschließende Kapitalerhöhung für den Bestandserhalt eines sanierungsfähigen Unternehmens sowie die aus dem Gesellschaftsinteresse resultierende Verfolgung des Gesellschaftszwecks erforderlich ist, d. h. kein milderes Sanierungsinstrument zur Verfügung steht, und den sanierungsunwilligen Gesellschaftern das Ausscheiden auch zumutbar ist, weil sie hierdurch wirtschaftlich nicht schlechter gestellt werden. Im Rahmen der notwendigen Interessenabwägung ist zu berücksichtigen, dass die Anteile der Gesellschafter im unmittelbaren Vorfeld der Insolvenz wertlos sind und es den sanierungsbereiten – und insofern risikobereiten – Gesellschaftern aus diesem Grund unter Umständen nicht zumutbar ist, dass die dissentierenden Gesellschafter trotz Wertlosigkeit ihrer Anteile vor der Kapitalerhöhung von eventuellen Sanierungserfolgen zu einem späteren Zeitpunkt ebenfalls profitieren können, ohne einen eigenen Beitrag hierzu geleistet zu haben. Wer sich an einer notwendigen Sanierung nicht beteiligt, entscheidet sich damit für die Auflösung und Liquidation der Gesellschaft und muss sich an dieser Entscheidung grundsätzlich auch festhalten lassen. Ein Ausscheiden aus der Gesellschaft kann daher im Einzelfall angemessen sein. Dies gilt jedenfalls dann, wenn allein die Vermögensinteressen der Gesellschafter betroffen sind, kann aber nach vertretener Ansicht in der Literatur anders zu beurteilen sein, wenn mit der Mitgliedschaft die 664 (669), der eine Zustimmungspflicht u. U. ebenfalls bejaht, aber ausschließlich auf die in der Girmes-Entscheidung entwickelten Grundsätze abstellen will. 502 Bei den Personengesellschaften wirken sich die in diesem Zusammenhang häufig als „Trittbrettfahrerbonus“ bezeichneten Vorteile jedoch stärker aus: Sowohl bei einer Personenals auch einer Kapitalgesellschaft können in der Gesellschaft verbleibende Gesellschafter an zukünftigen Gewinnen – durch Verwässerung ihrer Anteile in verminderter Form – teilhaben. Insoweit ist die Interessenlage bei Personen- und Kapitalgesellschaften zunächst gleich. Bei einer Personengesellschaft wirkt sich der „Trittbrettfahrerbonus“ aber auch im Falle eines Scheiterns der Sanierung aus, weil die sanierungsunwilligen Gesellschafter bei einem Scheitern der Sanierung nur noch mit ihrer marginalisierten Quote für die vor dem Sanierungsbeschluss begründeten Gesellschaftsverbindlichkeiten zur Ausfallhaftung gemäß § 735 herangezogen werden können. 503 So auch Vetter, in: MüKo GmbHG, Bd. 3, Vor. § 58, Rn. 75.

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C. Sanierungsbeiträge der Gesellschafter

berufliche Existenz des Gesellschafters verbunden ist oder es sich um eine Familiengesellschaft handelt.504 Berücksichtigungsfähig kann insoweit auch sein, dass ein Gesellschafter zwar bereit ist, einen Sanierungsbeitrag zu leisten, hierzu finanziell jedoch nicht in der Lage ist.505 In solchen Konstellationen können die sanierungswilligen Gesellschafter im Gegenzug sogar auf Grund ihrer Treuepflicht auch verpflichtet sein, auf einen Ausschluss zu verzichten.506 d) Sonderkonstellation 2: Debt-Equity Swap Eine Kapitalerhöhung kann auch zur Ermöglichung eines sog. Debt-Equity Swaps erforderlich sein, um die Umwandlung von Fremd- in Eigenkapital eines oder mehrerer Gläubiger zu ermöglichen und so die Finanzlage der Gesellschaft zu verbessern.507 Zwar werden bei einem Debt-Equity Swap, bei dem Gläubiger ihre Forderungen gegenüber der Gesellschaft vollständig oder teilweise als Sacheinlage einbringen, keine neuen Finanzmittel zur Verfügung gestellt, jedoch wird die Eigenkapitalquote erhöht, so dass eine eventuelle Überschuldung beseitigt oder gemindert werden kann.508 Zur Beseitigung einer Unterbilanz wird auch die Sachkapitalerhöhung zur Ermöglichung eines Debt-Equity Swaps häufig in Kombination mit einer vereinfachten Kapitalherabsetzung durchgeführt.509 Insoweit kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden. Des Weiteren wirkt sich die Reduzierung des zinstragenden Fremdkapitals positiv auf die zukünftige Ertragskraft des Unternehmens aus.510 aa) Vor- und Nachteile des Debt-Equity Swap in der Sanierungssituation Die Durchführung eines Debt-Equity Swaps zur Sanierung notleidender Unternehmen kann für sämtliche Beteiligte Vorteile bieten, aber auch Nachteile und Risiken mit sich bringen. Ausreichend besicherte Gläubiger, allen voran also die finanzierenden Banken, stehen der Durchführung eines Debt-Equity Swaps häufig skeptisch gegenüber, weil sie einen Totalausfall ihrer Investition riskieren, wenn die angestrebte Sanierung scheitert. Denn auf die ursprünglich bestehenden Sicherheiten können die Gläubiger 504 Vgl. etwa Priester, ZIP 2010, 497 (501); Lieder, in: MüKo GmbHG, Bd. 3, § 55, Rn. 33b. 505 Vgl. hierzu Schöne, ZIP 2015, 501 (502), der eine Unterteilung in „zahlungsfähige, aber zahlungsunwillige“ und „zahlungswillige, aber zahlungsunfähige“ Gesellschafter vornimmt. 506 Priester, ZIP 2010, 497 (501 f.). 507 Vgl. zum Debt-Equity Swap ausführlich Ekkenga, ZGR 2009, 581 ff.; Schmidt/Schlitt, Der Konzern 2009, 279 ff.; Redeker, BB 2007, 673 ff. 508 Knecht/Haghani, in: Buth/Hermanns, Restrukturierung, § 18, Rn. 45. 509 Schlitt/Ries, in: Theiselmann: Praxishandbuch Restrukturierungsrecht, S. 415. 510 Knecht/Haghani, in: Buth/Hermanns, Restrukturierung, § 18, Rn. 45; Schmidt/Schlitt, Der Konzern 2009, 279 (280); Redeker, BB 2007, 673 (674).

III. Sanierungsmaßnahmen und Zustimmungspflichten der Gesellschafter

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nicht mehr zugreifen, weil diese auf Grund des Akzessorietätsprinzips bei der Umwandlung der Forderungen in Eigenkapital entfallen sind.511 Im Insolvenzfall sind sie demgegenüber gemäß §§ 49 – 51 InsO absonderungsberechtigt, d. h. ihnen steht ein Anspruch auf vorzugsweise Befriedigung des Gläubigeranspruchs aus einem zur Masse gehörigen Gegenstand zu.512 Daher kann die Durchführung eines Debt-Equity Swaps insbesondere für die ungesicherten Gläubiger die Chance bieten, keinen (Total)-ausfall ihrer Forderungen hinnehmen zu müssen, sondern im Gegenteil durch Beteiligung am Schuldnerunternehmen von einer erfolgreichen Sanierung zu profitieren.513 Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Fortführungswert der Gesellschaft vermutlich höher ist als ihr Zerschlagungswert.514 Von einer erfolgreichen Sanierung können sie dann unter Umständen doppelt profitieren: Sie partizipieren einerseits an der Steigerung des Unternehmenswerts und können andererseits Forderungen, die sie im Rahmen des Debt-Equity Swaps nicht eingebracht haben, in Höhe ihres Nennwerts realisieren.515 Andererseits bestehen für die Gläubiger auch zum Teil nicht unerhebliche Risiken, die von einem möglichen Totalausfall des nunmehr lediglich Residualberechtigten (§ 199 InsO) bis hin zur Nachrangigkeit etwaiger Restforderungen oder dem Risiko der Differenzhaftung, sofern der Wert der eingebrachten Forderungen nicht dem Erhöhungsbetrag der Kapitalerhöhung entspricht, reichen können.516 Darüber hinaus können sich Ausschüttungssperren ergeben, wenn die Sachkapitalerhöhung mit einer vereinfachten Kapitalherabsetzung verbunden wurde.517 Auch für die Altgesellschafter kann die Durchführung eines Debt-Equity Swaps mit Vorteilen verbunden sein, weil auch sie – trotz Verwässerung ihrer Anteile – von einer möglichen Sanierung wirtschaftlich profitieren können. Diesem möglichen wirtschaftlichen Vorteil steht allerdings eine geringere Möglichkeit zur rechtlichen Einflussnahme auf die Geschicke der Gesellschaft gegenüber, was jedenfalls bei Gesellschaften mit kleinem Gesellschafterkreis für die Altgesellschafter häufig nur schwer zu akzeptieren ist. Andererseits wird die Entscheidungsfreiheit der bisherigen Gesellschafter auch im Insolvenzfall regelmäßig eingeschränkt, so dass der Machtverlust der Gesellschafter bei Durchführung eines Debt-Equity Swaps in einem vorinsolvenzlichen Sanierungsverfahren angesichts der Alternativen nicht überbewertet werden darf. Weiter kann durch eine Kombination von Sachkapitalund Barkapitalerhöhung, an der sich auch die Altgesellschafter beteiligen können, 511

Schlitt/Ries, in: Theiselmann: Praxishandbuch Restrukturierungsrecht, S. 406. Brinkmann, in: Uhlenbruck, Komm. InsO, § 49, Rn. 1. 513 Knecht/Haghani, in: Buth/Hermanns, Restrukturierung, § 18, Rn. 45; Häfele, Treuepflichten, S. 28. 514 Redeker, BB 2007, 673 (673). 515 Nerlich/Rhode, in: Nerlich/Kreplin, § 4, Rn. 249; Schmidt/Schlitt, Der Konzern 2009, 279 (280). 516 Schmidt/Schlitt, Der Konzern 2009, 279 (280); Burkert, Debt-to-Equity Swap, S. 24; Drouven/Nobiling, DB 2009, 1895 (1895); Redeker, BB 2007, 673 (673, 676). 517 Vgl. dazu bereits Gliederungspunkt C.III.2.a)aa). 512

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C. Sanierungsbeiträge der Gesellschafter

einer Verwässerung der Anteile und damit dem drohenden Machtverlust der Altgesellschafter unter Umständen begegnet werden. Darüber hinaus können auch die Altgesellschafter ein Interesse an der Abwendung der Insolvenz haben, um einen Reputationsverlust der Gesellschaft zu vermeiden. Jedenfalls bei kleineren Kapitalgesellschaften ist dieser Aspekt häufig relevant, da eine Insolvenz der Gesellschaft automatisch auch mit den hinter ihr stehenden Gesellschaftern assoziiert würde.518 bb) Rechtliche Umsetzung Debt-Equity Swap Ein Debt-Equity Swap wird zwingend durch eine Sachkapitalerhöhung gemäß § 183 AktG bzw. § 56 GmbHG umgesetzt, d. h. ein Gläubiger bringt ihm zustehende Forderungen als Sacheinlage in die Gesellschaft ein. Die Leistung der Sacheinlage erfolgt entweder im Wege des Erlasses (§ 399 BGB) oder durch Abtretung an die Gesellschaft, so dass die Verbindlichkeit der Gesellschaft durch Konfusion erlischt.519 Davon abweichende rechtliche Gestaltungen, insbesondere die Einbringung einer Bareinlage, bergen demgegenüber das Risiko, als verdeckte Sacheinlage eingestuft zu werden und scheiden damit aus.520 (1) Forderungen gegen Gesellschaft als Einlagegegenstand und Bewertung Es ist allgemein anerkannt, dass eine Forderung gegen die Gesellschaft als Sachleinlage gemäß § 27 AktG bzw. § 5 Abs. 4 GmbHG eingebracht werden kann.521 Dies kann auch Forderungen von Gesellschaftern umfassen.522 Umstritten ist allerdings, ob die Forderungen zum Nennwert523 oder – so die überwiegende Ansicht in Rechtsprechung und Literatur – nur zu ihrem objektiven Wert, ermittelt insbesondere unter Berücksichtigung der Bonität der Gesellschaft,524 518

So auch Schlitt/Ries, in: Theiselmann, Praxishandbuch Restrukturierungsrecht, S. 407. BGHZ 110, 47 (60); Servatius, in: Spindler/Stilz, Bd. 2, § 183, Rn. 12; Vetter, in: MüKo GmbHG, Bd. 3, Vor. § 58, Rn. 86. 520 Schlitt/Ries, in: Theiselmann, Praxishandbuch Restrukturierungsrecht, S. 410. 521 BGHZ 15, 52 (60); BGHZ 90, 370 (374); BGHZ 110, 47 (60); BGHZ 125, 141 (149 f.); Ekkenga, ZGR 2009, 581 (589); Servatius, in: Spindler/Stilz, Bd. 2, § 183, Rn. 12; v. Dryander/ Niggemann, in: Hölters, Komm. AktG, § 183, Rn. 5, 19; Pentz, in: MüKo AktG, Bd. 1, § 27, Rn. 29; Zöllner/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Komm. GmbHG, § 56, Rn. 7; Hermanns, in: Michalski, Komm. GmbHG, Bd. 2, § 56, Rn. 41, 43. 522 Ekkenga, ZGR 2009, 581 (591); Priester, DB 2010, 1445 (1448); Wirsch, NZG 2010, 1131 (1132); Lieder, in: MüKo GmbHG, Bd. 3, § 56 Rn. 20. 523 So Gessler, in: FS Möhring, S. 173 (191 ff.); Karollus, ZIP 1994, 589 (595 ff.); Krolop, GmbHR 2007, 117 (119 ff.); Meilicke, DB 1989, 1067 (1074); Spliedt, GmbHR 2012, 462 (464); Cahn/Simon/Theiselmann, DB 2010, 1629 ff.; Cahn/Simon/Theiselmann, DB 2012, 501 ff.; Wansleben, WM 2012, 2083 ff.; Schwandtner, in: MüKo GmbHG, Bd. 1, § 5, Rn. 127 f.; Maier-Reimer, VGR Jahrestagung 2011, Bd. 17 (2012), 107 (122); in diese Richtung tendierend auch Scholz, in: Mü Hdb GesR, Bd. 4, § 57, Rn. 86. 524 BGHZ 110, 47 (61); BGHZ 113, 335 (341 f.); BGH NZG 2002, 1172 (1174); Priester, DB 2010, 1445 ff.; Ekkenga, ZGR 2009, 581 (599); Ekkenga, DB 2012, 331 ff.; Vaupel/Reers, 519

III. Sanierungsmaßnahmen und Zustimmungspflichten der Gesellschafter

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eingebracht werden können.525 Nach der letztgenannten Ansicht sind Forderungen nur dann mit ihrem Nennwert einzubringen, wenn sie vollwertig sind, d. h. das Vermögen der Gesellschaft sämtliche fälligen Verbindlichkeiten der Höhe nach deckt.526 Da dies im unmittelbaren Vorfeld der Insolvenz jedoch selten der Fall ist, muss regelmäßig ein der Wertminderung entsprechender Abschlag von ihrem Nennwert vorgenommen werden.527 Dies ist durch eine Werthaltigkeitsprüfung festzustellen. Eine Werthaltigkeitsprüfung ist nach Ansicht der Vertreter der Nennwertthese demgegenüber entbehrlich. Bei der AG müssen die §§ 183 Abs. 3, 183a AktG bei Durchführung eines Debt-Equity Swap demnach teleologisch reduziert werden,528 bei der GmbH ist nach überwiegender Ansicht ein Sacheinlagebericht bei der Sachkapitalerhöhung nicht zwingend notwendig.529 Eines der zentralen Argumente der Vertreter, die eine Einbringung der Forderungen zum Nennwert zulassen wollen, geht dahin, dass die Einbringung der Forderungen einen reinen Passivtausch bedeute und daher keine Benachteiligung der Altgesellschafter und Gläubiger bedinge.530 Dies ist, da die Inferenten durch Umwandlung ihrer Forderungen in Eigenkapital zu Residualberechtigten gemäß § 199 InsO werden und damit im Insolvenzfall weniger Gläubiger um die vorhandenen Vermögenswerte konkurrieren, im Hinblick auf die bestehenden Gläubiger zunächst zutreffend. Ihre Befriedigungschancen verbessern sich durch Wegfall eines Gläubigers sogar. Für zukünftige Gläubiger stellt sich dies jedoch anders dar. Denn diese gingen bei Abstellen auf die Nennwertthese von einem Verlustdeckungspotenzial aus, das tatsächlich gar nicht vorhanden wäre.531 Eine Offenlegung der FordeAG 2010, 93 (99); Schmidt/Schlitt, Der Konzern 2009, 279 (282); Schmidt, ZGR 2012, 566 (573); Seibert, in: FS Schwark, S. 261 (264); Fanke, Debt-Equity Swaps, S. 89 ff., 103; v. Dryander/Niggemann, in: Hölters, Komm. AktG, § 183, Rn. 19; Hüffer/Koch, Komm. AktG, § 27, Rn. 17; Lutter, in: Kölner Komm. AktG, Bd. 5/1, § 183, Rn. 30; Pentz, in: MüKo AktG, Bd. 1, § 27, Rn. 29; Röhricht, in: Großkomm. AktG, Bd. 1, § 27, Rn. 81; Schmidt, in: Schmidt/ Uhlenbruck, Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, Rn. 2.223; Veil, in: Scholz, Komm. GmbHG, Bd. 1, § 5, Rn. 46; Zöllner/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Komm. GmbHG, § 56, Rn. 7; Zeidler, in: Michalski, Komm. GmbHG, Bd. 1, § 5, Rn. 91. 525 Der Streitstand soll nachfolgend nur verkürzt wiedergegeben werden, vgl. zu einer ausführlichen Aufbereitung insbesondere Franke, Debt-Equity Swaps, S. 89 ff.; Häfele, Treuepflicht, S. 55 ff.; Burkert, Debt-to-Equity Swap, S. 107 ff. 526 Vgl. etwa BGHZ 90, 370 (373 f.); Röhricht, in: Großkomm. AktG, Bd. 1, § 27, Rn. 81. 527 So etwa Seibert, in: FS Schwark, S. 261 (264). 528 Vgl. etwa Cahn/Simon/Theiselmann, DB 2010, 1629 (1632). 529 Vgl. etwa Zöllner/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Komm. GmbHG, § 56, Rn. 17; Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, Komm. GmbHG, § 56, Rn. 7; Lieder, in: MüKo GmbHG, Bd. 3, § 56, Rn. 3, 111 f.; Hermanns, in: Michalski, Komm. GmbHG, § 56, Rn. 64; a.A. Priester, in: Scholz, Komm. GmbHG, Bd. 3, § 56, Rn. 38 f.; gleichwohl wird auch bei der GmbH in der Praxis regelmäßig ein Sacheinlagebericht eingeholt, um sich vor dem Vorwurf einer Differenzhaftung zu schützen. 530 Vgl. etwa Cahn/Simon/Theiselmann, DB 2012, 501 (502 ff.); Karollus, ZIP 1994, 589 (595). 531 Priester, DB 2010, 1445 (1449).

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rungsumwandlung – wie von den Vertretern der Nennwertthese vorgeschlagen – ist nicht ausreichend.532 Denn trotz Offenlegung, zu denken ist beispielsweise an einen Sanierungsvermerk im Handelsregister,533 könnte nicht festgestellt werden, ob und in welcher Höhe die eingebrachten Forderungen werthaltig waren.534 Auch im Hinblick auf den notwendigen Schutz der Altgesellschafter erscheint eine Einbringung zum Nennbetrag nicht angemessen. Denn die durch den Debt-Equity Swap erlangten Gesellschafterrechte sind im Ausgangspunkt auf den Nominalbetrag der übernommenen Einlagen bezogen.535 Die ehemaligen Gläubiger würden auf diese Weise volles Stimm- und Dividendenrecht erhalten und die Mitgliedschaftsrechte der Altgesellschafter auf diese Weise verwässern.536 Für die Nennwertthese kann auch nicht angeführt werden, dass man nicht auf die Sicht der Zeichner der neuen Anteile abstellen dürfe, sondern lediglich die Gesellschaft bzw. die Frage, welchen Wert eine Forderung in der Hand der Gesellschaft hat, in den Blick nehmen müsse.537 Zwar wird die einzubringende Forderung in der Bilanz der Gesellschaft mit ihrem Nennwert bilanziert, jedoch würde diese Auslegung nicht dem Zweck effektiver Kapitalaufbringung gerecht.538 Ein Gesellschafter wird nur dann von seiner Einlagepflicht frei, wenn er eine vollwertige (Sach-)einlage erbringt. Die Argumente der Vertreter der Nennwertthese sind aus Sicht des Verfassers daher nicht stichhaltig und können den Anforderungen an die reale Kapitalaufbringung der Gesellschaft nicht genügen. (2) Beschlussfassung und weiterer Ablauf Die Sachkapitalerhöhung kann grundsätzlich sowohl im Rahmen einer ordentlichen Kapitalerhöhung oder unter Ausnutzung eines genehmigten Kapitals gemäß §§ 202 ff. AktG bzw. § 55a GmbHG durchgeführt werden. Zwar stellt, wie bereits in Gliederungspunkt C.III.2.b)bb) erläutert wurde, die Ausnutzung eines genehmigten Kapitals den effektiveren und aus Sicht der Geschäftsleitung vorzugwürdigeren Weg zur Erhöhung des Kapitals dar, im Falle eines Debt-Equity Swaps wird dies aber häufig nicht funktionieren, weil erstens das mögliche Höchstvolumen des genehmigten Kapitals – 50 % des Grund- bzw. Stammkapitals – nicht ausreicht, um die für die Durchführung des Debt-Equity Swaps notwendige Anzahl neuer Aktien bzw. Geschäftsanteile zu schaffen und zweitens die Geschäftsleitung bei dem Beschluss 532

So auch etwa Priester, DB 2010, 1445 (1449). So Müssigbrodt, BB 1982, 338 (341). 534 Vgl. etwa Franke, Debt-Equity Swaps, S. 102 f. 535 Servatius, in: Spindler/Stilz, Bd. 2, § 183, Rn. 12. 536 Vgl. etwa Servatius, in: Spindler/Stilz, Bd. 2, § 183, Rn. 12; Priester, DB 2010, 1445 (1450). 537 So insbesondere Karollus, ZIP 1994, 589 (595). 538 Vgl. etwa Veil, in: Scholz, Komm. GmbH, Bd. 1, § 5, Rn. 46; Röhricht, in: Großkomm. AktG, Bd. 1, § 27, Rn. 81. 533

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der Haupt- oder Gesellschafterversammlung über die Schaffung des genehmigten Kapitals ausdrücklich ermächtigt worden sein müsste, das Bezugsrecht für den Fall auszuschließen, dass einer oder mehrere Gläubiger ihre Forderungen gegen die Gesellschaft in diese einlegen.539 Regelmäßig wird zur Umsetzung eines Debt-Equity Swaps daher eine ordentliche Kapitalerhöhung durchgeführt. In dem Beschluss der Haupt- bzw. Gesellschafterversammlung muss, unter anderem, auch das Bezugsrecht der Altgesellschafter ausgeschlossen werden, um die Einbringung der Forderungen als Sacheinlage durch die Gläubiger zu ermöglichen. Für den Ausschluss des Bezugsrechts beim Debt-Equity Swap gelten keine Besonderheiten. Demnach ist der Ausschluss des Bezugsrechts sachlich gerechtfertigt, wenn dies im Interesse der Gesellschaft liegt und zur Erreichung des beabsichtigten Zwecks geeignet, erforderlich und angemessen ist.540 Die Verhältnismäßigkeit des Bezugsrechtsausschlusses wird in der Literatur überwiegend verneint, wenn die zur Tilgung der Forderungen erforderlichen Mittel auch im Rahmen einer Barkapitalerhöhung unter Teilnahme der Altgesellschafter aufgebracht werden könnten.541 Anderenfalls wird der Bezugsrechtsausschluss grundsätzlich als zulässig erachtet. Dies gilt auch, wenn die Altgesellschafter zu einem Beitrag im Rahmen einer Barkapitalerhöhung nicht bereit sind. Diese Auslegung wird teilweise aber als zu strikt angesehen.542 Hiernach soll es für den Bezugsrechtsausschluss regelmäßig ausreichend sein, wenn ein nachvollziehbares Interesse der Gesellschaft am Erwerb der Sache besteht. Auf eine parallele Barkapitalerhöhung müsse die Gesellschaft nur dann verwiesen werden, wenn durch den Bezugsrechtsausschluss ein Abhängigkeitsverhältnis droht oder Minderheitsquoten verloren gehen. Um dem Vorwurf eines unzulässigen Ausschlusses des Bezugsrechts bereits im Vorfeld entgegen zu treten und somit die Anfechtungsrisiken zu reduzieren, kann die notwendige Sachkapitalerhöhung jedenfalls mit einer Barkapitalerhöhung mit Bezugsrecht der Altgesellschafter kombiniert werden.543 Durch eine solche gemischte Bar-/Sachkapitalerhöhung können auch die Belastungen der Altgesellschafter, die durch die Verwässerung ihrer Anteile entstehen, abgemildert werden. Im Anschluss an den mit qualifizierter Mehrheit der Haupt- oder Gesellschafterversammlung gefassten Beschluss über die Erhöhung des Grund- oder Stammkapitals schließen der Übernehmer der Aktien bzw. Geschäftsanteile und die Gesellschaft regelmäßig einen Zeichnungs- oder Übernahmevertrag, in dem sie den Gegenstand der Sacheinlage im Einzelnen konkretisieren und die näheren Modali-

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Schlitt/Ries, in: Theiselmann, Praxishandbuch Restrukturierungsrecht, S. 410. Lutter, in: Kölner Komm. AktG, Bd. 5/1, § 186, Rn. 61 ff.; Redeker, BB 2007, 673 (675). 541 Hüffer/Koch, Komm. AktG, § 186, Rn. 35; Schmidt/Schlitt, Der Konzern 2009, 279 (281); Wiedemann, in: Großkomm. AktG, Bd. 6, § 186, Rn. 169; Lutter, in: Kölner Komm. AktG, Bd. 5/1, § 186, Rn. 80; Liebert, Bezugsrechtsausschluss, S. 134. 542 Vgl. insbesondere Krieger/Kraft, in: Mü Hdb GesR, Bd. 4, § 56, Rn. 85. 543 Schlitt/Ries, in: Theiselmann, Praxishandbuch Restrukturierungsrecht, S. 412. 540

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täten der Einbringung regeln.544 Bei der AG ist für den Übernahmevertrag grundsätzlich keine Form vorgeschrieben, sofern in dem Vertrag keine formbedürftigen Verpflichtungen unmittelbar begründet werden (z. B. nach § 311b Abs. 1 BGB).545 Der Zeichner der Aktien erklärt seine Übernahmeerklärung gemäß § 185 Abs. 1 S. 1 AktG schriftlich, die Gesellschaft kann die Annahme formfrei erklären.546 Bei der GmbH sind demgegenüber die notwendigen Formerfordernisse zu beachten, d. h. die Übernahmeerklärung des Übernehmers ist mindestens zu beglaubigen.547 Die Erklärung der Gesellschaft kann formfrei, d. h. auch konkludent, erfolgen.548 Mit Abschluss des Einbringungsvertrages entsteht die Einlagepflicht des Übernehmers.549 Die Sacheinlage ist anschließend vor Anmeldung der Kapitalerhöhung zum Handelsregister gemäß §§ 188 Abs. 2 S. 1, 36a Abs. 2 S. 1 AktG bzw. §§ 56a, 7 Abs. 3 GmbHG vollständig zu erbringen.550 Die Befreiung der Gesellschaft von der bestehenden Verbindlichkeit kann durch Abschluss eines Erlassvertrages gemäß § 397 BGB zwischen Gläubiger und Gesellschaft oder Abtretung der Forderung an die Gesellschaft gemäß § 398 BGB mit der Folge des Erlöschens durch Konfusion herbeigeführt werden.551 Mit Eintragung der Kapitalerhöhung in das Handelsregister wird die Kapitalerhöhung wirksam und der Übernehmer erwirbt die neuen Aktien bzw. Geschäftsanteile.552

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Vgl. zu einem Muster eines solchen Einbringungsvertrags für die AG etwa Happ/ Herchen, in: Happ, Aktienrecht, Abschn. 12.02 lit. f); für die GmbH vgl. zur Formulierung bei der GmbH etwa Heidenhain/Hasselmann, Mü Vertr Hdb, Bd. 1, IV.88. 545 Wiedemann, in: Großkomm. AktG, Bd. 6, § 185, Rn. 14; Kley, RNotZ 2003, 17 (29). 546 Hüffer/Koch, Komm. AktG, § 185, Rn. 23; Servatius, in: Spindler/Stilz, Bd. 2, § 185, Rn. 23. 547 Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Komm. GmbHG, § 55, Rn. 34. 548 Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Komm. GmbHG, § 55, Rn. 34. 549 Zöllner/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Komm. GmbHG, § 55 Rn. 51; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Komm. GmbHG, § 55 Rn. 40. 550 Bei der AG ist dies auf Grund des missverständlichen Wortlauts des § 36 Abs. 2 S. 2 AktG umstritten, nach vorzugswürdiger Ansicht ist der Ausnahmetatbestand des § 36 Abs. 2 S. 2 AktG jedoch auf die Einbringung von Forderungen gegen Dritte zu beschränken, so dass Erfüllungsgeschäfte auch bei der AG grundsätzlich vor Anmeldung der Sachgründung zum Handelsregister vollzogen sein müssen, vgl. etwa Döbereiner, in: Spindler/Stilz, Bd. 1, § 36a, Rn. 10; Kraft, in: Kölner Komm. AktG, Bd. 1, § 36a, Rn. 9 ff.; Mayer, ZHR 154 (1990), 535 (542 ff.); a.A. Hüffer/Koch, Komm. AktG, § 36a, Rn. 4; Kleindiek, in: Schmidt/Lutter, Komm. GmbHG, § 36a, Rn. 5; Hoffmann-Becking, in: Mü Hdb GesR, Bd. 4, § 4, Rn. 28; Röhricht, in: Großkomm. AktG, Bd. 1, § 36a, Rn. 6 ff. Nach dieser Ansicht kann für durch dingliche Übertragungsgeschäfte zu bewirkende Sacheinlageverpflichtungen eine Frist von bis zu fünf Jahren nach Eintragung der Gesellschaft bzw. der Kapitalerhöhung eingeräumt werden. 551 BGHZ 110, 47 (60); Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Komm. GmbHG, § 56, Rn. 12; Vetter, in: MüKo GmbHG, Bd. 3, Vor. § 58, Rn. 86; Schmidt/Schlitt, Der Konzern 2009, 279 (282). 552 Bei der GmbH hat die Handelsregistereintragung konstitutive Wirkung, weil es sich bei der Kapitalerhöhung um eine Satzungsänderung i.S.d. § 53 GmbHG handelt, vgl. OLG Düsseldorf GmbHR 2000, 569 (569); Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff; Komm. GmbHG, § 55

III. Sanierungsmaßnahmen und Zustimmungspflichten der Gesellschafter

123

cc) Zustimmungspflicht der Altgesellschafter Auch bei einem Debt-Equity Swap können die Gesellschafter auf Grund der ihnen obliegenden Treuepflicht verpflichtet sein, dem Sachkapitalerhöhungsbeschluss zuzustimmen. Ein Debt-Equity Swap ist durch die Erhöhung der Eigenkapitalquote und den damit verbundenen Effekt der Verringerung oder Beseitigung einer eventuellen Überschuldung der Gesellschaft geeignet, zu einer Stabilisierung der Gesellschaft in einer Sanierungssituation beizutragen. Darüber hinaus ist zu beachten, dass durch den Debt-Equity Swap Forderungen erlöschen und damit Aktiva frei werden, die bisher durch Passiva neutralisiert wurden.553 Durch die Möglichkeit der Besicherung dieser Vermögenswerte steigt wiederum die Kreditwürdigkeit des betroffenen Unternehmens.554 Ein Debt-Equity Swap wird häufig als ultima ratio in Betracht gezogen, wenn andere Sanierungsmaßnahmen bereits gescheitert sind. Ist die Gesellschaft bereits überschuldet oder gar zahlungsunfähig, bleibt Gesellschaftern und Gläubigern nur ein kurzer Zeitraum, um der Gesellschaft neue Finanzmittel zuzuführen und damit die Insolvenz abzuwenden. Wenn die Gesellschafter hierzu finanziell nicht in der Lage oder willens sind, kann ein Debt-Equity Swap, die Bereitschaft einzelner Gläubiger vorausgesetzt, zur Rettung des betroffenen Unternehmens erforderlich sein. Bei einem Bezugsrechtsausschluss und der damit verbundenen zwangsweisen Verwässerung der Anteile der Altgesellschafter sind insoweit aber erhöhte Anforderungen im Einzelfall zu stellen.555 Durch eine gemischte Bar-/Sachkapitalerhöhung kann hier unter Umständen gegengesteuert werden. Die Durchführung der Maßnahme ist den Altgesellschafter in einer solchen Situation auch regelmäßig zuzumuten, weil ihre Anteile ohnehin im unmittelbaren Vorfeld der Insolvenz wertlos sind.

