Die Wirkung von Glaubwurdigkeit in der Marketingkommunikation: Eine Analyse der kurz- und langfristigen Effekte 9783834921161, 3834921165


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Marketing-Management......Page 3
Die Wirkung von Glaubwürdigkeit in der Marketingkommunikation......Page 4
Geleitwort......Page 6
Vorwort......Page 7
Inhaltsverzeichnis......Page 8
Abbildungsverzeichnis......Page 11
Tabellenverzeichnis......Page 13
1.1 Motivation, Fragestellung und Ziel der Arbeit......Page 14
1.2 Gang der Arbeit......Page 16
2.1.1 Bedeutung der Glaubwürdigkeit......Page 19
2.1.2 Charakteristika der Glaubwürdigkeit......Page 21
2.1.3 Bezugsobjekte der Glaubwürdigkeit......Page 22
2.1.4 Wirkung der Glaubwürdigkeit......Page 25
2.2.1 Cognitive-Response-Theorie......Page 27
2.2.2 Dualprozesstheorien......Page 28
2.2.2.1 Heuristic-Systematic Model......Page 29
2.2.2.2 Elaboration Likelihood Model......Page 31
2.2.2.3 Integration Dual Processing Models und weitere Quellen-Modelle......Page 35
2.2.3 Attributionstheorie......Page 36
2.3 Zusammenfassung des zweiten Kapitels......Page 41
3.1 Werbung und Publicity......Page 43
3.1.1 Werbung......Page 44
3.1.2 Publicity......Page 45
3.1.3 Werbung vs. Publicity......Page 47
3.1.4 Motivation-Ability-Opportunity-Approach......Page 48
3.1.4.1 Motivation......Page 49
3.1.4.2 Fähigkeit......Page 51
3.1.4.3 Möglichkeit......Page 53
3.1.5 Ergebnisse bisheriger Forschung......Page 54
3.2.1 Entwicklung der Erforschung zweiseitiger Botschaften......Page 60
3.2.2 Eigenschaften und Wirkung zweiseitiger Werbung......Page 61
3.2.3 Theoretische Ansätze zur Erklärung der Wirkung zweiseitiger Botschaften......Page 67
3.2.3.1 Attributionstheorie......Page 68
3.2.3.2 Inokulationstheorie......Page 70
3.2.3.3 Optimal-Arousal-Theorie......Page 73
3.2.3.5 Dualprozesstheorien......Page 75
3.3 Zusammenfassung des dritten Kapitels......Page 77
4.1.1 Erinnerung an die Botschaft......Page 79
4.1.2 Erinnerung an die Quelle......Page 83
4.2.1 Definition und Abgrenzung......Page 86
4.2.2.1 Forgetting Hypothesis und Dissociation Hypothesis......Page 88
4.2.2.3 Differential Decay Interpretation......Page 90
4.2.2.4 Vergleich der Ansätze......Page 91
4.2.2.5 Integration des Sleeper Effects in die Dualprozesstheorien......Page 92
4.2.3 Kontroverse um die Existenz des Sleeper Effects......Page 94
4.3 Zusammenfassung des vierten Kapitels......Page 98
5.1 Hypothesen......Page 100
5.2 Methodik......Page 101
5.2.1 Moderatoreffekte......Page 102
5.2.2 Mediatoreffekte......Page 103
5.3.1.1 Manipulation der unabhängigen Variablen......Page 109
5.3.1.2 Stimulus......Page 110
5.3.1.3 Messung der abhängigen Variablen......Page 111
5.3.1.4 Ablauf und Cover Story......Page 113
5.3.2 Pretest......Page 115
5.3.3.1 Prüfung der Skalen und Manipulation Checks......Page 117
5.3.3.2 Prüfung der Hypothesen......Page 120
5.3.4 Diskussion......Page 126
5.4.1.1 Manipulation der unabhängigen Variablen......Page 129
5.4.1.2 Stimulus......Page 130
5.4.1.3 Messung der abhängigen Variablen......Page 132
5.4.1.4 Ablauf und Cover Story......Page 133
5.4.2 Pretest......Page 134
5.4.3.1 Codierung und Prüfung der Skalen......Page 136
5.4.3.2 Manipulation Checks......Page 137
5.4.3.3 Prüfung der Hypothesen......Page 139
5.4.4 Diskussion......Page 152
5.5 Zusammenfassung des fünften Kapitels......Page 156
6.1.1 Konsequenzen für die Forschung der Marketingkommunikation......Page 158
6.1.2 Konsequenzen für die Praxis der Marketingkommunikation......Page 161
6.2 Fazit und Ausblick......Page 164
Literaturverzeichnis......Page 166
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Die Wirkung von Glaubwurdigkeit in der Marketingkommunikation: Eine Analyse der kurz- und langfristigen Effekte
 9783834921161, 3834921165

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Franziska Küster-Rohde Die Wirkung von Glaubwürdigkeit in der Marketingkommunikation

GABLER RESEARCH Marketing-Management Herausgegeben von Professor Dr. Christian Belz, Universität St. Gallen Professor Dr. Alfred Kuß, Freie Universität Berlin Professor Dr. Thomas Rudolph, Universität St. Gallen Professor Dr. Torsten Tomczak, Universität St. Gallen

In der Reihe werden Forschungsergebnisse aus unterschiedlichen Teilgebieten des Marketing veröffentlicht, die einen deutlichen Anwendungsbezug haben. Die Arbeiten gelten Fragestellungen aus dem Bereich des operativen und strategischen Marketing und sind zum großen Teil durch die Einbeziehung verhaltenswissenschaftlicher Erkenntnisse sowie eine empirische Vorgehensweise geprägt.

Franziska Küster-Rohde

Die Wirkung von Glaubwürdigkeit in der Marketingkommunikation Eine Analyse der kurz- und langfristigen Effekte Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Martin Eisend

RESEARCH

Bibliograische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliograie; detaillierte bibliograische Daten sind im Internet über abrufbar.

Dissertation Freie Universität Berlin, 2009 D 188

1. Aulage 2010 Alle Rechte vorbehalten © Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2010 Lektorat: Ute Wrasmann | Anita Wilke Gabler ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.gabler.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8349-2116-1

Geleitwort Die heutige Kommunikationslandschaft ist geprägt durch eine Vielzahl von verschiedenen Medien, über die ein Unternehmen mit seinen Kunden in Kontakt treten kann. Dabei stellt sich für ein Unternehmen immer die Frage, wie man möglichst glaubwürdig mit den Kunden kommunizieren kann und gleichzeitig Kontrolle über den Informationsfluss wahren kann. Beide Merkmale – die Glaubwürdigkeit und die Kontrollierbarkeit – stehen typischerweise in der Marketingkommunikation in einem gegensätzlichen Verhältnis zueinander. Das heißt, man erkauft sich hohe Glaubwürdigkeit immer mit geringer Kontrollierbarkeit. Sehr deutlich wird das bei zwei prototypischen Arten der Kommunikation im Marketing, der Werbung und der Publicity. Die Kommunikation über die Werbung lässt sich zwar gut kontrollieren, gilt aber als wenig glaubwürdig. Ganz anders bei Publicity: Hier erreicht man eine hohe Glaubwürdigkeit, da die Informationsquellen als unabhängig gelten, doch die Unternehmen können nicht immer kontrollieren, was in den Medien über sie berichtet wird. Die wissenschaftliche Forschung hat dies häufig bestätigt, jedoch wurden dabei in erster Linie kurzfristige Effekte betrachtet. Verschiedene Elemente der Kommunikation werden aber in unterschiedlicher Art und Weise erinnert oder vergessen. Daher stellt sich die Frage, ob denn diese Effekte auch langfristig bestehen oder sich womöglich verändern. In ihrer Arbeit geht Franziska Küster-Rohde genau diesen zeitlichen Effekten nach. Sie untersucht dabei nicht nur die Effekte von Werbung und Publicity, sondern auch die Wirkung der Glaubwürdigkeit der Botschaft. Im Rahmen von zwei Experimenten kann sie zeigen, dass sich der Glaubwürdigkeitsvorteil der Publicity wie auch der Glaubwürdigkeitsvorteil einer Botschaft tatsächlich im Zeitablauf ausgleicht. Die Erkenntnisse leisten einen wesentlichen Beitrag für die wissenschaftliche Diskussion. Zum einen bestätigen und erklären sie den so genannten Sleeper-Effekt für Werbung und Publicity, zum anderen werden derartige Effekte sowie die darunterliegenden Prozesse auch für die Botschaftselemente aufgezeigt. Damit erweitert die Autorin unser bisheriges Wissen über den Sleeper-Effekt wie auch über die Zweiseitigkeit von Botschaften. Die Ergebnisse haben aber auch wichtige praktische Implikationen, zeigen sie doch klar, dass langfristige Wirkungen in der Marketingkommunikation sich von kurzfristigen Wirkungen unterscheiden können. Dies ist gerade im Hinblick auf die Kommunikationsplanung eine wichtige Erkenntnis, werden doch viele Kampagnen eher auf kurzfristige Effekte hin getestet und die langfristige Wirkung dabei vernachlässigt. Für diesen Beitrag ist der Autorin daher herzlich zu danken. Der Veröffentlichung wünsche ich die ihr gebührende Beachtung und eine weite Verbreitung. Martin Eisend

Vorwort Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Wirkung von Glaubwürdigkeit in der Marketingkommunikation. Dazu wird die Glaubwürdigkeit verschiedener Gestaltungsmöglichkeiten bei Botschaft und Quelle untersucht und überprüft, inwiefern sich diese auf eine höhere Effektivität und Persuasivität der Marketingkommunikation auswirkt. Dabei wird auch die Wirkungsentwicklung im Zeitablauf betrachtet, da eine langfristige Perspektive in der Forschung bisher vernachlässigt wurde. Die Arbeit entstand während meiner Tätigkeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Marketing-Department der Freien Universität Berlin und wurde im Sommersemester 2009 vom Fachbereich Wirtschaftswissenschaft als Dissertation angenommen. Zum Gelingen dieser Arbeit haben verschiedene Personen aus meinem beruflichen und privaten Umfeld beigetragen, denen ich auf diesem Wege danken möchte. An erster Stelle möchte ich meinem Doktorvater, Prof. Dr. Martin Eisend, danken, der mich stets kompetent beraten, gefördert und motiviert hat. Mit seinen konstruktiven und kritischen Hinweisen hat er mein wissenschaftliches Arbeiten entscheidend geprägt, wobei sich das Betreuungsverhältnis besonders durch einen freundschaftlichen Umgang auszeichnete. Ein herzlicher Dank gebührt an dieser Stelle auch meinem Zweitgutachter, Prof. Dr. Alfred Kuß. Auch er hat mich bei der Anfertigung der Dissertation fachlich und persönlich nach Kräften unterstützt. Auf seine väterliche Art hat er mich als wissenschaftliche Mitarbeiterin gefördert und mein gesamtes Wirken am Marketing-Department positiv geprägt. Auch den übrigen Mitgliedern der Promotionskommission, Prof. Dr. Michael Kleinaltenkamp, Prof. Dr. Henning Kreis und Jana Möller sei hier ein herzlicher Dank ausgesprochen. Danken möchte ich dem gesamten Team des Marketing-Departments sowie des weiterbildenden Studiengangs Executive Master of Business Marketing. Durch das dort herrschende angenehme Arbeitsklima haben sie alle einen Rahmen geschaffen, der maßgeblich zum Gelingen der Arbeit beigetragen hat. Darüber hinaus haben mich meine Kolleginnen und Kollegen durch zahlreiche Diskussionen, fachliche Ratschläge, Anregungen und Kritik unterstützt, besonders Anja Fell, Eva Wendt, Jana Möller, Ioana Minculescu und Henning Kreis. Auch den studentischen Hilfskräften des Marketing-Departments gebührt Dank für unermüdliches Bücherschleppen und Kopieren. Mein Dank gilt auch allen Menschen aus meinem privaten Umfeld, die mich in der Promotionsphase unterstützt haben. Hier möchte ich besonders Friederike Freese für die schnelle und selbstlose Erledigung des Korrekturlesens danken. Darüber hinaus danke ich allen meinen Freunden und meiner Familie dafür, dass sie vier Jahre lang Rücksicht genommen, mir Mut zugesprochen und für das richtige Maß an Ablenkung und Ausgleich gesorgt haben. Besonderer Dank geht an meine lieben Eltern, Ulrich und Angelika Küster, die mich auf allen meinen Wegen vorbehaltlos unterstützt haben, die immer für mich da waren und es heute noch sind. Ihnen habe ich alles zu verdanken, ihnen widme ich diese Arbeit. Franziska Küster-Rohde

Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis ........................................................................................................XIII Tabellenverzeichnis.............................................................................................................. XV 1

Einleitung .......................................................................................................................... 1 1.1 Motivation, Fragestellung und Ziel der Arbeit............................................................... 1 1.2 Gang der Arbeit.............................................................................................................. 3

2

Glaubwürdigkeit im Rahmen der Marketingkommunikation und der Persuasionsforschung ...................................................................................................... 7 2.1 Glaubwürdigkeit im Rahmen der Marketingkommunikation ........................................ 7 2.1.1

Bedeutung der Glaubwürdigkeit ........................................................................ 7

2.1.2

Charakteristika der Glaubwürdigkeit ................................................................. 9

2.1.3

Bezugsobjekte der Glaubwürdigkeit ................................................................ 10

2.1.4

Wirkung der Glaubwürdigkeit ......................................................................... 13

2.2 Glaubwürdigkeit im Rahmen der Persuasionsforschung ............................................. 15 2.2.1

Cognitive-Response-Theorie ............................................................................ 15

2.2.2 Dualprozesstheorien ......................................................................................... 16 2.2.2.1 Heuristic-Systematic Model......................................................................... 17 2.2.2.2 Elaboration Likelihood Model ..................................................................... 19 2.2.2.3 Integration Dual Processing Models und weitere Quellen-Modelle ............ 23 2.2.3

Attributionstheorie ........................................................................................... 24

2.3 Zusammenfassung des zweiten Kapitels...................................................................... 29 3

Instrumente und Formen der Marketingkommunikation ......................................... 31 3.1 Werbung und Publicity................................................................................................. 31 3.1.1

Werbung ........................................................................................................... 32

3.1.2

Publicity ........................................................................................................... 33

3.1.3

Werbung vs. Publicity ...................................................................................... 35

3.1.4 Motivation-Ability-Opportunity-Approach ..................................................... 36 3.1.4.1 Motivation .................................................................................................... 37 3.1.4.2 Fähigkeit....................................................................................................... 39 3.1.4.3 Möglichkeit .................................................................................................. 41 3.1.5

Ergebnisse bisheriger Forschung ..................................................................... 42

X

Inhaltsverzeichnis

3.2 Einseitige vs. zweiseitige Botschaften in der Marketingkommunikation .................... 48 3.2.1

Entwicklung der Erforschung zweiseitiger Botschaften .................................. 48

3.2.2

Eigenschaften und Wirkung zweiseitiger Werbung......................................... 49

3.2.3 Theoretische Ansätze zur Erklärung der Wirkung zweiseitiger Botschaften .. 55 3.2.3.1 Attributionstheorie ....................................................................................... 56 3.2.3.2 Inokulationstheorie....................................................................................... 58 3.2.3.3 Optimal-Arousal-Theorie ............................................................................. 61 3.2.3.4 Reaktanztheorie............................................................................................ 63 3.2.3.5 Dualprozesstheorien ..................................................................................... 63 3.3 Zusammenfassung des dritten Kapitels........................................................................ 65 4

Die Entwicklung der Persuasionswirkung im Zeitablauf........................................... 67 4.1 Erinnerung und Vergessensprozesse bei der Wirkung persuasiver Kommunikation .. 67 4.1.1

Erinnerung an die Botschaft............................................................................. 67

4.1.2

Erinnerung an die Quelle.................................................................................. 71

4.2 Der Sleeper Effect ........................................................................................................ 74 4.2.1

Definition und Abgrenzung.............................................................................. 74

4.2.2 Erklärungsansätze für den Sleeper Effect ........................................................ 76 4.2.2.1 Forgetting Hypothesis und Dissociation Hypothesis ................................... 76 4.2.2.2 Availability-Valence Hypothesis ................................................................. 78 4.2.2.3 Differential Decay Interpretation ................................................................. 78 4.2.2.4 Vergleich der Ansätze .................................................................................. 79 4.2.2.5 Integration des Sleeper Effects in die Dualprozesstheorien......................... 80 4.2.3

Kontroverse um die Existenz des Sleeper Effects............................................ 82

4.3 Zusammenfassung des vierten Kapitels ....................................................................... 86 5

Empirische Untersuchung ............................................................................................. 89 5.1 Hypothesen................................................................................................................... 89 5.2 Methodik ...................................................................................................................... 90 5.2.1

Moderatoreffekte.............................................................................................. 91

5.2.2

Mediatoreffekte ................................................................................................ 92

Inhaltsverzeichnis

XI

5.3 Experiment 1 ................................................................................................................ 98 5.3.1 Untersuchungsaufbau ....................................................................................... 98 5.3.1.1 Manipulation der unabhängigen Variablen .................................................. 98 5.3.1.2 Stimulus........................................................................................................ 99 5.3.1.3 Messung der abhängigen Variablen ........................................................... 100 5.3.1.4 Ablauf und Cover Story ............................................................................. 102 5.3.2

Pretest ............................................................................................................. 104

5.3.3 Untersuchungsergebnisse ............................................................................... 106 5.3.3.1 Prüfung der Skalen und Manipulation Checks........................................... 106 5.3.3.2 Prüfung der Hypothesen............................................................................. 109 5.3.4

Diskussion ...................................................................................................... 115

5.4 Experiment 2 .............................................................................................................. 118 5.4.1 Untersuchungsaufbau ..................................................................................... 118 5.4.1.1 Manipulation der unabhängigen Variablen ................................................ 118 5.4.1.2 Stimulus...................................................................................................... 119 5.4.1.3 Messung der abhängigen Variablen ........................................................... 121 5.4.1.4 Ablauf und Cover Story ............................................................................. 122 5.4.2

Pretest ............................................................................................................. 123

5.4.3 Untersuchungsergebnisse ............................................................................... 125 5.4.3.1 Codierung und Prüfung der Skalen ............................................................ 125 5.4.3.2 Manipulation Checks.................................................................................. 126 5.4.3.3 Prüfung der Hypothesen............................................................................. 128 5.4.4

Diskussion ...................................................................................................... 141

5.5 Zusammenfassung des fünften Kapitels..................................................................... 145 6

Schlussbetrachtung ...................................................................................................... 147 6.1 Konsequenzen für Forschung und Praxis der Marketingkommunikation.................. 147 6.1.1

Konsequenzen für die Forschung der Marketingkommunikation.................. 147

6.1.2

Konsequenzen für die Praxis der Marketingkommunikation......................... 150

6.2 Fazit und Ausblick ..................................................................................................... 153 Literaturverzeichnis............................................................................................................. 155

Abbildungsverzeichnis Abbildung 1.1: Untersuchte Zusammenhänge der Arbeit........................................................ 2 Abbildung 1.2: Aufbau und Vorgehensweise der Arbeit......................................................... 5 Abbildung 2.1: Elaboration Likelihood Model von Petty und Cacioppo .............................. 21 Abbildung 2.2: Integratives Modell der Quelleneffekte von Kang und Herr ........................ 24 Abbildung 3.1: Der Einfluss von Motivation, Fähigkeit und Möglichkeit auf den Informationsverarbeitungsprozess ............................................................... 37 Abbildung 3.2: Wirkung von zweiseitigen Botschaften nach der Attributionstheorie .......... 58 Abbildung 3.3: Wirkung von zweiseitigen Botschaften nach der Inokulationstheorie.......... 60 Abbildung 3.4: Wirkung von zweiseitigen Botschaften nach der Optimal-Arousal-Theorie 62 Abbildung 4.1: Absoluter Sleeper Effect, relativer Sleeper Effect und Nonpersisting Boomerang Effect ......................................................................................... 76 Abbildung 4.2: Sleeper Effect nach der Differential Decay Interpretation............................ 79 Abbildung 5.1: Moderatoreffekt ............................................................................................ 91 Abbildung 5.2: Einfache Mediation ....................................................................................... 92 Abbildung 5.3: Erinnerung an Quelle und Botschaft im Zeitablauf .................................... 109 Abbildung 5.4: Interaktionseffekt Sidedness*Delay auf Glaubwürdigkeit der Botschaft ... 111 Abbildung 5.5: Dreifach-Interaktionseffekt Sidedness*Delay*Quelle auf Glaubwürdigkeit der Botschaft: Wirkungsverlauf bei Publicity und bei Werbung ................ 112 Abbildung 5.6: Dreifach-Interaktionseffekt Sidedness*Delay*Quelle auf Anzahl erinnerter Argumente: Wirkungsverlauf bei Publicity und bei Werbung... 113 Abbildung 5.7: Glaubwürdigkeit der Botschaft im Zeitablauf ............................................ 114 Abbildung 5.8: Interaktionseffekt Quelle*Delay auf Einstellung zur Quelle ...................... 129 Abbildung 5.9: Wirkung der Quelle auf die Einstellung zum Objekt bei sofortiger und bei verzögerter Messung ............................................................................. 130 Abbildung 5.10: Interaktionseffekt Sidedness*Delay auf Wertigkeit und Ausgewogenheit der Botschaft.................................................................... 132 Abbildung 5.11: Interaktionseffekt Sidedness*Delay auf den Anteil der negativ bewerteten erinnerten Aussagen an der Gesamtzahl der erinnerten Aussagen ............. 134 Abbildung 5.12: Wirkung von Sidedness auf die Wertigkeit der Botschaft bei sofortiger und bei verzögerter Messung..................................................... 135 Abbildung 5.13: Wirkung von Sidedness über Anteil der negativ bewerteten erinnerten Aussagen an der Gesamtzahl der erinnerten Aussagen auf die Einstellung zur Botschaft bei sofortiger und bei verzögerter Messung ..... 136 Abbildung 5.14: Wirkung von Sidedness über Wertigkeit der Botschaft und Ausgewogenheit der Botschaft auf die Einstellung zur Botschaft bei sofortiger und bei verzögerter Messung............................................... 137

XIV

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 5.15: Wirkung von Sidedness über Wertigkeit der Botschaft und Ausgewogenheit der Botschaft auf die Glaubwürdigkeit der Botschaft bei sofortiger und bei verzögerter Messung............................................... 139 Abbildung 5.16: Interaktionseffekt von Quelle*Delay auf Anteil negativ bewerteter erinnerter Aussagen an der Gesamtzahl der erinnerten Aussagen .............. 140

Tabellenverzeichnis Tabelle 2.1: Bezugsobjekte der Glaubwürdigkeit bei Werbung und Publicity...................... 13 Tabelle 3.1: Studien zum Vergleich von Werbung und Publicity.......................................... 45 Tabelle 3.2: Wirkungsmechanismen zweiseitiger Botschaften in Abhängigkeit des Involvements ..................................................................................................... 64 Tabelle 5.1: Ergebnisse Pretest Experiment 1...................................................................... 106 Tabelle 5.2: Reliabilitätswerte der verwendeten Skalen ...................................................... 107 Tabelle 5.3: Ergebnisse der Manipulation Checks Experiment 1 ........................................ 108 Tabelle 5.4: Haupteffekte der Quelle auf die Einstellungen zu Objekt, Botschaft und Quelle ............................................... 110 Tabelle 5.5: Haupteffekte des Delays auf Erinnerung an die Botschaft .............................. 111 Tabelle 5.6: Unterschiede im Vergessen des negativen Arguments .................................... 114 Tabelle 5.7: Ergebnisse Pretest Experiment 2...................................................................... 124 Tabelle 5.8: Reliabilitätswerte der verwendeten Skalen ...................................................... 125 Tabelle 5.9: Ergebnisse der Manipulation Checks Experiment 2 ........................................ 127 Tabelle 5.10: Gruppenvergleich: Mittelwerte der Einstellung zur Quelle ............................. 128 Tabelle 5.11: Haupteffekte von Sidedness auf Wertigkeit und Ausgewogenheit der Botschaft......................................................................... 132 Tabelle 5.12: Erinnerung an die Botschaft und Vergessensprozesse..................................... 133 Tabelle 5.13: Bewertung der Botschaft und Vergessensprozesse.......................................... 134

1

Einleitung

1.1 Motivation, Fragestellung und Ziel der Arbeit Glaubwürdigkeit ist für die Marketingkommunikation von großer Bedeutung, da kommunikative Botschaften nur dann ihr Ziel erreichen und einen Einfluss entwickeln können, wenn sie geglaubt und für wahr erachtet werden. Damit stellt Glaubwürdigkeit eine wichtige Voraussetzung für die Persuasivität von Marketingkommunikation dar. Gleichzeitig ist es aber so, dass Individuen der Marketingkommunikation, vor allem der Werbung, meist skeptisch gegenüberstehen. Unternehmen haben bei der Gestaltung ihrer Kommunikation also das Problem, dass diese für wenig glaubwürdig gehalten wird und so ihre Wirkung nicht optimal entfalten kann. Daher versuchen Unternehmen, ihre Glaubwürdigkeit zu erhöhen. Für die Steigerung der Glaubwürdigkeit stehen ihnen verschiedene Mittel und Wege zur Verfügung, die je nach Fall mehr oder weniger gut geeignet sein können. Die Gestaltung der Botschaft und die Auswahl der Kommunikationsquelle stellen zwei Möglichkeiten dar. Die vorliegende Arbeit macht es sich zum Ziel, die Glaubwürdigkeit unterschiedlicher Formen der Marketingkommunikation zu untersuchen und zu überprüfen, inwiefern sich diese dann auf eine höhere Effektivität und Persuasivität der Marketingkommunikation auswirkt. Dabei wird auch die Wirkungsentwicklung im Zeitablauf betrachtet, da die Marketingkommunikation üblicherweise eine eher mittel- bis langfristige Zielsetzung verfolgt und daher auch die Dauerhaftigkeit der Vorteile von Bedeutung ist. Durch die Auswahl der Kommunikationsquelle wird die Wirksamkeit der Marketingkommunikation maßgeblich beeinflusst, da die Quellen unterschiedlich glaubwürdig sind. Werbung und Publicity stellen zwei alternative Kommunikationsformen des Unternehmens dar und unterscheiden sich vor allem in Bezug auf die Quelle der Kommunikation. Werbung entstammt direkt dem Unternehmen hat daher eine geringe Quellenglaubwürdigkeit, während Publicity (oft auch als Öffentlichkeitsarbeit oder PR bezeichnet) einer neutralen Quelle entstammt und so eine höhere Glaubwürdigkeit besitzt. In vielen Studien wurde die Wirksamkeit von Werbung und Publicity verglichen, wobei festgestellt wurde, dass Publicity durch die höhere Glaubwürdigkeit besser geeignet ist, die Einstellung der Individuen in eine gewünschte Richtung zu beeinflussen. Nach den Theorien des Sleeper Effects dürfte der durch die höhere Glaubwürdigkeit entstehende Vorteil jedoch nicht langfristig haltbar sein, da der Sleeper Effect eine Angleichung der Wirkung glaubwürdiger und unglaubwürdiger Quellen vorhersagt. Stattdessen ist zu vermuten, dass nach einer gewissen Zeit die Quelle ihren Einfluss verliert und sich die Effektivität der beiden Kommunikationsformen angleicht. Der Sleeper Effect und die Wirkung von Werbung und Publicity wurden jeweils bereits ausführlich erforscht. Eine Verknüpfung und Integration der Ergebnisse fand bisher jedoch nur sehr unzureichend statt. So wurde der offensichtliche Widerspruch zwischen der oft unter-

2

Einleitung

stellten Überlegenheit von Publicity über Werbung und dem Sleeper Effect noch nicht explizit erforscht, obwohl sich hieraus wichtige Implikationen für die Wirkungsentwicklung der beiden Kommunikationsformen im Zeitablauf ergeben. Bei der Gestaltung der Botschaft der Marketingkommunikation stellt die Verwendung von zweiseitigen Botschaften einen Weg dar, die Glaubwürdigkeit und damit die Wirksamkeit der Marketingkommunikation zu erhöhen. Bei zweiseitigen Botschaften werden neben den üblichen positiven Produktmerkmalen auch negative Informationen in die Botschaft integriert. Die Wirkung zweiseitiger Kommunikation wurde zwar bereits ausführlich erforscht, allerdings mangelt es bisher an einer längerfristigen Betrachtung. Die Wirkungsentwicklung zweiseitiger Kommunikation im Zeitablauf wurde trotz der offensichtlichen Relevanz des Themas bisher kaum untersucht. In den eben erläuterten Punkten besteht die Forschungslücke, die diese Arbeit füllen soll. Die zentrale Forschungsfrage lautet: Wie entwickelt sich die Wirkung von Werbung und Publicity sowie von einseitiger und zweiseitiger Kommunikation im Zeitablauf? Die Glaubwürdigkeit der Kommunikation wird dabei als zentraler Einflussfaktor betrachtet. Es werden nicht nur die Wirkungsverläufe von Werbung und Publicity sowie von einseitigen und zweiseitigen Botschaften im Zeitablauf analysiert, darüber hinaus sollen auch die Wechselwirkungen betrachtet werden, so dass insgesamt ein ganzheitlicheres Bild der kurz- und langfristigen Auswirkungen von Glaubwürdigkeit auf die Effektivität unterschiedlicher Formen der Marketingkommunikation entsteht. Konkret wird also die Wirkung der Glaubwürdigkeit auf die Effektivität der Marketingkommunikation untersucht, wobei drei Faktoren berücksichtigt werden, die die Glaubwürdigkeit und ihre Wirkung beeinflussen: Quelle, Botschaft und Zeit. Abbildung 1.1 stellt die untersuchten Zusammenhänge grafisch dar.

Quelle (Werbung vs. Publicity)

Botschaft (einseitig vs. zweiseitig)

Glaubwürdigkeit

Zeit (Entwicklung im Zeitablauf)

Abbildung 1.1: Untersuchte Zusammenhänge der Arbeit

Effektivität der Marketingkommunikation / Persuasivität

Gang der Arbeit

3

Der theoretische Beitrag der Arbeit besteht darin, dass die Auswirkungen der Glaubwürdigkeit auf die Effektivität von Kommunikation im Zeitablauf erforscht werden. Dabei sollen die zugrunde liegenden Prozesse näher betrachtet werden. Die Anwendbarkeit und Übertragbarkeit des Sleeper Effects auf einen bisher nicht betrachteten Zusammenhang wird untersucht. Gleichzeitig wird die Forschung zur Effektivität von Werbung und Publicity sowie zur Wirkung von einseitiger und zweiseitiger Kommunikation um eine längerfristige Perspektive ergänzt. Aus diesem Gesichtspunkt ergibt sich auch die praktische Relevanz des Themas: Glaubwürdigkeit ist eine wichtige Voraussetzung für die Wirksamkeit der Marketingkommunikation. Gleichzeitig leiden die Unternehmen und ihre Marketingbotschaften häufig unter einer geringen Glaubwürdigkeit, so dass sie versuchen müssen, die Glaubwürdigkeit zu erhöhen. Da es hierzu verschiedene Möglichkeiten gibt, ist es wichtig zu verstehen, welche am besten geeignet ist und wie sich daraus eine dauerhafte Überzeugungswirkung entwickeln lässt. Es muss beispielsweise entschieden werden, wie das vorhandene Budget optimal auf verschiedene Kommunikationsformen aufzuteilen und die Botschaft optimal zu gestalten ist, so dass die Kommunikation größtmögliche Persuasivität entfaltet. Erkenntnisse über mögliche Veränderungen der Wirkung unterschiedlicher Kommunikationsformen im Zeitablauf können hier wertvolle praktische Hinweise liefern.

1.2 Gang der Arbeit Wie aus den voranstehenden Ausführungen deutlich wurde, stellt die Glaubwürdigkeit das vereinende Element dieser Arbeit dar, wobei die Auswirkungen der Glaubwürdigkeit auf die Effektivität der Marketingkommunikation im Zeitablauf betrachtet werden sollen. Da die Glaubwürdigkeit der Marketingkommunikation auf verschiedene Weise beeinflusst werden kann, werden darüber hinaus die unterschiedlichen Einflussfaktoren sowie deren Wechselwirkungen betrachtet. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit soll daher zuerst das Konstrukt Glaubwürdigkeit vorgestellt und seine Bedeutung und Wirkung innerhalb der Marketingkommunikation erläutert werden (2.1). Darauf aufbauend werden theoretische Ansätze der Persuasionsforschung vorgestellt, die einen Beitrag zur allgemeinen Erklärung der Ursachen und Wirkungen der Glaubwürdigkeit liefern (2.2). Dabei werden die Cognitive Response-Theorie, die Dualprozesstheorien und die Attributionstheorie betrachtet. Diese Theorien werden im weiteren Verlauf der Arbeit aufgegriffen, um die bei den einzelnen Einflussfaktoren ablaufenden Wirkungsprozesse zu erklären. Im zweiten Kapitel wird damit der Zusammenhang zwischen der Glaubwürdigkeit und der Persuasivität der Marketingkommunikation erklärt. Dieser Zusammenhang begründet die Relevanz des Themas und stellt die gedankliche Grundlage für die weiteren Betrachtungen dar.

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Einleitung

In den folgenden zwei Kapiteln werden die verschiedenen Einflussfaktoren und ihre Wirkung auf die Glaubwürdigkeit analysiert, wobei aus den betrachteten Theorien Annahmen und Hypothesen für die spätere empirische Untersuchung abgeleitet werden. Kapitel drei thematisiert unterschiedliche Möglichkeiten, wie die Glaubwürdigkeit der Marketingkommunikation durch kommunikationspolitische Entscheidungen seitens der Unternehmen beeinflusst werden kann, nämlich durch die Auswahl der Quelle oder die Gestaltung der Botschaft. Unter 3.1 werden Werbung und Publicity als Kommunikationsinstrumente mit unterschiedlicher Quellenglaubwürdigkeit vorgestellt. Beide Kommunikationsinstrumente werden definiert und voneinander abgegrenzt. Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Wirkung werden anhand der Theorie und bestehender Forschungsergebnisse herausgearbeitet, wobei die Quellenglaubwürdigkeit als zentrales Wirkungsmerkmal bestätigt wird. Darauf folgt eine Betrachtung einseitiger und zweiseitiger Botschaften sowie deren Wirkung auf die Überzeugungskraft der Kommunikation (3.2). Auch hier werden die verschiedenen Wirkungsprozesse anhand der Theorie und bestehender Forschungsergebnisse dargestellt, wobei die Glaubwürdigkeit erneut von besonderer Bedeutung ist. Im vierten Kapitel werden schließlich die Auswirkungen der Zeit auf die Glaubwürdigkeit und die Persuasivität der Marketingkommunikation untersucht. Hier werden die theoretischen Grundlagen zu Ursachen und Wirkungen von Vergessensprozessen erläutert, um daraus Annahmen zur Wirkungsentwicklung der Glaubwürdigkeit im Zeitablauf ableiten zu können (4.1). Dabei werden die Einflussfaktoren Quelle und Botschaft aufgegriffen, um sowohl die zeitlichen Veränderungen der Wirkung der Quelle als auch die zeitlichen Veränderungen der Wirkung der Botschaft abbilden zu können. Danach wird unter 4.2 der Sleeper Effect thematisiert. Dieses Phänomen beschreibt die sich im Zeitablauf verändernde Wirkung der Glaubwürdigkeit auf die Überzeugungskraft von Kommunikation. Der Sleeper Effect wird zunächst definiert und abgegrenzt, bevor verschiedene Erklärungsansätze diskutiert werden. Schließlich wird noch auf die lange und von Kontroversen geprägte Forschungsgeschichte des Sleeper Effects eingegegangen. Aufbauend auf den theoretischen Überlegungen werden im fünften Kapitel die abgeleiteten Hypothesen anhand von zwei aufeinander folgenden Experimenten überprüft. Dazu werden zunächst die zu überprüfenden Hypothesen, die im Rahmen der theoretischen Ausarbeitungen abgeleitet wurden, zusammenfassend dargestellt und kurz erläutert. Nach einer Erklärung der methodischen Grundlagen folgen dann sukzessive die zwei Experimente, wobei jeweils auch der Untersuchungsaufbau und die Pretests präsentiert werden. Nach der Darstellung der Untersuchungsergebnisse werden diese jeweils noch diskutiert, wobei der Bezug zu den theoretischen Ausführungen der Kapitel 2 bis 4 hergestellt wird. Die Bedeutung der Untersuchungsergebnisse für die weitere Forschung sowie für die Praxis der Marketingkommunikation wird in Kapitel sechs erörtert. Die Arbeit endet mit einem Fazit und einem Ausblick auf weitere Entwicklungen.

Gang der Arbeit

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Abbildung 1.2 veranschaulicht den Aufbau und die geplante Vorgehensweise der vorliegenden Arbeit.

1. Ziele und Aufbau der Arbeit

2. Grundlagen und Rahmenbedingungen der Glaubwürdigkeit Marketingkommunikation

Persuasionsforschung

3. Instrumente und Formen der Marketingkommunikation Quelle

Botschaft

(Werbung vs. Publicity)

(einseitig vs. zweiseitig)

4. Zeitliche Aspekte der Persuasionswirkung Botschaft

Sleeper Effect

Quelle

5. Empirische Untersuchung Experiment 1

Experiment 2

6. Implikationen für Forschung und Praxis, Fazit & Ausblick Abbildung 1.2: Aufbau und Vorgehensweise der Arbeit

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Glaubwürdigkeit im Rahmen der Marketingkommunikation und der Persuasionsforschung

In der Einleitung der vorliegenden Arbeit wurde bereits erläutert, dass Glaubwürdigkeit im Rahmen der Marketingkommunikation eine bedeutende Rolle spielt. Die Überzeugungskraft von Kommunikation ist generell stark davon abhängig, ob diese als glaubwürdig wahrgenommen wird. Dementsprechend wurde die Glaubwürdigkeit bereits aus verschiedenen Perspektiven ausführlich erforscht. Dieses Kapitel stellt zunächst das Konstrukt der Glaubwürdigkeit, seine Eigenschaften und Wirkungsweisen vor. Danach werden verschiedene Modelle und Theorien der Persuasionsforschung herangezogen, um die Wirkung der Glaubwürdigkeit und die zugrundeliegenden Prozesse differenzierter zu erklären.

2.1 Glaubwürdigkeit im Rahmen der Marketingkommunikation 2.1.1 Bedeutung der Glaubwürdigkeit Es gibt allgemein drei Voraussetzungen, unter denen die Frage nach der Glaubwürdigkeit einer Information Bedeutung erlangt: Kommunikation, Relevanz und Unsicherheit (Eisend 2003, S. 7). Glaubwürdigkeitsbeurteilungen beziehen sich immer auf die Kommunikation, die zwischen einem Sender und einem Empfänger stattfindet. Dabei übermittelt der Sender dem Empfänger Informationen, über die dieser nicht unmittelbar selbst verfügt. Da der Empfänger die Informationen also nicht aufgrund seiner eigenen Wahrnehmung und Erfahrung überprüfen kann, besteht Unsicherheit bezüglich deren Wahrheitsgehalts. Wenn die übermittelten Informationen sich nun auf die Entscheidungen und Handlungsweisen des Empfängers auswirken, haben sie für den Empfänger Relevanz. Die Glaubwürdigkeit stellt in diesem Fall ein Informationssurrogat dar und ist immer dann wichtig, wenn ein Individuum Entscheidungen oder Handlungen auf kommunizierten, nicht direkt nachprüfbaren Informationen begründet (Eisend 2003, S. 7-16). Auch Köhnken (1990) stellt fest: „Immer dann, wenn Informationen entscheidungs- oder handlungsrelevant werden, die uns nicht aus eigener Wahrnehmung bekannt sind, stellt sich prinzipiell die Frage nach deren Glaubwürdigkeit.“ (Köhnken 1990, S. 1) Glaubwürdigkeit spielt in verschiedensten Sachverhalten im täglichen Leben eine Rolle, angefangen von persönlichen Informationen aus dem Freundeskreis, über Zeugenaussagen bei Gerichtsverfahren, Veröffentlichungen von Forschungsergebnissen oder Versprechungen von Politikern, bis hin zu Nachrichten und Berichten aus den Medien (Köhnken 1990, S. 1 f.). Auch die besondere Bedeutung der Glaubwürdigkeit im Kontext der Marketingkommunikation wird aufgrund der oben genannten drei Voraussetzungen sofort deutlich. In der Marketingkommunikation tritt typischerweise der Konsument als Empfänger und das Unternehmen als Sender von Informationen auf. Die Informationen beziehen sich dabei meist auf das Unternehmen selbst oder auf die von ihm angebotenen Leistungen und entziehen sich in der Re-

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Glaubwürdigkeit im Rahmen der Marketingkommunikation und der Persuasionsforschung

gel der eigenen Wahrnehmung und dem Kenntnisstand des Empfängers. Da die Marketingkommunikation Auswirkungen auf die Kaufentscheidungen des Konsumenten hat und Kaufentscheidungen immer gewisse Risiken bergen, ist sie für den Konsumenten relevant, weshalb die Frage nach der Glaubwürdigkeit der Marketingkommunikation von Bedeutung ist. Die beschriebene Unsicherheit des Konsumenten wird innerhalb der Marketingforschung durch informationsökonomische und durch verhaltenswissenschaftliche Ansätze untersucht (Eisend 2003, S. 27-33). Die Informationsökonomie geht von asymmetrisch verteilten Informationen zwischen den Marktteilnehmern aus, was zu Unsicherheit führt und unerwünschtes Verhalten hervorrufen kann (Akerlof 1970). Die Konsumenten sind dabei die schlechter informierte Marktseite und versuchen, durch Informationsbeschaffung ihre Unsicherheit zu reduzieren, wobei hier wiederum die Glaubwürdigkeit der Informationen bedeutend ist (Adler 1998; Adler 1996; Spence 1976). Die informationsökonomische Perspektive erscheint jedoch für die vorliegende Arbeit weniger geeignet, da hier die Prozesse der Informationsverarbeitung und der Wahrnehmung nicht weiter betrachtet werden, welche für das Verständnis der Wirkung der Glaubwürdigkeit jedoch von großer Bedeutung sind. Zudem wird die Subjektivität der Unsicherheitseinschätzung nicht berücksichtigt. Stattdessen wird Unsicherheit als objektiv gegeben angenommen, ebenso wie Glaubwürdigkeit als objektives Merkmal einer Information betrachtet wird. Diese Sichtweise passt nicht zum Fokus der vorliegenden Arbeit auf Glaubwürdigkeit, deren Wahrnehmung und Wirkung sowie deren Beeinflussungsmöglichkeiten. Bei den verhaltenswissenschaftlichen Ansätzen untersucht die Theorie des wahrgenommenen Risikos (Bauer 1967a; Cox 1967) die Ursachen und Wirkungen des mit einer Kaufentscheidung verbundenen wahrgenommenen Risikos. Das wahrgenommene Kaufrisiko ergibt sich aus der Unsicherheit des Konsumenten über mögliche negative Konsequenzen der Kaufentscheidung (Katz 1983, S. 13). Es wird als subjektive und individuell wahrgenommene Größe verstanden und setzt sich aus zwei Komponenten zusammen. Dabei gibt es zwei Modellvarianten (Schweiger et al. 1976): Nach Bettman (1973) setzt sich das wahrgenommene Risiko aus den Komponenten Unsicherheit und der Wichtigkeit der Entscheidung zusammen. Andere Autoren identifizieren Unsicherheit und Konsequenzen der Entscheidung als Komponenten (Cunningham 1967). Zur Reduktion des wahrgenommenen Risikos können verschiedene Risikoreduktionsstrategien angewendet werden, die entweder auf den Abbau von Unsicherheit oder auf die Milderung der Wichtigkeit bzw. der Konsequenzen der Entscheidung abzielen (Panne 1977, S. 327-387), wobei dem Abbau von Unsicherheit nach einer Studie von Cox (1967) die weitaus größere Bedeutung beizumessen ist. Die Beschaffung von zusätzlichen Informationen als Strategie zur Unsicherheitsreduktion spielt daher auch hier eine große Rolle (Schweiger et al. 1976). Bei der Auswahl der Informationen sind der Informationsgehalt und die Glaubwürdigkeit der Information die entscheidenden Kriterien (Katz 1983, S. 84 ff.).

