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German Pages 491 [496] Year 1952
ERWIN LOHR
MECHANIK DER FESTKÖRPER
MECHANIK DER FESTKÖRPER VON
DR. E R W I N L O H R WEILAND O. Ö. PROFESSOR AN DER DEUTSCHEN TECHNISCHEN HOCHSCHULE IN BRÜNN
MIT 75 ABBILDUNGEN
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WALTER
DE GRUYTER
& CO.
VORMALS G. J. GÖSCHEN'SCHE VERLAGSHANDLUNG • I. GUTTENTAG, VERLAGSBUCHHANDLUNG • GEORG REIMER . KARL .1. TRÜBNER • VEIT & COMP.
B E R L I N W 35
Allé Rechte, insbesondere das der Übersetzung, vorbehalten Copyright 1952 by WALTER DE GRUYTER & CO., vormals G. J. Gßschen'sche Verlagshandlung J . Guttentag, Verlagsbuchhandlung — Georg Reimer —• Karl J. Trübner — Veit & Comp. Berlin W 35, Genthiner Str. 13 — Archiv-Nr. 529552 — Printed in Germany Satz: Walterde Gruyter & Co., BerlinW35 — Druck: Hermann Wendt, G. m.b. H., Berlin W 35
Vorwort Als ich im April 1941 den Verlagsvertrag mit Walter de Gruyter & Co. über ein von mir zu verfassendes Lehrbuch der Physik abschloß, konnte ich nicht annehmen, daß es über 10 Jahre dauern würde, ehe der erste Band dieses Buches gedruckt werden könnte. — Durch den Krieg und dann insbesondere durch die Nachkriegszeit bedingte Schwierigkeiten verhinderten immer wieder die Drucklegung. Dadurch wird es verständlich sein, daß in der benutzten Literatur die der jüngsten Jahre nicht voll berücksichtigt werden konnte. — Es war das für mich um so weniger tunlich, als mir hier in Werfenweng, wohin ich mich nach der Flucht aus Brünn zurückziehen mußte, diese Literatur keineswegs vollständig zugänglich war und ist. — Was mir erreichbar war, habe ich verwertet, so noch kürzlich in einem Nachtrage, mit Benützung des 1950 erschienenen Buches v o n R . H i l l , „TheMathematical Theory of Plasticity", die Ableitung eines Extremalsatzes für elastisch-plastische Körper. — I m allgemeinen muß ich mir an der Überzeugung genügen lassen, daß der mechanische Teil eines Lehrbuches der Physik zweifellos am wenigsten durch Veraltung bedroht erscheint. Mein Lehrbuch, von dem derzeit der 1. Band als „Mechanik der Festkörper" vorliegt, soll drei Bände umfassen, im 2. Bande beabsichtige ich die Hydro- und Aeromechanik, die Akustik und die Lehre von den Wärmeerscheinungen darzustellen, der 3. Band soll dann die elektromagnetischen Erscheinungen, die Optik, behandeln und eine Einführung in die Quantentheorie wie auch in die Relativitätstheorie geben. Der Leser wird schon in diesem 1. Bande an der Auswahl des Stoffes, wie an der ganzen Art der Darstellung, unschwer erkennen, daß der Verfasser an einer t e c h n i s c h e n H o c h s c h u l e wirkte und daher naturgemäß vorwiegend den Interessenkreis der Technik-Studenten vor Augen hatte. Wenn ich das, entgegen meiner ursprünglichen Absicht, nicht schon im Titel zum Ausdruck bringe, so deswegen, weil mir Freunde versicherten, daß auch der Universitäts-Physiker Kapitel, die mehr auf technische Fragen eingehen, in einem hinreichend allgemein gehaltenen Lehrbuch nur begrüßen würde und nicht durch eine Spezialisierung im Titel fehlgeleitet werden sollte. Auch der Titel „Theoretische Physik" schien mir aber, angesichts des doch weitgehend nach der technischen Anwendung orientierten Buches, trotz seines zweifelsohne theoretischen Gesichtes, etwas irreführend. So entschloß ich mich, es einfach als „Lehrbuch der Physik" zu bezeichnen. Die Art der Darstellung würde dem Kundigen die kontinuitätstheoretische Grundeinstellung des Verfassers auch dann verraten, wenn er nicht in der Einleitung selbst ausdrücklich darauf hingewiesen hätte. Eine aufdringliche Hervorhebung dieses seines Standpunktes, wo er störend oder verwirrend wirken könnte, ist streng vermieden worden. Die charakteristische Note empfängt das Buch durch die v e k t o r a n a l y t i s c h e Formulierung, welche viel weitergehend verwendet wurde als es in
Vorwort
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Lehrbüchern der Physik im allgemeinen üblich ist. Der dann unbedingt erforderliche Formalismus wurde im Buche selbst entwickelt so, daß dem Leser ein Zurückgreifen auf das Vektorbuch des Verfassers grundsätzlich erspart bleibt, wenn es sich für ein tiefer eindringendes Studium auch empfehlen dürfte, das Vektorbuch zu R a t e zu ziehen. — Die Dyaden-Rechnung wurde nur in den Anmerkungen verwendet. — Diese A n m e r k u n g e n bedingen auch eine gewisse Eigenart des Buches. Sie sind von zweierlei Art, einesteils enthalten sie lediglich kurze Bemerkungen, Zitate usw., a n d e r n t e i l s b r i n g e n sie a b e r a u s f ü h r l i c h e D a r s t e l l u n g e n u n d A b l e i t u n g e n , die den laufenden Text f ü r spezielle, meist schwierigere Fälle ergänzen. — Auch diese Darstellungen und Ableitungen, die gewöhnlich entweder laufend in Kleindruck oder anhangsweise am Schlüsse eines Buches gebracht werden, finden bei mir ihren Platz unmittelbar unter dem Haupttext, eben als „Anmerkungen". Ich bezwecke damit, daß der H a u p t t e x t in sich ein fortlaufendes Ganzes bildet, der o h n e Berücksichtigung der Anmerkungen fließend gelesen werden kann, was bei Kleindruckeinschaltungen nicht der Fall zu sein pflegt. Die unter dem Haupttext mitlaufenden Anmerkungen ermöglichen aber dem an der betreffenden Frage interessierten Leser auch den Inhalt der zugehörigen Anmerkung, ohne lästiges Nachschlagen in Nachträgen am Schlüsse des Buches, zur Kenntnis zu nehmen. — Daß auf diese Weise auch mehrere Seiten in Anspruch nehmende Anmerkungen vorkommen, ist m a n auf anderen Gebieten, z. B. in gewissen philosophisch-historischen Büchern gewöhnt. Zum Schlüsse dieses Vorwortes habe ich noch zu danken: meinem verehrten Freunde, Herrn Prof. D r . C l e m e n s S c h a e f e r , der gelegentlich eines Besuches in Werfenweng sich an der Durchsicht des Umbruchs in liebenswürdiger Weise beteiligte; Herrn Doz. Dr. Felix Lettowsky, der, als ich durch Krankheit verhindert war, Teile der Fahnen durcharbeitete und die zugehörigen Rechnungen kontrollierte; schließlich Frl. Olga Egerer und F r a u Lili Eckl, die mein Manuskript ins Reine schrieben. W e r f e n w e n g , im September 1951.
Erwin Lohr
Nachtrag zum Vorwort Noch ehe dieser 1. Band des von Herrn Prof. Dr. Lohr geplanten Lehrbuches der Physik ausgedruckt war und erscheinen konnte, ist der hochverehrte Verfasser plötzlich heimgegangen. Damit wird der Plan eines dreibändigen Lehrbuches der Physik, wie er im Vorwort skizziert ist, zunichte gemacht, denn es erscheint ausgeschlossen, daß ein anderer Autor dieses Werk fortsetzt und beendet. D a aber der l . B a n d , der jetzt vorliegt, ein in sich geschlossenes Ganzes darstellt und auch so eine große Bedeutung hat, haben wir uns entschlossen, ihn unter dem Titel „Mechanik der Festkörper" erscheinen zu lassen. B e r l i n , J a n u a r 1952
W a l t e r d e G r u y t e r & Co.
Inhaltsverzeichnis Einleitung 1. Eingliederung der Physik in das Wissenschafts-Ganze 2. Erkenntnisquellen und Forschungsmethode der Physik 3. Baum und Zeit und die Grundlagen ihrer Messung
Seite
1 3 9
I. Teil Allgemeine Mechanik u n d Mechanik starrer Körper 1. Raummessungen 2. Zeitmessungen 3. Ruhe und Bewegung 4. 5. 6. 7. 8.
1. Kapitel; R a u m , Z e i t , B e w e g u n g
2. Kapitel: V e k t o r e n , G e s c h w i n d i g k e i t e n , B e s c h l e u n i g u n g e n Bewegung des Massenpunktes, Vektoren und Vektoraddition Skalares Produkt zweier Vektoren, Dyaden Vektorprodukt und Tripelprodukte Geschwindigkeit Beschleunigung
3. Kapitel: G r u n d b e g r i f f e u n d G r u n d g l e i c h u n g e n der D y n a m i k 9. Kraft und Masse 10. Spannungen 11. Räumliche Ableitungen — Derivationen — von Feldgrößen und der Oaußache Integralsatz
15 21 26 30 34 36 42 45 48 55 60
4. Kapitel: Das G r a v i t a t i o n s f e l d 12. Allgemeine Massenanziehung und Gravitationsfeld 65 13. Eigenschaften und Quellen von Vektorfeldern, die ein Potential besitzen, entwickelt an dem Beispiele des Gravitationsfeldes 69 14. Einfache Anwendungen, insbesondere auch Berechnung des Oberflächenfeldes der Erde 75 15. 16. 17. 18.
5. Kapitel: W e i t e r e g r u n d l e g e n d e B e g r i f f e u n d G l e i c h u n g e n der M e c h a n i k Newtonsche Grundgleichung der Mechanik und Schwerpunktssatz (Impulssatz) . . 81 Der Momentensatz 87 Arbeit, Leistung, kinetische Energie 92 Der Energieerhaltungssatz 96
6. Kapitel: M e c h a n i k des s t a r r e n K ö r p e r s 19. Kinematik des starren Körpers 20. Die Bewegungsgleichungen des starren Körpers 21. Energetische Verhältnisse und einige Anwendungen. Der Kreisel unter Zwang, inabesondere der schwere Kreisel 22. Der Kreisel mit weniger als drei Freiheitsgraden. Rotation um eine feste A c h s e . . . . 23. Das Pendel (Arten des Gleichgewichtes)
118 126 132
7. Kapitel: G l e i c h g e w i c h t s t a r r e r K ö r p e r 24. Statik des starren Körpers 25. Statik von Systemen starrer Körper
138 144
8. Kapitel: M e c h a n i s m e n m i t u n d o h n e R e i b u n g 26. Reibung fester Körper 27. Einfache Maschinen 28. Weitere Anwendungen: Getriebe, Waagen
152 160 165
105 109
VIII
Inhalt Seite
9. Kapitel: P r i n z i p e d e r D y n a m i k 29. Prinzip der virtuellen Verschiebungen (Verrückungen) und d'Alembertsehes Prinzip 170 30. Verallgemeinerte (generalisierte) Koordinaten, die Lagrangesehen Bewegungsgleichungen zweiter Art 176 31. Hamiltons kanonische Gleichungen und sein Integralprinzip 180 10. Kapitel: W i c h t i g e S o n d e r f ä l l e v o n B e w e g u n g e n . R e l a t i v b e w e g u n g 32. Die Planetenbewegung 188 33. Bewegte Bezugssysteme. Anwendungen insbesondere auf die Erddrehung. Foucaultsches Pendel 193 34. Wurf und Schuß 197 II. Teil Mechanik deformiarbarer Festkörper 1. Kapitel: G r u n d b e g r i f f e u n d G r u n d g l e i c h u n g e n der E l a s t o m e c h a n i k 35. Verrückungen, Definition des Rotors, Verzerrungen . 206 36. Die Beziehungen zwischen Verzerrung und Spannung 216 37. Bewegungsgleichung, wenn elastische Spannungen wirken. Energieerhaltungssatz. Elastisches Potential. Differentialform von Erhaltungssätzen. Kontinuitätsgleichung 227 2. Kapitel: A l l g e m e i n e T h e o r e m e d e r E l a s t o m e c h a n i k 38. Hamiltonsehes Prinzip -— Eindeutigkeit der Lösungen 242 39. Satz vom Minimum der Energie, Sätze von Betti, Castigliano, de Saint-Venant und Maxwell. Verträglichkeitsbedingungen. Statisch unbestimmte Systeme 248 3. Kapitel: E i n i g e A n w e n d u n g e n 40. Dehnung durch Gewicht, Torsion durch Kräftepaar, Kompression durch überall gleichen Druck, teils mit Berücksichtigung von Volumkräften 257 41. Biegung eines Balkens 269 42. Biegelinie (Knicklast), einfaches Beispiel zur Berechnung statisch unbestimmter Größen, Plattenbiegung 283 4. Kapitel: E l a s t i z i t ä t , P l a s t i z i t ä t u n d F e s t i g k e i t 43. Elastische und Festigkeits-Eigenschaften der Stoffe. Plastische Verformung 44. Quantitative Ansätze f ü r die Fließgrenze und die Bruchfestigkeit
. . . .