3. Zustimmungspflicht bei der Übertragung vinkulierter Geschäftsanteile Die Frage, ob sich in der Sanierungssituation eine Zustimmungspflicht der Gesellschafter ergeben kann, wenn ein Mitgesellschafter vinkulierte Namensaktien oder Geschäftsanteile verkaufen möchte, ist in der Literatur bisher nur vereinzelt behandelt worden.556 Eine solche Konstellation ist insbesondere denkbar, wenn einer oder mehrere Gesellschafter, unter Umständen auch der Mehrheitsgesellschafter, sich an einer notwendigen Sanierung der Gesellschaft nicht mehr beteiligen können oder möchten, ihre Anteile aber an einen sanierungswilligen Investor oder Treuhänder verkaufen können. Rn. 42; bei der AG ergibt sich die konstitutive Wirkung unmittelbar aus dem Wortlaut des § 189 AktG, vgl. Hüffer/Koch, Komm. AktG, § 189, Rn. 3. 553 Röhricht, in: Großkomm. AktG, Bd. 1, § 27, Rn. 80; Redeker, BB 2007, 673 (674). 554 Redeker, BB 2007, 673 (674). 555 Zu den Voraussetzungen, unter den denen ein Bezugsrechtsausschluss möglich ist vgl. bereits Gliederungspunkt C.III.2.c). 556 Vgl. Lutter, AG 1992, 369 (374); Kunze, Stimmpflichten, S. 200 ff.

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C. Sanierungsbeiträge der Gesellschafter

a) Vinkulierung von Namensaktien und Geschäftsanteilen Grundsätzlich sind Aktien einer AG und Geschäftsanteile einer GmbH frei übertragbar, ohne dass eine Übertragung der Zustimmung der übrigen Anteilsinhaber bedürfte.557 Bei Namensaktien558 und Geschäftsanteilen kann die freie Übertragbarkeit jedoch gemäß § 68 Abs. 2 AktG bzw. § 15 Abs. 5 GmbHG durch eine Vinkulierung in der Satzung der Gesellschaft eingeschränkt und von der Zustimmung der Gesellschaft oder anderer Organe der Gesellschaft abhängig gemacht werden. Die Gesellschafter können dann in besonderer Weise an die Gesellschaft gebunden sein. Hintergrund für die Implementierung einer Vinkulierungsklausel in der Satzung der Gesellschaft, die verschiedene Formen aufweisen kann, ist die Kontrollmöglichkeit über den Kreis der Anteilsinhaber, insbesondere zum Schutz vor Überfremdung oder zur Aufrechterhaltung der bestehenden Beteiligungsquoten.559 Auch der Schutz vor einer Übernahme durch Wettbewerber kann ein Motiv für die Vinkulierung der Anteile sein.560 Bei der AG entscheidet im Falle einer avisierten Veräußerung vinkulierter Namensaktien gemäß § 68 Abs. 2 S. 2 AktG grundsätzlich der Vorstand über die Zustimmung zu einer Abtretung561 der Namensaktien, jedoch kann diese Befugnis zur Erteilung der Zustimmung gemäß § 68 Abs. 2 S. 3 AktG auch auf den Aufsichtsrat oder die Hauptversammlung übertragen werden.562 Im Außenverhältnis gibt jedoch auch bei einer Übertragung der Zuständigkeit auf den Aufsichtsrat oder die Hauptversammlung der Vorstand die notwendigen Willenserklärungen ab.563 Des Weiteren ist in der Literatur umstritten, ob sich auf Grund der sog. „Holzmüller-Entscheidung“ des BGH564 eine zwingende Zuständigkeit der Hauptver557

Vgl. etwa BGH ZIP 2004, 2093 (2094); Hüffer/Koch, Komm. AktG, § 68, Rn. 10; Reichert/Weller, in: MüKo GmbHG, Bd. 1, § 15, Rn. 358. 558 Bei Inhaberaktien ist eine Vinkulierung nicht möglich, wie sich aus dem eindeutigen Wortlaut des § 68 Abs. 2 AktG ergibt; abweichende Satzungsbestimmungen wären gemäß § 241 Nr. 3 AktG nichtig; vgl. Lutter/Drygala, in: Kölner Komm. AktG, Bd. 1, Anh. § 68, Rn. 6. 559 Vgl. etwa Bayer, in: MüKo AktG, Bd. 1, § 68, Rn. 37. 560 Reichert/Weller, in: MüKo GmbHG, Bd. 1, § 15, Rn. 359. 561 Die Satzung kann nicht die schuldrechtliche Verpflichtung des jeweiligen Anteilsinhabers einschränken, d. h. die Vinkulierung bezieht sich jeweils nur auf das dingliche Erfüllungsgeschäft, vgl. hierzu Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Komm. GmbHG, § 15, Rn. 37; Bayer, in: MüKo AktG, Bd. 1, § 68, Rn. 38. 562 Die Hauptversammlung ist auch dann nicht zwingend zuständig, wenn die AG durch die Übertragung vom Erwerber abhängig wird, vgl. Sailer-Coceani, in: Mü Hdb GesR, Bd. 4, § 14, Rn. 25; Cahn, in: Spindler/Stilz, Bd. 1, § 68, Rn. 50. 563 Lange, in: Henssler/Strohn, GesR, § 68 AktG, Rn. 9. 564 BGHZ 83, 122 ff. („Holzmüller-Entscheidung“). Nach der sog. Holzmüller-Doktrin bedürfen Geschäftsführungsmaßnahmen der Zustimmung der Hauptversammlung, wenn sie tief in das Mitgliedschaftsrecht der Aktionäre eingreifen. Dies hat der BGH in der HolzmüllerEntscheidung bejaht, da der wertvollste Betriebsteil des Unternehmens auf eine selbstständige Tochtergesellschaft ausgegliedert werden sollte.

III. Sanierungsmaßnahmen und Zustimmungspflichten der Gesellschafter

125

sammlung ergibt, wenn die Übertragung der Aktien zu einer wesentlichen Strukturveränderung führt.565 Nach befürwortender Ansicht soll dies jedenfalls gelten, wenn es sich um eine erstmalige Überschreitung bestimmter Stimmrechtsschwellen, d. h. Sperrminorität, einfache oder qualifizierte Mehrheit, handelt. Angesichts dieses Streitstandes kann eine zwingende gesetzliche Zuständigkeit der Hauptversammlung jedenfalls nicht gänzlich ausgeschlossen werden. Im GmbHG ist nicht gesondert geregelt, wer für die Erteilung der „Genehmigung der Gesellschaft“ zuständig ist. Sofern die Satzung keine abweichende Regelung trifft,566 sind die Geschäftsführer in vertretungsberechtigter Zahl im Außenverhältnis zur Zustimmung über die Abtretung vinkulierter Geschäftsanteile befugt, bedürfen jedoch, wie sich aus der Parallele zu § 46 Nr. 4 GmbHG ergibt, im Innenverhältnis eines zustimmenden Beschlusses der Gesellschafterversammlung.567 Diese entscheidet hierüber gemäß § 47 Abs. 1 GmbHG grundsätzlich mit der einfachen Mehrheit der abgegebenen Stimmen. In der Satzung können jedoch striktere Voraussetzungen aufgestellt und auch die Notwendigkeit der Zustimmung sämtlicher Gesellschafter festgelegt werden.568 b) Zustimmungspflicht Hinsichtlich der Zustimmungspflicht zur Abtretung vinkulierter Anteile können sich rechtsformspezifische Unterschiede ergeben. Die nachfolgenden Ausführungen sind für die AG nur relevant, sofern die Entscheidungsbefugnis über die Erteilung der Zustimmung zur Übertragung vinkulierter Namensaktien gemäß § 68 Abs. 2 S. 3 AktG auf die Hauptversammlung übertragen wurde oder eine zwingende gesetzliche Zustimmungspflicht im Einzelfall befürwortet wird. Die Aktionäre, sofern ihnen die Entscheidungsgewalt durch Zuweisung oder zwingend obliegt, und die Gesellschafter der GmbH müssen sich bei der Abstimmung über die Erteilung der Zustimmung zur Abtretung vinkulierter Namensaktien bzw. Geschäftsanteile inhaltlich an den Vorgaben der Satzung orientieren oder, sofern die Satzung diesbezüglich keine Vorgaben enthält, nach pflichtgemäßem 565 So Schmidt, in: FS Beusch, S. 759 (768 ff.); Bayer, in: MüKo AktG, Bd. 1, § 68, Rn. 64; Merkt, in: Großkomm. AktG, Bd. 2, § 68, Rn. 368; Bayer, in: FS Hüffer, S. 35 (40 ff.); Lutter/ Drygala, in: Kölner Komm. AktG, Bd. 1, § 68, Rn. 68, 81; Lutter, AG 1992, 369 (374); a.A. Cahn, in: Spindler/Stilz, Bd. 1, § 68, Rn. 50; Sailer-Coceani, in: Mü Hdb GesR, Bd. 4, § 14, Rn. 25; Hüffer/Koch, Komm. AktG, § 68, Rn. 15; Bezzenberger, in: Schmidt/Lutter, Komm. AktG, Bd. 1, § 68 Rn. 28; Immenga, BB 1992, 2446 (2447). 566 Zu Gestaltungsmöglichkeiten und Abgrenzungs- und Auslegungsfragen vgl. Seibt, in: Scholz, Komm. GmbHG, § 15, Rn. 122 ff. 567 BGH GmbHR 1988, 260 (261); Görner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Komm. GmbHG, § 15, RN. 182; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Komm. GmbHG, § 15, Rn. 77; Seibt, in: Scholz, Komm. GmbHG, Bd. 1, § 15, Rn. 123; Reichert/Weller, in: MüKo GmbHG, Bd. 1, § 15, Rn. 421. 568 Vgl. Seibt, in: Scholz, Komm. GmbHG, Bd. 1, § 15, Rn. 126.

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C. Sanierungsbeiträge der Gesellschafter

Ermessen569 unter Berücksichtigung der Gesellschaftsinteressen und dem Anliegen des übertragungswilligen Anteilsinhabers über die Erteilung der Zustimmung entscheiden.570 Bei einer Versagung der Zustimmung sind nicht etwa lediglich die Privatinteressen des veräußerungswilligen Gesellschafters betroffen, sondern vielmehr seine mitgliedschaftlichen Interessen am Veräußerungserlös der Aktie bzw. des Geschäftsanteils.571 Damit sind die Treuepflicht und das aus ihr folgende Rücksichtnahmegebot zwischen den Gesellschaftern angesprochen.572 Nicht einheitlich geklärt ist aber die Gewichtung der widerstreitenden Interessen. Teilweise wird aus der Aufnahme einer Vinkulierungsklausel in die Satzung ein „Überwiegen des Vinkulierungsinteresses“ geschlussfolgert,573 teilweise wird argumentiert, die Zustimmung zur Veräußerung sei nur zu versagen, wenn dies zur Erreichung und Bewahrung der genannten Interessen erforderlich und überdies verhältnismäßig ist.574 Unabhängig von dieser unterschiedlichen Gewichtung der relevanten Interessen können sich die Anforderungen an die zu treffende Ermessensentscheidung durch die Bindung der Gesellschafter an die Treuepflicht und dem sich daraus ableitenden Rücksichtnahmegebot mit fortschreitendem Verlauf der Krise der Gesellschaft wandeln.575 Darüber hinaus kann die Übertragung der Anteile an einen neuen Investor oder Treuhänder im Einzelfall für die Fortdauer des Unternehmens elementar sein und daher auch im Interesse der Gesellschaft liegen.576 In einer Sanierungssituation kann sich die pflichtgemäße Ermessensentscheidung der Gesell569

Überholt erscheint die früher vertretene Ansicht, wonach über die Zustimmung oder Verweigerung nach freiem Ermessen entschieden werden könne und allein durch Rechtsmissbrauch (§ 226 BGB), Treu und Glauben (§ 242 BGB) und Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB) begrenzt sei, vgl. etwa RGZ 132, 149, 154 ff.; OLG Düsseldorf GmbHR 1964, 250 (251); Ulmer, in: FS Schmidt-Rimpler, S. 261 (266). Karsten Schmidt geht in GmbHR 2011, 1289 (1293) zwar von einer freien Ermessensentscheidung aus, begrenzt diese aber ebenfalls durch die Treuepflicht. 570 Vgl. etwa Lange, in: Henssler/Strohn, GesR, § 68 AktG, Rn. 9; Görner, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Komm. GmbHG, § 15, Rn. 189; Reichert/Winter, in: FS 100 Jahre GmbHG, S. 209 (217, 221 ff.); Reichert, GmbHR 2012, 713 (720); Seibt, in: Scholz, Komm. GmbHG, Bd. 1, § 15, Rn. 127; Ebbing, in: Michalski, Komm. GmbHG, Bd. 1, § 15, Rn. 155; Blasche, RNotZ 2013, 515 (529). 571 Reichert, Zustimmungserfordernis, S. 227. 572 Vgl. etwa Reichert, Zustimmungserfordernis, S. 227; Blasche, RNotZ 2013, 515 (529); Seibt, in: Scholz, Komm. GmbHG, Bd. 1, § 15, Rn. 127; Jasper, in: Mü Hdb GesR, Bd. 3, § 24, Rn. 199. 573 So Reichert/Weller, in: MüKo GmbHG, Bd. 1, § 15, Rn. 412; Reichert, in: FS 100 Jahre GmbHG, S. 209 (222). 574 OLG Hamm NJW-RR 2001, 109 (111); Verse, in: Henssler/Strohn, GesR, § 15 GmbHG, Rn. 96; Völker, Vinkulierung, S. 200 ff., 204; wohl auch Schmidt, GmbHR 2011, 1289 (1296). 575 Zur Treuepflicht als Schranke des Zustimmungsermessens OLG Hamm NJW-RR 2001, 109 (111); Reichert, Zustimmungserfordernis, S. 224 ff.; Reichert/Winter, in: FS 100 Jahre GmbHG, S. 209 (221 ff.); Assmann/Sethe, in: FS Zöllner, S. 3 (28 ff.); Reichert/Weller, in: MüKo GmbHG, Bd. 1, § 15, Rn. 411; Brandes, in: Bork/Schäfer, Komm. GmbHG, § 15, Rn. 15; Roth/Altmeppen, Komm. GmbHG, § 15, Rn. 104. 576 Reichert/Weller, in: MüKo GmbHG, Bd. 1, § 15, Rn. 403; Lutter, AG 1992, 369 (374).

III. Sanierungsmaßnahmen und Zustimmungspflichten der Gesellschafter

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schafter zur Übertragung vinkulierter Anteile daher zu einer Zustimmungspflicht der Gesellschafter, d. h. einer aktiven Förderpflicht, verstärken, sofern die Gesellschaft sanierungsfähig ist und der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gewahrt wird.577 Diesbezüglich kann grundsätzlich auf die obigen Ausführungen verwiesen werden. 4. Pflicht zur Übertragung des eigenen Anteils Wie bereits in Gliederungspunkt 2.c) gezeigt wurde, ist es unter engen Voraussetzungen im Rahmen einer Kapitalherabsetzung auf Null und einer anschließenden Kapitalerhöhung möglich, dass ein Gesellschafter, der sich nicht an der Kapitalerhöhung beteiligt, aus der Gesellschaft ausscheiden muss. Unter diesem Gesichtspunkt erscheint es naheliegend, dass ein Gesellschafter in Ausnahmefällen grundsätzlich auch verpflichtet sein kann, einen in seinem Eigentum stehenden Anteil an der Gesellschaft an einen Dritten oder einen Mitgesellschafter zu verkaufen und abzutreten, wenn nur dadurch die Sanierung der Gesellschaft ermöglicht werden kann.578 Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn ein übernahmebereiter Dritter nur an einer Übernahme sämtlicher Anteile interessiert ist. Dies kann aber auch bei Treuhandkonstellationen relevant sein, in denen die finanzierenden Banken, wie in der Einleitung zu dieser Arbeit bereits angeführt wurde, zur Ermöglichung einer Sanierung häufig auf eine Vereinfachung der gesellschaftsrechtlichen Eigentümerstruktur des in die Krise geratenen Unternehmens drängen, um Entscheidungsprozesse innerhalb des Kreises der Anteilsinhaber zukünftig zu vereinfachen und das Blockadepotenzial der Anteilsinhaber zu minimieren. Es stellt sich in einen solchen Konstellation auch die Frage, ob die Kooperationspflicht zur Ermöglichung der Sanierung der Gesellschaft soweit gehen kann, dass ein Gesellschafter sogar seine eigenen Anteile zur Ermöglichung einer Sanierung der Gesellschaft an einen Dritten verkaufen und abtreten muss. In der Rechtsprechungspraxis war – soweit ersichtlich – bisher lediglich das OLG Köln mit einer solchen Konstellation befasst und hat in seiner Entscheidung aus dem Jahre 1999 Voraussetzungen entwickelt, unter denen die Pflicht des GmbH-Gesellschafters bestehen kann, seinen Geschäftsanteil im unmittelbaren Vorfeld der Insolvenz des Unternehmens zu verkaufen und zu übertragen.579 Hierzu zählen insbesondere die Sanierungsfähigkeit der Gesellschaft sowie das Fehlen berechtigter

577 I. E. ebenfalls (allerdings ohne spezielle Bezugnahme auf die Sanierungssituation) BGH NJW 1987, 1019 (1020); Merkt, in: MüKo GmbHG, Bd. 1, § 13, Rn. 119; Reichert/Weller, in: MüKo GmbHG, Bd. 1, § 15, Rn. 411 ff.; Seibt, in: Scholz, Komm. GmbHG, Bd. 1, § 14 Rn. 58; a.A. Kunze, Stimmpflichten, S. 202, der davon ausgeht, dass die Anforderungen an positive Stimmpflichten bei Gesellschafterbeschlüssen zur Übertragung vinkulierter Anteile sehr hoch seien und es kaum Konstellationen gebe, in denen sie einmal erfüllt seien. 578 So i.E. ebenfalls Michalski/Funke, in: Michalski, Komm. GmbHG, Bd. 1, § 13, Rn. 192; Merkt, in: MüKo GmbHG, Bd. 1, § 13, Rn. 158. 579 OLG Köln, NZG 1999, 1166 ff.

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C. Sanierungsbeiträge der Gesellschafter

Interessen der veräußerungsverpflichteten Gesellschafter an der Verweigerung der Übertragung ihrer Geschäftsanteile. Der Entscheidung des OLG Köln lag eine Konstellation zugrunde, in der der Mehrheitsgesellschafter einer GmbH, der 65 % der Geschäftsanteile an der Gesellschaft hielt, in der Vergangenheit hohe persönliche Sicherheiten für Bankdarlehen der Gesellschaft gewährt hatte. In der Folge geriet die Gesellschaft in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Eine dritte Partei war in dieser Situation bereit, sämtliche Geschäftsanteile der Gesellschaft zu einem symbolischen Kaufpreis in Höhe von EUR 1 zu erwerben. Zusätzlich sollte der Mehrheitsgesellschafter der Käuferin ein verzinsliches Darlehen gewähren. Die beiden Minderheitsgesellschafter, die gemeinsam 35 % der Geschäftsanteile hielten, stimmten einem Verkauf ihrer Geschäftsanteile nicht zu, so dass über das Vermögen der Gesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Die Besonderheit des Urteils des OLG Köln liegt hierbei in der Tatsache, dass der Mehrheitsgesellschafter bei einem erfolgreichen Verkauf der Geschäftsanteile einerseits keine Inanspruchnahme durch die Gläubiger auf Grund der von ihm gewährten persönlichen Sicherheiten mehr zu befürchten gehabt hätte und er andererseits der Gesellschaft ein verzinsliches Darlehen gewähren sollte. Für den Mehrheitsgesellschafter wäre ein Verkauf der Geschäftsanteile also in finanzieller Hinsicht positiv gewesen, während der Verkauf für die beiden Minderheitsgesellschafter lediglich nicht nachteilig gewesen wäre, da ihre Geschäftsanteile wertlos waren und sie weder bei einem Verkauf noch im Insolvenzfall einen Gegenwert hierfür erhielten. Das OLG Köln hielt – unter expliziter Bezugnahme auf einen Aufsatz von Lutter580 – die Forderung der Minderheitsgesellschafter, an dem finanziellen Vorteil des Mehrheitsgesellschafters zu partizipieren, für gerechtfertigt. Der zu erlangende Vorteil der Minderheitsgesellschafter sei, so Lutter, jedoch auf die Höhe der eigenen, ursprünglichen Investitionshöhe begrenzt.581 Konkret hätte der Mehrheitsgesellschafter hiernach ein Zahlungsangebot – maximal in Höhe ihres Gesamtinvestments – an die Minderheitsgesellschafter unterbreiten müssen. Diesen Ausführungen ist vor dem Hintergrund des konkreten, vom OLG Köln zu entscheidenden Falles deshalb zuzustimmen, weil durch die Gewährung eines verzinslichen Darlehens lediglich der Mehrheitsgesellschafter – neben der Befreiung der von ihm gestellten Sicherheiten – einen weiteren Vorteil durch den Verkauf und die Abtretung der Geschäftsanteile erhalten sollte. Losgelöst von den Details des Einzelfalls erscheinen die Ausführungen des OLG Köln sowie Lutters aus Sicht des Verfassers demgegenüber nicht zwingend. In anderen Konstellationen ist durchaus denkbar, eine Pflicht zur Veräußerung von Geschäftsanteilen auf Grund der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht zu bejahen. Dies wird schon deutlich, wenn man die Gewährung des zusätzlichen Darlehens einmal ausblendet. Schließlich hatte in der Vergangenheit lediglich der Mehrheitsgesellschafter persönliche Sicherheiten 580 581

Vgl. Lutter, ZHR 162 (1998), 164 (170 f.). Lutter, ZHR 162 (1998), 164 (170).

III. Sanierungsmaßnahmen und Zustimmungspflichten der Gesellschafter

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gestellt und damit als einziger Gesellschafter zusätzliche Risiken getragen. Für ihn stand daher, anders als für die übrigen Gesellschafter, auch in negativer Hinsicht viel auf dem Spiel. Unterstellt, die Gesellschaft hätte ohne Stellung der persönlichen Sicherheiten des Mehrheitsgesellschafters bereits zu einem früheren Zeitpunkt Insolvenz anmelden müssen: Hätten die Minderheitsgesellschafter in einer solchen Konstellation, d. h. wenn der Mehrheitsgesellschafter in diesem hypothetischen Geschehensablauf keine weiteren Sicherheiten gestellt hätte, ihre Anteile verkaufen müssen? Dies erscheint bei Zugrundelegung der vom OLG Köln aufgestellten Anforderungen nicht ausgeschlossen. Dann würde ein Gesellschafter für einen vorhergehenden Rettungsversuch aber unter Umständen im Nachgang bestraft, während die anderen Gesellschafter von dem Rettungsversuch gegebenenfalls profitieren würden Denn sämtliche Gesellschafter müssten ihre Anteile unter Umständen für EUR 1 verkaufen, wenn zuvor keine Sanierungsmaßnahmen durchgeführt wurden, während sie unter Umständen einen besseren Verkaufspreis erzielen könnten, wenn andere Gesellschafter zuvor Sanierungsbeiträge geleistet haben und durch nachfolgenden Verkauf der Geschäftsanteile Vorteile – wie hier die Befreiung von Verbindlichkeiten – erzielen können. Dies wäre ersichtlich nicht sachgerecht. Im Folgenden soll gezeigt werden, dass sich unter Zugrundelegung der von der Rechtsprechung und Literatur herausgearbeiteten Voraussetzungen zur positiven Stimmpflicht auch bei einer zwangsweisen Abtretung von Aktien oder Geschäftsanteilen sachgerechte Ergebnisse erzielen lassen. Zunächst ist die Schutzrichtung der Abtretungsverpflichtung zu klären. Das sich aus den mitgliedschaftlichen Interessen der Gesellschafter ableitende Interesse am Bestandserhalt der Gesellschaft war in dem vom OLG Köln zu entscheidenden Fall nicht einschlägig, da – anders als z. B. in der „Girmes-Entscheidung“ oder der „Sanieren-oder-Ausscheiden Entscheidung“ – sämtliche Gesellschafter aus der Gesellschaft ausscheiden sollten. In anderen Konstellationen, in denen nicht sämtliche Gesellschafter ausscheiden sollen, ist demgegenüber auch bei der Zwangsabtretung von Anteilen regelmäßig das Bestandsinteresse der in der Gesellschaft verbleibenden Gesellschafter betroffen. Im Fall des OLG Köln waren die Minderheitsgesellschafter auch nicht aus der ihnen gegenüber ihrem Mehrheitsgesellschafter obliegenden Treuepflicht zum Verkauf ihrer Anteile verpflichtet, da sie insoweit lediglich ein Rücksichtnahmegebot, nicht aber eine aktive Förderpflicht, die sich in einem Verkauf der Anteile manifestieren würde, trifft. Jedoch kann die Übertragung der Anteile auf einen Dritten im Gesellschaftsinteresse liegen, soweit dies zur Rettung der Gesellschaft und damit zur Verfolgung des Gesellschaftszwecks geboten ist. Die Gesellschafter sind zur Förderung des Gesellschaftszwecks verpflichtet, so dass sich grundsätzlich auch eine Pflicht ergeben kann, die eigenen Anteile zu veräußern und abzutreten, wenn die Gesellschaft sanierungsfähig ist und darüber hinaus die Übertragung der Anteile auf einen Dritten vom Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gedeckt, d. h. geeignet, erforderlich und angemessen, ist. Diesbezüglich kann im Einzelfall grundsätzlich auf die bereits dargestellten Grundsätze zurückgegriffen werden. Allerdings sind – ähnlich wie beim vollständigen Be-

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C. Sanierungsbeiträge der Gesellschafter

zugsrechtsausschluss bei einer Kapitalherabsetzung auf Null und einer anschließenden Kapitalerhöhung – erhöhte Anforderungen an die zwangsweise Abtretung der Anteile zu stellen. Denn genau wie bei einem vollständigen Bezugsrechtsausschluss müssen die Gesellschafter gegen ihren Willen aus der Gesellschaft ausscheiden, so dass die wirtschaftliche Interessenlage identisch ist. Dies gilt insbesondere für die Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme. Neben den vom BGH und der Literatur herausgearbeiteten, im Einzelfall zu gewichtenden Abwägungskriterien besteht eine Pflicht der Gesellschafter zur Übertragung ihrer Anteile auf einen Dritten nur, wenn (i) im Rahmen der Erforderlichkeitsprüfung dargelegt wird, dass eine andere Alternative sicher ausscheidet, d. h. insbesondere eine Übernahme der Anteile durch die Gesellschafter selbst nicht möglich ist, und (ii) die völlige Wertlosigkeit der bestehenden Beteiligungen zweifelsfrei feststeht.582 Insbesondere ist im Rahmen der Erforderlichkeitsprüfung darauf abzustellen, ob die Stellung des Gesellschafters bei Insolvenz schlechter ist als bei Austritt aus der fortbestehenden Gesellschaft. 5. Zustimmungspflicht bei sanierender Verschmelzung Für ein in der Krise befindliches Unternehmen können auch gesellschaftsrechtliche Strukturmaßnahmen im Sinne des § 1 UmwG als Sanierungsmaßnahmen in Betracht kommen, wobei insbesondere der Verschmelzung durch Aufnahme gemäß § 2 Nr. 1 UmwG besondere Bedeutung zukommt.583 a) Hintergrund und Zweck der sanierenden Verschmelzung Die Zulässigkeit der Verschmelzung unter Beteiligung überschuldeter Rechtsträger entspricht mittlerweile einhelliger Auffassung.584 Der Grundgedanke der sanierenden Verschmelzung liegt darin, dass ein überschuldeter Rechtsträger auf einen gesunden Rechtsträger verschmolzen wird, der die Verluste und damit die Überschuldung des übertragenden Rechtsträgers rechnerisch auffangen kann.585 Grundsätzlich ist in §§ 2, 20 Abs. 1 Nr. 3 UmwG jedoch eine Fortdauer der Mitgliedschaft (Mitgliedschaftsperpetuierung) statuiert, d. h. den Anteilsinhabern des übertragenden Rechtsträgers müssen für den Untergang ihrer Mitgliedschaft am übertragenden Rechtsträger wertäquivalente Mitgliedschaftsrechte am übernehmenden Rechtsträ582

Für den vollständigen Bezugsrechtsausschluss werden diese strikten Voraussetzungen z. B. gefordert von Krieger, ZGR 2000, 885 (899 f.); Priester, DNotZ 2003, 592 (598); Priester, DNotZ 2003, 592 (598); Lutter, in: Kölner Komm. AktG, Bd. 5/1, § 228, Rn. 12; vgl. hierzu bereits Gliederungspunkt C.III.2.c). 583 Simon, in: Theiselmann, Praxishandbuch Restrukturierung, S 300. 584 OLG Stuttgart NZG 2006, 159 ff.; Heckschen, ZInsO 2008, 824 (825); Maier-Reimer/ Seulen, in: Semler/Stengel, UmwG, § 120 Rn. 13. 585 Keller/Klett, DB 2010, 1220 (1220); Hermanns, in: Buth/Hermanns, Restrukturierung, § 17, Rn. 25.