Glaubwürdigkeit im Rahmen der Marketingkommunikation

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Die Informationsökonomie und die Theorie des wahrgenommenen Risikos analysieren also beide – wenn auch aus unterschiedlichen Perspektiven – die Problematik der Unsicherheit im Marketing und stellen fest, dass Glaubwürdigkeit in diesem Zusammenhang als unsicherheitsreduzierendes Merkmal an Bedeutung erlangt. Die verhaltenswissenschaftliche Perspektive ist jedoch durch die Berücksichtigung von subjektiven Risiko- und Glaubwürdigkeitswahrnehmungen wesentlich besser geeignet. 2.1.2 Charakteristika der Glaubwürdigkeit Eisend (2003) erforscht die Glaubwürdigkeit in der Marketingkommunikation und liefert eine sehr umfassende und tiefgehende Darstellung und Abgrenzung dieses Konstrukts, welche für die folgenden Ausführungen als Orientierung dient (vgl. Eisend 2003, S. 35-65). Glaubwürdigkeit lässt sich auf den Begriff Ethos nach Aristoteles zurückführen (Bauer 1967b). Glaubwürdigkeit ist ein mehrdimensionales Konzept und besteht aus den konstitutiven Komponenten Kompetenz und Vertrauenswürdigkeit (Hovland et al. 1953; Sternthal et al. 1978b). Diese beiden Komponenten wurden bereits um 1950 in den sogenannten Yale-Studien von Hovland und Kollegen systematisch erforscht (z.B. Hovland et al. 1953; Hovland and Weiss 1951) und werden in der Literatur bis heute weithin akzeptiert (Praxmarer 2001). Um in den Augen eines Empfängers glaubwürdig zu sein, muss der Sender also einerseits über die Fähigkeit zur wahrheitsgemäßen Information verfügen, das heißt er muss die notwendigen Kenntnisse besitzen (Kompetenz). Hovland und Kollegen (1953) beschreiben Kompetenz als „the extent to which a communicator is perceived to be a source of valid assertions“ (Hovland et al. 1953, S. 21). Darüber hinaus muss derjenige auch die Absicht haben, eine wahrheitsgemäße Information abzugeben. Der Empfänger muss also davon ausgehen können, dass die übermittelte Information tatsächlich den Überzeugungen des Senders entspricht (Vertrauenswürdigkeit). Vertrauenswürdigkeit wird definiert als „the degree of confidence in the communicator’s intent to communicate the assertions he considers most valid“ (Hovland et al. 1953, S. 21). Wiener und Mowen (1986) beschreiben Vertrauenswürdigkeit auch im Zusammenhang mit der Unverzerrtheit einer Aussage und dem fehlenden Eigeninteresse des Senders. Kompetenz und Vertrauenswürdigkeit sind beide notwendig und können sich nicht gegenseitig ersetzen, so dass ein unehrlicher Experte genauso wenig glaubwürdig ist wie eine sehr ehrliche, aber in Bezug auf die übermittelte Information vollkommen ahnungslose Person (Praxmarer 2001). Bei der Betrachtung der Vertrauenswürdigkeit ist jedoch nicht der tatsächliche Wahrheitsgehalt einer Aussage maßgeblich für die Glaubwürdigkeit des Senders, sondern die Intention, wahre Aussagen zu treffen (Köhnken 1990, S. 4). Nach Ansicht von Ekman (1985) kommt es bei der Unterscheidung von Wahrheit und Täuschung grundsätzlich auf den Vorsatz des Senders an, so dass eine Lüge oder Täuschung nur dann vorliegt, wenn der Sender dem Empfänger wissentlich und absichtlich die Unwahrheit sagt. Darüber hinaus stellt aber auch das Ver-

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Glaubwürdigkeit im Rahmen der Marketingkommunikation und der Persuasionsforschung

schweigen relevanter Informationen eine Täuschung dar. Ekman (1985) grenzt verschiedene Formen der Täuschung detailliert gegeneinander ab. Diese Überlegungen lassen sich entsprechend auf die Glaubwürdigkeit und ihre Bedingungen übertragen. Einige Forscher haben den beiden Hauptdimensionen Kompetenz und Vertrauenswürdigkeit noch weitere Komponenten hinzugefügt, wie Dynamik (Berlo et al. 1969; Giffin 1967) oder persönliche Attraktivität bzw. Ähnlichkeit des Senders (Baudhuin and Davis 1972; Giffin 1967; Ohanian 1990; Simons et al. 1970). Diese wirken aber eher intensivierend und sind in ihrer Bedeutung den beiden Komponenten Kompetenz und Vertrauenswürdigkeit untergeordnet (Berlo et al. 1969, S. 575 f. ). Einen frühen Überblick über verschiedene faktoranalytische Untersuchungen des Konstruktes Glaubwürdigkeit bietet Giffin (1967). Insgesamt lässt sich jedoch feststellen, dass die Einbeziehung weiterer Komponenten sehr uneinheitlich erfolgt und nicht auf jeden Untersuchungskontext sinnvoll übertragbar ist, während Kompetenz und Vertrauenswürdigkeit – wenn auch teilweise anders benannt – übereinstimmend als wesentliche Komponenten der Glaubwürdigkeit bestätigt werden (siehe dazu eine Übersicht von Ohanian 1990, S. 40). Gemäß der allgemein verbreiteten rezipientenzentrierten Sichtweise wird Glaubwürdigkeit als Attribution aufgefasst, die der Empfänger dem Sender der Kommunikation subjektiv zuschreibt und die von der Wahrnehmung des Empfängers sowie von der jeweiligen Situation und dem Kontext der Aussage abhängt. Diese Sichtweise wurde zuerst von Berlo und Kollegen (1969) explizit formuliert und ist Grundlage sämtlicher empirischer Forschung zum Thema Glaubwürdigkeit (Eisend 2003). Auch aus den frühen, wegweisenden Arbeiten von Hovland und Kollegen (Hovland et al. 1953) lässt sich bereits herauslesen, dass es um die vom Empfänger wahrgenommene Glaubwürdigkeit geht. Da auch in dieser Arbeit die Wahrnehmung der Empfänger und die Wirkung der wahrgenommenen Glaubwürdigkeit im Mittelpunkt steht, ist die rezipientenzentrierte Sichtweise hier maßgeblich. Die kommunikatorzentrierte Sichtweise (vgl. Köhnken 1990) dagegen begreift Glaubwürdigkeit als inhärente Eigenschaft des Senders und soll mangels Relevanz für die vorliegende Arbeit nicht weiter betrachtet werden.

2.1.3 Bezugsobjekte der Glaubwürdigkeit Glaubwürdigkeit kann sich auf unterschiedliche Objekte beziehen, wobei in der Regel die Quelle der Kommunikation Ziel der Glaubwürdigkeitsbeurteilung ist. Dies spiegelt sich auch in dem häufig verwendeten Begriff Quellenglaubwürdigkeit (source credibility) wieder. Unter einer Quelle wird in der Marketingliteratur der Absender einer Botschaft verstanden (Blümelhuber and Schnitzer 2006, S. 80). Dies geht auch aus einer Definition von Batra und Kollegen (1996) hervor: „The source of a message in the advertising communication system ist the point of which the message originates“(Batra et al. 1996, S. 46). Die Quelle muss für den Empfänger klar als Absender einer Botschaft erkennbar und für diese verantwortlich sein.

Glaubwürdigkeit im Rahmen der Marketingkommunikation

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Es handelt sich bei der Quelle also um den eigenverantwortlichen Kommunikator einer Botschaft. Ein Übermittler ohne eigenen Einfluss auf den Inhalt der Botschaft gilt dagegen nicht als die Quelle der Kommunikation (Eisend 2003, S. 56). Für die vorliegende Arbeit wird die Quelle einer Kommunikation daher definiert als der für den Empfänger klar erkennbare Absender einer Botschaft, der für deren Inhalt und Art der Präsentation die wesentliche Verantwortung trägt. Wer oder was konkret die Quelle der Kommunikation darstellt, hängt wesentlich vom untersuchten Kommunikationskontext ab. Im Zusammenhang mit der Marketingkommunikation spielt hier insbesondere das anbietende Unternehmen als organisationales Bezugsobjekt eine Rolle. Personale Bezugsobjekte können Repräsentanten des Unternehmens, wie Verkäufer oder Unternehmenssprecher, darstellen (Eisend 2003, S. 54 f.). Neben der Quelle kann auch die Botschaft als solche oder die gesamte Kommunikation Bezugsobjekt der Glaubwürdigkeit sein, wobei sich in diesem Zusammenhang einige begriffliche Schwierigkeiten ergeben, da sich einige der oben dargestellten Charakteristika der Glaubwürdigkeit auf inhaltliche Bezugsobjekte nicht einwandfrei anwenden lassen (Eisend 2003, S. 54). So kann eine Botschaft kaum als kompetent und vertrauenswürdig wahrgenommen werden, da sich diese Eigenschaften eher auf Personen oder Zusammenschlüsse von Personen (z.B. Organisationen und Unternehmen) beziehen. Exakter wäre im Zusammenhang mit inhaltlichen Bezugsobjekten, wie Botschaften, Aussagen oder Informationen, die Verwendung des Begriffs Glaubhaftigkeit. Glaubhaftigkeit ist ein eindimensionaler Begriff und bezieht sich darauf, dass etwas wahr zu sein scheint. Eine konsequente und klare Trennung der beiden Begriffe Glaubwürdigkeit und Glaubhaftigkeit findet jedoch weder in der Literatur (vgl. z.B. Chao 1989; Köhnken 1990, S. 5) noch im Sprachgebrauch statt. Stattdessen wird Glaubwürdigkeit häufig nicht nur für die Beschreibung der Quelle, sondern eben auch im Zusammenhang mit der Botschaft angewendet (Eisend 2003, S. 45 f.). Auch Bentele (1988; 2008) definiert Glaubwürdigkeit als eine Eigenschaft „…die Menschen, Institutionen oder deren kommunikativen Produkten (…) zugeschrieben wird“ (Bentele 1988, S. 123; Bentele 2008, S. 168). In dieser Definition finden sich sowohl personale (Menschen), als auch organisationale (Institutionen) und inhaltliche Bezugsobjekte (kommunikative Produkte) wieder. Daher soll diese Sichtweise auch in der vorliegenden Arbeit übernommen werden. Innerhalb einer Kommunikationssituation kann es auch passieren, dass sich die Glaubwürdigkeitswahrnehmungen unterschiedlicher Bezugsobjekte gegenseitig beeinflussen. Durch diese Interdependenzen kann es zu einer Konfundierung der Glaubwürdigkeit kommen (Eisend 2003, S. 56 f.). In Bezug auf die vorliegende Arbeit bedeutet dies, dass dann die Glaubwürdigkeitseinschätzung der Quelle durch die Gestaltung der Botschaft beeinträchtigt wird, während andererseits die Glaubwürdigkeit ein und derselben Botschaft je nach Quelle unterschiedlich ausfällt.

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Glaubwürdigkeit im Rahmen der Marketingkommunikation und der Persuasionsforschung

Wirth (1999, S. 54 ff.) identifiziert personale Bezugssysteme, Medieninhalte und Mediensysteme als die drei Bezugssysteme von Glaubwürdigkeitseinschätzungen im Zusammenhang mit Medien. Zu den personalen Bezugssystemen gehören beispielsweise Redakteure oder Journalisten (medieninterne personale Bezugssysteme) sowie Experten oder Politiker (medienexterne personale Bezugsobjekte). Diese sind verantwortlich für die durch sie in den Medien getätigten Aussagen oder Beiträge. Mediensysteme entsprechen den zuvor vorgestellten organisationalen Bezugsobjekten und umfassen unter anderem Medienunternehmen, Fernsehsender oder Redaktionen (als Organisationseinheit). Beim Bezugssystem der Medieninhalte wird die Glaubwürdigkeit unterschiedlicher Sendungen, Beiträge, Artikel oder Berichterstattungen betrachtet. Dies entspricht damit den inhaltlichen Bezugsobjekten (Wirth 1999, S. 54 ff.). Mit dieser Klassifizierung werden die oben erläuterten Bezugsobjekte der Glaubwürdigkeit auf den Kontext der Marketingkommunikation angewendet und bestätigt. Mit Blick auf die vorliegende Arbeit lässt sich anhand der vorgestellten Kriterien und Klassifikationen also feststellen, dass bei Werbung das anbietende Unternehmen (bzw. ein Repräsentant) die Quelle der Kommunikation darstellt, während dies bei Publicity der Verfasser des Beitrags, die Redaktion bzw. das publizierende Medium (Zeitung, Zeitschrift, etc.) selbst ist. Bei Werbung bestimmt das Unternehmen Inhalt und Darstellung der Kommunikation und ist als Absender erkennbar. Das Medium ist in diesem Fall bloßer Übermittler (Werbeträger). Bei Publicity dagegen tritt der Verfasser des Berichts (in seiner Funktion als Repräsentant eines bestimmten Mediums) als Absender auf und ist auch als solcher identifizierbar. Das Medium überträgt die Botschaft nicht nur, sondern entscheidet über deren Inhalt und Gestaltung und ist folglich dafür verantwortlich. Das betreffende Unternehmen und seine Leistungen sind hier nur Thema der Berichterstattung. Zwar kann das Unternehmen durchaus versuchen, Einfluss auf die Berichterstattung zu nehmen. Doch selbst dann verbleiben die letztendliche Entscheidung und die Verantwortung beim publizierenden Medium und dessen Vertretern. In diesem Zusammenhang kann ein spezielles Medium, wie beispielsweise die Zeitung „DER TAGESSPIEGEL“, dem Mediensystem bzw. den organisationalen Bezugsobjekten der Glaubwürdigkeit zugeordnet werden, da ein Empfänger diesem speziellen Medium durchaus die konstitutiven Eigenschaften Kompetenz und Vertrauenswürdigkeit zuschreiben kann. Analog zur Betrachtung des Unternehmens als organisationales Bezugsobjekt kann auch das Medium durch Repräsentanten, wie Reporter, Redakteure oder sonstige Berichterstatter, vertreten werden, die dann personale Bezugsobjekte darstellen und in der Regel vom Empfänger genauso wahrgenommen werden wie das Medium, welches sie repräsentieren. Dabei lassen sich nach Wirth (1999, S. 54 ff.) Redakteure (Publicity) den medieninternen personalen Bezugssystemen zuordnen, während Unternehmensvertreter (Werbung) den medienexternen personalen Bezugssystemen angehören. Als inhaltliche Bezugsobjekte oder dem Bezugssystem der Medieninhalte zugehörig sind schließlich die Werbeanzeige oder der Produktbericht selbst aufzufassen. Tabelle 2.1 fasst die verschiedenen Bezugsobjekte bei Werbung und Publicity nochmals zusammen.

Glaubwürdigkeit im Rahmen der Marketingkommunikation

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Personale Bezugsobjekte / personales Bezugssystem

Organisationale Bezugsobjekte / Mediensystem

Inhaltliche Bezugsobjekte / Medieninhalte

Publicity

Redakteur, Reporter (medienintern)

Redaktion, Zeitung XY, Verlag

(Produkt)Bericht, Zeitungsartikel

Werbung

Unternehmensvertreter, Marketingverantwortlicher (medienextern)

Unternehmen

Werbeanzeige, Spot

Tabelle 2.1: Bezugsobjekte der Glaubwürdigkeit bei Werbung und Publicity

Aufbauend auf den zuvor beschriebenen Charakteristika und in Anlehnung an verschiedene Definitionen anderer Autoren (Bentele 1988, S. 123 f.; Bentele 2008, S. 168; Eisend 2003, S. 64; Wirth 1999, S. 55) wird Glaubwürdigkeit für die vorliegende Arbeit wie folgt definiert: Glaubwürdigkeit kann sich grundsätzlich auf Personen, Organisationen, oder auch Inhalte beziehen, wobei die Quellenglaubwürdigkeit im Speziellen einen personellen oder organisationalen Bezug hat und sich aus den beiden Komponenten Kompetenz und Vertrauenswürdigkeit zusammensetzt. Glaubwürdigkeit ist in Kommunikationssituationen abhängig von der subjektiven Wahrnehmung des Empfängers einer Botschaft und beschreibt, inwiefern dieser die Kommunikation als unverzerrt und valide wahrnimmt. Infolgedessen erzeugt Glaubwürdigkeit beim Empfänger die prinzipielle Bereitschaft, die übermittelten Botschaften als zutreffend zu akzeptieren.

2.1.4 Wirkung der Glaubwürdigkeit Bereits in frühen Studien zur Quellenglaubwürdigkeit konnte gezeigt werden, dass glaubwürdige Quellen überzeugender wirken als unglaubwürdige Quellen. Das Quellenmodell von Hovland und Kollegen (Hovland et al. 1953; Hovland and Weiss 1951; Kelman and Hovland 1953) stellt einen der ersten Erklärungsansätze zur Wirkung der Quelle dar und bildet damit eine bedeutende Grundlage für weitere Forschung auf diesem Gebiet. Hovland und Kollegen (1953) führen die Überzeugungswirkung von Kommunikation auf Lernprozesse zurück (Hovland et al. 1953, S. 15 ff.). Darüber hinaus ist auch die Akzeptanz der Botschaftsinhalte von elementarer Bedeutung. Damit die Botschaft akzeptiert wird und eine Einstellungsänderung hervorrufen kann, ist es notwendig, dass die Anreize für die neue Einstellung größer sind als die für die ursprüngliche Einstellung (Hovland et al. 1953, S. 10 f.). Die Quelle der Botschaft kann einen solchen Anreiz darstellen und ist daher ein wichtiger Faktor für die Effektivität der Kommunikation. Durch Lernprozesse entwickeln Individuen Erwartungen und Einstellungen darüber, den Aussagen welcher Quellen vertraut und gefolgt werden sollte und welchen eher nicht. Neben der Glaubwürdigkeit können auch andere Merkmale der Quelle die Effektivität der Kommunikation beeinflussen (Hovland et al. 1953, S. 20). In Experimenten stellen Hovland und Kollegen fest, dass Botschaften glaubwürdiger Quellen als gerecht-

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Glaubwürdigkeit im Rahmen der Marketingkommunikation und der Persuasionsforschung

fertigter wahrgenommen werden und eine höhere Einstellungsänderung hervorrufen als dieselben Botschaften von unglaubwürdigen Quellen (Hovland and Weiss 1951; Kelman and Hovland 1953). Die vorteilhaftere Bewertung und bessere Überzeugungswirkung von glaubwürdigen Quellen führen Hovland und Kollegen (1953) auf zwei mögliche Ursachen zurück: 1. Den glaubwürdigen Quellen wird mehr Aufmerksamkeit geschenkt als den unglaubwürdigen Quellen, wodurch die Inhalte bei den glaubwürdigen Quellen besser gelernt werden und infolge dessen eine höhere Überzeugungswirkung entwickeln. 2. Aufgrund der unvorteilhaften Einstellung der Empfänger gegenüber den unglaubwürdigen Quellen werden deren Aussagen nicht akzeptiert, wodurch die Botschaft keine Einstellungsänderung bzw. Überzeugungswirkung entwickeln kann. Da sich jedoch experimentell keine signifikanten Unterschiede in Bezug auf die Erinnerung an die Botschaftsinhalte zwischen glaubwürdiger und unglaubwürdiger Quelle zeigen ließen (Kelman and Hovland 1953), können Unterschiede im Lernen der Botschaftsinhalte offenbar nicht für die unterschiedliche Wirkung verantwortlich sein. Hovland und Kollegen (1953) schließen daraus, dass Empfänger eine Botschaft aufnehmen, lernen und behalten können, ohne diese zu glauben und überzeugend zu finden. Um zu überzeugen und eine Einstellungsänderung hervorzurufen, muss eine Botschaft also nicht nur gelernt, sondern auch akzeptiert werden. Eine hohe Glaubwürdigkeit der Quelle fördert die Akzeptanz der Botschaft und damit auch ihre Überzeugungswirkung (Hovland et al. 1953, S. 36-39). Das Quellenmodell von Hovland und Kollegen (Hovland et al. 1953; Hovland and Weiss 1951; Kelman and Hovland 1953) führt also die positive Wirkung der Quellenglaubwürdigkeit auf die größere Überzeugungskraft der Kommunikation zurück. Dieser Effekt wird auch in vielen späteren Studien bestätigt (vgl. z.B. Ohanian 1990). So erzeugen glaubwürdige Quellen eine positivere Einstellung gegenüber der übermittelten Botschaft, eine stärkere Akzeptanz der Aussagen, und wirken sich stärker auf das Verhalten aus (für einen Review vgl. Sternthal et al. 1978b). Dennoch gibt es, insbesondere in Interaktion mit anderen Variablen, auch Situationen, in denen glaubwürdige Quellen keinen Vorteil bieten (vgl. auch Dholakia 1987; Dholakia and Sternthal 1977; Kang and Herr 2006; Powell 1965; Tybout 1978). Hierfür bietet das Quellenmodell von Hovland und Kollegen keine Erklärung, da die Wirkung der Glaubwürdigkeit in diesem Modell noch recht verallgemeinernd betrachtet wird. Zur differenzierteren Erklärung der Wirkung der Glaubwürdigkeit können verschiedene Theorien und Modelle der Persuasionsforschung herangezogen werden, wie die CognitiveResponse-Theorie, die Dualprozesstheorien und die Attributionstheorie. Auf diese soll daher in den folgenden Abschnitten näher eingegangen werden.

Glaubwürdigkeit im Rahmen der Persuasionsforschung

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2.2 Glaubwürdigkeit im Rahmen der Persuasionsforschung 2.2.1 Cognitive-Response-Theorie Die Cognitive-Response-Theorie geht auf Greenwald (1968) zurück und betrachtet die gedanklichen Abläufe des Empfängers während einer Kommunikationssituation. Grundlage ist die Annahme, dass die Effektivität und Überzeugungskraft einer Botschaft davon abhängt, wie gut deren Inhalt gelernt und behalten wird. Einstellungsänderungen entstehen, indem durch kognitive Lernprozesse die bestehenden einstellungsrelevanten Gedanken der Empfänger verändert werden (Greenwald 1968). Die Cognitive-Response-Theorie geht davon aus, dass die Reaktion eines Empfängers auf eine Botschaft von den in der Botschaft enthaltenen Argumenten sowie den eigenen, bereits vorhandenen Gedanken und Einstellungen des Empfängers beeinflusst wird. Die neuen Informationen und Argumente aus der Botschaft werden im Kurzzeitgedächtnis verarbeitet. Bereits vorhandene Gedanken, Informationen und Meinungen des Empfängers sind im Langzeitgedächtnis gespeichert. Die Verarbeitung der Botschaftsinhalte führt beim Empfänger zu einer gedanklichen Auseinandersetzung, wobei cognitive responses erzeugt werden. Diese cognitive responses sorgen dafür, dass aus dem Langzeitgedächtnis des Empfängers weitere themenbezogene Informationen und Meinungen aufgegriffen werden. Diese werden dann gemeinsam mit den Botschaftsinhalten im Kurzzeitgedächtnis ausgewertet und generieren so die Einstellungsänderung beim Empfänger (Greenwald 1968; Sternthal et al. 1978b). Bei der Cognitive-Response-Theorie sind die anfänglichen Meinungen der Empfänger also entscheidend für die Wirkung der Kommunikation: Bei ablehnender Haltung gegenüber den Argumenten der Botschaft führen die cognitive responses zum Auffinden und Verarbeiten negativer bzw. widerlegender Gedanken, weshalb die Botschaft nicht akzeptiert wird und sich daher auch die Einstellung nicht in die intendierte Richtung ändert. Bei einer anfänglich positiven Haltung der Empfänger dagegen werden durch die cognitive responses positive bzw. unterstützende Meinungen verarbeitet, was zur Akzeptanz der Botschaft und der erwünschten Einstellungsänderung führt (Greenwald 1968; Sternthal et al. 1978a; Sternthal et al. 1978b). Der Einfluss der Glaubwürdigkeit lässt sich mit Hilfe der Cognitive-Response-Theorie insoweit erklären, als dass die Quellenglaubwürdigkeit je nach Voreinstellung unterschiedlich wirkt. Bei anfänglicher Ablehnung der Botschaftsinhalte durch den Empfänger wirkt eine hohe Glaubwürdigkeit der Quelle als starkes Argument, welches beim Empfänger die Bildung von Gegenargumenten unterdrückt. Dadurch dominieren die positiven cognitive responses aufgrund der in der Botschaft enthaltenen Argumente, die Botschaft wird akzeptiert und die intendierte Einstellungsänderung findet statt. Eine unglaubwürdige Quelle ist nicht geeignet, Gegenargumente hinreichend stark zu unterdrücken, wodurch die Botschaft nicht akzeptiert wird und auch keine Einstellungsänderung erfolgt. Bei einer anfänglich positiven Einstellung der Empfänger dagegen kann sich eine hohe Quellenglaubwürdigkeit gegenteilig auswirken.

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Glaubwürdigkeit im Rahmen der Marketingkommunikation und der Persuasionsforschung

Hier werden durch den Empfänger unterstützende Argumente generiert. Die hohe Quellenglaubwürdigkeit ist wieder ein starkes Argument und lässt weiteres Nachdenken über die Botschaft überflüssig erscheinen. Dadurch werden seitens des Empfängers weniger unterstützende Argumente erzeugt als bei einer Quelle mittlerer Glaubwürdigkeit, welche eher zum Nachdenken und Finden weiterer unterstützender Argumente anregt. So wirkt in diesem Falle die mäßig glaubwürdige Quelle stärker auf die Einstellung als die Quelle mit hoher Glaubwürdigkeit (Sternthal et al. 1978a; Sternthal et al. 1978b). Allerdings zeigt sich diese Wirkung nicht bei allen Gegebenheiten gleichermaßen und ist auch nicht auf extrem unglaubwürdige Quellen übertragbar (Eisend 2003, S. 68). Sternthal und Kollegen (1978b) gelingt es in einem Review-Artikel, weitere empirisch festgestellte Effekte der Glaubwürdigkeit, insbesondere Interaktionseffekte mit verschiedenen situativen oder individuellen Einflussfaktoren, mit Hilfe der Cognitive-Response-Theorie zu erklären. Da diese jedoch für die vorliegende Arbeit von untergeordneter Bedeutung sind, soll hier nur darauf verwiesen werden (Sternthal et al. 1978b). Die Cognitive-Response-Theorie hilft, die beim Empfänger ablaufenden, gedanklichen Prozesse in einer Kommunikationssituation zu analysieren. Die Wirkung der Glaubwürdigkeit wird insofern erklärt, als dass sie in diesen prozessualen Rahmen eingeordnet wird. Art und Ausmaß der Wirkung sowie Wirkungsunterschiede können abgebildet werden. Aussagen über die Zuschreibung von Glaubwürdigkeit sind jedoch nicht möglich. Auch unbewusste, automatisierte Wirkungsprozesse finden in der Cognitive-Response-Theorie keine Berücksichtigung (Eisend 2003, S. 72 f.; Sternthal et al. 1978b).

2.2.2 Dualprozesstheorien Die Dualprozesstheorien gehören der Sozialpsychologie an, wo sie seit rund drei Jahrzehnten verbreitet sind und sich bis heute behaupten (Chaiken et al. 1999; Moskowitz et al. 1999). Sie umfassen mehrere Modelle (Dual Processing Models), welche im Marketingkontext häufig verwendet werden, um die Aufnahme und Verarbeitung von Marketingkommunikation zu erklären. Die Dualprozesstheorien gehen allgemein davon aus, dass in sozialen Kommunikationssituationen die Empfänger von Botschaften ihre Entscheidungen oder Urteile bezüglich der Botschaft auf Basis zweier unterschiedlicher Wege der Informationsverarbeitung treffen können, welche sich nach dem Ausmaß der gedanklichen Verarbeitung unterscheiden. Die Eigenschaften der Teilnehmer, Merkmale und Umstände der Kommunikation entscheiden darüber, welcher Weg eingeschlagen wird. (Chaiken et al. 1999; Chen and Chaiken 1999, S. 80 ff.; Chen et al. 1999). Chaiken und Trope (1999) stellen die Dualprozesstheorien sowie deren Stellung innerhalb der Sozialpsychologie sehr umfassend und ausführlich vor. Die bedeutendsten Modelle der Dualprozesstheorien sind das Heuristic-Systematic Model und das Elaboration Likelihood Model, welche im Folgenden vorgestellt werden.

Glaubwürdigkeit im Rahmen der Persuasionsforschung

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2.2.2.1 Heuristic-Systematic Model Das Heuristic-Systematic Model (Chaiken 1980; Chaiken et al. 1989; Chen and Chaiken 1999) unterscheidet die systematische und die heuristische Informationsverarbeitung. Die systematische Informationsverarbeitung (systematic processing) erfordert aufmerksame und motivierte Rezipienten, die die Botschaft aktiv verfolgen und auch verstehen (zum Einfluss unterschiedlicher Motivationen der Empfänger und der Verständlichkeit der Botschaft vgl. Chen et al. 1999; Chen et al. 1996; Ratneshwar and Chaiken 1991). In diesem Fall werden die Argumente der Botschaft intensiv kognitiv verarbeitet und so eine fundierte, dauerhafte Einstellung gebildet. Schenken die Rezipienten der Information dagegen wenig Aufmerksamkeit, findet heuristische Informationsverarbeitung (heuristic processing) statt. Hierbei bedient sich der Rezipient leicht erfassbarer Schlüsselmerkmale (heuristic cues) zur Meinungsbildung und die Einstellungsänderung erfolgt mit wenig Anstrengung aufgrund von einfachen Entscheidungsregeln. Zu diesen Heuristiken gehören vor allem Quellenmerkmale, wie zum Beispiel die Glaubwürdigkeit oder auch die Beliebtheit der Quelle (Chaiken 1980; Chaiken and Eagly 1983; Chaiken and Maheswaran 1994). Die so generierten Einstellungen sind jedoch auch weniger fundiert und daher relativ instabil sowie wenig dauerhaft. Hervorzuheben ist, dass bei heuristischer Informationsverarbeitung die gesamte Botschaft nur aufgrund von positiven heuristic cues (z.B. Quellenmerkmalen) akzeptiert wird, ohne dass die eigentliche inhaltliche Informationsverarbeitung beeinflusst wird. Der Einfluss der heuristic cues auf die Einstellungsänderung erfolgt also direkt und nicht über eine vorteilhaftere Wahrnehmung der Inhalte (Chaiken 1980). Die Bedeutung der heuristic cues im Persuasionsprozess wird dadurch noch hervorgehoben. Das Heuristic-Systematic Model geht davon aus, dass Empfänger von Botschaften grundsätzlich versuchen, mit möglichst geringem kognitiven Aufwand Entscheidungen zu treffen, die ihren Ansprüchen sicher genügen (sufficiency principle). Es erfolgt daher eine Abwägung zwischen Aufwand und Entscheidungssicherheit. Je geringer die Anforderungen an die Entscheidung, umso niedriger ist das erwünschte Level an Entscheidungssicherheit und umso geringer ist folglich der kognitive Aufwand, mit dem die Entscheidung getroffen wird. Ist der Empfänger jedoch nicht überzeugt, dass die Entscheidung seinen jeweiligen Anforderungen genügen wird, wird er weitere Informationen einholen – solange bis er sich seiner Entscheidung hinreichend sicher sein kann. Je höher also die Anforderungen an die jeweilige Entscheidung, umso höher auch der betriebene kognitive Aufwand (Chen and Chaiken 1999, S. 74 f.; Chen et al. 1999). Ein Empfänger wird also die systematische Informationsverarbeitung wählen, wenn es besonders wichtig ist, eine zuverlässige und fundierte Entscheidung zu treffen. Wenn die Bedeutung der Entscheidung jedoch gering ist und diese mit möglichst geringem Aufwand getroffen werden soll, ist eine heuristische Informationsverarbeitung wahrscheinlich. Dabei spielt das Involvement der Empfänger eine bedeutende Rolle. Bei hohem Involvement kommt es eher

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zu systematic processing und einer starken Dominanz inhaltlicher Entscheidungskriterien, während Quellenmerkmale hier kaum eine Rolle spielen. Bei niedrigem Involvement dagegen wird der heuristische Weg der Informationsverarbeitung eingeschlagen mit einer starken Verwendung simpler Heuristiken, wobei die Botschaft inhaltlich nicht bzw. kaum verarbeitet wird (Chaiken 1980). Dennoch ist es durchaus auch möglich, dass beide Informationsquellen gleichzeitig ausgewertet werden, und zwar insofern, als dass heuristic cues unter bestimmten Umständen auch bei systematischer Informationsverarbeitung einen Einfluss auf die Einstellungsänderung haben können (Maheswaran and Chaiken 1991; Maheswaran et al. 1992). Der mögliche Einfluss von heuristic cues bei systematic processing wird in drei Hypothesen beschrieben, welche auch empirische Bestätigung gefunden haben (Chaiken and Maheswaran 1994; Chen and Chaiken 1999, S. 75 f.): 1. Wenn heuristische und systematische Informationsverarbeitung zu widersprüchlichen Ergebnissen führen würden, werden die Einstellungen allein durch die systematische Informationsverarbeitung beeinflusst. Heuristic cues haben in diesem Falle keinerlei Einfluss auf die Einstellungsänderung (Attenuation Hypothesis). 2. Wenn es keinen Widerspruch zwischen den Aussagen der heuristischen und der systematischen Informationsverarbeitung gibt, entwickeln die heuristic cues unabhängig von der systematischen Informationsverarbeitung einen direkten Einfluss auf die Einstellungsänderung, so dass sich das gesamte Ausmaß der Einstellungsänderung aus der Summe der beiden Prozesse ergibt (Additivity Hypothesis). 3. Darüber hinaus kann heuristic processing auch einen indirekten Einfluss auf die Einstellungsänderung haben, indem es die systematische Informationsverarbeitung beeinflusst bzw. verzerrt (Bias Hypothesis). So können überzeugende Quellenmerkmale die Bewertung des Botschaftsinhalts positiv beeinflussen, z.B. wenn eine von einem Experten vertretene Meinung durch den Empfänger aufgeschlossener und interessierter aufgenommen und verarbeitet wird als dieselbe Meinung, wenn sie von einem Laien in diesem Gebiet stammt. In diesem Falle führen die positiven Quellenmerkmale also nicht dazu, dass die gesamte Botschaft ohne weitere Prüfung akzeptiert wird (wie bei reiner heuristischer Informationsverarbeitung, siehe oben), vielmehr verändern die Quellenmerkmale die Art und Weise, wie die Inhalte der Botschaft kognitiv verarbeitet werden. Dies tritt vor allem dann auf, wenn die Inhalte der Botschaft nicht vollkommen eindeutig und daher unterschiedlich interpretierbar sind. Kommt es aufgrund von geringem Involvement oder beschränkten Kapazitäten zu heuristischer Informationsverarbeitung, ist kein zusätzlicher Einfluss von systematic processing zu erwarten, da sich der Empfänger hier tatsächlich völlig auf die Verwendung der Heuristiken beschränkt und eine intensive Auseinandersetzung mit den Inhalten erst gar nicht stattfindet (Chaiken and Maheswaran 1994; Maheswaran et al. 1992).

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Eine umfassende und aktuelle Darstellung des Heuristic Systematic Models, welche bestehende Studien integriert und zusammenfasst, findet sich bei Chen und Chaiken (1999). Nach den Aussagen des Heuristic-Systematic Model wirkt die Glaubwürdigkeit der Quelle also als heuristic cue. Als solcher kann eine glaubwürdige Quelle bei geringem Involvement und heuristischer Informationsverarbeitung direkt die Einstellung beeinflussen, indem sie zur Akzeptanz einer Botschaft führt, unabhängig von der argumentativen Qualität derer Inhalte. Auf diese Art entfaltet die Quellenglaubwürdigkeit eine besonders starke Wirkung auf die Einstellungen. Diese Aussage des Heuristic Systematic Models findet auch in früheren Untersuchungen anderer Forscher Bestätigung, welche feststellten, dass die Quellenglaubwürdigkeit bei niedrigem Involvement des Empfängers eine stärkere Wirkung entfaltet als bei hohem Involvement (Johnson and Scileppi 1969; Rhine and Severance 1970; Sternthal et al. 1978b). Bei hohem Involvement und systematischer Informationsverarbeitung sind die Inhalte der Botschaft zwar grundsätzlich bedeutender als die Quellenmerkmale, jedoch kann eine glaubwürdige Quelle auch hier einen Einfluss auf die Einstellung haben. Einerseits bei eindeutigen Botschaften und bei Konsistenz zwischen Quelle und Botschaft, indem sie zusätzlich zur systematischen inhaltlichen Verarbeitung einen direkten Einfluss auf die Einstellung ausübt. Andererseits bei mehrdeutigen und schwer zu interpretierenden Botschaften, indem sie die argumentative Verarbeitung beeinflusst und verzerrt. In diesem Falle wirkt sich eine glaubwürdige Quelle positiv auf die Art und Weise der Verarbeitung der Botschaftsinhalte aus, so dass diese bei einer glaubwürdigen Quelle eher als zutreffend akzeptiert werden als bei einer unglaubwürdigen Quelle. Auf welche Art die Glaubwürdigkeit ihre Wirkung letztendlich entfaltet, ist also abhängig vom Involvement der Empfänger, der Kommunikationssituation und den Inhalten der Botschaft (Chaiken and Maheswaran 1994). Die Quellenglaubwürdigkeit kann also nicht nur im Rahmen von heuristic processing direkt zur Akzeptanz einer Botschaft führen, sondern durch die Begünstigung der inhaltlichen Verarbeitung auch bei systematischer Informationsverarbeitung einen indirekten Einfluss auf die Einstellungsänderung haben. Durch diese Option wird eine Verbindung zwischen dem Heuristic-Systematic Model und älteren Auffassungen und Theorien zur Wirkung der Glaubwürdigkeit geschaffen, welche davon ausgehen, dass eine hohe Glaubwürdigkeit auf die Einstellungen wirkt, indem die Empfänger einer Botschaft deren Inhalte eher annehmen und akzeptieren, wenn diese von einer glaubwürdigen Quelle stammen (vgl. Chaiken and Maheswaran 1994; Hovland et al. 1953).

2.2.2.2 Elaboration Likelihood Model Das Elaboration Likelihood Model (Cacioppo and Petty 1984; Petty and Cacioppo 1986; Petty et al. 1983; Petty and Wegener 1999) unterscheidet zwischen zwei verschiedenen Möglichkeiten, wie Informationen vom Empfänger verarbeitet werden: der zentrale und der periphere

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Weg der Informationsverarbeitung. Welcher dieser beiden Wege eingeschlagen wird, hängt von der Elaborationswahrscheinlichkeit ab. Die Elaborationswahrscheinlichkeit ergibt sich aus dem Ausmaß der Motivation und den Fähigkeiten der Empfänger zur Informationsverarbeitung. Die Motivation wird z.B. durch die Wichtigkeit des Themas und das Involvement des Empfängers bestimmt (Petty and Cacioppo 1981; Petty et al. 1981). Die Fähigkeiten hängen von persönlichen Eigenschaften des Empfängers (z.B. Intelligenz, bestehende Kenntnisse) und situativen Einflüssen der Kommunikationssituation (z.B. Ablenkung, Klarheit der Gestaltung) ab. Haben die Rezipienten ausreichend Fähigkeiten und Motivation, um die Argumente der Botschaft zu verarbeiten, ist die Elaborationswahrscheinlichkeit hoch und die Informationsverarbeitung läuft über den zentralen Weg, welche durch intensive gedankliche Auseinandersetzung mit den zentralen Anhaltspunkten (central cues) der Information gekennzeichnet ist. Zu den zentralen Anhaltspunkten gehören die in der Botschaft vorgebrachten Argumente sowie deren Qualität und Überzeugungskraft. Die Einstellungsänderung basiert auf der aktiven kognitiven Verarbeitung der Botschaftsinhalte und ist daher dauerhaft, stabil und stark ausgeprägt. Auf diese Weise gebildete Einstellungen sind relativ resistent gegenüber Gegenargumenten und bedeutend für das Verhalten der Person. Die Richtung der Einstellungsänderung ist abhängig davon, ob die Informationsverarbeitung von unterstützenden Argumenten oder von Gegenargumenten dominiert wird (Cacioppo and Petty 1984; Petty and Cacioppo 1986; Petty et al. 1983; Petty and Wegener 1999). Sind Motivation oder Fähigkeit der Empfänger eher gering, ist auch die Elaborationswahrscheinlichkeit niedrig und die Informationsverarbeitung erfolgt über den peripheren Weg. Dabei verzichten die Rezipienten auf eine aufwendige Verarbeitung der Botschaftsinhalte und beschränken sich auf die Auswertung leicht erfassbarer Schlüsselinformationen (peripheral cues) wie z.B. die Anzahl der Argumente (Petty and Cacioppo 1984a) oder verschiedene Quellenmerkmale (Petty et al. 1981; Petty et al. 1987). Die Einstellungsänderung erfolgt in diesem Fall wenig durchdacht aufgrund einfacher Schlussverfahren und Assoziationen. Die so gebildeten Einstellungen sind eher schwach ausgeprägt, weniger dauerhaft, instabil, anfällig für Gegenargumente und beeinflussen das Verhalten in geringerem Maße als Einstellungen, die unter hoher Elaboration entstanden sind (Cacioppo and Petty 1984; Petty and Cacioppo 1986; Petty et al. 1983; Petty and Wegener 1999; Petty et al. 1993). Wenn auch die ursprüngliche Darstellung des Elaboration Likelihood Models (insbesondere die grafische Darstellung, siehe Abbildung 2.1) den Anschein erweckt, es würden nur die Extreme von hoher und niedriger Elaborationswahrscheinlichkeit berücksichtigt und eine klare Trennung von zentralem und peripherem Weg der Informationsverarbeitung vorgenommen, so betonen die Autoren in späteren Artikeln (Cacioppo and Petty 1984; Petty et al. 1993), dass das Elaboration Likelihood Model ein Kontinuum von Elaborationswahrscheinlichkeiten und deren Auswirkungen beschreibt. Zentrale und periphere Prozesse haben daher bei der Informationsverarbeitung, je nach Position innerhalb des Kontinuums, unterschiedlich starke Gewichte und Wahrscheinlichkeiten, mit denen sie die Einstellungsänderung beeinflussen. Je

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höher also die Elaborationswahrscheinlichkeit eines Empfängers ist, umso größer wird die Wahrscheinlichkeit, dass der zentrale Weg der Informationsverarbeitung die Einstellungsänderung bestimmt, während der periphere Weg der Informationsverarbeitung an Einfluss verliert. Durch diese Betrachtung als Kontinuum mit zunehmenden und abnehmenden Einflusswahrscheinlichkeiten sind auch Situationen denkbar, in denen beide Prozesse zugleich die Einstellungen beeinflussen (Cacioppo and Petty 1984; Petty and Wegener 1999, S. 44 ff.; Petty et al. 1993).

Überzeugende Kommunikation Einstellungsänderung über peripheren Weg

Motivation zur Informationsverarbeitung? ja

ja

nein

Fähigkeit zur Informationsverarbeitung?

nein

Periphere Informationsverarbeitung möglich?

nein

Beibehaltung ursprüngliche Einstellung

nein

ja

Art der Informationsverarbeitung? Mehr positive Gedanken

Mehr negative Gedanken

ja

ja

Änderung der kognitiven Struktur? ja (vorteilig)

nein

ja (nachteilig)

Einstellungsänderung über zentralen Weg Positiv

Negativ

Abbildung 2.1: Elaboration Likelihood Model von Petty und Cacioppo (in Anlehnung an Petty and Wegener 1999, S. 43)

Die Zuordnung von Variablen der Kommunikation als central cues oder peripheral cues ist nicht immer eindeutig festgelegt und hängt vom jeweiligen Kommunikationskontext ab. Auch bei hoher Elaborationswahrscheinlichkeit können Merkmale, die eigentlich als peripheral cues gelten, die Informationsverarbeitung beeinflussen. Bei mittlerer Elaborationswahrscheinlichkeit beispielsweise können Faktoren wie Quellenmerkmale zur Erhöhung oder Senkung der Verarbeitungsintensität anregen (Petty and Cacioppo 1984b; Priester et al. 1999; Priester and Petty 2003; Priester and Petty 1995). Derselbe Einflussfaktor kann also je nach Umstand auch auf unterschiedliche Art wirksam werden. Die Multiple-Roles Analysis unterscheidet dabei drei Einflussmöglichkeiten von Variablen: als peripheral cues, als central cues

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oder indem sie Intensität oder Richtung der Informationsverarbeitung beeinflussen (Petty and Cacioppo 1986, S. 16; Petty and Wegener 1999, S. 48 ff.). Die Wirkungsweise von Einflussfaktoren ist also nicht starr festgelegt. Dennoch erlaubt das Elaboration Likelihood Model Vorhersagen über die Wirkung der Variablen in Abhängigkeit der Elaborationswahrscheinlichkeit: Bei hoher Elaborationswahrscheinlichkeit wirken Variablen in ihrer Funktion als überzeugende Argumente auf die Einstellung, bei geringer Elaborationswahrscheinlichkeit entfalten sie ihre Wirkung als Schlüsselargumente, und bei mittlerer Elaborationswahrscheinlichkeit wirken sie, indem sie den Empfänger zu einer Ausweitung oder Einschränkung der Verarbeitungsintensität bewegen. Je nachdem, wie gut eine Variable für diese Zwecke geeignet ist, so stark sind auch ihre Auswirkungen auf die Einstellung (Petty et al. 1993). Andere Forscher konnten in Experimenten die kontextabhängige, variierende Wirkung unterschiedlicher Variablen bestätigen (Hennessey and Anderson 1990). Mithilfe des Elaboration Likelihood Models lässt sich die Wirkung der Quellenglaubwürdigkeit primär als peripheral cue innerhalb des peripheren Wegs der Informationsverarbeitung erklären. Die Glaubwürdigkeit der Quelle wirkt sich also vor allem dann positiv auf die Einstellung aus, wenn die Empfänger über eine geringe Elaborationswahrscheinlichkeit verfügen. In diesem Fall sorgt eine glaubwürdige Quelle dafür, dass die von ihr übermittelte Botschaft ohne weitere Prüfung der Argumente akzeptiert wird. Bei einer unglaubwürdigen Quelle dagegen könnte dieselbe Botschaft abgelehnt werden. Die so entstehende Einstellungsänderung ist allerdings wenig stabil und nicht dauerhaft. Interessanterweise haben einige Forscher bereits vor Etablierung des Elaboration Likelhood Models festgestellt, dass die Quellenglaubwürdigkeit bei niedrigem Involvement des Empfängers eine starke Wirkung entfaltet, während diese bei hohem Involvement wesentlich geringer ausfällt (Johnson and Scileppi 1969; Rhine and Severance 1970; Sternthal et al. 1978b). Dies bestätigt die oben erläuterte Wirkung der Quellenglaubwürdigkeit als peripheral cue. Doch auch bei höherer Elaborationswahrscheinlichkeit kann die Quellenglaubwürdigkeit die Informationsverarbeitung beeinflussen, indem sie beispielsweise dazu beiträgt, dass die Inhalte und Argumente der Botschaft intensiver verarbeitet werden (Heesacker et al. 1983; Petty and Cacioppo 1984b). Priester und Petty (2003; 1995) konnten zeigen, dass die Vertrauenswürdigkeit des Senders bei mittlerer Elaborationswahrscheinlichkeit den Verarbeitungsweg der Botschaft beeinflusst. Insbesondere wenn die Empfänger zwar über die notwendigen Fähigkeiten, nicht aber die Motivation zur Informationsverarbeitung verfügen, kann eine vertrauenswürdige Quelle dazu führen, dass sich die Empfänger auf die Quelle verlassen und die Botschaft ohne weitere gedankliche Verarbeitung akzeptieren. Bei einer weniger vertrauenswürdigen Quelle dagegen erscheint es dem Empfänger notwendig, die dargebotene Information selbst auf ihren Realitätsgehalt zu überprüfen, wodurch die Botschaft über den zentralen Weg verarbeitet wird. Die daraus resultierende Einstellungsänderung ist dann stabiler und resistenter gegenüber Angriffen als bei vertrauensvoller Akzeptanz der Botschaft (Priester and Petty 2003; Priester and Petty 1995).

