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German Pages 697 Year 2018
Quellen und Forschungen zur Brandenburgischen und Preußischen Geschichte Band 50
Logistik und friderizianische Kriegsführung Eine Studie zur Verteilung, Mobilisierung und Wirkungsmächtigkeit militärisch relevanter Ressourcen im Siebenjährigen Krieg am Beispiel des Jahres 1757
Von
Marcus Warnke
Duncker & Humblot · Berlin
MARCUS WARNKE
Logistik und friderizianische Kriegsführung
Quellen und Forschungen zur Brandenburgischen und Preußischen Geschichte Begründet von Johannes Kunisch Herausgegeben im Auftrag der Preußischen Historischen Kommission, Berlin von Prof. Dr. Wolfgang Neugebauer und Prof. Dr. Frank-Lothar Kroll
Band 50
Logistik und friderizianische Kriegsführung Eine Studie zur Verteilung, Mobilisierung und Wirkungsmächtigkeit militärisch relevanter Ressourcen im Siebenjährigen Krieg am Beispiel des Jahres 1757
Von
Marcus Warnke
Duncker & Humblot · Berlin
Gedruckt mit Unterstützung der Gerda-Henkel-Stiftung, Düsseldorf
Die Philosophische Fakultät der Universität Potsdam hat diese Arbeit im Jahr 2015 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
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© 2018 Duncker & Humblot GmbH, Berlin
Fremddatenübernahme: L101 Mediengestaltung, Fürstenwalde Druck: CPI buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 0943-8629 ISBN 978-3-428-15371-8 (Print) ISBN 978-3-428-55371-6 (E-Book) ISBN 978-3-428-85371-7 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706
Internet: http://www.duncker-humblot.de
Allen, die an mich glauben.
[A]insi ce n’est pas moi qui commande l’armée, mais la farine et les fourrages sont les maîtres1. Friedrich II., König von Preußen, Camp de Staudenz, 25 septembre,1745.
Der Hunger ist grausamer als das Eisen, und der Mangel richtet mehr zugrunde, als die Schlacht2. raf Raimondo di Moncuccoli, Kaiserlicher General und Präsident des Wiener HofG kriegsrates, Militärische Schriften, Vom Kriege mit den Türken in Ungarn, I. Buch, Dritter Abschnitt, Von der Munition und vom Mundvorrat.
Der Unterhalt der Armeen im Felde ist die nothwendigste und beschwerlichest Sache; daher muß alle Achtsamkeit von der Welt angewendet werden daß sowohl die dazu gehörigen Lebensmittel selbst für die Truppen und das nöthigste Futter für so viele Pferde angeschaffet[…]werden[…]. Wenn für diese beyden Dinge nicht hinlänglich gesorget wird, so werden die besten, auserlesensten, geübtesten und mit den erfahrensten Officiers versehenen Armeen wenig ausrichten3. Johann Erdmann Korge, preußischer Oberkriegskommissar, Von den Verpflegungen der Armeen.
1 Friedrich
II., Politische Korrespondenz Friedrichs des Grossen, Band 4, Nr. 1995. di Montecuccoli, Ausgewählte Schriften, Band 2, Seite 248. 3 Korge, Von den Verpflegungen der Armeen, Seite 4 f. 2 Raimondo
Vorwort Die vorliegende Buchversion stellt sowohl formal wie auch inhaltlich eine leicht überarbeitete Version jener Arbeit dar, die ich im April 2015 an der Universität Potsdam eingereicht habe. Neben der orthografischen Überarbeitung, für die ich meinen Lektoren Frau Dr. Franziska Heidemann und Herrn Dr. Malte Heidemann großen Dank schulde, wurden einige Ergänzungen in der Literaturliste vorgenommen, aber auch manche Tabelle oder Karte überarbeitet bzw. hinzugefügt. Die wichtigste konzeptionelle Änderung betraf den Umstand, dass im Teil IV. – der Fallstudie – die Kalkulationen auf preußischer Seite nun die Anzahl der Truppen und Pferde nicht mehr unmittelbar mit den Portions- und Rationszahlen gleichsetzen, sondern davon ausgehen, dass letztere schon eine gewisse Karenz für die daraus resultierenden Verpflegungsmengen in Form von Naturalien beinhalteten. Danksagung Zuerst möchte ich meiner Mutter danken, die mich sowohl finanziell als auch persönlich am meisten unterstützt hat und sich häufig auch der Lektüre meiner militärhistorischen Texte annahm. Darüber hinaus danke ich meinen Familienangehörigen und Verwandten, insbesondere aber meinen Großvätern, deren persönliche Erfahrungen im letzten Weltkrieg und allgemeines Geschichtsinteresse meine Beschäftigung mit militärgeschichtlichen Themen seit meiner Schulzeit befördert haben. Darüber hinaus standen sie mir bei dieser Arbeit aber insbesondere mit ihrem landwirtschaftlichen Fachwissen zur Seite, das an einigen Punkten durchaus zur schnelleren Klärung bestimmter Fragen beitrug oder Zweifel meinerseits ausräumte. Großen Dank schulde ich auch meinen Freunden, darunter