III. Sanierungsmaßnahmen und Zustimmungspflichten der Gesellschafter

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ger gewährt werden.586 Bei der Verschmelzung durch Aufnahme ist hierzu regelmäßig die Durchführung einer Kapitalerhöhung bei dem übernehmenden Rechtsträger notwendig.587 Bei der Verschmelzung einer überschuldeten Gesellschaft, deren Vermögen einen negativen Wert aufweist, wäre eine Kapitalerhöhung ohne vorherige Sanierungsmaßnahmen aber nicht möglich, da der Nominalwert der gewährten Anteile durch das übertragene Vermögen gedeckt sein muss.588 Die Möglichkeit einer sanierenden Verschmelzung ergibt sich aber daraus, dass die Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers gemäß §§ 54 Abs. 1 S. 3, 68 Abs. 1 S. 3 UmwG auf eine Anteilsgewährung am übernehmenden Rechtsträger verzichten und dadurch die Verschmelzung eines sanierungsfähigen Geschäftsbetriebs auf ein gesundes Unternehmen ermöglichen können.589 Die abzugebenden Verzichtserklärungen bedürfen der notariellen Beurkundung, können aber im Rahmen des Hauptoder Gesellschafterbeschlusses zur Verschmelzung erteilt werden.590 b) Zustimmungspflicht zur sanierenden Verschmelzung In der Literatur wird, häufig allerdings ohne nähere Begründung, davon ausgegangen, dass sich aus der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht eine positive Zustimmungspflicht der Gesellschafter des übertragenden Rechtsträgers zu einem Verschmelzungsbeschluss ergeben kann.591 Dies soll jedenfalls gelten, wenn die dissentierenden Gesellschafter einen angemessenen Wertausgleich erhalten.592 Dann soll teilweise sogar ein überwiegendes Interesse der Gesellschaft ausreichend sein.593 Darüber hinaus ist jedoch klärungsbedürftig, ob die Gesellschafter des übertragenden Rechtsträgers auch im Rahmen einer sanierenden Verschmelzung zur Zustimmung verpflichtet sein können und inwieweit die Gesellschafter der übernehmenden

586 Vgl. ausführlich Heckschen, DB 2008, 1363 ff.; Heidinger, in: Henssler/Strohn, GesR, § 20 UmwG, Rn. 51 f.; Simon, in: Kölner Komm. UmwG, § 20, Rn. 39, § 2, Rn. 78 ff. 587 Eine Kapitalerhöhung ist dann nicht nötig, wenn die Gesellschaft eigene Anteile hält, vgl. Marsch-Barner, in: Kallmeyer, UmwG, § 2, Rn. 3. 588 Heckschen, DB 2005, 2283 (2285); Keller/Klett, DB 2010, 1220 (1220). 589 Keller/Klett, DB 2010, 1220 (1220); Heckschen, in: Beck’sches Notar-Hdb, Kap. D.IV., Rn. 129. 590 Vgl. Simon, in: Theiselmann, Praxishandbuch Restrukturierungsrecht, S. 304; einschränkend im Hinblick auf die Abgabe im Verschmelzungsbeschluss Winter/Vetter, in: Lutter, UmwG, Bd. 1, § 54, Rn. 87. 591 Vgl. Priester, in: Lutter, UmwG, Bd. 2, § 128, Rn. 19; Engelmeyer, Spaltungen nach UmwR, S. 176; Zimmermann, in: Kallmeyer, UmwG, § 13, Rn. 31; Kallmeyer/Sickinger, in: Kallmeyer, UmwG, § 128, Rn. 6 (zur Spaltung); Simon, in: Kölner Komm. UmwG, § 13, Rn. 98. 592 So explizit Priester, in: Lutter, UmwG, Bd. 2, § 128, Rn. 19; Kallmeyer/Sickinger, in: Kallmeyer, UmwG, § 128, Rn. 6. 593 Priester, in: Lutter, UmwG, Bd. 2, § 128, Rn. 19.

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C. Sanierungsbeiträge der Gesellschafter

Gesellschaft einer Zustimmungspflicht unterliegen können. Diese Fragestellungen sind in der Literatur – soweit ersichtlich – bisher kaum behandelt worden.594 aa) Zustimmungspflicht der Gesellschafter der übertragenden Gesellschaft Sofern die Anteilsinhaber der übertragenden Gesellschaft auf eine Gegenleistung, d. h. auf Beteiligung am übernehmenden Rechtsträger, verzichten sollen, stellt sich die Situation grundsätzlich ähnlich dar wie etwa im Falle des Bezugsrechtsausschlusses bei einem Debt-Equity Swap oder einer zwangsweisen Übertragung der eigenen Anteile an einen Dritten. Denn die Gesellschafter müssen in diesem Fall ebenfalls aus der Gesellschaft ausscheiden und können von einer positiven Entwicklung des in den übernehmenden Rechtsträger eingebrachten Geschäftsbetriebs nicht mehr profitieren. Eine Zustimmungspflicht kann daher nur unter den gleichen engen Voraussetzungen begründet werden.595 Nur wenn und soweit die sanierende Verschmelzung zum Fortbestand des sanierungsfähigen Geschäftsbetriebs unabdingbar ist und die Anteile der Gesellschafter ohnehin bereits wertlos sind, kann sich eine Zustimmungspflicht der Anteilsinhaber ergeben. Allerdings muss man zusätzlich bedenken, dass bei einer Gesellschaft in wirtschaftlichen Schwierigkeiten die Anteile der Gesellschaft regelmäßig mit Rechten Dritter, insbesondere Pfandrechten, belastet sind. Dann ist über den Wortlaut der §§ 54 Abs. 1 S. 3, 68 Abs. 1 S. 3 UmwG hinaus in der Regel eine Verzichtserklärung des berechtigten Dritten erforderlich, wenn für die alten Anteile keine neuen ausgegeben werden.596 Denn ansonsten würde die Regelung des § 20 Abs. 1 Nr. 3 S. 2 UmwG, wonach Rechte Dritter an den Anteilen des übertragenden Rechtsträgers an den an ihre Stelle tretenden Anteilen des übernehmenden Rechtsträgers fortbestehen, ins Leere laufen.597 Solche zusätzlichen Zustimmungserfordernisse könnten im Einzelfall die Umsetzung geplanter Umwandlungsmaßnahmen zusätzlich erschweren oder unmöglich machen.598 Nach anderer Ansicht bedarf es zwar keiner Zustimmungserklärungen, jedoch sollen Dritte, die durch die Verschmelzung den Wegfall ihrer Rechte hinnehmen mussten, Schadensersatzansprüche gegen den übernehmenden Rechtsträger geltend machen können.599

594

Vgl. Kunze, Stimmpflichten, S. 196 ff. Vgl. hierzu bereits Gliederungspunkte C.III.2.d)cc) und C.III.4. 596 Marsch-Barner, in: Kallmeyer, UmwG, § 68, Rn. 16; Simon, in: Theiselmann, Praxishandbuch Restrukturierung, S. 303; Simon, in: Kölner Komm. UmwG, § 68, Rn. 44. 597 Marsch-Barner, in: Kallmeyer, UmwG, § 68, Rn. 16. 598 Auf mögliche Kooperations- und Mitwirkungspflichten der Gläubiger wird in Gliederungspunkt D. detailliert eingegangen. 599 Grunewald, in: Lutter, UmwG, Bd. 1, § 20, Rn. 71; Heidinger, in: Henssler/Strohn, GesR, § 20 UmwG, Rn. 60. 595

III. Sanierungsmaßnahmen und Zustimmungspflichten der Gesellschafter

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bb) Zustimmungspflicht der Gesellschafter der übernehmenden Gesellschaft Bei der übernehmenden Gesellschaft stellt sich die Beurteilung von Zustimmungspflichten anders dar und ist im Ergebnis zu verneinen. Die Gesellschafter der übernehmenden Gesellschaft sind bei einer sanierenden Verschmelzung in ihren Mitgliedschaftsrechten betroffen, weil negative Vermögenswerte auf die übernehmende Gesellschaft übertragen werden.600 Andererseits liegt aber die Durchführung der relevanten Umwandlungsmaßnahme regelmäßig nicht im dringenden Interesse der Gesellschaft, da es für die übernehmende Gesellschaft nicht um die Beantwortung der existenziellen Frage zwischen Fortbestand oder Zerschlagung geht. Angesichts der strengen Voraussetzungen, unter den die Treuepflicht eine Zustimmung der Gesellschafter zu einzelnen Beschlussgegenständen bzw. Sanierungsmaßnahmen gebietet, kann aus Sicht des Verfassers insoweit keine Pflicht der Gesellschafter der übernehmenden Gesellschaft begründet werden, einem entsprechenden Verschmelzungs- oder Spaltungsbeschluss zuzustimmen.601 Als Fazit kann daher festgehalten werden, dass eine sanierende Verschmelzung bereits auf Grund der notwendigen Zustimmungen auf Ebene des übertragenden sowie des übernehmenden Rechtsträgers nur auf einer breiten konsensualen Basis möglich ist. Die Zustimmungspflichten von dinglich besicherten Gläubigern, sofern man ihnen ein Zustimmungsrecht zubilligen will, oder die drohenden Schadensersatzforderungen solcher Gläubiger gegen die übernehmende Gesellschaft können die Durchsetzbarkeit einer sanierenden Verschmelzung zusätzlich erschweren und sorgen dafür, dass sie – anders als insbesondere der Kapitalschnitt – nur unter wesentlich schwierigen Bedingungen gegen den Willen einzelner Gesellschafter mit Sperrminorität durchgesetzt werden können. 6. Weitere Mitwirkungs- und Kooperationspflichten Jenseits möglicher Stimmpflichten bedarf das Zusammenwirken der Gesellschafter noch weiterer Kooperations- und Mitwirkungspflichten der Gesellschafter, die insbesondere in der Krise der Gesellschaft von besonderer Bedeutung sein können. Denn in der Krise der Gesellschaft verdichtet sich die Bindung der Gesellschafter aufgrund der ihnen obliegenden Treuepflicht.602 Den Gesellschaftern obliegen insbesondere weitgehende Aufklärungspflichten gegenüber ihren Mitgesellschaftern.603 Dies wird auf Grund der unterschiedlichen Realstruktur von GmbH und AG häufig nur bei der GmbH zum Tragen kommen, ist 600

Vgl. hierzu etwa Weiler, NZG 2008, 527 (529). A.A. wohl Kunze, Stimmpflichten, S. 199 f. 602 Vgl. etwa Merkt, in: MüKo GmbHG, Bd. 1, § 13, Rn. 15. 603 BGH NZG 2007, 185 ff. (zur GmbH); BGH, NZG 2003, 73 ff. (zur GbR); zustimmend Wagner, EWiR 2007, 201 ff.; kritisch Wackerbarth, GmbHR 2007, 260 (262 f.); Lieder, DZWiR 2007, 292 (294). 601

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C. Sanierungsbeiträge der Gesellschafter

aber nicht hierauf beschränkt.604 Insbesondere bei Aktiengesellschaften, die nur einen kleinen Aktionärskreis haben und in denen die Aktionäre gegebenenfalls auch im Aufsichtsrat oder im Vorstand zusammenarbeiten, können sich daher ebenfalls Informationspflichten ergeben. So müssen Mitgesellschaftern sowohl in der GmbH als auch der AG Informationen zur Verfügung gestellt werden, wenn dies zu deren sachgerechter Interessenwahrnehmung erforderlich ist.605 Dies kann auch die Pflicht des Gesellschafters umfassen, einen Mitgesellschafter über Vorgänge, die dessen Vermögensinteressen berühren und ihm nicht bekannt sein können, vollständig und zutreffend zu informieren.606 Darüber hinaus können die Gesellschafter auf Grund der Treuepflicht dazu verpflichtet sein, ihre eigenen Absichten, Verhältnisse und Interessenkonflikte gegenüber den Organen und Mitgesellschaftern offenzulegen.607

IV. Rechtsfolgen bei Verstoß gegen Treuepflicht In den vorangegangenen Gliederungspunkten wurde dargelegt, dass es in Sanierungsszenarien immer wieder zu Situationen kommen kann, in denen Gesellschafter, die einzeln oder gemeinsam mit anderen Gesellschaftern eine Sperrminorität besitzen, aus eigennützigen Gründen eine sinnvolle und mehrheitlich angestrebte Sanierung verhindern können. Aber auch über die Stimmpflicht zu konkreten Beschlussgegenständen zur Umsetzung von Sanierungsmaßnahmen hinaus können die Gesellschafter ihnen obliegende Kooperations- und Mitwirkungspflichten verletzen und so effektive Sanierungsmaßnahmen behindern. Ein effektiver Rechtsschutz zur Ahndung solcher Treuepflichtverletzungen ist von elementarer Bedeutung, wenn die Treuepflicht bei der Sanierung von Unternehmen unterstützend wirken und nicht zu einem stumpfen Werkzeug verkommen soll. Die sanierungswilligen Gesellschafter müssen sich daher gegen die aus einer Unterlassung oder Handlung resultierende Verletzung einer Treuepflicht durch einen Gesellschafter auf prozessualem Wege zur Wehr setzen können. Die Rechtsfolgen bei einem Verstoß gegen die Treuepflicht sind hierbei von der Art der jeweiligen Maßnahme abhängig.608

604

Vgl. in diese Richtung Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 11, Rn. 52, die darauf hinweisen, dass bei einer AG mit wenigen Aktionären die Lage von vornherein mit der bei einer GmbH im Wesentlichen übereinstimmt. 605 Michalski/Funke, in: Michalski, Komm. GmbHG, Bd. 1, § 13, Rn. 191; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Komm. GmbHG, § 14 Rn 36 f.; Merkt, in: MüKo GmbHG, Bd. 1, § 13, Rn. 170; Wicke, Komm. GmbHG, § 13, Rn. 20. 606 BGH NZG 2007, 185 (186). 607 Vgl. etwa Roth/Altmeppen, Komm. GmbHG, § 13 Rn 51. 608 Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Komm. GmbHG, § 13, Rn. 30; Fleischer, in: Schmidt/ Lutter, Komm. AktG, Bd. 1, § 53, Rn. 62.

IV. Rechtsfolgen bei Verstoß gegen Treuepflicht

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1. Stimmrechtsausübung Die von einem Gesellschafter treuwidrig abgegebene Stimme ist nach überwiegender Ansicht in Rechtsprechung und Literatur nichtig.609 Diese Auffassung ist dahingehend überzeugend, dass jede Rechtsausübung, die gegen Treu und Glauben und erst recht gegen gesteigerte Treubindungen verstößt, rechtsmissbräuchlich ist.610 Darüber hinaus ist jedoch klärungsbedürftig – und in Rechtsprechung und Literatur ebenfalls umstritten – ob der Versammlungsleiter bei der Feststellung des Beschlussergebnisses treuwidrig abgegebene Stimmen unberücksichtigt lassen darf bzw. hierzu unter Umständen sogar verpflichtet ist.611 Eine solche Auffassung liegt – sofern man die Nichtigkeit treuwidrig abgegebener Stimmen bejaht – zunächst nahe, ist aber nicht zwingend. Man könnte argumentieren, dass sich die Aufgabe des Versammlungsleiters darauf beschränke, die Stimmberechtigung der Anwesenden zu prüfen und die abgegebenen Stimmen zu zählen.612 In diesem Zusammenhang sei der Versammlungsleiter zwar verpflichtet, die abgegebenen Stimmen eines nicht stimmberechtigten Gesellschafters im Rahmen der Beschlussfassung unberücksichtigt zu lassen, eine darüber hinausgehende inhaltliche Bewertung des Stimmverhaltens der Gesellschafter und eine Abwägung der widerstreitenden Interessen sei mit dieser Aufgabe jedoch nicht zu vereinbaren und damit den Gerichten vorbehalten.613 Anderseits ist zu bedenken, dass die Feststellung des Stimmrechts im Einzelfall ebenso schwierig sein kann wie die Frage der materiellen Treuwidrigkeit

609 BGHZ 102, 172 (176); BGH ZIP 1991, 23 (24); BGH ZIP 1993, 1228 (1230); OLG Hamburg ZIP 1991, 1430 (1434); OLG Stuttgart NZG 2000, 490 (492); OLG Düsseldorf NZG 2001, 991 (994); ausführlich Zöllner, Stimmrechtsmacht, S. 366 ff.; Bungeroth, in: MüKo AktG, Bd. 1, Vor § 53a, Rn. 44; Hüffer/Koch, Komm. AktG, § 53a, Rn 30; Henze/Notz, in: Großkomm. AktG, Bd. 2, Anh. § 53a, Rn. 128; Fleischer, in: Schmidt/Lutter, Komm. AktG, Bd. 1, § 53, Rn. 62; Schmidt, in: Scholz, Komm. GmbHG, Bd. 2, § 47, Rn. 32; Hüffer/ Schürnbrand, in: Großkomm. GmbHG, Bd. 2, § 47, Rn. 195; Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Komm. GmbHG, § 13, Rn. 30; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, Komm. GmbHG, § 47, Rn. 108; Lutter, ZHR 153 (1989), 446 (458); Beckerhoff, Treupflichten, S. 82 ff.; a.A. Koppensteiner, ZIP 1994, 1325 (1329); Timm, WM 1991, 481 (486); Windbichler, in: Henze/Timm/Westermann, GesR 1995, RWS Forum 8 (1996), 23 (38 f.); Kunze, Stimmpflichten, S. 208; Nehls, Treuepflicht, S. 113. 610 So explizit Zöllner, in: Baumbach/Hueck, Komm. GmbHG, § 47, Rn. 108. 611 So etwa BGHZ 102, 172 (176); BGH ZIP 1991, 23 (24); OLG Hamburg ZIP 1991, 1430 (1432); Zöllner, in: FS Lutter, S. 821 (826); Hüffer/Koch, Komm. AktG, § 130, Rn. 22; Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, Komm. GmbHG, § 58a, Rn. 15b; Stützle/Walgenbach, ZHR 155 (1991), 516 (536); Bungeroth, in: MüKo AktG, Bd. 1, § 53a, Rn. 43; Cahn/v. Spangenberg, in: Spindler/Stilz, AktG, Bd. 1, § 53a, Rn. 56; v. Schorlemer/Stupp, NZI 2003, 345 (353); MarschBarner, ZHR 157 (1993), 172 (189) (einschränkend auf offensichtliche Verstöße). 612 Oelrichs, GmbHR 1995, 863 (866 ff.); Müller, Der Verband in der Insolvenz, S. 342 f.; Kunze, Stimmpflichten, S. 209; skeptisch wohl ebenfalls Schmidt, GmbHR 1992, 9 (13); Häsemeyer, ZHR 160 (1996), 109 (122 f.). 613 Müller, Der Verband in der Insolvenz, S. 342.

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C. Sanierungsbeiträge der Gesellschafter

der Stimmrechtsausübung.614 Auch ist zu berücksichtigen, dass ein Versammlungsleiter angesichts der Haftungsrisiken, die mit einer fehlerhaften Beschlussfeststellung verbunden sind, in der Praxis nur in evidenten Fällen treuwidrig abgegebene Stimmen unberücksichtigt lassen wird.615 Die Argumentation gegen eine Prüfungskompetenz des Versammlungsleiters verfängt unter diesem Aspekt daher nicht. Auch erscheint es in solchen Ausnahmesituationen nicht unangemessen, den dissentierenden Minderheitsgesellschaftern die Anfechtungslast aufzubürden. Es ist, ganz im Gegenteil, als positiv zu werten, dass der Versammlungsleiter die Beschlüsse zur Sanierung von Gesellschaften unter Außerachtlassung treuwidriger Stimmen verbindlich feststellen und dadurch jedenfalls die Initiativlast auf die dissentierenden Gesellschafter verlagern kann.616 Daher ist es sachgerecht, dass der Versammlungsleiter befugt ist, Stimmen, die der Treuepflicht widersprechen, bei der Feststellung des Beschlussergebnisses unberücksichtigt zu lassen. Allerdings wird das zuständige Registergericht in der Praxis in einem solchen Fall häufig die Eintragung der jeweiligen Maßnahme in das Handelsregister verweigern. Im Falle einer Eintragungsverweigerung des Registergerichts oder sofern das Abstimmungsergebnis vom Versammlungsleiter jedoch akzeptiert wurde, stellt sich im Folgeschritt nunmehr die Frage nach Rechtsschutzmöglichkeit der sanierungswilligen Gesellschafter gegen solchermaßen treuwidrig gefasste Hauptversammlungs- und Gesellschafterbeschlüsse. a) Anfechtungs- und positive Beschlussfeststellungsklage Im Rahmen der Rechtsschutzmöglichkeiten können sich rechtsformspezifische Unterschiede zwischen der AG und der GmbH ergeben. Bei der AG ist die Feststellung des Versammlungsleiters über die Beschlussfassung gemäß § 130 Abs. 2 AktG zwingend vorgeschrieben und damit Wirksamkeitsvoraussetzung der Beschlussfassung.617 Bei der GmbH ist die formelle Feststellung der Beschlussfassung demgegenüber zwar ebenfalls möglich, aber gesetzlich nicht zwingend erforder-

614

So Schmidt, GmbHR 1992, 9 (13), der einer Prüfungskompetenz des Versammlungsleiters im Ergebnis jedoch kritisch gegenübersteht. 615 Bungeroth, in: MüKo AktG, Bd. 1, § 53a, Rn. 43; Cahn/v. Spangenberg, in: Spindler/ Stilz, AktG, Bd. 1, § 53a, Rn. 56; äußerst kritisch an dieser Stelle daher Schuster, ZGR 2010, 325 (333 f.), der davon ausgeht, dass ein Versammlungsleiter regelmäßig die betreffenden NeinStimmen doch mitzählen wird; und wenn er sie nicht mitzählen würde, wäre eine zügige Eintragung im Handelsregister laut Schuster äußerst unwahrscheinlich, da die Eintragung vermutlich verweigert würde. 616 Schneider, Gesellschafter-Stimmpflichten, S. 241; v. Schorlemer/Stupp, NZI 2003, 345 (352); Schäfer, in: FS Hommelhoff, S. 939 (955 ff.). 617 BGHZ 51, 209 (212); Drinhausen, in: Hölters, Komm. AktG, § 130, Rn. 34. Feststellung in diesem Sinne bedeutet die Verkündung, dass der dem Beschluss zugrunde liegende Antrag angenommen oder abgelehnt wurde bzw. dass der Beschluss mit dem insoweit näher bezeichneten Inhalt zustande gekommen ist.

IV. Rechtsfolgen bei Verstoß gegen Treuepflicht

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lich.618 Demgemäß muss bei der GmbH im Folgenden danach unterschieden werden, ob ein Gesellschafterbeschluss verbindlich festgestellt wurde oder nicht. Ein durch den Versammlungsleiter festgestellter Beschluss, dessen Inhalt durch Verletzung der Treuepflicht dissentierender Gesellschafter negativ beschieden wurde, ist anfechtbar.619 Einen solchen Beschluss können die negativ betroffenen, sanierungswilligen Gesellschafter mit einer Anfechtungsklage gegenüber der Gesellschaft gemäß § 243 Abs. 1 AktG (analog),620 zumeist verbunden mit einer positiven Beschlussfeststellungsklage, angreifen.621 Die positive Beschlussfeststellungsklage, die in analoger Rechtsfortbildung der §§ 243, 245 AktG anerkannt ist,622 ergänzt die gegen einen ablehnenden oder negativen Beschluss der Haupt- oder Gesellschafterversammlung gerichtete Anfechtungsklage. Ziel ist die Ersetzung des rechtswidrigen Beschlusses und die Feststellung des richtigen Beschlussergebnisses.623 Die dissentierenden Gesellschafter können dem Rechtsstreit als streitgenössische Nebenintervenienten beitreten.624 Sofern bei der GmbH der Gesellschafterbeschluss nicht förmlich festgestellt wurde, können die Gesellschafter etwaige Beschlussmängel nicht durch eine Anfechtungsklage, sondern ausschließlich im Wege der Feststellungsklage gemäß § 256 ZPO geltend machen.625 Da eine Feststellungsklage nicht fristgebunden ist, sollte jedoch auch bei der GmbH eine förmliche Beschlussfeststellung vorgenommen werden, um längere Schwebezustände zu vermeiden.626 b) Leistungsklage Anstatt unmittelbar gegen den ablehnenden Beschluss vorzugehen, können die sanierungswilligen Gesellschafter alternativ auch eine Leistungsklage gegen den

618

BGHZ 51, 209 (212 f.); Zöllner, in: Baumbach/Hueck, Komm. GmbHG, § 47, Rn. 26. Vgl. etwa BGHZ 76, 352 (353); BGHZ 103, 184 (193); Müller, Der Verband in der Insolvenz, S. 341; Häsemeyer, ZHR 160 (1996), 109 (117); Hüffer/Koch, Komm. AktG, § 243, Rn. 24 ff.; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, Komm. GmbHG, Anh. § 47, Rn. 105. 620 Zur analogen Anwendung des § 243 Abs. 1 AktG bei der GmbH vgl. etwa Hüffer/ Schürnbrand, in: Großkomm. GmbHG, Bd. 2, § 47, Rn. 195. 621 BGHZ 76, 191 (197 ff.); BGHZ 88, 320 (329); BGHZ 97, 28 (30); Bayer, in: Lutter/ Hommelhoff, Komm. GmbHG, Anh. § 47, Rn. 40; Schmidt, in: Scholz, Komm. GmbHG, Bd. 2, § 47, Rn. 175. 622 Vgl. etwa Henze/Notz, Großkomm, AktG, Bd. 2, Anh. § 53a, Rn. 137 (m.w.N.). 623 Hüffer/Schäfer, in: MüKo AktG, Bd. 4, § 246, Rn. 84. 624 BGHZ 76, 191 (201); eingehend Emde, ZIP 1998, 1475 ff. 625 Vgl. BGHZ 76, 154 (156 f.); BGH GmbHR 2008, 426 (427); Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Komm. GmbHG, Anh. § 47, Rn. 39; a.A. Schmidt, in: Scholz, Komm. GmbHG, Bd. 2, § 47, Rn. 175, der auch in diesem Fall von der Zulässigkeit einer Anfechtungsklage (neben einer möglichen Feststellungsklage) ausgeht. 626 BGH NJW 1999, 2268 ff.; Müller, Der Verband in der Insolvenz, S. 342. 619

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C. Sanierungsbeiträge der Gesellschafter

unkooperativen Gesellschafter auf Zustimmung erheben.627 Bei positiver Bescheidung der Leistungsklage gilt die Stimme des beklagten Gesellschafters gemäß § 894 ZPO als abgegeben. Zu beachten ist aber, dass – anders als im Beschlussmängelverfahren – eine erneute Beschlussfassung der übrigen Gesellschafter notwendig ist, da durch die Leistungsklage nur die Stimmabgabe des treuwidrigen Gesellschafters ersetzt werden kann.628 Das Beschlussmängelverfahren ist daher regelmäßig einer Leistungsklage vorzuziehen. c) Einstweiliger Rechtsschutz Nachteil sowohl des Beschlussfeststellungsverfahrens als auch der Leistungsklage ist der Zeitfaktor, da die Durchsetzung der Stimmpflichten im regulären Zivilprozessverfahren angesichts der kritischen Situation betroffener Unternehmen im Vorfeld der Insolvenz zumeist nicht rechtzeitig erreicht werden kann und damit einer Sanierung regelmäßig zuwiderläuft.629 Der Möglichkeit zur Durchsetzung der eigenen Interessen im einstweiligen Rechtsschutz kommt daher besondere Bedeutung zu.630 Während die Möglichkeit einstweiligen Rechtsschutzes gegen rechtswidrige Hauptversammlungs- oder Gesellschafterbeschlüsse in der Vergangenheit überwiegend abgelehnt wurde,631 hat sich in Rechtsprechung und Literatur zunehmend die Ansicht durchgesetzt, dass zwar besondere Anforderungen an den Grad der Beeinträchtigung des Antragstellers zu stellen sind, der Erlass einstweiliger Verfügungen jedoch nicht generell unzulässig ist.632 Dies gilt jedenfalls für die hier entscheidenden Konstellationen, in denen entweder bereits vor Beschlussfassung ein bestimmtes Abstimmungsverhalten der dissentierenden Gesellschafter erzwungen werden soll oder unmittelbar im Nachgang eines durch treuwidrige Stimmabgabe abgelehnten Beschlusses vorläufiger Rechtsschutz beantragt werden muss.