294 304
5. Kapitel: E l a s t i s c h e S c h w i n g u n g e n m i t e i n e m F r e i h e i t s g r a d e bzw. wenigen Freiheits graden 45. Gedämpfte und erzwungene Schwingungen. Fouriersohe Reihen und Integrale. Graphische Integration, Resonanz, iapZace-Transformation 326 46. Ballistischer Ausschlag, Koppelung und Abstimmung, Schwebungen, Kombinationsschwingungen, Kippschwingungen 340 6. Kapitel: Von e i n e r R a u m k o o r d i n a t e a b h ä n g e n d e W e l l e n 47. Die schwingende Saite. Dehnungs- und Drillungswellen von Stäben. Einige Worte über Integralgleichungen 353 48. Biegungsschwingungen von Balken. Gruppengeschwindigkeit. Kritische Drehzahlen 370 7. Kapitel: E l a s t i s c h e S c h w i n g u n g e n u n d W e l l e n im Zwei- u. D r e i d i m e n s i o n a l e n 49. Membran- und Plattenschwingungen. Zylinderfunktionen 50. Stokesscher Integralsatz. Eindeutige Bestimmtheit bzw. Berechnung eines Vektorfeldes durch bzw. aus seinem gegebenen Quellen- und Wirbelfelde 51. Wellenausbreitung in elastischen Festkörpern 52. Reflexion und Brechung. Erdbebenwellen
401 411 420
8. Kapitel: S t o ß v o r g ä n g e 53. Zentraler Stoß ohne Drehbewegung und Reibung 54. Stöße mit Berücksichtigimg der Rotation und Reibung Kurze Erläuterungen Nachtrag Sachregister
435 447 463 472 475
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Einleitung 1. E i n g l i e d e r u n g der P h y s i k in das W i s s e n s c h a f t s - G a n z e Die Physik») ist eine N a t u r w i s s e n s c h a f t , d. h. ihr Gegenstand ist die Natur, hierdurch unterscheidet sie sich von den sogenannten G e i s t e s w i s s e n s c h a f t e n , wie Philosophie, Geschichte, Philologie usf., die im wesentlichen geistiges Schaffen und Streben durchforschen. Die Physik umfaßt jedoch nicht die ganze Lehre von der Natur, daher von der K ö r p e r w e i t und den sich in dieser abspielenden Erscheinungen. Aus dem Gebiete der Physik scheidet zunächst die o r g a n i s i e r t e Materie als solche aus, mit dieser und den Erscheinungen des Lebens beschäftigen sich Anatomie, Physiologie, Biologie, Zoologie, Botanik usf. Aber auch die nichtorganisierte Natur ist nicht in ihrer Gänze Gegenstand der Physik. — Wichtige und umfangreiche Sondergebiete, die von eigenen, auf diese Gebiete spezialisierten Forschern nach besonderen Methoden bearbeitet werden, bilden selbständige Wissenschaften, wie Mineralogie, Geologie, Geögraphie, Astronomie usf. Und immer wieder spalten sich im Laufe der wissenschaftlichen Entwicklung neue, selbständig gewordene Tochterwissenschaften ab. Man denke etwa an die Meteorologie! P h y s i k und Chemie teilen sich aber nicht nur in den stets überaus großen, jeweils noch nicht von Spezialwissenschaften erfaßten Rest des gesamten unbelebten Naturgeschehens, ihnen verbleibt darüber hinaus dauernd und unabdinglich alles A l l g e m e i n e und n a t u r g e s e t z l i c h G r u n d l e g e n d e auch aus den Gebieten der abgespaltenen Tochter Wissenschaften. Von einer scharfen Grenzziehung kann da ersichtlich keine Rede sein und ebensowenig ist eine solche zwischen Physik und Chemie möglich. Das Grenzgebiet bearbeitet die P h y s i k a l i s c h e Chemie. Es ist nur ganz beiläufig richtig, wenn wir sagen, daß sieh die Chemie in erster Linie mit dem Aufbau und den Umwandlungen der Stoffe als solchen befasse, während die Physik vornehmlich die Zustände und Zustandsänderungen der zusammensetzungsgemäß jeweils gegebenen Stoffe untersuche. Ganz abgesehen davon, daß diese Bestimmungssätze überhaupt nur verstanden werden können, wenn man mit physikalischen und chemischen Tatsachen schon einigermaßen vertraut ist, braucht man nur an die p h y s i k a l i s c h e n Arbeiten der letzten 30 Jahre über den k o r p u s k u l a r e n A u f b a u und das p e r i o d i s c h e S y s t e m der E l e m e n t e , über die physikalischen Theorien der c h e m i s c h e n B i n d u n g , an die gerade in jüngster Zeit besonders intensiv gepflegte K e r n p h y s i k zu denken um zu erkennen, daß sich Physiker und Chemiker weit eher noch durch ihre A r b e i t s m e t h o d e n unterscheiden, denn durch genaue Grenzen ihrer Forschungsgegenstände. Mit der Schaffung von G r a v i t a t i o n s t h e o r i e n greifen Physiker in den Problemkreis der A s t r o n o m i e ein, vermöge der Entdeckung der R ö n t g e n s t r a h l b e u g u n g durch K r i s t a l l e in das Arbeitsgebiet der Mineralogie. Diese Beia) Bei den alten griechischen Kosmologen bedeutet (pücn; die Ursubstanz, das ursprünglich Gegebene, Vollkommene. 1
L o h r , Mechanik
2
Einleitung
spiele zeigen zur Genüge die lebendige und unzerstörbare Verbundenheit der physikalischen Forschung mit allen Teilen des Naturganzen. Mit a l l e n Teilen, die organisierte Materie nicht ausgeschlossen. Man erinnere sich etwa an die mechanischen Eigenschaften des Knochengerüstes, an die Lungenpumpe, an die Herzpumpe, an das Strömen des Blutes durch Adem und Kapillaren, an die Rolle der "Diffusion und Osmose beim Stoffaustausch innerhalb des Organismus, an den Wärmehaushalt und die elektrischen Erscheinungen im Körper, an den optischen Apparat des Auges, an den Schwingungsmechanismus des Ohres und des Kehlkopfes! Durch diese Aufzählung wurden lediglich einige, physikalisch besonders bedeutsame Gebiete der P h y s i o l o g i e herausgegriffen. Genannt seien hier nur noch die Untersuchungen Pascual Jordans aus jüngster Zeit über eine „Quanten-Biologie", sowie die tiefschürfenden Gedanken Erwin Schrödingera zu dem Problem „Was ist Leben ?"b). In m e t h o d i s c h e r Hinsicht ist die Physik eine Wissenschaft, welche die g e s e t z l i c h e n Z u s a m m e n h ä n g e des Naturgeschehens in möglichst a l l g e m e i n e r und u m f a s s e n d e r Form zu ergründen bestrebt ist. Sie ist also im WindelbandRiclcertschen Sinne eine G e s e t z e s w i s s e n s c h a f t (griech. „nomothetisch") im Gegensatze zu den („idiographischen") E r e i g n i s w i s s e n s c h a f t e n (Geschichte). Husserl nennt die Physik eine g e n e r e l l e Wissenschaft, der es auf die Gesetze des Geschehens im allgemeinen, also darauf ankommt, w a s g e s c h e h e n kann. E. Mally sieht in den Naturgesetzen die Formulierung von „Verhaltens-, GeschehensTendenzen"«). Die i n d i v i d u e l l e n Wissenschaften hingegen (z. B. Astronomie, Geologie) wenden die Gesetze des Geschehens an, um den tatsächlich so und nicht anders vorliegenden, also einmaligen Weltbestand zu begreifen.d) Da uns die Kenntnis der Naturgesetze in die Lage versetzt, nicht nur die unter bestimmten Bedingungen zu erwartenden Erscheinungen v o r a u s z u b e r e c h n e n , sondern auch bestimmte, gewollte Zustände willkürlich und mit Sicherheit hervorzurufen, ist es klar, daß die P h y s i k e i n e n G r u n d p f e i l e r j e d e r T e c h n i k b i l d e t . Die gesamte Technik, die es ja vorwiegend mit der unbelebten Natur zu tun hat und die diese Natur und die in ihr vorhandenen Kräfte möglichst vollkommen für die Bedürfnisse des Menschen auszuwerten trachtet, gründet notwendigerweise auf den Erkenntnissen der Naturwissenschaft, vor allem aber auf jenen der P h y s i k und Chemie. Man kann geradezu sagen: Die Technik ist im wesentlichen angewandte Physik und Chemie. Mag sich die Aufmerksamkeit des Naturforschers im engeren Sinne mehr auf das Erkennen als solches, jene des Technikers mehr auf die Nutzbarmachung des Erkannten richten, so ist doch im weiteren Sinne auch der T e c h n i k e r N a t u r f o r s c h e r und er s o l l t e nie v e r g e s s e n , d a ß er es ist. Technik ohne Naturwissenschaft ist einfach undenkbar, ebenso aber wirkt auch die Technik anregend und fördernd auf die Naturwissenschaft zurück. Das geschieht sowohl durch neue, nach schleuniger Lösung drängende Problemstellungen, wie auch durch die Schaffung und Bereitstellung von Forschungsmitteln größten Stiles. Man denke da nicht nur an den hochentwickelten industriellen Apparatebau, sondern ebenb) Wir verweisen auf Pascual Jordan, „Die Physik und das Geheimnis des organischen Lebens'' in „Die Wissenschaft" bei F. Vieweg, Braunschweig (1943) und auf Erwin Schrödinger „Was ist Leben?" Sammlung Dalp, bei A. Franeke, Bern (1946). c) E. Mally, „Das Wesen' der Naturgesetzlichkeit". Wiener Z. S. f. Philosophie, Psychologie, Pädagogik 2., 1, (1948). d) „Die Welt, der Zusammenhang der Dinge und des Geschehens selbst ist nicht denknot wendig, sondern kontingent" (zufällig). Handwörterb. d. Philos. R. Eisler, 1922. S. 340.)
Einleitung
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so an den Betrieb der großen Industrielaboratorien mit teilweise reinen Forschungsaufgaben d '). Jedem Hochschulingenieur kann es beschieden sein, in solchen Forsohungslaboratorien eingesetzt zu werden. Möge er nicht erst dann erkennen, daß f ü r ihn die Naturwissenschaft im allgemeinen und die P h y s i k i m b e s o n d e r e n keine bloße H i l f s w i s s e n s c h a f t ist. 2. E r k e n n t n i s q u e l l e n u n d F o r s c h u n g s m e t h o d e d e r P h y s i k Die Grundlage alles Natur erkennens ist die durch unsere S i n n e s W a h r n e h m u n g e n vermittelte E r f a h r u n g . Unsere Sinnesorgane erleiden Reize, f ü r deren Zustandekommen wir die Außenwelt verantwortlich machen. Die reale, also von unserem Bewußtsein unabhängige Existenz der Außenwelt ist f ü r jeden normalen Menschen erlebnismäßig evident. Auf an und f ü r sich gewiß sehr anregende philosophische Überlegungen, welche diese Tatsache nachträglich zum Problem machen, können und brauchen wir in einem Lehrbuche der Physik nicht einzugehen. Hingegen ist es wichtig, uns klar zu machen, daß wir uns den Reizen der Außenwelt gegenüber keineswegs rein passiv verhalten, etwa wie eine Grammophonplatte oder ein photographischer Film. I n diesem Falle müßte die Fülle der uns überflutenden Sinnesempfindungen ein Chaos bilden. Man denke beispielsweise an die mit Standpunkt und Beleuchtung ununterbrochen wechselnden Reize auf die Netzhaut und die keineswegs ideale Abbildung durch den optischen Apparat unseres Auges. Man beachte ferner, wie wichtig die Ergänzungen und Berichtigungen der optischen Sinnesempfindungen durch jene des Tastsinnes sind. Undenkbar, daß aus all diesen verschiedenartigen Sinnesempfindungen die Wahrnehmung auch nur eines einheitlichen, in sich beständigen Dinges, etwa eines Baumes entstünde, ohne die Mitwirkung einer aktiven, bewußten oder unbewußten, durch die Sinnenreize gewissermaßen nur ausgelösten, ordnenden bzw. konstruktiv entwerfenden psychischen Tätigkeit. Wir erinnern hier auch an die zahlreichen sogenannten „ S i n n e s t ä u s c h u n g e n " , die sich insbesondere als o p t i s c h e Täuschungen oft unabweisbar aufdrängen (ein teilweise ins Wasser tauchender Stock erscheint gebrochen). Lediglich im Rahmen der Ordnung unserer G e s a m t e r f a h r u n g erhalten sie nachträglich eine von ihrem unmittelbaren Anscheine abweichende Erklärung. Die Mannigfaltigkeit der Wahrnehmungsinhalte wird durch das erkennende Bewußtsein gemäß seinen A n s c h a u u n g s - und D e n k f o r m e n , die das Zustandekommen einer objektiven Erfahrung erst ermöglichen, also selbst n i c h t aus der Erfahrung stammen, weiterverarbeitet. Dabei werden B e g r i f f e gebildet. Das geschieht, indem man vergleicht und abstrahiert und eine Vielheit von Vorstellungen einer gemeinschaftlichen unterordnet. Der Begriff soll durch seine Merkmale das durch ihn gemeinte Reale in möglichst präziser und exakter Weise charakterisieren. „Die Angabe der notwendigen und hinreichenden Merkmale ist die D e f i n i t i o n des Begriffes. Durch sie wird die Bedeutung fixiert, Ausgangspunkt und Grundlage der Darstellung gewonnen" e ). d') In gigantischem Ausmaße erlebten wir kürzlich die Wechselwirkung zwischen technischer Leistung größten Stils und neuesten, subtilsten Forschungsergebnissen bei der Entwicklung der Atombombe in den Vereinigten Staaten von Amerika. — Siehe etwa: H. De Wolf Smyth (Princeton), „Atomenergie und ihre Verwertung im Kriege" (1948). Offizieller Bericht übersetzt und erläutert von F. Dessauer (Reinhardt Verlag, Basel 1947), Hans Thirring, „Die Geschichte der Atombombe". Phönix-Bücherei, Wien (1946). e) 0. Külpe, „Vorlesungen über Logik", Hirzel 1923, S. 174. Nach I. Kant „Kritik der reinen Vernunft" Methodenlehre I. Hauptst., I. Abschn. soll „ D e f i n i e r e n , wie es der Ausdruck selbst gibt, eigentlich nur so viel bedeuten, als den ausführlichen Bsgriff eineä Dinges innerhalb seiner Grenzen ursprünglich darstellen. Nach einer solchen Forderung kann ein e m p i r i s c h e r Begriff
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Einleitung
I n jedem Urteile werden Begriffe auf Vorstellungen und durch diese auf die betreffenden Gegenstände bezogen. I. Kant sagt in besonders einprägsamer Formulierung: „Per Verstand vermag nichts anzuschauen und die Sinne vermögen nichts zu denken. Nur daraus, daß sie sich vereinigen, kann Erkenntnis entspringen." „Gedanken ohne anschaulichen Inhalt sind leer, Anschauungen ohne Begriffe sind blind." Da also die physikalische, wie jede naturwissenschaftliche Erkenntnis von den Sinneswahrnehmungen ausgeht, ist es ohne weiteres verständlich, daß sie in ihren Anfangen stark „antropomorph" d. h. unmittelbar bezogen auf die Eigenart menschlichen Fühlens und Wollens war. In der antiken Physik bleibt man den Sinnes empfindungen entsprechend bei Begriffen wie hart und weich, schwer und leicht, trocken und feucht usf. stehen. Auch die moderne Physik, wie jede denkbare Physik überhaupt kann es zunächst und zuletzt nur mit durch Sinnesempfindungen vermittelten E i g e n s c h a f t e n zu tun haben. Irgend ein bestimmter Gegenstand, etwa wieder ein Baum, kann für uns wahrnehmungsgemäß nichts weiter sein, als die. Gesamtheit seiner Eigenschaften. Ob hinter diesen Eigenschaften, als ihr Seinsgrund oder auch nur als Träger der Eigenschaften irgend etwas wie ein „Ding an sich" steht, ist eine vom physikalischen Standpunkte unbeantwortbare und demnach müßige Frage. Die mögliche Entwicklungslinie, die von der neuzeitlichen Physik auch tatsächlich stets eingehalten wurde, lag in der Richtung des Ersatzes rien subjektiver Sinnesqualitäten durch Z u s t a n d s v a r i a b l e , welche vermöge geeigneter Definitionen objektiv und zahlenmäßig festgelegt werden. Wie das ini einzelnen geschieht, das werden wir zu wiederholten Malen genau kennen lernen. Hier erinnere man sich zur Veranschaulichung des Gesagten etwa an den Ersatz der nur beiläufig und im beschränkten Umfange schätzbaren Warm-Kalt-Empfindung durch die nach Thermometergraden meßbare Z u s t a n d s v a r i a b l e d e r T e m p e ratur. Gelegentlich setzen physikalische Entdeckungen einfach mit einer neuartigen Wahrnehmung, einer zufälligen B e o b a c h t u n g ein, so beispielsweise die Entdeckung der R ö n t g e n s t r a h l e n mit der B e o b a c h t u n g dies Aufleuchtens eines von der Entladungsröhre durch einen schwarzen Karton getrennten Fluoreszenz gar nicht definiert, sondern nur e x p l i z i e r t werden" „ . . ., so ist es niemals sicher, ob man unter dem Worte, das denselben Gegenstand bezeichnet, nicht einmal mehr, das anderemal weniger Merkmale desselben denke." „Man bedient sich gewisser Merkmale nur solange, als sie zum Unterscheiden hinreichend sind." „Zweitens kann auch, genau zu reden, kein a p r i o r i gegebener Begriff definiert werden, z. B. Substanz, Ursache, Recht, Billigkeit usw." denn es „ist die Ausführlichkeit der Zergliederung meines Begriffes immer zweifelhaft und kann nur durch vielfältig zutreffende Beispiele v e r m u t l i c h , niemals aber a p o d i k t i s c h gewiß gemacht werden". „Also bleiben keine andere Begriffe übrig, die zum Definieren taugen, als solche, die eine willkürliche Synthesis enthalten, welche a p r i o r i konstruiert werden kann, mithin hat nur die Mathematik Definitionen. Denn den Gegenstand, den sie denkt, stellt sie auch a p r i o r i in der Anschauung dar und dieser kann sicher nicht mehr noch weniger enthalten als der Begriff". Mathematische Definitionen sind für Kant solche, die den Begriff selbst m a c h e n , während philosophische ihn nur e r k l ä r e n . Einen apodiktischen Beweis, sofern er intuitiv ist, nennt Kant eine Demonstration und sagt: „Nur die Mathematik enthält also Demonstrationen, weil sie nicht aus Begriffen, sondern der Konstruktion derselben, d. i. der Anschauung, die den Begriffen entsprechend a p r i o r i gegeben werden kann, ihre Erkenntnis ableitet." Die „ A n s c h a u u n g " , von der hier immer die Bede ist, besteht in R a u m u n d Z e i t , als der a p r i o r i gegebenen Form der Erscheinungen. Konstruiere ich z. B. ein Dreieck in einer r e i n e n Anschauung, so erkenne ich die einem Dreiecke n o t w e n d i g zukommenden Eigenschaften (Winkelsumme), welche in der Definition eines Dreieckes n i c h t enthalten sind. Auch der Satz 7 + 5 = 12 ist synthetisch, um ihn zu gewinnen, müssen wir Einheiten in der A n s c h a u u n g zur Zahl 12 zusammensetzen. Demgemäß ergibt die mathematische Erkenntnis und n u r sie notwendige und apodiktische Sätze, wodurch die Behauptung begründet erscheint, daß eine empirische Disziplin nur soweit exakte Wissenschaft sei, als in ihr Mathematik angetroffen werden kann.
