Manuskript zur Vorlesung Angewandte Geophysik für Nebenfächler (geoelektrische Verfahren) im Sommersemester 2002


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Manuskript zur Vorlesung Angewandte Geophysik für Nebenfächler (geoelektrische Verfahren) im Sommersemester 2002

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Nebenfach-Titel-Vorbemerkung

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Nebenfach-Kapitel-1

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Manuskript zur Vorlesung Angewandte Geophysik für Nebenfächler (geoelektrische Verfahren) im Sommersemester 2002 von Heinrich Brasse Fachrichtung Geophysik Freie Universität Berlin Malteserstr. 74-100 12249 Berlin

Tel.: 838-70434 [email protected] www.fu-berlin.de/geophysik

Aufbau einer Magnetotellurik-Station im vulkanischen Bogen der zentralen Anden

0. Vorbemerkung

0. Vorbemerkung Die geoelektrischen Verfahren haben in der jüngsten Zeit einen großen Bedeutungszuwachs erlebt und zwar insbesondere durch neue Anforderungen in der Umweltforschung (Suche nach geeigneten Deponiestandorten, Untersuchung von Leckagen, usw.). Sie werden in eine fast unübersehbare Anzahl von Methoden aufgeteilt, wobei man z.B. nach Art der Quellen (künstlich oder natürlich), Einbeziehung eines Magnetfeldes oder nicht, Gleichstrom- oder Wechselstromverfahren, unterscheiden kann. Der Versuch einer Einteilung ist unten aufgeführt; allerdings ist die Trennung in der Praxis oft nur schwer nachzuvollziehen (beispielsweise ist eine Gleichstromgeoelektrik auch mit Wechselstrom denkbar)1. Eine mögliche Einteilung der geoelektrischen Verfahren Gleichstrommethoden • Gleichstromgeoelektrik (DCR, VES) • Methode der Induzierten Polarisation (IP) • Eigenpotential-Methoden (EP, SP) Elektromagnetische Methoden mit niedrigen Frequenzen • Magnetotellurik (MT), Erdmagnetische Tiefensondierung (ETS, GDS) speziell: Audiomagnetotellurik (AMT), Controlled Source AMT (CSAMT), Radiomagnetotellurik (RMT) heute ohne Bedeutung: Tellurik, AFMAG • VLF, VLF-R (für „very low frequency - resistivity“) • „Eigentliche“ elektromagnetische Induktionsverfahren, unterteilt in Frequenz- und Zeitbereichs-Methoden (FD, TD)2 Viele FD-Verfahren, z.B. Slingram, Turam, aerogeophysikalische Methoden TD- oder TEM- („Transienten“-EM) Methoden, z.B. LOTEM Bodenradar (EMR, GPR) Bohrlochverfahren Aerogeophysikalische Methoden In dieser Vorlesung, die für die geoelektrischen Methoden maximal 20 SWS vorsieht (inkl. Übungen und Feldversuch), kann natürlich nicht diese ganze Vielfalt behandelt werden. Es werden daher nur die wichtigsten, klassischen Verfahren und ihre Grundlagen behandelt. Zu 1

Neue, noch nicht sehr weit verbreitete Methoden sind z.B. das MMR-Verfahren (Magnetometric Resistivity), einer Variante der Geoelektrik, bei der die Spannungs- durch eine Magnetfeldmessung ersetzt wird, oder das SNMR-Verfahren (Surface Nuclear Magnetic Resonance), im gewissen Sinne eine Kombination aus TEM und Protonenmagnetometer, wobei Protonen im Untergrund (etwa im Aquifer) zur Präzession durch ein Sendesignal angeregt werden, nach Abschalten mißt man das resultierende Magnetfeld.

2

Frequenzbereich: die abhängige Variable (z. B. scheinbarer spezifischer Widerstand) ist eine Funktion der Frequenz f oder Periodelänge T = 1/f, i. allg. über eine Fouriertransformation. Zeitbereich: die abhängige Variable (z. B. der Spannungsabfall an einem Meßgerät) ist eine Funktion der Zeit t.

0-2

0. Vorbemerkung

kurz kommt beispielsweise (Stand 1998) sowohl das Bodenradar, daß in neuester Zeit erheblich an Bedeutung gewonnen hat, als auch die TEM-Verfahren. Eine weitere Schwierigkeit dieser Vorlesung besteht darin, daß sie sich an Geologen, Mineralogen und Geographen richtet, aber auch an Mathematiker, Physiker und Meteorologen. Während die erste Gruppe häufig Probleme mit dem mathematischen Formalismus hat, sind es die geologische Einordnung und Anwendung, die der zweiten Gruppe erfahrungsgemäß Schwierigkeiten bereitet. Es ist kaum möglich, beide Zuhörerkreise zufriedenzustellen; es wird immer Teilnehmer geben, die sich entweder langweilen oder sich überfordert fühlen. Wenn auch der mathematische Umfang in diesem Manuskript sehr gering ausfällt, ist ein gewisser Formalismus dennoch unumgänglich. Die nicht (mehr) mit den entsprechenden Grundlagen vertrauten Leser seien dazu auf die Literatur verwiesen. Ein besonderes Ziel der Veranstaltung ist es, die „irgendwie“ erhaltenen Meßwerte und ihre Interpretation kritisch zu würdigen. Daher wird auch, besonders in den Übungen, Problemen wie der Äquivalenz oder Schichtunterdrückung, breiter Raum geschenkt. Schließlich sind die Aussagen, die mit Hilfe der geoelektrischen Tiefenerkundung getroffen werden, häufig von erheblicher Bedeutung, wenn man z.B. an die Frage der Kontamination von Grundwasser denkt. Die unterschiedlichen Verfahren der Geoelektrik und Geoelektromagnetik werden auf ähnlich vielfältige Problemstellungen angewandt. Zu den Anwendungsgebieten gehören insbesondere •

die Umweltgeophysik,



die Hydrologie und Hydrogeologie, Permafrost,



die Archäologie,



die Entdeckung von Minen, Munition u.ä. (UXO)



die Erkundung von Sedimentbecken,



die Exploration auf mineralische Lagerstätten,



tektonische Fragestellungen, Scherzonen und



das Studium der tiefen Kruste und des oberen Mantels.

Es sei bereits hier erwähnt, daß sich aufgrund der inherenten Deutungsvielfalt der geophysikalischen Tiefenerkundung häufig nur die Kombination der verschiedenen Methoden, also z.B. der Gravimetrie, Seismik und Elektromagnetik zum Erfolg führt. In diesem Manuskript wird grundsätzlich das SI-Maßsystem verwendet. Das für die theoretische Physik attraktive cgs-System spielt heute in der Geophysik nur noch eine historische Rolle (hier haben sich insbesondere die Geomagnetiker durch ein gewisses Chaos hervorgetan). Einige Umrechnungen sind im Anhang angegeben. Als Koordinatensystem wird (fast immer) ein rechtshändiges benutzt, mit der x-Achse positiv nach Norden, der y-Achse nach Osten und der z-Achse positiv nach unten.

Internetadresse der MT-AG an der FUB: http://userpage.fu-berlin.de/~mtag 0-3

0. Vorbemerkung

Literatur Beblo, M. (Hg.) (1997): Umweltgeophysik, Ernst & Sohn, Berlin. Bender, F. (Hg.) (1985): Angewandte Geowissenschaften, Bd. II, Enke Verlag, Stuttgart. * Burger, H.R. (1992): Exploration Geophysics of the Shallow Subsurface, Prentice Hall, Englewood Cliffs. Dobrin, M.B. & Savit, C.H. (1988): Introduction to Geophysical Prospecting, 4th edition, McGraw-Hill, New York. Kaufman, A.A. & Keller, G.V. (1981): The magnetotelluric sounding method, Elsevier, Amsterdam. * Keary, P., Brooks, M. & Hill, I. (2002): An Introduction to Geophysical Exploration, Blackwell, Oxford. Keller, G.V. & Frischknecht, F.C. (1966): Electrical Methods in Geophysical Prospecting, Pergamon Press, Oxford. Kertz, W. (1971): Einführung in die Geophysik, Bd.1+2, BI-Hochschultaschenbücher, Mannheim, Wien, Zürich. Knödel, K., Krummel, H. & Lange, G. (Hg.) (1997): Handbuch zur Erkundung des Untergrundes von Deponien und Altlasten, Band 3: Geophysik, Springer, Berlin. Koefoed, O. (1979): Geosounding Principles, Vol. I, Resistivity Sounding Measurements, Elsevier, Amsterdam. Militzer, H. & Weber, F.(1985): Angewandte Geophysik, Band 2, Springer-Verlag, WienNew York. Nabighian, M.N., editor (1987): Electromagnetic methods in applied geophysics, Soc. Expl. Geophys., Vol. 1+2, Tulsa, Oklahoma. Telford, W.M., Geldart, L.P. & Sheriff, R.E. (1990): Applied Geophysics, 2nd edition, Cambridge University Press, Cambridge. Zhdanov, M.S. & Keller, G.V. (1994): The Geoelectrical Methods in Geophysical Exploration, Elsevier, Amsterdam. * besonders geeignet für nicht an ausführlichen mathematischen Herleitungen Interessierte

0-4

1. Allgemeine Grundlagen

1 Allgemeine Grundlagen Elektrische Stromstärke I (gemessen in A = Ampère) und elektrische Spannung U (in V = Volt) sind über das Ohmsche Gesetz miteinander verknüpft: U=RI

;

(1.1)

Dabei ist R der Ohmsche Widerstand (engl. resistance), gemessen in Ohm (1 Ω = 1 V/A). Denkt man sich eine zylindrische Gesteinsprobe der Länge l und dem Querschnitt A, an deren Stirnflächen die Spannung U anliegt und die von einem Strom I durchflossen wird, so gilt:

R =ρ

l A

.

(1.2)

Der spezifische Widerstand ρ (engl. resistivity) ist eine Materialeigenschaft; er wird gemessen in Ωm. Sein Kehrwert ist die Leitfähigkeit σ (conductivity), gemessen in 1/Ωm = S/m (S = Siemens1): σ=

1 ρ

(1.3)

Den Kehrwert des Ohmschen Widerstands bezeichnet man als Leitwert (conductance) τ und mißt ihn entsprechend in S = 1/Ω. In der Geoelektrik spricht man dabei auch von integrierter Leitfähigkeit, die sich aus dem Integral oder der Summe über die tiefenabhängige Leitfähigkeit σ(z) bzw. σi (bei einem n-Schichtfall mit den Schichtdicken ∆zi) und einem bestimmten Tiefenintervall berechnet:

τ=

z2

n

∫ σ(z) dz

bzw.

τ = ∑ σi ∆z i .

(1.4)

i =1

z1

Wie sich später herausstellen wird, ist τ häufig der am zuverlässigsten aufgelöste Parameter. Gl. (1.1) ist ein Spezialfall des verallgemeinerten Ohmschen Gesetzes: J=σE

;

(1.5)

hierbei ist J die Stromdichte (Stromstärke je Flächeneinheit, in A/m2) und E die elektrische Feldstärke (Spannung auf einer Längeneinheit, in V/m)2. Je nach dem Leitungsmechanismus unterscheidet man •

Halbleiter-



elektrolytische (ionische)



Grenzflächen- und



metallische (elektronische)

Leitfähigkeit. Während die meisten Gesteine und Minerale normalerweise schlechte elektrische Leiter sind (ihre Halbleiterleitfähigkeit wirkt sich erst bei hohen Temperaturen, d.h. in größeren Tiefen des Erdmantels, aus), kann durch Fluide im Porenraum bzw. in Klüften der 1

in der angelsächsischen Literatur findet man gelegentlich noch die Bezeichnung „mho“ statt Siemens (ohm von hinten nach vorn gelesen, eine sehr pragmatische Einheit). 2 Vektoren werden in diesem Manuskript unterstrichen, Matrizen und Tensoren doppelt unterstrichen dargestellt. 1-1

1. Allgemeine Grundlagen

spezifische Widerstand signifikant gesenkt werden. Dazu ist von Archie (1942) ein empirisches Gesetz aufgestellt worden, das für nicht tonhaltige Gesteine den Anteil der Poren und ihrer Fluidfüllung berücksichtigt:

σG = F σf = a Φ n Sm σf

.

(1.6a)

Dabei ist σG die Gesamtleitfähigikeit des Gesteins, σf ist dieLeitfähigkeit des Fluids (z.B. Wasser) und F ist der sogenannte (dimensionslose) Formationsfaktor. Φ ist die Porosität und S der Anteil der Poren, die Fluid enthalten. Die Konstanten a, n und m werden empirisch ermittelt3. Wichtig ist die Verbundenheit (connectivity) der elektrolytischen Phase bzw. des Porenraums. Liegt die leitfähige Komponente nur in voneinander isolierten Poren und Taschen innerhalb der schlechtleitenden Gesteinsmatrix vor, so hat sie keinen Einfluß auf den Gesamtwiderstand des Gesteins. Für Mehrphasensysteme und die völlige Verbundenheit bzw. Unverbundenheit der Poren sind einige Mischungsgesetze und Extremalmodelle aufgestellt worden, z.B. die sog. Hashin-Shtrikman (HS) bounds. Diese Grenzmodelle bestehen aus Kugeln, die gleiche Anteile von σf und σm (der Leitfähigkeit der Gesteinsmatrix) wie das gesamte Gestein enthalten. Für die untere HS-Grenze σmin ist der gutleitende Kern der Kugeln von einem schlechtleitenden Mantel umgeben, für die obere HS-Grenze σmax ist die äußere Schale gutleitend und stellt die Verbindung zwischen den einzelnen Kugeln her. In ihrer originalen Form lauten die Gleichungen:

Abb. 1.1: Grenzmodelle nach Hashin-Shtrikman und Sen, jeweils berechnet für ein Leitfähigkeitsverhältnis von 1:1000. M1:HS lower bound, M2:HS upper bound, M3: nach Sen, M4 (obere gestrichelte Linie): anisotropes (Ellipsoiden) Modell. Abbildung entnommen aus [KKL97]. 3

Die Grenzflächenleitfähigkeit ist der entscheidende Mechanismus bei Tonen und wird in dieser VL erst später im Zusammenhang mit der induzierten Polarisation diskutiert. 1-2

1. Allgemeine Grundlagen

⎛ ⎞ ⎛ 3(1 − φ)(σf − σm ) ⎞ 3φ (σf − σm ) σ min = σ m ⎜ 1 + ⎟ σmax = σf ⎜ 1 − ⎟ ⎝ 3σm + (1 − φ)(σf − σ m ) ⎠ ⎝ 3σf − φ (σf − σm ) ⎠

(1.6b)

Alternativ kann man ein Mischungsgesetz z.B. mit einer Parallel- bzw. Serienschaltung der Phasen beschreiben: σ max = φσf + (1 − φ) σ m

und

σ min

⎛ φ 1− φ⎞ ⎟ = ⎜⎜ + σ m ⎟⎠ ⎝ σf

−1

(1.6c)

Die effektive Gesteinsleitfähigkeit σG liegt dann zwischen σmin und σmax: σmin ≤ σG ≤ σmax (s. Abb. 1.1). Für σf >> σm berechnet sich die obere Grenze aus (1.6b) zu: σ max =

2φ σf 3− φ

.

(1.6d)

In einem anderen Modell von Sen et al. sind die gutleitenden Kugelschalen nicht homogen, sondern durch selbstähnliche, d.h. gegen Maßstabsänderungen inhomogene, kleinere Kugeln ausgefüllt (Modell M3 in Abb. 1.1); hier gilt dann für die effektive Leitfähigkeit: σG − σ m σf − σ m

⎛ σf ⎞ ⎜⎜ ⎟⎟ ⎝ σG ⎠

1/ 3



(1.6e)

bzw.

σ G = σ f φ 3 / 2 für

σm = 0

,

(1.6f)

d.h. einer Gleichung vom Archie-Typ. In einer Verallgemeinerung des Sen-Gesetzes setzt man Ellipsoide statt Kugeln an und erhält damit ein anisotropes Leitfähigkeitsmodell (M4); hier gilt: σG − σm σf − σ m

N

⎛ σf ⎞ ⎜⎜ ⎟⎟ = φ σ G ⎝ ⎠

.