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2.2.2.3 Integration Dual Processing Models und weitere Quellen-Modelle Kang und Herr (2006) stellen auf Basis der Dualprozesstheorien ein Modell auf, um damit durch Integration verschiedener Erklärungsansätze zur Wirkung der Quellenmerkmale Widersprüche in bestehenden Forschungsergebnissen aufzulösen. Dabei berücksichtigt das Modell nicht nur die Wirkung der Quellenglaubwürdigkeit, sondern auch andere relevante Eigenschaften der Quelle, wie zum Beispiel Attraktivität. Ausgangspunkt ist die Feststellung der Autoren, dass es verschiedene Quellen-Modelle gibt, die zu unterschiedlichen Ergebnissen bezüglich der Wirkung von Quellenmerkmalen gelangen: Während in zahlreichen Untersuchungen positive, kontextunabhängige Haupteffekte von Quellenmerkmalen festgestellt wurden (z.B. Hovland et al. 1953; Hovland and Weiss 1951), konnten in anderen nur Interaktionseffekte zwischen Quellenmerkmalen und Produktkategorie gezeigt werden (z.B. Baker and Churchill Jr. 1977; Kahle and Homer 1985; Kamins 1990). Diese Diskrepanz wird von McCracken (1989) ausführlich diskutiert. Wieder andere Studien belegen die positive Wirkung von Quellenmerkmalen nur in Interaktion mit anderen Variablen (z.B. Chaiken 1980; Johnson and Scileppi 1969; Petty et al. 1981; Rhine and Severance 1970; Sternthal et al. 1978a; Sternthal et al. 1978b). Eine Diskussion hierzu bieten Heesacker und Kollegen (1983). Darüber hinaus lassen sich teilweise aber auch negative Quelleneffekte feststellen (z.B. Dholakia 1987; Dholakia and Sternthal 1977; Powell 1965; Tybout 1978). Um diese Differenzen zu integrieren, führen Kang und Herr (2006) das Elaboration Likelihood Model und das Heuristic Systematic Model mit der Literatur zur Korrektur von Verzerrungen (bias correction) sowie den traditionellen Quellen-Modellen zusammen und testen das entstehende Modell empirisch. Gemäß dem Modell von Kang und Herr (2006) können Quellenmerkmale über drei verschiedene Prozesse wirken (vgl. auch Abbildung 2.2): 1. Bei begrenzten kognitiven Ressourcen der Empfänger kommt es zu unaufwendiger, also heuristischer bzw. peripherer Informationsverarbeitung. Die Quelle wirkt hier als einfach zu erfassende Schlüsselinformation, wobei diese Wirkung unabhängig von der Produktkategorie ist. 2. Bei ausreichenden kognitiven Ressourcen der Empfänger kommt es zu aufwendiger, also systematischer bzw. zentraler Informationsverarbeitung. Die Quelle wirkt hier als überzeugendes Argument, allerdings nur wenn das Quellenmerkmal relevant für die Beurteilung des Produkts bzw. Objekts der Botschaft ist. Die Wirksamkeit der Quellenmerkmale hängt in diesem Fall von der Produktkategorie ab. 3. Wenn die Empfänger über einen Überschuss an kognitiven Ressourcen und besondere Sensibilität gegenüber Beeinflussungsversuchen verfügen, kommt es zu einer Korrektur von Verzerrungen (bias correction) (Petty and Wegener 1999; Wegener 1997; Wegener and Petty 1995). Quellenmerkmale werden dann vom Empfänger als verzerrender Einfluss wahrgenommen und lösen eine Korrektur in die entgegengesetzte

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Richtung aus. Durch Überkorrektur kann – vor allem bei positiven Quellenmerkmalen ohne direkten Produktbezug – ein insgesamt negativer Einfluss der Quelle entstehen.

Abbildung 2.2: Integratives Modell der Quelleneffekte von Kang und Herr (Kang and Herr 2006, S. 124)

Determinanten des Quelleneinflusses sind demnach die Sensibilität gegenüber Beeinflussungsversuchen sowie die verfügbaren kognitiven Ressourcen des Empfängers, die Quellenmerkmale sowie die Produktkategorie des in der Botschaft beschriebenen Objekts (Kang and Herr 2006). Insgesamt ist das Modell gut geeignet, in Übereinstimmung mit bestehenden Theorien verschiedene Wirkungsweisen von Quellenmerkmalen auf konsistente Art und Weise zu erklären und vorauszusagen.

2.2.3 Attributionstheorie Die sogenannte Attributionstheorie umfasst eine ganze Gruppe verwandter Theorien. Die wichtigsten klassischen Ansätze darunter sind die Arbeiten von Heider, Jones und Davis, Bem und Kelley (Bem 1968; Bem 1965; Bem 1967; Heider 1958; Jones and Davis 1965; Jones et al. 1961; Jones and McGillis 1976; Kelley 1972; Kelley 1973). Daneben gibt es auch neuere Ansätze der Attributionstheorie. Die verschiedenen Ansätze sollen im Folgenden nur kurz vorgestellt werden, für eine vertiefende Betrachtung sei auf die relevante Literatur verwiesen. Einen Überblick über die Ansätze der Attributionstheorie und eine Diskussion ihrer Eignung zur Untersuchung der Glaubwürdigkeit gibt Eisend (2003, S. 73-89).

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Die ersten Beiträge zur Attributionstheorie stammen von Heider (1958). Er geht davon aus, dass Menschen versuchen, beobachtbares Verhalten und Ereignisse auf nicht beobachtbare Ursachen zurückzuführen. In diesem Zusammenhang spielen Attributionen als Kausalzuschreibungen von Ereignissen auf deren Ursache eine bedeutende Rolle. Danach kann die Ursache für ein bestimmtes Verhalten einer Person oder ein die Person betreffendes Ereignis in den Eigenschaften der Person selbst liegen (internale / dispositionale Ursachen) oder aber in der Situation begründet sein (externale / situationale Ursachen). Internale / dispositionale Ursachen sind berechenbarer und leichter vorhersagbar als situationsbedingte Ursachen, weshalb erstere bevorzugt zur Erklärung von Verhalten oder Ereignissen herangezogen werden (Heider 1958). Bem’s Theorie der Selbstwahrnehmung (1968; 1965; 1967) beschäftigt sich mit der Erklärung des eigenen Verhaltens. Durch die Analyse des eigenen Verhaltens und der Begleitumstände schlussfolgern Individuen auf ihre persönlichen Einstellungen (Bem 1968; Bem 1965; Bem 1967). Die Theorie der Selbstwahrnehmung bietet eine Erklärung für die gelegentlich beobachtete Überlegenheit von unglaubwürdigen Quellen: Wenn ein Individuum der Empfehlung einer unglaubwürdigen Quelle folgt, so kann die Person ihr eigenes Verhalten nicht durch die Überzeugungskraft der Quelle erklären und schließt, dass die eigenen Motive und Überzeugungen maßgeblich für das Verhalten sein müssen, wodurch die Einstellung gegenüber der Entscheidung positiv beeinflusst wird. Ist die Quelle dagegen sehr glaubwürdig, so wird das eigene Verhalten dem Einfluss der Quelle zugeschrieben und die Einstellung gegenüber der Entscheidung fällt weniger positiv aus (Dholakia 1987; Dholakia and Sternthal 1977; Tybout 1978). Die Theorie der Selbstwahrnehmung ähnelt in ihren Voraussagen der Dissonanztheorie von Festinger (1957) und wird daher von Bem (1967) als alternativer Erklärungsansatz vorgeschlagen. Tatsächlich lässt sich die stärkere Überzeugungswirkung von Quellen mit geringerer Glaubwürdigkeit auch durch die Dissonanztheorie erklären. Danach sind Individuen bestrebt, kognitive Dissonanzen zu vermeiden. Kognitive Dissonanzen beschreiben einen Spannungszustand, der entsteht, wenn ein Individuum zwei miteinander nicht konsistente Kognitionen in sich trägt (Festinger 1957). Wenn ein Individuum also infolge einer Empfehlung ein Verhalten an den Tag legt, welches seinen eigentlichen Einstellungen widerspricht, entstehen kognitive Dissonanzen. Wurde die Empfehlung von einer sehr glaubwürdigen Quelle gegeben, kann die Dissonanz abgebaut werden, indem das Individuum sein Verhalten auf den Einfluss der Quelle zurückführt. Eine Einstellungsänderung erfolgt nicht. Bei einer unglaubwürdigen Quelle ist diese Erklärung jedoch nicht möglich, also passt das Individuum seine Einstellungen an das erfolgte Verhalten an, um die Dissonanz abzubauen (Powell 1965; Zimbardo 1960). Im Gegensatz zu den anderen Ansätzen der Attributionstheorie lässt sich durch die Theorie der Selbstwahrnehmung also weniger die Entstehung eines Glaubwürdigkeitsurteils erklären, als vielmehr die Wirkung unterschiedlich glaubwürdiger Quellen, wobei hier ein Vorteil für weniger glaubwürdige Quellen festgestellt wird (Dholakia 1987; Dholakia and Sternthal 1977; Tybout 1978). Diese Wirkung konnte allerdings nicht

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immer konsistent festgestellt werden und ist von verschiedenen Bedingungen abhängig (Beaman et al. 1983; Eisend 2003, S. 77). Ein weiterer Ansatz der Attributionstheorie ist die Theorie der korrespondierenden Schlussfolgerungen von Jones und Davis (Jones and Davis 1965; Jones et al. 1961; Jones and McGillis 1976). Auch in dieser Theorie geht es um die Erklärung von beobachtetem Verhalten durch nicht wahrnehmbare Ursachen, wobei hier allein internale Ursachen betrachtet werden. Von der Handlung einer Person wird auf eine entsprechende Intention geschlossen. Von der Intention wird dann im folgenden Schritt auf die Dispositionen der handelnden Person geschlussfolgert, wobei durch einen Vergleich der spezifischen Konsequenzen der zur Auswahl stehenden Alternativen Rückschlüsse auf die Motive der Person gezogen werden. Unerwünschte Konsequenzen des gewählten Verhaltens sind in diesem Zusammenhang besonders informativ (Jones and Davis 1965; Jones et al. 1961; Jones and McGillis 1976). Führt in einer Kommunikationssituation die Aussage oder Empfehlung eines Senders also zu Konsequenzen, die für den Sender eher unerwünscht sind, schließt der Empfänger daraus, dass persönliche Motivationen des Senders ursächlich für dessen Verhalten sein müssen (z.B. Ehrlichkeit oder Nächstenliebe). Daraus resultiert dann eine hohe Glaubwürdigkeit ( Eisend 2003, S. 75 f.). Die umfassendste und am meisten verbreitete Attributionstheorie ist die Theorie von Kelley (1972; 1973), wonach Kausalattributionen nach dem Kovariationsprinzip oder aufgrund von Konfigurationen vorgenommen werden. Das Kovariationsprinzip wird angewendet, wenn mehrere Beobachtungen vorliegen. Ein Ereignis wird dann auf die Ursache zurückgeführt, mit der es gemeinsam auftritt, also kovariiert. Als Ursachen kommen der Stimulus (bzw. das Objekt), die Person oder die vorliegenden Umstände infrage. Je nach vorliegender Information wird dann eine der Ursachen als für das Ereignis maßgeblich identifiziert. Bei nur einer einzigen Beobachtung erfolgt die Kausalattribution aufgrund von Konfigurationen oder auch kausaler Schemata, welche aus Erfahrungen und Lernprozessen entstandene Vorstellungen über Ursache-Wirkungs-Beziehungen darstellen. Zwei besonders bedeutende Schemata sind das Schema der multiplen hinreichenden Ursachen (multiple sufficient causes) und das Schema der multiplen notwendigen Ursachen (multiple necessary causes). Das Schema der multiplen hinreichenden Ursachen besagt, dass verschiedene Ursachen unabhängig voneinander denselben Effekt hervorrufen können. Wenn nun mehrere Ursachen für denselben Effekt vorliegen, wird die Bedeutung jeder einzelnen Ursache für dessen Erzeugung abgewertet (Abwertungsprinzip oder discounting principle). Wenn dagegen nur eine Ursache den vorliegenden Effekt fördert und andere Ursachen eher hemmend darauf wirken, wird die fördernde Ursache in ihrer Bedeutung aufgewertet (Aufwertungsprinzip oder augmention principle). Nach dem Schema der multiplen notwendigen Ursachen müssen dagegen mehrere Ursachen gemeinsam wirken, um einen Effekt hervorzurufen. Dies wird nur bei sehr ungewöhnlichen oder extremen Effekten angenommen und ist daher im Kontext der Marketingkommunikation weniger relevant. Wenn in einer Kommunikationssituation die Aussagen einer Quelle

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auf verschiedene Ursachen zurückgeführt werden können, werden die einzelnen Ursachen nach dem Schema der multiplen hinreichenden Ursachen also abgewertet, wodurch die Glaubwürdigkeit der Quelle eher gering eingeschätzt wird (Abwertungsprinzip). Sprechen dagegen alle anderen möglichen Ursachen eher gegen die getätigten Aussagen, wird die Wiedergabe der Realität als die Aussage fördernde Ursache aufgewertet und die Glaubwürdigkeit der Quelle steigt (Aufwertungsprinzip) (vgl. Eisend 2003, S. 77 ff.). Eagly und Kollegen (1975; 1978) verwenden die Attributionstheorie, insbesondere die Ansätze von Heider, Kelley sowie von Jones und Davis (s.o.), und entwickeln den ExpectationConfirmation-Ansatz, um zu erklären, warum Quellen als mehr oder weniger glaubwürdig wahrgenommen werden. Dabei sind die von den Empfängern vermuteten Ursachen einer Aussage und die daraus entstehenden Schlussfolgerungen (causal inferences) entscheidend für deren Überzeugungskraft. Wenn sich die vom Sender in einer Botschaft vertretene Position auf Eigenschaften des Senders oder situative Einflüsse zurückführen lässt, wird der Sender als weniger glaubwürdig wahrgenommen und die Botschaft entwickelt nur geringe Überzeugungskraft. Steht die Botschaft jedoch im Widerspruch zu dem, was die Empfänger in der jeweiligen Situation vom Sender der Botschaft erwarten, dann wird die Aussage als realitätsgetreu und unverzerrt wahrgenommen und wirkt so sehr überzeugend (Eagly and Chaiken 1975; Eagly et al. 1978). Einen solchen Effekt räumen auch Hovland und Kollegen (1953) bereits Jahre vorher ein, ohne jedoch näher darauf einzugehen: „If a communicator presents material in support of a conclusion somewhat different from his avowed position, this may sometimes be taken to indicate great objectivity in his thinking and form the basis for confidence in his arguments.” (Hovland et al. 1953, S. 27) Eagly und Kollegen (1978) unterscheiden zwei Arten von Verzerrungen seitens des Senders, die in den Augen des Empfängers dazu führen können, dass die getroffenen Aussagen nicht wahrheitsgemäß sind: den knowledge bias und den reporting bias. Beim knowledge bias geht es um Verzerrungen aufgrund von fehlerhaftem bzw. unvollständigem Wissen, besonderen Einstellungen oder Überzeugungen des Senders, die zu nicht wahrheitsgemäßen Aussagen führen. Der Sender wird jedoch trotzdem als aufrichtig und ehrlich wahrgenommen, da die vertretene Meinung zwar nicht der Realität, aber doch seinen Überzeugungen entspricht. Bei einem reporting bias dagegen führt der fehlende Wille des Senders, wahrheitsgemäße Aussagen zu treffen, zu Verzerrungen. Ursachen hierfür können Eigeninteresse oder Druck von außen sein. In diesem Falle ist der Sender in den Augen des Empfängers unehrlich, da er trotz besseren Wissens Aussagen trifft, die nicht seinen Überzeugungen entsprechen (Eagly et al. 1978). In der Unterscheidung von knowledge bias und reporting bias spiegeln sich erneut die zwei konstitutiven Komponenten der Glaubwürdigkeit, Kompetenz und Vertrauenswürdigkeit, wider (vgl. Hovland et al. 1953). Kompetenz schließt zwar einen knowledge bias nicht

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vollkommen aus1, jedoch stehen diese beiden Konzepte in engem Zusammenhang, da einer Person mit großer zugeschriebener Kompetenz seltener ein knowledge bias unterstellt wird. Ein reporting bias wird nur bei Sendern mit geringer Vertrauenswürdigkeit vermutet. Sender mit hoher Vertrauenswürdigkeit sind dagegen frei von reporting biases (Eagly et al. 1978). Die Empfänger bilden also Erwartungen über die Aussagen, die ein Sender in der Kommunikationssituation vertreten wird. Werden diese Erwartungen erfüllt, schlussfolgern die Empfänger, dass die Ursachen der vertretenen Botschaftsinhalte in der Person des Senders oder in der Situation liegen und daher die beschriebenen Verzerrungen aufweisen. Die wahrheitsgemäße Repräsentation der Realität verliert als Erklärungsgrund an Plausibilität. Der Sender wirkt so wenig glaubwürdig und die Botschaft wenig überzeugend (Eagly and Chaiken 1975; Eagly et al. 1978). Dies entspricht Kelleys (1972; 1973) discounting principle. Wenn die Botschaft jedoch den Erwartungen der Empfänger widerspricht, suchen diese nach alternativen Ursachen für die getroffenen Aussagen. In Ermangelung anderer Erklärungsmöglichkeiten wird dann geschlussfolgert, dass die Aussage des Senders tatsächlich der Wahrheit entspricht, da die Realität den Sender so überzeugt hat, dass er diese trotz persönlicher und situativer Hindernisse unverzerrt wiedergibt. Der Sender wird so als sehr glaubwürdig wahrgenommen und die Botschaft entfaltet eine starke Überzeugungskraft. Je unerwarteter die vom Sender vertretene Position unter Berücksichtigung der persönlichen Eigenschaften des Senders und der gegebenen Situation ist, umso eher wird diese Aussage als wahr angesehen. Botschaften sind daher wirkungsvoller, wenn in ihnen unerwartete Positionen vertreten werden (Eagly and Chaiken 1975; Eagly et al. 1978). Kelley (1972; 1973) bezeichnet dies in seiner Theorie als augmentation principle. Die Anwendbarkeit der Attributionstheorie auf die Wirkung von Quellenmerkmalen wurde in verschiedenen Studien empirisch bestätigt (z.B. Eagly and Chaiken 1975; Eagly et al. 1978; Koeske and Crano 1968). Die Attributionstheorien (mit Ausnahme der Theorie der Selbstwahrnehmung) bieten eine Erklärung dafür, warum und unter welchen Umständen eine Quelle bzw. die von ihr vermittelte Botschaft als glaubwürdig wahrgenommen wird. Zur Erklärung der Wirkungsweise glaubwürdiger Quellen – insbesondere mit Blick auf deren größere Überzeugungskraft – sind sie jedoch weniger geeignet. Es lassen sich zudem verschiedene Kritikpunkte an den Attributionstheorie feststellen. Sie gehen von einem relativ rationalen Empfänger aus, der im Rahmen des Attributionsprozesses Informationen bezüglich der Kommunikationssituation ausführlich und umfassend auswertet und verarbeitet, was in vielen Fällen nicht der Realität entspricht. Der Attributionsprozess ist zudem hypothetisch und empirisch kaum nachweisbar. Darüber hinaus ist nach den Attributionstheorien unerwartetes Verhalten besonders informativ und erzeugt eine höhere Glaubwürdigkeit. Tatsächlich kann aber auch gerade Konsistenz und Verlässlichkeit im Verhalten zu 1

Es wäre zum Beispiel denkbar, dass ein Experte trotz seines umfassenden Wissens zu einem Thema aufgrund bestimmter persönlicher Einstellungen eine extreme Meinung vertritt, die andere Experten nicht teilen.

Zusammenfassung des zweiten Kapitels

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mehr Vertrauen und Glaubwürdigkeit führen (für eine ausführliche Kritik vgl. Eisend 2003, S. 81 ff.). Neuere Ansätze der Attributionsforschung versuchen, dieser Kritik zu begegnen. So wird explizit die Möglichkeit von Attributionsfehlern sowie deren Ursachen berücksichtigt. Attributionsfehler beschreiben Verzerrungen aufgrund von mangelnder Information oder geringem kognitiven Aufwand. In diesem Zusammenhang erfolgt auch eine Abkehr von der generellen Annahme eines umfassenden und ausführlichen Attributionsprozesses. Stattdessen wird auch die Verwendung von kognitiven Heuristiken und Schemata innerhalb des Attributionsprozesses betrachtet. So wird angenommen, dass bestimmte, besonders auffällige und leicht erfassbare Informationen bevorzugt verarbeitet werden. Dabei spielt die Motivation und das Involvement der Empfänger eine Rolle, so dass hier eine Annäherung an die Ideen der Dualprozesstheorien festgestellt werden kann. Eisend gibt einen Überblick über neuere Ansätze der Attributionsforschung und deren Aussagen über die Wirkung von Glaubwürdigkeit (Eisend 2003, S. 84-89). Die Attributionstheorien können die höhere Glaubwürdigkeit von Publicity gegenüber Werbung insoweit erklären, als dass sich die getroffenen Aussagen und Botschaftsinhalte bei Publicity weniger auf andere Gründe als die reine Wiedergabe der Realität zurückführen lassen. Bei Werbung hat die Quelle der Botschaft, also das Unternehmen, eindeutig einen wirtschaftlichen Anreiz, ein positives Bild des Produktes bzw. des Unternehmens zu vermitteln, was von den Empfängern der Botschaft antizipiert wird. Das führt zu einer geringeren wahrgenommenen Validität der Botschaft und damit zu einer geringeren Glaubwürdigkeit. Bei Publicity ist dieser wirtschaftliche Anreiz der Quelle nicht gegeben. Die Quelle wird als neutral angesehen, wodurch die Wiedergabe der Realität als ursächlich für die Aussage angesehen wird und so eine hohe Glaubwürdigkeit resultiert. In Bezug auf den Ansatz von Eagly und Kollegen (1975; 1978) lässt sich feststellen, dass Publicity als unverzerrt wahrgenommen wird. Bei Werbung dagegen wird aufgrund des Eigeninteresses ein hoher reporting bias vermutet. Werden im Rahmen von Werbung allerdings Aussagen getroffen, die den wirtschaftlichen Interessen der Quelle augenscheinlich entgegenstehen, führt das zu einer deutlichen Steigerung der Glaubwürdigkeit.

2.3 Zusammenfassung des zweiten Kapitels Im zweiten Kapitel wurden zunächst die konstitutiven Eigenschaften der Glaubwürdigkeit und deren Bedeutung für die Marketingkommunikation beschrieben sowie eine Arbeitsdefinition für Glaubwürdigkeit hergeleitet. Zudem wurde die grundsätzliche, positive Wirkung der Glaubwürdigkeit auf die Überzeugungskraft von Botschaften und Informationen dargestellt (2.1). Um die Entstehung und Wirkungsweise eines Glaubwürdigkeitsurteils näher zu erläutern, wurden verschiedene Theorien der Persuasionsforschung herangezogen (2.2).

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Glaubwürdigkeit im Rahmen der Marketingkommunikation und der Persuasionsforschung

Während die Cognitive-Response-Theorie (2.2.1) nur Aussagen über die Auswirkungen unterschiedlicher hoher Glaubwürdigkeit erlaubt, liegt der Erklärungsbeitrag der Attributionstheorie (2.2.3) vor allem auf den Ursachen und dem Zustandekommen einer Glaubwürdigkeitseinschätzung. Diese beiden Theorien stehen daher nicht in Konkurrenz zueinander, sondern sind in Bezug auf die Glaubwürdigkeit eher komplementär (Eisend 2003, S. 67-90). Die Cognitive-Response-Theorie sagt unterschiedliche Wirkungen der Glaubwürdigkeit je nach Voreinstellung der Empfänger voraus. Nach den klassischen Ansätzen der Attributionstheorie werden Quellen als glaubwürdig wahrgenommen, wenn sie unerwartete Aussagen treffen bzw. wenn es für ihre Aussage keine andere Erklärung als die Wiedergabe der Realität gibt. Durch ihre teilweise recht restriktiven Annahmen sind die klassischen Ansätze der Attributionstheorie jedoch nicht uneingeschränkt anwendbar. Die neueren Ansätze der Attributionstheorie berücksichtigen auch unterschiedlich aufwendige Formen der Informationsverarbeitung und sind in dieser Hinsicht mit den Dualprozesstheorien vereinbar. Die beiden vorgestellten Modelle der Dualprozesstheorien (2.2.2), das Elaboration Likelihood Model (2.2.2.1) und das Heuristic-Systematic Model (2.2.2.2), ähneln sich in vielerlei Hinsicht stark (für einen Review und Vergleich der beiden Modelle siehe Chen and Chaiken 1999, S. 80 ff.; Eagly and Chaiken 1993). Beide unterscheiden zwei Wege der Informationsverarbeitung, wobei bei einem die aufwendige, kognitive Verarbeitung inhaltlicher Argumente zu stabilen und dauerhaften Einstellungen führt (systematic processing / central route), während bei dem anderen die Einstellungsänderung auf der unaufwendige Verarbeitung von Schlüsselinformationen und simplen Entscheidungsheuristiken basiert und relativ instabil und wenig dauerhaft ist (heuristic processing / peripheral route). Motivation und Fähigkeit der Empfänger, wie Involvement und Beschränkungen in der Kommunikationssituation, entscheiden darüber, welcher Weg eingeschlagen wird. Beide Modelle sind gut geeignet, die Wirkung der Glaubwürdigkeit zu erklären, während über das Zustandekommen eines Glaubwürdigkeitsurteils keine Aussagen möglich sind. Die Glaubwürdigkeit einer Quelle ist nach dem Heuristic-Systematic Model und Elaboration Likelihood Model als einfache Schlüsselinformation (heuristic / peripheral cue) zu betrachten, die daher vor allem im Rahmen einer unaufwendigen Verarbeitung (heuristic processing / peripheral route) einen starken Einfluss auf die Einstellungen hat. Beide Modelle sehen aber auch die Möglichkeit einer Wirkung der Quelle bei aufwendigeren Informationsverarbeitungsprozessen vor, indem die Quellenglaubwürdigkeit die inhaltliche Verarbeitung der Botschaft ergänzt oder beeinflusst.

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Instrumente und Formen der Marketingkommunikation

Im Marketing findet Kommunikation meistens von Seiten eines Unternehmens in Richtung der Konsumenten statt, so dass die Unternehmen oder ihre Repräsentanten als Sender und die Konsumenten als Empfänger auftreten. Es gibt auch Situationen, in denen der Informationsfluss entgegengesetzt oder beidseitig verläuft, wie beispielsweise bei Marktforschungsaktivitäten oder bei interaktiver Werbung. Diese Arbeit konzentriert sich jedoch auf die als Marketingkommunikation bezeichnete Kommunikation vom Unternehmen zum Konsumenten (Eisend 2003, S. 25). Unter Marketingkommunikation wird die Übermittlung von Informationen von einem Unternehmen bzw. seinen Stellvertretern (als Sender) zum Konsumenten (als Empfänger) verstanden. Ziel ist dabei die Beeinflussung des Konsumenten in eine vom Unternehmen intendierte Richtung (Eisend 2003, S. 25). Kotler und Keller (2006) definieren Marketingkommunikation als „…the means by which firms attempt to inform, persuade, and remind consumers – directly and indirectly – about the products and brands that they sell.” (Kotler and Keller 2006, S. 536) Die Marketingkommunikation kann verschiedene Formen annehmen und sich unterschiedlicher Instrumente bedienen. Die Kommunikationsform beschreibt dabei einzelne Merkmale der Kommunikation. Kommunikationsinstrumente fassen einzelne Maßnahmen der Marketingkommunikation mit ähnlichen Eigenschaften systematisch zusammen, wie z.B. Werbung, Publicity, Verkaufsförderung, Messen, Event-Marketing, Sponsoring, etc. (Bruhn 2007). Grundsätzlich kann zwischen Massenkommunikation und persönlicher Kommunikation unterschieden werden. Massenkommunikation ist unpersönlich und indirekt, da die Botschaft mithilfe von Massenmedien übertragen wird und kein direkter Kontakt zwischen Sender und Empfänger besteht. Hierzu gehören auch Werbung und Publicity. Bei persönlicher Kommunikation, wie zum Beispiel dem Direktmarketing oder einem Verkaufsgespräch, besteht dagegen ein direkter Kontakt zwischen dem Unternehmen bzw. seinen Stellvertretern und dem Konsumenten (Kotler and Keller 2006, S. 548-552).

3.1 Werbung und Publicity Werbung und Publicity sind Kommunikationsinstrumente, die einem Unternehmen zur Information und Beeinflussung von Austauschpartnern zur Verfügung stehen. Gemeinsam ist beiden Kommunikationsformen, dass sie sich an die Öffentlichkeit richten und durch die Verwendung von Massenmedien weite Teile der Bevölkerung mit ihren Botschaften erreichen können. In der Literatur werden Werbung und Publicity unterschiedlich definiert. Auch die Begriffe Publicity, Public Relations (oft auch als Abkürzung PR) und Öffentlichkeitsarbeit werden häufig unterschiedlich verwendet. Im Folgenden sollen zunächst die Begriffe Werbung und Publicity definiert und klar voneinander abgegrenzt werden. In diesem Zusammen-

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Instrumente und Formen der Marketingkommunikation

hang wird auch auf Mischformen eingegangen. Danach erfolgt ein Vergleich beider Kommunikationsformen, wobei insbesondere auf Eigenarten und Besonderheiten im Informationsverarbeitungsprozess eingegangen wird. Ein Überblick über die Ergebnisse bisheriger Forschung zu diesem Thema beendet diesen Abschnitt. 3.1.1 Werbung Der Begriff Werbung ist erst seit Mitte der 30er Jahre gebräuchlich und löste die zuvor übliche Bezeichnung Reklame ab. Dieser ältere, im Sprachgebrauch deutlich negativ besetzte Begriff zeugt bereits von gewissen Vorbehalten gegenüber Werbung als unerwünschte und manipulative Beeinflussung des Individuums (vgl. Behrens 1996). Die Ursprünge der Werbung lassen sich zurückverfolgen bis zu dem Zeitpunkt, als begonnen wurde, Leistungen nicht mehr ausschließlich für den Eigenbedarf zu produzieren, sondern mit diesen zu handeln (Bruhn 2005). Ein Überblick über die Ursprünge und die historische Entwicklung der Werbung findet sich bei Behrens (1996). Werbung ist heute eines der bedeutendsten und am stärksten etablierten Instrumente der Marketingkommunikation und tritt in vielfältigen Erscheinungsformen auf. So lassen sich nach der Art des Werbeobjekts Produkt-, Programm- und Firmenwerbung unterscheiden. Je nach Anzahl der Werbetreibenden spricht man von Individual- oder Kollektivwerbung; nach der Zahl der Umworbenen von Einzel- oder Mengenwerbung (Nieschlag et al. 2002, S. 989). Fantapié Altobelli (1993) klassifiziert darüber hinaus noch nach der Art der Informationsübermittlung (klassische Medienwerbung und Direktwerbung) und der regionalen Ausdehnung (nationale und internationale Werbung). Weiterhin ergeben sich Unterschiede in Erscheinungsform und Charakteristika der Werbung je nach Art des Werbeträgers. Hier lassen sich die Gruppen Printmedien (z.B. Zeitungen, Zeitschriften), elektronische Medien (z.B. Fernsehen, Hörfunk, Kino, Internet) und Medien der Außenwerbung (z.B. Plakate, Verkehrsmittelwerbung) unterscheiden (Bruhn 2005; Fantapié Altobelli 1993). Werbung ist zudem abhängig von diversen äußeren Einflüssen und Rahmenbedingungen sowie deren Entwicklung. Behrens (1996) erläutert den Einfluss sozioökonomischer, rechtlicher und technologischer Rahmenbedingungen auf das Verständnis, die Auffassung und die Gestaltungsmöglichkeiten der Werbung. So haben sich im Zeitablauf unterschiedliche Definitionen von Werbung entwickelt. Bereits vor rund 40 Jahren wurde Werbung als „eine absichtliche und zwangfreie Form der Beeinflussung, welche die Menschen zur Erfüllung der Werbeziele veranlassen soll“ (Behrens 1970, S. 4) definiert. Auch heute noch wird die Beeinflussungswirkung (Persuasivität) von Werbung als zentrales Merkmal angesehen, jedoch müssen heutige Definitionen darüber hinausgehen und Werbung deutlicher gegenüber anderen Kommunikationsformen abgrenzen (vgl. Bruhn 2005, S. 223-224).

Werbung und Publicity

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Die American Marketing Association definiert Werbung als “the placement of announcements and persuasive messages in time or space purchased in any of the mass media by business firms, nonprofit organizations, government agencies, and individuals who seek to inform and / or persuade members of a particular target market or audience about their products, services, organizations, or ideas” (American Marketing Association 2009). Kotler und Keller (2006) ergänzen die Definition um den für diese Arbeit wichtigen Aspekt der Identifizierbarkeit des Absenders. Sie definieren Werbung als „any paid form of nonpersonal presentation and promotion of ideas, goods, or services by an identified sponsor” (Kotler and Keller 2006, S. 568). Dieses Merkmal heben auch Belch und Belch (2004) hervor: “Advertising is defined as any paid form of nonpersonal communication about an organization, product, service, or idea by an identified sponsor” (Belch and Belch 2004, S. 16). Bei Werbung handelt es sich also um eine nichtpersönliche Kommunikationsform, das heißt, es gibt keinen persönlichen Kontakt zwischen Sender und Empfänger. Sender ist in diesem Sinne der Auftraggeber der Werbung. Mit Hilfe von Medien werden persuasive Botschaften übermittelt, mit dem Ziel, die Empfänger zu informieren und in eine vom Sender gewünschte Richtung zu beeinflussen. Der Sender der Botschaft muss für diese bezahlen und ist als solcher klar erkennbar. Für diese Arbeit wird Werbung daher wie folgt definiert: Werbung beschreibt eine bezahlte, nichtpersönliche Kommunikationsform eines identifizierbaren Absenders, die unter Einschaltung von Medien Informationen über eine Leistung (Produkt, Service), eine Organisation oder eine Idee vermittelt.

3.1.2 Publicity Die Anfänge der Public Relations lassen sich in den USA bis in das 19. Jahrhundert zurückverfolgen. In Deutschland wurde der Begriff Public Relations erstmalig 1937 öffentlich erwähnt, konnte sich aber aufgrund des damaligen Vorbehalts gegen fremdsprachige Ausdrücke nicht durchsetzen und fand einige Jahre später durch den deutschen Begriff Öffentlichkeitsarbeit Verbreitung (Bruhn 2005, S. 723-724). Einen ausführlicheren Überblick über die historische Entwicklung bietet Oeckl (2000). Die Begriffe Publicity, Public Relations (oft auch als Abkürzung PR) und Öffentlichkeitsarbeit werden in der Literatur häufig unterschiedlich verwendet. Unterschiede existieren sowohl im inhaltlichen Verständnis der einzelnen Begriffe als auch in deren Abgrenzung voneinander. Teilweise werden PR und Öffentlichkeitsarbeit danach unterschieden, dass sich PR stärker auf kommerzielle Institutionen, Öffentlichkeitsarbeit dagegen eher auf nichtkommerzielle Organisationen beziehe (Haedrich et al. 1982). In anderen Definitionen wird diese Unterscheidung nicht vorgenommen, wodurch der Gleichwertigkeit der Kommunikationspolitik von kommerziellen und nichtkommerziellen Unternehmen Rechnung getragen wird. Öffentlichkeitsarbeit kann folglich als deutsches Synonym für Public Relations aufgefasst werden

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Instrumente und Formen der Marketingkommunikation

(Barthenheier 1982, S. 5; Bruhn 2005, S. 723-724). Die Ursache des uneinheitlichen inhaltlichen Verständnisses von Public Relations bzw. Öffentlichkeitsarbeit liegt unter anderem darin begründet, dass dieser Bereich sowohl aus wirtschaftswissenschaftlicher als auch aus sozialund politikwissenschaftlicher Perspektive beleuchtet werden kann und daher, je nach Sichtweise, unterschiedliche Teilaspekte hervorgehoben werden. Auch in der Praxis wird PR teilweise als Form des Journalismus, teilweise als Äquivalent zur Werbung aufgefasst (Bruhn 2005). Dies spiegelt sich nicht zuletzt in den Unternehmen und Organisationen wieder, in denen PR-Abteilungen entweder dem Marketing oder der Pressestelle bzw. ähnlichen Abteilungen zugeordnet werden. Aus der für diese Arbeit maßgeblichen wirtschaftswissenschaftlichen Perspektive können PR bzw. Öffentlichkeitsarbeit jedoch grundsätzlich als klassische Instrumente der Unternehmens- und Marketingkommunikation eingestuft werden (Bruhn 2005, S. 724). Innerhalb der PR gibt es wiederum unterschiedliche Arten und Erscheinungsformen. Für einen Überblick siehe Naundorf (1993). Bruhn (2005) unterscheidet gesellschaftsbezogene, unternehmensbezogene und leistungsbezogene PR. Im Rahmen dieser Arbeit ist vor allem leistungsbezogene PR relevant, da hier Informationen über die Produkte und Dienstleistungen eines Unternehmens im Vordergrund stehen. Diese Form der PR ist deshalb am besten mit Produktwerbung zu vergleichen (für einen Vergleich siehe Bruhn 2005, S. 731). Eine für diese Arbeit sinnvolle Abgrenzung der Begriffe Publicity und Public Relations liefert die American Marketing Association. Publicity bezeichnet “the non-paid-for communication of information about the company or product, generally in some media form” (American Marketing Association 2009). In Abgrenzung dazu beschreibt der oft alternativ verwendete Begriff Public Relations (PR) genaugenommen das Management von Publicity, wie folgende Definition von Public Relations zeigt: “That form of communication management that seeks to make use of publicity and other nonpaid forms of promotion and information to influence the feelings, opinions, or beliefs about the company, its products or services, or about the value of the product or service or the activities of the organization to buyers, prospects, or other stakeholders.” (American Marketing Association 2009). Diese Sichtweise spiegelt sich auch in der Definition von Hunt und Gruning (1994) wider. Sie beschreiben PR als “(…) the management of communication between an organization and its publics” (Hunt and Gruning 1994, S. 6). Unter Publicity ist demnach also die Kommunikationsform selbst zu verstehen, während Public Relations die Steuerung dieser Kommunikationsform zur Erreichung eines bestimmten Zwecks darstellt. Auch Kotler und Keller (2006) unterscheiden zwischen Publicity und PR. Publicity wird beschrieben als „the task of securing editorial space – as opposed to paid space – in print and broadcast media to promote something” (Kotler and Keller 2006, S. 594). Public Relations werden weiter gefasst und beinhalten “…a variety of programs designed to promote or protect a company’s image or it’s individual products” (Kotler and Keller 2006, S. 593). Damit ist

Werbung und Publicity

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Publicity als Teilbereich von Public Relations zu verstehen. Diese Auffassung wird auch durch den Begriff Marketing Public Relations verdeutlicht, den Kotler und Keller (2006) als aktuellere Bezeichnung für Publicity einführen (Kotler and Keller 2006, S. 594). Da die Bezeichnung Marketing Public Relations jedoch bisher kaum verbreitet ist, wird darauf hier nicht weiter eingegangen. Für einen Vergleich verschiedener Kommunikationsformen ist also der Begriff Publicity relevant, der folglich im weiteren Verlauf dieser Arbeit ausschließlich verwendet wird. Wichtig für die weitere Abgrenzung von Publicity gegenüber Werbung ist der Aspekt der fehlenden Entgeltlichkeit, welchen auch Belch und Belch (2004) in ihrer Definition von Publicity hervorheben: “Publicity refers to nonpersonal communications regarding an organization, product, service, or idea not directly paid for or run under identified sponsorship.” (Belch and Belch 2004, S. 22). In Anlehnung an die oben eingeführten Definitionen wird Publicity folgendermaßen definiert: Publicity beschreibt eine nichtbezahlte, nichtpersönliche Kommunikationsform, die unter Einschaltung von Medien Informationen über eine Leistung (Produkt, Service), eine Organisation oder eine Idee vermittelt.

3.1.3 Werbung vs. Publicity Sowohl Werbung als auch Publicity sind also nichtpersönliche, medial übermittelte Kommunikationsformen zur Verbreitung von Botschaften über Organisationen, Leistungen oder Ideen. Sie verfolgen beide das Ziel, Aufmerksamkeit zu schaffen und Informationen zu übermitteln. Der zentrale Unterschied zwischen Werbung und Publicity liegt nach den oben eingeführten Definitionen darin, dass der Absender von Werbung (das werbende Unternehmen) für diese Kommunikation bezahlen muss und als solcher klar identifizierbar ist. Daher ist Werbung auch vom Auftraggeber beliebig steuerbar. Bei Publicity dagegen erfolgt die Kommunikation ohne direktes Entgelt im Rahmen einer Berichterstattung im redaktionellen Teil des Mediums. Damit entziehen sich Inhalt und Erscheinungsform der Kontrolle des betroffenen Unternehmens. Als Absender tritt hier folglich nicht das Unternehmen oder die Organisation auf, um die oder deren Leistungen es in der Botschaft geht, sondern der Verfasser des Berichts oder das Medium selbst, bspw. die Zeitung, in der ein Bericht erscheint (Balasubramanian 1994; Bruhn 2005). Auch wenn in der Realität eine für ein Unternehmen positive Berichterstattung häufig indirekt erkauft oder durch Beziehungen begünstigt wird, wie beispielsweise durch Anzeigenschaltung, so bleibt die letztendliche Entscheidungsgewalt doch beim Verfasser bzw. Herausgeber, während bei Werbung das Unternehmen völlig eigenständig über den Inhalt der Nachricht entscheiden kann. Dieser Unterschied hat bedeutende Konsequenzen für Informationsaufnahme und -verarbeitung der übermittelten Botschaften.

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Instrumente und Formen der Marketingkommunikation

Neben Werbung und Publicity gibt es auch noch Zwischenformen, welche die Vorteile beider Formate vereinen sollen. Das sind Werbeformate, die gezielt wie Publicity gestaltet sind. Je nach Medium bezeichnet man diese als Advertorials (Wortschöpfung aus Advertising und Editorial) oder Infomercials (Wortschöpfung aus Information und Commercial). Ein Advertorial ist eine Werbeanzeige in einem Printmedium, welche so gestaltet ist, dass sie sich kaum von einem redaktionellen Beitrag in diesem Medium unterscheidet (Kotler and Keller 2006, S. G1). Teilweise wird dieses Format auch als Feature Advertising bezeichnet (Cameron and Haley 1992). Häufig ist ein kleiner, unauffälliger Vermerk (z.B. „Anzeige“) am Anzeigenrand der einzige Hinweis auf den wahren Absender. Durch diese Kennzeichnung als Anzeige wird dem deutschen Presserecht genüge getan, welches eine eindeutige Trennung von redaktionellen Inhalten und Werbung zum Schutz des Verbrauchers fordert2 (VDZ 2007). Allerdings wird diese Verpflichtung nicht immer eingehalten, zudem werden die Kennzeichen teilweise sehr schlecht wahrgenommen (Cameron and Haley 1992; Kim et al. 1995; Kim et al. 2001). Da ein Advertorial in gekauftem Anzeigenraum erscheint, bietet es dem Auftraggeber den Vorteil der vollen Steuerbarkeit. Durch die an redaktionelle Beiträge angelehnte Gestaltung wird es jedoch häufig auch als ein solcher wahrgenommen, genießt dadurch höhere Glaubwürdigkeit und erzeugt weniger Abwehr. Advertorials vereinen so die Vorteile beider Kommunikationsformen und vermeiden gleichzeitig ihre Nachteile (Balasubramanian 1994). Infomercials sind das im Fernsehen erscheinende Äquivalent zu Advertorials. Hierbei handelt es sich um eine Werbesendung, die ähnlich wie eine Fernsehshow aufgemacht ist. In den meist 30-minütigen Sendungen wird die Produktnutzung ausgiebig demonstriert, wodurch ähnliche Effekte wie bei einer direkten Produkterfahrung erzielt werden können (Singh et al. 2000). Einen guten Überblick über verschiedene hybride Kommunikationsformen sowie ihre Vor- und Nachteile bietet Balasubramanian (1994).

