Minderheitenschutz und Menschenrechte [1 ed.] 9783428522880, 9783428122882

Am 17. Juni 1991 unterzeichneten die Außenminister Polens und Deutschlands in Bonn den deutsch-polnischen Nachbarschafts

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Minderheitenschutz und Menschenrechte [1 ed.]
 9783428522880, 9783428122882

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Staats- und völkerrechtliche Abhandlungen der Studiengruppe für Politik und Völkerrecht Band 21

Minderheitenschutz und Menschenrechte

Herausgegeben von

Dieter Blumenwitz Gilbert H. Gornig Dietrich Murswiek

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Minderheitenschutz und Menschenrechte

Staats- und völkerrechtliche Abhandlungen der Studiengruppe für Politik und Völkerrecht Herausgeber im Auftrag der Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen, Bonn: Dieter Blumenwitz †, Georg Brunner †, Karl Doehring, Gilbert H. Gornig, Eckart Klein, Hans v. Mangoldt, Boris Meissner †, Dietrich Murswiek, Dietrich Rauschning

Band 21

Minderheitenschutz und Menschenrechte

Herausgegeben von

Dieter Blumenwitz Gilbert H. Gornig Dietrich Murswiek

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

Die Bände 1 – 19 der „Staats- und völkerrechtlichen Abhandlungen der Studiengruppe für Politik und Völkerrecht“ erschienen im Verlag Wissenschaft und Politik, Köln

Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, für sämtliche Beiträge vorbehalten # 2006 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 1434-8705 ISBN 3-428-12288-7 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Auf der Fachtagung der Studiengruppe für Politik und Völkerrecht vom 7. bis 9. März 2001 in Königswinter standen der Minderheitenschutz und die Menschenrechte im Mittelpunkt. Insbesondere wurden aktuelle Probleme im deutsch-polnischen Verhältnis behandelt. Polen stand im Mittelpunkt des Symposiums, da der deutsch-polnische Nachbarschaftsvertrag zehn Jahre zuvor abgeschlossen wurde. Am 17. Juni 1991 setzten die Außenminister Polens und Deutschlands in Bonn ihre Unterschrift unter den deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrag, nachdem einige Monate zuvor, am 11. November 1990, beide Regierungen den Grenzvertrag unterzeichnet hatten. Damit akzeptierte Deutschland die OderNeiße-Grenze als westliche Grenze Polens. Im Nachbarschaftsvertrag wurden die Rechte der deutschen Volksgruppe erstmals nach dem Zweiten Weltkrieg genauer festgehalten. Der Vertragstext vermeidet jedoch jeden Anschein, der Minderheiten- und Volksgruppenschutz sei Ergebnis der Übernahme von Territorien mit fremdnationaler Bevölkerung. Der deutsch-polnische Nachbarschaftsvertrag hat sich grundsätzlich bewährt. Fraglich ist allerdings, ob der Vertrag nicht doch noch intensiver politisch genutzt werden könnte. Es spielen insbesondere die Einführungen topografischer Bezeichnungen in Siedlungsgebieten der deutschen Minderheit in Polen in deutscher Sprache eine Rolle, die weitere Verbreitung des muttersprachlichen Unterrichts sowie die stärkere Einbeziehung der Anliegen der deutschen Minderheiten in Polen bei den regelmäßigen Konsultationen über die Weiterentwicklung und Vertiefung der zwischenstaatlichen Beziehungen. Deutlich wird, daß auch die Bundesrepublik Deutschland eine historische Verantwortung für das Wohlergehen der deutschen Minderheit in Polen trägt. Heute gilt das deutsch-polnische Verhältnis in Politik und Wissenschaft gleichwohl als Modell für die Entwicklung von historisch belasteten Beziehungen zwischen Nationen hin zu einer friedlichen und intensiven Kooperation zwischen demokratischen Staaten. Christoph Pan weist in seinem einleitenden Aufsatz über den Minderheitenschutz in Europa darauf hin, daß es mehr als 300 Minderheiten auf diesem Kontinent mit etwa 103 Millionen Personen gibt. Das hat zur Folge, daß jeder siebte Europäer einer Minderheit angehört. Daraus wird geschlossen, daß der Minderheitenschutz eine Angelegenheit des gesamten Kontinents ist und nicht

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Vorwort

eines einzelnen Staates. Mit Stand und Umsetzung des aktuellen Minderheitenschutzes im östlichen Europa setzt sich Falk Lange auseinander, wobei er insbesondere auf die Initiativen der OSZE eingeht. Die Entwicklung des Minderheitenschutzes in Polen seit 1918 ist Gegenstand des Beitrags von Bogusáaw Banaszak. Daß sich die Rechtslage der nationalen Minderheiten in Polen seit dem Ende der kommunistischen Herrschaft erheblich verbessert hat, weist Agnieszka Malicka nach. Der Artikel von Dieter Blumenwitz „Der Weg zum Vertrag über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen“ ist der zentrale Beitrag dieses Bandes, da der Nachbarschaftsvertrag mit Polen Anlaß war, die Beziehungen zu Polen in den Mittelpunkt des Symposiums zu stellen. Gerhard Bartodziej widmet sich speziell der Lage der deutschen Minderheiten in der Republik Polen und in der Tschechischen Republik. Interessant sind insbesondere die Ausführungen darüber, ob es der deutschen Minderheit in Polen gelingt, ihre Identität zu bewahren. Aktuelle Entwicklungen zur Vermögensfrage in den deutsch-polnischen Beziehungen stellt Tobias H. Irmscher dar und faßt damit ein besonders heißes Eisen an. Der nächste Beitrag betrifft Polens östlichen Nachbarn: Grigory Vasilevich beleuchtet die Rechtsprechung des weißrussischen Verfassungsgerichtshofs zum Recht auf Zugang zum Gericht und stellt diese in Bezug zur Praxis des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Im abschließenden Beitrag widmet sich Gilbert H. Gornig den Menschenrechten im Völkerrecht. Die Konzeption der Tagung beruhte im wesentlichen auf Anregungen von Dieter Blumenwitz. Die editorische Betreuung des vorliegenden Bandes haben wir nach seinem Tod im April 2005 von ihm übernommen. Eine Würdigung der wissenschaftlichen Leistung von Dieter Blumenwitz findet sich in Band 23 der Schriftenreihe „Staats- und völkerrechtliche Abhandlungen der Studiengruppe für Politik und Völkerrecht“. Für das Lesen der Korrekturen und das Erstellen der Register danken die Herausgeber Herrn Dr. Tobias H. Irmscher sowie den Herren Boris Pulyer und Daniel Hauschildt vom Lehrstuhl für Völkerrecht, Allgemeine Staatslehre, Deutsches und Bayerisches Staatsrecht und politische Wissenschaften der Julius-Maximilians-Universität Würzburg. Für Übersetzungsarbeiten danken die Herausgeber Frau Ioana Rusu vom Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Völkerrecht und Europarecht der Philipps-Universität Marburg. Herrn Thomas Helm, Referent von MdB Erwin Marschewski, sowie den Mitarbeitern des Bundessprachenamtes ist schließlich für die Übersetzung des polnischen Minderheitengesetzes zu danken. Marburg/Freiburg im November 2005

Gilbert H. Gornig Dietrich Murswiek

Foreword The conference of the Studiengruppe für Politik und Völkerrecht from 7-9 March 2001 focussed on human rights and the protection of minorities. In particular, it dealt with the current problems in the German-Polish relations, with a view to the 10th anniversary of the German-Polish neighbourhood treaty. The foreign ministers of Poland and Germany signed the German-Polish neighbourhood treaty on 17 June 1991 in Bonn, a few months after the two governments had signed the treaty on the state frontiers on 11 November 1990. By this treaty Germany recognised the Oder-Neisse line as the western frontier of Poland. The rights of the German minority were detailed for the first time after World War II in this neighbourhood treaty. However, the text of the treaty avoids any suggestion to the fact that the protection of minority rights is a consequence of the taking-over of territories with peoples of other nationalities. The German-Polish neighbourhood treaty has proved itself. The question is, if the treaty could have been better used on the political level. Particularly the introduction of German topographic indications in the areas of settlement of the German minority in Poland, the spreading of education in the mother tongue and the inclusion of the matters of the German minority in the regular consultations on the development and strengthening of the relation between the two countries have played an important part in this. It has become clear that the Federal Republic of Germany has a historical responsibility for the German minority in Poland. The German-Polish relations in the political and scientific area are nowadays a model for the development from a historical tense relation between nations to a peaceful and intensive cooperation between democratic states. In the introductory essay Christoph Pan points out that there are more than 300 minorities on the European continent comprising more than 103 million individuals. This means that every seventh European belongs to a minority, so that the legal protection of the minorities should be a matter of general interest of the entire continent, not only of the states. Falk Lange examines the current state and implementation of the protection of the minorities in Eastern Europe with focus on the initiatives of the OSCE. The development of the legal protection of minority rights in Poland after 1918 is the topic of the essay of Bogusáaw Banaszak. Agnieszka Malicka proves that the legal status of the national minorities in Poland has improved considerably since the end of the communist era.

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Foreword

The article of Dieter Blumenwitz The road towards the treaty on good neighbourhood and friendly co-operation between the Federal Republic of German and the Republic of Poland forms the central part of this volume. He analyses this treaty, which constitutes the main reason for choosing the German-Polish relations as the main topic of the conference. The essay of Gerhard Bartodziej deals with the situation of the German minority in Poland and in the Czech Republic. His theses on the attempts of the German minority to preserve its identity are particularly interesting. Tobias H. Irmscher analyses the current developments in questions of property in the German-Polish relation and thus touches upon a very sensitive topic. The next constribution relates to Poland‘s eastern neighbour: Grigory Vasilevich studies the case law of the Belarusian Constitutional Court on access to justice and puts this in relation to the practice of the European Court of Human Rights. In the closing essay Gilbert H. Gornig analyses the human rights in international law. The concept of the conference was mainly developed by Dieter Blumenwitz. After his premature death in April 2005 we took over the editorial supervision of the volume. The 23rd volume of the series Staats- und völkerrechtliche Abhandlungen der Studiengruppe für Politik und Völkerrecht will include an essay on the recognition of his scientific work. The editors would like to thank Dr. Tobias H. Irmscher, Boris Pulyer and Daniel Hauschildt from the chair for public international law, doctrine of state, German and Bavarian constitutional law and political science at the University of Würzburg for proof-reading the manuscript and for compiling the register. The editors would like to thank Mrs. Ioana Rusu from the department of public law, international and European law of the Philipps University of Marburg for the translation of the foreword. They also owe gratitude to Mr. Thomas Helm, consultant to former MP Erwin Marschewski, and to the staff of the Federal Language Office for providing the German translation of the Polish minority act. Marburg/Freiburg, November 2005 Gilbert H. Gornig Dietrich Murswiek

Inhaltsverzeichnis

Christoph Pan Minderheitenschutz in Europa: Fakten und Perspektiven .................................... 17 Abstract................................................................................................................ 29 Falk Lange Stand und Umsetzung des aktuellen Minderheitenschutzes im östlichen Europa ............................................................................................. 31 Abstract................................................................................................................ 41 Bogusáaw Banaszak Die Entwicklung des Minderheitenschutzes in Polen seit 1918........................... 43 Abstract................................................................................................................ 57 Agnieszka Malicka Die Rechtslage der nationalen Minderheiten in Polen ......................................... 59 Abstract................................................................................................................ 76 Dieter Blumenwitz Der Weg zum Vertrag über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen......................................... 77 Abstract................................................................................................................ 88 Gerhard Bartodziej Über die Lage der deutschen Minderheiten in der Republik Polen und der Tschechischen Republik................................................ 89 Abstract................................................................................................................ 98

Inhaltsverzeichnis

10 Tobias H. Irmscher

Aktuelle Entwicklungen zur Vermögensfrage in den deutsch-polnischen Beziehungen....................................................................... 101 Abstract.............................................................................................................. 132 Grigory A. Vasilevich Die Rechtsprechung des weißrussischen Verfassungsgerichtshofs zum Recht auf Zugang zum Gericht im Lichte der Praxis des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte.......................................... 133 Zusammenfassung ............................................................................................. 152 Gilbert H. Gornig Menschenrechte im Völkerrecht ........................................................................ 155 Abstract.............................................................................................................. 193 Anhang: Gesetz über nationale und ethnische Minderheiten sowie über die Regionalsprache (Polnisches Minderheitengesetz) .............................. 195 Die Autoren .................................................................................................................. 221 Personen- und Sachregister .......................................................................................... 235

Table of Contents

Christoph Pan Minority Protection in Europe: Facts and Perspectives ....................................... 17 Abstract................................................................................................................ 29 Falk Lange Status and Implementation of Minority Protection in Eastern Europe..................................................................................................... 31 Abstract................................................................................................................ 41 Bogusáaw Banaszak Development of the Protection of Minorities in Poland since 1918 ................................................................................................ 43 Abstract................................................................................................................ 57 Agnieszka Malicka The Legal Position of National Minorities in Poland .......................................... 59 Abstract................................................................................................................ 76 Dieter Blumenwitz The Road towards the Treaty on Good Neighbourhood and Friendly Cooperation between the Federal Republic of German and the Republic of Poland ................................................................ 77 Abstract................................................................................................................ 88 Gerhard Bartodziej On the Situation of the German Minorities in the Republic of Poland and the Czech Republic........................................................ 89 Abstract................................................................................................................ 98

Table of Contents

12 Tobias H. Irmscher

Recent Developments Concerning the Open Property Issues in the German-Polish Relations ......................................................................... 101 Abstract.............................................................................................................. 132 Grigory A. Vasilevich The Jurisprudence of the Belarusian Constitutional Court on Access to Justice in view of the Case Law of the European Court of Human Rights............................................................ 133 Zusammenfassung ............................................................................................. 152 Gilbert H. Gornig Human Rights in International Law................................................................... 155 Abstract.............................................................................................................. 193 Annex: Act on the National and Ethnical Minorities and the Regional Language (Polish Minority Act) ................................................... 195 The Authors.................................................................................................................. 221 Index ........................................................................................................................... 235

Abkürzungsverzeichnis / List of Abbreviations a.A.

andere Ansicht

a.a.O.

am angegebenen Ort

Abs.

Absatz

AChMVR

Afrikanische Charta der Rechte der Menschen und Völker, „BanjulCharta“ vom 27. Juni 1981

AdÜ

Anmerkung des Übersetzers

AJIL

American Journal of International Law

AMRK

Amerikanische Menschenrechtskonvention vom 22. November 1969

Anm.

Anmerkung(en)

Art.

Artikel

Aufl.

Auflage

AVR

Archiv des Völkerrechts

Bd.

Band

BDGV

Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht

BGBl.

Bundesgesetzblatt

BGHSt

Sammlung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Strafsachen

BMI

Bundesministerium des Inneren

BRD

Bundesrepublik Deutschland

BT-Drs.

Bundestagsdrucksache

BVerfGE

Entscheidungssammlung des Bundesverfassungsgerichts

bzw.

beziehungsweise

ca.

circa

cap.

Kapitel

CCPR

International Covenant on Civil and Political Rights

CDU

Christlich Demokratische Union

cf.

confer

14

Abkürzungsverzeichnis / List of Abbreviations

corr.

corrigendum

CSU

Christlich Soziale Union

d.h.

das heißt

DDR

Deutsche Demokratische Republik

ders.

derselbe

dies.

dieselbe

doc.

document

ECHR

European Convention on Human Rights

ed.

editor

EMRK

Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950, BGBl. 1952 II S. 686, 953 („Europäische Menschenrechtskonvention“)

EPIL

Encyclopedia of Public International Law

ETS

Europe Treaty Series

EU

Europäische Union

EuGRZ

Europäische Grundrechte-Zeitschrift

EuSCh

Europäische Sozialcharta vom 18. Oktober 1961, BGBl. 1964 II S. 1262

f.

folgende

FAZ

Frankfurter Allgemeine Zeitung

ff.

fortfolgende

Fn.

Fußnote

FP

Fakultativprotokoll

FUEV

Föderalistische Union Europäischer Volksgruppen

GAOR

General Assembly Official Record

GBl.

Gesetzblatt

GWZ

Gesellschaft für Internationale Wirtschaftliche Zusammenarbeit mbH

GYIL

German Yearbook of International Law

HLKO

Haager Landkriegsordnung

Hrsg.

Herausgeber

hrsg.

herausgegeben

i.S.d.

im Sinne des

Abkürzungsverzeichnis / List of Abbreviations

15

i.V.m.

in Verbindung mit

IARA

Inter-Allied Reparation Agency

ICLQ

International and Comparative Law Quarterly

IGH

Internationaler Gerichtshof

IMT

International Military Tribunal (Internationaler Militärgerichtshof)

InfAuslR

Informationsbrief Ausländerrecht

IPbpR

Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte

IPwirtR

Internationale Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte vom 19. Dezember 1966

IStGH

Internationaler Strafgerichtshof

Jg.

Jahrgang

JIR

Jahrbuch des internationalen Rechts

JOR

Jahrbuch für Ostrecht

KSZE

Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa

lit.

litera

NGO

Non-Governmental Organisation

NJW

Neue Juristische Wochenzeitschrift

no.

number

Nr.

Nummer

NRG

Nouveau Recuceil Général

NZZ

Neue Zürcher Zeitung

o.a.

oben angegeben(er/en)

OAS

Organisation Amerikanischer Staaten

ONSA

Orzecznictwo Naczelnego Sądu Administracyjnego (Rechtsprechungssammlung des Hauptverwaltungsgerichts)

op. cit.

opus citatum

OSZE, OSCE

Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa

para.

paragraph

Rd.

Randnummer(n)

RdC

Recueil des Cours de l'Académie de droit international

Res.

Resolution

rev.

revision

16

Abkürzungsverzeichnis / List of Abbreviations

Rn.

Randnummer(n)

S.

Seite(n); Satz, Sätze

s.

siehe

s.a.

siehe auch

SES

Stiftung für die Entwicklung Schlesiens und Förderung lokaler Initiativen

Sess.

Session

SFRJ

Sozialistische Föderative Republik Jugoslawien (Socijalistiþka Federativna Republika Jugoslavija)

sog.

sogenannte(n/r)

StIGH

Ständiger Internationaler Gerichtshof

supp.

supplement

SVN

Satzung der Vereinten Nationen

u.a.

unter anderem; unter anderen; und andere

usw.

und so weiter

UdSSR, USSR

Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken, Sowjetunion (ɋɨɸɡ ɋɨɜɟɬɫɤɢɯ ɋɨɰɢɚɥɢɫɬɢɱɟɫɤɢɯ Ɋɟɫɩɭɛɥɢɤ – ɋɋɋɊ)

UNO

United Nations Organisation

UNTS

United Nations Treaty Series

v.

vom; von

vgl.

vergleiche

VN

Vereinte Nationen

vol.

volume

WVK

Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge („Wiener Vertragsrechtskonvention“)

z.B.

zum Beispiel

Ziff.

Ziffer

Minderheitenschutz in Europa: Fakten und Perspektiven Von Christoph Pan

I. Die empirische Dimension der Minderheitenfrage Im Bereich des Minderheitenschutzes hat sich im letzten Jahrzehnt eine erstaunliche Dynamik entwickelt, doch ist die Empirie dabei eindeutig zu kurz gekommen. Wir haben diese Lücke mit einem Handbuch über die Volksgruppen Europas1 zu schließen versucht. Dabei zeigte sich, daß Minderheitenforschung noch voller Überraschungen stecken und daher ebenso spannend wie facettenreich sein kann.2 In Europa gibt es über 300 Volksgruppen,3 mit über 103 Millionen Angehörigen. Dies bedeutet, daß jeder siebte Europäer Angehöriger einer Volksgruppe ist. Überraschend daran ist, daß diese Zahl sehr viel größer ist als man bisher angenommen hatte, denn beim letzten Versuch einer Bestandserfassung vor

___________ 1 C. Pan / B. S. Pfeil, Die Volksgruppen in Europa. Ein Handbuch (Bd. 1), Ethnos Bd. 56, Wien 2000. 2 Die Begriffe Volksgruppe und nationale, ethnische oder sprachliche Minderheit werden hier, falls nichts anderes vermerkt ist, als Synonyme gebraucht. Dies aus Gründen der Vereinfachung. Dem Begriff Minderheit haftet im Deutschen eine pejorative Konnotation an, der Begriff Volksgruppe wiederum ist nicht 1:1 in andere Sprachen übersetzbar und außerdem ist der Europarat dazu übergegangen, einfachheitshalber einheitlich den Begriff „nationale Minderheit“ zu verwenden. 3 Unter „Volksgruppe“ (Minderheit) ist eine Gemeinschaft zu verstehen, welche zahlenmäßig kleiner ist als die übrige Bevölkerung eines Staates, deren Angehörige Bürger dieses Staates sind, die sich durch ethnische, sprachliche oder kulturelle Merkmale von den übrigen Staatsbürgern unterscheiden und gewillt sind, diese Eigenart zu erhalten (in Deutschland sind dies z.B. die Dänen, Sorben, Friesen und Sinti-Roma). Nicht unter diesen Begriff fallen jedenfalls Wanderarbeitnehmer oder andere Einwanderer wie Flüchtlinge- oder Asylantengruppen, die gelegentlich als sogenannte „neue Minderheiten“ bezeichnet werden (und deren Zahl sich gegenwärtig z.B. in Deutschland auf mehr als 7 Millionen beläuft). Vgl. C. Pan / F. Ermacora, Volksgruppenschutz in Europa, Ethnos Bd. 46, Wien 1995, S. 15.

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dreißig Jahren konnten 90 Volksgruppen mit rund 38 Millionen Angehörigen erfaßt werden.4 Wieso waren es nun plötzlich so viele mehr? Mehrere Gründe sind dafür maßgeblich: 1. Die Transparenz politischer und demographischer Strukturen in Europa ist sehr viel größer geworden, weil die Informationstechnologie sich enorm entwickelt hat, so daß Volksgruppen aufgespürt werden konnten, von deren Existenz man bisher wenig oder gar nichts wußte.5 2. Im Schutze von Demokratie, Menschenrechten und Rechtstaatlichkeit haben nicht wenige Minderheiten bzw. deren Angehörige wieder zu ihrer Identität zurückgefunden.6 Denn die Existenz einer Minderheit ist „eine faktische Angelegenheit und nicht eine Angelegenheit des Rechts“, wie der Internationale Gerichtshof bereits in der Zwischenkriegszeit treffend bemerkte, und die allgemeine Erläuterung der Menschenrechtskommission zum Art. 27 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte (UN-IPBPR 1994) stellt u.a. fest: „Die Existenz einer ethnischen, religiösen oder sprachlichen Minderheit in einem bestimmten Vertragsstaat kann nicht von einer Entscheidung dieses Vertragsstaates abhängen, sondern bedarf der Feststellung aufgrund objektiver Kriterien.“ So sagte auch folgerichtig der OSZE-Hochkommissar für nationale Minderheiten: „Ich erkenne eine Minderheit, wenn ich eine sehe.“7 3. Die Anzahl der Staaten ist beträchtlich gestiegen: 14 von insgesamt 45 Staaten Europas sind erst innerhalb des letzten Jahrzehnts neu entstanden oder wiedererstanden. Dies ist ein Drittel!8 In diesem Drittel der jüngsten Staaten konnten mit rund 140 knapp die Hälfte der über 300 Volksgruppen festgestellt ___________ M. Straka (Bearb.), Handbuch der europäischen Volksgruppen. Hrsg. im Auftrage der FUEV unter ihrem Generalsekretär Povl Skadegård, Ethnos Bd. 8, Wien-Stuttgart 1970. 5 Z.B. die Csángo in Rumänien, die Mirandes und Baranquenhos in Portugal usw. 6 Z.B. die Kaschuben, ein westslawisches Volk in Polen, deren Anzahl auf 300.000500.000 geschätzt wird, vgl. J. Borzyszkowski, Die Kaschuben – einst und heute (Kaszubi – dawniej i dziĞ), in: M. Wannow, Die Kaschuben (Kaszubi), GdaĔsk 1999, S. 214233 (215). 7 Greek Helsinki Monitor (GHM) & Minority Rights Group - Greece (MRG-G), (Partly or Fully unrecognized) National Minorities, 2001, S. 1. 8 Die drei baltischen Staaten, dazu Rußland, Weißrußland, die Ukraine und Moldawien, sodann Tschechien und die Slowakei und schließlich Bosnien, Kroatien, RestJugoslawien, Mazedonien und Slowenien, vgl. Pan/Pfeil, Die Volksgruppen in Europa (Fn. 1), S. 4. 4

Minderheitenschutz in Europa: Fakten und Perspektiven

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werden.9 Damit ist für ganz Europa nachvollziehbar bestätigt, was man in Österreich und in Ungarn schon lange weiß, daß nämlich mit jedem neuen Staat die Anzahl der Minderheiten überproportional wächst und daß daher die Schaffung neuer Staaten allein das am allerwenigsten taugliche Mittel ist, die Minderheitenfrage aus der Welt zu schaffen. Moderner Minderheitenschutz ist daher unter Wahrung der territorialen Integrität der Staaten im Rahmen von Menschenrechten, Demokratie und Rechtstaatlichkeit zu suchen, ohne die Staatsgrenzen in Frage zu stellen, deren Bedeutung innerhalb der EU ja ohnehin immer mehr zu jener von Verwaltungsgrenzen reduziert wird.

II. Existenzgefährdung vieler Minderheiten Volksgruppen können aber nicht nur entstehen und mehr werden, sondern sie können auch vergehen und weniger werden.10 Probleme, welche die Existenz von Volksgruppen gefährden, sind zwar nicht neu, doch läßt sich nun aufgrund des vorliegenden empirischen Datenmaterials ihr quantitatives Ausmaß näher bestimmen. Dies führt zu teilweise überraschenden Ergebnissen, wie die folgenden Beispiele zeigen. 1. Bekanntlich haben besonders die kleinen Volksgruppen aus vielerlei Gründen größere Überlebensprobleme. Wo aber liegt die Grenze, ab welcher Volksgruppen als „klein“ zu bezeichnen sind? Eine von der Europäischen Kommission in Brüssel in Auftrag gegebene Studie11 ist dieser Frage nachgegangen und sie ist – bei aller gebotenen Vorsicht – zum Ergebnis gelangt, daß die kritische Grenze, ab welcher das Überleben einer Sprache besonders stark gefährdet ist, bei 300.000 Sprechern anzusiedeln ist. Aufgrund der nun vorliegenden empirischen Daten läßt sich feststellen, daß etwa 80 % der über 300 Volksgruppen Europas weniger als 300.000 Angehörige besitzen. Dies bedeutet politisch, daß vier Fünftel aller europäischen Minderheiten aus Überlebensgründen in besonderem Maße auf die Fortschritte des europäischen Minderheitenschutzsystems angewiesen sind. ___________ 9 Wobei allerdings nur der europäische Teil Rußlands mit 45 Volksgruppen berücksichtigt wurde. 10 Diesem Phänomen widmet die Soziolinguistik im Rahmen der Sprachtodforschung besondere Aufmerksamkeit, vgl. dazu P. Zürrer, Kontaktlinguistische Variation in Sprachinseldialekten, in: Europa Ethnica 57. Jg. (3-4/2000), S. 148-165 (148 ff.). 11 Europäische Kommission (Hrsg.), Euromosaic. Produktion und Reproduktion der Minderheiten-Sprachgemeinschaften in der Europäischen Union, Luxemburg 1996.

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2. Es gibt immer noch innovationsresistente Staaten, welche die auf dem Gebiet des Minderheitenschutzes im vergangenen Jahrzehnt erzielten Fortschritte nicht zur Kenntnis nehmen und deren Staatsdoktrin die Anerkennung von Minderheiten auf ihrem Territorium nicht gestattet. Zwar ist ihre Anzahl deutlich gesunken,12 doch sind immerhin mindestens 25 Volksgruppen mit knapp 16 Millionen Angehörigen noch unmittelbar von diesem antiquierten Standpunkt betroffen.13 3. Ein weiteres Problem stellt eine Reihe von Staaten dar, welche den negativen Minderheitenschutz auf individualrechtlicher Basis als ausreichend betrachten und die erst noch überzeugt werden müssen, daß dies nicht ausreichend ist und daß ein solcher Minimalschutz unbedingt der Ergänzung durch positive Schutzmaßnahmen auf gruppenrechtlicher Grundlage bedarf. Wenn die Zahl dieser Staaten erfreulicherweise neuerdings etwas zurückgegangen ist, so bleibt nicht zu übersehen, daß mehr als die Hälfte der Staaten Europas noch in diese fragliche Kategorie fallen und daß vor allem über die Hälfte der europäischen Volksgruppen die unmittelbar Leidtragenden dieser revisionsbedürftigen Einstellung sind.

III. Minderheitenschutz als gesamteuropäische Aufgabe Die empirischen Daten ermöglichen einige bemerkenswerte Einblicke in die ethnische und sprachliche Landschaft Europas: a) Kein einziger Staat in Europa in der Größenordnung von einer Million Einwohnern aufwärts ist frei von Volksgruppen im eigentlichen Sinn.14 ___________ Frankreich, die Türkei und Griechenland beharren noch auf diesem Standpunkt. In Griechenland ist 1999 zumindest eine öffentliche Debatte darüber entstanden, die möglicherweise zu einem Einlenken führen kann – C. Pan/B. S. Pfeil, Minderheitenrechte in Europa. Handbuch der europäischen Volksgruppen, Band 2, Unveröffentlichtes Manuskript, Bozen 2002, S. 145 ff. (161). 13 In Frankreich gibt es 7 Minderheiten (Okzitanen, Deutschsprachige Elsässer und Lothringer, Bretonen, Katalanen, Korsen, Flamen, Basken) mit 8,1 Millionen Angehörigen, in Griechenland gibt es ebenfalls 7 Minderheiten (Türken, Pomaken, Mazedonier, Aromunen, Armenier, Albaner, Roma) mit mindestens 253.000 Angehörigen und in der Türkei gibt es 11 Minderheiten (Kurden, Roma, Araber, Tscherkessen, Armenier, Georgier, Juden, Bulgaren, Lasen, Abasinen, Griechen) mit 7,3 Millionen Angehörigen, vgl. C. Pan / B. S. Pfeil, Die Volksgruppen in Europa (Fn. 1), S. 73, 77 und 169. 14 Bis vor kurzem glaubte man noch, Irland sei diesbezüglich die einzige Ausnahme, da die Irisch-Gälisch-Sprecher dort einen Teil der Titularnation bilden und somit eine reine Sprachminderheit sind. Nach Vorlage des Staatsberichts Irlands beim Europarat 12

Minderheitenschutz in Europa: Fakten und Perspektiven

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b) Selbst in Portugal, oft als Staat ohne Minderheiten gehandelt, leben neben einer größeren Gruppe von Roma zwei spanische Volksgruppen, die eine mit spanisch-asturischer und die andere mit spanisch-andalusischer Muttersprache.15 c) Die übrigen Staaten beherbergen jeweils zwischen drei und 45 Volksgruppen. Spitzenreiter ist erwartungsgemäß Rußland (diesseits des Ural) mit 45, gefolgt von der Ukraine mit 21 und Rumänien mit 19 Volksgruppen. d) In den einzelnen Staaten sehr unterschiedlich ist auch der Anteil der Volksgruppenangehörigen an der Gesamtbevölkerung, er reicht von einigen wenigen Prozent bis zu einem Drittel und mehr, letzteres vor allem in Lettland und Estland, in Moldawien und in Jugoslawien. e) Roma gibt es in 28 Staaten, die Deutschsprachigen verteilen sich auf 22 Staaten16 und jüdische Minderheiten leben in 20 Staaten. Natürlich leben Juden fast überall in Europa, doch da sie sich häufig als religiöse Gemeinschaften und nicht als Minderheiten betrachten, rangieren sie als solche zahlenmäßig nach den Roma und den deutschsprachigen Volksgruppen. f) Stark betroffen vom Minderheitenproblem sind seit einem Jahrzehnt auch die Russen, gibt es doch 16 russische Minderheiten in neun europäischen und in sieben asiatischen Ländern, von welchen jene in der Ukraine mit rund 11 Millionen Angehörigen mit Abstand die größte ist. g) Fast überraschend hoch ist mit 87 die Zahl der Völker Europas. Zu den bekannten großen Völkern gesellt sich eine Vielzahl kleiner, bisher weniger bekannter Völker mit teils unter 10.000 Angehörigen wie z.B. die Tsachurier, Karaime, Kernen und Liwen – letztere mit nur (noch) 150 Angehörigen. h) Der Vielfalt der kleinen Völker Europas entspricht schließlich auch die Vielzahl der staatslosen Sprachen. Den 37 Nationalsprachen Europas stehen ___________ am 13. November 2001 zeigte sich jedoch, daß es auch in Irland mit den „Fahrenden“ eine echte Volksgruppe gibt, vgl. Council of Europe, Report Submitted by Ireland Pursuant to Article 25, Paragraph 1 of the Framework Convention for the Protection of National Minorities, Received on 13 November 2001, ACFC/SR (2001) 006. 15 Die Mirandes (40.000) und die Barranquenhos (2.000), vgl. C. Pan/B. S. Pfeil, Die Volksgruppen in Europa (Fn. 1), S. 133. 16 Die Information über die Existenz einer deutschen Volksgruppe in der Türkei als 22. Staat, wo Deutsche leben, war bisher nicht allgemein zugänglich, da ja die Türkei bekanntlich die Existenz von Minderheiten auf ihrem Staatsgebiet leugnet und gegenteilige Behauptungen strafrechtlich verfolgt. Vgl. dazu C. Pan/B. S. Pfeil, Minderheitenrechte in Europa (Fn. 12), S. 503.

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nämlich etwa 53 staatslose Sprachen gegenüber, die aber nur von etwa 5 % der Europäer gesprochen werden. Die Vielfalt der Kulturen und Sprachen ist der Reichtum Europas. Unter diesem Aspekt ist Europa fast unermeßlich reich. Diese Vielfalt findet sich nicht nur in Mittel- und Osteuropa, sondern auch in den „alten Demokratien“ des Westens. Und auch hier gilt es, die durch die Menschenrechte verbürgte Gleichberechtigung der Individuen durch das Prinzip der Gleichberechtigung der Völker und Ethnien zu ergänzen – ein Prinzip, das in Europa immerhin noch bis zur Zwischenkriegszeit salonfähig war und erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts aufgrund von bedauerlichen Irrtümern in Mißkredit geraten ist. Die große Wende in Europa 1989/90 hat eine Dynamik ausgelöst, die das Entstehen eines europäischen Minderheitenschutzsystems begünstigt. Tatsächlich ist 1998 das Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten als erstes völkerrechtliches Instrument des Minderheitenschutzes in Kraft getreten. Zuerst in 13 Staaten Europas und anschließend in 19 weiteren, so daß sich sein Geltungsbereich auf 32 Staaten in Europa ausgeweitet hat, zu welchen sich noch die beiden transkaukasischen Staaten Armenien und Aserbeidschan hinzugesellen. Fünf weitere europäische Staaten, nämlich Belgien, Griechenland, Lettland, die Niederlande und Portugal sowie das transkaukasische Georgien haben das Rahmenübereinkommen bereits unterzeichnet, müssen es jedoch noch ratifizieren und in Kraft setzen. Völlig ins Abseits geraten sind aber zwei Länder, nämlich Frankreich und die Türkei, deren Staatsdoktrin die Anerkennung der Existenz von Minderheiten nicht erlaubt.

IV. Umsetzung des Rahmenübereinkommens zum Schutz nationaler Minderheiten Inzwischen hat auch der Kontrollmechanismus des Europarates zu wirken begonnen.17 Er stützt sich vor allem auf die Staatsberichte über die Umsetzung des Rahmenübereinkommens, die ein Jahr nach dessen Inkrafttreten zu hinterlegen sind. Bis Ende 2001 unterlagen bereits 31 Staaten Europas dieser Ver___________ 17 Nach Art. 24 Abs. 1 des Rahmenübereinkommens zum Schutz nationaler Minderheiten überwacht „das Ministerkomitee des Europarates die Durchführung dieses Abkommens durch die Vertragsparteien, die nach Art. 25 Abs. 1 innerhalb eines Jahres nach Inkrafttreten dieses Rahmenübereinkommens ... dem Generalsekretär des Europarates ... vollständige Informationen“ über die Durchführung zu übermitteln haben.

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pflichtung. 27 sind ihr bis zu diesem Zeitpunkt auch schon nachgekommen, vier sind noch säumig18 und für einen Staat läuft die Frist bis 2002.19 Von den bisher hinterlegten 27 Staatsberichten sind vier pünktlich (Tschechien, Liechtenstein, San Marino, Schweden)20 und 23 mit einer Verspätung eingelangt, die durchschnittlich bei etwas mehr als sieben Monaten liegt und von einem Minimum von zwei bis drei Wochen (Finnland, Deutschland) bis hin zu nahezu zwei Jahren (Spanien: 22½ Monate) und sogar darüber (Irland: 26½ Monate) reicht. Allerdings war die Hälfte der Staaten mit der Hinterlegung des Staatsberichts höchstens ein halbes Jahr in Verzug (Kroatien, Zypern, Dänemark, Ungarn, Italien, Litauen, Malta, Moldawien, Rumänien, Rußland, Slowakei, Ukraine, Vereinigtes Königreich). Ein Verzug von 8 Monaten liegt bei Albanien und Norwegen vor. Estland war mit knapp 10 Monaten in Verzug, die Schweiz mit 15, Österreich mit 16 und Slowenien mit 17. Aus den Staatsberichten geht hervor, daß in sehr vielen Staaten seit den 90er Jahren eine neue Gesetzgebung zum Minderheitenschutz begonnen hat. Sie ist zwar in vielen Fällen erst noch umzusetzen und auszubauen, doch ist damit nach über einem halben Jahrhundert eine Entwicklung in Gang gekommen, welche in die richtige Richtung weist und die darüber hinaus recht erstaunlich ist, wenn man feststellen kann, daß der eine oder andere Staat, der bis vor kurzem die Existenz von Minderheiten noch ignoriert oder verneint hat, diese nun mit voller Bereitwilligkeit anerkennt und sogar den Ehrgeiz entwickelt, sie mit dem besten Schutz auszustatten. Positiv ist zu vermerken, daß es Staaten gibt (z.B. Finnland, Ungarn), welche ihre Minderheiten praktisch als gleichwertige Partner an der Erarbeitung des Staatsberichts teilhaben ließen. Andere Staaten haben ihre Minderheiten bei der Abfassung des Staatsberichts zumindest zu Rate gezogen und deren abweichende Standpunkte auch entsprechend gekennzeichnet (z.B. Dänemark, Deutschland, Italien, Norwegen, Österreich). Konkret ergibt sich aus den Staatsberichten folgendes Bild: ___________ 18 Die Fristen waren fällig für Mazedonien am 1.2.1999, für Bulgarien am 1.9.2000, für Bosnien am 1.6.2001, für Jugoslawien am 1.9.2001, vgl. C. Pan / B. S. Pfeil, Minderheitenrechte in Europa (Fn. 12), S. 26. 19 Für Polen bis zum 1.4.2002, vgl. C. Pan / B. S. Pfeil, Minderheitenrechte in Europa (Fn. 12), S. 26. 20 Die Nennung der Staaten erfolgt hier in der Reihung nach dem englischen Alphabet. Liechtenstein und San Marino stellen fest, daß sich auf ihrem Territorium keine Minderheiten im Sinne des Rahmenübereinkommens befinden.

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a) Mehr als die Hälfte der Staaten haben mit der Anerkennung ihrer traditionellen Minderheiten offenbar kein Problem mehr. Mehrere beabsichtigen bei der nächsten Volkszählung die ethnische oder sprachliche Zugehörigkeit ihrer Staatsbürger zu erheben. Einige Staaten (z.B. Finnland, Norwegen, Schweden) gehen sogar soweit, neben den bisher anerkannten oder tolerierten Minderheiten noch zusätzlich weitere anzuerkennen. b) Der Großteil der Staaten hat die rechtlichen Voraussetzungen für die Nichtdiskriminierung von Minderheiten sowie für deren formelle Gleichstellung vor dem Gesetz bereits erfüllt, wenn auch bei der Umsetzung insbesondere im Hinblick auf die Roma noch einiges nachzuholen ist. c) Hingegen befindet sich die faktische Gleichstellung der Minderheiten in einem Großteil der Staaten erst in den Anfängen und bis zur Verwirklichung der Chancengleichheit ist teilweise noch ein weiter Weg. d) Der Gebrauch der Minderheitensprache im Verkehr mit Behörden und bei Gericht läßt bei fast allen Staaten noch sehr zu wünschen übrig, sei es, daß ein solches Recht nur für einige wenige Minderheiten gilt, oder sei es, daß erst kürzlich rechtliche Grundlagen geschaffen wurden, die noch nicht umgesetzt sind. Zum Teil liegt es auch daran, daß es sich um Streuminderheiten handelt, deren geringe zahlenmäßige Konsistenz unter dem Schwellenwert liegt, bei welchem dieses Unterfangen objektiv noch sinnvoll ist. e) Der Unterricht der bzw. in der Minderheitensprache ist erst in sehr wenigen Staaten wie z.B. in Dänemark, Finnland, Spanien sichergestellt, bei den meisten Staaten mangelt es noch an den Rechtsgrundlagen oder, falls bereits vorhanden, an deren Umsetzung. f) Besser steht es mit dem Vereinigungsrecht, das in zwei Drittel der Staaten als gesichert gelten kann. g) Das Recht der Angehörigen von Minderheiten auf ungehinderte Kontakte über Grenzen hinweg zu Personen oder Organisationen mit derselben ethnischen, kulturellen oder sprachlichen Identität verursacht in Zweidrittel der Staaten kaum mehr Probleme. Unter den Staaten, wo es diesbezüglich noch Probleme gibt, sind insbesondere die Türkei21 und Griechenland22 zu nennen ___________ Wenn auch in der Türkei keine rechtlichen Einschränkungen des freien Personenreiseverkehrs bestehen, kommt es dennoch auf Verwaltungsebene zu Diskriminierungen, denn es gibt regelmäßig administrative Behinderungen im Zusammenhang mit der Paßerteilung, vgl. C. Rumpf, Die rechtliche Stellung der Minderheiten in der Türkei, in: J. Frowein / R. Hofmann/S. Oeter (Hrsg.), Das Minderheitenrecht europäischer Staaten, Teil 1, Band 108, Berlin u.a. 1993, S. 448-500 (497). 21

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und schließlich Weißrußland, wo sogar das Recht der freien Bewegung aufgrund der schweren rechtsstaatlichen Defizite im System als nicht mehr gesichert betrachtet werden kann.23 h) Das Informationsrecht in Form des gleichberechtigten Zugangs der Minderheiten zu den audiovisuellen Medien ist erst bei einem Sechstel der Staaten zufriedenstellend und bei Dreiviertel der Staaten nur einigermaßen gewährleistet, vor allem nicht für alle dort befindlichen Minderheiten. i) Größere Probleme scheint es mit Ausnahme einiger weniger progressiver Staaten wie Belgien, Dänemark, Spanien und Ungarn zu geben mit der politischen Repräsentation der Minderheiten, mit ihrer Mitbestimmung in eigenen Angelegenheiten, mit der Autonomie und mit dem minderheitenspezifischen Rechtsschutz z.B. in Form eines Minderheiten-Ombudsmanns, über welchen bisher nur ein einziger Staat, nämlich Ungarn, verfügt.

V. Probleme und Perspektiven Es darf nicht übersehen werden, daß mit der EU-Osterweiterung vor allem drei neue Problemkreise auftreten: 1. Es gibt bekanntlich innerhalb der EU keine allgemein anerkannten Standards zum Minderheitenschutz. Der letzte Versuch, diesen Mangel auch nur ansatzweise zu beheben, indem die Minderheitenrechte in der Grundrechtecharta der EU zumindest erwähnt werden sollten, ist im Dezember 2000 in Nizza gescheitert.24 Da es bei solch grundsätzlichen Fragen auf jeden Fall der ___________ 22 In Griechenland haben viele Familien der türkischen und mazedonischen Minderheit Verwandte im benachbarten Ausland, welche infolge des Bürgerkriegs 1944-49 die griechische Staatsbürgerschaft verloren haben und welchen nun die Einreise nach Griechenland verwehrt wird. In einigen Fällen wurde sogar deren Nachkommen, welche im Ausland geboren wurden und niemals die griechische Staatsbürgerschaft besaßen, die Einreise nach Griechenland verwehrt, wahrscheinlich weil sie sich in kulturellen und oder öffentlichen Aktivitäten ihrer Volksgruppe engagiert haben, vgl. Greek Helsinki Monitor (GHM) & Minority Rights Group – Greece (MRG-G), Greece. Report about Compliance with the Principles of the Framework Convention for the Protection of National Minorities (along guidelines for state reports according to Article 25.1. of the Convention – 18 September 1999), 1999, S. 52 f. 23 Vor allem das Recht auf grenzüberschreitende Kontakte wird durch nahezu uferlose Einschränkungsmöglichkeiten im Rahmen des Visasystems ausgehebelt. Innerhalb Weißrußlands unterliegt vor allem das Recht der freien Wohnsitznahme massiven Beschränkungen – C. Pan / B. S. Pfeil, Minderheitenrechte in Europa (Fn. 12), S. 547 f. 24 Ein erneuter Vorschlag einer Minderheitenschutzbestimmung in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union wurde inzwischen vorgelegt vom Internationalen

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Einvernehmlichkeit aller EU-Mitgliedstaaten bedarf, wird es diese Lücke solange geben, bis Frankreich einlenkt. Jedenfalls können bis dahin einzelne Staaten die Verpflichtung zum Minderheitenschutz ganz einfach dadurch unterlaufen, daß sie die Mitgliedschaft zur EU erwerben. Denn innerhalb der EU gibt es Spielraum, wie die Fälle Frankreich und Griechenland zeigen, die zu den Schlußlichtern der EU gehören, wenn es um den Minderheitenschutz geht. 2. Weiter besteht bei der EU-Osterweiterung die Möglichkeit der Einschleppung von Altlasten, welche sich zu einem Problem für die gesamte EU auswachsen können. In diesem Zusammenhang sei auf die „Zweidritteldemokratie“ Estlands verwiesen, wo ein Drittel der Einwohner, größtenteils Angehörige der russischen Minderheit, durch Vorenthaltung der Staatsbürgerschaft – aus welchen Gründen auch immer – von den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen 1992 ausgeschlossen wurden.25 Auch in Lettland sind analoge Probleme vorhanden, die zu innerstaatlichen Kontroversen geführt, internationale Aufmerksamkeit erregt und insbesondere das Verhältnis Lettlands zu Rußland beeinträchtigt haben.26 3. Ein seit langem schwelender Konfliktherd ist die Frage der Abschaffung der Beneš-Dekrete, welche ebenfalls eine Altlast darstellt und besser vor als nach dem EU-Beitritt von Tschechien und der Slowakei gelöst werden sollte, auch wenn sie in ihrer unmittelbaren Tragweite nicht die gesamte EU, sondern nur bestimmte Nachbarländer betrifft. Denn kollektive Entrechtung, Enteignung und Vertreibung sind nach wie vor ein Verstoß gegen das Völkerrecht und mit der europäischen Rechts- und Wertegemeinschaft nicht vereinbar.27 ___________ Institut für Nationalitätenrecht und Regionalismus in München, vgl. D. Blumenwitz, Vorschlag einer Minderheitenschutzbestimmung in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Internationales Institut für Nationalitätenrecht und Regionalismus, München 2001. 25 Rußland hat beim Europarat bereits mahnend auf solche Situationen hingewiesen, vgl. Council of Europe, List of declaration made with respect to treaty no. 157 Framework Convention for the Protection of National Minorities, Complete chronology on 17/02/01, S. 4. 26 Pan / Pfeil, Minderheitenrechte in Europa (Fn. 12), S. 250. 27 Inzwischen, d.h. knapp ein Jahr nachdem dieser Vortrag gehalten wurde, hat dieser Problemkreis unerwartet Auftrieb erhalten. Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban warf diese Frage in Brüssel auf, das österreichische Parlament (Nationalrat) in Wien machte sie sich zu eigen und die EVP-Fraktion im Europäischen Parlament – die größte Fraktion im EP – beschloß bei einer Tagung Anfang März 2002 in Prag, im Zuge des EU-Beitritts der Tschechischen Republik die Vereinbarkeit der tschechischen Gesetze mit den Rechtsgrundsätzen der Union zu überprüfen, vgl. Beneš-Dekrete überprüfen, in: FAZ vom 6. März 2002, S. 5.

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Demgegenüber zeigen sich jedoch auch neue Perspektiven, die durchaus positiv zu werten sind: 1. Licht ins Dunkel Bisher gab es nur wenige Staaten Europas, die kein Problem mit der zahlenmäßigen Erfassung ihrer Minderheiten hatten, während es mehrere gab, die es aus verschiedenen Gründen vorgezogen haben, ihre Minderheiten nicht zu zählen. Es ist erfreulich feststellen zu können, daß inzwischen immer mehr Staaten diesen Standpunkt revidieren und diesen Mangel bei der nächsten Volkszählung beheben wollen. Andererseits gab es schließlich auch Minderheiten, die gute Gründe hatten, sich nicht zählen zu lassen. Auch diesbezüglich ist ein Umdenken in Gang gekommen. 2. Transparenter Dialog Als bemerkenswertes Phänomen im Zusammenhang mit den Staatsberichten zeigt sich die Tendenz zu einer Funktionsteilung in dem Sinne, daß die Staaten dazu neigen, nur das Positive zu berichten, in der offenbar nicht unberechtigten Annahme, daß die Kritikfunktion wohl von anderen übernommen würde. Tatsächlich war dies auch der Fall, indem in sehr vielen Staaten NGO’s in Gestalt von Menschenrechtskomitees, zumeist konstituiert als Helsinki-Komitees für Menschenrechte sich der Kehrseite der Medaille annahmen und kritisch über die Mängel berichteten. Auf diese Weise ist ein Dialog zwischen Regierungen und Nichtregierungsorganisationen entstanden, welcher zudem, weil über Internet jedermann zugänglich, dem Erfordernis der völligen Transparenz Genüge zu tun vermag. Der Kontrollmechanismus des Rahmenübereinkommens sieht vor, daß dem Ministerkomitee des Europarates ein Beratender Ausschuß (Advisory Committee) zur Seite steht, der sich aus höchstens 18 unabhängigen Experten zusammensetzt. Dieses Expertenkomitee begutachtet die Staatsberichte und erstellt eine Stellungnahme hierzu (Opinion), auf welche der jeweilige Staat in Form eines Kommentars (Comment) reagieren kann. Bisher hat das Expertenkomitee bereits 14 Stellungnahmen abgegeben, wobei es auch von NGO’s eingebrachte Einwände oder Bemerkungen zu den Staatsberichten berücksichtigt und Lokalaugenscheine in den einzelnen Ländern vorgenommen hat, so daß festzustellen bleibt, daß es – abgesehen von dem einen oder anderen Fehler, welcher ihm unterlaufen ist – sehr seriöse Arbeit geleistet hat. Acht der Stellungnahmen mit den entsprechenden Kommentaren der betroffenen Staaten sind bereits öffentlich zugänglich. Auch diese Form des transparenten, öffentlichen Dialogs trägt sehr positiv zur Verbesserung des Minderheitenschutzes in den einzelnen Staaten bei.

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3. Beginn einer neuen Ära Jahrzehntelang sind die Forderungen nach einem allgemein gültigen Minderheitenschutzsystem in Europa ergebnislos verhallt. Diese Ära ist mit dem fast gleichzeitigen Inkrafttreten des Rahmenübereinkommens zum Schutz nationaler Minderheiten und der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen 1998 zu Ende gegangen. Nun ist eine neue Epoche angebrochen, in welcher erstmals in Europa ein allgemeines Minderheitenschutzsystem Anwendung finden soll. Dieses ist bereits im Aufbau und in Umsetzung begriffen. Dieser Prozeß wird sich über mehrere Jahre hinziehen und es ist noch nicht abzusehen, wohin genau diese neue Dynamik führen wird. 4. Positiver Wettstreit im Minderheitenschutz? Versucht man nun aufgrund der vorliegenden Ergebnisse des Kontrollmechanismus den Minderheitenschutz in den einzelnen Staaten Europas zu evaluieren und eine Rangordnung zu erstellen, die Auskunft darüber gibt, welche dieser drei Dutzend Staaten in der ersten Liga des Minderheitenschutzes spielen, welche in der zweiten und dritten, dann ist dabei nicht zu übersehen, daß es sich dabei nur um eine bestimmte Zeitaufnahme handeln kann, die aufgrund der eingetretenen Dynamik zu jedem weiteren Zeitpunkt ein völlig anderes Bild ergeben kann. Die Dinge sind in Fluß geraten und eine spannende Entwicklung ist in Gang gekommen, bei welcher Stillstand Rückschritt bedeutet. Mit Ausnahme von zwei Fällen (Lettland, Weißrußland) ist bisher bei keinem der Vertragsstaaten des Rahmenübereinkommens eine signifikante Verschlechterung des Minderheitenschutzes festzustellen. Dagegen sind vielseitige Bemühungen um eine Verbesserung zu beobachten, die mit mehr oder weniger Intensität und Erfolg betrieben werden. Es steht zu vermuten, daß kein Staat gerne zum Schlußlicht werden und am Ende einer imaginären Leistungstabelle aufscheinen möchte. Wer aber nichts unternimmt, soviel steht fest, bleibt zurück und wird überholt. Daraus ergeben sich viele Möglichkeiten in jederlei Hinsicht und genau dies macht die künftige Entwicklung so spannend. Vorläufig sind bereits drei Arten von Reaktionsmöglichkeiten der Staaten auf die Einführung des europäischen Minderheitenschutzsystems zu erkennen: Ein Teil der Staaten fügt sich dem Unabänderlichen und versucht dabei nicht negativ auffällig zu werden. Die zweite Art des Umgangs mit Minderheiten beruht auf der Entdeckung, daß Minderheiten etwas völlig Unschädliches und Harmloses sind und daher auch nicht unterdrückt oder geleugnet zu werden brauchen. Drittens steht die Feststellung, daß Minderheiten sogar ein positiver und kulturell bereichender Faktor sein können, weshalb sie zu fördern sind. Diese zuletzt genannte Möglichkeit kann auch den Ehrgeiz auslösen, künftig in der virtuellen „champions league“ des europäischen Minderheitenschutzes mit-

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spielen und sogar Europameister werden zu wollen, ist doch der „Minderheitenschutz ein bedeutendes Kriterium für Demokratie in einer ethnisch pluralistischen Gesellschaft.“28

Abstract Christoph Pan: Minority Protection in Europe: Facts and Perspectives. In: Minority Protection and Human Rights – Current Problems Particularly in the German-Polish Relations. Ed. by Dieter Blumenwitz (†), Gilbert H. Gornig, and Dietrich Murswiek (Berlin 2006), pp. 17-29. According to a recent review, there exist more than 300 minorities in Europe, encompassing approximately 103 million individuals. Hence, one out of seven Europeans belongs to a minority. While these numbers are significantly higher than those from a survey 30 years ago (due to better availability of data and a political and legal climate in Eastern Europe that does not suppress confession to belonging to a minority), there is also a danger of the decease, of the smaller minorities in particular, which count for more than 80 percent of the European minorities. The protection of minorities is a matter of concern for the entire continent – not a single state with more than one million inhabitants is without a minority. It was only logical that in the aftermath of the 1989/1990 political change the first binding instrument on the European level was adopted: the 1998 Framework Convention for the Protection of National Minorities. In accordance with its terms, 27 states have so far submitted reports on the implementation of the convention. The general picture emerging from these reports shows that most states have enacted new legislation in the 1990s. Therefore, official recognition of traditional minorities as well the existence of legislation to secure nondiscrimination is not the problem. However, further action to secure equal treatment de facto is needed, as is the provision of equal opportunities for members of the minorities.

___________ 28 So der Rechtsausschuß des slowenischen Parlaments, vgl. Council of Europe Doc. ACFC/SR(2000)004: Report submitted by the Republic of Slovenia pursuant to article 25 paragraph 1 of the Framework Convention for the Protection of National Minorities, received in November 2000, S. 15.

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The enlargement of the European Union has highlighted certain problems, namely the lack of generally recognised standards for the protection of minorities in the EU, the still unresolved conflicts e.g. in Estonia and Latvia, and the ongoing debate about the validity of the Beneš decrees in the Czech Republic and in Slovakia. Positive developments concern the enhanced availability of data on minorities hitherto inaccessible, and the beginning of a transparent dialogue between governments and non-governmental organisations as well as in the context of the monitoring mechanism under the Framework Convention. Thus, one can discern first steps in a competition among European states in their dealing with – and protecting – their minorities.

Stand und Umsetzung des aktuellen Minderheitenschutzes im östlichen Europa Von Falk Lange

Der Stand und die Umsetzung des aktuellen Minderheitenschutzes im östlichen Europa, sind, um ein häufig genutztes Zitat abermals zu ge- oder mißbrauchen, „ein weites Feld“, welches ich unmöglich im Rahmen dieses Vortrages abarbeiten kann oder gar möchte. Ich möchte hier vielmehr einige Überlegungen anstellen aus der Sicht eines sogenannten „Praktikers“, und die Erfahrungen des letzten Jahrzehnts auf dem Gebiet des Minderheitenschutzes Revue passieren lassen. Außerdem hoffe ich, die Zuhörer nicht mit Wiederholungen dessen zu langweilen, was bereits im Vortrag Professor Pans gestern erwähnt wurde. Anfang der neunziger Jahre wurde die internationale Staatengemeinschaft nach dem Ende des kalten Krieges mit dem Auseinanderbrechen zweier Staaten konfrontiert: der UdSSR und der SFRJ. Das Ende der Sowjetunion und Jugoslawiens, wie wir es bis zu diesem Zeitpunkt kannten, war natürlich in erheblichem Masse mit dem dort herrschenden gesellschaftlichen System zu erklären, aber auch durch die multiethnische Struktur der Länder. Wenige Experten und Politiker hatten diese rapide und zum Teil gewalttätige Desintegration vorausgesagt, noch seltener waren Vorbereitungen getroffen worden, um die Auswirkungen, die sich für den gesamten europäischen Raum ergaben, zu vermindern. Diese Krisen ließen die Schwachstellen des damals existierenden internationalen Systems der Konfliktverhütung bzw. des Konfliktmanagements zu Tage treten, insbesondere hinsichtlich solcher Konflikte, deren Ursprung in einer Konfrontation zwischen nationaler Minderheit und Mehrheit lagen. Es wurde deutlich, daß sowohl auf rechtlicher als auch politischer Ebene neue Wege eingeschlagen werden mußten, um die internationale Gemeinschaft besser zu befähigen, sich mit solchen Konflikten auseinanderzusetzen. Neben der Europäischen Gemeinschaft, die auch als Reaktion besonders auf die Krisen auf dem Balkan ihre Gemeinsame Sicherheits- und Außenpolitik entwickelt hat, sind es besonders der Europarat und die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), denen die Staaten des Euro-Atlantischen Raumes diese Aufgaben im Laufe der letzten Jahre zugewiesen haben. Ende 1992 reagierte die OSZE mit der Schaffung eines Büros des Hochkommissars für Fragen der nationalen Minderheiten und der Berufung des

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langjährigen holländischen Politikers und Diplomaten Max van der Stoel als Hochkommissar auf die Konflikte, die insbesondere auf dem Balkan und in der früheren Sowjetunion zum Ausbruch gekommen waren. Im Mandat des Hochkommissars wird er als „ein Instrument zur Konfliktverhütung zum frühestmöglichen Zeitpunkt“ definiert. Er soll „für ‚Frühwarnung’ und gegebenenfalls für ‚Frühmaßnahmen’ im Hinblick auf Spannungen bezüglich Fragen nationaler Minderheiten, die sich noch nicht über ein Frühwarnstadium hinaus entwikkelt haben [sorgen]. Diese müssen, nach Einschätzung des Hohen Kommissars, das Potential in sich bergen, sich im OSZE-Gebiet zu einem den Frieden, die Stabilität und die Beziehungen zwischen Teilnehmerstaaten beeinträchtigenden Konflikt zu entwickeln, der die Aufmerksamkeit oder das Eingreifen des Rates oder des Ministerrates erfordert.“ Dem damaligen und nach wie vor amtierenden Hochkommissar wurde im Mandat nur eine sehr grobe Orientierung gegeben, wie dies zu bewerkstelligen wäre, die wiederum Herrn van der Stoel in den letzten acht Jahren die Möglichkeit eröffnete, das Instrument des Hochkommissars entsprechend den wirklichen politischen Anforderungen zu entwickeln. Der entsprechende politische Wille und die Unterstützung durch die OSZE-Mitgliedsstaaten, die den berühmten Raum von Vancouver bis Wladiwostok spannen, war und ist natürlich eine Grundvoraussetzung für jedwedes Engagement des Hochkommissars. Bevor ich später auf einige Erfahrungen aus der Arbeit des Büros des Hochkommissars zu sprechen kommen darf, die die aktuelle Umsetzung des Minderheitenschutzes illustrieren sollen, möchte ich an dieser Stelle auch auf wesentliche Entwicklungen des rechtlichen Instrumentariums im Minderheitenschutz verweisen, ohne den Vortrag Professor Pans zu wiederholen. Im Herbst 1993 beauftragte das Wiener Gipfeltreffen der Staatsoberhäupter und Regierungschefs der Staaten des Europarates den Ministerrat mit der Ausarbeitung einer Rahmenkonvention zum Schutz nationaler Minderheiten. Diese wurde dann am 10. November 1994 angenommen und seither von einer überwiegenden Mehrheit der heutigen Mitgliedsstaaten des Europarates ratifiziert. Bei allem Enthusiasmus für die Rahmenkonvention, die in ihr niedergelegten Prinzipien und den Fakt, daß ein solches Dokument zum Ende des zwanzigsten Jahrhunderts ob der leidvollen Geschichte der Beziehungen zwischen nationalen Minderheiten und Mehrheiten endlich zustande gekommen ist, sollte hier nicht der Eindruck entstehen, daß die Anwendung der Rahmenkonvention in der Praxis alle Probleme löst. Wie Professor Pan bereits gestern ausführte, sind die Staaten, die die Konvention ratifiziert haben, verpflichtet, nach einem Jahr dem Ministerrat des Europarates einen Bericht vorzulegen, welcher diesen an einen Beratenden Ausschuß mit der Bitte um eine Stellungnahme weiterleitet. Nach Einreichung des Berichtes können mehrere Jahre vergehen, bis die Stellungnahme des Ausschusses zur Verfügung steht, und es steht noch nicht fest, welchem Publikum diese dann zugänglich gemacht werden soll.

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Neben der Rahmenkonvention hat auch die OSZE mehrere Dokumente zu Anfang der neunziger Jahre erarbeitet, welche die Rolle internationaler Organisationen im Minderheitenschutz stärken und das im Kalten Krieg allgewaltige Argument „der Einmischung in die inneren Angelegenheiten“ relativieren. Sowohl das Kopenhagener Dokument der OSZE von 1990 als auch das Moskauer Dokument von 1991 unterstreichen die Bedeutung der angemessenen Behandlung von Minderheiten und schränken in gewissem Maße die Souveränität der Teilnehmerstaaten in dieser Frage ein. Es bleibt jedoch zu bemerken, daß, im Gegensatz zu Konventionen der Vereinten Nationen und des Europarates, OSZE-Dokumente nur politischen Charakter im Sinne einer Absichtserklärung haben. Sie sind nicht einklagbar und haben keine rechtliche Geltung. Eine nicht zu vernachlässigende Bedeutung für die Verbesserung des Verhältnisses zwischen nationalen Minderheiten und den Mehrheiten hat in den letzten Jahren der EU-Erweiterungsprozeß erhalten. Die politischen Kriterien zum Beitritt zur EU basieren in diesem Bereich wesentlich auf Standards des Europarates und der OSZE. Viele ost- und ostmittel- und südosteuropäische Beitrittskandidaten hatten zu Beginn der neunziger Jahre ihre Minderheitenpolitik neu zu definieren. Im Laufe der Verhandlungen im Vorfeld des Beitritts hat die EU, und insbesondere die Europäische Kommission, zunehmend eine klare Verbindung zwischen der Erfüllung der politischen Kriterien, inklusive derer zum Schutz nationaler Minderheiten, und den Aussichten für einen frühstmöglichen Beitritt hergestellt. Damit wurde ein sehr realpolitischer Ansporn geschaffen, die internationalen Standards auf diesem Gebiet zu respektieren. Trotz dieser Fortschritte bei der Schaffung eines verbesserten rechtlichen Rahmens bleibt festzustellen, daß wir uns noch am Anfang der Kodifizierung befinden. Der kürzliche Aufruf der Parlamentarischen Versammlung des Europarates, eine allgemein gültige Definition des Begriffes „nationale Minderheit“ auszuarbeiten, und die Diskussion um eine weitere Europarat-Konvention, die diesmal die Rechte der Bevölkerungsgruppen festhalten würde, die in den letzten Jahrzehnten in die Mitgliedsstaaten des Europarates eingereist sind (z.B. Gastarbeiter), beweisen, daß noch lange nicht alle rechtlichen Fragen des Minderheitenschutzes geklärt sind. Ein anderes Beispiel für die unterschiedlichen Auffassungen, welche Gruppe eine nationale Minderheit in einem bestimmten Lande konstituiert, sind die Erklärungen der Mitgliedsstaaten des Europarates, die anläßlich der Ratifizierung der Rahmenkonvention abgegeben wurden. Auch in bestimmten Bereichen, die den nationalen Minderheiten ob ihrer Bedeutung für die Bewahrung der nationalen Identität besonders am Herzen liegen, wie das Bildungssystem, sind die internationalen Standards nicht immer so detailliert und unmißverständlich, wie man sich dies vorstellen würde. Aus diesem Grunde spielen politische Instrumente, wie die Missionen der OSZE in einer Reihe von Staaten der ehemaligen Sowjetunion, im Baltikum und auf dem Territorium des ehemaligen Jugoslawien, oder das Büro des

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OSZE-Hochkommissars eine wichtige Rolle in der alltäglichen Praxis des Minderheitenschutzes. Die Etablierung dieser Instrumente ist Ausdruck des Interesses der internationalen Staatengemeinschaft, eine Balance zwischen den Interessen der Minderheiten und Mehrheiten herzustellen, um eben, wie bereits angedeutet, eine Eskalierung von Konflikten zu vermeiden. In diesem Rahmen werden aus bestimmten Gründen auch die individuellen Menschenrechte eines Minderheitenvertreters gegenüber den Gruppenrechten der Minderheit betont. Diese Vorgehensweise beruht auf der Überzeugung, daß in einem demokratischen und freiheitlichen Staat, der die individuellen Menschenrechte seiner Bürger achtet, auch die spezifischen Bedürfnisse von Personen, die zu nationalen Minderheiten gehören, langfristig befriedigt werden können. Als ein wesentliches Desiderat zum Schutz nationaler Minderheiten hat sich die Schaffung von angemessenen Kanälen und Einrichtungen für den Dialog zwischen Regierung und Minderheit erwiesen. Auseinandersetzungen können häufig infolge unzulänglicher Dialogmöglichkeiten auf innerstaatlicher Ebene entstehen. Auch wenn der Dialog nicht zu völliger Übereinstimmung in den entsprechenden Fragen führt, so kann doch der Meinungsaustausch an sich schon zu einem besseren Verständnis für die Probleme und Sorgen der anderen Seite und zu einem Abbau der Mauern aus gegenseitigem Mißtrauen beitragen. Es ist vor allem wichtig, daß die betroffenen Parteien Gesetzentwürfe und Regierungspläne, die für Minderheiten relevant sind, angemessen mitgestalten können, bevor sie zur Entscheidung gelangen. Wird Minderheiten das Gefühl vermittelt, am Prozeß beteiligt zu sein, sind sie auch bereit, Verantwortung für das Ergebnis zu übernehmen. Die Entwicklung von Dialogstrukturen und die Einrichtung anderer Instrumente demokratischer Diskussion und Entscheidungsfindung demonstriert die Bereitschaft des Staates, den Anliegen von Minderheiten Gehör zu schenken, und kann zeigen, daß die Minderheiten ihrerseits bereit sind, am politischen Leben des Landes teilzunehmen. Dieser Dialog sollte jedoch nicht nur auf nationaler Ebene stattfinden. Zahlreiche Minderheitenprobleme sind lokale Angelegenheiten und sollten daher auch auf lokaler Ebene behandelt werden. Dort, wo Entscheidungsprozesse in hohem Maße zentralisiert sind, sind die Anliegen von Minderheiten oftmals unterrepräsentiert. Eine gute und effektive demokratische Staatsführung schließt die – zumindest beratende – Beteiligung der Betroffenen am Entscheidungsprozeß ein. Außerdem sind dezentralisierte Entscheidungsstrukturen nicht nur von Vorteil für die Minderheiten, sondern für alle Staatsbürger unabhängig von ihrer Zugehörigkeit zu einer ethnischen Gruppe. Eine andere Beobachtung ist die Bedeutung, welche die nationalen Minderheiten dem Status der Territorialautonomie beimessen. Sie sehen darin offensichtlich den besten Weg zum Schutz ihrer Interessen und ihrer Identität. Umgekehrt läßt sich aber auch immer wieder großer Widerwillen auf seiten der

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Regierungen feststellen, eine solche Form der Autonomie zu gewähren. Sind die Beziehungen zwischen der Regierung und einer Minderheit belastet und liegt die Region, welche die Minderheit als territorialen Ausdruck ihrer nationalen Identität betrachtet, an der Grenze zum Staat, in dem die Minderheit die staatstragende Nation stellt, hegt die betroffene Regierung oftmals den Verdacht, daß das Drängen der Minderheit auf territoriale Autonomie Teil eines verdeckten Planes ist, der letztlich auf Sezession und bzw. oder Vereinigung mit dem Nachbarstaat abzielt. Zwar erklären Minderheiten diesen Verdacht häufig für unbegründet; aber wie so oft in der Politik spielen Wahrnehmungen eine Schlüsselrolle, auch wenn sie unzutreffend sind. Zu diesem heiklen Thema gibt es zwei wichtige Überlegungen: Erstens sollte man sich ins Gedächtnis rufen, daß Territorialautonomie als eine Option im Kopenhagener Dokument der OSZE Erwähnung findet. Das Dokument verpflichtet jedoch keine Regierung dazu, solche autonomen Gebiete einzurichten. Zweitens: Auch wenn territoriale Autonomie als Option im Kopenhagener Dokument erwähnt wird, müssen Minderheiten berücksichtigen, daß entsprechende Forderungen wahrscheinlich auf schärfsten Widerstand stoßen werden. Vielleicht könnten sie ihre Ziele wirksamer verfolgen, wenn sie sich auf die Gestaltung der Gesetzgebung konzentrierten, die ihnen größere Mitspracherechte in Bereichen einräumt, die für sie von besonderem Interesse sind, wie beispielsweise Bildung und Kultur, oder wenn sie versuchen würden, sich auf Angelegenheiten zu konzentrieren, die nicht nur ihre Unterstützung haben, sondern auch in der Mehrheit Sympathien genießen, wie z.B. die Ausweitung der Befugnisse lokaler Selbstverwaltung Die Erfahrung hat gelehrt, daß interethnische Beziehungen sich zum Positiven verändern, wenn ein Staat offener und stärker dezentralisiert wird und dem Einzelnen größere Entscheidungsfreiheit einräumt. Dynamische Minderheiten können Staaten stärken; nicht-integrierte Minderheiten können Staaten desintegrieren. Die Notwendigkeit einer positiven Wechselwirkung zwischen den Prinzipien der Selbstbestimmung und der Achtung der Souveränität, der territorialen Integrität und der Unverletzlichkeit international anerkannter Grenzen muß in diesem Zusammenhang immer wieder betont werden. Diese Prinzipien sind keineswegs miteinander unvereinbar. Selbstbestimmung „von außen“ durch Sezession birgt ein Konfliktpotential. Als Alternative dazu steht Staaten heute eine große Bandbreite an Lösungsmöglichkeiten zur Verfügung, den lebenswichtigen Interessen und Bestrebungen von Minderheiten durch Selbstbestimmung „von innen“ entgegenzukommen. Dazu gehören die effektive Einbindung von Minderheiten in die öffentliche Entscheidungsfindung sowohl in Form von Wahlen als auch durch besondere Mechanismen für Dialog, Konsultation und Beratung, verschiedene Formen kultureller oder funktionaler Autonomie, Gelegenheiten zum Gebrauch der Muttersprache, Möglichkeiten für Minderheiten, ihre eigene Kultur zu leben, sowie Schulsysteme, die den wirklichen Bedürfnissen und Wünschen von

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Minderheiten zur Entwicklung und Bewahrung ihrer Identität entsprechen. Derartige Integrationsformen bieten realistische Alternativen zur nachteiligen Politik der Zwangsassimilierung einerseits und zur Selbstisolierung von Minderheiten andererseits. Es hat sich in der Tat gezeigt, daß die Behandlung der Anliegen von Minderheiten durch Integrationsmaßnahmen Angehörige von Minderheiten dazu veranlassen kann, sich nicht bloß um die eigenen Belange zu kümmern, sondern auch um diejenigen des gesamten Staates. Solch eine friedliche Integration verhindert, daß Formen extremen Nationalismus zu einer direkten Bedrohung der Stabilität und der Sicherheit im Staat werden. Sowohl nationale als auch internationale Bemühungen um eine solche Integration sind fundamentale Voraussetzungen für erfolgreiche Konfliktprävention im Innern eines Staates, in einer Region und im gesamten OSZE-Raum. Aus den Erfahrungen des letzten Jahrzehnts schöpfend und basierend auf den Diskussionen einer Gruppe internationaler Experten, wurden der OSZE 1999 eine umfassende Sammlung allgemeiner Empfehlungen vorgelegt, die sogenannten „LundEmpfehlungen“, die der Debatte über diese wichtigen Fragen im heutigen Europa mehr Substanz verleihen sollen. Beschäftigt man sich mit diesem Problem, dann ist das ausgeprägte Interesse nicht zu übersehen, mit dem die Staaten, in denen eine Titularnation lebt, die im Nachbarland eine Minderheit bildet (die sogenannten „kin-states“), fast ausnahmslos das Schicksal der mit ihnen verwandten Minderheit jenseits der Grenze verfolgen. Ein solches Interesse ist legitim; allerdings ist es ebenso verständlich, daß die Regierung desjenigen Staates, in dem diese Minderheit lebt, häufig dazu neigt, Äußerungen der Besorgnis angesichts ihrer Politik oder Gesetzgebung in bezug auf die Minderheit als unangebrachte Einmischung in die inneren Angelegenheiten des Staates zu betrachten. Die wahrscheinlich beste Lösung liegt darin, einen Dialog zwischen dem kin-state und dem Staat, in dem die Minderheit lebt, sowohl über die Pflicht eines Staates, die Identität einer Minderheit zu achten und zu fördern, als auch über die Pflicht der Angehörigen einer nationalen Minderheit, dem Staat gegenüber loyal zu sein, anzubahnen. Ein solcher Dialog ist zwar nicht immer frei von Spannungen und mag von internationalen Organisationen zu initiieren zu sein, kann aber dennoch zu positiven Ergebnissen führen. Ja, der Prozeß selbst kann häufig schon eine Übung in Vertrauensbildung sein. Daraus resultieren mitunter bilaterale Verträge über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Beziehungen, die Mechanismen für regelmäßige Konsultationen enthalten können oder Gelegenheiten für einen Meinungsaustausch über Minderheitenfragen schaffen. Die Minderheitenprobleme müssen trotzdem innerhalb von Staaten auf der Grundlage ihrer Verpflichtung zur Einhaltung internationaler Normen und Prinzipien gelöst werden. Reicht das nicht aus, kann z.B. der Hohe Kommissar oder eine andere Institution als wichtige Drittpartei fungieren. Während die betroffene Bevölkerungsminderheit Zweifel an der Objektivität des Staates und

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der Staat wiederum an den Motiven des kin-state hegen können, wird der internationale Akteur als außenstehender ehrlicher Makler angesehen. Durch sein Eingreifen können nicht nur bestimmte Fragen innerhalb des betroffenen Landes gelöst werden, sondern kann auch dazu beigetragen werden, die Eskalation von Spannungen zwischen diesem und dem kin-state zu verhindern. Wenn man so will, ist dies die regionale Dimension der Konfliktverhütung. Offenkundig ist Bildung ein äußerst wichtiges Element der Bewahrung und Entwicklung der Identität von Angehörigen nationaler Minderheiten. Daher bat der OSZE-Hochkommissar mehrere international anerkannte Experten, Empfehlungen zur angemessenen und kohärenten Anwendung von Minderheitenrechten im Bereich Bildung und Erziehung im OSZE-Raum auszuarbeiten. Diese Expertengruppe konnte sich 1996 auf die Haager Empfehlungen über die Bildungsrechte nationaler Minderheiten verständigen. Die Haager Empfehlungen wurden von relevanter Seite positiv aufgenommen als praktische und ausgewogene Leitlinien zur Lösung vieler Fragen, die Minderheitenrechte im Bereich Bildung und Erziehung betreffen. In dem Maße, in dem die Empfehlungen den Regierungen eine brauchbare Hilfe bei der Ausarbeitung einer geeigneteren und akzeptableren Gesetzgebung und Politik im Hinblick auf Bildung und Erziehung von Minderheiten sind, werden sie auch dazu dienen, eine bedeutende Ursache interethnischer Spannungen zu beseitigen oder zumindest zu verringern. Mehrere Staaten haben bereits im Rahmen aktueller nationaler Debatten auf die Haager Empfehlungen Bezug genommen. Weitere Empfehlungen wurden durch eine Gruppe internationaler Experten hinsichtlich der Rechte von Angehörigen nationaler Minderheiten auf ihre Sprache im OSZE-Gebiet erstellt. Diese Osloer Empfehlungen über die Rechte nationaler Minderheiten auf ihre Sprache beziehen sich auf spezifische Bereiche im Zusammenhang mit dem Gebrauch von Minderheitensprachen: Personen- und Ortsnamen, die Ausübung der Religion, das Leben in der Gemeinschaft, Medien, das Wirtschaftsleben, Verwaltungsbehörden und öffentliche Dienste sowie die Justizverwaltung. Große Aufmerksamkeit muß auch stets der Frage der Integration von Minderheiten in die Gesamtgesellschaft gewidmet werden. Mitunter fällt Angehörigen nationaler Minderheiten oder verschiedener ethnischer Gruppen die Integration in die Gesellschaft schwer, selbst wenn sie bester Absicht sind. Beispielsweise sind in manchen Staaten, in denen staatenlose Einwohner Sprachtests oder andere Prüfungen absolvieren müssen, um die Staatsbürgerschaft zu erlangen, die Kosten für entsprechende Kurse ein Hindernis, oder die Möglichkeiten, an Kursen teilzunehmen, sind unzureichend. Dies scheint ein untergeordnetes Problem zu sein; die Anhäufung einer ganzen Reihe von Einzelproblemen kann sich aber rasch zu einem größeren Problem auftürmen. Umgekehrt kann Hilfe, die sich auf Kleinigkeiten konzentriert, weitreichende und langfristige Erfolge zeitigen.