627 Müller, Der Verband in der Insolvenz, S. 343; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Komm. GmbHG, Anh. § 47, Rn. 42. 628 Vgl. etwa Gruber, in: MüKo ZPO, Bd. 2, § 894, Rn. 16. 629 Timm, WM 1991, 481 (486); Bacina/Redeker, DB 2010, 996 (999). 630 Müller, Der Verband in der Insolvenz, S. 343 f.; Schneider, Gesellschafter-Stimmpflichten, S. 241; Vetter, in: MüKo GmbHG, Bd. 3, Vor § 58, Rn. 79. 631 Vgl. etwa OLG Nürnberg BB 1971, 1478 (1478 f.); OLG Frankfurt GmbHR 1982, 237 (237). 632 Vgl. etwa OLG Hamburg NJW 1992, 186 ff.; OLG Frankfurt am Main NJW-RR 1992, 934 ff.; OLG Hamm GmbHR 1993, 163 ff.; OLG Stuttgart GmbHR 1997, 312 ff.; OLG München NZG 1999, 407 ff.; OLG Düsseldorf NZG 2005, 633 ff.; Schmidt, in: Scholz, Komm. GmbHG, § 47, Rn. 183; Römermann, in: Michalski, Komm. GmbHG, Bd. 2, Anh. § 47, Rn. 549; Würthwein, in: Spindler/Stilz, AktG, Bd. 2, § 243, Rn. 275; v. Gerkan, ZGR 1985, 167 (179 ff.); Häsemeyer, ZHR 160 (1996), 109 (121 ff.); Nietsch, GmbHR 2006, 393 (394 ff.); Nentwig, GmbHR 2012, 664 (667); Schlitt/Seiler, ZHR 166 (2002), 544 (574 f.).

IV. Rechtsfolgen bei Verstoß gegen Treuepflicht

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aa) Einstweiliger Rechtsschutz im Vorfeld der Beschlussfassung Mit der Rechtsprechung verschiedener Oberlandesgerichte ist zunächst davon auszugehen, dass bereits im Vorfeld einer Beschlussfassung unzulässige Stimmabgaben verboten werden633 und auch weitergehend eine einstweilige Verfügung erlassen werden kann, die einem Gesellschafter aufgibt, seine Stimme auf Grund der ihm obliegenden Treuepflicht in bestimmter Weise auszuüben.634 Abzustellen ist auf eine Bewertung der widerstreitenden Interessen. Eine einstweilige Verfügung, die in die Willensbildung einer Gesellschaft eingreift, darf aber nur bei einer schwerwiegenden Beeinträchtigung der Interessen des Antragstellers, die nicht auf andere Weise abgewendet werden kann, erlassen werden.635 Sofern die sanierungswilligen Gesellschafter im einstweiligen Verfahren obsiegen, wird die Stimmabgabe des sanierungsunwilligen Gesellschafters gemäß § 894 ZPO durch die einstweilige Verfügung ersetzt. Hierdurch besteht grundsätzlich die Möglichkeit, konstitutiv wirkende Handelsregistereintragungen im Anschluss an die jeweilige Beschlussfassung zeitnah erwirken und die notwendigen Sanierungsmaßnahmen demnach zügig umsetzen zu können. Freilich besteht bei Erhebung von Anfechtungsklagen der dissentierenden Gesellschafter die Gefahr, dass das Registergericht – vorbehaltlich einer Freigabeentscheidung des Oberlandesgerichts gemäß § 16 Abs. 3 UmwG oder § 246a AktG636 – die Entscheidung über den Eintragungsantrag bis zur Entscheidung über die Anfechtungsklagen aussetzt.637 Mit der Erhebung von Anfechtungsklagen muss jedoch stets gerechnet werden, selbst wenn ein Beschluss mit einer deutlichen Mehrheit gefasst wurde. Dies ist keine spezifische Gefahr, die sich erst auf Grund der Durchführung eines Verfahrens im einstweiligen Rechtsschutz ergibt. bb) Einstweiliger Rechtsschutz nach erfolgter Beschlussfassung Sofern ein Hauptversammlungs- oder Gesellschafterbeschluss gefasst und die notwendige Mehrheit durch die treuwidrig abgegebenen Stimmen nicht erreicht wurde, wird das Handelsregister eine Eintragung des Beschlusses in das Handels633

So OLG Düsseldorf NZG 2005, 633 ff. So OLG Hamburg NJW 1992, 186 ff.; zustimmend etwa Schmidt, in: Scholz, Komm. GmbHG, Bd. 2, § 45, Rn. 183; ablehnend wohl Drescher, in: MüKo GmbHG, Bd. 2, § 47, Rn. 254 („Eine auf eine bestimmte Stimmabgabe in der Sache gerichtete einstweilige Verfügung ist in der Regel ausgeschlossen“). 635 OLG Hamburg NJW 1992, 186 (186); OLG Düsseldorf NZG 2005, 633 (634); OLG Frankfurt am Main NJW-RR 1992, 934 (934); OLG München NZG 1999, 407 (408). 636 Es ist umstritten, ob die Vorschrift des § 246a AktG analog auf die GmbH übertragen werden kann, bejahend etwa Geißler, GmbHR 2008, 128 (132 f.); verneinend etwa Fleischer, DB 2011, 2132 ff. Auf diesen Streit soll an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden. Festzuhalten ist, dass bei einer GmbH, sofern man eine analoge Anwendung des § 246a AktG ablehnt, der Weg einer einstweiligen Verfügung offensteht. 637 Vgl. Hüffer/Schäfer, in: MüKo AktG, Bd. 4, § 243, Rn. 135. 634

140

C. Sanierungsbeiträge der Gesellschafter

register verweigern. Hiergegen können sich die Gesellschafter, wie oben bereits erörtert wurde, in einem Beschlussfeststellungsverfahren wehren. Zusätzlich kommt jedoch auch in einer solchen Situation grundsätzlich ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung in Betracht, um die Eintragung des Beschlusses bzw. der jeweiligen Sanierungsmaßnahme in das Handelsregister zu erzwingen.638 Dies gilt jedoch nur, soweit die einstweilige Verfügung nicht im Anwendungsbereich der § 16 Abs. 3 UmwG sowie § 246a AktG durch die spezielleren Freigabeverfahren verdrängt wird.639 In den verbleibenden Fällen kommt eine einstweilige Verfügung in Betracht, wenn durch das Abwarten des Hauptsacheverfahrens ein nicht wieder gutzumachender Schaden droht.640 Im Wege der einstweiligen Verfügung kann aber nicht erreicht werden, dass der Beschluss für wirksam erklärt wird.641 cc) Fazit Zwar werden einstweilige Verfügungen durch die Gerichte nur unter besonderen Bedingungen erlassen, jedoch werden die Erfolgsaussichten in einer akuten Sanierungssituation angesichts der weitreichenden wirtschaftlichen Folgen des Scheiterns einer Sanierung für die betroffene Gesellschaft sowie die beteiligten Gesellschafter im Einzelfall als positiv einzuschätzen sein, wenn ansonsten lediglich die Liquidation der Gesellschaft bleibt. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung kann damit im Einzelfall ein effektives Mittel darstellen, dissentierende Gesellschafter in ein Sanierungsverfahren einzubinden. Hiergegen kann auch nur bedingt eingewandt werden, dass eine einstweilige Verfügung nur vorläufigen Charakter habe und daher insbesondere Gläubiger vor einer Beteiligung an der Sanierung in diesem Stadium zurückschrecken würden.642 Denn gerade die hohen Anforderungen, die von den Gerichten für den Erlass einer einstweiligen Verfügung zur Durchsetzung von Stimmpflichten gestellt werden, lassen es nur schwer vorstellbar erscheinen, dass das Gericht in der Hauptsache eine andere Entscheidung treffen wird. Auch ist davon auszugehen, dass dissentierende Gesellschafter etwaig erhobene Anfechtungsklagen, die bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren gemäß § 148 ZPO regelmäßig auszusetzen sind, mit Bestätigung der Entscheidung des einstweiligen Verfahrens auf Grund der dann vermutlich gegebenen Aussichtslosigkeit zumeist nicht aufrecht erhalten werden. Daher ist aus Sicht des Verfassers von einer ausreichenden Planungssicherheit für die sanierungswilligen Beteiligten auszugehen. 638 Vgl. etwa Drescher, in: Henssler/Strohn, GesR, § 246 AktG, Rn. 56; Würthwein, in: Spindler/Stilz, AktG, Bd. 2, § 243, Rn. 281. 639 Hüffer/Schäfer, in: Komm. AktG, Bd. 4, § 246a, Rn. 39; Heidinger, in: Henssler/Strohn, GesR, § 16 UmwG, Rn. 24; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, Komm. GmbHG, Anh. § 47, Rn. 205; Schlitt/Seiler, ZHR 166 (2002), 544, 566. 640 Drescher, in: Henssler/Strohn, GesR, § 246 AktG, Rn. 56. 641 Schmidt, in: Scholz, Komm. GmbHG, Bd. 2, § 45, Rn. 183; Drescher, in: Henssler/ Strohn, GesR, § 246 AktG, Rn. 56. 642 Zu diesen Bedenken vgl. Häsemeyer, ZHR 160 (1996), 109 (122).

V. Zusammenfassung und Bewertung

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d) Schadensersatzpflichten Neben den auf Ersetzung der treuwidrigen Stimmausübung abzielenden Verfahren kommen auch Schadensersatzansprüche wegen treuwidriger Stimmausübung in Betracht.643 Zwar ist ein Schadensersatzanspruch auf Grund des Zeitfaktors eines Klageverfahrens nicht geeignet, die Durchsetzung der Sanierung unmittelbar zu ermöglichen. Jedoch kann sich die abschreckende Wirkung möglicher Schadensersatzpflichten unter Umständen mittelbar auf die Bereitschaft dissentierender Gesellschafter zur positiven Stimmabgabe in Übereinstimmung mit ihrer Treuepflicht auswirken. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Gesellschafter im Vorfeld einer Abstimmung die Treuwidrigkeit ihrer Stimmabgabe erkennen können und durch die drohenden Konsequenzen einer Schadensersatzklage dazu neigen, sich treugemäß zu verhalten.644 2. Weitere Treuepflichtverstöße Sofern ein Gesellschafter gegen weitere, sich aus der Treuepflicht ergebende Pflichten verstößt, können sich hieraus ebenfalls Schadensersatzansprüche gegen den Gesellschafter ergeben.645 Dies soll an dieser Stelle jedoch nicht weiter vertieft werden.

V. Zusammenfassung und Bewertung Im vorangegangenen Kapitel wurde zunächst die Entwicklung der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht in der gebotenen Kürze nachgezeichnet, bevor die insbesondere durch die Rechtsprechung des BGH aufgestellten Kriterien herausgearbeitet und auf verschiedene, im Rahmen von Unternehmenssanierungen relevante Maßnahmen angewendet wurden. Nachfolgend werden die wichtigsten Ergebnisse in Thesen zusammengefasst: • Ungeschriebene Generalklausel. Die gesellschaftsrechtliche Treupflicht ist eine ungeschriebene, im Wege der Rechtsfortbildung entwickelte Generalklausel, die der Lösung von Binnenkonflikten dient und von den Anteilsinhabern vor allem eine rücksichtsvolle Ausübung ihrer mitgliedschaftlichen Rechte verlangt, um Belastungen für die Gesellschaft und die übrigen Mitgesellschafter zu vermeiden. • Förder- und Rücksichtnahmepflichten. Die Gesellschafter sind sowohl der Gesellschaft als auch den übrigen Mitgesellschaftern gegenüber zur gesellschafts643

Vgl. Schmidt, in: Scholz, Komm. GmbHG, Bd. 2, § 47, Rn. 33; Spindler, in: MüKo AktG, Bd. 2, § 117, Rn. 71 f. 644 Zu dieser mittelbaren Auswirkung vgl. auch Schmidt, GesR, S. 132; Schneider, Gesellschafter-Stimmpflichten, S. 235 f. 645 Vgl. etwa BGH NZG 2007, 185 ff.

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C. Sanierungsbeiträge der Gesellschafter

rechtlichen Treue verpflichtet, wobei sich aktive Förderungspflichten lediglich gegenüber der Gesellschaft entfalten, während die Treuepflicht gegenüber den Mitgesellschaftern auf Rücksichtnahmepflichten beschränkt ist. • Aufopferungspflicht gegenüber Gläubigern. Eine Erweiterung der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht um eine Aufopferungspflicht, die die Anteilsinhaber auch zur Rücksichtnahme auf die Interessen der Gläubiger verpflichtet, wäre wünschenswert, ist nach derzeitiger Ansicht in Rechtsprechung und Literatur aber nicht durchsetzbar. • Schutzrichtung. Geschützt sind das Gesellschafts- und Verbandsinteresse der Gesellschaft sowie die mitgliedschaftlichen Interessen der Mitgesellschafter. In der Sanierungssituation ist auch das Bestandsinteresse, das sich aus den mitgliedschaftlichen Interessen ableitet, von der Schutzrichtung der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht umfasst. Darüber hinaus besteht nach hier vertretener Ansicht auch in der Sanierungssituation eine Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft, da Sanierungsmaßnahmen, solange sie Aussicht auf Erfolg haben, zur Verfolgung des Gesellschaftszwecks geboten sind und damit – jedenfalls auch – im Gesellschaftsinteresse liegen. • Verhältnismäßigkeit der Sanierungsmaßnahmen. Im Rahmen einer interessenbezogenen Abwägung muss im Einzelfall ermittelt werden, ob die Interessen eines Gesellschafters hinter die geschützten Interessen der Gesellschaft bzw. der übrigen Gesellschafter zurücktreten müssen. Dies ist der Fall, wenn die vorgesehenen Sanierungsmaßnahmen erfolgversprechend sind, im Vergleich zu den Nachteilen, die dem treupflichtigen Gesellschafter hierdurch entstehen, überwiegen und in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen. • Sanierungsmaßnahmen und Zustimmungspflichten. Minderheitsgesellschafter können, sofern sie allein oder gemeinsam mit anderen Gesellschaftern über Sperrminoritäten verfügen, Sanierungsmaßnahmen durch Verweigerung ihrer Zustimmung bei Haupt- oder Gesellschafterbeschlüssen verhindern. Damit kommt ihnen in Sanierungssituationen ein erhebliches Macht- und Blockadepotenzial zu. Im Einzelfall können sich aus der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht jedoch Zustimmungspflichten ergeben. o Kapitalschnitt. Ein Kapitalschnitt ist eine Kombination aus einer vereinfachten Kapitalherabsetzung und einer anschließenden Kapitalerhöhung und stellt ein Mittel zur Sanierung des Eigenkapitals der Gesellschaft dar. Durch die vereinfachte Kapitalherabsetzung kann eine drohende oder bestehende Überschuldung vermieden oder beseitigt werden, indem durch Senkung der Grundbzw. Stammkapitalziffer das Volumen des gebundenen Vermögens verringert und so eine Unterbilanz beseitigt wird. Durch eine anschießende Kapitalerhöhung kann der Gesellschaft wieder Liquidität zugeführt und so weitere Sanierungsmaßnahmen ermöglicht bzw. erleichtert werden.

V. Zusammenfassung und Bewertung

143

- Zustimmung zur Kapitalherabsetzung. In einer Sanierungssituation liegt die Schutzrichtung der Kapitalherabsetzung im Interesse der Gesellschafter am Bestandserhalt des Unternehmens sowie der aus dem Gesellschaftsinteresse resultierenden Verfolgung des Gesellschaftszwecks. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung müssen die Interessen eines sanierungsunwilligen Gesellschafters regelmäßig zurücktreten, da er durch eine Kapitalherabsetzung zumeist jedenfalls nicht schlechter steht als im Falle einer sofortigen Liquidation. - Zustimmung zur Kapitalerhöhung. Die Entscheidung, an einer Kapitalerhöhung teilzunehmen und damit die eigene Beteiligungsquote stabil zu halten oder eine Verwässerung der Beteiligungsquote hinzunehmen, obliegt grundsätzlich den Gesellschaftern. Eine Pflicht zur Übernahme neuer Aktien oder Geschäftsanteile besteht nicht. Dennoch können die Anteilsinhaber im Einzelfall auf Grund der ihnen obliegenden Treuepflicht verpflichtet sein, einer Kapitalerhöhung zuzustimmen. Zwar ist eine mögliche Verwässerung der Beteiligungsquote sanierungsunwilliger Gesellschafter zu berücksichtigen, jedoch muss das Interesse der sanierungsunwilligen Gesellschafter regelmäßig zurücktreten, wenn sie durch die Kapitalerhöhung jedenfalls nicht schlechter stehen als bei einer sofortigen Liquidation. Dies ist regelmäßig der Fall, da die Anteile einer Gesellschaft im unmittelbaren Vorfeld einer Insolvenz regelmäßig wertlos sind. Demgegenüber kann ein Gesellschafter bei erfolgreicher Sanierung an zukünftigen Gewinnen der Gesellschaft partizipieren. o Sanieren oder Ausscheiden. In Ausnahmefällen kann sich eine Zustimmungspflicht der Gesellschafter bei einer Kapitalherabsetzung auf Null und einer anschließenden Kapitalerhöhung selbst dann ergeben, wenn die sanierungsunwilligen Gesellschafter sich nicht an der Kapitalerhöhung beteiligen wollen und deshalb zwangsläufig aus der Gesellschaft ausscheiden. Denn sofern eine Liquidation des Unternehmens anders nicht mehr abgewendet werden kann, ist es den sanierungsbereiten Gesellschaftern regelmäßig nicht zuzumuten, dass die dissentierenden Gesellschafter sich einerseits nicht an der Sanierung des Unternehmens beteiligen, andererseits aber von den Sanierungserfolgen profitieren und an zukünftigen Gewinnen partizipieren. o Debt-Equity Swap. Durch einen Debt-Equity Swap kann Fremdkapital der Gläubiger im Rahmen einer Kapitalerhöhung in Eigenkapital umgewandelt werden. Hierdurch wird die Eigenkapitalquote erhöht und damit eine eventuelle Überschuldung beseitigt oder jedenfalls gemindert. Eine Zustimmungspflicht ergibt sich auch hier regelmäßig auf Grund der Tatsache, dass die eigenen Anteile ohnehin bereits wertlos sind und die Anteilsinhaber bei Durchführung des Debt-Equity Swaps jedenfalls nicht schlechter stehen als im Falle einer sofortigen Liquidation.

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C. Sanierungsbeiträge der Gesellschafter

o Übertragung vinkulierter Anteile. Die Aktionäre, sofern ihnen die Entscheidungsgewalt durch Zuweisung oder zwingend obliegt, und die Gesellschafter der GmbH müssen sich bei der Abstimmung über die Erteilung der Zustimmung zur Abtretung vinkulierter Namensaktien bzw. Geschäftsanteile inhaltlich an den Vorgaben der Satzung orientieren oder, sofern die Satzung diesbezüglich keine Vorgaben enthält, nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung der Gesellschaftsinteressen und dem Anliegen des übertragungswilligen Anteilsinhabers über die Erteilung der Zustimmung entscheiden. In einer Sanierungssituation kann sich die pflichtgemäße Ermessensentscheidung zu einer Zustimmungspflicht verdichten. o Übertragung eigener Anteile. Eine Pflicht zur Übertragung eigener Anteile besteht nur, wenn (i) im Rahmen der Erforderlichkeitsprüfung dargelegt wird, dass eine andere Alternative sicher ausscheidet, d. h. insbesondere eine Übernahme der Anteile durch die Gesellschafter selbst nicht möglich ist, und (ii) die völlige Wertlosigkeit der bestehenden Beteiligungen zweifelsfrei feststeht. o Sanierende Verschmelzung. Der Grundgedanke der sanierenden Verschmelzung liegt darin, dass ein überschuldeter Rechtsträger auf einen gesunden Rechtsträger verschmolzen wird, der die Verluste und damit die Überschuldung des übertragenden Rechtsträgers rechnerisch auffangen kann. Eine Zustimmungspflicht der Gesellschafter der übernehmenden Gesellschaft ist hier regelmäßig ausgeschlossen, weil die Gesellschafter durch die Übertragung negativer Vermögenswerte in ihren Mitgliedschaftsrechten betroffen sind, die Durchführung der Umwandlungsmaßnahme jedoch nur im dringenden Interesse des übertragenden, nicht jedoch des übernehmenden Rechtsträgers liegt. Für das übernehmende Unternehmen geht es nicht um die Beantwortung der existenziellen Frage zwischen Fortbestand und Liquidation. o Zustimmungspflicht auch in früheren Krisenstadien. Auf Grund des notwendigen Ausnahmecharakters der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht lässt sich eine Pflicht zur Zustimmung zu Sanierungsmaßnahmen in früheren Krisenstadien nicht begründen. • Rechtsfolgen. Ein effektiver Rechtsschutz zur Ahndung von Treuepflichtverletzungen ist wichtig, damit die Treuepflichten bei der Sanierung von Unternehmen unterstützend wirken können. o Feststellung des Beschlussergebnisses. Nach hier vertretener Auffassung ist der Versammlungsleiter einer Haupt- bzw. Gesellschafterversammlung befugt, Stimmen, die der Treuepflicht widersprechen, bei der Feststellung des Beschlussergebnisses außer Acht zu lassen. Allerdings wird das zuständige Registergericht in der Praxis in einem solchen Fall häufig die Eintragung der jeweiligen Maßnahme in das Handelsregister verweigern. Daher sind die Rechtsschutzmöglichkeiten der sanierungswilligen Gesellschafter gegen solchermaßen treuwidrig gefasste Haupt- bzw. Gesellschafterbeschlüsse relevant.

V. Zusammenfassung und Bewertung

145

o Anfechtungs- und positive Beschlussfeststellungklage. Ein durch den Versammlungsleiter förmlich festgestellter Beschluss, der durch Verletzung der Treuepflicht dissentierender Gesellschafter nicht zustande gekommen ist, ist anfechtbar. Eine Anfechtungsklage gemäß § 243 Abs. 1 AktG (analoge Anwendung bei GmbH) kann mit einer positiven Beschlussfeststellungsklage, die in analoger Rechtsfortbildung der §§ 243, 245 AktG anerkannt ist, verbunden werden. Ziel ist die Ersetzung des rechtswidrigen Beschlusses und die Feststellung des richtigen Beschlussergebnisses. o Leistungsklage. Alternativ können die sanierungswilligen Gesellschafter auch eine Leistungsklage gegen den unkooperativen Gesellschafter auf Zustimmung erheben. Bei positiver Bescheidung der Leistungsklage gilt die Stimme des beklagten Gesellschafters gemäß § 894 ZPO als abgegeben. Nachteilig ist hier aber, dass – anders als im Beschlussmängelverfahren – eine erneute Beschlussfassung der übrigen Gesellschafter notwendig ist, da durch die Leistungsklage nur die Stimmabgabe des treuwidrigen Gesellschafters ersetzt werden kann. o Einstweiliger Rechtsschutz. Angesichts des kritischen Zeitfensters zur Einleitung und Durchführung von Sanierungsmaßnahmen kommt dem einstweiligen Rechtsschutz in Sanierungssituationen eine besondere Bedeutung zu. Nach zutreffender Ansicht besteht gegen rechtswidrige Haupt- bzw. Gesellschafterbeschlüsse grundsätzlich die Möglichkeit einstweiligen Rechtsschutzes. Bereits im Vorfeld der Beschlussfassung kann eine unzulässige Stimmabgabe verboten werden. Darüber hinaus kommt ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung nach erfolgter Beschlussfassung in Betracht, um die Eintragung des Beschlusses bzw. der jeweiligen Sanierungsmaßnahme in das Handelsregister zu erzwingen. o Schadensersatzpflichten. Neben den auf Ersetzung der treuwidrigen Stimmausübung abzielenden Verfahren kommen auch Schadensersatzansprüche wegen treuwidriger Stimmausübung in Betracht. Hierdurch kann eine Sanierung zwar nicht unmittelbar ermöglicht werden, die drohenden Konsequenzen einer Schadensersatzklage können sich jedoch mittelbar auf die Kooperationsbereitschaft dissentierender Gesellschafter auswirken.

D. Eingriffsrechte in Mitgliedschaftsrechte der Gesellschafter In einer Vielzahl von Restrukturierungssituationen lässt sich beobachten, dass wesentliche Gläubiger, allen voran die beteiligten Banken, auf eine Vereinfachung der Entscheidungsprozesse innerhalb des Unternehmens und damit verbunden eine Verschlankung der Struktur der Anteilsinhaber drängen, um die Chancen einer erfolgreichen Sanierung durch schnellere Entscheidungsprozesse zu erhöhen. Neben der bereits aufgezeigten Möglichkeit der Kapitalherabsetzung auf Null und einer anschließenden Kapitalerhöhung, die im Grunde einen indirekten Ausschluss sanierungsunwilliger Gesellschafter bewirkt, gibt es in rechtlicher Hinsicht weitere Möglichkeiten, um Minderheitsaktionäre bzw. -gesellschafter zum Ausscheiden aus einem Unternehmen zu zwingen.

I. Ausschlussklauseln in Gesellschaftsverträgen Eine Zwangseinziehung von Aktien bzw. Geschäftsanteilen, die zu einer Vernichtung der Mitgliedschaftsrechte führt, ist sowohl in der AG gemäß § 237 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 und 2 AktG als auch in der GmbH gemäß § 34 Abs. 2 GmbHG grundsätzlich möglich und zulässig, wenn das Recht zur Einziehung in der Satzung vorgesehen ist.646 Die Voraussetzungen für die Einziehung können auch durch nachträgliche Satzungsänderung geschaffen werden, die aber zum notwendigen Schutz der Gesellschafter vor einem Zwangsausschluss und im Hinblick darauf, dass hierdurch der Kernbereich der Mitgliedschaft betroffen ist, der Zustimmung aller Gesellschafter bedarf.647 Hinsichtlich der weiteren Voraussetzungen der Einziehung von Aktien oder Geschäftsanteilen muss rechtsformspezifisch zwischen der AG und der GmbH unterschieden werden. 646

OLG München DB 1994, 320 (321); Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Komm. GmbHG, § 34, Rn. 7; Hüffer/Koch, Komm. AktG, § 237, Rn. 6. 647 Für die GmbH: BGH GmbHR 1978, 131 (131); Mayer/Elfring, GmbHR 2004, 869 (871); Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, Komm. GmbHG, § 34, Rn. 29; Westermann, in: Scholz, Komm. GmbHG, Bd. 1, § 34, Rn. 21 f.; Roth/Altmeppen, Komm. GmbHG, § 34, Rn. 9; Görner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Komm. GmbHG, § 34, Rn. 11; teilweise differenzierend Strohn, in: MüKo GmbHG, § 34, Rn. 15; für die AG: Hüffer/Koch, Komm. AktG, § 237, Rn. 8; Lutter, in: Kölner Komm. AktG, Bd. 5/1, § 237, Rn. 30; Marsch/Barner, in: Spindler/Stilz, Bd. 2, § 237, Rn. 10.