3.1.4 Motivation-Ability-Opportunity-Approach Der Motivation-Ability-Opportunity-Approach (im Folgenden MAO abgekürzt) beschreibt den Einfluss der Motivation, der Fähigkeit und der Möglichkeit auf die Informationsaufnahme und -verarbeitung auf das Ergebnis des Informationsverarbeitungsprozesses (Andrews 1988; Batra and Ray 1986). Damit ist dieser Ansatz gut geeignet, die Auswirkungen der oben beschriebenen Unterschiede zwischen Werbung und Publicity auf die Informationsaufnahme und -verarbeitung der Empfänger zu analysieren, welche wiederum die Effektivität der Kommunikation bestimmen (Lord and Putrevu 1993; MacInnis et al. 1991).

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§ 9 Kennzeichnung entgeltlicher Veröffentlichungen. Hat der Verleger eines periodischen Druckwerks oder der Verantwortliche (§ 7 Abs. 2 Satz 4) für eine Veröffentlichung ein Entgelt erhalten gefordert oder sich versprechen lassen, so hat er diese Veröffentlichung, soweit sie nicht schon durch Anordnung und Gestaltung allgemein als Anzeige zu erkennen ist, deutlich mit dem Wort „Anzeige“ zu bezeichnen. (§9 Berliner Pressegesetz)

Werbung und Publicity Voraussetzungen

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Konsequenzen

Fähigkeit der Informationsverarbeitung Motivation der Informationsverarbeitung

Informationsverarbeitung

Einstellung

Verhalten (Kaufabsicht)

Möglichkeit der Informationsverarbeitung

Abbildung 3.1: Der Einfluss von Motivation, Fähigkeit und Möglichkeit auf den Informationsverarbeitungsprozess (in Anlehung an Maclnnis and Jaworski 1989, S. 3)

3.1.4.1 Motivation Unter Motivation wird ein komplexer, zielorientierter Antriebsprozess verstanden, der aus grundlegenden Antriebskräften (Emotionen) verbunden mit einer kognitiven Zielorientierung entsteht (Kroeber-Riel and Weinberg 2003, S. 142). Bezogen auf den zu untersuchenden Zusammenhang beschreibt Motivation also den Wunsch bzw. die Bereitschaft eines Empfängers, Informationen zu verarbeiten (MacInnis et al. 1991, S. 34). Neben empfängerspezifischen Eigenschaften wird die Motivation auch vom Format der Botschaft beeinflusst (MacInnis et al. 1991) und kann sowohl dauerhaft als auch situativ sein (Maclnnis and Jaworski 1989, S. 4). Der für diese Arbeit bedeutendste und in der Literatur viel diskutierte Einflussfaktor, der die Motivation zur Informationsaufnahme erhöht, ist die Glaubwürdigkeit der Quelle (source credibility). Glaubwürdige Quellen wirken dadurch überzeugender als unglaubwürdige Quellen (vgl. 2.1). Nach Katz (1983, S. 3) lassen sich Informationsquellen von Konsumenten differenzieren in neutrale, unabhängige Quellen und unternehmensgesteuerte, abhängige Quellen, wobei die neutralen, unabhängigen Quellen nachgewiesenermaßen eine höhere Verhaltensrelevanz haben. Wie bereits erörtert wurde, stellt bei Werbung das anbietende Unternehmen die Quelle der Kommunikation dar, während dies bei Publicity der Verfasser des Beitrags, die Redaktion bzw. die Zeitung selbst ist (vgl. 2.1.3 sowie 3.1.3). In der Regel halten Individuen Informationen aus Zeitungen oder Nachrichten für objektiver und wahrheitsgemäßer als Informationen, die in Form von Werbung direkt von den Unternehmen kommen, da letztere ein ökonomisches Interesse verfolgen und so einen Anreiz haben, Informationen zu ihrem Gunsten verzerrt wiederzugeben. Bei Publicity wird der Quelle kein Eigeninteresse unterstellt, da hier die Bereitstellung von objektiven Informationen und Fakten im Vordergrund steht und kein direkter Zusammenhang zwischen Quelle und Objekt der Botschaft erkennbar ist. Deshalb werden diese Botschaften als neutral und unverzerrt wahrgenommen. Man spricht in diesem Zusam-

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Instrumente und Formen der Marketingkommunikation

menhang von third-party-endorsement (Cameron 1994; Lord and Putrevu 1993). Fehlendes Eigeninteresse und Unverzerrtheit der Aussagen lassen eine Quelle vertrauenswürdiger erscheinen, wodurch sich die Glaubwürdigkeit der Quelle erhöht (Wiener and Mowen 1986). Bei Publicity wird die Quelle der Botschaft also als glaubwürdiger wahrgenommen als bei Werbung, wodurch Publicity insgesamt eine höhere Glaubwürdigkeit genießt. Cameron (1994) führt drei Dimensionen von Glaubwürdigkeit an, die Publicity gegenüber Werbung begünstigen: Persönlicher Vorteil (personal gain), Beeinflussungsabsicht (intent to persuade) und Parteilichkeit der Quelle (bias of source). Alle drei Dimensionen sind bei Werbung hoch ausgeprägt, senken damit die Glaubwürdigkeit und infolgedessen auch das Beeinflussungspotenzial. Die wahrgenommene Glaubwürdigkeit der Quelle wiederum beeinflusst die Informationsaufnahme und –verarbeitung beim Empfänger (Eisend 2003). In vielen Studien konnte nachgewiesen werden, dass eine höhere Glaubwürdigkeit der Quelle die Erinnerung an den Inhalt verbessert, welche sich wiederum positiv auf die Einstellungsänderungen auswirkt (Cameron 1994). Glaubwürdige Quellen sind also besser geeignet, die Einstellungen der Empfänger zu beeinflussen. Im Zusammenhang mit der Glaubwürdigkeit wirkt sich auch das Risikoreduktionspotential einer Botschaft bzw. derer Quelle positiv auf Motivation zur Informationsaufnahme aus. Hinweise und Empfehlungen von unabhängigen, glaubwürdigen Quellen sind besser geeignet, das mit Kaufentscheidungen verbundene Risiko der Fehlentscheidung zu minimieren. Dadurch erhöht sich die Bereitschaft der Konsumenten, gezielt solche Informationen aufzunehmen und diese auch aufmerksam zu verarbeiten (Katz 1983, S. 85 f.; Lord and Putrevu 1993, S. 74). Ein weiterer Faktor, der die Motivation zur Informationsaufnahme beeinflusst, ist das Agenda Setting. Mit Agenda Setting ist die Fähigkeit der Medien gemeint, den Empfängern die Bedeutung eines Themas zu vermitteln (O'Guinn and Faber 1991, S. 363). Cohen (1963) umschreibt diese Fähigkeit sehr treffend: „It [the press] may not be successful much of the time in telling people what to think, but it is stunningly successful in telling its readers what to think about.“ (Cohen 1963, S. 13, Hervorhebung im Original.) Je stärker ein Thema in den Medien präsent ist, umso höher wird auch dessen Wichtigkeit eingeschätzt, woraufhin wiederum die Bereitschaft steigt, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen und Informationen darüber aufzunehmen (McCombs and Shaw 1972; Scheufele and Tewksbury 2007). Dies lässt sich auch auf die wahrgenommene Bedeutung von Produkteigenschaften übertragen: Wenn ein bestimmtes Produktmerkmal in den Medien besonders häufig thematisiert wird (z.B. der Kaloriengehalt eines Nahrungsmittels im Zusammenhang mit gesunder Ernährung oder Fitness), steigt bei den Konsumenten dessen Kaufentscheidungsrelevanz (O'Guinn and Faber 1991).

Werbung und Publicity

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In diesem Zusammenhang spielt auch Priming eine Rolle. Indem bestimmte Themen oder Eigenschaften in den Medien diskutiert werden, sind sie in den Köpfen der Verbraucher präsenter als andere und werden daher verstärkt bei der Beurteilung von Sachverhalten, Produkten oder ähnlichem herangezogen (Scheufele and Tewksbury 2007). Dies lässt sich darauf zurückführen, dass Präsenz und Verfügbarkeit von entsprechenden Informationen die Urteilsund Einstellungsbildung beeinflussen (availability heuristic) (Tversky and Kahneman 1973). Wenn jemand z.B. die Scheidungsrate in einem bestimmten Gebiet schätzen soll, wird diese Schätzung maßgeblich dadurch beeinflusst, wie viele Scheidungsfälle aus dem persönlichen Umfeld der Person spontan einfallen (Tversky and Kahneman 1973, S. 208). Die Fähigkeit zu Agenda-Setting und Priming ist aufgrund der Quellencharakteristika bei Publicity stärker ausgeprägt als bei Werbung. Redaktionelle Beträge in den Medien werden üblicherweise zur Deckung des persönlichen Informationsbedarfs genutzt, da hier mit dem Ziel der objektiven Informationsübermittlung kontinuierlich alle relevanten Themen zusammentragen, selektiert und aufbereitet werden (Lord and Putrevu 1993). Die Motivation zur Informationsaufnahme ist bei Publicity auch deshalb höher, weil man sich hier eher freiwillig mit Botschaften auseinandersetzt. Die bewusste Auseinandersetzung mit medial vermittelten Informationen kann der Informationsgewinnung, dem Vergnügen oder der Vermeidung von Langeweile dienen (Bloch et al. 1986, S. 120; O'Guinn and Faber 1991). Grundsätzlich sind sowohl Werbung als auch Publicity geeignet, diese Bedürfnisse zu befriedigen, wobei Werbung unter Umständen gewisse Vorteile durch vielfältigere Gestaltungsmöglichkeiten hat. Redaktionellen Beiträgen wird jedoch generell mehr Zeit und Interesse entgegengebracht als Werbung, da sie den eigentlichen Inhalt und Zweck des Mediums darstellen (Lord 1993). Werbung dagegen wird oft mit Passivität oder Abwehr begegnet. Die abwehrende Haltung gegenüber Werbung liegt darin begründet, dass hier vom Empfänger ein Beeinflussungsversuch vermutet wird. Nach der Reaktanztheorie (Brehm 1966) reagieren Individuen mit Widerstand, wenn sie ihre Entscheidungsfreiheit bedroht sehen (Brehm 1966; Brehm and Brehm 1981). Manipulativ gestaltete Werbung kann als solche Einschränkung der Entscheidungsfreiheit angesehen werden und daher Abwehr hervorrufen (Clee and Wicklund 1980; Schwarz et al. 1986). 3.1.4.2 Fähigkeit Im Zusammenhang mit dem Informationsverarbeitungsprozess beschreibt Fähigkeit (Ability) die Kenntnisse und Fertigkeiten eines Empfängers, die dargebotene Information zu interpretieren (MacInnis et al. 1991, S. 34; Maclnnis and Jaworski 1989, S. 6-7). Auch hier spielen individuelle und gestaltungsspezifische Faktoren eine Rolle. Zu den individuellen, in der Person des Empfängers liegenden Faktoren gehören beispielsweise Intelligenz, Bildung und Erfahrenheit (Maclnnis and Jaworski 1989).

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Instrumente und Formen der Marketingkommunikation

Auf Seiten der gestaltungsspezifischen Faktoren wird die Fähigkeit zur Informationsaufnahme und -verarbeitung durch die Verständlichkeit der Botschaft beeinflusst. Die Bedeutung der Verständlichkeit von Botschaften für deren Überzeugungswirkung belegen z.B. Chaiken und Eagly (1976). Jacoby und Hoyer (1989) unterscheiden drei mögliche Ergebnisse des Verstehensprozesses: Nicht-Verstehen (noncoprehension), korrektes Verstehen (comprehension) und Missverstehen (miscomprehension). Bei der Frage, ob Missverständnisse eher bei Werbung oder bei Publicity auftreten, kommen empirische Untersuchungen zwar auf unterschiedliche Ergebnisse (vgl. z.B. Jacoby and Hoyer 1989; Preston and Scharbach 1971), allerdings sind Werbebotschaften in der Regel kürzer und einfacher formuliert als redaktionelle Texte und damit meist leichter verständlich. Einen unbestreitbaren Vorteil stellt die Kontrollierbarkeit der Werbung durch den Auftraggeber dar, da der Sender völlig eigenständig über Inhalt und Gestaltung der Botschaft entscheidet und damit die Verständlichkeit direkt beeinflussen kann. Bei Publicity ist dies durch die Einschaltung der dritten Partei (z.B. Redakteur) nicht möglich, wodurch die Wahrscheinlichkeit von Missverständlichkeit erhöht wird (Lord 1993). Auch die Darstellungsform der Botschaft beeinflusst die Fähigkeit zur Informationsaufnahme- und Verarbeitung. Hier bietet wieder die Werbung dem Auftraggeber deutlich mehr Kontrolle und vielfältigere Gestaltungsmöglichkeiten (Lord 1993). Eine bedeutende Rolle spielt in diesem Zusammenhang die Verwendung von Bildern. Nicht umsonst heißt es im Volksmund: „Ein Bild sagt mehr als tausend Worte.“ Bilder können vom menschlichen Gehirn wesentlich schneller aufgenommen, besser verarbeitet und erinnert werden als textliche Information (vgl. Kroeber-Riel 1993; Kroeber-Riel and Weinberg 2003, S. 353-356; Shepard 1967). Die Aufnahme und Verarbeitung von Bildern erfolgt mühelos und weitgehend automatisch, da sie wie die Realität wahrgenommen werden, während sprachliche bzw. textliche Information ein verschlüsseltes Zeichensystem darstellt (Kroeber-Riel 1993). Insbesondere bei der Vermittlung von Emotionen sowie bei geringem Involvement der Empfänger sind Bilder wirksamer als Text (Chaudhuri 2006; Miniard et al. 1991). Eine Metaanalyse von Bauer und Kollegen (1999) zum Bildkommunikationseffekt integriert bestehende Befunde zur Wirkung bildlicher Stimuli in der Marketingkommunikation. Dennoch ist auch der Text wichtig für die Überzeugungskraft einer Botschaft, da mit ihm insbesondere sachliche Informationen gut übermittelt werden können. Auch hier gibt es unterschiedliche Gestaltungsmöglichkeiten, welche die Fähigkeit zur Informationsaufnahme und verarbeitung beeinflussen. Die Einprägsamkeit des Textes ist bei konkreter (d.h. bildhafter) Wortwahl höher als bei abstrakter Wortwahl (Kroeber-Riel and Weinberg 2003, S. 355-356; Percy and Rossiter 1983; Robertson 1987; Stern 1988). Form, Struktur und Aufbau des Textes bestimmen die Lesefreundlichkeit. Die passende Kombination von Bild und Text steigert die Prägnanz der vermittelten Information und erzielt eine stärkere Verankerung im Gedächtnis. Zudem kommen das Bild und dessen relevante Elemente so besser zur Geltung und wer-

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den mit der Botschaft verknüpft (Kroeber-Riel 1993, S 178-186; Kroeber-Riel and Weinberg 2003, S. 568-569). Die höhere Leistungsfähigkeit des Gehirns bei der Verarbeitung von Bildern sowie bei konkreter, bildlicher Wortwahl lässt sich durch die Imagerywirkung erklären. Imagery beschreibt die nichtverbale Kodierung von Informationen im Gedächtnis, nämlich in Form von inneren Bildern (Kroeber-Riel and Weinberg 2003). Eine der bekanntesten Theorien zur Imagerywirkung ist die Theorie der Dualen Kodierung (Dual Coding Theory) von Paivio (1971). Eine Zusammenfassung und kritische Würdigung dieser Theorie bietet Neumaier (2000). Einen Überblick über den Einfluss von Imagery auf den Informationsaufnahme und -verarbeitungsprozess sowie über die dazu bestehende Forschung geben MacInnis und Price (1987). Die Erkenntnisse der Imageryforschung können in der Werbung direkt angewendet und umgesetzt werden, um deren Effektivität zu erhöhen (Alesandrini and Sheikh 1983).

3.1.4.3 Möglichkeit Möglichkeit (Opportunity) umschreibt im Rahmen des Motivation-Ability-OpportunityApproaches, ob die bei Konfrontation mit der Botschaft herrschenden Gegebenheiten eine ungestörte Informationsaufnahme und -verarbeitung begünstigen oder behindern. Es werden situative und gestaltungsspezifische Faktoren unterschieden (Maclnnis and Jaworski 1989). Eine häufige Wiederholung der Botschaft begünstigt die Möglichkeit zur Informationsaufnahme und -verarbeitung. Je öfter eine Botschaft wiederholt wird, umso größer ist die Kontaktwahrscheinlichkeit. Darüber hinaus verbessert wiederholter Kontakt die Zugänglichkeit und Abrufbarkeit (Accessibility) einer Information im Gedächtnis (Berger and Mitchell 1989). Bei einer häufig wiederholten Botschaft ist in der Regel auch der letzte Kontakt weniger lange her als bei einer selten wiederholten Botschaft (Recency), was sich ebenfalls positiv auf die Abrufbarkeit auswirkt (Wyer and Srull 1989, S. 92 ff.). Der Mere-Exposure-Effect (Zajonc 1968) beschreibt die immense Bedeutung des wiederholten Kontakts für die Einstellungsbildung. Werbung hat hier einen klaren Vorteil gegenüber Publicity, da der Auftraggeber bei Werbung vollkommen frei über Wiederholungshäufigkeit und -frequenz der Botschaft entscheiden kann, während dies bei Publicity nicht ohne Weiteres möglich ist (Lord and Putrevu 1993). Je geringer die Ablenkung des Empfängers im Moment der Informationsaufnahme ist, umso eher kann die Botschaft adäquat verarbeitet werden. Der Grund hierfür liegt in der begrenzten Informationsaufnahme- und -verarbeitungskapazität des menschlichen Gehirns (Miller 1956). Werbung hat hier einen Nachteil, da man sich normalerweise nicht gezielt und vorsätzlich mit ihr auseinandersetzt und ihr daher auch selten die volle Aufmerksamkeit widmet (Lord and Putrevu 1993). Häufig werden parallel noch andere Tätigkeiten verfolgt, die den Empfänger von der Botschaft ablenken. Daneben können auch einzelne Elemente der Werbung selbst von

42

Instrumente und Formen der Marketingkommunikation

deren eigentlichem Inhalt ablenken (MacKenzie 1986), wie beispielsweise Musik (Park and Young 1986) oder attraktive Modelle (Chaiken and Eagly 1983). Zwar kann auch bei Publicity Ablenkung nicht ausgeschlossen werden, jedoch ist die Gefahr aufgrund der neutraleren Gestaltung der Botschaft, der stärkeren Konzentration auf die inhaltlichen Elemente und durch die bewusste Zuwendung zur Botschaft deutlich geringer.

3.1.5 Ergebnisse bisheriger Forschung Wie im vorigen Abschnitt gezeigt wurde, haben Werbung und Publicity jeweils verschiedene Vor- und Nachteile, so dass ein pauschales Urteil über die Überlegenheit eines der beiden Instrumente unangemessen erscheint. Dennoch haben sich einige Forscher und Praktiker durchaus schon entsprechend geäußert (vgl. Cameron 1994; Lord 1993), wie folgendes Zitat belegt: „Some experts say that consumers are five times more likely to be influenced by editorial copy than by advertising.” (Kotler and Keller 2006, S. 594) Die Diskussion um die unterstellte Überlegenheit von Publicity brachte einige Forscher dazu, die Effektivität von Werbung und Publicity zu untersuchen und zu vergleichen. Im Folgenden wird ein Überblick über die Ergebnisse bereits bestehender Forschung zu diesem Thema gegeben. In Tabelle 3.1 sind die vorliegenden Studien zusammengefasst. Grundsätzlich werden Werbung und Publicity gegenübergestellt und in ihrer Wirkungsweise verglichen. Ein wesentlicher Unterschied liegt jedoch in der Gestaltung der Stimuli. Bei einigen Studien sind Werbung und Publicity inhaltlich und gestalterisch identisch. Die Manipulation erfolgt hier ausschließlich über ein entsprechendes Label, welches den Text explizit als Werbung kennzeichnet (vgl. z.B. Cameron 1994; Chaiken and Maheswaran 1994; Hennessey and Anderson 1990; Lord and Putrevu 1998; Putrevu 2005; Schwarz et al. 1986). Genau genommen handelt es sich bei den Werbeanzeigen also um Advertorials. Die inhaltlich und gestalterisch identische Aufmachung von Werbung und Publicity ist zwar wenig realistisch, dient jedoch der besseren Vergleichbarkeit der beiden Formate, so dass Unterschiede in den Wirkungsmaßen eindeutig auf die Glaubwürdigkeitswirkung der verschiedenen Quellen (Werbung vs. Publicity) zurückgeführt werden können. Dieses Vorgehen ist sinnvoll, wenn der Untersuchungsfokus auf dem Vergleich der Quellenglaubwürdigkeit liegt. In anderen Studien unterscheidet sich das Layout bei Werbung und Publicity, wodurch eine höhere Realitätsnähe erreicht wird, allerdings auf Kosten der Isolierbarkeit einzelner Wirkungselemente (vgl. z.B. Hallahan 1999a; Jacoby and Hoyer 1989; Jin 2003; Jin et al. 2006; Kim et al. 2001; Loda and Coleman 2005; Loda et al. 2007; Micu 2005; Preston and Scharbach 1971; Salmon et al. 1985; Stammerjohan et al. 2005; Straughan and Bleske 1996). Ein weiterer wesentlicher Unterschied liegt darin, dass einige Studien die Wirkungsweise von Werbung und Publicity gegenüberstellen, während andere die kombinierte Wirkung der beiden Formate untersuchen (vgl. z.B. Jin 2003; Jin et al. 2006; Loda and Coleman 2005;

Werbung und Publicity

43

Loda et al. 2007; Micu 2005; Stammerjohan et al. 2005; Wang 2006; Wang and Nelson 2006). Darüber hinaus gibt es einige Unterschiede im Aufbau der Studien, beispielsweise bei den erhobenen Wirkungsmaßen oder bei der Einbeziehung weiterer unabhängiger Variablen. Wie die genannten Unterschiede in der Umsetzung der Studien schon vermuten lassen, kommen die Forscher zu abweichenden Ergebnissen. Ein großer Teil der Studien bescheinigt Publicity einen Wirkungsvorteil gegenüber Werbung (vgl. z.B. Cameron 1994; Çelebi 2007; Chaiken and Maheswaran 1994; Lord and Putrevu 1998; Micu 2005; Preston and Scharbach 1971; Putrevu 2005; Schwarz et al. 1986; Straughan and Bleske 1996). Andere sehen keines der beiden Formate als eindeutig überlegen an, vielmehr haben beide ihre speziellen Vor- und Nachteile (vgl. z.B. Hallahan 1999a; Hallahan 1999b; Hennessey and Anderson 1990; Jo 2004; Schmidt and Hitchon 1999). Nur zwei Studien können eine Überlegenheit von Werbung gegenüber Publicity feststellen (Jacoby and Hoyer 1989; Salmon et al. 1985). Bei der Betrachtung der integrierten Wirkung von Werbung und Publicity erweist sich besonders die Kombination von Publicity und Werbung als wirkungsvoll, wobei Publicity zeitlich gesehen vor der Werbung laufen sollte (vgl. Jin 2003; Jin et al. 2006; Loda and Coleman 2005; Loda et al. 2007). Ein weiteres Ergebnis der vorgestellten Studien ist, dass Advertorials in der Regel (allerdings nicht immer) auch ohne Label von den Zielpersonen als Werbung identifiziert werden. Trotzdem werden sie im Vergleich zu normalen Werbeanzeigen weniger eindeutig als Werbung wahrgenommen und können dadurch die für Publicity typischen Vorteile zumindest teilweise realisieren (Kim et al. 2001; Wilkinson et al. 1995). Nr Studie Produkt Sample 1 Preston/ Scharbach (1971) Diverse N = 105 2 Salmon et al. (1985) Informationen über ‚Saccharin’ N = 203

Unabhängige VariArt der Untersuablen chung Gestaltung/Format Format/Quelle Laborexperiment (Publicity, Werbung, Brief, Memo) Variierend Format/Quelle (PubLaborexperiment licity, Werbung) / (kommerziell, nichtkommerziell) Variierend

3

Laborexperiment

4

Schwarz et al. (1986) Textbuch N = 55 Jacoby/ Hoyer (1989) Diverse N = 1347

Identisch Laborexperiment Variierend

Format/Quelle (Publicity (Review), Werbung) Einflussversuch Format/Quelle (Publicity, Werbung)

Abhängige Variablen

Ergebnis

Verständnis

+Publicity

Vertrauenswürdigkeit Interesse Aussagefähigkeit Zustimmung Einstellung Verhaltensabsicht Verhaltensabsicht

+Werbung

+Publicity

Verständnis

+Werbung

44

Instrumente und Formen der Marketingkommunikation

Nr Studie Produkt Sample 5 Hennessey/ Anderson (1990) Schreib-Kurs N = 165

Art der Untersuchung Gestatung/Format Laborexperiment

6

Laborexperiment

7

8

9

10

11

12

13

14

15

16

D'Astous/ Hébert (1991) zitiert nach (Hallahan 1999b) Wohnung, Auto N = 29 Cameron (1994) Diverse N = 42 Chaiken/Maheswaran (1994) Anrufbeantworter N = 367 Straughan et al. (1996) Arznei ‚Clozaril’ N = 196 Lord/Putrevu (1998) 37 Themen N = 63 Hallahan (1999a) 4 Produkte N = 329 Hallahan (1999b) Auffassung zu News, Werbung N = 329 Schmidt/ Hitchon (1999) Diverse N = 189 Kim et al. (2001) Mountainbike N = 215

Identisch

Keine Angabe Laborexperiment Identisch Laborexperiment

Identisch Laborexperiment

Variierend Laborexperiment

Identisch Laborexperiment

Variierend Befragung

Ohne Stimuli Laborexperiment

Keine Angabe Laborexperiment Variierend

Jo (2004) Diverse N = 160

Laborexperiment

Putrevu (2005) Shampoo, Pizza N = 104

Laborexperiment

Keine Angabe

Identisch

Unabhängige Variablen

Abhängige Variablen

Ergebnis

Expertenempfehlung Format/Quelle (Publicity, Werbung) Argumentstärke Involvement Format/Quelle (Werbung, Publicity) Produkt

Einstellung Verhaltensabsicht

+/- je nach Involvement

Einstellung Verhaltensabsicht

+/-

Format/Quelle (Werbung, Publicity) Zeitpunkt Messung (sofort, 2 Wochen) Format/Quelle (Publicity, Werbung) Wichtigkeit Aufgabe Mitteilungstyp Format/Quelle (Publicity, Werbung) (kommerziell, nichtkommerziell) Format/Quelle (Publicity, Werbung Dauerhaftes/ situatives Involvement Format/Quelle (Publicity, Werbung) Argumentstärke Involvement Format/Quelle (Publicity, Werbung)

Cued Recall Nachrichteninhalt/ Label

+Publicity

Einstellung

+Publicity

Glaubwürdigkeit Interesse Überzeugung Konation (Absicht) Lesemenge Einfachheit Verarbeit. Cognitive Responses Vertrauen Recall Cognitive Responses Glaubwürdigkeit Einstellung Nutzung/Präferenz Vertrauenswürdigkeit Überzeugungsabsicht Zweideutigkeit Expertentum Einstellung Marke Kaufabsicht Bewertung Mitteilung

+Publicity

Format/Quelle (Publicity, Werbung) Inhalt Mitteilung Format/Quelle (Advertorials – mit und ohne Markierung) Format/Quelle (Publicity, Werbung) Involvement Argumentstärke Format/Quelle (Publicity, Werbung)

+Publicity

+/-

+/-

+/-

Relevanz Nachricht +unmakierte Advertorials/ Aufmerksamkeit Publicity Verarbeitung/Recall Nachricht Identifikation Format Vertrauenswürdigkeit +/Einstellung Nachricht/Marke Kaufabsicht Recall Marke/Attribute Recall +Publicity Cognitive Responses Recognition Glaubwürdigkeit Einstellung Marke Kaufabsicht

Werbung und Publicity

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Nr Studie Produkt Sample 17 Celebi (2007) Auffassung zu News, Werbung N = 348

Art der Untersuchung Gestatung/Format Befragung per Telefoninterview

18

Onlineexperiment

19

20

21

22

23

24

Micu (2005) MP3/DVD Player, Süßigkeiten, Sportschuhe N = 634 Stammerjohan et al. (2005) Kreditkarte, Staubsauger N = 224 Jin (2003) Super Bowl Werbung N = 551 Jin et al. (2006) Super Bowl Werbung N = 903 Wang (2006), Wang/Nelson (2006) Tennisschläger N = 221 Wilkinson et al. (1995) Zigaretten N = 227 Loda et al. (2005; 2007) Urlaubsziele N = 150

-

Variierend Laborexperiment

Variierend Publicity in Labor, Werbung in Feldumgebung Variierend Feldexperiment; Telefoninterviews Variierend Laborexperiment

Vergleich identisch/variierend Laborexperiment

Bewertung verschiedener Texte Laborexperiment

Variierend

Unabhängige Variablen

Abhängige Variablen

Ergebnis

Format/Quelle (Publicity, Werbung) Beeinflussender (Prominenter, Experte, Nutzer) Format/Quelle (Publicity, Werbung) Sequenz (einzeln, kombiniert)

Einstellung Nachricht Kaufgewohnheiten Mediennutzung

+Publicity

Einstellung Nachricht Einstellung Marke Glaubwürdigkeit Kaufabsicht

+Publicity einzeln

ProduktkategorieWissen, Einstellung Marke, Medien (Radio, Print), Valenz Artikel, Format/Quelle (Publicity, Werbung) Sequenz der Formate (erst Publicity, dann Werbung)

Einstellung Werbung/Marke

+kombinierte Formate

Interesse Aufmerksamkeit Recall Marke/Werbung

+P => W

Publicity

Recall/Recognition Marke

+P => W

Format/Quelle (Publicity, Werbung) Mitteilung (identisch, variiert)

Vertrauen Werbung/ Publicity, Glaubwürdigkeit Werbung/Publicity, Einstellung Werbung/Publicity

+variierte Mitteilung in kombinierten Formaten

Format/Quelle (Publicity, Werbung)

Klassifizierung als Werbung/Publicity Bewertung Lesbarkeit Gründe Klassifizierung

Werbung wird nicht immer erkannt

Format/Quelle (Publicity, Werbung) Sequenz (einzeln, kombiniert)

Glaubwürdigkeit Mitteilungsstärke Einstellung zum Urlaubsziel, Kaufabsicht

+Publicity +P => W

Tabelle 3.1: Studien zum Vergleich von Werbung und Publicity

Für die vorliegende Arbeit sind vor allem solche Studien relevant, die den Aspekt der unterschiedlichen Glaubwürdigkeit der beiden Formate und deren Wirkung auf die Marketingkommunikation untersucht haben. Einige davon werden nachfolgend genauer vorgestellt. Cameron (1994) legte seinen Versuchspersonen ein Booklet mit verschiedenen Stories als Stimuli vor. Ein Label kennzeichnet einige der Stories als Werbung, während andere ohne Label verbleiben und damit Publicity repräsentieren. Sonst unterscheiden sich die beiden Formate nicht. Als abhängige Variable wurde die Erinnerung an das Vorhandensein des Labels und an die Inhalte der Story gemessen. Neben der sofortigen Messung führt Cameron auch eine zweite, verzögerte Messung der abhängigen Variablen zwei Wochen später durch. Im Ergebnis

46

Instrumente und Formen der Marketingkommunikation

stellt Cameron fest, dass die Erinnerung an das Label generell relativ schwach ausfällt. Trotzdem konnte ein leichter, aber dauerhafter Vorteil für Publicity festgestellt werden. Auch im Experiment von Putrevu (2005) unterscheiden sich die Stimuli für Werbung und Publicity nur durch die Überschrift („ADVERTISEMENT“ für Werbung und „NEWS STORY“ für Publicity), während Inhalt und Layout identisch sind. Neben der Erinnerung an die Inhalte wurden auch Message-relevant Thoughts, Glaubwürdigkeit der Quelle, Einstellung zur Marke und Kaufabsicht erhoben. Bei allen abhängigen Variablen erzielt Publicity bessere Ergebnisse als Werbung. Putrevu schließt daraus, dass Informationen, die als Publicity identifiziert werden, besser aufgenommen und verarbeitet werden und sich stärker auf das Verhalten auswirken als identische, als Werbung identifizierte Informationen. Bei beiden Studien können aufgrund der identisch gestalteten Stimuli die Vorteile von Publicity eindeutig auf die höhere Glaubwürdigkeit zurückgeführt werden. Glaubwürdigkeit erhöht das Risikoreduktionspotenzial und die Relevanz einer Botschaft, wodurch die Motivation zur Informationsaufnahme steigt und die Botschaft ihre persuasive Wirkung besser entfalten kann. Auch Celebi (2007) und Hallahan (1999a; 1999b) betonen in ihren Studien, dass Publicity durch die höhere Glaubwürdigkeit einen Wirkungsvorteil gegenüber Werbung erzielen kann. Diese Feststellung wird von Chaiken und Maheswaran (1994) sowie von Hennessey und Anderson (1990) bezüglich des Involvements weiter differenziert. Sie stellen fest, dass insbesondere bei gering involvierten Empfängern Publicity als sehr glaubwürdig wahrgenommen wird und diese Glaubwürdigkeit dann die Einstellungsänderungen maßgeblich beeinflusst (Chaiken and Maheswaran 1994; Hennessey and Anderson 1990). In Übereinstimmung mit den Aussagen der Dualprozesstheorien wirken die Quelle und die ihr unterstellte Glaubwürdigkeit als peripherer bzw. heuristischer Hinweisreiz (vgl. 2.2.2). Dadurch hat Publicity bei dieser Art der Informationsverarbeitung einen deutlichen Vorteil gegenüber Werbung. Bei zentraler bzw. systematischer Informationsverarbeitung ist dagegen die Qualität der Argumente entscheidend. Auch in diesem Fall kann sich hohe Glaubwürdigkeit vorteilhaft auswirken, steht jedoch nicht im Mittelpunkt, weshalb der positive Effekt hier weniger eindeutig und abhängig von weiteren Einflussgrößen ist (Chaiken and Maheswaran 1994; Hennessey and Anderson 1990). Eine realistischere Simulation von Werbung und Publicity erfolgt im Experiment von Loda und Coleman (2005). Die beiden Forscherinnen untersuchen die Unterschiede in der Überzeugungswirkung von Werbung und Publicity (gemessen anhand von Stärke und Glaubwürdigkeit der Botschaft, sowie Einstellung und Kaufabsicht gegenüber dem Objekt) sowie die Auswirkungen der Reihenfolge der Präsentation auf die Informationsaufnahme, wenn beide Instrumente gemeinsam eingesetzt werden. Als Stimulus für Werbung verwenden sie eine Werbeanzeige für ein bestimmtes Reiseziel in einem Reisemagazin, während Publicity durch einen entsprechenden Reisebericht repräsentiert wird. Beide Stimuli entsprechen realen Wer-

Werbung und Publicity

47

beanzeigen und Artikeln in einem solchen Magazin und kommen so ohne zusätzliche Labels aus, was die Realitätsnähe erhöht. Beworbenes Produkt, Stärke und Art der Argumente, Größe und farbliche Gestaltung sind bei beiden Kommunikationsformen gleich, wodurch Vergleichbarkeit besteht. Die Ergebnisse zeigen, dass Publicity wirksamer ist als Werbung. Die maximale Wirkung wird erreicht, wenn erst Publicity und danach Werbung präsentiert wird, da sich beide Instrumente so optimal ergänzen. Im Fazit bestätigen Loda und Coleman (2005) die Überlegenheit von Publicity aufgrund höherer Glaubwürdigkeit. Bei einem Vergleich der einzelnen Studien fällt auf, dass sich die unterschiedlichen Ergebnisse teilweise durch die jeweilige Art der Manipulation von Werbung und Publicity erklären lassen. Die Studien, in denen sich Werbung und Publicity nur durch ein entsprechendes Label, nicht jedoch in Inhalt oder Layout unterscheiden, zeigen einheitlich einen Vorteil für Publicity (vgl. z.B. Cameron 1994; Chaiken and Maheswaran 1994; Hennessey and Anderson 1990; Lord and Putrevu 1998; Putrevu 2005; Schwarz et al. 1986). Bei den Studien mit variierender Stimulusgestaltung dagegen sind die Ergebnisse deutlich uneinheitlicher (vgl. z.B. Hallahan 1999a; Jacoby and Hoyer 1989; Kim et al. 2001; Loda and Coleman 2005; Loda et al. 2007; Micu 2005; Preston and Scharbach 1971; Salmon et al. 1985; Straughan and Bleske 1996). Der Grund hierfür liegt in der schwierigen Abgrenzbarkeit einzelner Wirkungselemente. Bei identischem Layout lassen sich die Unterschiede in der Wirkung klar auf die Glaubwürdigkeit der Quelle zurückführen. Die empirischen Ergebnisse unterstützen also eindeutig die Aussagen der Theorie, dass Publicity aufgrund der höheren Glaubwürdigkeit einen Wirkungsvorteil gegenüber Werbung hat. Ob sich dies allerdings auf die Realität übertragen lässt, ist fraglich. Denn der entscheidende Vorteil, den Werbung gegenüber Publicity bietet, ist der gestalterische Spielraum und die Entscheidungsfreiheit des Absenders der Werbung. Daraus ergeben sich vielfältige weitere Eigenarten der Werbung, deren Gesamtwirkung schwer vorherzusagen ist (Lord and Putrevu 1993). Das erklärt auch die Uneinheitlichkeit der Ergebnisse bei den Studien, die diesen gestalterischen Spielraum der Werbung ausnutzen. Da im Rahmen dieser Arbeit der Einfluss der Glaubwürdigkeit von Werbung und Publicity relevant ist, dienen vornehmlich die Studien als Orientierung, welche den Einfluss der Quellenglaubwürdigkeit isoliert betrachten. Die theoretischen Überlegungen und die bisherigen empirischen Untersuchungen zeigen also, dass Publicity einen Vorteil gegenüber Werbung aufgrund einer höheren Quellenglaubwürdigkeit hat. Zwar gibt es noch weitere Unterschiede zwischen den beiden Formaten, die teilweise ebenfalls Auswirkungen auf deren Effektivität haben, allerdings sollen diese hier nicht betrachtet werden, da sich die Fragestellung dieser Arbeit auf die Auswirkungen der Glaubwürdigkeit fokussiert. Wenn also die Unterschiede zwischen Werbung und Publicity allein auf die unterschiedlichen Quellen reduziert werden, so dass Gestaltung, Inhalt der Botschaft, Art der Präsentation, situative Einflüsse etc. konstant gehalten werden, lässt sich in Bezug auf die Fragestellung der vorliegenden Arbeit folgende Aussage treffen:

48

Instrumente und Formen der Marketingkommunikation

Publicity ist aufgrund der höheren Quellenglaubwürdigkeit im Vergleich zu Werbung überzeugender und erreicht eine stärkere positive Einstellungsänderung des Empfängers gegenüber dem Produkt als Werbung.

3.2 Einseitige vs. zweiseitige Botschaften in der Marketingkommunikation Durch die Verwendung von zweiseitigen Botschaften kann die Glaubwürdigkeit und damit die Wirksamkeit der Marketingkommunikation erhöht werden. Diese Form der Botschaftsgestaltung stellt also eine potenzielle Alternative zur Verwendung von glaubwürdigen Quellen, wie Publicity, dar. Im Folgenden wird zunächst ein Überblick über die Ursprünge der Erforschung zweiseitiger Werbung gegeben. Es folgt eine Darstellung der Eigenschaften, Einflussfaktoren und Wirkungsweisen zweiseitiger Werbung, woraus sich erste Annahmen für die Fragestellung der vorliegenden Arbeit ableiten lassen. Schließlich werden theoretische Ansätze vorgestellt, mit denen die Wirkung zweiseitiger Botschaften erklärt werden kann.

3.2.1 Entwicklung der Erforschung zweiseitiger Botschaften Die Erforschung der Wirkung zweiseitiger Botschaften begann bereits vor mehr als 60 Jahren. Die ersten Studien dazu wurden im Rahmen der Kommunikationsforschung durchgeführt. Im Mittelpunkt stand dabei die Wirkung von Botschaften, die sowohl unterstützende als auch widerlegende Argumente einer Aussage beinhalten, im Vergleich zu solchen Botschaften, die nur eine Seite wiedergeben (vgl. z.B. Hovland et al. 1949; Lumsdaine and Janis 1953; McGinnies 1966; Wrench 1964). Dabei wird in den zweiseitigen Botschaften letztendlich dennoch klar eine bestimmte Meinung vertreten, von welcher die Empfänger überzeugt werden sollen (Golden and Alpert 1978). Hovland und Kollegen (1949) fanden heraus, dass zweiseitige Kommunikation besser wirkt, wenn die ursprüngliche Meinung der Empfänger konträr zum Fazit der Botschaft ist, während einseitige Kommunikation bei Empfängern mit übereinstimmender Anfangseinstellung überlegen ist. Dies wurde später auch von anderen Forschern bestätigt (z.B. McGinnies 1966). Zudem ist zweiseitige Kommunikation bei höherer Bildung der Empfänger effektiver. Diese Ergebnisse erklären die Autoren damit, dass Empfänger mit gegenteiliger Meinung oder hoher Bildung die einseitige Kommunikation als besonders verzerrt wahrnehmen, Gegenargumente bilden und so mit starker Abwehr reagieren. Diese Abwehrhaltung wird durch die Wiedergabe beider Perspektiven innerhalb der Botschaft abgemildert, was eine Einstellungsänderung in die durch die Botschaft intendierte Richtung erleichtert. (Hovland et al. 1949). Lumsdaine und Janis (1953) erweiterten diese Erkenntnisse, indem sie feststellten, dass die durch zweiseitige Kommunikation generierte Einstellungsänderung der Empfänger stabiler und resistenter ist gegenüber späteren Beeinflussungsversuchen in die andere Richtung. Der Grund hierfür liegt darin, dass bei zweiseitiger Kommunikation den Empfängern auch die

Einseitige vs. zweiseitige Botschaften in der Marketingkommunikation

49

Gegenargumente präsentiert werden, so dass ihm diese bei späteren, entgegengesetzten Beeinflussungsversuchen bereits bekannt sind und so keine große Überzeugungswirkung mehr entwickeln können (Lumsdaine and Janis 1953). Eine Übertragung der Ergebnisse auf den Kontext der Marketingkommunikation und eine explizite Erforschung zweiseitiger Werbung fand jedoch lange nicht statt, obwohl diese in der Praxis teilweise schon vereinzelt angewendet wurde (Golden and Alpert 1978). Die erste Studie zur Wirkung zweiseitiger Botschaften in der Werbung kam jedoch zu dem Ergebnis, dass zweiseitige Werbung zwar glaubwürdiger ist, aber zu unvorteilhafteren Beurteilungen der beworbenen Produkte führt und daher insgesamt weniger effektiv für die Einstellungsänderung ist (Golden and Alpert 1978). Weitere Forscher untersuchten die Wirkung zweiseitiger Botschaften in der Werbung, mit teilweise sehr unterschiedlichen Ergebnissen und Interpretationen. Als Ursachen für die Wirkung der Zweiseitigkeit wurden beispielsweise eine geringere wahrgenommene Verzerrung der Botschaft (Chu 1967), geringere Reaktanz seitens der Empfänger (Jones and Brehm 1970), die Verhinderung von Gegenargumenten (Hass and Linder 1972) oder eine Erhöhung der Quellenglaubwürdigkeit (Settle and Golden 1974; Smith and Hunt 1978; Swinyard 1981) vermutet. Ein früher Überblick über Studien zu zweiseitiger Werbung stammt von Belch (1983) und hat zum Ergebnis, dass zweiseitige Werbung zwar die Glaubwürdigkeit der Quelle erhöht und Gegenargumente beim Empfänger unterdrückt, sich darüber hinaus aber nicht unbedingt auch auf die Einstellung zum beworbenen Produkt auswirkt. Hier spielen die Stärke des Glaubwürdigkeitseffekts sowie weitere Variablen (z.B. verwendetes Medium, Vertrautheit mit dem Thema und Verfügbarkeit von Gegenargumenten seitens des Empfängers) eine Rolle. Daher kann letztendlich häufig keine größere Effektivität zweiseitiger Botschaften gezeigt werden (Belch 1983). Wie sich in den eben beschriebenen Anfängen der Erforschung zweiseitiger Kommunikation bereits andeutet, ist die Wirkung zweiseitiger Werbung durch verschiedene Effekte und Einflussfaktoren geprägt, welche im Folgenden genauer betrachtet werden.