Einleitung
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schirmes. Die zufällige Beobachtung wird aber in jedem Falle alsbald durch eine systematische, das E x p e r i m e n t ergänzt und ersetzt und zu den anfanglich qualitativen Versuchen kommen dann die quantitativen, die M e s s u n g e n . Es ist gerade heutzutage, in einer Zeit, die so überreich an immer neuen theoretischen Ansätzen ist, besonders wertvoll sich stets vor Augen zu halten, daß die ersten Urteile, die der Physiker abzugeben gezwungen ist, in der Regel f ) „lediglich Vorgänge an Apparaten, insbesondere Zeigerausschläge an Meßinstrumenten betreffen"; also keineswegs das Verhalten von „Atomen", „Elektronen", „Neutronen", „Wellen", „Wellenpaketen" oder was sonst, geschweige denn „mathematische Symbole und deren Relationen". Diese Zeigerausschläge und sonstigen Ablesungen liefern das Zahlenmaterial, mit dessen Hilfe formelmäßige Zusammenhänge zwischen den einzelnen Zustandsänderungen gesucht und gefunden werden. Natürlich ist die betreffende V e r s u c h s a n o r d n u n g nicht um ihrer selbst willen da, sie wird ersonnen, um Antwort auf bestimmte a n d i e N a t u r g e s t e l l t e F r a g e n zu erhalten. Dabei ist es stets notwendig, einen bestimmten Teil des Naturgeschehens zu isolieren, aus dem Gesamtgeschehen h e r a u s zu s c h n e i d e n « ) , denn nur so wird es möglich, die Bedingungen zu kontrollieren, unter denen die untersuchte Zustandsänderung sich in bestimmter Weise vollzieht. Wir müssen demnach Einflüsse, die für die jeweils interessierende Fragestellung unwesentlich sind, möglichst ausschalten und den unvermeidbaren Rest dieser Einflüsse durch geeignete Abschätzungen als Korrektur berücksichtigen. Nur das Herausschneiden eines wohldefinierten Teiles aus dem G e s a m t g e s c h e h e n , das ja in seinem Gesamtablauf stets e i n m a l i g u n d u n w i e d e r h o l b a r bleibt, ermöglicht die g r u n d s ä t z l i c h e V o r a u s s e t z u n g der Wiederholbarkeit, R e p r o d u z i e r b a r k e i t des untersuchten Teilgeschehens. Praktisch ist das natürlich immer nur n ä h e r u n g s w e i s e erreichbar. Ohne einen K e r n v o n R e p r o d u z i e r b a r k e i t im Naturgeschehen'aber hätte es weder Sinn noch Zweck, nach gesetzlichen Zusammenhängen zu suchen oder auch nur von solchen zu sprechen. H a t der Forscher vernünftig gefragt, ist er auf dem richtigen Wege, dann wird es ihm in der Regel gelingen, aus den gewonnenen Versuchsergebnissen einen gesetzlichen Zusammenhang zwischen den „ u n a b h ä n g i g e n " , d. h. im gegebenen Falle willkürlich änderbaren und den durch die unabhängigen bestimmten „ a b h ä n g i g e n " Z u s t a n d s v a r i a b l e n zu erkennen und fornielmäßig oder zumindest graphisch darzustellen. So werden N a t u r g e s e t z e aufgefunden. Sie beziehen sich zunächst allerdings meist nur auf das mehr oder minder eng begrenzte Gebiet der betreffenden Fragestellung und demnach steht ihre G e l t u n g auch nur für dieses Gebiet fest. Erst der unermüdlich, oft während vieler Jahre fortgesetzten experimentellen, wie auch theoretischen Arbeit zahlreicher Forscher gelingt die fortschreitende Aufhellung der naturgesetzlichen Zusammenhänge, sowie der Prüfung und Anwendung der aus diesen Gesetzen sich ergebenden Folgerungen innerhalb eines größeren relativ geschlossenen Gebietes. Denken wir etwa an die r a d i o a k t i v e n E r s c h e i n u n g e n oder auch an die R ö n t g e n s t r a h l i n t e r f e r e n z e n einschließlich ihrer so bedeutsamen Anwendungen! Das Bedürfnis, die physikalischen Gesetze ganzer Gebiete unter einheitlichen Gesichtspunkten zusammenzufassen, führt zur Schaffung einer Theorie der betreffenden Erscheinungen. Es ist vor allem unser D r a n g n a c h E r k e n n t n i s , der uns f) Vgl. 8. 35 des für den erkenntnistheoretisch interessierten Physiker überaus lesenswerten Buches von E. May, „Am Abgrund des Relativismus". Dr. G. Lüttke Verlag, Berlin 1941. g) Das hat schon Bacon von Verulam erkannt und ausgesprochen (um 1600).
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Theorien ersinnen läßt. Das zusammenhangslose Nebeneinander einzelner Naturgesetzlichkeiten yermag unseren Erkenntnistrieb nicht zu befriedigen. Wir wollen das Neue im Alten, das eine im anderen, die einzelnen Erscheinungsgruppen, als Sonderfälle einiger alle diese Fälle umfassenden G r u n d g e s e t z e „ w i e d e r e r kennen". Nicht in dem einseitig positivistischen Sinne M. Schlicks, vielmehr gerade bei großzügiger Verallgemeinerung kann man in gewisser Weise jedes Erkennen als ein Wiedererkennen deuten11). Auf geistiger Ebene erkennen wir im Denken, Fühlen und Wollen, in den Motiven des Handelns anderer, mögen es nun Privatpersonen oder Staatsmänner, einzelne oder ganze Völker sein, unsere eigenen Bewußtseinsvorgänge und Empfindungen, unsere eigenen Motive wieder und vermögen sie so u n m i t t e l b a r zu verstehen. Auf dem Gebiete der unbelebten Natur muß dieses Verfahren versagen. Die Annahme etwa, ein Stein w o l l t e einen Menschen treffen, bringt uns dem Verständnis der Flugbahn des Steines um keinen Schritt näher. Was uns mit der Materie erlebnismäßig verknüpft, sind der R a u m , den erfüllend wir sie in ihren Eigenschaften mit unseren Sinnen wahrnehmen und zwar mit Einschluß unseres eigenen Leibes, und die Z e i t , in der sowohl das Naturgeschehen, wie auch unser eigener Bewußtseinsstrom verlaufen. Mangels anderer geistig-seelischer Analogien bleibt uns auf die Frage: w a r u m geschieht das diesmal so, ein andermal in bestimmter Weise anders, nur die Erklärungsmöglichkeit: weil zur betreffenden Z e i t im R ä u m e die und die E i g e n s c h a f t s v e r t e i l u n g in dem und dem Grade der I n t e n s i t ä t vorhanden war'). Denken wir zur Veranschaulichung etwa an den Einfluß des Luftdruckes auf die Wettergestaltung, so sagen wir im täglichen Leben: das Wetter hat sich verschlechtert, weil der Luftdruck p l ö t z l i c h s t a r k gesunken ist. Und dann fügen wir vielleicht hinzu: in der und der G e g e n d aber herrscht h o h e r Luftdruck, es wird sich also bald wieder bessern. Wenn man jedoch derartige Zusammenhänge genauer und immer genauer ergründen will, dann kommt man mit beiläufigen Bezeichnungen, wie hoch und niedrig, schnell und langsam, in der oder jener Gegend nicht mehr aus. Dann bedarf man eines beliebig ausbaufähigen Systems geordneter Namen und als solches steht uns glücklicherweise das g e o r d n e t e S y s t e m d e r Z a h l e n zur Verfügung. Völlig unentbehrlich wird die zahlenmäßige Bestimmung, wenn es sich nicht um die Charakterisierung von I n t e n s i t ä t e n und von O r t s - u n d Z e i t a n g a b e n , sondern um Q u a n t i t ä t e n , also um eine Vielheit von Dingen handelt, die untereinander völlig, eventuell auch nur in bestimmter Hinsicht g l e i c h a r t i g sind und sich demnach g e g e n s e i t i g beliebig bzw. in jener bestimmten Hinsicht v e r t r e t e n können. Es ist wichtig, sich einmal ganz klar zu machen, daß die z a h l e n m ä ß i g e E r f a s s u n g die einzige Möglichkeit einer grundsätzlich unbegrenzt verfeinerungsfähigen Erkenntnis des Naturgeschehens bietet. Den u n g e h e u r e n Vorteil, der darin liegt, das zahlenmäßig erfaßte Naturgeschehen der mathematischen Behandlung, die h) Nach Piaton z. B. beruht die Wissenschaft, die Erkenntnis des Allgemeinen, Typischen, Einheitlichen in den Dingen auf einer Wiedererinnerung (Anamnese), auf einem Bewußtwerden angeborener Anlagen, welche das einstige Schauen der Ideen, der Urbilder der Dinge während einer „Präexistenz" hinterlassen hat. Die Sinneswahrnehmung gibt dann den Anlaß zur Besinnung auf das Begriffliche, mittels dessen wir das einzelne einheitlich zusammenfassen. (Vgl. das Handwörterbuch d. Philosophie von R. Eisler, S. 28.) i) Abweichend von E.May (I.e. S. 164) hält der Verfasser die Frage nach einem zureichenden Grunde für a b s o l u t d e n k n o t w e n d i g und darauf scheint es ihm in der Forschimg anzukommen. Auch das geistige Geschehen nehmen wir nicht als ein unmotiviertes, in willkürlicher „Freiheit" ablaufendes hin, sondern fragen stets nach den Gründen dieses Geschehens. Eben diese Motiviertheit suchen wir dann auch im Naturgeschehen wiederzuerkennen.