vor allem Paul, Hanno und Lars, die sich nicht nur der Lektüre und der Korrektur des Textes angenommen haben, sondern mich beharrlich zu erheitern vermögen und, was vielleicht noch wichtiger ist, mir auch immer wieder eine andere Sichtweise auf die Dinge eröffnen, letzteres nun zum Teil nun schon seit 25 Jahren. Bedanken möchte ich mich aber auch bei meinen anderen Freunden Mandy, Mirjam, Hagen, Steffi, Otti, Sandra, Sven und Susanne, mit denen ich ebenfalls gerne Zeit verbringe, die teils thematisch, teils aber auch räumlich und beruflich bedingt etwas weniger Anteil an diesem Werk hatten. Dankend erwähnt seien auch Michael, der Bruder von Lars, und seine Freundin Franziska, die mich einige Male für diverse Archivbesuche in Magdeburg bei sich aufnahmen. Zu Dank verpflichtet bin ich in besonderem Maße meinem Betreuer und Doktorvater Professor Dr. Peter-Michael Hahn, dessen vorsichtige Haltung gegenüber vielen Detailfragen in vielerlei Hinsicht zur ihrer Klarstellung beitrug. Seine durchweg kritische
10 Vorwort
Einstellung gegenüber dem bisherigen historischen Gesamtkonstrukt der friderizianischen Kriegskunst prägte die ganze Arbeit. Wie die vielen Begegnungen im Archiv belegen, teile ich mit meinem Zweitgutachter Prof. Dr. Frank Göse neben dem Interesse für Fragen der brandenburg-preußischen Geschichte offensichtlich auch eine Vorliebe für die Benutzung frühneuzeitlicher Archivalien. Dank gebührt auch Dr. Grzegorz Podruczny aus Slubice, der mir die Fotografien der schlesischen Magazingebäude zugänglich machte, mich zur IV. historischen Konferenz nach Silberberg einlud und dorthin mitnahm. Danken möchte ich auch Dr. Martin Winter, der mir während dieses 3-tägigen Ausflugs noch den einen oder anderen wichtigen Hinweis gab. Für die überaus großzügige finanzielle Unterstützung möchte ich mich bei der GerdaHenkel-Stiftung bedanken, welche die vielen Archivbesuche im In- und Ausland ermöglichte, die Arbeit so in ihrer inhaltlichen Substanz auf ein völlig unerwartetes Niveau hob und somit ihre Fertigstellung in dieser Form überhaupt erst ermöglichte. Zu bedanken habe ich mich ferner bei vielen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen der Staats-, Landes- und Stadtarchive, die mir behilflich waren. Hervorzuheben ist dabei zuerst das Geheime Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz in Berlin-Dahlem, das in den letzten Jahren in vielerlei Hinsicht meine spirituelle Heimat wurde. Darüber hinaus bin ich Herrn Josef Fraifer vom Österreichischen Staatsarchiv in Wien, Frau Hartmann vom Sächsischen Hauptstaatsarchiv in Dresden und Frau Grote vom Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt in Dessau dankbar, dass sie mir den Weg zu vielen unbekannteren Beständen wiesen. Ganz besonders herzlich möchte ich mich bei Frau Anja Moschke und Frau Silke Kosbab vom Staatsfilialarchiv Bautzen bedanken, die mir nicht nur ihre einzigartigen Bestände schnell und unkompliziert zugänglich machten, sondern mich auch für Vorträge vorschlugen, mich selbst zu einem einluden, mir Kontakte für weitere verschafften oder bei kleineren Malheurs aus der Patsche halfen. Berlin, im April 2015
Marcus Warnke
Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Forschungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Quellenlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 Leitfrage, Definitionen und Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50
I. Teil Das Bild der friderizianischen Kriegsführung und die Bedeutung der Logistik
60
I.1. Das traditionelle Bild der friderizianischen Kriegsführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 I.2. Die Operationsgeschichte des Generalstabswerks und seine Zahlenarithmetik . . . . . . . . 66 I.3. Die Bedeutung der Taktik und der Logistikfür die Kriegsführung in der Sicht der Zeitgenossen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73
II. Teil Die Kernelemente der Heeresversorgung
82
II.1. Die Organisation und Verwaltung des Versorgungswesens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 II.2. Der Versorgungsbedarf der Streitkräftein quantitativer Hinsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 II.3. Maßeinheiten und ihre Umrechnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 II.4. Das Magazinwesen – Lage, Bau, Verwaltung und konkreter Umfang der Bestände . . . . 106 II.5. Die Truppenverpflegung – Mehlgewinnung, Brotherstellung und andere Nahrungs mittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 II.6. Die Pferdeverpflegung, die Pferdekrankheiten und der Pferdeersatz . . . . . . . . . . . . . . . . 126 II.7. Die weiteren Versorgungsgüter – Waffen, Munition und Bekleidung . . . . . . . . . . . . . . . 134 II.8. Das Transportwesen – die Transportkapazitäten und Verwendungen von Wagen und Schiffen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144