3.2.2 Eigenschaften und Wirkung zweiseitiger Werbung Zweiseitige Werbung wird nach Crowley und Hoyer (1994) folgendermaßen definiert: “Twosided persuasion consists of a message that provides information about both positive and negative attributes of a product or service, with the negative information included voluntarily.” (Crowley and Hoyer 1994, S. 562) Unter zweiseitiger Werbung versteht man also Werbebotschaften, die nicht nur positive, sondern auch negative Informationen über das beworbene Produkt vermitteln, wobei die negativen Informationen freiwillig erfolgen. Damit gehören gesetzlich verordnete Angaben über mögliche Gefahren des Produkts, wie beispielsweise in der Tabakindustrie, nicht zu zweiseitiger Werbung. Andere Autoren fassen den Begriff der zweiseitigen Werbung weiter und schließen erzwungene negative Informationen nicht

50

Instrumente und Formen der Marketingkommunikation

aus (z.B. Allen 1991; Eisend 2008). Aufgrund der Unfreiwilligkeit erzeugen diese Eingeständnisse aber keine positiven Effekte und sind nicht zur Abgrenzung von der Konkurrenz geeignet, daher ist diese Form der zweiseitigen Werbung für die weitere Betrachtung nicht interessant (Pechmann 1990). Wenn auch unfreiwillige Eingeständnisse als zweiseitige Werbung angesehen werden, dann ist die Freiwilligkeit der negativen Information also ein Faktor, der darüber entscheidet, ob die Zweiseitigkeit effektiv ist oder nicht (Eisend 2006). Obwohl es normalerweise Ziel der Werbung ist, das Produkt möglichst vorteilhaft darzustellen und zweiseitige Botschaften in der Marketingkommunikation bisher eher selten angewendet werden, hat zweiseitige Werbung unter Umständen Vorteile und kann ein sinnvolles Instrument sein, insbesondere wenn Konsumenten eine eher negative Voreinstellung zum Produkt haben oder wenn sie mit negativen Gegendarstellungen des Produkts konfrontiert werden (Crowley and Hoyer 1994; Eisend 2006; Eisend 2008). Ein wesentlicher Vorteil zweiseitiger Werbung ist, dass die Glaubwürdigkeit der Quelle bei zweiseitiger Werbung höher eingeschätzt wird, da die Empfänger glauben, dass die Werbung der Wahrheit entspricht, wenn auch negative Eigenschaften nicht verschwiegen werden. Die Glaubwürdigkeit steigt mit wachsendem Anteil negativer Information monoton an. Bei der Wirkung auf die Einstellung zum Werbeobjekt gibt es einen Trade-Off zwischen dem positiven Effekt der höheren Glaubwürdigkeit und dem negativen Effekt der unvorteilhaften Information (Crowley and Hoyer 1994; Eisend 2006; Eisend 2008). Die höhere Glaubwürdigkeit führt zu einer stärkeren Überzeugungskraft der Botschaft. Die negativen Argumente selbst werten das Produkt jedoch ab, so dass an der Wirkung von zweiseitigen Botschaften zwei gegenläufige Effekte beteiligt sind. Welcher dieser Effekte überwiegt, hängt von der jeweiligen Kommunikationssituation und den Beteiligten sowie von der Gestaltung der Botschaft ab (Pechmann 1990). So sind auch negative Gesamteffekte zweiseitiger Botschaften feststellbar (Golden and Alpert 1978). Da in der Marketingkommunikation jedoch die fehlende Glaubwürdigkeit häufig ein zentrales Problem darstellt und Werbeobjekte üblicherweise sehr vorteilhaft dargestellt werden, ist davon auszugehen, dass der positive Effekt der höheren Glaubwürdigkeit in den meisten Fällen bedeutender sein wird. Settle und Golden (1974) stellen fest, dass es lohnend sei, zumindest ein relativ unbedeutendes Merkmal des Produkts als unvorteilhaft darzustellen, um so das Vertrauen in die Botschaft zu erhöhen. In einer weiteren Studie können Golden und Alpert (1987) eine kurvilineare Beziehung zwischen dem Anteil negativer Information und der Einstellung zur Botschaft zeigen, nach der sich die Einstellung zur Botschaft durch zusätzliche negative Informationen bis zu einem Anteil von 40% der Gesamtbotschaft erhöht und erst danach wieder verschlechtert. Allgemein kann davon ausgegangen werden, dass niedrige bis mittlere Anteile negativer Information optimal sind (Crowley and Hoyer 1994). In einer Meta-Analyse wird der kurvilineare Zusammenhang zwischen dem Anteil negativer Information und der Einstellung zum Objekt bestätigt. Danach sind erst bei einem Anteil negativer Information von mehr als 50% negative Auswirkungen auf die Einstellung zum Objekt zu erwarten (Eisend 2006; Eisend 2008). Lang und Kollegen

Einseitige vs. zweiseitige Botschaften in der Marketingkommunikation

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(1999) empfehlen, zweiseitige Botschaften in Kombination mit Vergleichen zwischen verschiedenen Produkttypen, statt – wie sonst üblich – verschiedenen Marken, zu verwenden, weil so bei Erhalt der positiven Effekte der Zweiseitigkeit deren negativen Auswirkungen verringert werden können. Ein weiterer Vorteil ist, dass zweiseitige Werbung als ungewöhnlich empfunden wird. Aufgrund dieser Neuartigkeit wird die Botschaft mit höherer Aufmerksamkeit und Motivation verfolgt, wodurch die Einstellungsänderung begünstigt wird (Crowley and Hoyer 1994; Eisend 2006). Wenn auf negative Informationen Gegenargumente folgen oder die negativen Informationen abgestritten bzw. abgewertet werden, erhöht sich zudem der Anteil positiver Gedanken zum Werbeobjekt und Argumente gegen das Objekt werden entkräftet, wodurch die Einstellung verbessert wird und widerstandsfähiger gegenüber Gegenargumenten ist (Eisend 2006). Generell erhöhen zweiseitige Botschaften die positiven kognitiven Gedanken zum Werbeobjekt und reduzieren die Entstehung von Gegenargumenten beim Empfänger, was in diversen Studien gezeigt werden konnte (z.B. Etgar and Goodwin 1982; Kamins and Assael 1987; Swinyard 1981) und weitestgehend übereinstimmend von allen theoretischen Erklärungsansätzen vorhergesagt wird. Erhöhung der Glaubwürdigkeit, Steigerung der positiven Gedanken und Reduktion von Gegenargumenten sowie stärkere Widerstandsfähigkeit der Einstellungen gegenüber Gegenargumenten gehören zu den Wirkungsweisen zweiseitiger Werbung, die mit großer Einigkeit unter den Forschern nachgewiesen wurden (vgl. z.B. Crowley and Hoyer 1994; Kamins and Assael 1987; Kamins and Marks 1987; Swinyard 1981). Eine Meta-Analyse bestätigt dies und findet die stärksten Effekte bei der wahrgenommenen Neuartigkeit der Botschaft, der Glaubwürdigkeit sowie bei der Erhöhung positiver und der Verminderung negativer Gedanken zur Botschaft (Eisend 2006). Daneben kamen Studien zur Wirkung von zweiseitiger Werbung jedoch teilweise zu recht unterschiedlichen Ergebnissen. Insbesondere in Bezug auf die Schlüsselvariablen Einstellung zur Botschaft, Einstellung zum Objekt und Kaufabsicht gibt es inkonsistente Befunde (Crowley and Hoyer 1994; Kamins 1989). Während hier einige Studien positive Effekte der Zweiseitigkeit feststellen konnten (z.B. Etgar and Goodwin 1982; Golden and Alpert 1987; Kamins 1989), zeigte sich in anderen kein Einfluss (z.B. Belch 1981; Kamins and Marks 1987) oder gar eine negative Wirkung (z.B. Golden and Alpert 1978). Diese Variablen werden sowohl direkt als auch indirekt durch die negativen Argumente beeinflusst, wobei diese Effekte gegenläufig sind (s.o.). Daher hängt die Ausprägung des Gesamteffekts stark von der jeweiligen Situation sowie der Gestaltung der Botschaft (z.B. Anteil und Wichtigkeit negativer Information) ab, was die abweichenden Ergebnisse erklärt (Pechmann 1990). Crowley und Hoyer (1994) diskutieren die Wirkung der gegenläufigen Effekte auf diese Variablen ausführlich anhand bestehender Forschungsergebnisse und stellen Hypothesen darüber auf. Insgesamt vermuten sie zwischen Einstellung zur Botschaft, Einstel-

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Instrumente und Formen der Marketingkommunikation

lung zum Objekt sowie Kaufabsicht und Anteil der negativen Informationen eine kurvilineare Beziehung in Form eines umgekehrten U, so dass niedrige bis mittlere Anteile negativer Information optimal sind. Dennoch kann bezüglich der Wirkung zweiseitiger Werbung auf diese Schlüsselvariablen und der dabei stattfindenden komplexen Interaktionen noch erheblicher Forschungsbedarf festgestellt werden (Crowley and Hoyer 1994). In einer Meta-Analyse (Eisend 2006) lässt sich insgesamt ein positiver Effekt zweiseitiger Werbung auf die Einstellung zum Objekt und die Kaufabsicht feststellen, welcher jedoch schwächer ausfällt als bei der Glaubwürdigkeit oder den kognitiven Gedanken zur Botschaft. Der Grund für die Abschwächung des Effekts liegt unter anderem daran, dass der Zusammenhang zwischen den verschiedenen Wirkungsvariablen nicht-deterministisch ist. Der kurvilineare Zusammenhang zwischen dem Anteil negativer Information und der Einstellung zum Objekt wird bestätigt. Die Einstellung zur Botschaft wird nach den Ergebnissen der Meta-Analyse allerdings durch die Eingeständnisse eher verschlechtert (Eisend 2006). Basierend auf bisherigen Untersuchungen und Erklärungsansätzen fassen Crowley und Hoyer (1994) verschiedene Wirkungsmechanismen und Einflussfaktoren zusammen, welche die Effektivität zweiseitiger Werbung beeinflussen, um so ein ganzheitlicheres und konsistenteres Bild der Wirkungsweise zu erhalten. Eine spätere, empirische Überprüfung bestätigt jedoch nicht alle der postulierten Annahmen und Zusammenhänge (vgl. Eisend 2007). Ist die Voreinstellung der Botschaftsempfänger eher negativ oder neutral bzw. nicht gegeben, wirkt zweiseitige Werbung besser als einseitige Werbung (Etgar and Goodwin 1982). Wenn die Empfänger eine positive Voreinstellung haben, ist es entscheidend, ob sie sich vor der Botschaftspräsentation bereits über die negativen Informationen bewusst waren. Bei Bekanntheit der negativen Information sind einseitige und zweiseitige Botschaften gleichermaßen effektiv, bei Unkenntnis der negativen Information jedoch sind einseitige Botschaften effektiver als zweiseitige (Crowley and Hoyer 1994). Eine ähnliche Vermutung stellt auch Pechmann (1990) auf, die davon ausgeht, dass zweiseitige Botschaften dann besonders effektiv sind, wenn die Botschaft den bisherigen Einstellungen widerspricht. Die Wirkung zweiseitiger Botschaften ist effektiver, wenn sich die negativen Informationen auf Erfahrungs- oder Vertrauenseigenschaften statt auf Sucheigenschaften beziehen. Da mögliche Nachteile eines Produkts bei den Sucheigenschaften ohnehin vor dem Kauf feststellbar wären, erhöhen diese Eingeständnisse die Glaubwürdigkeit der Kommunikationsquelle nicht wesentlich (Pechmann 1992). Eine Meta-Analyse bestätigt dies (Eisend 2006). Der Anteil und die Wichtigkeit negativer Information sind entscheidend für die Effektivität zweiseitiger Botschaften. In Studien konnte eine kurvilineare Beziehung zwischen dem Anteil negativer Information und der Einstellung zur Botschaft gezeigt werden, wobei sich negative Informationen bis zu einem Anteil von 40% an der Gesamtbotschaft als vorteilhaft erwiesen (Golden and Alpert 1987). Der kurvilineare Zusammenhang lässt sich durch den oben beschriebenen Trade-Off zwischen positiven und negativen Effekten der eingestandenen

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Nachteile erklären. Da aber auch schon ein negatives Argument die Effektivität der Kommunikation steigern kann, liegt nach Ansicht von Crowley und Hoyer (1994) der sinnvolle Bereich für die Integration negativer Argumente zwischen einem einzigen negativen Argument und einem Anteil von zwei Fünfteln der Gesamtbotschaft. Eine Meta-Analyse zeigt negative Auswirkungen auf die Einstellung zum Objekt erst bei einem Anteil negativer Information von mehr als 50% (Eisend 2006; Eisend 2008). Im Zusammenhang damit steht auch die Frage nach der Wichtigkeit der negativen Argumente. Je höher die Wichtigkeit der nachteiligen Produktmerkmale, umso mehr steigt die Glaubwürdigkeit, umso stärker wird aber auch der negative Effekt auf Bewertung und Einstellung zum Produkt (Pechmann 1990). Daher sollten die negativen Informationen eher Produkteigenschaften mit niedriger bis mittlerer Wichtigkeit betreffen. Eine Meta-Analyse (Eisend 2006) zeigt, dass Wichtigkeit und Anzahl der negativen Argumente die Einstellung zur Botschaft verschlechtern. Die Einstellung zum Objekt dagegen profitiert eher von einem höheren Anteil negativer Informationen. Hier muss allerdings einschränkend angemerkt werden, dass sich diese Feststellung eher auf einen Bereich niedriger bis mittlerer Anteile negativer Information bezieht (Eisend 2006; Eisend 2008). Bezüglich der Anordnung der Argumente lässt sich feststellen, dass hier gegenläufige Reihenfolgeeffekte wirken (Hovland et al. 1957b; Miller and Campbell 1959). Einerseits ist eine Platzierung der negativen Information am Anfang nicht sinnvoll, da dann der erste Eindruck der Botschaft ein negativer ist, welcher als Ankerpunkt für die weitere Informationsaufnahme dient und so die Wahrnehmung der gesamten Botschaft negativ verzerrt (Primacy-Effect). Andererseits erscheint auch eine Platzierung am Ende nicht empfehlenswert, da diese letzte, negative Information die Botschaft abschließt und als solche besonders hervorstechend und gut zugänglich ist (Recency-Effect). Gleichzeitig ist bei Nennung der negativen Information am Ende der Botschaft deren Aufnahme und Verarbeitung fast abgeschlossen, so dass sich die positiven Effekte der Zweiseitigkeit kaum mehr entfalten können. Hovland und Kollegen setzen sich ausführlich mit Reihenfolgeneffekten bei der Präsentation persuasiver Botschaften auseinander (Hovland et al. 1957b). Der Vergleich zweier ähnlicher Studien mit unterschiedlicher Platzierung der negativen Information zeigt, dass eine Platzierung im mittleren Teil der Botschaft effektiver ist als am Anfang (vgl. Hastak and Park 1990; Kamins and Marks 1987). Andere Forscher stellen, je nach Vorwissen der Empfänger, unterschiedliche Wirkungen der Reihenfolge fest (Hass and Linder 1972). Insgesamt ist aber nach Crowley und Hoyer (1994) davon auszugehen, dass eine Platzierung der negativen Information ganz am Anfang bzw. ganz am Ende vermieden werden sollte, während eine Platzierung im vorderen Teil bzw. in der Mitte sinnvoller erscheint. Eisend (2006) bestätigt dies teilweise und stellt fest, dass eine Platzierung der negativen Argumente am Anfang unvorteilhaft auf die Glaubwürdigkeit und die Einstellung zur Botschaft wirkt. Andererseits zeigt seine Analyse jedoch, dass die Einstellung zum Objekt durch eine Platzierung der negativen Argumente am Ende am positivsten beeinflusst wird (Eisend 2006).

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Instrumente und Formen der Marketingkommunikation

Die Wirkung der Widerlegung der negativen Argumente wird je nach Erklärungsansatz unterschiedlich gesehen. Einerseits ist eine Widerlegung der negativen Information nicht sinnvoll, da dann die positiven Effekte der negativen Informationen auf die Glaubwürdigkeit reduziert werden (Kamins and Assael 1987). Andererseits werden dadurch auch die negativen Folgen des Eingeständnisses auf die Bewertung des Produkts abgemildert. Die Widerlegung kann daher als Abschwächung der negativen Information sinnvoll sein, wenn diese ein besonders wichtiges Merkmal betrifft. In diesem Fall reduziert die Widerlegung die gravierenden negativen Auswirkungen auf die Beurteilung des Produkts, wobei die reduzierte Glaubwürdigkeitssteigerung in diesem Fall weniger bedeutend ist (Crowley and Hoyer 1994). Kamins und Assael (1987) stellen in einer vergleichenden Studie jedoch fest, dass die Widerlegung für die Effektivität zweiseitiger Botschaften kaum eine Rolle spielt. Meta-Analysen (Allen 1991; O'Keefe 1999) lassen den Schluss zu, dass Widerlegungen bei zweiseitigen Botschaften innerhalb von nicht-werblicher Kommunikation zwar durchaus positiv auf die Überzeugungskraft wirken. Innerhalb des Marketing-Kontexts jedoch ist von Widerlegungen abzuraten, da hier der über die Glaubwürdigkeit laufende Effekt bedeutender ist (Eisend 2006). Eine ähnliche Wirkung entsteht auch durch die Korrelation zwischen negativen und positiven Produktmerkmalen. Hier werden die negativen Auswirkungen auf die Beurteilung des Produkts abgeschwächt, wenn die Nachteile des Produkts mit dessen Vorteilen im Zusammenhang stehen. Gleichzeitig bestätigt das Eingeständnis des negativen Merkmals, dass das korrelierte positive Merkmal tatsächlich gegeben ist (Pechmann 1992). Da in der Wahrnehmung der Konsumenten bestimmte Merkmale miteinander verbunden sind, wird ein Trade-Off zwischen positiven und negativen Merkmalen erwartet und ist daher verzeihbar. So wird einer besonders cremigen und schmackhaften Eiscreme ein hoher Kaloriengehalt zugebilligt, ebenso wie ein besonders sportliches und schnittiges Auto nur ein geringes Platzangebot bieten kann (Crowley and Hoyer 1994). Pechmann (1990) kommt nach einer ausführlichen Analyse dieses Zusammenhangs sogar zu dem Schluss, dass die Korrelation von positiven und negativen Produktmerkmalen entscheidend dafür ist, ob zweiseitige Werbung tatsächlich eine effektive Verbesserung der Einstellung zum Produkt und der Kaufabsicht bewirkt. Dies wird auch von Bohner und Kollegen (2003) bestätigt, die in einem Experiment zeigen können, dass zweiseitige Botschaften mit Korrelation von positiven und negativen Informationen deutlich effektiver auf die Einstellungsänderung wirken als einseitige Botschaften, während zweiseitige Botschaften ohne Korreliertheit positiver und negativer Produktmerkmale zwar eine höhere Glaubwürdigkeit genießen als einseitige Botschaften, sich dieser Vorteil aber nicht auf die Einstellung zum Produkt fortsetzt. Sie erklären die überlegene Wirkung zweiseitiger Werbung mit korrelierten Produktmerkmalen daher als Kombination zweier Vorgänge: Einerseits steigt die Glaubwürdigkeit, andererseits schlussfolgern die Empfänger aus der Existenz des negativen Merkmals auf das Vorliegen des entsprechenden positiven Merkmals (Bohner et al. 2003). Die positive Wirkung der Korreliertheit auf die Einstellung zum Objekt wird auch metaanalytisch bestätigt (Eisend 2006).

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Chebat und Kollegen (Chebat et al. 1988; Chebat and Picard 1985; Chebat and Picard 1988) identifizieren darüber hinaus die Anzahl der in der Botschaft enthaltenen Argumente sowie die Selbstakzeptanz und das Involvement der Botschaftsempfänger als moderierende Einflussfaktoren, die mit der Zweiseitigkeit der Botschaft interagieren und entscheidend für deren Effektivität sind. In neueren Studien stellen weitere Autoren auch Zusammenhänge zwischen der Effektivität von zweiseitigen Botschaften und psychologischen Merkmalen der Botschaftsempfänger (Self-Esteem und Regulatory Focus) fest (Florack et al. 2008; Sanaktekin and Sunar 2008). Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass Meta-Analysen zu dem Ergebnis kommen, dass zweiseitige Werbung insgesamt effektiver ist als einseitige Werbung (Allen 1991; Eisend 2006; O'Keefe 1999). In seiner Meta-Analyse bestätigt Eisend (2006) einen positiven Einfluss von zweiseitigen Botschaften auf Glaubwürdigkeit, positive Gedanken zum Objekt, wahrgenommene Neuartigkeit, Einstellung zur Marke und Kaufabsicht. Gegenargumente und negative Gedanken sowie die Einstellung zur Werbung sinken infolge der negativen Informationen. Die Glaubwürdigkeit der Quelle erhöht sich, wenn die negativen Informationen freiwillig erfolgen, Erfahrungs- und Vertrauenseigenschaften betreffen und nicht am Anfang der Botschaft stehen. Die Einstellung zur Marke und die Kaufabsicht verbessern sich durch eine größere Anzahl negativer Informationen und deren Platzierung am Ende der Botschaft sowie durch Korrelation positiver und negativer Produkteigenschaften. Der negative Einfluss auf die Einstellung zur Werbung ist stärker ausgeprägt, je höher Anteil und Wichtigkeit negativer Informationen sind und wenn die negative Information am Anfang steht (Eisend 2006). Bezogen auf das Thema und die Fragestellung der vorliegenden Arbeit lässt sich Folgendes festhalten: Zweiseitige Botschaften stellen eine Möglichkeit dar, die Glaubwürdigkeit der Marketingkommunikation zu erhöhen. Dadurch kann auch die Wirkung auf die Einstellungen der Empfänger verbessert werden. Dabei besteht jedoch ein Trade-Off zwischen negativen (unvorteilhaftere Bewertung) und positiven (höhere Glaubwürdigkeit) Effekten der Zweiseitigkeit.

3.2.3 Theoretische Ansätze zur Erklärung der Wirkung zweiseitiger Botschaften Die Wirkung zweiseitiger Botschaften wird vor allem mit Hilfe der Attributionstheorie, der Optimal-Arousal-Theorie und der Inokulationstheorie erklärt (Crowley and Hoyer 1994; Eisend 2007; Eisend 2008). Eisend (2007) gibt einen vergleichenden Überblick über die theoretischen Ansätze, testet sie empirisch und diskutiert ihre Anwendbarkeit sowie Vorschläge für Modifikationen. Dabei schlägt er auch die Dualprozesstheorien als ergänzenden Erklärungsansatz vor, weshalb diese hier ebenfalls integriert werden. Als weiteren Erklärungsansatz, der in neueren Reviews allerdings kaum explizit erwähnt wird, wird die Reaktanztheorie vorgestellt.

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3.2.3.1 Attributionstheorie Die Wirkung zweiseitiger Botschaften kann mithilfe der Attributionstheorien erklärt werden (vgl. auch 2.2.3). Als erstes leisteten dies Settle und Golden (1974), die sich dazu auf Heider (1958) und Kelley (1972; 1973) beziehen. Nach der Theorie von Kelley (1972; 1973) werden Effekte den Gründen zugeschrieben, mit denen sie kovariieren. Je konsistenter die Beziehung zwischen Grund und Effekt ist, umso sicherer ist sich das Individuum. Die in einer Werbebotschaft vorgebrachten Argumente können entweder auf das Verkaufsinteresse der Quelle (der Werber bzw. das Unternehmen) oder aber auf tatsächliche Eigenschaften des Produkts zurückgeführt werden. Da bei der normalerweise üblichen einseitigen Werbung jedes Unternehmen sein eigenes Produkt als in jeder Hinsicht überlegen darstellt, liegt keine Kovariation der Aussagen mit den tatsächlichen Produkteigenschaften vor. Dafür lässt sich jedoch eine starke Kovariation zwischen den Aussagen und der Quelle feststellen (Unternehmen X sagt, Produkt X sei das Beste, während Unternehmen Y sagt, Produkt Y sei das Beste, usw.). Die Aussagen der Botschaft werden also auf das Verkaufsinteresse der Unternehmen zurückgeführt. Die Empfänger der Botschaft sind daher unsicher über die tatsächlichen Produkteigenschaften, wodurch die Einstellung zum Produkt nicht verbessert wird. Wenn eine Werbebotschaft jedoch Vor- und Nachteile des Produkts enthält und sich dadurch von den Aussagen anderer Botschaften unterscheidet, wird eine Kovariation mit den Produkteigenschaften statt mit den Interessen der Quelle wahrgenommen. Die Empfänger führen die Aussagen daher auf die tatsächlichen Eigenschaften des Produktes zurück, wodurch die Botschaft geeignet ist, die Einstellungen der Empfänger gegenüber dem Produkt zu beeinflussen (Settle and Golden 1974). Der Ansatz von Settle und Golden (1974) wurde jedoch von verschiedenen Autoren kritisiert (z.B. Hansen and Scott 1976; Smith and Hunt 1978). Smith und Hunt (1978) plädieren dafür, dass die Theorie der korrespondierenden Schlussfolgerungen von Jones und Davis (1965) besser geeignet sei, die Wirkung zweiseitiger Botschaften zu erklären. Danach werden internale und externale Ursachen für ein Verhalten unterschieden. Internale Ursachen sind Veranlagungen und Eigenschaften des Individuums, während externale Ursachen situative Einflüsse darstellen. Wenn also in einer Kommunikationssituation die getätigten Aussagen auf internale Ursachen zurückgeführt werden können, reflektieren sie die tatsächlichen Überzeugungen der Quelle und sind daher sehr informativ. Werden die getätigten Aussagen dagegen auf externale Ursachen zurückgeführt, gibt es keinen zwingenden Zusammenhang zwischen Aussage und tatsächlichen Überzeugungen, was zu Unsicherheit des Empfängers führt. Wenn sich nun die Quelle entgegen den allgemeinen Erwartungen und Gewohnheiten verhält, wird dieses Verhalten durch internale Ursachen, also deren wahren Überzeugungen, erklärt. In der Werbung entsprechen einseitige Darstellungen der Produkte den Erwartungen der Empfänger, wodurch die Aussagen eher auf die Verkaufssituation als auf die wahren Überzeugungen der Quelle zurückgeführt werden. Die Präsentation negativer Aussagen widerspricht dagegen den Erwartungen der Empfänger und scheint

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dem Verkaufsziel zu schaden. Daher wird bei zweiseitigen Botschaften die Veranlagung der Quelle zu Ehrlichkeit und wahrheitsgemäßer Darstellung der Fakten als Grund für die Aussagen vermutet, was zu einer höheren Glaubwürdigkeit führt. Daraus ergibt sich auch die Implikation, dass zweiseitige Werbung ihre glaubwürdigkeitssteigernde Wirkung teilweise einbüßt, wenn sie in der Praxis eine zu starke Verbreitung findet und daher schon erwartet wird. Die glaubwürdigkeitssteigernde Wirkung zweiseitiger Botschaften kann auch mit dem Expectation-Confirmation-Ansatz von Eagly und Kollegen (1975; 1978) erklärt werden (vgl. 2.2.3). Danach werden Aussagen, die den Erwartungen des Empfängers widersprechen, eher darauf zurückgeführt, dass die Quelle eine realitätsgetreue Aussage machen möchte und erzeugen so hohe Glaubwürdigkeit. Aussagen, die die Erwartungen der Empfänger bestätigen, werden dagegen eher auf externe, situative Umstände und Zwänge zurückgeführt und entwickeln nur geringe Überzeugungskraft (Eagly and Chaiken 1975; Eagly et al. 1978). Einseitige Werbung entspricht den Erwartungen der Empfänger. Die Aussagen werden daher darauf zurückgeführt, dass die Quelle das Produkt positiv darstellen will, um den Verkauf zu fördern, und sind folglich wenig überzeugend. Zweiseitige Botschaften dagegen stehen im Widerspruch zu den gängigen Erwartungen. Daher wird geschlussfolgert, dass die Quelle den Wunsch hat, die Empfänger wahrheitsgemäß zu informieren, wodurch die Glaubwürdigkeit steigt (Eisend 2006). Abgesehen von kleineren Unterschieden zwischen den verschiedenen Ansätzen wird die größere Überzeugungswirkung zweiseitiger Werbung im Rahmen der Attributionstheorie also damit erklärt, dass die Empfänger die in der Botschaft getätigten Aussagen entweder auf die realen Eigenschaften des Produkts oder auf die wirtschaftlichen Interessen der Quelle zurückführen können. Das Einräumen von Nachteilen, Problemen oder negativen Produktmerkmalen konterkariert (scheinbar) die Unternehmensinteressen. Das Verhalten der Quelle widerspricht damit den Erwartungen der Empfänger, die eine einseitig positive Darstellung erwarten. Wenn die Aussagen des Unternehmens nicht mehr durch das Verfolgen wirtschaftlicher Ziele erklärt werden können und auch sonst keine plausiblen Erklärungen erkennbar sind, bleibt letztlich nur die valide Wiedergabe der Realität als Grund, was in einer hohen Glaubwürdigkeit resultiert. Die Wirkungsweise von zweiseitigen Botschaften nach den Annahmen der Attributionstheorie ist in Abbildung 3.2 wiedergegeben. Danach erhöht die Zweiseitigkeit die Glaubwürdigkeit der Quelle, was wiederum die Einstellung zur Quelle (dem Werbetreibenden) verbessert. Daraus folgt eine Verbesserung der Einstellung zur Botschaft sowie der Einstellung zum Objekt (zum beworbenen Produkt). Alle modellierten Zusammenhänge werden in einer MetaAnalyse empirisch bestätigt, was für die Eignung des Modells spricht (Eisend 2007).

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+ Zweiseitigkeit der Botschaft

+

Glaubwürdigkeit der Quelle

+

Einstellung zur Botschaft

Einstellung zur Quelle +

Einstellung zum Objekt

Abbildung 3.2: Wirkung von zweiseitigen Botschaften nach der Attributionstheorie (in Anlehung an Eisend 2007, S. 621)

Die Attributionstheorie stellt eine gute Basis zur Erklärung der Wirkungsweise zweiseitiger Botschaften dar. Sie ist am weitesten verbreitet und liefert eine schlüssige Begründung für den wichtigen Glaubwürdigkeitseffekt (Eisend 2006; Eisend 2007; Eisend 2008). Dabei steigt die Glaubwürdigkeit mit zunehmendem Anteil negativer Information an. Auch für die vorliegende Arbeit ist sie sehr gut geeignet, den positiven Effekt von zweiseitiger Werbung auf die Glaubwürdigkeit zu erklären, welcher dann wiederum die Persuasivität der Kommunikation erhöht. Der gegenläufige Effekt durch die negativen Informationen wird durch die Attributionstheorie jedoch nicht berücksichtigt (Eisend 2007). Daher lässt sich der zu beobachtende kurvilineare Zusammenhang zwischen dem Anteil negativer Information und der Einstellung zur Botschaft bzw. zum Objekt nicht adäquat erklären (vgl. Eisend 2006; Eisend 2008; Golden and Alpert 1987). Konkrete Hinweise auf die Gestaltung und den Aufbau der zweiseitigen Botschaften sind ebenfalls nicht möglich. Eisend (2008) schlägt eine Erweiterung der Attributionstheorie vor, mit der auch der gegenläufige, negative Effekt der Zweiseitigkeit besser erklärt werden kann. Dazu wird davon ausgegangen, dass der Attributionsprozess mehrere Phasen durchläuft, wobei der positive Glaubwürdigkeitseffekt in der ersten Phase, der negative Effekt durch die eingestandenen Nachteile jedoch erst in einer späteren Phase entsteht. Letztere erfordert eine größere kognitive Kontrolle und kann daher bei starker kognitiver Belastung des Empfängers auch entfallen. So lässt sich erklären, dass der Trade-Off je nach kognitiver Belastung des Empfängers durchaus unterschiedlich ausfallen kann (Eisend 2008). 3.2.3.2 Inokulationstheorie Die Inokulationstheorie erklärt die Wirkung zweiseitiger Botschaften damit, dass die kontrollierte, gemäßigte Präsentation von Gegenargumenten und deren Widerlegung wie eine „Impfung“ der Empfänger wirkt und sie immun macht gegen die Verwendung der Gegenargumente im Rahmen späterer Beeinflussungen. Die Einstellungen zur Botschaft und zum

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Objekt der Botschaft werden dadurch positiv beeinflusst und stabilisiert (Eisend 2008). Lumsdaine und Janis (1953) stellen fest, dass die durch zweiseitige Kommunikation generierte Einstellungsänderung der Empfänger stabiler und resistenter ist gegenüber späteren Beeinflussungsversuchen in die andere Richtung. Als Erklärung führen sie an, dass bei zweiseitiger Kommunikation dem Empfänger auch die Gegenargumente präsentiert werden, so dass ihm diese bei späteren, entgegengesetzten Beeinflussungsversuchen bereits bekannt sind und so keine große Überzeugungswirkung mehr entwickeln können (Lumsdaine and Janis 1953). Der Immunisierungseffekt einer leichten, moderaten Konfrontation mit Gegenargumenten wurde ausführlich von McGuire und Papageorgis untersucht (McGuire 1961a; McGuire 1962; McGuire 1961b; McGuire and Papageorgis 1961; Papageorgis and McGuire 1961). In mehreren Studien konnten die Autoren zeigen, dass die Einstellungen der Empfänger resistenter gegenüber Gegenargumenten in späteren Beeinflussungsversuchen sind, wenn sie bereits vorher mit Botschaften mit einer abgeschwächten Form von Gegenargumenten sowie deren Widerlegung konfrontiert wurden. Im Vergleich dazu erweisen sich Botschaften mit ausschließlich unterstützenden Argumenten als weniger dauerhaft wirkungsvoll (McGuire 1961a; McGuire 1962; McGuire 1961b; McGuire and Papageorgis 1961; Papageorgis and McGuire 1961). Thistlethwaite und Kametsky (1955) dagegen bestätigen die positive Wirkung der Widerlegung von Gegenargumenten nicht. Auch Kamins und Assael (1987) stellen fest, dass zweiseitigen Botschaften generell effektiver sind als einseitige Botschaften – ob mit oder ohne Widerlegung spielt dabei jedoch nach ihren Untersuchungen kaum eine Rolle. Die Inokulationstheorie steht insofern auch teilweise im Widerspruch zur Attributionstheorie. Nach den Vorhersagen der Attributionstheorie sollte eine Widerlegung der negativen Argumente deren positive Wirkung auf die Glaubwürdigkeit wieder zunichte machen, da ein Widerlegen negativer Argumente den erwarteten, verkaufsfördernden (externale Ursache) Verhaltensweisen eines Werbetreibenden entspricht (Eisend 2008). Kamins und Assael (1987) überprüfen und vergleichen die Aussagekraft der Attributionstheorie und der Inokulationstheorie in einer Untersuchung. Dazu vergleichen sie einseitige Botschaften, zweiseitige Botschaften ohne Widerlegung und zweiseitige Botschaften mit Widerlegung anhand verschiedener Wirkungsmaße, wobei sie die Überlegenheit zweiseitiger Botschaften unabhängig von der Widerlegung feststellen. Die Ergebnisse unterstützen beide Theorien, so dass die Autoren keine von beiden als klar überlegen bezeichnen können (Kamins and Assael 1987). Die Inokulationstheorie wird zwar in verschiedenen Studien zur Erklärung der Wirkung zweiseitiger Botschaften verwendet (z.B. Bither et al. 1971; Kamins and Assael 1987; Szybillo and Heslin 1973), ist allerdings deutlich weniger verbreitet als die Attributionstheorie. In einer empirischen Überprüfung verschiedener Theorien zur Erklärung der Wirkung zweiseitiger Botschaften erreicht das auf der Attributionstheorie basierende Modell einen deutlich besseren Fit als das Modell auf Basis der Inokulationstheorie, was die Attributionstheorie als Erklärungsgrundlage geeigneter erscheinen lässt (Eisend 2007).

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Abbildung 3.3 zeigt die Vorhersagen der Inokulationstheorie zur Wirkungsweise zweiseitiger Botschaften. Demnach verbessert die zweiseitige Botschaft mit Widerlegung bei den Empfängern die Aufmerksamkeit und die Motivation zur Informationsverarbeitung, was wiederum die positiven Gedanken zur Botschaft erhöht und die Gegenargumente reduziert. Die Zweiseitigkeit wirkt zusätzlich auch direkt erhöhend auf die positiven Gedanken und reduzierend auf die Gegenargumente. Die positiven Gedanken zur Botschaft verbessern die Einstellung zum Objekt, während die Gegenargumente die Einstellung zum Objekt verschlechtern. Eine metaanalytische Überprüfung (Eisend 2007) bestätigt die modellierten Zusammenhänge jedoch nur teilweise, was die Eignung der Inokulationstheorie zur Erklärung der Effektivität zweiseitiger Botschaften in Frage stellt. So zeigt sich kein Einfluss von zweiseitigen Botschaften mit Widerlegung auf die Aufmerksamkeit und Motivation zur Informationsaufnahme. Auch die vorhergesagte Wirkung der zweiseitigen Botschaft mit Widerlegung auf die Gegenargumente und von dort auf die Einstellung zum Objekt ist nicht oder nur marginal signifikant.

Aufmerksamkeit + Zweiseitigkeit der Botschaft + Widerlegung

+

+ +

-

Einstellung zum Objekt

-

Positive kognitive Gedanken

-

Negative kognitive Gedanken / Gegenargumente Abbildung 3.3: Wirkung von zweiseitigen Botschaften nach der Inokulationstheorie (in Anlehung an Eisend 2007, S. 621)

Kritisch anzumerken ist zudem, dass weder Aussagen über die kausalen Ursachen des Immunisierungseffektes noch über die konkrete Gestaltung der zweiseitigen Botschaften getroffen werden (Crowley and Hoyer 1994). Da zudem Meta-Analysen den Widerlegungen der negativen Argumente innerhalb des Marketingkontexts keinen entscheidenden Einfluss bestätigen, ist die Eignung der Inokulationstheorie zur Erklärung zweiseitiger Werbung fraglich (Eisend 2008).

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3.2.3.3 Optimal-Arousal-Theorie Die Optimal-Arousal-Theorie (Berlyne 1971; Berlyne 1960) wird von Crowley und Hoyer (1994) als ein weiterer Ansatz zur Erklärung der Wirkung zweiseitiger Botschaften herangezogen. In der Optimal-Arousal-Theorie wird davon ausgegangen, dass Stimuli mit moderatem Neuheitsgrad und moderater Komplexität bevorzugt werden (Berlyne 1971; Berlyne 1960). Gemäß der Adaptionsniveautheorie (Helson 1964) dient dabei der Vergleich mit dem Adaptionsniveau, welches sich aus den bisherigen Erfahrungen und Gewohnheiten ableitet, als Maßstab. Kleinere Abweichungen vom Adaptionsniveau wirken sich positiv aus, während zu große Abweichungen negative Effekte hervorrufen. Bezogen auf zweiseitige Botschaften wird also davon ausgegangen, dass die Neuartigkeit und Ungewöhnlichkeit zweiseitiger Botschaften aufmerksamkeitssteigernd wirkt, was wiederum die Aufnahme und Verarbeitung der Botschaft fördert und damit deren Potenzial zur Einstellungsänderung erhöht. Entsprechend der Assimilations-Kontrast-Theorie (Hovland et al. 1957a; Sherif et al. 1958) ist dieser positive Effekt aber nur bis zu einem gewissen Grad an Neuheit wirksam, danach werden Abweichungen vom Adaptionsniveau nicht akzeptiert und führen zu Ablehnung (Crowley and Hoyer 1994; Eisend 2008). Damit kann die Optimal-Arousal-Theorie die Verbesserung der Einstellungen gegenüber Botschaft und Objekt erklären. Die Optimal-Arousal-Theorie stellt außerdem die optimale Gewichtung negativer und positiver Argumente in den Fokus und ist gut geeignet, die positive Wirkung von wenigen, gemäßigt negativen Argumenten innerhalb einer Botschaft zu erklären. Bei sehr wichtigen oder zahlreichen negativen Informationen ist dagegen eher ein negativer Effekt zu erwarten, da die starke Abweichung vom Adaptionsniveau hier zur Ablehnung der Botschaft führt (Crowley and Hoyer 1994). Dies deckt sich durchaus mit der Feststellung, dass die Einbeziehung zusätzlicher negativer Botschaftselemente bis zu einer bestimmten Menge positiv auf die Einstellung wirkt, sich die Beziehung danach jedoch umkehrt und jeder weitere eingestandene Nachteil negative Auswirkungen hat. Der empirisch beobachtbare, kurvilineare Zusammenhang zwischen dem Anteil der negativen Information und den Einstellungsmaßen lässt sich also mithilfe der Optimal-Arousal-Theorie gut erklären. Eine ähnliche Erklärung dieses Zusammenhangs wäre allerdings alternativ auch durch die Schema-Theorie möglich (Maoz and Tybout 2002; Meyers-Levy and Tybout 1989). Konkurrierende Konzepte, wie das Processing Fluency Modell, sagen dagegen klar eine negative Beziehung zwischen dem Grad der Abweichung und den Einstellungen vorher (Lee and Labroo 2004; Reber et al. 1998; Winkielman and Cacioppo 2001). Die Anwendung der Optimal-Arousal-Theorie auf die Wirkung zweiseitiger Werbung ist zudem noch relativ neu und noch nicht explizit empirisch überprüft worden. Insgesamt ist der spezifische, eigene Beitrag der Optimal-ArousalTheorie zur Erklärung der Wirkung zweiseitiger Werbung daher noch unklar (Eisend 2007; Eisend 2008).

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Abbildung 3.4 zeigt die Wirkungsmechanismen zweiseitiger Botschaften nach den Annahmen der Optimal-Arousal-Theorie, wobei hier davon ausgegangen wird, dass es sich um niedrige bis mittlere Anteile negativer Information handelt – Bereiche also, in denen Abweichungen noch als angenehm empfunden werden. Zweiseitige Botschaften erhöhen die wahrgenommene Neuartigkeit der Botschaft. Die Neuartigkeit verbessert die Einstellung zur Botschaft und lässt die Aufmerksamkeit und Motivation der Empfänger zur Informationsverarbeitung ansteigen, was sich wiederum zusätzlich positiv auf die Einstellung zur Botschaft auswirkt. Die erhöhte Aufmerksamkeit und die verbesserte Einstellung zur Botschaft wirken schließlich positiv auf die Einstellung zum Objekt. Dieses Modell kann anhand einer Meta-Analyse (Eisend 2007) jedoch nur teilweise empirisch bestätigt werden. Deren Ergebnisse zeigen keinen Einfluss von der wahrgenommenen Neuartigkeit auf die Aufmerksamkeit und Motivation zur Informationsaufnahme. Stattdessen zeigt sich, entgegen der Vorhersagen, ein negativer Einfluss der Neuartigkeit auf die Einstellung zur Botschaft, was entweder als Bestätigung für das konkurrierende Processing Fluency Modell angesehen werden kann oder aber dafür spricht, dass der negative Einfluss bei zu großen Abweichungen bedeutender ist als der positive Einfluss bei geringen bis moderaten Abweichungen. Insgesamt rechtfertigen die Ergebnisse die oben genannten Bedenken bezüglich der Anwendbarkeit der Optimal-Arousal-Theorie (Eisend 2007).

Aufmerksamkeit + Zweiseitigkeit der Botschaft

+

Neuartigkeit

+

+

+ Einstellung zum Objekt

+ Einstellung zur Botschaft

Abbildung 3.4: Wirkung von zweiseitigen Botschaften nach der Optimal-Arousal-Theorie (in Anlehung an Eisend 2007, S. 621)

Auch für die vorliegende Arbeit bietet die Optimal-Arousal-Theorie einen eher geringen Erklärungsbeitrag, da hier die Glaubwürdigkeit der Marketingkommunikation im Mittelpunkt steht und diese durch die Attributionstheorie besser abgebildet wird.

Einseitige vs. zweiseitige Botschaften in der Marketingkommunikation

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3.2.3.4 Reaktanztheorie Darüber hinaus ist eine Erklärung der Wirkung zweiseitiger Botschaften mithilfe der Reaktanztheorie (Brehm 1966) möglich, auch wenn diese Interpretation wegen ihrer eher geringen Bedeutung in neueren Arbeiten zu zweiseitiger Werbung kaum noch berücksichtigt wird (Crowley and Hoyer 1994; Eisend 2007; Eisend 2008). Die Reaktanztheorie geht davon aus, dass freie Individuen mit Reaktanz auf Druck und Zwänge reagieren, was in einer Abwehrhaltung resultiert. Sieht ein Individuum also seine Entscheidungsfreiheit durch einen Beeinflussungsversuch bedroht, reagiert es darauf, indem es der Beeinflussungssituation widersteht, um seine Freiheit wiederherzustellen (Brehm 1966). Wenn sich Individuen darüber bewusst sind, dass es zwei Perspektiven zu einem Thema gibt, dann fühlen sie sich durch einseitige Botschaften stärker unter Druck gesetzt, die in der Botschaft vertretene Position anzunehmen und reagieren darauf mit Reaktanz, wodurch eine Einstellungsänderung verhindert wird. Zweiseitige Botschaften mildern diese Reaktanz ab und erleichtern so die Überzeugungswirkung der Botschaft. Sind die Empfänger jedoch nicht über das Thema informiert und wissen daher nicht, dass es zweierlei Sichtweisen gibt, wird die einseitige Botschaft nicht als Zwang wahrgenommen und die Reaktanz bleibt aus. In diesem Fall wirken einseitige Botschaften besser, da sie weniger mehrdeutig sind (Jones and Brehm 1970). Diese Interpretation ist konsistent mit der ursprünglichen Erklärung von Hovland und Kollegen (1949) und konnte von Jones und Brehm (1970) auch experimentell belegt werden. Auch die Reaktanztheorie macht jedoch keine Aussagen zur optimalen Gestaltung und Gewichtung der verschiedenen Argumente. Die Reaktanztheorie findet als theoretische Basis für die Erklärung der Wirkung zweiseitiger Botschaften in neueren Arbeiten, Reviews oder metaanalytischen Überprüfungen kaum Beachtung (Crowley and Hoyer 1994; Eisend 2007; Eisend 2008). Auch für die vorliegende Arbeit ist sie nicht von besonderer Relevanz, da Glaubwürdigkeit in der Reaktanztheorie keine besondere Rolle spielt. 3.2.3.5 Dualprozesstheorien Grundsätzlich lässt sich aus den Dualprozesstheorien (vgl. 2.2.2) ableiten, dass für die volle Entwicklung der Wirkung zweiseitiger Botschaften hoch involvierte Empfänger notwendig sind, da die Botschaft inhaltlich verarbeitet werden muss. Nach den Aussagen des Elaboration Likelihood Models (Cacioppo and Petty 1984; Petty and Cacioppo 1986; Petty et al. 1983; Petty and Wegener 1999) können zweiseitige Botschaften die Empfänger je nach Involvement auf zweierlei Weise beeinflussen: Einerseits bei geringem Involvement durch die Anzahl der Argumente. Wenn durch die zusätzlichen negativen Informationen die Gesamtzahl der Argumente ansteigt, wirken diese als peripheral cue und erhöhen so die Glaubwürdigkeit. Das Involvement wird erhöht, wenn die negativen Informationen besonders wichtige Eigenschaften betreffen (Eisend 2008).