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Trotz aller Möglichkeiten zur Generalisierung gibt es keine goldenen Regeln für den Umgang mit Minderheitenfragen. Jede Situation muß in ihrem spezifischen Kontext analysiert werden. Es gibt jedoch einige allgemeine Ziele und Perspektiven, die auch als Zielvorstellungen bei der Entwicklung harmonischer Gesellschaften und bei der Konfliktverhütung Berücksichtigung finden sollten. Der Schutz von Angehörigen nationaler Minderheiten muß als wesentlich im Interesse des Staates und der Mehrheit angesehen werden. Es ist eine Wechselbeziehung. Frieden und Stabilität ist in der Regel am besten gedient, wenn sichergestellt ist, daß Angehörige nationaler Minderheiten ihre Rechte uneingeschränkt wahrnehmen können. Zeigt der Staat Loyalität gegenüber den Angehörigen nationaler Minderheiten, so kann er umgekehrt auch die Loyalität all derer erwarten, die ein Interesse an der Stabilität und dem Wohlergehen dieses Staates haben. Lösungen für interethnische Probleme sollten so weit wie möglich im Rahmen des Staates selbst gesucht werden. Der wichtigste Beitrag zur Beseitigung von Minderheitenproblemen als Ursache von Instabilität in Europa ist die Förderung eines besseren und harmonischeren Verhältnisses zwischen der Mehrheit und der Minderheit im Staat selbst. Es gilt, den konstruktiven und substantiellen Dialog zwischen Mehrheit und Minderheit ebenso zu beleben wie Minderheiten zur wirksamen Beteiligung am öffentlichen Leben zu ermuntern. Durch Dialog und Mitsprache können Angehörige nationaler Minderheiten sinnvoll in politische Prozesse einbezogen werden und damit auch die Staatsführung insgesamt verbessern. Darüber hinaus können Angehörige nationaler Minderheiten ihre Bestrebungen in vollem Umfang im Rahmen des Staates entfalten. Diese Entfaltung muß nicht notwendigerweise territorialen Ausdruck finden; sie kann voll und ganz durch eine Politik und eine Gesetzgebung verwirklicht werden, die den Schutz und die Vertiefung der Identität der Minderheit auf verschiedenen Gebieten fördern, beispielsweise in den Bereichen Kultur und Bildung. Die Last, diese Annäherung zu ermöglichen, liegt nicht allein beim Staat. Nationale Minderheiten müssen ihrerseits eine konstruktive Rolle bei der Suche nach Lösungen für ihre eigenen Probleme übernehmen. Wenn sie sich weigern, anzuerkennen, daß sie ein gemeinsames Schicksal mit der Mehrheit in dem Staat, in dem sie leben, verbindet, wenn sie beharrlich versuchen, sich vom Rest der Gesellschaft zu isolieren und auf Institutionen und Strukturen bestehen, die diese Isolation auch noch fördern, dann wird die Reaktion auf der anderen Seite höchstwahrscheinlich wachsendes Mißtrauen und zunehmende Unnachgiebigkeit sein. Andererseits kann die Minderheit versuchen, ihrerseits eine Politik zu betreiben, die das Bemühen um die Wahrung ihrer Identität mit der Anerkennung der Tatsache verbindet, daß das Zusammenleben auf ein und demselben Territorium – und damit auch das Vorhandensein gemeinsamer Interessen – unvermeidlich einen gewissen Grad an Integration in die sie umgebende Gesellschaft erfordert. Wenn sie es ablehnt, sich zu isolieren, wenn sie

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anerkennt, daß die Schicksale der Minderheit und der Mehrheit miteinander verknüpft sind, dann wird die Minderheit auch in der Lage sein, größeres Verständnis für den Schutz und die Förderung ihrer eigenen Identität zu wecken. Bedenkt man diese Punkte, so können und sollten Strukturen zum Schutz der Interessen von Minderheiten innerhalb von Staaten errichtet werden. Zuweilen wird die Alternative genannt, nationale Eigenständigkeit mit Eigenstaatlichkeit gleichzusetzen und so einen Flickenteppich ethnisch homogener Kleinststaaten in Europa zu schaffen. Das ist jedoch keine echte Alternative. Da Minderheiten in Europa nicht in geographisch kompakten Gebieten leben, ist es unmöglich, ethnisch homogene Staaten zu schaffen, ohne das unmenschliche und völlig inakzeptable Instrument der ethnischen Säuberung anzuwenden. Durch die wirksame Integration nationaler Minderheiten, werden die Minderheiten, die Staaten und Europa als Ganzes ein stabilerer und friedlicherer Ort sein. Das letzte Jahrzehnt hat nicht nur die Grauen der ethnischen Säuberungen im ehemaligen Jugoslawien gesehen, sondern auch positive Tendenzen in vielen Staaten des östlichen Europas. Die Staaten dieser Region, die sich fast ausnahmslos in einer allgemein schwierigen politischen und ökonomischen Transformationsphase befinden, haben Anstrengungen unternommen, neben den allgemeinen Menschenrechten auch die spezifischeren Minderheitenrechte zu garantieren. Wie bereits dargestellt, ist dies selten ein einfacher Prozess, doch in etlichen Staaten, in denen das Büro des Hochkommissars aktiv ist, sind bedeutende Fortschritte zu erkennen. Der Hochkommissars ist zur Zeit mit Minderheitenfragen in verschiedenen Teilen Europas und Zentralasiens, im einzelnen in Estland, Georgien, Kasachstan, Kirgistan, Kroatien, Lettland, der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien, Moldawien, Rumänien, der Slowakei, der Ukraine und Ungarn, befaßt. Lassen sie mich abschließend an zwei ausgewählten Beispielen die Fortschritte, aber auch die nach wie vor existierenden Probleme dokumentieren. In der Slowakei z.B. war der Gebrauch von Minderheitensprachen ein umstrittenes Thema, seit das Land im Jahre 1993 unabhängig wurde. In den vergangenen Jahren wurde diese Frage in unterschiedlichen Zusammenhängen diskutiert, insbesondere aber mit Blick auf die Erosion von Minderheitenrechten, die in der ehemaligen Tschechoslowakei existiert hatten. Zu den umstrittensten Fragen gehörten zur Zeit der Meciar-Regierungen z.B. die Stellung ungarischsprachiger Schulen, der amtliche Gebrauch von Minderheitensprachen, die Registrierung ungarischer Namen in Ungarisch sowie das Recht auf Schulzeugnisse sowohl in der Amts- als auch in der Minderheitensprache. Die Situation spitzte sich insbesondere nach der Verabschiedung eines neuen Staatssprachengesetzes im November 1995 zu. Dieses Gesetz schuf ein rechtliches Vakuum in bezug auf den amtlichen Gebrauch von Minderheitensprachen und

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war von internationalen Normen und Standards weit entfernt. Eine vom Hochkommissar eingeleitete Initiative zur Hinzuziehung von Experten beim Entwurf eines ergänzenden Minderheitensprachengesetzes blieb unter der letzten Meciar-Regierung fruchtlos. Im Oktober 1998 begann die neue slowakische Regierung, der auch Vertreter der ungarischen Minderheit angehören, unverzüglich mit der Umsetzung einer Reihe von Empfehlungen des Hochkommissars, darunter die Aufhebung des Gesetzes über Kommunalwahlen, das von ihm bereits zu einem früheren Zeitpunkt als unvereinbar mit auch von der Slowakei akzeptierten internationalen Standards kritisiert wurde, und die Wiedereinführung von Schulzeugnissen sowohl in der Staats- als auch in der Minderheitensprache. Besonders wichtig ist, daß sich die Regierung dazu verpflichtet hatte, ein neues Minderheitensprachengesetz einzuführen, in dem einige allgemeine Grundsätze im Hinblick auf den Gebrauch dieser Sprachen, eine detaillierte Bezugnahme auf die bestehende slowakische Gesetzgebung zum Schutz von Minderheitensprachen sowie eine Lösung für das Problem des amtlichen Gebrauchs von Minderheitensprachen niedergelegt werden sollen. Das im Juli 1999 angenommene Gesetz stellt, obwohl es nicht perfekt ist, einen wichtigen Schritt auf dem Weg zur Integration der ungarischen Minderheit in die slowakische Gesellschaft und zur Verbesserung der Beziehungen zwischen der Slowakei und ihren Nachbarn dar. Seit kurzem werden in der Slowakei außerdem die Reform der öffentlichen Verwaltung, der großes Gewicht von Seiten der ungarischen Minderheit beigemessen wird, und die höhere ungarischsprachige Bildung, insbesondere für Lehrer, im politischen Leben diskutiert. Ein sehr aktuelles Beispiel, wie wichtig die Lösung von Minderheitenproblemen im Bildungs- und Erziehungsbereich für eine wirksame Konfliktprävention sein kann, ist die Frage der albanischsprachigen höheren Bildung in der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien. Die albanische Gemeinschaft sieht dieses Thema, mit dem sie von ihren Führern leicht politisch zu mobilisieren ist, als fundamental für die Stellung der albanischen Minderheit in dem Land an. In den vergangenen Jahren wurden mehrere positive Schritte zur Lösung dieses Problems unternommen. Die Regierung führte ein Quotensystem ein, das zu einem Anstieg der Zahl albanischer Studenten an den Hochschulen geführt hat. Einer Initiative des Hochkommissars folgend startete eine Stiftung ein Programm, das Schülern höherer Schulen, an denen der Unterricht in albanischer Sprache erteilt wird, helfen soll, sich auf die Aufnahmeprüfungen an den Universitäten vorzubereiten. Selbst das grundlegendere Problem der albanischsprachigen höheren Bildung befindet sich hoffentlich auf dem Weg der Lösung. Mit Zustimmung der mazedonischen Regierung wird durch eine internationale Stiftung, die Gelder einer Reihe von OSZE-Staaten und NGOs verwaltet, eine albanischsprachige Hochschule errichtet. Unter Umständen wird diese Einrichtung bereits im

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Herbst dieses Jahres ihre Tätigkeit aufnehmen können. Ich denke, daß die Fortschritte, die in dieser Frage von enormer Bedeutung für die albanische Minderheit gemacht wurden, ein Grund dafür sind, daß die Ereignisse der letzten Tage an der Grenze zwischen dem Kosovo und der früheren jugoslawischen Republik Mazedonien bisher keine weiterreichenden Folgen für die interethnischen Beziehungen in diesem Land hatten.

Abstract Falk Lange: Status and Implementation of Minority Protection in Eastern Europe. In: Minority Protection and Human Rights – Current Problems Particularly in the German-Polish Relations. Ed. by Dieter Blumenwitz (†), Gilbert H. Gornig, and Dietrich Murswiek (Berlin 2006), pp. 31-41. The experiences of the violent inter-ethnical conflicts following the dissolution of the USSR and socialist Yugoslavia have led the international community to establish new instruments aiming at effectively preventing such conflicts. In this context, the OSCE has adopted – since the beginning of the 1990s – political documents clarifying the role of international organisations in protecting national minorities. It installed an OSCE High Commissioner for National Minorities as well as several country missions in states of the former Soviet Union, the former Yugoslavia and the Baltic States. An essential instrument in protecting national minorities is the facilitation of a constant dialogue between minorities and the government including an appropriate participation of the former in the legislative process – not only on a national but also on the local level. Usually, minorities regard territorial autonomy as very important to protect their interests and identity – while governments seem rather hesitant to grant such autonomy. A further point to be noted is the specific role of the so-called “kin states” vis-à-vis minorities in neighbour states. It appears, however, that problems are best solved within the host states on the basis of their legal obligations. A third party, like the OSCE High Commissioner, can deal, on one side, with the contested issues in the host state, and – on the other side – act to avoid the escalation of the conflict between that state and the kin state. While every situation is specific, the following principles are likely to facilitate the development of harmonic societies and to prevent conflicts in the context of minority protection: First, the protection of members of national minorities has to be regarded as being in the interest of the majority and the states as a whole. Second, problems between ethnicities ought to be resolved primarily within the state, in particular through open dialogue and the minorities’ participation in public affairs. Third, this is not just the task of the state, but similarly of the respective minority which has to take over an active and constructive role.

Die Entwicklung des Minderheitenschutzes in Polen seit 1918 Von Bogusáaw Banaszak

I. Vorbemerkung Vor der Teilung zwischen Rußland, Preußen und Österreich in den Jahren 1772-1795 war Polen ein multinationaler Staat. Jahrhundertelang war es bekannt für seine Toleranz gegenüber verschiedenen Minderheiten: nationalen, religiösen, sprachlichen usw. Es war ein Zufluchtsgebiet, besonders im 16. und 17. Jahrhundert, für viele, die in ihrer Heimat verfolgt wurden. In der Teilungsperiode wirkten in Preußen (ab 1871 Deutschland) und Rußland der Druck und die prägende Kraft des Staates fördernd auf das nationale Bewußtsein der Polen ein und stimulierten nationalistische Tendenzen, die die nationalen Abwehrkräfte stärken wollten. Die Teilungsmächte versuchten, gemäß dem römischen Prinzip divide et impera, die nationalen Gruppen in den ihnen angegliederten Gebieten Polens zu entzweien, was besonders stark im sogenannten Galizien (österreichischer Teil Polens) zu beobachten war. Der Verlauf des Ersten Weltkrieges hatte für Polen die vorher kaum vorstellbare Konstellation gebracht, daß die drei Teilungsmächte einen Krieg verloren hatten. Diese Konstellation erlaubte den Polen die Wiedergeburt ihrer Staatlichkeit aus eigener Kraft unter grundsätzlicher Zustimmung der Alliierten, deren Wünschen sie sich aber auch in einigen Punkten anpassen mußten. Das betrifft z.B. die Unterzeichnung des sogenannten „Kleinen Versailler Vertrags“ über den Schutz von Minderheiten im Jahre 1919. Das wichtigste Problem in Polen in den Jahren 1918-1922 war die Feststellung der Grenzen. In Diskussionen, die schon vor dem Ersten Weltkrieg begonnen hatten, waren zwei Positionen einander gegenübergestellt worden: 1. Polen sollte ein national einheitlicher Staat sein, der alle ethnischen polnischen Gebiete umfaßt, d.h. ein Nationalstaat. 2. Polen sollte als eine Art Föderation in den Grenzen der alten Adelsrepublik wiederhergestellt werden, d.h. ein Nationalitätenstaat. Verwirklicht wurde schließlich eine Kombination beider Vorstellungen. Die polnischen Grenzen sind auf verschiedene Weise bestimmt worden (internatio-

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nale Verträge, Volksabstimmungen, Aufstände), und sie lösten viele Nationalitätenprobleme nicht. Das Gros der Minderheiten bewohnte die Grenzgebiete. Z.B. wohnten nach 1921 1,1 Millionen Deutsche in Polen und 0,9 Millionen Polen in Deutschland. Oft empfanden verschiedene Politiker in Polen und in den unmittelbaren Nachbarstaaten Polens (mit Ausnahme von Lettland) die Grenzziehung als ungerecht. In der öffentlichen Meinung in Polen und in diesen Staaten stießen die neuen Grenzen auf heftige Kritik. Es überschnitten sich vielfach sachliche Einwände und emotionale Ausbrüche. Die Grundkonzeption polnischer Minderheitenpolitik der II. Republik blieb es, sich um die friedliche Koexistenz aller nationalen Gruppen1 zu kümmern, was den inneren Frieden sichern sollte und gleichzeitig die Möglichkeit gab, jede nationalistische, staatsdesintegrierende Tätigkeit zu bekämpfen. Die Rechte der Minderheiten wurden sowohl innerstaatlich als auch auf internationaler Ebene geschützt. Der schon erwähnte sogenannte „Kleine Versailler Vertrag“ gewährleistete den polnischen Staatsangehörigen, „die zu einer völkischen, religiösen oder sprachlichen Minderheit gehören“, die gleiche Behandlung und „die gleichen rechtlichen und tatsächlichen Sicherheiten“ wie den übrigen polnischen Staatsangehörigen (Art. 8). Laut Art. 12 dieses Vertrages unterlag der Schutz der nationalen Minderheiten in Polen der Kontrolle des Völkerbundes. Die Lage der nationalen Minderheiten regulierten auch die bilateralen Abkommen, die Polen mit einigen Nachbarstaaten unterzeichnete (z.B. polnischdeutsches Abkommen über Minderheitenschutz von 1937). Innerstaatlich wurden die Rechte der Minderheiten auf verfassungsrechtlicher Ebene gesichert. Die Verfassung von 1921 sah neben einer Nichtdiskriminierungsklausel in Art. 96 in Art. 119 vor: „Jeder Bürger hat das Recht, seine Nationalität zu bewahren und seine Sprache und nationalen Eigentümlichkeiten zu pflegen.“ Die Verfassung von 1935 enthielt auch eine Nichtdiskriminierungsklausel (Art. 7), und sie beließ u.a. Art. 119 der Verfassung von 1921 in Geltung. Die Verfassungsbestimmungen, die die Rechte der Minderheiten betrafen, wurden in zahlreichen Gesetzen in der II. Republik erweitert. Sie bestimmten die rechtliche Stellung der Minderheiten näher und schufen die rechtlichen Voraussetzungen für ihre Entwicklung. ___________ 1

Nach der Volkszählung von 1921 lebten in Polen fast 70 % Polen und 30 Angehörige anderer Nationalitäten (davon über 14 % Ukrainer, fast 8 % Juden, fast 4 % Deutsche und fast 4 % Weißrussen).

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Kurz vor und kurz nach dem Anfang des Zweiten Weltkrieges dienten die Minderheitenprobleme den Aggressoren als bequeme Rechtfertigung ihrer Politik. Im März 1939 begannen die von Reichspropagandaminister Goebbels gesteuerten deutschen Massenmedien mit einer sich langsam steigernden Propagandawelle und beschrieben oft die vermeintliche Verfolgung der deutschen Minderheit in Polen. Nach einer scharfen Rede des polnischen Außenministers Beck im Mai 1939 antwortete die polnische Presse in gleicher Art, betonte die kritische Lage der polnischen Minderheit im Dritten Reich und rief zur Wachsamkeit vor der Fünften Kolonne, d.h. der deutschen Minderheit auf. Dem deutschen Angriff am 1. September 1939 leistete die polnische Armee zwar heftigen Widerstand, konnte jedoch dem hochmodernen Gegner nicht lange standhalten, zumal am 17. September auch die Rote Armee in die östliche Hälfte Polens einrückte. Stalin begründete diesen Angriff mit der Notwendigkeit des Schutzes der dort wohnenden Ukrainer und Weißrussen.

II. Die Lage der Minderheiten in der Volksrepublik Nach dem Zweiten Weltkrieg verlor Polen die östliche Hälfte seines Gebiets – d.h. fast 180.000 km2 – mit vielen Minderheiten. Die zwei Millionen dort wohnender Polen wurden von den Sowjets entweder ermordet oder deportiert. Als Ausgleich für diese Gebietsverluste erhielt Polen die Gebiete im Westen und Norden, die im ersten Jahrhundert der Existenz des polnischen Staates zu ihm gehörten – fast 103.000 km2 –, wo aber 1945 Deutsche wohnten. Im Ergebnis hat Polen aber etwa 70.000 km2 verloren. Die Kommunisten beschreiben diese Westverschiebung Polens als die Verwirklichung der Konzeption eines Nationalstaates, der nur rein ethnische Gebiete umfaßt. Um die Minderheitenprobleme zu lösen, wurden Umsiedlungsmaßnahmen getroffen. Infolge des Abkommens mit den drei an Polen grenzenden Sowjetrepubliken und mit der Sowjetunion wurden mehr als 650.000 Ukrainer, Weißrussen und Litauer in die Sowjetunion umgesiedelt.2 Im Gegenzug wurden 1,5 Millionen Polen aus den ehemaligen Ostgebieten umgesiedelt, und bis zu 300.000 überschritten die Grenze außerhalb der Umsiedlungsaktion. 1947 wurde in Polen eine zusätzliche Umsiedlungsaktion „Weichsel“ durchgeführt. Ihr Ziel war es, die Aktivität der Ukrainischen Aufständischen ___________ 2 Vgl. A. Bohmann, Menschen und Grenzen, Bd. 1, Strukturwandel der deutschen Bevölkerung im polnischen Staats- und Verwaltungsbereich, 1969, S. 148.

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Armee im Südosten Polens zu zerschlagen, indem 150.000 Ukrainer und Lemken in die Westgebiete Polens zwangsumgesiedelt wurden.3 In den Westgebieten Polens begann schon im Mai 1945 eine Ausweisung der Deutschen, die ab dem 20. Oktober 1945 im Rahmen eines Ausweisungsplans des Alliierten Kontrollrats durchgeführt wurde. Nach polnischen Angaben wurden bis 1950 mehr als 3,15 Millionen Deutsche nach Deutschland umgesiedelt.4 Man nimmt an, daß als Folge dieser Prozesse nur noch 1,5 % der gesamten Bevölkerung (d.h. über 600.000 Personen) Angehörige von Minderheiten waren.5 Den Kommunisten war es also gelungen, einen einheitlichen Nationalstaat zu schaffen. In ihrer Propaganda stellten sie das als einen großen Erfolg heraus. In der Stalinzeit unternahmen die staatlichen Behörden Maßnahmen, die der Assimilierung der Minderheiten dienen sollten. Derartige Aktivitäten wurden auch später, aber in geringerem Umfang, fortgeführt. Auf Verfassungsebene genossen die Minderheiten volle Gleichberechtigung. Die Deklaration des Gesetzgebenden Sejms von 1947 garantierte u.a. Gleichheit vor dem Gesetz unabhängig von Nationalität, Rasse und Religion. In der Verfassung der Volksrepublik Polen von 1952 kann man nicht nur das Gebot der Rechtsgleichheit finden, sondern auch ein Diskriminierungsverbot.6 In der Politik der Staatsorgane wurde aber fast in der ganzen Periode der Volksrepublik die Existenz von nationalen Minderheiten nicht berücksichtigt.7 Man betrachtete dieses Problem als „persönliche Angelegenheit“ der einzelnen Bürger.8 Viele Angehörige von nationalen Minderheiten verheimlichten aber nach bitteren Erfahrungen lieber ihre Nationalität aus politischen Gründen oder ___________ 3

Vgl. Osteuropa 10/1992 (Osteuropa-Archiv), S. A 533-534. Vgl. P. Mohlek: Der Minderheitenschutz in der Republik Polen, in: P. Mohlek / M. HoĞkovą, Der Minderheitenschutz in der Republik Polen, in der Tschechischen und in der Slowakischen Republik, 1993, S. 17. 5 Vgl. J. Tomaszewski, MniejszoĞci narodowe w Polsce XX wieku, 1991, S. 45. 6 Art. 81 bestimmte: „Die Bürger der Volksrepublik Polen haben, unabhängig von Nationalität, Rasse und Glaubensbekenntnis, die gleichen Rechte auf allen Gebieten des staatlichen, politischen, wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Lebens. Die Verletzung dieses Grundsatzes durch irgendwelche direkte oder indirekte Bevorzugung oder Beschränkung der Rechte mit Rücksicht auf Nationalität, Rasse oder Glaubensbekenntnis ist strafbar.“ 7 Mit Ausnahme der Zeit nach der Oktoberkrise 1956. Näheres dazu: P. Mohlek, a.a.O., S. 20. 8 Vgl. z.B. K. Wasiak, RównoĞü obywateli PRL bez wzglĊdu na ich narodowoĞü, in: J. Szczepaniak (Hrsg.), Prawa i obowiązki obywatelskie w Polsce i na Ğwiecie, 1974. 4

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wegen möglicher beruflicher Nachteile (insbesondere in der staatlichen Verwaltung, Armee und im Bildungswesen). Nach der „antizionistischen“ Kampagne im Jahre 1968 wurde besonders stark die Einheit der Nation unterstrichen, und in der Gierek-Ära in den 70er Jahren wurde sogar eine Konzeption der „moralisch-politischen“ Einheit der Nation formuliert. Die Aktivität der Minderheitengruppen war nur im sozialkulturellen Bereich möglich und sollte sich auf die Organisierung der verschiedenen Feierlichkeiten beschränken. Von der Sowjetunion importierte man den Grundsatz für Veranstaltungen dieser Art: sozialistisch im Inhalt, national in der Form. Die gesellschaftlichen Organisationen der Minderheiten wurden wie alle anderen legalen Organisationen von der kommunistischen Partei gesteuert. Im Jahre 1988 waren offiziell sieben sozial-kulturelle Gesellschaften der Minderheiten registriert.9

III. Die Wende nach den Gesprächen am „Runden Tisch“ Während der gesamten Zeit der sogenannten Volksdemokratie unterlag die verfassungsrechtliche und gesetzliche Regelung der Lage der Minderheiten keinen wesentlichen Änderungen. Die Verfassungsbestimmungen, die ihre Rechte betrafen, hatten deklaratorischen Charakter. Sie galten nicht unmittelbar und bedurften der Konkretisierung durch einfache Gesetze, gerade das aber fehlte. Der Wahlsieg der SolidarnoĞü im Juni 1989 und der Zerfall des bisherigen Regierungssystems hat die Belebung des gesellschaftlichen Lebens ermöglicht. Das „eröffnete den Minderheiten eine einmalige Chance, aus ihrem Schattendasein herauszutreten.“10 Sie nutzten die bestehenden rechtlichen Möglichkeiten, die zwar nicht spezifisch für Minderheiten vorgesehen waren, ihnen aber dienen konnten, wie z.B. das Gesetz über das Vereinigungsrecht (1989), das Gesetz über die Garantien der Gewissens- und Religionsfreiheit (1989), das Versammlungsgesetz (1990) und das Parteiengesetz (1990).

___________ 9

Nach: J. Szteliga, Obecna sytuacja mniejszoĞci narodowych w Polsce, in: W. Lesiuk (Hrsg.), MniejszoĞci na Górnym ĝląsku. Pomost czy przeszkoda w stosunkach polskoniemieckich, Opole 1994, S. 49. 10 P. Mohlek, a.a.O., S. 21.

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Man soll auch nicht vergessen, daß selbst die Politik der Regierung gegenüber den Minderheiten von Beginn des Transformationsprozesses an in Polen wesentlich geändert wurde. Der erste nicht-kommunistische Ministerpräsident erkannte in seiner Regierungserklärung im September 1989 das Recht der Minderheiten auf kulturelle Entfaltung an. Die neue Politik gegenüber den Minderheiten hing auch mit den Änderungen in der Außenpolitik Polens zusammen. Positiv wirkte sie sich auf die Herstellung der diplomatischen Beziehungen mit Litauen, Weißrußland, der Ukraine und Israel aus sowie auf die Normierung und Verbesserung der Beziehungen mit Deutschland. Die Integrationsbestrebungen Polens im Hinblick auf die EU und den Europarat verpflichteten auch Polen zur Anerkennung und Verwirklichung der europäischen Minderheitenschutzstandards, wie sie im Jahre 1990 während der KSZE-Konferenz in Kopenhagen, in der „Pariser Charta für ein neues Europa“ und in den Vorbereitungsgesprächen zum Internationalen Abkommen über den Schutz der Rechte der Minderheiten entwickelt worden waren.

IV. Der demographische Rahmen Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde nur in der Volkszählung aus dem Jahre 1946 die Spalte „Nationalität“ geführt. Diese Daten haben jetzt nur historische Bedeutung, und man kann nicht genau sagen, wie viele Personen zu den einzelnen Minderheiten gehören. Aufgrund von Schätzungen wohnen in Polen 1-1,3 Millionen Bürger, die sich zu einer nichtpolnischen Nationalität bekennen, das sind 3 bis 4 % der Bewohner Polens. Die Angaben in diesem Gebiet weichen jedoch erheblich voneinander ab. Dieses Problem kann man am Beispiel der größten Minderheit, die zweifellos die Deutschen bilden, schildern. Wenn man nur die Personen, die den verschiedenen Organisationen dieser Minderheiten angehören, berücksichtigt, kann man mit bis zu 300.000 rechnen.11 Bei Berücksichtigung der Wähler, die in Parlaments- und Gemeindewahlen die Kandidaten dieser Minderheit unterstützen, ergibt sich eine Größenordnung von 350.000 bis 500.000.12 Die Vertreter der deutschen Minderheit bezif-

___________ 11 12

Vgl. J. Szteliga, a.a.O., S. 52. Vgl. J. Szteliga, a.a.O., S. 52.

Die Entwicklung des Minderheitenschutzes in Polen seit 1918

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fern die Zahl ihrer Angehörigen auf ca. 800.000.13 Unter Beachtung dieser Tatsache kann man folgende Zahlen14 annehmen: Ukrainer

250.000 bis 300.000

Weißrussen

250.000 bis 350.000

Litauer

15.000 bis 20.000

Lemken

13.000 bis 15.000

Slowaken

10.000 bis 15.000

Roma

bis 25.000

Tschechen

5.000 bis 10.000

Juden

8.000 bis 10.000

Russen, Armenier, Griechen, Makedonier, Tataren, Palästinenser, Vietnamesen, Kurden

jeweils bis zu 2.000

Von diesen Minderheiten weisen die zahlreichsten – d.h. die deutsche, litauische und weißrussische – überwiegend geschlossene Siedlungsgebiete auf. Das führt dazu, daß die Minderheitenpolitik und -probleme oft regionalen, nicht aber allgemeinen Charakter tragen. Die Minderheiten, die einige Gebiete kompakt bewohnen, können leichter ihre Interessen verteidigen als die zerstreut lebenden Gruppen.

V. Der organisatorische Rahmen Die organisatorische, politische und kulturelle Tätigkeit der nationalen Minderheiten hat sich nach 1989 erheblich intensiviert. In den ersten zweieinhalb Jahren des Transformationsprozesses in Polen (also von Juni 1989 bis Ende 1991) wurden 57 neue Organisationen der Minderheiten gerichtlich registriertes.15 Später sank diese Dynamik natürlicherweise, und im Jahre 1992 z.B. wurden nur zwei neue Organisationen registriert. Viele andere Vereine verzichteten auf die formelle Anerkennung und entschieden sich aus verschiedenen Gründen für eine informelle Tätigkeit. ___________ 13

Vgl. P. Mohlek, a.a.O., S. 23. Nach J. Szteliga, a.a.O., S. 51 ff. 15 Davon 35 Organisationen der deutschen Minderheit, elf ukrainische, sechs weißrussische. Zahlen nach: J. Szteliga, a.a.O., S. 50. 14

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Die dominierende organisatorische Form bleibt, wie früher, die sozialkulturelle Gesellschaft, die aber viel breitere Aufgaben als vor 1989 erfüllt, darunter auch typisch politische Aufgaben wie z.B. die Vertretung der Interessen der Minderheit vor den lokalen und zentralen staatlichen Behörden. Einige Minderheiten gründeten auch normale politische Parteien wie z.B. die Weißrussische Demokratische Vereinigung. Es entstanden Organisationsformen, die früher nicht denkbar gewesen wären, wie z.B. Vertretungen verschiedener Berufsgruppen (Lehrer, Ärzte, Journalisten) innerhalb einer Minderheit, Jugendvereinigungen, religiöse Gesellschaften usw. Die oben genannten Zahlen können täuschen. Sie scheinen sehr eindrucksvoll zu sein. Man sollte aber hervorheben, daß die Mehrheit dieser Organisationen höchstens einige Hundert Mitglieder zählt. Einige von ihnen zeigten schon gleich nach der Gründung keine wesentliche Aktivität. Nach 1989 befaßten sich staatliche Behörden breiter mit den Angelegenheiten der nationalen Minderheiten. Im Jahre 1990 wurde die Kommission für Nationale Minderheiten als staatliches Beratungsorgan gebildet. Sie sollte ein Regierungsprogramm für Maßnahmen, die die nationalen und ethnischen Minderheiten betreffen, ausarbeiten. Die erste Parlamentskammer, der Sejm, hat noch 1989 beschlossen, einen ständigen Ausschuß für Nationale und Ethnische Minderheiten zu gründen. Er soll die Entwürfe der Rechtsakte oder einzelne Normen vorbereiten, die den Rechtsstatus der Minderheiten regeln.16 Im Jahre 1990 wurde beim Ministerium für Kultur und Kunst eine Arbeitsgruppe für Angelegenheiten der Nationalen Minderheiten gebildet. Im April 1992 wurde sie in ein ständiges Organ mit der Bezeichnung „Büro für Angelegenheiten der Nationalen Minderheiten“ umgewandelt. Es leistet u.a. den Minderheiten rechtliche Hilfe sowie Beratung und unterstützt finanziell die kulturelle Tätigkeit (z.B. kulturelle Veranstaltungen, Veröffentlichungen) in den Kreisen der Minoritäten. Die Zuständigkeit des Ministeriums für Kultur und Kunst für die gesamte Minderheitenpolitik wurde aber kritisiert. Man unterstreicht, daß diese Lösung die Regelung vieler Fragen unmöglich macht, und schlägt die Einrichtung einer entsprechenden Abteilung beim Ministerrat vor.17 ___________ 16

Näheres über die Tätigkeit dieses Ausschusses in der Wahlperiode 1989-1991 bei: M. Kallas, Parlamentarische Arbeiten am Status der nationalen und ethnischen Minderheiten in Polen, in: Osteuropa-Recht 3/1995, S. 178 f. 17 G. Bartodziej, Unser Ziel ist gute Nachbarschaft, in: Dialog 2-3/1995, S. 102.

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VI. Der politische Rahmen Nach 1989 können sich die Angehörigen der nationalen Minderheiten in Polen in das öffentliche und politische Leben einschalten. In den Wahlen zu den Gemeinderäten 1990 bekamen die Kandidaten der Minderheiten ca. 550 Mandate.18 Vier Jahre später hat sich diese Zahl wesentlich vergrößert, und die deutsche Minderheit allein errang bereits 550 Mandate.19 Nach den Parlamentswahlen 1991 hatte die deutsche Minderheit sieben Vertreter im Sejm und einen Vertreter im Senat und die weißrussische Minderheit einen Abgeordneten. Bei den nächsten Wahlen im Jahre 1993 ist es nur der deutschen Minderheit gelungen, Mandate im Sejm (4) und im Senat zu bekommen. Die politischen Vertreter der Minderheiten bemühen sich, nicht in die Parteienstreitigkeiten auf der polnischen politischen Bühne verstrickt zu werden. Ihr Ziel ist die verantwortungsbewußte Mitarbeit in beiden Parlamentskammern und in den Gemeinderäten, in denen die Minderheiten stark vertreten sind. Dank der Beteiligung der Vertreter der Minderheiten an der Arbeit des Parlaments und der Organe der territorialen Selbstverwaltung können sie ihre Belange artikulieren. In dieser Hinsicht ist folgende Äußerung des Senators G. Bartodziej, eines Vertreters der deutschen Minderheit, bemerkenswert: „Die Arbeitsbedingungen der parlamentarischen Vertretung der Minderheiten waren und bleiben normal.“20 Er hat auch die Bedingungen in den Organen der territorialen Selbstverwaltung in den Regionen, wo die deutsche Minderheit stark vertreten ist, als gut eingeschätzt: „Die Stimmung im Oppelner Bezirkstag wurde in den letzten fünf Jahren niemals durch ethnische Konflikte gestört.“21 Das kann man für alle Gemeinderäte und Bezirkstage, an deren Tätigkeit die Vertreter der Minderheiten teilnehmen, verallgemeinern. Die politische Vertretung der Minderheiten erlaubt es ihnen, einen gewissen Einfluß auf die Entscheidungen und die Rechtsetzung auf der zentralen und der kommunalen Ebene auszuüben.

___________ 18

Vgl. J. Szteliga, a.a.O., S. 50. Vgl. Rzeczpospolita vom 28.6.1994. 20 G. Bartodziej, a.a.O., S. 102. 21 G. Bartodziej, a.a.O., S. 102. 19

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VII. Der rechtliche Rahmen 1. Verfassungsebene Die polnische Verfassung hat sich im Zuge der vielen Novellierungen nach 1989 wesentlich von dem ursprünglichen, 1952 verabschiedeten Grundgesetz entfernt. Dennoch stützte sie sich bis zur Verabschiedung der neuen Verfassung im Jahre 1997 auf das Schema des ursprünglichen Textes und entsprach nicht den Anforderungen, die man an eine moderne Verfassung stellt. Ebenso entsprach sie in einigen Punkten nicht den internationalen Standards, wie sie etwa in den UNO-Menschenrechtspakten oder der EMRK aufgestellt sind. Während der ersten acht Jahre des Transformationsprozesses blieb die verfassungsrechtliche Regelung der Lage der Minderheiten unverändert. In der Tat benutzte die Verfassung nicht den Begriff der nationalen Minderheiten, aber ihre Angehörigen konnten sich auf den oben schon erwähnten Gleichheitssatz und das Diskriminierungsverbot berufen. Die Situation wird nach der endgültigen Verabschiedung der neuen Verfassung völlig anders sein. Dem Verfassungsausschuß ist es gelungen, nach langen Diskussionen22 einen Artikel, der den Status der Minderheiten betrifft, auszuarbeiten. Art. 35 der neuen Verfassung bestimmt: „1. Die Republik Polen gewährleistet den polnischen Staatsangehörigen, die den nationalen und ethnischen Minderheiten angehören, die Freiheit zur Bewahrung und Entwicklung der eigenen Sprache, zur Bewahrung ihrer Bräuche und Traditionen und zur Entwicklung ihrer eigenen Kultur. Die nationalen und ethnischen Minderheiten haben das Recht auf Bildung eigener erzieherischer und kultureller Einrichtungen und von Einrichtungen, die dem Schutz ihrer religiösen Identität dienen, sowie auf Teilnahme an Entscheidungen über die Angelegenheiten, die ihre kulturelle Identität betreffen.“

Trotzdem sind die Angehörigen der Minderheiten nicht gehindert, den allgemeinen Gleichheitssatz und das Diskriminierungsverbot (Art. 32) für den Schutz ihrer Interessen in Anspruch zu nehmen. Gemäß diesem Prinzip haben polnische Bürger, die nationalen bzw. ethnischen Minderheiten angehören, das Recht auf den Erhalt und die Entwicklung der eigenen Sprache, auf den Erhalt von Sitten und Gebräuchen und Traditionen sowie die Entwicklung der eigenen Kultur. Die Minderheiten haben auch ___________ 22 Näheres über die parlamentarischen Arbeiten am Status der nationalen Minderheiten in Polen vgl. M. Kallas, a.a.O., S. 179 ff.

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das Recht, eigene Bildungs- und Kultureinrichtungen zu schaffen, Institutionen ins Leben zu rufen, die dem Schutz der religiösen Identität dienen, sowie das Recht, an Entscheidungen bezüglich ihrer kulturellen Identität mitzuwirken. Bei der Formulierung des Prinzips der Sicherung der Rechte für nationale und ethnische Minderheiten läßt die Verfassung den Begriff „nationale bzw. ethnische Minderheiten“ selbst außer Betracht. Man kann annehmen, daß dies Gruppen sind, die dieselbe Kultur, Religion und/oder Sprache haben. Übereinstimmend mit dem Menschenrechtsausschuß, das den Art. 27 UNO-Pakt für bürgerliche und politische Rechte über die Rechte von Minderheiten interpretiert, muß dennoch festgestellt werden, daß die Garantie von Rechten nationaler und ethnischer Minderheiten keinen kollektiven Maßstab besitzt und sich nicht auf Gruppenrechte bezieht; es geht dabei um Rechte von Individuen, die zu den Minderheiten gehören. Sie kann eine berechtigte Differenzierung der Rechte der Individuen begründen, wenn die getroffenen Maßnahmen eine Verbesserung der Bedingungen zur Nutzung der ihnen zuerkannten Rechte zum Ziele haben. In diesem Kontext ist der Staat verpflichtet, nicht nur die Rechte der Minderheiten vor ihrer Verletzung oder vor ihrem Entzug zu schützen, sondern Maßnahmen zum Schutze der Identität der Minderheiten und der Rechte ihrer Angehörigen zu treffen. Anders als die Verfassung der Republik Polen stellte das Komitee für Menschenrechte dabei fest, daß die Angehörigen der Minderheiten keine Staatsbürger sein und nicht einmal einen ständigen Wohnsitz haben müssen. Also haben die Werktätigen-Migranten und sogar Gäste (visitors), die eine Minderheit darstellen, einen Titel darauf, daß die Beanspruchung von Rechten, die Minderheiten angehörenden Personen zugestanden werden, ihnen nicht vorenthalten wird. Art. 35 der Verfassung konzentriert sich auf Kulturrechte. Rechte von Minderheiten beschränken sich jedoch nicht nur darauf. Sie umfassen u.a. auch das Recht auf Teilnahme am politischen Entscheidungsprozeß im entsprechenden Umfang. Obwohl die Verfassung dazu nichts sagt, wird dieses Recht in diesem Falle auf der Gesetzesebene garantiert, und dadurch waren Vertreter nationaler Minderheiten (z.B. 8 Vertreter im Sejm der 1. Legislaturperiode, 4 Vertreter im Sejm der 2. Legislaturperiode, 2 Vertreter im Sejm der 4. Legislaturperiode und jeweils l Vertreter im Senat der 1. und 2. Legislaturperiode) noch vor dem Inkrafttreten der Verfassung im polnischen Parlament (u.a. deshalb, weil im Art. 35 der Wahlordnung für Sejmwahlen 1993 bestimmt wird, daß gegenüber Komitees eingetragener Minderheitenorganisationen keinerlei Schwellen bei der Zuteilung von Mandaten aus regionalen und nationalen Kandidatenlisten angewendet werden).

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2. Gesetzliche Ebene Gegenwärtig kann man vier Modelle der gesetzlichen Regelung unterscheiden: 1. Ein einfaches Gesetz, das den Status aller nationalen Minderheiten betrifft (z.B. das ukrainische Gesetz über nationale Minderheiten von 1992). 2. Ein einfaches Gesetz schützt formell Rechte aller nationalen Minderheiten, jedoch bestimmen Verordnungen der Regierung, welche Gruppen diese Regelung betrifft (z.B. das österreichische Bundesgesetz über die Rechtsstellung von Volksgruppen in Österreich von 1976). 3. Ein einfaches Gesetz, das nur den Status bestimmter Minderheiten regelt (z.B. das ungarische Gesetz über die Rechte der nationalen und ethnischen Minderheiten von 1993). 4. Einfachgesetzliche Regelungen, die in mehreren Gesetzen die einzelnen Probleme des Status der Minderheiten regeln, und das Fehlen eines Minderheitengesetzes. In Polen gab es bis 2005 dieses vierte Modell. Die Regelung der Rechte der Minderheiten war zerstreut. Besondere Bedeutung hatten die folgenden Gesetze: 1. das Gesetz über das Bildungssystem von 1991 und die aufgrund dieses Gesetzes 1992 erlassene Rechtsverordnung des Ministers für Volksbildung über die Organisation der Ausbildung, die die Erhaltung des Gefühls der nationalen, ethnischen und sprachlichen Identität bei den Schülern, die einer nationalen Minderheit angehören, betrifft, 2. das Gesetz über Rundfunk und Fernsehen aus dem Jahre 1992, 3. die Wahlordnung zum Sejm aus dem Jahre 1993, 4. das Gerichtsverfassungsgesetz aus dem Jahre 1985 in der Fassung von 1994. Das erste der oben genannten Gesetze bestimmte, daß „die öffentliche Schule den Schülern die Erhaltung des Gefühls der nationalen, ethnischen, sprachlichen und religiösen Identität und besonders das Erlernen der Sprache sowie der eigenen Geschichte und Kultur ermöglicht“ (Art. 13 Abs. 1). Diese Bestimmung wurde durch die schon erwähnte Rechtsverordnung des Ministers für Volksbildung konkretisiert. Sie erstreckte das Schulprivileg der Minderheiten über die Grundschulen und die allgemeinbildenden Lyzeen hinaus auf Kindergärten und Berufsschulen, erweiterte den zulässigen Rahmen des muttersprach-

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lichen Unterrichts und machte den Unterricht in den Grundlagen der Heimatgeschichte und -geographie in den Schulen für die Minderheiten zum obligatorischen Lehrinhalt.23 Nach Art. 21 Abs. 2 des Gesetzes über Rundfunk und Fernsehen sollten „die Programme des öffentlichen Rundfunks und Fernsehens die Bedürfnisse der nationalen und ethnischen Minderheiten berücksichtigen.“ Nach der Wahlordnung zum Sejm von 1993 können die Wahlkomitees der nationalen Minderheiten von der 5 %-Sperrklausel entweder in dem Wahlkreis oder auf dem gesamten Staatsgebiet befreit werden. Die Wahlkomitees bestimmen selbst, was ihnen lieber ist, und geben der Staatlichen Wahlkommission eine Erklärung ab. Diese Erklärung ist für die Staatliche Wahlkommission bindend. Art. 8 des Gerichtsverfassungsgesetzes gewährt jeder Person, die die polnische Sprache nicht beherrscht, das Recht auf die kostenlose Hilfe eines Übersetzers für ihre Muttersprache vor Gericht. Die Minderheiten können auch andere gesetzliche Bestimmungen in Anspruch nehmen, die nach 1989 den Standards des demokratischen Staates entsprechen, aber keine speziellen Rechte der Minderheiten beinhalten. Als Beispiele kann man hier das Gesetz über die politischen Parteien von 1997 oder das Gesetz über das Vereinsrecht von 1989 nennen. Es galten aber noch einige Gesetzesakte, die nach 1989 nicht novelliert oder geändert wurden und Minderheitenrechte beschränken. Als Beispiel kann man hier ein Dekret über die Staatssprache und die Amtssprache der Behörden und der Selbstverwaltung von 1945 anführen. Es garantiert den Minderheiten nicht das Recht auf Gebrauch der Muttersprache in der Verwaltung. Seit 2005 gilt in Polen ein einheitliches, umfassendes Minderheitengesetz,24 das neben grundlegenden Bestimmungen und einer Minderheitendefinition Regeln zum Gebrauch der Minderheitensprache, zu Fragen von Bildung und Kultur, zur Regionalsprache sowie zu den für Minderheiten zuständigen Organen enthält.

___________ 23

P. Mohlek, a.a.O., S. 38. Gesetz über nationale und ethnische Minderheiten sowie über die Regionalsprache vom 6. Januar 2005, s. Anhang, S. 195. 24

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3. Ebene des Völkerrechts a) Multilaterale Menschenrechtskonventionen Polen hat zahlreiche multilaterale Menschenrechtskonventionen unterzeichnet, die die Rechte der Minderheiten schützen. Hier kann man z.B. die universellen Konventionen nennen: den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte, den Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte. Wichtig sind auch regionale europäische Abkommen wie die EMRK. Sie bilden einen Maßstab, der bei der Vorbereitung der innerstaatlichen Rechtsakte berücksichtigt werden soll. Viele Normen, die noch aus der Zeit vor 1989 stammen, entsprechen nicht den internationalen Standards (z.B. das oben erwähnte Dekret von 1945). In einigen, zum Glück seltenen Fällen verletzen neue Rechtsakte auf der untergesetzlichen Ebene, die jetzt erlassen werden, diese Standards. Es wurde aber in den letzten Jahren der strenge Dualismus zwischen beiden Rechtsordnungen beseitigt, und immer öfter prüfen die Gerichte, ob innerstaatliches Recht konform mit dem internationalen Recht ist,25 was auch auf die reale Lage der Minderheiten positiv einwirken kann. In dieser Hinsicht ist hinzuzufügen, daß sich die Gerichte manchmal unmittelbar auf die internationalen Konventionen berufen. Diese Art der gerichtlichen Entscheidung kann besonders wichtig sein, wenn es um die Minderheitenrechte geht, die nicht als Gruppenrechte, sondern als Rechte der einzelnen Angehörigen der Minderheit angelegt sind. Gerade diese Interpretations- und Konzeptwende beobachten wir jetzt in vielen demokratischen Ländern.

b) Bilaterale Verträge In Europa wurden nach dem Zweiten Weltkrieg über 60 bilaterale Verträge abgeschlossen, die eine Minderheitenklausel enthalten. Davon hat Polen nach 1989 13 unterzeichnet.26 Diese Verträge gewähren den Personen, die den Minderheiten angehören: ___________ 25

Vgl. E. àĊtowska, Konflikte zwischen Bürger und Staat im Transformationsprozeß, in: H. Roggemann / H. Sundhausen, Ost- und Südosteuropa zwischen Tradition und Aufbruch, 1996, S. 179 f. 26 Mit der Bundesrepublik Deutschland (1991), der Tschechoslowakei (1991) (gilt jetzt für beide Nachfolgestaaten, d.h. die Tschechische und die Slowakische Republik), Ungarn (1991), der Ukraine (1992), Rußland (1992), Weißrußland (1992), Lettland (1992), Estland (1992), Bulgarien (1993), Spanien (1993) und Litauen (1994).

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− den Unterricht ihrer Muttersprache, − den freien Gebrauch der Muttersprache im privaten und im öffentlichen Leben, − die Führung von Vor- und Nachnamen in der Schreibweise der Muttersprache, − das freie Bekenntnis zu ihrer Religion und deren freie Ausübung, − die Gründung eigener Organisationen und Gesellschaften, − die ungehinderte Pflege von Kontakten mit anderen Angehörigen einer Minderheit innerhalb des Landes und mit den Bürgern anderer Staaten. Mehr Probleme gibt es bei der Bestimmung des subjektiven Schutzbereichs dieser Verträge. Über den Begriff der nationalen Minderheiten ist viel diskutiert worden. Bis jetzt fehlt es aber sowohl im Völkerrecht als auch im innerstaatlichen polnischen Recht an einer klaren Definition. Die von Polen abgeschlossenen Verträge schützen: − nationale Minderheiten (die Verträge mit der Tschechoslowakei, Weißrußland, der Ukraine, Lettland, Estland – in bezug auf die polnische Minderheit sowie mit Deutschland in bezug auf die deutsche Minderheit); − ethnische Gruppen (der Vertrag mit Ungarn); − die Personen polnischer, deutscher, estnischer und bulgarischer Abstammung (die Verträge mit Deutschland, Estland und Bulgarien); − die Personen, die sich zum Kulturkreis des Vertragspartners bekennen (die Verträge mit Deutschland und Litauen); − die Bürger des Vertragspartners, die aus dem Gebiet des anderen Vertragspartners stammen (die Verträge mit Rußland, Bulgarien und Spanien).

Abstract Bogusáaw Banaszak: Development of the Protection of Minorities in Poland since 1918. In: Minority Protection and Human Rights – Current Problems Particularly in the German-Polish Relations. Ed. by Dieter Blumenwitz (†), Gilbert H. Gornig, and Dietrich Murswiek (Berlin 2006), pp. 43-57. Already before the divisions in 1772/1795, Poland had been a multinational state. As it emerged after World War I, the Republic became again a country with many minorities and even the drastic territorial change and the transfer of the population after World War II, originally aimed at creating a mono-ethnical state, left small minorities in the country which count now for 3-4 %, the big-

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gest of which are the German minority encompassing some 800.000 people and the Belo-Russians and Ukrainians (some 350.000 and 300.000 respectively). Since 1989, minorities have become politically and culturally more active. There were no ethnically motivated conflicts in political organs involving deputies from a minority background. Several institutions were established by the Sejm and the Government to deal with minority issues. In legal terms, Article 35 of the 1997 constitution contains a guarantee of cultural rights of minorities. Political rights, like participation in legislative organs, are granted on a statutory basis. Until 2005, Poland did not have a single minority act, minorityrelated regulations were, however, contained in the respective acts concerning relevant issues. International human rights conventions and bilateral treaties containing a minority clause are of similar relevance.

Die Rechtslage der nationalen Minderheiten in Polen Von Agnieszka Malicka

Über nationale und ethnische Minderheiten begann man in Polen eigentlich erst am Anfang der 90er Jahre, nach der sogenannten politischen Wende von 1989 und nach der Einführung der Grundsätze eines Rechtsstaates zu sprechen. Damals wurde auch die Politik gegenüber den nationalen Minderheiten geändert. Selbst die Minderheiten wurden in dieser Zeit immer aktiver. Bis zu dieser Zeit galt Polen als ein homogener Staat ohne nationale oder ethnische Minderheiten. Die rechtliche Regelung der mit den nationalen Minderheiten verbundenen Fragen wurde unter der ersten nichtkommunistischen Regierung von Tadeusz Mazowiecki begonnen und bleibt bis heute nicht abgeschlossen. Von besonderer Bedeutung war sicher die Erklärung des Ministerpräsidenten, in der er feststellte, daß Polen auch das Vaterland von nationalen Minderheiten sei. Eine allgemeine Beurteilung der damaligen Lage der nationalen Minderheiten war dadurch erschwert, daß es keine offiziellen, glaubwürdigen Angaben über die Zahl der Personen, die zu diesen Minderheiten gehören, gab.1 ___________ 1 1918 war Polen ein typischer multinationaler Staat, wo Polen ca. 69,2 % der gesamten Bevölkerung ausmachten. Den Rest von 30,8 % bildeten die nationalen und ethnischen Minderheiten. Zu den größten gehörten: Ukrainer mit 14,3 %, Juden mit 7,8 %, Weißrussen mit 3,9 % und Deutsche mit 3,9 %. Bis zum Jahr 1931 sank die Zahl der polnischen Bevölkerung auf 64 % der Gesamtbevölkerung. Siehe auch J. Tomaszewski, MniejszoĞci narodowe w Polsce w XXw., Warszawa 1991 (Die nationalen Minderheiten in Polen im 20. Jahrhundert). Nach dem zweiten Weltkrieg kam es wieder zu einer starken Änderung der demographischen Struktur Polens, die vor allem mit der Grenzverschiebung und Umsiedlungen von großen Bevölkerungsgruppen verbunden war. Nach der Beendigung dieses Prozesses bildeten die Vertreter der nationalen Minderheiten in Polen nur ca. 1,5 % der Bevölkerung. Die Reaktion der Minderheiten war verschieden. Die meisten paßten sich an die neue Situation an, die anderen reisten massenweise aus. Im Hinblick auf Nationalitäten galt Polen nach dem zweiten Weltkrieg als ein homogener Staat. Die Existenz von nationalen und ethnischen Minderheiten, besonders der deutschen Minderheit, wurde offiziell geleugnet. Laut den Schätzungen von 1992 zählte die Bevölkerung Polens 38.420.000 Einwohner, davon gehörten ca. 1.500.000 Personen

Agnieszka Malicka

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Gegenwärtig wird die Lage der nationalen Minderheiten im Rahmen der internationalen Standards über Menschenrechte auf der Ebene des innerstaatlichen Rechtes in der Verfassung und durch die einfache Gesetzgebung geregelt. Kurz nach der Wende bildeten die sog. „kleine Verfassung“ vom 19922 und die aufgrund Art. 77 dieser Verfassung fortgeltenden Vorschriften der alten Verfassung vom 19523 die Grundlage der Rechtsordnung in Polen. Die Grundrechte und Pflichten der Staatsbürger regelte die alte Verfassung. Diese Vorschriften enthielten natürlich keine Regelungen betreffs nationaler Minderheiten. Eine Ausnahme war Art. 67 Abs. 2. Gemäß diesem Artikel werden allen polnischen Staatsbürgern, ungeachtet ihres Geschlechts, ihrer Geburt, ihrer Bildung, ihres Berufs, ihrer Nationalität, ihrer Rasse, ihres Glaubensbekenntnisses sowie ihrer sozialer Herkunft und Stellung, gleiche Rechte garantiert.

Art. 81 besagt folgendes: 1. Allen polnischen Staatsbürgern werden unabhängig von Nationalität, Rasse und Glaubensbekenntnis die gleichen Rechte auf allen Gebieten des staatlichen, politischen, wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Lebens gewährleistet. 2. Die Verletzung dieses Grundsatzes durch irgendwelche direkte oder indirekte Bevorzugung oder Beschränkung dieser Rechte aufgrund Nationalität, Rasse oder Glaubensbekenntnis wird für strafbar erklärt.

Diese Bestimmungen können aber lediglich als ein allgemeines Diskriminierungsverbot und nicht als eine Garantie des Schutzes von Rechten der nationalen Minderheiten betrachtet werden. Der Sejm-Ausschuß für die Angelegenheiten der nationalen und ethnischen Minderheiten begann kurz nach 1989 Arbeiten an der Einführung bestimmter, die Rechte der Minderheiten schützenden Regelungen in das polnische Rechtssystem. Zuerst ging es vor allem um eine entsprechende Regelung (eine positive Garantie) in der neuen Verfassung Polens, die sich damals in der Vorberei___________ zu verschiedenen nationalen Minderheiten. Die größte Gruppe bildeten die Deutschen mit über 500.000 Personen, dann folgten die Ukrainer mit ca. 300.000 und die Weißrussen mit ca. 200.000 Personen, die Roma mit 30.000, Litauer und Slowaken mit jeweils bis zu 25.000 und Juden mit ungefähr 15.000 Personen. 10.000 Angehörigen überschreiten nicht die Russen, Armenier, Tschechen, Griechen, Makedonier und Tataren. Siehe auch P. Mohlek, Der Minderheitenschutz in der Republik Polen, in der Tschechischen und Slowakischen Republik, Bonn 1994. 2 Gbl. Nr. 84, Pos. 426 von 1992. 3 Gbl. Nr. 7, Pos. 36 von 1976.

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tungsphase befand, und dann um die Verabschiedung eines separaten Gesetzes über den Schutz von Rechten der nationalen Minderheiten. Die neue Verfassung wurde von der Nationalversammlung am 02.04.1997 verabschiedet. Zum ersten Mal nach dem zweiten Weltkrieg enthält die polnische Verfassung einen Artikel, der ausschließlich der Problematik der nationalen und ethnischen Minderheiten gewidmet wurde. Art. 35 befindet sich im Kapitel II: Freiheiten, Rechte und Pflichten des Menschen und des Staatsbürgers und besagt folgendes: 1. Die Republik Polen gewährleistet den polnischen Staatsangehörigen, die nationalen oder ethnischen Minderheiten angehören, die Freiheit der Erhaltung und der Entwicklung der eigenen Sprache, der Erhaltung von Bräuchen und Traditionen sowie der Entwicklung der eigenen Kultur. 2. Nationale und ethnische Minderheiten haben das Recht auf Bildung eigener Ausbildungs- und Kultureinrichtungen sowie der Einrichtungen, die dem Schutz der religiösen Identität dienen. Sie haben auch das Recht an Entscheidungen in solchen Angelegenheiten beteiligt zu werden, die ihre kulturelle Identität betreffen.4

Diese Bestimmung enthält die Verpflichtungen des Staates gegenüber den nationalen und ethnischen Minderheiten zur Sicherung ihres Rechtes auf Erhaltung ihrer Kultur, Bildung eigener Organisationen und Mitentscheidung über ihre Kultur und Religion. Es fehlt aber an verwaltungsrechtlichen und politischen Garantien. Trotzdem bildet Art. 35 der neuen Verfassung eine Grundlage für die Regelung der Rechtsstellung von nationalen Minderheiten. Neben Art. 35 gibt es in der Verfassung noch andere Vorschriften, die sich direkt oder indirekt auf die nationalen Minderheiten beziehen und zwar: − Art. 13 mit dem Verbot des Bestehens von politischen Parteien und anderer Organisationen, deren Programm oder Tätigkeit Rassen- und Nationalitätenhaß voraussetzt oder zuläßt; − Art. 25 mit der Garantie der Gleichberechtigung von Kirchen und anderen Religionsgemeinschaften; − Art. 27, der besagt, daß in der Republik Polen die polnische Sprache die Amtssprache ist. Diese Vorschrift verletzt aber nicht die Rechte der nationalen Minderheiten, die sich aus ratifizierten völkerrechtlichen Verträgen ergeben;

___________ 4

Gbl. Nr. 78, Pos. 483 von 1997.

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− Art. 32 mit der Garantie der Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und dem Diskriminierungsverbot im politischen, gesellschaftlichen oder wirtschaftlichen Leben; − Art. 53, der jedem Gewissens- und Religionsfreiheit gewährleistet; − Art. 54 mit der Gewährleistung der Freiheit zum Äußern von Anschauungen sowie zum Beschaffen und Verbreiten von Informationen; − Art. 57 mit dem Recht auf Veranstaltungen und die Teilnahme an friedlichen Versammlungen; − Art. 58, der jedermann die Vereinigungsfreiheit gewährleistet. Von Bedeutung für die Rechtsstellung der nationalen Minderheiten sind auch zwei Vorschriften der Verfassung, die die völkerrechtlichen Verpflichtungen Polens betreffen und zwar Art. 9, gemäß dem die Republik Polen das Völkerrecht, das für sie verbindlich ist, befolgt, und Art. 87 Abs. 1, der besagt, daß ratifizierte völkerrechtliche Verträge Quellen des allgemein geltenden Rechtes der Republik Polen sind. Dazu kommt noch Art. 90 der Verfassung, der eine Grundlage der Transformation der ratifizierten Verträge in das polnische Rechtssystem bildet. Die letzte Regelung ist besonders wichtig in bezug auf die zahlreichen durch Polen unterzeichneten und ratifizierten multilateralen Verträge über Menschenrechte und die bilateralen Verträge Polens mit den Nachbarstaaten, in denen auch die Lage der Minderheiten geregelt wird.5 Auf der Ebene der einfachen Gesetzgebung gab es bis 2005 kein einheitliches Gesetz, das ausschließlich die Problematik der nationalen Minderheiten regelt. Die Vorschriften über Minderheiten waren über verschiedene Gesetzen verstreut. Nur indirekt beziehen sich auf die nationalen Minderheiten die Vorschriften des Strafgesetzbuches. Es handelt sich hier um zwei Artikel und zwar Art. 256 und 257. Laut Art. 256 wird derjenige mit einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren bestraft, der öffentlich zum Haß in Bezug auf die Unterschiede der Nationalität, ethnische Unterschiede, Rassen- oder Konfessionsunterschiede oder in bezug auf die Konfessionslosigkeit aufruft.

Bestraft werden auch alle Formen von Diskriminierung der nationalen Minderheiten angehörenden Personen: ___________ 5

K. Wójtowicz, in: J. Boü (Hrsg.), Konstytucje Rzeczypospolitej oraz komentarz do Konstytucji RP z 1997r. (Die Verfassungen der Republik Polen und der Kommentar zu der Verfassung der Republik Polen von 1997), Wrocáaw 1998, S. 162.

Die Rechtslage der nationalen Minderheiten in Polen

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Wer öffentlich eine Gruppe von Personen oder eine Person wegen ihrer nationalen, ethnischen oder konfessionellen Angehörigkeit oder wegen ihrer Konfessionslosigkeit beleidigt oder aus diesen Gründen die körperliche Unantastbarkeit einer anderen Person verletzt, wird mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bestraft.6

Diese strafgesetzlichen Regelungen sind für die nationalen Minderheiten von wesentlicher Bedeutung hinsichtlich des aggressiven Verhaltens gegenüber den Vertretern der Minderheiten. Es wurden Informationstafeln von Minderheitenverbänden vernichtet, beleidigende Texte auf Mauern geschrieben oder Friedhöfe geschändet. Dies betraf vor allem Juden, Deutsche und Roma.7 Die Verletzung der Rechte von Minderheiten betrifft sehr oft das Recht auf Gebrauch der eigenen Sprache. Grundsätzlich gibt es keine Hindernisse für den Gebrauch der eigenen Sprache im privaten Bereich. Auf Probleme stößt er erst im öffentlichen Leben. Die Regelung zur Benutzung der Amtssprache in Polen war noch vor kurzem das Dekret vom 30.11.1945 über die Staatssprache und die Amtssprache bei den Staats- und Selbstverwaltungsbehörden.8 Art. 1 dieses Dekrets besagte eindeutig, daß die Amtssprache in Polen die polnische Sprache ist. Diese Bestimmung wurde auch in dem neuen Gesetz vom 07.10.1999 über die polnische Sprache wiederholt.9 Gleichzeitig werden die Rechte der nationalen und ethnischen Minderheiten in Art. 2 garantiert.10 Grundsätzlich ist also die Benutzung einer anderen Sprache als Polnisch im öffentlichen Bereich nicht möglich. Eine Ausnahme bilden die besonderen Vorschriften der Straf-, Zivil- und Verwaltungsverfahrensordnung, die das Auftreten in der Muttersprache vor Gericht vorsehen. Diese Regelung betrifft Personen, die Polnisch nicht beherrschen. Wenn man aber berücksichtigt, daß die Vertreter der nationalen Minderheiten polnische Staatsbürger sind, die der allgemeinen Schulpflicht unterliegen, müßte man eigentlich annehmen, daß sie die polnische Sprache in ausreichendem Maße beherrschen. So ist festzustellen, daß diese Vorschriften sich auf Ausländer beziehen. Die Anwendung dieser Bestimmungen scheint aber auch im Falle der Vertreter von nationalen Minderheiten mög___________ 6

Art. 257 des Strafgesetzbuches, Gbl. Nr. 88, Pos. 553 von 1997. G. Janusz, Raport o sytuacji osób naleĪących do mniejszoĞci narodowych w Polsce, (Bericht über die Lage der den nationalen Minderheiten angehörenden Personen in Polen) Warszawa, 1994, S.22. 8 Gbl. Nr. 57, Pos. 324 von 1945. Dieses Gesetz trat mit dem Inkrafttreten des Gesetztes über die polnische Sprache außer Kraft. 9 Art. 4 des Gesetzes über die polnische Sprache, Gbl. Nr. 90, Pos. 999 von 1999. 10 Artikel 2 Abs. 2 besagt, daß das Gesetz die Rechte der nationalen Minderheiten und ethnischen Gruppen nicht verletzt. 7

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lich zu sein, weil sich in den Kommentaren zu diesen Prozeßvorschriften eigentlich keine Einschränkungen für deren Anwendung befinden. Wichtiger als der Gebrauch der Muttersprache bei den Behörden ist für die Minderheiten die Möglichkeit der Bildung der Kinder in der eigenen Sprache. Das Recht auf Bildung in der eigenen Sprache wurde in allen bilateralen Verträgen mit den Nachbarstaaten vorgesehen. Auf der Ebene des innerstaatlichen Rechts bildete das Gesetz vom 07.09.1991 über das Bildungssystem11 eine Grundlage für das Erziehungswesen. Nach Art. 1 dieses Gesetzes steht jedem polnischen Staatsbürger das Recht auf Bildung zu. Die Rechte der nationalen Minderheiten sind in Artikel 13 enthalten. Abs. 1 besagt: Die öffentlichen Schulen ermöglichen den Schülern die unterstützende Bildung eines Gefühls für ihre nationale, ethnische, sprachliche und religiöse Identität, insbesondere den Unterricht in ihrer Muttersprache und die Vermittlung der eigenen Geschichte und Kultur.12

In Absatz 2 werden die Grundsätze der Bildung in eigener Sprache bestimmt. Auf Antrag der Eltern, kann der in Abs. 1 bezeichnete Unterricht auf folgende Weise erteilt werden: - in speziellen Gruppen, Abteilungen oder Schulen, - in Gruppen, Abteilungen und Schulen mit zusätzlichem Unterricht der Minderheitensprachen und der eigenen Geschichte und Kultur, - in zwischenschulischen Unterrichtsanstalten.