Einleitung
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allein, wir verweisen auf Anm. b), „notwendige und apodiktische Sätze" zu liefern vermag, zugänglich zu machen, werden wir auf fast jeder Seite dieses Lehrbuches erkennen* Die Zuordnung des Beobachteten zu mathematisch charakterisierten Zustandsgroßen und die Verknüpfung der Zustände und Zustandsänderungen in mathematisch formulierten Gesetzen kann falsch und wird im allgemeinen unzureichend sein. Die mathematischen Schlüsse aber, -welche wir aus dem mathematisch formulierten Voraussetzungen ziehen, haben Teil an der Notwendigkeit und apodiktischen Sicherheit aller mathematischen Erkenntnis. Wir kehren zur T h e o r i e n b i l d u n g zurück. Es war beispielsweise ein ganz großer Schritt vorwärts in unserer Naturerkenntnis, als Kepler und Newton in der Kraft, welche die Weltkörper verbindet, dieselbe Kraft wiedererkannten, die den Stein zur Erde zieht. Ein anderes, besonders in die Augen springendes Beispiel liefert Maxwelle e l e k t r o m a g n e t i s c h e L i c h t t h e o r i e , durch die er in den Lichtwellen eine Sondergruppe der elektromagnetischen Wellen seiner Theorie erkannte. In neuester Zeit wurden die Röntgenstrahlen als eine andere Gruppe derselben elektromagnetischen Wellen erkannt usf. Die Anzahl solcher Beispiele ließe sich unschwer stark vermehren, wir werden ihnen aber im Verlaufe unserer Darlegungen später ohnehin begegnen. Durch dieses Wiedererkennen des einen in dem anderen v e r e i n h e i t l i c h t und v e r e i n f a c h t sich das jeweilige physikalische Weltbild außerordentlich. Gerade das Streben nach einem s y s t e m a t i s c h e i n h e i t l i c h e n u n d d a b e i m ö g l i c h s t einf a c h e n und u n g e z w u n g e n e n O r d n u n g s s c h e m a für die Gesamtheit der uns jeweils direkt oder indirekt zugänglichen Naturerscheinungen, entspricht einer s t e t s v e r f o l g t e n R i c h t l i n i e in der gesamten P r a x i s der F o r s c h u n g . Die möglichste Einfachheit des gewählten Ordnungsschemas erleichtert stets und ermöglicht oft erst überhaupt eine klare Erkenntnis und verstandesmäßige Durchdringung, der verschiedenen Zusammenhänge. In diesem Sinne hat E. Mach recht, wenn er die tunlichste Einfachheit der die Erscheinungen darstellenden Theorie als eine F o r d e r u n g der D e n k ö k o n o m i e bezeichnet. Nach ihm hat die Naturwissenschaft den „ s p a r s a m s t e n , e i n f a c h s t e n , b e g r i f f l i c h e n A u s d r u c k " zum Ziele. Der Verfasser dieses Buches hat in einer früheren Veröffentlichungä) hervorgehoben, daß uns e i n f a c h u n d u n g e z w u n g e n nur e r s c h e i n e n k a n n , w a s uns e r e n D e n k - und A n s c h a u u n g s f o r m e n g e m ä ß ist. Nun haben wir eine, meist unbewußte, aber absolute Sicherheit dahingehend, daß unser Erkenntnisvermögen der zu ordnenden Außenwelt in a d ä q u a t e r Weise entspricht. Ohne d i e s e A d ä q u a t h e i t wäre unser Erkenntnisstreben letzten Endes überhaupt zum Scheitern verurteilt. A u s dieser A d ä q u a t h e i t aber folgt notwendig, daß wir in dem b e g r i f f l i c h u n d a n s c h a u u n g s g e m ä ß E i n f a c h e n und E i n h e i t l i c h e n auch ein K r i t e r i u m d e s im t i e f e r e n S i n n e W a h r e n besitzen. Eine andere Frage ist es freilich, bis zu welchem Grade die F o r d e r u n g der E i n f a c h s t h e i t im Dinglerschen Sinne, die e i n d e u t i g e Auswahl unter mehreren, an sich gleich brauchbaren theoretischen Darstellungen ermöglicht. Wenn neuartige Erscheinungen durch die Theorie mit dargestellt werden sollen, dann gibt es unter Umständen zwei grundsätzlich verschiedene Wege. Entweder man behält die alten Grundlagen bei und nimmt dafür, wenn nötig, auch eine größere Komplikation des weiteren Aufbaues in Kauf. Oder man r e v o l u t i o n i e r t die Grundlagen j) E. Lohr, „Die Kontinuumauffassung in der Physik". Scienti» 1929, Jänner S. 13.
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Einleitung
selbst, um dafür aus ihnen die neuen Tatsachen in einfachster Weise herleiten zu können. Im ersten Falle spricht man mit H. Dingler von „ i n n e n b e s t i m m t e r " , im zweiten Falle von „ a u ß e n b e s t i m m t e r " Einfachstheit k ). Wenn im zweiten Falle die „Grundlagen" lediglich „komplizierter" geworden sind, so bleibt die Entscheidung zwischen den beiden Wegen jeweils Sache des spezialwissenschaftlichen Fingerspitzengefühls. Wenn aber, und gerade das trifft für die modernen „nicht klassischen" Theorien, also für die R e l a t i v i t ä t s t h e o r i e und die Q u a n t e n t h e o r i e zu, die Revolutionierung der Grundlagen auch vor den Forderungen unserer-An s c h a u u n g s - u n d D e n k f o r m e n nicht halt macht, dann handelt es sich um tiefstgreifende philosophisch-erkenntnistheoretische Entscheidungen. Indem die moderne Q u a n t e n t h e o r i e innerhalb des korpuskularen Geschehens in den meisten Fällen g r u n d s ä t z l i c h nur Wahrscheinlichkeitsaussagen kennt und letzten Endes die „Objektivierbarkeit" unserer Beobachtungen bestreitet, verzichtet sie radikal auf eine unseren Denk- und Anschauungsformen adäquate Naturerkenntnis überhaupt. Das rührt an den Lebensnerv der Physik. Es bleibt ja unbestritten, daß eine Physik nur aufgebaut werden konnte und nur weiter verfolgt werden kann, weil in jedem brauchbaren Meßapparat Korpuskeln so zahlreich zusammenwirken, daß die Wahrscheinlichkeiten den Charakter von Gewißheiten annehmen und damit die Möglichkeit geschlossener Kausalketten, einer „objektiven" Existenz der am Experiment beteiligten Körper wiederhergestellt wird. Wir wollen einen gewissen, ich möchte sagen verführerischen Zauber, den die moderne Quantentheorie, als philosophischerkenntnis-kritischer Schritt über Kant hinaus, etwa im Sinne einer „neuen Meditationsstufe" (v. Weizsäcker „Zum Weltbild der Physik" 1944), zweifellos ausübt, nicht leugnen. Der Verfasser des vorliegenden Buches ist aber von der Denknotwendigkeit der Frage nach einem z u r e i c h e n d e n G r u n d e für jedes Geschehen überzeugt. Es erscheint ihm also „a priori" u n d e n k b a r , daß auf d e n s e l b e n Anfangszustand A unter d e n s e l b e n Bedingungen einmal ein Zustand B, ein andermal ein Zustand C usf. folge, wie es die Quantentheorie mit ihren grundsätzlich auf Wahrscheinlichkeit beschränkten Aussagen fordert. Wenn die Quantentheorie dieser Undenkbarkeit ausweicht, indem sie es als „sinnlos" ansieht, von einem jedesmal in gleicher Weise „ o b j e k t i v g e g e b e n e n " Anfangszustand überhaupt zu sprechen, also die „ A n w e n d b a r k e i t " unserer Denkkategorien in diesem Falle verneint, so sieht der Verfasser hierin jedenfalls einen schmerzlichen Verzicht, bei dem es vielleicht doch nicht für immer wird bleiben müssen. Daß in ihr aber ein weittragender Wahrheitsgehalt steckt, beweisen ihre ganz großen Erfolge. Die theoretischen Arbeiten des Verfassers entwickelten sich aus einer „ k o n t i n u i t ä t s t h e o r e t i s c h e n " Auffassung im G. Jaumannschen Sinne 1 ). Er ist demnach in ganz bestimmter Weise, nämlich unter Ablehnung der Vorstellung einer aus in sich selbständigen Korpuskeln mosaikartig zusammengebauten Welt, betont „ k l a s s i s c h " eingestellt. Von dieser extremen Korpuskel-Vorstellung h a t sich übrigens gerade die moderne Quantentheorie weitgehend emanzipiert. In dem vorliegenden Lehrbuche wird, nachdem in der Einleitung die Mannigfaltigkeit und Bedeutsamkeit der erkenntnistheoretischen Problematik für die Physik aufgezeigt oder wenigstens angedeutet wurde, von solchen Problemen kaum mehr die Rede sein. k) H. Dingler, Phys.-Z. Schw. 23, 47, 1922, „Die Methode der Physik" bei Reinhardt, München 1938, S. 284 f.; E. May, I.e. S. 108 und „Die Bedeutung der modernen Physik f. d. Theorie der Erkenntnis" bei Hirzel, Leipzig 1937, S. 112. 1) Näheres in „Atomismus und Kontinuitätstheorie in der neuzeitlichen Physik" von E. Lohr bei Teubner, Berlin 1926.
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Bei der Darstellung des physikalischen Lehrstoffes werde ich mich an die heute „ h e r r s c h e n d e n " theoretischen Ansichten halten. Es geschieht nicht aus Bequemlichkeit oder falscher Bescheidenheit, denn die Wahrheit kann nicht durch Mehrheitsbeschluß festgelegt werden. Es geschieht lediglich, weil nahezu das gesamte einschlägige physikalische Tatsachenmaterial naturgemäß in den Formen und Formeln der jeweils herrschenden, d. h. von der großen Mehrheit der Forscher dieser Zeit tatsächlich verwendeten Theorien erarbeitet, gesammelt und bereitgestellt wird. Der Zugang zu dem gehorteten Schatze physikalischer Kenntnisse soll aber dem Leser doch gerade f r e i g e l e g t und darf ihm nicht durch eine, wenn auch vielleicht theoretisch bis zu einem gewissen Grade berechtigte Eigenbrötelei verschüttet werden. Theorie um der Theorie willen zu treiben, wird allerdings n i c h t Aufgabe dieses Buches sein. Die unabdingliche Bedeutsamkeit der theoretischen Begriffsbildung jedoch geht besonders eindringlich aus der Tatsache hervor, daß ein geeignetes t h e o r e t i s c h e s S c h e m a , zumindest vermutungsweise, auch immer schon a m A n f a n g e d e s p h y s i k a l i s c h e n F o r s c h e n s u n d E x p e r i m e n t i e r e n s stehen muß. Ohne einen führenden theoretischen Gedanken käme man ja nie zu einer sinnvollen Fragestellung an )'; jf + Ctjj Schließlich soll noch der Weg aufgezeigt werden, auf dem die t a t s ä c h l i c h e E r m i t t l u n g d e r N o r m a l f o r m einer symmetrischen Dyade erreicht werden kann. Zunächst folgt aus (12, 5, b) (23,5, b) " 0 . i ' = aii' Indem wir die i, j, f-Komponenten von 0 • t' sowohl durch (16. 5, b) wie durch (23, 5, b) ausdrücken, erhalten wir die Relationen: («n — «i) i ' i' t « 1 2 j • i' + a n f • „= 0 a121 • t' + («,,"— a x ) j • t' + «23 * " = 0 «31 i • i' + «ä3 i • i' + («33 — «l) i • = 0 Sollen f ü r die Richtungskosinusse i • i', j • i', f • i' von Null verschiedene Lösungen existieren, muß bekanntlich die D e t e r m i n a n t e (24 5, b)
(25,5, b)
«11 — «1 o 12
«12 a, 2 — al
«31 a,3
= 0
«3i «-23 «33 — «1 sein. Wären wir von 0 • j' oder 0 • !' ausgegangen, würden wir auf d i e s e l b e Determinante geführt worden sein. Tatsächlich entspricht die Determinante einer Gleichung d r i t t e n Grades f ü r a1 der sogenannten „ S ä k u l a r g l e i c h u n g " . Sie besitzt d r e i r e e l l e W u r z e l n , die respektive mit alya2,a1 zu identifizieren sind. Fassen wir nun, was ohne weiteres möglich ist, die Neunerform zu (8, 5, b) zusammen (26, 5, b) = i;2i-t+ f; C und setzen (27, 5, b) i' = 1 • i' = ti • i' + ij • i' + ff • i' so folgt aus (23, 5, b) (28 5, b) (21 — 0 l i ) • t' = 0, (58 — %j) • i' = 0, (OS — a j ) • t' = 0 Wenn in wenigstens z w e i e n dieser Gleichungen der Klammerausdruck von Null verschieden ist, so bestimmen sie die Richtung i'. die dritte Relation wird dann automatisch erfüllt. Analog erhält man die Eigenvektoren }', f . Die eindeutige Bestimmung wird und muß versagen, wenn zwei oder drei Eigenwerte übereinstimmen. Für die isotrope Dyade sind ja gemäß (17, 5, b) a l l e Dreibeine gleichwertig.