(1.6g)

N heißt Entelektrisierungsfaktor, in den Grenzfällen entarten die Ellipsoide zu Nadeln (N→0) bzw. Platten (N→1). In Abb. 1.2 sind einige charakteristische Werte des spez. Widerstands von Gesteinen aufgeführt. Auffällig ist insbesondere der weite Bereich von 10-7 Ωm für reine Metalle bis hin zu 1015 Ωm für (trockene) Kali- und Steinsalze sowie die große Schwankungsbreite. Letztere hängt im wesentlichen vom Vorhandensein von H20 in den Poren und Klüften ab. Ein besonderes Interesse verdient die gute elektrische Leitfähigkeit des Graphit. Kohlenstoff hat als Element der 4. Hauptgruppe 4 Außenelektronen. In der Modifikation Diamant ist jedes C-Atom von 4 Nachbarn umgeben (kubisch flächenzentriertes Gitter) und damit ein schlechter elektrischer Leiter, weil kein Elektron auf der Außenschale schwach gebunden ist. In der Modifikation Graphit bilden die C-Atome in Schichten angeordnete „aromatische“ Ringe, in der jedes Atom drei Nachbarn hat − es werden also jeweils drei Elektronen zur Bindung benötigt (s. Abb. 1.3). Das überzählige Elektron kann nun mit einem überzähligen Elektron eines Nachbaratoms eine Bindung eingehen (schwache Resonanzbindung). Aufgrund dieser schwachen Bindung kann es leicht innerhalb der Schicht verschoben werden, d.h. Strom 1-3

1. Allgemeine Grundlagen

transportieren. Die Schichten selbst werden nur durch schwache van der Waals-Kräfte (Moleelektrischen) zusammengehalten, also nicht külkräfte durch gegenseitige IndSpezifische uzierung von Dipolmomente Widerstände von Gesteinen durch Elektronenbindung. Daraus folgt: hohe Leitfähigkeit in Schichtrichtung, starke AnisoOhm m tropie (diese ist mit geoelektrischen Methoden im Gelände allerdings meist nicht auflösbar). 100000 Diese Anisotropie, die auch in vielen anderen Gesteinskomplexen auftreten kann, läßt sich mathematisch durch eine ErweiterungMagmatische der bisher als skalare Größe behandelten elektrischen Leitfähigkeit beschrei10000 ben: Sie wird zu Gesteine einem 3×3-Tensor Metamorphe Gesteine, Kalkstein

1000 100

Sedimente

10 Krustenfluide Partielle, Schmelzen

1 0.1

Meerwasser

Sulfide, Graphit

0.01

Abb. 1.2: Spezifische Widerstände einiger Gesteine und Mineralien.

Abb. 1.3: Zur Gitterstruktur von Graphit.

1-4

1. Allgemeine Grundlagen

⎛ σ xx ⎜ σ = ⎜ σ yx ⎜σ ⎝ zx

σ xz ⎞ ⎟ σ yz ⎟ σ zz ⎟⎠

σ xy σ yy σ zy

,

(1.7a)

in dem jedoch die Nicht-Hauptdiagonalelemente paarweise gleich sind: σxy = σyx usw. (dem Strom ist es gleichgültig, ob er in xy- oder yx-Richtung fließt)4. Die Anzahl der Leitfähigkeiten ist damit auf 6 reduziert. Dreht man nun noch das Koordinatensystem in die Hauptachsenrichtung, so bleiben 3 Elemente (und 3 Richtungen) übrig: ⎛ σ1 ⎜ σ=⎜ 0 ⎜0 ⎝

0⎞ ⎟ 0⎟ σ 3 ⎟⎠

0 σ2 0

. (1.7b)

x

Gegenüber dieser als Gesteinseigenschaft intrinsischen Anisotropie definiert eine Makro- oder Pseudoanisotropie, wenn das Volumen, über das die jeweiligen Sondierungsmethoden integrieren, so groß ist, daß die Strukturen als anisotrop erscheinen (z.B. gutleitfähige Störungsflächen in einem schlechtleitenden Gesteinsverbund, s. Abb. 1.4). Dies spiegelt das reduzierte Auflösungsvermögen der Methoden wider.

anisotropy strike α α

ρmax y

Im Falle söhliger Lagerung unterscheidet man zwischen Leitfähigkeiten in vertikaler und horizontaler Richtung5 und definiert einen Anisotropiekoeffizienten η = σh σv = ρv ρh

ρmin

z

Abb. 1.4: Zur Makroanisotropie

,

(1.7c)

der in der Praxis Werte zwischen etwa 1.4 und 2.5 annehmen kann. Wie wir später sehen werden, ist dieser Koeffizient durch kein einzelnes Verfahren allein aufzulösen, sondern nur durch einen Kombination verschiedener Verfahren, die sich in der Geometrie ihrer Stromsysteme im Untergrund unterscheiden (z.B. Gleichstromgeoelektrik und MT). Die elektrische Leitfähigkeit wird im folgenden als reell und frequenzunabhängig angenommen, was für den hier behandelten Frequenzbereich weitgehend gültig ist. Das Ohmsche Gesetz (1.5) ist nur eine von drei Materialgleichungen der Elektrodynamik. Die beiden anderen lauten für nicht-polarisierbare und nicht-magnetisierbare Medien:

D = ε r ε0 E B = µ rµ0 H 4 5

(1.8) .

(1.9)

Diese Symmetrie gilt nicht, wenn das Magnetfeld eine Rolle spielt, wie z.B. beim Hall-Effekt in einem Plasma. Eine solche Anisotropie durch Feinschichtung beobachtet man z.B. sehr häufig bei marinen und lakustrischen Sedimenten. Ein klassisch anisotropes Gestein ist auch Gneis, wie bereits dessen gebänderte Struktur nahelegt. 1-5

1. Allgemeine Grundlagen

Dabei ist D der Vektor der dielektrischen Verschiebung, H ist die magnetische Feldstärke. ε0 = 8.89 × 10−12 As/Vm ist die Influenzkonstante und µ0 = 4π × 10−7 Vs/Am die Induktionskonstante. Die relative Dielektrizität εr erreicht in der Natur maximale Werte von etwa 81 für Wasser; für trockene Gesteine kann man durchschnittliche Werte von etwa 20 annehmen. Sie spielt nur bei Hochfrequenzverfahren (Bodenradar) eine Rolle (s. später). Die Permeabilität µr ist nur für einige Titanomagnetite deutlich von 1 verschieden, bei den meisten elektromagnetischen Anwendungen kann man sie identisch 1 setzen und vernachlässigen (s. Tabelle 1.1).

Tabelle 1.1: Dielektrizitätskonstanten (links) und Permeabilitäten (oben) einiger Mineralien und Gesteine (aus Telford et al. 1992).

1-6

2. Gleichstromgeoelektrik

2. Gleichstromgeoelektrik Das älteste und grundlegende Verfahren ist die Gleichstromgeolektrik; das Meßprinzip besteht im Einspeisen eines (Gleich-) Stroms an zwei Stromelektroden in den Untergrund und der Messung des Spannungsabfalls, der durch diesen Strom hervorgerufen wird. Im englischen Sprachgebrauch benutzt man hierfür häufig die Abkürzungen VES (vertical electrical sounding) oder DCR (direct current resistivity method). Wir betrachten zunächst einen homogenen, isotropen Halbraum mit dem spezifischen Widerstand ρ. Wie bereits im vorherigen Kapitel ausgeführt, ist die elektrische Feldstärke gleich der elektrischen Spannung (= Potentialdifferenz)/Abstand der abgreifenden Meßpunkte:

E=−

dU dI U = −ρ = −ρ J . oder differentiell geschrieben: E = − dr dA r

(2.1)

Dabei ist wie zuvor E die elektr. Feldstärke, U die Spannung, r der Abstand der Meßpunkte, I die Stromstärke, A die Fläche und J die Stromdichte. Das Problem, das wir lösen müssen, besteht nun darin, die Potentialverteilung im Untergrund und an der Erdoberfläche z = 0 aus Gl. (2.1) zu berechnen. Dazu betrachten wir zunächst das Potential einer Punktelektrode (s. Abb. 2.1). Eine Punktelektrode ist physikalisch natürlich nicht realisierbar, daher denkt man sich die zweite Elektrode im Unendlichen und mißt auch die Potentialdifferenz gegen Unendlich, wobei man definiert: U(∞) := 0.

Abb 2.1: Stromverteilung im homogenen Halbraum bei Einspeisung durch eine Punktelektrode, die 2. Elektrode befinde sich im Unendlichen. Der Strom im Untergrund fließt vom Einspeisepunkt C1 aus symmetrisch in alle Richtungen und senkrecht zu den Flächen gleichen Potentials (Äquipotentialflächen). Um nun das Potential am Aufpunkt P1 (der genausogut im Untergrund z > 0 liegen kann) zu bestimmen, benutzt man zweckmäßigerweise ein Kugelkoordinatensystem (r , θ , φ), da wir dann nur noch mit einer Koordinate, dem Abstand r, zu rechnen haben. Durch die Fläche einer Halbkugel (A = 2 π r2) fließt dann eine Gesamtstromdichte:

J=

I 2 π r2

(2.2)

2-1

2. Gleichstromgeoelektrik

Für den Potentialgradienten (Differenz dU des Potentials zwischen zwei Äquipotentialflächen im Abstand dr) folgt dann:

ρI dU = −ρ J = − , dr 2 π r2

(2.3)

woraus sich für das Potential im Aufpunkt P1 im Abstand r1 vom Einspeisepunkt C1 zu r1

U = ∫ dU = − ∞

ρ I r1 dr ρ I 1 ∫ = 2 π ∞ r2 2 π r

r1

=

ρI 2 π r1

(2.4)

ergibt. Für eine 2-Punktanordnung ist die Stromverteilung schematisch in Abb. 2.2 gezeigt; sie ist nun ebenso wie die Potentialverteilung symmetrisch um den Mittelpunkt der Einspeisepunkte C1 und C2.

+I

C1

−I

C2

x

r2 r1 equipotential surfaces

P

ρ = const.

current lines

Abb. 2.2: Stromverteilung und Äquipotentialflächen bei zwei Punktelektroden im Abstand L = AB = C1C 2 . Das Potential im Aufpunkt P ist nun einfach gleich der Summe der Anteile aus Einspeisepunkt C1 und C2, und, da der Strom in C1 in den Erdboden hinein, in C2 hinaus fließt, erhält das Potential bezogen auf C2 ein negatives Vorzeichen:

U ( P) = U 1 ( P ) + U 2 ( P ) =

⎛ ρI ρI + ⎜⎜ − 2 π r1 ⎝ 2 π r2 2-2

⎞ ρI ⎛ 1 1 ⎞ ⎟⎟ = ⎜⎜ − ⎟⎟ ⎠ 2 π ⎝ r1 r2 ⎠

.

(2.5)

2. Gleichstromgeoelektrik

Damit ist der spezifische Widerstand des Halbraums durch Messung von U und I bestimmbar. Wie aus Abb. 2.2 unmittelbar zu ersehen ist, erreicht das Stromsystem durch Vergrößerung des Elektrodenabstandes immer größere Tiefen: die Prozentzahlen in Abb. 2.2 geben an, welcher Anteil des Gesamtstromes zwischen Erdoberfläche und der jeweiligen Tiefe fließt. Um diesen Anteil zu berechnen, betrachten wir die Äquipotentialfläche, an der das elektrische Potential identisch Null wird. Dies ist offensichtlich die Fläche, für die r1 = r2 gilt, also die vertikale Ebene zwischen den Einspeisepunkten C1 und C2. Auf Punkten dieser Ebene haben der elektrische Feldvektor und damit die Stromdichte nur eine Komponente in x-Richtung, also Jx = σ Ex und damit wegen Ex = −∂U/∂x: Jx = −σ ∂U/∂x. Ersetzen wir nun das Potential U durch den Ausdruck in (2.5), ergibt sich:

Jx = −

I ∂ ⎛1 1⎞ ⎜ − ⎟ 2π ∂x ⎜⎝ r1 r2 ⎟⎠

.

(2.6a)

Die Abstände r1 und r2 berechnen sich zu r1 = (x2+z2)1/2 bzw. r2 = ((x-L)2+z2)1/2 − dabei ist die Abhängigkeit von der y-Koordinate weggelassen, d.h. wir betrachten y = 0 für den Mittelpunkt zwischen C1 und C2. Einsetzen in (2.6a) und Ableitung nach x ergibt: Jx =

I ⎛⎜ x x−L − 3 / 2 2 π ⎜ (x 2 + z 2 ) (x − L)2 + z 2 ⎝

(

)

3/ 2

⎞ ⎟ ⎟ ⎠

und für x = L/2:

J x = J x (z ) =

I ⎛⎜ L 2π ⎜⎝ (L2 / 4 + z 2 )3 / 2

⎞ ⎟ ⎟ ⎠

.

Das Verhältnis der Stromdichte Jx(z) in einer Tiefe z zur Stromdichte an der Oberfläche z = 0 ist dann:

Jf =

J x (z ) 1 = J x (0) 1 + (2z / L )2

(

)

3/ 2

.

(2.6b)

Den Anteil des Gesamtstromes erhält man durch Integration von (2.6b):

If =

⎛ z ⎞ 2 2 ⎛ 2z ⎞ ⎟⎟ = arctan ⎜ ⎟ arctan ⎜⎜ π ⎝ L⎠ ⎝ L 2⎠ π

.

(2.6c)

Oberhalb der Tiefe z = L/2 fließt somit die Hälfte des Gesamtstroms: If = 0.5 (siehe Abb. 2.3). Dies ist die Quintessenz der geoelektrischen Tiefensondierung: Indem der Elektrodenabstand systematisch vergrößert wird, sind Aussagen über den spezifischen Widerstand ρ in immer größeren Tiefen möglich.

2-3

2. Gleichstromgeoelektrik

Die einfachen Ausdrücke für das Potential der 2-Punktanordnung sind also in dem Sinne zu erweitern, daß es für einen weiteren Aufpunkt berechnet werden muß (s. Abb. 2.5):

U( P1 ) =

0 0

20

If [%] 40 60

80

100

200

400 z [m]

In der Praxis ist diese 2-Punktanordnung jedoch unbrauchbar, wie das Ersatzschaltbild in Abb. 2.4 demonstriert. RE bzeichnet hier den ohmschen Widerstand des Untergrundes, RA und RB sind die „Übergangs- oder Kontaktwiderstände“ der Elektroden. In der 2-Punktschaltung (gestrichelte Linie) ist der gemessene Spannungsabfall U ~ (RA + RE + RB). Diese Übergangswiderstände entstehen durch den ungenügenden Kontakt der Elektroden (z.B. Stahlspieße) mit dem Erdboden und eventuelle Oxidationsschichten; sie bleiben grundsätzlich unbekannt und verfälschen daher das gewünschte Ergebnis, nämlich die Bestimmung des Erdwiderstandes RE. Eine Lösung dieses Problems liefert ein separater Kreis zur Spannungsmessung (durchgezogene Linie in Abb. 2.4). Diese Messung sollte „stromlos“ erfolgen, d.h. der Innenwiderstand des angeschlossenen Voltmeters bzw. Elektrometerverstärkers sollte möglichst hoch sein1.

L=100m

600 L=1000m

800

1000

Abb. 2.3: Anteil des Stromsystems in %, der oberhalb einer Tiefe z fließt, dargestellt für Auslagenweiten von L=100m und L=1000m.