Die genauen Bedingungen der Bildung in der Muttersprache der nationalen Minderheiten wurden in der Verordnung des Ministers für nationale Erziehung bestimmt.13 Die Bildung erfolgt freiwillig. Der Unterricht wird durch den Schuldirektor organisiert, bei dem die Erziehungsberechtigten, gegebenenfalls die Schüler selbst, einen entsprechenden Antrag stellen. Dabei wird auch die Form des Unterrichts der Minderheitensprache, die sich die Antragsteller wünschen, angegeben. Die möglichen Formen werden in § 4 bestimmt. Solcher Unterricht kann entweder in Vorschulen und Schulen mit der Muttersprache als ___________ 11

Gbl. Nr. 95, Pos. 425 von 1991. Nach M. Hoskova, Die rechtliche Stellung der Minderheiten in Polen, in: J. Abr. Frowein / R. Hofmann/S. Oeter (Hrsg.), Das Minderheitenrecht europäischer Staaten, Teil 1, Berlin – Budapest 1993, S. 284 ff. 13 Verordnung des Ministers für nationale Erziehung vom 24.03.1992 über die Organisation der Bildungseinrichtungen zur Ermöglichung der Unterstützung der Gefühle der nationalen, ethnischen und sprachlichen Identität der nationalen Minderheiten, Gbl. Nr. 34, Pos. 150 von 1992. 12

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Unterrichtssprache oder in zweisprachigen Vorschulen und Schulen oder in Schulen mit zusätzlichem Unterricht in der Muttersprache oder in schulübergreifenden Gruppen erteilt werden. Nach dieser Verordnung versteht man unter einer Schule mit der Muttersprache als Unterrichtssprache eine Schule, in der alle Fächer mit Ausnahme des Unterrichts in der polnischen Sprache, Literatur und Geschichte in der Minderheitensprache gelehrt werden. Eine zweisprachige Schule ist eine Schule, in welcher der Unterricht in Polnisch und in der Minderheitensprache gleichberechtigt berücksichtigt wird. Schulen mit zusätzlichem Unterricht in der Muttersprache sind solche Schulen, in denen der gesamte Unterricht in Polnisch erteilt und die Minderheitensprache nur zusätzlich unterrichtet wird.14 Für die Errichtung von Abteilungen mit Unterricht in der Minderheitensprache gibt es entsprechende Voraussetzungen. Nach § 6 der Verordnung beträgt die Mindestzahl in Grundschulen sieben Schüler und in den weiterführenden Schulen vierzehn Schüler. Für den Fall, daß es weniger Schüler gibt, wird der Unterricht in Zwischenabteilungs- oder Zwischenklassengruppen erteilt. Die Zwischenabteilungsgruppen umfassen die Schüler einer Jahrgangsstufe und es sind mindestens sieben Schüler erforderlich, die Zwischenklassengruppen umfassen die Schüler unterschiedlicher Jahrgangsstufen und zählen nicht weniger als drei und nicht mehr als zwanzig Schüler. In anderen Fällen wird der muttersprachliche Unterricht im Rahmen des zusätzlichen Unterrichts organisiert. Für den Unterricht in der Minderheitensprache werden auch spezielle Lehrpläne vorbereitet, die den Programmen des Ministeriums für nationale Erziehung entsprechen müssen. Gemäß Art. 58 Abs. 3 des Gesetzes über das Bildungssystem steht nationalen Minderheiten auch das Recht zu, private Schulen zu gründen und zu betreiben. Die Gründung solcher Schulen ist genehmigungspflichtig. Sie werden in eine Evidenzliste bei dem örtlich zuständigen Kurator für Bildung eingetragen, der auch die pädagogische Aufsicht über die privaten Schulen ausübt. Den privaten Schulen stehen auch entsprechende staatliche Subventionen gemäß den Bestimmungen des Gesetzes über das Bildungssystem zu. Ein anderes mit den Minderheitensprachen verbundenes Problem ist die Führung von Namen und Vornamen in der Form der Muttersprache. Nach dem zweiten Weltkrieg wurden die Namen polnisiert. Die Anpassung von Namen an die polnische Schreibweise sollte gemäß den Vorschriften des Dekrets vom 10.11.1945 über die Änderung und Feststellung von Vor- und Nachnamen15 erfolgen. Laut diesen Vorschriften durfte die Änderung nur auf Antrag erfolgen, ___________ 14 15

Siehe auch M. Hoskova, op. cit., S. 286 ff. Gbl. Nr. 56, Pos. 310 von 1945.

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in der Praxis passierte dies in den meisten Fällen von Amts wegen. Nach der Änderung der Vorschriften über Personenstandsbücher im Jahr 1975 war die Führung der Namen in der Form der Muttersprache überhaupt nicht mehr möglich. Erst das Inkrafttreten der Verordnung des Innenministers über die Grundlagen der Anfertigung von Personenstandsbüchern16 ermöglichte erneut die Führung der Namen in der muttersprachlichen Form. Diese Vorschriften bilden eine Ergänzung zu den verfassungsrechtlichen und den in den bilateralen Verträgen enthaltenen Bestimmungen über die Führung von Namen in der Form der Muttersprache.17 Für den Ausdruck eigener kultureller Identität ist im Falle nationaler Minderheiten der Zugang zu Massenmedien von großer Bedeutung. Die Bedingungen der Nutzung von Massenmedien werden im polnischen Rechtssystem in mehreren Gesetzen geregelt, unter anderen im Gesetz vom 26.01.1984 – Pressegesetz18 – und im Gesetz vom 29.12.1992 über Hörfunk und Fernsehen.19 Das Pressegesetz enthält keine besonderen Bestimmungen für die nationalen Minderheiten. Die Gründung von Zeitungen und Zeitschriften unterliegt der Registrierung beim örtlich zuständigen Bezirksgericht und ist genehmigungsfrei. Die Herausgabe von Zeitschriften und Zeitungen durch nationale Minderheiten wird aber vor allem aus finanziellen Gründen beschränkt. Diese Presse ist nur für einen beschränkten Leserkreis bestimmt, deshalb sind auch die Verkaufseinnahmen nicht groß. Bei der Herausgabe ihrer eigenen Presse sind nationale Minderheiten auf die finanzielle Unterstützung des Kulturministeriums angewiesen. Heute erscheinen zahlreiche Periodika in der Sprache der jeweiligen Minderheiten oder zweisprachig. Zu den wichtigsten Publikationen der deutschen Minderheit gehören u.a. die „Oberschlesische Zeitung“, die seit 1990 als Wochenblatt der Sozial-Kulturellen Gesellschaft der Deutschen im Oppelner Schlesien zweisprachig erscheint, die zweisprachige Zeitschrift „Hoffnung“, herausgegeben von der Arbeitsgemeinschaft Versöhnung und Zukunft, oder die „Masurische Storchenpost“. Außerdem gibt es auch zahlreiche Bulletins, die von einzelnen Gesellschaften der deutschen Minderheit herausgegeben werden. Die weißrussische Minderheit gibt seit 1956 das Wochenblatt „Niwa“ und seit 1990 eine zweisprachige Monatszeitschrift „Czasopis“ heraus. In ukraini___________ 16

Gbl. Nr. 7, Pos. 43 von 1987. Siehe auch das Urteil des Hauptverwaltungsgerichts vom 18.01.1994 (ONSA 1995/2/56). 18 Gbl. Nr. 5, Pos.24 von 1984 mit späteren Änderungen. 19 Gbl. Nr. 7, Pos. 34 von 1993. 17

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scher Sprache erscheint ebenfalls seit 1956 das Wochenblatt „Nasze Slowo“, seit 1992 erscheinen auch zwei andere ukrainische Zeitschriften, nämlich „Blahowist“ und „Peremyski Dzwony“. Es gibt noch eine Zeitschrift, die in litauischer Sprache erscheint – „Ausra“. In drei Sprachen erscheint die Zeitschrift der Tschechen und Slowaken „Zivot“. Die Presse der Minderheiten ergänzt noch die zweisprachige Zeitschrift der Roma – „Rrom P-o Drom“ – und „Slowo Zydowskie“, das Zweiwochenblatt der Sozial-Kulturellen Gesellschaft der Juden in Polen.20 Im Gegensatz zum Pressewesen werden der Hörfunk und das Fernsehen in Polen konzessioniert. Es besteht auch die Möglichkeit, daß sie von nationalen Minderheiten betrieben werden.21 In Art. 21 werden die Aufgaben des öffentlichen Rundfunks bestimmt, darunter befindet sich in Abs. 2 Ziff. 9 die Pflicht der Berücksichtigung der Belange der nationalen und ethnischen Minderheiten im Programm. Außer dieser allgemeinen Regelung gibt es aber keine genauere Bestimmung, wie man diese Vorschrift umsetzen soll. Das zentrale Fernsehen sendet eigentlich keine Programme in den Minderheitensprachen, das einzige Programm für Minderheiten ist „Dalecy i bliscy“ (Die Entfernten und die Nahen). Nur die Regionalsender strahlen gelegentlich Programme in den Minderheitensprachen oder Programme, die der Minderheitenproblematik gewidmet sind, aus. Zu solchen Sendungen gehören z.B. „Die Reporter der deutschen Welle stellen sich vor“ und „Oberschlesisch aktuell“ vom Regionalsender Kattowitz. In Danzig wird ein Programm für die ukrainische und weißrussische Minderheit gesendet und vom Regionalsender Breslau ein Programm in polnischer Sprache „U siebie“ (Bei uns), das für Deutsche, Ukrainer und Roma bestimmt ist. Besser sieht die Situation im Hörfunk aus. Rundfunksendungen in den Minderheitensprachen werden in fast allen Gebieten, in denen Minderheiten wohnen, gesendet. Von großer Bedeutung für die nationalen Minderheiten ist das in den bilateralen Verträgen und in der Verfassung22 garantierte Vereinsrecht. Die Vor___________ 20 Nach P. Mohlek, Der Minderheitenschutz in der Republik Polen, in der Tschechischen und Slowakischen Republik, Bonn 1994, S. 50 ff. 21 Laut Art. 35 dieses Gesetzes kann eine Konzession einer Person mit polnischer Staatsangehörigkeit und ihrem Wohnsitz auf dem Gebiet Polens oder einer juristischen Person mit Sitz auf dem Gebiet Polens erteilt werden. 22 Art. 12 und Art. 58 der Verfassung der Republik Polen von 1997 (nach Art. 12 gewährleistet die Republik Polen die Freiheit der Bildung und Tätigkeit der Gewerkschaften, der gesellschaftlich-beruflichen Bauernorganisationen, der Vereine, der Bürgerbewegungen, anderer freiwilligen Zusammenschlüsse sowie Stiftungen. Art. 58 be-

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schriften über Vereine wurden nach 1989 stark liberalisiert. Vor 1989 war die Möglichkeit, Vereine oder Organisationen der nationalen Minderheiten zu registrieren, stark beschränkt. In dem damals geltenden Konzessionierungssystem war die Registrierung von nur einem Verein einer jeden in Polen vertretenen nationalen Minderheit zugelassen.23 Es war auch nicht möglich, eine Klage gegen die Ablehnung der Registrierung einzulegen. Jetzt wird das Vereinsrecht durch das Gesetz vom 07.04.1989 über das Vereinsrecht24 geregelt. Nach Art. 10 Abs. 2 und 4 werden Vereine und Stiftungen in das Register des örtlich zuständigen Bezirksgerichts eingetragen. Vereine können unbeschränkt sowohl durch polnische Bürger als auch durch Ausländer gegründet werden. Eine Ablehnung der Registrierung ist vorgesehen, wenn sich die Ziele und Tätigkeiten des Vereins gegen die Verfassungs- oder Rechtsordnung richten. Die Einschränkungen können nur im Interesse der staatlichen Sicherheit, der öffentlichen Ordnung, zum Schutz der Volksgesundheit, der öffentlichen Sittlichkeit oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer erfolgen. Nach 1989 wurden mehrere Vereine der nationalen Minderheiten registriert. Nach den Angaben des Büros für die Angelegenheiten der nationalen Minderheiten sind jetzt über 100 Organisationen und Stiftungen von nationalen Minderheiten registriert.25 Die meisten sind Organisationen der deutschen Minderheit, viele Vereine hat auch die weißrussische und ukrainische Minderheit. Mit dem Vereinsrecht ist auch das Recht auf Gründung von politischen Parteien stark verbunden. Die Tätigkeit von Parteien wird durch das Gesetz vom ___________ sagt folgendes: 1. Jedermann wird die Vereinigungsfreiheit gewährleistet. 2. Verboten sind Vereine, deren Ziel oder Tätigkeit verfassungs- oder gesetzwidrig ist. Über die Ablehnung der Eintragung oder ein Tätigkeitsverbot für einen solchen Verein entscheidet das Gericht). 23 Als erste wurden Vereinigungen der jüdischen und der russischen Minderheit gegründet. 1950 entstand die Sozial-Kulturelle Gesellschaft der Juden in Polen und die Russische Bildungs- und Kulturgesellschaft. 1956 wurde die Ukrainische SozialKulturelle Gesellschaft in Warschau und die Weißrussische Sozial-Kulturelle Gesellschaft in Bialaystok gegründet. 1957 folgten die Sozial-Kulturelle Gesellschaft der Litauer in Sejny und die Sozial-Kulturelle Gesellschaft der Tschechen und Slowaken in Warschau und die Sozial-Kulturelle Gesellschaft der Deutschen in Waldenburg. 1958 entstand die Vereinigung der Politischen Flüchtlinge aus Griechenland. Mehr in P. Mohlek, Der Minderheitenschutz in der Republik Polen, in der Tschechischen und Slowakischen Republik, Bonn 1994, S. 46 ff. 24 Gbl. Nr. 20, Pos. 104 von 1989 mit späteren Änderungen. 25 Biuletyn Biura do Spraw MniejszoĞci Narodowych przy Ministerswie Kultury i Sztuki, MniejszoĞci narodowe w Polsce w 1993r., Warszawa 1994 (Das Bulletin des Büros für die Angelegenheiten der nationalen Minderheiten im Ministerium für Kultur und Kunst, Nationale Minderheiten in Polen in 1993), S. 15 ff.

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28.07.1990 über politische Parteien26 geregelt. Nach Art. 2 dieses Gesetzes können Mitglieder politischer Parteien diejenigen polnischen Staatsbürger sein, die volljährig sind (also das 18. Lebensjahr vollendet haben). Es gibt in dem Gesetz keinerlei Einschränkungen für die Mitglieder von nationalen Minderheiten, sie können sowohl politische Parteien gründen als auch in den schon bestehenden Parteien mitarbeiten. Ein Grund dafür, daß bis jetzt keine politischen Parteien nationaler Minderheiten registriert wurden, kann die Bestimmung des Art. 6 Abs. 3 sein. Danach dürfen politische Parteien keine Sachbeihilfe oder finanzielle Unterstützung von ausländischen Personen annehmen. Die Unterstützung, die den nationalen Minderheiten vom Staat gewährleistet wird, ist zu klein, um aus diesen Mitteln noch die Tätigkeit einer politischen Partei zu finanzieren. Die Vertretung nationaler Minderheiten im politischen Leben ist aufgrund der Vorschriften über die Wahlen zum Sejm und Senat27 und über die Wahlen zu den Organen der lokalen Selbstverwaltung möglich. In dem Gesetz vom 28.06.1991 – Wahlordnung zum Sejm28 – wurden bestimmte Wahlprivilegien für nationale Minderheiten vorgesehen. Es handelt sich um gewisse Erleichterungen bei der Anmeldung der Kandidatenlisten in den Wahlkreisen und auf der Landesebene. In dem zweiten Fall sind die Wahlkomitees nationaler Minderheiten von der geltenden Sperrklausel befreit. Dieses Privileg konnte aber nur die deutsche Minderheit nutzen, die nach den Wahlen 1991 vier Abgeordnete im Sejm und einen im Senat hatte. Die Wahlordnung von 1993 änderte die Regeln und führte zu einer Beschränkung der Befreiung auf nur eine Sperrklausel. Danach können Wahlkomitees nationaler Minderheiten entweder auf Wahlkreis- oder auf Landesebene von der Sperrklausel befreit werden; die Befreiung erfolgt auf Antrag des Wahlkomitees. Bei den Kommunalwahlen gibt es keine Privilegien für nationale Minderheiten. Die Wahlen erfolgen nach dem Gesetz vom 16.06.1998,29 das viele Bestimmungen aus dem alten Gesetz vom 1990 übernahm. Es gibt keine speziellen Bestimmungen, die die Vertretung nationaler Minderheiten in den Organen der Selbstverwaltung betreffen. In den Gemeinden, in denen Minderheiten vertreten sind, erringen auch ihre Vertreter Mandate in Gemeinderäten. Die Kommunalwahlen waren bisher vor allem für die deutsche Minderheit in Schlesien ___________ 26

Gbl. Nr. 54, Pos. 311 von 1990. Sejm und Senat sind zwei Kammer der gesetzgebenden Gewalt in der Republik Polen. 28 Gbl. Nr. 59, Pos. 252 von 1991. 29 Gbl. Nr. 95, Pos. 602 von 1998. 27

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und die litauische, weißrussische und ukrainische Minderheit in den östlichen Gebieten Polens erfolgreich. Neben den zahlreichen einfachgesetzlichen Regelungen, die teilweise den Problemen von nationalen und ethnischen Minderheiten gewidmet sind, ist die Republik Polen auch an mehrere völkerrechtliche Verträge über Menschenrechte, die auch Vorschriften über nationale Minderheiten enthalten, gebunden. Die Republik Polen unterzeichnete unter anderen den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte (19.12.1966), den Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte,30 das Internationale Akommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung (07.03.1966)31 sowie die Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (04.01.1950).32 Diese Konventionen enthalten ein allgemeines Diskriminierungsverbot und bilden keine völkerrechtliche Lösung des Minderheitenproblems.33 Ein einziges völkerrechtliches Abkommen, das im ganzen dem Schutz von Rechten nationaler Minderheiten gewidmet wurde, ist die Rahmenkonvention zum Schutz nationaler Minderheiten. Polen gehörte zu den Staaten, die die Konvention im Februar 1995 unterzeichneten. Sie wurde aber in Polen erst am 27.04.2000 ratifiziert.34 Laut dieser Konvention verpflichten sich die Vertragsparteien, die in dieser Konvention bestimmten Grundsätze im Rahmen der innerstaatlichen Gesetzgebung und entsprechender Regierungsprogramme zu verwirklichen. Zweck dieser Konvention ist also die Festlegung von rechtlichen Grundlagen für den effektiven Schutz nationaler Minderheiten. Die oben erwähnten Standards des Minderheitenschutzes wurden auch zur Grundlage der durch die Republik Polen mit Nachbarstaaten unterzeichneten bilateralen Verträge. Diese Verträge enthalten keine nähere Bestimmung der nationalen Minderheiten. Die Zugehörigkeit zu einer nationalen oder ethnischen Minderheit erfolgt aus einer individuellen Entscheidung des Betroffenen heraus und stützt sich nicht auf ein objektives Kriterium. Die Grundlage des Minderheitenschutzes in den bilateralen Verträgen bilden individuelle und Gruppenrechte, die den Vertretern der Minderheiten die Bewahrung ihrer eth___________ 30

Beide Pakte wurden 1977 ratifiziert. Ratifiziert 1969. 32 Ratifiziert 1991. 33 Mehr zu diesem Thema in B. Mikoáajczyk, MniejszoĞci w prawie miĊdzynarodowym (Minderheiten im Völkerrecht), Katowice 1996, S. 43. 34 Gbl. Nr. 50, Pos. 579 von 2000. 31

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nischen, kulturellen und sprachlicher Identität ermöglichen. Garantiert wird also das Recht auf freien Gebrauch der eigenen Sprache, die Gründung von eigenen Organisationen und das Recht auf ungestörte Kontakte mit Bürgern anderer Länder, die dieselbe ethnische Herkunft haben. Gleichzeitig befindet sich in den meisten Verträgen eine Loyalitätsklausel. Als erster wurde der Vertrag über gute Nachbarschaft, Solidarität und freundschaftliche Beziehungen mit der Tschechischen und Slowakischen Republik35 am 06.10.1991 in Krakau unterzeichnet. Die Stellung von Minderheiten wird in Art. 8 geregelt. Gemäß diesem Artikel steht den Minderheiten das Recht − auf den freien Gebrauch ihrer Muttersprache im privaten und öffentlichen Bereich und – neben der Notwendigkeit der Kenntnis der Amtssprache des jeweiligen Staates – auf den Gebrauch der Muttersprache bei staatlichen Behörden, laut dem Landesrecht, − auf den Zugang zu Informationen in der Muttersprache, deren Verbreitung und Austausch, − auf die Möglichkeit des Unterrichts der Muttersprache und der Bildung in der Muttersprache und − auf die Gründung von eigenen wirtschaftlichen, erzieherischen, kulturellen und religiösen Institutionen und Organisationen zu. In weiteren Absätzen befinden sich Bestimmungen über Loyalität gegenüber dem eigenem Staat und über die Einhaltung von Vorschriften des Landesrechts. Am selben Tag wurde auch der Vertrag über freundschaftliche und gutnachbarliche Zusammenarbeit mit Ungarn36 unterzeichnet. Die Vertragsparteien stellten fest, daß eine Grundlage für den Minderheitenschutz die aus den KSZE-Dokumenten und völkerrechtlichen Verträgen folgenden Verpflichtungen bilden. Am 18.05.1992 wurde der Vertrag über gute Nachbarschaft, freundschaftliche Beziehungen und Zusammenarbeit mit der Ukraine37 unterzeichnet. Ähnlich wie im Vertrag mit der Tschechischen und Slowakischen Republik wird den Minderheiten gemäß den geltenden internationalen Standards über den Schutz nationaler Minderheiten das Recht auf Bewahrung und Entwicklung ei___________ 35

Gbl. Nr. 59, Pos. 296 von 1992. Gbl. Nr. 59, Pos. 298 von 1992. 37 Gbl. Nr. 125, Pos. 573 von 1993. 36

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gener Identität beim Einhalten der Loyalität gewährleistet. Als besondere Rechte werden genannt: − Das Recht auf Unterricht und Erlernen der Muttersprache und Unterricht in der Muttersprache, ihre freie Benutzung und den Zugang zu und die Verbreitung und den Austausch von Informationen in dieser Sprache, − das Recht auf Gründung und Unterhaltung eigener Institutionen und Vereinigungen auf dem Gebiet der Erziehung, Kultur und Religion, − das Recht auf Benutzung von Vor- und Familiennamen in der in der Muttersprache gebräuchlichen Form, − das Recht auf Herstellung und Erhaltung ungehinderter Kontakte untereinander innerhalb ihres Wohngebietes sowie über die Grenzen hinweg.38 Gleichzeitig bestätigten die Vertragsparteien, daß die Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit auf der individuellen Entscheidung des Betroffenen beruht und daß sich daraus keinerlei Nachteile ergeben dürfen (Art. 11 Abs. 2). Eine Ausnahme bildet der Vertrag über freundschaftliche und gutnachbarliche Zusammenarbeit mit der Russischen Föderation vom 22.05.1992.39 Die Minderheitenklausel ist sehr knapp und beschränkt sich eigentlich ausschließlich auf die Bekenntnisfreiheit. Der Vertrag vom 23.06.1992 über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit mit Weißrussland40 enthält im Gegensatz zu dem letztgenannten Vertrag eine sehr breite Regelung der Minderheitenproblematik. Die Vertragsparteien verpflichten sich zuerst zur Beachtung der internationalen Verpflichtungen und Standards über Rechte der nationalen Minderheiten. Die Vorschriften dieses Vertrages entsprechen im großen Maße den Bestimmungen des Vertrages mit der Ukraine und sind in Art. 14 und 15 enthalten: Art. 14 ist eine Bestätigung des Rechtes auf individuelle und kollektive Bewahrung, Entwicklung und Ausdruck der ethnischen, kulturellen, sprachlichen und religiösen Identität ohne Diskriminierung und in voller Gleichheit vor dem Gesetz. In Art. 15 werden die einzelnen Rechte der Mitglieder der Minderheiten genannt, darunter das Recht auf freien Gebrauch der Muttersprache, auf Gründung eigener Erziehungs-, Kultur- und anderer Organisationen und Vereinigungen, auf Zugang zu den Massenmedien, das Recht auf Herstellung und Entwicklung ungestörter Kontakte sowohl auf dem Staatsgebiet als auch über die Grenzen hin___________ 38

Übersetzung nach M. Hoskova, op. cit. S. 268 ff. Gbl. Nr. 61, Pos. 291 von 1993. 40 Gbl. Nr. 118, Pos. 527 von 1993. 39

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weg und das Recht auf Nutzung aller im Innenrecht vorgesehenen Mittel zur Verwirklichung und zum Schutz ihrer Rechte. Weiter verpflichten sich die Vertragsparteien zur Zusammenarbeit im Bereich des Schutzes der Angehörigen nationaler Minderheiten und daß sie den nationalen Minderheiten die Teilnahme am öffentlichen Leben sichern werden. Gleichzeitig werden nationale Minderheiten zur Beachtung des Rechtes des Aufenthaltsstaates verpflichtet. Ein ähnlicher Bereich garantierter Rechte befindet sich auch in dem Vertrag vom 01.07.1992 über Freundschaft und Zusammenarbeit mit der Republik Lettland.41 Zusätzlich wird in diesem Vertrag auch das Recht auf eigene Presse und Verlage sowie auf den Zugang zum regionalen Hörfunk und Fernsehen garantiert. Der Vertrag vom 02.07.1992 über freundschaftliche Zusammenarbeit und baltische gute Nachbarschaft mit der Republik Estland42 enthält ähnlich wie der Vertrag mit Rußland nur knappe Bestimmungen, in denen man sich auf die internationalen Standards im Bereich der Menschenrechte beruft. Als einziges Recht wird den Minderheiten Bekenntnisfreiheit gewährleistet. Auch in dem Vertrag mit Litauen vom 26.04.199443 über freundschaftliche Beziehungen und gutnachbarliche Zusammenarbeit wurden den Minderheiten der jeweiligen Vertragsparteien ähnliche Rechte wie in den oben erwähnten Verträgen garantiert. Sehr genaue Bestimmungen der Rechte nationaler Minderheiten sind in dem am 17.06.1991 zwischen Polen und der Bundesrepublik Deutschland abgeschlossenen Vertrag über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit44 enthalten. Dieser Vertrag ist besonders für die deutsche Minderheit in Polen von großer Bedeutung. In diesem Vertrag wurde die deutsche Minderheit in Polen erstmalig nach dem Zweiten Weltkrieg förmlich anerkannt und so konnte auch eine rechtlich gesicherte Grundlage für ihre Entfaltung in der angestammten Heimat geschaffen werden.45 ___________ 41

Gbl. Nr. 114, Pos. 502 von 1993. Gbl. Nr. 121, Pos. 536 von 1993. 43 Gbl. Nr. 15, Pos. 71 von 1995. In Bezug auf die Schwierigkeiten bei der Festlegung des rechtlichen Status der polnischen Minderheit in Litauen wurde zuerst am 03.01.1992 eine Erklärung über freundschaftliche Beziehungen und gutnachbarliche Zusammenarbeit unterzeichnet. Die in dieser Erklärung garantierten Rechte entsprechen den Rechten, die in anderen bilateralen Verträgen enthalten sind. 44 Gbl. Nr. 14, Pos. 56 von 1992. 45 G. Knackstedt, Vorwort zu den deutsch-polnischen Verträgen vom 14.11.1990 und 17.06.1991. 42

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Der Vertrag mit Deutschland bildet eine Ausnahme unter den anderen Verträgen über gute Nachbarschaft, weil es der einzige Vertrag ist, in dem sich eine Definition der Minderheit befindet. Zu der deutschen Minderheit gehören nach Art. 20 dieses Vertrages Personen polnischer Staatsangehörigkeit, die deutscher Abstammung sind oder sich zur deutschen Sprache, Kultur oder Tradition bekennen (...).

Im selben Artikel werden auch die der deutschen Minderheit in Polen und der polnischen Minderheit in Deutschland gewährten Rechte aufgezählt. So wird diesen Personen einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen Mitgliedern ihrer Gruppe das Recht gewährt, − sich privat und in der Öffentlichkeit ihrer Muttersprache frei zu bedienen, in ihr Informationen zu verbreiten und auszutauschen und dazu Zugang zu haben, − ihre eigenen Bildungs-, Kultur- und Religionseinrichtungen, -organisationen oder -vereinigungen zu gründen und zu unterhalten, die um freiwillige Beiträge finanzieller oder anderer Art sowie öffentliche Unterstützung im Einklang mit den nationalen Rechtsvorschriften ersuchen können und gleichberechtigten Zugang zu den Medien ihrer Region haben, − sich zu ihrer Religion zu bekennen und diese auszuüben, einschließlich des Erwerbs und Besitzes sowie der Verwendung religiösen Materials, und den Religionsunterricht in ihrer Muttersprache abzuhalten, − untereinander ungehinderte Kontakte innerhalb des Landes sowie Kontakte über Grenzen hinweg mit Bürgern anderer Staaten herzustellen und zu pflegen, mit denen sie eine gemeinsame ethnische oder nationale Herkunft, ein gemeinsames kulturelles Erbe oder religiöses Bekenntnis teilen, − ihre Vor- und Familiennamen in der Form der Muttersprache zu führen, − Organisationen oder Vereinigungen in ihrem Land einzurichten und zu unterhalten und in internationalen nichtstaatlichen Organisationen mitzuarbeiten, − sich wie jedermann wirksamer Rechtsmittel zur Verwirklichung ihrer Rechte im Einklang mit den nationalen Rechtsvorschriften zu bedienen. In Art. 21 werden die Verpflichtungen der Republik Polen und der Bundesrepublik Deutschland, derer Zweck die Sicherung der gewährten Rechte ist, bestimmt. Unter anderen verpflichten sich die Vertragsparteien, Möglichkeiten für den Unterricht ihrer Muttersprache in öffentlichen Bildungseinrichtungen sowie, wo dies möglich und notwendig ist, für deren Gebrauch bei Behörden zu gewährleisten und die ethnische, kulturelle, sprachliche und religiöse Identität der in Art. 20 Abs. 1 genannten Gruppen zu schützen und Bedingungen für die Förderung dieser Identität zu schaffen.

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In Bezug auf die Geschichte der deutsch-polnischen Beziehungen hat auch die in dem Vertrag erfaßte Loyalitätsklausel wesentliche Bedeutung. Diese Klausel entspricht den in der Kopenhagener Deklaration der KSZE vom Juni 1990 festgelegten Standards: „Jeder Angehörige der in Artikel 20 Absatz 1 genannten Gruppen in der Republik Polen beziehungsweise in der Bundesrepublik Deutschland ist nach Maßgabe vorstehender Bestimmungen gehalten, sich wie jeder Staatsbürger loyal gegenüber dem jeweiligen Staat zu verhalten, indem er sich nach den Verpflichtungen richtet, die sich aufgrund der Gesetze dieses Staates ergeben.“

Auf diese Weise wurde die so viele Kontroversen erweckende Rechtsstellung der deutschen Minderheit gelöst. Die deutsche Minderheit ist die Minderheit, die die ihr sowohl auf der Ebene des Völkerrechtes als auch auf der Ebene der einfachen innerstaatlichen Gesetzgebung gewährleisteten Rechte im vollen Umfang ausübt. Mit der Verabschiedung des Gesetzes über nationale und ethnische Minderheiten sowie über die Regionalsprache vom 05.01.200546 ist nunmehr auch auf der Ebene des einfachen Rechts eine umfassende Regelung getroffen worden. Zweck dieses Gesetzes ist vor allem die Sammlung der schon jetzt geltenden Vorschriften, die mit den Rechten nationaler Minderheiten verbunden sind, in einem einheitlichen Gesetz. Das Gesetz enthält eine Definition der nationalen Minderheiten, ergänzt diese aber durch eine Aufzählung der anerkannten Minderheiten. Nach der Definition des Art. 2 Abs. 1 liegt eine solche vor bei einer „Gruppe von polnischen Staatsangehörigen, die die folgenden Bedingungen ohne Ausnahme erfüllt: 1. ihre numerische Stärke ist geringer als die der übrigen Bevölkerung der Republik Polen; 2. sie unterscheidet sich in erheblicher Weise durch ihre Sprache, Kultur oder Tradition von den übrigen Staatsangehörigen; 3. sie strebt die Erhaltung ihrer Sprache, Kultur oder Tradition an; 4. sie ist sich ihrer geschichtlichen nationalen Gemeinschaft bewusst und beseelt, diese zum Ausdruck zu bringen und zu schützen; 5. ihre Vorfahren bewohnten das heutige Territorium der Republik Polen seit mindestens 100 Jahren; 6. sie identifiziert sich mit einem Volk, das im eigenen Staat organisiert ist.“

___________ 46

S. Anhang, S. 195.

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Neben den allgemeinen Bestimmungen enthält das Gesetz Regelungen zu den folgenden Problemkreisen: Gebrauch der Minderheitensprache (Abschnitt 2, Art. 7-16), Bildung und Kultur (Abschnitt 3, Art. 17 f.), Regionalsprache (Abschnitt 4, Art. 19 f.) und Organe für die Angelegenheiten der nationalen und ethnischen Minderheiten (Abschnitt 5, Art. 21-32).

Abstract Agnieszka Malicka: The Legal Position of National Minorities in Poland. In: Minority Protection and Human Rights – Current Problems Particularly in the German-Polish Relations. Ed. by Dieter Blumenwitz (†), Gilbert H. Gornig, and Dietrich Murswiek (Berlin 2006), pp. 59-76. The legal regulation of the national minorities’ position in Poland has commenced at the time of the first non-communist government of Tadeusz Mazowiecki and has hitherto not been completed. On the constitutional level, Article 35 of the 1997 constitution contains elementary cultural rights of national minorities, while other provision like the prohibition of discrimination, the freedom of conscience, expression and religion and the freedom to assembly and association are of similar importance. On the under-constitutional level, a single minority act was enacted in 2005. Earlier on, there had been many regulations and statutes that relate to the rights and legal position of minorities, inter alia in criminal law, the codes of procedure concerning the use of languages before courts, the 1991 Law on the Educational System, regulations concerning the use of names, legal regulations governing access to print media as well as radio and TV (1984 and 1992), the 1989 Law on Associations, and the 1991 Sejm Election Regulation, providing for certain privileges in the general elections for national minorities. Important guarantees for national minorities are also contained in international treaties, both multilateral human rights conventions to which Poland acceded and bilateral treaties with Czechoslovakia, Hungary, Germany (1991), Ukraine, Russia, Belarus, Latvia, Estonia (1992) and Lithuania (1994), containing more or less elaborated provisions on minority-related issues.

Der Weg zum Vertrag über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen Von Dieter Blumenwitz

I. Anfänge im 19. Jahrhundert Der Gedanke des Minderheitenschutzes in den deutsch-polnischen Beziehungen reicht weit zurück in das 19. Jahrhundert. 1. Der Wiener Kongreß schuf im Jahre 1815 die ersten echten Minderheitenschutzbestimmungen der Völkerrechtsgeschichte. In Art. 1 Abs. 2 der Schlußakte erklärten sich Österreich und Preußen bereit, den Polen die zur Erhaltung ihrer Nationalität erforderlichen Einrichtungen zuzugestehen.1 2. Die Paulskirchenversammlung vertiefte den Minderheitenschutzgedanken in der Mitte des Jahrhunderts. Die Paulskirche forderte Nationaleinheit und eine konstitutionelle Verfassung für die Deutschen (keines dieser Ziele wird erreicht); sie formulierte aber auch in ihrer „Nationalitätenschutzerklärung“ vom 31. Mai 1848 den Gedanken, daß ein aufstrebendes Volkstum Befriedigung all seiner legitimen Wünsche im Inneren des bestehenden Staates finden kann, daß seine Sprache in Verwaltung, Kirche- und Kulturpflege gleichberechtigt angewandt wird und daß dem einzelnen Bürger die allgemeinen und politischen Rechte und Freiheiten ohne Rücksicht auf seine Volkszugehörigkeit zustehen sollen.2 „Das fortan einige und freie Deutschland ist groß und mächtig genug, um den in seinem Schoß erwachsenen andersredenden Stämmen eifersuchtslos im vollen Maße gewähren zu können, was Natur und Geschichte ihnen zuspricht, und niemals soll

___________ 1 Vgl. O. Kimmich, Rechtsprobleme der polyethnischen Staatsorganisation, 1985, S. 54 ff.; A. v. Balogh, Der internationale Schutz der Minderheiten, 1928, S. 14. 2 K. Rabd, Das Selbstbestimmungsrecht der Völker. Geschichtliche Grundlagen, Umriß der gegenwärtigen Bedeutung., 2. Aufl. 1973, S. 17 f.; F. Wigard, Stenographischer Bericht über die Verhandlungen der deutschen constituirenden Nationalversammlung zu Frankfurt a.M., Leipzig 1949, Bd. 1, S. 183.

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auf seinem Boden ... wer, uns angehörig, in fremder Zunge spricht, zu klagen haben, daß ihm seine Stammesart verkümmert werde oder die deutsche Bruderhand sich ihm entziehe, wo es gilt.“

Die Nationalitätenschutzerklärung ist der Sache nach in Art. XIII/§ 188 des Abschnitts VI der Paulskirchenverfassung vom 28. März 1849 eingegangen.3 „Den nicht deutsch redenden Volksstämmen Deutschlands ist ihre volkstümliche Entwicklung gewährleistet, namentlich die Gleichberechtigung ihrer Sprachen, soweit deren Gebiete reichen, in dem Kirchwesen, dem Unterrichte, der inneren Verwaltung und der Rechtspflege.“

3. Die deutsche Nationalversammlung präsentierte 1848/49 einen hochmodernen Grundgedanken: Die Befriedigung nationaler Anliegen soll nicht durch die Trennung vom bisherigen Staat, sondern durch seinen Verfassungsumbau erreicht werden; nicht Revolution, sondern Evolution! Die freiwillige Entlassung einer Bevölkerung aus dem bestehenden Staatsverband war nicht ausgeschlossen.4 In einer Adresse vom 31. März 1848 an das dänische Volk erklärte sich die schleswig-holsteinische Provinzialregierung z.B. zu dieser Lösung bereit: „Mag der Norden Schleswigs sich demnächst frei erklären, ob er als Provinz dem dänischen Staat einverleibt werden oder dem deutschen Vaterland folgen wolle − wir werden seinem Willen keinen Zwang antun!“

Die Adresse der schleswig-holsteinischen Provinzialregierung verdeutlicht vielleicht auch, warum der Umgang mit der Minderheit in den deutschdänischen Beziehungen immer entspannter als im deutsch-polnischen Verhältnis war.

___________ 3

E. R. Huber, Dokumente zur Verfassungsgeschichte, Bd. 1, Stuttgart 1961, S. 304 ff. 4 Das Konzept unterscheidet sich maßgeblich vom nationalstaatlichen Zeitgeist, etwa von Rousseau, der den „Rausch des Patriotismus“ beschwört, einen Patriotismus, „der allein die Menschen über sich selbst hinaushebt, und ohne den die Freiheit nichts als leere Phrase und jegliche Gesetzgebung nur ein Trugbild“ ist; vgl. H. Kohn, Die Idee des Nationalsozialismus, deutsche Ausgabe Heidelberg 1950, S. 343; ders., Die Slawen und der Westen, deutsche Ausgabe München 1956, S. 43 ff.; der Autor setzt sich hier mit den frühen Vertretern des polnischen Widerstandes gegen das Unrecht der Teilung, insbesondere mit Adam Mickiewicz und Joseph Lehewel, auseinander.

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II. Entwicklungen nach dem Ersten Weltkrieg Die Minderheitenschutz-Problematik stellte sich Jahrzehnte später zwischen Deutschen und Polen erneut − diesmal allerdings mit umgekehrten Vorzeichen: Begünstigt durch den Ausgang des Ersten Weltkriegs war Polen als Staat in Grenzen wiedererstanden, die fremdnationale Bevölkerung einschlossen. 1. Das von den Siegermächten allgemein geförderte Selbstbestimmungsrecht der Völker wurde den Besiegten nicht gewährt; der fremdnationalen Bevölkerung wurde allerdings im neuen Staatsverband Minderheitenschutz zugestanden.5 Das von den Hauptalliierten mit Polen abgeschlossene Minderheitenschutzabkommen6 war der Mustervertrag für weitere Minderheitenschutzbestimmungen der Zwischenkriegszeit. Es wurde ergänzt durch das deutschpolnische Oberschlesienabkommen vom 15. Mai 19227 und garantiert durch die politischen und rechtsprechenden Organe des Völkerbundes, insbesondere durch den Ständigen Internationalen Gerichtshof.8 2. Das völkerbundliche Volksgruppenschutzsystem ist nicht, wie gelegentlich behauptet, am Mangel an Sanktionen gescheitert. Dem Völkerbund fehlte, wie heute der UNO, die Durchsetzungskompetenz; der Formalismus der Verfahren erschwerte den Individual- und Gruppenschutz; die politische Zurückhaltung der Ratsmächte in den Volksgruppenschutzverfahren vor dem Völkerbund tat ein übriges. Immerhin entwickelte der StIGH in Urteilen und Rechts___________ 5 Vgl. A. Mandelstamm, La Protection internationale des Minorités, Paris 1923, S. 400. 6 Das Abkommen wurde gleichzeitig mit dem Versailler Vertrag, dessen Art. 93 Abs. 1 i.V.m. Art. 86 Abs. 1 die Rechtsgrundlage bildete, am 28. Juni 1919 unterzeichnet und trat am 16. Januar 1920 in Kraft; vgl. Treaty concerning the Recognition of the Independance of Poland and the Protection of Minorities, in: Marten Nouveau Recueil General de Traites, 3me Série, Vol. 13, S. 504-511. S.a. D. Blumenwitz, Minderheitenschutz nach dem Ersten und Zweiten Weltkrieg − Ein Rechtsvergleich unter besonderer Berücksichtigung der deutschen Minderheit in Polen, in: D. Blumenwitz / G. Gornig / D. Murswiek, Ein Jahrhundert Minderheiten- und Volksgruppenschutz, Köln 2001, S. 49 ff. 7 German-Polish Convention relating to Upper Silesia, internationale Quelle: Martens, a.a.O., Vol. 16, S. 645-875. 8 Vgl. M. Silagi, Der Minderheitenschutz vor dem Ständigen Internationalen Gerichtshof, in: D. Blumenwitz / G. Gornig / D. Murswiek, Ein Jahrhundert Minderheitenund Volksgruppenschutz, Köln 2001, S. 101 ff. Von Angehörigen der deutschen Minderheit in Polen wurden bis 1938 ca. 100 Beschwerden dem ”Committee of Three” unterbreitet, das hiervon sechs an den Völkerbundsrat weiterleitete; vgl. J. S. Roucek, Procedure in Minorities Complaints, in: American Journal of International Law, Vol. 23 (1929), S. 538-551.

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gutachten den Minderheitenschutz zu einer respektablen Rechtsmaterie, auf die in Zweifelsfragen heute noch zurückgegriffen werden kann. Der nationalistisch geprägte politische Rahmen der Zwischenkriegszeit verhinderte den Erfolg des aus heutiger Sicht fortschrittlichen Schutzsystems. In den 20er- und 30er-Jahren wurde das Volksgruppenschutzsystem als einseitig empfunden. Die Siegermächte des Ersten Weltkriegs waren eher an der Niederhaltung des besiegten Deutschen Reiches interessiert als am Aufbau einer neuen Friedensordnung. Das sog. „kleine Selbstbestimmungsrecht“ war deshalb widersprüchlich. Die Volksgruppenschutzverträge hatten nicht das Ziel, die Assimilierung zu verhindern, sondern allenfalls die Aufgabe, sie menschlicher zu gestalten. Das Volksgruppenschutzsystem war aber auch insoweit einseitig angelegt, als nur die nach dem Ersten Weltkrieg im Osten und Südosten Europas neu entstandenen Staaten zum Minderheitenschutz verpflichtet worden waren und vom Völkerbund mehr oder weniger gezwungen wurden, die Einschränkung ihrer vollen Souveränität zu akzeptieren. Ein von außen auferlegter Volksgruppenschutz bleibt immer fragwürdig, auch wenn er mit Fingerspitzengefühl und Rücksichtnahme auf den Nationalstolz ausgestaltet wird; er bleibt vor allem fragwürdig, wenn die innerstaatliche demokratisch-rechtsstaatliche Verankerung fehlt. 3. In den nationalistisch geprägten 30er-Jahren mangelte es sowohl in Deutschland als auch in Polen an der Bereitschaft, die Volksgruppenschutzverträge tatsächlich zu beachten. Das Deutsche Reich stellte im Oktober 1933 die Zusammenarbeit mit dem Völkerbund und seinen Organen ein. Polen erklärte wenig später am 19. April 1934 vor dem Völkerbund, daß es seinen Verpflichtungen aus dem polnischen Minderheitenschutzvertrag nur nachkommen würde, wenn man das Schutzsystem für allgemeinverbindlich erklärte. Dies kam faktisch einer Kündigung gleich.

III. Entwicklungen nach dem Zweiten Weltkrieg Das Volksgruppenschutzsystem wurde nach dem Zweiten Weltkrieg von den neuen Siegermächten am 19. April 1946 zusammen mit dem Völkerbund förmlich beerdigt. Der Generalsekretär der Vereinten Nationen schickte folgende Begründung hinterher: Die Volksgruppenrechte könnten schon deshalb nicht mehr gelten, weil die von ihnen geschützten Volksgruppen „nicht mehr

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vorhanden“ seien und nunmehr der allgemeine Schutz der Menschenrechte auch ausreichend für den Schutz der Volksgruppen sei.9 1. So gut wie „nicht mehr vorhanden“ war die Volksgruppe der Deutschen in Polen. Vertrieben wurde aber nicht nur die ca. eine halbe Million umfassende deutsche Minderheit auf polnischem Territorium nach dem Stande von 1919/39, sondern weitere sieben Millionen, die Opfer der von den Siegermächten beschlossenen Westverschiebung Polens wurden. Der Vorgang wurde in Abschnitt XIII des Potsdamer Protokolls vom 2. August 1945 euphemistisch als „Überführung der deutschen Bevölkerung, die in Polen zurückgeblieben ist, nach Deutschland in ordnungsgemäßer und humaner Weise“ beschrieben. Die der Vertreibung nach 1949 folgende Einzel- und Spätaussiedlung war noch ein prägendes Element der Ende der 60er-Jahre einsetzenden Entspannungspolitik. Am 9. Oktober 1975 verständigten sich die Bundesrepublik Deutschland und die Volksrepublik Polen im Zusammenhang mit dem Abkommen über Renten- und Unfallversicherung, über die pauschale Abgeltung von Rentenansprüchen und der Gewährung eines Finanzkredits auf ein Ausreise-Protokoll. Dieses Protokoll stellte auf der Grundlage der „Information der Regierung der Volksrepublik Polen“ vom Dezember 1970 sicher, daß in den folgenden Jahren nochmals ca. 125.000 Personen mit unbestreitbar deutscher Volkszugehörigkeit ausreisen durften. Nach der Auffassung der damaligen Bundesregierung sollte mit diesen Vereinbarungen ein „Schlußstrich unter ein dunkles Kapitel deutsch-polnischer Geschichte“ gezogen werden.10 „Eine verständnisvolle Haltung der polnischen Regierung gegenüber dem Wunsch deutscher Volkszugehöriger nach Umsiedlung“ war für Außenminister Genscher „ein sehr wichtiger Beitrag für die Entwicklung der deutsch-polnischen Beziehungen“.11 Minderheitenschutz in den deutsch-polnischen Beziehungen war zu diesem Zeitpunkt noch undenkbar, obgleich das Prinzip VII Abs. 4 der KSZE-Schlußakte die Thematik erstmals wieder in einem ganz Europa umfassenden Dokument angesprochen hatte. 2. Eine Renaissance erlebten die Volksgruppenrechte im Zuge der staatlichen Neuorganisation des Terrains des implodierten Ostblocks. So verpflichten sich im Schlußdokument des Wiener KSZE-Folgetreffens 1989 die Teilneh___________ 9 Gutachten vom 7. April 1950, UN Doc. E/CN.4/367, S. 15 ff.; hierzu kritisch M. Silagi, a.a.O., S. 101, 122. 10 Vgl. die deutsch-polnischen Vereinbarungen vom 9. Oktober 1975 und ergänzenden Texte, herausgegeben vom Presse- und Informationsamt der Bundesregierung. 11 Vgl. die deutsch-polnischen Vereinbarungen, a.a.O., S. 39 ff. (40).

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merstaaten zu konkreten Schutzmaßnahmen zugunsten von Minderheiten, um deren Wunsch nach staatlicher Selbstbestimmung zuvorzukommen und um eine weitere Segmentierung der politischen Landschaft Europas auszuschließen. Die Staaten verpflichten sich, nicht nur die „ethnische, kulturelle, sprachliche und religiöse Identität nationaler Minderheiten“ zu schützen, sondern auch „Bedingungen für die Förderung deren Identität zu schaffen“.12 Auf den folgenden KSZE-Treffen über die „Menschliche Dimension“ in Kopenhagen im Juni 1990 wurde nach Auffassung der Beobachter der große Durchbruch erzielt. Das Schlußdokument vom 29. Juni 1990 widmete dem Minderheitenschutz einen ganzen Abschnitt.13 Die nur allgemeine Verpflichtung der Staaten zur Gewährleistung und Sicherung der Kultur, der Identität und der Religion erstarkte zu Individualrechten der Minderheitenangehörigen. Eindeutiger als im Wiener Dokument verpflichteten sich die Regierungen in Kopenhagen auch besondere Maßnahmen zur Förderung der Angehörigen von Volksgruppen zu ergreifen, um ihre Gleichstellung mit der Mehrheitsbevölkerung erreichen zu können. Es wurde anerkannt, daß die Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit Angelegenheit der persönlichen Entscheidung eines Menschen ist und ihm keine Nachteile bringen darf. Damit war allerdings der Kulminationspunkt der neuen Entwicklung zugunsten der Volksgruppen und nationalen Minderheiten bereits erreicht. Beim Versuch, auf dem Genfer Expertentreffen im Juli 1991 die in Kopenhagen verabschiedeten allgemeinen Grundsätze des Minderheitenschutzes weiter zu konkretisieren, brachen die alten Gegensätze wieder auf.14 Dem dritten Treffen der Konferenz zur menschlichen Dimension in Moskau 1991, dem Treffen der Außenminister in Prag am 30./31 Januar 1992 und dem KSZE-Treffen in Helsinki im Juli 1992 fehlten weitere politische Impulse. Es erstaunt deshalb nicht, daß die Umsetzung des neuen europäischen Bekenntnisses zum Schutz von Volksgruppen und nationalen Minderheiten in den bilateralen deutsch-polnischen Beziehungen keineswegs einfach war. 3. Die ersten einschlägigen Kontakte stehen im Zusammenhang mit dem Zwei-plus-Vier-Prozeß, in dessen Rahmen − unter Ausschluß Polens − 1990 ___________ 12

Prinzipienrandziffer 18 f.; vgl. D. Blumenwitz, Minderheiten- und Volksgruppenrecht, 1992, S. 52. 13 Dokument des Kopenhagener Treffens der Konferenz über die menschliche Dimension der KSZE vom 29. Juni 1990, Abschnitt IV, m, in: EuGRZ 1990, S. 239 ff. 14 Vgl. die Presseberichte über das Expertentreffen, in: FAZ v. 20.7.1991, S. 4 und NZZ vom 21./22.7.1991, S. 3.

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die außenpolitischen Eckwerte der staatlichen Neuorganisation Deutschlands festgelegt wurden15. a) Am 21. Februar 1990 erhob der polnische Ministerpräsident Mazowiecki erstmals öffentlich und detailliert die Forderung nach der Paraphierung eines Friedensvertrags mit den beiden deutschen Staaten vor der Vereinigung und der Unterzeichnung durch die Regierung eines vereinigten Deutschlands.16 Außenminister Skubiszewski konkretisierte die Forderungen in dem 5-PunktePlan „Konzeption der Außenpolitik Polens gegenüber Deutschland“, der im wesentlichen auf die Teilnahme Polens an den Zwei-plus-Vier-Verhandlungen und auf den Abschluß eines deutsch-polnischen Grenzvertrags im „Rang einer Friedensregelung“ zielte.17 Anläßlich ihres Besuchs am 9. März 1990 in Paris lehnten Präsident Jaruzelski und Ministerpräsident Mazowiecki ausdrücklich ein Junktim zwischen der Grenzfrage und den Minderheitenproblemen (ähnlich wie nach dem Ersten Weltkrieg) ab; die Grenzfrage sei nämlich nunmehr ein europäisches und kein polnisches Problem.18 Polen blieb bekanntlich vom Zwei-plus-Vier-Prozeß ausgeschlossen. Am späten Abend des 28. April 1990 bestellte deshalb der polnische Außenminister Skubiszewski den deutschen Botschafter in Warschau ein und übergab ihm den Entwurf eines „Vertrags zwischen der Republik Polen und Deutschland über die Grundlagen ihrer gegenseitigen Beziehungen“,19 der anläßlich des Besuchs von Bundespräsident von Weizsäcker in Polen vom 2.-5. Mai 1990 rasch beraten werden sollte.20 Zum Inhaltlichen erläuterte Skubiszewski, man habe − zusätzlich zur Grenzregelung im engeren Sinne (die den eigentlichen Schwerpunkt des Vertrags beinhalte) − bewußt auch Grundsätze für die künftige Gestaltung der bilateralen Beziehungen aufgenommen, damit vom Vertrag eine positive Wirkung ausge___________ 15

Vgl. D. Blumenwitz, Der Vertrag vom 12.9.1990 über die abschließende Regelung in Bezug auf Deutschland, in: NJW 1990, S. 3041 ff. 16 Wortlautauszüge, Radio Warschau, in: Ostinformationen Nr. 38 vom 22. Februar 1990, S. 2 f. 17 Ostinformationen Nr. 39 vom 23. Februar 1990. 18 Vgl. Gemeinsame Pressekonferenz der Staatspräsidenten Mitterand und Jaruzelski sowie des Ministerpräsidenten Mazowiecki und des Premierministers Rocard im ElyseePalast, Paris, 9. März 1990; s.a. Vorlage des Ministerialdirigenten Hartmann an Bundeskanzler Kohl, Bonn, 13. März 1990, in: Deutsche Einheit. Sonderedition aus den Akten des Bundeskanzleramtes 1989/90, bearbeitet von H. J. Küsters und D. Hofmann, München 1998, S. 937 ff. (938). 19 Vgl. Deutsche Einheit, a.a.O., S. 1071 ff. 20 Vgl. Bulletin Nr. 56 vom 9. Mai 1990, S. 437-444. Während des Besuchs führte Bundesminister Genscher mit Außenminister Skubiszewski am 2. Mai 1990 in Warschau lediglich ein Vieraugengespräch „über die polnischen Interessen im Vereinigungsprozeß“, s. D. Genscher, Erinnerungen, S. 766.

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he. Andere Fragen, deren Berücksichtigung man ihm angeraten habe, seien mit Bedacht nicht aufgenommen worden. Es fehlte so auch jede Vorschrift über die Rechte der Minderheiten.21 b) Die wichtige Frage der Außengrenzen des wiedervereinigten Deutschlands wurde zunächst ohne polnische Unterschrift im Zwei-plus-Vier-Vertrag verankert. Dessen Art. 1 Abs. 1 bestimmt, daß sich der Grenzverlauf nach den Außengrenzen der Bundesrepublik und der DDR zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bestimmt.22 Art. 1 Abs. 2 verpflichtet die Bundesrepublik Deutschland darüber hinaus, die zwischen dem vereinten Deutschland und der Republik Polen bestehenden Grenze in einem völkerrechtlich verbindlichen Vertrag zu bestätigen. Diese Aufgabe erfüllt der Grenzbestätigungsvertrag,23 der gemeinsam mit dem später ausgehandelten Nachbarschaftsvertrag24 am 16. Januar 1992 in Kraft trat. Aus der Sicht der Bundesrepublik sollte das gemeinsame Inkrafttreten der beiden Verträge den inneren Bezug zwischen Grenzregelung und Schutz der deutschen Minderheit in den an Polen übergegangenen ehemals deutschen Ostgebiete dokumentieren. c) Allerdings steht der Volksgruppenschutz nicht im Mittelpunkt des Nachbarschaftsvertrages;25 nur drei − wenn auch sehr umfangreiche − Artikel (die Artikel 20 mit 22) des Nachbarschaftsvertrages beinhalten konkrete Minderheitenschutzregelungen.26 Der Vertragstext vermeidet jeden Anschein, der Minderheiten- und Volksgruppenschutz resultiere − wie zu Zeiten des Völkerbundes − aus der Übernahme von Territorien mit fremdnationaler Bevölkerung. Polen gewährt Schutz, weil dieser Schutz heute Teil der europäischen Rechtskultur ist. Die strikte Anlehnung an das Kopenhagener KSZE-Dokument führt dazu, daß der Nachbarschaftsvertrag nur allgemeine Grundsätze des internationalen Volksgruppenschutzes übernimmt, auf eine spezifische Ausprägung dieser Prinzipien hinsichtlich der konkreten Lage der deutschen Minderheit in Po___________ 21

S. Vorlage des Ministerialdirektors Teltschik an Bundeskanzler Kohl, Bonn, 30. April 1990, in: Deutsche Einheit, a.a.O., S. 1069. 22 Offen bleibt, wann und durch welches Rechtsgeschäft die territoriale Souveränität über die deutschen Ostgebiete auf Polen übergegangen ist. 23 Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen über die Bestätigung der zwischen ihnen bestehenden Grenze, BGBl. 1991 II S. 1329. 24 Vertrag über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit, BGBl. 1991 II S. 1315 ff. 25 Hier O. Kimmich, Die abschließende Regelung mit Polen, in: Zeitschrift für Politik 1994/4, S. 384 ff. 26 Vgl. M. Weinberg, Schutz der deutschen Minderheiten in Polen nach den Weltkriegen. Ein Vergleich unter Berücksichtigung der aktuellen Rechtslage, 1997.

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len (wie z.B. im Oberschlesien-Abkommen vom 15. Mai 1922) jedoch weitgehend verzichtet. Auf dieser Linie liegt auch die auf den ersten Blick schwer verständliche Reziprozität des Minderheitenschutzes, die dem Nachbarschaftsvertrag zugrunde liegt: Die deutsche Minderheit in Polen wird geschützt, weil die deutsche Seite „Personen deutscher Staatsangehörigkeit in der Bundesrepublik Deutschland, die polnischer Abstammung sind oder sich zur polnischen Sprache, Kultur oder Tradition bekennen“ (Art. 20 Abs. 1) entsprechenden Schutz zusagt − ob er in concreto nachgefragt wird oder nicht. Letztlich wird der polnische Rechtsstandpunkt auch durch das vertragliche Kündigungsrecht gestützt; während der Grenzvertrag keine Kündigungsmöglichkeit vorsieht, kann der Nachbarschaftsvertrag nach dem 16. Januar 2001 mit Jahresfrist von Polen einseitig beendet werden. Die Kündigung des Nachbarschaftsvertrages durch Polen hätte allerdings hinsichtlich des Schutzes der deutschen Minderheit kaum praktische Konsequenzen, da der Schutzstandard des Vertrages in weiten Teilen die europaspezifischen Regeln − wie z.B. Art. 14 Europäische Menschenrechtskonvention, das am 1. Februar 1998 in Kraft getretene Rahmenabkommen des Europarats zum Schutz nationaler Minderheiten27 und die am 1. März 1998 in Kraft getretene Charta der Regional- oder Minderheitensprachen28 − nicht mehr erreicht. ___________ 27

“Framework Convention for the Protection of National Minorities”, ETS No. 157 vom 1.2.1995; veröffentlicht unter http://www.conventions.coe.int (Stand: 01.08.2005); Deutsche Quelle: Gesetz vom 22.7.1997, BGBl. 1997 II S. 1406; in Kraft getreten für die Bundesrepublik Deutschland am 1.2.1998, vgl. Bekanntmachung vom 1.12.1997, BGBl. 1998 II S. 57. Das Abkommen ist mittlerweile für 37 Staaten des Europarates und für BosnienHerzegowina in Kraft getreten und von 5 weiteren Staaten gezeichnet, ohne daß bislang eine Ratifikation gefolgt wäre. Polen hat das Abkommen am 1.2.1995 gezeichnet und am 20.12.2000 ratifiziert; es ist für Polen seit dem 1.4.2001 in Kraft (Angaben nach der Übersicht unter der o.a. Homepage des Europarates). 28 “European Charter for Regional or Minority Languages”, ETS No. 148 vom 5.11.1992; veröffentlicht unter http://www.conventions.coe.int (Stand: 1.8.2005); Deutsche Quelle: Gesetz vom 9.7.1998, BGBl. 1998 II S. 1314; in Kraft getreten für die Bundesrepublik Deutschland am 1.1.1999, vgl. Bek. v. 30.12.1998, BGBl. 1999 II S. 59. Das Abkommen gilt im übrigen seit 1.3.1998 für Finnland, Kroatien, Liechtenstein, Niederlande, Norwegen, Schweiz und Ungarn, seit 1.6.2000 für Schweden, seit 1.1.2001 für Dänemark und Slowenien, seit 1.7.2001 für Großbritannien und seit 1.8.2001 für Spanien, seit 1.10.2001 für Österreich, seit 1.1.2002 für die Slowakei, seit 1.5.2002 für Armenien, seit 1.12.2002 für Zypern und seit 1.10.2005 für Luxemburg. 13 weitere Staaten haben das Abkommen gezeichnet ohne es bislang ratifiziert zu haben. Polen hat das Abkommen am 12.5.2003 unterzeichnet aber noch nicht ratifiziert (Angaben nach der Übersicht unter der o.a. Homepage des Europarates).

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IV. Schlußgedanke Der zwischenzeitlich in Europa geltende Volksgruppenschutz erschwert die abschließende Würdigung der nunmehr 10jährigen Minderheitenschutzpraxis des deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrags. Ist der europäische oder der bilaterale Schutzstandard kausal für die gegenwärtige Lage der deutschen Minderheit in Polen? „Der deutsch-polnische Nachbarschaftsvertrag vom 17. Juni 1991 hat sich grundsätzlich bewährt und wird deshalb zu Recht nicht in Frage gestellt“ lautet das einhellige politische Votum anläßlich des Vertragsjubiläums. Fraglich ist allerdings, ob der Vertrag nicht doch noch intensiver politisch genutzt werden kann hinsichtlich der typisch bilateralen Problemfelder. Ich nenne abschließend nur einige Beispiele für Lösungen im Sinne des Nachbarschaftsvertrages und der begleitenden Briefwechsel:29 − Die Einführung topographischer Bezeichnungen in Siedlungsgebieten der deutschen Minderheit in Polen in deutscher Sprache; − die Anerkennung deutscher Wehrdienstzeiten, Zeiten der Kriegsgefangenschaft, Zeiten in polnischen Internierungs- und Arbeitslagern nach 1945 als rentensteigernde Zeiten im polnischen Rentenrecht (die deutsche Seite hat ihren Anteil zur Versorgung der betroffenen Bevölkerung bereits durch die Vereinbarung über die pauschale Abgeltung von Rentenansprüchen vom 9. Oktober 1975 erbracht30); − die weitere Verbreitung des muttersprachlichen Unterrichts für die deutsche Minderheit in Polen; − die Angehörigen der deutschen Minderheit, die gemäß deutschem Staatsangehörigkeitsrecht und Briefwechsel zum Nachbarschaftsvertrag die deutsche ___________ 29 Vgl. Antrag der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und die diesbezügliche Erklärung des außenpolitischen Sprechers und des vertriebenenpolitischen Sprechers, DuDSonderdienst, Nr. 2, vom 5. Februar 2001. 30 Vgl. oben Anm. 10. Wie bei den Renten hat die Bundesregierung auch dafür Sorge zu tragen, daß Angehörige der deutschen Minderheit nicht bei der Reprivatisierung des zwischen 1944 und 1949 konfiszierten Vermögens diskriminiert werden, vgl. hierzu die Frage des Abgeordneten Hartmut Koschyk (Plenarprotokoll 14/062, S. 5562 C) und die Antwort auf die Frage des Abgeordneten Anton Pfeifer (BT-Drs. 14/5280 v. 9. Februar 2001); s.a. Deutscher Bundestag, 14. Wahlperiode, 145. Sitzung, 24. Januar 2001, S. 14222 (B)-(D). Nach dem derzeitigen Stand des Gesetzgebungsverfahrens diskriminiert das Reprivatisierungsgesetz vom 11. Januar 2001 die deutschen Heimatvertriebenen und Spätaussiedler, nicht aber die Angehörigen der deutschen Minderheit, die als „Berechtigte“ i.S.d. Art. 3 Abs. 2 in Betracht kommen können.

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Staatsangehörigkeit noch besitzen, könnten an den Wahlen zum Deutschen Bundestag beteiligt werden;31 − die stärkere Einbeziehung der Anliegen der deutschen Minderheit in Polen bei den regelmäßigen Konsultationen über die Weiterentwicklung und Vertiefung der bilateralen Beziehungen. Auch die Bundesrepublik Deutschland trägt historische Verantwortung für das Wohlergehen der deutschen Minderheit in Polen. Die alte Bundesregierung war sich dieser Verantwortung bewußt bei der Gründung der Stiftung für die Entwicklung Schlesiens.32 Es bleibt zu hoffen, daß die Stiftung auch künftig ihre satzungsgemäße Aufbauarbeit in dem jahrelang vernachlässigten Siedlungsgebiet der deutschen Minderheit in Polen ohne Behinderung33 fortsetzen kann.

___________ 31 Vgl. D. Blumenwitz, Wahlrecht für Deutsche in Polen? Zur Möglichkeit einer Beteiligung der deutschen Bevölkerungsgruppe in Polen an den Wahlen zum Deutschen Bundestag, Köln 1999. 32 Die Stiftung für die Entwicklung Schlesiens und Förderung lokaler Initiativen (SES) wurde am 2. Dezember 1991 durch vier schlesische Gesellschaften der deutschen Minderheit gegründet und am 2. Juli 1992 nach polnischem Recht inkorporiert. Die SES erhielt in den vergangenen Jahren Mittel aus dem Bundeshaushalt, die zum größten Teil als Darlehen u.a. für förderungswürdige Infrastrukturmaßnahmen ausgereicht wurden. Vgl. H. Koschyk, Förderung der deutschen Minderheit in Polen wird schön gerechnet, in: Pressedienst der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag, 21. Februar 2000. 33 Vertreter der deutschen Minderheit beklagen sich in diesem Fall über die Beeinträchtigung der Arbeit der Stiftung durch das Bundesinnenministerium (BMI) und die Gesellschaft für Internationale Wirtschaftliche Zusammenarbeit mbH (GWZ), die bei der Abwicklung z.B. der Infrastrukturprojekte in Schlesien zwischengeschaltet ist. Auf Druck des BMI mußte 1999 die Stiftungssatzung dahingehend geändert werden, daß Beschlüsse des Stiftungsvorstandes künftig einer Genehmigung des BMI bedürfen. Seit dieser Zeit sieht der Stiftungsvorstand seine Tätigkeit systematisch behindert, wenn nicht gar blockiert. Im Auftrag des BMI kündigte die GWZ mit Schreiben vom 8. Januar 2001 alle Projektverträge und verlangt zum 30. April 2001 die „Herausgabe/Abtretung aller Rückflußmittel zuzüglich Zinsen und Zinseszinsen“.

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Abstract Dieter Blumenwitz: The Road towards the Treaty on Good Neighbourhood and Friendly Co-operation between the Federal Republic of German and the Republic of Poland. In: Minority Protection and Human Rights – Current Problems Particularly in the German-Polish Relations. Ed. by Dieter Blumenwitz (†), Gilbert H. Gornig, and Dietrich Murswiek (Berlin 2006), pp. 77-87. The idea of minority protection in the German-Polish relations goes back to the beginning of the 19th century with certain commitments in the Final Act of the Vienna Congress 1815 and the discussion on the legal status of nonGerman peoples in the 1848/49 Paulskirche National Assembly. Following World War I, Poland entered into a minority protection treaty with the victorious allied powers and the Treaty on Upper Silesia with Germany. The implementation by the League of Nations and the Permanent Court of International Justice, however, proved to be cumbersome and barely effective. After the Second World War and the expulsion of seven million Germans, followed by individual migrants since the 1960s, the German national minority in Poland has become almost nonexistent. The protection of minorities became again an issue in the context of the CSCE “human dimension” in the course of the political change in Eastern Europe 1989. In the German-Polish relations, the matter was first brought up in the two-plus-four-process with the Polish request for a Peace Treaty. Following the Two-plus-four-Treaty Germany concluded a Treaty on the Confirmation of the Border as well as the Neighbourhood-Treaty with Poland, both entering into force on 16 January 1992. This notwithstanding, both treaties and their provisions are independent from each other. It is only the Neighbourhood-Treaty that deals with the minority issue, but it avoids any impression that these guarantees result from the shifting of the border. i.e. the taking-over of former German territory. However, the provisions of the bilateral treaty have largely been superseded or repeated by the provisions of international instruments like the 1950 European Convention on Human Rights, 1995 the Framework Convention for the Protection of Minorities or the 1992 European Charter for Regional or Minority Languages. However, there are certain issues that still require solutions on a bilateral level, examples of which are the use of German topographic names in the areas of the minorities, the participation of members of minorities that have also German nationality in the German elections and the involvement of the German minority in the bilateral consultations.

Über die Lage der deutschen Minderheiten in der Republik Polen und der Tschechischen Republik Von Gerhard Bartodziej

I. Die gegenwärtige Lage der deutschen Minderheit in Polen Die komplizierte Vergangenheit der deutschen Minderheit in Polen bildet die Basis für die gegenwärtige Lage der Jugend. Es ist zweckmäßig, die Zeit vor und nach der Wende 1989/90 gesondert zu betrachten. Die Periode vor der Wende wurde durch folgende Faktoren beeinflußt (laut Th. Schäpe1): − Grenzverschiebungen, Flucht, Vertreibung und Aussiedlung großer deutscher Bevölkerungsteile nach 1945 aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten. Vor allem die Großstädte (Breslau, Hirschberg, Liegnitz, Gleiwitz etc.) wurden fast entvölkert. − Die Deutschen in den ehemaligen Ostgebieten konzentrierten sich überwiegend auf die ländlichen Gebiete vor allem in der Woiwodschaft Oppeln, um die Stadt Ratibor und die Großstädte Oberschlesiens. Darüber hinaus sind vereinzelt deutsche Gruppierung anzutreffen u.a. in ehemals Ostpreußen, Allenstein, Breslau, Danzig, Thorn, Stettin und Posen. − Die Ansiedlung der Deutschen in ländlichen Bereich hat tendenziell auch ihre schlechtere Ausbildung zufolge. − Die Ausreisewelle der Deutschen nach Westdeutschland findet mit unterschiedlicher Intensität bis in die 90-er Jahre statt. Es verlassen vor allem diejenigen ihre Heimat, die mobil sind und sich gute Chancen auf dem deutschen Arbeitsmarkt ausrechnen. − Massive antideutsche Propaganda des totalitären Systems (aus innenpolitischen Machterhaltungsgründen). Betonung der negativen Erfahrungen (Kriegserfahrungen, Greueltaten) mit Deutschland als Nachbar. ___________ 1 Thaddäus Schäpe, Zur Entwicklungsstrategie der deutschen Minderheit in Polen. Thesenpapier. Haus der Deutsch-Polnischen Zusammenarbeit, Gleiwitz, Januar 2001.

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− Systematisches Zerstören und Verschweigen alles Deutschen in den ehemaligen deutschen Gebieten. − Das Verbot der deutschen Sprache (auch als Unterrichtssprache) in großen Teilen Oberschlesiens führte dazu, daß die nach 1945 Geborenen kaum noch Deutsch als Muttersprache verwendeten. − Diskriminierung der deutschen Bevölkerung in Form von eingeschränktem Zugang zum polnischen Bildungssystem und Berufsleben. − Streben nach einem zentralen Einheitsstaat – Bekämpfung regionaler Identitäten (vor allem der schlesischen). − Langjähriger Kampf der Polen um die eigene Staatlichkeit (Rolle Preußens). − Die Anwesenheit von Deutschen (heute deutsche Minderheit) wurde im wesentlichen nicht zur Kenntnis genommen. Die Registrierung von Verbänden der Deutschen wurde von wenigen Ausnahmen abgesehen bis in die 80-er Jahre hinein verweigert. Nach der Wende ist die Entfaltung der deutschen Minderheit in Polen durch folgende Faktoren determiniert: − Gute Ansätze für den Aufbau einer zivilen Bürgergesellschaft, Dezentralisierung (Einführung selbstverwalteter Kommunen, Kreise und Regionen). − Stetiges Wirtschaftswachstum auf relativ hohem Niveau, relativ geringe Arbeitslosigkeit in Oberschlesien, hingegen sehr hohe Arbeitslosigkeit in ehemals Ostpreußen, schwindende Phobien vor ausländischen und deutschen Investitionen. Bestehende Ängste bezüglich des Ausverkaufs polnischer Immobilien an Deutsche (Vertriebene). − Immer größere Teile der polnischen Gesellschaft sind offen für den deutschpolnischen Dialog. Für große Teile der Bevölkerung Oberschlesiens gehört der Umgang mit Deutschen zur Alltagserfahrung (Wirtschaft und familiäre Bindungen). − Zunehmende Anerkennung der Multikulturalität und der besonderen Identität in Oberschlesien. − Nach Schätzungen leben in Polen zur Zeit etwa 600.000 Deutsche, davon gut 400.000 in Oberschlesien. − Die Deutschen in Polen waren über 40 Jahre von der demokratischen Entwicklung in Westdeutschland ausgeschlossen. Deshalb hat die ältere Generation ein Deutschlandbild konserviert, das dem vor 1945 entspricht. Darüber hinaus mangelt es der deutschen Minderheit – übrigens auch anderen Gruppierungen in der Region – an Erfahrungen im Umgang in einer pluralen Bürgergesellschaft.

Die Lage der deutschen Minderheiten in Polen und Tschechien

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− Die Einführung der Ostpolitik von Willy Brandt führte bezüglich der Problematik der ehemaligen deutschen Ostgebiete tendenziell zur Spaltung der westdeutschen Gesellschaft in „Revanchisten“ und „vaterlandslose Gesellen“. Dies hat bis heute Konsequenzen im Umgang mit der deutschen Minderheit. − Nur zögernde Registrierung der deutschen Verbände und zunehmende Akzeptanz der ethnischen Minderheiten, u.a. auch der deutschen Minderheit. Relativ starke zentrale Verbandsstrukturen (Bezirksvorstände) der deutschen Minderheit; relativ schwache lokale Strukturen der deutschen Minderheit ohne juristische Personen. − Auf Grund der Privilegierung ethnischer Minderheiten bei der Mandatsvergabe (Aufhebung der 5 % - Klausel) sind die Vertreter der deutschen Minderheit seit 1991 im polnischen Sejm vertreten. − Unterstützung der deutschen Minderheit durch die Bundesregierung, aber auch im zunehmenden Masse durch die polnische Regierung. − Relativ wenige Aktivitäten der Gliederungen der deutschen Minderheit. Unter „Gliederungen der deutschen Minderheit“ sind vor allem die Deutschen Freundschaftskreise (DFK), aber auch andere Vereinigungen wie z.B. Schlesischer Selbstverwaltungsverband, Verband der Deutschen Autoren, die Deutsche Bildungsgesellschaft, Bezirksvorstände usw. zu verstehen. − Wachsende Förderung der deutschen Sprache als Fremd- und Muttersprache. − Starke Präsenz der deutschen Minderheit auf der kommunalen und regionalen Ebene in der Woiwodschaft Oppeln. − Im Durchschnitt sind über 50.000 Deutsche aus Polen vorübergehend in Deutschland beschäftigt. Damit sind soziale und familiäre Probleme verbunden. Darüber hinaus klagen vor allem die Kommunen über den Ausfall der Steuereinnahmen. − Der Gesetzesentwurf über die Rechte nationaler Minderheiten in Polen liegt seit Jahren vor, über ihn wird jedoch nicht abgestimmt. Die Rahmenkonvention des Europarates über die Minderheitenrechte wurde im November 2000 vom polnischen Sejm ratifiziert, aber unvollständig verwirklicht (z.B. doppelsprachige Ortsbezeichnungen). − Die Europäische Charta der Regional- und Minderheitensprachen des Europarates wurde durch die Republik Polen nicht angenommen. Auch die Bestimmungen der Rahmenkonvention des Europarates über Minderheitensprachen wurden unvollständig verwirklicht. Die nationale Sprache hat in Polen (und auch in Tschechien) sehr hohe symbolische Bedeutung. Als Symbol der Herrschaft und Souveränität des Staates.