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Andererseits bei hohem Involvement durch die Qualität der Argumente, wobei die Glaubwürdigkeit steigt und sich positiv auf die Einstellungsänderung auswirkt, gleichzeitig aber ein gegenläufiger Effekt durch die negative Information entsteht. Wie stark die negativen Argumente die Bewertung des Produktes beeinträchtigen, ist dabei abhängig von der kognitiven Belastung der Empfänger, wobei eine starke kognitive Auslastung die negative Wirkung unterdrückt und der Trade-Off positiver ausfällt (Eisend 2008). Das Involvement kann also als wichtiger Einflussfaktor für die Wirkung zweiseitiger Werbung angesehen werden (Eisend 2008). Tabelle 3.2 fasst die unterschiedlichen Wirkungsweisen der Zweiseitigkeit in Abhängigkeit des Involvements zusammen.

Involvement niedrig

Involvement hoch

Wichtigkeit der negativen Information

Kognitive Belastung des Rezipienten

niedrig

hoch

niedrig

hoch

Anzahl der Argumente als peripherer Hinweis ist wichtig

Involvement wird erhöht

Positiver Glaubwürdigkeitseffekt, Korrektur aufgrund der negativen Information

Positiver Glaubwürdigkeitseffekt, keine Korrektur aufgrund der negativen Information

Effekt

kurzfristige Erhöhung der Einstellung

siehe hohes Involvement

kurvilinearer Effekt zwischen Negativität und Einstellung, Optimum bei niedriger bis moderater Negativität; langfristiger Einstellungseffekt

kurvilinearer Effekt zwischen Negativität und Einstellung, Optimum bei moderater bis hoher Negativität; langfristiger Einstellungseffekt

Empfehlung

Anzahl der Argumente erhöhen

siehe hohes Involvement

Niedrige bis moderate Anzahl weniger wichtiger negativer Informationen verwenden

Moderate Anzahl moderat wichtiger bis wichtiger negativer Informationen verwenden

WirkungsMechanismus

Tabelle 3.2: Wirkungsmechanismen zweiseitiger Botschaften in Abhängigkeit des Involvements (in Anlehnung an Eisend 2008, S. 321)

Bei einer empirischen Überprüfung bestehender theoretischer Ansätze zur Erklärung der Wirkung zweiseitiger Botschaften stellt Eisend (2007) fest, dass die Dualprozesstheorien sinnvoll in diese Modelle integriert werden können. Die Wirkung zweiseitiger Botschaften wurde bisher vornehmlich unter der Annahme analysiert, dass die Empfänger hoch involviert sind und die Botschaft dementsprechend aufwendig verarbeiten. Dies ist – insbesondere im Marketingkontext – jedoch nicht immer vorauszusetzen. Durch die Berücksichtigung eines alternativen Verarbeitungsweges unter niedrigem Involvement können die existierenden Modelle deutlich verbessert werden (Eisend 2007).

Zusammenfassung des dritten Kapitels

65

3.3 Zusammenfassung des dritten Kapitels Im dritten Kapitel wurde festgestellt, dass Unternehmen verschiedene Möglichkeiten haben, die Glaubwürdigkeit der Marketingkommunikation zu erhöhen. Eine Option entsteht bei der Auswahl des Kommunikationsinstruments durch den Einsatz einer per se glaubwürdigen Quelle (3.1). Eine andere Möglichkeit liegt in der Gestaltung der Botschaft durch die Verwendung zweiseitiger Kommunikation (3.2). Beide Varianten wurden sukzessive vorgestellt und die zugrunde liegenden Wirkungsmechanismen erklärt. Unter 3.1 wurden zunächst Werbung und Publicity als zwei Instrumente der Marketingkommunikation vorgestellt, die unterschiedliche Vor- und Nachteile in Bezug auf ihre Überzeugungswirkung haben. Dazu wurden die beiden Instrumente voneinander abgegrenzt, ihre Gemeinsamkeiten und Unterschiede herausgestellt sowie Zwischenformen erläutert (3.1.13.1.3). Darauf aufbauend wurden anhand des Motivation-Ability-Opportunity-Approaches die Stärken und Schwächen von Werbung und Publicity in Bezug auf die Informationsaufnahme und -verarbeitung herausgearbeitet (3.1.4). Dabei zeigte sich, dass pauschale Urteile über die grundsätzliche Überlegenheit eines der Instrumente unangebracht sind und stattdessen eine differenzierte Betrachtung und Abwägung der einzelnen Vor- und Nachteile notwendig ist. Dennoch kristallisierte sich heraus, dass Publicity durch die ihr unterstellte Neutralität einen klaren und bedeutenden Vorteil gegenüber Werbung in Bezug auf die Quellenglaubwürdigkeit hat. Ein Review über bestehende Studien, die die unterschiedliche Effektivität von Werbung und Publicity aufgrund der Quellenglaubwürdigkeit untersucht haben, bestätigt die größere Überzeugungswirkung von Publicity aufgrund der höheren Glaubwürdigkeit (3.1.5). Unter 3.2 wurde die Verwendung zweiseitiger Botschaften in der Marketingkommunikation untersucht. Die Integration negativer Informationen stellt eine Möglichkeit der Botschaftsgestaltung dar, mit der ebenfalls die Glaubwürdigkeit erhöht werden kann. Zunächst wurde ein kurzer Überblick über die Entwicklung der Erforschung zweiseitiger Botschaften gegeben (3.2.1), bevor ausführlich auf die Wirkungsweise zweiseitiger Botschaften und deren Einflussfaktoren eingegangen wurde (3.2.2). Es wurde festgestellt, dass die Wirkung zweiseitiger Botschaften durch zwei gegenläufige Prozesse geprägt ist: Einen positiven Effekt durch erhöhte Glaubwürdigkeit einerseits, andererseits einen negativen Effekt durch die nachteiligen Informationen. Zahlreiche weitere Faktoren beeinflussen diesen Trade-Off und sein Endergebnis. Dennoch wurden zweiseitige Botschaften insgesamt als effektiver und wirksamer als einseitige Botschaften beschrieben, da die Glaubwürdigkeit für die Persuasivität der Marketingkommunikation von großer Bedeutung ist. Danach wurden die bedeutendsten theoretischen Ansätze zur Erklärung der Wirkung zweiseitiger Botschaften vorgestellt (3.2.3). Dabei erwies sich die Attributionstheorie als besonders verbreiteter und gut geeigneter Ansatz. In Bezug auf die Fragestellung der vorliegenden Arbeit ließen sich aus den Überlegungen des dritten Kapitels bereits erste Annahmen und Hypothesen ableiten:

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Instrumente und Formen der Marketingkommunikation

Publicity erzeugt eine höhere Glaubwürdigkeit als Werbung (vgl. 3.1). Darüber hinaus erzeugen zweiseitige Botschaften eine höhere Glaubwürdigkeit als einseitige Botschaften (vgl. 3.2). Weiterhin wurde festgestellt, dass Glaubwürdigkeit die Überzeugungskraft von Botschaften erhöht (vgl. 2.1.4). Der Einsatz von Publicity und die Verwendung zweiseitiger Botschaften stellen also alternative Möglichkeiten zur Erhöhung der Persuasivität der Marketingkommunikation dar. Zweiseitige Botschaften sowie Botschaften, die durch Publicity übermittelt werden, entwickeln eine stärkere Wirkung auf die Einstellung der Empfänger. Bei Werbung wird eine einseitig positive Darstellung erwartet, wodurch nach den Aussagen der Attributionstheorie (vgl. 2.2.3 sowie 3.2.3.1) ein Verhalten entgegen dieser Erwartung die Glaubwürdigkeit stark erhöht. So lässt sich schlussfolgern, dass zweiseitige Werbung glaubwürdiger ist als einseitige Werbung. Einseitige Werbung bestätigt die Vermutungen und führt zu geringer Glaubwürdigkeit. Werden die Aussagen der Attributionstheorie (vgl. 2.2.3) mit den Erkenntnissen bezüglich Werbung und Publicity (vgl. 3.1) sowie einseitiger und zweiseitiger Kommunikation (vgl. 3.2) kombiniert, so lässt sich vermuten, dass sich der glaubwürdigkeitssteigernde Effekt der Zweiseitigkeit vornehmlich auf Werbung bezieht. Da bei Publicity kein Eigeninteresse vorliegt und daher kein reporting bias erwartet wird, führen zweiseitige Botschaften hier nicht zu einer (nennenswerten) Erhöhung der Glaubwürdigkeit. Bei Publicity ist die Glaubwürdigkeit bei einseitigen und zweiseitigen Botschaften daher (annähernd) gleich. Beim Vergleich von Werbung und Publicity führt die Zweiseitigkeit der Botschaft folglich dazu, dass sich die Glaubwürdigkeit und damit auch die Persuasivität der beiden Kommunikationsformen angleichen. Die Zweiseitigkeit der Werbung kann also das Glaubwürdigkeitsdefizit gegenüber Publicity (zumindest teilweise) ausgleichen. Bei der Verwendung zweiseitiger Botschaften gleichen sich die Wirkungen von Werbung und Publicity an, da Werbung durch die Verwendung zweiseitiger Botschaften an Glaubwürdigkeit gewinnt, während sich bei Publicity die Glaubwürdigkeit durch die Verwendung zweiseitiger Botschaften nicht weiter verbessert. Neben den geschilderten Wirkungen und Wechselwirkungen von Quelle (Werbung vs. Publicity) und Botschaftsgestaltung (einseitig vs. zweiseitig) sind für die vorliegende Arbeit auch die langfristigen Wirkungsentwicklungen von Interesse. Deshalb wird im folgenden Kapitel die Entwicklung der Glaubwürdigkeit und der Überzeugungswirkung der Kommunikation im Zeitablauf betrachtet.

4

Die Entwicklung der Persuasionswirkung im Zeitablauf

Die Überzeugungskraft von Kommunikation bleibt im Zeitablauf nicht konstant, sondern ist dynamischen Prozessen und Veränderungen unterworfen. Die Erinnerung und Vergessensprozesse seitens des Empfängers spielen dabei eine bedeutende Rolle und können sich auf verschiedene Komponenten der Kommunikation beziehen. Im folgenden Kapitel sollen die theoretischen Grundlagen der Wirkung der Variable Zeit auf die Persuasivität näher beleuchtet werden. Vergessensprozesse sind deshalb relevant, weil die Erinnerung bzw. die Verfügbarkeit einer Information eine wichtige Voraussetzung für deren Überzeugungswirkung ist. Da für die vorliegende Arbeit die Wirkung der Glaubwürdigkeit in der Marketingkommunikation im Mittelpunkt steht, werden zunächst Vergessensprozesse in Bezug auf die Botschaft und in Bezug auf die Quelle der Botschaft, sowie deren Auswirkungen auf die Überzeugungskraft, betrachtet. Danach wird der Sleeper Effect als ein besonderes Phänomen der Wirkung persuasiver Botschaften im Zeitablauf vorgestellt.

4.1 Erinnerung und Vergessensprozesse bei der Wirkung persuasiver Kommunikation 4.1.1 Erinnerung an die Botschaft Die Wirkungsentwicklung der Botschaft im Zeitablauf ist von verschiedenen Faktoren abhängig. Dabei spielt die Erinnerung an die Botschaft eine bedeutende Rolle, da die Abrufbarkeit und Verfügbarkeit der Botschaftsinhalte Voraussetzung für deren Persuasivität ist. Die Erforschung der Erinnerung lässt sich bis auf Ebbinghaus zurückverfolgen, der bereits 1885 untersuchte, wie schnell gelernte Informationen wieder vergessen werden und daraus die Vergessenskurve ableitete (Ebbinghaus 1966). Insbesondere in der Psychologie wurden Vergessensund Merkprozesse sowie die entsprechenden Gedächtnissysteme ausführlich erforscht. Auch die noch junge Forschungsrichtung der Neuropsychologie liefert hierzu neue Erkenntnisse. In der Marketingforschung findet das Thema weniger starke Beachtung, doch auch hier setzen sich einige Forscher intensiv mit dem Thema und seinen Auswirkungen auf das Konsumentenverhalten auseinander (z.B. Bettman 1979; Braun 1999; Hall 2002; Kroeber-Riel and Weinberg 2003, S. 360-367; Zaltman 2003). Aufgrund der Komplexität dieses Themenbereichs kann im Rahmen der vorliegenden Arbeit nur auf einige ausgewählte Aspekte eingegangen werden. Für weiterführende Betrachtungen sei auf die einschlägige Literatur verwiesen. Bei der Frage, wie der Abruf von Informationen aus dem Gedächtnis funktioniert, lassen sich die reproduktive Sichtweise und die rekonstruktive Sichtweise der Erinnerung unterscheiden (Braun-Latour and Zaltman 2006). Die traditionelle reproduktive Sichtweise geht davon aus,

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Die Entwicklung der Persuasionswirkung im Zeitablauf

dass Informationen im Gedächtnis gespeichert werden und bei einem späteren Abruf exakt reproduziert und wiedergegeben werden können, wobei die Erinnerung, sobald sie ins Langzeitgedächtnis übernommen wurde, immer wieder identisch ist und sich nicht verändert (Bettman 1979; Hunter 1968). Im Gegensatz dazu geht die rekonstruktive Sichtweise, deren Anfänge sich bis ins frühe zwanzigste Jahrhundert zurückverfolgen lassen (Bartlett 1932), davon aus, dass bei jedem Abruf von Erinnerungen die im Gedächtnis vorliegenden Informationen wiederholt verarbeitet und neu rekonstruiert werden. Dadurch sind Erinnerungen dynamisch und kontextabhängig, das heißt, dass die Erinnerungen bei mehrmaligem Abruf je nach Situation und Zeitpunkt unterschiedlich ausfallen können (Belli et al. 1994; Braun 1999; Braun and Zaltman 1998; Hall 2002; Schacter 2002). Diese Variation der Erinnerung kann unterschiedliche Ausmaße annehmen und erfolgt unbewusst (Loftus and Pickrell 1995). In Bezug auf die Wirkung von persuasiven Botschaften bedeutet dies, dass die dort übermittelten Informationen die Erinnerungen der Empfänger verändern können, ohne dass sich diese darüber bewusst sind. Diese Internalisierung der Information stellt eine starke und stabile Beeinflussung der Einstellungen dar (Braun-Latour and Zaltman 2006; Braun 1999; Hall 2002). Der Einfluss der Erinnerung auf die Einstellungsbildung und Einstellungsänderung wird in diversen Modellen analysiert. Auch hier lassen sich zweierlei Sichtweisen unterscheiden. Die traditionelle Sichtweise begreift Einstellungen als einheitliche, andauernde und stabile Prädispositionen (Eagly and Chaiken 1993), während die kontruktivistische Sichtweise aufgrund der häufig auftretenden zeitlichen Instabilität von Einstellungen davon ausgeht, dass Einstellungen nicht abgerufen, sondern in Abhängigkeit des jeweiligen Kontexts rekonstruiert werden (Schwarz and Bohner 2001). Cohen und Reed (2006) entwickeln ein neues Modell, welches die Prozesse der Einstellungsbildung und -änderung, der Speicherung, des Abrufs sowie der Verhaltenswirksamkeit von Einstellungen betrachtet. Dabei integrieren sie verschiedene Ansätze der früheren Einstellungsforschung und bieten Lösungsvorschläge für bisherige Inkosistenzen und Unklarheiten (Cohen and Reed 2006). Dieser wegweisende Beitrag ist Auslöser für eine aktuelle Diskussion innerhalb der Einstellungsforschung (Johar et al. 2006; Lynch 2006; Park and MacInnis 2006; Schwarz 2006). In diesem Zusammenhang werden auch die Auswirkungen von Motivation, Kognition und impliziten Prozessen auf Erinnerung, Affekt und Persuasivität thematisiert und ausgewertet (Johar et al. 2006). Hier wird unter anderem bestätigt, dass die abrufbare Erinnerung nicht immer durch das Wiederfinden von im Gedächtnis gespeicherten Informationen entsteht, sondern teilweise auch sinnvoll erscheinende Antworten konstruiert werden. Darüber hinaus wird auch die Möglichkeit einer unbewussten, impliziten Beeinflussung der Empfänger eingeräumt, wobei keine explizite Erinnerung an die persuasive Botschaft selbst besteht. Weitere Erkenntnisse beziehen sich unter anderem auf die Wirkung des

Erinnerung und Vergessensprozesse bei der Wirkung persuasiver Kommunikation

69

Involvements, des Wissensstands und der Stimmung der Botschaftsempfänger auf deren Erinnerung (Johar et al. 2006). Die Beziehung zwischen Erinnerung und Beurteilung einer Information wird in verschiedenen Modellen abgebildet. Dabei lassen sich drei Klassen feststellen: Modelle, die von Unabhängigkeit zwischen Erinnerung und Beurteilung ausgehen, Modelle in denen die Erinnerung die Beurteilung beeinflusst und solche, in denen die Beurteilung die Erinnerung beeinflusst (Hastie and Park 1986). Unabhängigkeit zwischen Erinnerung und Beurteilung wird von Anderson (1981; 1963) in der Two-Memory-Hypothesis postuliert, wobei davon ausgegangen wird, dass der Abruf von gespeicherten Informationen und die Bewertungsprozesse simultan und unabhängig voneinander ablaufen, da sie auf unterschiedlichen Gedächtnissystemen basieren (Anderson 1981; Anderson and Hubert 1963). Eine Beeinflussung der Beurteilung durch die Erinnerung wird von den Availability-Modellen angenommen. Danach bestimmt die Verfügbarkeit und Abrufbarkeit einer Information die Beurteilung. Informationen werden zunächst verarbeitet und im Gedächtnis gespeichert. Die Beurteilung findet erst später auf Basis der gespeicherten und abrufbaren Information statt. Durch selektive Erinnerung ist der Input für die Beurteilung verzerrt, wodurch die Beurteilung entsprechend der verfügbaren Erinnerung ausfällt (Tversky and Kahneman 1973). Die folgenden Modelle gehen von einem Einfluss der Beurteilung auf die Erinnerung aus: Nach den Biased Retrieval-Modellen finden Informationsspeicherungs- und Beurteilungsprozesse zwar unabhängig und zeitgleich statt, bei späterer Abfrage der Erinnerung dient die Beurteilung jedoch als Hilfestellung, die relevante Information wiederzufinden. So verzerrt die betroffene Beurteilung den Abruf der Information und führt zu einer selektiven, die Beurteilung bestätigenden Erinnerung (Leamer 1975; Leamer 1974; Snyder and Uranowitz 1978). Bei den Biased Encoding-Modellen wird der verzerrende Einfluss der Beurteilung dagegen schon in der Phase der Informationsverarbeitung angenommen. Die vorliegenden Informationen resultieren in einer anfänglichen Beurteilung, welche dann als Filter für die weitere Informationsaufnahme- und verarbeitung wirkt und beurteilungskongruente Informationen bevorteilt, wodurch bei späterem Abruf der Erinnerung diese entsprechend der Beurteilung verzerrt ist (Berman et al. 1983). Denselben Einfluss, jedoch in entgegengesetze Richtung, unterstellt das IncongruityBiased-Encoding-Modell. Danach wird Information, die der anfänglichen Beurteilung zuwider läuft, intensiver verarbeitet und wird daher besser erinnert (Hastie 1984; Hastie and Kumar 1979; Srull 1981; Srull et al. 1985). Die Widersprüchlichkeit der Vorhersagen dieser Modelle lässt sich nach Hastie und Park (1986) auflösen, wenn zwischen erinnerungsgestützen (memory-based) und selbständig stattfindenden (on-line) Beurteilungsaufgaben unterschieden wird. Erstere erfordern zwingend den Abruf gespeicherter Informationen für die Beurteilung, was tatsächlich eher die Ausnahme darstellt, und lassen sich durch die Availability-Modelle erklären. Letztere erfolgen direkt, spontan und unmittelbar in Reaktion auf die aufgenommenen Informationen und stellen die typischere Variante dar. Diese Art der Beurteilung kann durch jedes der anderen vier vorgestellten Modelle erklärt werden, weshalb sich die

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Die Entwicklung der Persuasionswirkung im Zeitablauf

Beziehung zwischen Erinnerung und Beurteilung hier nicht klar vorhersagen lässt (Hastie and Park 1986). Ein weiterer Aspekt, der die Erinnerung an die Botschaft beeinflusst, ist die Kongenialität der Botschaft, also ob die Botschaft mit den bisherigen Meinungen und Einstellungen des Empfängers übereinstimmt. Nach der Congeniality Hypothesis werden Botschaften besser erinnert, wenn sie die bestehenden Einstellungen der Empfänger bestätigen (Eagly et al. 1999, S. 64). Dies wird in der sozialpsychologischen Literatur damit begründet, dass Individuen grundsätzlich bemüht sind, ihr Meinungsbild gegen Angriffe und Störungen zu verteidigen. Inkonsistente Inhalte werden daher beim Informationsverarbeitungsprozess ausgespart, indem sie vermieden, nicht beachtet, umgedeutet und schlecht behalten werden (Eagly and Chaiken 1993; Festinger 1957). Der Informationsverarbeitungsprozess der Individuen ist also durch selektive Wahrnehmung geprägt. Als zugrunde liegender kognitiver Mechanismus wird vermutet, dass die bestehenden Einstellungen eines Individuums Schemata bilden, welche die Informationsverarbeitung beeinflussen. Da die inkonsistenten Informationen schlecht zu den bestehenden Strukturen und Schemata passen, können sie weniger gut gelernt und abgerufen werden. Im Zeitablauf entstehende Erinnerungslücken werden durch einstellungsstrukturkonforme Inhalte aufgefüllt, so dass die inkonsistenten Informationen verloren gehen und allmählich durch bestätigende Inhalte ersetzt werden (Eagly et al. 1999). Diese Sichtweise wird allerdings auch als zu einfach kritisiert. Stattdessen wäre auch denkbar, dass Informationen, die den bestehenden Einstellungen widersprechen, besonders aufmerksam aufgenommen, verarbeitet und dadurch sehr gut erinnert werden, ohne jedoch zu überzeugen (Eagly et al. 1999; Eagly et al. 2001; Edwards and Smith 1996). Dafür ist allerdings ein hohes Maß an Motivation und Fähigkeit zur Informationsverarbeitung erforderlich, so dass bei geringem Involvement der Empfänger die Congeniality Hypothesis durchaus zutreffend ist (Eagly et al. 2001). Die Verzerrung zugunsten positiver Informationen ist ein weiterer Aspekt der Erinnerungsleistung, der im Zusammenhang mit der Wirkung zweiseitiger Botschaften im Zeitablauf von Bedeutung ist. Evans (1989) spricht von einem Positivity Bias und beschreibt damit die Tendenz der Individuen, Informationen selektiv aufzunehmen, wobei positive Informationen bevorzugt werden. Es ist daher zu erwarten, dass sich der Vorteil positiver Informationen bei der Informationsaufnahme später in einer besseren Erinnerungsleistung niederschlägt. In Bezug auf die Wirkung persuasiver Botschaften im Zeitablauf lässt sich also festhalten, dass aktuellere Modelle davon ausgehen, dass die Erinnerung an Botschaftsinhalte dynamisch ist und sich je nach Situation des Informationsabrufs verändern kann. Dabei kann die Erinnerung an eine Information auch durch die Bewertung der Inhalte beeinflusst und verzerrt werden. Andererseits kann auch die Erinnerung die Bewertung bestimmen. Einstellungen sind ebenfalls nicht so stabil, wie in traditionellen Modellen unterstellt wird, sondern werden situationsbedingt konstruiert. Vor diesem Hintergrund wird vermutet, dass die Wirkung zweiseitiger Botschaften im Zeitablauf nicht konstant bleibt, sondern Veränderungen unterworfen ist.

Erinnerung und Vergessensprozesse bei der Wirkung persuasiver Kommunikation

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Nach einiger Zeit verblasst die Erinnerung an die konkreten Botschaftsinhalte. Bei verzögerter Abfrage der Botschaftsinformationen wird die Erinnerung daran also nicht vollkommen identisch wieder abgerufen, sondern stattdessen rekonstruiert. Positive Informationen werden aufgrund des Positivity Bias bevorzugt. Außerdem sind sie im Marketing üblicher und stimmen daher eher mit den Meinungen und Erwartungen der Empfänger überein. Nach den Aussagen der Congeniality Hypothesis werden diese daher besser erinnert. So fällt die Erinnerung an die zweiseitigen Botschaften positiver aus, wodurch sich einseitige und zweiseitige Botschaften in der Erinnerung der Empfänger im Zeitablauf angleichen. Auch die Einstellung der Empfänger wird bei verzögerter Abfrage neu rekonstruiert. Der Vorteil zweiseitiger Botschaften gegenüber einseitigen Botschaften, insbesondere die höhere Glaubwürdigkeit, ist daher nicht dauerhaft haltbar und die Wirkung beider Botschaftstypen gleicht sich an. Aus dieser Annahme und den Erkenntnissen aus 3.2 lässt sich folgende Hypothese bezüglich der zeitlichen Wirkungsentwicklung zweiseitiger Botschaften ableiten, die im weiteren Verlauf der Arbeit empirisch überprüft werden soll: Zweiseitige Botschaften (vs. einseitige Botschaften) führen kurzfristig zu einer stärkeren (vs. schwächeren) positiven Einstellung zur Botschaft als langfristig.

4.1.2 Erinnerung an die Quelle Damit die Quellenmerkmale die Überzeugungskraft von kommunikativen Botschaften beeinflussen können, müssen sich die Empfänger zunächst an die Quelle erinnern. Die korrekte Erinnerung und Abrufbarkeit der Quelleninformation ist also notwendig für deren Wirkung. Mit Vergessensprozessen bei der Erinnerung an die Quelle einer Botschaft setzt sich insbesondere die psychologische Forschung auseinander. Einen Review zur Erinnerung und zum Vergessen von Quelleninformationen bieten Johnson und Kollegen (Johnson et al. 1993). In der einschlägigen Literatur beschreibt das Quellengedächtnis die Teile des Gedächtnisses, in dem Informationen über den Absender und den Kontext einer Botschaft verwaltet werden (Johnson et al. 1993, S. 3; Meiser and Bröder 2002S. 116). Dies ist vom Gedächtnis für die Botschaft, auch Faktengedächtnis genannt, zu unterscheiden (Johnson et al. 1993; Jurica and Shimamura 1999, S. 648). Quelle und Botschaft werden also in unterschiedlichen Gedächtnissystemen abgespeichert: Quelleninformationen im episodischen Gedächtnis, Botschaftsinhalte dagegen im semantischen Gedächtnis (Jurica and Shimamura 1999, S. 648; Schacter et al. 1994, S. 1; Shimamura and Squire 1991, S. 1). Das erklärt auch, warum es passieren kann, dass man sich zwar an die Aussagen einer Botschaft, nicht jedoch an deren Absender erinnern kann (Blümelhuber and Schnitzer 2006; Shimamura and Squire 1991). Diese Trennung der Erinnerung von Botschaft und Quelle wird in der psychologischen Literatur vor allem als Folge von Hypnose, Amnesie oder Alterung erforscht (Glisky et al. 2001; Schacter et al. 1991; Shimamura and Squire 1987), lässt sich aber durchaus auch in alltäglichen Situationen beobachten (Blümelhuber and Schnitzer 2006; Shimamura and Squire 1991) und wurde in-

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Die Entwicklung der Persuasionswirkung im Zeitablauf

nerhalb der Marketingforschung dokumentiert (Law 1995; Law 1998; Law et al. 1998). Dabei wurde festgestellt, dass die Erinnerung an die Quelle häufig schneller verschwindet und anfälliger ist für Vergessen als die Erinnerung an die Botschaft (Glisky et al. 2001; Schacter et al. 1984; Schacter et al. 1991). Ursächlich für die Probleme beim Abruf der zur Information gehörenden Quelle sind die damit einhergehenden, deutlich erhöhten kognitiven Anforderungen an den Empfänger (Johnson et al. 1993). Das Vergessen der Quelleninformation, auch wenn die Inhalte der Botschaft noch erinnert werden, wird in der Psychologie unter dem Sammelbegriff Source Memory Failures oder auch Fehler des Quellengedächtnisses erforscht. Dabei werden vor allem die Quellenamnesie und das Quellenvergessen als mögliche Fehler unterschieden (Blümelhuber and Schnitzer 2006). Die Quellenamnesie wird auch als Situationsvergessen beschrieben. In diesem Fall kann sich der Empfänger an den gesamten Kontext der Informationsaufnahme nicht mehr erinnern. Neben dem Absender ist also auch die Situation der Kommunikation vom Vergessen betroffen, während die Inhalte selbst jedoch noch abrufbar sind. Dieses Phänomen tritt vor allem aufgrund von Alterungsprozessen und Amnesien, oder aber auch infolge von Hypnose auf (Evans 1979; Schacter et al. 1984; Shimamura and Squire 1987; Spencer and Raz 1994). Beim Quellenvergessen wird neben den Botschaftsinhalten auch die Situation der Informationsaufnahme erinnert. Vom Vergessen ist hier nur die Quelle bzw. der Absender der Botschaft betroffen. Daher wird hier auch von Absendervergessen gespochen. Dieser Fehler des Quellengedächtnisses kommt auch bei jungen, gesunden Botschaftsempfängern vor und wird mit zunehmender Zeitverzögerung zwischen Informationsaufnahme und Erinnerungsmessung gravierender (Schacter et al. 1984; Shimamura and Squire 1991). Eine Gegenüberstellung von Quellenvergessen und Quellenamnesie findet sich in einer Studie von Schacter und Kollegen (1984). Im Zusammenhang mit der Marketingforschung ist das Quellenvergessen eher von Relevanz als die Quellenamnesie, da das Quellenvergessen auch unter normalen Umständen bei gesunden Konsumenten jeden Alters auftreten kann, während die Quellenamnesie eher bei Personenkreisen und in Situationen entsteht, die für den Marketingkontext untypisch und wenig interessant sind. Durch das Vergessen der Quelle gehen auch die Quellenmerkmale als Zusatzinformation verloren. Wenn eine Information nicht mehr der richtigen Quelle zugeordnet werden kann, beeinflusst das auch die Glaubwürdigkeit dieser Information und damit deren Überzeugungswirkung. So entwickelt ein Bericht über Geldanlagemöglichkeiten eine andere Wirkung, je nachdem, ob ihm als Quelle eine seriöse Fachzeitschrift oder aber ein Modemagazin zugeschrieben wird. Ebenso wirkt ein positiver Produktbericht stärker auf die Einstellung zum Produkt, wenn er der Stiftung Warentest anstelle des anbietenden Unternehmens zugeordnet wird. Aus diesen Überlegungen ergibt sich die Relevanz von Fehlern des Quellengedächtnisses für das Marketing: Durch das Quellenvergessen kann die Glaubwürdigkeit ei-

Erinnerung und Vergessensprozesse bei der Wirkung persuasiver Kommunikation

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ner Botschaft, und damit die Effektivität der Marketingkommunikation, sowohl positiv als auch negativ verändert werden (Blümelhuber and Schnitzer 2006). Blümelhuber und Schnitzer (2006) bestätigen die hohe Relevanz von Fehlern des Quellengedächtnisses im Zusammenhang mit der Marketingkommunikation. In einer Studie untersuchen sie die genaue Wirkungsweise und stellen fest, dass eine hohe Bekanntheit der Quelle (z.B. bekannte Testimonials) das Quellenvergessen vermindert, hohes Involvement mit der Produktkategorie dagegen die Erinnerung an die Botschaft stärkt und gleichzeitig die Erinnerung an die Quelle schwächt. Darüber hinaus bestätigen sie, dass Fehler des Quellengedächtnisses mit wachsender Zeitverzögerung zwischen Informationsaufnahme und Erinnerungsmessung zunehmen. Bei den Konsequenzen für das Marketing ist zu unterscheiden, ob es sich aus Sicht des Unternehmens um intendierte (für das Unternehmen positive) oder nichtintendierte (für das Unternehmen negative) Botschaften handelt und wie hoch die Glaubwürdigkeit der zugeschriebenen Quelle ist. Eine intendierte Botschaft aus glaubwürdiger Quelle verliert durch das Quellenvergessen ihre ursprünglich hohe Glaubwürdigkeit und büßt daher Wirksamkeit ein. Das Quellenvergessen hat hier also nachteilige Konsequenzen, denen das Unternehmen durch erinnerungsstärkende Maßnahmen begegnen könnte. In anderen Situationen können Fehler des Quellengedächtnisses aber auch positiv für das Unternehmen sein, nämlich wenn glaubwürdige Quellen nicht-intendierte Botschaften übermitteln oder wenn intendierte Botschaften durch unglaubwürdige Quellen transportiert werden (Blümelhuber and Schnitzer 2006). Insgesamt kann festgehalten werden, dass das Phänomen des Quellenvergessens die langfristige Bedeutung der Quellenmerkmale herabsetzt. So können auch unglaubwürdige Quellen als Botschaftsübermittler im Rahmen der Marketingkommunikation attraktiv sein. Andererseits bedeutet dies jedoch, dass diskreditierende Informationen über das Unternehmen und seine Leistungen auch dann Schaden anrichten können, wenn sie aus sehr unglaubwürdigen Quellen stammen (Blümelhuber and Schnitzer 2006). Trotz der gerade dargelegten Relevanz des Quellenvergessens für das Marketing widmet sich die einschlägige Literatur diesem Thema nicht allzu umfassend (Blümelhuber and Schnitzer 2006). Innerhalb der Marketingforschung werden Fehler des Quellengedächtnisses unter anderem im Zusammenhang mit der Missattribution von Quellen thematisiert und erforscht. Bei der Missattribution von Quellen kann sich der Empfänger nicht mehr an die tatsächliche Quelle der Information erinnern und schreibt ihr daher eine Quelle zu, die ihm aufgrund seiner Vermutungen und Erfahrungen plausibel erscheint (Bornstein 1999, S. 162 ff.). Law und Kollegen haben die Missattribution von Quellen und deren Folgen in mehreren Studien untersucht (Law 1995; Law 1998; Law et al. 1998). Dabei musste festgestellt werden, dass Missattributionen von Quellen sehr häufig vorkommen und starke Auswirkungen auf die Beurteilung der Botschaft haben, da die Individuen ihre irrtümlichen Quellenzuschreibungen kaum anzweifeln und großes Vertrauen darin haben (Law 1998). In diesem Zusammenhang spielt der Truth Effect eine bedeutende Rolle. Dieser besagt, dass Individuen Aussagen als zutreffender und wahrhaftiger beurteilen, wenn sie bereits zuvor mit diesen konfrontiert wurden, da

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Die Entwicklung der Persuasionswirkung im Zeitablauf

die Wiederholung zu einer gewissen Vertrautheit (Familiarity) führt (Arkes et al. 1991; Arkes et al. 1989; Bacon 1979; Hasher et al. 1977; Hawkins and Hoch 1992). Grundsätzlich sind Konsumenten aller Altersklassen von der Missattribution von Quellen und dem Truth Effect betroffen, jedoch sind ältere Personen hierfür noch anfälliger als junge Menschen (Law et al. 1998). Der Truth Effect beeinflusst die Wirkung von Werbung. Beispielsweise konnte Law (1995) zeigen, dass imitierende Werbung glaubwürdiger erscheint, wenn sie fälschlicherweise der ursprünglichen Originalquelle der Werbung zugeschrieben wird. Wenn die Empfänger bereits mit der Originalwerbung vertraut sind und mit einer imitierenden Werbung konfrontiert werden, diese aber fälschlicherweise der Originalquelle zuschreiben, wird die Glaubwürdigkeit der imitierenden Werbung durch die Vertrautheit mit der Originalwerbung erhöht (Law 1995). Die Forschung zum Sleeper Effect ist ein weiteres Gebiet innerhalb der Marketingforschung, für das Fehler des Quellengedächtnisses von Relevanz sind (Blümelhuber and Schnitzer 2006). Da der Sleeper Effect für die vorliegende Arbeit von besonderer Bedeutung ist, wird er im folgenden Abschnitt ausführlicher dargestellt.

4.2 Der Sleeper Effect 4.2.1 Definition und Abgrenzung Ein Sleeper Effect beschreibt grundsätzlich einen Effekt, der erst nach einiger Verzögerung sichtbar wird. Große Bekanntheit in den Forschungsgebieten der Psychologie, der Kommunikationsforschung und auch der Marketingforschung hat ein spezieller Sleeper Effect erreicht, welcher die verzögerte Einstellungsänderung aufgrund einer überzeugenden Nachricht beschreibt und in der relevanten Literatur daher verallgemeinernd als der Sleeper Effect bezeichnet wird (Greenwald et al. 1986; Gruder et al. 1978). Typischerweise entfalten überzeugende Nachrichten ihren Einfluss auf die Einstellung unmittelbar nach Präsentation der Nachricht am stärksten und verlieren ihre Wirkung im Zeitablauf (Priester et al. 1999, S. 28). Geht die Nachricht jedoch mit einem discounting cue einher, lässt sich anfangs keine Einstellungsänderung durch die Nachricht feststellen. Unter einem discounting cue wird ein Verweis im Zusammenhang mit der Botschaft verstanden, welcher die Glaubwürdigkeit der Kommunikation in Frage stellt, z.B. eine Information über eine unglaubwürdige Quelle der Nachricht oder ein Warnhinweis (Gruder et al. 1978, S. 1062). Je mehr Zeit vergeht, umso stärker wird die Wirkung der Nachricht. Allgemein kann diese Wirkungsverzögerung dadurch erklärt werden, dass der discounting cue den überzeugenden Einfluss des eigentlichen Inhalts der Nachricht unterdrückt, da der Empfänger die Nachricht nun für unglaubwürdig hält. Im Zeitablauf lässt der Einfluss des discounting cue nach und die Wirkung des Nachrichteninhalts wird frei, was sich in einer verzögerten Einstellungsänderung zugunsten der in der Botschaft vertretenen Meinung äußert (Gruder et al. 1978).

Der Sleeper Effect

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Der Sleeper Effect wurde von den verschiedenen Forschern nicht immer einheitlich definiert. Ein Vergleich verschiedener Definitionen sowie ein Vorschlag für eine konsistente Interpretation findet sich bei Capon und Hulbert (1973). In der ursprünglichen Definition von Hovland und Kollegen (1949) wird der Sleeper Effect beschrieben als zeitlich verzögerte Einstellungsänderung in Richtung der in der Botschaft vertretenen Meinung. Andere Forscher schließen sich dieser Definition an “The term sleeper effect refers to the finding that a persuasive message has a greater delayed than initial impact on subjects’ attitudes.“ (Gruder et al. 1978, S. 1061) und ergänzen sie teilweise „…the sleeper effect occours when opinion change in the direction of the untrustworthy communicator’s position is larger after a lapse of time than immediately after the communication” (Whittaker and Meade 1968, S. 108). In anderen Arbeiten wird jedoch, abweichend von den oben genannten Definitionen, davon ausgegangen, dass der Sleeper Effect vorliegt, „…if following exposure to a communication the loss of effectiveness with the passage of time is less for a group influenced by a discounting factor than for one not receiving this additional treatment.” (Weiss 1953, S. 173). Nach dieser Definition ist also ein unterschiedlich starker Effektivitätsverfall zweier Gruppen charakteristisch für den Sleeper Effect. Ein signifikantes, verzögertes Ansteigen der Überzeugungswirkung ist hier also im Gegensatz zu den davor wiedergegebenen Definitionen nicht erforderlich (vgl. auch Schulman and Worrall 1970, S. 371). Wie die Unterschiede in den Definitionen zeigen, lassen sich verschiedene Ausprägungen des Sleeper Effects unterscheiden. Von einem absoluten Sleeper Effect spricht man, wenn die Wirkung der Nachricht mit discounting cue bei sofortiger Messung gleich null ist, sich also nicht von der Kontrollgruppe (gar keine Nachricht) unterscheidet, während eine Nachricht ohne discounting cue eine deutlich positive Wirkung entfaltet. Bei verzögerter Messung steigt die Wirkung der Nachricht mit discounting cue deutlich über das Level der Kontrollgruppe an und gleicht schließlich dem im Zeitablauf gesunkenen Einfluss der Nachricht ohne discounting cue. Wesentliches Kriterium ist ein signifikant höherer Anstieg der Einstellungsänderung bei der discounting cue-Gruppe verglichen mit der Kontrollgruppe. Der absolute Sleeper Effect entspricht der oben dargestellten, ursprünglichen Definition des Sleeper Effects (Hovland et al. 1949). In den meisten nachfolgenden Studien wurde allerdings der relative Sleeper Effect operationalisiert (Gillig and Greenwald 1974; Gruder et al. 1978; Kumkale and Albarracin 2004), welcher dem zweiten Typ von Definition entspricht (s.o). Ein relativer Sleeper Effect fällt weniger deutlich aus: Hier unterscheidet sich auch bei verzögerter Messung die Wirkung der Nachricht mit discounting cue nicht signifikant von der Kontrollgruppe. Die relative Annäherung der Einflussstärke beider Nachrichten entsteht also aus dem Wirkungsverfall der Nachricht ohne discounting cue, welcher wesentlich stärker ausfällt als in der discounting cue-

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Die Entwicklung der Persuasionswirkung im Zeitablauf

Gruppe. Interaktionseffekte zwischen Glaubwürdigkeit der Quelle und Messzeitpunkt kennzeichnen den relativen Sleeper Effect (Gruder et al. 1978, S.1062 f.). Wenn dagegen die Wirkung der Nachricht mit discounting cue bei sofortiger Messung deutlich negativ ist und mit der Zeit auf das Level der Kontrollgruppe ansteigt, handelt es sich genaugenommen nicht um einen Sleeper Effect, sondern um einen Nonpersisting Boomerang Effect (Kumkale and Albarracin 2004). Dieser wird im Folgenden nicht weiter betrachtet. Abbildung 4.1 zeigt die Wirkungsverläufe der drei geschilderten Varianten.

Einstellungsänderung

Einstellungsänderung

Zeit Absoluter Sleeper Effect

Legende:

Gruppe mit discounting cue

Einstellungsänderung

Zeit Relativer Sleeper Effect

Gruppe ohne discounting cue

Zeit NonpersitingBoomerang Effect

Kontrollgruppe

Abbildung 4.1: Absoluter Sleeper Effect, relativer Sleeper Effect und Nonpersisting Boomerang Effect (in Anlehnung an Kumkale and Albarracin 2004, S. 145)

4.2.2 Erklärungsansätze für den Sleeper Effect Für den konkreten Ablauf und die Erklärung dieses Phänomens wurden im Zeitablauf verschiedene Hypothesen aufgestellt. Ein kritischer, allerdings auch schon etwas älterer Überblick über die Entwicklung der verschiedenen Interpretationen findet sich bei Greenwald und Kollegen (1986). Eine aktuellere Zusammenfassung verschiedener Erklärungsversuche bietet die Meta-Analyse von Kumkale und Albarracin (2004). 4.2.2.1 Forgetting Hypothesis und Dissociation Hypothesis Das erste Mal wurde der Sleeper Effect 1949 durch Hovland, Lumsdaine und Sheffield beobachtet und dokumentiert. Sie beobachteten, dass der Einfluss eines gezeigten PropagandaFilms stärker war, wenn die Empfänger neun Wochen später nach ihren Meinungen befragt

Der Sleeper Effect

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wurden, als wenn die Einstellungsmessung bereits fünf Tage später erfolgte. Hovland und Kollegen (1949) schlugen anfangs vier mögliche Interpretationen für diese verzögerte Wirkungsentwicklung vor, von denen die Forgetting Hypothesis als erste Erklärung des Sleeper Effects für die weitere Forschung relevant wurde. Die Forgetting Hypothesis besagt, dass die unglaubwürdige Quelle die Wirkung des Inhalts anfangs unterdrückt. Im Zeitablauf wird die Quelleninformation vergessen, während die Inhalte der Botschaft noch erinnert werden. Dann kann die Botschaft ihre überzeugende Wirkung entfalten und es kommt zu einer verzögerten Einstellungsänderung in Richtung der in der Botschaft vertretenen Meinung (Hovland et al. 1949). Diese Hypothese musste verworfen werden, als Hovland und Weiss (1951) in ihren Studien feststellten, dass die Versuchspersonen bei gezieltem Nachfragen durchaus auch bei verzögerter Messung noch in der Lage waren, die Quelle zu benennen. Hovland und Weiss (1951) formulierten daraufhin die Dissociation Hpothesis, welche in weiteren Studien der Forscher bestätigt wurde. Im Gegensatz zur Forgetting Hypothesis sieht sie die Ursache für den Sleeper Effect in der Dissoziation von Quelle und Inhalt der Nachricht. Das heißt, die Assoziation zwischen Quelle und Inhalt bricht im Zeitablauf zusammen. Es sind zwar beide Informationen weiterhin im Gedächtnis verfügbar, sie werden aber nicht mehr automatisch gemeinsam abgerufen. So wird – analog zur Forgetting Hypothesis – der anfänglich unterdrückte Einfluss der Botschaft im Zeitablauf frei und resultiert in einer verzögerten Einstellungsänderung. Voraussetzung dafür ist, dass die überzeugende Wirkung der Botschaft durch den discounting cue verhindert wird, die Verbindung zwischen Botschaft und Quelle im Zeitablauf jedoch nachlässt, und zwar schnell genug, so dass die Botschaft zum Zeitpunkt der Dissoziation noch einen Einfluss auf die Einstellung hat (Hovland and Weiss 1951; Kelman and Hovland 1953; Weiss 1953). Diese Interpretation dominierte als Erklärungsgrundlage über 20 Jahre lang die Forschung zum Sleeper Effect und verdrängte auch alternative Erklärungsmöglichkeiten (vgl. z.B. Festinger 1955; McGuire 1969). Allerdings konnte in vielen Studien der Sleeper Effect nur dann zuverlässig nachgewiesen werden, wenn die Quelleninformation erst nach den inhaltlichen Argumenten der Botschaft präsentiert wird, nicht aber bei Gleichzeitigkeit oder Vorangehen der Quelleninformation. (z.B. Gillig and Greenwald 1974; Greenwald et al. 1986; Gruder et al. 1978; Kumkale and Albarracin 2004; Pratkanis et al. 1988; Schulman and Worrall 1970). Diese Relevanz der Reihenfolge lässt sich weder durch die Forgetting Hypothesis noch durch die Dissociation Hypothesis erklären. Zudem wird in den beiden Hypothesen nicht hinreichend erläutert, warum der Einfluss der Quelleninformation länger erhalten bleibt als der der Botschaft, auch wenn beide zunächst gleichermaßen wirksam waren (Kumkale and Albarracin 2004).