I. Ausschlussklauseln in Gesellschaftsverträgen

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1. Zwangseinziehung von Aktien in der AG Bei der Zwangseinziehung von Aktien in der AG muss zwischen einer angeordneten und einer gestatteten Zwangseinziehung unterschieden werden. Im Falle einer angeordneten Zwangseinziehung werden die Voraussetzungen und Folgen der Zwangseinziehung so detailliert in der Satzung festgelegt, dass ein weiterer Hauptversammlungsbeschluss nicht notwendig ist und die Aktien bei Vorliegen der festgelegten Voraussetzungen vom Vorstand der Gesellschaft eingezogen werden.648 Dem Vorstand darf hierbei jedoch kein Ermessensspielraum verbeiben.649 Ist dies nicht der Fall, finden die Regelungen über die gestattete Einziehung Anwendung.650 Die Regelungen in der Satzung können sich hierbei darauf beschränken, die Einziehung ohne weitere Voraussetzungen gemäß § 237 Abs. 2 S. 2 AktG in das Ermessen der Hauptversammlung zu stellen,651 die hierüber gemäß § 222 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 237 Abs. 2 S. 1 AktG mit einer Kapitalmehrheit von mindestens 3/4 des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals sowie der einfachen Stimmenmehrheit gemäß § 133 Abs. 1 AktG entscheidet. Hierin liegt, wie im nächsten Schritt aufzuzeigen sein wird, ein Unterschied zur Einziehung von Geschäftsanteilen einer GmbH, wo für die zugelassene Zwangseinziehung bestimmte Voraussetzungen in der Satzung formuliert werden müssen. Die Ausübung der gestatteten Zwangseinziehung muss aber im Einzelfall im Interesse der Gesellschaft sachlich gerechtfertigt sein, d. h. im Gesellschaftsinteresse liegen und dem Verhältnismäßigkeitsprinzip genügen.652 Die Notwendigkeit der sachlichen Rechtfertigung ergibt sich aus dem für den Bezugsrechtsausschluss bei Kapitalerhöhungen entwickelten Grundsatz, dass schwerwiegende Eingriffe in die Mitgliedschaftsrechte einer sachlichen Rechtfertigung bedürfen. Dies muss im Falle der Zwangseinziehung erst Recht gelten, da die betroffenen Mitgliedschaftsrechte im Falle der Zwangseinziehung sogar vernichtet werden.653 An dieser Stelle kann demnach eine Parallele zu den bisherigen Ausführungen zur gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht gezogen werden. Eine Zwangseinziehung zur Abwendung der Insolvenz der Gesellschaft erscheint damit jedenfalls möglich und zulässig, wenn und soweit auch ein vollständiger Bezugsrechtsausschluss bei einer Kapitalherabsetzung auf Null und einer anschließenden Kapitalerhöhung in der gleichen Situation ebenfalls möglich wäre.654 648

Scholz, in: Mü Hdb GesR, Bd. 4, § 63, Rn. 9. Sethe, in: Großkomm. AktG, Bd. 7/1, § 237, Rn. 45. 650 Lutter, in: Kölner Komm. AktG, Bd. 5/1, § 237, Rn. 34; Hüffer/Koch, Komm. AktG, § 237, Rn. 15; Oechsler, in: MüKo AktG, Bd. 4, § 237, Rn. 13 f. 651 Lutter, in: Kölner Komm. AktG, Bd. 5/1, § 237, Rn. 44; Hüffer/Koch, Komm. AktG, § 237, Rn. 15; Marsch/Barner, in: Spindler/Stilz, Bd. 2, § 237, Rn. 15; kritisch im Hinblick auf die Gewährleistung des Aktionärsschutzes Oechsler, in: MüKo AktG, Bd. 4, § 237, Rn. 42 f. 652 Sethe, in: Großkomm. AktG, Bd. 7/1, § 237, Rn. 61; Reinisch, Ausschluss von Aktionären, S. 23. 653 Sethe, in: Großkomm. AktG, Bd. 7/1, § 237, Rn. 61; Reinisch, Ausschluss von Aktionären, S. 23; a.A. Scholz, in: Mü Hdb GesR, Bd. 4, § 63, Rn. 13. 654 Vgl. dazu bereits Gliederungspunkt C.III.2.c). 649

148

D. Eingriffsrechte in Mitgliedschaftsrechte der Gesellschafter

2. Zwangseinziehung von Geschäftsanteilen in der GmbH Im Recht der GmbH ist für die Entscheidung über die Zwangseinziehung von Geschäftsanteilen gemäß § 46 Nr. 4 GmbHG die Gesellschafterversammlung zuständig, die gemäß § 47 Abs. 1 GmbHG mit einfacher Mehrheit über die Einziehung entscheidet.655 Anschließend muss der betroffene Gesellschafter, sofern er bei der Gesellschafterversammlung nicht anwesend war, von der Gesellschafterversammlung oder von einem von ihr Bevollmächtigten mittels Einziehungserklärung über die Einziehung seines Geschäftsanteils informiert werden.656 Die Voraussetzungen für die Einziehung müssen sich aus dem Gesellschaftsvertrag ergeben. Hinauskündigungsklauseln aus freiem Ermessen sind nach der Rechtsprechung des BGH657 und weiten Teilen der Literatur658 grundsätzlich gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig. Denn die jederzeitige Möglichkeit zur Ausübung eines freien Ausschlussrechts würde nach Ansicht des BGH dazu führen – und hieraus wird die Nichtigkeit geschlussfolgert –, dass es von den berechtigten Gesellschaftern willkürlich ausgeübt und als Machtinstrument missbraucht werden könnte.659 Die vom Ausschluss bedrohten Gesellschafter könnten geneigt sein, von ihren Gesellschafterrechten keinen Gebrauch mehr zu machen und könnten dann ihre Gesellschafterpflichten nicht mehr ordnungsgemäß erfüllen, weil sie sich dem Willen des kündigungsberechtigten Gesellschafters beugen würden.660 Demgegenüber werden Hinauskündigungsklauseln aus sachlichen Gründen nach einhelliger Meinung in Rechtsprechung und Literatur grundsätzlich für zulässig erachtet, wenn deren Voraussetzungen mit hinreichender Bestimmtheit satzungsmäßig festgelegt sind.661 Denn die Gesellschafter sollen sich auf eine Situation einstellen können, in denen sie mit einer Einziehung ihrer Geschäftsanteile rechnen 655

Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Komm. GmbHG, § 34, Rn. 14. Westermann, in: Scholz, Komm. GmbHG, Bd. 1, § 34, Rn. 46; Roth/Altmeppen, Komm. GmbHG, § 34, Rn. 70 ff.; Sosnitza, in: Michalski, Komm. GmbHG, § 34, Rn. 113; a.A. Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, Komm. GmbHG, § 34, Rn. 24, der von einer Zuständigkeit der Geschäftsführer der Gesellschaft zur Abgabe der Einziehungserklärung ausgeht. 657 BGHZ 68, 212 (212); BGHZ 81, 263 (266 f.); BGHZ 105, 213 (216 f.); BGHZ 107, 351 (353); BGHZ 112, 103 (107 f.); BGHZ 125, 74 (79); BGH NJW 1985, 2421 (2422); BGH ZIP 2004, 903 (904); BGH ZIP 2005, 706 (707); BGH NJW 2005, 3641 (3642); BGH NZG 2007, 422 (422). 658 Fastrich, in. Baumbach/Hueck, Komm. GmbHG, § 34, Rn. 9a; Schäfer, in: MüKo BGB, Bd. 5, § 737, Rn. 17 f.; Lutter/Hommelhoff, Komm. GmbHG, § 34, Rn. 33; Westermann, in: Scholz, Komm. GmbHG, Bd. 1 § 34, Rn. 17; Sosnitza, in: Michalski, Komm. GmbHG, § 34, Rn. 41; Behr, ZGR 1990, 370 (370 ff., 389); Goette, DStR 2006, 139 (143); Benecke, ZIP 2005, 1437 (1438 f.); Habersack/Verse, ZGR 2005, 451 (455 f.); a.A. etwa Roth/Altmeppen, Komm. GmbHG, § 34, Rn. 44; Flume, DB 1986, 629 (632 f.); Markowsky, Einziehung GmbH-Geschäftsanteile, S. 75 ff.; vgl. auch ausführlich Westermann, in: FS Larenz II, S. 723 ff. 659 BGHZ 105, 213 (219). 660 BGHZ 81, 263 (266 f.); BGHZ 105, 213 (217). 661 OLG München DB 1994, 320 (321); Kort, in: Mü Hdb GesR, Bd. 3, § 28, Rn. 8; Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Komm. GmbHG, § 34, Rn. 9a. 656

I. Ausschlussklauseln in Gesellschaftsverträgen

149

müssen.662 Die Anforderungen an eine Hinauskündigung aus sachlichen Gründen lassen sich auch als Umkehrschluss zur Rechtsprechung des BGH zum freien Ausschlussrecht entnehmen. Denn auch der BGH, der seine Rechtsprechung zu Hinauskündigungsklauseln nach freiem Ermessen bisher stets bestätigte, hat im Ergebnis von ihm geprüfte Ausschlussklauseln teilweise wegen sachlicher Rechtfertigung gebilligt.663 Insofern erscheint es möglich, in der Satzung eine Hinauskündigung einzelner Gesellschafter vorzusehen, soweit diese nicht zur Unterstützung sinnvoller Sanierungsmaßnahmen bereit sind.664 Denn der sachliche Grund der Kündigung liegt dann in der mangelnden Bereitschaft zur Beteiligung an notwendigen Sanierungsmaßnahmen. 3. Nachteile der Zwangseinziehung in der Sanierungssituation Sofern es allein um die Zuführung neuer Liquidität in der Sanierungssituation durch die Gesellschafter geht, ist ein Kapitalschnitt zur Umsetzung eines entsprechenden Sanierungskonzeptes regelmäßig besser geeignet. Denn eine Zwangseinziehung ist nur bei Vorliegen einer entsprechenden Satzungsregelung und damit nicht bei allen Gesellschaften in einer Sanierungssituation möglich, während ein Kapitalschnitt bei sämtlichen Gesellschaften als flexibles Sanierungsinstrument zur Zuführung neuer Liquidität durch die Gesellschafter eingesetzt werden kann. Darüber hinaus ist die Zwangseinziehung von Aktien oder Geschäftsanteilen in der Sanierungssituation dahingehend komplizierter umzusetzen, dass sie grundsätzlich eines zusätzlichen Hauptversammlungs- bzw. Gesellschafterbeschlusses bedarf und, anders als das Ausscheiden bei Nichtbeteiligung an einem Kapitalschnitt, nicht automatisch erfolgt. Die mit dem automatischen Ausscheiden stets verbundene Anreizwirkung für die Gesellschafter zur Beteiligung an einer Kapitalerhöhung nach einer Kapitalherabsetzung auf Null bliebe somit aus.665 Die Kapitalherabsetzung auf Null und die anschließende Kapitalerhöhung sind in einer Sanierungssituation daher – jedenfalls soweit es um die Zuführung neuer Liquidität geht – grundsätzlich die geeigneteren Maßnahmen, um sanierungsunwillige Gesellschafter aus einer Gesellschaft auszuschließen.

662

Kort, in: Mü Hdb GesR, Bd. 3, § 28, Rn. 9. BGHZ 68, 212 (215); BGHZ 81, 263 (269); BGHZ 84, 11 (15); BGHZ 104, 50 (57); BGHZ 105, 213 (217); BGHZ 112, 103 (108). 664 Mit Blick auf die OHG vgl. Haas, NJW 2010, 984 (985); Roth, in: Baumbach/Hopt, Komm. HGB, § 131, Rn. 25; für die GmbH zustimmend (und die Parallele zur „Ausscheiden oder Sanieren Entscheidung“ des BGH ziehend) Priester, ZIP 2010, 497 (500 f.); Markowsky, Einziehung GmbH-Geschäftsanteile, S. 71; ablehnend Roth/Altmeppen, Komm. GmbHG, § 34, Rn. 37. 665 Schneider, Gesellschafter-Stimmpflichten, S. 104 f. 663

150

D. Eingriffsrechte in Mitgliedschaftsrechte der Gesellschafter

II. Ausschluss eines Gesellschafters aus wichtigem Grund Die Möglichkeit des Ausschlusses von Gesellschaftern aus wichtigem Grund ist weder für die AG noch für die GmbH gesetzlich geregelt. Im Hinblick auf die GmbH wird jedoch seit Langem in Rechtsprechung und Literatur ein ungeschriebenes Ausschlussrecht anerkannt, wenn ein Gesellschafter aus einem in seiner Person liegenden Grund für die Gesellschaft untragbar geworden ist.666 Dies wird mit der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht und dem allgemeinen Grundsatz begründet, dass Rechtsverhältnisse von längerer Dauer, die stark in die Lebensbetätigung der Beteiligten eingreifen, bei Vorliegen eines wichtigen Grundes vorzeitig gelöst werden können.667 Im Hinblick auf die kapitalistische Struktur der Aktiengesellschaft hat die Rechtsprechung bislang die Zulässigkeit eines Ausschlusses aus wichtigem Grund verneint,668 wobei im neueren juristischen Schrifttum der Ausschluss eines Aktionärs aus wichtigem Grund, zumindest bei personalistisch strukturierten Aktiengesellschaften, für zulässig erachtet wird.669 Erforderlich ist nach überwiegender Ansicht zunächst ein mit qualifizierter Mehrheit gefasster Hauptversammlungs- oder Gesellschafterbeschluss.670 Der Ausschluss erfolgt anschließend durch Gestaltungsurteil.671 Aus der sich durch die Notwendigkeit des Klageverfahrens ergebenden zeitlichen Verzögerung ergibt sich bereits der entscheidende Nachteil des Ausschlusses aus wichtigem Grund.672 Abgesehen von diesem zeitlichen Nachteil ist nach hier vertretener Ansicht673 ein Ausschluss sanierungsunwilliger Gesellschafter in Anknüpfung an die Rechtsprechung des BGH in der „Sanieren oder Ausscheiden-Entscheidung“ zum Personen666 BGHZ 9, 157 (159 ff.); BGHZ 16, 317 (322 ff.); BGHZ 80, 346 (348 ff.); BGH NJW 1999, 3779 (3779); Strohn, in: MüKo GmbHG, Bd. 1, § 34, Rn. 4; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Komm. GmbHG, Anh. § 34, Rn. 2; Seibt, in: Scholz, Komm GmbHG, Bd. 1, Anh. § 34, Rn. 25; Lutter/Hommelhoff, Komm. GmbHG, § 34, Rn. 52; Battke, GmbHR 2008, 850 (852). 667 BGHZ 9, 157 (163); BGHZ 16, 317 (322); BGHZ 80, 346 (349); Strohn, in: MüKo GmbHG, Bd. 1, § 34, Rn. 103; Seibt, in: Scholz, Komm GmbHG, Bd. 1, Anh. § 34, Rn. 25; Sosnitza, in: Michalski, Komm. GmbHG, Bd. 1, Anh. § 34, Rn. 6. 668 BGHZ 9, 157 (163); BGHZ 18, 350 (365). 669 Vgl. etwa Scholz, in: Mü Hdb GesR, Bd. 4, § 63, Rn. 56; Lutter, in: Kölner Komm. AktG, Bd. 5/1, § 237, Rn. 118 ff.; Schmidt, GesR, S. 803; Nehls, Treuepflicht, S. 110 (jedoch mit Hinweis auf den eingeschränkten Umfang); zweifelnd Oechsler, in: MüKo AktG, Bd. 4, § 237, Rn. 56 ff.; umfassende Nachweise des Meinungsstandes bei Brand, KTS 2011, 481 (492 ff.). 670 Für die GmbH: BGHZ 153, 285 (288 ff.); Strohn, in: MüKo GmbHG, Bd. 1, § 34, Rn. 148 ff.; für die AG: Lutter, in: Kölner Komm. AktG, Bd. 5/1, § 237, Rn. 124; Oechsler, in: MüKo AktG, Bd. 4, § 237, Rn. 58; Scholz, in: Mü Hdb GesR, Bd. 4, § 63, Rn. 57. 671 Für die GmbH Strohn, in: MüKo GmbHG, Bd. 1, § 34, Rn. 143 f.; für die AG Lutter, in: Kölner Komm. AktG, Bd. 5/1, § 237, Rn. 124 ff. 672 Ebenso Oechsler, in: MüKo AktG, Bd. 4, § 237, Rn. 56. 673 Vgl. zur Übertragbarkeit dieses Urteils auf das Recht der Kapitalgesellschaften bereits ausführlich Gliederungspunkt C.III.2.c).

II. Ausschluss eines Gesellschafters aus wichtigem Grund

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gesellschaftsrecht möglich.674 Denn trotz der strukturellen Unterschiede zwischen Personen- und Kapitalgesellschaften ist im Lichte dieser Entscheidung davon auszugehen, dass insbesondere die vom BGH gemachten Ausführungen zur Interessenabwägung zwischen den sanierungswilligen und dissentierenden Gesellschaftern auf die Kapitalgesellschaften übertragen werden können und daher insbesondere auch das Interesse der Gesellschaftermehrheit, dissentierende Gesellschafter nicht an einem möglichen Sanierungserfolg teilhaben zu lassen, im Einzelfall berücksichtigungsfähig ist. Ob sanierungsunwillige Gesellschafter bei Verweigerung von Sanierungsleistungen im Rahmen einer Kapitalherabsetzung auf Null und einer anschließenden Kapitalerhöhung oder durch Ausschluss aus wichtigem Grund ausscheiden, ist insoweit irrelevant.

674 Ebenso Priester, ZIP 2010, 497 (500 f.); Görner, in Rowedder/Schmidt-Leithoff, Komm. GmbHG, § 34, Rn. 83; Bacina/Redeker, DB 2010, 996 (1001); Lutter/Hommelhoff, Komm. GmbHG, § 34, Rn. 56; ablehnend Roth/Altmeppen, Komm. GmbHG, § 34, Rn. 37; Markowsky, Einziehung GmbH-Geschäftsanteile, S. 71.

E. Sanierungsbeiträge von Gläubigern Bisher wurde im Rahmen dieser Arbeit schwerpunktmäßig herausgearbeitet, dass die Anteilsinhaber einer AG oder GmbH auf Grund der ihnen obliegenden gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht verpflichtet sein können, eine sinnvolle und von der Mehrheit der übrigen Gesellschafter getragene Sanierung nicht aus eigennützigen Motiven zu verhindern. Im Einzelfall kann hierdurch das Blockadepotenzial einzelner Gesellschafter durchbrochen und eine Einbindung in den Sanierungsprozess erreicht werden. Die Sanierung eines in der Krise befindlichen Unternehmens kann zumeist aber lediglich dann gelingen, wenn auch die Gläubiger einer Gesellschaft zu Sanierungsbeiträgen bereit sind. Insbesondere die Banken nehmen hier, wie in dieser Arbeit bereits an mehreren Stellen aufgezeigt wurde, eine besondere Stellung ein. Den Gläubigern kommt damit regelmäßig ein ebenso großes Blockadepotenzial – das durch das bereits erläuterte Gefangenendilemma zusätzlich gespeist wird675 – wie den Gesellschaftern zu.

I. Akkordstörer als Sanierungshindernis Im Rahmen des Insolvenzplanverfahrens kann durch das in §§ 245, 251 InsO statuierte Obstruktionsverbot unter bestimmten Voraussetzungen der Widerstand einzelner Gläubiger oder sogar einzelner Gläubigergruppen überwunden werden, indem die Zustimmung einer den Insolvenzplan ablehnenden Gruppe unter den Voraussetzungen des § 245 Abs. 1 InsO fingiert wird. Die Zulässigkeit von Mehrheitsentscheidungen ist ein wichtiger Bestandteil des Insolvenzrechts und stellt sich, wie im Rahmen dieser Arbeit bereits angerissen wurde, als Vorteil gegenüber außergerichtlichen Sanierungen dar.676 Es ist in Rechtsprechung und Literatur allgemein anerkannt, dass auch im Rahmen außergerichtlicher Sanierungen ein rechtspolitisches Bedürfnis besteht, Akkordstörer, die auf Kosten der die Sanierungskosten aufbringenden anderen Gläubiger von der Sanierung profitieren wollen, zu majorisieren und in die Sanierung des betroffenen Unternehmens einzubeziehen. Es ist nicht einleuchtend und äußerst unbefriedigend, dass gerade die opponierenden Gläubiger durch eine gelungene außergerichtliche Sanierung in die Position versetzt werden, ihre Forderungen vollständig durchsetzen zu können und damit für ihre mangelnde Solidarität belohnt werden, obwohl ihre Forderungen ohne die Verzichtsleistungen der kooperativen 675 676

Vgl. dazu bereits Gliederungspunkt A.I. Vgl. bereits Gliederungspunkt B.III.2.a).

I. Akkordstörer als Sanierungshindernis

153

Gläubiger unter Umständen vollständig ausgefallen wären. Hierbei geht es nicht allein um die Benachteiligung der kooperativen Gläubiger. Problematisch ist darüber hinaus die Schaffung von Anreizen zu unkooperativem Verhalten, indem einzelne Gläubiger entweder Sondervorteile für ihre Mitwirkung an einem Sanierungsversuch von dem Schuldnerunternehmen verlangen oder schlicht auf die Opferbereitschaft der übrigen Gläubiger vertrauen und eine Mitwirkung an der Sanierung gänzlich verweigern. Die sanierungsunwilligen Gläubiger können dann unter Umständen eine vollumfängliche Befriedigung erlangen, während die sanierungswilligen Gläubiger ihre Forderungen nur durchsetzen können, soweit sie auf diese nicht im Rahmen der Sanierungsmaßnahmen verzichtet haben. Der BGH hob diesen Missstand in seiner berühmten Entscheidung zur Akkordstörer-Problematik einerseits besonders hervor, sah andererseits aber keine rechtliche Grundlage für eine Majorisierung unkooperativer Gläubiger außerhalb des Insolvenzverfahrens.677 Im Folgenden soll die Akkordstörer-Entscheidung des BGH zunächst nachgezeichnet werden, bevor auf verschiedene Lösungskonzepte zur Überwindung des Blockadepotenzials von Gläubigern eingegangen und untersucht werden soll, ob und inwieweit diese Vorschläge geeignet sind, opportunistisches Verhalten von Gläubigern zu unterbinden und die Akkordstörer-Problematik dadurch zu entschärfen. Die nachfolgenden Ausführungen sollen sich insoweit aber auf Vorschläge beschränken, die sich de lege lata entwickeln lassen.678 1. Rechtsprechung des BGH – Akkordstörer-Entscheidung Der BGH hat in dem sog. Akkordstörer-Urteil eine Verpflichtung der Gläubiger zur Mitwirkung an außergerichtlichen Sanierungsbemühungen verneint.679 Zur Vermeidung der Insolvenz der co-op Gruppe schlossen die Gläubigerbanken zunächst eine Sanierungsvereinbarung, in der sie für die Hälfte ihrer ungesicherten Forderungen einen Rangrücktritt mit Besserungsschein erklärten und die vom Rangrücktritt betroffenen Forderungen zusätzlich für einen gewissen Zeitraum stundeten. In der Folge zeigte sich jedoch, dass diese Sanierungsbemühungen nicht ausreichen würden. Ein Großteil der Bankengläubiger war jedoch zum Abschluss einer zweiten Sanierungsvereinbarung und einem damit verbundenen höheren Forderungsverzicht bereit. Dem widersetzte sich eine der Gläubigerbanken, die daraufhin auch den Rücktritt von der ersten Sanierungsvereinbarung erklärte und gerichtlich die Rückzahlung des von ihr gewährten Darlehens geltend machte. 677

Vgl. BGHZ 116, 319 (322). Teilweise wird zur Überwindung des Blockadepotenzials von Gläubigern die Einführung eines vorinsolvenzlichen Vergleichsgesetzes gefordert; dies ist in mehreren Monographien behandelt worden und ist nicht Gegenstand der vorliegenden Arbeit. Vgl. hierzu etwa Braun, Die Vorinsolvenzliche Sanierung von Unternehmen sowie Swierczok, Das englische Scheme of Arrangement und seine Rezeption in Deutschland. 679 Zum Nachfolgenden BGHZ 116, 319 ff. 678

154

E. Sanierungsbeiträge von Gläubigern

Der BGH führte in den Entscheidungsgründen aus, dass keine rechtliche Möglichkeit bestehe, die obstruierende Gläubigerbank zum Beitritt zu der zweiten Sanierungsvereinbarung zu zwingen. Ein außergerichtlicher Sanierungsvergleich könne nur für die zustimmenden Gläubiger Bindungswirkung entfalten, während es den übrigen Gläubigern freistehe, ihre Ansprüche gegen den Schuldner uneingeschränkt durchzusetzen. Eine weitergehende Rechtsfortbildung hätte nach Ansicht des BGH gegen das in Art. 20 Abs. 3 GG statuierte Rechtsstaatsprinzip verstoßen. Diese Schlussfolgerung zog der BGH auch aus einem Umkehrschluss zum damals geltenden Insolvenzrecht: Der Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung, damals geregelt in § 8 Abs. 1 VerglO für den gerichtlichen Vergleich im Vergleichsverfahren und in § 181 S. 1 KO für den Zwangsvergleich im Konkursverfahren,680 könne hier nicht herangezogen werden. Auch handele es sich bei den Gläubigern eines in der Krise befindlichen Unternehmens – jedenfalls vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens – nicht um eine Gefahrengemeinschaft im Sinne der §§ 741 ff. BGB, die Mehrheitsentscheidungen zu Lasten widersprechender Gläubiger ermögliche. Daran habe im konkreten Fall auch der Abschluss der ersten Sanierungsvereinbarung nichts geändert. 2. Ansichten in der Literatur Das Akkordstörer-Urteil des BGH hat – trotz des unbefriedigenden Ergebnisses und seiner negativen Auswirkungen auf vorinsolvenzliche Sanierungsverfahren – breite Zustimmung in der Literatur erfahren.681 An dieser Stelle sei zunächst angemerkt, dass die Argumentation des BGH, die sich auch auf eine vergleichende Sichtweise mit dem damals geltenden Insolvenzrecht bezog, auch nach derzeitiger Rechtslage schlüssig ist und sich durch Einführung der Insolvenzordnung am 1. Januar 1999 und des ESUG am 1. März 2012 nicht erledigt hat.682 Denn es entspricht in Rechtsprechung und Literatur nahezu einhelliger Auffassung, dass die Gläubiger im Insolvenzverfahren eine durch die InsO begründete Befriedigungsgemeinschaft bilden (§ 1 InsO) und hierdurch spezielle Treuepflichten begründet 680 Die Vergleichsordnung und die Konkursordnung wurden mit Inkrafttreten der Insolvenzordnung mit Wirkung zum 1. Januar 1999 durch Art. 2 Nr. 1 EGInsO v. 5. Oktober 1994 aufgehoben (BGBl. I S. 2911). 681 Vgl. etwa Tiedtke, EWiR 1992, 255 (256); Kilger/Schmidt, Komm KO, § 173 KO, Anm. 5; Langenbucher, Rechtsfortbildung, S. 46 – 48, Ebenroth/Grasshoff, BB 1992, 865 ff.; Köndgen, Schriftenreihe der Bankrechtlichen Vereinigung Bd. 6, 140 (193 f.); Häuser, Schriftenreihe der Bankrechtlichen Vereinigung Bd. 6, 75 (106 ff.); Oelrichs, Gläubigermitwirkung, S. 14 f.; Smid/Ratunde/Martini, Insolvenzplan, Kap. 19, Rn. 9 f.; Uhlenbruck, in: Schmidt/Uhlenbruck, Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, Rn. 2.214; Vuia, Verantwortlichkeit von Banken, S. 394 (lediglich im Hinblick auf Kreditinstitute); Häsemeyer, InsolvenzR, Rn. 27.04; Häuser, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Hdb Bankrecht, § 85 Rn. 20 f.; Neuhof, NJW 1998, 3225 (3226); Spielberger, Krisenunternehmen, S. 52; Uhlenbruck, BB 1998, 2009 (2011 f.); Uhlenbruck, BB 2001, 1641 (1644 f.). 682 So auch etwa Servatius, Gläubigereinfluss, S. 192.

II. Vorschläge zur Lösung der Akkordstörer-Problematik

155

werden können.683 Die Schlussfolgerung des BGH, dass sich gerade aus dieser gesetzlichen Wertung des Insolvenzrechts im Umkehrschluss die fehlende Möglichkeit einer Majorisierung opponierender Gläubiger außerhalb des Insolvenzverfahrens ergebe, ist daher auch nach derzeitiger Rechtslage möglich.684 Eine allgemeine Mitwirkungspflicht stelle einen unzulässigen Eingriff in die Vertragsfreiheit dar und überschreite die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung.685 Die Ablehnung von Mitwirkungspflichten sei auch rechtspolitisch tragbar, da dem Schuldner die Möglichkeit der Einleitung eines gerichtlichen Insolvenzverfahrens stets offenstehe und zudem ein außergerichtlicher Vergleich ohne die im gerichtlichen Vergleichsverfahren gegebenen verfahrensmäßigen Sicherungen mit den Rechtsschutzgewährleistungen der widerstrebenden Gläubiger nicht zu vereinbaren sei.686 Teilweise wird jedoch eine Haftung gemäß § 826 BGB befürwortet, wenn der infolge des obstruktiven Verhaltens eingetretene Gesamtverlust den vom Akkordstörer erzielbaren individuellen Vorteil bei weitem übersteige.687

II. Vorschläge zur Lösung der Akkordstörer-Problematik Trotz des überwiegend positiven Echos ist das Akkordstörer-Urteil des BGH teilweise auch kritisch betrachtet worden. Nachfolgend sollen verschiedene Vorschläge beleuchtet werden, wie das Blockadepotenzial von Gläubigern überwunden und Akkordstörer in die Sanierungsmaßnahmen betroffener Unternehmen eingebunden werden könnten. 1. Eingriff in Gläubigerrechte aufgrund Kooperationspflichten der Gläubiger Angesichts der unbefriedigenden Folgen der Rechtsprechung des BGH zur Akkordstörer-Problematik auf vorinsolvenzliche Sanierungsverfahren hat insbesondere Eidenmüller in mehreren Aufsätzen sowie seiner Habilitationsschrift ein Konzept von Kooperationspflichten zur Überwindung von Blockadepotenzialen verschie683

Vgl. etwa Ganter/Lohmann, in: MüKo InsO, Bd. 1, § 1, Rn. 51; Servatius, Gläubigereinfluss, S. 192; ausführlich zu Treuepflichten unter Insolvenzgläubigern vgl. Schulz, Treuepflichten Insolvenzgläubiger, S. 96 ff. 684 So etwa Smid/Ratunde/Martini, Insolvenzplan, Kap. 19, Rn. 10; Tiedtke, EWiR 1992, 255 (256); Madaus, NZI 2011, 622 (624). 685 Vuia, Verantwortlichkeit von Banken, S. 394, der im Ergebnis aber besondere Mitwirkungspflichten der Banken bejahen möchte, wenn diese die wirtschaftliche Abhängigkeit eines Schuldners zu opportunistischem Verhalten ausnutzen oder die Krise des Unternehmens selbst herbeigeführt haben und sich hierdurch Vorteile erhoffen. Dies fasst Vuia unter den Begriff des Marktversagens zusammen, vgl. S. 343 ff., 394 ff. 686 Vgl. hierzu Vuia, Verantwortlichkeit von Banken, S. 391. 687 Köndgen, Schriftenreihe der Bankrechtlichen Vereinigung Bd. 6, 140 (194).

156

E. Sanierungsbeiträge von Gläubigern

dener Gläubiger herausgearbeitet.688 Auch vor der Entscheidung des BGH gab es jedoch bereits Stimmen in der Literatur, allen voran Wüst und Habscheid, die sich für eine Bindung von Akkordstörern an einen von der Mehrheit der Gläubiger geschlossenen außergerichtlichen Sanierungsvergleich ausgesprochen haben.689 Zwischen den Gläubigern eines Schuldnerunternehmens bestehe nämlich eine Interessengemeinschaft, aus der Kooperationspflichten folgen könnten. Nach Ansicht von Eidenmüller bestehen zwischen den Beteiligten einer außergerichtlichen Unternehmenssanierung schuldrechtliche Sonderverbindungen, die in einer Sanierungssituation gesellschaftsähnliche Verbindungen begründen und sich zu Verhandlungs- und Zustimmungspflichten verdichten können. Auf diese Weise könne sichergestellt werden, dass die Umsetzung eines für die Gesamtheit der Gläubiger bestmöglichen außergerichtlichen Sanierungsplans nicht durch das opportunistische Verhalten einzelner Gläubiger verhindert werde.690 Hinsichtlich der zur Einordnung des Umfangs dieser Kooperationspflichten notwendigen Begriffsbestimmung kritisiert Eidenmüller zunächst die vom BGH im Akkordstörer-Urteil vorgenommene Gleichsetzung von Kooperations- und Zustimmungspflichten691 und weist darauf hin, dass eine Kooperationspflicht der Gläubiger nicht automatisch mit einer Zustimmungspflicht zu einem Sanierungsvergleich gleichgesetzt werden dürfe.692 Vielmehr müsse zwischen einer prozess- und einer ergebnisbezogenen Komponente unterschieden werden, so dass Kooperationspflichten sowohl Pflichten zur Verhandlung über eine außergerichtliche Sanierung als auch die Pflicht zur Zustimmung zu einem außergerichtlichen Vergleichsvorschlag umfassen können.693 Zwar komme etwaigen Zustimmungspflichten zur Lösung des Akkordstörer-Problems eine besondere Bedeutung zu, jedoch sei die prozessbezogene Komponente der Verhandlungspflicht nicht zu unterschätzen, da die Wahrscheinlichkeit einer Einigung steige, wenn die Gläubiger überhaupt erst einmal über ein Sanierungs688 Vgl. Eidenmüller ZHR 160 (1996), 343 ff.; Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 345 ff.; S. 551 ff.; Eidenmüller, ZIP 2007, 1729 (1731 f.); Eidenmüller, Finanzkrise, S. 23 f., 27; Eidenmüller, ZZP 121 (2008), 273 (290); Eidenmüller, ZIP 2010, 649 ff.; grundsätzlich zustimmend Bamberger, in: Knops/Bamberger/Maier-Reimer, Recht der Sanierungsfinanzierung, § 16, Rn. 32 ff.; Bitter, ZGR 2010, 147 ff.; tendenziell zustimmend (aber ohne nähere Begründung) auch Westpfahl, ZGR 2010, 385 (395); Engert, Kreditgewährung, S. 144 ff.; ablehnend Müller, Der Verband in der Insolvenz, S. 270 ff.; Madaus, NZI 2011, 622 (624); Servatius, Gläubigereinfluss, S. 185 ff. 689 Wüst, Interessengemeinschaft, insb. S. 11 – 27, 45 f., 85 f.; Wüst, in: FS Wilburg, S. 257 (270 f.); Wüst, in: FS Wiese, S. 649 (653 ff.); Habscheid, in: GS Bruns, S. 253 ff.; Behmer, Sanierungsvergleich, S. 37 f., 103; wohl auch Hadding, in: Soergel, Komm. BGB, Vor § 741, Rn. 11; stark einschränkend Schmidt, in: MüKo BGB, Bd. 5, § 741, Rn. 71. 690 Eidenmüller ZHR 160 (1996), 343 (354 f.). 691 Vgl. BGHZ 116, 319 (322). 692 Eidenmüller, ZHR 160 (1996), 343 (354); Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 557 f. 693 Eidenmüller, ZHR 160 (1996), 343 (354); Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 557 ff.