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II. Zur Identität der deutschen Minderheit in Polen Nur wenigen deutschen Familien in Polen ist es gelungen – nach 45 Jahren intensiver Polonisierung –, eine kontinuierliche deutsche Identität zu bewahren. In den drei von Deutschen am zahlreichsten bewohnten Woiwodschaften Oppeln, Kattowitz und Allenstein, insbesondere aber in den Gebieten, die zwischen 1921-1945 zu Deutschland gehörten, war bis 1990 keine Rede vom Deutschunterricht, sowohl in den Grundschulen wie in den Oberschulen. Ausnahmsweise hat man Deutschunterricht an den Hochschulen in den 80-er Jahren genehmigt, aber nur deswegen, weil diese von Polen aus Zentralpolen zahlreich besucht wurden. Im Bezirk Oppeln standen bis 1990 nur drei Oberschulen, in denen man Deutschunterricht erteilte, und auch dort nur als zusätzliches Fach. Diese Schulen gab es aber nur in Gebieten, die von aus Lemberg und anderen Ostpolnischen Gebieten stammenden Polen bewohnt wurden. In dem heutzutage sogenannten Minderheitengebiet war an Deutsch als Muttersprache oder Deutsch als Fremdsprache überhaupt nicht zu denken. Insofern gab es überhaupt keine offizielle Möglichkeit, die deutsche Identität zu pflegen. Aufgrund des vom Staat vorgesehenen Polonisierungsprozesses war der Deutschunterricht inoffiziell verboten. Nach der Wende (1989/1990) wurde den Deutschen in Polen mit der gerichtlichen Registrierung der Gesellschaften das Recht für muttersprachlichen Deutschunterricht gegeben. Die Anerkennung einer offiziellen deutschen Minderheit bedeutet wenigstens die gleichen Rechte, wie sie die anerkannte ukrainische oder weißrussische Minderheit schon hat. In Art. 20 und 21 des Nachbarschaftsvertrages hat man den in Polen lebenden Deutschen (Angehörige der deutschen Minderheit in der Republik Polen, d.h. Personen polnischer Staatsangehörigkeit, die deutscher Abstammung sind oder die sich zur deutschen Sprache, Kultur oder Tradition bekennen) das Recht, ihre ethnische, kulturelle, sprachliche und religiöse Identität frei zum Ausdruck bringen, zu bewahren und weiterzuentwickeln, zugestanden. In diesem Jahr wurde auch das Bildungssystemgesetz verabschiedet. In Art. 13 des Gesetzes wird den Schülern die Möglichkeit, ihre Identität in öffentlichen Schulen zu bewahren, zugesichert. Ein Jahr später wurde die Verordnung des Bildungsministeriums vom 24. März 1992 über die Angelegenheiten der Bildungsmöglichkeiten zum Zwecke der Erhaltung der nationalen, ethnischen und sprachlichen Identität für Schüler, die nationalen Minderheiten angehören, veröffentlicht. Gemäß der Verordnung muß man den muttersprachlichen Deutschunterricht schriftlich beantragen, worüber die Eltern nicht besonders begeistert waren. Die Unterweisung einer Minderheit kann wie folgt durchgeführt werden:

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1. in Schulen mit zusätzlichem muttersprachlichem Unterricht für die Minderheit, 2. in bilingualen Kindergärten und Schulen, 3. in Kindergärten und Schulen mit muttersprachlichem Unterricht, wo alle Fächer in der Muttersprache der Minderheit unterrichtet werden, mit Ausnahme von polnischer Sprache, Literatur und Geschichte. Im Jahre 1992 wurden Vereinbarungen zwischen den Gesellschaften im Bezirk Oppeln und Kattowitz und den ortszuständigen Kuratorien über eine Zusammenarbeit unterschrieben. Selbstverständlich strebte man in jeder Ortsgruppe danach, möglichst schnell den Deutschunterricht einzuführen, weil er ein wichtiges Element der Identität ist. An dieser Stelle ist auch zu bemerken, daß auch polnische Eltern sehr für den Deutschunterricht waren und sind. Die Liberalisierung der Vorschriften hat damals kaum eine Verbesserung gebracht. Einige Oberschlesier, die trotz Verbot in anderen Teilen Polens das Germanistikstudium absolviert hatten, fanden in oberschlesischen Schulen keine Arbeit, haben also Oberschlesien verlassen, um irgendwo in Polen gute Arbeit (auch in der Wirtschaft) zu finden. Außerdem haben sehr viele Deutsche, die gut Deutsch gesprochen haben und die für eine Zeit als Hilfslehrer tätig sein könnten, Oberschlesien verlassen und leben heutzutage in der Bundesrepublik. Erst 1989 durfte man eine Germanistiksektion an der Pädagogischen Hochschule (heute: Universität) in Oppeln öffnen. Die ersten Absolventen haben die Uni im Sommer 1995 verlassen. 1990 gründete man das Fremdsprachenlehrerkolleg in Oppeln. 1993 haben 17 Absolventen das Kolleg verlassen. Selbstverständlich sind einige Projekte in Oberschlesien entstanden, die in Zusammenarbeit mit der Botschaft in Warschau und dem Generalkonsulat Breslau durchgeführt worden sind. Zu den Projekten gehören verschiedene Sprachkurse, die bei Goethe-Instituten in Deutschland organisiert wurden, dazu kommen auch Sprachkurse des Goethe-Institutes in Oberschlesien. Wichtig ist das sogenannte Niwki-Projekt, in dem vorgesehen wurde, innerhalb von drei Jahren Deutschlehrer auszubilden. Das Projekt wird auch aus Bundesmitteln finanziert. Diese Entwicklung wurde durch eine Organisation der Minderheit – Deutsche Bildungsgesellschaft mit Peter Baron2 an der Spitze – begleitet. Diese Gesellschaft nimmt an der Ausarbeitung von Schulprogrammen und Schulbüchern ___________ 2 Peter Baron, Zur Identität der Deutschen Volksgruppe in Schlesien, Vortrag, Deutsche Bildungsgesellschaft, Oppeln 1998.

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für den Deutschunterricht teil. Die gegenwärtige Zusammenarbeit mit dem polnischen Bildungsministerium entwickelt sich gut. Es findet auch eine gute direkte Zusammenarbeit der Bildungsgesellschaft mit dem Oppelner Schulkuratorium statt. Drei große Hindernisse für den Deutschunterricht für die deutsche Minderheit bilden: − fehlende finanzielle Mitteln, besonders in den Gemeinden und Landkreisen; − fehlende qualifizierte Lehrer; − zu schwacher Druck der Minderheit, immer noch existierende gesellschaftliche Diskriminierung von Minderheiten in Polen; Die Entwicklung des Deutschunterrichts in Oberschlesien schildert Peter Baron: Das Schuljahr 1990/91 begann im Bezirk Oppeln in 184 Grundschulen mit Deutschunterricht, den 170 Lehrer erteilten, von den nur neun die erforderliche sprachliche und berufliche Befähigungen besaßen. 161 (!) Lehrer hatten keine Ausbildung. In den 184 Grundschulen wurden 13.160 Schüler in 843 Klassen unterrichtet (die gesamte Zahl der Grundschulschüler beträgt ca. 127.000). Im Schuljahr 1991/92 stieg die Zahl der Schulen mit Deutschunterricht im Bezirk Oppeln auf 236. In allen Schulen wurde weiter Deutsch als Fremdsprache unterrichtet. Die Zahl der Lehrer ist automatisch auf 232 gestiegen, von denen 219 keine Sprachausbildung nachweisen konnten, und 78 % hatten keine pädagogische Ausbildung. Im Schuljahr 1992/93 ist die Zahl der Grundschulen mit Deutschunterricht auf 230 gesunken (nur im Bezirk Oppeln). Sehr wichtig aber ist die Tatsache, daß man im Bezirk Oppeln schon in 14 Schulen Deutsch als Muttersprache eingeführt hat. Im Bezirk Kattowitz waren im obengenannten Schuljahr 20 Grundschulen mit Deutsch als Muttersprache. Im Schuljahr 1993/94 wird im Bezirk Oppeln in 244 Grundschulen Deutschunterricht erteilt, wobei in 24 Schulen Deutsch als Muttersprache unterrichtet wird. Im Bezirk Kattowitz sind es ca. 490 von 1.036 Grundschulen mit Deutschunterricht, dabei wird in 29 Grundschulen Deutsch als Muttersprache unterrichtet. Die Gesamtzahl der Schüler, die Deutsch lernen, beträgt im Bezirk Oppeln 24.183 Schüler (von ca. 127.000), im Bezirk Kattowitz 35.428 Schüler. In den Kattowitzer Ober- und Berufsschulen wird im Schuljahr 1993/94 in 204 Schulen Deutschunterricht erteilt, an welchem 40.294 Schüler teilnehmen. Im Bezirk Oppeln wird in 25 von 30 Gymnasien und in 14 von 50 Berufsschulen Deutsch als Fremdsprache unterrichtet. Im Bezirk Tschenstochau (im Minderheitengebiet) unterrichtet man in 36 Grundschulen Deutsch, leider wird in keiner Schule Deutsch als Muttersprache unterrichtet. In ca. 100 Grundschulen im Bezirk Oppeln wartet man noch auf einen Deutschlehrer. Im Schuljahr 1994/95 hatte man im Bezirk Oppeln 81 Grundschulen mit muttersprachlichem Deutschunterricht, dazu noch zwei bilinguale Gymnasien in Oppeln. Im Schuljahr 1995/96 wird der muttersprachliche Deutschunterricht

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im Bezirk Oppeln in 132 von 614 Grundschulen erteilt, außerdem hat man vier bilinguale Gymnasien (zwei in Oppeln, eine in Groß Döbern, eine in Cosel). Im Schuljahr 1996/97 erteilt man den muttersprachlichen Deutschunterricht in 136 Grundschulen im Bezirk Oppeln. Aktuelle Angaben für das Schuljahr 2000/2001: Bezirk Oppeln: 174 Grundschulen und 34 Gymnasien mit muttersprachlichem Deutschunterricht. Bezirk Kattowitz: 60 Grundschulen und sieben Gymnasien mit muttersprachlichem Deutschunterricht. Man kann also eine positive Entwicklung registrieren, besonders in den kompakten Siedlungsgebieten der Minderheit. Die junge Generation in anderen Woiwodschaften hat einen sehr begrenzten oder keinen Zutritt zum muttersprachlichen Deutschunterricht. Es fehlen Schulen mit Internat. Die Träger (Gemeinden, Landkreise) haben wenig Haushaltsmittel. Die polnische Regierung mit Ministerpräsident Buzek führt keine (positive) Minderheitspolitik. Im Sejm, im Ausschuß für Nationale Minderheiten diskutiert man (nach zehnjähriger Arbeit) immer noch § 2 des Gesetzesentwurfs über Rechte und Pflichten der Minderheiten. Eine besondere Assimilierung findet bei vielen jungen Menschen statt – man legt einen hohen Wert auf den Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit, ohne Sorge um die deutsche Sprache, deutsche Kultur und deutsche Identität. Viele junge Menschen in Oberschlesien haben weder eine polnische noch eine deutsche Identität und haben weder die polnische noch die deutsche Sprache korrekt erlernt. Diese Verhaltensweise bildet eine Schicht von einfachen Hilfsarbeitern, ohne Perspektiven in der Zukunft. Die Perspektive des EU-Beitritts Polens hat einen sehr hohen Bedarf für Hochschulausbildung erweckt. Die Studentenzahl an polnischen Hochschulen hat sich vervielfacht. Auch die junge Generation der deutschen Minderheit nimmt an dieser Entwicklung teil. In der Region Oppeln ist der Anteil der jungen Oberschlesier an der Studentenzahl gesunken, obwohl die Zahl der Studierenden größer ist als vor 5 Jahren. Die polnische Jugend sieht die Zukunftsperspektiven in einem höheren Maße in der Ausbildung als die junge Generation der deutschen Minderheit. Diese Entwicklung bedeutet – langfristig gesehen – einen vorprogrammierten Untergang der deutschen Minderheit in Polen. Die politische Verantwortung müssen die Funktionäre und Politiker übernehmen, die die Förderung der materiellen Belange, besonders kommunaler Infrastruktur (Wasserleitungen, Kläranlagen, Kulturhäuser) vor Schulwesen und Bildungsmöglichkeiten stellen.

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Kurz gesagt: die deutsche Minderheit in Polen braucht eine gute, finanziell abgesicherte Kultur- und Bildungspolitik. Die kurzsichtige Machtpolitik in der Region Oppeln – zuerst die materielle Lage durch Förderungsmaßnahmen für ca. 700 Unternehmer und Landwirte zu verbessern – bedeutet verlorene Bildungsmöglichkeiten für die Jugend aus einem 300.000 Personen zählenden Teil der Bevölkerung in der Region Oppeln.

III. Die wirtschaftliche Lage der Jugend in Polen Als Folge des Übergangs von der Planwirtschaft zur Marktwirtschaft ist die junge Generation in Polen sehr hart mit Arbeitslosigkeit konfrontiert. Bis 1998 waren überwiegend Menschen ohne höhere Ausbildung betroffen – inzwischen hat sich die Lage verschärft. Aktuelle Daten für die Region Oppeln (23.02.2001): − Arbeitslosenquote: 16,1 % − Arbeitslosenzahl: 72.900 Personen Im Landkreis Kreuzburg hat man eine Arbeitslosenquote von über 20 % erreicht. Es handelt sich hier um Durchschnittswerte. Die Jugend ist wesentlich stärker durch die Arbeitslosigkeit betroffen – man kann von einer Quote von über 30 % sprechen. Laut der Angaben von Danuta BerliĔska, die als Beraterin des Woiwoden tätig ist, arbeiten ca. 90.000 Personen aus der Woiwodschaft in Deutschland. Diese Personen sind nicht in amtlichen Statistiken über fehlende Arbeitsplätze erfasst. In der Region Oppeln fehlen also gegenwärtig über 160.000 Arbeitsplätze, um eine Vollbeschäftigung in der Region zu erreichen. Ohne Arbeitsmöglichkeiten in Deutschland hätte die Region Oppeln eine Arbeitslosenquote von 36 %. Ein Arbeitsloser erhält durchschnittlich 460 Zloty (ca. € 110) monatlich, aber in der Regel nur über sechs Monate. Nach dieser Periode wird er als Sozialhilfeempfänger registriert, wobei die materielle Unterstützung drastisch sinkt. Nach meinen Erkenntnissen steht Polen vor großen wirtschaftlichen und sozialen Problemen, die besonders hart die Chancen der Jugend beeinflussen werden. Die Jugend nimmt also eine mögliche Emigration oft als normalen Weg an. Die polnische Jugend versucht meist eine akademische Ausbildung zu erreichen. Die junge Generation der deutschen Minderheit, arbeitet sehr oft – ohne korrekter Ausbildung – auf den Baustellen in Deutschland, sehr oft ab dem achtzehnten Lebensjahr. Der deutsche Paß und der Zutritt zum deutschen Arbeitsmarkt retten die Jugend vor materieller Armut. Der Preis dafür ist sehr hoch. Das traditionelle Familienleben zerfällt, die schlesische Kultur verschwindet, es breitet sich eine geistige Armut aus.

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Man versucht, in oberschlesischen Dörfern diese Armut mit Wohlstandssymbolen zu tarnen. Schöne Häuser und westliche PKWs sieht man überall. In den jungen Familien ist der Vater höchstens ein bis zwei Mal im Monat für ein bis zwei Tage zu sehen.

IV. Die Lage der deutschen Minderheit in der Tschechischen Republik Die innenpolitische und gesellschaftliche Lage bleibt in der Tschechischen Republik noch stärker als in Polen durch die Vergangenheit geprägt. Die Lage der kleinen deutschen Minderheit in Tschechien bleibt ungünstiger als die Lage der deutschen Minderheit in Polen. Die Rechnungen für zwischenstaatliche Probleme und für die Geschichte zahlen bis heute in Mittel- und Osteuropa die entsprechenden Minderheiten. Der Transformations-Schock ist in Tschechien geringer als in Polen. Die Arbeitslosenrate beträgt lediglich 3 %, was praktisch Vollbeschäftigung bedeutet. Es ist für die Jugend also leichter als in Polen. Es gibt keine Gebiete mit starker Konzentration der Deutschen in Tschechien. Diese Tatsache ermöglicht eine noch intensivere Assimilierungspolitik gegenüber Minderheiten.

V. Gemeinsame Politik für die Jugend Die weitere Existenz und Entfaltung der deutschen Minderheit in Polen hängt von der Zusammenarbeit der Minderheit mit beiden Staaten ab. Als Hauptziel dieser Politik bleibt: Gleichberechtigte Partizipation der deutschen Minderheit am gesellschaftlichen Leben in Polen unter Bewahrung der kulturellen Identität und die Wahrnehmung der Brückenfunktion in den deutsch-polnischen Beziehungen. Die gemeinsame Politik für die Minderheit soll folgende prioritäre Felder berücksichtigen: 1. Kultur- und Bildungsmaßnahmen − Förderung der deutschen Sprache als Mutter- und Fremdsprache. − Förderung der kulturellen Identität, gemeinschaftsfördernde Maßnahmen. − Förderung der Jugend der deutschen Minderheit, Berufsbildung, Existenzgründung, Studienmöglichkeiten in Deutschland.

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2. Teilnahme am gesellschaftlichen Leben in Polen − Förderung der zivilen Bürgergesellschaft, Förderung der Gliederungen der deutschen Minderheit, Förderung einer Minderheitenelite, deutschpolnische Landeskunde. − Starke Präsenz der deutschen Minderheit in der kommunalen und regionalen Selbstverwaltung (hauptsächlich Woiwodschaften Oppeln, Schlesien, Allenstein). − Wirtschaftsförderung und Regionalentwicklung (hauptsächlich in den Woiwodschaften Oppeln und Schlesien), ländliche Entwicklung, Agrarpolitik. − Förderung des Beitritts Polens in die EU und der Übernahme der Minderheitenstandards. 3. Sozialhilfe − Sozialhilfe für Senioren. − Förderung der Gesundheitsversorgung. Die Hilfsmittel aus dem Haushalt der Bundesrepublik sollen grundsätzlich für die Bereiche A und C verwendet werden. Die Teilnahme der deutschen Minderheit am gesellschaftlichen Leben in Polen soll mit polnischen Mitteln, im Rahmen der polnischen Minderheitenpolitik, unter Beteiligung von politischen Institutionen, bei voller Gleichberechtigung mit polnischen Mitbürgern, stattfinden. Eine weitere friedliche Entwicklung der Lage der deutschen Minderheit in Polen bildet weiter einen wichtigen Faktor in der deutsch-polnischen Zusammenarbeit. Diese Entwicklung soll die Chancen der Jugend auf eine freie und gleichberechtigte Bildung ihrer Identität sichern. Über diese Identität soll jeder junge Mensch persönlich entscheiden. Wer aber als Deutscher in seiner Heimat leben möchte, soll die Möglichkeit haben, Sprache, Kultur und Werte zu pflegen.

Abstract Gerhard Bartoziej: On the Situation of the German Minorities in the Republic of Poland and the Czech Republic. In: Minority Protection and Human Rights – Current Problems Particularly in the German-Polish Relations. Ed. by Dieter Blumenwitz (†), Gilbert H. Gornig, and Dietrich Murswiek (Berlin 2006), pp. 89-98. While the situation of the German minority in Poland has considerably improved after the political changes 1989/1990, an overall assessment shows that

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it is still far from being satisfactory. Due to the 45 years long pressure of a policy of “polonisation”, the retaining of a German identity has been a difficult task. In terms of education, some progress can be seen as to establishing classes in German for native speakers both at primary and secondary school. The biggest problem concerns the lack of sufficiently qualified teachers – a situation that has been rectified in the regions of Oppeln and Kattowice, but is still unsatisfactory in others. The lack of proper education favours assimilation. Accordingly, the survival of the German minority requires sound and financially potent action, especially in education and culture. Of particular concern is the economic situation of the youth in Poland that is to a higher percentage affected by unemployment – up to 36 percent in real terms in the region of Oppeln. This situation gives an incentive to go abroad, to Germany in particular, but means also a threat to the traditional family life and the Silesian culture. Thus, the future policy should aim at efforts in the cultural and educational sector, at encouraging participation in public affairs and the provision of social security. In the Czech Republic, the situation of the small German minority is even more difficult, since there are no areas with a high percentage of Germans. However, due to the smaller unemployment rate, the situation of the youth is better than in Poland.

Aktuelle Entwicklungen zur Vermögensfrage in den deutsch-polnischen Beziehungen Von Tobias H. Irmscher

I. Einleitung Anläßlich der zentralen Gedenkveranstaltungen zum 60. Jahrestag des Beginns des Warschauer Aufstands erklärte der deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder am 1. August 2004 öffentlich, daß es „… heute keinen Raum mehr für Restitutionsansprüche aus Deutschland geben [dürfe], die die Geschichte auf den Kopf stellen.“ Die Vermögensfragen, die mit dem Zweiten Weltkrieg zusammenhingen, seien „… für beide Regierungen kein Thema mehr in den deutsch-polnischen Beziehungen.“ Und weiter: „Weder die Bundesregierung noch andere ernstzunehmende politische Kräfte in Deutschland unterstützen individuelle Forderungen, soweit sie dennoch geltend gemacht werden.“1 Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem polnischen Ministerpräsidenten Belka am 27. September 2004 bestätigte der Bundeskanzler diese Sichtweise und stellte klar, daß er die Entschädigungsansprüche für rechtsgrundlos halte.2 Zugleich gaben die Regierungen Deutschlands und Polens bei den Professoren Frowein (Heidelberg) und Barcz (Warschau) ein Rechtsgutachten in Auftrag, in dem in erster Linie untersucht werden sollte,

___________ 1

Rede von Bundeskanzler Gerhard Schröder bei seinem Besuch zum 60. Jahrestag des Warschauer Aufstandes am 1. August 2004 in Warschau, Bulletin der Bundesregierung Nr. 73-1 vom 1.8.2004, S. 2; im Internet verfügbar unter www.bundesregierung.de (Stand: 1.10.2005). 2 Vgl. E. Klein, Gutachten zur Rechtslage des im heutigen Polen entzogenen Privateigentums Deutscher, Potsdam, 15. Februar 2005/ 4. April 2005, S. 104; s.a. Schriftliche Frage von Erwin Marschewski (CDU/CSU), BT-Ds. 15/3897, Nr. 7 (S. 7), unter Hinweis auf ddp vom 27.9.2004; Interview von Bundeskanzler Schröder mit der tschechischen Tageszeitung Hospodarske noviny, 4.10.2004, im Internet verfügbar unter www.bundeskanzler.de (Stand: 1.10.2005).

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„a) ob und welche Rechtsansprüche in Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg bestehen, die den Konsens in Frage stellen könnten, dass ‚es heute keinen Raum mehr für Restitutionsansprüche aus Deutschland geben‘ dürfe …, b) welche Rechtsmittel eingelegt werden können, um behauptete Ansprüche durchzusetzen und wie die Erfolgsaussichten wären.“

In ihrer Ausarbeitung vom 2. November 2004 kommen die beiden Gutachter – unter Außerachtlassung der Kulturgüterfrage – zu dem Ergebnis, daß keine Rechtsansprüche hinsichtlich der Enteignungen 1945 und unmittelbar danach bestünden, und daß der Versuch, solche gleichwohl vor polnischen, deutschen, amerikanischen oder internationalen Gerichten durchzusetzen, als aussichtslos bezeichnet werden könne.3 Diese Position hat sich die Bundesregierung zu eigen gemacht4 und damit ein neues Kapitel im Umgang mit den vermögensrechtlichen Ansprüchen der Heimatvertriebenen aus den heute zu Polen gehörenden Gebieten aufgeschlagen: Erstmals hat sie öffentlich den Standpunkt eingenommen, daß die offenen Vermögensfragen im deutsch-polnischen Verhältnis nunmehr erledigt seien. Die Erklärung des Bundeskanzlers und das nachfolgende Gutachten werfen freilich viel eher Fragen auf, als daß sie Antworten geben. Im Gegensatz zur bislang in Deutschland weitgehend unbestrittenen und auch von der Bundesregierung vertretenen Ansicht, daß die Frage der Durchsetzung bestehender vermögensrechtlicher Ansprüche der Vertriebenen offen sei, sollen nun alle Entschädigungs- bzw. Wiedergutmachungsansprüche „rechtsgrundlos“ geworden sein. Der nachfolgende Beitrag will mit Blick auf die Äußerungen des Bundeskanzlers das Schicksal der Vermögensansprüche der deutschen Vertriebenen untersuchen. Dies schließt - angesichts ihres Doppelcharakters als Behauptung und die Bundesrepublik bindende Äußerung - eine Erörterung der rechtlichen Wirkung der Erklärung mit ein. Hierzu sind zunächst die rechtlichen und tatsächlichen Grundlagen in Erinnerung zu rufen und eine rechtliche Bewertung der Konfiskationen an völkerrechtlichen Maßstäben vorzunehmen (II.). Sodann ist zu untersuchen, welche Gründe von der Bundesregierung für den Wechsel ihrer Auffassung vorgetragen werden (III.1.) und welche rechtlichen Wirkungen ihr per se zukommen (III.2.), ehe geprüft wird, welche Konsequenzen sich daraus für Regierungs- und Individualansprüche gegen Polen ergeben (IV.). ___________ 3

J. Barcz / J. A. Frowein, Gutachten zu Ansprüchen aus Deutschland gegen Polen in Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg, ZaöRV 65 (2005), S. 625-650. 4 Vgl. Antwort des Staatssekretärs Jürgen Chrobog vom 22. November 2004, BT-Ds. 15/4295, Nr. 4 (S. 2).

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II. Die Konfiskationen und ihre rechtliche Bewertung 1. Der Hintergrund Noch während der Endphase des vom nationalsozialistischen Deutschland mit dem Angriff gegen Polen begonnenen II. Weltkriegs kam es zu ersten Vertreibungsmaßnahmen gegen die in ihren Siedlungsgebieten verbliebene Zivilbevölkerung im Zusammenhang mit der Flucht vor der Roten Armee, den sog. wilden Vertreibungen im Gefolge des Einmarschs der Sowjettruppen und der an das Potsdamer Abkommen anknüpfenden Phase bis Frühjahr 1946.5 Bereits am 6. September 1944 hatte das Polnische Komitee der Nationalen Befreiung eine Bodenreform dekretiert, die auf landwirtschaftliches Vermögen deutscher Staatsangehöriger zurückgreifen sollte.6 Auf der Grundlage des Gesetzes über das verlassene und aufgegebene Vermögen vom 6. Mai 1945 wurde sämtliches bewegliches und unbewegliches Vermögen deutscher Staatsangehöriger in den reichsdeutschen Gebieten als „aufgegeben“ definiert und unter Staatsverwaltung gestellt.7 Industrie-, Bergbau-, Verkehrs-, Bank-, Versicherungs- und Handelsunternehmen wurden per Gesetz vom 3. Januar 1946 betreffend die Übernahme der Grundzweige der nationalen Wirtschaft in das Eigentum des Staates „ohne Entschädigung“ enteignet.8 Erst durch Art. 2 des sog. März-

___________ 5 Vgl. nur die einleitende Darstellung in: Bundesministerium für Vertriebene (Hrsg.), Dokumentation der Vertreibung der Deutschen aus Ost-Mitteleuropa, Nachdruck 1984, Bd. I/1 Die Vertreibung der deutschen Bevölkerung aus den Gebieten östlich der OderNeiße (Bd. 1), v.a. S. 136 E ff., sowie aus neuerer Zeit P. Ther, Deutsche und polnische Vertriebene, 1998; B. Nitschke, Vertreibung und Aussiedlung der deutschen Bevölkerung aus Polen 1945 bis 1949, 2. Aufl. 2004. 6 Bekanntmachung des Ministers für Landwirtschaft und Agrarreform vom 18. Januar 1945 betreffend die Veröffentlichung des einheitlichen Textes des Dekretes des Polnischen Komitees der Nationalen Befreiung vom 6. September 1944 über die Durchführung der Bodenreform, in: Bundesministerium für Vertriebene (Hrsg.), Dokumentation der Vertreibung der Deutschen aus Ost-Mitteleuropa, Nachdruck 1984, Bd. I/3 Die Vertreibung der deutschen Bevölkerung aus den Gebieten östlich der OderNeiße (Bd. 3), Nr. 10 (S. 27 ff.). 7 Dokumentation der Vertreibung der Deutschen (Fn. 6), S. XI; das Gesetz ist abgedruckt ebd., Nr. 20 (S. 65 ff.). 8 Hierzu N. von Redecker, Die polnischen Vertreibungsdekrete und die offenen Vermögensfragen zwischen Deutschland und Polen, 2. Aufl. 2004, S. 28 f.; der Text ist abgedruckt ebd., S. 78 ff., sowie in der Dokumentation der Vertreibung der Deutschen (Fn. 6), Nr. 39 (S. 97 ff.).

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Dekrets vom 8. März 1946 erfolgte die endgültige Konfiskation sämtlichen Vermögens der vertriebenen Deutschen.9

2. Rechtliche Bewertung der Konfiskationen a) Zur Rechtwidrigkeit der Konfiskationen (1) Die entschädigungslose Enteignung deutschen Privatvermögens stand und steht im Widerspruch zum geltenden Völkerrecht. Zwar waren die nach den Grenzen von 1937 deutschen Gebiete östlich von Oder und Neiße im Abschlußdokument der Potsdamer Konferenz vom 2. August 1945 – dem sog. „Potsdamer Abkommen“ – unter polnische Verwaltung gestellt worden, dies jedoch explizit unter dem Vorbehalt der endgültigen Festlegung der Westgrenze Polens.10 Die aus dem Potsdamer Abkommen folgende Verwaltungsübertragung an Polen konnte als res inter alios gesta schon Deutschland nicht entgegengehalten werden.11 Jedenfalls war Polen aber schon nach den Bestimmungen des Potsdamer Abkommens allenfalls Verwaltungsmacht unter der auflösenden Bedingung eines Friedensvertrages geworden.12 Es unterlag weiterhin den Begrenzungen des Kriegsvölkerrechts, insbesondere des dritten Abschnitts der damals bereits gewohnheitsrechtlich geltenden Haager Landkriegsordnung (HLKO).13 Gem. Art. 46 HLKO ist die Entziehung von Privateigentum grund___________ 9

Dokumentation der Vertreibung der Deutschen (Fn. 6), S. XII; das Dekret ist abgedruckt ebd., Nr. 38 (S. 126 ff.). 10 Abschnitt IX b) des Potsdamer Protokolls („Mitteilung über die Dreimächtekonferenz von Berlin“), ABl. Kontrollrat, Erg. Nr. 1, S. 13 ff.; abgedruckt in: Rechtsstellung Deutschlands (hrsg. von D. Rauschning), Beck-Texte im DTV, 1985, Nr. 6. S.a. BVerfGE 40, 141, 157 f. 11 Vgl. ausführlich D. Blumenwitz , Einführung, in: ders. (Hrsg.), Flucht und Vertreibung, S. 52 f.; ders., Das Offenhalten der Vermögensfrage in den deutsch-polnischen Beziehungen, 1992, S. 46. 12 D. Blumenwitz, Das Offenhalten (Fn. 11), S. 47. Zum Rechtsstatus des OderNeiße-Gebiets vgl. nur S. Krülle, Die völkerrechtlichen Aspekte des Oder-NeißeProblems, 1970, S. 151 ff., sowie aus neuerer Zeit B. Kempen, Die deutsch-polnische Grenze nach der Friedensregelung des Zwei-plus-Vier-Vertrags, 1997, S. 248 ff. 13 Anlage zum IV. Haager Abkommen vom 18.10.1907, RGBl. 1910, S. 107; abgedruckt in Sartorius II, Nr. 46. Für Deutschland trat das Abkommen am 27.11.1909, für Polen am 9.5.1925 in Kraft. Es enthält jedoch in Art. 2 eine Allbeteiligungsklausel. Zur gewohnheitsrechtlichen Geltung der in der Haager Landkriegsordnung enthaltenen Rechtssätze bereits während des Zweiten Weltkrieges vgl. Internationaler Militärgerichtshof, Prozeß gegen die Hauptkriegsverbrecher, 14. November 1945 bis 1. Oktober

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sätzlich unzulässig, eine Beschlagnahme nur hinsichtlich der in Art. 53 Abs. 2 HLKO aufgezählten Gegenstände rechtmäßig. (2) Die Rechtswidrigkeit der Konfiskationen ergibt sich auch nach den Maßstäben des Friedensvölkerrechts, namentlich des Fremdenrechts und der grundlegenden Bestimmungen zum Schutz der Menschenrechte. Zwar sind Staaten grundsätzlich frei, auf das Eigentum von Drittstaatsangehörigen zuzugreifen. Aus polnischer Sicht waren die angestammten Deutschen Ausländer, so daß sie dem Schutz des Fremdenrechts unterfielen.14 Der Eigentumsentzug darf dann jedoch nur unter der dreifachen Voraussetzung des Bestehens eines öffentlichen Interesses, ohne Diskriminierung und unter gleichzeitiger Zahlung einer angemessenen Entschädigung in einem geordneten Verfahren erfolgen.15 Dieser Mindeststandard für die Behandlung ausländischen Eigentums ist in mehrfacher Hinsicht verletzt worden: Es muß schon bezweifelt werden, daß überhaupt ein anerkennenswertes öffentliches Interesse bestand. Die Schaffung eines ethnisch homogenen Staates unter Vertreibung der übrigen Volksgruppe kann dies schon wegen der offenkundigen Völkerrechtswidrigkeit – dazu sogleich – nicht sein.16 Im übrigen sind die Enteignungsmaßnahmen auch diskriminierend, indem sie sich ausschließlich gegen Deutsche richten bzw. für diese Sondervorschriften im Vergleich zu polnischen Betroffenen enthalten.17 Die Völkerrechtswidrigkeit der Eigentumsentziehungen folgt gleichermaßen aus dem Fehlen jeglicher Entschädigung. Unabhängig davon, ob grundsätzlich voller materieller Ausgleich zu leisten ist oder dieser lediglich „angemessen“ ___________ 1946, Urteil, S. 260 ff., 267 ff.; s.a. C. Greenwood, in: Fleck (Hrsg.), Handbuch des humanitären Völkerrechts, 1994, Nr. 120. Der Umstand, daß die Bundesrepublik bereits im Warschauer Vertrag von 1972 und später im Grenzbestätigungsvertrag von 1991 ausdrücklich die polnische Westgrenze und damit die polnische Souveränität über die Gebiete akzeptiert hat, vermag hieran nichts zu ändern, da der Unrechtstatbestand zu beiden Zeitpunkten jeweils schon geschaffen worden war und die vermögensrechtlichen Folgen jeweils von der vertraglichen Regelung ausgeklammert blieben. 14 O. Kimminch, JZ 1971, 485; E. Klein, Diplomatischer Schutz im Hinblick auf Konfiskationen deutschen Vermögens durch Polen, 1992, S. 48. Die Volksdeutschen wurden durch das Dekret vom 13. September 1946 über den Ausschluß von Personen deutscher Nationalität aus der polnischen Volksgemeinschaft ausgebürgert, abgedruckt in: Dokumentation der Vertreibung der Deutschen (Fn. 6), Nr. 73 (S. 293 ff.). 15 Vgl. nur E. Klein, Diplomatischer Schutz (Fn. 14), S. 47 ff.; s.a. die Resolution 1803 (XVII) der UN-Generalversammlung vom 14.12.1962, Abs. 4. Zum Verfahrensaspekt vgl. nur E. Klein, ebd., S. 50; K.-H. Böckstiegel, Die allgemeinen Grundsätze des Völkerrechts über Eigentumsentziehungen, 1963, S. 100 ff. 16 E. Klein, Diplomatischer Schutz (Fn. 14), S. 48. 17 Hierzu ausführlich E. Klein, Diplomatischer Schutz (Fn. 14), S.49.

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oder „gerecht“ – d.h. faktisch eingeschränkt – sein muß, besteht doch Einigkeit in der völkerrechtlichen Praxis und Lehre, daß eine Enteignung ohne jegliche Entschädigung im Widerspruch zum völkerrechtlichen Fremdenrechtsstandard steht.18 (3) Die Rechtswidrigkeit der Konfiskationen folgt schließlich auch daraus, daß sie Bestandteil der Vertreibung der Deutschen aus ihrem angestammten Siedlungsgebiet waren.19 Die Vertreibung verstieß gegen elementare menschen- und kriegsvölkerrechtliche Garantien der Zeit; sie ist zudem mit überzeugenden Gründen als Völkermord eingestuft worden,20 dessen unbedingtes Verbot schon damals Bestandteil des zwingenden Völkerrechts war.21 Selbst wenn man diese Einschätzung nicht teilt, so besteht doch weitgehender Konsens darüber, daß die Ereignisse als „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ im Sinne von Art. 6 lit. c) des Statuts des IMT Nürnberg vom 8. August 1945 ein-

___________ 18

E. Klein, Diplomatischer Schutz (Fn. 14), S. 49 f. Siehe hierzu ausführlich die Dokumentation der Vertreibung der Deutschen (Fn. 5, 6); O. Kimminich, Die Menschenrechte in der Friedensregelung nach dem Zweiten Weltkrieg, 1990, S. 102 ff.; D. Blumenwitz (Hrsg.), Flucht und Vertreibung, 1987. 20 So für die Vertreibung der Sudentendeutschen aus der Tschechoslowakei F. Ermacora, Rechtsgutachten über Sudetendeutsche Fragen (1991), Ziff. 109, 185, auszugsweise abgedruckt in Europa Ethnica, Sonderheft 2002 (59. Jg.), S. 59 ff; vgl. auch C. Tomuschat, ZaöRV 56 (1996), S. 1, 12: „…einzelne Akte des Völkermords…“. Im Hinblick auf die Vertreibungen aus den Oder-Neiße-Gebieten D. Blumenwitz, Das Offenhalten (Fn. 11), S. 57, E. Klein, Diplomatischer Schutz (Fn. 14), S. 50 f.; allgemein auch J. Hübner, Das Verbrechen des Völkermordes im internationalen und nationalen Recht, 2004, S. 208 ff.; mit weitergehenden Zweifeln jetzt E. Klein, Gutachten (Fn. 2), S. 44. Die Vertreibungsmaßnahmen erfaßten eine nationale und ethnische Gruppe mit der Intension, sie in ihrer Heimat nahezu gänzlich zu zerstören. Die völlige physische Zerstörung der Gruppe ist, im Gegensatz zur Zerstörung ihres sozialen Zusammenhalts im angestammten Siedlungsgebiet, keine Voraussetzung des Genozides. Schutzgut der Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes ist nach jüngster Rechtsprechung „die Gruppe in ihrer sozialen Existenz (‚als solche’), als soziale Einheit in ihrer Besonderheit und Eigenart.“ Siehe hierzu allgemein zur neueren Rechtsprechung: BGHSt 45, 65, 80; BVerfG, NJW 2001, 1848 ff. Vgl. auch Resolution 47/121 der Generalversammlung der Vereinten Nationen vom 18. Dez. 1992. 21 Dazu D. Blumenwitz, Rechtsgutachten über die Verbrechen an den Deutschen in Jugoslawien 1944-1948, 2002, S. 26, und ausführlich J. Hübner (Fn. 20), S. 48 ff., 55 ff. 19

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gestuft werden müssen.22 Die Konfiskationen als Teil der Vertreibungspolitik nehmen an deren Rechtswidrigkeit teil.23

b) Keine Rechtfertigung (1) Die Wegnahme der Vermögenswerte ist unter keinem Gesichtspunkt zu rechtfertigen. Eine Rechtfertigung als Repressalie scheidet schon deshalb aus, weil diese als dezentrales völkerrechtliches Zwangsmittel lediglich der Herbeiführung eines rechtmäßigen Zustandes dienen dürfen, daher zeitlich beschränkt und sofort beendet werden müssen, wenn der Rechtsverstoß eingestellt und keine Wiederholung zu befürchten ist.24 Auch eine Rechtfertigung der Konfiskationen mit dem Kriegsbeuterecht kommt nicht in Betracht, enthält doch die HLKO neben dem Schutz des einzelnen und seines Privateigentums auch ein Plünderungsverbot (Art. 28, 47 HLKO).25 (2) Die Enteignungen können ebensowenig als Reparationsleistungen angesehen werden, selbst wenn diese Sichtweise von Polen immer wieder vertreten wurde.26 Reparationen sind Obligationen des Staates und können als solche von der Besatzungsmacht grundsätzlich nicht ohne weiteren Zwischenakt den Angehörigen des Feindstaats entzogen werden; dies zeigen schon die erwähnten Detailregelungen der HLKO zum Recht der occupatio bellica. Nach dem insoweit maßgeblichen Abschnitt IV Ziff. 2 Potsdamer Abkommen waren die polnischen Reparationsforderungen aus dem Anteil der Sowjetunion durch diese zu befriedigen. Ein eigenständiges Recht, sich aus den besetzten Gebieten für Reparationszwecke schadlos zu halten, wurde Polen also gerade nicht zuerkannt. Schon insoweit kann es sich also nicht um Reparationen handeln. Noch deutlicher zeigt aber das polnische Recht selbst, wie wenig die Konfiskationen deutscher Vermögen unter Reparationsgesichtspunkten erfolgte: Die Enteignungsgesetze und -dekrete enthalten keinerlei Hinweis auf den Reparations___________ 22

Vgl. ausführlich E. Klein, Gutachten (Fn. 2), S. 41 ff. unter Hinweis auf Art. 7 IStGH-Statut; Kimminich, Der Warschauer Vertrag – Grundlage oder Vernichtung privater Entschädigungsforderungen?, JZ 1971, 985 f.; D. Blumenwitz, Das Offenhalten (Fn. 11), S. 53 ff. unter Hinweis auf ein in der HLKO implizit enthaltenes, aus Art. 43, 46 und 50 abzuleitendes Deportationsverbot. 23 E. Klein, Diplomatischer Schutz (Fn. 14), S. 51. 24 Vgl. allgemein K.J. Partsch, „Reprisals“, in: R. Bernhardt (Hrsg.), EPIL IV, 2000, S. 200, 201. Gegen die Rechtfertigung als Repressalie auch D. Blumenwitz, Das Offenhalten (Fn. 11), S. 47 f., und ausführlich ders., Einführung (Fn. 11), S. 55 f. 25 D. Blumenwitz, Das Offenhalten (Fn. 11), S. 47 f. 26 Siehe nur J. Barcz / J.A. Frowein, ZaöRV 65 (2005), S. 625, 633.

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zweck, und Polen traf keinerlei Vorsorge für die Einbeziehung der entzogenen Vermögenswerte in eine spätere Reparationsregelung, beispielsweise durch Listung der eingezogenen Vermögenswerte oder vergleichbare Verlautbarungen.27 Es ist an dieser Stelle nicht weiter zu vertiefen, daß die Vertreibungen und die damit in Zusammenhang stehenden Konfiskationen in erster Linie eine radikale Lösung von Minderheitenfragen und zudem Nationalisierungsmaßnahmen mit kollektivem Strafcharakter darstellten.28 (3) Auch im übrigen läßt sich eine Rechtfertigung der Konfiskationen nicht unter Hinweis auf das Potsdamer Abkommen rechtfertigen. Unabhängig von der Frage der Rechtmäßigkeit der darin enthaltenen Vereinbarungen29 und dem Umstand, daß Deutschland hieran nicht beteiligt war, hatte Polen in den OderNeiße-Gebieten nur den Status einer Verwaltungsmacht erlangt, der es weiterhin den Bestimmungen des Rechts der kriegerischen Besetzung unterwarf. Eine Rechtfertigung gem. Abschnitt XIII betreffend die „Überführung der deutschen Bevölkerung“ kommt ebenso nicht in betracht, weil sie unter dem doppelten Vorbehalt stand, daß sie „in ordnungsgemäßer und humaner Weise erfolgen“ und zudem vorläufig ausgesetzt werden solle. Per se rechtswidrige Vertreibungshandlungen wie die entschädigungslosen Enteignungen konnten damit von der Ermächtigung im Potsdamer Protokoll nicht erfaßt sein, ebensowenig diejenigen Vertreibungsmaßnahmen, die vor dem Vertreibungsplan des Kontrollrates vom 20. November 1945 vollzogen wurden.30 Überdies verbietet es sich schon aus systematischen Gründen, in dem der „Ordnungsmäßigen Überführung deutscher Bevölkerungsteile“ gewidmeten XIII. Abschnitt des Potsdamer Protokolls eine Zugriffsberechtigung auf Privatvermögen zu sehen, wenn doch die Reparationsfrage explizit in Abschnitt IV. geregelt ist.31 Ergänzt sei, daß nicht nur Polen, sondern auch die Alliierten insgesamt an die Bestimmungen der HLKO als Besatzungsmächte gebunden waren,32 weshalb auch aus ___________ 27

D. Blumenwitz, Das Offenhalten (Fn. 11), S. 64 f mit Fn. 244. D. Blumenwitz, Die vermögensrechtlichen Folgen der Ostverträge, JOR 1972, 179, 242. 29 Mit deutlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit: J.A. Frowein, „Potsdam Agreements on Germany (1945)“ in: R. Bernhardt (Hrsg.), EPIL III, 1997, S. 1087, 1091. 30 Vgl. K. Skubiszewski, Administration of Territory and Sovereignty, A Comment on the Potsdam Agreement, AVR 23 (1985), 31, 32. 31 Vgl. H. Raschhofer, Die Vermögenskonfiskationen der Ostblockstaaten, 1956, S. 16 f. 32 So jedenfalls die deutsche Doktrin, anders die Sichtweise der Alliierten, vgl. nur J.A. Frowein, „Potsdam Agreements on Germany (1945)“ in: R. Bernhardt (Hrsg.), EPIL III, 1997, S. 1087, 1091; D. Blumenwitz, JOR 1970, 179, 185 ff. 28

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diesem Grund der Hinweis auf das Potsdamer Abkommen als Rechtfertigung für ein Abweichen von diesen Vorschriften fehlgeht.33

3. Die bisherige Position der Bundesregierung Die Bundesregierung hat diese Enteignungen in der Vergangenheit nie als rechtmäßig anerkannt, so daß auch eine Rechtfertigung qua Zustimmung Deutschlands ausscheidet.34 Bereits in den 1950er Jahren hat die Bundesregierung dies unmißverständlich deutlich gemacht.35 Bei den Verhandlungen über den Warschauer Vertrag legte die deutsche Delegation Wert auf die Feststellung, daß in dessen Abschluß keine Anerkennung der Rechtmäßigkeit der mit der Vertreibung zusammenhängenden Maßnahmen einschließlich der Eigentumseingriffe gesehen werden könne.36 Das Bundesverfassungsgericht stellte entsprechend fest, daß dem Warschauer Vertrags vom 7. Dezember 1970 eine solche Anerkennungswirkung nicht zukomme; der Vertrag befasse sich schlicht nicht mit Fragen des Privateigentums.37 Die gleiche Position hatte die Bundesregierung 1974 in einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage eingenommen.38 Eine Änderung dieser Haltung erfolgte nicht im Kontext des Zwei-plusVier-Prozesses und dem deutsch-polnischen Grenzbestätigungsvertrag vom 14. November 1990. Die Regierung erklärte, daß dieser Vertrag keineswegs die Eigentumsrechte Privater betreffe, und sie die Vertreibung und entschädigungslose Enteignung nie gebilligt habe.39 Der am 17. Juni 1991 abgeschlossene deutsch-polnische Vertrag über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Be___________ 33 Siehe dazu, wenn auch mit anderer Argumentation, E. Klein, Diplomatischer Schutz (Fn. 14), S. 52. 34 Zur fehlenden Zustimmung Deutschlands zum Potsdamer Abkommen vgl. J.A. Frowein, „Potsdam Agreements on Germany (1945)“ in R. Bernhardt (Hrsg.), EPIL III, 1997, S. 1087, 1091. 35 S. D. Blumenwitz, JOR 1972, 179, 188 f. Vgl. auch die ebd. in Fn. 21 wiedergegebene Stellungnahme des Auswärtigen Amtes vom 17.2.1971. 36 Deutscher Bundestag, 7. Wp., 125. Sitzung, Sten.Ber. S. 8359 B; Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung, 8.12.1970, Nr. 171, S. 1818 (1819). 37 BVerfGE 40, 141, 167. 38 Antwort von Bundesaußenminister Genscher vom 25. Juli 1974…, BT-Ds. 7/2465, S. 4. 39 Antwort von Staatsministerin Dr. Adam-Schwaetzer vom 23. April 1990 …, BT-Ds. 11/7033, S. 2.

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ziehungen, der am gleichen Tag wie der Grenzbestätigungsvertrag in Kraft trat, wurde von einem Briefwechsel begleitet, in dem beide Seiten übereinstimmend erklärten, daß sich der Vertrag nicht mit Vermögensfragen befasse.40 Im übrigen hat die Bundesregierung, insbesondere das Auswärtige Amt, wiederholt in verwaltungsgerichtlichen Streitverfahren auf Gewährung diplomatischen Schutzes vorgetragen, daß sie von der Rechtswidrigkeit der Vertreibung und der entschädigungslosen Eigentumsentziehung ausgehe.41 Auch später wurden zahlreiche parlamentarische Anfragen immer wieder im gleichen Sinne beschieden, daß die Vermögensfrage unverändert offen sei und die Bundesregierung weiterhin den Rechtsstandpunkt einnehme, daß die Vertreibungen und die Konfiskationen rechtswidrig gewesen seien und dieser Rechtsstandpunkt auch Polen gegenüber vertreten werde.42

III. Die Erklärung des Bundeskanzlers Bundeskanzler Schröder bricht mit dieser bisherigen Einschätzung seiner Vorgänger, wenn er die Vertriebenenansprüche nunmehr als rechtsgrundlos bezeichnet und die Vermögensfrage als erledigt deutet.43 Seiner Erklärung kommt, wie bereits angedeutet, eine doppelte Funktion zu. Sie ist nicht nur eine Behauptung, deren Richtigkeit noch zu untersuchen ist (unten 1.), sie ist auch und insbesondere eine für die Bundesrepublik nach außen wirkende Stellungnahme, der als solche konstitutive Wirkung zukommen kann (2.).

___________ 40 Briefwechsel zum Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit vom 17. Juni 1991, Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung, 1991, S. 547, abgedruckt auch in D. Blumenwitz, Das Offenhalten (Fn. 11), S. 123 f. 41 Siehe nur den bei E. Klein, Diplomatischer Schutz (Fn. 14), S. 54, Fn. 194, zitierten Fall Dobberstein, VG Köln, Urt. v. 19.6.1991 – 8 K 751/90, S. 5. 42 Vgl. nur Antwort von Staatsminister Verheugen vom 9. Februar 1999, BT-Ds. 14/373, Nr. 11 (S. 7); Antwort der Staatsministerin Seiler-Albring vom 28. Mai 1993, BT-Ds. 12/5054, Nr. 4; weitere Nachweise bei E. Klein, Gutachten (Fn. 2), S. 57 ff. 43 Anders die – begründungslose – Antwort der Staatsministerin Kerstin Müller vom 13. August 2004, BT-Ds. 15/3642, Nr. 13 (S. 10): „Die Bundesregierung hat ihre Rechtsauffassung nicht geändert.“

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1. Die neue Einschätzung der Rechtslage durch die Bundesregierung Die Feststellung des Bundeskanzlers besteht aus verschiedenen Teilaspekten, die überwiegend (politische) Forderungen darstellen.44 Die einzige tatsachenbezogene Aussage ist, daß die Entschädigungsansprüche der Vertriebenen rechtsgrundlos seien. Eine Begründung für diese Sichtweise gibt der Bundeskanzler nicht, lediglich zwei Anhaltspunkte: mit dem Verweis auf den Beginn des Krieges durch Deutschland und der Aussage, daß die Vermögensfragen „für beide Regierungen kein Thema mehr“ seien. a) Der erste Punkt läßt den Reparations- oder Kriegsentschädigungsgedanken anklingen: Haftung der Vertriebenen wegen der völkerrechtswidrigen Führung eines Angriffskrieges Deutschlands gegen Polen. Der zweite Punkt unterstreicht diese Sichtweise, indem er die Vermögensfragen beider Regierungen miteinander verknüpft: etwaige polnische Reparationsforderungen einerseits und die Rückgabe- und Entschädigungsansprüche deutscher Vertriebener andererseits seien erledigt.45 Dieser Ansatz wird in dem von Regierungen beauftragten Gutachten der Professoren Frowein und Barcz weiterentwickelt und so auch von der deutschen Regierung unterstützt.46 Dort heißt es: „ … für die Position der Bundesrepublik Deutschland [ist] die Zäsur des Vertrages über die abschließende Regelung in bezug auf Deutschland vom 12.9.1990 [sog. Zwei-plus-Vier-Vertrag] hier von besonderer Bedeutung ... Die Bundesrepublik Deutschland hat von Anfang an die Haltung eingenommen, dass mit diesem Vertrag auch das Problem von Reparationsforderungen auf der Grundlage des Zweiten Weltkrieges gegen Deutschland als erledigt angesehen werden muss. Dann liegt es aber nicht nur nahe, sondern scheint beinahe zwingend, dass umgekehrt auch die Bundesrepublik Deutschland vermögensrechtliche Ansprüche auf der Grundlage des Zweiten Weltkriegs nicht weiter erheben kann. Jedenfalls scheint es im Rahmen des außenpolitischen Ermessens der Bundesregierung sehr gut vertretbar, diese Haltung nunmehr einzunehmen.“47

Auch die beiden Gutachter verweisen somit auf den Zusammenhang zwischen Reparationsforderungen gegen Deutschland einerseits und den vermögensrechtlichen Ansprüchen andererseits, ergänzen dies aber mit einem Hin___________ 44

Hierzu sogleich unter III.2.a), S. 117. So auch die Interpretation von J. Barcz / J.A. Frowein, ZaöRV 65 (2005), S. 625, 629, die als autoritativ für die Bundesregierung gelten kann (siehe sogleich, Fn. 46). 46 Vgl. Antwort des Staatssekretärs Jürgen Chrobog vom 22. November 2004, BT-Ds. 15/4295, Nr. 4 (S. 2); Antwort der Staatsministerin Kerstin Müller vom 5. Juli 2005, BT-Ds. 15/5905, Nr. 13 (S. 9, 10). 47 J. Barcz / J.A. Frowein, ZaöRV 65 (2005), S. 625, 634. 45

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weis auf den Zwei-plus-Vier-Vertrag. Der Briefwechsel zum Nachbarschaftsvertrag stehe dem Ergebnis nicht entgegen, weil er lediglich besage, daß sich der Vertrag mit Vermögensfragen nicht befaßt.48 Die Bundesregierung hat diese Sichtweise, und damit die entsprechende Begründung, ausdrücklich übernommen.49 b) Die Begründung überzeugt nicht. Bereits oben wurde dargelegt, daß die Konfiskationen nicht als Reparationsleistungen angesehen werden können. Allenfalls Reparationen können aber in Zusammenhang mit der illegalen Kriegseröffnung gebracht werden; der im Vertreibungskontext erfolgte entschädigungslose Zugriff auf Privateigentum – der eben keine Reparationsmaßnahme darstellte – kann damit nicht gerechtfertigt werden. Nur deshalb konnte die Frage der vermögensrechtlichen Ansprüche bislang – auch von der Bundesregierung – als offen betrachtet werden. (1) Der Abschluß des Zwei-plus-Vier-Vertrages hat an dieser Situation nichts ändern können: Er verpflichtet Deutschland auf eine Bestätigung des endgültigen Charakters der Grenzen des vereinten Deutschlands und stellt fest, daß es keine Gebietsansprüche geltend macht (Art. 1 Abs. 2 und 3). Ganz generell wird mit diesem Regelungswerk eine abschließende Regelung in bezug auf Deutschland getroffen (vgl. Abs. 10 der Präambel sowie den Titel). Damit muß die Frage deutscher Reparationen tatsächlich als erledigt gelten, wenngleich sie in zahlreichen Konstellationen auch nach 1990 erneut aufgeworfen wurde und z.T. zu Zahlungen von deutscher Seite führte.50 Offene Vermögensansprüche der deutschen Heimatvertriebenen – also private Ansprüche – behandelte der die Rechtsstellung Deutschlands als Staat regelnde Zwei-plus-Vier-Vertrag hingegen nicht.51 Ebensowenig verpflichtete er Deutschland innerstaatlich zu ___________ 48

J. Barcz / J.A. Frowein, ZaöRV 65 (2005), S. 625, 635. Vgl. Antwort des Staatssekretärs Jürgen Chrobog vom 22. November 2004, BT-Ds. 15/4295, Nr. 4 (S. 2); Antwort der Staatsministerin Kerstin Müller vom 5. Juli 2005, BT-Ds. 15/5905, Nr. 13 (S. 9, 10). 50 Vgl. hierzu allgemein D. Blumenwitz, Die Fragen der deutschen Reparationen in; H.J. Cremer u.a. (Hrsg.), Tradition und Weltoffenheit des Rechts – Festschrift für Helmut Steinberger, 2002, S. 63 ff. Noch der deutsch-amerikanische Vertrag betreffend die Errichtung der Zwangsarbeiterstiftung vom 17. Juni 2000 enthält eine Klausel, daß die USA keinerlei Reparationsanspüche gegen Deutschland erheben würden (Art. 3 Abs. 3). 51 D. Blumenwitz, Die Offenheit der Vermögensfrage in den Beziehungen zwischen Deutschland und seinen östlichen Nachbarn im Lichte der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Reparationsenteignung, in: ders. / G. Gornig / D. Murswiek, Rechtsanspruch und Rechtswirklichkeit des europäischen Minderheitenschutzes, 1998, S. 153, 155. 49

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einer Regelung der offenen Vermögensfragen, was denkbar gewesen wäre. Die den beiden Gutachtern zufolge „zwingende“ Verbindung von Vermögens- und der Reparationsfrage kann somit allenfalls politischem Wunschdenken, nicht aber einer nüchternen rechtlichen Analyse entspringen, ist doch erstere durch den Vertrag geklärt worden, letztere jedoch gerade nicht. (2) Im übrigen hat das Bundesverfassungsgericht bereits 1975 im Ostvertragsbeschluß die These zurückgewiesen, Entschädigungs- oder Restitutionsansprüche seien durch Aufrechnung mit der Reparationsschuld untergegangen.52 Dabei stützte es sich maßgeblich auf die Erwägung, daß in der Folge des bei den Vertragsverhandlungen zum Warschauer Vertrag erneut bestätigten Reparationsverzichts Polens gegenüber Deutschland vom 23. August 195353 Reparationsforderungen, die zur Aufrechnung hätten gestellt werden können, nicht mehr bestanden hätten.54 Für die Beurteilung der mit dem Zwei-plus-VierVertrag geschaffenen Situation kann nichts anderes gelten: Wenn schon 1970 Reparationsforderungen, mit denen hätte aufgerechnet werden können, nicht mehr bestanden, so muß dies im Jahr 1990 wie auch 2004 erst recht so gewesen sein. Sie bestehen seit dem Verzicht Polens schlicht nicht mehr. (3) Auch der im 1954 zwischen der Bundesrepublik und den drei Westmächten abgeschlossenen Überleitungsvertrag55 enthaltene Einwendungsverzicht vermag entgegen dem Gutachten56 die Position des Bundeskanzlers nicht zu stützen. Art. 3 Abs. 1 Teil VI (Reparationen) des Überleitungsvertrags, dessen unbegrenzte Fortgeltung unter Aufhebung der Entschädigungsverpflich-

___________ 52

O. Kimminich, JZ 1971, 485, 489. Die Verzichtserklärung ist in deutscher Übersetzung abgedruckt bei D. Blumenwitz, Das Offenhalten (Fn. 11), S. 130, ebenso das amtliche Kommuniqué der Bundesregierung zum Abschluß des Warschauer Vertrags, in dem die Bestätigung des Verzichts wiedergegeben wird (S. 131). Zu den jüngst erhobenen Zweifeln an der Rechtsgültigkeit der Verzichtserklärung vgl. demnächst T.H. Irmscher, Zu den offenen deutsch-polnischen Vermögensfragen, in: WeltTrends (2006). 54 BVerfGE 40, 141, 168 f. 55 Vertrag zur Regelung aus Krieg und Besatzung entstandener Fragen, BGBl. 1954 II, S. 157. Der Vertrag wurde nach dem Scheitern der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft erst in der Fassung des am 23. Oktober 1954 in Paris unterzeichneten Protokolls über die Beendigung des Besatzungsregimes in der Bundesrepublik Deutschland (BGBl. 1955 II, S. 405) in Kraft gesetzt. 56 J. Barcz / J.A. Frowein, ZaöRV 65 (2005), S. 625, 632 f., unter Hinweis auf J.A. Frowein, Zur verfassungsrechtlichen Beurteilung des Warschauer Vertrages, JIR 18 (1975), 11, 25. 53

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tung Deutschlands durch Notenwechsel vom 27./28. September 199057 vereinbart wurde, besagt: „Die Bundesrepublik wird in Zukunft keine Einwendungen gegen die Maßnahmen erheben, die gegen das deutsche Auslands- oder sonstige Vermögen durchgeführt worden sind oder werden sollen, das beschlagnahmt ist für Zwecke der Reparation oder Restitution oder auf Grund des Kriegszustandes oder auf Grund von Abkommen, die die Drei Mächte mit anderen alliierten Staaten, neutralen Staaten oder ehemaligen Bundesgenossen Deutschlands geschlossen haben oder schließen werden.“

Mit dieser Formulierung erfolgte keine Anerkennung der alliierten Maßnahmen gegen deutsches Auslandsvermögen, sondern nur die Festschreibung des diesbezüglichen Rechtsvorbehalts der deutschen Seite, auf dessen künftige Wiederholung man insofern verzichten zu können glaubte.58 Vor allem erfaßte der Einwendungsverzicht nicht die polnischen Konfiskationen in den OderNeiße-Gebieten. Eine dahingehende Äußerung des Staatssekretärs im Bundesjustizministerium Dr. de With, daß der Einwendungsverzicht Maßnahmen gegen die polnischen Konfiskationen verwehren59, blieb vereinzelt und hat vor allem von seiten der Wissenschaft deutlichen Widerspruch auf sich gezogen. In späteren Antworten rückte die Bundesregierung von dieser Sichtweise wieder ab.60 Sie ist aus mehreren Gründen auch nicht zutreffend. Denn die gegen Polen gerichteten Ansprüche wegen der Konfiskation privaten Eigentums sind vor allem ratione materiae nicht von dem Einwendungsausschluß erfaßt. Wie bereits dargestellt, erfolgten die Enteignungen insbesondere nicht zu „Zwecken der Reparation“.61 Im Hinblick auf den Überleitungsvertrag wird das oben gefundene Ergebnis noch durch Folgendes erhärtet: Maßgeblich für die Auslegung des Reparationsbegriffs ist die Auffassung der Vertragsparteien62 – hier: des Überleitungsvertrages –, zu denen weder die Sowjetunion noch Polen zählen. Aus Sicht der Westalliierten bezweckte der Einwendungsverzicht si___________ 57 Vereinbarung vom 27./28. September 1990 zu dem Vertrag über die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Drei Mächten (in der geänderten Fassung) sowie zu dem Vertrag zur Regelung aus Krieg und Besatzung entstandener Fragen (in der geänderten Fassung), BGBl. 1990 II, S. 1386. 58 Denkschrift zum Deutschlandvertrag, Anlage 4 zu BT-Ds. 1/3500, S. 55; H. Kutscher, Bonner Vertrag, 1952, S. 221. 59 BT, Prot. 7/9534 ff., 7/10949-10954; dazu auch D. Blumenwitz, Das Offenhalten (Fn. 11), S. 63 f. 60 Vgl. Antwort der Staatsministerin Seiler-Albring vom 28. Mai 1993, BT-Ds. 12/5054, Nr. 4. 61 Siehe nur oben II.2.b), S. 107. 62 Vgl. nur die in Art. 31 Abs. 2 und 3 Wiener Vertragsrechtskonvention kodifizierten gewohnheitsrechtlichen Auslegungsregeln.

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cherzustellen, daß der Reparationsmasse keine Vermögenswerte entzogen würden. Reparationsmasse ist aber nicht das, was sich jeder einzelne Staat angeeignet hatte, sondern – aus der maßgeblichen Perspektive der Westalliierten – das, was dem Konto der Inter-Allied Reparation Agency (IARA) in Brüssel als Verwalter der Reparationsmasse „West“ i.S.v. Abschnitt IV Ziff. 3 Potsdamer Protokoll zugeflossen war. Polen war nicht Vertragspartei des die IARA einrichtenden Pariser Reparationsabkommens vom 14. Januar 1946.63 Seine Reparationsforderungen waren gem. Abschnitt IV Ziff. 2 Potsdamer Abkommen durch die Sowjetunion aus deren eigenem Anteil zu befriedigen. Daß die Eigentumsentziehungen nicht „auf Grund des Kriegszustandes“ erfolgten, ergibt sich bereits aus dem zu den kriegsvölkerrechtlichen Regeln Dargelegten. Angesichts des offenkundigen Verstoßes gegen die HLKO und weitere elementare Vorschriften kommt eine Verknüpfung der Vertreibungsmaßnahmen mit Kriegshandlungen – die zum Zeitpunkt der Konfiskationsdelikte ohnehin unter keinem denkbaren Gesichtspunkt mehr erfolgten – nicht in Betracht.64 Der Einwendungsverzicht ist schließlich auch nicht im Hinblick auf die dritte Alternative einschlägig65, da ein Vertrag der Drei Mächte mit Polen nicht bestand. Das Potsdamer Abkommen kann, obwohl mit der Sowjetunion abgeschlossen, bereits kaum unter den Wortlaut der Vorschrift subsumiert werden,66 würde doch so der Unterschied zwischen den „Drei Mächten“ und den „Vier Mächten“ völlig übergangen.67 Die Einbeziehung des Potsdamer Abkommens in den Regelungsbereich des Überleitungsvertrages widerspräche aber v.a. Sinn und Zweck der Bestimmung, die allein die Erhaltung der Reparationsmasse „West“, d.h. zugunsten der Westalliierten sicherstellen sollte.68 Eine Ausdehnung war im übrigen weder beabsichtigt, noch gibt es sonst irgendeinen Anhaltspunkt dafür, daß die Vorschrift des Überleitungsvertrages im Verhältnis zu

___________ 63

H. Rumpf, AVR 23 (1985), 74, 79; W. CzapliĔski, Vermögensrechtliche Probleme in den Beziehungen VRP-BRD, Polnische Weststudien VII (1988), S. 95, 130. 64 D. Blumenwitz, Das Offenhalten (Fn. 11), S. 64. 65 So aber J. Barcz / J.A. Frowein, ZaöRV 65 (2005), S. 625, 633. 66 So aber J.A. Frowein, JIR 18 (1975), 11, 25. 67 Vgl. zur Signifikanz dieser Unterscheidung nur BVerfG, EuGRZ 1998, 408. 68 In Abschnitt IV des Potsdamer Abkommens wurde unterschieden zwischen den Reparationen für die Sowjetunion und Polens einerseits (Abs. 1 und 2) und denen für die USA, das Vereinigte Königreich und die anderen berechtigten Länder andererseits (Abs. 3) – vgl. hierzu auch H. Rumpf, AVR 23 (1985), S. 74, 79.

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Polen drittbegünstigende Wirkung entfalten sollte oder auch nur könnte69 – unabhängig von dem bereits dargelegten Umstand, daß die Konfiskationen vom Potsdamer Abkommen nicht gedeckt sind. c) Letztlich wird die Frage, ob tatsächlich Gründe für eine neue Beurteilung der Vermögensfrage bestehen, auch in dem von der Regierung autorisierten deutsch-polnische Gutachten nicht abschließend beantwortet. Es wird nur kurzerhand darauf verwiesen, daß das weite außenpolitische Ermessen der Bundesregierung dieser gestatte, eine solche Haltung nunmehr einzunehmen.70 Es ist durchaus zutreffend, daß der Bundesregierung im auswärtigen Bereich ein eher weit gefaßter Ermessensspielraum zusteht.71 Dieser stellt aber weder eine eigenständige Begründung für die Neubeurteilung dar, noch vermag er eine bestehende rechtliche Situation zu ändern. Vor allem besteht dieser Ermessensspielraum nicht losgelöst von jeglicher Rechtsnorm: welche dies sein könnte, bleibt verschwommen. Der Sache nach bezieht sich dieser Hinweis allein auf die Frage eines Anspruchs auf Gewährung diplomatischen Schutzes. Hier ist – auf der Rechtsfolgenseite – ein weiter Ermessenspielraum der Bundesregierung anerkannt. Nur diesbezüglich, inwieweit sich also die Bundesregierung für ihre Staatsangehörigen Polen gegenüber verwendet, ist der Handlungsspielraum der Regierung maßgeblich. Auf das Vorliegen der Voraussetzungen – die Betroffenheit deutscher Staatsbürger in ihren grundrechtlich geschützten Rechtspositionen72 durch den völkerrechtswidrigen Akt eines fremden Staates – und damit die Frage des grundsätzlichen Bestehens vermögensrechtlicher Ansprüche kann ___________ 69

D. Blumenwitz, Das Offenhalten (Fn. 11), S. 64; ders., JOR 1972, 179, 242. Die Denkschrift zum Deutschlandvertrag, Anlage 4 zu BT-Ds. 1/3500, S. 3, 4, stellt unmißverständlich klar, daß sich dieser Vertrag politisch gerade gegen die Sowjetunion richtet; eine Begünstigung der Sowjetunion und der anderen Ostblockstaaten, Polen eingeschlossen, ist damit fernliegend. Auch die polnische Lehre geht im übrigen davon aus, daß der Überleitungsvertrag allein die Reparationen zugunsten der Westmächte behandelte – vgl. W. CzapliĔski, Polnische Weststudien VII (1988), S. 95, 127. Eine zeitgenössische Kommentierung des Überleitungsvertrags erwägt denn auch gar nicht, daß die Bestimmung auch das Potsdamer Abkommen in bezug nehmen könnte, sondern benennt als einschlägige Verträge das Pariser Reparationsabkommen, das Londoner Abkommen über die deutschen Patente vom 27. Juli 1949, die sog. „Safe-HavenAbkommen der Westalliierten mit der Schweiz, Schweden, Spanien und Portugal sowie die Friedensverträge mit Italien, Ungarn, Rumänien, Bulgarien, Finnland (1947) und Japan (1951) – vgl. H. Kutscher, Bonner Vertrag, S. 219. 70 J. Barcz / J.A. Frowein, ZaöRV 65 (2005), S. 625, 634. 71 BVerfG 55, 349, 365; s.a. E. Klein, Diplomatischer Schutz (Fn. 14), S. 39. 72 Diplomatischer Schutz kann nicht nur bei der Verletzung grundrechtlicher Rechtspositionen gewährt werden, jedenfalls dann besteht jedoch ein verfassungsrechtlicher Anspruch auf diplomatischen Schutz gegen die eigene Regierung – hierzu E. Klein, Diplomatischer Schutz (Fn. 14), S. 37 ff.

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der bestehende Ermessensspielraum keine Auswirkung haben. Einen „Rechtswandel durch Besserwissen“73 kennt das Rechtsystem der Bundesrepublik Deutschland nicht, selbst wenn es sich um Erkenntnisse eines ihrer höchsten Staatsorgane handelt.

2. Die rechtliche Wirkung der Äußerung des Bundeskanzlers Gleichwohl können sich aus der Äußerung des Bundeskanzlers ungeachtet ihrer materiellen Unrichtigkeit rechtliche Konsequenzen ergeben – innerstaatlich, wenn damit die Gewährung diplomatischen Schutzes ausgeschlossen wird (c); und völkerrechtlich im Hinblick auf die Schaffung möglicher Vertrauenstatbestände, soweit von der bisher eingenommenen Position der Bundesregierung abgewichen wird (b). Dabei ist zwischen den einzelnen Teilaspekten zu differenzieren; lediglich feststellende Aussagen können für sich genommen keinen Regelungscharakter und damit auch keine rechtlichen Wirkungen entfalten (a).

a) Die Teilaspekte der Warschauer Erklärung In der Äußerung des Bundeskanzlers lassen sich vier Aussagen unterscheiden, die der Form nach bloße Feststellungen sind: (i) es dürfe keinen Raum mehr für Restitutionsansprüche aus Deutschland geben, (ii) die mit dem Zweiten Weltkrieg zusammenhängenden Vermögensfragen seien kein Thema mehr in den deutsch-polnischen Beziehungen, (iii) die Bundesregierung oder andere politische Kräfte (sic !) in Deutschland unterstützten individuelle Forderungen nicht mehr und (iv) die Entschädigungsansprüche seien rechtsgrundlos. Im Gegensatz zur letzten Aussage (iv), deren sachliche Richtigkeit bereits oben weitreichender Kritik unterzogen wurde, und der ersten, die lediglich eine politische Forderung zum Ausdruck bringt („Es darf …“), kommt den beiden übrigen Ausführungen möglicherweise auch Regelungswirkung zu. Nach Ansicht der deutsch-polnischen Gutachter bewirke die Warschauer Erklärung in___________ 73 So D. Blumenwitz, „Rechtswandel durch Besserwissen des Bundeskanzlers“, Bayernkurier vom 18.11.2004.