ρI ⎛ 1 1 ⎞ ρI ⎛ 1 1 ⎞ ⎜ − ⎟ . ⎜⎜ − ⎟⎟ , U( P2 ) = 2 π ⎝ r1 r2 ⎠ 2 π ⎜⎝ r3 r4 ⎟⎠

(2.7)

Damit folgt für die Potentialdifferenz (= Spannung) zwischen den Meßpunkten P1 und P2:

Abb. 2.4: Ersatzschaltbild zur 2- und 4-Punktanordnung. 1

Sichwort Ankopplung: In der Praxis sollte der Widerstand zwischen den Stromelektroden (also Rges = RA + RE + RB) in der Größenordnung von einigen kΩ liegen; ein höherer Widerstand hat einen kleineren Stromfluß I zur Folge, was die genaue Spannungsmessung erschwert. 2-4

2. Gleichstromgeoelektrik

Abb. 2.5: Zur Herleitung der Potentiale in einer 4-Punktanordnung.

∆U = U( P1 ) − U( P2 ) =

ρI ⎛ 1 1 1 1 ⎞ ⎜ − − + ⎟ 2 π ⎜⎝ r1 r2 r3 r4 ⎟⎠

.

(2.8)

Durch Messung von ∆U und I sowie bei bekannten Abständen r1 − r4 (Maßband!) erhält man somit:

2 π ∆U ρ= I

⎛1 1 1 1⎞ ⎜⎜ − − + ⎟⎟ ⎝ r1 r2 r3 r4 ⎠

−1

=G

∆U I

.

(2.9)

Dies ist die Grundgleichung der geoelektrischen Tiefensondierung; G bzeichnet man als Geometrie- oder Konfigurationsfaktor, gemessen in m. Man kann nun zwar die Strom- und Spannungsdipole beliebig plazieren; zweckmäßigerweise ordnet man die Elektroden und Sonden jedoch in irgendeiner Weise symmetrisch an. Die gebräuchlichsten Anordnungen sind in Abb. 2.6 dargestellt. Sie haben jeweils spezifische Vor- und Nachteile bzgl. des meßtechnischen Aufwands und der Meßgenauigkeit, d.h. des Signal-/Rauschverhältnisses. Für die Anordnungen in Abb. 2.6 ergeben sich die folgenden Geometriefaktoren: Wenner:

G = 2 πa

Schlumberger:

G=

Dipol-Dipol:

G = π n ( n + 1) ( n + 2) a

Pol-Pol:

G = 2 πa

Pol-Dipol:

G = 2π n ( n + 1) a

π⎡ π 2 2 2 L 2 ) − ( a 2 ) ⎤ oder G = ⎡( L 2 ) ⎤ für L >> a ( ⎦ ⎦ a⎣ a⎣

Letztere Anordnung ist in Abb. 2.6 nicht aufgeführt; dabei wird eine Stromelektrode der Dipol-Dipol-Konfiguration nach ∞ gelegt. Im Falle eines homogenen Untergrunds ist der aus Gl. (2.9) erhaltene spezifische Widerstand per def. unabhängig von der Konfiguration der Anordnung (d.h. nichts anderes, als daß Strom und Spannung sich entsprechend „einstellen“). Geht man jedoch zum allgemeinen Fall eines nichthomogenen und/oder anisotropen Halbraumes über, benutzt man weiterhin die Gl. (2.9), allerdings läßt sich jetzt nur noch ein scheinbarer spezifischer Widerstand ρa (engl. „apparent resistivity“) bzw. ρs bestimmen. Dieser ist nun eine Funktion der Elektroden-/Sonden-Konfiguration und insbesondere der Auslagenweite L = AB (als solche bzw. als Funktion von L/2 2-5

2. Gleichstromgeoelektrik Schlumberger

Wenner A

M

N a

a

A

B

M

a

N

B

a L=AB

Dipol-Dipol

A B a

M

N a Pol-Pol M A

L=na N M N a

a

B →∞

na

B →∞

→∞

A

Pol-Dipol

Abb. 2.6: Gebräuchliche 4-Punktanordnungen der Gleichstromgeoelektrik. A und B sind die Stromeinspeisepunkte, M,N die Punkte zur Spannungsmessung. Für die Pol-DipolAuslage gibt es auch andere Varianten. wird er meist dargestellt, denn hier spiegelt sich die Tiefenabhängigkeit der Stromsysteme wider, wie weiter oben ausgeführt):

ρ a = ρ a ( G ) = ρ a ( L) .

(2.10)

Hinsichtlich der Erdmodelle unterscheidet man nun zwei Ansätze: den eindimensionalen, geschichteten Untergrund und den Fall der zweidimensionalen lateralen Leitfähigkeitskontraste (die Natur ist natürlich oft weit entfernt von diesen Idealisierungen und komplizierter, d.h. dreidimensional und/oder anisotrop). Entsprechend bezeichnet man die Verfahren zur Erkundung eines geschichteten Halbraums als „Sondierung“, die eines lateral inhomogenen als „Kartierung“ (s. Abb. 2.7). z=0 h1 h2 h3 h4

ρ1 ρ2 ρ3 ρ4

z=0

ρ2

ρ1

Abb. 2.7a: Idealisierte Modelle eines inhomogenen Untergrundes. Links: geschichteter Halbraum, rechts: laterale Widerstandskontraste. Twin-Array Messgerät, Erdung Messgitter

C1

P1

Mobile Sonden

C2 P2

Basis-Sonden

Abb. 2.7b: Beispiel eines Kartierungsschemas (Twin-Array), wie es z.B. in der archäologischen Prospektion eingesetzt wird. Der Abstand der fest an einem Rahmen montierten Sonden C1P1 beträgt etwa 0.5-1m, die Basissonden befinden sich im „Unendlichen“. 2-6

2. Gleichstromgeoelektrik

In einer Sondierung wird (bei festem Mittelpunkt der Anordnung) die Auslage der Stromelektroden sukzessive vergrößert, um so immer tiefere Schichten des Untergrundes zu erreichen; bei einer Kartierung verschiebt man die gesamte oder Teile der Auslage (bei fester Konfiguration) über die – vermutete – Leitfähigkeitsgrenze. Unter „Sondierungskartierung“ wird die Kombination beider Prinzipien mit einer Multielektrodenanordnung verstanden. Um die bei einer Sondierung oder Kartierung erhaltenen scheinbaren Widerstandskurven als Funktion der Auslagenweite oder des Ortes zu verstehen, müssen zunächst die Verhältnisse an den Leitfähigkeitsgrenzen zwischen zwei homogenen Bereichen (wir betrachten auch weiterhin keine Anisotropie), d.h. die sogenannten Randbedingungen, untersucht werden. Grundsätzlich gilt an solchen Grenzflächen: Die Normalkomponente der Stromdichte ist stetig, während die Tangentialkomponente um einen zu den Leitfähigkeitskontrasten proportionalen Betrag springt. Dies ist unmittelbar anschaulich: Wäre es anders, müßte in der Grenzschicht eine Stromquelle verborgen sein, die die besser leitende Schicht mit zusätzlichen Ladungsträgern versorgt und umgekehrt. Die markanteste Leitfähigkeitsgrenze überhaupt in der Natur bildet die Erdoberfläche: Der Luftraum ist ein fast vollkommener Isolator (mit spezifischen Widerständen in Bodennähe von etwa 1014 Ωm), während man die oberflächennahen Gesteinsschichten mit 10−104 Ωm ansetzen kann; der Widerstandskontrast umspannt also mindestens 10 Dekaden! Ein im Erdboden existierender Strom (bewußt eingespeist oder irgendwie „vagabundierend“, z.B. durch Induktionseffekte) kann nicht in den nichtleitenden Luftraum übertreten; seine Vertikalkomponente muß direkt unterhalb der Erdoberfläche gleich Null sein. Dagegen kann unterhalb der Oberfäche ein nur von den Parametern der Gesteine abhängiger, aber sonst beliebiger tangential gerichteter Strom fließen; die Sprungbedingungen sorgen dafür, daß dieser im Luftraum nicht mehr existiert. Für die elektrische Feldstärke gilt das Umgekehrte: ihre Tangentialkomponente ist stetig an der Grenzfläche, die Vertikalkomponente springt umgekehrt proportional zum Leitfähigkeitskontrast. Die Zusammenhänge seien anhand von Abb. 2.8 näher erläutert.

Abb. 2.8: Die Stetigkeits- und Sprungbedingungen der Stromdichte an einer Grenzschicht. Mit φ1 als Einfall- und φ2 als Ausfallwinkel, Jn als Normal- und Jt als Tangentialkomponente gilt:

J n1 = J n2 = J n

J t1 = tan φ1 Jn

Jt2 = tan φ2 Jn 2-7

.

(2.11)

2. Gleichstromgeoelektrik

Die Stetigkeit der Normalkomponente (sie ist direkt an der Grenzschicht auf beiden Seiten gleich groß) bedeutet nichts anderes, als daß der Strom tiefer in den schlechten Leiter eindringt. Für die Komponenten der elektrischen Feldstärke gilt das Umgekehrte (wg. des verallgemeinerten Ohmschen Gesetzes); die Tangentialkomponente ist stetig, die Normalkomponente springt proportional zum Widerstandskontrast:

J n = σ1E n1 = σ2 E n2 also E t =

J t1 = σ1E t

J t 2 = σ2 E t (2.12)

J t1 J t 2 = σ1 σ2

Daraus folgt das Brechungsgesetz der Stromlinien:

J t1 σ1 E t σ1 ρ 2 tan φ1 = = = = J t 2 σ 2 E t σ 2 ρ1 tan φ2

.

(2.13)

Dieses wichtige Gesetz ist noch einmal in Abb. 2.9 veranschaulicht. Die bisherigen Betrachtungen zeigten nur die Verhältnisse in der unmittelbaren Umgebung der Grenzschicht (wobei die Stromlinien als gerade Linien eingezeichnet werden können). Für das weitere Umfeld der Grenzflächen ist das Stromsystem in der nächsten Abbildung aufge-

Abb. 2.9: Brechung der Stromlinien an einer Widerstandsgrenzfläche, der Einfallwinkel betrage jedes Mal 60°. Oben: Schlechter Leiter unter gutem Leiter, der Brechungswinkel beträgt 19° und die Stromlinien dringen tiefer in den schlechten Leiter ein. Unten: Dringen die Stromlinien in einen guten Leiter ein, so findet eine „Stromkonzentration“ an der Grenzschicht statt, der Brechungswinkel beträgt 83°. Siehe Gl. (2.13). 2-8

2. Gleichstromgeoelektrik

tragen. Die nächsten Abbildungen (2.10, 2.11) veranschaulichen noch einmal das Prinzip der Tiefensondierung und den Wert des scheinbaren spezifischen Widerstandes für eine sukzessive Vergrößerung der Auslagenweite L. Für kleine L „sieht“ ρa nur die obere Schicht, der größte Teil des Stromsystems fließt ausschließlich oberhalb der Grenze, daher ist ρa = ρ1. Für mittlere Auslagen fließt ein signifikanter Anteil des Stromes sowohl ober- als auch unterhalb

Abb. 2.10: Das Stromsystem im Untergrund im 2-Schichtfall bei verschiedenen Widerständen für das Substratum. 2-9

2. Gleichstromgeoelektrik

Abb. 2.11: Das Stromsystem und der scheinbare spezifische Widerstand im 2-Schichtfall bei Vergrößerung der Auslage. der Leitfähigkeitsgrenze, daher ist nun ρ1 < ρa < ρ2. Für große L sieht ρa quasi nur die untere Schicht, daher gilt hier ρa = ρ2. In Abb. 2.12 sind exemplarische ρa (L/2)-Kurven für die Schlumberger-Auslage aufgetragen. Man erkennt den unsymmetrischen Verlauf, d.h. der Abfall für einen guten Leiter unter schlechtleitender Deckschicht ist wesentlich steiler als der Anstieg für den umgekehrten Fall.2

Abb. 2.12: ρa-Kurven für Zwei- (links) und Dreischichtfälle (rechts) in der SchlumbergerAuslage. Die Schichtdicken betragen jeweils 10 m für die Deckschicht und 100 m für die intermediäre Schicht rechts.

2

Auf die Erstellung solcher Kurven (Vorwärtsrechnung oder Modellierung) kann in Rahmen dieser Vorlesung nicht eingegangen werden. Sie beinhaltet die Berechnung eines sog. Stefanescu-Integrals über eine die Untergrundinformation enthaltene Kernfunktion und eine Besselfunktion 1. Ordnung. In der Inversionsrechnung schließt man von den Daten auf die Modellparameter und paßt dieses Integral z.B. iterativ durch sukzessive Änderung der Schichtdicken und -mächtigen an die Datenkurve an. Näheres siehe Manuskript „Theoretische Geoelektrik“. 2-10

2. Gleichstromgeoelektrik

Bei der Interpretation von ρa-Kurven ist zu beachten, das das geoelektrische Problem zwar im Prinzip eindeutig ist, d.h. geringfügige Änderungen der Modellparameter (Schichtdicken bzw. -widerstände) erzeugen jeweils eine andere Modellantwort. Allerdings sind − in gewissen Grenzen − die Änderungen in der Modellantwort so klein, daß sich die verschiedenen Modelle innerhalb bestimmter Fehlerintervalle (eine gemessene ρa-Kurve läßt sich selten genauer als etwa 1% anpassen) nicht unterscheiden lassen. Je nach Kurventyp spricht man vom Prinzip der Äquivalenz bzw. der Schichtunterdrückung. Bei äquivalenten Modellen sind 2 Fälle zu unterscheiden: Ist in einem 3-Schichtfall eine intermediäre gutleitende Schicht zwischen 2 schlechten Leitern eingebettet, wird unter Umständen nur der Leitwert dieser Schicht τ2 = σ2d 2 = d 2 ρ 2

aufgelöst (in der Literatur τ- oder häufiger S-Äquivalenz genannt, s. Abb. 2.13); ist die intermediäre Schicht hochohmiger als die Deckschicht und das Substratum, wird nur der Quer- oder Transversalwiderstand aus den ρa-Kurven erkannt:

T2 = ρ 2 d 2

mit

[T] = Ωm2

.

Variiert man also ρ2 und d2 in gewissen Grenzen so, daß sich der gleiche Leitwert bzw. Querwiderstand ergibt, ist der jeweilige Modellresponse innerhalb der Fehlergrenzen nicht zu unterscheiden. Zum Phänomen der Schichtunterdrückung kann es kommen, wenn der spez. Widerstand der intermediären Schicht zwischen denjenigen von Deckschicht und Substratum liegt:

ρ1 < ρ 2 < ρ 3

oder ρ1 > ρ 2 > ρ 3

.

Wiederum können ρ2 und d2 in gewissen Grenzen variieren, ohne daß man die Modellantworten praktisch unterscheiden kann. Beide Uneindeutigkeiten sind natürlich nicht auf 3-Schichtfälle beschränkt; auch sind Kombinationen von Äquivalenz und Schichtunterdrückung möglich. Eine weitere Erschwernis für die Interpretation geoelektrischer Tiefensondierungen stellt die Anisotropie dar (s. Kap. 1). Im Falle söhliger Lagerung unterscheidet man zwischen Leitfähigkeiten in vertikaler und horizontaler Richtung3 und definiert einen Anisotropiekoeffizienten η = σh σv = ρv ρh

,

(2.14)

der in der Praxis Werte zwischen etwa 1.4 und 2.5 annehmen kann. Diese Anisotropie führt u.a. zu einer Überschätzung der Schichtmächtigkeiten und ist durch kein einzelnes Verfahren allein aufzulösen, sondern nur durch einen Kombination verschiedener Methoden (z.B. Geoelektrik und Audiomagnetotellurik), die sich in der Geometrie ihrer Stromsysteme im Untergrund unterscheiden.

3

Eine solche Anisotropie durch Feinschichtung oder -schieferung beobachtet man z.B. sehr häufig bei marinen und lakustrischen Sedimenten. Ein klassisch anisotropes Gestein ist auch Gneis, wie bereits dessen gebänderte Struktur nahelegt. 2-11

2. Gleichstromgeoelektrik

Abb. 2.13a: Modellresponse (links, Inlet: relative Abweichung der ρa-Werte) für zwei äquivalente 3-Schichtmodelle (rechts): Modell 1: ρ2 = 10 Ωm, d2 = 10 m; Modell 2: ρ2 = 20 Ωm, ρ2 = 20 m. Der Leitwert der zweiten Schicht ist jeweils 1 S.