II. Vorschläge zur Lösung der Akkordstörer-Problematik

157

konzept verhandeln.694 Dem ist zuzustimmen. Denn wer nicht einmal miteinander spricht bzw. verhandelt, kann sich auch auf keinen Kompromiss einigen. Die bloße Teilnahme an Sanierungsverhandlungen wird regelmäßig den Informationsstand der Beteiligten ändern und kann allein hierdurch einen positiven Effekt auf die Sanierungsbemühungen entfalten. Wenn das Krisenunternehmen in einer solchen Verhandlungsrunde beispielsweise den Gläubigern ein überzeugendes Sanierungskonzept präsentiert, steigen zweifellos die Chancen zur Überzeugung bis dahin kritischer Gläubiger. Dieser positive Effekt kann häufig durch eine gewisse Gruppendynamik gesteigert werden, wenn sich ein Großteil der Gläubiger für ein Sanierungskonzept ausspricht und sanierungsunwillige Gläubiger in einem solchen Fall direkt mit einbezieht. In solchen Konstellationen fällt es sanierungsunwilligen Gläubigern häufig schwerer, Blockadehaltungen aufrecht zu erhalten. Verhandlungspflichten besitzen daher jedenfalls einen kooperationsfördernden Effekt, der nicht zu bestreiten sein dürfte. a) Dogmatische Grundlage von Kooperationspflichten Entgegen der Ansicht des BGH hält Eidenmüller Kooperationspflichten zwischen den Gläubigern einer sanierungsbedürftigen Gesellschaft für dogmatisch begründbar und entwickelt dieses Pflichtensystem aus den Grundzügen der Akkordstörer- sowie der Girmes-Entscheidung des BGH.695 Die zeitlich nachgelagerte Girmes-Entscheidung könnte man – hierauf wird noch einzugehen sein – insoweit als eine Abkehr des BGH von der strikten Ablehnung des Entstehens von Kooperationspflichten der Gläubiger in der Akkordstörer-Entscheidung deuten.696 Eidenmüller unterscheidet zunächst zwischen unmittelbaren Kooperationspflichten, die zwischen den Gläubigern untereinander bestehen und mittelbaren Kooperationspflichten, die dem Verhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner entspringen.697 Ein Rückgriff auf die mittelbaren Kooperationspflichten erscheine zunächst naheliegend, da zwischen Schuldner und Gläubiger regelmäßig ein Schuldverhältnis bestehe und sich insbesondere aus dem Grundsatz von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB Leistungsverweigerungsrechte des Schuldners als Sanktionsinstrument herleiten ließen, die opponierende Gläubiger zu kooperativem Verhalten zwingen würden. In diese Richtung tendiere auch der BGH, der in seiner Akkord-

694

Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S 558. BGHZ 116, 319 ff. („Akkordstörer-Entscheidung“); BGHZ 129, 136 ff. („GirmesEntscheidung“), zur Girmes-Entscheidung und seinen Auswirkungen auf die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht vgl. bereits ausführlich Gliederungspunkt C. dieser Arbeit. 696 So Wüst, in: FS Wiese, S. 649 (653). 697 Eidenmüller, ZHR 160 (1996), 343 (367); Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 630 ff. (zu unmittelbaren Kooperationspflichten), S. 620 ff. (zu mittelbaren Kooperationspflichten). 695

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E. Sanierungsbeiträge von Gläubigern

störer-Entscheidung lediglich aus tatsächlichen Gründen ein Leistungsverweigerungsrecht des Schuldners verneint habe.698 Darüber hinaus sei es aber auch möglich, unmittelbare Kooperationspflichten aus dem Verhältnis der Gläubiger untereinander abzuleiten. Dies sei nicht darauf beschränkt, dass die Gläubiger ihrerseits durch eine schuldrechtliche Beziehung – zu denken ist in diesem Zusammenhang insbesondere an ein Bankenkonsortium – verbunden sind. Bei einem Bankenkonsortium, das regelmäßig in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts organisiert ist,699 folgen aus der gesellschaftsrechtlichen Verbindung Treuepflichten, die – wie im Rahmen dieser Arbeit detailliert dargelegt wurde – im Einzelfall auch eine Zustimmungspflicht zu einem sinnvollen Sanierungsvorschlag umfassen können. Diese Sichtweise wird im Hinblick auf ein Sanierungskonsortium auch von anderen Autoren in der Literatur geteilt.700 Es existieren, so Eidenmüller, jedoch auch Kooperationspflichten zwischen denjenigen Gläubigern, die nicht durch eine explizite rechtliche Verbindung in Beziehung zueinander stehen. Die Herleitung dieser Kooperationspflichten sei aber im Ergebnis nicht auf die sog. Lehre von der schlichten Interessengemeinschaft zu stützen, derzufolge es sich bei der in §§ 741 ff. BGB geregelten Bruchteilsgemeinschaft nur um einen Sonderfall eines allgemeinen Phänomens handele.701 Ausgangspunkt der Überlegungen für eine schlichte Interessengemeinschaft war die Anknüpfung an das gemeinsame Interesse der Gläubiger an der Befriedigung ihrer jeweiligen Forderungen von einem gemeinsamen Schuldner.702 Eidenmüller nimmt zwar ebenfalls an, dass eine solche Interessengemeinschaft zwischen den Gläubigern bestehe, allerdings hält er eine entsprechende Anwendung der §§ 741 ff. BGB auf die Gläubiger in einer Sanierungssituation mit Blick auf die Rechtsfolgen teilweise für nicht sachgerecht und lehnt diese Ansicht im Ergebnis daher ab.703 Seiner Ansicht nach sind die an einem außergerichtlichen Sanierungsverfahren Beteiligten aber durch eine gesellschaftsähnliche Beziehung miteinander verbunden, aus der sich ein System von Kooperationspflichten als Ausprägung der gegenseitigen Treuepflicht entwickeln lässt. Zwischen den Beteiligten bestehe ein hypothetischer Gesellschaftsvertrag dergestalt, dass die Gläubiger einer Gesellschaft im Zeitpunkt der 698 Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 627 unter Verweis auf BGHZ 116, S. 319 (328 f.). 699 De Meo, Bankenkonsortien, Kap. 2, Rn. 1 ff.; Bamberger, in: Knops/Bamberger/MaierReimer, Recht der Sanierungsfinanzierung, § 16, Rn. 35; Ebenroth/Grashoff, BB 1992, 865 (870). 700 Vgl. etwa Müller, Der Verband in der Insolvenz, S. 273. 701 Vgl. hierzu etwa Würdinger, Interessengemeinschaften, S. 12 ff.; Wüst, Interessengemeinschaft, insb. S. 11 – 27, 45 f., 85 f.; Wüst, in: FS Wilburg, S. 257 (270 f.); Wüst, in: FS Wiese, S. 649 (653 ff.); Habscheid, in: GS Bruns, S. 253 ff.; Behmer, Sanierungsvergleich, S. 31, 37 f., 103. 702 Auf die Theorie der schlichten Interessengemeinschaft wird im Folgenden nicht weiter eingegangen, vgl. hierzu z. B. Simon, SchuldverschrG, S. 144 ff. 703 Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 607; wohl noch zustimmend Eidenmüller, ZHR 160 (1996), 343 (368 ff.).

II. Vorschläge zur Lösung der Akkordstörer-Problematik

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Krise neben dem Interesse an der Durchsetzung ihrer Forderungen auch ein Interesse an der Maximierung der Haftungsmasse des Schuldners und damit dem Erfolg eines Sanierungsverfahrens hätten. Die Gläubiger würden daher – hypothetisch – eine gesellschaftsvertragliche Regelung akzeptieren, die die Befriedigungsaussichten des Kollektivs der Gläubiger maximiert und die für alle Beteiligten möglicherweise desaströsen Folgen individuell gewinnmaximierenden Verhaltens ausschließe.704 b) Kritik an dem Konzept von Eidenmüller und Stellungnahme Bei der Gegenüberstellung der Ausführungen des BGH in der AkkordstörerEntscheidung und dem Ansatz von Eidenmüller wurde deutlich, dass sich die beiden Ansätze in der zentralen Frage unterscheiden, ob die Gläubiger eines Unternehmens eine rechtliche Gemeinschaft begründen, durch die sie zur Teilnahme an einer im gemeinsamen Interesse liegenden außergerichtlichen Sanierung verpflichten werden können. Beide Ansichten stimmen zunächst darin überein, dass sich solche Kooperationspflichten grundsätzlich nicht auf Grund rechtsgeschäftlicher Beziehungen gemäß §§ 145 ff. BGB ergeben. Während der BGH aber eine Pflichtbindung gänzlich verneinte, entwickelte Eidenmüller das soeben dargestellte Konzept zur Überwindung opponierender Gläubiger. Dieser normative Ansatz wird allerdings unter verschiedenen Aspekten kritisiert. Die Gläubiger seien, so der scheinbar allgemeine Tenor, im Vorfeld eines Insolvenzverfahrens nicht zu gegenseitiger Treue untereinander verpflichtet.705 Dies ergebe sich bereits daraus, dass in den Regelungen zum Planverfahren mit dem dort geregelten Mehrheitsverfahren (§ 244 InsO) und dem Obstruktionsverbot (§ 245 InsO) das gesetzgeberische Angebot zur Bewältigung des AkkordstörerProblems liege und – jedenfalls aus der Perspektive des Insolvenzrechts – keine planwidrige Regelungslücke bestehe, die rechtsfortbildend durch die Etablierung von Regelungen geschlossen werden müsse, die mit dem Insolvenzverfahren vergleichbar seien.706 Es wurde bereits festgehalten, dass diese sich an dem Umkehrschluss des BGH aus dem Akkordstörer-Urteil707 anlehnende Schlussfolgerung auch 704

Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 610. Vgl. hierzu etwa Drukarczyk/Schöntag, in: Gottwald, Hdb Insolvenzrecht, § 3, Rn. 3; Hölzle, NZI 2010, 207 (207 f.); Geldmacher, ZInsO 2010, 696 (699); Kuntz, ZIP 2008, 814 (816). In diesem Zusammenhang wird teilweise Heinsius, in: Birk/Kreuzer, S. 147 (151) zitiert: „Freie Sanierungen sind freiwillige Sanierungen. Niemand – Gläubiger, Eigentümer, Arbeitnehmer – ist zu Opfern oder auch nur zur Mitwirkung ohne ein Opfer verpflichtet“. Im Lichte der BGH Rechtsprechung zu gesellschaftsrechtlichen Treuepflichten ist dieses Zitat – zumindest im Hinblick auf die Eigentümer – aus heutiger Sicht ersichtlich nicht mehr aufrecht zu erhalten. 706 Servatius, Gläubigereinfluss, S. 192 f. 707 Zur Erinnerung: Der BGH hielt in den Entscheidungsgründen fest, dass der Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung, damals geregelt in § 8 Abs. 1 VerglO für den gerichtlichen Vergleich im Vergleichsverfahren und in § 181 S. 1 KO für den Zwangsvergleich im Konkursverfahren, für einen außergerichtlichen Vergleich nicht herangezogen werden könne. 705

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E. Sanierungsbeiträge von Gläubigern

nach heutiger Rechtslage möglich ist. Überzeugend oder gar zwingend erscheint dies indes nicht. Beispielsweise hat der Gesetzgeber durch das ESUG-Reformgesetz gemäß § 225a Abs. 2 InsO die Voraussetzungen für einen Debt-Equity Swap im Insolvenzverfahren geschaffen und auch die Möglichkeit vorgesehen, dies gegen den Willen der Anteilsinhaber durchsetzen zu können.708 Dennoch wird man mit der Rechtsprechung des BGH zur gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht auch bei außergerichtlichen Sanierungsverfahren unter bestimmten Voraussetzungen, dies wurde im Rahmen dieser Arbeit bereits ausführlich dargelegt,709 eine Zustimmungspflicht der Gesellschafter zu einem Debt-Equity Swap bejahen. Es ist nicht ersichtlich, warum für die Etablierung von Kooperationspflichten der Gläubiger etwas anderes gelten sollte. Man sollte sich an dieser Stelle auch noch einmal ins Gedächtnis rufen, dass der Gesetzgeber durch Schaffung der Insolvenzordnung außergerichtliche Sanierungsverfahren ausdrücklich nicht zurückdrängen wollte.710 Ähnlich wie im Bereich der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht erscheint die Entwicklung von Kooperationspflichten daher nicht per se ausgeschlossen. Gegen den Ansatz von Eidenmüller und die Lehre von der Interessengemeinschaft wird darüber hinaus eingewandt, dass es sich bei den Gläubigern eines in der Krise befindlichen Schuldnerunternehmens nicht um eine homogene Gruppe handele, sie daher bereits keine gemeinsamen Interessen hätten und es sich folglich weder um eine Interessen- oder Rechtsgemeinschaft handele noch zwischen den Gläubigern eine gesellschaftsähnliche Verbindung bestehe.711 Bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestehe vielmehr ein Wettlauf der Gläubiger, in dem jeder ohne Rücksicht auf die anderen Gläubiger seine eigenen Forderungen in möglichst hohem Umfang durchzusetzen versuche. Dies ändere sich erst mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens, da nun der Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung (par conditio creditorum) gelte und sich hierdurch ein gemeinsames Interesse der Gläubiger bilde, eine möglichst hohe Befriedungsquote durch bestmögliche Verwertung des Schuldnervermögens zu erzielen. Auch dieses Argument ist nicht überzeugend. Die Interessenlage der Gläubiger ändert sich nicht durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens, sondern es gibt ab diesem Zeitpunkt lediglich einen rechtlichen Mechanismus zur Bewältigung des Wettlaufs der Gläubiger.712 Es ist nicht ersichtlich, warum hieraus der Rückschluss gezogen werden sollte, Kooperationspflichten im Vorfeld der Insolvenz gänzlich zu verneinen. Hinzu kommt, dass die Regelungen der 708

Die Anteilsinhaber werden gem. §§ 217, S. 2, 221 InsO Beteiligte des Insolvenzplanverfahrens, in deren Rechte durch den gestaltenden Teil des Insolvenzplans eingegriffen werden kann. Die für einen Debt-Equity Swap erforderlichen Kapitalherabsetzungs- oder -erhöhungsbeschlüsse liegen automatisch mit der Annahme des Insolvenzplans vor und müssen nicht mehr gesondert gefasst werden. 709 Vgl. hierzu bereits Gliederungspunkt C.III.2.d). 710 Begr. RegE, BT-Drucks. 12/2443, S. 72.; Uhlenbruck, BB 2001, 1641 (1643); Braun/ Uhlenbruck, Unternehmensinsolvenz, S. 170. 711 Vgl. etwa Madaus, NZI 2011, 622 (624); Müller, Der Verband in der Insolvenz, S. 272. 712 Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 601.

II. Vorschläge zur Lösung der Akkordstörer-Problematik

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Insolvenzordnung bereits in das Vorfeld der Insolvenz gewissermaßen hineinstrahlen. Etwaige Zwangsvollstreckungen unmittelbar vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens müssen unter gewissen Voraussetzungen auf Grund der Rückschlagsperre des § 88 InsO sowie der Insolvenzanfechtungsgründe der §§ 129 ff. InsO rückabgewickelt werden.713 In einem solchen Fall wären dann einerseits die vorgenommenen Vollstreckungshandlungen unwirksam, andererseits die Chance zur außergerichtlichen Sanierung vertan. Dies zeigt zweierlei: Erstens besteht auch im Vorfeld der Insolvenz das Bedürfnis koordinierten Gläubigerhandelns, zweitens kann keine scharfe Trennlinie zwischen den Interessen der Gläubiger im Vorfeld der Insolvenz und innerhalb des Insolvenzverfahrens gezogen werden. Gewichtiger erscheint aus Sicht des Verfassers der Einwand, die Konstruktion eines hypothetischen Gesellschaftsvertrages sei mit dem Prinzip der Privatautonomie unvereinbar.714 Die Beteiligten müssten selbst entscheiden können, was vernünftig und interessengerecht sei, dies könne nicht im gerichtlichen Verfahren durch einen Richter vorgenommen werden, der den Inhalt eines solchen Vertrages bestimmen und das Verhalten der Beteiligten daran ex post messen müsste. Etwas anderes gelte nur, wenn sich die Beteiligten tatsächlich zu einem Sanierungskonsortium zusammenschließen. Dieses Argument ist jedenfalls im Hinblick auf das Erfordernis einer Zustimmungspflicht überzeugend, bezieht sich jedoch bei genauem Hinsehen nicht auf etwaige Verhandlungs- oder andere Verhaltenspflichten der Gläubiger. Denn durch die bloße Bejahung von Verhandlungs- oder Verhaltenspflichten der Gläubiger werden noch keine den Gläubigern zustehenden Entscheidungen in die gerichtliche Sphäre verlagert. Sofern man an dieser Stelle demnach akzeptiert, dass die Gläubiger eines notleidenden Unternehmens dazu verpflichtet sind, über notwendige und sinnvolle Sanierungsmaßnahmen zur Fortführung eines Schuldnerunternehmens zu verhandeln und sich insoweit nicht von vornherein zu verschließen, können die Erfolgschancen einer Sanierung gesteigert und die Probleme im Zusammenhang mit Akkordstörern zumindest entschärft werden.715 An dieser Stelle sei auf einen interessanten Hinweis von Hölzle716 verwiesen, der im Hinblick auf die Kooperationshürden darauf aufmerksam macht, dass Sanierungsvergleiche mit sehr viel größerer Erfolgsquote verhandelt werden können, wenn das alternativ drohende Insolvenzszenario den Gläubigern im Rahmen der Verhandlungen möglichst deutlich vor Augen geführt wird. Denn jeder Kompromiss – so Hölzle – sei das Ergebnis einer glaubhaften Drohung. Hierzu ist jedoch notwendig, dass die Parteien sich zunächst überhaupt zu Verhandlungen und Gesprächen bereitfinden. Ob darüber hinaus eine Zustimmungspflicht der Gläubiger in bestimmten Situationen begründet werden kann, ist eine weitergehende und schwieriger zu be713 714 715 716

Vgl. hierzu auch bereits Gliederungspunkt B.III.2.b)aa) dieser Arbeit. Müller, Der Verband in der Insolvenz, S. 273. So ebenfalls Servatius, Gläubigereinfluss, S. 194. Hölzle, NZI 2010, 207 (208).

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E. Sanierungsbeiträge von Gläubigern

antwortende Frage. Den Kritikern des Konzepts von Eidenmüller ist insoweit zuzugestehen, dass die Begründung von Kooperationspflichten über einen hypothetischen Gesellschaftsvertrag einer rechtssicheren Handhabung dieser Rechtsfigur entgegenstehen könnte.717 Andererseits lohnt an dieser Stelle noch einmal eine genauere Beschäftigung mit der Rechtsprechung des BGH zur gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht und den sich daraus ergebenden Parallelen zur Entwicklung einer Kooperationspflicht der Gläubiger. Die Herleitung und Begründung der Treuepflicht hat sich im Laufe der Zeit gewandelt und die Bedeutung des Umfangs der vertraglichen Bindung ist im Rahmen der Rechtsprechung des BGH zugunsten des Kriteriums der Einwirkungsmacht immer weiter in den Hintergrund getreten. In diesem Zusammenhang kann die Argumentation von Bitter bezüglich einer Aufopferungspflicht der Gesellschafter gegenüber den Gläubigern nutzbar gemacht werden, derzufolge die Einwirkungsmacht kein Spezifikum vertraglicher Bindung ist.718 Dass den Gläubigern – und allen voran den finanzierenden Banken – im Rahmen außergerichtlicher Sanierungen eine zum Teil entscheidende Einwirkungsmacht zukommt, dürfte nicht ernsthaft bestritten werden. Das Erfordernis einer vertraglichen Bindung sollte dann aber auch nicht überbewertet werden. Es sind schließlich auch Konstellationen denkbar, in denen das Verhältnis mehrerer Aktionäre untereinander eher an ein deliktisches Verhältnis völlig unverbundener Personen erinnert als an ein gesellschaftsrechtliches Verhältnis der Gesellschafter einer Personen- oder Kapitalgesellschaft.719 Unter diesem Blickwinkel kann das Argument, zwischen der Akkordstörer-Entscheidung und der Girmes-Entscheidung des BGH bestünden grundlegende Unterschiede, nicht überzeugen.720 Eine solch starre Sichtweise führt – in rechtspolitischer Hinsicht sind sich Rechtsprechung und Literatur insoweit ja einig – nicht zu sachgerechten Ergebnissen. Das Kriterium der Einwirkungsmacht sollte daher auch im Hinblick auf etwaige Kooperationspflichten von Gläubigern nutzbar gemacht werden. Dies würde aus Sicht des Verfassers eine konsequente Fortentwicklung bzw. Ergänzung der Rechtsprechung des BGH zur gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht darstellen. Unter Zugrundelegung dieser Argumentation müssen solche Kooperationspflichten aber auf passive Duldungs- bzw. Rücksichtnahmepflichten beschränkt sein. Denn eine aktive Förderungspflicht trifft auch die Gesellschafter ausschließlich im Verhältnis zur Gesellschaft, während die Gesellschafter untereinander lediglich zur Rücksichtnahme verpflichtet sind. Wenn aber aus dem Verhältnis der Gesellschafter untereinander keine Zustimmungspflichten hergeleitet werden können, kann dies aus dem Verhältnis der Gläubiger untereinander erst Recht nicht gelingen. Denn sonst würden die Kooperationspflichten der Gläubiger weiter reichen als die Treue717

Vgl. etwa Servatius, Gläubigereinfluss, S. 193; ebenfalls Uhlenbruck, BB 2001, 1641 (1647), der die Begründung von Kooperationspflichten insgesamt als „Wunschtraum“ bezeichnet. 718 Vgl. Bitter, ZGR 2010, 147 (171 ff.) sowie Gliederungspunkt C.I.2.c). dieser Arbeit. 719 Vgl. Bitter, ZGR 2010, 147 (173). 720 So aber Müller, Der Verband in der Insolvenz, S. 274.

II. Vorschläge zur Lösung der Akkordstörer-Problematik

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pflichten der Gesellschafter. Dies wäre nicht sachgerecht. Daher ist insbesondere eine weitergehende Pflicht der Banken zur Verlängerung oder Neugewährung von Krediten in der Sanierungssituation abzulehnen. Dieser Aspekt wird in Gliederungspunkt 3. noch vertiefend dargelegt. c) Entstehung, Voraussetzungen und Inhalt von Kooperationspflichten Kooperationspflichten können nur dann verhaltenssteuernde Wirkung entfalten, wenn die Gläubiger einschätzen und beurteilen können, ab welchem Zeitpunkt, unter welchen Voraussetzungen und mit welchem Inhalt solche Pflichten greifen können. aa) Zeitpunkt der Entstehung von Kooperationspflichten Angesichts der Tatsache, dass Sanierungsverfahren zur Erhöhung der Erfolgschancen einer Sanierung möglichst frühzeitig eingeleitet werden sollten, schlägt Eidenmüller als Entstehungszeitpunkt von Kooperationspflichten vor darauf abzustellen, dass „die Vertreter des Unternehmens, seine Gläubiger oder Dritte auf Grund eines von ihnen festgestellten Reorganisationsbedarfes ein außergerichtliches Reorganisationsvorhaben durch eine entsprechende Mitteilung an bestimmte Personen (Vorhabenbeteiligte) einleiten“.721 Dieser Zeitpunkt erscheint aus Sicht des Verfassers geeignet, da dieser subjektive Anfangszeitpunkt einerseits für die Beteiligten leicht wahrnehmbar ist und hierdurch andererseits ein Höchstmaß an Flexibilität erreicht werden kann, indem die Umsetzung von Sanierungsmaßnahmen bereits in frühen Krisenstadien avisiert werden kann. bb) Inhalt und Umfang von Kooperationspflichten Bezüglich der Voraussetzungen, unter denen Kooperationspflichten der Gläubiger entstehen können, kann grundsätzlich auf die Kriterien zur Etablierung der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht sowie auf die von Eidenmüller entwickelten Wertungskriterien, die ebenfalls deutliche Parallelen zur gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht aufweisen, zurückgegriffen werden. Auf diese Weise kann ein größtmöglicher Gleichlauf zwischen Treuepflichten der Gesellschafter auf der einen und Kooperationspflichten der Gläubiger auf der anderen Seite hergestellt werden. Zur Bestimmung des Inhalts der Kooperationspflichten muss daher im Einzelfall stets eine umfassende Interessenabwägung vorgenommen werden, die auch die Beson721 Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 704 ff. In ZHR 160 (1996), 343 (358 f.) hat Eidenmüller demgegenüber noch einen Rückgriff auf § 92 Abs. 1 AktG bzw. § 49 Abs. 3 GmbHG als Zeitpunkt für die Entstehung von Kooperationspflichten vorgeschlagen. Hiervon ist er später jedoch abgerückt, da der Zeitpunkt, in dem die Voraussetzungen des § 92 Abs. 1 AktG bzw. § 49 Abs. 3 GmbHG erfüllt und damit eine Haupt- bzw. Gesellschafterversammlung unverzüglich einzuberufen ist, entscheidend von der gewählten Bilanzkonzeption abhänge, vgl. Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 696 f.