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soweit eine eindeutige Regelung etwaiger deutscher Ansprüche: Diese seien nach Maßgabe des Estoppel-Prinzips nunmehr ausgeschlossen.74 Die Aussage (iii) will ein unterstützenden Tätigwerden der Bundesregierung für die Zukunft ausschließen. Sie ist damit grundsätzlich geeignet, einen Vertrauenstatbestand zu begründen. Viel weniger klar ist hingegen die unter (ii) getroffene Feststellung. Hieraus eine rechtwirksame Regelung abzuleiten, verbietet bereits der Bestimmtheitsgrundsatz. Allenfalls vermag auch diese Äußerung, einen Vertrauenstatbestand zu schaffen, daß die Vermögensfrage von deutscher Seit nicht mehr aufgerollt werde. Schon die Vielfalt der Einzelaspekte der Erklärung, ihr fragwürdiges Verhältnis zueinander sowie die obskure Formulierung75 zeigt deutlich, daß die Warschauer Erklärung keineswegs eine in sich schlüssige, „eindeutige Regelung“ ist.

b) Völkerrechtliche Probleme Einseitigen Erklärungen kommt in vielerlei Gestalt Rechtswirkung im Völkerrecht zu.76 Grundsätzlich kann auch eine Erklärung des Bundeskanzlers die Bundesrepublik verpflichten – dieser gilt als vertretungsberechtigt.77 Auf die äußere Form und Gelegenheit der Erklärung kommt es dabei nicht entscheidend an, wie der Internationale Gerichtshof (IGH) mehrfach betont hat.78 Fraglich bleibt allerdings, inwieweit Deutschland damit wirklich nach Maßgabe des völkerrechtlichen Estoppel-Prinzips künftig gehindert wäre, einen Rechtsstandpunkt einzunehmen, der im Widerspruch zur Erklärung des Bundeskanzlers steht. ___________ 74

J. Barcz / J.A. Frowein, ZaöRV 65 (2005), S. 625, 635. Vgl. auch J. Barcz / J.A. Frowein, ZaöRV 65 (2005), S. 625, 628 („ … rechtlich nicht leicht zu interpretieren …“). 76 F. Berber, Völkerrecht, Bd. 1, 2.Aufl., 1975, § 63, S. 434 ff.; W. Heintschel von Heinegg, in: Ipsen, Völkerrecht, 5. Aufl. 2004, § 18, Rn. 4 ff., 13 ff. 77 Vgl. mutatis mutandis Art. 7 Abs. 2 lit. a) WVK; die Grundsätze des Völkervertragsrechts können entsprechend auf einseitige Rechtsgeschäfte angewendet werden, vgl. nur F. Berber, § 63 XI., S. 439. 78 International Court of Justice, Nuclear Tests Case (Australia v. France), ICJ Rep. 1974, S. 253, 267 ff., Ziff. 42 ff.; Case Concerning the Temple of Preah Vihear (Cambodia v. Thailand), Prelim. Objections, ICJ Rep. 1961, S. 17, 31 f.; s.a. Permanent Court of International Justice, Legal Status of Eastern Greenland Case, Judgement of April 5th, 1933, Ser. A/B no. 53, S. 71, zur sog. Ihlen-Deklaration. 75

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Der Schutzbereich des aus dem anglo-amerikanischen Rechtskreis stammenden Estoppel-Prinzips79 ist im Völkerrecht begrenzt, wie v.a. die Rechtsprechung des IGH zeigt.80 Danach wäre Voraussetzung für einen insoweit geschaffenen Rechtsschein nicht nur eine klar und konsistent vertretene Haltung von seiten der deutschen Organe, sondern darüber hinaus auch, daß Polen im Vertrauen auf diese Haltung seinerseits nachteilig seine Position geändert hat oder sonst infolge des Vertrauens auf die Erklärung Nachteile erleiden würde.81 Beides läßt sich vorliegend mit guten Gründen anzweifeln: Die Erklärung Schröders steht für sich genommen allein82 und im vollständigen Gegensatz zu den sonstigen Äußerungen der Bundesregierung in ihren wechselnden Zusammensetzungen. Vor allem aber fehlt es an einem entsprechenden Vertrauen auf der polnischen Seite: Der polnische Außenminister stellte selbst klar, daß allein die Ansicht der gegenwärtigen Regierung nicht ausschlaggebend sei, da Regierungen kämen und gingen, und es somit auch auf die Sichtweise von CDU/CSU ankäme.83 Überdies ist, jedenfalls in bezug auf Kulturgüter, ein entsprechender Vertrauenstatbestand nicht denkbar, weil hierüber noch Verhandlungen zwischen Deutschland und Polen auf Regierungsebene geführt wer-

___________ 79 Vgl. zu diesem Rechtsprinzip J.P. Müller / T. Cottier, „Estoppel“, in: R. Bernhardt (Hrsg.), EPIL II, 1995, S. 116 ff., und jüngst International Law Commission, Seventh report on unilateral acts of States, by Victor Rodríguez Cedeño, Special Rapporteur, UN Doc. A/CN.4/542 (22.4.2004), Ziff. 196 ff. 80 J.P. Müller / T. Cottier, „Estoppel“, EPIL II, 1995, S. 116, 117 f. 81 International Court of Justice, North Sea Continental Shelf Cases (Germany / Denmark; Germany / Netherlands), ICJ Rep. 1969, S. 4, 26, Ziff. 30. 82 Unzutreffend B. Hess, Geschichte vor den Richter!, DGAP-Analyse 2005 Nr. 1, S. 4, demzufolge Vertreter Deutschlands „wiederholt erklärt [hätten], dass sie die Geltendmachung von Individualansprüchen nicht unterstützen werden.“. Er verweist außer auf die Kanzlererklärung lediglich noch auf die Erklärung von Bundespräsident Rau in Danzig am 28.10.2003 (Endnote 28, S. 10). Dort hatte der Bundespräsident gemeinsam mit seinem polnischen Amtskollegen Kwasniewski jedoch auch nur erklärt: „Deshalb darf es heute keinen Raum mehr geben für Entschädigungsansprüche …“ – vgl. „Kein Raum mehr für Schuldzuweisungen und Aufrechnen“, FAZ vom 30.10.2003, Nr. 252, S. 6. Wie soeben bereits gezeigt, drückt diese Formulierung lediglich eine politische Forderung, enthält aber keine Regelungswirkung im Hinblick auf das Bestehen der Ansprüche oder ihre Durchsetzbarkeit. Zudem war die Formulierung, wie Bundespräsident Rau auf einer Pressekonferenz klarstellte, lediglich auf Regierungsansprüche, nicht auf private Forderungen gemünzt – vgl. „Rau und Kwasniewski: Flucht und Vertreibung neu bewerten“, FAZ vom 30.10.2003, Nr. 252, S. 1. 83 Vertriebene empört „Die Rede Schröders war nicht anständig“, FAZ vom 3.8.2004, Nr. 178, S. 1, 2.

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den.84 Im übrigen hat die Erklärung jedenfalls bislang zu keiner nachteiligen Positionsänderung der polnischen Seite o.ä. geführt. Zweifel an der Wirksamkeit der Erklärung per se werden aber auch hinsichtlich der Völkerrechtskonformität der Erklärung an sich geäußert.85 Für einseitige Rechtsgeschäfte gelten die für das Vertragsrecht entwickelten Gültigkeitsgrenzen mutatis mutandis,86 einschließlich des in Art. 53, 64 WVK kodifizierten Konzepts zwingender Völkerrechtsnormen (ius cogens), die entgegenstehende Rechtsgeschäfte unwirksam werden lassen.87 Die Konfiskationen stehen im Gesamtzusammenhang der Vertreibungen, die als Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder nach Ansicht mancher gar Völkermord von den mit zwingendem Charakter ausgestatteten Verbotsnormen erfaßt wird, oder somit von einer Nichtanerkennungspflicht begleitet wird. Eine einseitige Erklärung, die die Vermögensfrage als erledigt und entsprechende Ansprüche als „rechtsgrundlos“ charakterisiert, läuft der völkerrechtlichen Sekundärpflicht zur Folgenbeseitigung und Wiedergutmachung zuwider.88 Dabei sei zwar die Friedensfunktion des Völkerrechts zu berücksichtigen. Die Staaten könnten sich aber nicht einfach durch eine „Schlußstricherklärung“ von ihrer Verantwortung befreien, sondern müßten die streitbetroffenen Rechtspositionen unter Berücksichtigung der begangenen Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu einem wirklichen Ausgleich bringen. Solange dies nicht auf völkerrechtlicher oder innerstaatlicher Ebene geschehen sei, kann eine solche Schlußstricherklärung nicht dauerhaft bestehen.89

c) Innerstaatliche Aspekte Auch innerstaatlich stellt sich die Frage nach der Regelungswirkung der Erklärung des Bundeskanzlers. Anders als auf der zwischenstaatlichen Ebene hat ___________ 84 Vgl. Art. 28 Abs. 3 des Nachbarschaftsvertrags vom 17.6.1991. Das Gutachten nimmt denn auch Fragen des Kulturgüterschutzes explizit aus, J. Barcz / J.A. Frowein, ZaöRV 65 (2005), S. 625, 628, nicht so allerdings die Stellungnahmen des Bundeskanzlers selbst. 85 E. Klein, Gutachten (Fn. 2), S. 109. 86 F. Berber, § 63 XI., S. 439. 87 S. hierzu ausführlich International Law Commission, Fifth report on unilateral acts of States, by Victor Rodríguez Cedeño, Special Rapporteur - Addendum, UN Doc. A/CN.4/525/Add.1 (17.4.2002), Ziff. 94 ff. 88 E. Klein, Gutachten (Fn. 2), S. 109 f. 89 Zum ganzen E. Klein, Gutachten (Fn. 2), S. 109.

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die Bundesregierung hier in Antworten auf parlamentarische Anfragen nämlich klargestellt, daß die von den beiden Gutachtern eingenommene Haltung – wonach der Erklärung die Wirkung einer abschließenden Regelung der Ansprüche der Vertriebenen zukomme und insbesondere ein künftiges Tätigwerden zugunsten der Vertriebenen unterbleiben werde – von ihr uneingeschränkt akzeptiert und übernommen würde. (1) Kerngehalt der Aussage ist zunächst die generell-abstrakte Weigerung, individuelle Forderungen von Deutschen zu unterstützen.90 Grundsätzlich besteht ein in der Verfassung begründetes und einklagbares Recht des einzelnen gegen die Bundesregierung auf die Gewährung diplomatischen Schutzes. Angesichts des weiten Ermessens der Bundesregierung in allen Fragen der Außenpolitik reduziert sich dieses subjektive Recht jedoch auf einen Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung.91 Die Erklärung des Bundeskanzlers muß daher als Entscheidungsleitlinie i.S. einer Ermessensreduktion auf Null verstanden werden. Eine solche allgemeine Festlegung widerspricht aber schon im Grundsatz dem Sinn einer Ermessensvorschrift, die gerade sicherstellen soll, daß im Einzelfall unter Berücksichtigung der konkreten Umstände eine sachgerechte Rechtsfolge angeordnet wird.92 Die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat zwar in der Entscheidung zum deutschpolnischen Nachbarschaftsvertrag akzeptiert, „daß die Bundesregierung keine anderweitigen konkreten Schritte unternommen hat, um den Beschwerdeführern zur Durchsetzung der Rechte zu verhelfen, die sie dem polnischen Staat gegenüber geltend machen. Angesichts der rechtlichen Umstrittenheit dieser Ansprüche und der politischen Lage im deutsch-polnischen Verhältnis wären deutsche Vorstöße in dieser Richtung nach der aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht zu beanstandenden Einschätzung der Bundesregierung erfolglos und zudem politisch schädlich.“93

Dies bedeutet aber keinen Freibrief für die Bundesregierung, endgültig auf alle Ansprüche der Heimatvertriebenen zu verzichten und ein für allemal ihre Unterstützung zu verweigern. Zudem mag es Einzelfälle geben, in denen schon die genannten Aspekte nicht zutreffen und eine Schutzausübung auch nach diesen Maßstäben angezeigt ist, insbesondere wenn das Eigentum von sog. Spät___________ 90

sung. 91 92 93

J. Barcz / J.A. Frowein, ZaöRV 65 (2005), S. 625, 626, Ziff. 2 der ZusammenfasE. Klein, Diplomatischer Schutz (Fn. 14), S. 39 f. H. Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, 15.Aufl. 2004, § 7 Rn. 13. BVerfG, Beschl. v. 08.09.1993 – 2 BvR 2121/91 u.a. (Juris).

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aussiedlern94 oder Vermögenswerte von deutschen Juden betroffen sind.95 Erkennt man der Erklärung damit innerstaatliche Regelungswirkung zu, so ist sie als ermessensfehlerhaft wg. Ermessensnichtgebrauch bzw. -unterschreitung96 und damit als rechtswidrig,97 ja als verfassungswidrig einzustufen. (2) Daneben bedeutete die Erklärung in der autoritativen Interpretation der beiden Gutachter in der Konsequenz auch den Entzug von Eigentumspositionen nach nationalem Recht, die den Vertriebenen nach bisheriger Rechtsauffassung - nicht nur des Bundesverfassungsgerichts sondern auch der Bundesregierung - weiterhin zustanden, wenn auch regelmäßig nicht durchsetzbar.98 Unabhängig von der Frage, inwieweit diese Rechtspositionen tatsächlich vom Schutz des Art. 14 GG erfaßt sind, kommt der Bundesregierung aber unter keinem erdenklichen Gesichtspunkt die Befugnis zu, ohne gesetzliche Regelung eine materiell wirkende Verzichtserklärung abzugeben.

IV. Das Schicksal der gegen Polen gerichteten Ansprüche Es bleibt damit zu klären, welche Auswirkungen die Erklärung auf Vermögensansprüche aus Deutschland hat. Das Gutachten nimmt den Standpunkt ein, daß in der Folge der Warschauer Erklärung weder Regierungsansprüche auf völkerrechtlicher Ebene99 noch Individualansprüche deutscher Staatsangehöriger vor polnischen, deutschen und internationalen Gerichten geltend gemacht werden könnten.100 Angesichts der erheblichen Zweifel an Inhalt und Wirk___________ 94 Zu diesem Problem s. B. Hess, Geschichte vor den Richter!, DGAP-Analyse 2005 Nr. 1, S. 6; J. Mattern, Es drohen Klagen auf Reparationen, Das Parlament, Nr. 38 / 13.09.2004, S. 14, im Internet verfügbar unter http://www.das-parlament.de/2004/38/ ausland /004.html (Stand: 1.10.2005). Diesbezüglich wird selbst in der polnischen Diskussion Regelungsbedarf gesehen – vgl. T. Urban, Historische Belastungen der Integration Polens in die EU, APuZ 5-6/2005, S. 32, 37. Das deutsch-polnische Rechtsgutachten geht dementsprechend auf diese Fragen nur am Rande ein – J. Barcz / J.A. Frowein, ZaöRV 65 (2005), S. 625, 628. 95 Vgl. hierzu N. von Redecker (Fn. 8), S. 57 ff.; S. 49 f. 96 Dazu Kopp / Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl. 2003, § 40 Rn. 59 f. 97 Hierzu mutatis mutandis Kopp / Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl. 2003, § 40 Rn. 59 f. 98 Vgl. BVerfG NJW 1992, 3222, 3223. 99 J. Barcz / J.A. Frowein, ZaöRV 65 (2005), S. 625, 626, Ziff. 5 der Zusammenfassung. 100 J. Barcz / J.A. Frowein, ZaöRV 65 (2005), S. 625, 626, Ziff. 5 der Zusammenfassung.

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samkeit der Erklärung ist dieser Befund einer kritischen Würdigung zu unterziehen.

1. Ansprüche Deutschlands auf völkerrechtlicher Ebene Ansprüche Deutschlands auf zwischenstaatlicher Ebene kommen in zweierlei Hinsicht in Betracht: Schadensersatzansprüche wegen Verstoßes gegen die Haager Landkriegsordnung gem. Art. 3 IV. Haager Abkommen sowie allgemeine Ansprüche auf Beendigung und Wiedergutmachung aus der Verletzung kriegs- und friedensvölkerrechtlicher Bestimmungen zum Nachteil deutscher Staatsangehöriger, die zugleich eine Verletzung des Staates in eigenem Recht darstellen, unter dem Aspekt der Staatenverantwortlichkeit. Die positiven Voraussetzungen für derartige Ansprüche sind grundsätzlich gegeben. Möglicherweise sind die Ansprüche aber untergegangen oder können sonst nicht mehr geltend gemacht werden.

a) Kein Untergang der Ansprüche Der Untergang dieser Ansprüche kann sich aus einem – ausdrücklichen oder konkludenten – Verzicht ergeben. Einen stillschweigenden Verzicht auf Ersatzansprüche wegen Verstoßes gegen die HLKO hat das Bundesverfassungsgericht beispielsweise in seiner jüngsten Entscheidung zur SBZ-Bodenreform im Zusammenhang mit dem Abschluß des Zwei-plus-Vier-Vertrages gegenüber der Sowjetunion bejaht.101 Gegenüber Polen, das an dieser vertraglichen Regelung nicht beteiligt war, ist ein solcher Verzicht bislang nicht erfolgt: weder im Warschauer Vertrag von 1970, noch in den deutsch-polnischen Verträgen von 1990/1991. Der Grenzbestätigungsvertrag betraf allein den territorialen Status102 und der Nachbarschaftsvertrag befaßte sich ausweislich des Briefwechsels gerade nicht mit Vermögensfragen. Gleiches gilt, wie bereits ausgeführt, für den Zwei-plus-Vier-Prozeß und den diesen beschließenden Vertrag.103 Ein Verzicht auf Regierungsansprüche kann möglicherweise in der Erklärung des Bundeskanzlers gesehen werden. Deren Wortlaut vermag dieses Er___________ 101

BVerfG, NVwZ 2005, 560, 564. Daß hieraus keinerlei Verzicht auf Entschädigungsansprüche folgt, hatte das Bundesverfassungsgericht bereits in seinem Ostvertragsbeschluß zum Warschauer Vertrag festgestellt, vgl. BVerfGE 40, 141, 168. 103 S.o. III.1. b), S. 112. 102

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gebnis jedoch nicht zu stützen: Weder die Aussage, daß die Vermögensfragen „kein Thema mehr seien“, noch die Formulierung, es dürfe für Restitutionsansprüche aus Deutschland „keinen Raum mehr geben“, lassen sich zweifelsfrei als Verzicht interpretieren.104 Hierfür spricht zudem, daß in der heutigen Völkerrechtspraxis Verzicht ohnehin regelmäßig vertraglich geregelt werden.105 Allenfalls können solche Verlautbarungen zum Entstehen eines Vertrauenstatbestandes beitragen. Für die Feststellung eines Verzichts – in der zivilrechtlichen Terminologie eine Verfügung – kann dies aber nicht als ausreichend angesehen werden.106 Im übrigen verlangt die durch den Vertreibungszusammenhang begründete Charakterisierung als Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder gar Völkermord, daß eine – mit einem Verzicht jedenfalls bewirkte – Lösung der Situation ausreichend Rücksicht auf die Rechtspositionen der Geschädigten nimmt, ohne die dem Wiedergutmachungsgebot für schwere Völkerrechtsverletzungen widersprochen wird.107 Auch insoweit bestehen wegen des zwingenden Charakters der völkerrechtlichen Verbotsnormen Zweifel an der rechtlichen Wirksamkeit der Erklärung, sollte sie tatsächlich als Verzicht ausgelegt werden.

b) Zur Durchsetzbarkeit der Ansprüche Es wird des weiteren vertreten, daß die Regierungsansprüche jedenfalls nicht durchsetzbar wären. Bereits oben wurde klargestellt, daß Art. 3 Teil VI des Überleitungsvertrags nicht einschlägig ist und somit der Geltendmachung staatlicher Ansprüche gegen Polen nicht entgegensteht.108 Ebensowenig sind die Forderungen durch Aufrechnung mit polnischen Reparationsforderungen erloschen.109 ___________ 104

Bemerkenswerterweise geben auch die beiden Gutachter, nachdem sie konzediert haben, daß die Erklärung nicht leicht zu interpretieren sei, keinerlei Begründung für ihre Schlußfolgerung, daß Forderungen von deutscher Seite nicht gestellt würden – J. Barcz / J.A. Frowein, Gutachten (Fn. 3), ZaöRV 65 (2005), S. 625, 628. 105 W. Heintschel von Heinegg (Fn. 76), § 18 Rn. 16. 106 Dies wird in dem Gutachten der deutsch-polnischen Juristenkommission dadurch implizit unterstrichen, daß man sich dort, von der Bundesregierung bestätigt, auf das dem Vertrauensschutz zuzurechnende Estoppel-Prinzip beruft – J. Barcz / J.A. Frowein, ZaöRV 65 (2005), S. 625, 635. 107 E. Klein, Gutachten (Fn. 2), S. 110. 108 S.o. III.1. b) (3), S. 113. 109 S.o. III.1. b) (2), S. 113.

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In dem deutsch-polnischen Gutachten wurde des weiteren darauf verwiesen, daß der Geltendmachung der Ansprüche auch die im Potsdamer Protokoll zum Ausdruck gekommene Billigung der Vertreibung durch die Alliierten entgegenstehe, weshalb geklärt werden müsse, daß auch diese die entschädigungslose Enteignung als rechtswidrig ansähen.110 Dieser Einwand übersieht zum einen, daß – wie bereits dargelegt – das Potsdamer Abkommen keineswegs die per se rechtswidrigen Vertreibungshandlungen – wie die entschädigungslosen Enteignungen – und Maßnahmen unmittelbar nach dem 2. August 1945 erfaßt. Im übrigen besitzt Deutschland seit dem Inkrafttreten des Zwei-plus-VierVertrags vom 12. September 1990 die „volle Souveränität über seine inneren und äußeren Angelegenheiten“ (Art. 7 Abs. 2), weshalb die Geltendmachung von Forderungen nicht vom Einverständnis der vier Siegermächte abhängig sein kann. Angesichts der jedenfalls bis 2004 von der Bundesregierung vertretenen Haltung auch und gerade polnischen Stellen gegenüber, kommt eine Verwirkung der Ansprüche jedenfalls derzeit noch nicht in Betracht.111 Ebensowenig ist Verjährung eingetreten, was aus der Unverjährbarkeit der Vertreibung als Verbrechen gegen die Menschlichkeit folgt und sich auf die Vermögensansprüche erstreckt.112 Schließlich könnte einer Geltendmachung auch der von den beiden Gutachtern bemühte Estoppel-Grundsatz entgegenstehen.113 Es sind bereits oben Gründe dargelegt worden, weshalb eine Berufung auf dieses völkerrechtliche Prinzip zweifelhaft ist; nur soweit man sich dem nicht anschließt und den Vertreibungszusammenhang der Konfiskationen ausblendet, kann ein dahingehender Vertrauensschutz zugunsten der polnischen Seite durchgreifen und der Geltendmachung der Ansprüche entgegenstehen.

2. Individualansprüche gegen Polen Eindeutiger als zur Frage von Regierungsansprüchen sind die Aussagen zu den Individualansprüchen der Heimatvertriebenen gegen Polen. Zusätzlich zu ___________ 110

J. Barcz / J.A. Frowein, ZaöRV 65 (2005), S. 625, 632. Vgl. E. Klein, Gutachten (Fn. 2), S. 113 f. 112 Blumenwitz, Das Offenhalten (Fn. 11), S. 71; sowie mutatis mutandis Tomuschat, ZaöRV 56 (1996), S. 1, 52. 113 J. Barcz / J.A. Frowein, ZaöRV 65 (2005), S. 625, 635. 111

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den allgemeinen Feststellungen findet sich hierzu die Feststellung des Bundeskanzlers, daß diese individuellen Forderungen nicht unterstützt würden.

a) Die Grundlage der Individualansprüche Aus den rechtswidrigen Konfiskationen im Zuge der Vertreibungen entstanden in Ermangelung hinreichender Rechtfertigungsgründe Beendigungs- und Wiedergutmachungspflichten des polnischen Staates, denen nicht nur die oben bereits erörterten Regierungsansprüche, sondern auch die hier interessierenden Individualansprüche entsprechen. Diese individuellen Ansprüche sind unmittelbares Resultat der völkerrechtswidrigen Konfiskationen, wobei umstritten ist, ob sie sich auf eine noch bestehende Eigentumsposition beziehen oder auf Entschädigungs- bzw. Restitutionsansprüche beschränken.114 Gleichermaßen ungeklärt ist der Charakter dieser Ansprüche: Dem klassischen Völkerrecht als einem Recht zwischen Staaten waren Individualforderungen fremd. Sie konnten nur im Rahmen der jeweiligen nationalen Rechtsordnung geltend gemacht werden – sei es im Wege positiver Geltendmachung oder mit dem Ziel der Nichtanerkennung der Maßnahmen bzw. ihrer Rechtsfolgen in Sachverhalten mit Inlandsbezug. Völkerrechtlich wurde der einzelne durch seinen Heimatstaat mediatisiert, welcher dessen Rechte und Ansprüche im Wege des diplomatischen Schutzes geltend machen konnte. Auch heute noch vermag der einzelne international sein Recht nur dann selbst durchzusetzen, wenn ihm diese Befugnis explizit eingeräumt worden ist – wie beispielsweise in Verträgen zum Schutz der Menschenrechte oder in Investitionsschutzabkommen. Von dieser Befugnis zur Durchsetzung ist jedoch die Frage des Bestehens von Individualrechten zu trennen. Mittlerweile ist nämlich einhellig anerkannt, daß es auch im Völkerrecht wurzelnde Rechte und Ansprüche gibt, die dem einzelnen direkt zustehen.115 Dies muß, trotz zum Teil mißverständlicher Entscheidungen höchster Gerichte,116 auch für die Zeit unmittelbar nach dem ___________ 114

Vgl. bereits BVerfGE 40, 141, 167 f., wo die Frage offen gelassen wird; siehe hierzu einerseits D. Blumenwitz, JOR 1972, 179, 192 ff. (Umwandlung in Entschädigungs- oder Restitutionsansprüche), und andererseits E. Klein, Gutachten (Fn. 2), S. 63 ff. (Fortbestand der Eigentumspositionen). 115 Vgl. hierzu neuestens B. Grzeszick, Rechte des Einzelnen im Völkerrecht, AVR 43 (2005), 312 ff., zur Entscheidung des IGH, La Grand Case (Deutschland ./. USA), Urt. v. 27.6.2001 = EuGRZ 2001, 287 ff. 116 BVerfG E 94, 315, 329 f.; BGH NJW 2003, 3488, 3491. Freilich sind beide Erkenntnisse keineswegs eindeutig, soweit sie sich auf das Bestehen eines Rechtes beziehen, und nicht lediglich seine (fehlende) materielle Durchsetzbarkeit betreffen. Auch hat

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Ende des Zweiten Weltkriegs gelten. Ein erster Anhaltspunkt läßt sich in Art. 3 des IV. Haager Abkommens sehen.117 Eckart Klein hat davon ausgehend jüngst nachgewiesen, daß solche Individualansprüche nicht nur primär auf die Einhaltung der völkerrechtlichen Schutznormen beispielsweise der HLKO gerichtet waren. Jedenfalls bei schweren Menschenrechtsverletzungen, die Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellen, träten individuelle Wiedergutmachungsansprüche hinzu, die freilich in Ermangelung spezifischer Ermächtigungen von Einzelpersonen nicht geltend gemacht werden könnten. Hierzu bedarf es weiterhin des Staates und seines diplomatischen Schutzes. Vom Fehlen der Durchsetzungsbefugnis könne jedoch nicht auf die Nichtexistenz der materiellen Rechte geschlossen werden.118 Diese Sichtweise wird im übrigen durch die Präambel des Lastenausgleichsgesetzes vom 14. August 1952119 bestätigt, die individuelle Ansprüche der Vertriebenen (die sich nicht aus polnischem Recht ergeben können120) voraussetzen und bestätigen.

___________ das Bundesverfassungsgericht in jüngeren Stellungnahmen auch in bezug auf Ereignisse während und in Folge des Zweiten Weltkrieges von Ansprüchen Privater auf Einhaltung des humanitären Völkerrechts gesprochen. Zudem lassen sich verschiedene Äußerungen nachweisen, denen zufolge das Bundesverfassungsgericht es nicht grundsätzlich ausschließt, daß Individualansprüche im Völkerrecht begründet sein können – vgl. BVerfGE 27, 253, 277; BVerfG, NVwZ 2005, 560, 561 (= BVerfGE 112, 1 ff.). 117 Vgl. F. Kalshoven, State Responsibility for Warlike Acts of the Armed Forces, ICLQ 40 (1991), 827, 834 f.; M. Terwiesche, Kriegsschäden und Haftung der Bundesrepublik, NVwZ 2004, 1324, 1325; weitere Nachweise bei D. Blumenwitz, JOR 1972, 179, 198, Fn. 51; a.A. W. Heintschel von Heinegg, Entschädigung für Verletzungen des humanitären Völkerrechts, BDGV 40, 2003, S. 1, 25 f. 118 E. Klein, Gutachten (Fn. 2), S. 83 ff. Auch die deutsche Praxis, Entschädigungen und Wiedergutmachungsleistungen direkt an die betroffenen Individuen zu zahlen, unterstützt diese Sichtweise – D. Blumenwitz, JOR 1972, 179, 198. 119 In der Fassung vom 02.06.1993, BGBl. 1995 I S. 248. Abs. 2 und 3 der Präambel lauten: „… unter dem ausdrücklichen Vorbehalt, daß die Gewährung und Annahme von Leistungen keinen Verzicht auf die Geltendmachung von Ansprüchen und Rückgabe des von den Vertriebenen zurückgelassenen Vermögens bedeutet, und unter dem weiteren ausdrücklichen Vorbehalt, daß die Gewährung und Annahme von Leistungen für Schäden im Sinne des Beweissicherungs- und Feststellungsgesetzes weder die Vermögensrechte des Geschädigten berühren noch einen Verzicht auf die Wiederherstellung der unbeschränkten Vermögensrechte oder auf Ersatzleistung enthalten …“. 120 J. Barcz / J.A. Frowein, ZaöRV 65 (2005), S. 625, 639.

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b) Fortbestand und Geltendmachung völkerrechtlich fundierter Individualansprüche (1) Auch diese völkerrechtlich begründeten Individualansprüche können untergegangen oder sonst undurchsetzbar geworden sein. Dies ist einmal – wie in einzelnen prominenten Fällen offenbar geschehen121 – durch individuellen Verzicht möglich. Daneben kann der Heimatstaat kraft seiner Personalhoheit in den Grenzen zwingender Völkerrechtsnormen wirksam auf Ansprüche seiner Angehörigen verzichten.122 Ein solcher Verzicht, der innerstaatlich ein (Zustimmungs-) Gesetz voraussetzte und an den materiellen Verfassungsgrundsätzen zu messen wäre, ist hinsichtlich der Ansprüche der Vertriebenen aber nach keiner Ansicht erfolgt.123 Sie liegt insbesondere nicht in der – wie gezeigt unzutreffenden – Einschätzung des deutschen Bundeskanzlers, daß die Individualansprüche rechtsgrundlos seien.124 (2) Der Erklärung und dem autoritativen Gutachten ist jedoch ein Abweichen von der bislang einheitlich vertretenen Position des Offenhaltens der Vermögensfrage zu entnehmen. Manche sehen darin einen Verzicht auf die Ausübung diplomatischen Schutzes für deutsche Staatsbürger.125 Auch dieses Ergebnis, das einen Ausgleich für die Betroffenen unterbindet, stünde freilich im Widerspruch zum völkerrechtlichen Wiedergutmachungsgebot. Angesichts des schwerwiegenden Charakters des ursprünglichen Delikts wäre wiederum zu fragen, ob die Bundesregierung wirksam auf die Ausübung diplomatischen Schutzes verzichten könnte. Die Interpretation der Erklärung als Verzicht auf die Ausübung diplomatischen Schutzes ist aber keineswegs zwingend. Dies erkennen auch die beiden Gutachter Frowein und Barcz an, wenn sie auf das völkerrechtliche EstoppelPrinzip verweisen und damit der Sache nach nicht von einem per se wirkenden Verzicht mit verfügender Wirkung ausgehen.126 Wichtiger Anhaltspunkt im Text der Erklärung, der gegen einen absolut wirkenden Verzicht spricht, ist die Aussage, daß weder die Bundesregierung noch andere ernstzunehmende politi___________ 121

S. 1. 122

Vertriebene verzichten auf Vermögensansprüche, FAZ vom 14.9.2004, Nr. 214,

Blumenwitz, Das Offenhalten (Fn. 11), S. 69. BVerfG, NJW 1992, 3222. 124 J. Barcz / J.A. Frowein, ZaöRV 65 (2005), S. 625, 642; B. Hess, DGAP-Analyse 2005/1, S. 5. 125 B. Hess, DGAP-Analyse 2005/1, S. 4. 126 Vgl. J. Barcz / J.A. Frowein, ZaöRV 65 (2005), S. 625, 635. 123

Die Vermögensfrage in den deutsch-polnischen Beziehungen

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sche Kräfte die Durchsetzung der Ansprüche unterstützen würden. Dies kann kein unmittelbarer Rechtsverzicht sein, sondern ist erneut eine bloß politische Einschätzung oder Wunschvorstellung. Anstelle einer den Anspruch vernichtenden Verzichtserklärung wurde hier allenfalls ein Vertrauenstatbestand geschaffen, der in seiner Wirksamkeit durchaus begrenzt ist und viel eher vom gegenläufigen Wiedergutmachungsprinzip eingeschränkt wird. Damit ist die Ausübung diplomatischen Schutzes von Rechts wegen weiterhin zulässig. Allerdings betrifft dieser Aspekt lediglich das äußere, zwischenstaatliche Verhältnis. Die verfassungsrechtliche Beurteilung nach den oben herausgearbeiteten Grundsätzen127 wird hiervon nicht beeinträchtigt.

c) Zum Bestehen von Individualansprüchen nach polnischem oder deutschem Recht (1) Für die große Menge der Vertriebenen bestehen Rückgewähransprüche jedenfalls nicht nach polnischem Recht, weil es sich danach um rechtmäßige Enteignungen als Teil der Polen zustehenden Reparationen handelte.128 Erfolgsaussichten bestehen hier allerdings insofern, als die ursprüngliche Enteignung nicht von Sinn und Zweck der Dekrete gedeckt war, beispielsweise weil sie jüdisches Vermögen betraf.129 Gleichermaßen können Restitutionsklagen von sog. Spätaussiedlern Erfolg haben.130 (2) Bezüglich der Ansprüche nach deutschem Recht verweist das Gutachten zunächst auf das deutsche internationale Privat- und Enteignungsrecht, wonach allein das Recht des Ortes maßgeblich sei, an dem sich das Eigentum befinde (lex rei sitae).131 Die Frage der Völkerrechtswidrigkeit der Konfiskationen und daraus resultierender Folgen für ihre Anerkennung nach Maßgabe von Art. 25 GG (Übergesetzesrang der allgemeinen Regeln des Völkerrechts) und Art. 6 EGBGB (Ordre-public-Vorbehalt) wird jedoch übergangen. Jedenfalls ___________ 127

S.o. bei III.2.c), S. 120. J. Barcz / J.A. Frowein, ZaöRV 65 (2005), S. 625, 636, 630. 129 N. von Redecker (Fn. 8), S. 45 ff., 51 ff. 130 Vgl. nur B. Hess, DGAP-Analyse 2005/1, S. 6; J. Mattern, Es drohen Klagen auf Reparationen, Das Parlament, Nr. 38 / 13.09.2004. 131 J. Barcz / J.A. Frowein, ZaöRV 65 (2005), S. 625, 636 f., unter Verweis auf BVerfGE 84, 90, 123 f. Allerdings wird auf S. 22 des Gutachtens der Kammerbeschluß zum deutsch-polnischen Grenzbestätigungsvertrag (BVerfG, NJW 1992, 3222) mit der Ansicht zitiert, es könne offenbleiben, ob die Enteignungen der deutschen Vertriebenen als wirksam hätten anerkannt werden müssen. 128

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bei einer Einstufung der Vertreibungen als Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder gar Völkermord, ergibt sich aus dieser Verletzung von ius cogens i.V.m. Art. 25 GG zwingend die Unwirksamkeit der polnischen Enteignungen im deutschen Rechtsraum.132 Und auch dem Verstoß gegen den fremdenrechtlichen Mindeststandard ist gem. Art. 6 EGBGB grundsätzlich die Anerkennung zu versagen.133 Freilich bedeutet dies keinen Schutz erga omnes, sondern nur hinsichtlich der Inlandsbezüge.134 Zudem sind nach der mittlerweile ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts v.a. zu den Enteignungen in der sowjetischen Besatzungszone Eingriffe in das Eigentum außerhalb der zeitlichen und räumlichen Geltung des Grundgesetzes nicht an Art. 14 zu messen.135 Zumindest besteht aber ein verfassungsrechtliches Gebot, Völkerrechtsverstöße jedenfalls dann abzustellen und „einen Zustand näher am Völkerrecht herbeizuführen“, wenn individualbezogene Rechte wie das Eigentum betroffen sind.136

V. Schluß Die Warschauer Erklärung des deutschen Bundeskanzlers hat nicht nur in den Medien, sondern auch politisch ein breites Echo erfahren. Die juristische Aufarbeitung der Erklärung und des sie stützenden Gutachtens der Professoren Frowein und Barcz hat jedoch gezeigt, daß ihr die weitreichende Wirkung, die möglicherweise gewünscht war, nicht zukommt. Der mit der Erklärung möglicherweise geschaffene, allein auf dem Estoppel-Prinzip beruhende Anspruchsausschluß trägt allenfalls dazu bei, die Vermögensfragen noch etwas mehr zu verunklaren. Gezeigt hat das Vorgehen des Bundeskanzlers, der sich dabei deutlich von der Haltung seiner Vorgänger absetzte, daß die deutsche Regierung keineswegs bereit ist, eine endgültige und dauerhaft tragfähige Regelung der offenen Ver___________ 132

Vgl. S. Kadelbach, Zwingendes Völkerrecht, 1992, S. 341, sowie die grundsätzlichen Ausführungen des BVerfG zur Wirkung von unter Verstoß gegen allgemeine Regeln des Völkerrechts vorgenommenen Handlungen nichtdeutscher Hoheitsträger – BVerfG, NVwZ 2005, 560, 562. 133 Zum ganzen ausführlich Blumenwitz, Das Offenhalten (Fn. 11), S. 74 ff.; E. Klein, Gutachten (Fn. 2), S. 69 ff. 134 D. Blumenwitz, Das Offenhalten (Fn. 11), S. 77; BVerfG, NJW 1992, 3222, 3223. 135 BVerfG, NVwZ 2005, 560, 562; EuGRZ 1998, 408, unter Verweis auf BVerfGE 41, 126, 168 und E 84, 90, 122. 136 BVerfG, NVwZ 2005, 560, 561 f.

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mögensfrage in den deutsch-polnischen Beziehungen anzustreben. Es ist nicht auszuschließen, daß diese undeutliche Haltung dazu beiträgt, daß seitens interessierter polnischer Kreise seit neuestem Reparationsforderungen gegen Deutschland gestellt werden. Bemerkenswerterweise datiert der entsprechende Beschluß des polnischen Sejms vom 10. September 2004137 und liegt damit mehrere Wochen nach der Warschauer Erklärung. Die Haltung der Bundesregierung, die durch Umdeutung und „Neubetrachtung“ der offenen Vermögensfragen einen Rechtswandel zu Lasten der Heimatvertriebenen herbeiführen will,138 steht auch in einem merkwürdigen Kontrast zum polnischen Politikansatz im Bereich der offenen Vermögensfragen. Der polnische Außenminister Rotfeld hat in seiner ersten Rede vor dem Sejm in diesem Zusammenhang klargestellt, daß die polnische Regierung die Pflicht habe, „für die Interessen des polnischen Staates und seiner Bürger Sorge zu tragen“.139 Soweit sich die deutsche Regierung demgegenüber nicht für die Interessen der eigenen Staatsangehörigen einsetzt, sondern diese als „rechtsgrundlos“ deklariert, muß es nicht Wunder nehmen, wenn die Betroffenen ungeachtet politischer Komplikationen die Durchsetzung ihrer Rechte selbst in Anspruch zu nehmen versuchen. Das Bundesverfassungsgericht hat jüngst klargestellt, daß – unabhängig von der Frage der Gewährung diplomatischen Schutzes – die in Art. 25 begründete Pflicht zur Respektierung des Völkerrechts unter bestimmten Voraussetzungen die deutschen Staatsorgane dazu verpflichtet, bei Verletzungen durch Drittstaaten das Völkerrecht im eigenen Verantwortungsbereich zur Geltung zu bringen. Im Rahmen des Möglichen müssen sie versuchen, „einen Zustand näher am Völkerrecht herbeizuführen.“140 Es ist nicht ersichtlich, daß diese Ausführungen für den Bundeskanzler nicht gelten würden. Auch lassen sich keine Gründe dafür finden, daß die Vermögensfragen im deutsch-polnischen Verhältnis von diesem Diktum nicht erfaßt wären. Ungeachtet der Komplexität der deutsch___________ 137

Vgl. den Beschluß des Sejm der Polnischen Republik vom 10. September 2004 bezüglich der Rechte Polens auf deutsche Kriegsreparationen sowie der in Deutschland aufgestellten rechtswidrigen Ansprüche gegen Polen und polnische Bürger, im Internet auf deutsch verfügbar unter http://www.polen-news.de/puw/puw72-15.html (Stand: 1.10.2005). 138 Vgl. D. Blumenwitz, „Rechtswandel durch Besserwissen des Bundeskanzlers“, Bayernkurier vom 18.11.2004. 139 Vgl. Regierungsinformation über die polnische Außenpolitik, vorgestellt von dem Minister für Auswärtige Angelegenheiten der Republik Polen, Prof. Adam Daniel Rotfeld, während der Sitzung des Sejms am 21. Januar 2005, www.msz.gov.pl/start.php (Stand 25.08.2005). 140 BVerfG, NVwZ 2005, 560, 562.

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polnischen Beziehungen ist es Zeit, auch im Hinblick auf die Vermögensfragen, nunmehr – sechzig Jahre nach Krieg und Vertreibung – einen Zustand herbeizuführen, der den dem Grunde nach bestehenden Vermögensansprüchen und dem völkerrechtlichen Wiedergutmachungsgebot wie der Friedens- und Ausgleichsfunktion des Völkerrechts gleichermaßen gerecht wird.

Abstract Tobias H. Irmscher: Recent Developments Concerning the Open Property Issues in the German-Polish Relations. In: Minority Protection and Human Rights – Current Problems Particularly in the German-Polish Relations. Ed. by Dieter Blumenwitz (†), Gilbert H. Gornig, and Dietrich Murswiek (Berlin 2006), pp. 101-132. The speech of Chancellor Schröder of 1 August 2004 commemorating the beginning of the Warsaw insurrection 60 years ago gave rise to a considerable controversy with regard to the open property issues of the German expellees from the former German territories east from the Oder-Neiße-line. A close look on the Chancellor’s speech and on the legal opinion of professors Frowein (Heidelberg) and Barcz (Warsaw), commissioned to support the views exposed by the Chancellor and his Polish counter-part Belka, shows, however, that the far-reaching effect of the statement possibly intended by its author does not, in fact, exist. Whether or not private and state claims resulting from the illegal confiscation of private property in the course of the expulsion in 1944 – 1949 still can be asserted is rather unclear. It is only by means of the principle of estoppel, that one might come to the conclusion that German claims may henceforth not be enforced. However, given the character of the expulsion which could be classified as a crime against humanity or, according to some authors, even genocide, strong arguments exist that a renunciation of existing German claims without any (in- or external) compensation would be contrary to the compensatory function of public international law. On the other hand, the statement is formulated as a political claim and appraisement rather than as a legally binding declaration. Thus it remains open to what extent German claims – be it individual or state claims – can further be enforced.

The Jurisprudence of the Belarusian Constitutional Court on Access to Justice in view of the Case Law of the European Court of Human Rights Von Grigory A. Vasilevich

The right to judicial protection is considered to be an inalienable human right in modern international law and doctrine. It is unique and characteristic for the relations between the individual and a state built on the principles of law and democracy. Interaction of Belarusian national law and European law means the process of coordinating both legal systems for the achievement of common goals.1 Presently, this is a unilateral process. National legislation and practice shall be improved in light of European standards. However, it must be emphasized that this process, as important it may be, is a voluntary one.

I. The basic legal provisions The European Convention for the Protection of Human Rights and Fundamental Freedoms (ECHR) is not formally binding on the Republic of Belarus, since the latter is not a Member of the Council of Europe nor have the decisions of the European Court of Human Rights any binding force. However, as a matter of fact, practically all norms of the ECHR have been taken into account by the Belarusian society, in legislation and in practice. This can in many respects be explained by the fact that the Constitution of 1994 was drafted in light of the provisions of the ECHR and the jurisprudence of the European Court of Human Rights and the European Commission on Human Rights. This can easily be shown by a brief comparison of the content of the Constitution of the Republic of Belarus with the ECHR. ___________ 1 V.S. Hizhnyak, The role of judiciary bodies in the process of interaction of national legislation // ɂɡɜ. ɜɭɡɨɜ. ɉɪɚɜɨɜɟɞɟɧɢɟ, 2003, ʋ 4, p. 31.

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The right to a fair trial is guaranteed in Article 6 ECHR, which reads: (1) In the determination of his civil rights and obligations or of any criminal charge against him, everyone is entitled to a fair and public hearing within a reasonable time by an independent and impartial tribunal established by law. Judgment shall be pronounced publicly but the press and public may be excluded from all or part of the trial in the interest of morals, public order or national security in a democratic society, where the interests of juveniles or the protection of the private life of the parties so require, or to the extent strictly necessary in the opinion of the court in special circumstances where publicity would prejudice the interests of justice. (2) Everyone charged with a criminal offence shall be presumed innocent until proved guilty according to law. (3) Everyone charged with a criminal offence has the following minimum rights: a. to be informed promptly, in a language which he understands and in detail, of the nature and cause of the accusation against him; b. to have adequate time and facilities for the preparation of his defence; c. to defend himself in person or through legal assistance of his own choosing or, if he has not sufficient means to pay for legal assistance, to be given it free when the interests of justice so require; d. to examine or have examined witnesses against him and to obtain the attendance and examination of witnesses on his behalf under the same conditions as witnesses against him; e. to the free assistance of an interpreter if he cannot understand or speak the language used in court.

As regards the right to judicial protection, Article 60 of the Belarusian Constitution provides the following: (1) Everyone shall be guaranteed protection of his rights and liberties by a competent, independent, and impartial court of law within time periods specified in law. (2) To defend their rights, liberties, honour and dignity, citizens shall be entitled to recover, through the courts, both property damage and financial compensation for moral injury.

The Belarusian Constitution of 30 March 1994 thus provides the following rights: 1)

the right to appeal to a court of law for the protection of the rights and freedoms;

2)

the right to a hearing of one’s case by the competent court of law which must be independent and impartial – what one may call the right to the “lawful” judge – ;

3)

the right to judicial protection (appeal and hearing) within a reasonable time established by law, i.e. the Constitution requires the provisions of

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time periods for the examination of a case, of periods of statutory limitation, and of time limits for lodging an appeal to the court of law which in this case is obliged to settle the dispute on points of fact. The Constitution of the Republic of Belarus stipulates in detail the right to a fair trial. Whereas Article 6 ECHR speaks about such a right of an individual “in the determination of his civil rights and obligations or of any criminal charge against him”, Article 60 of the Constitution of the Republic of Belarus speaks about the right to judicial protection of all the rights and freedoms including economic, social and cultural rights. The European Court of Human Rights has developed criteria for interpreting the term “civil law”. It follows a dynamic approach. The Court has specified that for the application of Article 6, para. 1, ECHR, it is necessary to have a “dispute” concerning a right, is pretended by the claimant by defending it in court, and which is – at least arguably – acknowledged by national law. It has to be a real and “serious” dispute: it may concern the existence of the right as well as its scope or effect.2 At the same time, there are also exceptions. For example, according to the European Court of Human Rights, certain conflicts are outside its jurisdiction. For example, disputes relating to the employment of civil servants are generally not within the ambit of Article 6, para. 1; the same applies with regard to tax disputes. Fundamental provisions governing the organisation and activities of the courts can also be found elsewhere in the Constitution. Thus, Article 26 lays down the presumption of innocence of individuals charged with a criminal offence (we deem that it shall also cover other offences). According to Article 27, no person shall be compelled to be a witness against himself, against members of his family or his next of kin. Evidence obtained in violation of the law shall have no legal value. The Constitution also guarantees the right of everyone to legal assistance in the defence of their rights and liberties. Any impediment to rendering legal assistance is prohibited in the Republic of Belarus. Chapter six of the constitution is dedicated to the courts. It provides for their independence, subordinated only to the law, and contains the most important principles, namely the public nature of hearings, the binding force of judicial rulings for all the citizens and officials; the right to appeal against judicial rulings; subordination only to the law, and the supremacy of the Constitution. ___________ 2 M. de Salvia, The Case-law of the European Court of Human Rights. ɋ-ɉɛ.: ɘɪɢɞ. ɐɟɧɬɪ ɉɪɟɫɫ, 2004, p. 339.

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In the context of assessing the compliance with Article 6 ECHR, the European Court of Human Rights has stressed that the rights it enshrines are not meant to be theoretical or illusory, but practical and effective. Due to the fact that the proper administration of justice is of special significance, it is not permitted to disregard those rights for reasons of expediency.3 In addition, the European Court supervises the observance of the right to a fair trial without referring to the substance of the national decisions. The Constitutional Court has likewise adopted the position that the Constitution is intended to guarantee not rights that are theoretical and illusory, but rights that are practical and effective.

II. The right to judicial protection in the judicial system of the Republic of Belarus The question of the interaction of national judicial institutions and the European Court of Human Rights seems to be much less discussed in our legal literature as compared to those countries that have ratified the ECHR. This is, however, not entirely true, as many interesting examples show. We believe that a fair trial is the most important indicator showing whether a state has developed into a democratic state respecting the rule of law. In the past – under the old Soviet system – a different understanding of the place and role of the courts in the legal system had developed with own traditions. Legal disputes used to be settled typically in an administrative procedure rather than by a judicial one – both on the level of the individual republics of the USSR and on that of the Union. The experience of the Western European countries with their long-lasting reliance on the rule of law and the eminent role of the courts in protecting the citizens’ rights is thus very useful. This is particularly true in light of the fact, that it is a common European court – the European Court of Human Rights – whose activities have been of paramount importance for securing fair trial. Unfortunately, the influence of the past is still rather strong on the minds of single officials and judges. This may result in violations of the constitutional right to judicial protection. Generally, the refusal to implement this provision and to grant a right to appeal to a court is motivated by the absence of a provision to that extent in one or the other legal act (code, law, decree etc.). Some___________ 3

M. de Salvia (note 2), pp. 276-277.

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times, legislation indeed provides for only the right to lodge a complaint with the higher state body or with a higher official. An explanation for the disregard to the constitutional requirements could be either the intentional ignorance of the constitution or the reliance on the former attitude to the Basic Law, according to which the norms of the Constitution should be applied only insofar as they had been implemented in current legislation (for example in the Criminal Code, the Civil Code, the Code of Criminal Procedure, the Code of Civil Procedure, the Labour Code etc.). However, this approach is in contradiction to both the principle of the supremacy of the constitution and its direct effect with regard to rights, freedoms and obligations of the citizens, all of which are well respected fundamental principles recognized by all modern civilized nations. Supremacy and direct effect of the constitution are the basis of law-making and the application of the law in practice. According to Mark Entin, “the elements of the right to a fair trial may be divided into four groups: organic, institutional, procedural and special elements”.4 Organic elements are those that secure the effective use of the right in question. In particular, this implies securing access to justice and the execution of judicial rulings.5 It is appropriate to recall an Article of the Code Napoleon which reads: A Judge who refuses to judge under the pretext of silence, obscurity or insufficiency of the law may be subject to prosecution on a charge of refusal to administer justice.6

Institutional elements are those criteria that the judiciary and the bodies exercising jurisdictional powers, must meet. Article 6, para. 1, ECHR requires from bodies entrusted with jurisdictional powers that they meet the requirements of a court of law. Otherwise, there must be a possibility to have the decision of that body scrutinized by a court of law with full jurisdiction. A court of law is characterised by the following features: − the dispute is settled on the basis of legal rules in a formal procedure within its competence; − independence, especially in relation to the executive, ___________ 4 M. Entin, Fair trial on law of Council of Europe and European Union // Constitutional law: East European Constitutional Review. 2003. ʋ 3. p. 86. 5 M. Entin (note 4), p. 86. 6 Z.M. Chernilovsky (ed.), Textbook on the history of state and law of foreign countries, 1984. p. 281.

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− impartiality, − its members are mandated for a certain period of time, − the existence of sufficient procedural guarantees. The judicial system in the Republic of Belarus is set up and regulated by law. The Constitution of the Republic of Belarus explicitly prohibits the establishment of special courts. In this connection, it is interesting to mention the Decision of the Constitutional Court of the Republic of Belarus of 12 October 2005 On the administration of justice by a lawfully composed court. This case concerned the unlawfulness of a verdict delivered by a court in which a lay judge participated, who had taken no oath as provided for in the legislation. The Constitutional Court of the Republic of Belarus, having examined the request of the lay judge of the Gomel oblast court, found the following: The Constitution of the Republic of Belarus requires that justice shall be administrated by a competent, independent and impartial court of law composed of judges elected (appointed) under the procedure specified by the law (Articles 60, 110, 111). According to Article 14, para. 1, of the International Covenant on Civil and Political Rights,7 everyone in the determination of any criminal charge against him/her, or of his/her rights and obligations in a suit at law, shall be entitled to a fair and public hearing by a competent, independent and impartial tribunal established by law. According to Article 59 of the law On the judicial system and the status of judges in the Republic of Belarus, judicial power in the Republic of Belarus shall be exercised by judges. Where specified by the law, they shall be assisted by lay judges engaged for the administration of justice under the prescribed procedure. Decree no. 18 of the President of the Republic of Belarus of 15 June 2001 determines that the lay judges shall be entitled to administer justice only after taking an oath. The oath shall be taken by the lay judges of district (city), special, oblast, Minsk city courts at a common meeting of the lay judges of the relevant court with the presence of the chairperson and judges of the given court, as well as representatives of the department of justice of the relevant oblast (Minsk city) executive committee. The certificate giving proof of taking the oath must be signed by the lay judge and must be kept in his/her personal ___________ 7 International Covenant on Civil and Political Rights, General Assembly Resolution 2200 A (XXI) of 16 December 1966, UNTS vol. 999, p. 171.

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file in the relevant court. The lay judge is sworn in once for the entire period of his/her term of office. After taking the oath, he shall be given the certificate. While administering justice, he is subject to the rights and duties of a judge as set out in the Code of Criminal Procedure. Thus, the participation of lay judges in the administration of justice has a legal basis. The relevant norms are Article 81 of the law On the judicial system and the status of judges in the Republic of Belarus, which reads: The procedure of taking the oath by lay judges shall be specified by the legislation of the Republic of Belarus.

The administration of justice by a lawfully composed court is the most important constitutional guarantee of the rights and freedoms of citizens. The involvement of a lay judge who failed to take the oath means therefore, that the verdict was delivered by an unlawfully composed court. Due to that, the Constitutional Court found it necessary to execute the constitutional obligations of the responsible bodies instead of the authorized bodies and to secure unconditional fulfilment of the legal requirements in practice. The European Court of Human Rights deems that the right to access to justice is not an absolute one. Since the ECHR does not contain a tight definition, there is a possibility to restrict this right, but this does not affect its basic content.8 However, the European Court of Human Rights makes clear that a national law regulating access to justice must not do harm to the essence of the right and must not be in violation of other rights. According to Michele de Salvia, “the principle, that the possibility of submitting a case for the consideration by a judge must be secured in each civil law dispute, is one of the universally ‘acknowledged’ fundamental principles of law, similar to the principle of international law prohibiting the refusal of administering justice. Article 6, para. 1, should be interpreted in the light of those principles”.9 In certain instances the lawmaker may in fact be “late” – for reasons of lapses in the legislative process or otherwise – to adopt legislation, in particular where such legislation is actually required by the Constitution itself.10 But this situation cannot be remedied through lobbying by interested subjects. ___________ 8 9 10

European Court of Human Rights, Selected Decisions. Ɍ. 1. Ɇ., 2000, p. 46. M. de Salvia (note 2), p. 284. There are about a hundred references to normative acts of this type.

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In this situation, the Constitutional Court of the Republic of Belarus has to play a major role in strengthening the inalienable right to judicial protection. It is entrusted to exercise control over the constitutionality of enforceable acts of the state. And the experience shows that the Constitutional Court gradually realizes the idea of the inalienability of everyone’s right to judicial protection. Thus, the Constitutional Court of the Republic of Belarus emphasized that the liquidation of the economic entities may be carried out only in a formal judicial procedure. The entity concerned must then also have the right to appeal against this decision. Naturally, any idealization of the work of the ordinary courts is inappropriate, given the great many examples of unjustifiable decisions and violations of the time periods fixed for the trial. However, seen from an objective point of view, the judicial settlement of a dispute is the most favourable one, if it is based on legal norms, and not on grounds of political partiality, expediency etc. We should also bear in mind that the Constitutional Court is always bound by the subject of the claim, i.e. it can only assess the constitutionality of those legislative acts, which have been made the subject of the constitutional motion in question.

III. The Jurisprudence of the Constitutional Court The Constitutional Court should exercise a positive influence on the inert practice of the courts restricting the right to judicial protection. The dynamic of the Constitutional Court’s relevant jurisprudence is evident. 1. In its judgment of 19 June 1998 On the conformity of Article 246 of the Administrative Code of the Republic of Belarus with the Constitution of the Republic of Belarus11 the Court found Article 246 of the Administrative Code of the Republic of Belarus to be not in line with the Constitution of the Republic of Belarus and the International Covenant on Civil and Political Rights to the extent that it failed to provide for a judicial appeal against administrative detention, personal inspection, inspection of goods and the seizure of goods and documents. According to the judgment, the National Assembly of the Republic of Belarus had to make alterations and addenda to the Administrative Code of ___________ 11 Vedomosti Natsionalnogo sobrania Respubliki Belarus (ȼɟɞɨɦɨɫɬɢ ɇɚɰɢɨɧɚɥɶɧɨɝɨ ɫɨɛɪɚɧɢɹ Ɋɟɫɩɭɛɥɢɤɢ Ȼɟɥɚɪɭɫɶ) 1998, ʋ 36, St. 523; Vestnik Konstitutsionnogo Suda Respubliki Belarus (ȼɟɫɬɧɢɤ Ʉɨɧɫɬɢɬɭɰɢɨɧɧɨɝɨ ɋɭɞɚ Ɋɟɫɩɭɛɥɢɤɢ Ȼɟɥɚɪɭɫɶ) 1998, ʋ 2.

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the Republic of Belarus and other laws in order to secure the realization of the right of the citizens to appeal against administrative detention, personal inspection, inspection of goods and the seizure of goods and documents. Pending the implementation of the judgment by way of the requested alterations and addenda, Article 60 of the Constitution was declared to be directly applicable in accordance with Articles 137 and 142 of the Constitution. The law of the Republic of Belarus of 28 May 1999 On making alterations and addenda to the Administrative Code of the Republic of Belarus has changed the wording of Article 246 of the Administrative Code of the Republic of Belarus in accordance with the judgment of the Constitutional Court. 2. The next decision to be mentioned is the judgment of 24 June 1998 On the conformity of Article 267 of the Administrative Code of the Republic of Belarus and point 2 of the decision of the Supreme Court (Plenum) of the Republic of Belarus No. 7 of 20 September 1990 “On the practice of examining complaints against bodies and officials by the courts of the Republic of Belarus in connection with the imposition of administrative penalties” with the Constitution of the Republic of Belarus.12 Here, the Constitutional Court held that Article 267, paragraph 1 to 3, of the Administrative Code of the Republic of Belarus, as well as paragraph two of point 2 of the above-mentioned decision of the Supreme Court of the Republic of Belarus 20 September 1990 violated the Constitution of the Republic of Belarus and the International Covenant on Civil and Political Rights, because there was no possibility to appeal to a court of law against a ruling in administrative matters where this could be challenged before a higher administrative body (higher official). The Court likewise found a violation in Article 267, para. 4 and 5, of the Administrative Code of the Republic of Belarus, which provided that an appeal could be made only to the higher body (higher official), and where a right to appeal to the court against the imposition of administrative penalty by way of written notice without giving reasons was not foreseen. The National Assembly of the Republic of Belarus and the Supreme Court of the Republic of Belarus were ordered to bring the norms of Article 267 of the Administrative Code of the Republic of Belarus and point 2 of the ruling of the Supreme Court of the Republic of Belarus of 20 September 1990 into line with the specified judgment. Pending the implementation of the judgment by way of the requested alterations and addenda to the Administrative Code of the Republic of Belarus and the departure from the ruling of the Supreme Court 20 September 1990 Arti___________ 12 Vedomosti Natsionalnogo sobrania Respubliki Belarus 1998. ʋ 36. St. 524; Vestnik Konstitutsionnogo Suda Respubliki Belarus. 1998. ʋ 3.

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cle 60 of the Constitution was declared to be directly applicable in accordance with Articles 137 and 142 of the Constitution. 3. In its judgment of 26 June 1998 On the conformity of part two of Article 116 of the Marriage and Familiy Law Code of the Republic of Belarus with the Constitution of the Republic of Belarus13 the Constitutional Court found part two of Article 116 of the Marriage and Familiy Law Code incompatible with the Constitution of the Republic of Belarus, as well as the Convention on the Rights of the Child to the extent that it allowed the adoption of children without the consent of the parents or persons in loco parentis by extrajudicial order envisaged by Article 113 of the given Code. This norm was found to be invalid from the moment of adoption of that judgment. The National Assembly of the Republic of Belarus was advised to make the necessary alterations and addenda to the Marriage and Familiy Law Code in accordance with the present judgment. Pending the implementation of the judgment by way of the requested alterations and addenda to the Marriage and Family Law Code of the Republic of Belarus, Article 32, para. 4, of the Constitution which determines judicial procedure of separation of children from the family against the will of parents or persons in loco parentis was to be applied under Articles 137 and 142 of the Constitution. 4. In its judgment of 1 December 1998 On the conformity of Article 92, para. 5, of the Code of Criminal Procedure of the Republic of Belarus with the Constitution of the Republic of Belarus14 the Constitutional Court found Article 92, para. 5, of the Code of Criminal Procedure to be at variance with the Constitution of the Republic of Belarus and instruments of international law to the extent that it contained no legal basis for the prolonged detention of the accused during the familiarization of the accused and his/her legal assistant with the criminal case materials after the expiry of the time limit of detention envisaged in Article 92, para. 2, of the Code of Criminal Procedure. Pending the implementation of the judgment by way of the requested alterations and addenda to the Code of Criminal Procedure, Article 60 of the Constitution of the Republic of Belarus – according to which the accused, his/her legal assistant or lawful representative shall have the right to appeal against the ___________ 13

Vedomosti Natsionalnogo sobrania Respubliki Belarus 1998. ʋ 36. St. 525; Vestnik Konstitutsionnogo Suda Respubliki Belarus. 1998. ʋ 3. 14 Vedomosti Natsionalnogo sobrania Respubliki Belarus 1998. ʋ 36. St. 530; Vestnik Konstitutsionnogo Suda Respubliki Belarus. 1998. ʋ 4.

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legality and validity of detention during familiarization of him/her and familiarization of the legal assistant with the materials of the criminal case after the expiry of the time limit of detention envisaged by part two of Article 92 of the Code of Criminal Procedure, was declared to be directly applicable in accordance with articles 137 and 142 of the Constitution. 5. In its judgment of 13 May 1999 On the conformity of Article 209, para. 6, of the Code of Criminal Procedure of the Republic of Belarus with the Constitution of the Republic of Belarus and international legal acts15 the Constitutional Court found the said provision of the Code of Criminal Procedure to be in violation of the Constitution and the International Covenant on Civil and Political Rights to the extent that it did not provide for the right to appeal to a court against a ruling terminating a criminal case. Pending the enactment of the respective alterations and addenda to the Code of Criminal Procedure on the issues of judicial appeal against the ruling on termination of the criminal case, Article 60 of the Constitution was declared to be directly applicable in accordance with articles 137 and 142 of the Constitution. Moreover, the Constitutional Court ruled that this should also have retroactive effect, i.e. that the right to appeal at issue should be deemed to have been acquired as from the date of entering into force of the Constitution of the Republic of Belarus on 30 March 1994. The National Assembly of the Republic of Belarus had to make alterations and addenda to the Code of Criminal Procedure of the Republic of Belarus in order to secure the realization of the constitutional right of the citizens to appeal against the ruling on dismissal of a criminal case to the court of law. In accordance with the decision of the Constitutional Court, the wording of Article 209 of the Code of Criminal Procedure of the Republic of Belarus was altered by the law of the Republic of Belarus of 25 October 1999 On making alterations and addenda to the Code of Criminal Procedure of the Republic of Belarus. 6. Neither the Constitution of the Republic of Belarus nor the ECHR compel the state to set up courts of appeal or courts of cassation. Starting from this basic understanding, the Constitutional Court concluded in its 1999 judgment On the conformity of articles 207, para. 2, 268, para. 1, 269, para. 1, and 291, para. 1, of the Code of Civil Procedure of the Republic of Belarus with the ___________ 15

National register of legal acts of the Republic of Belarus (ɇɚɰɢɨɧɚɥɶɧɵɣ ɪɟɟɫɬɪ ɩɪɚɜɨɜɵɯ ɚɤɬɨɜ Ɋɟɫɩɭɛɥɢɤɢ Ȼɟɥɚɪɭɫɶ) 1999, ʋ 38.6/8; Vestnik Konstitutsionnogo Suda Respubliki Belarus 1999, ʋ 2.

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Constitution of the Republic of Belarus and international legal acts16 that these articles as well as the related provisions of Chapter 26 of the Code of Civil Procedure did not provide sufficient procedural guarantees for the right to appeal against decisions of the Supreme Court rendered by this court in the first instance. They were therefore found to be in violation of the Constitution and international legal acts. 7. In its Decision of 4 July 2000 On certain issues related to rendering legal assistance to convicts17 the Constitutional Court held that – in accordance with the Constitution and the Criminal Code of Procedure – persons serving sentences in places of confinement have the right to obtain legal assistance not only of the advocates but also of such other persons, who have been allowed by a court as their defence counsels. The Penitentiary Regulations governing the contact of convicts with their advocates – at the setting out the relevant procedure – apply equally to the legal assistance rendered by those persons. In its decision of 5 October 2000 On the practice of applying the decisions of the Constitutional Court of the Republic of Belarus of 2 July 1999 “On some issues of representation in court in civil cases”, of 13 December 1999 “On certain issues of securing the citizens the constitutional right to legal assistance in criminal proceedings”, of 4 July 2000 “On certain issues related to rendering legal assistance to convicts” with a view to implement Article 62 of the Constitution18 the Constitutional Court confirmed the right to legal assistance which is enshrined in Article 62 of the Constitution and conforms to universally recognized principles of international law (cf. Article 8 of the Constitution). The enjoyment and protection of the rights and freedoms guaranteed by the State depends, first of all, on the provision of qualified legal assistance on a professional basis (i.e. by advocates, defence counsels or other persons having the right to render legal assistance). Citizens have the right to resort to legal assistance at any time and with regard to pursuing all their rights, be it in labour, housing, administrative, tax and other disputes. Legal representation by a non-professional is only permissible under certain restrictions, i.e. he must not render services of this kind systematically nor is he allowed to draw profit, unless otherwise specified in the legislation. ___________ 16 National register of legal acts of the Republic of Belarus 1999, ʋ 51.6/11; Zvyazda. 01.07.1999. 17 National register of legal acts of the Republic of Belarus 2000, ʋ 64.6/247. 18 National register of legal acts of the Republic of Belarus 2000, ʋ 96.6/257.

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In accordance with articles 8 and 62 of the Constitution and the decision of the Constitutional Court of 13 December 1999 On certain issues of securing the citizens the constitutional right to legal assistance in criminal proceedings, the right to legal assistance by a defence counsel at any time must be ensured not only for the defendant but also for a suspect who is subject to detention as a preventive punishment. Legal assistance in criminal proceedings (Article 49 of the Code of Criminal Procedure) may be rendered by defence counsels and other persons having the right to act as defence counsel. A suspect or accused may also be assisted by his/her next of kin or lawful representatives who may act as their defence counsels in criminal proceedings. Refusal to grant the right to act as defence counsel in these cases may be subject to appeal to the court in accordance with Article 60 of the Constitution. If these persons have participated in the initial criminal proceedings as defence counsel, they may continue to render legal assistance in a given case even after the verdict was rendered (cf. the decision of the Constitutional Court of 4 July 2000 On certain issues related to rendering legal assistance to convicts). This includes the right to communicate with the convict in prison under the same conditions as set out in the Penitentiary Regulations for defence counsel. In civil as well as in administrative cases, legal assistance in the court may be rendered by the persons enumerated in Article 72, para. 2, of the Code of Civil Procedure. The regulation of the provision of legal services envisages also other persons that may render legal assistance in the court, upon providing the proper power of attorney (Article 72, para. 1, of the Code of Civil Procedure). However, such legal service must not be systematic in nature, and may not be the source of income, unless otherwise specified in legislation. A similar approach is followed with regard to legal representatives in other state bodies, e.g. in local bodies, enterprises, establishments, organizations, public associations, as well as in relations with officials and other citizens. A convicted person who is in prison has the right to legal assistance at any time for the settlement of civil law disputes, both by the defence counsel and by a trustee on condition that the power of representation is drawn up properly in accordance with the applicable law. Taking into account the special regime in places of confinement taken, there may be special conditions for the realization of the right to legal assistance of a convict, excluding, inter alia, the possible abuse both by the convict and the trustee. In those instances legal assistance must not be systematic in nature, nor may it be the source of income, unless otherwise provided for in legislation. The respective state bodies were advised to change the respective legal rules in accordance with the judgment of the Constitutional Court, with a view to es-

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tablish pertinent regulations for the provision of legal assistance, including convicts serving their sentence in prison, and to secure compliance with the right to legal assistance enshrined in Article 62 of the Constitution of the Republic of Belarus and international legal acts. 9. In its decision of 23 March 2001 On the terms of appeal by servicemen to the court against disciplinary penalty19 the Constitutional Court ruled that servicemen shall have the right to appeal against disciplinary penalties within a three months period from the day when they got to know – or should have known – about the penalty. The examination of those applications must be carried out in accordance with the rules of procedure of ordinary lawsuits. The judicial bodies were reminded to comply with Article 112 of the Constitution and Article 4 of the law On the judicial system and the status of judges in the Republic of Belarus. These provisions, taken together with Article 59 of the Constitution, require from a lower court to raise the issue of the constitutionality of an enforceable enactment with the Constitutional Court, if this court, during the hearing of a specific case, court concludes that this act is contrary to the Constitution. 10. In its decision of 2 April 2001 On the right of imprisoned convicts to judicial appeal against penalties20 the Constitutional Court decided that imprisoned convicts have the right to appeal to a court against decision affecting them, including the imposition of penalties, on the basis of Articles 60 and 137 of the Constitution. The National Assembly of the Republic of Belarus was called upon to change the effective legislation accordingly and to introduce a procedure of judicial appeal for convicts. As long as these changes have not been enacted, the Constitution would be directly applicable providing for such right to judicial appeal. 11. The decision of the Constitutional Court dated 3 April 2001 On the right of citizens to appeal to the court on the issues arising in the court of criminal investigations21 concerned the issue of the possibility of complaints against actions and decisions investigators or other bodies of inquiry. The Constitutional Court – taking into account the direct effect of the constitutional norms – decided that notwithstanding the lack of any provision to that extent in the Code of Criminal Procedure, citizens could by virtue of articles 60 and 137 of the Constitution appeal the actions and decisions of investigators both to the prosecutor and to the court in order to protect their fundamental rights and freedoms. ___________ 19 20 21

National register of legal acts of the Republic of Belarus 2001, ʋ 31.6/272. National register of legal acts of the Republic of Belarus 2001, ʋ 34.6/273. National register of legal acts of the Republic of Belarus 2001, ʋ 35.6/274.

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The National Assembly of the Republic of Belarus was called upon to make the appropriate changes in the criminal legislation, to enable appeals against actions and decisions of an investigator or a body of inquiry, and to determine the applicable procedure. 12. In its decision of 17 April 2001 On the procedure for constituting the panel of lay judges22 the Constitutional Court emphasized that the procedure of establishing the panel of lay judges must be determined by law in order to secure their proper status in the administration of justice. This follows from the constitutional principle of justice and Articles 60, 84, paras. 9 and 10 and Articles 109 - 115 of the Constitution. A lay judge may only act as a judge on the basis of an authorizing decision of the President of the Republic of Belarus taking into account the requirements of the Constitution and the laws. The National Assembly of the Republic of Belarus was advised to change the law On the judicial system and the status of judges in the Republic of Belarus and other enforceable enactments in order to establish a proper procedure for the establishment of panels of lay judges and eliminate collisions in the applicable legislation. The Constitutional Court, in rendering this judgment, confirmed the right of each citizen to have their case be heard by the lawful court – given many complaints of convicts who claimed to have been tried by judges who hold their office in violation of the law. The appropriate regulations on lay judges were approved by decree no. 18 of the President of the Republic of Belarus dated 15 June 2001. 13. In its decision of 25 April 2001 On the conformity of Article 37 of the Administrative Code of the Republic of Belarus and its application with the Constitution23 the Constitutional Court found that Article 37 of the Administrative Code of the Republic of Belarus concerning the confiscation of objects of customs offences and of objects hidden from customs clearing in purpose-built places after the expiration of the statutory limitations in paras. 1 and 2 is in line with the Constitution and the laws of the Republic of Belarus. As long as the lawmaker has not established any particular statutory limitations, the application of a three years term is considered to be admissible. However, the practice of the courts in administrative customs cases not to confiscate objects after the expiration of the two-months term contrary to Article 37, para. 1, of the Administrative Code of the Republic of Belarus was found to be unconstitutional. Article 37, para. 1, allows for administrative pen___________ 22 23

National register of legal acts of the Republic of Belarus 2001, ʋ 41.6/281. National register of legal acts of the Republic of Belarus 2001, ʋ 43.6/282.