Vektoren, Geschwindigkeiten, Beschleunigungen
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Weise orientierten Ebene fest, deren „ p o s i t i v e N o r m a l e " durch die P f e i l r i c h t u n g von o gegeben wird. Denken wir uns nun, gemäß Abb. 11, über drei nicht in einer Ebene liegende Vektoren a, 6, C ein P a r a l l e l e p i p e d konstruiert, so wird sein V o l u m e n (Rauminhalt) V ersichtlich durch das sogenannte s k a l a r e T r i p e l p r o d u k t (9,6) 7 = axt)'c-cxa'bst)xc'fl = = c • a x b - 6 • c x a = a • b x c = [a6c] gegeben (sprich: Klammer abc). Der Leser überzeuge sich davon an H a n d der Abbildung. Wichtig ist auch die Bemerkung, daß z. B a X b • c sowohl als Projektion von c auf die Richtung (10, 6) a X b = o wie auch als Projektion von o auf die Richtung von c gedeutet werden kann, erweitert natürlich durch die entsprechenden Beträge. Der strichlierte Teil der Abb. 11 veranschaulicht die Tatsache, daß die Projektion des Flächenvektors o auf einen Einheitsvektor c, die Projektion, des Ebenenstückes o auf die zu c senkrechte Ebene ergibt und zwar mit dem p o s i t i v e n oder n e g a t i v e n Vorzeichen, je nachdem o und c einen spitzen oder stumpfen Winkel einschließen. Dieser Satz gilt allgemein f ü r beliebig berandete Ebenenstücke, die m a n sich ja jetzt aus hinreichend kleinen Parallelogrammen bzw. Dreiecken zusammengesetzt denken darf. Aus obiger Vorzeichenregel folgt weiter, daß die Projektion der g e s a m t e n , aus beliebig vielen, beliebig berandeten ebenen Flächenstücken bestehenden O b e r f l ä c h e eines begrenzten Raumes oder Körpers auf eine b e l i e b i g e Fläche stets den Wert N u l l ergeben muß. Das bedeutet aber das f, I Verschwinden der Vektorsumme über alle Flächenvektoren o k der V 1$ f Teilflächen jeder g e s c h l o s s e n e n Fläche (Oberfläche). ' Die Gleichungen (9,6) sprechen eine ungemein b r a u c h b a r e R e c h e n r e g e l aus, die der Leser sich gut einprägen wolle. Schon die Bezeichnungsweise [abc] soll daran erinnern, daß sich der W e r t des s k a l a r e n T r i p e l p r o d u k t e s n i c h t ä n d e r t wenn a, b, C z y k l i s c h (s. S. 13) und wenn das Punkt- u n d das Kreuz-Zeichen u n t e r e i n a n d e r vertauscht werden. Vertauschung z w e i e r VekVolumen toren jedoch ändert das Vorzeichen. Da das skalare Tripelprodukt A b b n mit dem Volumen des zugehörigen Parallelepipeds gegen Null geht, eines Parallelepiv e r s c h w i n d e t es, wenn seine 3 Vektoren k o m p l a n a r sind, ins- peds und Projektion besondere also wenn z w e i seiner Vektoren ü b e r e i n s t i m m e n . f^um^kalarerfirT Das Verschwinden ihres skalaren Tripelproduktes ist geradezu peiprodukt) " das K r i t e r i u m f ü r die K o m p l a n a r i t ä t dreier Vektoren. Die Sätze über das skalare Tripelprodukt liefern auch den Beweis f ü r das Zutreffen des d i s t r i b u t i v e n Gesetzes der K r e u z - M u l t i p l i k a t i o n . E s gilt: (11,6)
c
)} = (e X a) • (b + c H ) ^ (e X o) - b + • {o X (b + c H + (e X o) • c H • • c • {o x b + a x c + • • •}
f ü r b e l i e b i g e e, somit auch (12, 6)
ax(b + c + -")-=5axb + a x c
+
Wir kehren jetzt zur Vektorzerlegung von Abb. 10 zurück. Da a X e den Betrag ¡ a | sin (a, e) besitzt und auf der Ebene a,-c senkrecht stehend mit a und e ein
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Allgemeine Mechanik und Mechanik starrer Körper
Rechtssystem bildet, so stimmt e X ( o X e ) dem Betrage und der Richtung nach mit a • e'e' überein, wodurchmitBenutzungvon(2,6), die Relation (4,6) v e r i f i z i e r t ist, die ersichtlich wegen (3,5) und (8,6) auch zutrifft, wenn e kein Einheitsvektor erscheint. Es ist nun ein leichtes, auch für drei b e l i e b i g e , n i c h t k o m p l a n a r e Vektoren a, 6, C, den für das p r a k t i s c h e R e c h n e n e n t s c h e i d e n d w i c h t i g e n E n t w i c k lungssatz3). (13, 6) a x (b X c) = (c x b) x a = a • cb — a • bc zu beweisen. Jedenfalls muß der auf der Ebenennormale von b, C senkrechte Vektor, selbst in die b, C-Ebene fallen, also mit u und v, als noch zu bestimmenden skalaren Werten, die Darstellung: (14,6) a x ( b x c ) = !ib-t)c möglich sein. Wir multiplizieren beiderseits skalar mit a X b und erhalten mit Benützung der Sätze über skalare Tripelprodukte, sowie der Relation (4, 6): (15,6) (a X b) • {o X (b x c)} = {(a X b) x a} • (b x c) = (a • ab - a • ba) • (b x c) = = - a • 6a • (B
x c) =
— v (a
x b) • c,
also gerade, wenn a, b und c nicht komplanar sind a •b= v
(16, 6)
Durch Multiplikation mit a X C folgt ebenso (17,6) m =-= a • c Wir notieren noch
ti ll 8s , b6v)
r i X i = f, i X l = i, f x i = j tiXi = i x j = fxf = o
sowie m i t Verwendung d e r Bezeichnungen v o n (7, 5) die K o m p o n e n t e n d a r Stellung des V e k t o r p r o d u k t e s :
(19,6)
SB x SB = ( V y W , -
Vz Wy )i + {VZ WX - V.Wt ) j + {Vx Wy -
V9 W,)l
oder als s y m b o l i s c h e D e t e r m i n a n t e geschrieben a) Die Gleichung einer G e r a d e n kann auch in der Plückerschen Form geschrieben werden. (1, 6, a) r X e= c Da dann (2, 6, a) t •e= u noch b e l i e b i g e Werte annehmen kann, erhalten wir als Lösung der beiden Gleichungen nach r, indem wir den E n t w i c k l u n g s s a t z benützen: (3, 6, a) e x (i X e) = r — i • ee = e x c (4, 6, a) r = e x c + ue Ein Vergleich mit (1, 4, e) lehrt, daß es sich um eine parallel zu e durch die Spitze von e X c laufende Gerade handelt . Ist in (5, 6, a) r•e= a a k o n s t a n t , so liegt, wie man sich leicht an Hand einer kleinen Figur überzeugt, die s k a l a r e Gleichung e i n e r E b e n e vor, die die Spitze von ae~ l enthält und auf e senkrecht steht. Bedeutet e einen Einheitsvektor, so bestimmt a den A b s t a n d der Ebene vom Koordinatenursprung. Die S c h n i t t g e r a d e zweier nicht paralleler Ebenen (6, 6, a) r • ex = flj r • e2 = a 2 muß mit e1 x e2 parallel sein, ihre Gleichung lautet in der Plückerschen Form : (7, 6, a) r X (ej x e2) = a2 e1 — a1 e2
Vektoren, Geschwindigkeiten, Beschleunigungen
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jt i f 93 X 2S = ! V x V y V, ] Wx Wy Wz
(20, 6)
Mit
VL=U.\
(21,6)
+ Ut i+l7,!
erhält man als K o m p o n e n t e n d a r s t e l l u n g des s k a l a r e n T r i p e l p r o d u k t e s die gewöhnliche Determinante: XL • » X SB = [U933S] =
(22, 6)
; Ux Uy Uz F , F„ F , ! Wx WyW,\
In bezug auf die K r e u z - M u l t i p l i k a t i o n muß sich der Leser m e r k e n : 1. Wie man als Produkt zweier Vektoren einen neuen Vektor bildet. 2. Daß auch die KreuzMultiplikation d i e s e l b e n formalen R e c h e n r e g e l n befolgt, wie jene mit gewöhnlichen Zahlen, a b g e s e h e n v o m k o m m u t a t i v e n G e s e t z , das durch (7, 6) ers e t z t wird. Als A u s n a h m e f a l l ist jetzt zu berücksichtigen, daß nach (6, 6) das P r o d u k t von zwei von Null verschiedenen, jedoch p a r a l l e l e n , V e k t o r e n v e r s c h w i n d e t . Prägt sich der Leser noch die S ä t z e ü b e r s k a l a r e u n d v e k t o r i s c h e T r i p e l p r o d u k t e fest ins Gedächtnis, so besitzt er a l l e zum praktischen Rechnen in der Vektoralgebra u n e n t b e h r l i c h e n Hilfsmittel 11 ). b) F ü r das Rechnen m i t s c h i e f w i n k l i g e n Achsensystemen a, b, c erweist sich die Einf ü h r u n g des r e z i p r o k e n S y s t e m s a*, b*, c* durch die Definitionsgleichungen:
m c6i b^
(1
a
»
fixe
t.*cxa
*
0
*
6
6 = >—«r^r' = [abc] > c* = — [abc] [abc] als s e h r vorteilhaft. Aus (1, 6, b) folgen die, auch ihrerseits (1, 6, b) eindeutig bestimmenden Relationen: (2, 6, b) a • a* = b • b* = c • c* = 1, a • b* = a • c* = b • a* = b • c* = c • a* = c • b* = 0 D r e i b e i n e sind ersichtlich zu sich selbst reziprok. Als einfaches Anwendungsbeispiel weisen wir darauf hin, daß mittels des reziproken Systems aus (17, 4) sofort (3, 6, b) SB • a* = SS • b* = V2 , SB • c* = V3 u n d d a n n weiter: (4, 6, b) 35 = 93 - (a*; a + b*; b + c*; c) = SB • / f ü r b e l i e b i g e SB folgt. F ü r die, ja s y m m e t r i s c h e , I d e n t i t ä t s d y a d e erhalten wir somit die neue Darstellung: (5, 6, b) I = a * ; et + b*; b + c*; c = o; Q* + b; b* + c; r* Sind i r g e n d d r e i Projektionen einer Dyade 0 nach drei nicht komplanaren Richtungen gegeben (6, 6, b) ® • ex = 81, 0 • e2 = 58, • e 3 = © so folgt mittels des reziproken Systems sofort die explizite Darstellung: (7, 6, b) 0 - e i ; e* + 0 • e 2 ; e£, + '
42
Allgemeine Mechanik und Mechanik starrer Körper
7. G e s c h w i n d i g k e i t Wir betrachten nun weiter die Verschiebung eines Massenpunktes. Die Verschiebung wird im allgemeinen n i c h t g e r a d l i n i g verlaufen, sondern einen polygonalen Linienzug, meist aber eine k r u m m e L i n i e beschreiben. Die letztere dürfen wir aber praktisch immer durch einen polygonalen Linienzug aus hinreichend vielen, hinreichend kleinen, als geradlinig anzusehenden V e r s c h i e b u n g s - , bzw. W e g E l e m e n t e n b>
V ; V * = t; i gcx?2 + t; 8x öy + i; ! — 8x % 8z
SySx ^ +
' 8z 8x
+
u [
8y2 ^
' 1 8z 8y
u
+
Sy 8z '
öz2
Allgemeine Mechanik und Mechanik starrer Körper
74
Da von jedem Massenelement F e l d l i n i e n „ d i v e r g i e r e n " , ist jetzt auch die Bezeichnung D i v e r g e n z verständlich. Dasselbe Ergebnis, welches Gleichung (13, 13) ausspricht, müssen wir selbstverständlich auch durch Divergenzbildung d i r e k t aus (13,12) erhalten. Die Berechnung dieser Derivation erfordert aber eine sehr sorgfältige Berücksichtigung der auftretenden S i n g u l a r i t ä t e n , da der odV an der Stelle r = 0 entsprechende Beitrag, im Gegensatze zu den Beiträgen bzw. in den Relationen (3, 12) bzw. l r
r
(11,12), jetzt nicht mehr verschwindet, sondern es gerade auf diesen Beitrag wesentlich ankommt. (Vergl. des Verfassers „Vektor- und Dyadenrechnung" S. 158—159). Durch die soeben gegebene Untersuchung sind wir auf durchsichtigem und physikalisch lehrreicherem Wege zum Ziele gelangt. Wir fügen hier noch eine wichtige Bemerkung hinzu. Für jeden Teil einer Feldröhre, der keine Massen (keine Divergenzen des Feldes) enthält, muß das in Abb. 18 angedeutete Oberflächenintegral nach (6,13) verschwinden. Nach dem Gaußsehen Integralsatze (23,11) wird für die, einen d i v e r g e n z f r e i e n Raumteil eines b e l i e b i g e n Vektorfeldes SS umschließende Oberfläche ebenfalls (14,13)
(fid o-SS = 0
gelten. Der Feldröhrenteil der Abb. 18 kann also i r g e n d e i n e m Vektorfelde zugehören. Jedenfalls verschwinden in (14, 13) die Beiträge der Röhrenwand, in welcher ja do _L SS steht und Abb. 18. Ebener Schnitt durch den es bleibt nur divergenzfreien Teü einer Feldröhre, Bedeutung der Pfeile wie in Abb. 16
(15,13)
fdo-SS
-hfdo-%
= 0
Zieht man demnach die Flächennormalen der QuerschnitteF x u n d F 2 b e i d e M a l e im Richtungssinne des Feldes, so besagt (15,13), daß der F1 u x d e s V e k t o r f e 1 d e s i n n e rh a l b d e r s e l b e n F e l d r ö h r e f ü r a l l e Q u e r s c h n i t t e k o n s t a n t i s t , Röhren, also wegen (7, 13, b)
8z 8x 8x 8z 8x dy 8y 8z ' 8y 8z 8z 8y V ; Vx e ' n e symmetrische Dyade und es gilt daher (8,13,b) ( V * ) - ( V ; V*) = (V; V ^ M V * ) womit der Beweis für das Zutreffen der Umformung (3, 13, b) geschlossen ist. Diese Umformung ist hier insofern von grundsätzlicher B e d e u t u n g , als wir mit ihrer Hilfe auch der Volumkraft der Gravitation q V / die Gestalt der Derivation einer Spannungsdyade (9, 13, b)
&0T
=
4 nk (Vx);
(V*)-y(V*)2I]
geben können, so daß also (10, 13, b) Q x 7 x = y . 0 g r wird. Da man bei den sich darbietenden Problemen in der Regel von den in Wechselwirkung stehenden Massen — etwa jenen der Weltkörper — ausgehen muß und nicht u n m i t t e l b a r vom Gravitationsfeld V % selbst, verspricht das Rechnen mit der Spannungsdyade in der Gravitationstheorie wenig praktischen Vorteil. Es handelt sich übrigens formal-mathematisch um genau dieselbe Umformung, welche von der CW,oTO&schen Kraft auf die elektrische Ladung (Ladungsdichte) zur zugehörigen elektrischen Spannungsdyade (s. Erl. 39) führt.
Das Gravitationsfeld
75
die gemessen in irgend welchen geeignet gewählten, auch beliebig kleinen Einheiten, den Flux Eins führen, heißen E i n h e i t s r ö h r e n . Der Aufbau des Feldes aus Einheitsröhren ergibt auch eine vernünftige Vereinbarung über die zur Charakterisierung des Betrages von SS zu zeichnenden Feldlinien, eben als B e g r e n z u n g s l i n i e n der Einheitsröhren (s. die Maxwellsche Konstruktion Erl. 37). Da d o • SS den Überschuß der aus dem betreffenden Volumen austretenden Einheitsröhren über die eintretenden mißt, e n t s p r i n g e n oder münden gemäß (16,11) Einheitsröhren in einem Volumelement, je nachdem div 3? dort positiv oder negativ ist. Man spricht demgemäß von Q u e l l e n und S e n k e n des Vektorfeldes $ und nennt dann div die „ Q u e l l e n d i c h t e " . Als skalare Ortsfunktion aufgefaßt, heißt div SS das Q u e l l e n f e l d des Vektorfeldes. In Gebieten, wo (16, 13)
div SS = 0
ist, heißt das Vektorfeld q u e l l e n f r e i .