III. Teil Die Ressourcen des Operationsraums
169
III.1. Die logistisch relevanten Ressourcen in Schlesien, Sachsen, Böhmen und Mähren . . . . 169 III.2. Die Theorie der Operationslinienund die Bedeutung der physischen Geographie . . . . . 200 Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 Überleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209
12 Inhaltsverzeichnis IV. Teil
Fallstudie(n): Der Feldzug / die Feldzüge des Jahres 1757
210
IV.1. Stärkeverhältnisse und Operationsplanungzu Beginn des Jahres 1757 . . . . . . . . . . . . . . 210 IV.1.1. Die Aufstockung zu Beginn des Jahres 1757 und die Stärke des preußischen Heeres . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 IV.1.2. Die Operationsplanungen der Preußen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 IV.1.3. Die Operationsplanungen der Österreicher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 IV.1.4. Die Verteilung der Verbände vor dem Beginn der Operationen Ende März / Mitte April . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 IV.1.5. Rekapitulation der Planungsphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 IV.2. Logistische Vorbereitungen – Verpflegungslage und Transportmittelbeschaffung . . . . . . 225 IV.2.1. Das Korps des Generals Moritz zu Anhalt-Dessau im Erzgebirge . . . . . . . . . . . 225 IV.2.2. Das Korps unter König Friedrich bei Dresden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 IV.2.3. Das Korps unter dem Kommando des Herzogs von Bevern in der Oberlausitz . 241 IV.2.4. Das Korps der schlesischen Truppen unter Feldmarschall Schwerin . . . . . . . . . . 243 IV.2.5. Der Verpflegungsvorrat und die Transportmittelbeschaffung der Österreicher . . 250 IV.2.6. Rekapitulation der logistischen Vorbereitungen beider Kriegsparteien . . . . . . . . 257 IV.3. Der Eröffnungsfeldzug und die Schlacht bei Prag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 IV.3.1. Der Einmarsch aus Schlesien und der Oberlausitz bis zur Eroberung des Magazins von Jungbunzlau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 IV.3.2. Die Operationen auf der linken Elbseite und die Bildung der Armee unter König Friedrichs Kommando . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 IV.3.3. Der Vormarsch nach und die Schlacht bei Prag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 IV.3.4. Rekapitulation der Schlacht und des bisherigen Feldzugsverlaufs . . . . . . . . . . . 285 IV.4. Vom Beginn der Belagerung Prags bis zur Schlacht bei Kolin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 IV.4.1. Die Einschließung Prags und die Herausbildung der beiden Verbände . . . . . . . . 288 IV.4.2. Die Operationen des Herzogs von Bevern gegen die Armee des Feldmarschalls Daun . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 IV.4.3. Die Vorgänge während der Prager Belagerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 IV.4.4. Die Lage bei Prag und die Vorbereitungen auf die Schlacht bei Kolin . . . . . . . . 318 IV.4.5. Die Schlacht bei Kolin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 IV.4.6. Rekapitulation des Feldzugsverlaufs und der Schlacht bei Kolin . . . . . . . . . . . . 337 IV.5. Der langsame Rückzug aus Böhmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340 IV.5.1. Die Aufhebung der Prager Belagerung und Bildung der beiden preußischen Armeen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340 IV.5.2. Der Abbruch des Rückzugs in die Oberlausitz und der Magazintransport aus Schlesien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 350 IV.5.3. Die Übernahme der Armee durch Prinz August Wilhelm bis zum Rückzug aus Böhmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354 IV.5.4. Der desaströse Rückzug in die Oberlausitz und der Verlust des Zittauer Magazins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366