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alties – i.e. confiscation of objects of customs offences and those with specially made hiding-places used for concealment of things from customs clearing – irrespective of the time of commitment or of discovery of an administrative offence. The Supreme Court of the Republic of Belarus was called upon to ensure uniformity of the practice in administrative customs cases relating to Article 37, para. 3, of the Administrative Code of the Republic of Belarus which allows the confiscation of objects of administrative customs offences and of objects hidden from customs clearing in purpose-built places also after the expiration of the statutory limitations in Article 37, para. 1 and 2. The National Assembly of the Republic of Belarus was proposed to consider the establishment of limiting terms during which a person who committed an administrative customs offence may be liable for the above-mentioned confiscation. 14. In its judgment of 12 November 2001 On the conformity of Article 4, para. 4, subpara. 3, of the Criminal Code of the Republic of Belarus and the interpretation of the term “official” in the context of carrying out acts of legal significance with the Constitution24 the Constitutional Court found this provision to be in line with the Constitution. The norm provides that persons officially authorized to carry out acts of legal significance, shall be considered as officials. At the same time, the Court noted that the practice of the courts was inconsistent with regard to the question whether lecturers at higher and specialized secondary education institutions should be held criminally responsible for receiving bribe, if they accept payment for giving better marks than appropriate in tests and exams. The attention of the Supreme Court of the Republic of Belarus was drawn to the necessity of securing uniformity in the application of Article 4, para. 4, subpara. 3, of the Criminal Code of the Republic of Belarus, bearing in mind that the norm in question shall make it possible to criminalise the acceptance of unlawful payment from students by lecturers of higher and specialized secondary education institutions. Accepting thus, the judgment implies that the Supreme Court of the Republic of Belarus has to correct its approach in its decision no. 4 of 4 June 1993 On the judicial practice in cases of misuse of authority or misuse of one’s office, exceeding one’s authority or exceeding one’s official powers, negligence of one’s official duties and official forgery into strict line with Article 4, para. 4, subpara. 3, of the Criminal Code of the Republic of Belarus. Where the courts which have applied this provision in the past (usually having convicted persons charged with bribery under this provision) consider it necessary to exclude criminal liability in such cases, or consider it necessary to ___________ 24

National register of legal acts of the Republic of Belarus 2001, ʋ 108.6/305.

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define more clearly the term “act of legal significance” (e.g. being legal in nature, public and having legal consequences) or to envisage for those persons other criminal or juridical responsibility, they should initiate changes to the current legislation under the prescribed procedure. 15. In its decision of 15 January 2002 On the payment of state tax by persons who appeal the refusal of registration of their application for recognition as refugee or the refusal of recognition as refugee25 the Council of Ministers of the Republic of Belarus was advised to consider the reduction of the tax ratefor persons who have lodged an appeal against the refusal to register their application for recognition as refugee or against the refusal of recognition as refugee, or granting a privilege with regard to the payment of state tax by those persons. By resolution no. 443 of 8 April 2002, in On changing resolution no. 105 of the Council of Ministers of the Republic of Belarus dated 26 February 1993 the Council of Ministers envisaged reduction of the rate of state tax for persons mentioned above. 16. In its decision of 15 July 2002 On securing the constitutional right of imprisoned convicts to judicial appeal against penalties26 the Supreme Court of the Republic of Belarus was called upon to secure the implementation of Article 60 of the Constitution of the Republic of Belarus by the courts of law. Article 60 does not only guarantee the right of all citizens to judicial protection, but also the right of imprisoned convicts to lodge an appeal against penalties imposed on them, which has already been pointed out in the Constitutional Court’s decision of 2 April 2001 On the right of imprisoned convicts to judicial appeal against penalties. In order to guarantee the constitutional rights of the imprisoned convicts and taking into account Article 72 of the law On normative legal acts of the Republic of Belarus and using the possibilities introduced by the new Codes of procedure, the competent courts should choose the most favourable means to settle disputes of that kind, having resort, where necessary to analogies.

IV. Conclusion The cases decided by the Constitutional Court, as well as the incoming complaints of citizens, signify clearly that the problem of judicial protection remains an important and critical one. The right to a fair trial is an inalienable ___________ 25 26

National register of legal acts of the Republic of Belarus 2002, ʋ 10.6/316. National register of legal acts of the Republic of Belarus 2002, ʋ 82.6/330.

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right of everyone. At the same time, this right is not confined to a right to appeal to the court. The court itself must be impartial, competent and independent. A citizen must have a real possibility to use the services of an advocate, and the rate of applicable fees must be reasonable and shall not be a hindrance for making an appeal to the court. This right does not exclude the existence of preliminary dispute settlement procedures (for example, in a Commission on Labour Disputes) or alternative procedures (for example, appeal to a higher or another body must not deprive a citizen of the right to appeal to the court). A citizen should have the right to appeal to the court also in case, if he/she – because of certain reasons – failed to initiate the proscribed preliminary procedure within the specific time period. Thus, the time limits set for the preliminary settlement of labour disputes could become more balanced in view of the specific circumstances: e.g. not three months for an application to the Commission on Labour Disputes and the court (Article 242 of the Labour Code), but, for example, a 10 days period for the application to the Commission on Labour Disputes and three months to the court. Other than in the Russian Federation, there are not many requests of the lower courts for the examination of the constitutionality of the normative acts applicable in a case in Belarus. However, Article 112 of the Constitution requires the courts, if they consider a normative act to be contrary to the Constitution, to use the competence of the Constitutional Court for bringing the respective normative acts in line with the Constitution. By the way, the same approach must be followed in case of any inconsistency between a normative act and international treaties binding upon the Republic of Belarus. According to our understanding, they follow the Constitution but are of higher legal value than all other sub-constitutional acts. The result of a failure to comply with Article 112 of the Constitution may perfectly well be observed in the case concerning the privatisation of rooms in communal flats and in the case relating to the rights of convicts to appeal against penalties, where the provisions contradictory to the Constitution had been applied for years, while the citizens were lacking proper judicial protection. Another example is the right to alternative service, where several individuals had been already convicted and there was nobody who felt a doubt about the correctness of this approach. The issue was finally raised by some public associations. However, already the first conviction should have been the occasion to have the problem in question referred to the Constitutional Court. While considering one of the cases initiated by the President, the Constitutional Court found it inadmissible to combine the accusatory function with that of deciding about the criminal responsibility. For quite some time, the taking

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into custody of a person during his/her familiarization with the materials of a criminal case, had no legal basis after the expiration of the time period of one year and a half. This issue was resolved by a decision of the Constitutional Court and a principled position of the Procurator’s Office which – before consideration of the case in the Constitutional Court as well as after the delivery of the decision – was strictly in favour of a fair lawful settlement of the problem. According to this decision clarifying the legislation in force, an accused person may be detained during the period of familiarization with materials of the case only on the basis of a decision of the court, which has to set out the duration of such detention. In order to meet the obligations arising under the ECHR, the state has to take certain positive actions – it may not rest passive.27 The Belarusian Constitution gives clear instructions in that respect. It is possible to make reference to a number of its articles. The essence, however, is found in Article 59, according to which “[t]he state shall take all measures at its disposal to create the domestic and international order necessary for the exercise in full of the rights and liberties of the citizens of the Republic of Belarus that are specified in the Constitution”.

Finally, it should be emphasised that the Constitutional Court frequently referres to international instruments. In the decisions adopted between 1997 and 1 July 2005, there are, e.g. 84 references to the Universal Declaration of Human Rights,28 to the International Covenant on Civil and Political Rights29 and the Second Optional Protocol thereto,30 to the Convention on the Rights of the Child,31 to the (Geneva) Convention on the Status of Refugees32 and the Protocol related to Refugees,33 to the Body of Principles for the Protection of All Persons under Any Form of Detention or Imprisonment,34 to the UN Basic Principles on the Role of Lawyers,35 to the Procedures for the Effective Im___________ 27

M. de Salvia (note 2), p. 293. General Assembly Resolution 217 A (III) of 10 December 1948. 29 International Covenant on Civil and Political Rights (note 7). 30 General Assembly Resolution 44/128 of 15 December 1989. 31 General Assembly Resolution 44/25 of 5 December 1989. 32 Of 28 July 1951, UNTS vol. 189, p. 150. 33 Of 31 January 1967, UNTS vol. 606, p. 267. 34 General Assembly Resolution 43/173 of 9 December 1988, in: Human rights: a compilation of international instruments, vol. 1, part 1, 1994, pp. 265-274. 35 Adopted by the 8th UN Congress on the Prevention of Crime and the Treatment of Offenders, Havana, Cuba, 27 August to 7 September 1990, in: Human rights: a compilation of international instruments, vol.1, part 1, 1994, pp. 324-329. 28

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plementation of the Basic Principles on the Independence of the Judiciary,36 to the Declaration on Territorial Asylum,37 as well as to several ILO Conventions and Recommendations. All this can be seen as a contribution to strengthening the supremacy of the Constitution and furthering the development of the national legal system towards international standards.

Zusammenfassung Grigory A. Vasilevich: Die Rechtsprechung des weißrussischen Verfassungsgerichtshofs zum Recht auf Zugang zum Gericht im Lichte der Praxis des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. In: Minderheitenschutz und Menschenrechte – Aktuelle Probleme insbesondere in den deutsch-polnischen Beziehungen. Hrsg. von Dieter Blumenwitz (†), Gilbert H. Gornig und Dietrich Murswiek (Berlin 2006), S. 133-152. Das Recht auf effektiven Rechtsschutz wird in der modernen Völkerrechtslehre und -praxis als elementares Menschenrecht angesehen. Es ist von besonderer Bedeutung für das Verhältnis zwischen dem einzelnen und einem auf Demokratie und Rechtsstaatlichkeit beruhenden modernen Staatswesen. Der vorstehende Beitrag stellt die wichtigsten Vorschriften des weißrussischen Rechts der EMRK gegenüber und geht auf das Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz im weißrussischen Recht ein. Dieses verfassungsrechtlich verankerte Menschenrecht bleibt in der Rechtspraxis der Behörden und Gerichte Weißrußlands nicht selten unberücksichtigt. Dies beruht darauf, dass es einfachgesetzlich nicht umgesetzt ist und die Verfassung von den oftmals noch dem alten sozialistischen Rechtsdenken verhafteten Beamten und Richtern entweder gänzlich ignoriert wird oder ihr – im Einklang mit der alten Doktrin – im Falle gesetzlicher Lücken die unmittelbare Anwendbarkeit abgesprochen wird. Der umfängliche Überblick über die Entscheidungspraxis des Verfassungsgerichtshofs zeigt anhand der einzelnen Ur-

___________ 36 ECOSOC Resolution 1989/60 of 24 May 1989, in: Resolutions and decisions adopted by the Economic and Social Council at its 1st regular session of 1989, 2-24 May 1989, UN Doc. E/1989/INF/7, pp. 113-117. 37 General Assembly Resolution 2312 (XXII) of 14 December 1967, in: Human rights: a compilation of international instruments, vol. 1, part 2, 1994, pp. 665-667.

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teile zahlreiche Verstöße auf, erwähnt aber auch die vom höchsten Gericht angeordneten Maßnahmen zur Abhilfe. Deutlich wird, daß die Umsetzung dieses elementaren Grundrechts auch noch auf längere Sicht problematisch bleiben wird.

Menschenrechte im Völkerrecht Von Gilbert H. Gornig

I. Allgemein 1. Grundrechte als vorstaatliche Rechte Nach klassischer Auffassung versteht man unter Grund- und Menschenrechten in erster Linie vorstaatliche Rechte, die dem Menschen kraft seines Wesens als Träger höchster geistiger und sittlicher Werte zukommen. Freiheit und Gleichheit sind in der menschlichen Person selbst begründet, weil sie eine Voraussetzung für die Entwicklung des Menschen als selbstverantwortliche Persönlichkeit und mitgestaltendes Glied der menschlichen Gemeinschaft bilden. Freiheit soll nicht dem Individuum vom Staat zugeteilt und damit stets dem staatlichen Eingriff ausgesetzt sein, sie soll vielmehr gegenüber dem Staat bereits vorgegeben und abgesichert sein. Das bürgerlich-liberale Grundrechtsverständnis, das sich letztendlich gegenüber dem sozialistischen Menschenrechtsverständnis durchgesetzt hat, macht sich diese klassische Auffassung zu eigen und erkennt die meisten Grundrechte als vorstaatliche Rechte an, deren Verbriefung in den internationalen Verträgen und in den Verfassungen lediglich eine Bestätigung bedeutet, nicht aber ein Zugeständnis. 2. Funktion der Grundrechte a) Grundrechte als subjektive Rechte Besteht eine Bindung von Gesetzgebung, vollziehender Gewalt und Rechtsprechung an die Grundrechte als unmittelbar geltendes Recht und hat der Einzelne das Recht zur Durchsetzung dieser Bindung, dann sind die Grundrechte nicht nur objektives Recht, sondern gleichzeitig auch subjektive Rechte. Objektives Recht muß aber nicht notwendig ein subjektives Recht umfassen. Von ihrer historischen Entwicklung her besteht die Funktion der Grundrechte zunächst darin, Abwehrrechte des Bürgers gegen staatliche Machtentfaltung zu sein. Dies ist nach der Rechtsprechung und dem Schrifttum heute noch ihre primäre und zentrale Wirkungsdimension. Dieser negatorische Anspruch, den

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die Grundrechte begründen, ist allerdings nur ein Teil ihrer Funktion als subjektive öffentliche Rechte. Mit diesem korrespondiert eine nicht minder wichtige positive Seite. Die Grundrechte sind nämlich auch Mitwirkungsrechte. Sie bieten dem Bürger nicht nur die Möglichkeit, sich eine staatsfreie Sphäre zu erhalten, sondern sie garantieren auch das Recht, sich dem Staate zuzuwenden. Sie versetzen den Einzelnen in die Lage, auf das Gemeinwohl, das alle mitverantwortlich denkenden Bürger angeht, einzuwirken und an der Gestaltung des Gemeinwesens mitzuwirken. Da der demokratische Staat auf diese Initiative seiner Bürger angewiesen ist, hat diese positive Freiheit für die Demokratie funktionelle Bedeutung. Die Grundrechte können weiterhin die Funktion von Teilhaberechten an staatlichen Leistungen haben. Aufgrund der Erkenntnis, daß die Freiheitsrechte ohne die Voraussetzung, sie tatsächlich in Anspruch nehmen zu können, ohne Wert sind, wurde gefolgert, daß der soziale Rechtsstaat eine gewisse begrenzte Garantenstellung für die Umsetzung des grundrechtlichen Wertsystems in die Verfassungswirklichkeit einnimmt. Ein Grundrecht wird jedenfalls dann auch den Charakter eines positiven Teilhaberechts haben, wenn die Grundrechtsverwirklichung nur durch staatliche Leistungen garantiert wird. Aus den Grundrechten können jedoch grundsätzlich keine finanziellen Leistungsansprüche oder Versorgungsansprüche gegen den Staat abgeleitet werden. Der status positivus verpflichtet allerdings nicht zu einem bestimmten Gebrauch der Freiheiten mit der Folge, daß jeder andere Gebrauch der Rechte oder ein Nichtgebrauch der Rechte nicht mehr von den Freiheitsrechten geschützt wäre. Aus diesem Grunde ist nicht nur die positive Freiheit, etwas zu tun, geschützt, sondern auch die negative Freiheit, etwas nicht zu tun.

b) Grundrechte als objektives Recht Grundrechte sind in der Regel als Elemente objektiver Ordnung anerkannt und konstituieren als solche die Grundlagen der Rechtsordnung. Die Grundrechte binden Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung. Sie enthalten negative Kompetenzbestimmungen für die drei Gewalten. Diese Sicht ist aber selbstverständlich, wenn die Grundrechte subjektive öffentliche Rechte darstellen, da jedes subjektive öffentliche Recht eine objektive Norm voraussetzt, die es begründet. Die objektive Aussage der Grundrechte tritt neben das individuelle Freiheitsrecht als ergänzender normativer Gehalt, der stets im Lichte der individuellen Freiheit zu sehen ist. Zum Teil wird den Grundrechten als objektives Recht noch eine weitere Funktion zuerkannt. Sie sollen als Grundsatznormen wirken und eine objektive Wertordnung bilden, die den Staat verpflichtet, jeden wertstörenden Eingriff zu unterlassen. Die objektive Wertordnung legt dem Staat eine Hilfs- und Garantenpflicht gegenüber der Verwirkli-

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chung der Freiheitsrechte auf. Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung empfangen von dieser Ordnung Richtlinien und Impulse. Die objektive Wertordnung gilt als verfassungsrechtliche Grundentscheidung für alle Bereiche des Rechts und bedeutet eine „prinzipielle Verstärkung“1 der Geltungskraft der Grundrechte. Die in den Grundrechten als objektive Wertordnung zum Ausdruck kommende objektiv-rechtliche Dimension findet in dem Rechtsinstitut der Einrichtungsgarantie eine weitere Verstärkung. Durch sie sollen Einrichtungen des öffentlichen und privaten Lebens, die der Verfassunggeber für wertvoll erachtet, verfassungsrechtlich garantiert werden. Dem Gesetzgeber ist es damit verwehrt, das Institut als solches zu beseitigen oder in seinem Wesensgehalt anzutasten.

II. Entwicklung des Menschenrechtsschutzes 1. Entwicklung bis 1945 Solange die Rechtswissenschaft das Völkerrecht als ein alle Menschen und daher auch alle Staaten verbindendes ius gentium im Sinne der älteren Lehre oder als Naturrecht auffaßte, bestand eine unmittelbare Verbindung der Individuen mit der Rechtsgrundlage des internationalen Rechts. Das ius gentium der mittelalterlichen und naturrechtlichen Epoche bezog sich seinem Inhalt nach auf alle Rechtsgebiete und beschränkte sich nicht auf zwischenstaatliche Beziehungen. Es wurden daher auch aus dem ius gentium unmittelbare Rechte für Einzelpersonen abgeleitet, die heute in den Bereich des Völkerrechts fallen. So lehrte Emer de Vattel,2 daß der Soldat ein Recht auf den Erwerb der Kriegsbeute habe, und Christian Wolff,3 daß der Verbannte das Recht habe, von einem fremden Land aufgenommen zu werden. Die Auffassung von Hobbes,4 nach der das ius gentium sich nur auf Staatenbeziehungen erstrecke, setzte sich in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts durch und verdrängte das Individuum aus dem Völkerrecht. Die Geltung des Völkerrechts wird in erster Linie auf die Beziehungen zwischen den Staaten beschränkt, auch wenn es nicht an Ansätzen eines humanitären Schutzes des Einzelmenschen fehlt.5 Dem Schutz der Fremden nahm sich das Völkerrecht ___________ 1

BVerfGE 7, S. 198 ff. (205); 35, S. 79 ff. (114). E. de Vattel, Le droit des gens, Buch III, Kap. 14, § 164, S. 451. 3 C. Wolff, Jus gentium, Kap. 1, § 147-149, S. 117 ff. 4 T. Hobbes, De cive, in: T. Hobbes, Opera philosophica, vol. II, 1961, cap. 14, § 4, Bd. 2, S. 316. 5 Zur humanitären Intervention vgl. z.B.: H. Grotius, Vom Recht des Krieges und des Friedens, Buch 2, Kap. 20, § 40, S. 354 ff.; E. de Vattel, Le droit des gens, Buch II, Ka2

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jedoch seit jeher an, da er von internationalem Belang ist. Die Entwicklung des Schutzes der Grundfreiheiten war jedoch zunächst allein den innerstaatlichen Rechtsordnungen überlassen. Die Ausbildung eines geschlossenen Katalogs von Grundrechten und Freiheitsrechten erfolgte zuerst im anglo-amerikanischen Raum und in Frankreich. Diese Entwicklungen liefen getrennt, entbehrten aber nicht konkreter Berührungspunkte. Als erste moderne Menschenrechtskodifikation enthält die der Verfassung von Virginia vorangestellte Bill of Rights vom 12. Juni 1776 individuelle Menschenrechte. Das Bekenntnis, daß alle Menschen „von Natur aus in gleicher Weise frei und unabhängig“ sind, daß sie „bestimmte angeborene Rechte“ haben, „welche sie ihrer Nachkommenschaft durch keinen Vertrag rauben oder entziehen können, wenn sie eine staatliche Verbindung eingehen“,6 ist in dieser Einheit in einem Gesetzestext neu und folgt naturrechtlichen Prinzipien.7 Die Freiheitsrechte fanden dann auch Aufnahme in die RechteErklärungen der anderen nordamerikanischen Staaten. Obwohl der zeitliche Abstand zur ersten amerikanischen Menschenrechtskodifikation nur 13 Jahre beträgt, enthält die französische Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte vom 26. August 1789 erstmals ausdrücklich eine Verankerung von Individuen garantierten Rechten. Auch sind die Formulierungen präzise und konsequenter als in den amerikanischen Menschenrechtserklärungen. Aus diesem Grund wird die französische Erklärung der Menschenrechte von 1789 zum Vorbild aller Menschenrechtsgarantien, was zur Folge hat, daß trotz nationaler Verschiedenheit die Kataloge der Menschenrechte und Grundfreiheiten in den europäischen Verfassungen viele Gemeinsamkeiten aufweisen. Der internationale Schutz des Einzelnen war im klassischen Völkerrecht nur diplomatischer Schutz. Auch nach dem geltenden Völkerrecht ist der Staat berechtigt, seine Staatsangehörigen im Ausland gegenüber allen anderen Staaten zu schützen. Dabei muß allerdings die Souveränität der fremden Staaten, auf deren Gebiet sich fremde Staatsangehörige befinden, beachtet werden, da jeder ___________ pitel IV, § 56, S. 210 f. – In der Staatenpraxis des 18. und 19. Jahrhunderts wird sie insbesondere von den Großmächten gegenüber dem Islam zum Schutz des christlichen Glaubens angewandt. Weitere Beispiele siehe bei G. Dahm, Völkerrecht, Bd. 1, 1958, S. 410, 421. 6 Zit. nach G. Franz (Hrsg.), Staatsverfassungen. Eine Sammlung wichtiger Verfassungen der Vergangenheit und Gegenwart, in: Urtext und Übersetzung, 2. Aufl. 1964, S. 7. 7 Vgl. hierzu G.-H. Gornig, Äußerungsfreiheit und Informationsfreiheit als Menschenrechte, 1988, S. 68.

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Ausländer der Gebietshoheit des Gastlandes unterliegt. Die Möglichkeiten des Heimatlandes, diplomatischen Schutz auszuüben, sind begrenzt, aber sie reichen in der Regel aus, um denjenigen, der sich auf fremdem Staatsgebiet einer Verletzung der dort geltenden Gesetze schuldig gemacht hat, vor unmenschlicher Behandlung zu schützen. Das Recht eines jeden Staates zur Ausübung des diplomatischen Schutzes ist auf die eigenen Staatsangehörigen beschränkt. Eine solche Schutzmachtstellung ist im Frieden wie im Krieg möglich. Das System des diplomatischen Schutzes versagt aber dort, wo ein Einzelmensch nicht mehr den Schutz seines Heimatlandes genießt oder ihn aus eigenem Entschluß ablehnt. Dieser Tatsache trug das seit der Völkerbundszeit in Entwicklung begriffene internationale Flüchtlingsrecht Rechnung. Auf seiner Grundlage ist ein internationaler Schutz von einzelnen Menschen aufgebaut worden, dessen Durchführung aber immer noch weitgehend souveränen Staaten obliegt. Die wirksame internationale Durchsetzung der Menschenrechte verlangt also den Abbau von Souveränität. Vor dem Ersten Weltkrieg findet sich aber schon ein allgemeiner Menschenrechtsschutz im Friedensvertrag zwischen Bulgarien und der Türkei vom 16./19. September 1913.8 Während des Zweiten Weltkriegs glaubte der USamerikanische Präsident Roosevelt in seiner Botschaft an den Kongress vom 6. Januar 1941 bereits die Umrisse einer neuen Weltordnung zeichnen zu können, deren Grundlage er in vier Freiheiten sah, der Freiheit von Mangel und Furcht, in der Religionsfreiheit und der Meinungsäußerungsfreiheit.9 Auch wenn die Vorstellungen Roosevelts nicht Wirklichkeit wurden, so wurde doch in der Satzung der Vereinten Nationen die Idee des Menschenrechtsschutzes zum Ausdruck gebracht.

2. Entwicklung seit 1945 In der Völkerrechtsliteratur besteht durchaus die übereinstimmende Ansicht, daß der Menschenrechtsschutz erst in der Ära der Vereinten Nationen in diejenige Entwicklungsphase eingetreten ist, in der er völkerrechtlich greifbar wird. Gleichwohl haben die Vereinten Nationen den Begriff der Menschenrechte nicht erfunden. Wichtig ist, darauf hinzuweisen, daß zwischen der Entfaltung ___________ 8 Text: G. Fr. Martens, NRG, Bd. 8, S. 78 ff.; in Art. 9 Abs. 2 wird nämlich bestimmt, daß die ottomanischen Untertanen Bulgariens „ne seront aucunément inquiétés, dans l’exercise et la jouissance de leurs droits de l’homme ...“. Zit. nach G. Fr. Martens, NRG, Bd. 8, S. 83. 9 G. Dahm (Anm. 5), Völkerrecht, S. 422.

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der Menschenrechtsidee, dem Wandel des Staatsbegriffs und der Umgestaltung der internationalen Rechtsgemeinschaft eine Wechselwirkung besteht. Sie trat erst in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg deutlich in Erscheinung. Ihre Wurzeln reichen aber, wie bereits gezeigt wurde, weit zurück. Heute besteht ein Spannungsverhältnis zwischen dem Menschenrechtsschutz auf der einen Seite und der staatlichen Souveränität auf der anderen Seite. Auf der einen Seite steht die Tatsache, daß die Rechtsordnung, mit deren Hilfe dieser Menschenrechtsschutz bewerkstelligt werden soll, ein Recht der Staaten ist. Auf der anderen Seite ist unbestreitbar, daß sich die Idee der Menschenrechte von Anfang an begriffsmäßig gegen den modernen Staat wandte, der auf dem europäischen Kontinent in dieser ersten Epoche des Völkerrechts in diktatorischer Form, nämlich in der Form der absoluten Monarchie auftrat.10 Die Idee der Menschenrechte wurde aber zu keiner Zeit als Rechtfertigung der Anarchie verstanden. Vielmehr sollte sich die Staatsgewalt durch die Bindung an das Recht mäßigen und kontrollieren. So ist der freiheitliche demokratische Rechtsstaat, der begrifflich durch eben jene Machtbändigung und Machtkontrolle im Dienste der in der Gemeinschaft eingebundenen Einzelnen gekennzeichnet ist, untrennbar mit der Idee der Menschenrechte verbunden. In allen seinen Formen hat der moderne Staat aber eine menschenrechtsbedrohende Existenz, so daß es zu den Hauptzielen des Rechtsstaates gehört, dieser Tendenz entgegenzuwirken. Das Völkerrecht ist seinem Wesen nach noch immer ein Recht der Staaten und kann daher, sofern nicht ausdrücklich Vertragsbestimmungen bestehen, die zur Durchsetzung des Menschenrechtsschutzes notwendige Kontrollfunktion nicht ausfüllen. Dogmatischer Angelpunkt für die Lösung dieses Problems ist die Rechtsstellung des Einzelnen im Völkerrecht. Während im klassischen Völkerrecht der Einzelne überhaupt nicht auf der völkerrechtlichen Ebene auftauchte, wurde bereits nach dem Zweiten Weltkrieg die Auffassung vertreten, die Anerkennung von Einzelmenschen als Subjekte des Völkerrechts liege „auf der Linie der neuzeitlichen Entwicklung der internationalen Beziehungen überhaupt“.11

___________ 10

Vgl. O. Kimminich, Die Menschenrechte in der Friedensregelung nach dem Zweiten Weltkrieg, 1990, S. 62. 11 K. J. Partsch, Die Einzelperson im Völkerrecht, in: Die Friedenswarte, 1949, S. 256.

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Das erste Teilgebiet, auf dem die Diskussion über eine Völkerrechtssubjektivität des Einzelnen durchgeführt wurde, war der Minderheitenschutz.12 Nach heftiger Debatte in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen kam die Völkerrechtslehre zu dem Ergebnis, daß von einer Völkerrechtsfähigkeit des Einzelnen nicht gesprochen werden könne, weil das Minderheitenrecht nur den Völkerbund und die Staaten berechtige und verpflichte, so daß die Einzelnen nur als Begünstigte, nicht aber als eigene Rechtsträger aufträten.13 Später war es der begrenzte Zutritt von Einzelpersonen zu internationalen Gerichten, der den Gedanken nahe legte, die Einzelperson als partielles Völkerrechtssubjekt zu betrachten. Auch hier blieben aber die Staaten die eigentlichen Träger der Rechte.

Das Flüchtlingsproblem nach dem Zweiten Weltkrieg führte die Diskussion über die Völkerrechtssubjektivität des Einzelnen weiter. Mit der Flüchtlingskonvention vom 28. Juli 195114 gelang die Schaffung eines internationalen Instruments, das den Flüchtlingen15 auf der Ebene des Völkerrechts zwar noch immer kein subjektives Recht auf Asylgewährung einräumte, ihnen aber einen internationalen Rechtsstatus gab, der durch ein internationales Organ, nämlich ___________ 12 Vgl. dazu D. Blumenwitz / G. Gornig / D. Murswiek (Hrsg.), Ein Jahrhundert Minderheiten- und Volksgruppenschutz, 2001; dies. (Hrsg.), Minderheitenschutz und Demokratie, 2004. 13 A. Verdross, Die Verfassung der Völkerrechtsgemeinschaft, 1926, S. 162. 14 Text: UNTS, Bd. 189, S. 150 ff.; BGBl. 1993 II S. 560 ff. 15 Die Rechte und Pflichten der Flüchtlinge sind speziell in der Genfer Flüchtlingskonvention statuiert. Jeder Flüchtling hat Pflichten gegenüber dem Land, in dem er sich befindet. Diese Pflichten erfordern es insbesondere, daß er sich den Gesetzen des Landes sowie den zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung getroffenen Maßnahmen fügt. In Bezug auf die Freiheit der Religionsausübung und der religiösen Kindererziehung sollen die vertragschließenden Staaten den auf ihren Gebieten lebenden Flüchtlingen dieselbe Behandlung angedeihen lassen, wie ihren eigenen Staatsangehörigen. Die Flüchtlinge genießen im Namen der für alle Ausländer anwendbaren Gesetze Freizügigkeit innerhalb des Zufluchtsstaates. Die Flüchtlinge, die sich rechtmäßig in einem Staatsgebiet aufhalten, sollen hinsichtlich der Meinungen, die nicht politischen Zwecken und nicht Erwerbszwecken dienen, und hinsichtlich der Berufsverbände die günstigste Behandlung genießen, die den Staatsangehörigen eines fremden Landes unter den gleichen Umständen gewährt wird. Jeder Flüchtling hat freien Zugang zu den Gerichten. Die Geschäfts- und Handlungsfähigkeit, die Familienrechte, das eheliche Güterrecht, Erbfolge und Erbrecht eines jeden Flüchtlings bestimmt sich nach dem Recht des Landes, seines Wohnsitzes oder in Ermangelung eines Wohnsitzes nach dem Recht des Aufenthaltsstaates. Hinsichtlich des Erwerbs von beweglichem und unbeweglichem Eigentum und sonstigen diesbezüglichen Rechten sowie hinsichtlich von Miet-, Pachtund sonstigen Verträgen über bewegliches und unbewegliches Vermögen soll jedem Flüchtling eine möglichst günstige und jedenfalls nicht weniger günstige Behandlung gewährt werden, als sie Ausländern im Allgemeinen unter den gleichen Umständen gewährt wird.

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den UN-Hochkommissar für Flüchtlinge, garantiert und überwacht wird. Selbstverständlich kann auch diese völkerrechtliche Position des Flüchtlings so gedeutet werden, daß der Einzelmensch nur Begünstigter von völkerrechtlichen Regeln ist. Aber es bleibt eine Tatsache, daß der international geschützte Flüchtling nicht mehr durch einen Staat mediatisiert wird, sondern unter dem direkten Schutz der organisierten Völkerrechtsgemeinschaft steht. Heute wird in der völkerrechtswissenschaftlichen Literatur immer häufiger die Auffassung vertreten, daß die souveränen Staaten das Feld der internationalen Beziehungen nicht mehr allein beherrschen dürften. Aber die Völkerrechtssubjektivität des Einzelnen wird von der Völkerrechtslehre nach wie vor abgelehnt.16 So bleibt die völkerrechtlich gesicherte Stellung des durch die Flüchtlingskonvention geschützten Flüchtlings unerklärt. Der gesamte Menschenrechtsschutz hat die Bastion der Souveränität noch nicht bezwungen. Gleichwohl sind einzelne Breschen in diesen Befestigungswall der Souveränität geschlagen worden. Eine dieser Breschen stellt das Selbstbestimmungsrecht der Völker dar. Seine Anerkennung im geltenden Völkerrecht ist ein wichtiger Beitrag zur Entfaltung der Menschenrechte. Aber noch immer hat die Entwicklung des Selbstbestimmungsrechts und die damit zusammenhängenden Normierungen keine grundlegenden Änderungen bewirkt, noch immer besitzt der Einzelne auf der völkerrechtlichen Ebene keine eigenen Rechte. Der Staat, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, nimmt vielmehr seinen Schutz wahr.

III. Universeller Menschenrechtsschutz 1. Charta der Vereinten Nationen Bei der Erörterung völkerrechtlicher Probleme auf globaler Ebene steht heute die Satzung der Vereinten Nationen an erster Stelle. Untersucht man sie aber ___________ 16

Einzelmenschen sind nach völkerrechtlicher Auffassung in der Regel nur mediatisierte Rechtssubjekte, d.h., daß das Individuum auf Völkerrechtsebene in erster Linie als Angehöriger eines Staates von Bedeutung ist. Das Völkerrecht bezieht sich also grundsätzlich nur durch den Staat auf das Individuum. M. Grassi, Die Rechtsstellung des Individuums im Völkerrecht, 1955; vgl. H.-J. Hallier, Völkerrechtliche Schiedsinstanzen für Einzelpersonen und ihr Verhältnis zur innerstaatlichen Gerichtsbarkeit, 1962; M. Hanz, Zur völkerrechtlichen Aktivlegitimation zum Schutze der Menschenrechte, 1985; F. A. von der Heydte, L'individu et les tribunaux internationaux, in: RdC, Bd. 107 (1962 III), S. 287 ff.; O. Kimminich, Der internationale Schutz des Einzelnen, in: AVR, Bd. 15 (1971/72), S. 402 ff.; G. Manner, The Object Theory of the Individual in International Law, in: AJIL, Bd. 46 (1952), S. 428 ff.

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im Hinblick auf ihre Bedeutung für den Menschenrechtsschutz, so wird man enttäuscht sein. Die Satzung der Vereinten Nationen betont die souveräne Gleichheit aller Staaten und verbietet sogar der UNO selbst die Einmischung in die inneren Angelegenheiten ihrer Mitglieder (Art. 2 Ziff. 7 SVN). Eine Ausnahme von diesem Verbot zugunsten des Menschenrechtsschutzes gibt es nicht. Das Rechtsinstitut der humanitären Intervention, das unter der Geltung des klassischen Völkerrechts im 19. Jahrhundert erörtert wurde, findet im allgemeinen Völkerrecht keine Stütze und würde auch den Prinzipien der Satzung der Vereinten Nationen widersprechen. Heute ist angesichts ethnischer Säuberungen das Interesse an der humanitären Intervention, der Sanktionierung von Vertreibungsverbrechen und Völkermord wieder erwacht. Aber die Frage, ob sich die Staaten im Interesse des weltweiten Schutzes des Menschen über das Interventionsverbot hinwegsetzen dürfen, ist bisher aus Angst rechtsmißbräuchlichen Handelns stets verneint worden. Zulässig sind nach allgemeinem Völkerrecht nur die Äußerung von Wünschen, die Besprechung von Problemen irgendwelcher Art, die Vertretung der eigenen Interessen, Kritik an Maßnahmen eines Staates, Ratschläge oder das Angebot guter Dienste und der Vermittlung.17 Die geringe Ausbeute an menschenrechtlichen Aspekten in der Satzung der Vereinten Nationen ändert nichts an der Tatsache, daß der Schutz der Menschenrechte zu den Hauptzielen der Vereinten Nationen gehört. In der Präambel der Satzung der Vereinten Nationen bekräftigen die Mitgliedstaaten ihren Glauben an die grundlegenden Menschenrechte, an Würde und Wert der menschlichen Persönlichkeit und an die Gleichberechtigung von Mann und Frau. Art. 1 Abs. 3 SVN erklärt die internationale Zusammenarbeit zum Zwecke der Förderung und Festigung der Achtung vor den Menschenrechten und Grundfreiheiten für alle ohne Unterschied der Rasse, des Geschlechts, der Sprache oder der Religion zu einem der Ziele der UNO. Art. 13 SVN, der sich mit Einzelmaßnahmen zur Förderung der internationalen Zusammenarbeit und der Kodifizierung des Völkerrechts befaßt, verpflichtet die Generalversammlung u.a., Untersuchungen zu veranlassen und Empfehlungen abzugeben, um zur Verwirklichung der Menschenrechte und Grundfreiheiten für alle ohne Unterschied der Rasse, des Geschlechts, der Sprache oder der Religion beizutragen. Dieselbe Formulierung findet sich wieder in Art. 55 lit. c SVN bei der Aufzählung der wirtschaftlichen und sozialen Ziele der UNO.

___________ 17

Vgl. auch R. L. Bindschedler, Der Schutz der Menschenrechte und das Verbot der Einmischung, in: Festschrift für Hans Jürgen Schlochauer, 1981, S. 181 ff.; O. Kimminich (Anm. 10), S. 66.

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Ein Teil der Völkerrechtslehre betrachtet diese Satzungsbestimmungen als bloße Prinzipien-Erklärungen, die rechtlich unverbindlich seien.18 Dem ist entgegenzuhalten, daß die Satzung der Vereinten Nationen ein multilateraler Vertrag ist, den die Gründungsmitglieder abgeschlossen haben und dem die weiteren Mitglieder beigetreten sind. Auch wenn die Satzung kein internationales Organ für den Menschenrechtsschutz vorsieht, das unmittelbar aufgrund der Satzung mit Befugnissen gegenüber den einzelnen Mitgliedstaaten ausgestattet wäre, kann doch kein Zweifel bestehen, daß die Satzungsbestimmungen den Mitgliedstaaten Verpflichtungen auferlegen, einzeln und gemeinsam für die Achtung der Menschenrechte einzutreten. Der Satzungstext selbst umreißt jedoch mit keinem Satz den Inhalt eines Menschenrechts. Daher spricht einiges für die Skepsis der Völkerrechtler, die den Wert der Menschenrechtsbestimmungen der Satzung gering achten. Das nahezu vollständige Fehlen von Durchsetzungsmöglichkeiten kommt hinzu. Alle Bemühungen, ein zentrales Organ für die Durchsetzung der Menschenrechte auf globaler Ebene zu schaffen, sind bislang gescheitert. Gleichwohl haben die Vereinten Nationen auf der schmalen Grundlage, die ihnen die Satzung bot, bald begonnen, einen internationalen Menschenrechtsschutz aufzubauen. Zuständig dafür ist der Wirtschafts- und Sozialrat, der gemäß Art. 62 SVN Empfehlungen abgeben kann, um die Achtung und Verwirklichung der Menschenrechte und Grundfreiheiten für alle zu fördern. Art. 68 SVN gibt ihm die Befugnis zur Einsetzung von Kommissionen zu den dort näher bezeichneten Zwecken, darunter auch zur Förderung der Menschenrechte.

2. Resolution 1503 Der Wirtschafts- und Sozialrat hat zum Zweck der Förderung der Menschenrechte mit Resolution vom 16. Februar 1946 die Menschenrechtskommission gegründet, die seit 1947 tätig ist. Bei ihr gingen alsbald Informationen und Beschwerden über Menschenrechtsverletzungen aus aller Welt ein, auf die aber nicht mit wirksamen Maßnahmen reagiert werden konnte, so daß das von den Vereinten Nationen errichtete Petitionssystem als der „größte Papierkorb der Welt“19 bezeichnet wurde. In einer Reihe von Resolutionen regelte jedoch der Wirtschafts- und Sozialrat das Verfahren für die Behandlung der bei ihm ein___________ 18

W. Schaumann, Die Menschen- und Freiheitsrechte in der UNO, in: T. Veiter / F. Klein (Hrsg.), Die Menschenrechte, 1966, S. 22. 19 J. P. Humphrey, The Right of Petition and the United Nations, in: Human Rights Journal, 1971, S. 470.

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laufenden Menschenrechtsbeschwerden. Eine grundlegende Neuordnung brachte insbesondere die Resolution 1503 (XLVIII)20 vom 27. Mai 1970. Seither werden die Verfahren vor der Menschenrechtskommission als „1503Verfahren“ bezeichnet, auch nach der eher kosmetischen Reform durch Resolution 2000/321 vom 16. Juni 2000. Gemäß Art. 7 der Resolution 1503 kann die Menschenrechtskommission auch ein ad-hoc-Komitee ernennen, das sich vor, während und nach der Untersuchung um freundschaftliche Lösungen bemüht und einen Bericht an die Kommission anzufertigen hat. Befugnisse gegenüber demjenigen Mitgliedstaat der Vereinten Nationen, dem Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen werden, besitzt aber weder das ad-hoc-Komitee, noch die Menschenrechtskommission, noch der Wirtschafts- und Sozialrat. Das 1503-Verfahren ist insgesamt aber kein wirksames Instrument zur Verhinderung von Menschenrechtsverletzungen.22

3. Allgemeine Erklärung der Menschenrechte Die Tatsache, daß die Menschenrechtsbestimmungen der Satzung der Vereinten Nationen wirkungslos bleiben, solange die Menschenrechte inhaltlich nicht umrissen sind, bewog die UNO frühzeitig, einen Menschenrechtskatalog auszuarbeiten. Bereits am 10. Dezember 1948 wurde daher die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von der Generalversammlung der Vereinten Nationen verkündet. Sie besitzt keine rechtliche Bindungswirkung, sondern ist wie alle Resolutionen der Generalversammlung nur eine Empfehlung. Trotzdem kann argumentiert werden, daß die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte ein Indiz für die Rechtsüberzeugung der Staaten ist, welche Menschenrechte in allen Teilen der Welt vertreten werden. Die politisch-moralische Wirkung dieser allgemeinen Erklärung kann auch nicht bestritten werden. Trotz

___________ 20

Quelle: ESCOR 48th Sess., Supp. No. 1 A, S. 8. Quelle: UN Doc. E/2000/INF/2/Add. 1, S. 20. Vgl. zur Reform T. H. Irmscher, Die Behandlung privater Beschwerden über systematische und grobe Menschenrechtsverletzungen in der UN-Menschenrechtskommission, 2002, S. 289 ff. 22 B. Simma Völkerrechtliche Möglichkeiten der Durchsetzung vertraglich garantierter Menschenrechte für Deutsche gegenüber den Staaten Osteuropas, in: B. Simma / M. Steiner / M. Kriehle, Menschenrechte für Deutsche in Osteuropa, 1980, S. 33 ff. (41); s.a. T. H. Irmscher (Anm. 21), S. 621. 21

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fehlender juristischer Bindungswirkung ist sie daher „ein Meilenstein in der Entwicklung der Menschenrechtsidee“.23 Neuere Ansichten neigen dazu, Resolutionen der Generalversammlung von der moralischen und politischen Wirkung zur rechtlichen aufzuwerten. Es wird die Auffassung vertreten, Resolutionen der Generalversammlung seien dann verbindlich, wenn es sich um einstimmige oder beinahe einstimmige normative Entschließungen von besonderer Tragweite in besonders feierlicher Form handele, wie es etwa bei der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Fall sei. Der Staat würde treuwidrig handeln, wenn er sich entgegen einer von der Generalversammlung einmütig vertretenen Ansicht verhalte. Weiter wird zur Begründung der rechtlichen Verbindlichkeit von Resolutionen vorgetragen, daß sich die Generalversammlung der Vereinten Nationen aus Regierungsvertretern zusammensetze, so daß ihre Beschlüsse als Bestandteile des Entstehungsprozesses von Gewohnheitsrecht verstanden werden könnten. Schließlich wird darauf hingewiesen, daß es sich bei gewissen Entschließungen der Generalversammlung um authentische Auslegungen der Bestimmungen der Charta der Vereinten Nationen handele, die mit der Charta gleichermaßen verbindlich seien. Eine bemerkenswerte Theorie ist die der Rezitation, wonach eine Resolution grundsätzlich zwar unverbindlich sei, aber durch ständig wiederholte Zitierung in den Präambeln späterer Resolutionen zur Rechtsquelle werde.24 Nach Simma25 ist die ursprünglich nicht rechtsverbindliche Allgemeine Erklärung der Menschenrechte durch spätere zustimmende Erklärungen der Staaten völkerrechtlich verbindlich geworden, und dies um so mehr, als der IGH in seinem Gutachten vom 21. Juni 1971 über die „Legal Consequences for States of the Continued Presence of South Africa in Namibia (South West Africa) notwithstanding Security Council Resolution 276 (1970)“ alle Diskriminierungen von Rasse, Farbe und Abstammung als „flagrant violation of the purposes and principles of Charter“ erklärt und damit implizit deren Ziele und Grundsätze als rechtsverbindlich anerkannt habe. Die Charta der Vereinten Nationen unterscheidet jedoch zwischen verbindlichen Entscheidungen und Beschlüssen einerseits und unverbindlichen Empfehlungen andererseits. Die Resolutionen gehören zu den unverbindlichen Empfehlungen. Die Charta der Vereinten Nationen gibt der Generalversammlung keine Befugnis, über Fragen des internen Organisationsrechts hinaus allgemein ___________ 23

O. Kimminich (Anm. 10), S. 68. Vgl. S. Bleicher, The Legal Significance of Re-Citation of General Asssembly Resolutions, in: AJIL, Bd. 63 (1969), S. 444 ff. (452 ff., 455). 25 A. Verdross / B. Simma, Universelles Völkerrecht, 3. Aufl. 1984, § 1234, S. 822 f. 24

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verbindliche Völkerrechtsnormen zu setzen. Schon wegen dieser eindeutigen Regelungen der Charta wird man der herrschenden Meinung auch den Vorzug geben müssen und Resolutionen als unverbindlich zu bewerten haben. Diese Auffassung wird auch durch die Praxis der Vereinten Nationen bestätigt, die nach Verkündung feierlicher Resolutionen auf den Abschluss entsprechender Konventionen drängt. Die Resolutionen der Generalversammlung sind auch keine Rechtsquellen des Völkerrechts, da sie in Art. 38 Abs. 1 IGH-Statut, der die Rechtsquellen abschließend aufführt, nicht erwähnt sind. Drückt die Resolution jedoch bereits bestehendes Völkergewohnheitsrecht oder allgemeine Rechtsgrundsätze aus, so ist sie rein deklaratorisch. Als ein Anzeichen für eine „opinio iuris“ kann sie allenfalls zur Bildung von Völkergewohnheitsrecht beitragen. Schließlich ist die Generalversammlung bei ihrer gegenwärtigen Struktur ungeeignet, als Weltgesetzgeber zu fungieren, da in ihr lediglich politische Auffassungen ausgetauscht und taktische Positionen bezogen werden, nicht aber Recht gesetzt wird.26

4. Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte a) Allgemein Die auch nach der Erklärung vom 10. Dezember 1948 noch immer fehlende internationale Rechtsbindung kann nur durch universelles Völkergewohnheitsrecht oder multilaterale Konventionen auf globaler Ebene herbeigeführt werden. Die Chance dafür, daß sich universales Völkergewohnheitsrecht in ausreichendem Maße bildet, um einen effektiven internationalen Menschenrechtsschutz zu gewährleisten, erschien in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg äußerst gering. Deswegen konzentrierten sich die Vereinten Nationen von Anfang an auf die Schaffung von Rechtsbindungen durch völkerrechtliche Verträge. Und schon im Jahre 1946 begannen die Arbeiten an einer Menschenrechtskonvention, also einem multilateralen Vertrag. Der erste von der Menschenrechtskommission ausgearbeitete Entwurf einer solchen Konvention wurde im Jahr 1950 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen zurückgewiesen. Nach langen Debatten erhielt die Menschenrechtskommission den Auftrag, zwei getrennte Konventionsentwürfe auszuarbeiten, von denen der eine die Freiheitsrechte im engeren Sinne einschließlich der politischen Rechte, der andere die Wirtschafts- und Sozialrechte enthalten sollte. Bereits 1954 konnten die Entwürfe den Staaten zur Stellungnahme vorgelegt und anschließend der ___________ 26

Vgl. G. Gornig (Anm. 7), S. 237 f.

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Generalversammlung unterbreitet werden. Aber es dauerte noch zwölf Jahre, bis am 16. Dezember 1966 beide Konventionen von der Generalversammlung durch einen Beschluss ohne Gegenstimmen angenommen und zur Ratifikation ausgelegt wurden.27 Weitere zehn Jahre vergingen, bis die beiden Konventionen, der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte am 23. März 1976 und der Internationale Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte am 23. Januar 1976, nach der Ratifikation durch 35 Mitgliedsstaaten der UNO in Kraft traten. Der Menschenrechtspakt über bürgerliche und politische Rechte ist seiner rechtlichen Natur nach ein mehrseitiger völkerrechtlicher Vertrag. Dies ergibt sich aus der Bezeichnung Pakt, die sich in zahlreichen Bestimmungen wieder findet, aus der Bezugnahme auf die Vertragsstaaten sowie der Ratifikationsbedürftigkeit der Abkommen. Bis heute haben über 100 Staaten den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte ratifiziert.28 Die Zuständigkeit des Ausschusses für Menschenrechte für Staatenbeschwerden gem. Art. 41 IPbpR haben hingegen nur eine geringe Zahl von Staaten anerkannt, darunter auch die Bundesrepublik Deutschland, allerdings unter der Voraussetzung der Gegenseitigkeit.29 Nach Art. 2 Abs. 1 IPbpR ist jeder Staat verpflichtet, „die in diesem Pakt anerkannten Rechte zu achten und sie allen in seinem Gebiet befindlichen und seiner Herrschaftsgewalt unterstehenden Personen“ zu gewährleisten. Damit sind die vom Pakt angesprochenen Rechte nicht nur als Ziele vorgegeben, sondern als aktuelle Rechtspflichten ausgestaltet. Soweit der Standard des Menschenrechtspakts über bürgerliche und politische Rechte noch nicht erreicht sein sollte, sind gem. Art. 2 Abs. 2 IPbpR die Vertragsstaaten verpflichtet, die erforderlichen Schritte zu unternehmen, um die gesetzgeberischen oder sonstigen Vorkehrungen zu treffen, die notwendig sind, um den im Pakt anerkannten Rechten Wirksamkeit zu verleihen.30 Bei den im Pakt über bürgerliche und politische Rechte verankerten Rechten handelt es sich um subjektive öffentliche Rechte, die den Individuen dem Staat gegenüber zustehen und auf die sich jeder nach ordnungsgemäßer Transformierung in die nationalen Rechtsordnungen wie auf ein normales Gesetz berufen kann, ohne daß es eines besonderen staatlichen Ausführungsgesetzes bedürfte. ___________ 27

Vgl. G. Gornig (Anm. 7), S. 244. Vgl. BGBl., Fundstellennachweis B, 2004. 29 Vgl. Bekanntmachung vom 10.06.1981, BGBl. II S. 377. 30 Vgl. hierzu G. Gornig (Anm. 7), S. 245. 28

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Sie sind self-executing, d.h. unmittelbar anwendbar. Für diese unmittelbare Anwendbarkeit spricht insbesondere Art. 2 Abs. 3 IPbpR, in dem sich die Vertragsstaaten verpflichten, dafür Sorge zu tragen, daß jeder, der in seinen in diesem Pakt anerkannten Rechten und Freiheiten verletzt worden ist, das Recht hat, eine wirksame Beschwerde einzulegen. Zudem setzt das im Fakultativprotokoll zum Menschenrechtspakt vorgesehene Verfahren, wonach Individuen unmittelbar beim Menschenrechtsausschuß Beschwerde erheben können, voraus, daß sich der Beschwerdeführer seinem Staat gegenüber auf die Rechte des Paktes berufen kann. Nach dem Pakt über bürgerliche und politische Rechte hat jeder Mensch ein angeborenes Recht auf Leben, das auch gesetzlich zu schützen ist (Art. 6 Abs. 1 IPbpR). Staaten, in denen die Todesstrafe nicht abgeschafft worden ist, dürfen ein Todesurteil nur für schwerste Verbrechen aufgrund von Gesetzen verhängen, die zur Zeit der Begehung der Tat in Kraft waren (Art. 6 Abs. 2 IPbpR). Niemand darf der Folter oder grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden (Art. 7 IPbpR). Sklaverei und Sklavenhandel sind verboten (Art. 8 Abs. 1, 2 IPbpR). Das Verbot willkürlicher Festnahme und die Rechte des Festgenommenen finden sich ebenso (Art. 9, 10, 11 IPbpR) wie das Recht auf Freizügigkeit (Art. 12 IPbpR). Die Rechte des Einzelnen vor Gericht führt Art. 14 IPbpR auf. Der Anspruch auf Privatsphäre wird dadurch geschützt, daß willkürliche oder rechtswidrige Eingriffe in das Privatleben, in Familie und Heim sowie in den Briefwechsel unzulässig sind (Art. 17 IPbpR). Jedem Menschen wird ein Anspruch auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit zugesprochen, einschließlich des Rechts, seine Religion oder Überzeugung allein oder in Gemeinschaft mit anderen zu bekunden (Art. 18 IPbpR). Das Recht auf Meinungs-, Informationsund Pressefreiheit wird jedermann gewährleistet.31 Kriegspropaganda wird durch Gesetz verboten (Art. 19, 20 IPbpR). Die Versammlungs- und Vereinsfreiheit werden garantiert (Art. 21, 22 IPbpR). Die politischen Rechte der In___________ 31

Im Rahmen der Vereinten Nationen wurden zahlreiche Resolutionen verabschiedet, die sich mit der Meinungsäußerungs- und Informationsfreiheit befassen. Zu erwähnen sind hier die Resolutionen 59 I und 381 V. Am 30.06.1959 akzeptierte der Wirtschafts- und Sozialrat einen Entwurf einer Deklaration über die Informationsfreiheit (ECOSOC, Res. 732 VIII, vgl. auch UN-Yearbook 1959, S. 210 ff.). In diesem Deklarationsentwurf wird das Recht, die Wahrheit zu kennen und ungehindert zu suchen, als unveräußerliches Grundrecht des Menschen beschrieben. Im Januar 1946 schlug die UNO-Delegation der Philippinen die Einberufung einer Staatenkonferenz über die Informationsfreiheit vor, seitdem begann man an einer Konvention über Informationsfreiheit zu arbeiten, die allerdings bis zum heutigen Tage noch nicht zustande gekommen ist.

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länder sind in Art. 25 IPbpR, die Minderheitenrechte32 in Art. 27 IPbpR angesprochen. Die im Pakt garantierten Rechte sind einschränkbar, wobei die verschiedenen Freiheitsrechte konkrete Beschränkungsklauseln enthalten. So darf etwa die Freizügigkeit eingeschränkt werden, wenn dies gesetzlich vorgesehen ist und zum Schutze der nationalen Sicherheit, der öffentlichen Ordnung (ordre public), der Volksgesundheit, der öffentlichen Sittlichkeit oder der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist, und die Einschränkung mit den übrigen in diesem Pakt anerkannten Rechten vereinbar ist. Die Äußerungsfreiheit ist gemäß Art. 19 Abs. 3 IPbpR mit besonderen Pflichten und einer besonderen Verantwortung verbunden. Sie kann daher bestimmten, gesetzlich vorgesehenen Einschränkungen unterworfen werden, die erforderlich sind für die Achtung der Rechte und des Rufs anderer und für den Schutz der nationalen oder der öffentlichen Sicherheit, der öffentlichen Ordnung (ordre public), der Volksgesundheit oder der öffentlichen Sittlichkeit.33 Im Falle eines Notstandes können einige Rechte vorübergehend eingeschränkt werden (Art. 4 IPbpR). Der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte wurde durch das Fakultativprotokoll vom 19. Dezember 196634 ergänzt. Mit ihm wurde die Zuständigkeit des Ausschusses für Menschenrechte für die Entgegennahme und Prüfung von Mitteilungen seiner Herrschaftsgewalt unterstehender Einzelpersonen anerkannt, die behaupten, Opfer einer Verletzung der im Pakt niedergelegten Rechte durch einen Vertragsstaat zu sein. Der Abschaffung der Todesstrafe ist das Zweite Fakultativprotokoll vom 15. Dezember 198935 gewidmet. Der Grundkonstruktion des geltenden Völkerrechts entsprechend überlassen die beiden Menschenrechtspakte die Durchführung des internationalen Menschenrechtsschutzes den Organen der Signatarstaaten der Pakte. Dabei treten vor allem zwei Schwierigkeiten auf, erstens gibt es auf globaler Ebene kein einheitliches Menschenrechtsverständnis. Verschiedene Kulturkreise, aber auch verschiedene Staatsverfassungen und Ideologien hängen mit dem jeweils unter___________ 32 Werden der Minderheit besondere Rechte zugestanden, die über die Gleichbehandlung mit dem Mehrheitsvolk hinausgehen, dann handelt es sich um Minderheitenschutz. 33 Vgl. G. Gornig (Anm. 7), S. 255 ff; 261 f. 34 Text: UNTS, Bd. 999, S. 302 ff.; BGBl. 1992 II S. 1247 ff.; VN 1974, S. 20; B. Simma / U. Fastenrath, Menschenrechte – ihr internationaler Schutz, 4. Aufl. 1998, Nr. 9. 35 Text: GAOR, 44th Sess., Resolutions; BGBl. 1992 II S. 391 ff.; B. Simma / U. Fastenrath (Anm. 34), Nr. 9a.

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schiedlichen Menschenrechtsverständnis zusammen. Zweitens existiert kein internationales Organ, das die Erfüllung der durch die Pakte erzeugten Rechtspflichten überwacht.

b) Durchsetzung Innerstaatliches Verfahren Es gilt der Grundsatz, daß Menschenrechte als eine Beziehung von Staat und Individuen in erster Linie im Rahmen der staatlichen Rechtsordnung zu sichern sind, so daß innerstaatliche Verfahren internationalen Durchsetzungsmechanismen vorgehen.36 Diesem Aspekt trägt Art. 2 Abs. 3 lit. a IPbpR Rechnung. Dort heißt es, daß sich jeder Vertragsstaat verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, daß jeder, der in seinen in diesem Pakt anerkannten Rechten oder Freiheiten verletzt worden ist, das Recht hat, eine wirksame Beschwerde einzulegen, selbst wenn die Verletzung von Personen begangen worden ist, die in amtlicher Eigenschaft gehandelt haben. Aus Art. 2 Abs. 3 lit. b IPbpR ergibt sich, daß der gerichtliche Rechtsschutz innerhalb des Kanons innerstaatlicher Verfahrensgarantien den Vorrang vor administrativer oder legislativer Überprüfung genießt. Das Hauptaugenmerk liegt dabei auf dem Aspekt der Effektivität des innerstaatlichen Rechtsschutzes. Konsequenz hieraus ist, daß die vertretbare Behauptung, in einem materiellen Recht verletzt zu sein, zur Geltendmachung des Rechts auf Rechtsschutz ausreicht. Dabei wird nicht nur repressiver, sondern in gewissem Umfang auch präventiver Rechtsschutz erfaßt. Art. 2 Abs. 3 lit. c des Paktes gibt den Vertragsstaaten auf, für die Umsetzung der stattgegebenen Beschwerden zu sorgen und effektive innerstaatliche Durchsetzungsmechanismen zu errichten.

Staatenberichtsverfahren Art. 40 IPbpR regelt das Staatenberichtsverfahren mit einer Berichterstattungspflicht der Mitgliedstaaten.37 Dabei verpflichten sich die Vertragsstaaten, ___________ 36 W. Karl, Aktuelle Probleme des Menschenrechtsschutzes, in: BDGV, Heft 33, 1994, S. 83 ff., 85; M. Nowak, UNO-Pakt über bürgerliche und politische Rechte und Fakultativprotokoll, CCPR-Kommentar, 1989, Art. 2, Rd. 56. 37 A. H. Robertson, The Implementation System: International Measures, in: L. Henkin (ed.), The International Bill of Rights. The Covenant on Civil and Political Rights, 1981, S. 332 ff., 341 ff.

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über die „Maßnahmen“, die sie zur Verwirklichung der in diesem Pakt anerkannten Rechte getroffen haben, und über die dabei erzielten Fortschritte Berichte vorzulegen, und zwar entweder innerhalb eines Jahres nach Inkrafttreten des Paktes für den betreffenden Vertragsstaat oder danach jeweils auf Anforderung des in Art. 28 IPbpR konstituierten Ausschusses für Menschenrechte.38 Es ist das einzige obligatorische Verfahren zur internationalen Durchsetzung des Paktes. In der Praxis sind trotzdem viele Staaten ihrer Berichterstattungspflicht nicht oder nur mit großer Verzögerung nachgekommen.39 Wie bei den meisten anderen internationalen Verträgen auch, spielen politische Erwägungen bei der Erfüllung der Berichtspflicht eine maßgebliche Rolle.40 Die Effektivität dieses Verfahrens hängt deshalb stark von dem guten Willen der Vertragsparteien ab. Alle Berichte sind dem Generalsekretär der Vereinten Nationen vorzulegen, der sie dem Menschenrechtsausschuß zuleitet (Art. 40 Abs. 2 S. 1 IPbpR). Der Ausschuß besteht aus 18 Mitgliedern und setzt sich aus Staatsangehörigen der Vertragsstaaten zusammen, die Persönlichkeiten von hohem sittlichen Ansehen und anerkannter Sachkenntnis auf dem Gebiet der Menschenrechte sind, wobei die Zweckmäßigkeit der Beteiligung von Personen mit juristischer Erfahrung zu berücksichtigen ist (Art. 28 Abs. 2 IPbpR). Dem Ausschuß darf nicht mehr als ein Angehöriger desselben Staates angehören (Art. 31 Abs. 1 IPbpR). Den Abschluß des Berichtprüfungsverfahrens bilden ein eigener Bericht des Ausschusses zu jedem einzelnen Vertragsstaat sowie allgemeine Bemerkungen (Art. 40 Abs. 4 S. 1, 2 IPbpR).41 Die Vertragsstaaten können dem Ausschuß zu dessen Bemerkungen Stellungnahmen übermitteln (Art. 40 Abs. 5 IPbpR). Der Menschenrechtsausschuß hat jedoch bis heute keinen einzigen Bericht gemäß ___________ 38 Vgl. Verfahrensordnung des Menschenrechtsausschusses vom 10.04.1997, Text: GAOR, Report of the Human Rights Committee, 32nd sess., S. 48; 34th sess., S. 114; 44th sess., S. 179; B. Simma / U. Fastenrath (Anm. 34), Nr. 10. 39 Vgl. M. Nowak, UN-Ausschuß für Menschenrechte – Rechtsprechungsbericht Juli 1986 bis Juli 1989, in: EuGRZ 1989, S. 430 ff.; 431 f.; vgl. auch die Rechtsprechungsberichte EuGRZ 1981, S. 427 ff.; EuGRZ 1983, S. 11 ff.; EuGRZ 1984, S. 421 ff.; EuGRZ 1986, S. 605 ff.; M. Nowak (Anm. 36), Art. 40, § 10. 40 So behauptete Frankreich in seinem Bericht, daß es in Frankreich keine Minderheiten im traditionellen Sinne gäbe; vgl. UN-Doc. CCPR/22/Add. 2 vom 10.05.1982, vgl. auch G. Gornig, Zentralismus und Entfaltung der Minderheiten- und Volksgruppenrechte, in: D. Blumenwitz / G. Gornig (Hrsg.), Der Schutz von Minderheiten – und Volksgruppenrechten durch die Europäische Union, 1996, S. 69 ff. 41 Vgl. T. Opsahl, The General Comments of the Human Rights Committee, in: J. Jekewitz / H. Klein / J. D. Kühne / H. Petersmann / R. Wolfrum (Hrsg.), Des Menschen Recht zwischen Freiheit und Verantwortung, Festschrift für Karl Josef Partsch zum 75. Geburtstag, 1989, S. 273 ff. (274 ff.).

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Art. 40 IPbpR angefertigt,42 also noch kein Berichtsverfahren ordnungsgemäß abgeschlossen. Dementsprechend hat es bisher auch noch keine Stellungnahme der Vertragsstaaten gemäß Art. 40 Abs. 5 IPbpR gegeben.43 Insofern kann man Art. 40 IPbpR als bislang wenig erfolgreich betrachten, da ihm kein Verfahren beigegeben wurde, wie etwa das der Inspektion, mit Hilfe dessen sich ein wirkungsvoller Schutz von Menschenrechten hätte erreichen lassen. Für die Einhaltung des Paktes zu sorgen bleibt damit vornehmlich Aufgabe der Vertragsparteien.

Staatenbeschwerdeverfahren Im Gegensatz zum Staatenberichtsverfahren nach Art. 40 IPbpR verlagert Art. 41 IPbpR die Kontrolle auf die zwischenstaatliche Ebene und eröffnet so die Möglichkeit des Staatenbeschwerdeverfahrens.44 Sinn und Zweck des Staatenbeschwerdeverfahrens ist, im Falle einer besonderen Intensität von Menschenrechtsverletzungen tätig zu werden und die Einhaltung eines Mindeststandards von Menschenrechten einzufordern.45 Der Menschenrechtsausschuß kann eine Beschwerde eines Vertragsstaates über einen anderen Vertragsstaat entgegennehmen und prüfen, allerdings nur unter der Voraussetzung, daß beide Staaten die Zuständigkeit des Ausschusses hierfür anerkannt haben (Art. 41 Abs. 1 S. 1, 2 IPbpR). Im Staatenbeschwerdeverfahren hat ein Vertragsstaat zunächst einen anderen Vertragsstaat auf eine mögliche Verletzung der Bestimmungen des Paktes hinzuweisen (Art. 41 Abs. 1 lit. a IPbpR). Innerhalb von drei Monaten nach Zugang der Mitteilung hat der Empfangsstaat dem Staat, der die Mitteilung übersandt hat, in bezug auf die Sache eine schriftliche Erklärung oder sonstige Stellungnahmen zukommen zu lassen, die einen Hinweis auf die in der Sache durchgeführten, anhängigen oder zur Verfügung stehenden innerstaatlichen Verfahren und Rechtsbehelfe enthalten soll (Art. 41 Abs. 1 lit. a IPbpR). Wird ___________ 42 Berichte gemäß Art. 45 IPbpR hat der Ausschuß allerdings angefertigt, vgl. GAOR, Supp. No. 40 (A/31/40); (A/32/40); (A/33/40); (A/34/40); (A/35/40); (A/36/40); (A/37/40) usw. 43 Vgl. M. Nowak (Anm. 36), Art. 40, Rd. 61; J. Niewerth, Der kollektive und positive Schutz von Minderheiten und ihre Durchsetzung im Völkerrecht, 1996, S. 196. Allgemeine Bemerkungen zu Art. 27 IPbpR sind allerdings ergangen, vgl. InfAuslR 1995, S. 221, 222. 44 A. H. Robertson (Anm. 37), S. 351 ff. 45 Vgl. M. Nowak (Anm. 36), Art. 41, §§ 16 und 17.

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diese Sache nicht innerhalb von sechs Monaten nach Eingang der einleitenden Mitteilung bei dem Empfangsstaat zur beiderseitigen Zufriedenheit geregelt, so hat jede der beiden Seiten das Recht, die Sache dem Ausschuß zu unterbreiten (Art. 41 Abs. 1 lit. b IPbpR). Der Ausschuß darf sich mit ihr jedoch nur befassen, wenn vorher die innerstaatlichen Rechtsmittel ausgeschöpft worden sind (Art. 41 Abs. 1 lit. c IPbpR). Der Ausschuß stellt danach den beteiligten Vertragsparteien seine guten Dienste zur Verfügung, um eine gütliche Regelung der Sache auf der Grundlage der Achtung der in diesem Pakt anerkannten Menschenrechte herbeizuführen (Art. 41 Abs. 1 lit. e IPbpR). Anschließend hat der Ausschuß innerhalb von 12 Monaten nach Eingang der Mitteilung einen Bericht vorzulegen, der den beteiligten Staaten übermittelt wird (Art. 41 Abs. 1 lit. h IPbpR). Die Informationen über die im Bericht darzustellenden Tatsachen kann der Ausschuß erlangen, indem er die beteiligten Vertragsstaaten auffordert, schriftlich und/oder mündlich alle erheblichen Angaben beizubringen (Art. 41 Abs. 1 lit. f IPbpR). Der Ausschuß selbst kann hingegen Untersuchungen, sei es an Ort und Stelle, sei es durch Zeugenvernehmungen, nicht vornehmen.46 Wird eine gütliche Regelung nicht erzielt, so kann der Menschenrechtsausschuß mit vorheriger Zustimmung der beteiligten Vertragsstaaten eine ad-hoc-Vergleichskommission einsetzen, die wiederum versuchen wird, eine gütliche Regelung herbeizuführen (Art. 42 Abs. 1 lit. a IPbpR). Der abschließende Bericht der ad-hoc-Kommission enthält neben der Sachverhaltsdarstellung lediglich ihre Ansichten über Möglichkeiten einer gütlichen Regelung. In der Praxis ist weder Art. 41 noch 42 IPbpR angewendet worden.47 Für den Grundrechteschutz ist somit das Staatenbeschwerdeverfahren bislang nicht von Bedeutung gewesen.

Individualbeschwerdeverfahren Laut Art. 1 des 1. Fakultativprotokolls zum Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte48 ist der Menschenrechtsausschuß über Staaten___________ 46

Vgl. J. F. Hartman, Derogation from Human Rights Treaties in Public Emergencies – A Critique of Implementation by the European Commission and Court of Human Rights and the Human Rights Committee of the United Nations, in: Harvard International Law Journal 22 (1981), S. 1 ff. (41 ff.). 47 Vgl. T. Opsahl, The Human Rights Committee, in: P. Alston (ed.), The United Nations and Human Rights, Oxford 1992, S. 369-443 (420); A. H. Robertson (Anm. 37), S. 355. 48 Text: UNTS, Vol. 999, S. 302; BT-Drs. 7/660, S. 66.

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berichte und Staatenbeschwerden hinaus auch zur Entgegennahme und Prüfung von Individualbeschwerden zuständig, falls der betroffene Staat Vertragsstaat des Paktes und des Protokolls ist. Da das Fakultativprotokoll bisher nur von einer begrenzten Anzahl von Staaten ratifiziert wurde, hat es Individualbeschwerdeverfahren auch nur hinsichtlich dieser Staaten gegeben. Bis Ende 1997 waren 92 von 136 Vertragsstaaten an das 1. Fakultativprotokoll gebunden;49 die Bundesrepublik Deutschland ist am 25. November 1993 beigetreten.50 Insgesamt kann das Verfahren als durchaus erfolgreich angesehen werden.51 Unter Individualbeschwerden sind Mitteilungen von Individuen zu verstehen, die behaupten, Opfer einer Vertragsverletzung der im Pakt anerkannten Rechte durch einen Vertragsstaat zu sein, unter dessen Jurisdiktionsgewalt sie stehen (Art. 2 FP).52 Beschwerden von juristischen Personen, Personenvereinigungen sowie internationalen nicht-staatlichen Organisationen sind hingegen ausgeschlossen. Der Ausschuß prüft jede eingereichte Mitteilung zunächst auf ihre Zulässigkeit. Unzulässigkeitsgründe sind die Anonymität des Verfassers, die vom Ausschuß festgestellte Mißbräuchlichkeit der Beschwerde und die Unvereinbarkeit der Mitteilungen mit den Bestimmungen des Paktes. Als mißbräuchlich werden Beschwerden angesehen, wenn eine Beschwerde mit erheblicher Verspätung oder eine bereits abgewiesene Beschwerde erneut eingebracht wird.53 Die Vertragsverletzung darf nicht vor Inkrafttreten des Paktes geschehen sein und es können nur Rechte aus dem Pakt geltend gemacht werden.54 Voraussetzung für eine Prüfung ist weiter, daß die Sache nicht bereits vor einer anderen internationalen Instanz geprüft wird und die Person alle zur Verfügung stehenden innerstaatlichen Rechtsmittel ausgeschöpft hat (Art. 2 und Art. 5 Abs. 2 lit. a und b FP). ___________ 49

Vgl. BGBl., Fundstellennachweis B, 1997, S. 451 ff. BGBl. 1994 II S. 311. 51 M. Nowak, The Evolution of Minority Rights in International Law, in: C. Brölmann / R. Lefeber / M. Zieck (eds.), Peoples and Minorities in International Law, 1993, S. 103 ff., 112. 52 Vgl. Allgemein: A. de Zayas / J. Th. Möller / T. Opsahl, Application of the International Covenant on Civil and Political Rights under the Optinal Protocol by the Human Rights Committee, in: GYIL, Bd. 28 (1985), S. 9- 64. 53 Vgl. M. Nowak (Anm. 36), Art. 3 FB, §§ 13, 14. 54 Vgl. dazu McGoldrick, The Human Rights Committee, 1991, S. 160 ff. 50

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Im weiteren Verfahrensablauf obliegt es dem Ausschuß, die materiellrechtliche Seite des ihm vorgetragenen Sachverhaltes zu analysieren, wobei er die von der Person und dem betroffenen Vertragsstaat schriftlich vorgetragenen Angaben seiner Untersuchung zugrundelegt (Art. 5 Abs. 1 FP). Ein großes Manko des Verfahrens liegt darin, daß dem Ausschuß keine Ermittlungskompetenzen eingeräumt wurden. Er kann sich somit beim Fact-Finding nur auf die Angaben der beteiligten Parteien, also der beschwerdeführenden Person und des betroffenen Staates beziehen.55 Dies kann unter Umständen eine recht dünne Arbeitsgrundlage sein. Im Gegensatz zum Staatenbeschwerdeverfahren kann der Ausschuß aber auch eine materiell-rechtliche Stellungnahme abgeben.56 Der Ausschuß bringt dann seine Auffassung dem Vertragsstaat, dem eine Verletzung einer Bestimmung des Paktes vorgeworfen wird, und der Einzelperson zur Kenntnis (Art. 5 Abs. 4 FP). Diese veröffentlichten Auffassungen sind im Gegensatz zu den Gerichtsverfahren der EMRK und AMRK nicht verbindlich.57 Trotzdem haben solche nichtverbindlichen Berichte aufgrund ihrer Wirkung auf die Meinung der Weltöffentlichkeit erhebliches Gewicht. Auf den betroffenen Vertragsstaat wird dadurch großer Druck ausgeübt.58 Dieser kann zum einen aus dem eigenen Land kommen, zumindest soweit es sich um einen Staat mit einer demokratischen Regierungsform handelt, da es hier um die Wiederwahl der verantwortlichen Politiker geht. Zum anderen kann die Empörung in der internationalen Staatengemeinschaft zum Verlust an Reputation führen, was sich wiederum negativ auf Vertragsverhandlungen und die internationale Rolle auswirken kann. Ein Staat wird abwägen, ob ihn die Einhaltung der Menschenrechte nicht weniger kosten wird als deren Nichtbeachtung. Im Zeitalter der globalen Medien ist für die Verbreitung einer Information kein großer Aufwand mehr nötig, so daß mittlerweile tatsächlich von einer Weltöffentlichkeit gesprochen werden kann. Diese als Druckmittel zu benutzen, ist ein probates Mittel, Menschenrechte durchzusetzen.