14. E i n f a c h e A n w e n d u n g e n , i n s b e s o n d e r e a u c h B e r e c h n u n g des O b e r f l ä c h e n f e l d e s der E r d e Auf eine einfache und sehr vorteilhafte Anwendung des Satzes (11,13) bzw. (12,13) führt die Aufgabe der Berechnung des P o t e n t i a l f e l d e s e i n e r K u g e l , deren Dichteverteilung k u g e l s y m m e t r i s c h , also nur Funktion des radialen Abstandes sein soll. D i e Ä q u i p o t e n t i a l f l ä c h e n einer solchen Kugel werden aus S y m m e t r i e g r ü n d e n K u g e l f l ä c h e n und der B e t r a g d e s G r a d i e n t e n wird auf je einer Kugelfläche k o n s t a n t sein müssen. Aus diesen Voraussetzungen folgt für irgend eine Kugelfläche mit dem Radius r im A u ß e n r a u m e aus (12,13) (1,14)
(|j(Zo • XJ% = 4 ? r r 2 | V ^ I = ^ 7t 1cm
worin m die G e s a m t m a s s e der Kugel bedeutet. VX ist natürlich radial nach außen gerichtet, somit erhalten wir aus (1,14) (2-14)
=
und für das Potential selbst (3,14)
/ = —k — r
Potential und Kraft im A u ß e n r a u m e der Kugel sind genau dieselben, als wenn d i e g e s a m t e M a s s e d e r K u g e l in i h r e m M i t t e l p u n k t e v e r e i n i g t w ä r e . Da g, als Funktion des Radius, auch bis zu irgend einem bestimmten Werte desselben gleich Null gewählt werden kann, gilt obiger Schluß ebensowohl für die H o h l k u g e l . Die in der Folge für die Kugel gewonnenen Sätze umfassen die Hohlkugel als Sonderfall immer mit. Für irgend eine i n n e r e Kugelfläche gelten die Gleichungen (1,14) und (2,14) ersichtlich genau so, wie im Außenraume. Der Unterschied der beiden Fälle liegt lediglich darin, daß sich im zweiten Falle a u c h d i e u m s c h l o s s e n e M a s s e mit dem Radialabstande r gemäß r
(4, 14) ändert. Aus (2, 14) folgt dann
m
=
J4-n
o
r 2Q
(r)
dr
78
Allgemeine Mechanik und Mechanik starrer Körper
(5,14)
x =
JJ^rL
k
d r +
konst
Besitzt die Kugel k o n s t a n t e Dichte q und wählen wir die Integrationskonstante in (5,14) so, daß der Wert von % an der Kugeloberfläche (r = R) s t e t i g in den dort aus (3,14) folgenden Wert übergeht, so erhalten wir a ): (6,14)
m
=
x =
k ~ g ( r ^ - 3i? 2 ),
=
Wir wollen jetzt weiter die „ r e s u l t i e r e n d e K r a f t " berechnen, die eine Kugel mit der Dichteverteilung p1(r1) auf eine zweite Kugel mit der Dichteverteilung p2(rg) ausübt und müssen zu diesem Ende über alle von der ersten Kugel auf die Volumelemente der zweiten Kugel wirkenden Anziehungskräfte integrieren: (7,14)
=
$=fdV2f v,
-JdV2g2(rB)VXi v,
Mit Benützung von (2,14) für VXi erhalten wir weiter (8,14)
$ = - kmif
r
d V2
v,
worin m1 die Gesamtmasse der ersten Kugel, r den Abstand des ersten Kugelmittelpunktes, r 2 den Abstand des zweiten Kugelmittelpunktes von dem betreffenden Volumelemente dV2 der zweiten Kugel bedeuten und (— r) von diesem Volumelemente gegen den ersten Kugelmittelpunkt als A u f p u n k t gerichtet ist. Ein Vergleich von (13, 12) mit (8, 14) lehrt, daß für den Mittelpunkt der ersten Kugel als Aufpunkt: (9,14)
-
k
j
d V t
e*gL{_-
l )
=
_
V X t
r,
ist. Da aber V f o ™ bezug auf die zweite Kugel genau so zu berechnen ist, wie V Z i in bezug auf die erste, so folgt, wenn noch r 12 den Abstand der beiden Kugelmittelpunkte und r12 den vom ersten zum zweiten Kugelmittelpunkt gezogenen Einheitsvektor bezeichnet, wegen der vorausgesetzten kugelsymmetrischen Dichteverteilung, gemäß (2, 14): 4M (10, 14) rn
und schließlich
a) Liegt eine Hohlkugel vor, deren materielle Schale konstantes q und den Innenradius R besitzt, so gilt innerhalb der Kugelschale: (1, 14, a)
2 Ri , _3. , 2jt m = -5-g (r3 — Ri), £ = « - ö - e r' — 3R1 +
(2,114, a)
r—,
Im Hohlraum selbst haben wir m gleich Null, also nach (5, 14) konstantes P o t e n t i a l und zwar wegen der Stetigkeitsforderung an der Grenze r = R t (3,14, a) und selbstverständlich: (4,14, a)
X
=
k 2
(-ff* — V^ = 0
Über einige andere interessante Sonderfälle vgl. etwa S. 162 f. in dem unter (11, a) genannten Buche des Verfassers!
Das Gravitationsfeld
(11, 14)
77
Ti
r
l\
Das ist also die durch V e k t o r a d d i t i o n s ä m t l i c h e r E i n z e l k r ä f t e sich ergebende r e s u l t i e r e n d e Anziehungskraft der einen Kugel auf die andere. Da es im Falle zweier s t a r r e r Kugeln nur auf diese r e s u l t i e r e n d e K r a f t ankommt (s. Anm. 20d), verhalten sich zwei solche Kugeln, was ihre Massenanziehung betrifft, wie zwei in ihren M i t t e l p u n k t e n befindliche i d e a l e M a s s e n punkte. Von besonderem praktischen Interesse ist das G r a v i t a t i o n s f e l d a n d e r O b e r f l ä c h e der genähert als K u g e l aufgefaßten E r d e b ) . Nehmen wir für die absolute Gravitationskonstante den nach Nummer 12 aus Laboratoriumsversuchen folgenden Wert 0 ) (12, 14) k = 6.68.10- 8 Für die an der Erdoberfläche gemessene Beschleunigung der Erdschwere wählen wir, um von dem Einflüsse der Erdrotation (Fliehkraft) unabhängig zu sein, deren Wert am Pol (nach Cassinis 1930): (13, 14) g = 983.22 cm s~ 2 Da also das Gewicht des Körpers mit der Masse m 2 am Pol lediglich durch die Anziehung der Erdmasse m 1 bedingt wird d ), gilt nach (3, 9) und (11, 14) (14,14)
|$|
(15, 14)
=m2?==Ämim' mx =
ygR
k
Für R setzen wir, da sich m2 am Pole befinden soll, den Wert der halben kleinen Achse der Erde: (16,14) R12 = 6357.10 5 cm Der Körper m 2 braucht, da er im Verhältnis zur Erde stets als Massenpunkt angesehen werden darf, keineswegs Kugelgestalt zu besitzen, für die Erdkugel ergibt sich aus (15, 14) als Gesamtmasse rund: m 1 = 6.1027 g
(17, 14) Da sich das Volumen der Erde zu (18, 14)
Vx = 1.083.1027 cm3
berechnet, erhalten wir schließlich für die m i t t l e r e Erddichte rund (19,14)
6m
= 5.5 g e r n - 3
Als mittleren Erdradius merken wir uns (20, 14)
R = 6368 km
Die Beeinflussung der Erdschwere durch die Sonnenmasse (wie auch die durch die Mondmasse) haben wir vernachlässigt. Das ist im allgemeinen berechtigt (jedoch b) Eine bessere Näherung erhält man bekanntlich, wenn man die Erde als abgeplattetes Rotationsellipsoid mit der großen Halbachse = 6378.4 km und der kleinen Halbachse = 6356.9km annimmt. c) Eine Zusammenstellung der bis 1927 durchgeführten Messungen findet sich in Müller Pouillets, „Lehrbuch der Physik" bei Vieweg in Braunschweig, 11. Aufl. 1929,1. Bd. S. 599. d) Der Einfluß anderer Weltkörper (Sonne, Mond) bleibt hier natürlich außer Betracht.
78
Allgemeine Mechanik und Mechanik starrer Körper
nicht beim Phänomen von Ebbe und Flut), da man erstens für die von der Sonne herrührende Gesamtbeschleunigung mit den Werten (21, 14) M = 2.10 3 3 g, rQ = 1.5.10 1 3 cm für Sonnenmasse und Sonnenabstand aus einer (14, 14) entsprechenden Formel im cm Erdmittelpunkte nur rund 0 . 6 - ^ - erhält. Zweitens w i r k t s i c h d i e s e B e s c h l e u n i g u n g in d e r B e w e g u n g d e r E r d e u m d i e S o n n e a u s , während für die B e schleunigung von Körpern r e l a t i v z u r E r d e nur die noch wesentlich geringeren Differenzen des von der Sonne an den verschiedenen Oberflächenpunkten der E r d e verursachten Beschleunigungen in Rechnung zu setzen sind e ). Mit diesen Vernachlässigungen und abgesehen von der Wirkung der Erdrotation sind für eine kugelförmige und kugelsymmetrische E r d e die Äquipotentialflächen konzentrische Kugelflächen. Da das Wasser keine Formbeständigkeit (s. S. 2 1 6 ) besitzt, entspricht das N i v e a u der Meeresoberfläche einer Ä q u i p o t e n t i a l f l ä c h e , e) Um diesen Fall rechnerisch zu verfolgen überlegen wir, daß wir den Ort irgend eines Raumpunktes A in jeder den Sonnenmittelpunkt S, den Erdmittelpunkt E und A enthaltenden Ebene, und alle diese Ebenen sind wegen der vorausgesetzten axialen Symmetrie gleichwertig, durch die beiden K o o r d i n a t e n R und y festlegen können, wenn R den radialen Abstand EA und y den Winkel zwischen EA und ES bedeutet. Dabei ist dann (1, 14, e) ES = rQ = konst anzunehmen. Für das Sonnenpotential in A erhalten wir mit Verwendung des Kosinussatzes der Trigonometrie: M k M ,o IA /i1 — o2 R R\A~cos y ,+ ( (2, 14, e)\ y. = — k7 = )Aq + -S2 — 2r Q R cos y
r
Q
rQ
\
V rQ .
Da wir uns nur für Orte an der Erdoberfläche interessieren, können wir (3, 14, e)
-^- aus (2, 14, e) folgt: \ R 1 f R Y , 3 / R y> „2 k M cos y + — cos (4, 14, e) x, rQ 2 \rQ ) 2 \rQ! rQ Das konstante Glied liefert keinen Beitrag zur Gravitationskraft — V y_s — Das zweite Glied ergibt durch Differentiation 8 l — kM R cos y\ kM 8 ( — kMR cos y \ kM . v (5'14'e)
- H * {
fr
)
=
C0S
y ;
~~ Rdy
(
5
=
Das sind aber nach (2, 9) und (11, 14) die Radial- und die Tangentialkomponenten der allen Punkten der kugelsymmetrischen, starren, nicht rotierenden Erde gemeinsamen Translationsbeschleunigung , die parallel zu E S gerichtet ist. Die von der Sonne herrührende Beschleunigung, r e l a t i v zur E r d o b e r f l ä c h e wird demnach innerhalb unserer Näherung durch das 3. und 4. Glied von (4, 14, e) 3 kMR2 1 , . e, 6, 14, =" T _ 003 2 'o bestimmt. Denken wir uns die Erdoberfläche gleichmäßig mit Wasser überschichtet und verstehen jetzt unter R den Radius der Erdkugel bis zur Wasseroberfläche, wie sie sich ohne die Störung durch die Sonne'nanziehung einstellen würde, unter h die durch diese bedingte Niveauänderung, so wird das neue Niveau im Falle des Gleichgewichtes durch (7, 14, e) _ Xs2 = konst bestimmt. Hierin bedeutet ,,
,
,
m
km
/,
h \
Das Gravitationsfeld
79
daher auch der Name N i v e a u f l ä c h e n . Die Darstellung der Niveaudifferenzen auf den Landkarten durch S c h i c h t e n l i n i e n erfolgt zwar so, daß benachbarte Schichtenlinien gleichen H ö h e n d i f f e r e n z e n dh zugehören, sie entsprechen aber in e r s t e r N ä h e r u n g auch gleichen P o t e n t i a l d i f f e r e n z e n dx; es gilt ja: r
r
x
—
+
und somit (23, 14)
6X = ( k ^ j dh
Die S c h r a f f i e r u n g der Landkarten wieder ist ein Sonderfall der Darstellung eines Feldes durch F e l d l i n i e n . Innerhalb eines Laboratoriums und auch in noch größeren Verhältnissen können die Erdradien, also nach (2,14) auch die Feldlinien des Gravitationsfeldes der Erde das der Erdanziehung entsprechende Potential. Da h eine Folge der Sonnenanziehung ist, wird es für verschwindendes gleich Null bleiben; die Konstante in (7, 14, e) ist demnach gleich ( km \ I 1 und es folgt: (0.14.6,
*
» J L ^ f « . . 2 m rsQ \ '
Solange (10, 14, e)
j cos y > 1/4-
3,
y < 54° 44' 8"
1 oder * 3 (11, 14, e) y > 125» 15' 52" ist, behält h einen p o s i t i v e n Wert. Mit Rücksicht auf die axiale Symmetrie können wir sagen: Innerhalb eines Doppelkegels mit der Spitze in E und dem Öffnungswinkel 54° 44' 8" steht das Wasser höher, außerhalb desselben tiefer, als es ohne Störung durch die Sonnenanziehung der iaU wäre. Hierdurch wird die von Bernoulli stammende „Gleichgewichtstheorie" von Ebbe und F l u t , soweit sie durch die Sonne bewirkt wird, begründet. Der stärkere Mondeinfluß lolgt aus einer genau analogen Überlegung. Um mit der Wirklichkeit übereinstimmende Ergebnisse zu erzielen, muß man zur „ d y n a m i s c h e n Theorie" übergehen, welche die Trägheit des Wassers und dessen Bewegungshindernisse berücksichtigt. Der interessierte Leser lese etwa die Seiten 347—354 in Müller-Pouillets Lehrbuch der Physik Bd. V/1 (1928) nach. Für uns war hier wesentlich zu zeigen, wann und in welcher Weise der Einfluß der Sonnen- und analog der MondAnziehung auf irdische Vorgänge in Rechnung zu setzen ist (vgl. auch 1. e. S. 719 „Gezeiten des Erdkörpers"). Handelt es sich nicht um an der Erdbewegung teilnehmende Körper, sondern um einen irgendwie bewegten oder auch anfangs ruhenden Massenpunkt zwischen Sonne und Erde, so wird seine Beschleunigung durch die Summe aus dem gesamten Sonnen- und Erd-Potential
(12, 14, e)
x
+
gegeben, worin Ii und rs die v a r i a b l e n Abstände von Erd- bzw. vom Sonnenmittelpunkt zum Aufpunkte, also zum Orte unseres Massenpunktes bedeuten. Der Leser berechne zur Übung, indem er (13, 14, e) E + rs = rQ = 1.5.1013 cm setzt, mit diesen Werten von rs in die Gleichung (12, 14, e) geht, diese nach R differenziert und den Differentialquotienten zu Null macht, den Ort des Potentialmaximums auf der Linie ES, von welchem Orte ab der ursprünglich ruhende Massenpunkt nicht mehr zur Erde zurück, sondern m die Sonne fallen würde. Wählt man den Nullpunkt für das Erdpotential im Unendlichen, so folgt für das Erdpotential an der Oberfläche der Erdkugel aus (3, 14), (12, 14), (17, 14) und (20, 14): (14, 14, e) X = ~ 6.3.1011 cm2 s~2
80
Allgemeine Mechanik und Mechanik starrer Körper
mit sehr guter Näherung als u n t e r e i n a n d e r p a r a l l e l e G e r a d e und der Betrag | I als k o n s t a n t angesehen werden, wovon sich der Leser durch eine kleine numerische Abschätzung selbst überzeugen möge. Ein Feld mit den soeben präzisierten Eigenschaften, das heißt: V / oder allgemeiner 35 der R i c h t u n g und dem B e t r a g e n a c h k o n s t a n t ; bezeichnet man als ein h o m o g e n e s F e l d . Insoweit das Gravitationsfeld der Erde als h o m o g e n e s Feld betrachtet werden darf, gilt mit Benützung von (2, 14) und (20, 14) entsprechend (15, 14) (24,14)
=
7YI
=
worin f einen lotrecht nach aufwärts weisenden Einheitsvektor und — den konstanten Vektor der von der Gravitation erzeugten Beschleunigung bezeichnet. — cj selbst ist der t a t s ä c h l i c h e Beschleunigungsvektor der E r d s c h w e r e , herrührend von der Gravitation und von der Fliehkraft bei der Erddrehung.