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E. Sanierungsbeiträge von Gläubigern

derheiten der Sanierungssituation und insbesondere die Tatsache berücksichtigt, dass opponierende Gläubiger keine Vorteile gerade dadurch erlangen sollen, dass die Sanierung und damit die Verbesserung der Befriedigungsmöglichkeiten der Gläubiger insgesamt durch Beiträge anderer Gläubiger ermöglicht wird. Eine Kooperationspflicht ist damit von vornherein nur möglich, wenn (i) die Gesellschaft sanierungsfähig ist und (ii) der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gewahrt wird, d. h. die geforderten Kooperationsmaßnahmen geeignet, erforderlich und angemessen sind. Hinsichtlich der Zumutbarkeit von Kooperationspflichten sind stets der Minderheitsschutz und der Schutz einzelner Kleingläubiger zu beachten; muss insbesondere dem Umstand Rechnung getragen werden, dass Gläubigern mit deliktischen Forderungen weniger Zugeständnisse abverlangt werden können als Gläubigern, die in Vertragsverhältnisse mit dem Schuldnerunternehmen getreten sind.722 (1) Verhandlungspflichten Die Auferlegung von Verhandlungspflichten kann, dies hat die bisherige Analyse gezeigt, die Erfolgschancen einer außergerichtlichen Sanierung erhöhen. Bei Bejahung einer gegenseitigen Rücksichtnahmepflicht auf die Interessen der übrigen Gläubiger wären die Gläubiger zu einer fairen Verhandlungsführung verpflichtet und dürften sich Verhandlungen über eine Sanierung einer Schuldnergesellschaft nicht von vornherein verschließen. Durch das Erfordernis einer fairen Verhandlungsführung könnte der Gefahr, mit der schuldnerischen Gesellschaft ohne Wissen und auf Kosten der übrigen Gläubiger Sonderkonditionen auszuhandeln, begegnet werden.723 Eine solche Verhandlungspflicht müsste weiter die Pflicht der einzelnen Gläubiger umfassen, sich inhaltlich mit der Sanierung des Unternehmens auseinander zu setzen und auf entsprechende Vorschläge auch zu reagieren.724 Hierzu müsste auch verlangt werden, Personal mit entsprechenden Handlungs- und Entscheidungsbefugnissen über eine Sanierung verhandeln zu lassen. Eine solche Verhandlungspflicht wäre zu bejahen, wenn die Gesellschaft sanierungsfähig ist und der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gewahrt ist. Hieran sollten keine allzu hohen Anforderungen gestellt werden. Nachteile sind, abgesehen von der zeitlichen Einbindung der beteiligten Personen und etwaiger Beratungskosten, nicht zu erwarten. Das finanzielle Risiko der Gläubiger bei Teilnahme an Verhandlungen über eine Sanierung des Schuldnerunternehmens würde sich daher regelmäßig in Grenzen halten und wäre unter dem Aspekt, die Befriedigungsquote der Gläubiger bei erfolgreicher Umsetzung einer außergerichtlichen Sanierung insgesamt zu erhöhen, regelmäßig zumutbar. 722

Eidenmüller, ZHR 160 (1996), 343 (365). Vgl. hierzu ausführlich Vuia, Verantwortlichkeit von Banken, S. 396 ff.; ebenfalls Häuser, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Hdb Bankrecht, § 85 Rn. 19d. 724 Vgl. Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 739. 723

II. Vorschläge zur Lösung der Akkordstörer-Problematik

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(2) Stillhaltepflichten Neben den bereits erwähnten Verhandlungspflichten kann möglichen Stillhalteverpflichtungen der Gläubiger eine entscheidende Bedeutung im Rahmen der außergerichtlichen Sanierung zukommen.725 Stillhaltevereinbarungen werden typischerweise zwischen den finanzierenden Banken und einem Schuldnerunternehmen geschlossen und umfassen in solchen Fällen eine vertraglich vereinbarte befristete Suspendierung bestimmter Kündigungsrechte der Banken.726 Jedoch sind Stillhaltevereinbarungen nicht hierauf beschränkt. Im hier vorliegenden Zusammenhang kann unter den Begriff der Stillhaltverpflichtungen der Verzicht auf sämtliche Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gefasst werden. Der Schutz vor Einzelvollstreckungsmaßnahmen bereits im Vorfeld der Insolvenz würde einer Stundung der Gläubigerforderungen gleichkommen. Durch einen solch faktischen Vollstreckungsschutz könnte dem zahlungsunfähigen Unternehmen einerseits finanzieller Spielraum verschafft werden, um weiterführende betriebswirtschaftliche Sanierungsschritte einzuleiten und würde darüber hinaus den Gläubigern einen erhöhten Anreiz zur Beteiligung an einem Sanierungskonzept bieten. Unter Zugrundelegung der oben bereits abstrakt dargelegten Kriterien können die Gläubiger nach hier vertretener Ansicht zur Stillhaltung verpflichtet sein, wenn (i) die Schuldnergesellschaft sanierungsfähig ist und (ii) der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz eine Rücksichtnahme auf die Interessen der übrigen Gläubiger gebietet. Erforderlich ist eine Stillhaltepflicht nur dann, wenn die Sanierung ohne diesen Beitrag scheitern wird, also kein milderes Mittel zur Verfügung steht. Hierbei ist davon auszugehen, dass einzelne Zwangsvollstreckungsmaßnahmen der Gläubiger im Vorfeld der Insolvenz nicht nur dann zu unterlassen sind, wenn ansonsten das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft direkt eröffnet werden müsste, sondern auch bereits dann, wenn durch Einleitung der Vollstreckungsmaßnahmen ein Wettlauf der Gläubiger einsetzen und dadurch im Ergebnis die Insolvenz der Schuldnergesellschaft unabwendbar und die Chance zur Sanierung verspielt würde. Es geht also darum, einen Wettlauf der Gläubiger im Wege der Einzelvollstreckung zu verhindern, um die Ausarbeitung eines Sanierungskonzepts überhaupt zu ermöglichen. Ob hierzu eine Stillhaltepflicht sämtlicher Gläubiger erforderlich ist, ist vom Einzelfall abhängig. Jedenfalls den finanzierenden Banken könnte man einen solchen Beitrag regelmäßig abverlangen. Zumutbar wäre eine Stillhaltepflicht nach hier vertretener Auffassung für die Gläubiger, wenn die beabsichtigten Vorteile für die Gläubigergesamtheit in einem angemessenen Verhältnis zu den für den einzelnen Gläubiger mit dem Eingriff verbundenen Nachteilen stehen. Die Gläubigergesamtheit hat ein Interesse an einer erfolgreichen Sanierung, um eine bestmögliche Befriedigung der Gläubiger zu erreichen. Sofern das Schuldnerunternehmen sanierungsfähig ist – und sich die Befriedigungschancen der einzelnen Gläubiger daher durch Stillhalten nicht wesentlich 725 726

Vgl. Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 731 ff. Vgl. bereits Gliederungspunkt B.II.1.d) dieser Arbeit.

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E. Sanierungsbeiträge von Gläubigern

verschlechtern – wird man regelmäßig von den opponierenden Gläubigern verlangen können, Handlungen zu unterlassen, die die Gläubigergesamtheit schädigen. d) Rechtliche Durchsetzbarkeit von Kooperationspflichten Hinsichtlich der Durchsetzbarkeit von Kooperationspflichten unterscheidet Eidenmüller zwischen einem indirekten und einem direkten Sanktionsmechanismus.727 Ersterer knüpft an das Rechtsverhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner und basiert auf dem Gedanken, dass ein kooperationsunwilliger Gläubiger gegenüber dem Schuldner gegen den Grundsatz aus Treu und Glauben gemäß § 242 BGB verstößt und dem Schuldner ein Leistungsverweigerungsrecht zugesprochen werden sollte, wenn ein Gläubiger eine Beteiligung an einer sinnvollen Sanierung verweigert und stattdessen eigene Forderungen individuell durchsetzen will.728 Denn wenn die Gläubiger im Vorfeld damit rechnen müssten, bei unkooperativem Verhalten ihre Forderungen auf Grund eines Leistungsverweigerungsrechts des Schuldners nicht oder nicht in voller Höhe durchsetzen zu können, würden sie sich aus eigenem Interesse kooperativ zeigen und etwaige Sanierungsmaßnahmen unterstützen. Darüber hinaus könnten, wenn man das Vorliegen einer Interessengemeinschaft der Gläubiger eines notleidenden Unternehmens bejaht, die sanierungswilligen Gläubiger aber auch Erfüllungs- und Schadensersatzansprüche gegenüber den opponierenden Gläubigern geltend machen. So könnte die Verletzung einer Stillhaltepflicht über § 888 ZPO (unvertretbare Handlungen) vollstreckt werden, wobei auch eine Durchsetzung des Leistungsanspruchs im einstweiligen Rechtsschutz in Betracht kommen würde.729 Darüber hinaus könnten Schadensersatzansprüche, insbesondere wegen (kooperations-)pflichtwidriger und schuldhafter Zwangsvollstreckungsmaßnahmen der opponierenden Gläubiger, in Betracht kommen.730 Diese Ansprüche könnten insbesondere auf §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB (culpa in contrahendo) oder auf die deliktsrechtliche Anspruchsgrundlage des § 823 Abs. 1 BGB gestützt werden. e) Fazit Bei Zusammenschluss eines Sanierungskonsortiums entsteht regelmäßig eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts und damit ein Rechtsverhältnis zwischen den Gläubigern, aus dem sich Kooperations- und Treuepflichten ergeben können. Sofern sich die Gläubiger nicht zu einem solchen Konsortium zusammenschließen, ist der von Eidenmüller entwickelte Ansatz von Kooperationspflichten der 727 Vgl. hierzu Eidenmüller, ZHR 160 (1996), 343 (372 f.); Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 558 f.; 806 ff. 728 Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 558. 729 Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 809. 730 Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 811.

II. Vorschläge zur Lösung der Akkordstörer-Problematik

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Gläubiger jedenfalls insoweit überzeugend, als den Gläubigern in einer Sanierungssituation zumindest Verhandlungs- und Rücksichtnahmepflichten obliegen. Die Begründung einer Zustimmungspflicht der Gläubiger lässt sich mit Blick auf die in die gleiche Richtung deutenden Treuepflichten der Gesellschafter demgegenüber nicht überzeugend begründen. In praktischer Hinsicht muss an dieser Stelle allerdings festgehalten werden, dass die Gläubiger eines Schuldnerunternehmens nach derzeitiger Rechtsprechung des BGH und auch einer weit verbreiteten Ansicht in der Literatur nicht zu gegenseitiger Treue bzw. Kooperation in außergerichtlichen Sanierungsverfahren verpflichtet sind. Im Folgenden sollen daher weitere Möglichkeiten daraufhin geprüft werden, ob sich das Blockadepotenzial der Gläubiger lösen oder zumindest abmildern lässt. 2. Vollstreckungsrechtlicher Schutz In der Literatur finden sich vereinzelt Stimmen, die, teilweise unter Verweis ältere Urteile von Instanzengerichten,731 eine Anwendung des Vollstreckungsschutzes gemäß § 765a ZPO in einer Sanierungssituation befürworten.732 Dies sei jedenfalls angemessen, wenn der vollstreckende Gläubiger durch die Vollstreckungshandlung nur einen geringen Vorteil erlange, während der Schuldner durch die Vollstreckungshandlung um seine Existenz fürchten muss und die ungestörte Durchführung eines außergerichtlichen Vergleichs in absehbarer Zeit aller Voraussicht nach zu einem Vorteil für alle Beteiligten führen wird.733 Die Bedeutung einer Verhinderung von Vollstreckungsmaßnahmen im Rahmen vorinsolvenzlicher Sanierungsverfahren wurde im vorhergehenden Gliederungspunkt bereits hervorgehoben. Es ist jedoch zu beachten, dass der Verzicht auf Vollstreckungsmaßnahmen nach hier vertretener Ansicht in einem Korsett von Rücksichtnahmepflichten bereits enthalten ist und damit keinen darüber hinausgehenden Mehrwert mehr generieren kann. Vielmehr geht die Begründung von Kooperations- und Rücksichtnahmepflichten der Gläubiger untereinander über die Anwendung von Vollstreckungsschutzregelungen, die lediglich einen Teilbereich der Kooperations- und Rücksichtnahmepflichten darstellen können, hinaus und stellt damit das umfassendere Konzept zur Lösung der Akkordstörer-Problematik dar.734

731

LG Bochum MDR 1955, 683 (683). Kohler-Gehrig, Außergerichtlicher Vergleich, S. 99 f.; Häuser, Schriftenreihe der Bankrechtlichen Vereinigung Bd. 6, 75 (107); Münzberg, in: Stein/Jonas, ZPO, § 765a, Rn. 6 (Fn. 45), allerdings ablehnend gegenüber LG Bochum MDR 1955, 683 (683). 733 Kohler-Gehrig, Außergerichtlicher Vergleich, S. 100. 734 Vgl. Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 449. 732

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E. Sanierungsbeiträge von Gläubigern

3. Kreditversorgungspflichten der Banken in der Krise Im Schrifttum wird unter verschiedenen Aspekten die Frage erörtert, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Bank ohne vertragliche Bindung an eine Sanierungsvereinbarung nicht zur Kündigung von Darlehensverträgen berechtigt ist bzw. darüber hinaus sogar verpflichtet sein kann, einem notleidenden Unternehmen zusätzliche Kredite zu gewähren.735 Hiermit sind die mittelbaren Kooperationspflichten, d. h. das Verhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner, angesprochen.736 Überlegungen zu einer Kreditversorgungspflicht erscheinen angesichts der besonderen Funktion der Banken als Finanzintermediäre naheliegend. Denn dass die moderne Industrie- und Wirtschaftsgesellschaft auf eine ausreichende Kreditversorgung zwingend angewiesen ist, ließ sich in der noch nicht lange zurückliegenden und durch den Zusammenbruch der US-amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers im September 2008 voll zutage getretenen Finanz- und Wirtschaftskrise eindrucksvoll beobachten. Dennoch können aus dieser systemischen Relevanz der Kreditinstitute nicht ohne weiteres Rückschlüsse auf bestimmte rechtliche Pflichten oder Verhaltensspielräume abgeleitet werden. Ohne klare gesetzliche Vorgaben wäre ein derartiger Eingriff in die Privatautonomie nicht zu rechtfertigen. Die besondere Stellung der Banken ist daher nicht von vornherein geeignet, eine besondere rechtliche Verantwortung für die Kreditversorgung von Unternehmen zu legitimieren.737 Vielmehr müssen sich auch Kreditinstitute an privatrechtlichen Kriterien orientieren und messen lassen. Hiervon zu unterscheiden ist die Frage, ob ein Kreditinstitut auf Grund einer ständigen Rechtsbeziehung verpflichtet sein kann, in zumutbarem Umfang an einer erforderlichen Sanierung mitzuwirken. Hiermit wird die Rechtsfrage aufgeworfen, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Anspruch des Kreditnehmers auf Änderung des Kreditvertrags anerkannt werden kann.738 Diesbezüglich ist zwischen Darlehensbelassungs- und Darlehensgewährungspflichten zu unterscheiden. Es geht also einerseits um die Schranken des Rechts zur ordentlichen und zur außerordentlichen Kündigung eines gewährten Kredits und andererseits um die mögliche Pflicht zur Verlängerung oder Neugewährung von Krediten in der Sanierungssituation. Auch wenn eine Bank in Kenntnis der Krise des Unternehmens ein Darlehen gewährt, besagt dies noch nicht, dass sie auch zu einer noch weitergehenderen 735

Vgl. Canaris, ZHR 143 (1979), 113 (133 ff.); Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 551 ff., 583 ff.; Voglis, Kreditkündigung, S. 151; Vuia, Die Verantwortlichkeit von Banken in der Krise von Unternehmen, S. 337 ff. 736 In Gliederungspunkt E.II.1.a) wurde in Anlehnung an die Ausführungen von Eidenmüller zwischen unmittelbaren Kooperationspflichten zwischen den Gläubigern und mittelbaren Kooperationspflichten zwischen Gläubigern und Schuldner unterschieden. 737 Hopt, ZHR 143 (1979), 139 (148); Hopt, in: Birk/Kreuzer, S. 11 (46); ablehnend auch Claussen, Bankrecht, § 5 Rn 46 a; Pleyer, in: GS Schultz, S. 271 (278); Häuser, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Hdb Bankrecht, § 85, Rn. 23; vgl. auch Berger, in: MüKo BGB, Bd. 3, Vor § 488, Rn. 91 ff. 738 Häuser, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Hdb Bankrecht, § 85, Rn. 25.

II. Vorschläge zur Lösung der Akkordstörer-Problematik

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Unterstützung des Unternehmens verpflichtet ist. Jedoch könnte sie jedenfalls verpflichtet sein, auf eine Kündigung der gewährten Darlehen zu verzichten, um eine Sanierung des Unternehmens zu ermöglichen. a) Darlehensbelassungspflichten Das Recht zur Kündigung von Darlehensverhältnissen ist in den §§ 488, 490, 314 BGB geregelt. aa) Schranken der ordentlichen Kündigung Wenn in einem Darlehensvertrag keine Laufzeitbestimmung vereinbart bzw. der Vertrag auf unbestimmte Zeit geschlossen wurde, können die Vertragsparteien den Vertrag ordentlich kündigen.739 Die ordentliche Kündigung von Krediten und Kreditzusagen ist gemäß Nr. 19 Abs. 2 S. 1 AGB der Banken bzw. Nr. 26 Abs. 1 S. 1 AGB der Sparkassen ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist möglich, § 488 Abs. 3 S. 2 BGB damit abbedungen.740 In Nr. 19 Abs. 2 S. 2 der Banken bzw. Nr. 26 Abs. 1 S. 2 Sparkassen findet sich aber eine salvatorische Regelung, wonach die Banken bei der Ausübung dieses nicht fristgebundenen ordentlichen Kündigungsrechts „auf die berechtigten Belange des Kunden Rücksicht nehmen“ werden. Darüber hinaus ist jedenfalls in den AGB der Banken geregelt, dass gemäß Nr. 19 Abs. 5 AGB dem Kunden für die Rückzahlung des Kredits grundsätzlich eine angemessene Frist einzuräumen ist, während ein von einer Sparkasse ausgereichter Kredit im Falle der Kündigung sofort fällig wird. (1) Kündigung zur Unzeit Durch das Verbot der Kündigung zur Unzeit, das in Analogie zu §§ 627 Abs. 2, 671 Abs. 2, 675 2. HS BGB entwickelt wurde,741 wird das Recht der Banken zur Kündigung von Krediten beschränkt.742 In Nr. 26 Abs. 1 S. 2 AGB-Sparkassen wurde diesbezüglich explizit ein – allerdings lediglich deklaratorisch wirkender – Hinweis aufgenommen. Eine Kündigung zur Unzeit liegt vor, wenn die Bank einen Kreditvertrag ohne vorherige Abmahnung oder Warnung so kurzfristig kündigt, dass dem Kreditkunden keine Möglichkeit bleibt, sich den benötigten Kredit anderweitig zu 739 Vgl. etwa Canaris, Bankvertragsrecht, 2. Aufl., Rn. 1242 ff.; Voglis, Kreditkündigung, S. 43; Klumpp, Einseitige Vertragsbeendigung, S. 26. 740 BGH WM 1985, 1136 (1136); OLG Karlsruhe WM 1998, 1178 (1180); OLG Köln WM 1999, 1004 (1005); Bruchner/Krepold, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Hdb Bankrecht, § 79 Rd. 10; Krepold, in: L/B/S, Bankrechts-Komm., Kap. 14, § 490, Rn. 194 f.; Ebbing, KTS 1996, 327 (355); kritisch Köndgen, NJW 2000, 468 (475); ablehnend Vuia, Verantwortlichkeit von Banken, S. 351 ff. 741 Vgl. Hopt, ZHR 143 (1979), 139 (162 f.); Canaris, ZHR 143 (1979), 113 (114). 742 Vgl. OLG Köln WM 1985, 1128 (1128 ff.); OLG Hamm WM 1985, 1411 (1413); Canaris, ZHR 143 (1979), 113 (114 ff.); Canaris, Bankvertragsrecht, 2. Aufl., Rn. 1262 f.

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E. Sanierungsbeiträge von Gläubigern

verschaffen.743 Der Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot auf die Interessen des Kreditnehmers liegt also gerade in der Überrumpelungssituation für den Kreditnehmer, durch die sich dieser nicht mehr auf die neue Situation einstellen und vermutlich keine neuen Kreditmittel mehr besorgen kann.744 In einer Krisensituation kann eine Kündigung insbesondere dann zur Unzeit erklärt worden sein, wenn der Kreditnehmer ein Sanierungskonzept verfolgt, um seine ungünstige finanzielle Situation zu beheben, und dieses Konzept durch die Kündigung vereitelt würde.745 Andererseits muss die von der Bank einzuräumende Frist nicht umso länger sein, je schwieriger eine anderweitige Kreditaufnahme für den Kreditnehmer ist.746 Es handelt sich freilich, wie Canaris zutreffend formuliert, nur um eine „schuldrechtliche“ Kündigungsschranke, die die Rechtswirksamkeit der unzeitig erklärten Kündigung und damit die Beendigung des Kreditverhältnisses im Übrigen unberührt lässt.747 Damit ist ihr Stellenwert in der Sanierungssituation eher gering.748 Dem Kreditnehmer steht ein Schadensersatzanspruch entsprechend §§ 627 Abs. 2, 671 Abs. 2, 675 Abs. 1 aE, 723 Abs. 2 BGB zu.749 (2) Rechtsmissbräuchliche Kündigung Das Kündigungsrecht der Banken wird insbesondere durch das aus dem Gebot von Treu und Glauben folgende Rechtsmissbrauchsverbot begrenzt. Eine rechtsmissbräuchlich ausgesprochene Kündigung ist rechtsunwirksam. Der Einwand des Rechtsmissbrauchs ist insbesondere begründet, wenn der Vorteil der Kündigung für die Bank in einem groben Missverhältnis zu den Nachteilen steht, die dem Kreditnehmer aus einer Beendigung des Darlehensverhältnisses drohen.750 Nach Ansicht verschiedener Autoren in der Literatur kann eine rechtsmissbräuchliche Kündigung in einer Sanierungssituation insbesondere zu bejahen sein, wenn die Bank – im Vergleich zu den Zerschlagungswerten der Sicherheiten im Falle der Insolvenz – über ausreichende Sicherheiten verfügt und das kriselnde Unternehmen sanierungsfähig ist.751 Zusätzlich darf jedoch nicht zu befürchten sein, dass durch das Hinausschieben der Kündigung der Wert der Sicherheiten beeinträchtigt wird. 743 OLG Düsseldorf WM 1989, 1838 (1841); Canaris, ZHR 143 (1979), 113 (115); Berger, in: MüKo BGB, Bd. 3, § 488, Rn. 238. 744 Krepold, in: L/B/S, Bankrechts-Komm., Kap. 14, § 490, Rn. 201. 745 OLG Hamm WM 1991, 402 (403); Berger, in: MüKo BGB, Bd. 3, § 488, Rn. 238. 746 Obermüller, ZInsO 2002, 97 (98). 747 BGH ZIP 2003, 1336 (1338); so auch Canaris, Bankvertragsrecht, 2. Aufl., Rn. 1263; Bunte, in: Schimanskiy/Bunte/Lwowski, Hdb Bankrecht, § 24, Rn. 19. 748 Canaris, ZHR 143 (1979), 113 (115); Voglis, Kreditkündigung, S. 103. 749 BGH NJW 1978, 947 (948); OLG Düsseldorf WM 1989, 1838 (1841); OLG Hamm NJW-RR 1986, 208 (208 f.). 750 Vgl. BGHZ 102, 68 (78); BGH NJW 1978, 947 (948); OLG Hamm NJW-RR 1986, 208 (209). 751 Canaris, Bankvertragsrecht, Rn 1266; Schmidt, WM 1983, 490 (491).

II. Vorschläge zur Lösung der Akkordstörer-Problematik

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bb) Schranken der außerordentlichen Kündigung Gemäß § 490 Abs. 1 BGB ist der Darlehensgeber grundsätzlich zur außerordentlichen Kündigung befugt, wenn eine wesentliche Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Kreditnehmers eintritt oder einzutreten droht und dadurch, auch bei Verwertung der Sicherheiten, die Erfüllung von Verbindlichkeiten gegenüber der Bank gefährdet ist. Soweit die Darlehenssumme bereits ausgereicht wurde, sind allerdings – wie sich aus der eindeutigen Formulierung „nur in der Regel“ in § 490 Abs. 1 BGB ergibt – Ausnahmesituationen denkbar, in denen dem Darlehensgeber eine Kündigung verwehrt sein muss. Nach Ansicht mehrerer Obergerichte sind Kreditinstitute nicht zur Stundung von Kreditforderungen verpflichtet, wenn der Kreditnehmer in Liquiditätsschwierigkeiten gerät.752 Denn es bestehe keine Rechtspflicht der Bank zur Kreditbelassung oder Sanierung.753 Dies soll selbst dann gelten, wenn durch die Kündigung der Zusammenbruch eines Unternehmens herbeigeführt werden könnte.754 Nach anderer Ansicht soll es jedoch an einem wichtigen Grund zur Kündigung fehlen, wenn die Chancen für eine Sanierung des Unternehmens sehr günstig sind.755 Im Einzelfall kann eine Kündigung hiernach unverhältnismäßig sein, wenn es sich um ein sanierungsfähiges Unternehmen handelt und die Sanierung durch die Kündigung vereitelt wird. An die Prüfung der Verhältnismäßigkeit sind vor dem Hintergrund des erhöhten Risikos der Bank bei der Fortsetzung des Kreditverhältnisses jedoch erhöhte Anforderungen zu stellen. cc) Fazit Im Einzelfall können die Kündigungsmöglichkeiten der Banken in der Sanierungssituation auf Grund des Grundsatzes von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB eingeschränkt sein. Dies korrespondiert mit den Kooperations- und Rücksichtnahmepflichten, die nach hier vertretener Ansicht auch zwischen den Gläubigern direkt bestehen. b) Darlehensgewährungspflichten Eine über die Darlehensbelassung hinausgehende Pflicht der Banken, im Rahmen vorhandener oder zusätzlich angebotener Sicherheiten einem Unternehmen weitere 752 OLG Zweibrücken WM 1984, 1635 (1635 ff.); OLG Düsseldorf WM 1989, 1838 (1138 ff.); OLG Karlsruhe WM 1991, 1332 (1332 f.); OLG Hamm WM 1991, 1116 (1116 ff.); OLG Frankfurt am Main WM 1992, 1018 (1018 ff.). 753 Vgl. etwa Rümker, KTS 1981, 493, 503 ff. 754 OLG Frankfurt am Main WM 1992, 1018. 755 Canaris ZHR 143 (79), 113 (114); Voglis, Kreditkündigung, S. 100 f.; BGH WM 1988, 1223 (1224).

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E. Sanierungsbeiträge von Gläubigern

Finanzmittel, insbesondere in Form eines Überbrückungskredits, zur Verfügung zu stellen, besteht nach überwiegender Ansicht in Rechtsprechung756 und Literatur757 nicht. Insbesondere Canaris hat sich für die Gegenansicht ausgesprochen.758 Danach soll eine Hausbank gegenüber einem sanierungsbedürftigen und sanierungsfähigen Kreditnehmer bei ausreichenden Sicherheiten verpflichtet sein, bei kurzfristigen Liquiditätsengpässen des notleidenden Unternehmens Überbrückungskredite zu gewähren, wenn sich auch die Gesellschafter mit Beiträgen an der Sanierung beteiligen. Eine Verpflichtung zur Gewährung langfristiger Sanierungskredite soll dagegen nur bei Vorliegen weiterer Voraussetzungen in Betracht kommen.759 Eine solche Treuebindung könne sich aus dem Grundsatz von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB ergeben. Dem stehe nicht entgegen, dass Gesellschafter nicht nachschusspflichtig seien, da die Darlehensgewährung anders als die Leistung von Einlagen nur von vorübergehender Natur sei, der Darlehensgeber nicht nur einen unsicheren Gewinnanspruch, sondern einen festen Zinsanspruch habe und schließlich nicht nur durch die Einlagenerhöhung, sondern durch die Stellung weiterer Sicherheiten abgesichert sei.760 In der gerichtlichen Praxis konnte sich diese Ansicht nicht durchsetzen. Der BGH hat sich zu dieser Frage, soweit ersichtlich, zwar bisher nicht geäußert,761 mehrere Oberlandesgerichte haben eine Kreditversorgungspflicht der Banken jedoch abgelehnt und stattdessen überwiegend die unternehmerische Eigenverantwortung der Kreditinstitute im Kreditgeschäft in den Vordergrund gerückt.762 Mit Anerkennung 756 BGH WM 1956, 597 (598); BGH WM 1956, 527 (530); BGH WM 1978, 234 (237); BGHZ 90, 381 (399); OLG Düsseldorf ZIP 1983, 786 (794); OLG Zweibrücken ZIP 1984, 1334 ff.; OLG Frankfurt am Main BB 1986, 626 ff.; kritisch hierzu OLG Köln ZIP 2000, 742 (744 f.), das eine „Pflicht zur Rücksichtnahme auf andere Gläubiger“ sieht. 757 Hopt, ZHR 143 (1979), 139 (168 ff.); Rümker, KTS 1981, 493 (503 ff.); Häuser, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Hdb Bankrecht, § 85, Rn. 44; Batereau, WM 1992, 1517 (1519); Berger, in: MüKo BGB, Bd. 3, Vor. § 488, Rn. 91; Brandstätter, Sanierungsfähigkeit, S. 32 f.; Claussen, ZHR 147 (1983), 195 (200); Claussen, Bankrecht, § 5, Rn. 46; Ebbing, KTS 1996, 327 (352); Fleck, in: FS Werner, S. 107 (112); Gawaz, Bankenhaftung, S. 82 ff.; Hildebrand, Eigenkapitalersetzende Bankdarlehen, S. 197 ff.; Meyer-Cording, NJW 1981, 1242 (1244); Möllers, Kreditkündigung, S. 55; Obermüller, ZIP 1980, 1059 (1061 f.); Picot/Aleth, Unternehmenskrise, Rn. 505; Rümker, ZHR 147 (1983), 27 (39); Schmidt, WM 1983, 490 (492); Schmidt, Gutachten 54. DJT 1982, D 105; Uhlenbruck, in: FS Vieregge, S. 883 (888 f.); Wiegelmann, Kreditgeschäft, S. 190 ff.; Wittig, NZI 1998, 49 (51). 758 Canaris, ZHR 143 (1979), 113 ff.; Canaris, Bankvertragsrecht, 2. Aufl., Rn. 1271 f.; ebenso Hoffmann, Verhaltenspflichten Banken, S. 138 f.; Bamberger, in: Knops/Bamberger/ Maier-Reimer, Recht der Sanierungsfinanzierung, § 16 Rn. 89; Eidenmüller, in: MüKo InsO, Bd. 3, § 217, Rn. 105 f. 759 Canaris, ZHR 143 (1979), 113 (133); Canaris, Bankvertragsrecht, 2. Aufl., Rn. 1272. 760 Canaris, ZHR 143 (1979), 113 (121). 761 Vgl etwa BGH NJW-RR 1990, 110 (111). 762 OLG Karlsruhe NJW-RR 1991, 948 (948); OLG Zweibrücken ZIP 1984, 1334 (1339); OLG München WM 1994, 1028 (1030); OLG Düsseldorf NJW-RR 1989, 1519 (1519 f.); OLG

II. Vorschläge zur Lösung der Akkordstörer-Problematik

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derartiger Pflichten für Kreditinstitute würde man, so etwa das OLG Zweibrücken, zwangsläufig dem Kreditinstitut eine unternehmerische Mitverantwortung auferlegen.763 Die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte ist aus Sicht des Verfassers überzeugend. Dies ergibt sich bereits aus einem Umkehrschluss zur mangelnden Nachschusspflicht von Gesellschaftern. Wenn sich die Gesellschafter diesem Grundsatz entsprechend, der auch im Insolvenzverfahren noch gilt (§§ 264 Abs. 3, 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO), nicht mit zusätzlichen finanziellen Mitteln an einer Sanierung beteiligen müssen, so muss dies erst recht für die finanzierenden Banken gelten, die an dem mit dem Kredit erzielten Vorteil, der in der Rettung des Unternehmens liegen kann, nicht oder jedenfalls nicht in gleichem Maße wie ein Gesellschafter teilhaben.764 Auch besteht kein schutzwürdiges Vertrauen des Darlehensnehmers im Hinblick auf vorhergehendes Verhalten der Bank. Gerade im Falle des Auftretens einer Vermögenskrise besteht für die Banken doch häufig die (vertraglich vereinbarte) Möglichkeit, sich vom Kreditvertrag zu lösen. Des Weiteren würde eine Kreditgewährungspflicht die Banken mit dem nicht vertretbaren Risiko belasten, dass in der Zukunft ein Zusatzkredit von nicht voraussehbarer Höhe eingeräumt werden muss.765 Schließlich wäre eine Pflicht zur Vergabe von Sanierungs- oder Überbrückungskrediten häufig auch nicht mit den Grundsätzen des Kreditwesengesetzes (KWG) vereinbar.766 Denn eine Bank ist gemäß § 18 KWG dazu verpflichtet, einen Kredit nur einzuräumen, wenn dies mit der Bonität des Schuldners vereinbar ist. Die Sanierungsfähigkeit eines Unternehmens ist hierbei nicht ausreichend und kann auch nicht mit der Kreditwürdigkeit eines Unternehmens gleichgesetzt werden. 4. Prepackaged Plan Gemäß § 218 Abs. 1 S. 2 InsO kann die Vorlage eines Insolvenzplans an das Insolvenzgericht durch den Schuldner bereits mit dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens sowie einem Antrag auf Eigenverwaltung verbunden werden. Hiermit hat der Gesetzgeber die Möglichkeit der Erstellung eines Prepackaged Plans anerkannt und damit auch die Möglichkeit für eine Koordination des Gläubiger-

Frankfurt am Main BB 1986, 626 (626); vgl. auch BGH WM 1956, 217 (220) mit der Feststellung, dass „ein Kreditinstitut keinen Kredit gewähren muss, dessen Rückzahlung nicht gewährleistet ist“. 763 OLG Zweibrücken ZIP 1984, 1334 (1339). 764 Obermüller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis, Rn. 5.239. 765 Obermüller, ZIP 1980, 1059 (1062). 766 So auch Rümker, KTS 1981, 493 (503 f.); Klumpp, Einseitige Vertragsbeendigung, S. 115 f.; Schmidt, WM 1983, 490 (492); Wiegelmann, Kreditgeschäft, S. 208 ff.; Möllers, Kreditkündigung, S. 55; Gawaz, Bankenhaftung, S. 85 f.; grundsätzlich auch Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 753; a.A. Voglis, Kreditkündigung, S. 153.