Abb. 2.13b:Ein Beispiel aus der Praxis: Der Bereich äquivalenter Modelle umgibt das "beste" Modell angenähert wie ein Schlauch. Man erkennt insbesondere die schlechte Auflösung der zweiten Schichtgrenze. In Verallgemeinerung von Gl. (2.4) gilt (ohne Herleitung) für einen anisotropen Halbraum:

U( r ) =

I 1 ⋅ 2π σ x σ y σ z x 2 σx + y 2 σ y + z 2 σz

und

r = x 2 + y2

.

Bei horizontaler Schichtung (σx = σy = σh, σz = σv) folgt für das Potential an der Oberfläche: U( x, y,0) =

I I = 2 π σr 2 π σ h σ v

.

(2.15)

Man erhält also lediglich eine „Misch-“ Leitfähigkeit σ . Bei senkrechter Schichtung/Schieferung (σx = σt = Leitfähigkeit transversal, σy = σz = σA = Leitfähigkeit longitudinal zur Schichtung) gilt:

2-12

2. Gleichstromgeoelektrik

U( x,0,0) =

I 2πσ A r

und U(0, y,0) =

I 2 π σr

, σ = σAσ t

.

(2.16)

Bei einer Sondierung entlang der x-Achse mißt man also nicht die Leitfähigkeit σx = σt sondern die Leitfähigkeit σA („Anisotropie-Paradoxon“). Wie für einen lateral inhomogenen Untergrund sollte in diesem Fall eine Kartierung oder wenigstens eine Kreuzsondierung, bei der man eine Auslage ⊥ zur ursprünglichen Richtung mißt, durchgeführt werden.

Anmerkung

Vor dem Zeitalter der computerisierten Auswertung, die heute für 1D-Fälle meist schon im Gelände geschieht, wurden die Daten häufig mit Hilfe von Kurvenatlanten analysiert. Dabei benutzte man sog. Masterkurven, in denen für Mehrschichtfälle normierte scheinbare spezifische Widerstände und Auslagen aufgetragen waren. Die Abb. rechts zeigt das Beispiel eines 2-Schichtfalls, wobei ρa auf ρ1 und L/2 auf d1 normiert ist. Die Parameter an den Kurven geben das Widerstandsverhältnis ρ2/ρ1 an. Die auf Transparentpapier eingetragenen Datenpunkte wurden dann mit einer dieser Kurven zur Dekkung gebracht, worauf das Untergrundmodell direkt abgelesen werden konnte. Man kann sich unschwer den Aufwand bei der Interpretation von Mehrschichtfällen vorstellen... Auf die Berechnung von ρa-Kurven für geschichtete Halbräume kann im Rahmen dieser Vorlesung nicht eingegangen werden4. Sie erfolgt mit dem Stefanescu-Integral

⎧ L2 ∞ ⎫ ρa ( L / 2 ) = ρ1 ⎨1 + ∫ θ1 ( λ ) J1 ( λ L / 2 ) λdλ ⎬ 2 0 ⎩ ⎭

Abb. 2.14: Beispiel eines Satzes von Masterkurven für den 2-Schichtfall.

,

dabei ist J1(λ) die Besselfunktion 1. Art und θ1(λ) die sog. Kernfunktion, die die Information über den Untergrund enthält.

4

Siehe das Manuskript der Hauptfachvorlesung. 2-13

2. Gleichstromgeoelektrik

Laterale Leitfähigkeitsvariationen

Treten laterale Variationen der Leitfähigkeit im Untergrund auf (eigentlich der Normalfall), so führt eine Tiefensondierung an einem Punkt in die Irre, da u.U. die Einflüsse z.B. einer geneigten Schicht im Streichen der Auslage gar nicht von einer 1D-Kurve zu trennen sind. Erst die schon erwähnte Kreuz- oder Kreissondierung (Abb. 2.15) würde hierüber größeren Aufschluß verschaffen. Die Standardmethode zur Erfassung lateraler Kontraste ist jedoch die geoelektrische Kartierung („lateral profiling“), bei der ein 4-Punktarray ganz oder in Teilen über die (zu erwartende) Anomalie hinwegbewegt wird, bei Konstanthaltung der respektiven Abstände. Werden diese auch noch variiert, spricht man gelegentlich von Sondierungskartierung.

Abb. 2.15: Eine Kreuzsondierung (schwarze Linien und Elektroden) wird duch eine Kreissondierung (grau) vervollständigt.

Will man eine geeignete Anordnungsform für eine Kartierung wählen, so scheiden schon aus praktischen Gesichtspunkten die Wenner- und die Schlumberger-Anordnung aus, muß man doch dabei ständig alle 4 Elektroden/Sonden gemeinsam versetzen. Die naheliegendste Methode ist eine Dipol-Dipol-Kartierung, da hier nur das Sondenpaar vesetzt werden muß. Es wird sich jedoch zeigen, daß die Dreipol-Anordnung (Pol-Dipol) nicht nur ein besseres Signal/Rauschverhältnis liefert (wie erwartet, da die Potentialmessung innerhalb der Stromauslage erfolgt), sondern auch eine bessere Auflösung der Kontraste, insb. bei vertikalen Dikes. Abb. 2.16 zeigt exemplarisch für eine Pol-Dipol-Anordnung, wie die ganze Auslage über den Kontakt versetzt wird. Beißt der Kontakt an der Oberfläche aus, ergeben sich bei den A I

MN L

ρ1

∞ ρ2

2A s

∞ II

ρ1

ρ1

x

ρ2

∞ IV

x

ρ2

∞ III

x

ρ1

x

ρ2

Abb. 2.16: Schema einer Kartierung über einen vertikalen Kontakt, hier mit einer Pol-Dipol-Anordnung. Die gemessenen ρa(x)-Werte werden auf den Mittelpunkt von MN bezogen. L ist der Abstand der Stromelektrode A zum Mittelpunkt der Potentialsonden M und N, 2A der Abstand der Potentialsonden M,N und s ist der Abstand von A zur Störung. 2-14

2. Gleichstromgeoelektrik

Sender

Empfänger

I

U

a

na

a

Abb. 2.17: Schema zur Erstellung einer geoelektrischen Pseudosektion, hier für eine Dipol-Dipol-Anordnung. Die Datenpunkte - d.h. ρa(a,n) - werden an den Schnittstellen von Geraden eingetragen, die von den Mittelpunkten der Sender/Empfänger-Dipole unter ±45° nach unten verlaufen. Durch Umsetzung des Empfängerdipols wird eine kontinuierliche Überdeckung erreicht.

meisten Anordnungen (nicht bei Pol-Pol) charakteristische Unstetigkeiten in der ρa(x)-Kurve, abhängig davon, welche Elektrode/Sonde über den Kontakt gewandert ist. In Abb. 2.17 ist schematisch aufgetragen, wie aus einer Kartierung eine sog. Pseudosektion des scheinbaren spezifischen Widerstands erstellt wird. Auch wenn heute die Modellierung zweidimensionaler Datensätze ausschließlich über die numerische Verfahren der finiten Differenzen (oder Elemente) erfolgt, ist es instruktiv und erleichtert das physikalische Verständnis, wenn man analytische Lösungen – die es natürlich nur für einfache Fälle gibt – in Betracht zieht. Am einfachsten ist die Spiegelpunktmethode, die sich des Analogons aus der Optik bedient. Sie wurde früher auch für horizontale Schichtung benutzt, wird jedoch völlig unübersichtlich, wenn man mehr als einen 2-Schichtfall untersucht. Für grundsätzliche Probleme in der 2D-Geoelektrik – wie dem vertikalen Kontakt, dem vertikalen Dike oder einer einfallenden Schicht (unter bestimmten Bedingungen) – ist sie jedoch recht anschaulich. Dies sei für eine Punktquelle A in Gegenwart einer senkrechten Störung bei x = d, die zwei Viertelräume mit den spezifischen Widerständen ρ1 und ρ2 trennt, dargestellt (Abb. 2.18). A befinde sich im Ursprung des Koordinatensystems. Um das elektrische Feld um A zu berechnen, beseitigen wir zunächst den Einfluß des Luftraums, indem wir den unteren Halbraum an der Ebene z = 0 spiegeln. Da nun die das leitfähige Volumen verdoppelt ist, verdoppeln wir entsprechend die eingespeiste Stromstärke auf 2I. Das Potential einer Punktquelle in einem Vollraum des Widerstand ρ1 ist:

2-15

2. Gleichstromgeoelektrik

d

I

d

I'

A

A' y x=2d

x=0 ρ1

x

ρ2 z

Abb. 2.18: Spiegelpunktmethode an einer senkrechten Störung. Stromquelle A mit Spiegelpunkt A’ im jeweiligen Abstand d von der Kontaktfläche.

U(r) =

Iρ1 2 πr

entsprechend Gl. (2.8); dabei haben wir den Vollraum – der einen Faktor 4π im Nenner geben würde (s. auch Gl. (2.5a) – durch den Strom 2I kompensiert. Den störenden Effekt des Viertelraumes (bzw. jetzt zunächst Halbraumes) mit dem Widerstand ρ2 berücksichtigen wir, indem wir eine zweite Stromquelle im Punkt A’ mit der Stromstärke 2I’ im Spiegelpunkt von A an der Ebene x = d einführen. Das Potential links von x = d wird nun

U (1) =

Iρ1 I ' ρ1 + 2πr 2πr '

(2.17)

mit r = (x2+y2+z2)1/2 und r’ = ((2d−x)2+y2+z2)1/2. Rechts von x = d sieht man die wahre Stromquelle A durch die Spiegelfläche mit der Stromstärke I’’:

U (2) =

I '' ρ2 2πr

.

(2.18)

U(1) und U(2) erfüllen die Laplace-Gleichung im ganzen Raum und verschwinden – wie es sein muß – im Unendlichen. Die I’ und II’ finden wir dadurch, daß U(1) und U(2) in x = d zusätzlich die Randbedingungen U (1) = U (2) 1 ∂U (1) 1 ∂U (2) = ρ1 ∂x ρ 2 ∂x erfüllen müssen. Einsetzen in (2.17) und (2.18) ergibt:

Iρ1 I ' ρ1 I '' ρ2 + = 2πr0 2πr0 2πr0 1 Iρ1d 1 I ' ρ1d 1 I '' ρ2d − = ρ1 2πr03 ρ1 2πr03 ρ1 2πr03 mit r0 = (d2+y2+z2)1/2. Daraus folgt: (I + I’) ρ1 = I’’ ρ2 2-16

2. Gleichstromgeoelektrik

I – I’ = I’’

,

also

I' =

ρ2 − ρ1 I ρ2 + ρ1

I '' =

2ρ1 I . ρ1 + ρ 2

Der Bruch in der ersten Gleichung ist der schon bekannte Reflexionskoeffizient

k=

ρ2 − ρ1 ρ2 + ρ1

(2.19)

und (1 – k) der Transmissionskoeffizient. Also folgt: I’ = k I I’’ = (1 − k) I und die Potentiale lauten schließlich

U (1) =

Iρ1 ⎛ 1 k ⎞ ⎜ + ⎟ 2π ⎝ r r ' ⎠

U (2) =

Iρ1 1 + k 2π r

(2.20) .

(2.21)

Wie zuvor können jetzt die Potentiale und damit die scheinbaren spezifischen Widerstände in der 2- und 4-Punktanordnung ausgerechnet werden. Wir ersparen uns dies und geben nur die Ergebnisse für die Pol-Dipol-Auslage an (Näheres siehe Telford et al., 1990, S. 556 ff.). Dabei müssen 4 Fälle (in anderen Konfigurationen u.U. 5, wenn nämlich die zweite Stromelektrode bedeutsam wird – d.h. nicht in ∞ liegt −, wie bei einer vollen Schlumberger- oder Wenner-Auslage) unterschieden werden, die sich auf die jeweilige Position der Sonden und Elektroden zur Störung beziehen (zu den Bezeichnungen siehe Abb. 2.19): ρa k L2 ≈1− ρ1 (2s − L) 2

(2.22a)

ρa k(L − s)(L − A) = 1+ ρ1 A(2s − L + A)

(2.22b)

III.

ρa = 1+ k ρ1

(2.22c)

IV.

k L2 ⎞ ρa ρ 2 ⎛ ≈ ⎜1 − ρ1 ρ1 ⎝ (2s + L)2 ⎠⎟

(2.22d)

I. II.

Eine Zusammenstellung von ρa(x)-Kurven für verschiedene Konfigurationen ist in Abb. 2.19 aufgetragen. In Abb. 2.20 ist schließlich das Verhalten von ρa(x) − hier normiert auf ρ1 − über einem vertikalen Dike dargestellt. Man erkennt jeweils die besonders empfindliche Reaktion der Pol-Dipol-Anordnung auf den lateralen Widerstandskontrast. Aufgetragen ist auch der 2-17

2. Gleichstromgeoelektrik

Abb. 2.19: ρa(x)-Kurven bei festgehaltener Auslage über einem vertikalen Kontakt.

stetige Verlauf von Schlumberger-Kurven bei einer Auslage || zum Kontakt („broadside spread“). Praktische Beispiele sind in den Abbildungen 2.21 und 2.22 aufgeführt.

2-18

2. Gleichstromgeoelektrik

Abb. 2.20: ρa(x)-Kurven bei festgehaltener Auslage über einen vertikalen Dike, normiert auf den spez. Widerstand ρ1 des umgebenen Halbraums.

Abb. 2.21: Beispiel einer Kartierung der Grundmauern einer altrömischen Villa in Österreich (Quelle: Internet-Seite Universität Wien). 2-19

2. Gleichstromgeoelektrik

Abb. 2.22: Ein Beispiel für die 2D-Inversion von Daten an der Fränkischen Linie in der Oberpfalz (mit dem Programm res2dinv). Oben: Pseudosektion einer Wenner-α -Messung, Mitte: Modellresponse, unten: Widerstandsmodell. Der in blau abgebildete sehr gute Leiter wird auf eine graphitisierte Scherfläche, einer Teilstörung des Systems der Fränkischen Linie, zurückgeführt und äußert sich auch in einer starken Anomalie des Eigenpotentials. Die Daten wurden gewonnen im Rahmen der Geophysikalischen Exkursion 2002.

Mise-à-la Masse

Bei dieser Methode (mise = frz. für Erdung) wird der Strom direkt in einen interessierenden elektrisch gutleitfähigen Bereich eingespeist, z.B. in einem Bohrloch oder in einen an der Oberfläche aufgeschlossenen guten Leiter. Dadurch kann der Einfluß oberflächennaher Inhomogenitäten und elektrisch abschirmender Schichten gegenüber der konventionellen geoelektrischen Kartierung reduziert werden (s. Abb. 2.23). Üblicherweise legt man eine Stromelektrode ins Unendliche und tastet entweder den Potentialgradienten in der Umgebung ab oder mißt das Potential, indem man eine Sonde ebenfalls nach ∞ legt (was einer Pol-PolKonfiguration entspricht).

2-20

2. Gleichstromgeoelektrik

Abb. 2.23: Zum Prinzip der Mise-à-la-Masse-Methode

2-21

3. Eigenpotentialverfahren

3. Eigenpotentialverfahren In der Umgebung sulfidischer Erzkörper und von Graphitvorkommen entdeckt man häufig ein natürliches elektrisches Potential − Eigenpotential (EP), engl. spontaneous oder self potential (SP) −, das auf der Wechselwirkung eines elektronischen (metallischen Leiters) mit oxidierenden und reduzierenden Milieus im Untergrund (Geobatterie) beruht. Es ist immer negativ und kann Werte von einigen hundert mV, in Einzelfällen auch über 1 V annehmen1. Das Meßprinzip besteht einfach in der Abtastung der Potentialdifferenzen mit Hilfe zweier unpolarisierbarer Sonden (z.B. auf der Basis von Cu/CuSO4) und einem Voltmeter und macht es zum am leichtesten durchzuführenden aller geoelektrischen Verfahren. Kontakt- und Membran-Potentiale entstehen bei Elektrolyten unterschiedlicher Konzentration. Seien C1 und C2 die Elektrolytkonzentrationen, n die Wertigkeit, F die Faraday-Zahl, R die Gaskonstante und T die Temperatur, so berechnet sich das Membran- (oder Nernst-) Potential zu: Um = −

RT C 1 ln nF C 2

,

(3.1)

während für das Kontakt- (oder Diffusions-) Potential gilt: Uk = −

v − u RT C 1 ln v + u nF C 2

.