5. K a p i t e l
Weitere grundlegende Begriffe und Gleichungen der Mechanik 15. Newtonsche
Grundgleichung der Mechanik und (Impulssatz)
Schwerpunktsatz
Wir haben die Newtonsche Grundgleichung ursprünglich in der Form (2, 9) für Massenpunkte angeschrieben und sie dann in (1,11) auf materielle Volumelemente, die von F l ä c h e n k r ä f t e n angegriffen werden, spezialisiert. Wir wollen hier der Allgemeinheit wegen auch noch V o l u m k r ä f t e f zulassen und erhalten dann endgültig: dt) SdF2. K i n e t i s c h stammt von kinesis (griech.) = Bewegung.
Allgemeine Mechanik und Mechanik starrer Körper
96
als die g e s a m t e kinetische Energie des Systems bzw. Raumteiles. Auch jetzt gilt wieder dL =
(24, 17)
d'A
wenn wir unter d'A die a l g e b r a i s c h e S u m m e aller in Frage kommenden Arbeitsdifferentiale verstehen. Bezeichnen wir in (3,15), was auch sonst oft bequem ist, die g e s a m t e K r a f t pro Yolumeinheit, also jetzt e i n s c h l i e ß l i c h der Derivation des Spannungszustandes durch f (Kraftdichte) bzw. die K r a f t p r o M a s s e n e i n h e i t (spezifische K r a f t ) durch (25, 17)
f' =
— f
Q
so erhalten wir (26, 17)
dVgdx
d ti • — = dmdx (tu
d t) / 1 \ • — = d dm — b 2 = dVdx (tt \ J
• f =dmdx
• f'
worin rechts die am Massenelement dm geleistete Arbeit steht. Die algebraische S u m m i e r u n g bzw. Integration liefert dann tatsächlich (27,17)
dL = d j d m j t i
2
= j dmdx
m
• f' =
d'A
m
wie es nach (24, 17) sein soll. Wird an einem Massensystem insgesamt Arbeit weder geleistet, noch auf seine Kosten verbraucht, so bleibt nach (24, 17) seine g e s a m t e kinetische Energie erhalten: (28, 17) L = konst Wir haben also wieder einen, unter bestimmten Bedingungen gültigen E r h a l t u n g s s a t z f ) gewonnen. 18. D e r
Energieerhaltungssatz
U m von dem soeben formulierten Erhaltungssatze der kinetischen Energie zum allgemeinen Energieerhaltungssatze der Mechanik zu gelangen, gehen wir von dem Sonderfalle eines Massenpunktes aus, der sich unter dem Einflüsse der E r d s c h w e r e bewegt. E s folgt dann aus m
(1, 18) (2, 18)
mdx
= d
dt> ~dt
=
~ =
m
9
—mdx
=
•g =
—d(mgz)
=
d'A
und weiter (3, 18)
d i y m b 2 + mgz\
=
0
f) Zwischen Descartes und Leibniz entspann sich der bekannte Streit, ob die B e w e g u n g s g r ö ß e , d. h. das Z e i t i n t e g r a l der Kraft oder die l e b e n d i g e K r a f t , d. h. das W e g i n t e g r a l als w a h r e s K r a f t m a ß anzusehen sei. Die behaupteten E r h a l t u n g s s ä t z e treffen gemäß (10, 15) bei verschwindendem iß bzw. gemäß (28, 17) bei verschwindender Arbeit für b e i d e Größen zu, wie das schon aus Untersuchungen von Newton bzw. von Huygens hervorging. Daß dieser Streit mehrfach um Worte geführt wurde und auf Mißverständnissen beruhte, klärte erst d'Alembert (1743) endgültig auf. Wir ersehen auch an diesem Beispiele wieder, wie lange und schwer selbst die erlesensten Geister ihrer Zeit ringen mußten, um erst einmal jenes g e o r d n e t e Begriffsgebäude z u s t a n d e z u b r i n g e n , das wir heute f e r t i g vor uns haben und von dem a u s g e h e n d uns alle Schlußfolgerungen so selbstverständlich und leicht erscheinen.
Weitere grundlegende Begriffe und Gleichungen der Mechanik
97
Da es sich nach der Herleitung um die vom, mit m mitbewegten Beobachter beurteilte totale Änderung in der Zeit, also um die t o t a l e F l u x i o n handelt, können wir statt (3, 18) auch schreiben (4,18)
l(±
m ö
dt \ 2
2
+
infi8 \ =
o
Von einem solchen Beobachter beurteilt, bleibt (5,18)
+
m9z =
konst
Das heißt, bei der Bewegung des Massenpunktes bleibt eine eindeutige Zustandsfunktion, die Summe aus der durch die jeweilige Bewegung gegebenen Energie der Bewegung — kinetischen E n e r g i e — und der durch die jeweilige L a g e gegebenen Energie der Lage — p o t e n t i e l l e n Energie konstant, also erhalten. Indem die Lage relativ zu der hier als ruhend vorausgesetzten Erde gerechnet wird, erscheint diese in das System, um dessen Energieerhaltung es geht, miteinbezogen. Die Gleichung (5,18) ist ein Sonderfall des Energieerhaltungssatzes der Mechanik»): (6,18) L + U = W = konst worin L die kinetische, (6', 18)
U =
—fdf^ß
die p o t e n t i e l l e und W die Gesamt-Energie bedeuten. Als anschauüches Beispiel für (5, 18) erwähnen wir den als P e n d e l (s. S.132 uf.) schwingenden Massenpunkt, der in seiner tiefsten Lage nur kinetische, in seiner höchsten nur potentielle Energie besitzt und sich selbst überlassen, demnach auch von Reibung und Luftwiderstand abgesehen, immer wieder dieselbe Höhe erreicht. Dies auch dann, wenn man ihn zwingt, die eine Weghälfte auf stärker gekrümmter Bahn zurückzulegen. Die potentielle Energie hängt ja nur von der vertikalen Höhe z und nicht v o n der Gestalt des zurückgelegten W e g e s ab. Wir werden uns hier der allgemeinen Relation (4, 17) über Vektorfelder, die ein eindeutiges skalares Potential besitzen, erinnern. Tatsächlich folgt aus (7, 18)
U = mgz + konst,
- V U = —mgt
Liegt ein beliebiger m a t e r i e l l e r R a u m t e i l vor, so erhält man aus (26,17) da jetzt (8,18)
f'=-0
ist, wenn man noch (16, 15) berücksichtigt: (9,18) dL = djdm-^ü2 m
=
—Jdmdi m
•g =
•g =
—d \Jrfr«rj
— d ( m x s • g)
j
a) Die Bezeichnung p o t e n t i e l l stammt von potentia (latein.) = Fähigkeit. Leibniz unterscheidet zwischen einer lebendigen und einer toten Kraft, die im ruhenden Körper vorhanden ist. Sowohl er, wie vor ihm schon Stevin, Galilei, Huygens u. a. haben die Überzeugung von der Unmöglichkeit eines „ p e r p e t u u m m o b i l e " also der E n t s t e h u n g von Bewegung und damit auch der E r z e u g u n g von Arbeit aus „nichts", also ohne, daß sonst etwas geschieht. Natürlich wurde auch der Energiesatz der Mechanik, zunächst in der Verfolgung spezieller Probleme (etwa des elastischen Stoßes (s. S. 439), bewährt und erst nach und nach in voller Allgemeinheit und Klarheit herausgestellt. Wir nennen noch als daran beteiligte Forscher: Joh. Bemoulli (1867—1748), der auch schon den Stoß weicher Körper besücksichtigt und als Ausnahme behandelt. Ferner dessen Sohn Daniel Bemoulli (1700—1782) und schließlich insbesondere Lagrange, der 1788 in seiner „Mécanique analytique" Paris, das Problem von der Bewegungsgleichung aus, in allgemeiner Form meistert. 7
L o h r , Mechanik
98
Allgemeine Mechanik und Mechanik starrer Körper
Jetzt ist also (10, 18) d'A = —d(mxs • g) = —d(mzsg) = —dU und es gilt demnach wieder der Energieerhaltungssatz (6, 18). Er wird ersichtlich immer dann zutreffen, wenn es im Sinne von (10, 18) möglich ist, d'A als totales D i f f e r e n t i a l beziehungsweise d'A dU
Indem wir (1, 19, b) nacheinander mit i', j ' , ! ' skalar multiplizieren und von (3, 19, b) Gebrauch machen, ergeben sich die gesuchten Umrechnungsformeln
108
Allgemeine Mechanik und Mechanik starrer Körper
Als Weiteres ist zu beachten, daß sich alle Glieder der Summen in (15,19) bzw. (17,19) auf denselben Drehpunkt beziehen. Die einzelnen können zwar längs ihrer eigenen L i n i e beliebig verschoben werden, denn sie markieren ja stets eine ganze Gerade als Achse, hingegen dürfen sie n i c h t senkrecht zu dieser parallel verschoben werden, wie ein gewöhnlicher freier Vektor, weil sie ja sonst nicht mehr durch den zugehörigen Drehpunkt liefen. Solche Vektoren nennt man l i n i e n f l ü c h t i g e Vektoren. Bezeichnen wir die allen Körperpunkten gemeinsame T r a n s l a t i o n s g e s c h w i n digkeit des als Koordinatenursprung gewählten Drehpunktes mit t>0 und fügen die den einzelnen Körperpunkten r außerdem noch zukommende Drehgeschwindigkeit u X t hinzu, worin u jeweils die Richtung der momentanen Drehachse hat, so folgt für die Geschwindigkeit der einzelnen Körperpunkte: (19,19)
t> = tj0 + u X r
Man beachte wohl, daß r hier vom körperfesten, also mitbewegten Drehpunkte dt
gezogen wird, eben darum entspricht auch beim frei bewegten Körper jetzt — nur der Drehgeschwindigkeit u X r. Wir wollen noch fragen: Was ändert sich, wenn wir den Drehpunkt und damit den K o o r d i n a t e n u r s p r u n g in einen anderen Körperpunkt v e r s c h i e b e n ? Analog zu Abb. 19, nur daß jetzt 0 und 0 ' k ö r p e r f e s t e Punkte bedeuten, setzen wir also
t = a + r'
(20,19) und erhalten damit aus (19, 19) (21,19)
b = (b0 + u x a) + it x t' = b0' -f u x r'
Die rechte Seite dieser Relation hat die (19,19) entsprechende, ihrer Ableitung nach für jeden Körperpunkt als Drehpunkt zutreffende allgemeine Form. Der Vektor U ist unverändert geblieben, aber um a in den neuen Drehpunkt verschoben worden. Da eine Verschiebung von u in seiner Linie, a 11 U, ersichtlich überhaupt nichts ändert — u ist ja ein „ l i n i e n f l ü c h t i g e r Vektor" — können wir a -L u annehmen. Infolge dieser Verschiebung der Drehachse müssen wir den Körperpunkten jetzt die Translatiönsgeschwindigkeit (22, 19) bi = b0 + u x tt zuschreiben, um den gesamten Bewegungszustand wieder richtig darzustellen. (4, 19, b)
xx =
u
(5,19, b)
w
(6, 19, b)
W
»= *=
dt
d»(! d
l' geschrieben wird, so folgt f ü r beliebige u : 2 3 (1 + u;>)
dt
=
0
dt
Das heißt, die Komponenten von u p a r a l l e l zur Figurenachse und s e n k r e c h t zu ihr, behalten bei der Rotation je einen k o n s t a n t e n B e t r a g . Eine genauere Rechnung b ) zeigt, daß die jeweilige „ i n s t a n t a n é " Drehachse u, der Endpunkt von b) Das v o l l s t ä n d i g e Integral der beiden ersten Gleichungen des s y m m e t r i s c h e n Kreisels J
(1, 20, b)
i - J f - + u'vu'z (Jz — Ji) = 0 ™
—
(J 3 — Jj) = 0
lautet, da ja nach der dritten Gleichung (2, 20, b) bleibt: (3, 20, b)
u'z = konst ux = p cos (vt +
u'y = p sin (vt -j- y)
Setzt man diese Werte in die Differentialgleichungen (1, 20, b) ein, so werden sie zu I d e n t i t ä t e n , gelten also für beliebige Zeiten t, falls noch =u'z^L-u'2 J1 J1 zutrifft. Das Integral (3, 20, b) heißt v o l l s t ä n d i g , weil zur Erfüllung der A n f a n g s b e d i n g u n g e n (s. S. 120) z w e i Konstanten, die A m p l i t u d e p und die P h a s e n k o n s t a n t e jr zur Verfügung stehen. Der senkrecht zur Figurenachse stehende Vektor
( 4 , 2 0 b)
(5, 20, b) 8
Lohr, Mechanik
v =
u'x.V + u'y j' = p [i' cos (vt + %) + f sin (vt + %)]
114
Allgemeine Mechanik und Mechanik starrer Körper
u heißt D r e h p o l , um die Figurenachse V im K ö r p e r den sogenannten P o l h o d i e k e g e l oder L a u f k e g e l , der Drehpol selbst die P o l h o d i e k u r v e beschreibt. Dieselbe Drehachse durchläuft aber gleichzeitig auch im R ä u m e den H e r p o l h o d i e k e g e l oder S p u r k e g e l , der Drehpol die H e r p o l h o d i e k u r v e um die gemäß hat dann, wie man unmittelbar erkennt, den k o n s t a n t e n Betrag p und beschreibt mit seiner Spitze und der dqrch (4, 20, b) gegebenen Winkelgeschwindigkeit bzw. „ K r e i s f r e q u e n z " v im Körper als P o l h o d i e k u r v e einen K r e i s um die Figurenachse {' (vgl. in bezug auf diese Kreis-Schwingungen auch das in Anm. 15, d über elliptische Schwingungen Gesagte!) Ist etwa zur Zeit t = 0 (6, 20, b) u = (0 (cos ei' + sin e\') so wird nach (2, 20, b) und (5, 20, b) (7, 20, b)
v!z = m cos e = konst,
p = co sin e = k o n s t , j
JJ
^ y = — M es bleiben also, wie es ja auch nach (28, 20) und (31, 20) sein muß, sowohl die Winkelgeschwindigkeit a>, wie auch der Winkel e zwischen u und !' (Wertebereich 0 bis n) k o n s t a n t . Der Vektor u bestimmt sich dann zu beliebigen Zeiten aus (8, 20, b) u = (o [sin E ( — sin vt i' + cos vt j') + cos e f ] und die Komponenten lauten demnach (9, 20, b) u'x = — tu sin £ sin vt, uy = oi sin £ cos vt, u'z — oj cos £ Um die Drehungen im Räume zu überblicken, gehen wir mittels der Relationen (4, 19, b) bis (6,19, b) zu den ÜMerschen Winkelgeschwindigkeiten über. Dabei legen wir die f-Achse in die Richtung der raumfesten Impulsachse U. Die Drehung der Figurenachse V um die Impulsachse f wird dann der Drehung der auf beiden senkrechten Knotenlinie f X i' in der i, j-Ebene entsprechen und die zugehörige Winkelgeschwindigkeit ist demnach — . Da nach (31, 20) die d ft (10, 20, b) & = » 0 = konst also = 0 bleibt, ergibt ein Vergleich der Relationen (4, 19, b) und (5, 19, b) mit (9, 20, b) ^ = tan w = — t a n (vt); sin 2 »J^)" = m2 sin 2 e = p 2 uy \dt I und bei geeigneter Wahl der Knotenlinien-Anfangslage dy> dtp tu sin £ (12,20, b) y>=-vt, = T t = - v , W (11, 20, b)
Gemäß (4, 20, b) ist, da u'z und mit ihm nach (31, 20) auch cos durch entsprechende Wahl des positiven Richtungssinnes der Figurenachse !' stets positiv erhalten werden kann (13, 20, b)
^
3 j 0 , je nachdem J1 ^ J 3
Aus (6, 19, b) folgt mit (4, 20, b) und (12, 20, b) I N dm , , JJ uz = cos v0-~ + Uz — U2 y J l (14,20, b) , M d(p Uz J3 CO COS £ t/3 dt cos J1 cos &0 J j Aus (12, 20, b) und (14, 20, b) erhalten wir noch (15, 20, b) tan e = tan
heißt die E i g e n d r e h u n g s g e s c h w i n d i g k e i t und ^ die P r ä z e s s i o n s g e s c h w i n d i g k e i t . Sind beide gleichsinnig (J1 > J 3 ), so spricht man von p r o g r e s s i v e r , sonst von r e t r o g r a d e r Präzession. I m ersten Falle ist gemäß (8, 20, b) und (12, 20, b) der Umlaufsinn der instantanen Drehachse auf dem Polhodiekegel negativ, im zweiten Falle positiv. Im letzteren Falle u m f a ß t — vgl. (15, 20, b) — abweichend von Abb. 24 der Polhodiekegel den Herpolhodiekegel und rollt von i n n e n auf ihm ab.