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E. Sanierungsbeiträge von Gläubigern

handelns im Vorfeld der Insolvenz geschaffen.767 Im Grundsatz handelt es sich bei einem Prepackaged Plan um einen vom Schuldner im Vorfeld der Insolvenz erarbeiteten Insolvenzplan, der anschließend im Insolvenzplanverfahren gemäß §§ 217 ff. InsO umgesetzt werden soll.768 Im Folgenden soll untersucht werden, ob die von opponierenden Gläubigern ausgehenden Gefahren durch Erstellen eines solchen Prepackaged Plans minimiert und die Akkordstörer-Problematik dadurch entschärft werden kann. a) Zulässigkeit Pre-Voted Plan Im US-amerikanischen Insolvenzrecht besteht gemäß 11 U.S.C. § 1126 (b) die Möglichkeit einer vorgezogenen, verbindlichen Abstimmung der Gläubiger über das vorgelegte Sanierungskonzept.769 Wird ein Prepackaged Plan mit der im Planverfahren gemäß Chapter 11 Bankruptcy Code (BC) notwendigen Mehrheit angenommen770 und erfolgt die Abstimmung auf einer hinreichenden Informationsgrundlage, wird der Insolvenzplan nach Stellung des Insolvenzantrages durch das Insolvenzgericht bestätigt. Das Insolvenzgericht prüft lediglich die Angemessenheit der Informationsgrundlage und die damit zusammenhängende Rechtsmäßigkeit der Abstimmung.771 Eine vergleichbare Regelung findet sich im deutschen Insolvenzrecht nicht. Eine bindende Vorabstimmung würde nach geltender Rechtslage gegen die in §§ 235 ff. InsO statuierten Abstimmungsregeln verstoßen.772 Denn der deutsche Gesetzgeber hat diese Normen als gesetzlicher Mindestschutz für alle Beteiligten bewusst gerichtsbezogen ausgestaltet und eine Regelung entsprechend 11 U.S.C. § 1126 (b) nicht vorgesehen.773 Eine solche Rechtsfortbildung ist daher ohne Gesetzesänderung nicht möglich.774 767 Doliwa, Insolvenz, S. 29; Spliedt/Vallender, in: Schmidt/Uhlenbruck, Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, Rn. 8.46. 768 Liebig/Witt, DB 2011, 1929 (1931). 769 Vgl. hierzu etwa Tashjian/Lease/McConnell, 40 J. Fin. Econ. (1996), 135 (137 ff.); McConnell/Servaes, 3 J. App. Corp. Fin. (1991), 93 ff. 770 Gemäß 11 U.S.C. § 1126 (c) ist eine einfache Kopf- sowie eine 2/3 Summenmehrheit je betroffener Gläubigergruppe zur Annahme des Insolvenzplans notwendig. 771 Müller, Verhandlungsgesteuerte Sanierung, S. 47; Madaus, Insolvenzplan, S. 567 f. 772 Sinz, in: MüKo InsO, Bd. 3, § 248, Rn. 1; Braun/Frank, in: Braun, Komm. InsO, § 248, Rn. 1. 773 Madaus, NZI 2011, 622 (626 f.); Müller, Verhandlungsgesteuerte Sanierung, S. 55 f.; Doliwa, Insolvenz, S. 180. 774 So Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 443; Doliwa, Insolvenz, S. 180; vgl. hierzu auch Madaus, NZI 2011, 622 (626 ff.), der eine Änderung von §§ 235 und 248 InsO zur Ermöglichung einer Bestätigungsinsolvenz nach US-amerikanischem Vorbild vorschlägt; da vorliegend lediglich Vorschläge untersucht werden sollen, die sich de lege lata umsetzen lassen, wird dieser Gedanke hier nicht weiter vertieft.

II. Vorschläge zur Lösung der Akkordstörer-Problematik

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b) Zulässigkeit schuldrechtlicher Stimmbindungsverträge Es stellt sich die Frage, ob durch schuldrechtliche Vereinbarungen eine effektive Vorabstimmung zwischen Schuldner und Gläubiger erreicht und damit eine Abstimmung im Insolvenzplanverfahren – ähnlich dem Pre-Voted Plan im US-amerikanischen Insolvenzrecht – vorbereitet werden kann. Stimmbindungsverträge finden sich hauptsächlich im Gesellschaftsrecht und werden grundsätzlich als zulässig angesehen, sofern kein Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot im Sinne des § 134 BGB vorliegt.775 Im Hinblick auf einen Prepackaged Plan würde eine solche Stimmbindung jedoch dem Sinn und Zweck des Erörterungs- und Abstimmungstermins gemäß § 235 Abs. 1 InsO, in dem der Insolvenzplan und das Stimmrecht der Beteiligten erörtert werden, zuwiderlaufen.776 Diese Normen sind bewusst gerichtsbezogen ausgestaltet worden, um den Gläubigern die Gewähr für ein an den Grundsätzen des § 1 S. 1 InsO orientiertes Verfahren zu geben.777 Deshalb muss der Erörterungs- und Abstimmungstermin der subjektiven Beschlussfassung über das Abstimmungsverhalten stets vorausgehen und ein Stimmbindungsvertrag müsste auf Grund Verstoßes gegen § 235 Abs. 1 S. 1 InsO als nichtig angesehen werden.778 c) Möglichkeiten und Vorteile eines Post-Voted Plan Zwar ist dem Schuldner nach derzeitiger Rechtslage die Einholung verbindlicher Zustimmungserklärungen verwehrt, jedoch schließt dies nicht aus, den Prepackaged Plan dennoch als Mittel zur Disziplinierung der opponierenden Gläubiger bzw. – sofern dies nicht greift – zur erfolgreichen Sanierung des Unternehmens im Insolvenzplanverfahren zu nutzen. Dem Schuldner muss es jedenfalls gelingen, bei seinen Verhandlungen mit den Gläubigern möglichst viele Gläubiger von seinem Sanierungskonzept zu überzeugen, das dann entweder im Rahmen einer außergerichtlichen Sanierung oder – bei Widerstand einzelner Gläubiger – im Insolvenzplanverfahren umgesetzt werden kann. In der Literatur findet sich hierzu der Begriff der „positiven Zustimmungsprognose“.779 Die Gläubiger einigen sich hierbei im Vorfeld der Insolvenz auf die wesentlichen Punkte der Sanierung und nutzen dann die Möglichkeiten des Insolvenzverfahrens, um insbesondere die opponierenden 775

Schmidt, GesR, S. 617, 620. Eidenmüller, Unternehmenssanierung S. 443 f.; Doliwa, Insolvenz, S. 180; Müller, Verhandlungsgesteuerte Sanierung, S. 56. 777 Braun/Frank, in: Braun, Komm. InsO, § 248, Rn. 1; Sinz, in: MüKo InsO, Bd. 3, § 248, Rn. 1; Doliwa, Insolvenz, S. 180. 778 Eidenmüller, Unternehmenssanierung S. 443 f. (Fußnote 374), der allerdings Stimmrechtsbindungen als Instrument der Beschleunigung einer prepackaged bankruptcy ohnehin für untauglich hält. 779 Herzig, Insolvenzplanverfahren, S. 152; vgl. ebenfalls Müller, Verhandlungsgesteuerte Sanierung, S. 59. 776

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E. Sanierungsbeiträge von Gläubigern

Gläubiger majorisieren zu können. Hierdurch kann der Druck auf die sanierungsunwilligen Gläubiger erhöht werden, einer außergerichtlichen Sanierung doch noch zuzustimmen. Die sanierungsunwilligen Gläubiger werden ihren Widerstand jedenfalls dann aufgeben, wenn sie in einem Insolvenzverfahren unter Umständen mit einer schlechteren Befriedungsquote rechnen müssen. Auch bei voraussichtlich gleicher Befriedigungsquote besteht kein Grund, den Widerstand gegen eine außergerichtliche Sanierung aufrecht zu erhalten. Kontraproduktiv erweist sich hierbei zweifellos die grundsätzliche Möglichkeit von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen einzelner Gläubiger. Jedenfalls im unmittelbaren Vorfeld der Insolvenz können aber die Vollstreckungssperre des § 88 InsO bzw. die Anfechtungsrechte gemäß §§ 129 ff. InsO dazu beitragen, opponierende Gläubiger von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen abzuhalten. Eine darüber hinausgehende Stillhaltepflicht der Gläubiger, die sich nach Ansicht des Verfassers de lege lata begründen lässt,780 würde einen entscheidenden Beitrag leisten, die Sanierungschancen notleidender Unternehmen zu erhöhen. Denn die obstruierenden Gläubiger würden dann vor die Entscheidung gestellt, entweder eine außergerichtliche Sanierung mitzutragen oder im Rahmen eines Insolvenzplanverfahrens majorisiert zu werden. Eine Befriedigung auf Kosten der sanierungsbereiten Gläubiger im Vorfeld der Insolvenz wäre dagegen nur noch bedingt möglich. d) Fazit Soweit der Schuldner ein rechtlich und betriebswirtschaftlich tragfähiges Sanierungskonzept ausarbeitet und sich – jedenfalls mit einem Großteil781 – der Gläubiger im Vorfeld der Insolvenz hierüber im Wesentlichen einigt, kann ein Prepackaged Plan Ausgangsbasis für die erfolgreiche Umsetzung einer insolvenzrechtlichen Sanierung sein.782 Zwar wird in der Literatur kritisch eingewandt, dass ein Prepackaged Plan keine große Wirkung erziele, weil sich die Gläubiger im Vorfeld der Insolvenz nicht auf bestimmte Handlungs- oder Unterlassungspflichten festlegen wollten und auch die Zeitersparnis vermutlich geringer ausfalle als erhofft.783 Diese Kritikpunkte können jedoch, jedenfalls in dieser Allgemeinheit, nicht überzeugen. Der Vorteil eines Prepackaged Planes besteht – soweit die gegenüber opponierenden Gläubigern aufgebaute Drohkulisse nicht funktioniert und eine außergerichtliche Sanierung gescheitert ist – darin, dass die wesentlichen Rahmenbedingungen schon vor der Insolvenzantragsstellung mit den (unterstützenden) Gläubigern abgesprochen werden konnten und – soweit sich Schuldner und Gläu780

Vgl. Gliederungspunkt E.II.1.c)bb)(2) dieser Arbeit. Vgl. hierzu Engberding, DZWiR 1998, 95, der zu Recht darauf hinweist, dass ein Insolvenzplanverfahren unnötig ist, wenn es im Vorfeld einer Insolvenz gelingt, die Unterstützung sämtlicher Gläubiger zu gewinnen. 782 So auch Müller, Verhandlungsgesteuerte Sanierung, S. 83; Herzig, Insolvenzplanverfahren, S. 93; Seibert, in: Kindler/Nachmann, Hdb Insolvenzrecht, 2. Teil, Rn. 195. 783 Doliwa, Insolvenz, S. 183. 781

III. Zusammenfassung und Bewertung

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biger auf ein tragfähiges Konzept geeinigt haben – der Insolvenzrichter keinen Grund hat, an der Vertrauenswürdigkeit und der Krisenbewältigungsfähigkeit des Unternehmens bzw. seiner verantwortlichen Organe zu zweifeln.784 Soweit der Plan auch verfahrensrechtlich keine Fehler aufweist, wird das Insolvenzgericht ihn in der Praxis immer annehmen und den Gläubigern unverändert zur Abstimmung vorlegen. Mit einem positiven Votum der Gläubiger liegt dann ein klares Bekenntnis zur Umsetzung der entsprechenden Sanierungsmaßnahmen vor.

III. Zusammenfassung und Bewertung Im vorangegangenen Kapitel wurde zunächst die Rechtsprechung des BGH zur Akkordstörer-Problematik dargestellt und nachgewiesen, dass ein übergreifendes Bedürfnis in Rechtsprechung und Literatur gesehen wird, opportunistisches Verhalten von Gläubigerin in Sanierungssituationen zu unterbinden. In diesem Zusammenhang wurden verschiedene Lösungskonzepte zur Überwindung des Blockadepotenzials von Gläubigern nachgezeichnet und analysiert, ob und inwieweit diese Vorschläge geeignet sind, opportunistisches Verhalten von Gläubigern de lege lata zu unterbinden und die Akkordstörer-Problematik dadurch jedenfalls zu entschärfen. Nachfolgend sollen die wichtigsten Ergebnisse in Thesen zusammengefasst werden: • Rechtsprechung des BGH. Der BGH hat in dem sog. Akkordstörer-Urteil eine Verpflichtung der Gläubiger zur Mitwirkung an außergerichtlichen Sanierungsbemühungen verneint. Der BGH hat in seiner Entscheidung zwar explizit das rechtspolitische Bedürfnis nach einer Überwindung des Blockadepotenzials von Gläubigern in einer Sanierungssituation anerkannt, jedoch sah er keine rechtliche Möglichkeit, obstruierende Gläubiger zu einer Beteiligung an Sanierungsmaßnahmen eines Schuldnerunternehmens zu verpflichten. Ein außergerichtlicher Sanierungsvergleich könne nur für zustimmende Gläubiger Bindungswirkung entfalten, während es den übrigen Gläubigern freistehe, ihre Ansprüche gegen den Schuldner uneingeschränkt durchzusetzen. • Vorschläge zur Überwindung der Akkordstörer-Problematik. Die Rechtsprechung des BGH hat in der juristischen Literatur überwiegend Zustimmung erfahren. Angesichts des unbefriedigenden Ergebnisses dieser Rechtsprechung und der negativen Auswirkungen auf vorinsolvenzliche Sanierungsverfahren sind verschiedene Vorschläge unterbreitet worden, wie das Blockadepotenzial von Gläubigern überwunden und Akkordstörer in die Sanierungsmaßnahmen betroffener Unternehmen eingebunden werden können. o Kooperationspflichten von Gläubigern. Eidenmüller hat ein Konzept von Kooperationspflichten zur Überwindung von Blockadepotenzialen der Gläubiger herausgearbeitet. Hiernach bestehen zwischen den Beteiligten einer au784

Liebig/Witt, DB 2011, 1929 (1932).

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E. Sanierungsbeiträge von Gläubigern

ßergerichtlichen Unternehmenssanierung schuldrechtliche Sonderverbindungen, die in einer Sanierungssituation gesellschaftsähnliche Verbindungen begründen und sich zu Verhandlungs- und Zustimmungspflichten verdichten können. Auf diese Weise könne sichergestellt werden, dass die Umsetzung eines für die Gesamtheit der Gläubiger bestmöglichen außergerichtlichen Sanierungsplans nicht durch das opportunistische Verhalten einzelner Gläubiger verhindert werde. - Dogmatische Grundlage. Eidenmüller entwickelt das Pflichtensystem aus den Grundzügen der Akkordstörer-Entscheidung sowie der Girmes-Entscheidung des BGH. Nach seiner Ansicht besteht zwischen den Gläubigern in einer Sanierungssituation ein hypothetischer Gesellschaftsvertrag dergestalt, dass die Gläubiger einer Gesellschaft im Zeitpunkt der Krise neben dem Interesse an der Durchsetzung ihrer Forderungen auch ein Interesse an der Maximierung der Haftungsmasse des Schuldners und damit dem Erfolg eines Sanierungsverfahrens hätten. Die Gläubiger würden also – hypothetisch – eine gesellschaftsvertragliche Regelung akzeptieren, die die Befriedigungsaussichten des Kollektivs der Gläubiger maximiert und die für alle Beteiligten möglicherweise desaströsen Folgen individuell gewinnmaximierenden Verhaltens ausschließe. - Stellungnahme. Die gegen das Konzept von Eidenmüller vorgebrachten Argumente sind aus Sicht des Verfassers im Ergebnis überwiegend nicht überzeugend. Dies ergibt sich insbesondere daraus, dass aus Sicht des Verfassers keine grundlegenden Unterschiede zwischen der AkkordstörerEntscheidung und der zeitlich nachgelagerten Girmes-Entscheidung des BGH bestehen. Vielmehr hat der BGH in seiner Rechtsprechung zur gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht eine Entwicklung vorgegeben, die konsequent die Einwirkungsmacht der Gesellschafter in den Vordergrund rückte und das gesellschaftsrechtlich begründete Näheverhältnis der Anteilsinhaber untereinander vernachlässigte. Das Kriterium der Einwirkungsmacht könnte aus Sicht des Verfassers auch im Hinblick auf die Kooperationspflichten der Gläubiger nutzbar gemacht werden und würde sich damit als eine konsequente Fortentwicklung bzw. Ergänzung der Rechtsprechung des BGH zur gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht darstellen. - Inhalt und Umfang von Kooperationspflichten. Aus Sicht des Verfassers müssen sich Kooperationspflichten der Gläubiger auf passive Duldungs- und Rücksichtnahmepflichten beschränken. Denn eine aktive Förderungspflicht trifft auch die Gesellschafter ausschließlich im Verhältnis zur Gesellschaft, während die Gesellschafter untereinander lediglich zur Rücksichtnahme verpflichtet sind. Die Kooperationspflichten der Gläubiger können jedoch nicht weiter reichen als die gesellschaftsrechtlichen Treuepflichten der Gesellschafter. Damit sind Kooperationspflichten der Gläubiger nach hier vertretener Ansicht insbesondere auf Verhandlungs- und Stillhaltepflichten

III. Zusammenfassung und Bewertung

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beschränkt. Insbesondere eine Pflicht zur Gewährung weiterer Darlehen kann sich aus einer solchen Kooperationspflicht daher nicht ergeben. o Darlehensbelassungspflichten. Das Recht zur Kündigung von Darlehensverhältnissen ist in den §§ 488, 490, 314 BGB geregelt. - Schranken der ordentlichen Kündigung. Grundsätzlich können auf unbestimmte Zeit geschlossene Darlehensverträge ordentlich gekündigt werden. Eine Einschränkung des Kündigungsrechts kann sich ergeben, wenn eine Kündigung ausnahmsweise als rechtsmissbräuchlich anzusehen ist. In einem solchen Fall wäre die Kündigung rechtsunwirksam. In einer Sanierungssituation kann eine Kündigung rechtsmissbräuchlich sein, wenn die Bank – im Vergleich zu den Zerschlagungswerten der Sicherheiten im Falle der Insolvenz – über ausreichende Sicherheiten verfügt und das kriselnde Unternehmen sanierungsfähig ist. - Schranken der außerordentlichen Kündigung. Ein Darlehensgeber ist grundsätzlich zur außerordentlichen Kündigung befugt, wenn eine wesentliche Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Kreditnehmers eintritt oder einzutreten droht und dadurch, auch bei Verwertung der Sicherheiten, die Erfüllung von Verbindlichkeiten gegenüber der Bank gefährdet ist. Insbesondere Canaris hat sich dafür ausgesprochen, dass eine Kündigung im Einzelfall unverhältnismäßig sein kann, wenn es sich um ein sanierungsfähiges Unternehmen handelt und die Sanierung durch die Kündigung vereitelt wird. o Darlehensgewährungspflichten. Eine über die Darlehensbelassung hinausgehende Pflicht von Banken, im Rahmen vorhandener oder zusätzlich angebotener Sicherheiten einem Unternehmen weitere Finanzmittel, insbesondere in Form eines Überbrückungskredits, zur Verfügung zu stellen, besteht nach überwiegender Ansicht in Rechtsprechung und Literatur nicht. Diese Ansicht ist aus Sicht des Verfassers bereits aus einem Umkehrschluss zur mangelnden Nachschusspflicht von Gesellschafter überzeugend. Wenn sich die Gesellschafter diesem Grundsatz entsprechend nicht mit zusätzlichen finanziellen Mitteln an einer Sanierung beteiligen müssen, so muss dies erst recht für die finanzierenden Banken gelten, die an dem mit dem Kredit erzielten Vorteil, der in der Rettung des Unternehmens liegen kann, nicht in gleichem Maße wie ein Gesellschafter teilhaben. o Prepackaged Plan. Die Vorlage eines Insolvenzplans an das Insolvenzgericht durch den Schuldner kann bereits mit dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens sowie einem Antrag auf Eigenverwaltung verbunden werden. Im Grundsatz handelt es sich hierbei um einen vom Schuldner im Vorfeld der Insolvenz erarbeiteten – und gegebenenfalls mit den Gläubigern bereits abgestimmten – Insolvenzplan, der anschließend im Insolvenzplanverfahren gemäß §§ 217 ff. InsO umgesetzt werden soll.

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E. Sanierungsbeiträge von Gläubigern

- Pre-Voted Plan. Anders als etwa im US-amerikanischen Recht ist im deutschen Recht nicht möglich, über einen Insolvenzplan bereits verbindlich im Vorfeld der Insolvenz abzustimmen. - Stimmbindungsverträge. Eine frühzeitige Stimmbindung würde dem Sinn und Zweck des Erörterungs- und Abstimmungstermins gemäß § 235 Abs. 1 InsO, in dem der Insolvenzplan und das Stimmrecht der Beteiligten erörtert werden, zuwiderlaufen und muss daher abgelehnt werden. - Post-Voted Plan. Sofern ein Schuldner im Vorfeld einer Insolvenz einen Großteil der Gläubiger von dem von ihm erarbeiteten Sanierungskonzept überzeugen kann, kann hierdurch entweder der Druck auf die sanierungsunwilligen Gläubiger erhöht werden, einer außergerichtlichen Sanierung zuzustimmen oder die opponierenden Gläubiger können im Rahmen des Insolvenzverfahrens dann jedenfalls majorisiert werden. Aus Sicht des Verfassers kann die Möglichkeit der Nutzung eines Post-Voted Plans daher eine Möglichkeit zur Überwindung des Akkordstörer-Problems darstellen.

F. Gesamtergebnis und Fazit Im Rahmen dieser Arbeit wurde dargelegt und erläutert, dass sowohl die Anteilsinhaber als auch die Gläubiger einer Gesellschaft in einer Krisensituation ein erhebliches Stör- und Blockadepotenzial besitzen, um die Chancen einer erfolgreichen außergerichtlichen Sanierung zu vereiteln. Vor dem Hintergrund der aufgezeigten Vorteile außergerichtlicher Sanierungsverfahren im Vergleich zu gerichtlichen Insolvenzverfahren, insbesondere im Hinblick auf eine kürzere Verfahrensdauer, größere Flexibilität, einer fehlende Publizitätswirkung und geringeren Kosten, ist dies zunächst ein ernüchterndes Ergebnis. Während aber der BGH im Hinblick auf die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht seine Rechtsprechung seit der ITT-Entscheidung im Jahre 1975 bis zur GirmesEntscheidung im Jahre 1995 kontinuierlich weiter entwickelte und sich das Blockadepotenzial der Gesellschafter in einer Krisensituation auf Grund dieser maßgeblich durch den BGH geprägten Treuepflicht der Gesellschafter häufig auffangen oder jedenfalls abmildern lässt, besteht nach derzeitiger Rechtslage und überwiegender Ansicht in Rechtsprechung und Literatur – allen voran des BGH – keine rechtliche Möglichkeit, das Blockadepotenzial von Gläubigern in einer Sanierungssituation zu überwinden und opponierende Gläubiger in ein Sanierungsverfahren einzubinden. Durch das Abstellen auf die Intensität der Einwirkungsmacht von Anteilsinhabern auf die übrigen Mitgesellschafter kann sich die Pflicht zur Unterstützung von Sanierungsmaßnahmen – insbesondere in Form von Zustimmungspflichten – ergeben. So können Gesellschafter beispielsweise verpflichtet sein, einem Gesellschafter- oder Hauptversammlungsbeschluss über eine Kapitalerhöhung oder einen Debt-Equity Swap zuzustimmen, wenn die eigenen Anteile auf Grund der Krisensituation des Unternehmens ohnehin bereits wertlos sind und sie bei Durchführung der Sanierungsmaßnahme jedenfalls nicht schlechter stehen als im Falle einer sofortigen Liquidation. Im Gegensatz dazu können Gläubiger eines kriselnden Unternehmens nach derzeit vorherrschender Ansicht nicht zu einer Kooperation und Mitwirkung an außergerichtlichen Sanierungsverfahren verpflichtet werden. Vielmehr sind die Beteiligten auf das freiwillige Mitwirken sämtlicher relevanter Gläubiger angewiesen. Es wurde im Rahmen dieser Arbeit jedoch aufgezeigt, dass die Rechtsprechung des BGH in dieser Hinsicht nicht zwingend erscheint und – vor dem Hintergrund der weitergehenden Entwicklung der Rechtsprechung zur Treuepflicht – eine ähnliche Rechtsfortbildung zur Überwindung des Blockadepotenzials von Gläubigern in einer Sanierungssituation möglich wäre. Hierbei wäre zu wünschen, dass der BGH bei nächster Gelegenheit seine Rechtsprechung zur Akkordstörer-

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F. Gesamtergebnis und Fazit

Problematik korrigieren und stärker auf die Einwirkungsmacht der Gläubiger in einer Sanierungssituation abstellen würde, um dadurch weitergehende Kooperations- und Mitwirkungspflichten der Gläubiger zu begründen. Dies würde einen erheblichen und wichtigen Schritt auf dem Weg zur Ermöglichung effektiver außergerichtlicher Sanierungsverfahren bedeuten und die Überlebenschancen zahlreicher Krisenunternehmen erheblich erhöhen.

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Stichwortverzeichnis Akkordstörer 17, 152 ff. Anfechtungsklage 137 ff., 145 Aufopferungspflicht siehe Treuepflicht ggü. Gläubigern Ausschluss (eines Gesellschafters) 150 f. Ausschlussklauseln 146 Beschlussfeststellungsklage Debt-Equity Swap 160

136 ff., 145

34, 37, 116 ff., 143,

Eingriffsrechte 18 f., 146 ff. Einstweiliger Rechtsschutz 138 ff., 145 Erfolgskrise 26 Fremdfinanzierung

37,

Gefangenendilemma 17, 97, 152 Girmes 65 f., 73, 79, 83, 88 f., 103, 114 Hinauskündigung ITT

148 f.

65 f., 82

Kapitalerhöhung 34, 94 f., 101, 104, 109 ff., 142 – Bezugsrechtsausschluss 94, 113, 121 ff. – genehmigtes Kapital 111 ff. – Mehrheitserfordernisse 106 f. – nominelle 105 – ordentliche 105 ff. – Sachkapitalerhöhung 116 f., 118 ff. – Zustimmungspflicht siehe dort Kapitalherabsetzung 36, 94, 97, 110, 116, 143 – auf Null 112 ff. – vereinfacht 110 ff. – Zustimmungspflicht siehe dort Kapitalschnitt 36, 97 ff., 104, 110, 133, 142, 149

Kooperationspflichten 155 ff. – Dogmatik 157 f. – Entstehung 164 – Gesellschafter 133 – Gläubiger 155 ff. Kreditfinanzierung (durch Gesellschafter) 36 Kreditversorgungspflichten 168 Krise 22 ff. Krisenarten 24 Krisenursachen 24 Leistungsklage 137 f., 145 Liquiditätskrise 25 f., 42 f., 47, 110 Nachschusspflicht

109, 172 f., 179

Prepackaged-Plan

173 ff.

Rangrücktritt 33 f. Reorganisation 28 f. Restrukturierung 28 f. Sanieren oder Ausscheiden 113 f., 129 f., 143, 150 f. Sanierende Verschmelzung 35, 130 f. Sanierung 27 ff. – außergerichtliche 37 ff. Sanierungsbeiträge der Gesellschafter 62 ff. Sanierungsbeiträge der Gläubiger 152 ff. Sanierungsfähigkeit 29 f., 92 Sanierungsmaßnahmen 31 ff., 93. ff. Schuldenschnitt 32 f. Sperrminoritäten 93 ff. Spieltheorie 17 Stakeholderkrise 25 Stillhalteabkommen 34 Stillhaltepflichten 165 Stimmpflichten siehe Zustimmungspflicht Strategiekrise 25, 46

210

Stichwortverzeichnis

Treuepflicht – Ablehnung 66 ff. – Aufopferungspflicht – Ausprägungen 73 ff. – Dogmatische Herleitung 68 ff. – Förderpflicht 76, 90 ff. – Generalklausel 67, 69 f., 141 – ggü. Gesellschaftern 76 – ggü. Gläubigern 77 ff., 142, 162 – Rechtsbeziehungen 71 ff. – Rechtsfolgen 134 ff. – Rücksichtspflichten 75 – Schutzrichtung 84, 89 ff. – Verhältnismäßigkeit 85 – wirkungsbezogene 88 – Zustimmungspflichten siehe dort

Übertragung (eigene Anteile) 127 Unternehmenskrise siehe Krise Unternehmenssanierung siehe Sanierung Verhandlungspflichten Vinkulierung 124 ff.

156 f., 164

Zustimmungspflichten – Debt-Equity Swap 123 – Kapitalerhöhung 104 ff. – Kapitalherabsetzung 98 ff. – Sanierende Verschmelzung 130 ff. – Übertragung Vinkulierte Anteile 124 ff. Zwangseinziehung 147 ff.