Inhaltsverzeichnis13 IV.5.5. Der Abbruch der Verfolgung durch die Österreicher vor Ort und die Versorgungslage beider Seiten im Operationsraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378 IV.5.6. Die Ereignisse bei der Armee des Königs und in ihrem operativen Hinterland bis Dresden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383 IV.5.7. Die Rückzugsvorbereitungen bei Leitmeritz, die Stärke der Truppen und ihre Verpflegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389 IV.5.8. Der gestaffelte Rückmarsch der Armee unter König Friedrich in 2 Etappen . . . 397 IV.5.9. Rekapitulation der Entscheidungsfindung und Operationen während des Rückzuges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 401 IV.6. Zwischen operativem Stillstand und Fouragieren in der Oberlausitz . . . . . . . . . . . . . . . . 404 IV.6.1. Das Eintreffen der Hauptkräfte beider Seiten in der Oberlausitz . . . . . . . . . . . . 404 IV.6.2. Die Organisation der Truppenverpflegung bei Bautzen und die ersten Fouragierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 409 IV.6.3. Die Versorgungslage und die Nachschuborganisation der Österreicher . . . . . . . . 426 IV.6.4. Die Versorgungslage der Preußen Mitte August und das Vorrücken Richtung Zittau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 430 IV.6.5. Die operativen und logistischen Entwicklungen in Schlesien und Mittelsachsen . 434 IV.6.6. Die weiteren Verpflegungsmaßnahmen der Preußen in der Oberlausitz . . . . . . . 439 IV.6.7. Die Planungen der Österreicher und ihre Versorgungssituation gegen Ende August . 449 IV.6.8. Die Vorbereitungen der Preußen zum Abmarsch aus der Oberlausitz . . . . . . . . . 453 IV.6.9. Rekapitulation des Aufenthalts in der Oberlausitz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 463 IV.7. Die Verteidigung Schlesiens und Westsachsens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 464 IV.7.1. Das Einrücken der Preußen und Österreicher nach Mittelschlesien . . . . . . . . . . 464 IV.7.2. Die Lage im Westen und der Marsch der preußischen Armee nach Thüringen 478 IV.7.3. Die Versorgungslage in Thüringen und der Zustand der gegnerischen Streitkräfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 492 IV.7.4. Die operative Situation und die Versorgungslage im sächsischen Hinterland . . . 494 IV.7.5. Die Lage in den Fürstentümern Magdeburg und Halberstadt . . . . . . . . . . . . . . . 497 IV.7.6. Die Lageentwicklung in Thüringen und im preußischen Hinterland . . . . . . . . . . 505 IV.7.7. Das Vorrücken der verbündeten Truppen und der Auftakt zur Schlacht bei Rossbach . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 513 IV.7.8. Die Schlacht bei Rossbach und ihre unmittelbaren Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . 520 IV.7.9. Rekapitulation der Operationen im Herbst des Jahres 1757 . . . . . . . . . . . . . . . . 526 IV.8. Zwischen Sieg und Niederlage: Der Winterfeldzug in Schlesien und Ende des Kriegsjahres 1757 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 528 IV.8.1. Die Entwicklungen in Mittelschlesien bis zum Fall der Festung Schweidnitz . . 528 IV.8.2. Feldmarschall Keiths Diversionsexpedition nach Böhmen . . . . . . . . . . . . . . . . . 548 IV.8.3. Der Marsch des Korps unter Friedrich und Moritz zu Anhalt-Dessau nach Schlesien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 550 IV.8.4. Die Schlacht bei Breslau und der Rückzug des preußischen Korps . . . . . . . . . . 560 IV.8.5. Die Schlacht bei Leuthen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 576 IV.8.6. Die Verfolgung der österreichischen Hauptarmee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 597 IV.8.7. Die Belagerung und Rückeroberung Breslaus und das Ende des Feldzuges . . . . 603 IV.8.8. Rekapitulation der Operationen während des schlesischen Winterfeldzuges . . . . 609
14 Inhaltsverzeichnis V. Teil
Das Feldzugsjahr im Rückblick: Der Einfluss der Logistik und anderer Faktoren auf die Kriegsführung
613
V.1. Der Einfluss der Logistik auf die Gefechte und die Waffengattungen . . . . . . . . . . . . . . . 613 V.1.1. Die allgemeine Bedeutung der Logistik bzw. der Verpflegung . . . . . . . . . . . . . . 613 V.1.2. Die Bedeutung der personellen und materiellen Überlegenheit in den Schlachten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 613 V.1.3. Die Bedeutung der Logistik und Taktik für die Effizienz der Infanterie . . . . . . . 614 V.1.4. Die Bedeutung der Logistik für die Überlegenheit der Kavallerie . . . . . . . . . . . 616 V.1.5. Die Überlegenheit der schweren Artillerie im Gefecht und die Bedeutung der Logistik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 617 V.1.6. Der Transport und Einsatz der schweren Artillerie während der Belagerungen . 