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Die Entwicklung der Persuasionswirkung im Zeitablauf

4.2.2.2 Availability-Valence Hypothesis Als Antwort darauf entwickelten Hannah und Sternthal (1984) die Availability-Valence Hypothesis, die eine Erweiterung der Cognitive Response-Theorie (Greenwald 1968) darstellt (vgl. 2.2.1). Nach der Availability-Valence Hypothesis wird die durch einen Beeinflussungsversuch erzielte Einstellungsänderung durch die Vorteilhaftigkeit der zum jeweiligen Zeitpunkt verfügbaren, themenrelevanten Information und die dadurch gebildeten Assoziationen bestimmt. Die Verfügbarkeit der Information ist dabei abhängig vom Ausmaß der kognitiven Verarbeitung. Da die kognitiven Ressourcen beschränkt sind, werden nicht alle Informationen berücksichtigt. Daneben ist auch der Zeitpunkt der Informationsaufnahme bedeutend, da Assoziationen aufgrund von aktuelleren, erst kürzlich aufgenommenen Informationen leichter verfügbar sind als ältere (Recency-Effect) (Miller and Campbell 1959). Während die Verfügbarkeit also darüber entscheidet, auf welchen Informationen die Einstellungsänderung basiert, ist die Vorteilhaftigkeit dieser Informationen verantwortlich für die Richtung und das Ausmaß der Einstellungsänderung. Eine Einstellungsänderung findet nach diesen Annahmen also dann statt, wenn bestehende Einstellungen durch neue Einstellungen ersetzt oder ergänzt werden. Das Auftreten eines Sleeper Effects lässt sich danach so erklären, dass durch die Kommunikation zweierlei Informationen vorliegen, nämlich die Botschaft und der discounting cue, wobei die Botschaft vorteilhafter ist als der discounting cue. Der Sleeper Effect entsteht, wenn im Laufe der Zeit die unvorteilhaften, durch den discounting cue generierten Assoziationen in den Köpfen der Empfänger durch die vorteilhafteren, botschaftsgenerierten Assoziationen ersetzt oder unterdrückt werden. Bei sofortiger Messung ist die mit dem discounting cue verbundene, unvorteilhafte Information durch den Recency-Effect sehr leicht verfügbar und daher für die Einstellungsänderung dominant, während sich die vorteilhaftere Information der Botschaft durch die eingeschränkten kognitiven Ressourcen kaum entfalten kann. Bei verzögerter Messung hingegen sind beide Informationen nicht besonders aktuell, wodurch der Verfügbarkeitsvorteil der discounting cue-Information verschwindet. Da die Botschaft jedoch intensiver verarbeitet wurde, sind die damit verbundenen Assoziationen nun leichter verfügbar und bestimmen die Einstellungsänderung, wodurch sich eine positive Wirkung entwickelt (Hannah and Sternthal 1984). 4.2.2.3 Differential Decay Interpretation Eine andere, für die weitere Forschung bedeutendere Interpretation, die an den Problemen der Dissociation Hypothesis anknüpft, bieten Pratkanis, Greenwald und Kollegen (1986; 1988) mit der Differential Decay Interpretation. Basierend auf der Primacy-Recency Analyse (Miller and Campbell 1959) wird hier der Gesamteinfluss zweier dicht aufeinander folgender Nachrichten als die Summe der jeweiligen Einzeleinflüsse aufgefasst. Bei sofortiger Messung der Wirkung überwiegt der Einfluss der jüngeren, aktuelleren Nachricht (Recency-Effect). Die zuerst präsentierte Nachricht wird allerdings wegen ihrer Voranstellung intensiver verarbeitet

Der Sleeper Effect

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und hält daher länger an (Primacy-Effect). Botschaft und Quellenangabe wirken somit als zwei separate Nachrichten in unterschiedliche Richtung, die sich anfangs gegenseitig unterdrücken. Beide Informationen verlieren ihren Einfluss, jedoch mit unterschiedlicher Geschwindigkeit. Der Einfluss der Botschaft hält länger an, während der Einfluss der Quelle schneller verfällt. So wird bei verzögerter Messung der Einfluss der Botschaft frei (Delayed Primacy-Effect). Abbildung 4.2 zeigt die beiden Wirkungsverläufe und den entstehenden Sleeper Effect. Genau genommen ist der Sleeper Effect nach dieser Interpretation also nicht als das Ergebnis eines verzögerten Anstiegs der Überzeugungswirkung einer Information zu verstehen, sondern resultiert aus deren Verfall (Greenwald et al. 1986). Auf diese Weise kann die Differential Decay Interpretation nicht nur den Sleeper Effect selbst erklären, sondern auch, warum die Reihenfolge der Nachrichtenelemente relevant ist. Voraussetzung für das Entstehen eines Sleeper Effects ist, dass der überzeugende Einfluss der Botschaft durch den discounting cue wirkungsvoll unterdrückt wird und dass der Effekt des discounting cue schneller verfällt als der der Botschaft, was nur erfüllt ist, wenn der discounting cue nach der Botschaft erscheint (Greenwald et al. 1986; Pratkanis et al. 1988).

Einstellung

Botschaftseffekt

Sleeper Effect Voreinstellung (ohne Kommunikation)

discounting cue - Effekt

Präsentation Sofortige Botschaft Messung Präsentation discounting cue

Zeit Verzögerte Messung

Abbildung 4.2: Sleeper Effect nach der Differential Decay Interpretation (in Anlehnung an Pratkanis et al. 1988, S. 215)

4.2.2.4 Vergleich der Ansätze Alle hier vorgestellten Hypothesen haben also gemeinsam, dass sie den Sleeper Effect als Ergebnis von Vergessens- und Merkprozessen bei der Informationsverarbeitung ansehen. Die

80

Die Entwicklung der Persuasionswirkung im Zeitablauf

unterstellten Abläufe unterscheiden sich jedoch. Bei der Dissociation Hypothesis wird davon ausgegangen, dass die Botschaft und der discounting cue zunächst gemeinsam als integrierte Information aufgenommen werden. Die Verbindung zwischen beiden Teilinformationen wird jedoch im Zeitablauf schwächer, so dass der gemeinsame Abruf später scheitert und nur die Botschaft abgerufen werden kann. Nach der Differential Decay Interpretation dagegen werden Botschaft und discounting cue von vornherein als separate, kaum integrierte Informationen aufgenommen, deren gegenläufiger Einfluss unterschiedlich schnell verfällt (Pratkanis et al. 1988, S. 215 f.). Da die Bedeutung der zeitlichen Abfolge von Botschaft und discounting cue empirisch vielfach bestätigt wurde (z.B. Gillig and Greenwald 1974; Greenwald et al. 1986; Gruder et al. 1978; Pratkanis et al. 1988; Schulman and Worrall 1970) und auch durch die Ergebnisse einer aktuellen Meta-Analyse (Kumkale and Albarracin 2004) unterstützt wird, erscheinen die Differential Decay Interpretation und die Availability-Valence Hypothesis geeigneter, den Sleeper Effect zu erklären. Da beide Ansätze auf der Primacy-Recency Analyse (Miller and Campbell 1959) aufbauen, stellen diese Erklärungsmodelle zudem ein Bezug zu anderen etablierten Ansätzen und Theorien der Persuasionsforschung her (Pratkanis et al. 1988). Die Differential Decay Interpretation hat in der weiteren Forschung wesentlich mehr Beachtung gefunden als die Availability-Valence Hypothesis. Da beide Ansätze den Sleeper Effect auf ähnliche Weise erklären und sich daraus dieselben Implikationen ergeben, wird im Folgenden primär die Differential Decay Interpretation berücksichtigt. 4.2.2.5 Integration des Sleeper Effects in die Dualprozesstheorien Neben den hier dargestellten Hypothesen und Modellen zur Entstehung des Sleeper Effects können auch Modelle der Persuasionsforschung, wie die Dualprozesstheorien, einen Beitrag zur Erklärung des Sleeper Effects liefern (vgl. 2.2.2). Nach den Dualprozesstheorien wird die Botschaft nur bei ausreichend hohem Involvement der Empfänger verarbeitet. Die auf dieser intensiven Verarbeitung beruhende Einstellungsänderung ist relativ dauerhaft. Der discounting cue (z.B. die Quellenglaubwürdigkeit) ist dagegen als leicht zu verarbeitender Schlüsselreiz zu verstehen, welcher zu eher instabilen Einstellungsänderungen führt. Der Sleeper Effect wird nach den Dualprozesstheorien also nur dann auftreten, wenn das Involvement der Empfänger hoch genug ist, so dass die Botschaft intensiv verarbeitet werden kann. Gleichzeitig muss aber auch der discounting cue noch einen Einfluss auf die Einstellungsbildung haben. Nach den Annahmen des Heuristic-Systematic Models (Chaiken 1980) ist dies möglich, da bei systematischer Informationsverarbeitung unter bestimmten Umständen sowohl Inhalte der Botschaft als auch Merkmale der Quelle gleichzeitig die Einstellungsänderung beeinflussen können. In diesem Fall unterdrücken sich die beiden Einflüsse zunächst gegenseitig. Da die Einstellungsänderung aufgrund systematischer Informationsverarbeitung jedoch dauerhafter ist als die infolge von heuristischer Informationsverarbeitung, hält der Einfluss der Botschaft

Der Sleeper Effect

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länger an als der des discounting cue und eine verzögerte Wirkungsentwicklung ist beobachtbar. Chaiken (1980) geht explizit darauf ein, dass sich die Kriterien für das Auftreten eines Sleeper Effects von Gruder und Kollegen (1978) mit den Annahmen des Heuristic-Systematic Models vereinbaren lassen, wenn ein mittleres Involvement vorliegt und sehr wichtig erscheinende Quellenmerkmale nachträglich bekannt gegeben werden (vgl. auch Kumkale and Albarracin 2004). Das Elaboration Likelihood Modell wurde schon direkt auf den Sleeper Effect angewendet und auch empirisch überprüft (Priester et al. 1999). Demzufolge ist der Sleeper Effect das Ergebnis einer zeitlichen Störung stabiler Einstellungen, die entsteht, wenn überzeugende Argumente mit einer unglaubwürdigen Quelle in Verbindung gebracht werden (Petty et al. 1993). Folgende Prozesse und Voraussetzungen sind nach dem Elaboration Likelihood Model für die Entstehung eines Sleeper Effects notwendig (Priester et al. 1999): Der Sleeper Effect ist nur dann möglich, wenn die Empfänger involviert genug sind, so dass der zentrale Weg der Informationsverarbeitung die Verarbeitung der Argumente zulässt. Die Forderung des Elaboration Likelihood Models nach hohem Involvement der Empfänger wird auch durch andere Autoren bestätigt, die durch das Treffen bestimmter Maßnahmen und Bedingungen implizit ein hohes Involvement sicherstellen (vgl. Gruder et al. 1978; Pratkanis et al. 1988; Priester et al. 1999). Werden nach den überzeugenden Argumenten noch die abwertenden Quellenmerkmale präsentiert, können diese vorübergehend die Wirkung der Argumente unterdrücken. Da die intensiv verarbeiteten Botschaftsinhalte jedoch eine länger anhaltende Einstellungsänderung hervorrufen, verschwindet der unterdrückende Einfluss des discounting cue und der Einfluss der Botschaft wird frei. Dafür ist es notwendig, dass die Botschaft intensiv genug verarbeitet wird, um zeitlich über den discounting cue hinaus noch einen Einfluss auf die Einstellung zu haben. Deshalb darf der discounting cue erst nach der Botschaft erscheinen, da er sonst die aktive, kognitive Verarbeitung der Inhalte behindern würde (Priester et al. 1999). Diese Betonung der Wichtigkeit der Reihenfolge von Botschaft und discounting cue bestätigt auch die Aussagen der Availability-Valence Hypothesis sowie der Differential Decay Interpretation (vgl. Hannah and Sternthal 1984; Pratkanis et al. 1988). Insgesamt ist das Elaboration Likelihood Modell gut geeignet, den Sleeper Effect zu erklären und lässt sich schlüssig in die bestehende Forschung zum Sleeper Effect integrieren (Petty et al. 1993; Priester et al. 1999). Die Dualprozesstheorien tragen insbesondere zur Klärung der Frage bei, unter welchen Bedingungen die Argumente der Botschaft intensiv genug verarbeitet werden, um eine hinreichend starke Überzeugungswirkung zu entwickeln, und unter welchen Bedingungen der discounting cue bedeutend genug ist, um diese Wirkung anfänglich zu unterdrücken. Insofern stehen die Dualprozesstheorien nicht in Konkurrenz zu den zuvor dargestellten Ansätzen, sondern stellen eine sinnvolle Ergänzung dar.

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Die Entwicklung der Persuasionswirkung im Zeitablauf

4.2.3 Kontroverse um die Existenz des Sleeper Effects Der Sleeper Effect wurde seit seiner ersten Dokumentation 1949 durch Hovland, Lumsdaine und Sheffield viel beforscht und diskutiert – mit sehr unterschiedlichen Ergebnissen und Meinungen. Cook und Kollegen (1979) fassen die Forschungsentwicklung des Sleeper Effects in fünf verschiedenen Etappen zusammen: Entdeckung des Sleeper Effects, Entwicklung der zugrundeliegenden Theorie, Akzeptanz des Effekts und der Theorie, Probleme aufgrund abweichender operationaler Definitionen in früheren Studien, Kritik aufgrund von wiederholtem Scheitern beim Erzeugen des Effekts. In den ersten 20 Jahren nach seiner Entdeckung wurde die Existenz des Sleeper Effect kaum ernsthaft in Frage gestellt, was sich in einer breiten Akzeptanz und starken wissenschaftlichen Würdigung äußerte (Kumkale and Albarracin 2004). Eine qualitative Darstellung der Studien aus der Zeit von 1949-1971 findet sich in einem Review-Artikel von Capon und Hulbert (1973), wobei hier auch schon kritische Aspekte betrachtet werden. Erst seit den siebziger Jahren mehrt sich unter einigen Forschern Kritik an dem Phänomen und den bestehenden Erklärungsansätzen (Cook et al. 1979). Problematisch ist in diesem Zusammenhang vor allem die Tatsache, dass es schwierig ist, einen wirklich reliablen Sleeper Effect nachzuweisen (Greenwald et al. 1986, vgl. auch 3.2.2). In vielen Studien konnte er gar nicht oder nur unter sehr restriktiven Bedingungen gezeigt werden (z.B. Gillig and Greenwald 1974; Gruder et al. 1978; Kumkale and Albarracin 2004; Mazursky and Schul 1988; Pratkanis et al. 1988). Capon und Hulbert (1973) überprüfen bestehende Studien und führen die feststellbaren Inkonsistenzen der Forschungsergebnisse auf unterschiedliche Bedingungen und methodologische Schwierigkeiten zurück. Sie schlussfolgern daraufhin, dass der Effekt kaum generalisierbar sei. Gillig und Greenwald (1974) kommen sogar zu dem Ergebnis, die Existenz eines Sleeper Effects gänzlich zu verwerfen, da dieser bei kritischer Überprüfung bisheriger Studien keine zufrieden stellende empirische Basis besitzt. Sie begründen ihr Urteil damit, dass bei konsequenter Unterscheidung zwischen absolutem und relativem Sleeper Effect in den betrachteten Studien fast ausschließlich der relative und nicht der absolute Sleeper Effect nachgewiesen werden konnte. Auch bei der Durchführung einer eigenen Serie von Experimenten konnten Gillig und Greenwald (1974) nur den relativen Sleeper Effect, jedoch keinen absoluten Sleeper Effect zeigen. Der Sleeper Effect, so wie ihn Hovland und Kollegen (1949) ursprünglich formulierten, ist durch einen signifikanten Anstieg der durch die Kommunikation einer unglaubwürdigen Quelle verursachten Einstellungsänderung im Zeitablauf gekennzeichnet. Strenggenommen entspricht also nur der absolute Sleeper Effect dem gesuchten Phänomen, da es für den relativen Sleeper Effect ausreicht, dass die Wirkung bei der glaubwürdigen Kommunikation deutlich stärker verfällt als bei der unglaubwürdigen Kommunikation (vgl. 4.2.1). Eine tatsächliche, signifikante Wirkungsverbesserung bei unglaubwürdigen Quellen konnte nach den Recherchen von Gillig und Greenwald (1974) ausschließlich in der ursprünglichen Studie von Hovland und Kollegen (1949) – und dort auch nur bei einem Teil der erho-

Der Sleeper Effect

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benen Wirkungsmaße – gezeigt werden. Ihrer Ansicht nach beruhen die empirischen Bestätigungen und die weit verbreitete Akzeptanz des Sleeper Effects also auf einer Lockerung der Kriterien durch die Forscher, da in den folgenden Studien ein signifikanter Interaktionseffekt von Messzeitpunkt und Quellenglaubwürdigkeit auf die Einstellungsmaße als Nachweis für den Sleeper Effect akzeptiert wurde (z.B. Hovland et al. 1953; Kelman and Hovland 1953; Schulman and Worrall 1970; Watts and McGuire 1964). Das Fazit der beiden lautet daher, es sei Zeit „to lay the sleeper effect to rest“ (Gillig and Greenwald 1974, S. 132). Andere Forscher (Cook et al. 1979; Greenwald et al. 1986; Gruder et al. 1978; Pratkanis et al. 1988) dagegen verteidigen den Sleeper Effect und warnen davor, dessen Existenz aufgrund der aufgezeigten Schwierigkeiten zu verneinen. Der Grund für das häufige Scheitern beim Versuch, einen Sleeper Effect empirisch nachzuweisen, liegt ihrer Erkenntnis nach am Forscher selbst, da wichtige Anforderungen nicht getroffen worden sind. Ein Sleeper Effect kann nach Gruder et al. (1978) immer dann zuverlässig nachgewiesen werden, wenn der Versuchsaufbau alle notwendigen theoretischen Bedingungen erfüllt, keine kompensierenden Einflüsse den Sleeper Effect unterdrücken und die statistischen Tests stark genug sind. In Übereinstimmung mit den Aussagen der Dissociation Hypothesis identifizieren Gruder und Kollegen (1978) folgende vier notwendige theoretische Bedingungen: 1. Die Botschaft muss anfangs einen signifikanten Einfluss auf die Einstellung haben. 2. Der discountig cue muss diesen Einfluss vollständig unterdrücken. 3. Discounting cue und Botschaft müssen bis zum Zeitpunkt der verzögerten Einstellungsmessung dissoziiert werden. 4. Die Einstellung bei einer message-only-Gruppe muss bei verzögerter Messung höher sein als bei der discounting cue-Gruppe bei sofortiger Messung, d.h. die Botschaft muss bei verzögerter Messung noch einen ausreichend starken Resteinfluss haben. Da in vielen Studien der discounting cue die eigentliche Einstellungsänderung zwar vermindert, nicht aber vollständig unterdrückt, verfällt diese weiterhin im Zeitablauf. Dieser zeitliche Verfall kann einen auftretenden Sleeper Effect kompensieren. Darüber hinaus sind nach Ansicht von Gruder und Kollegen (1978) nicht alle Methoden zur Feststellung des Effekts gut geeignet. Dass der Sleeper Effect immer dann und nur dann nachweisbar ist, wenn alle notwendigen Anforderungen erfüllt werden, zeigen die Forscher in zwei Experimenten und bestätigen damit die zuvor angestellten Überlegungen (Gruder et al. 1978). Es lässt sich jedoch kritisch anmerken, dass es Studien gibt, die zwar alle diese Bedingungen erfüllt haben, in denen dennoch kein Sleeper Effect auftritt (Gillig and Greenwald 1974; Pratkanis et al. 1988). Dies resultiert in der bereits unter 4.2.2 erläuterten Erkenntnis, dass die zeitliche Abfolge von Botschaft und discounting cue entscheidend ist für die Entstehung eines Sleeper Effects (Greenwald et al. 1986; Pratkanis et al. 1988) und zur Entwicklung alternative Erklärungsansätze (vgl. 4.2.2).

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Die Entwicklung der Persuasionswirkung im Zeitablauf

Mazursky und Schul (1988) zeigen, dass die Art der Informationsverarbeitung ein weiterer wichtiger Einflussfaktor für das Auftreten des Sleeper Effects ist. Nach den Ergebnissen ihrer Studien lässt sich ein Sleeper Effect nur dann nachweisen, wenn die Botschaft von Anfang an aufwendig verarbeitet wird. Damit stützen sie einerseits die Availability-Valence-Hypothese als Erklärungsansatz für die Existenz des Sleeper Effects, da bei aufwendiger Verarbeitung der Botschaft diese bei verzögerter Messung noch besser verfügbar ist als der discounting cue und sich ihr positiver Einfluss dann entfalten kann (Mazursky and Schul 1988, vgl. auch 4.2.2.2). Darüber hinaus werden die Bedeutung und die Aussagen der Dualprozesstheorien im Rahmen des Sleeper Effects bestätigt. Diese thematisieren, wie sich unterschiedliche Arten der Informationsverarbeitung auf die Entstehung des Sleeper Effects auswirken (vgl. 4.2.2.5). Der Kontroverse um die Existenz des Sleeper Effects widmen sich Kumkale und Albarracin (2004) in einer aktuellen Meta-Analyse und untersuchen bestehende Studien zum Sleeper Effect. Die inkonsistenten Ergebnisse lassen sich danach auf die unterschiedlichen Bedingungen und Konzeptionalisierungen in den Studien zurückführen. Insgesamt finden sie überzeugende Belege für einen relativen Sleeper Effect, jedoch nicht für den absoluten Sleeper Effect. In Moderatoranalysen versuchen sie herauszufinden, unter welchen Bedingungen der Effekt stärker oder schwächer ausfällt. Aus den Theorien zur Erklärung des Sleeper Effects sind folgende Bedingungen ableitbar, die den Sleeper Effect stärker ausfallen lassen: Die Botschaft muss einen starken Einfluss haben, welcher durch den discounting cue anfänglich effektiv unterdrückt wird, so dass die sofortige Einstellungsänderung möglichst nahe bei null ist. Darüber hinaus sollte der discounting cue erst nach der Botschaft erscheinen und Fähigkeit sowie Motivation der Botschaftsempfänger sollten hoch genug sein, um die Botschaft angemessen zu verarbeiten. Tatsächlich können sie diese Bedingungen in ihrer Analyse als entscheidende Faktoren bestätigen. Darüber hinaus wird auch festgestellt, dass die Erinnerung an den discounting cue hemmend auf den Sleeper Effect wirkt. Andere Moderatoren, wie die Art der Einstellungsmessung, Länge des Delays, Untersuchungsdesign (between vs. within-subjects, gleichbleibend vs. unterschiedlich) haben nach Erkenntnis der Forscher dagegen keinen signifikanten Einfluss auf das Auftreten bzw. die Stärke des Sleeper Effects (Kumkale and Albarracin 2004). Die Ergebnisse der Meta-Analyse (Kumkale and Albarracin 2004) bestätigen also die Aussagen der Theorie und die Ergebnisse anderer Forscher. Die Feststellung, dass der Zeitpunkt der Nennung des discounting cue einen relevanten Einflussfaktor darstellt, lässt die AvailabilityValence Hypothesis und die Differential Decay Hypothesis als geeignetere Erklärungsansätze erscheinen als die Forgetting bzw. Dissociation Hypothesis. Da auch das Involvement moderierend auf den Sleeper Effect wirkt, werden die Anwendbarkeit und die Bedeutung der Dualprozesstheorien bestätigt (vgl. Pratkanis et al. 1988; Priester et al. 1999). Die Erkenntnis, dass der Sleeper Effect schwächer ausfällt, wenn sich die Empfänger bei verzögerter Messung noch gut an den discounting cue erinnern können, lässt Rückschlüsse auf

Der Sleeper Effect

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die Forgetting Hypothesis und die Dissociation Hypothesis zu, wobei die Forgetting Hypothesis bestätigt wird. Allerdings kann nach Aussage der Forscher anhand der vorliegenden Daten nicht exakt bestimmt werden, ob die Unfähigkeit der Empfänger, den discounting cue bei verzögerter Messung zu nennen, wirklich auf das vollständige Vergessen des discounting cues zurückzuführen ist, oder ob dieser lediglich weniger zugänglich und abrufbar ist. Dennoch verdeutlichen diese Ergebnisse, welche Mechanismen dem Sleeper Effect zugrunde liegen. Zwei der analysierten Studien beinhalten auch eine Abfrage der Erinnerung an die Botschaft. Hier zeigt sich, dass bei verzögerter Messung die Erinnerung an die Botschaft noch deutlich besser erhalten ist als die Erinnerung an den dicounting cue. Das bestätigt die Annahme, dass der Sleeper Effect als Folge von Vergessensprozessen entsteht, weil bei verzögerter Messung der discounting cue in den Köpfen der Empfänger weniger präsent ist als die Botschaftsinhalte (Kumkale and Albarracin 2004). Wie innerhalb der Ausführungen dieses Abschnitts deutlich wurde, entsteht der Sleeper Effect typischerweise im Zusammenhang mit unterschiedlich unglaubwürdigen Quellen. In Abschnitt 3.1 wurde erläutert, dass die höhere Glaubwürdigkeit einer der zentralen Vorteile von Publicity gegenüber Werbung ist. Der Hinweis, dass es sich bei einer Botschaft um Werbung handelt, kann damit als typischer discounting cue im Sinne der Sleeper Effect-Forschung aufgefasst werden. Daraus lässt sich schlussfolgern, dass bei einem Vergleich der Wirkung von Werbung und Publicity im Zeitablauf ein Sleeper Effect auftreten sollte. Folgende Hypothese soll daher in dieser Arbeit empirisch überprüft werden: Publicity (vs. Werbung) führt kurzfristig zu einer stärkeren (vs. schwächeren) positiven Einstellung zum Objekt als langfristig. In Kapitel 3 wurde bezüglich der Wechselwirkung zwischen Quelle und Botschaft die Annahme getroffen, dass sich bei Verwendung zweiseitiger Botschaften die Wirkungen von Werbung und Publicity angleichen, da Werbung durch die Verwendung zweiseitiger Botschaften an Glaubwürdigkeit gewinnt, während sich bei Publicity die Glaubwürdigkeit durch die Verwendung zweiseitiger Botschaften nicht weiter verbessert. Die Wirkung zweiseitiger Werbung bleibt im Zeitablauf relativ stabil und verfällt weniger, da zweiseitige Werbung aufgrund ihrer Ungewöhnlichkeit nicht so schnell vergessen wird. Bei zweiseitigen Botschaften ist der discounting cue also deutlich schwächer. Gleichzeitig sind die Erinnerung und die Verknüpfung zwischen Quelle und Botschaft stärker, wodurch auch der Sleeper Effect weniger stark ausfällt. Daraus lässt sich bezüglich der vermuteten Interaktion von Quelle und Botschaft sowie deren Entwicklung im Zeitablauf folgende Hypothese für den empirischen Teil der Arbeit ableiten: Der Sleeper Effect ist stärker (schwächer) ausgeprägt, wenn die Botschaft einseitig (zweiseitig) ist.

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Die Entwicklung der Persuasionswirkung im Zeitablauf

4.3 Zusammenfassung des vierten Kapitels Das vierte Kapitel betrachtete die zeitliche Wirkungsentwicklung persuasiver Botschaften. Unter 4.1 wurde zunächst allgemein der Einfluss von Vergessensprozessen und der Erinnerung auf die Überzeugungswirkung untersucht. Dabei wurden Vergessenprozesse in Bezug auf die Botschaft (4.1.1) und in Bezug auf die Quelle der Botschaft (4.1.2) unterschieden. Die Erinnerung an die Botschaft spielt eine bedeutende Rolle, da die Abrufbarkeit und Verfügbarkeit der Botschaftsinhalte Voraussetzung für deren Persuasivität ist. Es wurde festgestellt, dass Erinnerungen, Einstellungen und Bewertungen dynamisch und kontextabhängig sind und daher keineswegs immer korrekt und gleich bleibend abgerufen werden können. Damit ist die Wirkung persuasiver Botschaften im Zeitablauf diversen Veränderungen unterworfen, woraus die empirisch zu überprüfende Hypothese abgeleitet wurde, dass sich die Wirkung zweiseitiger Botschaften und einseitiger Botschaften im Zeitablauf angleicht. In Bezug auf die Quelle der Botschaft wurde festgestellt, dass Fehler des Quellengedächtnisses ein häufig vorkommendes Phänomen sind. Dabei ist insbesondere das Quellenvergessen für das Marketing von Relevanz. Quellenvergessen hat zur Folge, dass die Bedeutung von Quellenmerkmalen im Zeitablauf nachlässt, da diese vergessen werden und so keinen Einfluss mehr auf die Persuasivität der Botschaft entwickeln können. Fehler des Quellengedächtnisses wurden innerhalb der Marketingforschung insbesondere im Zusammenhang mit der Missattribution von Quellen und dem Sleeper Effect untersucht. Der Sleeper Effect ist ein durch Vergessensprozesse im Zusammenhang mit persuasiven Botschaften entstehendes Phänomen und wurde im Abschnitt 4.2 ausführlicher dargestellt, da er für die vorliegende Arbeit besonders relevant ist. Zunächst wurde der Sleeper Effect definiert und abgegrenzt, wobei unterschiedliche Varianten des Effekts identifiziert wurden (4.2.1). Im Zeitablauf etablierten sich unterschiedliche Interpretationen und Erklärungsansätze für das Entstehen des Sleeper Effects, welche unter 4.2.2 vorgestellt wurden. Alle Interpretationen verstehen den Sleeper Effect als Folge von Merk- und Vergessensprozessen, unterscheiden sich aber in Bezug darauf, wie diese Prozesse ablaufen. Abrufbarkeit, Verfügbarkeit und Relevanz unterschiedlicher Informationen bei der Einstellungsbildung sind hier die entscheidenden Faktoren. Neben den vier vorgestellten Ansätzen der Sleeper-Effect-Forschung leisten auch die Modelle der Dualprozesstheorien einen Beitrag zur Erklärung des Effekts und lassen sich mit den Forschungsergebnissen zum Sleeper Effect gut vereinen. Aus den unterschiedlichen Erklärungsansätzen lassen sich verschiedene Bedingungen für das Entstehen des Sleeper Effects ableiten, was zu einer sehr kontrovers geführten Diskussion um die tatsächliche Existenz des Sleeper Effects geführt hat (4.2.3). Nach anfänglicher breiter Akzeptanz des Sleeper Effects in der Forschung folgte eine Phase der starken Kritik aufgrund von wiederholten Problemen beim Versuch, den Effekt empirisch zu zeigen. Tatsächlich erfordert der Sleeper Effect die Einhaltung restriktiver Bedingungen im Versuchsaufbau, wodurch sich auch das Scheitern vieler Forscher erklären lässt. Bei Einhaltung dieser Bedingungen, die sich

Zusammenfassung des vierten Kapitels

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auch mit den verschiedenen Erklärungsansätzen und Theorien begründen lassen, kann der Sleeper Effect jedoch relativ zuverlässig gezeigt werden. In Verbindung mit Erkenntnissen aus Abschnitt 3.1 wurde die zu überprüfende Hypothese abgeleitet, dass bei der Wirkung von Werbung und Publicity ein Sleeper Effect zu erwarten ist, das heißt, die Überzeugungswirkung von Werbung und Publicity gleicht sich im Zeitablauf an. Darüber hinaus wurde vermutet, dass dieser Sleeper Effect bei der Verwendung einseitiger Botschaften stärker ausfällt als bei zweiseitigen Botschaften.

5

Empirische Untersuchung

Basierend auf den bisher angestellten theoretischen Überlegungen wurden verschiedene Vermutungen bezüglich der kurz- und langfristigen Wirkung von Werbung und Publicity sowie einseitigen und zweiseitigen Botschaften angestellt. Daraus wurden drei Hypothesen abgeleitet, die in diesem Kapitel anhand von zwei Experimenten empirisch überprüft werden. In den Experimenten werden die in dieser Arbeit betrachteten Einflussfaktoren Quelle (Werbung vs. Publicity), Botschaft (einseitig vs. zweiseitig) und Zeit (sofortige Wirkung vs. verzögerte Wirkung) als unabhängige Variablen manipuliert. Ihre Auswirkungen auf die Glaubwürdigkeit sowie infolgedessen auf die Überzeugungswirkung werden als abhängige Variablen gemessen. So können die bereits in der Einleitung dieser Arbeit dargestellten Zusammenhänge analysiert werden (vgl. Abbildung 1.1).

5.1 Hypothesen Folgende Fragestellungen und die daraus ableitbaren Hypothesen sollen im Rahmen der Arbeit näher betrachtet werden: 1. Gibt es bei der Wirkung von Werbung und Publicity einen Sleeper Effect? Diese grundlegende Fragestellung verbindet die Sleeper Effect-Forschung mit der Forschung zur Wirkung unterschiedlicher Formen der Marketingkommunikation. Publicity ist aufgrund der höheren Quellenglaubwürdigkeit im Vergleich zu Werbung überzeugender und erreicht eine stärkere positive Einstellungsänderung des Empfängers gegenüber dem Produkt als Werbung. Die Forschung zum Sleeper Effect zeigt jedoch, dass die Wirkung der Quelle nur von kurzer Dauer ist, weshalb sich die Wirkung langfristig angleicht. H1:

Publicity (vs. Werbung) führt kurzfristig zu einer stärkeren (vs. schwächeren) positiven Einstellung zum Objekt als langfristig.

2. Wie wirken sich negative Elemente in der Werbebotschaft (zweiseitige Werbung) auf den Sleeper Effect aus? Bei der Verwendung zweiseitiger Botschaften gleichen sich die Wirkungen von Werbung und Publicity bei sofortiger Messung an, da Werbung durch die Verwendung zweiseitiger Botschaften an Glaubwürdigkeit gewinnt, während sich bei Publicity die Glaubwürdigkeit durch die Verwendung zweiseitiger Botschaften nicht weiter verbessert. Bei zweiseitigen Botschaften ist der discounting cue also deutlich schwächer. Die Wirkung zweiseitiger Werbung bleibt im Zeitablauf relativ stabil und verfällt weniger, da zweiseitige Werbung aufgrund ihrer Ungewöhnlichkeit nicht so schnell vergessen wird. Gleichzeitig sind die Erinnerung und die Verknüpfung zwischen Quelle und Botschaft stärker. Das führt dazu, dass der Sleeper Effect bei Verwendung zweiseitiger Botschaften schwächer ausfällt.

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Empirische Untersuchung

H2:

Der Sleeper Effect ist stärker (schwächer) ausgeprägt, wenn die Botschaft einseitig (zweiseitig) ist.

3. Wie verändert sich die Wirkung zweiseitiger Botschaften im Zeitablauf? Zweiseitige Botschaften stellen eine Möglichkeit dar, die Glaubwürdigkeit der Marketingkommunikation zu erhöhen. Dadurch kann auch die Wirkung auf die Einstellungen der Empfänger verbessert werden. Dieser Vorteil ist jedoch nicht stabil und schwindet im Zeitablauf. Die Erinnerung an Botschaftsinhalte ist dynamisch, so dass der Abruf derselben Information zu zwei Zeitpunkten unterschiedlich ausfallen kann. Auch Einstellungen sind nach aktuelleren Modellen nicht vollkommen stabil und jederzeit abrufbar, sondern werden erst bei Bedarf konstruiert. Da die konkreten Inhalte und damit die Unterschiedlichkeit einseitiger und zweiseitiger Botschaften im Zeitablauf vergessen werden, gleichen sich die Botschaften in der Erinnerung der Empfänger an. Bei verzögerter Abfrage der Einstellung wird diese dann erst konstruiert und fällt so für beide Botschaften ähnlich aus. H3:

Zweiseitige Botschaften (vs. einseitige Botschaften) führen kurzfristig zu einer stärkeren (vs. schwächeren) positiven Einstellung zur Botschaft als langfristig.

5.2 Methodik Die Auswertung der gesamten empirischen Untersuchung geschieht auf Basis gängiger multivariater Analyseverfahren und statistischer Tests, welche in diversen Büchern zu Methoden der Marktforschung und der empirischen Analyse ausführlich erklärt werden (z.B. Backhaus et al. 2003; Kuß 2004). Dabei wurde die Software SPSS verwendet. Der Ausweis der Testergebnisse innerhalb des Textes erfolgt analog zu den Standards in internationalen Zeitschriften (insbesondere Journal of Consumer Research) folgendermaßen: (Testwert(df), Signifikanzniveau). Wenn Mittelwerte von Interesse sind, werden diese im Ergebnisausweis als erstes, also vor dem Testwert, genannt: (Mittelwert(Gruppe 1) vs. Mittelwert(Gruppe 2), Testwert(df), Signifikanzniveau). Die Ergebnisse werden auf drei Nachkommastellen gerundet angegeben. Bei einer Null als letzter Ziffer wird diese weggelassen. Teilweise wurden zusätzlich zur besseren Übersicht Tabellen erstellt, denen neben Testwerten und Signifikanzniveaus auch Mittelwerte und Gruppengrößen zu entnehmen sind. In diesem Fall wurde auf eine wiederholte Nennung der Mittelwerte im Text verzichtet. Bei Interaktionseffekten wurden zusätzlich zum Ergebnisausweis im Text Interaktionsdiagramme abgebildet, denen sowohl die Wirkungsverläufe als auch die Mittelwerte der einzelnen Gruppen entnommen werden können. Zur Hypothesenprüfung wurden die Zusammenhänge zwischen den untersuchten Variablen analysiert, vornehmlich mithilfe der Varianzanalyse. Die zu prüfenden Hypothesen beziehen

Methodik

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sich auf Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Einflussfaktoren. Von besonderem Interesse für die Auswertung sind daher Interaktionseffekte zweier unabhängiger Variablen auf die abhängigen Variablen, da diese Rückschlüsse über Interdependenzen in der Wirkung zweier Einflussfaktoren zulassen.

5.2.1 Moderatoreffekte Die in der Varianzanalyse feststellbaren Interaktionseffekte lassen sich auch als Moderatoreffekte erklären. Ein Moderator ist eine Variable, welche die Beziehung zwischen einer unabhängigen Variablen und einer abhängigen Variablen in ihrer Richtung oder Intensität beeinflusst (Baron and Kenny 1986, S. 1174). Je nachdem, welchen Wert die Moderatorvariable annimmt, fällt der Einfluss der unabhängigen Variablen auf die abhängige Variable unterschiedlich aus. Dabei ist der Moderator selbst jedoch unabhängig von den anderen betrachteten Variablen, was einen wesentlichen Unterschied zu den im nächsten Abschnitt beschriebenen Mediatoreffekten ausmacht. Die Moderatorvariable wird also nicht durch die unabhängige oder die abhängige Variable beeinflusst und geht selbst als weitere unabhängige Variable in die Analyse ein. Moderatoreffekte lassen sich typischerweise innerhalb einer Varianzanalyse durch Interaktionseffekte zwischen unabhängigen Variablen abbilden (Baron and Kenny 1986). Abbildung 5.1 zeigt die bei Moderatoreffekten vorliegenden Zusammenhänge.

Moderator

X

Y

Abbildung 5.1: Moderatoreffekt

In Bezug auf die vorliegende Arbeit werden also mithilfe der Varianzanalyse die Wirkungen der drei unabhängigen Variablen Quelle, Sidedness und Delay auf die abhängigen Variablen analysiert. Dabei kann jede der drei unabhängigen Variablen allein für sich einen signifikanten Einfluss auf die abhängigen Variablen haben (Haupteffekte). Darüber hinaus werden die gemeinsamen Wirkungen von je zwei unabhängigen Variablen (Interaktionseffekte) sowie die Interaktion aller drei unabhängigen Variablen (Dreifach-Interaktionseffekt) auf Signifikanz untersucht. Ein signifikanter Interaktionseffekt bestätigt das Vorliegen eines Moderator-

92

Empirische Untersuchung

effekts. Am Beispiel des Sleeper Effects sähe die zu erwartende Interaktion bzw. der Moderatoreffekt also folgendermaßen aus: Die Quelle hat einen signifikanten Einfluss auf die abhängige Variable (Haupteffekt Quelle), gleichzeitig gibt es einen signifikanten Interaktionseffekt Quelle*Delay. Das Delay wirkt in dieser Beziehung als Moderatorvariable: Bei sofortiger Messung hat die Quelle einen starken Einfluss auf die abhängige Variable, während es bei verzögerter Messung keinen Einfluss der Quelle mehr gibt. Je nach Ausprägung der Moderatorvariable Delay beeinflusst die unabhängige Variable Quelle die abhängige Variable oder eben nicht.

5.2.2 Mediatoreffekte Der Einfluss einer dritten Variablen auf die Beziehung zwischen einer unabhängigen und einer abhängigen Variablen kann auch durch eine Mediation geprägt sein. Mediatoranalysen helfen, die zugrunde liegenden Wirkungsprozesse von Zusammenhängen zwischen Variablen besser zu erklären. Daher wurde in Experiment 2 zusätzlich zu den bereits erwähnten und in Experiment 1 verwendeten Methoden noch mit Mediatoranalysen gearbeitet. Ein Mediator ist eine intervenierende Variable, die in der kausalen Beziehung von unabhängiger und abhängiger Variable zwischengeschaltet ist. Der Einfluss der unabhängigen Variablen auf die abhängige Variable verläuft über den Mediator und wird (zumindest teilweise) durch diesen erklärt (Baron and Kenny 1986). Im Unterschied zum Moderatoreffekt wird bei einem Mediatoreffekt also der Mediator selbst von der unabhängigen Variable beeinflusst. Abbildung 5.2 zeigt das Modell einer einfachen Mediation.

M X

c

Y

a X

b

c‘

Y

Abbildung 5.2: Einfache Mediation

Eine unabhängige Variable X beeinflusst eine abhängige Variable Y. Ohne Berücksichtigung des Mediators wird der gesamte Einfluss auf die unabhängige Variable zurückgeführt (erstes Modell, totaler Effekt c). Die unabhängige Variable X beeinflusst den Mediator M (direkter Effekt a). Der Mediator M wiederum beeinflusst die abhängige Variable Y (direkter Effekt b).

Methodik

93

X hat also über M einen indirekten Effekt a*b auf Y. Gleichzeitig hat X auch noch einen direkten Effekt c’ auf Y, dieser fällt aber nun durch Berücksichtigung des Mediators schwächer aus als zuvor der totale Effekt c. Der totale Effekt c setzt sich also zusammen aus dem indirekten Effekt und dem direkten Effekt (c=a*b+c’) (MacKinnon et al. 2007; Urban and Mayerl 2008). Die Mediatoranalyse trägt somit dazu bei, den Effekt der unabhängigen Variablen auf die abhängige Variable besser zu erklären, da andernfalls der gesamte totale Effekt dem direkten Einfluss der unabhängigen Variablen zugeschrieben werden würde. Je nachdem, wie groß der durch den Mediator erklärte Anteil des totalen Effekts ist, werden verschiedene Arten von Mediation unterschieden: Geht der Einfluss der unabhängigen Variablen vollständig auf den Mediator zurück, spricht man von totaler Mediation, auch als perfect mediation oder complete mediation bezeichnet. In diesem Fall verschwindet der direkte Effekt c’ zwischen X und Y und der totale Effekt wird vollständig durch den indirekten Effekt bestimmt. Partielle Mediation liegt dagegen vor, wenn X neben dem indirekten Effekt auch einen signifikanten direkten Effekt c’ auf Y hat. Der direkte Effekt c’ ist dann zwar kleiner als der totale Effekt, verschwindet aber nicht (MacKinnon et al. 2007; Urban and Mayerl 2008). Selbst wenn kein signifikanter totaler Effekt zwischen unabhängiger und abhängiger Variable besteht, es augenscheinlich also keinen Zusammenhang gibt, kann doch eine kausale Beziehung zwischen den Variablen vorliegen, die sich mit Hilfe der Mediatoranalyse aufdecken lässt (Shrout and Bolger 2002). Wenn die unabhängige Variable X einen signifikanten direkten Effekt a auf den Mediator M hat und dieser wiederum einen signifikanten direkten Effekt b auf die abhängige Variable Y hat, so lässt sich ein signifikanter indirekter Effekt a*b von X auf Y feststellen, unabhängig von der Signifikanz des totalen Effekts c (MacKinnon et al. 2007; Preacher and Hayes 2004; Urban and Mayerl 2008). Shrout und Bolger (2002) führen verschiedene Ursachen dafür an. Ein Suppressoreffekt ist gegeben, wenn in einem Mediatormodell der direkte Effekt c’ und der indirekte Effekt a*b von der unabhängigen Variable auf die abhängige Variable unterschiedliche Vorzeichen haben und dadurch gegenläufig wirken. In diesem Fall ist es möglich, dass sich diese gegenseitig aufheben und der totale Effekt c so verschwindet, obwohl es eigentlich starke Zusammenhänge gibt (Shrout and Bolger 2002; Urban and Mayerl 2008). Dieselbe Wirkung kann auch bei multiplen Mediationen entstehen, wenn zwei Mediatoreffekte entgegengesetzt wirken (Kenny et al. 1998; MacKinnon et al. 2000; Preacher and Hayes 2008). Bei Berücksichtigung eines Suppressoreffekts kann also eine Beziehung zwischen unabhängiger und abhängiger Variable signifikant werden, die ohne Berücksichtigung des Suppressors deutlich schwächer erscheint, weil sie durch die gegenläufigen Effekte unterdrückt wird (Cheung and Lau 2008). MacKinnon und Kollegen (2007) sprechen in diesem Zusammenhang auch von inconsistent mediation. In einem weiteren Beitrag geben MacKinnon und Kollegen (2000) einen Überblick über die Eigenschaften, Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Suppressoreffekten und Mediatoreffekten. Sie stellen fest, dass diese Effekte trotz ihrer unterschiedlichen Wirkung und Konzeptualisierung statistisch gesehen äquivalent sind und daher mit denselben Methoden analysiert werden können.