(3.2)

Dabei sind u und v die Beweglichkeiten der Kationen und Anionen. Bei Bewegung eines Elektrolyten im Gestein treten noch Strömungs- oder FiltrationsPotentiale auf; diese sind z.B. an Vulkanen in regenreichen Gebieten in erheblichen Größenordnungen gemessen worden (–1.5 V am Kilauea, Hawaii). Sie berechnen sich aus: Uk =

ξερ ∆p 4πη

(3.3)

mit ∆p = Druckdifferenz, ξ = elektrokinetisches Potential, ε = Dielektrizitätskonstante, ρ = spezifischer elektrischer Widerstand und η = dynamische Viskosität. Für das oben geschilderte Auftreten von SP-Anomalien an Erzkörpern ist nach der Theorie von Sato & Mooney (1960) entscheidend, daß ein elektronischer Leiter Bereiche unterschiedlichen Redoxpotentials durchteuft (s. Abb. 3.1). Oberhalb des Grundwasserspiegels ist (durch Eindringen des Luftsauerstoffs) das Milieu oxidierend, unterhalb jedoch reduzierend2. Das Redoxpotential EH ist in der Oxidationszone positiv, in der Reduktionszone negativ (Abb. 3.1b). Befinden sich nun − nicht verbundene − elektronische Leiter im Untergrund und mißt man das Potential zu einer dicht daneben plazierten nicht-polarisierbaren Sonde, so ist die Potentialdifferenz identisch 0 (Abb. 3.1a). Verbindet man jedoch diese einzelnen Körper 1

Die größte bisher bekannte SP-Anomalie mit U = −1.7 V wurde an einem Alunitkörper in Cerro de Pasco (Peru) gefunden.

2

Zur Erinnerung: Oxidation bedeutet Abgabe, Reduktion Aufnahme von Elektronen. Zum Beispiel gibt bei der Oxidation von Magnesium jedes Magnesiumatom seine beiden Valenzelektronen ab, die dann von Sauerstoff aufgenommen werden: Mg → Mg++ + 2e− , O + 2e− → O− −. Der Sauerstoff wird also reduziert und die Gesamtreaktion ist Mg + O → MgO. 3-1

3. Eigenpotentialverfahren

+ 0

Elektronen Anionen Kationen

USP

gemessenes Eigenpotential

-

Redoxpotential UH

Erdoberfläche Oxidationszone

Reduktionszone

z

Abb. 3.1: Zum Prinzip der Geobatterie. Links: Verlauf des Redoxpotentials mit der Tiefe. Rechts: Bei einem die Oxidations- mit der Reduktionszone verbindenden, nicht unterbrochenen Elektronenleiter wird ein negatives Potential an der Erdoberfläche beobachtet. durch den Grundwasserspiegel hindurch, fließt ein ausgleichender Elektronenstrom im Leiter (Abb. 3.1c). Im oberen Teil des Leiters (Kathode) treten Elektronen in das umgebende Medium über, im unteren Teil (Anode) wieder in den Leiter hinein. Es resultiert ein Kationenbzw. Anionenfluß, wie er in Abb. 3.1c gezeigt ist. An der Oberfläche mißt man diesen Strom als einen Spannungsabfall gegenüber einem entfernten Bezugspunkt gemäß Abb. 3.1c (oben). Als einfache Möglichkeit, gemessene Eigenpotential-Anomalien quantitativ zu interpretieren, stellt man sich einen polarisierten Stab (Dipol) im Untergrund vor, dessen beide Enden eine „Ladung“ ±Q tragen3. Seien r1 und r2 die Abstände dieser Endpunkte vom Aufpunkt P an der Oberfläche, so berechnet sich das Potential U an der Oberfläche einfach aus der Summe der beiden Anteile: U=

1 ⎛ −Q +Q ⎞ Q 1 1 + ( − ) ⎜ ⎟=− 4 πε0 ⎝ r1 r2 ⎠ 4πε0 r1 r2

.

(3.4)

Wegen r1 = (x 2 + z 12 )

1/ 2

und

[

r2 = (x − a ) + z 22 2

]

1/ 2

,

wobei a = L cos α ist und L die Länge des Stabes und α den Neigungswinkel bedeuten (s. Abb. 3.2), wird das Potential berechnet zu:

3

Q hat also die Einheit C = As. Dieses einfache Modell berücksichtigt nicht die Leitfähigkeit des umgebenden Gesteins. 3-2

3. Eigenpotentialverfahren

0

P x

x

r1

z1

B

W

M

N

α r2

x

L z2

0

250

U( x)

500

750

1000 500

250

0 x

250

500

Abb. 3.2 Oben links: Modellvorstellung zur Erklärung von Eigenpotentialanomalien durch einen polarisierten Stab. Oben rechts: Anlage eines SP-Profils mit Basis- und Wandersonde (B, W) und – weniger gebräuchlich – mit wechselseitigem Umsetzen der Sonden M, N („Leap Frog“). Unten ist beispielhaft der Verlauf einer SP-Anomalie für α=90° aufgetragen. ⎧ Q ⎪ 1 U=− ⎨ 2 4πε0 ⎪ x + z 2 1 ⎩

(

)

1/ 2

⎫ ⎪ − ⎬ 1/ 2 ( x − a )2 + z 22 ⎪⎭

(

1

)

.

(3.5)

In realistischen Modellierungen muß allerdings die Verteilung der elektrischen Leitfähigkeit im Untergrund einbezogen werden, was mit diesen einfachen Dipolmodellen nicht geht. In der Praxis sind SP-Messungen mit die einfachsten aller geophysikalischen Methoden. Man benötigt lediglich eine unpolarisierbare Sonde (dazu reicht Cu/CuSO4) als Basis, eine gleichartige Wandersonde, Kabel und ein Voltmeter mit hohem Eingangswiderstand. Nur mit Mühe läßt sich eine Genauigkeit von unter 10 mV bei Wiederholungsmessungen erreichen. Dies liegt in der Größenordnung tellurischer Variationen, wenn der Sondenabstand einige hundert m erreicht oder übersteigt4; der zeitliche Gang sollte entsprechend korrigiert werden. Erfahrungsgemäß machen auch der Anschluß einzelner Profile aneinander und das Auffinden eines Referenzniveaus erhebliche Schwierigkeiten. Gelegentlich beobachtet man an Berghängen – bedingt durch Strömungspotentiale − sehr langwellige Trends oder eine Verschiebung des Nullniveaus. 4

In der „Leap-Frog-Methode“ werden im Gegensatz zur Technik der Wandersonde beide Sonden wechselseitig umgesetzt (Abb. 3.2). 3-3

3. Eigenpotentialverfahren

1100

1000

SP [mV] 900

50 0

800

-50 -100 -150

700

y [m]

-200 -250

600

-300 -350

500

-400 -450

400

-500 -550

300

-600 -650 -700

200 Meßpunkt RW: 4504.34 HW: 5516.64

100

100

200

300

400

500

600

700

800

900

1000

1100

x [m]

Abb. 3.3: Kartierung einer Eigenpotential-Anomalie nahe der Fränkischen Linie (gestrichelt) in der Oberpfalz, gemessen im Rahmen einer FU-Exkursion 1996.

0

0

U2( x) mU i

S4( x4)

24

100 S5( x5) 500

S6( x6)

200 0

200

400

600

300

x, m i

400

500

600

x4, x5, x6

Abb. 3.4: Modellrechnung für ein Profil über den zentralen Teil der Anomalie. Sie wird durch drei Dipole unterschiedlichen Einfallens erklärt, die wahrscheinlich auf graphitisierte Scherzonen hinweisen.

3-4

4. Magnetotellurik, VLF, VLF-R und RMT

4. Magnetotellurik, VLF, VLF-R und RMT Durch zeitlich variierende Magnetfelder werden erdelektrische (tellurische, von tellus = die Erde betreffend) Stöme im leitfähigen Erdinnern induziert, die wiederum ein sekundäres Magnetfeld zur Folge haben. Die primären Felder können dabei sowohl natürlichen Ursprungs (Sromsysteme in Ionosphäre und Magnetosphäre, Abstrahlung von Gewitterblitzen) als auch künstlich erzeugt (Längstwellen-Sender) sein. Im Rahmen dieser Vorlesung kann auf die Vielfalt der anregenden Signale leider nicht weiter eingegangen werden. Die Feldvariationen umfassen in der Magnetotellurik (MT) einen weiten Periodenbereich von etwa 10-4 − 105 s. Für den Frequenzbereich f > 1 Hz wird die Methode auch Audiomagnetotellurik (AMT) genannt; in einer Variante, der aktiven AMT oder CSAMT (controlled source AMT) werden die Signale mit Hilfe eines portablen Senders erzeugt. Meßgrößen sind die Horizontalkomponenten der magnetischen und elektrischen Felder, die in geeigneter Weise in Relation gesetzt werden. Das Anwendungsgebiet der Magnetotellurik liegt überwiegend in Studien der Leitfähigkeit der mittleren und unteren Erdkruste; die AMT dient auch der Erforschung oberflächennäherer Strukturen. Von großer praktischer Bedeutung, speziell in der Umweltforschung, ist das VLF-Verfahren (von very low frequency). Hier nutzt man das sekundäre Magnetfeld, das durch Leitfähigkeitsanomalien hervorgerufen wird. Als Quelle verwendet man die elektromagnetischen Wellen von großen Sendern, die zur Kommunikation mit U-Booten mit Frequenzen von etwa 15 - 25 kHz betrieben werden. Während man im eigentlichen VLF-Verfahren lediglich magnetische Felder mißt und die Komponenten zueinander in Beziehung setzt, werden in der VLF-R-Methode (R von resistivity) auch elektrische Felder registriert; man hat es also mit einer Variante der Magnetotellurik zu tun. Für noch höhere Frequenzen bis zu einigen hundert kHz spricht man man dann auch von Radiomagnetotellurik (RMT).

Abb. 4.1: Zur Herkunft der verschiedenen Signale in der Magnetotellurik. 4-1

4. Magnetotellurik, VLF, VLF-R und RMT

Alle diese Varianten der elektromagnetischen Tiefenerkundung beruhen auf der gleichen elektrodynamischen Theorie der Induktion in guten elektrischen Leitern, weshalb sie in diesem Kapitel gemeinsam behandelt werden. Wie üblich betrachten wir zunächst wieder ein homogenes isotropes Medium. Aus den Maxwell-Gleichungen (s. Abb. 4.2) folgt mit J = σE, B = µ0H und d/dt = iω:

Abb. 4.2: Veranschaulichung der Maxwell-Gleichungen. Links: ein elektrischer Strom hat ein magnetisches Wirbelfeld zur Folge; rechts: ein zeitlich variierendes Magnetfeld bewirkt ein elektrisches Wirbelfeld.

rotB = µ 0σ E

(4.1)

rotE = −i ωB

(4.2)

folgen (durch zweifache Anwendung der Operation rot und einmalige Divergenzbildung) die Diffusionsgleichungen ∆ E = −i ωµ 0σE ∆ B = −i ωµ 0σB

(4.3) .

(4.4)

Dabei ist in (4.1) der Verschiebungsstrom nicht mehr berücksichtigt, in (4.2) ist der harmonische Ansatz B ~ exp(iωt) gewählt worden. Die formale Ähnlichkeit zu einer Wellengleichung erkennt man, wenn k = iω µ 0 σ

(4.5)

gesetzt wird; k ist die „Wellenzahl“ des Diffusionsprozesses1. Wir betrachten im Folgenden o.b.d.A. nur die Komponenten Ex und By; aus (4.3) folgt dann: ∂2Ex = k2 Ex ∂z 2

(4.6)

mit der Lösung

E x = E x 0 e − kz + E x1 e kz

.

(4.7a)

Der zweite Term ist jedoch physikalisch unsinnig, denn er beschreibt ein Anwachsen des Feldes mit wachsender Tiefe z, so daß Ex1 gleich 0 gesetzt werden muß. Für das magnetische Feld gilt entsprechend: B y = B y 0 e − kz .

(4.7b)

Aus (4.7a) und (4.2) folgt nun: 1

Wir gehen in diesem Kapitel stets von sogenannten quasihomogenen Feldern aus, d.h. solchen, die sich durch eine ebene Welle beschreiben lassen. Dies bedeutet lediglich, daß die Quelle „weit genug“ entfernt sein muß. 4-2

4. Magnetotellurik, VLF, VLF-R und RMT

∂E x = − E x 0 k e −kz = −i ω B y = −i ω By 0 e −kz . ∂z

(4.8)

Daraus erhält man für das Verhältnis aus elektrischem und magnetischem Feld, jeweils gemessen an der Erdoberfläche: Z = Z( ω) =

E x 0 iω = = By 0 k

iω iω ω = = µ0 σ µ0 σ iω µ 0 σ

i

.

(4.9)

Z ist die sog. „magnetotellurische Impedanz“ und enthält die gewünschte Information über die Leitfähigkeit des Untergrundes2. Als komplexe Zahl Z = Z e iϕ

hat sie den Betrag Z =

ω µ0 σ

;

daraus berechnet sich der spezifische Widerstand zu3:

ρ = ρ (ω) =

µ0 2 Z ω

(4.10a)

oder, wenn man den Zahlenwert für µ0 = 4π × 10-7 Vs/Am und ω = 2π/T einsetzt und dabei T in s und Z in (mV/km)/nT = 10-3 (V/m)/T mißt:

ρ = ρ (T ) = 0.2 T Z

2

.

(4.10b)

Da Real- und Imaginärteil von Z identisch sind, ist die Phase ϕ = 45°; ausgeführt: 1 ⎞ (1 + i ) ⎛ 1 i = ( −1)1 / 2 = e iπ / 2 = e iπ / 4 = ⎜ +i ⎟= 2⎠ 2 ⎝ 2

.

(4.11)

Dabei wurde die Euler’sche Formel eiφ = cos φ + i sin φ und damit cos

π π 1 = sin = 4 4 2

benutzt (s. Abb. 4.3). Das elektrische Feld eilt also dem magnetischen um ϕ = 45° voraus. Allgemein berechnet sich die Phase nach Abb. 4.2 einfach aus:

ϕ = ϕ (T ) = arg ( Z) = arctan

Im Z Re Z

.

(4.12)

Gl. (4.7a,b) beschreibt die Tiefenabhängigkeit des in die Erde eindringenden Feldes. Es fällt exponentiell mit derTiefe ab, als charakteristische Größe dient die Eindring- oder Skintiefe δ, Diese „Impedanz“ wird − wie man leicht überprüfen kann − gemessen in m/s, hat also die Dimension einer Geschwindigkeit. Hätte man statt der magnetischen Induktionsflußdichte B die magnetische Feldstärke H benutzt, wäre die erwartete Dimension einer Impedanz herausgekommen, nämlich Ω. Die tatsächliche Meßgröße (z.B. in einer Induktionsspule) ist jedoch die Induktionsflußdichte, daher die zunächst etwas seltsam erscheinende obige Definition. 3 Die Perioden- oder Frequenzabhängigkeit des spez. Widerstands ist sowohl explizit als auch implizit über die Periodenabhängigkeit von Z gegeben. 2

4-3

4. Magnetotellurik, VLF, VLF-R und RMT

Abb. 4.3: Zur Phasenverschiebung zwischen B- und E-Feldern (jeweils normiert) über einem homogenen Halbraum. in der der Betrag des Feldes nur noch 1/e des Oberflächenwertes beträgt (Abb. 4.4): δ=

2 µ 0 ωσ

.