618 V.1.7. Der Abtransport und die Wiedereinsetzung der Kranken- und Verwundeten / personeller Ersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 618 V.1.8. Die Bedeutung der Desertion, Kranken, Verwundeten und Kommandierten . . . 619 V.2. Das Versorgungssystem im operativen Kontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 619 V.2.1. Die Verpflegung der Soldaten und die Größe der Truppenkörper als Grundproblem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 619 V.2.2. Die Bedeutung der Pferdeverpflegung, Pferdebewirtschaftung und des Pferdeersatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 622 V.2.3. Die Magazine und Bedeutung ihrer Bestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 623 V.2.4. Die Magazineroberungen als folgenreichste logistisch-operative Weichen stellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 624 V.2.5. Die Transportmittel und ihre Rolle bei der Mobilisierung der Ressourcen aus dem Hinterland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 628 V.2.6. Die Zweckentfremdung der Transportmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 630 V.2.7. Die Bedeutung der lokalen Ressourcen und ihre organisatorische Erschließung . 630 V.2.8. Der Einfluss der konfessionellen Sympathien auf die Ressourcenmobilisierung . 631 V.2.9. Ausreichendes Personal für die Ressourcenbewirtschaftung . . . . . . . . . . . . . . . . 632 V.3. Der Einfluss weiterer Faktoren auf die Kriegsführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 633 V.3.1. Der Einfluss des natürlichen und künstlichen Terrains auf die Kräftemobilisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 633 V.3.2. Der Einfluss der Jahreszeiten auf die Logistik und die Operationen – insbesondere die Winterfeldzüge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 634 V.3.3. Die Fehler der politischen Führung und die Vorteile der strategischen Defensive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 635 V.3.4. Die Komplexität der logistischen Faktoren als Problem und Lösungsansatz für eine erfolgreiche Kriegsführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 638 V.4. Kommunikation, Geheimhaltung und persönliches Engagement – Friedrichs Rolle als Feldherr und Staatsmann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 639
Inhaltsverzeichnis15 VI. Teil
Schluss: Die Charakteristik der friderizianischen Kriegsführung im Siebenjährigen Krieg
644
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 660 1. Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 660 a) Archivalien / handschriftlich oder handgezeichnetes Quellenmaterial . . . . . . . . . . . . . . . . 660 b) Edierte oder gedruckte Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 679 2. Sekundärliteratur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 683 a) Forschungsliteratur des 19. und frühen 20. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 683 b) Forschungsliteratur seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 687 Abbildungsnachweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 693
Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Struktur der preußischen Ressourcenmobilisierung und Magazinverwaltung in der Zeit des Siebenjährigen Krieges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 Abbildung 2: Magazinbäckerei zu Glatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 Abbildung 3: Ausschnitt aus: Canaletto, Pirna von der Postaer Höhe, . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 Abbildung 4: Heutige Zille . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 Abbildung 5: Große Zille – damals auch bekannt als Ulmer Schachtel . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 Abbildung 6: Rekonstruktion historische Plätte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 Abbildung 7: Die Regionen Sachsens mit ihren Bodenwerten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 Abbildung 8: Speichergebäude in Frankfurt an der Oder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 Abbildung 9: Speichergebäude in Breslau am Burgfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 Abbildung 10: Getreidespreicher in Schweidnitz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 Abbildung 11: Ansicht des Militärproviantmagazingebäudes in Wittenberg . . . . . . . . . . . . . . 182 Abbildung 12: Stadt und Neustadt Dresden mit Festung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 Abbildung 13: Salzhaus in Lauban. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 Abbildung 14: Salzhaus in Zittau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 Abbildung 15: Übersichtskarte zum Operationsraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 Abbildung 16: Operationsentwürfe Frühjahr 1757 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 Abbildung 17: Operationen zur Einnahme Jungbunzlaus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 Abbildung 18: Zeitgenössische Karte zur Schlacht bei Prag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 Abbildung 19: Operationsverlauf bis Schlacht bei Prag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 Abbildung 20: Kontrollanteile an den Kreisen Böhmens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 Abbildung 21: Operativ-logistische Lage Mitte Mai 1757 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 Abbildung 22: Einteilung der Belagerungsarmee vor Prag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 Abbildung 23: Operativ-logistische Lage Ende Mai 1757 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 Abbildung 24: Operativ-logistische Situation Mitte Juni 1757 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 Abbildung 25: Operative Lage unmittelbar vor Kolin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 Abbildung 26: Blick Richtung Wirtshaus Goldene Sonne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 Abbildung 27: Blick Richtung Höhe von Koller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 Abbildung 28: Geänderter Aufmarschplan der Schlacht bei Kolin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 Abbildung 29: Rückzug von Prag und Kolin Mitte Juni . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349
Abbildungsverzeichnis17 Abbildung 30: Logistische Situation Anfang Juni 1757 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352 Abbildung 31: Umgebung v. Neuschloss und Böhmisch-Leipa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357 Abbildung 32: Österreichische Hauptarmee im Isertal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360 Abbildung 33: Überblickskarte zum Rückzug der Armee des Prinzen August Wilhelm von Preußen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365 Abbildung 34: Rückzugsroute über Böhmisch-Kamnitz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366 Abbildung 35: Gelände in den Pässen des böhmisch-sächsischen Grenzgebirges . . . . . . . . . . 369 Abbildung 36: Rückzugsroute der Armee am 18. Juli 1757 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371 Abbildung 37: Logistisch-operative Gesamtlage in Böhmen im Juli 1757 . . . . . . . . . . . . . . . 381 Abbildung 38: Logistische Situation im Operationsraum Ende Juli 1757 . . . . . . . . . . . . . . . . 382 Abbildung 39: Rückzugs- und Sicherungsgefechte entlang der Elblinie Mitte–Ende Juli 1757 388 Abbildung 40: Operative Lage im Operationsgebiet Anfang August 1757 . . . . . . . . . . . . . . . 408 Abbildung 41: Heutiger Blick von Bautzen auf die Landschaft der östlichen Oberlausitz . . . 410 Abbildung 42: Zeitgenössischer Plan des befestigten Bautzens mit Bäckereistandorten . . . . . 411 Abbildung 43: Operativ-logistische Situation in der Oberlausitz Mitte August 1757 . . . . . . . 421 Abbildung 44: Versorgungslage der Österreicher Ende Juli–Mitte August 1757 . . . . . . . . . . . 429 Abbildung 45: Vereinigung der preußischen Korps in der Oberlausitz Mitte August 1757 . 433 Abbildung 46: Logistische Situation in der 2. Augusthälfte 1757 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 440 Abbildung 47: Operativ-logistische Gesamtlage in Sachsen und Schlesien Ende August 1757 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 461 Abbildung 48: Operativ-logistische Situation Mitte September 1757 auf dem Hauptkriegsschauplatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 468 Abbildung 49: Operativ-logistische Lage in Böhmen, Sachsen und Schlesien Anfang Oktober 1757 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 477 Abbildung 50: Operative Situation auf dem westlichen Kriegsschauplatz Ende August / September 1757 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 499 Abbildung 51: Operativ-logistische Lage in Schlesien vor dem Hintergrund der geographischen Bedingungen im Oktober und November 1757 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 537 Abbildung 52: Festung Schweidnitz und Belagerungsverbände in zeitgenössischem Plan . . . 