94

Empirische Untersuchung

Bei Mediatoreffekten wie auch bei Suppressoreffekten liegen grundsätzlich dieselben Effekte und Einflussbeziehungen vor, Unterschiede bestehen letztendlich nur in den Vorzeichen und der Stärke der einzelnen Effekte (MacKinnon et al. 2000). Für die vorliegende Arbeit werden moderierte Mediationen bzw. bedingte indirekte Effekte (conditional indirect effects) eine besondere Rolle spielen, da für die zu prüfenden Hypothesen Interaktionseffekte zweier unabhängiger Variablen entscheidend sind. Diese lassen sich als moderierte Beziehungen von Variablen abbilden (vgl. 5.2.1). Ein moderierter Mediationseffekt liegt vor, wenn das Vorhandensein oder die Ausprägung eines Mediationseffekts vom Wert einer weiteren Variablen (Moderator) abhängt. Dabei sind verschiedene Variationen möglich, je nachdem wie und an welcher Stelle der Moderator seine Wirkung ausübt (Preacher et al. 2007). In der Literatur verschiedener Disziplinen werden diverse Verfahren diskutiert, mit denen ein Mediatoreffekt festgestellt werden kann. Einen umfassenden und sehr übersichtlichen Vergleich verschiedenster Methoden zur Mediatoranalyse bietet eine Arbeit von MacKinnon und Kollegen (MacKinnon et al. 2002). Die wohl am stärksten verbreitete Methode ist der auf Regressionen beruhende Ansatz von Baron und Kenny (1986), welcher auf einer Arbeit von Judd und Kenny (1981) aufbaut und von vielen Autoren (vgl. z.B. Holmbeck 1997; Iacobucci et al. 2007; MacKinnon et al. 2007) diskutiert und aufgegriffen wird. Diese Methode wird auch als causal steps approach bezeichnet (MacKinnon et al. 2002), da Baron und Kenny (1986) die Prüfung von drei Voraussetzungen für das Vorliegen eines Mediatoreffekts fordern. Dies geschieht durch die Schätzung von drei Regressionsgleichungen: 1. Die unabhängige Variable muss den Mediator beeinflussen (erste Regressionsgleichung: Mediator, unabhängige Variable) 2. Die unabhängige Variable muss die abhängige Variable beeinflussen (zweite Regressionsgleichung: abhängige Variable, unabhängige Variable) 3. Der Mediator muss die abhängige Variable beeinflussen (dritte Regressionsgleichung: abhängige Variable, unabhängige Variable sowie Mediator) Nur wenn diese Bedingungen alle erfüllt sind, liegt eine Mediation vor. Darüber hinaus muss der Effekt der unabhängigen Variablen auf die abhängige Variable in der zweiten Regressionsgleichung (ohne Berücksichtigung Mediator) stärker ausfallen als in der dritten Regressionsgleichung (mit Berücksichtigung Mediator). Perfect mediation liegt vor, wenn in der dritten Regression der Einfluss der unabhängigen Variablen verschwindet (Baron and Kenny 1986). Der causal steps approach prüft zunächst nur die Voraussetzungen für das Vorliegen einer Mediation, ohne jedoch die Stärke des indirekten Effekts zu schätzen oder seine Signifikanz zu überprüfen (MacKinnon et al. 2002). Die Stärke des indirekten Effekts lässt sich sowohl als Produkt der direkten Effekte a*b (product of coefficients approach) als auch als Differenz

Methodik

95

zwischen dem totalen und dem direkten Effekt c-c’ (difference in coefficients approach) schätzen, da a*b = c-c’. Der geschätzte indirekte Effekt wird dann auf Signifikanz getestet. Diese Berechnungen ergänzen die Prüfung der drei Voraussetzungen für Mediation (Baron and Kenny 1986). Darüber hinaus bilden die beiden Ansätze (product of coefficients approach und difference in coefficients approach) aber auch die Grundlage für weitere, eigenständige Methoden zur Feststellung von indirekten Effekten (MacKinnon et al. 2002). Die in der relevanten Literatur am stärksten verbreiteten Signifikanztests für indirekte Effekte werden im Folgenden vorgestellt. Dabei wird für die Schätzwerte der einzelnen Effekte keine gesonderte Notation verwendet, sondern innerhalb des Textes ein entsprechender Hinweis gegeben. Die Signifikanz des indirekten Effekts der unabhängigen Variablen auf die abhängige Variable über den Mediator lässt sich mit Hilfe des Sobel-Tests (Sobel 1982) oder einer von zwei Varianten des Goodman-Tests (Goodman 1960) prüfen. Dabei wird der Schätzwert des indirekten Effekts a*b durch seinen Standardfehler geteilt. Damit lässt sich dann die Nullhypothese (a*b=0) testen, indem der errechnete Wert mit der Standardnormalverteilung verglichen wird (Cheung and Lau 2008; MacKinnon et al. 2002; MacKinnon et al. 2004). Darüber hinaus können mithilfe des Standardfehlers auch Konfidenzintervalle für den indirekten Effekt errechnet werden (MacKinnon et al. 2007; MacKinnon et al. 2004). Die Berechnung des Standardfehlers basiert auf der multivariate delta method (für eine ausführliche Darstellung vgl. Sobel 1982). Der Standardfehler des indirekten Effekts (SE) wird mithilfe der Schätzwerte der einzelnen direkten Effekte sowie deren Standardfehlern in drei verschiedenen Varianten folgendermaßen berechnet (vgl. MacKinnon et al. 1995; Urban and Mayerl 2008):

SE ab

a SE a2  b 2 SE 2b

Sobel-Test

(1)

SE ab

a SE a2  b 2 SE 2b  SE a2 SE 2b

Goodman I

(2)

SE ab

a SE a2  b 2 SE 2b  SE a2 SE 2b

Goodman II

(3)

Da sich die drei Tests stark ähneln und nur in der Berechnung des Standardfehlers marginal variieren (vgl. Gleichungen 1-3), wird in der Literatur häufig verallgemeinernd nur vom Sobel-Test gesprochen (Baron and Kenny 1986; Preacher and Hayes 2004; Urban and Mayerl 2008). MacKinnon und Kollegen stellen in einer Simulationsstudie fest, dass sich die drei Verfahren in den Ergebnissen kaum unterscheiden und daher in den meisten Fällen gleichermaßen geeignet sind (MacKinnon et al. 1995). Allerdings ist der Sobel-Test in allen drei Varianten nicht unproblematisch, da er recht konservativ ist und hohe Anforderungen an die Daten stellt (Preacher and Hayes 2004). So kritisieren verschiedene Forscher, dass bei Mediationseffekten häufig keine Normalverteilung vorliegt und ein auf Normalverteilung basierender Signifikanztest, wie der Sobel-Test, daher nicht geeignet ist. In Simulationsstudien zeigte sich darüber hinaus die geringe statistische Kraft dieser Tests, was dazu führt, dass existierende

96

Empirische Untersuchung

indirekte Effekte häufig nicht entdeckt werden (Cheung and Lau 2008; MacKinnon et al. 2002; Shrout and Bolger 2002). Als alternativen Signifikanztest empfehlen diese Autoren daher Berechnung von Konfidenzintervallen mithilfe von Bootstrapping. Dabei werden für den indirekten Effekt 95%Konfidenzintervalle berechnet. Liegt der Wert Null außerhalb des Konfidenzintervalls, so kann mit einer Irrtumswahrscheinlichkeit von 5% davon ausgegangen werden, dass der indirekte Effekt signifikant von Null verschieden ist (Cheung and Lau 2008; MacKinnon et al. 2002). Konfidenzintervalle haben generell den Vorteil, dass die Stärke des Effekts und die Weite des Intervalls wertvolle Informationen zum Verständnis des indirekten Effekts liefern (MacKinnon et al. 2004). Bootstrapping ist ein nichtparametrischer Ansatz, der ohne Verteilungsannahmen auskommt. Es handelt sich dabei um eine Resampling-Strategie, wobei aus den bestehenden Daten wiederholt Stichproben (resamples) gezogen werden, auf deren Grundlage dann die gesamte Stichprobenverteilung einer Statistik empirisch geschätzt wird (Cheung and Lau 2008; Preacher et al. 2007). Zwar können dabei bei mehrmaliger Durchführung derselben Analyse leicht unterschiedliche Werte resultieren, diese Abweichungen werden aber mit zunehmender Anzahl der Resample-Durchgänge geringer. Einschränkungen bei der praktischen Anwendung können darüber hinaus durch mangelnde Verfügbarkeit entsprechender Software sowie durch den hohen Rechenaufwand entstehen (MacKinnon et al. 2004). In mehreren Simulationsstudien zeigen MacKinnon und Kollegen (2004) sowie Cheung und Lau (2008) die Überlegenheit des Bootstrapping-Ansatzes. Die Konfidenzintervalle basierend auf Bootstrapping sind exakter als die auf Normalverteilungsannahme basierenden Konfidenzintervalle, da die Konfidenzintervalle indirekter Effekte typischerweise asymmetrisch sind und dies durch Bootstrapping abgebildet werden kann. Eine ausführliche Diskussion der Vorteile von Konfidenzintervallen und einen Vergleich verschiedener Resampling-Methoden liefert die Arbeit von MacKinnon et al. (2004). Auch wenn der Ansatz von Baron und Kenny (1986) sehr verbreitet ist, ist seine alleinige Anwendung unter Umständen problematisch. Es gibt Fälle, in denen nicht alle drei Bedingungen erfüllt sind, obwohl ein Mediatoreffekt vorliegt. Suppressoreffekte können beispielsweise nicht entdeckt werden, da hier die zweite Bedingung (signifikanter Einfluss von unabhängiger Variable auf abhängige Variable) grundsätzlich nicht erfüllt ist (MacKinnon et al. 2000; MacKinnon et al. 2002; Shrout and Bolger 2002). Anders herum gibt es auch Fälle, in denen zwar alle drei Bedingungen erfüllt sind und dennoch kein Mediatoreffekt vorliegt (Preacher and Hayes 2004). Shrout und Bolger (2002) empfehlen daher ein modifiziertes Prüfungsschema für die Mediationsanalyse, welches den Nachweis eines signifikanten totalen Effekts c zwischen X und Y nicht als zwingend notwendig voraussetzt. Dafür fordern sie zusätzlich zu den Tests der einzelnen Voraussetzungen grundsätzlich auch die Berechnung von Effektstärke, Signifikanz und Konfidenzintervallen für den indirekten Effekt auf Basis aktueller statistischer Methoden wie dem Bootstrapping. Eine ähnliche Meinung vertreten auch

Methodik

97

Preacher und Hayes (2004) und plädieren für die zusätzliche Durchführung eines Signifikanztests des indirekten Effekts, unabhängig vom Ergebnis des causal steps approach. Gleichzeitig stellen sie fest, dass dieser oftmals nicht durchgeführt wird. Aus diesem Grund haben die beiden Forscher verschiedene SPSS-Makros entwickelt und zum Download bereitgestellt (http://www.people.ku.edu/~preacher/). Mit diesen lässt sich direkt innerhalb von SPSS und auf Basis der vorliegenden Daten eine Mediatoranalyse durchführen und die Signifikanz des indirekten Effekts testen, ohne die Notwendigkeit weiterer manueller Rechnungen (Preacher 2008). Dazu müssen die Variablen des Modells, also der Mediator, die abhängige und die unabhängige Variable, festgelegt werden. Das Makro berechnet dann die Pfade des Modells mit Hilfe von OLS Regressionen und schätzt die direkten Effekte (a, b, c’), den indirekten Effekt a*b und den totalen Effekt c. Dabei werden für die Effekte a, b, c’ und c die nichtstandardisierten Koeffizienten und Standardfehler, die t-Werte und Signifikanzen ausgegeben. Der Signifikanztest für den indirekten Effekt wird durch das Makro auf zweierlei Weise durchgeführt: Einerseits unter der Annahme der Normalverteilung, wobei für den indirekten Effekt Effektstärke und Standardfehler (beide nichtstandardisiert), Konfidenzintervalle und Signifikanz gemäß Sobel-Test ausgegeben werden. Für den Sobel-Test wird der Standardfehler hierbei mit der zweiten der drei oben angegebenen Varianten (Formel 2, Goodman I) geschätzt. Zusätzlich erfolgt die Analyse aber auch auf Basis von Bootstrapping, wobei auch hier Effektstärke, Standardfehler und Konfidenzintervalle (95% und 99%) berechnet werden. Die Anzahl der Bootstrapping-Durchläufe kann dazu in Tausenderschritten festgelegt werden. Insgesamt lassen sich mithilfe des Makros die Empfehlungen von Shrout und Bolger (2002) zur Mediatoranalyse sehr gut umsetzen, da das Makro alle Daten und Werte als Output ausgibt, die notwendig sind, um die Bedingungen für eine Mediation gemäß dem Ansatz von Baron und Kenny (1986) zu überprüfen, gleichzeitig aber auch alternative Schätzungen der Effektstärken und Signifikanztests integriert. Damit stellt das SPSS-Makro ein sehr anwenderfreundliches Werkzeug zur Mediatoranalyse dar, welches bewährte Ansätze mit neueren Erkenntnissen und Methoden verbindet (Preacher and Hayes 2004). Erweiterungen des SPSSMakros von Preacher und Hayes erlauben darüber hinaus auch die Analyse von moderierten Mediationen (Preacher et al. 2007) sowie von multiplen Mediationen (Preacher and Hayes 2008). Iacobucci und Kollegen (2007) empfehlen die Verwendung von Strukturgleichungsmodellen für die Mediatoranalyse, da diese dem regressionsbasiertem Ansatz generell überlegen sind. Insbesondere wenn latente Variablen mit multiplen Indikatoren in die Mediatoranalyse mit einbezogen werden sollen, sind Strukturgleichungsmodelle geeignet (Holmbeck 1997). Weitere Vorteile von Strukturgleichungsmodellen sind die Kontrolle von Messfehlern sowie die Generierung eines Gesamtmodells, welches die simultane Betrachtung mehrerer

98

Empirische Untersuchung

indirekter Effekte, Mediatoren, unabhängiger und abhängiger Variablen ermöglicht und so auch die Abbildung komplexer Beziehungen ermöglicht (Cheung and Lau 2008). Im vorliegenden Experiment gibt es jedoch keine Gründe, die die Verwendung von Strukturgleichungsmodellen zwingend notwendig machen. Vielmehr soll die Mediatoranalyse als Ergänzung zur Varianzanalyse durchgeführt werden, welche mit Hilfe von SPSS erfolgt. Für die Durchführung der Mediatoranalysen im Rahmen des Experiments wurde das oben beschriebene SPSS-Makro verwendet, da es für die vorliegende Analyse gut geeignet ist und die hier bestehenden Anforderungen erfüllt.

5.3 Experiment 1 5.3.1 Untersuchungsaufbau Ziel des ersten Experiments ist es, die Wirkungsentwicklung von Werbung und Publicity sowie von einseitigen und zweiseitigen Botschaften im Zeitablauf abzubilden. Dazu wurden die Quelle der Botschaft (Werbung/unglaubwürdig vs. Publicity/glaubwürdig), die Botschaft selbst (einseitige Botschaft vs. zweiseitige Botschaft) sowie die Zeitspanne zwischen Stimuluspräsentation und Wirkungsmessung (sofort vs. Delay) manipuliert. Diese drei unabhängigen Variablen repräsentieren die drei Faktoren, die die Glaubwürdigkeit und ihre Wirkung auf die Persuasivität der Marketingkommunikation beinflussen und die zentralen, in dieser Arbeit zu untersuchenden Zusammenhänge prägen (vgl. Abbildung 1.1). Das Experiment wurde innerhalb von Lehrveranstaltungen des Marketing-Departments durchgeführt, wobei als Stimulus ein Text über ein Fahrzeug einer fiktiven Marke gewählt wurde. 5.3.1.1 Manipulation der unabhängigen Variablen Einseitige Botschaft vs. zweiseitige Botschaft: Der Stimulus (Produktbericht) unterscheidet sich nur in Hinblick auf den letzten Satz, der eine negative Produkteigenschaft beinhaltet und nur bei den Versuchsgruppen mit zweiseitiger Botschaft enthalten ist. Dadurch bleiben die Botschaften vergleichbar und Unterschiede in der Bewertung der Botschaft lassen sich zweifelsfrei auf das negative Merkmal zurückführen. Die einseitige Botschaft stellt also einen Produktbericht mit ausschließlich positiven Merkmalen dar. Die zweiseitige Botschaft sieht genauso aus, wobei hier zusätzlich eine negative Eigenschaft eingeräumt wird. Jede Versuchsperson erhielt entweder die einseitige oder die zweiseitige Botschaft mit ansonsten gleichem Inhalt. Werbung vs. Publicity: Nach dem Produktbericht erscheint auf der nächsten Seite ein Quellenverweis, der die soeben gelesene Botschaft als Auszug aus einem Fahrzeugtestbericht einer Tageszeitung („Märkische Allgemeine Zeitung“ (Auszug aus einem Bericht der Rubrik „Motor & Verkehr“)) oder aber als Auszug aus einer Werbebroschüre des Anbieters (Werbebro-

Experiment 1

99

schüre des Fahrzeuganbieters (Auszug aus der Produktbeschreibung)) kennzeichnet (Gruder et al. 1978; Kumkale and Albarracin 2004; Pratkanis et al. 1988). Inhaltlich und gestalterisch sind beide Berichte jedoch identisch, um die Vergleichbarkeit zu wahren und um sicherzustellen, dass sich Unterschiede in der Wirkung nur auf die unterschiedliche Glaubwürdigkeit zurückführen lassen (Cameron 1994; Putrevu 2005). Botschaft und Quelle sind also unabhängig voneinander und können beliebig kombiniert werden. Jede Versuchsperson erhielt entweder den Zeitungsausschnitt oder die Werbung. Sofortige Messung vs. Delay: Die sofortige Messung der abhängigen Variablen findet direkt nach Präsentation der Stimuli statt, während die verzögerte Messung am Ende der Lehrveranstaltung erfolgt. Das Delay beträgt somit ca. eine Stunde. Die eine Hälfte der Versuchspersonen wurde sofort befragt, die andere Hälfte mit der einstündigen Verzögerung. Andere Studien befragen ein und dieselben Personen zu zwei verschiedenen Zeitpunkten, um so die Veränderungen im Zeitablauf auf Ebene des einzelnen Individuums abbilden zu können. Dies ist aber bei einem einstündigen Delay kaum sinnvoll durchführbar, weshalb hier jede Person nur einmal (entweder sofort oder verzögert) befragt wird. Verschiedene Studien belegen, dass der Sleeper Effect auch innerhalb sehr kurzer Zeit nachweisbar ist, wenn die Versuchspersonen zwischen Stimuluspräsentation und verzögerter Messung mit Aufgaben abgelenkt werden (Hannah and Sternthal 1984; Pratkanis et al. 1988). Diese Bedingung wurde durch das Verfolgen der Lehrveranstaltung erfüllt. Vorteilhaft ist auch die natürliche und realistische Form der Ablenkung, die in diesem Experiment eher gegeben sein dürfte als in bestehenden Studien, in denen die Teilnehmer durch künstlich erzeugte Reize und Aufgaben abgelenkt wurden. 5.3.1.2 Stimulus Als Stimulus wurde ein Text über ein neues Modell (SUV) einer fiktiven Marke gewählt: „Der neue SUV „Altero“ besticht durch zeitgemäßes, sportliches Design, höchste Qualität und bringt Allradtechnik modernster Prägung mit. Das Terrain-Response-System, mit dem per Drehknopf vier unterschiedliche Fahrprogramme aktiviert werden können, macht den Altero im Gelände zur Ausnahmeerscheinung unter seinesgleichen. Ob Schnee, ob Schlamm oder Sand – Terrain Response sorgt auf beinahe jedem Untergrund für optimale Traktion. Auf Asphalt, den der Altero mit der Agilität und Geschmeidigkeit einer Limousine unter die Räder nimmt, fährt man am besten im Normal-Programm. Verständlicherweise erhöht der AllradBetrieb den Spritverbrauch, was man dem kraftvollen SUV aber gerne verzeiht.“ Es gibt zwei Versionen des Texts: Der letzte, kursiv gedruckte Satz findet sich nur in den Versuchsgruppen mit zweiseitiger Botschaft wieder, bei den Versuchsgruppen mit einseitiger Botschaft fällt er einfach weg. Die negative Information soll vor allem die Glaubwürdigkeit der Botschaft erhöhen, ohne dabei die Wahrnehmung des Produktes allzu negativ zu beeinflussen. Daher wurde eine negative Produkteigenschaft gewählt, die eine Erfahrungseigenschaft betrifft, die nicht als zu bedeutend wahrgenommen wird und die mit anderen, positiven

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Empirische Untersuchung

Eigenschaften (Allrad-Fahrspaß führt zu hohem Spritverbrauch) einhergeht (Pechmann 1990; Pechmann 1992). Außerdem wurde die negative Information am Ende der Botschaft platziert (Eisend 2006; Eisend 2008). Bei der Auswahl des Produktes war es wichtig, ein für den Sleeper Effect ausreichend hohes Produktinvolvement sicherzustellen (Kumkale and Albarracin 2004; Priester et al. 1999). Davon kann bei einem Auto ausgegangen werden. Es wurde eine fiktive Marke gewählt, um Verzerrungen durch bestehende Erfahrungen und Voreinstellungen mit dem Produkt auszuschließen. Bei unbekannten bzw. fiktiven Marken kann von neutraler Anfangseinstellung der Befragten ausgegangen werden, so dass in diesem Fall keine Kontrollgruppe (Einstellungsmessung ohne vorherige Stimuluspräsentation) notwendig ist (Pratkanis et al. 1988, S. 207). Der Stimulus wurde in ein 6-seitiges Booklet eingebettet, auf dessen erster Seite sich ein Begrüßungs- und Einleitungstext befindet, der auch den vermeintlichen Untersuchungsgegenstand erläutert. Auf Seite 2 folgt die Produktbeschreibung (Botschaft Auto, einseitig bzw. zweiseitig). Erst auf der nächsten Seite erscheint der Quellenverweis (Quelle des soeben gelesenen Textes: … (Werbung bzw. Publicity)). Damit wird sichergestellt, dass die Probanden den Quellenverweis erst nach dem vollständigen Lesen der Botschaft aufnehmen. Dies ist wichtig, da bisherige Untersuchungen zum Sleeper Effect gezeigt haben, dass sich dieser nur dann zuverlässig nachweisen lässt, wenn die Verarbeitung der Botschaft dem discounting cue vorausgeht (vgl. z.B. Gillig and Greenwald 1974; Greenwald et al. 1986; Gruder et al. 1978; Kumkale and Albarracin 2004; Pratkanis et al. 1988; Schulman and Worrall 1970) Auf Seite 4 beginnt der Fragebogen. Auf der ersten Seite des Fragebogens werden nur einige für die Arbeit unerhebliche Daten abgefragt, die der Verschleierung des eigentlichen Untersuchungsziels dienen (Beurteilung des Schreibstils, Frage nach Autonutzung und Führerscheinbesitz). Auf den folgenden zwei Seiten des Fragebogens werden dann die abhängigen Variablen sowie einige demografische Daten abgefragt. 5.3.1.3 Messung der abhängigen Variablen Die Einstellung zum Objekt ist die zentrale Variable, mit der die letztendliche Überzeugungswirkung der Kommunikation erfasst werden soll. Sie wird in allen Studien zum Sleeper Effect in verschiedenen Formen erhoben. Hier wurde die Einstellung zum Objekt mit der Frage „Bitte beurteilen Sie das im Text beschriebene Produkt anhand der folgenden Eigenschaften.“ ermittelt, wobei die Antworten in einer Multi-Item-Skala mit drei bipolaren Eigenschaftspaaren erfasst wurden. Da es sich um eine unbekannte Marke handelt, kann unterstellt werden, dass die anfänglichen Einstellungen neutral sind (Pratkanis et al. 1988, S. 207). Die durch die Kommunikation ausgelöste Einstellungsänderung wurde also als Differenz zwischen neutraler und gemessener Einstellung ermittelt.

Experiment 1

101

Die Kaufabsicht wurde ergänzend zur Einstellung zum Objekt erhoben, um zu ermitteln, ob die Einstellungsänderung auch Auswirkungen auf die Verhaltenabsicht hat. Die Frage „Wenn Sie es sich leisten könnten, wie würden Sie Ihre Bereitschaft zum Kauf des Produktes einschätzen?“ konnte auf einer Signle-Item-Skala in sieben Abstufungen von eher niedrig bis eher hoch beantwortet werden. Die Erinnerung an die Botschaft wurde in einer offenen Frage als ungestützter Recall erhoben, indem die Probanden aufgefordert wurden, die wichtigsten Aussagen des Textes wiederzugeben. Ein ungestützter Recall ist einer Recognition-Abfrage vorzuziehen, da es bei letzterem häufig zu überhöhten Erinnerungswerten kommt (Singh and Churchill 1986). Die Erinnerung an die Botschaft wurde erhoben, um festzustellen, ob sich die Probanden bei verzögerter Messung tatsächlich noch gut an den Inhalt der Botschaft erinnern können oder wie stark die Botschaft vergessen wird. Glaubwürdigkeit der Botschaft und Einstellung zur Botschaft wurden gemeinsam in einer Frage („Bitte beurteilen die den Text anhand der folgenden Eigenschaften“) anhand einer Multi-Item-Skala mit sechs bipolaren Eigenschaftspaaren erhoben, wobei sich drei auf die Einstellung und drei auf die Glaubwürdigkeit beziehen. Ziel war auch hier die Erfassung der Überzeugungswirkung der Kommunikation. In den meisten bestehenden Studien zum Sleeper Effect geht es nicht um spezielle Produkte, sondern um allgemeine Botschaften, wie z.B. politische Aussagen (Gruder et al. 1978; Hannah and Sternthal 1984; Priester et al. 1999; Schulman and Worrall 1970). Daher gibt es dort keine Unterscheidung von Einstellung zum Objekt und Einstellung zur Botschaft. Da im Werbekontext jedoch zwischen Werbebotschaft und Werbeobjekt (Produkt bzw. Marke) unterschieden werden muss, wurden hier beide Variablen getrennt erhoben. Zudem sollten auch Auswirkungen im Zusammenhang mit den unterschiedlich gestalteten Botschaften (einseitige Botschaft vs. zweiseitige Botschaft) so besser abgebildet werden können. Die Erinnerung an die Quelle wurde analog zur Erinnerung an die Botschaft als ungestützter Recall erhoben, indem die Probanden aufgefordert wurden, die Quelle des Textes zu nennen. Durch diese Abfrage sollte ermittelt werden, ob sich die Probanden nach Ablauf der Zeitverzögerung tatsächlich weniger gut an die Quelle erinnern können. In Verbindung mit der Erinnerung an die Botschaft lässt sich damit die Entstehung des Sleeper Effects nachvollziehen und die theoretische Fundierung prüfen: Zum Zeitpunkt der verzögerten Einstellungsmessung sollten sich die Probanden besser an den Inhalt der Botschaft als an deren Quelle erinnern (Blümelhuber and Schnitzer 2006; Hovland et al. 1949; Pratkanis et al. 1988). Glaubwürdigkeit der Quelle und Einstellung zur Quelle wurden – ähnlich wie Glaubwürdigkeit der Botschaft und Einstellung zur Botschaft – gemeinsam in einer Frage („Bitte beurteilen die Quelle, aus welcher der Text stammt, anhand der folgenden Eigenschaften“) mithilfe einer Multi-Item-Skala mit sechs bipolaren Eigenschaftspaaren erhoben. Drei Eigenschaften bilden die Einstellung und drei die Glaubwürdigkeit ab. Die Einstellung zur Quelle ist eine abhängi-

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Empirische Untersuchung

ge Variable, die in der Wirkungshierarchie der Einstellung zum Objekt vorgelagert ist. Die Erhebung der Glaubwürdigkeit der Quelle dient vor allem als Manipulation-Check und soll die unterschiedliche Glaubwürdigkeit von Werbung und Publicity bestätigen. Die Messung der abhängigen Variablen erfolgte innerhalb eines dreiseitigen Fragebogens und in der oben aufgeführten Reihenfolge. Die verwendeten Multi-Item-Skalen haben die Form eines semantischen Differenzials. Die bipolaren Eigenschaftspaare haben je sieben Skalenpunkte, welche von -3 (negativ) bis +3 (positiv) reichen. In der Auswertung der Ergebnisse werden die Skalen zwar aus technischen Gründen mit Werten von 1 (negativ) bis 7 (positiv) codiert, dies betrifft aber nur die Auswertung und hat keinerlei Auswirkungen auf die Durchführung und die Ergebnisse des Experiments. Die gewählte Vorgehensweise bei der Gestaltung der Skalen folgt den Empfehlungen von Rossiter (2002): Das Antwortformat verfügt über eine „psychological zero“ (Rossiter 2002, S. 323) als neutralen Mittelpunkt, von dem drei negative und drei positive Antwortkategorien ausgehen, und kommt damit dem intuitiven Antwortverhalten und der Diskriminierungsfähigkeit der meisten Individuen stark entgegen (Rossiter 2002; Schwarz 1999). Nach Schwarz (1999, S. 96) eignen sich Skalenformate mit positiven und negativen Ziffern besser für bipolare Eigenschaftspaare, während bei unipolaren Eigenschaftspaaren Skalenformate mit positive Ziffern geeigneter sind. Auf umgekehrte Codierung der Antwortmöglichkeiten wurde verzichtet, da dies nicht zu einer höheren Reliabilität beiträgt (Churchill 1979; Churchill and Peter 1984). Die von bedeutenden Forschern (Churchill 1979; Peter 1979) empfohlene und im Marketing weit verbreitete Verwendung von Multi-Item-Skalen wird von Bergkvist und Rossiter (2007) in Frage gestellt. Sie argumentieren, dass bei den meisten, in der Marketingforschung gemessenen Konstrukten die Verwendung von Single-Item-Skalen vollkommen ausreichend ist (Bergkvist and Rossiter 2007; Rossiter 2002). Für das vorliegende Experiment wurden verschiedene Argumente der Diskussion gewürdigt. Die verwendeten Multi-Item-Skalen ermöglichen die Berechnung von Cronbach’s Alpha und damit eine Überprüfung der Reliabilität. Keine der Skalen verwendet jedoch mehr als drei synonyme Eigenschaftspaare zur Beschreibung des Konstrukts. Der Forderung nach zeit- und kostensparenden Erhebungen wird damit entsprochen (Bergkvist and Rossiter 2007). Auch das Problem, dass bei steigender Anzahl synonymer Items unpassende Items weniger leicht entdeckt werden, wird bei drei Items kaum auftreten (Bergkvist and Rossiter 2007; Drolet and Morrison 2001). Bei den verwendeten Items wurde auf vielfach bewährte Skalen zurückgegriffen (Bergkvist and Rossiter 2007; Gardner 1985). 5.3.1.4 Ablauf und Cover Story Das Experiment wurde als 2x2x2 between-subjects Design durchgeführt (Werbung / unglaubwürdig vs. Publicity / glaubwürdig, einseitige Botschaft vs. zweiseitige Botschaft, sofortige Messung vs. Delay). Den so entstehenden acht Versuchsgruppen wurden die Teilnehmer gruppenweise zufällig zugeordnet. Jeder Teilnehmer wurde also nur einmal zu genau einer

Experiment 1

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Version des Stimulus befragt. Es wurden insgesamt 263 Studenten der Freien Universität Berlin befragt, so dass für jede der Versuchgruppen mehr als 30 Datensätze vorliegen. Die Befragungen fanden als schriftliche Interviews unter Anwesenheit des Versuchsleiters innerhalb von Lehrveranstaltungen des Marketing-Departments statt (Classroom-Interviews). Die Beschränkung auf Studierende bei der Auswahl der Versuchspersonen hat pragmatische Gründe. Da gut kontrollierbare Versuchsbedingungen und ein reibungsloser Ablauf sowie eine große Anzahl von Teilnehmern notwendig waren, ließ sich ein Experiment außerhalb von Lehrveranstaltungen kaum realisieren. Zwar unterscheiden sich Studierende in verschiedenen Punkten durchaus von anderen Bevölkerungsgruppen, wodurch die externe Validität und damit die Generalisierbarkeit der Ergebnisse beeinträchtigt werden kann (Cunningham et al. 1974; Enis et al. 1972). Allerdings ist die Verwendung von Convenience Samples, wie reinen Studierenden-Stichproben, in der Marketingforschung durchaus üblich und weithin akzeptiert, insbesondere wenn eine hohe interne Validität der Ergebnisse erforderlich ist (Enis et al. 1972). Sternthal und Kollegen (1978a) verteidigen den Einsatz von Studierendensamples als angemessenes Vorgehen, wenn es darum geht, auf theoretischer Ebene signifikante Zusammenhänge zwischen Variablen festzustellen. Im Falle der vorliegenden Untersuchung gibt es keine Gründe, die eine Befragung von Studierenden verbieten. Zudem haben auch andere Studien zu diesem Thema erfolgreich mit Studierendensamples gearbeitet (z.B. Gruder et al. 1978; Hannah and Sternthal 1984; Loda and Coleman 2005; Priester et al. 1999). Einschränkungen in der Übertragbarkeit der Ergebnisse auf andere Bevölkerungsgruppen werden im Rahmen der Implikationen für die Praxis berücksichtigt. Am Anfang der Lehrveranstaltung erläuterte der Versuchsleiter den Zweck des Experiments, wobei vorgegeben wurde, die Studie untersuche die Wahrnehmung und Wirkung verschiedener Schreibstile (Priester et al. 1999). Dann wurden die Booklets mit Stimulus und Fragebogen ausgeteilt, wobei die Studierenden angewiesen wurden, erst nach Aufforderung durch den Versuchsleiter umzublättern und später nicht wieder zurückzublättern. Bei der Versuchsgruppe mit sofortiger Messung wurden die Booklets nach dem Ausfüllen des vollständigen Fragebogens wieder eingesammelt und die Versuchspersonen aus dem Experiment entlassen. Bei der Versuchsgruppe mit verzögerter Messung wurde jedoch zunächst nicht das vollständige Booklet verteilt: Neben den ersten drei Seiten mit Einleitung, Stimulus und Quellenverweis wurde hier nur die erste Fragebogenseite, mit den für die Untersuchung unerheblichen Daten, ausgeteilt. Die zwei Seiten mit den abhängigen Variablen und der Demografie wurden nicht ausgegeben. Nach dem Ausfüllen der Fragebogen wurden die Booklets eingesammelt. Den Studierenden wurde erklärt, dass das Experiment damit abgeschlossen sei und es wurde zur eigentlichen Lehrveranstaltung übergegangen. So wurde gewährleistet, dass die Auseinandersetzung der Studierenden mit dem Thema beendet und der Dissoziationsprozess eingeleitet wird. Kurz vor Ende der Lehrveranstaltung kam der Versuchleiter nochmals herein mit der Feststellung, dass ein Teil des Fragebogens versehentlich vergessen wurde. Da sonst

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Empirische Untersuchung

das ganze Experiment wertlos sei und die Verzögerung kein Problem darstelle, wurden die Studierenden gebeten, die letzten beiden Seiten noch nachträglich auszufüllen. Auf diesen Seiten wurden für die Versuchsgruppe mit verzögerter Messung die bisher fehlenden abhängigen Variablen sowie die demografischen Daten abgefragt. Danach wurden auch hier die fehlenden zwei Fragebogenseiten eingesammelt und die Probanden verabschiedet. 5.3.2 Pretest Mit zwei Pretests wurde zunächst überprüft, ob der für Experiment 1 gewählte Stimulus und die geplante Vorgehensweise geeignet sind, den vermuteten Effekt nachzuweisen. Tatsächlich führten die Pretests zu einigen Modifikationen, so dass dann letztendlich der oben beschriebene Stimulus entstand. Es wurden vier verschiedene Pretest-Fragebögen erstellt und von Studierenden der Freien Universität Berlin insgesamt 83-mal ausgefüllt. Die verschiedenen Versionen des Pretests konfrontierten den Probanden mit einer von vier Versionen des Stimulus (Botschaft einseitig / Werbung, Botschaft einseitig / Publicity, Botschaft zweiseitig / Werbung, Botschaft zweiseitig / Publicity). Der Proband wurde dann um eine Einschätzung gebeten, ob er es für realistisch hält, dass dieser Text aus einer Werbeanzeige bzw. aus der Zeitung stammt. So sollte überprüft werden, ob die Stimulusgestaltung realistisch genug ist und ob der selbst erstellte Text für beide Quellenangaben gleichermaßen gut geeignet ist. Dann wurden die Probanden um eine Bewertung der im Bericht geschilderten Fahrzeugeigenschaften (ausschließlich positiv bis ausschließlich negativ) sowie um eine Einschätzung der Glaubwürdigkeit der Quelle des Berichts (sehr glaubwürdig bis sehr unglaubwürdig) gebeten. Damit sollte gezeigt werden, dass die Manipulationen Werbung (unglaubwürdige Quelle) vs. Publicity (glaubwürdige Quelle) und einseitige Botschaft vs. zweiseitige Botschaft mit dem entworfenen Stimulus erfolgreich durchgeführt werden können. Zuletzt wurde gefragt, ob die Probanden schon jemals vorher etwas von diesem Fahrzeug gehört haben. So sollte sichergestellt werden, dass der fiktive Markenname wirklich unbekannt ist und keine Verwechslungen mit bekannten Marken auftreten. Der Pretest zeigte, dass die fiktive Marke tatsächlich unbekannt ist (83,1% der Probanden gaben an, die Marke nicht zu kennen). Ansonsten deuteten die Ergebnisse des Pretests jedoch auf einen deutlichen Überarbeitungsbedarf hin: Die Probanden hielten die PublicityVersionen für weniger realistisch, der Unterschied zwischen einseitigen und zweiseitigen Fahrzeugbeschreibungen wurde nicht klar erkannt und die Quellen unterschieden sich nicht deutlich genug in ihrer Glaubwürdigkeit. In Verbindung mit einigen Kommentaren, die zum Pretest-Fragebogen abgegeben und notiert wurden, ergaben sich deutliche Verbesserungshinweise: Einige Probanden bemängelten die fehlende Eindeutigkeit des Begriffs „Quelle“ in Frage 3. So kam es vor allem in den beiden Publicity-Versionen zu Verwirrungen, da offensichtlich nicht hinreichend klar war, ob die Glaubwürdigkeit der Zeitung „DER TAGES-

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SPIEGEL“ im Allgemeinen, die Glaubwürdigkeit des Verfassers des Berichts oder die Glaubwürdigkeit des Berichts selbst gemeint war. Ein weiteres Problem bestand in der Quellenbezeichnung „DER TAGESSPIEGEL“. Einige Teilnehmer gaben an, dass sie sich durchaus vorstellen könnten, diesen Bericht in einer anderen Zeitung (bspw. einer Lokalzeitung oder einem Motorsportmagazin) zu lesen, aber keinesfalls in „DER TAGESSPIEGEL“. Zudem könnte die Formulierung der Fragestellung die Probanden misstrauischer gemacht haben, als sie es normalerweise sind. Die ursprüngliche Fragestellung von Frage 2 („Wie bewerten Sie die Fahrzeugeigenschaften in diesem Bericht / dieser Anzeige?“) erschien bei nachträglicher Betrachtung ebenfalls nicht ideal, da die Probanden den Eindruck erhalten haben könnten, sie sollten ihre eigene Meinung zum beschriebenen Fahrzeug angeben. Ziel war es aber herauszufinden, ob die zweiseitige Beschreibung im Vergleich mit der einseitigen Beschreibung als weniger positiv wahrgenommen wird. Der Pretest wurde folglich überarbeitet und in modifizierter Form erneut durchgeführt. In der einleitenden Überschrift wurde die Abkürzung „SUV“ erläutert, da diese beim ersten Pretest vereinzelt nicht bekannt war. Im Halbsatz „Das so genannte Terrain-Response-System, …“ wurden die Worte „so genannte“ gestrichen, da diese keinen besonderen Wert haben und für Werbung sehr untypisch sind. Die ersten drei Fragen wurden in der Reihenfolge verändert: Frage 1 wurde umformuliert, an dritte Stelle verschoben und die Antwortmöglichkeiten geändert, um die Probanden weniger misstrauisch werden zu lassen und um ein deutlicheres Antwortverhalten zu erzwingen. Auch die Frage nach der Bewertung der Fahrzeugeigenschaften wurde eindeutiger formuliert (Wie wird das Fahrzeug in diesem Bericht / in dieser Produktbeschreibung beschrieben?). Um die Unterschiede in der Quellenglaubwürdigkeit besser abbilden zu können, wurde diese Frage an den Anfang gestellt. Darüber hinaus wurde die Bezeichnung „Quelle“ sowohl in der Frage als auch in der Quellenangabe unter dem Text konkretisiert. Schließlich wurde die Quelle „DER TAGESSPIEGEL“ durch die „Märkische Allgemeine Zeitung“ ersetzt. Diese Brandenburger Zeitung dürfte kaum bekannt sein, so dass keine Verzerrungen des Ergebnisses durch persönliche Erfahrungen zu befürchten sind. Die Fragen nach der Bekanntheit der Marke wurden nicht noch einmal gestellt, da das Ergebnis hier eindeutig zufriedenstellend ausgefallen ist und keiner Modifikation bedarf. Stattdessen wurden am Ende Alter und Geschlecht der Probanden abgefragt. Der neue Pretest wurde im Rahmen einer Marketing-Vorlesung der Humboldt-Universität Berlin mit 85 Studenten durchgeführt, so dass von jeder Version mindestens 21 Fragebogen ausgefüllt wurden. Die Ergebnisse zeigen, dass die Modifikationen erfolgreich waren (vgl. Tabelle 5.1). Die Manipulationen Werbung (unglaubwürdige Quelle) vs. Publicity (glaubwürdige Quelle) und einseitige Botschaft vs. zweiseitige Botschaft führten zu den erwarteten Unterschieden zwischen den jeweiligen Gruppen (t-Test). So bewerteten die Leser der einseitigen Botschaft die Produktbeschreibung signifikant positiver verglichen mit den Lesern der zweiseitigen Botschaft (t(83)=-3,262, p0,8 (siehe Tabelle 5.2) und übertreffen damit deutlich die üblichen Anforderungen an die Reliabilität (Churchill 1979, S. 68; Nunnally and Bernstein 1994, S. 265). Skala Einstellung zum Objekt Einstellung zur Botschaft Glaubwürdigkeit der Botschaft Einstellung zur Quelle Glaubwürdigkeit der Quelle

Anzahl Items 3 3 3 3 3

Cronbach’s Alpha 0,848 0,805 0,83 0,881 0,868

Tabelle 5.2: Reliabilitätswerte der verwendeten Skalen

Die offenen Fragen wurden codiert. Bei der Erinnerung an die Quelle wurden fehlende und falsche Erinnerung gleichermaßen als „nicht richtig erinnert“ codiert, während eine weitestgehend korrekte Wiedergabe der Quelle als „richtig erinnert“ klassifiziert wurde. Dabei standen für die Abgrenzung richtiger Erinnerung die für die vorliegende Arbeit zentralen Quellenmerkmale im Vordergrund (vgl. 3.1) So wurde beispielsweise bei Publicity die Angabe „Testbericht aus einer Zeitschrift“ als richtig gewertet, da es sich bei einem Testbericht aus einer Zeitschrift ebenfalls um einen redaktionellen Beitrag handelt. Angaben wie „Homepage des Anbieters“ oder „Werbezeitschrift“ wurden dagegen nicht als richtig anerkannt, da die Botschaft in diesen Fällen auf den Hersteller zurückzuführen ist. Bei der Erinnerung an die Botschaft wurde ausgezählt, wie viele Aussagen der Botschaft die Probanden wiedergeben konnten. Die absolute Anzahl der erinnerten Argumente wurde als Maßzahl für die Erinnerung an die Botschaft verwendet. Zusätzlich wurde noch festgehalten, ob die Erinnerung an das negative Argument vorhanden war. Da diese Codierungen recht eindeutig waren und wenig Interpretationsspielraum ließen, wurden sie in einfacher Form durchgeführt. Die Manipulation der Quellenglaubwürdigkeit war erfolgreich: Publicity erreicht signifikant bessere Werte bei Glaubwürdigkeit der Quelle (t(242)=4,811, p