Mechanik des starren. Körpers
115
(5,20) für 9Di = 0 r a u m f e s t e „ I m p u l s a c h s e " tt, die wir etwa mit der i-Achse zusammenfallen lassen können. Da die Drehachse gleichzeitig b e i d e Kegel beschreibt, diese sich also in ihr berühren müssen, werden sie während der Drehbewegimg aufeinander abrollen. Die Figurenachse umläuft 11 im Räume und erzeugt dabei Wir bemerken zum Schlüsse noch eine interessante N ä h e r u n g s r e c h n u n g f ü r den u n s y m m e t r i s c h e n kräftefreien Kreisel dann, wenn u n a h e z u mit der Richtimg einer der Hauptträgheitsachsen z. B. mit der Achse I' übereinstimmt. Dann darf das Produkt u'x u'y als von höhere Ordnung klein v e r n a c h l ä s s i g t werden und es bleibt, j e t z t allerdings nur g e n ä h e r t : (16, 20, b)
J
3
^ = 0, v!z — konst
S t r e n g genommen ist u'z jetzt nicht mehr konstant und daher
von N u l l v e r s c h i e d e n , dt zur eigentlichen Präzessionsbewegung tritt dann noch eine S c h w a n k u n g d e r F i g u r e n a c h s e , eine „ N u t a t i o n " (Nicken). Aber auch i n n e r h a l b u n s e r e r N ä h e r u n g verbleibt ein U n t e r s c h i e d . Die Gleichungen (1, 20, b) sind jetzt durch duL . , , , T JiT + (J3 — JJ = 0 (17, 20, b) dUji J2 ~^-—uxuz
(Js — Jj) = 0
und demnach ist der Ansatz (18, 20, b) ux = (3, 20, cosb)(vtdurch + y),
u'y — p2 sin (vt + y)
zu ersetzen. Mit diesem Ansätze folgt aus (17, 20, b) (19,20, b) PiJiV = P2u'a(J3~ J2), PiJ2V = p1uz(J3 — J1) und daraus durch Elimination von p2 nach Wegstreichen des gemeinsamen Faktors "2 = T ^
(20, 20, b)
-
J
2) (-h -
J1)
Diese Gleichung ergibt aber n u r d a n n r e e l l e W e r t e v o n v, also S c h w i n g u n g e n mit v o r a u s s e t z u n g s g e m ä ß k l e i n e n Amplituden, wenn (J 3 — J 2 ) und ( J 3 — J x ) g l e i c h e s Vorzeichen besitzen. Das trifft zu, wenn J3 entweder das größte oder das kleinste Hauptträgheitsmoment ist. Gilt jedoch etwa[ (21, 20, b) Jt>J3> J% so wird (22, 20, b) v = i,x rein i m a g i n ä r . Damit v e r s a g t aber der Schwingungsansatz (18, 20, b) und muß durch die entsprechenden H y p e r b e l f u n k t i o n e n ersetzt werden: (23, 20, b)
u'x =
Pl
©of (ott + y)
uy = p 2 ©in ( skalar zu multiplizieren, wodurch man gleich die E n e r g i e ä n d e r u n g pro Z e i t e i n h e i t , also die L e i s t u n g erhält. Verfahrt man in dieser Weise, so ergibt sich gemäß (26, 17) (1,21)
= dt
dt
\ 2
)
und weiter gemäß (27, 17) dL
d
1
f ,
f
,
m
_T.
.
d'A
7
Indem wir (19, 19) einsetzen, folgt (3,21)
= ^ J d m l ( ü 0 + UXt)2 = J W ( ü 0 + i t
^
m
X t ) - f = ^
7
c) E s ist natürlich nicht so, daß das Hauptachsensystem der Trägheitsdyade durch die Verlagerung des Bezugspunktes aus dem Schwerpunkte unbeeinflußt bliebe. Schreiben wir s t a t t (2, 20, a) mit (1. 20, c) t' = t — a worin jetzt a einen b e l i e b i g e n konstanten Vektor bezeichnen möge, &
(2, 20, c)
= fdm(t' 2I m
— t';
l')
so erhalten wir wieder mit Bücksicht auf (4, 20) ( 3 , 2 0 , c)
0'
= ¡dm(x iI
— f , x) +
m
m(a 2I
— a;
a) =
+
m(a
2
/ — a;
a)
Lediglich wenn a einer der durch (3, 20, a) charakterisierten Hauptachsen p a r a l l e l ist, fallen die Hauptachsensysteme von
2 positiv. Wäre das nicht der Fall, läge n u r der Schwerp u n k t des Wagens über der Drehachse, so t r ä t e beim R a h m e n ein in die Ruhelage z u r ü c k treibendes Moment u n d daher ein n e g a t i v e r W e r t von D1 auf. Bei ungleichen Vorzeichen von D1 u n d Z>2 besäße die Wurzel in (7, 22, c) einen höheren Betrag als der Ausdruck vor der Wurzel und es m ü ß t e demnach e i n e der beiden v*-Werte notwendig n e g a t i v werden. I n diesem Falle würde (vgl. 22, 20, b) bis (25, 20, b) die Drehung unbegrenzt zunehmen u n d der Wagen umfallen. Hingegen sind, wie ein Blick auf (7, 22, c) lehrt, beide v 2 -Werte r e e l l u n d p o s i t i v , die S t a b i l i s i e r u n g g e l i n g t , wenn D 1 und Z>2 gleiches Vorzeichen besitzen u n d J3>j> hinreichend groß ist, nämlich (8> 2 2 ' c>
J*V>
VJoDi
+
VJiD*
Setzt m a n in die Gleichungen (2, 22, c) bzw. (3, 22, c) noch die Dämpfungsglieder K ~ L ^
bzw.
ein, so zeigt die dann ziemlich langwierige Durchrechnung, daß die zur Stabilisierung
erforderliche durchwegs p o s i t i v e D ä m p f u n g der Schwingungen n u r bei e n t g e g e n g e s e t z t e n Vorzeichen von K und L möglich ist. Wenn also L positiv ist, die Drehbewegung u m die Fahrachse f ü r sich allein p o s i t i v g e d ä m p f t wird, m u ß durch eine geeignete Vorrichtung d,afür gesorgt werden, daß die Drehbewegung u m die Querachse f ü r sich allein n e g a t i v gedämpft werde, so daß K negativ ausfällt. (Vgl. über die weitere Rechnung und die Diskussion der Ergebnisse etwa wieder das in (22, b) zitierte Buch von Grammel
S. 316 uf.)
Mechanik des starren Körpers
(15, 22)
131
/ d m (x2 + y2) = J m
ist das T r ä g h e i t s m o m e n t in bezug auf die Drehachse, (16, 22)
Jdmxz
= DS1,
Jdmyz
= X>23
sind gemäß (16, 20) die D e v i a t i o n s m o m e n t e . Aus (5, 20) folgt mit (14, 22) bis (16,22): (17, 22)
-
coD
_ ojD2
-
(D31 i' + D2 3\') §
=
W
Mit Benützung von (19, 20), (12, 22) und (13, 22) lautet (17, 22) in Komponenten aufgelöst: j d
(18,22)
M
*
dm — = ~dt
Mx
da» Ü)2D31 —D23-rr = ~üt
M'v
oj*D23
(19, 22)
Tt=
-D3l
Aus den Ralationen (19, 22) ersieht man, daß auch o h n e die Wirkung ä u ß e r e r K r ä f t e , also insbesondere ohne Berücksichtigung der E r d s c h w e r e und selbst bei g l e i c h f ö r m i g e r Drehung
^ - = 0
noch eine B e a n s p r u c h u n g d e r
Lager
cut
übrig bleibt, solange die D e v i a t i o n s m o m e n t e von Null verschieden sind, die feste Achse also keine freie Achse ist. Mit den Lagern werden natürlich auch die Fundamente beansprucht und daher rühren die Erschütterungen der Fundamente, also auch beispielsweise des ganzen Schiffes durch umlaufende Maschinen. Um diese unerwünschten Wirkungen möglichst klein halten zu können, bedarf es dort, wo nicht lediglich rotierende Maschinenteile ins Spiel kommen, ziemlich verwickelter Überlegungen, sie gehören in den Problemkreis des M a s s e n a u s g l e i c h e s d ) . Die B e w e g u n g s g l e i c h u n g selbst ist ganz ähnlich gebaut wie die Newtonsche Grundgleichung für einen Massenpunkt bzw. für die Bewegung des Schwerpunktes bei e i n e m Freiheitsgrade, also etwa parallel zur «-Achse. An die Stelle der Masse tritt das Trägheitsmoment, an die Stelle der Bahnbeschleunigung die Winkelbeschleunigung und an die Stelle der resultierenden äußeren K r a f t das resultierende Moment der äußeren Kräfte. Das auf die feste Drehachse bezogene Moment ist gemäß (11, 16) durch (20,22)
M,=
m-l=jdVi-xx\ v
gegeben. Da ein skalares Tripelprodukt (s. (9, 6)) mit zwei parallelen Vektoren verschwindet, können wir die f-Komponente von r unterdrücken, also r jeweils mit dem aus dem Angriffspunkte der K r a f t (hier Ort von dV) auf die Achse gefälltem Lote r£ identifizieren. Aus demselben Grund brauchen wir auch nur die auf diesem Lote u n d f senkrechten Komponenten f j der Kräfte in Rechnung zu setzen. Es ergibt sich dann d) Siehe etwa O. Schlick, Z. d. Y. d. J. 1894 oder Schubert, „Theorie des Schlickschen Massenausgleiches".
132
Allgemeine Mechanik und Mechanik starrer Körper Mz=jdVrtft v
(21,22)
oder wenn es sich um Einzelkräfte handelt Mz
(22,22)
-=2ritPü i
Die rt werden p o s i t i v , die ft bzw. Pit p o s i t i v oder n e g a t i v gerechnet, je nachdem i, r, f bzw. I, r,, ein R e c h t s s y s t e m oder ein L i n k s s y s t e m bilden und demnach von der Spitze des Vektors ! aus beurteilt eine p o s i t i v e oder n e g a t i v e Drehung bewirken (vgl. S. 12 u. 13). Man nennt das durch (21, 22) bzw. (22, 22) gegebene Moment auch das r e s u l t i e r e n d e D r e h m o m e n t in bezug auf die betreffende Achse. Die einzelnen Summanden ergeben sich durch die Produkte aus K r a f t Pn u n d K r a f t a r m r i £ . Bei gleichem W e r t e d i e s e s P r o d u k t e s kommt es auf die Einzelwerte der K r a f t und des Kraftarmes n i c h t an. Das resultierendeDrehmoment ist nach (22, 22) bzw. (21, 22) die a l g e b r a i s c h e Summe bzw. das Integral der einzelnen Drehmomente. Die k i n e t i s c h e E n e r g i e eines um eine feste Achse rotierenden Körpers wird nach (6, 21), (7, 21), (12, 22), (15. 22) durch L =
(23,22)
~JOJ2
gegeben. 23. D a s P e n d e l (Arten des Gleichgewichtes) Steht ein, um eine horizontale Achse drehbarer starrer Körper vom Gewichte G lediglich unter dem Einflüsse der Schwerkraft, so muß sein Schwerpunkt S im (stabilen) Gleichgewichtsfalle vertikal unter der Drehachse — die durch eine auf einer „ P f a n n e " ruhende „ S c h n e i d e " verwirklicht sein kann — liegen. Drehen wir •ihn um den Winkel