539 Abbildung 53: Geschützstellungen und Geschossflugbahnen bei der Belagerung von Schweidnitz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 542 Abbildung 54: Plan der Schlacht bei Breslau am 22. November 1757 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 568 Abbildung 55: Ursprünglicher Aufmarsch der Österreicher vor und Angriff der Preußen in der Schlacht bei Leuthen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 586 Abbildung 56: Aufmarsch und erste Phase der Schlacht bei Leuthen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 590 Abbildung 57: Zeitgenössischer Plan des Verlaufs der Schlacht bei Leuthen . . . . . . . . . . . . . 593 Abbildung 58: Operationen der gegnerischen Streitkräfte in Schlesien nach der Schlacht bei Leuthen im Dezember 1757 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 602
18 Abbildungsverzeichnis Abbildung 59: Belagerung von Breslau Mitte Dezember 1757 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 605 Abbildung 60: Generalnachweise aller Kriegskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 648 Abbildung 61: Strategische Lage im Frühjahr 1759 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 651 Abbildung 62: Strategische Lage im Sommer 1759 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 652
Abkürzungsverzeichnis Allgemeine Abkürzungen Bd. Band betref. Betreff / betreffend ca. circa / Latein für ungefähr Ders. Derselbe Ebd / ebd. ebenda Nr. / No. Nummer Vol. Volumen
Archivabkürzungen BayKA BHLA GStAPK LASA, DE LASA, MD OestAVA OestHHStA OestKA SächsHStA-DD SächsStA-L SächsStFilA-BZ SHD Vincennes
Bayrisches Hauptstaatsarchiv, IV. Abteilung Kriegsarchiv, München Brandenburgisches Landeshauptarchiv, Potsdam Geheimes Staatsarchiv- Preußischer Kulturbesitz, Berlin Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt, Dessau Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt Magdeburg oder Wenigerode Österreichisches Staatsarchiv, Allgemeines Verwaltungsarchiv Österreichisches Staatsarchiv, Haus-, Hof-und Staatsarchiv, Wien Österreichisches Staatsarchiv, Kriegsarchiv, Wien Sächsisches Hauptstaatsarchiv, Dresden Sächsisches Staatsarchiv, Leipzig Sächsisches Staatsfilialarchiv, Bautzen Service Historique de la Défense, Paris-Vincennes
Bestandsabkürzungen Abt. Abteilung AFA- Alte Feldakten CA Cabinettsakten HA. Hauptabteilung HKR Hofkriegsrat. Mil-Kom. Militärkommission / Militärhofkommission Rep. Repositur Tit. Titel / Titulatur Zentralst. Zentralstellen
20 Abkürzungsverzeichnis
Abkürzungen von Einheiten und Waffengattungen Art. Artillerie Btl. Bataillon Esk. Eskadron Inf. Infanterie Kav. Kavallerie
Abkürzungen von Ländern oder Herrschaftsgebieten brit. britisch frz. französisch k.u.k. kaiserlich und königlich öst. österreichisch preuß. preußisch
Abkürzungen von Maß- und Währungseinheiten in Tabellen, Zitaten oder Fußnoten Berl. Berliner Zentner Cent. / Ct. Dres. Dresdner Kilogramm kg. lb. libra / Latein für Pfund niederöst. niederösterreichisch Port. Portionen Rthlr. Reichsthaler Schfl. Scheffel Stk. Stück Zent. Zentner
Abkürzungen von Offiziersrängen F.M. Feldmarschall Gen. d. Inf. General der Infanterie Gen. d. Kav. General der Kavallerie Genlt. Generalleutnant
Einleitung Am Anfang dieser Arbeit muss zweifelsohne die Frage stehen, warum man sich überhaupt mit der friderizianischen Kriegsführung beschäftigen sollte. Die einfachste Antwort dürfte schlicht und ergreifend der Umstand sein, dass Friedrich II. von Preußen, den teilweise die Zeitgenossen, aber vor allem die Nachwelt den Großen nannte, seine Reputation zu einem großen Teil den überragenden militärischen Erfolgen in seiner Regierungszeit verdankte. Er verlor keinen Krieg, den er führte, und vergrößerte mit dem Herzogtum Schlesien, das er seinem Hauptrivalen, dem Haus Habsburg unter der Führung der Kaiser-Königin Maria Theresia, abrang, sein Königreich bedeutend. Während die ersten beiden Kriege, die er um diese begehrte Provinz austrug, unter günstigen di plomatischen Bedingungen, d. h. vor allem mit der Unterstützung Frankreichs, stattfanden, entwickelte sich der Dritte Schlesische Krieg, auch Siebenjähriger Krieg genannt, zum Überlebenskampf des preußischen Staates, der entscheidend zur militärischen Legende des König beitrug. Diese „[…] sieben Jahre Krieg machten ihn zum Heros des an bedeutenden Figuren reichen, eines Helden aber bedürftigen Jahrhunderts. Seit Alexander hatte kein Erbkönig sich dem Gedächtnis seiner Zeitgenossen eingeschrieben wie Friedrich“1.