___________ 55

Vgl. A. H. Robertson (Anm. 37), S. 362. Vgl. M. Nowak (Anm. 36), Art. 5 FB, § 29. 57 Vgl. M. G. Schmidt, Individual Human Rights Complaints Procedures based on United Nations Treaties and the Need for Reform, in: ICLQ 41 (1992), S. 645 ff. (650). 58 Vgl. M. G. Schmidt (Anm. 57), in: ICLQ 41 (1992), S. 650. 56

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5. Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte Während es sich bei den Freiheitsrechten des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte um konkrete Individualansprüche gegen den Staat handelt, enthalten die Menschenrechte des Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte,59 der ebenfalls ein multilateraler Vertrag ist, nur Programmsätze, wie sich aus Art. 2 Abs. 1 IPwirtR ergibt. Danach haben die Vertragsstaaten „nach und nach mit allen geeigneten Mitteln, vor allem durch gesetzgeberische Maßnahmen“ die volle Verwirklichung der im Pakt anerkannten Rechte zu erreichen. Die Rechte aus dem Sozialpakt sind damit nur Zielverpflichtungen; welche Mittel die Staaten zur Verwirklichung dieser Ziele einsetzen, liegt weitgehend in ihrem Ermessen und wird abhängig sein von der wirtschafts- und verfassungsrechtlichen Grundkonzeption, aber auch dem Wohlstand eines Staates. Der Internationale Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte enthält einen umfassenden Katalog sozialer, wirtschaftlicher und kultureller Rechte. Im Pakt finden sich etwa das Recht auf Arbeit, freie Berufswahl und gerechte und günstige Arbeitsbedingungen wie das Recht auf angemessene Entlohnung und gleichen Lohn, das Recht auf Erholung und Freizeit (Art. 6 und 7 IPwirtR), ferner die Koalitionsfreiheit (Art. 8 IPwirtR) und das Recht auf soziale Sicherheit in Art. 9 IPwirtR. Die Vertragsstaaten verpflichten sich, die Familie und die Mütter zu schützen (Art. 10 IPwirtR) und erkennen das Recht eines jeden auf einen angemessenen Lebensstandard für sich und seine Familie an (Art. 11 IPwirtR), ferner das Recht eines jeden auf das für ihn erreichbare Höchstmaß an körperlicher und geistiger Gesundheit (Art. 12 IPwirtR), schließlich das Recht eines jeden auf Bildung, das Recht, am kulturellen Leben, an den Errungenschaften des wissenschaftlichen Fortschritts und seiner Anwendung60 teilzunehmen. Die Art. 16 ff. IPwirtR verpflichten die Vertragsstaaten, Berichte über die von ihnen ergriffenen Maßnahmen und über die Fortschritte vorzulegen, die hinsichtlich der Beachtung der in dem Pakt anerkannten Rechte erzielt wurden. Alle Berichte werden dem Generalsekretär der Vereinten Nationen vorgelegt, der sie dem Wirtschafts- und Sozialrat übermittelt, damit dieser sie nach Maßgabe des Paktes prüft.

___________ 59 60

Zur Entstehung vgl. oben sub III.4.a), S. 167 f. Vgl. Art. 10, 11, 12, 13 und 15 IPwirtR.

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6. Spezielle Übereinkommen Neben den universalen Menschenrechtspakten hat man sich auf universeller Ebene, insbesondere im Rahmen der Vereinten Nationen, auch dem Schutz spezieller Freiheitsrechte, aber auch dem Schutz besonderer Personengruppen angenommen. Zu erwähnen sind die Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermords vom 9. Dezember 194861, die Konvention zur Unterdrückung des Menschenhandels und der Ausbeutung von Prostituierten vom 21. März 1950,62 das Übereinkommen von New York über die politischen Rechte der Frau vom 31. März 1953,63 das Übereinkommen über die Abschaffung der Zwangsarbeit vom 25. Juni 1957,64 das Internationale Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung vom 7. März 1966,65 das Internationale Übereinkommen über die Bekämpfung und Bestrafung des Verbrechens der Apartheid vom 30. November 1973,66 das Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau vom 18. Dezember 1979,67 das Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche und erniedrigende Behandlung vom 10. Dezember 198468 und das Übereinkommen über die Rechte des Kindes vom 20. November 1989.69 Menschenrechtlichen Charakter haben auch die Abkommen zum Schutze der Flüchtlinge70 und der Staatenlosen.71 ___________ 61 Text: UNTS, Bd. 78, S. 730; BGBl. 1954 II, S. 730. Vgl. auch das Übereinkommen über die Nichtanwendbarkeit gesetzlicher Verjährungsfristen auf Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit vom 26.11.1968, Text: UNTS, Bd. 754, S. 73; VN 1969, S. 28. 62 Text: UNTS, Bd. 96, S. 271; GBl. DDR 1975 II, S. 2. 63 Text: UNTS, Bd. 193, S. 135; BGBl. 1969 II S. 1930; 1970 II, S. 46. 64 Text: UNTS, Bd. 320, S. 291; BGBl. 1959 II S. 442. 65 Text: UNTS, Bd. 660, S. 195; BGBl. 1969 II S. 962; vgl. die Verfahrensordnung des Ausschusses zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung vom 31.07.1984, Text: CERD/C/35/Rev. 2; B. Simma / U. Fastenrath (Anm. 34), Nr. 12. 66 Text: UNTS, Bd. 1015, S. 243; VN 1975, S. 57. 67 Text: GAOR, 34th sess., Resolutions, S. 194; BGBl. 1985 II S. 648. 68 Text: GAOR, 39th sess., Resolutions, S. 197; BGBl. 1990 II S. 247; vgl. auch die Rules of Procedure of the Committee against Torture vom 20.04.1988/25.04.1989, Text: GAOR, Report of the Committee against Torture, 43rd sess., S. 11; 44th sess., S. 51. 69 Text: UNTS, Bd. 78, S. 730; BGBl. 1954 II S. 730. 70 Vgl. Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28.07.1951 (Text: UNTS, Bd. 189, S. 150; BGBl. 1953 II S. 560) und das Protokoll über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 31.01.1967 (Text: UNTS, Bd. 606, S. 267; BGBl. 1969 II S. 1294).

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In der Rassendiskriminierungskonvention ist in Art. 8 festgelegt, daß ein Ausschuß für die Beseitigung der Rassendiskriminierung errichtet wird, der aus 18 Sachverständigen von hohem sittlichen Rang besteht. Die Vertragsstaaten sind verpflichtet, dem Generalsekretär der Vereinten Nationen zur Beratung durch den Ausschuß einen Bericht über die zur Durchführung dieses Übereinkommens getroffenen Gesetzgebungs-, Gerichts-, Verwaltungs- und sonstigen Maßnahmen vorzulegen. Der Ausschuß berichtet der Generalversammlung der Vereinten Nationen jährlich durch den Generalsekretär über seine Tätigkeit und kann aufgrund der Prüfung der von den Vertragsstaaten eingegangenen Berichte und Auskünfte Vorschläge machen und allgemeine Empfehlungen abgeben (Art. 9).

IV. Regionaler Menschenrechtsschutz 1. Allgemein Fortschritte hat der Menschenrechtsschutz auf regionaler Ebene gemacht. Herausragende Beispiele sind die Europäische Menschenrechtskonvention vom 4. November 1950, die am 3. September 1953 in Kraft getreten ist, und die Amerikanische Menschenrechtskonvention vom 22. November 1969.72 Eine Afrikanische Charta der Menschen- und Volksrechte vom 27. Juni 1981 ist seit 21. Oktober 1986 in Kraft.73 Der kleinere Kreis von Vertragspartnern und die größere Homogenität ihrer Rechtsanschauungen ermöglichen nicht nur eine präzisere Definition der garantierten Menschenrechte, sondern auch den Aufbau eines effektiven Schutzsystems.

___________ 71 Übereinkommen über die Rechtsstellung der Staatenlosen vom 28.09.1954 (Text: UNTS, Bd. 360, S. 117; BGBl. 1976 II S. 474) und Übereinkommen zur Verminderung der Staatenlosigkeit vom 30.08.1961 (UNTS, Bd. 989, S. 175; BGBl. 1977 II S. 598). 72 Texte: B. Simma / U. Fastenrath (Anm. 34), Nr. 57. 73 Texte: B. Simma / U. Fastenrath (Anm. 34), Nr. 58.

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2. Europa a) Europäische Menschenrechtskonvention Allgemein Die EMRK ist ihrer rechtlichen Natur nach wie die Menschenrechtspakte der Vereinten Nationen ein mehrseitiger völkerrechtlicher Vertrag. Als solcher begründet sie zunächst nur Verpflichtungen zwischen den Vertragsstaaten, die gehalten sind, ihr nationales Recht mit den Verpflichtungen, die sich aus der Konvention ergeben, in Einklang zu bringen. Auf welche Weise die Vertragsstaaten die innerstaatliche Geltung der Vertragsbestimmungen sicherstellen, ist grundsätzlich dem nationalen Recht vorbehalten.74 Nach Art. 1 EMRK wird die Achtung der in der Konvention niedergelegten Rechte aber nicht anheim gestellt, sondern von den Vertragsparteien allen ihrer Herrschaftsgewalt unterstehenden Personen zugesichert, mit der Folge, daß die Einzelperson direkt Begünstigte der in der Konvention anerkannten Rechte und Freiheiten ist. Zudem sind die materiell rechtlichen Bestimmungen der Konvention so abgefaßt, daß sie nach ordnungsgemäßer Transformierung in innerstaatliches Recht keiner besonderen staatlichen Ausführungsgesetze mehr bedürfen. Sie sind mit einer für einen internationalen Vertrag erstaunlichen Genauigkeit umschrieben. Die möglichen Einschränkungen werden enumerativ aufgeführt und erfordern keine Konkretisierung mehr. Die Normen sind damit unmittelbar anwendbar (selfexecuting). Ein Beleg dafür, daß die Konvention Individualrechte einräumt, die keiner besonderen staatlichen Ausführungsgesetze bedürfen, war einst Art. 25 EMRK, der einen unmittelbaren Zugang der Individuen zur Menschenrechtskommission ermöglichte. Heute kann gemäß Art. 34 EMRK der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte unmittelbar von jeder natürlichen Person, nichtstaatlichen Organisation oder Personengruppe, die behauptet, durch einen der Vertragspartner in einem der Rechte der Konvention oder der Zusatzprotokolle verletzt zu sein, mit einer Beschwerde befaßt werden. Wären die materiell-rechtlichen Bestimmungen der EMRK nicht unmittelbar anwendbar, könnten die Individuen durch eine Verletzung der Konventionsrechte nicht beschwert sein. Im Jahre 1960 hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte seine Tätigkeit aufgenommen, der zwar in der Konvention von 1950 schon vorgesehen war, sich aber erst nach der Anerkennung seiner Gerichtsbarkeit durch acht ___________ 74

Vgl. hier G. Gornig (Anm. 7), S. 279.

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Unterzeichnerstaaten konstituieren konnte. Er war zunächst nur für Fälle zuständig, bei denen die ihn anerkennenden Staaten beteiligt waren und konnte nur von den Konventionspartnern und der Kommission, also nicht von Einzelpersonen, unmittelbar angerufen werden. Für diese mußte die Kommission tätig werden. Erst wenn die Kommission die Zulässigkeit der Klage bejaht hatte und keinen gütlichen Ausgleich herbeiführen konnte, konnte der Gerichtshof mit dem Fall befaßt werden, der dann feststellte, ob ein Verstoß gegen die Konvention durch einen der Unterzeichnerstaaten vorlag. Heute kann sich der Einzelne unmittelbar an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wenden, wenn die Zulässigkeitsvoraussetzungen der Klage gegeben sind. Seine Urteile sind für die beteiligten Staaten endgültig und verbindlich. Die Europäische Menschenrechtskonvention wurde durch bislang sieben Zusatzprotokolle ergänzt.

Inhalt Abschnitt I EMRK enthält eine Aufzählung von Menschenrechten und Grundfreiheiten, wie das Recht auf Leben, das Verbot der Folter, der Sklaverei und der Zwangsarbeit, das Recht auf Freiheit und Sicherheit und auf gerichtliches Gehör, das Verbot der mehrfachen Bestrafung, die Achtung der Privatsphäre, die Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit, die Äußerungs- und Informationsfreiheit,75 die Versammlungs- und Vereinsfreiheit, aber auch das Recht der freien Wahl des Ehegatten sowie das Diskriminierungsverbot. Das Recht auf Eigentum, auf Bildung und auf freie und geheime Wahlen fand im Ersten Zusatzprotokoll76 Aufnahme. Das Protokoll Nr. 477 verankert die Freizügigkeit und verbietet Kollektivausweisungen von eigenen und fremden Staatsangehörigen. Das Protokoll Nr. 678 ist der Abschaffung der Todesstrafe gewidmet. Verfahrensrechte sind im Protokoll Nr. 779 aufgeführt. Die im Pakt garantierten Rechte sind einschränkbar, wobei die verschiedenen Freiheitsrechte konkrete Beschränkungsklauseln enthalten. Im Falle eines ___________ 75

Vgl. dazu G. Gornig (Anm. 7), S. 289 ff. Text: BGBl. 1957 II S. 1880. 77 Text: BGBl. 1968 II S. 423. 78 Text: ETS No. 114; BGBl. 1988 II S. 663. Text: B. Simma / U. Fastenrath (Anm. 34), Nr. 32. 79 Text: B. Simma / U. Fastenrath (Anm. 34), Nr. 33. 76

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Notstandes können einige Rechte vorübergehend eingeschränkt werden (Art. 15 EMRK). Ein Mißbrauchsverbot ist in Art. 18 EMRK enthalten.

Durchsetzung Innerstaatliches Verfahren Gemäß Art. 13 EMRK hat der Verletzte das Recht, eine wirksame Beschwerde bei einer nationalen Instanz einzulegen. Ähnlich wie bei Art. 2 IPbpR reicht auch hier wieder die vertretbare Behauptung einer Rechtsverletzung aus.80 Art. 6 Abs. 1 EMRK sieht ein gerichtliches Verfahren vor, soweit es um zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen oder um die Stichhaltigkeit einer erhobenen strafrechtlichen Anklage geht.81 Damit wären die Möglichkeiten eines Rechtsschutzes im innerstaatlichen Verfahren ausgeschöpft.

Staatenberichtsverfahren Auch die EMRK kennt sieht ein Staatenberichtsverfahren für Menschenrechte vor, auch wenn dies im Vergleich zum IPbpR nur rudimentär ausgestaltet ist. Gem. Art. 52 EMRK kann der Generalsekretär des Europarates die Mitgliedstaaten zur Abgabe von Erklärungen auffordern, in welcher Weise ihr internes Recht die Anwendung der Konvention gewährleistet. Die Bedeutung des Staatenberichtsverfahrens innerhalb des EMRK-Durchsetzungsmechanismus hat bisher kaum Bedeutung erlangt.82 Zudem erfolgen Staatenberichte nur auf Anfrage. Da außerdem ein ständiger Beobachtungsmechanismus fehlt, ist eine kontinuierliche Überprüfung und Kontrolle nicht gewährleistet.83

___________ 80 Vgl. J. A. Frowein / W. Peukert, EMRK, Kommentar, 1985, Art. 13 Rd. 2; J. Niewerth (Anm. 43), S. 207. 81 Vgl. nur D. P. Lopez, Die Tätigkeit des Europarates in den Jahren 1989 und 1990, in: GYIL, Bd. 34 (1991), S. 486 ff.; D. Krantz, Bericht über die Tätigkeit des Europarates im Jahre 1992, in: GYIL, Bd. 36 (1993), S. 461 ff. 82 Vgl. dazu J. A. Frowein / W. Peukert (Anm. 80), Art. 57 Rd. 2. 83 Vgl. kritisch E. Klein, Konzeption und Durchsetzung des Minderheitenschutzes, in: D. Blumenwitz / H. von Mangoldt (Hrsg.), Neubestätigung und Weiterentwicklung von Menschenrechten und Volksgruppenrechten in Mitteleuropa, Bonn 1991, S. 59.

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Staatenbeschwerdeverfahren Ähnlich wie beim Staatenbeschwerdeverfahren des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte geht es auch beim Staatenbeschwerdeverfahren des Art. 33 EMRK um die Geltendmachung der Verletzung der public order des gesamten Vertragsbereiches, also um die Einhaltung eines Mindestbestandes an Rechten.84 Dementsprechend wird das Mittel der Staatenbeschwerde nur in Fällen besonders intensiver Menschenrechtsverletzungen angewandt werden. Art. 35 EMRK normiert die Zulässigkeitsvoraussetzungen der Staatenbeschwerde. Vorausgesetzt wird die Rechtswegerschöpfung. Die Sechsmonatsfrist nach dem Ergehen der endgültigen innerstaatlichen Entscheidung muß eingehalten werden

Individualbeschwerdeverfahren Nach Art. 34 EMRK kann der Gerichtshof durch ein Gesuch jeder natürlichen Person, nicht-staatlichen Organisation oder Personenvereinigung angegangen werden, die sich durch eine Verletzung der in der EMRK anerkannten Rechte durch einen der Vertragsstaaten beschwert fühlt.85 Die Zulässigkeitsvoraussetzungen sind in Art. 35 EMRK normiert. Es muß der innerstaatliche Rechtsweg erschöpft sein und die Sechsmonatsfrist nach dem Ergehen der endgültigen innerstaatlichen Entscheidung eingehalten werden. Der Europäische Menschenrechtsgerichtshof befaßt sich erst gar nicht mit der Beschwerde, wenn sie anonym ist oder im Wesentlichen mit einer schon vom Gerichtshof geprüften Beschwerde übereinstimmt oder schon einer anderen internationalen Untersuchungs- oder Vergleichsinstanz unterbreitet worden ist und keine neue Tatsachen enthält (Art. 35 Abs. 2 EMRK). Der EGMR erklärt eine Individualbeschwerde für unzulässig, wenn er sie für unvereinbar mit der EMRK oder den Protokollen dazu, für offensichtlich unbegründet oder für einen Mißbrauch des Beschwerderechts hält. Mit der Individualbeschwerde können sich die Beschwerdeberechtigten gegen jedes Tun und Unterlassen der Legislative, Exekutive und Judikative des ___________ 84

Vgl. J. A. Frowein / W. Peukert (Anm. 80), Art. 24, § 2. Die Parteifähigkeit von politischen Parteien wurde von der Kommission bejaht, aber offen gelassen, ob diese als Personenvereinigung zu qualifizieren sind; vgl. Entscheidung vom 18.12.1980, Decisions and Reports 21, S. 211. 85

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Gesamtstaates und seiner Gebietskörperschaften, also seiner Länder, Kantone, Kreise und Gemeinden, zur Wehr setzen. Beschwerdegegenstand sind allerdings nur Maßnahmen, die nach der Ratifikation der EMRK durch den betroffenen Staat vorgenommen wurden.86 Nach einer Entscheidung der Europäischen Kommission für Menschenrechte vom 29. September 1976 ist eine Beschwerde aber auch dann zulässig, wenn eine vor der Ratifikation erfolgte Rechtsverletzung über den Zeitpunkt der Anerkennung der Individualbeschwerde hinaus beschwert. Polen87 und die ehemalige Tschechoslowakei88 haben daher bezüglich der Individualbeschwerde einen zeitlichen Vorbehalt erklärt.

b) Europäische Sozialcharta Die Europäische Sozialcharta vom 18. Oktober 196189 ist den sozialen Rechten gewidmet. Sie enthält das „Recht auf Arbeit“. Um die wirksame Ausübung des Rechts auf Arbeit zu gewährleisten, verpflichten sich die Vertragsparteien, zwecks Verwirklichung der Vollbeschäftigung die Erreichung und Aufrechterhaltung eines möglichst hohen und stabilen Beschäftigungsstandes zu einer ihrer wichtigsten Zielsetzungen und Aufgaben zu machen und das Recht des Arbeitnehmers wirksam zu schützen, seinen Lebensunterhalt durch eine frei übernommene Tätigkeit zu verdienen. Die Sozialcharta verankert das Recht auf gerechte Arbeitsbedingungen (Art. 2 EuSCh), das Recht auf sichere und gesunde Arbeitsbedingungen (Art. 3 EuSCh), das Recht auf ein gerechtes Arbeitsentgelt (Art. 4 EuSCh), das Vereinigungsrecht (Art. 5 EuSCh) und das Recht auf Kollektivverhandlungen (Art. 6 EuSCh). Weitere Rechte sind den Kindern und Jugendlichen, dem Schutz der Arbeitnehmerinnen, der beruflichen ___________ 86 Vgl. Hess-Entscheidung der Europäischen Kommission für Menschenrechte, EuGRZ 1975, S. 482 (485), wonach die materiellen Rechte der EMRK nur pro futuro gelten. 87 Vgl. für Polen: BGBl. 1993 II S. 930; dort heißt es, daß sich die Zuständigkeit der Europäischen Kommission für Menschenrechte nach Art. 25 EMRK auf eine nach dem 30.04.1993 eintretende Verletzung der in der EMRK anerkannten Rechte bezieht. 88 Vgl. BGBl. 1992 II S. 1064. Die Zuständigkeit der Europäischen Kommission und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte bezieht sich danach auf eine Zeit nach dem 18.03.1992. Dies gilt auch für die Tschechische Republik und die Slowakische Republik, vgl. BGBl. 1994 II S. 352. 89 Text: UNTS, Bd. 529, S. 89; BGBl. 1964 II S. 1262. Vgl. dazu auch das Zusatzprotokoll vom 05.05.1988, Text: ETS, No. 128; B. Simma / U. Fastenrath (Anm. 34), Nr. 42.

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Ausbildung, dem Gesundheitsschutz, der sozialen Sicherheit, der Behindertenhilfe, der Familie, den Müttern und den Wanderarbeitnehmern gewidmet. Im Teil IV der Sozialcharta gehen die Vertragspartner die Verpflichtung ein, dem Generalsekretär des Europarats alle zwei Jahre in einer vom Ministerkomitee festzulegenden Form einen Bericht über die Anwendung der von ihnen angenommenen Bestimmungen der Charta zu übersenden. Die Berichte werden von einem Sachverständigenausschuß geprüft und einem Unterausschuß des Regierungssozialausschusses des Europarates zur Prüfung vorgelegt. Der Generalsekretär des Europarats übermittelt der Beratenden Versammlung die Beratungsergebnisse des Sachverständigenausschusses. Die Beratende Versammlung teilt dem Ministerkomitee eine Stellungnahme hierzu mit. Das Ministerkomitee kann mit Zweidrittel-Mehrheit der zur Teilnahme an seinen Sitzungen berechtigten Mitglieder aufgrund des Berichts des Unterausschusses nach Anhörung der Beratenden Versammlung an jede Vertragspartei alle notwendigen Empfehlungen richten (Art. 21-29 EuSCh). An die Stelle der Sozialcharta tritt seit 1996 die Revidierte Europäische Sozialcharta,90 allerdings haben weder Polen noch Deutschland dieses Übereinkommen unterzeichnet.

c) Spezielle Übereinkünfte Auch einige spezielle Übereinkünfte wurden auf europäischer Ebene abgeschlossen. Zu erwähnen ist das Europäische Übereinkommen zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe vom 26. November 1987.91

___________ 90

Text: ETS, No. 163. Text: ETS, No. 126; BGBl. 1989 II S. 946. Vgl. dazu auch die Rules of Procedure of the European Committee for the Prevention of Torture and Inhuman or Degrading Treatment or Punishment vom 11.05.1990, Text: Council of Europe, Directorate of Human Rights, Information Sheet, No. 29, 1990, S. 138; B. Simma / U. Fastenrath (Anm. 34), Nr. 40. 91

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3. Amerika Die Amerikanische Erklärung der Rechte und Pflichten des Menschen92 ist lediglich eine Empfehlung, da sich die Konferenzteilnehmer nicht einigen konnten, eine für die amerikanischen Staaten verbindliche Konvention über die Menschenrechte zu verabschieden.93 Die Amerikanische Menschenrechtskonvention vom 22. November 196994 ist ein mehrseitiger völkerrechtlicher Vertrag, der zunächst nur Verpflichtungen zwischen Vertragsstaaten begründet. Diese übernehmen gemäß Art. 1 die Verpflichtung, die Rechte und Freiheiten der Konvention zu respektieren und allen Personen in ihrem Jurisdiktionsbereich die freie und volle Ausübung dieser Rechte zu sichern. Gemäß Art. 2 AMRK verpflichten sich die Staaten im Einklang mit ihrer Verfassung und den Konventionsbestimmungen, die gesetzgeberischen oder anderen Maßnahmen zu treffen, die erforderlich sind, um den Rechten und Freiheiten auch dort Geltung zu verschaffen, wo die Ausübung nicht schon durch die Gesetzgebung oder andere rechtliche Maßnahmen gesichert ist. Ähnlich wie nach Art. 1 EMRK wird nach Art. 1 AMRK die Respektierung der in einer Konvention statuierten Rechte nicht anheimgestellt, sondern unmittelbar verbindlich zugesichert, mit der Folge, daß die Einzelpersonen direkt Begünstigte der in der Konvention anerkannten Rechte sind. Die Verfasser der AMRK haben zudem die materiell rechtlichen Bestimmungen der Konvention nach dem Vorbild der EMRK so formuliert, daß sie nach ordnungsgemäßer Transformation in das innerstaatliche Recht keiner besonderen staatlichen Ausführungsgesetze zur Konkretisierung mehr bedürfen, sondern unmittelbar angewendet werden können. Nach Art. 25 Abs. 1 AMRK kann jeder gegen Handlungen, die seine Grundrechte, wie sie von der Verfassung oder den Gesetzen seines Staates oder von der AMRK anerkannt sind, verletzen, Beschwerde bei den zuständigen Gerichten einlegen. Art. 25 AMRK gewährleistet also nur die Beschwerdemöglichkeit gegen die Verletzung von Grundrechten schlechthin, egal in welchem Normenkomplex sie garantiert werden. Anders als bei Art. 13 EMRK kann aus Art. 25 AMRK mithin nicht zwingend geschlossen werden, daß eine Beschwerdemöglichkeit bei Verletzung der konkreten, in der AMRK statuierten Rechte und Freiheiten bestehen müsse. ___________ 92 PAU, The International Conferences of American States, Second Supplement, 1942- 1954, Washington 1958, S. 263 ff. 93 Vgl. G. Gornig (Anm. 7), S. 320 ff. 94 OAS, Official Records OEA/Ser. K/XVI/I.I:, Dokument 65, Rev. 1, Corr. 2; B. Simma / U. Fastenrath (Anm. 34), Nr. 57.

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In Kapitel VII der Amerikanischen Menschenrechtskonvention wird eine Inter-Amerikanische Kommission für Menschenrechte begründet, die alle Mitglieder der Organisation Amerikanischer Staaten vertritt. Hauptaufgabe der Kommission ist es, die Achtung und Verteidigung der Menschenrechte zu fördern. Zu diesem Zweck werden ihr eine Reihe von Befugnissen eingeräumt (Art. 41 AMRK). Jede Person, Personengruppe oder in einem oder mehreren Mitgliedstaaten rechtlich anerkannte nichtstaatliche Einheit kann bei der Kommission Eingaben einbringen (Art. 44 AMRK). Ein Inter-Amerikanischer Gerichtshof für Menschenrechte wird in Kapitel VIII der Amerikanischen Menschenrechtskonvention behandelt. Nur Vertragsstaaten und die Kommission haben das Recht, einen Fall dem Gerichtshof vorzulegen (Art. 61 AMRK). Kommt der Gerichtshof zum Ergebnis, daß eine Verletzung von und durch die Amerikanische Menschenrechtskonvention geschützten Rechten oder Freiheiten stattgefunden hat, ordnet der Gerichtshof an, daß dem verletzten Beteiligten der ungestörte Genuß des verletzten Rechts garantiert wird (Art. 63 AMRK). Die in der Amerikanischen Menschenrechtskonvention statuierten Rechte ähneln inhaltlich und in der Formulierung den in der Europäischen Menschenrechtskonvention garantierten.

4. Afrika Die Afrikanische Charta über Menschen- und Volksrechte wurde auf der Gipfelkonferenz der Staatschefs in Nairobi im Januar 1981 einstimmig angenommen. Sie beginnt in ihrem ersten Teil mit den Rechten und Pflichten, wobei Kapitel 1 die Rechte behandelt. In Art. 1 AChMVR verpflichten sich die Mitgliedsstaaten der Organisation Afrikanischer Staaten, die der Charta beigetreten sind, die in ihr verbrieften Rechte und Freiheiten anzuerkennen und die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um die Rechte und Freiheiten zu verwirklichen. Zu diesen Rechten und Freiheiten gehören die bekannten bürgerlichen und politischen Rechte, wie Verfahrensrechte, die Gewissens- und Religionsfreiheit, Kommunikationsrechte, staatsbürgerliche Rechte, das Eigentum, aber auch soziale Rechte, wie das Recht auf ein Höchstmaß an körperlicher und seelischer Gesundheit und ein Recht auf Bildung. Schließlich enthält die Charta auch den Grundsatz der Gleichheit der Völker, wonach alle Völker gleich sind und die gleiche Würde besitzen und die gleichen Rechte haben. Die Herrschaft eines Volkes über ein anderes kann durch nichts gerechtfertigt werden (Art. 19 AChMVR), die Völker genießen gemäß der Charta das Selbstbestimmungsrecht (Art. 20 AChMVR), die Souveränität über natürliche Reichtümer (Art. 21 AChMVR), das Recht auf wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung

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(Art. 22 AChMVR), das Recht auf Frieden und Sicherheit sowie das „Recht auf eine Umwelt, die insgesamt zufriedenstellend und ihre Entwicklung günstig“ ist (Art. 24 AChMVR). Neben den Rechten enthält die Charta auch eine Reihe von Pflichten, wie Pflichten gegenüber seiner Familie und der Gesellschaft, gegenüber dem Staat und anderen gesetzlich anerkannten Gemeinschaften (Art. 27 AChMVR), die Verpflichtung jedes Individuums, seine Mitmenschen ohne Diskriminierung zu respektieren und zu achten (Art. 28 AChMVR) sowie die Pflicht jedes Individuums, die harmonische Entwicklung der Familie zu bewahren, seiner nationalen Gemeinschaft durch seine körperlichen und geistigen Kräfte zu dienen, die Sicherheit des Landes nicht zu gefährden, die soziale und nationale Solidarität zu bewahren und zu stärken, die nationale Unabhängigkeit und die territoriale Integrität seines Landes zu bewahren und zu stärken und unter vollem Einsatz seiner Fähigkeiten und Möglichkeiten zu arbeiten und die im Interesse der Gesellschaft gesetzlich auferlegten Steuern und Abgaben zu entrichten. In seinem Verhältnis zu anderen Mitgliedern der Gesellschaft hat der Einzelne die Pflicht, positive afrikanische kulturelle Werte im Geiste der Toleranz, des Dialogs und der Verständigung zu bewahren und zu verstärken sowie generell zur Förderung des sittlichen Wohlbefindens der Gesellschaft beizutragen und jederzeit auf allen Ebenen sein Bestes zur Förderung und Erlangung der afrikanischen Einheit zu tun (Art. 29 AChMVR). Eine Afrikanische Kommission für Menschenrechte und Rechte der Völker, die innerhalb der Organisation für Afrikanische Einheit eingerichtet wurde (Art. 30 AChMVR), hat die Aufgabe, die Menschenrechte und Grundrechte der Völker zu fördern, den Schutz der Menschenrechte und Rechte der Völker nach den in der Afrikanischen Menschenrechtscharta festgelegten Bedingungen sicherzustellen und die Bestimmungen der Charta auf Ersuchen eines Vertragsstaates, einer Institution der Organisation für Afrikanische Einheit oder einer von der Organisation für Afrikanische Einheit anerkannten Organisation auszulegen. Schließlich hat sie alle Aufgaben wahrzunehmen, die ihr durch die Versammlung der Staats- und Regierungschefs übertragen werden. Ein 1998 beschlossenes Protokoll sieht zudem die Errichtung eines Afrikanischen Gerichtshofs für Menschenrechte und Rechte der Völker vor,95 der die Funktionen der Kommission ergänzen soll (Art. 2 des Protokolls). Er kann durch die Kommission sowie die am Ausgangsverfahren beteiligten oder sonst ___________ 95

Text: African Yearbook of International Law 6 (1998), S. 419 ff. Dazu auch M. Mutua, The African Human Rights Court: A Two-Legged Stool?, in: Human Rights Quarterly 21 (1999), 342 ff.

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betroffenen Staaten sowie von afrikanischen Internationalen Organisationen angerufen werden (Art. 5 des Protokolls). Einzelpersonen oder Nichtregierungsorganisationen können nur nach einer entsprechenden Erklärung des betroffenen Staates und einer dahingehenden Entscheidung des Gerichtshofs Beschwerden einreichen (Art. 5 Abs. 3 i.V.m. Art. 34 Abs. 6 des Protokolls). Zudem erstellt er auf Ersuchen eines Mitgliedsstaats der Organisation Afrikanischer Staaten, eines anderen Organs oder einer anerkannten afrikanischen Internationalen Organisasation Gutachten über Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Afrikanischen Menschenrechtscharta oder anderen einschlägigen Menschenrechtsdokumenten (Art. 4 des Protokolls). Das Protokoll ist am 25. Januar 2004 in Kraft getreten,96 der Gerichtshof wird voraussichtlich 2006 seine Arbeit aufnehmen.

5. Arabien Die durch Resolution 5437 des Rates der Arabischen Liga angenommene Arabische Charta der Menschenrechte vom 15. September 1994,97 die mit Beschluß vom 23. Mai 2004 revidiert wurde,98 ist noch nicht in Kraft getreten. Sie verankert neben dem Selbstbestimmungsrecht der Völker in Art. 1 ArChMR Grund- und Freiheitsrechte. Eine Besonderheit stellt die Einbindung in die arabische Nation in Art. 35 ArChMR dar, wonach die Staatsangehörigen das Recht haben, „in einem geistig anspruchsvollen und kulturellen Umfeld zu leben, in dem das arabische Nationalgefühl eine Quelle des Stolzes ist, die Menschenrechte ein heiliges Gut darstellen, Diskriminierungen wegen der Rasse, Religion oder aus anderen Gründen abgelehnt und internationale Zusammenarbeit und die gute Sache des Weltfriedens unterstützt werden.“ Die Teilhabe am kulturellen Leben ist als Individualrecht verankert (Art. 36 ArChMR). Minderheiten, Familien und Jugendliche haben Anspruch auf besonderen Schutz (Art. 37, 38, 39 ArChMR).

6. KSZE/OSZE Ein anderes internationales Instrument, das auch dem Menschenrechtsschutz dient, ist die Schlußakte der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit ___________ 96

Vgl. Amnesty International, Public Statement AFR 01/004/2004 (22.1.2004). Text: B. Simma / U. Fastenrath (Anm. 34), Nr. 59. 98 Text: http://www1.umn.edu/humanrts/instree/arabcharter2.html . 97

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vom 1. August 1975.99 Die den Menschenrechtsschutz betreffenden Ausführungen stehen unter der Überschrift Zusammenarbeit in humanitären und anderen Bereichen. Es besteht Einigkeit in der Völkerrechtswissenschaft darüber, daß die KSZE-Schlußakte kein völkerrechtlicher Vertrag ist und daher keine völkerrechtlichen Pflichten der Signatarstaaten zum Entstehen gebracht hat. Den Teilnehmerstaaten fehlte die Absicht, einen völkerrechtlichen Vertrag zu schließen, wie sich nicht zuletzt auch aus dem Text der Schlußakte ergibt. Aber in der KSZE-Schlußakte haben die 35 Teilnehmerstaaten, die nach einer Verhandlungsdauer von 31 Monaten dieses Abschlußdokument der HelsinkiKonferenz unterzeichneten, die Ziele und Grundsätze bekräftigt, die in Art. 1 Abs. 3 und Art. 55 UN-Charta in Bezug auf die Achtung und Förderung der Menschenrechte niedergelegt wurden. Dadurch haben diese Staaten Maßstäbe für ihr Verhalten bezüglich der Verwirklichung der Menschenrechte gesetzt. Die KSZE-Schlußakte ist für die Entwicklung der Menschenrechte von großer Bedeutung. Sie ist ein Akt der Staaten und muß daher ungeachtet der Frage ihrer Rechtsqualität als Bekenntnis der Signatarstaaten zu den Menschenrechten gewertet werden. So muß sich jeder Staat, der dieses Dokument unterzeichnet hat, daran erinnern lassen, daß er damit ausdrücklich die Grundsätze der Vereinten Nationen und der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte zur Richtschnur seines Handelns im menschenrechtlichen Bereich gemacht hat. Die Maßstäbe, die durch Prinzip VII Abs. 8 S. 1 der KSZE-Schlußakte gesetzt werden, werden im Prinzip VII Abs. 1-4 und in zahlreichen Einzelbestimmungen der KSZE-Schlußakte konkretisiert. So heißt es, daß auf dem Gebiet der Menschenrechte und Grundfreiheiten die Teilnehmerstaaten in Übereinstimmung mit den Zielen und Grundsätzen der Charta der Vereinten Nationen und mit der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte handeln werden. Sie würden ferner ihre Verpflichtungen erfüllen, wie diese in den internationalen Erklärungen und Abkommen auf diesem Gebiet festgelegt sind, soweit sie an sie gebunden sind, darunter auch in den internationalen Konventionen über die Menschenrechte. Durch diesen zweiten Satz von Prinzip VII Abs. 8 werden die vertraglichen Bindungen auf dem Gebiet der Menschenrechte in den Wirkungsbereich der KSZE aufgenommen. Nach geltendem Völkerrecht hat jeder Vertragspartner eines multilateralen Vertrages das Recht, einen anderen Vertragspartner auf eine Verletzung der diesem Vertragspartner obliegenden Verpflichtungen hinzuweisen und ihn aufzufordern, die Verletzung künftig zu unterlassen. Die Hineinnahme der gesamten vertraglichen Bindungen in den Gesamtzusammenhang der KSZE gemäß ___________ 99

B. Simma / U. Fastenrath (Anm. 34), Nr. 49.

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Prinzip VII Abs. 8 Satz 2 der Schlußakte bewirkt, daß jenes Rügerecht nun auch im Rahmen der KSZE ausgeübt werden kann. Die weiteren Schlußdokumente der KSZE nahmen sich immer wieder den Menschenrechten an, beschworen sie und betonten ihre Bedeutung.100 So unterstrichen die Teilnehmerstaaten ihre Entschlossenheit, die wirksame Ausübung der Menschenrechte und Grundfreiheiten, die sich alle aus der dem Menschen innewohnenden Würde ergeben und für seine freie und volle Entfaltung wesentlich sind, zu fördern und zu ermutigen.101 Sie betrachteten die Achtung und die wirksame Ausübung der Menschenrechte und Grundfreiheiten als wesentliche Faktoren für internationalen Frieden, Gerechtigkeit und Sicherheit, wie auch für die Entwicklung freundschaftlicher Beziehungen und der Zusammenarbeit zwischen ihnen.102 Die Charta von Paris enthält im zweiten Abschnitt „Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit“ sogar eine Aufzählung von Rechten und Freiheiten. Es handelt sich dabei aber lediglich um – rechtlich unverbindliche – Absichtserklärungen.

7. Vertragsverletzung Das Problem der internationalen Durchsetzung völkerrechtlicher Verträge im Bereich der Menschenrechte liegt darin, daß Staaten zwar grundsätzlich bereit sind, Konventionen zu ratifizieren, gegenüber den internationalen Implementierungsvorschriften aber regelmäßig Vorbehalte anbringen. Vielen Staaten fehlt die Einsicht, daß es nicht genügt, Menschenrechte international zu verankern, sondern es erforderlich ist, die internationalen Instrumente zu ihrer Durchsetzung zu respektieren. Sollte der Bürger auf dem innerstaatlichen Rechtsweg keinen Erfolg haben, dann kann er sich an das internationale Gremium wenden (local remedies rule), das allerdings allein das Internationale Recht als Maßstab heranzieht. Sinn der ___________ 100 Vgl. z.B. Abschlußdokument des Madrider Folgetreffens vom 06.09.1983 (Prinzip 8 bis 15); Dokument der Stockholmer Konferenz vom 19.09.1986 (Ziffer 23); Abschlußdokument des Wiener Folgetreffens vom 15.01.1989 (Fragen an die Sicherheit in Europa, vierter Spiegelstrich, Prinzip 13, 27); Dokument des Kopenhagener Treffens vom 29.06.1990 (vgl. dort I.); Charta von Paris vom 21.11.1990 (zweiter und neunter Abschnitt); Dokument des Moskauer Treffens vom 03.10.1991 (II Ziff. 17.3); Helsinki Dokument vom 10.07.1992 (Ziffer 21). Texte: T. Schweisfurth / K. Oellers-Frahm, Dokumente der KSZE, 1993; vgl. auch B. Simma / U. Fastenrath (Anm. 34), Nr. 49–55 b. 101 Prinzip 7 des Madrider Folgetreffens. 102 Ziffer 23 der Stockholmer Konferenz.

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local remedies rule ist, den Staaten die Möglichkeit zu geben, den Beschwerten zu ihrem Recht zu verhelfen. Letztlich erreichen somit lediglich diejenigen Streitfälle die internationalen Organe, die auf nationaler Ebene nicht zum Erfolg des Bürgers geführt haben. Sollte der Bürger auf internationaler Ebene Recht bekommen, so zeigt sich der Vorrang des Völkerrechts vor dem nationalen Recht darin, daß die Länder gemäß ihrer Rechtsordnung verpflichtet sind, der internationalen Gerichtsentscheidung durch Maßnahmen der Legislative, Exekutive oder Judikative Rechnung zu tragen.103

V. Schluß In einer Zeit, in der immer weniger objektive oder gar absolute Werte auf nationaler Ebene anerkannt werden und das Naturrecht wiederum in Zweifel gezogen wird, wird es auf völkerrechtlicher Ebene nur dann ernstzunehmende Anwälte und Fürsprecher der Menschenrechte geben, wenn jede Statuierung von der Überzeugung getragen wird, daß die Menschenrechte eine Werteordnung verkörpern und garantieren, die nicht zur Disposition des Gesetzgebers steht, sondern daß es sich hierbei um Rechte handelt, die dem einzelnen kraft seines Menschseins zustehen. Naturrecht und positives Recht sind aber nicht als Gegensätze aufzufassen. Sie stehen zueinander auch nicht in einem Konkurrenzverhältnis derart, daß immer dann, wenn das positive Recht den Interessenten nicht zufrieden stellt, an seiner Stelle das Naturrecht bemüht wird. Bei der Erzeugung positiven Rechts, bei der Schaffung von Law-Making-Treaties tritt aber die Funktion des Naturrechts als Maßstab und Korrektiv zutage.104 Das Naturrecht ist also gegenüber dem positiven Recht legitimierend, normierend und korrigierend.105 Leibniz bezeichnet die Elemente des Naturrechts als Seele der Jurisprudenz, die noch eines Körpers, nämlich den aus dem Naturrecht abgeleiteten Gesetzen, ___________ 103 Das Erfordernis der Rechtswegerschöpfung ist in Art. 5 Abs. 2b des Fakultativprotokolls zum Internationalen Pakt, Art. 14 Abs. 7a der Internationalen Konvention gegen Rassendiskriminierung, in Art. 2 Abs. 5 der Antifolterkonvention sowie in Art. 26 EMRK und Art. 46 Abs. 1 AMRK enthalten. 104 Vgl. G. W. Leibniz, Allgemeiner und historischer Briefwechsel, Bd. 1. Hrsg. von der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, 1970, Nr. 28, S. 66. 105 So H. Schambeck, Das Naturrechtsdenken heute und morgen, in: D. von MeierMaly / P. Simon (Hrsg.), Naturrecht und Verfassungsrecht. Gedächtnisschrift für Rene Marcic, 1983, S. 911-929, 915.

Menschenrechte im Völkerrecht

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bedürfe.106 Die Elemente des Naturrechts sind damit auch die Seele der Menschenrechte. Heute gibt es nur noch einen Weg, die Menschenrechte zu verwirklichen: sie müssen in völkerrechtlichen Verträgen aller Staaten der Welt Verankerung finden, auf internationaler Ebene stets eingefordert und in der Verfassungswirklichkeit immer wieder aufs Neue durchgesetzt werden. Die Menschenrechte erhalten ihre Bedeutung für die Individuen nämlich erst durch ihre positivrechtliche Verankerung, denn durch diese werden sich Staat und Menschen der Existenz der Menschenrechte bewußt. Die Menschenrechte spielen also eine Schlüsselrolle in dem epochalen Wandlungsprozeß, der sich in unserer Zeit abspielt. Die Sicherung, Organisierung und Institutionalisierung ihres Schutzes auf internationaler Ebene ist ein Teil des Neubaus der Völkerrechtsordnung. Die nach der Satzung der Vereinten Nationen bestehende Verpflichtung der Staaten, Frieden zu wahren, bedarf auch der friedensstiftenden Wirkung der Menschenrechte. Der weitere Ausbau des internationalen Menschenrechtsschutzes ist damit eine unabdingbare Voraussetzung für die Schaffung der Welt des Friedens und der Gewaltlosigkeit, wie sie den Schöpfern der Satzung der Vereinten Nationen vorschwebte.

Abstract Gilbert Gornig: Human Rights in International Law. In: Minority Protection and Human Rights – Current Problems Particularly in the German-Polish Relations. Ed. by Dieter Blumenwitz (†), Gilbert H. Gornig, and Dietrich Murswiek (Berlin 2006), pp. 155-193. Human rights are not granted by states but are inherent in every human being as such. They provide individual, “subjective” rights vis-à-vis the state as defence, and participatory rights, while, at the same time, they also constitute an objective legal order that is binding on the legislative, the administration and the judiciary. While the idea of rights of individuals was not alien to the old ius gentium, international law was perceived since Hobbes to regulate inter-state relations only. Human rights, on the other hand, were first promulgated in the North-American bills of rights and the 1789 French Declaration of Human and Citizens’ Rights. In classical international law, only diplomatic protection of the own national against the wrongs by a third state existed. ___________ 106 G. W. Leibniz, ex literis ad Ioh. Alb. Portnerum, Allgemeiner politischer und historischer Briefwechsel, Bd. 1, Nr. 28, S. 66.

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After 1945, human rights became recognised by the United Nations as rights against the state, thereby creating some tension with the principle of state sovereignty and the fact that international law is the law of states. Hence, in the absence of specific treaty provisions, it cannot provide the necessary control to ensure the enjoyment of human rights. Apart from the protection of minorities after World War I and of refugees after World War II, the UN Charter mentions prominently the protection of human rights as one of the purposes of the organisation. The hardly effective so-called ‘1503-procedure’ of the UN Commission on Human Rights and the not legally binding 1948 Universal Declaration of Human Rights were the first universal instruments to protect human rights. The International Covenant on Civil and Political Rights establishing the Human Rights Committee – set up to monitor states’ implementation reports and to receive individual complaints from individuals and from states – and the International Covenant on Social, Cultural and Economical Rights, both adopted in 1966, are, on the contrary, legally binding documents. They are supplemented by specific treaties, inter alia on the prohibition of genocide, torture and racial discrimination. In addition to the universal instruments of this kind, several regional documents have been adopted in Europe (the 1950 European Convention on Human Rights and the 1961/1996 European Social Charter, but cf. also the documents adopted in the CSCE/OSCE context), in the Americas (the 1969 American Convention on Human Rights) and in Africa (the 1981 African Charter on Peoples’ and Human Rights). An Arab Charter on Human Rights, adopted in 1994 and revised in 2004, has not yet entered into force.

Anhang Gesetz über nationale und ethnische Minderheiten sowie über die Regionalsprache1 (Polnisches Minderheitengesetz) vom 6. Januar 2005

Abschnitt 1 Allgemeine Bestimmungen Artikel 1 Dieses Gesetz regelt Angelegenheiten im Zusammenhang mit der Erhaltung und Entwicklung der kulturellen Identität der nationalen und ethnischen Minderheiten und der Erhaltung und Entwicklung der Regionalsprache sowie die Modalitäten der Umsetzung des Prinzips der Gleichbehandlung von Personen unabhängig von ihrer Abstammung und legt die Aufgaben und Zuständigkeiten der Organe der Staatsverwaltung und der territorialen Selbstverwaltung auf diesem Gebiet fest.

Artikel 2 (1) Eine nationale Minderheit im Sinne dieses Gesetzes ist eine Gruppe von polnischen Staatsangehörigen, die die folgenden Bedingungen ohne Ausnahme erfüllt: 1. ihre numerische Stärke ist geringer als die der übrigen Bevölkerung der Republik Polen; ___________ 1 Übersetzung des Bundessprachenamtes aus dem Polnischen; auf den Abdruck der amtlichen Fußnoten wurde verzichtet. Originaltitel: Ustawa o mniejszoĞciach narodowych i etnicznych oraz o jĊzyku regionalnym. Endfassung des Gesetzes nach Berücksichtigung der Änderungen des Senats.

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2. sie unterscheidet sich in erheblicher Weise durch ihre Sprache, Kultur oder Tradition von den übrigen Staatsangehörigen; 3. sie strebt die Erhaltung ihrer Sprache, Kultur oder Tradition an; 4. sie ist sich ihrer geschichtlichen nationalen Gemeinschaft bewusst und beseelt, diese zum Ausdruck zu bringen und zu schützen; 5. ihre Vorfahren bewohnten das heutige Territorium der Republik Polen seit mindestens 100 Jahren; 6. sie identifiziert sich mit einem Volk, das im eigenen Staat organisiert ist. (2) Als nationale Minderheiten werden folgende Minderheiten anerkannt: 1. die weißrussische,2 2. die tschechische, 3. die litauische, 4. die deutsche, 5. die armenische, 6. die russische, 7. die slowakische, 8. die ukrainische und 9. die jüdische Minderheit. (3) Eine ethnische Minderheit im Sinne des Gesetzes ist eine Gruppe von polnischen Staatsangehörigen, die die folgenden Bedingungen ohne Ausnahme erfüllt: 1. ihre numerische Stärke ist geringer als die der übrigen Bevölkerung der Republik Polen; 2. sie unterscheidet sich in erheblicher Weise durch ihre Sprache, Kultur oder Tradition von den übrigen Staatsangehörigen; 3. sie strebt die Erhaltung ihrer Sprache, Kultur oder Tradition an; 4. sie ist sich ihrer geschichtlichen nationalen Gemeinschaft bewusst und beseelt, diese zum Ausdruck zu bringen und zu schützen;

___________ 2

AdÜ: die Minderheiten sind im polnischen Ausgangstext alphabetisch angeordnet.

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5. ihre Vorfahren bewohnten das heutige Territorium der Republik Polen seit mindestens 100 Jahren; 6. sie identifiziert sich nicht mit einem Volk, das im eigenen Staat organisiert ist. (4) Als ethnische Minderheiten werden folgende Minderheiten anerkannt: 1. die karaimische, 2. die lemkische, 3. die Minderheit der Roma und 4. die tatarische Minderheit.

Artikel 3 Im Sinne dieses Gesetzes sind: 1. unter dem Begriff „Minderheiten“ – nationale oder ethnische Minderheiten nach Artikel 2 zu verstehen; 2. unter dem Begriff „Minderheitensprache“ – die eigene Sprache einer nationalen oder ethnischen Minderheit nach Artikel 2 zu verstehen.

Artikel 4 (1) Jede Person, die einer Minderheit angehört, hat das Recht, frei zu entscheiden, ob sie als solche behandelt werden möchte oder nicht; aus dieser Entscheidung oder der Ausübung der mit dieser Entscheidung verbundenen Rechte dürfen ihr keinerlei Nachteile erwachsen. (2) Außer auf der Grundlage eines Gesetzes darf niemand dazu verpflichtet werden, Informationen über die eigene Zugehörigkeit zu einer Minderheit sowie über seine Abstammung, Sprache der Minderheit oder Religion bekannt zu geben. (3) Niemand darf dazu verpflichtet werden, die eigene Zugehörigkeit zu der jeweiligen Minderheit beweisen zu müssen. (4) Angehörige einer Minderheit können die Rechte und Freiheiten, die sich aus den in diesem Gesetz niedergelegten Grundsätzen ergeben, einzeln sowie in Gemeinschaft mit anderen Angehörigen ihrer Minderheit in Anspruch nehmen.

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Artikel 5 (1) Die Anwendung von Maßnahmen, die auf die Assimilierung von Angehörigen einer Minderheit gerichtet sind, ist verboten, sofern diese Maßnahmen gegen deren Willen angewandt werden. (2) Die Anwendung von Maßnahmen, die auf eine Veränderung der nationalen oder ethnischen Verhältnisse in den von Minderheiten bewohnten Gebieten gerichtet sind, sind verboten.

Artikel 6 (1) Eine Diskriminierung aus Gründen der Zugehörigkeit zu einer Minderheit ist verboten. (2) Organe der öffentlichen Gewalt sind verpflichtet entsprechende Maßnahmen zu ergreifen, um 1. in wirtschaftlichen, sozialen, politischen und kulturellen Bereichen des Lebens die vollständige und tatsächliche Gleichheit zwischen den Angehörigen einer Minderheit und den Angehörigen der Mehrheit zu fördern; 2. Personen, die wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer Minderheit Ziel von Diskriminierung, Feindschaft oder Gewalt sind, zu schützen, und 3. den interkulturellen Dialog zu stärken.

Abschnitt 2 Gebrauch der Minderheitensprache Artikel 7 (1) Angehörige einer Minderheit haben das Recht, ihre Vornamen und Namen in Übereinstimmung mit den Rechtschreibregeln der jeweiligen Minderheitensprache zu verwenden und zu führen, insbesondere haben sie das Recht, diese in Personenstandsurkunden und in Identitätsausweisen registrieren zu lassen. (2) Vornamen und Namen von Angehörigen einer Minderheit, die andere als lateinische Schriftzeichen verwendet, sind zu transliterieren. (3) Der für die öffentliche Verwaltung zuständige Minister legt im Einvernehmen mit dem für religiöse Glaubensgemeinschaften sowie nationale und ethnische Minderheiten zuständigen Minister die Modalitäten der in Absatz 2 genannten Transliteration unter Berücksichtigung der Rechtschreibregeln der jeweiligen Minderheitensprache auf dem Verordnungswege fest.

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Artikel 8 Die Angehörigen einer Minderheit haben insbesondere ein Recht darauf, 1. ihre Minderheitensprache privat und in der Öffentlichkeit frei zu gebrauchen; 2. Informationen in ihrer Minderheitensprache zu verbreiten und auszutauschen; 3. Mitteilungen privater Art in ihrer Minderheitensprache zu veröffentlichen; 4. ihre Minderheitensprache zu erlernen oder in dieser Sprache unterrichtet zu werden.

Artikel 9 (1) Gegenüber den Organen einer Gemeinde kann neben der Amtssprache die Minderheitensprache als Hilfssprache verwendet werden. (2) Die Hilfssprache kann nur in Gemeinden verwendet werden, in denen der Anteil der Einwohner, die einer Minderheit angehören und deren Sprache als Hilfssprache verwendet werden soll, mindestens 20 Prozent der Gesamteinwohnerzahl der betreffenden Gemeinde ausmacht und die in das Amtliche Register der Gemeinden, im Folgenden „Amtliches Register“ genannt, in denen die Hilfssprache verwendet wird, eingetragen wurden. (3) Die Möglichkeit der Verwendung der Hilfssprache bedeutet, dass Angehörige einer Minderheit, vorbehaltlich des Absatzes 5, ein Recht darauf haben, 1. sich in der Hilfssprache an Organe der Gemeinde in mündlicher oder schriftlicher Form zu wenden; 2. auf ausdrücklichen Antrag auch eine Antwort in der Hilfssprache in mündlicher oder schriftlicher Form zu erhalten. (4) Die Einreichung eines Antrags in der Hilfssprache ist zulässig. Die Einreichung eines Antrags in der Hilfssprache stellt keinen Mangel dar, der zur Unterlassung seiner Bearbeitung führen darf. (5) Widerspruchsverfahren finden ausschließlich in der Amtssprache statt. (6) Niemand darf sich weigern, einer in der Amtssprache ergangenen rechtmäßigen Anordnung oder Entscheidung Folge zu leisten, wenn die Umstände ihren sofortigen Vollzug erfordern, um den vorgegebenen Zweck zu erreichen. (7) Zweifelsfälle werden auf der Grundlage eines in der Amtssprache angefertigten Dokuments entschieden.

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Artikel 10

(1) Die Eintragung in das Amtliche Register nimmt auf Antrag des Gemeinderates der für religiöse Glaubensgemeinschaften sowie nationale und ethnische Minderheiten zuständige Minister vor, der das Amtliche Register führt. (2) Der in Absatz 1 genannte Antrag soll insbesondere amtliche Angaben über die Zahl der Einwohner der betreffenden Gemeinde einschließlich der Zahl der Einwohner, die der Minderheit angehören, deren Sprache als Hilfssprache verwendet werden soll, sowie den Beschluss des Gemeinderates über die Erteilung der Einwilligung zur Einführung einer Hilfssprache mit der Benennung der Minderheitensprache, die als Hilfssprache fungieren soll, enthalten. (3) Vor der Eintragung in das Amtliche Register prüft der für religiöse Glaubensgemeinschaften sowie nationale und ethnische Minderheiten zuständige Minister den in Absatz 1 genannten Antrag auf seine Richtigkeit. Der für religiöse Glaubensgemeinschaften sowie nationale und ethnische Minderheiten zuständige Minister kann die Eintragung in das Amtliche Register verweigern, wenn der Antrag die in Absatz 2 festgelegten Erfordernisse nicht erfüllt. (4) Der für religiöse Glaubensgemeinschaften sowie nationale und ethnische Minderheiten zuständige Minister lehnt die Eintragung in das Amtliche Register ab, wenn der Anteil der Gemeindeeinwohner, die einer Minderheit angehören, deren Sprache als Hilfssprache verwendet werden soll, unterhalb von 20 Prozent der Gesamteinwohnerzahl dieser Gemeinde liegt. (5) Gegen die Ablehnung der Eintragung in das Amtliche Register kann der Gemeinderat eine Beschwerde beim Verwaltungsgericht einlegen. (6) Auf Antrag des Gemeinderates nimmt der für religiöse Glaubensgemeinschaften sowie nationale und ethnische Minderheiten zuständige Minister die Streichung der betreffenden Gemeinde aus dem Amtlichen Register vor. (7) Der für religiöse Glaubensgemeinschaften sowie nationale und ethnische Minderheiten zuständige Minister legt im Einvernehmen mit dem für öffentliche Verwaltung zuständigen Minister die Modalitäten der Führung des Amtlichen Registers sowie das Muster des in Absatz 1 genannten Antrags unter besonderer Berücksichtigung der Angaben, die eine eindeutige Zuordnung der Gemeinde (Bezeichnung der Wojewodschaft, Bezeichnung des Kreises, Bezeichnung der Gemeinde) ermöglichen, sowie der in Absatz 2 genannten Informationen auf dem Verordnungswege fest. Artikel 11 (1) In der in das Amtliche Register eingetragenen Gemeinde kann den Beschäftigten im Gemeindeamt, in den Hilfsorganen der Gemeinde sowie in den

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Einrichtungen und Betrieben der Gemeinde, die eine eigene Haushaltseinheit3 bilden, eine Zulage aufgrund der Kenntnis der auf dem Gebiet der Gemeinde geltenden Hilfssprache gewährt werden. Die Modalitäten für die Gewährung dieser Zulage sowie ihre Höhe werden durch die Vorschriften über die Grundsätze der Vergütung von Beschäftigten in der Selbstverwaltung geregelt. (2) Die Kenntnis der Hilfssprache wird durch ein Diplom, eine Bescheinigung oder ein Zertifikat nachgewiesen. (3) Der für religiöse Glaubensgemeinschaften sowie nationale und ethnische Minderheiten zuständige Minister legt im Einvernehmen mit dem für Bildung und Erziehung zuständigen Minister das Verzeichnis der in Absatz 2 genannten Diplome, Bescheinigungen oder Zertifikate auf dem Verordnungswege fest, welches sämtliche Minderheitensprachen berücksichtigt.

Artikel 12 (1) Neben den in polnischer Sprache auf der Grundlage gesonderter Vorschriften festgelegten: 1. amtlichen Ortsnamen und Bezeichnungen der physiographischen Objekte, 2. Straßennamen, können zusätzlich traditionelle Bezeichnungen in der Minderheitensprache verwendet werden. (2) Die zusätzlichen Bezeichnungen im Sinne des Absatzes 1 können ausschließlich auf dem Gebiet der Gemeinden verwendet werden, die in das vom für religiöse Glaubensgemeinschaften sowie nationale und ethnische Minderheiten zuständigen Minister geführte Register der Gemeinden, in denen Bezeichnungen in der Minderheitensprache verwendet werden, im Folgenden „Gemeindenregister“ genannt, eingetragen sind. Die Eintragung in das Gemeindenregister nimmt – vorbehaltlich des Absatzes 6 und des Artikels 13, Absätze 1-7 – der für religiöse Glaubensgemeinschaften sowie nationale und ethnische Minderheiten zuständige Minister auf Antrag des Rates der Gemeinde, in der solche Bezeichnungen verwendet werden sollen, vor. (3) Die zusätzlichen Bezeichnungen im Sinne des Absatzes 1 dürfen nicht an eine von den Behörden des Dritten Deutschen Reiches oder der Union der So___________ 3 AdÜ: im Polnischen werden Organisationselemente der öffentlichen Verwaltung, die über einen eigenen Haushalt verfügen als „Haushaltseinheiten“ bezeichnet.

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zialistischen Sowjetrepubliken verliehene Bezeichnung aus der Zeit 1933-1945 anknüpfen. (4) Die zusätzlichen Bezeichnungen im Sinne des Absatzes 1 können auf dem Gebiet der ganzen Gemeinde oder nur in einzelnen Ortschaften eingeführt werden. (5) Die zusätzlichen Bezeichnungen im Sinne des Absatzes 1 sind hinter der Bezeichnung in polnischer Sprache anzubringen und dürfen nicht eigenständig verwendet werden. (6) Die Festlegung der zusätzlichen Bezeichnung in der Minderheitensprache erfolgt im Einklang mit den Rechtschreibregeln dieser Sprache. (7) Die zusätzliche Bezeichnung einer Ortschaft oder eines physiographischen Objekts in der Minderheitensprache kann auf Antrag des Gemeinderates festgelegt werden, wenn: 1. die Zahl der Einwohner der Gemeinde, die einer Minderheit angehören, mindestens 20 Prozent der Gesamteinwohnerzahl dieser Gemeinde beträgt oder sich im Falle einer bewohnten Ortschaft im Rahmen einer Bürgerbefragung, die nach dem in Artikel 5a Absatz 2 des Gesetzes über die Gemeindeselbstverwaltung vom 8. März 1990 (Gesetzblatt Nr. 142/2001, Position 191, mit späteren Änderungen) festgelegten Verfahren durchgeführt wurde, mehr als die Hälfte der an dieser Befragung teilnehmenden Einwohner dieser Ortschaft für die Festlegung der zusätzlichen Bezeichnung der Ortschaft in der Minderheitensprache ausgesprochen hat; 2. der Antrag des Gemeinderates von der auf der Grundlage des Gesetzes über amtliche Ortsnamen und Bezeichnungen der physiographischen Objekte vom 29. August 2003 eingerichteten Kommission für Ortsnamen und Bezeichnungen der physiographischen Objekte (Gesetzblatt Nr. 166, Position 1612) positiv begutachtet wurde. (8) Bei der Festlegung der zusätzlichen Straßennamen in der Minderheitensprache finden die Bestimmungen des in Absatz 7 Ziffer 1 genannten Gesetzes Anwendung.

Artikel 13 (1) Der Gemeinderat legt den in Artikel 12 Absatz 7 genannten Antrag auf Antrag der Gemeindeeinwohner, die einer Minderheit angehören, oder aus Eigeninitiative vor. Im Falle eines Antrags, der eine bewohnte Ortschaft betrifft, ist der Gemeinderat verpflichtet, in dieser Angelegenheit vorher eine Bürgerbefragung der Einwohner dieser Ortschaft nach dem in Artikel 5a Absatz 2 des Gesetzes über die Gemeindeselbstverwaltung festgelegten Verfahren durchzuführen.

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(2) Der Gemeinderat legt den in Artikel 12 Absatz 7 genannten Antrag dem für religiöse Glaubensgemeinschaften sowie nationale und ethnische Minderheiten zuständigen Minister über den zuständigen Wojewoden vor. (3) Dem in Artikel 12 Absatz 7 genannten Antrag ist beizufügen: 1. der Beschluss des Gemeinderates über die Festlegung des zusätzlichen Ortsnamens oder der zusätzlichen Bezeichnung eines physiographischen Objektes; 2. der richtige Wortlaut des amtlichen Ortsnamen oder der Bezeichnung des physiographischen Objektes in polnischer Sprache; 3. im Falle eines physiographischen Objektes die Gutachten der Wojewodschaftsregierungen, auf deren Gebiet sich das physiographische Objekt befindet; 4. der vorgeschlagenen Wortlaut der zusätzlichen Bezeichnung in der Minderheitensprache; 5. die Auswertung der Ergebnisse der in Absatz 1 und in Artikel 12 Absatz 7 Ziffer 1 genannten Bürgerbefragung; 6. Informationen über die finanziellen Kosten der Einführung der vorgeschlagenen Änderung. (4) Wird das in Absatz 3 Ziffer 3 genannte Gutachten innerhalb einer Frist von 30 Tagen gerechnet vom Eingang der Gutachtenanforderung an nicht erteilt, wird das Erfordernis zur Vorlage eines solchen Gutachtens als erfüllt angesehen. (5) Der Wojewode ist verpflichtet, den in Artikel 12 Absatz 7 genannten Antrag mit seiner Stellungnahme spätestens 30 Tage nach dessen Eingang an den für religiöse Glaubensgemeinschaften sowie nationale und ethnische Minderheiten zuständigen Minister weiterzuleiten. Der für religiöse Glaubensgemeinschaften sowie nationale und ethnische Minderheiten zuständige Minister leitet den Antrag an die Kommission für Ortsnamen und Bezeichnungen der physiographischen Objekte zur Begutachtung weiter. Die Kommission für Ortsnamen und Bezeichnungen der physiographischen Objekte legt dem für religiöse Glaubensgemeinschaften sowie nationale und ethnische Minderheiten zuständigen Minister über den für öffentliche Verwaltung zuständigen Minister unverzüglich nach Kenntnisnahme des Antrags ihr eigenes Gutachten vor. (6) Die zusätzliche Bezeichnung eines Ortsnamens oder eines physiographischen Objektes in der Minderheitensprache wird als festgelegt angesehen, sobald sie in das Gemeindenregister eingetragen worden ist. (7) Die in Absatz 6 genannte Eintragung nimmt der für religiöse Glaubensgemeinschaften sowie nationale und ethnische Minderheiten zuständige Minister nach Erhalt einer positiven Stellungnahme durch die Kommission für Ortsnamen und Bezeichnungen der physiographischen Objekte vor.

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(8) Der für religiöse Glaubensgemeinschaften sowie nationale und ethnische Minderheiten zuständige Minister wird die Eintragung der zusätzlichen Bezeichnung eines Ortnamens oder eines physiographischen Objektes in der Minderheitensprache in das Gemeindenregister ablehnen oder aus diesem Register streichen, wenn diese Bezeichnung an eine von den Behörden des Dritten Deutschen Reiches oder der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken verliehene Bezeichnung aus der Zeit 1933-1945 anknüpft. (9) Gegen die Ablehnung der Eintragung im Sinne des Absatzes 6 oder gegen die Streichung im Sinne des Absatzes 8 kann der Gemeinderat eine Beschwerde beim Verwaltungsgericht einlegen. (10) Der für religiöse Glaubensgemeinschaften sowie nationale und ethnische Minderheiten zuständige Minister legt im Einvernehmen mit dem für öffentliche Verwaltung zuständigen Minister die Muster der Anträge des Gemeinderates 1. auf die Eintragung der Gemeinde in das Gemeindenregister 2. auf die Festlegung der zusätzlichen Bezeichnung eines Ortsnamens oder eines physiographischen Objektes unter Berücksichtigung des detaillierten Umfangs der im Gemeindenregister enthaltenen Informationen auf dem Verordnungswege fest. (11) Der für religiöse Glaubensgemeinschaften sowie nationale und ethnische Minderheiten zuständige Minister legt im Einvernehmen mit dem für öffentliche Verwaltung zuständigen Minister die Modalitäten der Führung des Gemeindenregisters sowie den detaillierten Umfang der in das Register einzutragenden Informationen unter Berücksichtigung der Bezeichnung der Wojewodschaft und des Kreises, in denen sich die Gemeinde befindet, der Bezeichnung der Gemeinde, des amtlichen Ortsnamens oder der Bezeichnung des physiographischen Objektes sowie der zusätzlichen Bezeichnung in der Minderheitensprache auf dem Verordnungswege fest. (12) Der für Transport zuständige Minister legt im Einvernehmen mit dem für religiöse Glaubensgemeinschaften sowie nationale und ethnische Minderheiten zuständigen Minister die Einzelheiten bezüglich der Anbringung zusätzlicher Bezeichnungen in der Minderheitensprache auf Schildern und Tafeln unter besonderer Berücksichtigung der Größe und des Schriftbilds der Lettern der Bezeichnungen in der polnischen und in der Minderheitensprache auf dem Verordnungswege fest.

Artikel 14 Unter der in Artikel 9 Absatz 2, Artikel 10 Absatz 4 und Artikel 12 Absatz 7 Ziffer 1 genannten Zahl der Einwohner einer Gemeinde, die einer Minderheit

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angehören, ist die als Ergebnis der letzten Volkszählung amtlich ermittelte Zahl zu verstehen.

Artikel 15 (1) Die im Zusammenhang mit der Einführung und der Verwendung einer Hilfssprache auf dem Gebiet einer Gemeinde sowie mit der Einführung der in Artikel 12 Absatz 1 genannten zusätzlichen Bezeichnungen in der Minderheitensprache entstehenden Kosten gehen vorbehaltlich des Absatzes 2 zu Lasten des Haushaltes der Gemeinde. (2) Die im Zusammenhang mit dem Auswechseln von Hinweisschildern aufgrund der Festlegung der zusätzlichen Bezeichnung eines Ortsnamens oder eines physiographischen Objektes in der Minderheitensprache entstandenen Kosten trägt die Staatskasse.

Artikel 16 Der für religiöse Glaubensgemeinschaften sowie nationale und ethnische Minderheiten zuständige Minister veranlasst die Übersetzung dieses Gesetzes in die Sprachen der Minderheiten.

Abschnitt 3 Bildung und Kultur Artikel 17 Die Umsetzung des Rechts der Angehörigen einer Minderheit, die Minderheitensprache zu erlernen oder in der Minderheitensprache unterrichtet zu werden, sowie des Rechts dieser Personen, sich mit der Geschichte und Kultur der Minderheit vertraut zu machen, erfolgt nach den im Gesetz über das Bildungssystem vom 7. September 1991 festgelegten Grundsätzen und Verfahren (Gesetzblatt Nr. 256/2004, Position 2572 und Nr. 281/2004, Position 2781).

Artikel 18 (1) Organe der öffentlichen Gewalt sind verpflichtet, entsprechende Maßnahmen zur Förderung von Aktivitäten zu ergreifen, die den Schutz, die Erhaltung und die Entwicklung der kulturellen Identität zum Ziel haben.