(4.13a)

Setzt man ein: µ0 = 4π × 10-7 Vs/Am, ω =2π/T und ρ = 1/σ, so folgt: δ ≈ 0 .5 ρ T

[ km]

.

(4.13b)

Die Eindringtiefe ist also sowohl eine Funktion des spezifischen Widerstandes als auch der Periodenlänge bzw. Frequenz des Feldes (vgl. auch Übungsaufgabe). Ein Zahlenbeispiel: Für einen Granitkörper (ρ = 1.000 Ωm) ist δ = 500 km bei T = 1.000 s und δ = 5 km bei T = 0.1 s, während die Eindringtiefe für einen Ton (ρ = 10 Ωm) bei gleichen Perioden nur noch 50 bzw. 0.5 km beträgt. In (4.13a,b) ist das Prinzip der elektromagnetischen Tiefensondierung enthalten: Für längere Perioden erreicht das Stromsystem immer größere Tiefen. Wie in der Geoelektrik bestimmt man aus (10a,b) nur einen scheinbaren spezifischen Widerstand ρa, wenn der Untergrund nicht homogen ist, hier jedoch nicht als Funktion des Elektrodenabstandes, sondern der Periode T (für einen homogenen Halbraum ist natürlich ρa(T) = const.). Die Phase schwankt nun zwischen 0° und 90°. Abb. 4.5 zeigt Beispiele für Zweischichtfälle. Zwei Beipiele für 3-Schichtfälle sind in Abb. 4.6 gezeigt. Wie in der Gleichstromgeoelektrik E(z)/E(0)

Elektromagnetische Wellen unterschiedlicher Periode 0

Erdoberfläche

0

0.5

1

1/e

δ

z/δ

2

guter Leiter

3

4

100km Periode = 4000s

160s

1.6s

5

Abb. 4.4: Signale langer Perioden dringen tiefer in den leitfähigen Erdboden ein als kurzperiodische Wellen. 4-4

1

4. Magnetotellurik, VLF, VLF-R und RMT

Abb. 4.5: ρa- und φ-Kurven für verschiedene 2-Schichtfälle. Links: ρ1 = 10 Ωm, h1 = 100 m, ρ2 = 1.000 Ωm; Rechts: ρ1 = 10.000 Ωm, h1 = 2.000 m, ρ2 = 10 Ωm. ist auch hier wieder das Äquivalenprinzip und das Problem der Schichtunterdrückung zu beachten. Anders als in der Geoelektrik führt eine vertikale Anisotropie jedoch nicht zu einer Fehlabschätzung der Schichttiefen, da die Stromsysteme horizontal fließen; die Schichten werden lediglich nicht aufgelöst. Die Beispiele umspannen einen weiten Periodenbereich. Dieser ist jedoch nur mit dem passiven Verfahren der "eigentlichen" Magnetotellurik zu erreichen, in der RMT und besonders im VLF-R-Verfahren ist der abgedeckte Frequenzbereich sehr viel kleiner, so daß höchstens 2-Schichtfälle approximativ aufgelöst werden können (z.B. über die Beobachtung, daß die Phase über oder unter 45° liegt und man entsprechend einen guten bzw. schlechten Leiter unterhalb der Deckschicht erwartet). Ist der Untergrund nun inhomogen oder lateral anisotrop, erhält man − wie bei der Kreuzsondierung in der Geoelektrik − unterschiedliche scheinbare spez. Widerstände (und Phasen) in den jeweiligen Raumrichtungen. Am einfachsten zu behandeln ist der 2D-Fall; wir müssen 4-5

4. Magnetotellurik, VLF, VLF-R und RMT

Abb. 4.6: Modell-Antwort zweier 3-Schichtfälle. Links: ρ1 = 1 Ωm, h1 = 100 m, ρ2 = 1.000 Ωm, h2 = 2.000 m, ρ3 = 1 Ωm; Rechts: ρ1 = 1.000 Ωm, h1 = 400 m, ρ2 = 1 Ωm, h2 = 100 m, ρ3 = 1.000 Ωm. nun unterscheiden, ob die Ströme parallel oder senkrecht zum lateralen Leitfähigkeitskontrast fließen. Die Leitfähigkeit sei zunächst nur eine Funktion von z und x: σ = σ (x, z), d.h. die Leitfähigkeitsgrenze verlaufe in y-Richtung. Dann erhält man aus den Maxwellgleichungen (4.1, 4.2) zwei entkoppelte Gleichungssysteme:

∂Bx ∂Bz − = µ0σ E y ∂z ∂x

∂B y

∂E y

∂B y

∂x ∂E y ∂z



= − Bz •

= Bx

∂x ∂z

= µ0σ Ez = −µ 0 σ E x

• ∂E x ∂Ez − = − By ∂z ∂x

4-6

(4.14a-c) .

4. Magnetotellurik, VLF, VLF-R und RMT

y

y

y

E

,B

x

x ,B Ex

z

Abb. 4.7: Zum Verständnis der E- und B-Polarisation. Die Anomalie sei in y-Richtung unendlich ausgedehnt. Die Gleichungen auf der linken Seite enthalten nur eine horizontale E-Feldkomponente parallel zum Leitfähigkeitskontrast (Ey), man spricht in diesem Fall auch von E-Polarisation (TEMode, von tangential elektrisch). Das horizontale Magnetfeld Bx ist senkrecht zur Grenze gerichtet und in dieser Mode existiert ein vertikales Magnetfeld Bz. Die rechte Seite stellt den Fall der B-Polarisation Polarisation (TM-Mode, von tangential magnetisch) dar: das horizontale Magnetfeld By schwingt parallel zum Leitfähigkeitskontrast, Ex ist senkrecht dazu gerichtet und es existiert ein vertikales elektrisches Feld Ez (s. Abb. 4.7) In Gleichung Gl. (4.9) war der Zusammenhang zwischen magnetischen und elektrischen Komponenten eine skalare Größe, die Impedanz Z. Sie wird nun zu einem Tensor Z und Gl. (4.9) erweitert sich zu: E=ZB ⎛ E x ⎞ ⎛ Z xx ⎜⎜ ⎟⎟ = ⎜⎜ ⎝ E y ⎠ ⎝ Z yx

(4.15a) Z xy ⎞ ⎟ Z yy ⎟⎠

⎛ Bx ⎞ ⎜⎜ ⎟⎟ ⎝ By ⎠

.

(4.15a)

Streicht die Leitfähigkeitsanomale tatsächlich N/S oder E/W, so sind die Elemente Zxx und Zyy gleich 0 und man erhält zwei scheinbare spezifische Widerstände ρaxy, ρayx und Phasen φxy, φyx. Ist der Streichwinkel α der Anomalie von 0° oder 90° verschieden, so läßt sich der Impedanztensor durch eine Hauptachsentransformation so drehen, daß die Hauptdiagonalelemente wiederum verschwinden. Im dreidimensionalen Fall (oder bei Auftreten einer zusätzlichen Anisotropie, deren Richtung nicht mit dem Streichwinkel α übereinstimmt) ist es nicht mehr möglich, eine Vorzugsrichtung zu finden. Je nach Stärke des 3D-Effektes läßt sich eventuell ein Koordinatensystem finden, in dem die Hauptdiagonalelemente minimal werden. Ansonsten ist eine volle 3DInterpretation erforderlich.

4-7

4. Magnetotellurik, VLF, VLF-R und RMT

Abb. 4.8: Schematischer Verlauf von Bh, Bz/Bh sowie von ρa und φ im 2D-Fall für die TE- bzw. TM-Mode. Der graue Bereich stellt einen guten Leiter im Untergrund dar. Abb. 4.8 zeigt schematisch den Verlauf einiger Felder bzw. von ρa und φ über eine 2DInhomogenität für die TE- bzw. TM-Mode, und zwar bei einer festen Frequenz. Man erkennt insbesondere das unstetige Verhalten von scheinbarem spez. Widerstand und Phase in der TM-Mode.

4-8

4. Magnetotellurik, VLF, VLF-R und RMT

Das Auftreten der vertikalen Magnetfeldkomponente Bz in der E-Polarisation macht man sich nun im VLF-Verfahren zunutze, indem Bz gemessen und auf das horizontale Feld Bx bezogen wird4. Dies sei für den Fall eines vertikalen, gutleidenden Dikes veranschaulicht (Abb. 4.9).

Abb. 4.9: Die Magnetfelder einer gutleitenden Platte im homogenen Untergrund. By1 ist das Normalfeld, By2 und Bz2 sind die Komponenten des sekundären, durch den Störkörper hervorgerufenen Feldes Bz auf der linken und der rechten Seite. Die Platte ist in x-Richtung ausgedehnt; das entspricht hier der erwähnten E-Polarisation und auch der Senderrichtung. θ ist der jeweilige Kippwinkel. Im Störkörper werden Wirbelströme Jx induziert, die sich aufgrund des Skineffekts im oberen Teil der Platte konzentrieren und deren Magnetfeld B2 sich dem „Normalfeld“ B1y, das sich aus dem primären Quellenfeld und dem im homogenen oder geschichteten Halbraum induzierten Sekundärfeld zusammensetz5, überlagert. An der Oberfläche mißt man nun die Komponenten By2 und Bz2. Um eine maximale Ankopplung des magnetischen Quellenfeldes an den leitfähigen Störkörper zu erreichen, sollte dessen Streichrichtung − wie aus Abb. 4.9 und 4.10 ersichtlich − mit der Senderrichtung übereinstimmen. Dann ist das Magnetfeld des Senders senkrecht zum Streichen des Sörkörpers gerichtet (E-Polarisation), der Induktionseffekt ist maximal und das gemessene Vertikalfeld spiegelt ausschließlich den Einfluß des Leiters wider. In allen anderen Richtungen kommt es zu einer Mischung aus E- und B-Polarisation; ist die Senderrichtung senkrecht zum Streichen der Anomalie, befinden wir uns in der reinen B-Polarisation; das sekundäre Magnetfeld ist identisch 0. Da die Profilrichtung natürlich immer senkrecht zum (vermuteten) Streichen der Anomalie angelegt werden sollte und nur eine begrenzte Anzahl von Sendern zur Verfügung steht, wird es in der Praxis sehr schwierig, den idealen Fall der EPolarisation zu messen; die Induktionsanomalie wird also in der Regel als zu klein bestimmt.

4

In einer Erweiterung der Magnetotellurik mißt man ebenfalls das vertikale Magnetfeld und setzt dies in Bezug auf die horizontale(n) Magnetfeldkomponente(n). Man nennt dieses Verfahren dann erdmagnetische Tiefensondierung (ETS oder GDS, von geomagnetic depth sounding). 5 Für den geschichteten Halbraum ist das gesamte Magnetfeld an der Oberfläche Hges = 2 Hprimär. Zur Begründung siehe Anhang A2. 4-9

4. Magnetotellurik, VLF, VLF-R und RMT

Abb. 4.10: Zusammenhang zwischen Streichrichtung der Anomalie und optimaler Senderrichtung beim VLF-Verfahren.

Abb. 4.11: Die Polarisationsellipse des magnetischen Feldes.Das primäre und sekundäre Feld schwingen jeweils mit der Periode T, die Resultierende bildet eine Ellipse. Gemessen werden in der Regel der Kippwinkel θ (siehe auch Abb. 4.11) oder das Verhältnis Bz/Bhor (getrennt nach Real- und Imaginärteil, vgl. Übungsaufgabe), jeweils als Funktion des Ortes. Im VLF-R-Verfahren werden die Signale der U-Boot-Sender wie in der Magnetotellurik zur Berechnung von scheinbaren spezifischen Widerständen und Phasen benutzt. Im geschichteten Halbraum läßt sich aufgrund des engen Frequenzbereichs nur ein 2-Schichtfall auflösen. Kriterium ist der Meßwert der Phase: liegt φ über 45°, ist die zweite Schicht ein besserer Leiter; für φ < 45° ist es umgekehrt. Für Kartierungen gelten wie bei der VLF-Methode die Einschränkungen bzgl. E- und B-Polarisation. Einen stärkeren Kartierungseffekt erreicht man m.E. übrigens in der B-Polarisation, da aufgrund der Unstetigkeit des senkrecht zum Störkörper verlaufenden E-Feldes auch der scheinbare spez. Widerstand springt; in der E-Polarisation verläuft die ρa(y)-Kurve dagegen stetig.

4-10

5. Aktive Induktionsverfahren im Frequenz- und Zeitbereich

5. Aktive Induktionsverfahren im Frequenz- und Zeitbereich In diesem Kapitel werden die Grundlagen einer ganzen Reihe von EM-Verfahren dargestellt, die im Gegensatz zu MT und VLF einen eigenen Sender benutzen. Die Grundidee ist immer die folgende: Ein Sender (Transmitter) ruft im Empfänger (Receiver) ein magnetisches Feld hervor. Dieses setzt sich zusammen aus dem Primärfeld (dem direkten Feld des Senders) und dem Sekundärfeld, welches durch Induktion im leitfähigen Erdinnern (bzw. Störkörper) erzeugt wird. Indem man nun das sekundäre auf das primäre Feld bezieht, erhält man Informationen über den Untergrund1. Je nach Ankopplung (galvanisch oder induktiv), SenderEmpfängerkonfiguration und Ausführung des Empfängers unterscheidet man eine Vielzahl von Verfahren, von denen hier nur eines, das HLEM- (Horizontal Loop EM) oder SlingramVerfahren vorgestellt werden soll. Dabei sind Sender- und Empfängerspule koplanar angeordnet, das Senderfeld ist also das eines vertikalen magnetischen Dipols. Am einfachsten kann man die Verhältnisse über die Analogie mit einem Wechselstromkreis beschreiben. In Abb. 5.1 ist der prinzipielle Aufbau einer HLEM-Anordnung dargestellt. Der im Primärstromkreis fließende Wechselstrom ruft ein magnetisches Feld hervor, dieses induziert im Sekundärkreis ein Primärfeld BP. Im leitenden Störkörper werden Wirbelströme hervorgerufen, die wiederum ein sekundäres Magnetfeld BS in der Empfangsspule zur Folge haben2.

Abb. 5.1: Verlauf der Magnetfeldlinien in der HLEM-Anordnung. Bp ist das primäre, Bs das sekundäre Feld am Ort der Empfängerspule. 1

Im Unterschied zu den Verfahren des vorherigen Kapitels sind die Felder in diesen Verfahren inhomogen; die Helmholtz-Gleichung ist durch einen geometrischen Term zu ergänzen. Die CSAMT ist zwar auch eine aktive Methode, jedoch folgt die Auswertung dem in der MT üblichen Gang.

2

Der den Störkörper umgebende Untergrund wird in dieser Näherung als nichtleitend betrachtet. 5-1

5. Aktive Induktionsverfahren im Frequenz- und Zeitbereich

Diese Abbildung legt bereits die Analogie mit Wechselstromkreisen nahe. Dabei stellt man sich den nun komplexen spezifischen Widerstand des Störkörpers als Reihenschaltung eines rein ohmschen und eines rein induktiven Widerstands in einem Wechselstromkreis vor (siehe Abb. 5.2). Der gesamte komplexe Widerstand berechnet sich dann zu RG = R + i ω L

Abb. 5.2: Wechselstromkreis aus ohmschem Widerstand R und Induktivität L.

,

wobei ω die Kreisfrequenz (in Hz) und L die Induktivität (in Henry = Vs/A) bezeichnen. Ein kapazitiver Widerstand braucht hier nicht berücksichtigt werden (Aufladungserscheinungen im Erdboden werden vernachlässigt). Das Verhältnis Q = ωL/R

(5.1)

wird Responseparameter (dimensionslos) des Störkörpers genannt. In der Primärspule (Sender, Transmitter) fließt ein Wechselstrom I1 = I10 exp(i ω t); das von ihm erzeugte Magnetfeld ruft in der Sekundärspule (Empfänger, Receiver) einen Induktionsfluß Φ13 und im Störkörper einen Induktionsfluß Φ12 hervor: Φ12 = L12 I1 Φ13 = L13 I1 . Die Lij sind dabei die sog. Gegeninduktivitäten der Stromkreise i und j mit Lii = Li als Induktivität des Kreises i. Im Störkörper wird dann eine Spannung U12 induziert (Faraday’sches Induktionsgesetz, 2. Maxwell’sche Gleichung), die wiederum einen Strom I2 zur Folge hat: U12 = − I2 =

d Φ12 = − i ω L12 I1 dt

U12 i ω L12 I 1 = − R 2 + i ω L2 R 2 + i ω L2

.

Dieser Strom hat in der Sekundärspule den Induktionsfluß Φ23 und die Spannung U23 zur Folge: Φ23 = L23 I2 U23 = −

d Φ23 = − ω2 L12 L23 I1 / ( R2 + i ω L2) . dt

(5.2)

Die direkte Kopplung zwischen Transmitter und Receiver ergibt: U13 = −

d Φ13 = − i ω L13 I1 . dt

(5.3)

Daraus folgt für das Verhältnis Sekundär-/Primärspannung:

U 23 L 23 L12 = −iω U13 L13 ( R 2 + i ω L 2 )

(5.4a)

Führt man nun die sog. Kopplungsfaktoren 5-2

5. Aktive Induktionsverfahren im Frequenz- und Zeitbereich

Abb. 5.3: Real- und Imaginärteil der Responsefunktion in Abhängigkeit vom Responseparameter Q.

K ij =

L ij Li L j

ein, so gilt

U 23 K12 K 23 Q 2 + iQ =− = Γ W . U13 K13 1 + Q2

(5.4b)

Die − wie Q dimensionslose − Funktion W = W(Q) =

Q 2 + iQ

(5.5)

1 + Q2

heißt Responsefunktion; ihr Verlauf ist für Real- und Imaginarteil in Abb. 5.3 gezeichnet. Für niedrige Frequenzen (d.h. Q < 1) dominiert der Imaginärteil, für hohe Frequenzen (Q > 1) der Realteil3. Im Slingram-Verfahren wird das Sekundärfeld in % des Primärfeldes gemessen, letztendlich also das Spannungsverhältnis U23/U13 aus Gleichung (5.4a) bzw. (5.4b). Die Phasenbeziehungen ergeben sich damit (s. auch Abb. 5.4): ∆θ = θP − θS = −π/2 + arctan (ω L / R) = −π/2 + ϕ

(5.6)

Das primäre Feld verursacht im Sekundärstromkreis eine Phasenverschiebung von −π/2 (Faktor −i in Gl. (5.3)). Der Störkörper verursacht eine weitere Phasenverschiebung ϕ, die je nach Verhältnis Q = ω L / R zwischen 0° und π/2 liegen kann. Für schlechte Leiter (R → ∞) geht ϕ → 0°, für gute Leiter (R → 0) strebt ϕ → π/2 4. Der gesamte Phasenwinkel liegt damit zwischen 0° und 90°. 3

Die Minigun- (Praktikums-) Apparatur des Instituts erlaubt nur die Messung bei einer Frequenz (f = 3520 Hz), andere Geräte, z.B. die auch im Institut vorhandene APEX MaxMin-Apparatur, die Messung bei mehreren Frequenzen. Dadurch wird auch eine frequenzabhängige Tiefensondierung möglich.

4

Man beachte die Ähnlichkeit zur magnetotellurischen Phasenverschiebung zwischen elektrischem und magnetischem Feld, die im 1D-Fall ebenfalls zwischen 0° und 90° beträgt. 5-3

5. Aktive Induktionsverfahren im Frequenz- und Zeitbereich

Bp

Re

-90°+φ Br

φ

Bs

Im

Bs

Abb. 5.4: Phasenbeziehungen für das HLEM-Verfahren. Br ist der resultierendeFeldvektor.

In Abb. 5.5 ist der typische Verlauf einer Slingram-Kartierung über einen plattenförmigen Störkörper dargestellt. Dabei trägt man immer Realteil (In-Phase) und Imaginärteil (Out-ofphase, Quadraturteil) getrennt als Verhältnis zum Primärfeld in % auf. Zum besseren Verständnis ist die wechselseitige Kopplung zwischen den einzelnen Induktivitäten in Abb. 5.6 aufgetragen.

Abb. 5.5: Prinzipieller Verlauf einer HLEM- (Slingram-) Anomalie bei einer festen Frequenz. AIP, AOP: Amplituden für In-phase und Out-of-phase.

Die quantitative Auswertung solcher HLEM-Kurven kann im Rahmen dieser Vorlesung nicht besprochen werden. Vielmehr soll hier auf Modellkurven eingegangen werden, die eine approximative Auswertung für senkrechte oder geneigte Platten ermöglichen. Als Parameter des Induktionsprozesses wurde in der Leiterkreis-Analogie der Responseparameter Q (auch Induktionsparameter oder Induktionszahl genannt) eingeführt. Da man nun weder den ohmschen Widerstand des Störkörpers noch seine Induktivität kennt, muß die Definition entsprechend angepaßt werden. Üblicherweise definiert man:

5-4

5. Aktive Induktionsverfahren im Frequenz- und Zeitbereich

Q = σµ0ωΛ2

(5.7)

mit: σ = elektrische Leitfähigkeit des Störkörpers, ω = Kreisfrequenz, µ0 = Induktionskonstante und Λ = charakteristische Länge des Meßsystems bzw. der anomalen Struktur. Für eine vertikale Platte setzt man Q = σµ0ωAd

;

(5.8)

dabei ist d = Dicke der Platte und A = Abstand Sender-Empfänger. Die zunächst willkürlich erscheinende Definition von Q wird anschaulich, wenn man Q als das Verhältnis einer charakteristischen Länge Λ des Meßsystems bzw. Untergrundmodells zur Skintiefe δ = (2 / σ µ 0 ω) 1/2 betrachtet: Q = Λ/δ mit Λ = 2 A d / δ . Die Amplituden der Anomalien werden zunächst entsprechend der Zeichnung (Abb. 5.5) bestimmt. Sie werden dann in die Argand-Diagramme (Quadratur-Wert als Ordinate, In-phaseAnteil als Abszisse, mit Induktionszahl Q und dem Verhältnis z/A als Parameter, wobei z = Tiefe des oberen Plattenrandes) für die jeweiligen Einfallwinkel eingetragen (s. Abb. 5.7, die Induktionszahl ist hier mit p bezeichnet). Die Induktionszahl kann nun abgelesen werden. Dabei reicht es oft aus, Q linear zwischen den Parameterkurven zu interpolieren. Der Leitwert τ = σ d wird dann aus obiger Definitionsgleichung für Q bestimmt. Das Verhältnis z/A kann ebenfalls aus den Argand-Diagrammen abgelesen werden, woraus man z erhält.

Γ>0 K

13

>0

K

>0

>0

K

>0

12

K

23

>0

Γ 1 .

(5.10b)

Für frühe Zeiten ist die gemessene Magnetfeldänderung somit proportional zur Leitfähigkeit und unabhängig von der Zeit t, für späte Zeiten ist ∂Bz/∂t proportional zu σ3/2 und fällt mit t5/2 ab. Auch für das TEM-Verfahren können Kurven des scheinbaren spezifischen Widerstands ρa(t) als Funktion der Abklingzeit t angegeben werden; sie sind jedoch ebenfalls in eine Früh- und eine Spätzeitkurve aufgeteilt und damit intuitiv weniger anschaulich als die entsprechenden Widerstandskurven beispielsweise der Gleichstromgeoelektrik oder der Magnetotellurik. Die TEM wird in der Umweltgeophysik und bei Studien der obersten Kruste angewandt; es kann aber bei hinreichender Sendestromstärke auch zum Studium der mittleren Kruste (LOTEM-Methode, von Long Offset TEM) und wegen der rein magnetischen Anregung bzw. Messung auch in der Aerogeophysik eingesetzt werden (z.B. Input-Verfahren).

5-8

5. Aktive Induktionsverfahren im Frequenz- und Zeitbereich

6 1 Ωm 4

log U [µV]

2 10

0

0Ω

m

-1

Ωm

-2 100 Ωm -4

-6 -4

-3

-2 log T [s]

-1

0

Abb. 5.10: Beispiele von Zerfallskurven (frühe Zeiten einer Sirotem-Apparatur, berechnet mit einem Programm von S. Greinwald, BGR Hannover) für homogene Halbräume von 100 Ωm (blau) und 1 Ωm (rot) sowie einen geschichteten Halbraum (100 m dicke Deckschicht mt ρ = 100 Ωm über Substratum mit ρ = 1 Ωm. Kantenlänge der Rechteckspule = 100m, Coincident Loop-Anordnung.

Abb. 5.11: Beispiel für eine Helikopter-Elektromagnetik (Quelle: USGS) 5-9

5. Aktive Induktionsverfahren im Frequenz- und Zeitbereich

Abb. 5.12: Salzwasser-Intrusion in den Everglades, Florida: Ergebnisse der HelikopterElektromagnetik (Quelle: USGS).

5-10

6. Induzierte Polarisation

6. Induzierte Polarisation Wenn man den Spannungsabfall in einer Geoelektriksondierung, die mit alternierendem Gleichstrom durchgeführt wird, genauer beobachtet, stellt man fest, daß die gemessene Spannung nicht sofort, dem eingespeisten Strom folgend, ihren Maximalwert annimmt bzw. auf Null zurückgeht, sondern nach einem zunächst steilen Anstieg bzw. Abfall, erst allmählich (Abb. 6.1). Dies deutet auf einen Aufladungseffekt im Erdboden hin; es gibt gewisse Ähnlichkeiten zu den Auf- bzw. Entladungskurven eines Kondensators. Bei einer Wechselstromsondierung beobachtet man entsprechend eine Frequenzabhängigkeit des scheinbaren spezifischen Widerstands und eine Phasenverschiebung zwischen Strom und Spannung.

Abb. 6.1: Verlauf der gemessenen Potentialdifferenz (unten) bei Einspeisung eines alternierenden Gleichstroms (oben) in der Geoelektrik. Bei Aufladungserscheinungen im Untergrund wird der „Sollwert“ Uc erst nach einer gewissen Zeit erreicht.

Dieses Phänomen tritt insbesondere bei Tonen und metallischen Sulfiden und Oxiden sowie bei Graphiten auf. Man unterscheidet zwei Mechanismen: die Membran- und die Elektrodenpolarisation (Abb. 6.2). Die meisten gesteinsbildenden Minerale haben eine negative Oberflächenladung auf der Grenzfläche zum Porenfluid (Abb. 6.3). Daraus resultiert eine (sehr dünne) Schicht positiver Ionen (Kationen), die fest an die Mineraloberfläche angelagert sind (Sternschicht). In der angrenzenden diffusen Schicht nimmt die Anzahl der frei beweglichen Kationen dann exponentiell ab, bis sich ein Gleichgewicht mit den Anionen eingestellt hat. Liegt nun die Größe der Poren in der Größenordnung der Sternschicht, kommt es zu einer Ladungsträgeranhäufung und zur Blockade eines angelegten Stromflusses (Abb. 6.2a). Aufgrund der hohen inneren (spezifischen) Oberfläche und damit einhergehend des kleinen Porenraumes ist dieser Effekt der Membranpolarisation bei Tonen besonders stark ausgeprägt. Er macht das Verfahren der Induzierten Polarisation daher besonders geeignet zur Untersuchung der Dichtigkeit von geplanten oder existierenden Deponien. Der Effekt nimmt allerdings mit zunehmender Erhöhung der Fluidleitfähigkeit, z.B. bei erhöhter Salinität, wieder ab1. Zur Elektrodenpolarisation kommt es, wenn ein Metallkorn den Porenraum blockiert. Bei angelegter Spannung akkumulieren positive und negative Ionen auf jeder Seite des Korns; sie nehmen entweder Elektronen von der Kornoberfläche auf oder geben sie an sie ab. Da die 1

Die Ausbidung einer Doppelschicht führt auch zu einer Erhöhung des Stromflusses in der Sternschicht und damit zu einer erhöhten Leitfähigkeit von Tonen. Die Archie-Formel aus Kap. 1 ist entsprechend um einen Term dieser Grenzflächenleitfähigkeit zu ergänzen. 6-1

6. Induzierte Polarisation

Abb. 6.2: Zur Membran- (a) und Elektrodenpolarisation (b).

Abb. 6.3: Die elektrische Doppelschicht an der Grenze Tonmineral-Elektrolyt. Links: Ionenverteilung, rechts: Konzentrationsverlauf. Nach Radić in [KKL97]. Geschwindigkeit des Elektronentransports kleiner ist als die des Elektronenaustausches mit den Ionen, kommt es zu einem Ladungsaufbau um das Metallkorn herum (Abb. 6.2b). Wird die äußere Spannung abgeschaltet, kommt es wie bei der Membranpolarisation zur allmählichen Rückdiffusion der Ionen in ihre Ausgangslage. Als Meßgröße in der Zeitbereichs-IP mißt man den in Abb. 6.1 skizzierten Spannungsabfall bei eingespeistem alternierenden Gleichstrom, indem die Fläche A unter der Abklingkurve zwischen zwei Zeitpunkten t1 und t2 bestimmt wird (s. Abb. 6.4): 1 M= Uc

t2

∫ U( t ) dt

.

(6.1)

t1

Die Größe M heißt Aufladungsvermögen oder Chargeability und wird in ms gemessen (manchmal auch nur in mV/V, wenn die Bezugszeit klar ist). Charakteristische Werte sind − bei einer Meßdauer von ∆t = 1 s − für Pyrit M = 13.4 ms und für Magnetit M = 2.2 ms. In der Frequenzbereichs-IP wird ein Wechselstrom der Frequenz f eingespeist2. Das normierte Verhältnis 2

In der Frequenzbereichs-IP spielt die elektromagnetische Kopplung, d.h. die Induktion in den Kabeln, eine störende Rolle. Der Effekt ist umso größer, je länger die Kabelauslagen und desto höher die Frequenzen gewählt werden. Daher ist z.B. eine Dipol-Dipol-Anordnung besser geeignet als Pol-Pol- oder Pol-DipolAuslagen. 6-2

6. Induzierte Polarisation

Uc

A t0 t1

t2

Zeit

Abb. 6.4: Zur Ableitung der Chargeability in der Zeitbereichs-IP.

FE =

ρ0 − ρ1 ρ0

(6.2)

nennt man Frequenzeffekt; dabei ist ρ0 der (scheinbare spezifische) Gleichstromwiderstand und ρ1 der Wechselstromwiderstand. In der Praxis benutzt man meist ein niederfrequentes Signal (z.B. f = 1 Hz) als Annäherung an den DC-Fall und ein nur geringfügig höherfrequentes Signal (z.B. f = 10 Hz) für die Bestimmung des Wechselstromwiderstandes. Die Größe PFE = 100 FE

(6.3)

wird prozentualer Frequenzeffekt genannt. Als Metallfaktor definiert man:

MFFD = 2π ⋅ 105

ρ0 − ρ1 ρ1 ρ0

.

(6.4a)

Auch im Zeitbereich kennt man einen Metallfaktor, er berechnet sich zu:

MFTD = 2000

M ρ0

(mit M in mV/V).

(6.4b)

Er hat damit jeweils die Dimension einer Leitfähigkeit. Wie in den elektromagnetischen Verfahren kann man auch bei den Effekten der induzierten Polarisation ein Ersatzschaltbild einführen, das aus einer Parallelschaltung eines ohmschen Widerstands mit der Serienschaltung eines Widerstandes und eines Kondensators besteht (Cole-Cole-Modell, Abb. 6.5). R0 beschreibt dabei den Gleichstromwiderstand, R1 + Z (ω) einen verlustbehafteten Wechselstromwiderstand mit:

⎛ 1 ⎞ Z(ω) = ⎜ ⎟ ⎝ iωC ⎠

c

.

6-3

R0 R1

C

Abb. 6.5: Ersatzschaltbild für das Cole-Cole-Modell.