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(2) Die in Absatz 1 genannten Maßnahmen können insbesondere zweckgebundene oder an bestimmte Empfängerkreise gerichtete Beihilfen für folgende Zwecke umfassen: 1. die Tätigkeit von kulturellen Institutionen, Künstlervereinigungen und das künstlerische Schaffen der Minderheit sowie künstlerische Veranstaltungen, die für die Kultur der Minderheit von besonderer Bedeutung sind; 2. Investitionen, die der Erhaltung der kulturellen Identität dienen; 3. das Herausgeben von Büchern, Zeitschriften, Periodika und Druckschriften in den Sprachen der Minderheiten oder in polnischer Sprache in Druckform oder in anderen Techniken der Bild- und Tonaufzeichnung; 4. die Förderung von Fernsehprogrammen und Rundfunksendungen der Minderheiten; 5. den Schutz von Stätten, die in einem Zusammenhang mit der Kultur der Minderheit stehen; 6. Aktivitäten in Kultur- und Klubräumen; 7. die Unterhaltung und den Betrieb von Bibliotheken und Archiven zum kulturellen und künstlerischen Leben der Minderheit; 8. die Kinder- und Jugendbildung in verschiedenen Formen; 9. die Förderung des Wissens über die Minderheiten; 10. andere Programme, die den in Absatz 1 genannten Zielen sowie der staatsbürgerlichen Integration der Minderheit dienlich sind. (3) Die in Absatz 2 genannten Beihilfen, die aus den Teilen des Staatshaushalts bewilligt werden, über die der für religiöse Glaubensgemeinschaften sowie nationale und ethnische Minderheiten zuständige Minister verfügungsberechtigt ist, können ohne eine öffentliche Ausschreibung gewährt werden. Der für religiöse Glaubensgemeinschaften sowie nationale und ethnische Minderheiten zuständige Minister gibt jedes Jahr die Modalitäten der Gewährung der in Absatz 2 genannten Beihilfen bekannt. Die Bestimmungen der Artikel 14-18 des Gesetzes über die Tätigkeit zum öffentlichen Wohl und das Volontariat (Gesetzblatt Nr. 96/2003, Position 873, Nr. 64/2004, Position 593, Nr. 116/2004, Position 1203 und Nr. 210/2004, Position 2135) finden entsprechend Anwendung. (4) Bei den in Absatz 1 genannten Maßnahmen kann es sich auch um Haushaltsmittel eines Organs der territorialen Selbstverwaltung handeln, die Organisationen oder Institutionen zugute kommen, die Aufgaben zum Schutze, zur Erhaltung und zur Entwicklung der kulturellen Identität einer Minderheit wahrnehmen.

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(5) Die an bestimmte Empfängerkreise gerichteten Zuwendungen, die in Absatz 2 genannt werden, können Minderheitenorganisationen oder kulturellen Einrichtungen zur Verfügung gestellt werden, die eine wichtige Rolle für die Kultur der betreffenden Minderheit spielen. Die Bestimmung des Artikels 73 Absatz 4 des Gesetzes über die öffentlichen Finanzen vom 26. November 1998 (Gesetzblatt Nr. 15/2003, Position 148 mit späteren Änderungen) findet entsprechend Anwendung.

Abschnitt 4 Regionalsprache Artikel 19 (1) Als eine Regionalsprache im Sinne dieses Gesetzes gemäß der Europäischen Charta der Regional- und Minderheitensprachen gilt eine Sprache, die 1. herkömmlicherweise im Gebiet eines Staates von Angehörigen dieses Staates gebraucht wird, die eine Gruppe bilden, deren Zahl kleiner ist als die der übrigen Bevölkerung des Staates, 2. sich von der Amtssprache dieses Staates unterscheidet; dies umfasst weder Dialekte der Amtssprache des Staates noch die Sprachen von Zuwanderern. (2) Eine Regionalsprache im Sinne dieses Gesetzes ist Kaschubisch. Die Bestimmungen der Artikel 7-15 finden entsprechend Anwendung, wobei unter der in Artikel 14 genannten Zahl der Einwohnern einer Gemeinde die als Ergebnis der letzten Volkszählung amtlich ermittelte Zahl von Personen, die eine Regionalsprache gebrauchen, zu verstehen ist. Artikel 20 (1) Die Umsetzung des Rechts der Personen, die die in Artikel 19 genannte Sprache verwenden, diese Sprache zu erlernen oder in dieser Sprache unterrichtet zu werden, erfolgt nach den Grundsätzen und Verfahren des in Artikel 17 genannten Gesetzes. (2) Organe der öffentlichen Gewalt sind verpflichtet, entsprechende Maßnahmen zur Förderung von Aktivitäten zu ergreifen, die die Erhaltung und die Entwicklung der in Artikel 19 genannten Sprache zum Ziel haben. Die Bestimmungen des Artikels 18 Absatz 2 und 3 sowie Absatz 5 finden entsprechend Anwendung. (3) Bei den in Absatz 3 genannten Maßnahmen kann es sich auch um Haushaltsmittel eines Organs der territorialen Selbstverwaltung handeln, die Organisationen oder Institutionen zugute kommen, die Aufgaben zur Erhaltung und zur Entwicklung der in Artikel 19 genannten Sprache wahrnehmen.

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Abschnitt 5 Organe für die Angelegenheiten der nationalen und ethnischen Minderheiten Artikel 21 (1) Zuständiges Organ der Staatsverwaltung in Angelegenheiten, die sich auf dieses Gesetz beziehen, ist der für religiöse Glaubensgemeinschaften sowie nationale und ethnische Minderheiten zuständige Minister. (2) Zu den Aufgaben des für religiöse Glaubensgemeinschaften sowie nationale und ethnische Minderheiten zuständigen Ministers gehören insbesondere: 1. die Förderung der Umsetzung der Rechte und der Bedürfnisse der Minderheiten durch die Einleitung von Maßnahmen zugunsten der Minderheiten und das Initiieren von Programmen, die folgende Bereiche betreffen: a) die Erhaltung und die Entwicklung der Identität, Kultur und Sprache der Minderheit unter Gewährleistung voller staatsbürgerlichen Integration der Personen, die der Minderheit angehören, b) die Umsetzung des Prinzips der Gleichbehandlung von Personen unabhängig von ihrer ethnischen Abstammung; 2. die Zusammenarbeit mit den zuständigen Organen, um den Verletzungen der Minderheitenrechte entgegenzuwirken; 3. die Erstellung von Analysen und Beurteilungen der rechtlichen und gesellschaftlichen Lage der Minderheiten, darunter unter dem Gesichtspunkt der Umsetzung des unter Ziffer 1 Buchstabe b genannten Prinzips; 4. die Verbreitung des Wissens über die Minderheiten und deren Kultur sowie die Veranlassung von Untersuchungen zur Lage der Minderheiten, darunter unter dem Gesichtspunkt der in Artikel 6 Absatz 1 genannten Diskriminierung, deren Erscheinungsformen sowie Methoden und Strategien zu deren Bekämpfung; 5. die Einleitung von Maßnahmen zur Erhaltung und Entwicklung der in Artikel 19 genannten Sprache.

Artikel 22 (1) Zu den Aufgaben des Wojewoden gehören: 1. die Koordinierung der Tätigkeit von Organen der Staatsverwaltung auf dem Gebiet der Wojewodschaft, die Aufgaben zugunsten der Minderheiten wahrnehmen;

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2. die Einleitung von Maßnahmen zur Achtung der Minderheitenrechte und von Gegenmaßnahmen gegen die Verletzung dieser Rechte sowie gegen die Diskriminierung von Angehörigen einer Minderheit; 3. die Einleitung von Maßnahmen zur Lösung von Problemen der Minderheiten; 4. die Einleitung von Maßnahmen zur Wahrung der Rechte der Personen, die die in Artikel 19 genannte Sprache verwenden. (2) Zur Umsetzung der in Absatz 1 genannten Aufgaben wirkt der Wojewode mit den Organen der territorialen Selbstverwaltung und gesellschaftlichen Organisationen, insbesondere mit Organisationen der Minderheiten, zusammen und begutachtet die Programme zugunsten der Minderheiten sowie zur Erhaltung und Entwicklung der in Artikel 19 genannten Sprache, die auf dem Gebiet der jeweiligen Wojewodschaft realisiert werden. (3) Der Wojewode kann gem. Artikel 35 des Gesetzes über die Staatsverwaltung in der Wojewodschaft vom 5. Juni 1998 (Gesetzblatt Nr. 80/2001, Position 872 mit späteren Änderungen) einen Bevollmächtigten für die Angelegenheiten der nationalen und ethnischen Minderheiten auf unbestimmte Zeit ernennen.

Artikel 23 (1) Es wird ein Gemeinsamer Ausschuss der Regierung und der Nationalen und Ethnischen Minderheiten, im Folgenden „Gemeinsamer Ausschuss“ genannt, als begutachtendes und beratendes Organ des Vorsitzenden des Ministerrates gegründet. (2) Zu den Aufgaben des Gemeinsamen Ausschusses gehören: 1. Erstellung von Gutachten zur Umsetzung der Rechte und Bedürfnisse der Minderheiten, darunter Bewertung der Modalitäten der Umsetzung dieser Rechte und Formulierung von Vorschlägen zur Gewährleistung der Umsetzung der Rechte und Bedürfnisse der Minderheiten; 2. Begutachtung von Programmen zur Schaffung von Bedingungen, die die Erhaltung und Entwicklung der kulturellen Identität der Minderheiten sowie die Erhaltung und Entwicklung der Regionalsprache begünstigen; 3. Begutachtung von Entwürfen der Rechtsakten, die die Angelegenheiten der Minderheiten betreffen; 4. Begutachtung der Höhe und der Aufteilungsmodalitäten der im Staatshaushalt vorgesehenen Mittel zur Förderung der Aktivitäten zum Schutze, zur Erhaltung und Entwicklung der kulturellen Identität der Minderheiten sowie zur Erhaltung und Entwicklung der Regionalsprache;

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5. Einleitung von Maßnahmen gegen die Diskriminierung von Angehörigen einer Minderheit. (3) Zur Umsetzung seiner Aufgaben 1. arbeitet der Gemeinsame Ausschuss mit den Organen der Staatsverwaltung und der territorialen Selbstverwaltung sowie mit den betroffenen gesellschaftlichen Organisationen zusammen; 2. kann der Gemeinsame Ausschuss bei Institutionen, Einrichtungen und wissenschaftlichen Kreisen sowie beigesellschaftlichen Organisationen insbesondere Gutachten, Stellungnahmen, Expertisen oder andere Informationen einholen; 3. kann der Gemeinsame Ausschuss Vertreter von Organen der territorialen Selbstverwaltung, der gesellschaftlichen Organisationen und wissenschaftlichen Kreise zur Teilnahme an seiner Arbeit einladen.

Artikel 24 (1) Dem Gemeinsamen Ausschuss gehören an: 1. Vertreter der folgenden Organe der Staatsverwaltung: a) des für religiöse Glaubensgemeinschaften sowie nationale und ethnische Minderheiten zuständigen Ministers, b) des für öffentliche Verwaltung zuständigen Ministers, c) des für Kultur und Schutz des nationalen Erbes zuständigen Ministers, d) des für Bildung und Erziehung zuständigen Ministers, e) des für öffentliche Finanzen zuständigen Ministers, f) des für Arbeit zuständigen Ministers, g) des Ministers der Justiz, h) des für Innere Angelegenheiten zuständigen Ministers, i) des für soziale Sicherheit zuständigen Ministers, j) des für Auswärtige Angelegenheiten zuständigen Ministers, k) des Präsidenten des Hauptamtes für Statistik, l) des Rates für die Wahrung des Gedenkens an Kampf und Martyrium, m) des Leites des Büros des Vorsitzenden des Ministerrates; 2. jeweils ein oder zwei Vertreter der nationalen Minderheiten, nämlich a) zwei Vertreter der weißrussischen Minderheit,

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b) ein Vertreter der tschechischen Minderheit, c) zwei Vertreter der litauischen Minderheit, d) zwei Vertreter der deutschen Minderheit, e) ein Vertreter der armenischen Minderheit, f) ein Vertreter der russischen Minderheit, g) ein Vertreter der slowakischen Minderheit, h) zwei Vertreter der ukrainischen Minderheit, i) ein Vertreter der jüdischen Minderheit, j) ein Vertreter der karaimischen Minderheit, k) zwei Vertreter der lemkischen Minderheit, l) zwei Vertreter der Minderheit der Roma, m) ein Vertreter der tatarischen Minderheit; 3. zwei Vertreter der Gemeinschaft, die die in Artikel 19 genannte Sprache verwendet; 4. der Sekretär des Gemeinsamen Ausschusses, der Mitarbeiter des Amtes des für religiöse Glaubensgemeinschaften sowie nationale und ethnische Minderheiten zuständigen Ministers ist. (2) Der Vorsitzende des Ministerrates beruft und entlässt die Mitglieder des Gemeinsamen Ausschusses auf Antrag des für religiöse Glaubensgemeinschaften sowie nationale und ethnische Minderheiten zuständigen Ministers. (3) Der für religiöse Glaubensgemeinschaften sowie nationale und ethnische Minderheiten zuständige Minister benachrichtigt die in Absatz 1 Ziffer 1 genannten Organe sowie Organisationen der Minderheiten und Gemeinschaften, welche die in Artikel 19 genannte Sprache verwenden, über die Absicht, dem Vorsitzenden des Ministerrates den in Absatz 2 genannten Antrag vorzulegen. (4) Die in Absatz 1 Ziffer 1 genannten Organe schlagen dem für religiöse Glaubensgemeinschaften sowie nationale und ethnische Minderheiten zuständigen Minister ihre Kandidaten für die Mitgliedschaft im Gemeinsamen Ausschuss binnen 90 Tagen nach Eingang der in Absatz 3 genannten Benachrichtigung vor. (5) Die jeweiligen in Artikel 2 genannten Minderheiten sowie die in Artikel 19 genannte Gemeinschaft schlagen dem für religiöse Glaubensgemeinschaften sowie nationale und ethnische Minderheiten zuständigen Minister ihre Kandidaten für die Mitgliedschaft im Gemeinsamen Ausschuss, die die jeweilige Minderheit oder die Gemeinschaft, welche die in Artikel 19 genannte Sprache verwendet, repräsentieren, in der in Absatz 1 Ziffer 2 oder Ziffer 3 für

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diese Minderheit oder Gemeinschaft entsprechend festgelegten Zahl binnen 90 Tagen nach Eingang der in Absatz 3 genannten Benachrichtigung vor. (6) Schlägt eine der Minderheiten oder die Gemeinschaft, die die in Artikel 19 genannte Sprache verwendet, ihre Kandidaten innerhalb der in Absatz 5 festgelegten Frist nicht vor oder schlägt sie eine andere Zahl von Kandidaten vor als die, die für diese Minderheit in Absatz 1 Punkt 2 bzw. für die Gemeinschaft in Absatz 1 Punkt 3 entsprechend festgelegt ist, so obliegt es dem für religiöse Glaubensgemeinschaften sowie nationale und ethnische Minderheiten zuständigen Minister, der betreffenden Minderheit bzw. Gemeinschaft eigene Kandidaten für die Mitgliedschaft im Gemeinsamen Ausschuss zur Begutachtung vorzuschlagen, die diese Minderheit bzw. Gemeinschaft repräsentieren sollen. Falls die betreffende Minderheit bzw. Gemeinschaft binnen 30 Tagen gerechnet von dem Tag, an dem der für religiöse Glaubensgemeinschaften sowie nationale und ethnische Minderheiten zuständige Minister eigene Kandidaten vorgeschlagen hat, keine Stellungnahme zu diesem Vorschlag abgibt, wird das Erfordernis der Begutachtung als erfüllt angesehen. (7) In dem in Absatz 2 genannten Antrag benennt der für religiöse Glaubensgemeinschaften sowie nationale und ethnische Minderheiten zuständige Minister als Kandidaten für die Mitgliedschaft im Gemeinsamen Ausschuss lediglich die Personen, die von den in Absatz 1 Ziffer 1 sowie von den Minderheiten oder der Gemeinschaft, die die in Artikel 19 genannte Sprache verwendet, vorbehaltlich des Absatzes 6, sowie den Kandidaten für den Posten des Sekretärs des Gemeinsamen Ausschusses.

Artikel 25 (1) Der für religiöse Glaubensgemeinschaften sowie nationale und ethnische Minderheiten zuständige Minister reicht beim Vorsitzenden des Ministerrates in nachfolgend genannten Fällen einen Antrag auf Entlassung eines Mitglieds des Gemeinsamen Ausschusses ein: 1. wenn ein Ausschussmitglied seine Mitgliedschaft im Gemeinsamen Ausschuss niederlegt; 2. wenn ein Organ, eine Minderheit oder die Gemeinschaft, die die in Artikel 19 genannte Sprache verwendet, bei dem für religiöse Glaubensgemeinschaften sowie nationale und ethnische Minderheiten zuständigen Minister einen begründeten Antrag auf Entlassung des eigenen Mitglieds aus dem Gemeinsamen Ausschuss stellt, 3. wenn ein Ausschussmitglied durch ein Gerichtsurteil wegen einer vorsätzlich begangenen strafbaren Handlung rechtskräftig verurteilt wird. (2) Die Mitgliedschaft im Ausschuss erlischt durch den Tod des Mitglieds.

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(3) Im Falle des Erlöschens der Mitgliedschaft im Gemeinsamen Ausschuss oder der Entlassung eines Mitglieds beruft der Vorsitzende des Ministerrates auf Antrag des für religiöse Glaubensgemeinschaften sowie nationale und ethnische Minderheiten zuständigen Ministers ein neues Mitglied des Gemeinsamen Ausschusses. Die Bestimmungen des Artikels 24 Absätze 2-7 finden entsprechend Anwendung.

Artikel 26 Der Ministerrat kann auf dem Verordnungswege einen anderen als in Artikel 24 Absatz 1 Ziffer 1 genannten Vertreter eines Organs der Staatsverwaltung als Mitglied im Gemeinsamen Ausschuss einsetzen. Für die Berufung oder die Entlassung eines Mitglieds des Gemeinsamen Ausschusses finden die Bestimmungen des Artikels 24 Absatz 2, 3 und 7 sowie des Artikels 25 entsprechend Anwendung.

Artikel 27 (1) Die Mitvorsitzenden des Gemeinsamen Ausschusses sind ein Vertreter des für religiöse Glaubensgemeinschaften sowie nationale und ethnische Minderheiten zuständigen Ministers sowie ein Vertreter der Minderheiten und der Gemeinschaft, die die in Artikel 17 genannte Sprache verwendet, der von den in Artikel 24 Absatz 1 Ziffer 2 und 3 genannten Mitgliedern des Gemeinsamen Ausschusses gewählt wurde. (2) Die Mitvorsitzenden des Gemeinsamen Ausschusses werden vom Vorsitzenden des Ministerrates auf Antrag des für religiöse Glaubensgemeinschaften sowie nationale und ethnische Minderheiten zuständigen Ministers berufen und entlassen.

Artikel 28 (1) Der Gemeinsame Ausschuss tagt mindestens einmal innerhalb von sechs Monaten. (2) Die Sitzungen werden vom Mitvorsitzenden des Gemeinsamen Ausschusses, der der Vertreter des für religiöse Glaubensgemeinschaften sowie nationale und ethnische Minderheiten zuständigen Ministers ist, aus Eigeninitiative oder auf Antrag des Mitvorsitzenden, der der Vertreter der Minderheiten und der Gemeinschaft ist, die die in Artikel 19 genannte Sprache verwendet, einberufen.

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(3) Zur Erarbeitung eines gemeinsamen Standpunktes der Minderheiten und der Gemeinschaft, die die in Artikel 19 genannte Sprache verwendet, kann der Mitvorsitzender, der der Vertreter der Minderheiten und dieser Gemeinschaft ist, Sitzungen einberufen, an denen nur die in Artikel 24 Absatz 1 Ziffer 2 und 3 genannten Mitglieder des Gemeinsamen Ausschusses teilnehmen. Der erarbeitete Standpunkt wird vom Mitvorsitzenden unverzüglich an die übrigen Mitglieder des Gemeinsamen Ausschusses weitergeleitet. (4) Zur Erarbeitung eines gemeinsamen Standpunktes der Staatsverwaltung, kann der Mitvorsitzende, der der Vertreter des für religiöse Glaubensgemeinschaften sowie nationale und ethnische Minderheiten zuständigen Ministers ist, Sitzungen einberufen, an denen nur die in Artikel 24 Absatz 1 Ziffer 1 genannten Mitglieder des Gemeinsamen Ausschusses teilnehmen. Der erarbeitete Standpunkt wird vom Mitvorsitzenden unverzüglich an die übrigen Mitglieder des Gemeinsamen Ausschusses weitergeleitet. (5) Die in Absatz 3 und 4 genannten Standpunkte sowie die in Artikel 23 Absatz 2 genannten Gutachten werden an den Vorsitzenden des Ministerrates und an den Ministerrat weitergeleitet. (6) Eine detaillierte Arbeitsordnung des Gemeinsamen Ausschusses legt der Vorsitzende des Ministerrates auf dem Verordnungswege fest.

Artikel 29 (1) Die Mitglieder des Gemeinsamen Ausschusses haben keinen Anspruch auf eine Vergütung aufgrund ihrer Mitgliedschaft im Gemeinsamen Ausschuss. (2) Die Vertreter der Organisationen der Minderheiten sowie der Gemeinschaft, die die in Artikel 19 genannte Sprache verwendet, welche sich an der Arbeit des Gemeinsamen Ausschusses beteiligen, haben Anspruch auf die Erstattung von Reise- und Übernachtungskosten nach den in Bestimmungen bezüglich der Höhe und der Bedingungen zur Festsetzung von Leistungen bei Dienstreisen im Inland für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes der Staatsverwaltung oder der Selbstverwaltung festgelegten Grundsätzen, die auf der Grundlage des Artikels 77 § 2 des Arbeitsgesetzbuches herausgegeben wurden. Artikel 30 (1) Für die organisatorische und technische Unterstützung der Tätigkeit des Gemeinsamen Ausschusses ist das Amt des für religiöse Glaubensgemeinschaften sowie nationale und ethnische Minderheiten zuständigen Ministers verantwortlich.

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(2) Die im Zusammenhang mit der Tätigkeit des Gemeinsamen Ausschusses entstehenden Kosten werden aus dem Teil des Staatshaushalts bestritten, dessen Verfügungsberechtigter der für religiöse Glaubensgemeinschaften sowie nationale und ethnische Minderheiten zuständige Minister ist.

Artikel 31 (1) Die Organe der Staatsverwaltung, der territorialen Selbstverwaltung sowie Organisationen der Minderheiten und der Gemeinschaft, die die in Artikel 19 genannte Sprache verwendet, sind dazu verpflichtet, dem für religiöse Glaubensgemeinschaften sowie nationale und ethnische Minderheiten zuständigen Minister auf seinen Antrag Informationen aus dem Zuständigkeitsbereich dieser Organe oder Organisationen zu erteilen, die die Lage der Minderheiten sowie der Gemeinschaft, die die in Artikel 19 genannten Sprache verwendet, sowie die Umsetzung von Aufgaben zugunsten der Minderheiten bzw. der Aufgaben mit dem Ziel der Erhaltung und Entwicklung der in Artikel 19 genannten Sprache betreffen. (2) Der Umfang der in Absatz 1 genannten Informationen bedarf einer entsprechenden Stellungnahme des Gemeinsamen Ausschusses. (3) Der für religiöse Gemeinschaften sowie nationale und ethnische Minderheiten zuständige Minister erstellt mindestens einmal in zwei Jahren einen Bericht, der die Lage der Minderheiten in der Republik Polen unter Berücksichtigung der in Absatz 1 genannten Informationen betrifft. Der Bericht ist vom Gemeinsamen Ausschuss zu begutachten. (4) Der Bericht und das Gutachten, die in Absatz 3 genannt werden, werden an den Ministerrat weitergeleitet und danach – nach Annahme des Berichts durch den Ministerrat – von dem für religiöse Glaubensgemeinschaften sowie nationale und ethnische Minderheiten zuständigen Minister in elektronischer Form veröffentlicht.

Artikel 32 Die Organe der Staatsverwaltung, der territorialen Selbstverwaltung sowie nichtstaatliche Organisationen sind verpflichtet, Dokumente, die sich auf vollständig oder teilweise aus öffentlichen Mitteln finanzierte Programme beziehen, die auf dem Gebiet der Wojewodschaft unter Beteiligung dieser Organe realisiert werden und die Minderheiten oder die Erhaltung und Entwicklung der in Artikel 19 genannten Sprache betreffen, zur Stellungnahme vorzulegen.

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Abschnitt 6 Änderungen der geltenden Bestimmungen; Übergangs- und Schlussbestimmungen Artikel 334 Im Gesetz über die Änderung von Namen und Vornamen vom 15. November 1956 (Gesetzblatt Nr. 59/1963, Position 328 mit späteren Änderungen) wird in Artikel 2 der Absatz 3 mit folgendem Wortlaut hinzugefügt: „3. Wichtige Gründe liegen ebenfalls vor, wenn der Antragsteller seinen früheren Namen oder Vornamen führen will, dessen Änderung aufgrund seines nichtpolnischen Klangs durch einen Verwaltungsbeschluss erfolgte, dem kein Antrag des Antragsstellers vorausging.“

Artikel 34 Im Gesetz über das Bildungssystem vom 7. September 1991 (Gesetzblatt Nr. 256/2004, Position 2572 und Nr. 281/2004, Position 2781) werden in Artikel 13 die Absätze 6 und 7 mit folgendem Wortlaut hinzugefügt: „6. Der für Bildung und Erziehung zuständige Minister wird Maßnahmen zur Ermöglichung der Ausbildung von Lehrern und zur Schaffung des Zugangs zum Unterrichtsmaterial für die in Absatz 1 genannten Schulen und öffentlichen Einrichtungen ergreifen. 7. Der für Bildung und Erziehung zuständige Minister wird Maßnahmen zur Verbreitung des Wissens über die Geschichte, Kultur, Sprache und die religiösen Traditionen der nationalen und ethnischen Minderheiten sowie der Gemeinschaft, die die Regionalsprache verwendet, ergreifen.“

Artikel 35 Im Rundfunk- und Fernsehgesetz vom 29. Dezember 1992 (Gesetzblatt Nr. 253/2004, Position 2531) werden folgende Änderungen vorgenommen: ___________ 4 AdÜ: in der bereinigten Endfassung des Gesetzes, die auf der Homepage des Polnischen Sejm veröffentlicht ist, ist der Artikel 33 als „aufgehoben“ markiert – offensichtlich weil das Gesetz über die Änderung der Namen und Vornamen am 3. März 2005 novelliert wurde.

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1. in Artikel 21: a) in Absatz 1a wird die Ziffer 8a mit folgendem Wortlaut hinzugefügt: „8a. die Berücksichtigung der Bedürfnisse der nationalen und ethnischen Minderheiten sowie der Gemeinschaft, die eine Regionalsprache verwendet, darunter die Ausstrahlung von Informationsprogrammen in den Sprachen der nationalen und ethnischen Minderheiten sowie in der Regionalsprache.“, b) in Absatz 2 wird die Ziffer 9 aufgehoben, 2. in Artikel 30 wird Absatz 4a mit folgendem Wortlaut hinzugefügt: „4a. Bei der Berufung von Programmräten der Abteilungen, die Programme in den Sprachen der nationalen und ethnischen Minderheiten sowie in der Regionalsprache ausstrahlen, berücksichtigen die Abteilungsleiter die Kandidaten, die von gesellschaftlichen Organisationen der nationalen und ethnischen Minderheiten sowie der Gemeinschaft, die eine Regionalsprache verwendet, vorgeschlagen werden.“

Artikel 36 Im Gesetz über die Geschäftsbereiche der Staatsverwaltung vom 4. September 1997 (Gesetzblatt Nr. 159/2003, Position 1548 mit späteren Änderungen) werden folgende Änderungen vorgenommen: 1. In Artikel 5 erhält Ziffer 25 folgenden Wortlaut: „25. religiöse Glaubensgemeinschaften sowie nationale und ethnische Minderheiten“, 2. Artikel 30 erhält folgenden Wortlaut: „Artikel 30. Zum Geschäftsbereich Religiöse Glaubensgemeinschaften sowie Nationale und Ethnische Minderheiten gehören Fragen, die: 1. mit den Beziehungen des Staates zur Katholischen Kirche sowie zu anderen Kirchen und Glaubensgemeinschaften, und 2. mit den Angelegenheiten im Zusammenhang mit der Erhaltung und Entwicklung der kulturellen Identität der nationalen und ethnischen Minderheiten sowie der Erhaltung und Entwicklung der Regionalsprache in Beziehung stehen.“

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Artikel 37 Im Gesetz über die polnische Sprache vom 7. Oktober 1999 (Gesetzblatt Nr. 90, Position 999 mit späteren Änderungen) erhält die Ziffer 2 in Artikel 2 folgenden Wortlaut: „2. der Rechte der nationalen und ethnischen Minderheiten sowie der Gemeinschaft, die eine Regionalsprache verwendet.“

Artikel 38 Im Gesetz über die amtlichen Ortsnamen und Bezeichnungen der physiographischen Objekte vom 29. August 2003 (Gesetzblatt Nr. 166, Position 1612) wird in Artikel 5 in Absatz 1 nach Ziffer 5 die Ziffer 6 mit folgendem Wortlaut hinzugefügt: „6. der Sekretär des Gemeinsamen Ausschusses der Regierung und der Nationalen und Ethnischen Minderheiten, der auf der Grundlage des Artikels 23 des Gesetzes über nationale und ethnische Minderheiten sowie über die Regionalsprache vom 6. Januar 2005 (Gesetzblatt Nr. ......., Position .......)5 gegründet wurde.“

Artikel 39 Der für religiöse Glaubensgemeinschaften sowie nationale und ethnische Minderheiten zuständige Minister unterrichtet die in Artikel 24 Absatz 1 Ziffer 1 genannten Organe sowie Organisationen der Minderheiten und der Gemeinschaft, die die in Artikel 19 genannte Sprache verwendet, über die Absicht, beim Vorsitzenden des Ministerrates den in Artikel 24 Absatz 2 genannten Antrag binnen 60 Tagen nach Verkündung des Gesetzes einzureichen.

Artikel 40 Auf Fragen, die Gegenstand dieses Gesetzes sind und die durch Bestimmungen der für die Republik Polen verbindlichen und auf der Grundlage einer vorherigen Zustimmung nach dem Gesetz über internationale Verträge ratifizierten ___________ 5

AdÜ: in der bereinigten Endfassung „Gesetzblatt Nr. 17, Position 141“.

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internationalen Verträge geregelt werden, finden die Bestimmungen dieser Verträge Anwendung.

Artikel 41 Die Beschäftigten des Amtes des für Kultur und Schutz des nationalen Erbes zuständigen Ministers, die bis zum Tag der Verkündung dieses Gesetzes mit der Umsetzung der Aufgaben im Bereich der Rechte der nationalen und ethnischen Minderheiten betraut waren, werden mit dem Tag der Verkündung dieses Gesetzes zu Beschäftigten des Amtes des für religiöse Glaubensgemeinschaften sowie nationale und ethnische Minderheiten zuständigen Ministers. Die Bestimmungen des Artikels 231 des Arbeitsgesetzbuches finden entsprechend Anwendungen.

Artikel 42 (1) Das Vermögen des Amtes des für Kultur und Schutz des nationalen Erbes zuständigen Ministers, das für Umsetzung von Aufgaben im Bereich der Minderheitenrechte bestimmt war, wird mit dem Tag der Verkündung dieses Gesetzes zum Vermögen des Amtes des für religiöse Glaubensgemeinschaften sowie nationale und ethnische Minderheiten zuständigen Ministers. (2) Die im Einzelplan 24 des Staatshaushalts – d.h. Kultur und Schutz des nationalen Erbes – enthaltenen Mittel, die für die Umsetzung von Aufgaben im Bereich der Minderheitenrechte sowie der Förderung der Veröffentlichung von Zeitschriften in der Regionalsprache vorgesehen waren, werden mit dem Tag der Verkündung dieses Gesetzes dem Einzelplan 43 des Staatshaushalts – religiöse Glaubensgemeinschaften und nationale Minderheiten – zugewiesen.

Artikel 43 Dieses Gesetz tritt drei Monate nach der Verkündung in Kraft mit Ausnahme der Artikel 36, 39, 41 und 42, die mit dem Tag der Verkündung in Kraft treten.

Die Autoren / The Authors

Prof. Dr. hab. Dr. h.c. Bogusáaw Banaszak Persönliche Angaben / Personal Data Bogusáaw Banaszak (geb. 1955): Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Wrocáaw. Promotion (1983) und Habilitation (1991), 1998 Ernennung zum Professor an der Universität Viadrina in Frankfurt/Oder, seit 2000 Ordinarius an der Universität Wrocáaw, seit 2001 Leiter des Instituts für Verfassungsrecht; 1999-2002 Prorektor in der Fachhochschule für Verwaltung und Marketing in Wrocáaw. Seit 2004 korrespondierendes Mitglied der European Academy of Arts, Sciences and Humanities in Paris. Zahlreiche in- und ausländische Ehrungen; 2004 Ehrenpromotion durch die Universität Pecs (Ungarn). Bogusáaw Banaszak (born 1955): studies in law at Wrocáaw University. 1983 doctorate, 1991 habilitation, 1998 professor at Viadrina University (Frankfurt/Oder), since 2000 professor at Wrocáaw University, since 2001 director of the institute for constitutional law; 1999-2002 vice-president of the University for applied sciences for Administration and Marketing, Wrocáaw. Since 2004 corresponding member of the European Academy of Arts, Sciences and Humanities, Paris. Numerous national and international honours, 2004 doctorate honoris causa University of Pecs (Hungary).

Forschungsschwerpunkte / Fields of Research Staats- und Verwaltungsrecht, insbesondere polnisches und vergleichendes Verfassungrecht; Schutz der Grund- und Menschenrechte; Minderheitenrecht. Constitutional and administrative Law, in particular Polish and comparative constitutional law; the protection of fundamental human rights, the protection of minorities. Auswahlbibliographie / Selected Publications Verfassungsgerichtsbarkeit und Schutz der Grundrechten der Bürger – Bundesrepublik Deutschland, Österreich, Schweiz, 1990 (in polnischer Sprache);

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Die Autoren / The Authors

Rechte des Einzelnen und ihre Schutzsysteme, 1995 (in polnischer Sprache); Rechtliche Grundpflichten des Einzelnen, 1997; Verfassungsrecht, 3. Aufl. 2004 (in polnischer Sprache); Verfassungsrechtvergleichung der demokratischen Staaten, 2004 (in polnischer Sprache); Einführung in das polnische Verfassungsrecht, 2003.

Kontaktadresse / Contact Address Uniwersytet Wrocáawski ul. Uniwersytecka 22/26 PL – 50-145 Wrocáaw / Polen Tel.: Fax:

+48. (0) 71. 375 23 32 +48. (0) 71. 375 23 32

E-Mail: [email protected] Internet: http://kaprakon.prawo.uni.wroc.pl

Prof. Dr. hab. Ing. Gerhard Bartodziej Persönliche Angaben / Personal Data Gerhard Bartodziej (geb. 1941): Studium der Elektrotechnik; Promotion (1969); Habilitation (1985); Berufung zum außerordentlichen Professor an der Technischen Hochschule (1994); ordentlicher Professor (1998); Vorsitzender des Verbandes der deutschen sozial-kulturellen Gesellschaften in Polen (19942000); stellvertretender Vorsitzender des Selbstverwaltungssejmik in Oppeln (1990-1994); Senator RP (1991-1997), Mitglied der Parlamentarischen Versammlung des Europarates, Ausschuß für Menschenrechte und Rechtsfragen, Ausschuß für Wissenschaft und Technik (1991-1998); Mitbegründer und Präsident des Hauses der Deutsch-Polnischen Zusammenarbeit (1998); Kommunalpolitiker (ab 1990); zur Zeit Vorsitzender des Stadtrates in Strzelce Opolskie. Gerhard Bartodziej (born 1941): studies in electrical engineering, 1969 doctorate, 1985 habilitation, 1994 associate professor at the University of Technology, 1998 professor; chairman of the association of the German sociocultural societies in Poland (1994-2000), vice-chairman of the selfadministration seijmik in Oppeln (1990-1994), Member of the Polish Senate (1991-1997), Member of the Parliamentary Association of the Council of Europe – Committee on Legal Affairs and Human Rights, Committee on Science and technical matters – (1991-1998); Co-founder and president of the House of German-Polish Co-operation (1998); currently chairman of the city council of Strzelce Opolskie.

Die Autoren / The Authors

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Kontaktadresse / Contact Address Haus der Deutsch-Polnischen Zusammenarbeit ul. Rybnicka 27 PL – 44-100 Gliwice / Polen Tel.: Fax:

+ 48. (0) 32. 2 32 49 02 + 48. (0) 32. 2 32 49 02

E-Mail: [email protected] Internet: http://www.haus.pl

Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Dieter Blumenwitz † Persönliche Angaben / Personal Data Dieter Blumenwitz (1939-2005): Studium der Politischen Wissenschaften und der Rechtswissenschaften. Promotion (1965) und Habilitation (1970) für die Fächer Öffentliches Recht, insbesondere Völkerrecht und Internationales Privatrecht. 1972 Berufung auf den Lehrstuhl für Öffentliches Recht insbes. Völkerrecht und Europarecht an die Universität Augsburg; 1976 Berufung auf den Lehrstuhl für Völkerrecht, allgemeine Staatslehre, deutsches und bayerisches Staatsrecht und politische Wissenschaften an die Universität Würzburg, Prorektor und Lehrbeauftragter für den Lehrbereich Internationale Politik an der Hochschule für Politik in München. Dieter Blumenwitz (1939-2005): studies in political sciences and law; 1965 doctorate (Dr. iur.), 1970 habilitation in public law including public international law and private international law. 1972 Professor of Public Law, Public International and European Law at Augusburg University; since 1976 he held the chair for public international law, doctrine of state, German and Bavarian constitutional law and political science at the University of Würzburg; vice-president and lecturer in international relations at the Munich School of Politics.

Forschungsschwerpunkte / Fields of Research Völkerrecht und Menschenrechte, insbesondere der Schutz von Nationalitäten, Volksgruppen und Minderheiten; vergleichendes Verfassungsrecht; Verhältnis von nationalem Recht, Völkerrecht und Europarecht; Entwicklung rechtsstaatlicher und demokratischer Strukturen in Entwicklungsländern und den Ländern Osteuropas; Gewaltverbot und humanitäre Intervention.

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Die Autoren / The Authors

Public International Law and Human Rights, in particular the protection of nations, peoples and minorities; comparative constitutional law; the relation between domestic law, public international law and European law; the development of democracy and the rule of law in developing countries and the eastern Europe; the prohibition of the use of force and humanitarian intervention.

Auswahlbibliographie / Selected Publications Grundlagen eines Friedensvertrages mit Deutschland, 1966; Der Schutz innerstaatlicher Rechtsgemeinschaften beim Abschluß völkerrechtlicher Verträge 1972; Feindstaatenklauseln, 1972; Flucht und Vertreibung 1987; Staatennachfolge und die Einigung Deutschlands, Teil I, 1992; Intertemporales und interlokales Verfassungskollisionsrecht, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts Bd. IX, 1997; Stabilitätspakt für Europa (mit Burkhard Schöbener) 1997; Rechtsgutachten über die Verbrechen an den Deutschen in Jugoslawien 1944-1948, 2002; Einführung in das angloamerikanische Recht, 7. Aufl., 2003; Fälle und Lösungen zum Völkerrecht, 2. Aufl. 2005 (mit Marten Breuer); Okkupation und Revolution in Slowenien (1941-46), 2005.

Professor Dr. Dr. h. c. Gilbert H. Gornig Persönliche Angaben / Personal Data Gilbert H. Gornig (geb. 1950): Studium der Rechtswissenschaften und Politischen Wissenschaften in Regensburg und Würzburg; 1984 Promotion zum doctor iuris utriusque in Würzburg; 1986 Habilitation; Lehrstuhlvertretungen in Mainz, Bayreuth und Göttingen; 1989 Direktor des Instituts für Völkerrecht an der Universität Göttingen und 1994-1995 Dekan; seit 1995 Inhaber des Lehrstuhls für öffentliches Recht, Völkerrecht und Europarecht an der Universität Marburg und Geschäftsführender Direktor des Instituts für öffentliches Recht; von 1996 bis 2004 zudem Richter am Hessischen Verwaltungsgerichtshof in Kassel. Gilbert Gornig (born 1950): Studies in Law and Political Sciences in Regensburg and Wuerzburg; became a Doctor of Law (iuris utriusque) in Wuerzburg in 1984; habilitation 1986; lecturer in Mainz, Bayreuth and Goettingen; 1989 Director of the Institute of Public International Law at the University of Goettingen, Dean of the Faculty 1994/95; since 1995 Professor for public law, public international and European law at the Philipps University of Marburg, at the same time being the Executive Director of the Institute of Public Law; between 1996 and 2004 also Judge at the Higher Administrative Court of Hessen in Kassel.

Die Autoren / The Authors

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Forschungsschwerpunkte / Fields of Research Völkerrecht und Europarecht, aktuelle Fragen des Völkerrechts, Menschenrechte, Seerecht, Finanzdienstleistungsrecht. International and European Law, current problems of public international law, Human Rights, law of the Sea, law of financial services.

Auswahlbibliographie / Selected Publications Hongkong. Von der britischen Kronkolonie zur chinesischen Sonderverwaltungszone. Eine historische und rechtliche Betrachtung unter Mitarbeit von Zhang Zhao-qun, 1998; Das rechtliche Schicksal der Danziger Kulturgüter seit 1939-45 am Beispiel der Naturforschenden Gesellschaft zu Danzig. Ein Rechtsgutachten, 1999; Territoriale Entwicklung und Untergangs Preußens. Eine historisch-völkerrechtliche Untersuchung, 2000; Seeabgrenzungsrecht in der Ostsee. Eine Darstellung des völkerrechtlichen Seeabgrenzungsrechts unter besonderer Berücksichtigung der Ostseestaaten, 2002; Völkerrecht und Völkermord. Definition - Nachweis - Konsequenzen am Beispiel der Sudetendeutschen, in: Schriftenreihe Geschichte, Gegenwart und Zukunft der altösterreichischen deutschen Minderheiten in den Ländern der ehemaligen Donaumonarchie, hrsg. vom Felix Ermacora Institut, 2002, (Nachdruck 2003); Der unabhängige Allfinanz-Vertrieb. Unter Berücksichtigung hierarchischer Vertriebssysteme, in: Schriftenreihe der Forschungsstelle für Finanzdienstleistungsrecht der Philipps-Universität Marburg, herausgegeben von Gilbert Gornig, 2004, (zusammen mit Frank Reinhardt/Dieter Meurer/Norbert Klatt); ɉɪɚɜɨ ȿɜɪɨɩɣɫɤɨɝɨ ɋɨɸɡɚ. ȿɜɪɨɩɟɣɫɤɢɟ ɋɨɨɛɳɟɫɬɜɚ. ɉɪɚɜɨɜɨɹ ɡɚɳɢɬɚ ɜ ɋɨɨɛɳɟɫɬɜɚɯ. Ɉɬɜɟɬɫɬɜɟɧɧɨɫɬɶ ɝɨɫɭɞɚɪɫɬɜ-ɭɱɚɫɬɧɢɤɨɜ (Recht der Europäischen Union. Europäische Gemeinschaft. Rechtsschutz in der Gemeinschaft. Verantwortung der Mitgliedstaaten), 2005 (zusammen mit Oxana Vitvitskaja).

Kontaktadresse / Contact Address Philipps-Universität Marburg Fachbereich Rechtswissenschaften Institut für öffentliches Recht, Abteilung Völkerrecht Savigny-Haus Universitätsstr. 6 D-35032 Marburg / Deutschland Tel.: Fax:

+ 49. (0) 64 21. 28-2 31 27 / -2 31 33 + 49. (0) 64 21. 28-2 38 53

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Die Autoren / The Authors

Email: [email protected] Internet: http://staff-www.uni-marburg.de/~gornig http://www.voelkerrecht.com

Dr. Tobias H. Irmscher, LL.M. (LSE) Persönliche Angaben / Personal Data Tobias H. Irmscher (geb. 1975): Studium der Rechtswissenschaften an den Universitäten zu Marburg und Würzburg, 1999 Erste juristische Staatsprüfung; 2001 Master of Laws (LL.M.) in Public International Law an der London School of Economics and Political Sciences (LSE); 2002 Promotion an der Bayerischen Ludwig-Maximilians-Universität Würzburg; 2003 Assessorexamen; seit 2001 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Völkerrecht, allgemeine Staatslehre, deutsches und bayerisches Staatsrecht und politische Wissenschaften der Würzburger Universität. Tobias H. Irmscher (born 1975): studies in law at the universities of Marburg and Würzburg, 1999 First State Exam in Law, 2001 Master of Laws (LL.M.) in Public International Law at the London School of Economics and Political Sciences (LSE); 2002 doctorate at University of Würzburg, 2003 Second State Exam in Law. Since 2001 research and teaching assistant at the chair for public international law, doctrine of state, German and Bavarian constitutional law and political science at the University of Würzburg.

Forschungsschwerpunkte / Fields of Research Staats- und Völkerrecht, insbesondere Schutz der Menschenrechte auf internationaler und regionaler Ebene; internationales Wirtschaftsrecht und Recht des diplomatischen Schutzes; Internationale Gerichts- und Schiedsgerichtsbarkeit. Constitutional and public international law, in particular the protection of Human Rights on the international and regional level; international economic law and the law of diplomatic protection; the law and policy of international courts and tribunals. Auswahlbibliographie / Selected Publications Verfassungsgebung und Verfassungsgebende Gewalt in Litauen 1989-1992, in: Lietuviǐ kultnjros institutas, Suvažiavimo darbai 1999, 2000, S. 153 ff.; The legal framework for the United Nations Administration in Kosovo, in: German

Die Autoren / The Authors

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Yearbook of International Law 44 (2001), S. 353 ff.; Die Behandlung privater Beschwerden über systematische und grobe Menschenrechtsverletzungen in der UN-Menschenrechtskommission, 2002; Die Liechtenstein-Entscheidung des Internationalen Gerichtshofs, in: Archiv des Völkerrechts 43 (2005), S. 375 ff.

Kontaktadresse / Contact Address Bayerische Julius-Maximilians-Universität Würzburg Institut für Internationales Recht, Europarecht und Europäisches Privatrecht Domerschulstr. 16 D – 97070 Würzburg / Deutschland Tel.: Fax:

+ 49. (0) 931. 31-23 08 + 49. (0) 931. 31-27 93

E-Mail: [email protected]

Falk Lange, M.A. Persönliche Angaben / Personal Data Falk Lange (geb. 1969): 1988-1991 Studium der Geschichte und Volkswirtschaftslehre an der Universität Halle-Wittenberg; 1991-1992 Studium der Osteuropäischen Geschichte an der Universität Stockholm; 19921995 Studium der Osteuropäischen Geschichte und Politologie an der PhilippsUniversität Marburg; 1994-1995 Studium an der School of Slavonic and East European Studies der Universität London und seit Herbst 1995 MPhil/PhD Student der internationalen Beziehungen an der London School of Economics and Politikal Science (LSE); 1995 Magister Artium in osteuropäischer Geschichte und Politikwissenschaft der Philipps-Universität Marburg; 19961997 Missionsmitglied der OSZE-Mission in Lettland und 1997-1998 stellvertretender Leiter; seit 1998 Berater des OSZE-Hochkommissars für Fragen der nationalen Minderheiten in Den Haag. Falk Lange (born 1969): 1988-1991 studies in History and Economics at Martin Luther University Halle-Wittenberg (Germany); 1991-1992 research and language studies (Latvian and Swedish) at the Centre for Baltic Studies of Stockholm University (Sweden); 1992-1995 studies in East European History and Political Science at Philipp University Marburg (Germany); 1994-1995 courses at the School of Slavonic and East European Studies of the University of London and since autumn 1995 MPhil/PhD-Student at the International Relations Department of the London School of Economics and Political Science

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Die Autoren / The Authors

(LSE); 1995 M.A. in East European History and Political Science (Philipp University Marburg); 1996-1997 Member of the OSCE Mission to Latvia and 1997-1998 Deputy Head of the Mission; since 1998 Senior Advisor to the OSCE High Commissioner on National Minorities in The Hague.

Forschungsschwerpunkte / Fields of Research Neuere Geschichte und Politik der baltischen Staaten; Internationale Beziehungen im Ostseeraum; OSZE; nationale Minderheitenfragen in Ost-, Mittelund Nordosteuropa. History and Politics of the Baltic States; International Relations in the Baltic Sea Area; OSCE; National Minority Issues in Eastern, Central and Northeastern Europe.

Auswahlbibliographie / Selected Publications Die baltischen Staaten und die KSZE. In: Osteuropa 44 (1994) H. 3, S. 232-241; Schweden und die Europäische Union. In: Neue Gesellschaft/Frankfurter Hefte 11 (1994) S. 969-975; Die Beziehungen Lettlands und Litauens zur OSZE. In: OSZE-Jahrbuch 1995. Hrsg. vom Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg/IFSH, 1995, S. 171-177; Die OSZE-Missionen im Baltikum. In: OSZE-Jahrbuch 1997, S. 111-118; (Hrsg. mit Wolfgang Zellner) Peace and Stability through Human and Minority Rights. Speeches by the OSCE High Commissioner on National Minorities Max van der Stoel, 2001; Staatsbürgerschaft und nationale Identität. Die Erfahrung der baltischen Staaten. In: Staatsbürgerschaft in Europa. Hrsg. von Christoph Conrad und Jürgen Kocka, 2001, S. 279-289.

Dr. Agnieszka Malicka Persönliche Angaben / Personal Data Agnieszka Malicka (geb. 1970): Germanistikstudium an der Universität Wrocáaw, Schwerpunkt Niederlandistik (1989-1994); Jurastudium an der Universität Wrocáaw (1992-1997); Doktorandin am Lehrstuhl für Völker- und Europarecht an der Fakultät für Recht, Verwaltung und Wirtschaft der Universität Wrocáaw (1997-2002); Promotion (2003); Assistentin im Lehrstuhl für Völkerund Europarecht an der Fakultät für Recht, Verwaltung und Wirtschaft der Universität Wrocáaw (2002-2004).

Die Autoren / The Authors

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Seit 2002/2003 Koordination der Deutsch-Polnischen Rechtsschule im Rahmen der Zusammenarbeit zwischen der Jurafakultät der HumboldtUniversität zu Berlin und der Fakultät für Recht, Verwaltung und Wirtschaft der Universität Wrocaw; seit 2004 Adjunkt und Leiterin des Zentrums für Fremdsprachigen Rechtsunterricht an der Fakultät für Recht, Verwaltung und Wirtschaft der Universität Wrocaw. Agnieszka Malicka (born 1970): studies of German language and literature (1989-1994) and of law (1992-1997) at Wrocáaw University; doctoral student at the chair for public international and European law at the faculty of law, administration and economics at Wrocáaw University (1997-2002), 2003 doctorate; Research and Teaching Assistant at the chair for public international and European law (2002-2004), since 2002/2003 responsible for coordinating the German-Polish Law School in the framework of the cooperation of the law faculty of the Humboldt University in Berlin and the faculty of law, administration and economics at Wrocáaw University. Since 2004 adjunct professor and head of the centre for foreign-language law teaching at the faculty of law, administration and economics at Wrocáaw University.

Forschungsschwerpunkte / Fields of Research Völkerrecht, Menschenrechte und polnisches Verfassungsrecht, insbesondere die Rechte und die Rechtslage von nationalen Minderheiten in Polen. International law, human rights and Polish constitutional law, in particular the rights and the legal status of national minorities in Poland. Auswahlbibliographie / Selected Publications Das neue Kommunalwahlrecht in Polen, in: G. Manssen, B. Banaszak (Hrsg.), Die Wahlrechtssysteme in Mittel- und Osteuropa, 1999; Der Schutz der deutschen Minderheit in Polen, in: G. Manssen, B. Banaszak (Hrsg.), Minderheitenschutz in Mittel- und Osteuropa, 2001; Ochrona praw mniejszoĞci narodowych w Polsce (Der Schutz von nationalen Minderheiten in Polen), in: B. Banaszak, A. Preisner, Prawa i wolnoĞci obywatelskie w Konstytucji RP (Rechte und Freiheiten des Bürgers in der Verfassung der RP), 2002; Polen und die polnische Verfassung angesichts der Integrationsherausforderungen, (mit B. Banaszak und T. Milej) in: Adam Antal (Hrsg.), Köyjogi intezmenyek a XXI. szazadban, Jog es jogaszok a 21. szazad küszöben, 2004; Ochrona mniejszoĞci narodowych - standardy miĊdzynarodowe i rozwiązania polskie (Der Schutz von nationalen Minderheiten – internationale Standards und polnische Lösungen), 2004; Minderheitenschutz im östlichen Europa. Republik Polen (mit T. Milej), Internetveröffentlichung http://www.uni-koeln.de/jur-fak

Die Autoren / The Authors

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/ostrecht/minderheitenschutz/Vortraege/Polen/Polen_Milej_Malicka.pdf; Táumaczenie i wstĊp do Konstytucji Republiki Federalnej Niemiec (Übersetzung und Einführung in das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, mit B. Banaszak) – im Druck; Die Religionsfreiheit im polnischen Rechtssystem und in der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes – im Druck. Kontaktadresse / Contact Address Pracownia Nauczania Prawa w JĊzykach Obcych Wydziaá Prawa, Administracji i Ekonomii, Uniwersytet Wrocáawski (Zentrum für Fremdsprachigen Rechtsunterricht an der Fakultät für Recht, Verwaltung und Wirtschaft der Universität Wroclaw) Ul. Uniwersytecka 22/26 50 145 Wrocáaw / Polen Tel.:

+ 48. (0) 71. 3 75 22 72

E-Mail: [email protected] [email protected]

Univ.-Prof. Dr. Christoph Pan Persönliche Angaben / Personal Data Christoph Pan (geb. 1938); Studium der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften; 1960 Lizentiat und 1964 Promotion an der Universität Fribourg, Schweiz; 1971 Habilitation an der Universität Innsbruck, Österreich, für politische Soziologie; 1980 außerordentlicher Professor am Institut für Öffentliches Recht und Politikwissenschaft der Leopold Franzens-Universität Innsbruck; Hochschullehrer an den Universitäten Innsbruck (1971-2000) und Salzburg (1974-79). Seit 1961 Leiter des Südtiroler Volksgruppen-Instituts in Bozen, Italien; Zusammenarbeit mit internationalen Nichtregierungsorganisationen, zahlreiche Studien- und Vortragsreisen u.a. in Asien, Afrika, Indien, Russland, USA, Südamerika. Als Minderheitenexperte seit 1993 über 160 Vorträge in über 30 Staaten Europas. Christoph Pan (born 1938): studied economics and social sciences; 1960 licentiate and 1964 doctorate at the University of Fribourg, Switzerland; 1971 postdoctoral qualification (habilitation) in sociology at the University of Innsbruck, Austria; 1980 Associate Professor at the Institute of Public Law and Political Science of the Leopold-Franzens-University in Innsbruck.; University lecturer at the universities of Innsbruck (1971-2000) and Salzburg (1974-79).

Die Autoren / The Authors

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Since 1961 Head of the South Tyrol Institute of Ethnic Groups in Bozen/Bolzano, Italy. Co-operation with international NGOs, numerous studyand lecturing trips in Asia, Africa, India, Russia, the United States, South America; more than 160 lectures and speeches as expert on minorities in more than 30 European countries

Forschungsschwerpunkte / Fields of Research Demokratie-, Konflikt-, Autonomie- und Volksgruppenforschung. Democracy, conflicts, autonomy and ethnic groups. Auswahlbibliographie / Selected Publications Südtirol als volkliches Problem. Grundriß einer Südtiroler Ethno-Soziologie, 1971; Hochschulpolitik in Südtirol aus bildungssoziologischer Perspektive, 1975; Sozialer Wandel in Südtirol, 1985; Nordkorea - Die ideologische und soziologische Basis, 1992; Grundrechte der europäischen Volksgruppen/ Fundamental Rights of Ethnic Groups in Europe/ Droits Fondamentaux des Groupes Ethniques Européens/ Diritti Fondamentali dei Gruppi Etnici in Europa/ Az Európai Népcsoportok Alapvetö Jogai (zusammen mit Felix Ermacora et alii), 1993; Quellensammlung zum Entwurf einer Charta der Volksgruppenrechte/ Collection of Sources to the Draft of a Charter of Rights for Ethnic Groups, 1994; Volksgruppenschutz in Europa/ Protection of Ethnic Groups in Europe/ Protection des Groupes Ethniques en Europe/ Tutela dei Gruppi Etnici in Europa (zusammen mit F. Ermacora et alii), 1995; Die Volksgruppen in Europa. Ein Handbuch (zusammen mit B.S. Pfeil), 2000; Minderheitenrechte in Europa. Handbuch der europäischen Volksgruppen, Bd. 2 (zusammen mit B.S. Pfeil), 2002; National Minorities in Europe. Handbook (zusammen mit B.S. Pfeil), 2003; Le minoranze in Europa. Manuale (zusammen mit B.S. Pfeil), 2003.

Kontaktadresse / Contact Address Südtiroler Volksgruppen-Institut Lauben 9 I–39100 Bozen / Italien Tel.: Fax:

+ 39. (0) 4 71. 97 87 03 + 39. (0) 4 71. 98 04 27

E-mail: [email protected] Internet: http://www.svi-bz.org

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Die Autoren / The Authors

Prof. Dr. Grigorɭ Ⱥ. Vasilevich, Persönliche Angaben / Personal Data Grigorɭ Ⱥ. Vasilevich (geb. 1955): Studium der Rechtswissenschaften an der Weißrussischen Staatsuniversität, 1984 Promotion, 1983-86 Arbeit als Professor an der juristischen Fakultät der Weißrussischen Staatsuniversität; seit 1986 stellvertretender Leiter, 1989-1994 Leiter der Rechtsabteilung im Sekretariat des Obersten Sowjets. 1994 Richter am Verfassungsgerichtshof, seit 1997 dessen Präsident. 1990-1994 Mitglied des Verfassungsausschusses. Grigorɭ Ⱥ. Vasilevich (born 1955): 1980 law graduate from Belarusian State University, 1984 doctorate; 1983-1986 professor work at the Law Faculty of the Belarusian State University; since 1986 Deputy Head, 1989-94 Head of the Law Department of the Secretariat of the Supreme Soviet, 1994 Judge of the Constitutional Court of the Republic of Belarus, since 1997 its Chairman. 1990-94 Member of the Constitutional Committee.

Forschungsschwerpunkte / Fields of Research Verfassungsrecht, Arbeitsrecht, Rechts- und Staatstheorie, Arbeitweise von Staatsorganen, der Rechtsstatus von Individuen und das Verhältnis zwischen Staat und Individuen. Constitutional law, labour law, theory of state and law, organization of work of state bodies, legal status of an individual, relations between an individual and the state.

Auswahlbibliographie / Selected Publications The Parliament of the Republic of Belarus (Constitutional and legal aspects), 1995; Bodies of state power of the Republic of Belarus: Constitutional and legal status, 1999; The constitution and some aspects of the protection of the rights and liberties of citizens, 1999; Enforceable enactments of state bodies of the Republic of Belarus, 1999; Legal bases of mutual relations between the individual, the society and the state, 1999; Damage – Labour – Responsibility, 1997; Constitution – Person – State (4 vol.), 2000-2004; Labour Code. Scientific and practical comments (in co-authorship), 2000; Referenda in the Republic of Belarus and its way towards independence at the end of the XXth century, 2001; Bases of ideology of the Belarusian state (in co-authorship), 2004; Con-

Die Autoren / The Authors

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stitutional law of the Republic of Belarus, 2005; The Constitution of the Republic of Belarus. Scientific and practical comments, 2005; Sources of Belarusian law: principles, normative acts, customs, precedents, doctrine, 2005.

Kontaktadresse / Contact Address ul. K. Marksa 32 BEL – 220016, Minsk / Belarus

Personen- und Sachregister / Index 1503-Verfahren 165 Abkommen über die pauschale Abgeltung von Rentenansprüchen und der Gewährung eines Finanzkredits 81 Abkommen über Renten- und Unfallversicherung 81 Afrikanische Charta der Menschen- und Volksrechte 179, 187 Afrikanische Kommission für Menschenrechte und Rechte der Völker 188 Albanien 23 Allenstein 89 Allgemeine Erklärung der Menschenrechte 151, 165 allgemeiner Gleichheitssatz 52 Amerikanische Erklärung der Rechte und Pflichten des Menschen 186 Amerikanische Menschenrechtskonvention 179, 186 Amtssprache 63 Arabische Charta der Menschenrechte 189 Arabische Liga 189 Arbeitslosigkeit 96 Armenier 49 Armut 96 Assimilierungspolitik 97 Ausreise-Protokoll 81

Ausreisewelle 89 Außenpolitik Polens 83 Aussiedlung 89 Ausweisung der Deutschen 46 Autonomie 25, 35 Beitritt 33 Bekenntnisfreiheit 72 Beleidigung 63 Beschwerde 169 bilaterale Beziehungen 87 Bildung 37, 64 − Bildungseinrichtung 74 − Bildungspolitik 95 − Bildungssystemgesetz 92 − höhere 40 − Recht auf Bildung 52 Breslau 89 Büro für Angelegenheiten der Nationalen Minderheiten 50 Chancengleichheit 24 Charta der Vereinten Nationen 162 Dänemark 23 Danzig 89 DDR 84 demokratische Diskussion 34 Deutsche Bildungsgesellschaft 93 Deutschland 23, 73, 84 Deutschunterricht 92, 93, 94 Dezentralisierung 35, 90 Dialog 27, 34

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Personen- und Sachregister / Index

diplomatischer Schutz 121, 128, 158 Diskriminierungsverbot 52, 60, 62, 70 Einmischung in die inneren Angelegenheiten 33 Einzelaussiedlung 81 Erster Weltkrieg 80 Estland 21, 23, 39, 73 Estoppel 118, 125, 128 ethnische Gruppen 57 ethnische Säuberung 39 EU-Erweiterung 33 Europäische Charta der Regionaloder Minderheitensprachen 28, 85 Europäische Menschenrechtskonvention 52, 70, 133, 143, 151, 179 Europäische Sozialcharta 184 Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte 133, 135, 136, 139, 180 Europarat 22, 31, 182 − Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen 28, 85 − Europäische Menschenrechtskonvention 52, 70, 133, 143, 151, 179 − Europäische Sozialcharta 184 − Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte 133, 135, 136, 139, 180 − Ministerkomitee 22 − Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten 22, 70 Fernsehen 66 Finnland 23 Flucht 89 Flüchtlinge 151, 161

Flüchtlingskonvention 151, 161 Folterverbot 181 formelle Gleichstellung 24 Fremde 157 Fremdenrecht 105, 130 Frieden 38 Friedensvertrag 83 Frühwarnung 32 Galizien 43 Gebietsverluste 45 Gebrauch der Muttersprache im privaten und im öffentlichen Leben 57 Generalversammlung der VN 166 Genscher, Hans-Dietrich 81 Georgien 39 Gerichtsverfassungsgesetz 54 Geschlecht 60 Gesetze − Bildungssystemgesetz 92 − Gerichtsverfassungsgesetz 54 − Gesetz über das Bildungssystem 54 − Gesetz über das Vereinigungsrecht 47 − Gesetz über die Garantien der Gewissens- und Religionsfreiheit 47 − Gesetz über Rundfunk und Fernsehen 54 − Minderheitengesetz (Anlage) 195 − Parteiengesetz 47 − Versammlungsgesetz 47 − Wahlordnung zum Sejm 54 Gewissensfreiheit 62 Gierek, Edward 47 Gleichberechtigung − der Individuen 22 − der Völker und Ethnien 22 Grenzbestätigungsvertrag, dt.poln. 84, 109, 123 Grenze 84

Personen- und Sachregister / Index Grenzgebiete 44 Grenzverschiebungen 89 Griechen 49 Grundrechte 155 Gruppenrechte 70 Gutachten, Frowein-Barcz- 101, 111, 128 Haager Empfehlungen 37 Hirschberg 89 höhere Bildung 40 Hörfunk 66 humanitäre Intervention 163 Identität 18, 36 Individualbeschwerdeverfahren 174 Individuum 157 Informationsrecht 25, 71 innere Angelegenheiten, Einmischung in 33 Integration 37 Inter-Amerikanische Kommission für Menschenrechte 187 Inter-Amerikanischer Gerichtshof für Menschenrechte 187 Internationaler Gerichtshof 166 Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte 56, 70, 138, 140, 141, 143, 151, 167 Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte 56, 70, 177 Irland 23 Italien 23 ius cogens 120, 130 ius gentium 157 Jaruzelski, Wojciech 83 Juden 21, 49 Jugend 96 Jugoslawien 21, 31

Kasachstan 39 kin-states 36 Kirchen 61 Kirgistan 39 Kleiner Versailler Vertrag 43 kommunistische Partei 47 Konflikte 31 Konformität innerstaatlichen Rechts mit internationalem Recht 56 Konsultation 35 Kopenhagener Dokument 35 Kriegsgefangenschaft 86 Kroatien 23, 39 KSZE 189 − Konferenz 48 − Schlußakte 81, 190 − Treffen in Kopenhagen 82 − Wiener KSZE-Folgetreffen 1989 81 Kultureinrichtungen 74 Kulturpolitik 95 Kulturrechte 53 Kurden 49

Lettland 21, 39, 73 Liechtenstein 23 Litauen 23, 73 Litauer 49 local remedies rule 191 Loyalität 38 Loyalitätsklausel 71

Makedonier 49 Malta 23 Massenmedien 66 Mazedonien, ehem. jug. Republik 39 Mazowiecki, Tadeusz 59, 83 Menschenrechte 18, 34, 70, 155 Menschenrechte, Allgemeine Erklärung 151, 165

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Personen- und Sachregister / Index

Menschenrechtsausschuß der VN 172 Menschenrechtskommission der VN 164 Menschenrechtsschutz 159 − Afrikanische Charta der Menschen- und Volksrechte 179, 187 − Amerikanische Menschenrechtskonvention 179, 186 − Arabische Charta der Menschenrechte 189 − Europäische Menschenrechtskonvention 52, 70, 133, 143, 151, 179 − Europäische Sozialcharta 184 − Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte 138, 140, 141, 143, 151 − KSZE-Schlußakte 81, 190 Minderheiten − Anerkennung 24 − Autonomie 25 − Bevölkerungsminderheit 36 − Bewahrung der Identität 71, 82 − Büro für Angelegenheiten der Nationalen Minderheiten 50 − Chancengleichheit 24 − Definition 17, 74 − formelle Gleichstellung 24 − Informationsrecht 25, 71 − Minderheitenschutz 20, 161 − Minderheitenschutzabkommen 79 − Minderheitensprache 24, 39 − Europäische Charta 28, 85 − Recht auf Gebrauch 63 − Unterricht 24 − nationale 53, 57 − Nichtdiskriminierung 24 − Organisationen 49, 68 − politische Repräsentation 25

− polnisches Minderheitengesetz (Anlage) 195 − Schutzmaßnahmen 82 − sozial-kulturelle Gesellschaft 47, 50 − spezifischer Rechtsschutz 25 − ständiger Ausschuß für Nationale und Ethnische Minderheiten 50 Ministerium für Kultur und Kunst (Polen) 50 Ministerkomitee des Europarates 22 Mitsprache 38 Moldawien 21, 23, 39 multinationaler Staat 43 Muttersprache 35, 63 − Deutschunterricht 94 − Gebrauch im privaten und öffentlichen Leben 57 − Schreibweise der Namen 57, 65 − Unterricht 57 Nachbarschaftsvertrag 84, 92, 110, 123 Nachbarschaftsvertrag, Entscheidung des BVerfG 121 nationale Minderheiten 53, 57 Nationalität 60 Nationalitätenschutzerklärung 78 Nationalversammlung 61 Naturrecht 192 Nichtdiskriminierung 24 Nichtregierungsorganisation 27 Norwegen 23 Oberschlesien 89 Oberschlesienabkommen 79, 85 Ombudsmann 25 Oppeln 89 Organe der territorialen Selbstverwaltung 51

Personen- und Sachregister / Index Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) 31, 189 − Hochkommissar für Fragen der nationalen Minderheiten 31 − Hochkommissar für nationale Minderheiten 18 − Missionen 33 Organisationen der Minderheiten 49, 68 Osloer Empfehlungen 37 Ostblock 81 Österreich 23 Ostpreußen 89 Palästinenser 49 Pariser Charta für ein neues Europa 48 Parlaments- und Gemeindewahlen 48 Parteiengesetz 47 Paulskirchenverfassung 78 Polen − Außenpolitik 83 − kleine Verfassung 60 − Verfassung von 1921 44 − Verfassung von 1997 52 − Westverschiebung 45, 81 − Zweite Republik 44 politische Parteien 61, 68 politische Repräsentation 25 Polonisierungsprozess 92 Portugal 21 Posen 89 Potsdamer Protokoll 81 Preußen 43 Propaganda 45 Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten 22, 70 Recht auf Bildung 52 Recht auf Bildung in der eigenen Sprache 64

Recht auf Gebrauch der eigenen Sprache 63 Recht auf Veranstaltungen 62 Rechte der Individuen 53 Rechtsschutz, minderheitenspezifisch 25 Rechtsstaat 59, 160 Rechtsstaatlichkeit 136 Rechtstaatlichkeit 18 Regionalentwicklung 98 Regionen 51 Religion 74 − Bekenntnis und freie Ausübung 57 − Religionseinrichtungen 74 − Religionsfreiheit 62 − Religionsgemeinschaften 61 Rentenrecht 86 Reparationen 107, 112 Reziprozität 85 Roma 21, 49 Rumänien 23, 39 Russen 49 Rußland 21, 23, 72 San Marino 23 Schlußdokument des KSZETreffen in Kopenhagen 82 Schreibweise der Namen in der Muttersprache 57, 65 Schröder, Gerhard 101 Schule 54 − Grundschulen 92 − Gymnasien 94 − Hochschulen 92 − Oberschulen 92 − private 65 Schutz religiöser Identität 52 Schutzmaßnahmen zugunsten von Minderheiten 82 Schweden 23 Schweiz 23 Sejm 53, 60 Selbstbestimmung

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Personen- und Sachregister / Index

− Selbstbestimmungsrecht der Völker 79 − von außen 35 − von innen 35 − Wunsch nach staatlicher Selbstbestimmung 82 Sezession 35 SFRJ siehe Jugoslawien Skubiszewski, Krzysztof 83 Slowaken 49 Slowakische Republik 23, 39, 71 Slowenien 23 SolidarnoĞü 47 Souveränität 33, 160 Sowjetunion siehe UdSSR Sozialhilfe 98 sozial-kulturelle Gesellschaft der Minderheiten 47, 50 Spanien 23 Spätaussiedlung 81 Sperrklausel, Befreiung 69 Sprachen 22 − Amtssprache 63 − Deutschunterricht 92, 93, 94 − Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen 28, 85 − Minderheitensprache 24, 39 − Unterricht 24 − Muttersprache 35, 63 − Gebrauch im privaten und öffentlichen Leben 57 − Unterricht 57 − Recht auf Bildung in der eigenen Sprache 64 − Recht auf Gebrauch der eigenen Sprache 63 − staatslose Sprachen 21 − Unterrichtssprache 65 Sprachkurse 93 Staatenberichtsverfahren 22, 27, 171 Staatenbeschwerdeverfahren 168, 173

Staatengemeinschaft 34 Stabilität 38 Stalin, Josef 45 ständiger Ausschuß für Nationale und Ethnische Minderheiten 50 Ständiger Internationaler Gerichtshof 79 Stettin 89 Stiftungen 68 Strafgesetzbuch 62 Strafverfahrensordnung 63 Tataren 49 Territorialautonomie 34 territoriale Integrität 19 Titularnation 36 Toleranz 43 topographische Bezeichnungen 86 Transformationsprozeß 48 Tschechen 49 Tschechische Republik 23, 71 Überleitungsvertrag 113 UdSSR 31, 45, 136 Ukraine 21, 23, 39, 71 Ukrainer 49 Umsiedlungsmaßnahmen 45 Ungarn 23, 39, 71 UN-Menschenrechtspakte 52 − Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte 56, 70, 138, 140, 141, 143, 151 − Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte 56, 70, 177 UNO siehe Vereinte Nationen Unterricht der bzw. in der Minderheitensprache 24 Unterricht der Muttersprache 57 Unterrichtssprache 65 Veranstaltungen, Recht auf 62

Personen- und Sachregister / Index Verbrechen gegen die Menschlichkeit 120, 124, 127, 130 Vereinigtes Königreich 23 Vereinigungsfreiheit 62 Vereinsrecht 67 Vereinte Nationen 159 − Charta 162 − Generalversammlung 166 − Internationaler Gerichtshof 166 − Menschenrechtsausschuß 172 − Menschenrechtskommission 164 − Menschenrechtspakte siehe UN-Menschenrechtspakte − Wirtschafts- und Sozialrat 164 Verfassungen, europäische 158 Versammlungen, friedliche 62 Versammlungsgesetz 47 Vertreibung 81, 89 Verwaltungsverfahrensordnung 63 Vietnamesen 49 Völkerbund 79 Völkermord 106, 163, 178 völkerrechtliche Verträge 62

Völkerrechtssubjektivität des Einzelnen 161 Volksgruppe 17 Volksgruppenschutz 84 von Weizsäcker, Richard 83 Vorbehalte 191 Wahlen 35, 51 − Befreiung von der Sperrklausel 69 − Wahlordnung zum Sejm 54 Weißrussen 49 Weißrußland 72, 133 ff. Werktätigen-Migranten 53 Westverschiebung Polens 45, 81 Wiener Kongreß 77 Wiener KSZE-Folgetreffen 1989 81 Wirtschafts- und Sozialrat 164 Wirtschaftsförderung 98 Zeitschriften 66 Zeitungen 66 Zivilverfahrensordnung 63 Zwei-plus-Vier-Vertrag 82 Zypern 23

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