6. Induzierte Polarisation

Die Konstante c liegt zwischen 0 und 0.5; für c = 0.5 wird Z(ω) als Warburg-Impedanz bezeichnet, der Fall c = 1 entspräche der bekannten Kondensatorentladung. Der Gesamtwiderstand R(ω) ergibt sich aus:

1 1 1 = + R (ω) R 0 R 1 + Z( ω)

.

Führt man ein: 1

R0 m= R 0 + R1

und

⎛ R ⎞c τ=C⎜ 0⎟ ⎝ m⎠

,

mit den Cole-Cole-Parametern (wozu man auch noch c zählt) m = Aufladbarkeit (0 ≤ m ≤ 10) und τ = Zeitkonstante der Relaxation, so gelangt man zur sog. Cole-Cole-Gleichung:

⎧⎪ ⎡ ⎤ ⎫⎪ 1 R ( ω) = R 0 ⎨1 − m ⎢1 − c ⎥⎬ ⎪⎩ ⎣ 1 + (i ω τ ) ⎦ ⎪⎭

.

(6.5)

Die spektrale IP ist eine Erweiterung der Freuenzbereichs-IP; dabei werden ρa und Phase sowie die Cole-Cole-Parameter über einen weiten Frequenzbereich (etwa 0.1 – 1000 Hz) bestimmt. Meßdaten ("Pseudosektion")

0

85

90

95

Horizontaldistanz [m] 100

105

110

115

L/2 [m]

-1 -2 -3 -4

40

-5 32

Auswertungergebnis (2D smooth inversion) West

Höhe [m NN]

121

120

24

Horizontaldistanz [m] 85

90

95

A

100

Ost 105

C

Erdoberfläche

110

B

115 121

18

13

120 0

119

119 Aufladefähigkeit

118

118

msV/V

Abb. 6.6: Beispiel einer IP-Kartierung über einer Schlackenhalde. Oben: Daten, unten: abgeleitetes Modell der Chargeability. Mit Genehmigung des Büro für Geophysik (BFG Lorenz), E. Niederleithinger.

6-4

7. Bodenradar

7. Bodenradar Das Bodenradar oder Georadar, Abk. oft GPR (von engl. ground penetrating radar) oder EMR (elektromagnetisches Impulsreflexionsverfahren), ist ein hochfrequentes elektromagnetisches Verfahren zur Erkundung oberflächennaher Leitfähigkeitsstrukturen, das eine zunehmend breitere Anwendung bei hydrogeologischen, geotechnischen und umweltrelevanten Fragestellungen findet. Das Sendesignal (z.B. kurze elektromagnetische Impulse bei einer Frequenz im Bereich von 10 MHz – 1 GHz) wird mit Hilfe von breitbandigen Antennen abgestrahlt, eine weitere Antenne empfängt das von Schichtgrenzen oder anderen Objekten im Untergrund reflektierte bzw. gestreute Signal. Analog zur Reflexionsseismik wird das Meßergebnis in einem Radargramm dargestellt. Aus der Laufzeit von der Aussendung bis zum Empfang des Signals kann bei Kenntnis der Ausbreitungsgeschwindigkeit auf die Tiefenlage des Reflektors geschlossen werden. Aufgrund des gewählten Frequenzbereichs ist die Methode empfindlich gegenüber Änderungen der relativen Dielektrizitätskonstanten εr und der Leitfähigkeit σ. Die relative Permeabilität wird dabei als µr ≈ 1 angenommen. Während die Frequenz in den Induktionsverfahren so niedrig gewählt ist, daß nur der Leitungsstrom eine Rolle spielt, ist im Radarfall der Verschiebungsstrom (s. Maxwellsche Gleichungen) von gleicher Größenordnung. Dies wird durch den Verlustwinkel ϑ mit

tan ϑ =

σ σ = ωε ωε r ε0

(7.1)

ausgedrückt, wobei ω die Kreisfrequenz und ε0 die Influenzkonstante bezeichnen. Für tan ϑ < 0.5 sind Ausbreitungsgeschwindigkeit und Absorption der EM-Wellen im Boden nahezu frequenzunabhängig, bei Überwiegen des Leitfähigkeitsterms kommt es zu Dispersionseffekten; der Energietransport findet hauptsächlich durch Diffusion statt. Bei hohen Frequenzen und senkrechter Inzidenz hängt der Reflexionskoeffizient R allein von den relativen Dielektrizitäten der beiden Medien ab:

R≈

ε1 − ε2 ε1 + ε2

Material Süßwasser trockener Sand feuchter Sand Ton Kalkstein Granit

.

εr 80 3-5 20-30 5-40 4-8 6

(7.2)

σ (mS/m) 0,5 0,01 0,1-1 2-1000 0,5-2 0,01-1

v (m/ns) 0,033 0,15 0,06 0,06 0,12 0,12

α (dB/m) 0,1 0,01 0,03-0,3 1-300 0,4-1 0,01-1

Tabelle 7.1: Typische Werte der relativen Dielektizität εr, Leitfähigkeit σ, Ausbreitungsgeschwindigkeit v und Dämpfung α einiger Materialien bei einer Frequenz f = 100 MHz (nach Blindow 1997). Der Wassergehalt bestimmt maßgeblich die Schwankungsbreite der einzelnen Größen. Die Laufzeit tr der reflektierten Wellen, die in einem Laufzeitdiagramm neben der Luft- und Bodenwelle erscheinen, berechnet sich für den Zweischichtfall zu 7-1

7. Bodenradar

tr =

1 2 x + 4h 2 v

;

(7.3)

dabei ist x der Sender-Empfänger-Abstand, v die Ausbreitungsgeschwindigkeit in der 1. Schicht und h die Schichtdicke. Nach Erreichen des kritischen Winkels φc entsteht eine sich in der Luft ausbreitende Lateralwelle, ihre Laufzeit berechnet sich aus

tl =

x + 2h c0

1 1 − v 2 c02

,

(7.4)

c0 ist die Vakuum-Lichtgeschwindigkeit. Anders als in der Seismik werden refraktierte Wellen nur selten beobachtet. Bei Annahme idealer Ankopplung der Antenne an den Boden wird die Empfangsleistung Pe durch die Radargleichung beschrieben:

Pe = Ps Q

G 2λ 2 −4 α h e (4π)3 h

.

(7.5)

Dabei ist Ps die ausgestrahlte Leistung, Q der Wirkungsquerschnitt des Reflektors oder Diffraktors, G der Antennengewinn (das Verhältnismaß in Dezibel, durch das sich die Richtwirkung einer Sende- oder Empfangsantenne von einer kugelförmig sendenden oder empfangenden Antenne unterscheidet), λ die Wellenlänge im Untergrund und α der Absorptionskoeffizient des Gesteins. Die Auswertung der Radargramme erfolgt ähnlich den Verfahren in der Reflexionsseismik, wobei jedoch meist keine CMP-Stapelung durchgeführt wird; auch die Dekonvolutionsmethoden sind nur eingeschränkt einsetzbar.

7-2

7. Bodenradar

Luftwelle S

E

Lateralwelle

E’

E’’

c0 Bodenwelle

R

φc v WR

Offset Offset

Laufzeit

Bo

Luftw de n

elle

we lle

R

Later alwel le

WR

Abb. 7.1: Oben: Die Wellentypen des Bodenradar-Verfahrens bei einem Zweischichtfall. S: Sendeantenne, E, E´, E´´: Lokation der Empfängerantennen, R: reflektierte Welle, WR: Weitwinkelreflexionen.

Abb. 7.2: Beispiel eines Radargramms: Der Reflektor bei 12 ns wird durch die Schichtgrenze Sand/Ton hervorgerufen.

7-3

8. Bohrlochverfahren

8. Geoelektrische Bohrlochverfahren Alle geoelektrischen Verfahren, die in den vorherigen Kapiteln behandelt wurden, lassen sich auch bei Bohrlochuntersuchungen einsetzen und gehören mit zum Standardinventar der Bohrlochgeophysik. Dabei sind spezifische Probleme zu beachten, die mit der Bohrspülung und der Verrohrung zusammenhängen. Sowohl eine Stahl- als auch eine Kunststoffverrohrung machen geoelektrische Verfahren, die auf Stromkontakte mit dem Gestein angewiesen sind, quasi unmöglich; die geoelektrischen Logs müssen also vor der Verrohrung gemessen werden. Bei einer Kunststoffverrohrung bieten Induktionslogs eine Alternative. Wie die Abb. 8.1 und 8.2 zeigen, ist die unmittelbare Umgebung eines Bohrlochs sehr kompliziert und es wird nicht ohne weitereres möglich sein, den tatsächlichen spez. Widerstand des umgebenden Gesteins zu bestimmen.

Abb. 8.1: Die Umgebung eines Bohrlochs im Sediment. AIME-Symbole (American Institute of Mining Engineers): spez. Widerstände RM der Spülung (mud), Rmc des Filterkuchens (mud cake), Rmt des Spülungsfiltrats, Rxo der gefluteten Zone (invaded zone), Rs des Hangenden und Liegenden, Rt der unbeeinflußten Zone, Rw des Formationswassers. Sw: Wassersättigung, Sxo: Sättigung der völlig infiltrierten Zone. 8-1

8. Bohrlochverfahren

Abb. 8.2: Die Umgebung eines Bohrlochs im Kristallin. Zunächst sei das Eigenpotential- (SP)-Log behandelt. Eigenpotentiale entstehen im Bohrloch durch Strömungspotentiale zwischen Spülung und Gebirge und unterschiedliche Ionenkonzentrationen zwischen Spülung und Formationswasser (Diffusions- und Membranpotentiale), speziell bei Vorhandensein von Tonschichten. Die Messung (Abb. 8.3) erfolgt einfach über eine Sonde M im Bohrloch und einer Bezugssonde N an der Erdoberfläche, wobei hier üblicherweise kein Nullniveau festgelegt werden kann, wenn man die Umgebung der Bohrung nicht zuvor flächenhaft abgetastet hat. Ein SP-Log wird meistens gemeinsam mit Widerstands- und Gamma-Logs aufgezeichnet. In der elektrischen Doppelschicht von Tonen herrscht ein Überschuß von Kationen (s. Abb. 6.3), so daß die Kapillaren immer einen Überschuß an positiver Ladung gegenüber dem sonstigen Schichtwasser aufweisen. Man konstruiert in Ermangelung eines tatsächlichen Nullniveaus eine sog. Tonlinie („shale line“) als Verbindung der Maxima eines SP-Logs im Sediment; die Verbindungslinie der Minima wird als Sandlinie bezeichnet (s. Abb. 8.5). Gelegentlich konstruiert man aus den Meßwerten ein „statisches Eigenpotential“ (SSP), daß man erhalten würde, wenn der endliche Widerstand im Untergrund keinen Ausgleichsstrom zur Folge hätte (Abb. 8.4). Die Potentialdifferenz ist in tonigen Sanden kleiner als in reinen Sanden, da Tonpartikel negativ geladen sind und den Kationenfluß schwächen. Ohne 8-2

8. Bohrlochverfahren

Ausgleichsstrom erhielteman

Abb. 8.3: Eigenpotentiale im Bohrloch.

Abb. 8.4: Charakteristischer Verlauf eines SP-Logs in einer Ton-Sandsteinsequenz. SSP: statisches, PSP: Pseudostatisches Eigenpotential. Ausgleichsstrom erhielte man das „Pseudostatische Potential“ (PSP).

8-3

8. Bohrlochverfahren

Die klassische Anordnung bei den geoelektrischen Gleichstromverfahren ist das sog. Normal-Log, wobei der Abstand AM meist zu 16“ oder 64“ gewählt wird (short normal bzw. long normal, siehe Abb. 10.6). Allerdings besitzt diese Konfiguration nur ein sehr beschränktes Auflösungsvermögen, da die Äquipotentialflächen um den Meßkörper kugelförmig sind. Eine bessere Auflösung von Schichtgrenzen auch geringmächtiger hochohmiger Einlagerungen erreicht man mit der Lateralsonde (Abb. 8.6 und 8.7). Eine detaillierte Aufnahme einer Feinschichtung ermöglicht das Mikrolog (Abb. 8.8); die Eindringtiefe ist hier allerdings naturgemäß gering. Die beste Auflösung zusammen mit einer akzeptablen Eindringtiefe erreicht man mit fokussierenden Anordnungen wie dem Laterolog (Abb. 8.9, nicht zu verwechseln mit dem lateralen Log!), wobei durch Gegenelektroden ein fast senkrechter Stromfluß in die Bohrlochumgebung erreicht wird. Sie sind aufgrund der Vielzahl von Elektroden jedoch erheblich teurer als die zuvor aufgeführten Verfahren.

Abb. 8.5: Zur Sand- und Tonlinie. Vergleich eines SP-Logs mit Normal-Logs 16“ und 64“.

8-4

8. Bohrlochverfahren

Abb. 8.6: Anordnung eines Normal-Logs (links) und eines lateralen Logs (rechts).

Abb. 8.7: Verlauf eines normalen (links) und eines lateralen Logs (rechts) bei hochohmigen Schichten, jeweils ohne (links) und mit (rechts) den Einfluß der Spülung. 8-5

8. Bohrlochverfahren

Abb. 8.8: Aufbau einer Mikrosonde.

Abb. 8.9: Links: Elektrodenanordnung und Verlauf der Stromlinien bei einem Laterolog. Rechts: Der Vergleich des Stromlinienverlaufs des Laterologs mit dem eines Normallogs zeigt die fokussierende Wirkung. 8-6

8. Bohrlochverfahren

Abb. 8.10: Typischer Verlauf eines Gamma-Log.

Von den drei natürlichen radioaktiven Zerfallsreihen (238U, 232Th und 40K) ist nur die des Kaliums (Halbwertszeit 1.4 Ma) in den Bohrlochverfahren relevant. Es reichert sich durch Verwitterungsprozesse insbesondere in Tonen an, die deshalb eine erhöhte γ-Strahlung aufweisen; dagegen ist die Aktivität z.B. von Sand, Sand- und Kalkstein gering (s. Abb. 8.10). Das Gamma-Log wird als Standardverfahren oft zusammen mit Widerstandslogs eingesetzt und dient entsprechend hauptsächlich der Abgrenzung tonführender Schichten; es ist besonders wichtig bei verrohrten Bohrungen, wo die geoelektrischen Methoden vesagen.

Zur Messung werden SzintillationsZählrohre verwendet. Maßeinheit ist die sog. API-Einheit (American Petroleum Institute), wobei 16.5 API-Einheiten 1 µg Radium-Äquivalent/Tonne Gestein entsprechen1. Einen weiten Anwendungsbereich findet mittlerweile das Induktionslog (Abb. 8.11), als aktive Frequenzbereichsmethode. Es ist insbesondere dann von Vorteil, wenn die Verrohrung aus Kunststoff besteht, eine Metallverrohrung setzt hier naturgemäß ebenfalls Grenzen. Ein weiterer Vorteil dieses Logs ist, daß die Eindringtiefe meist größer als die Invasionszone ist (bei nicht zu hohen Spülungsleitfähigkeiten), so daß prinzipiell leichter die tatsächlichen spezifischen Widerstande des umgebenden Gesteins aufgelöst werden können. SP, Lateround Induktionslog werden häufig gemeinsam verwendet. Auch die hochfrequente Elektromagnetik (siehe Bodenradar) findet in Bohrungen ihre Anwendung, das entsprechende Meßgerät nennt man Electromagnetic Propagation Tool.

1

1Ci = 3.7 x 1010 Bq ist die Aktivität von 1 g 226Ra. 8-7

8. Bohrlochverfahren

Abb. 8.11: Prinzip eines Induktionslogs (links) und praktische Ausführung mit einer 4-SpulenKonfiguration (rechts). Die im Gestein induzierten Wirbelströme werden im Jargon der Bohrlochgeophysik häufig „Foucault’sche Ströme“ genannt. Der Abstand der Sende- und Empfangsspulen beträgt üblicherweise 40“.

8-8