Tatsächlich konnten schon die Zeitgenossen kaum nachvollziehen, wie es dem Königreich Preußen gelungen war, sich gegen die scheinbar so übermächtige Koalition seiner Gegner, bestehend aus Österreich, Russland, Schweden, den habsburgischen Verbündeten im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation und Frankreich, zu behaupten. Vor allem der Wechsel Frankreichs in dieses Bündnis kam unerwartet und war aus preußischer Sicht gefährlich. Glich er doch einer diplomatischen Revolution, weil damit die Überwindung des sogenannten habsburgisch-französischen Gegensatzes, der 250 Jahre die wichtigste Konstante in der europäischen Bündnispolitik darstellte, einherging. Über die Gesamtdauer des Siebenjährigen Kriegs sollte sich in erster Linie aber Russland als der gefährlichste Gegner erweisen, dessen Ausscheiden durch den Tod Zarin Elisabeths Ende 1761 dann auch die Koalition zerbrechen ließ und den Krieg beendete. Tatsächlich verfügte Preußen mit Großbritannien bis zu diesem Jahr auch über einen der mächtigsten Verbündeten. Großbritannien war diejenige europäische Großmacht, die sich zur ersten wirklichen Weltmacht der Neuzeit entwickelte und in diesem Konflikt letztlich auch die strategische Initiative zur Gestaltung der Bündniskonstellationen behielt2. Ihr vorrangiges Interesse war jedoch die koloniale Expansion in Nordamerika, wofür das Königreich Preußen durch den Abschluss der Westministerkonvention am 16. Januar 1756 in beträchtlichem Maße instrumentalisiert wurde, da dieser Vertrag in erster Linie ein Schutz1 Augstein, 2 Vgl.
Rudolf, Friedrich und die Deutschen, Seite 35. Duchhardt, Heinz, Balance of Power und Pentarchie, Seite 324 f.
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bündnis für die hannoverschen Besitzungen des britischen Königs Georg II. darstellte3. Die Strategie Großbritanniens war in erheblichem Maße darauf ausgerichtet, die Kriegslasten auf dem europäischen Kontinent den Preußen aufzubürden, um so die eigenen Kräfte überwiegend auf dem Kriegsschauplatz in Nordamerika einsetzen zu können4. Obwohl Preußen beträchtliche finanzielle Hilfe und militärische Unterstützung in Form der Observationsstreitmacht in Kurhannover erhielt5, die die Franzosen ab 1758 immer mehr zurückdrängte, trug es den Großteil der Kriegslasten über mindestens 5 Jahre gegen die Übermacht seiner Gegner allein. Letztlich hat man immer wieder nach Erklärungen für diese schier unglaublich anmutende Leistung des Königs, seiner Armee und seines Staates gesucht. Auch dieses Buch wird hiernach suchen, aber im Gegensatz zu früheren Darstellungen viel stärker den technischen, wirtschaftlichen und alltagsgeschichtlichen Realisierungsbedingungen der damaligen Kriegsführung Rechnung tragen und die militärischen Operationen damit weniger isoliert von ihren Grundlagen im zivilen Bereich betrachten. Klassischerweise wurden als Erklärung für den preußischen Erfolg Aspekte wie die vorbildliche Pflichterfüllung des Königs oder die besondere taktische Überlegenheit der preußischen Armee hervorgehoben. Allerdings sind diese Ansätze angesichts von Niederlagen wie der bei Kunersdorf 1759, wo die preußische Armee den Österreichern und Russen trotz ihrer vermeintlichen taktischen Vorzüge im Gefecht unterlag und der König selbst alles für verloren hielt, nie ganz unumstritten geblieben, zumal die Preußen den Krieg trotz dieses verheerenden Rückschlages nicht verloren. Es muss also mindestens einen bisher nicht berücksichtigten wichtigen Faktor geben, der diesen Umstand plausibel zu erklären vermag. Dieses Werk wird daher die These vertreten, dass diese besondere Stärke der preußischen Armee und ihrer Kriegsführung in der Logistik bzw. ihrer Fähigkeit zur Mobilisierung der militärisch relevanten Ressourcen lag, und damit einen gänzlich anderen Erklärungsansatz in den Mittelpunkt rücken. Mit dieser revisionistischen Grundtendenz verbinden sich mindestens 2 komplizierte Prozesse, nämlich einerseits genau nachzuvollziehen, wie die bisher dominierenden Sichtweisen entstanden und warum sie unzulänglich sind. Andererseits gilt es, ein Verständnis für den großen Einfluss der Versorgung in der damaligen Kriegsführung zu entwickeln, denn wenn dieser Faktor so bedeutend war, dann sollte einleuchten, warum die Bewältigung der Probleme in diesem Bereich tatsächlich kriegsentscheidend sein konnte. Die Hypothese, dass ausgerechnet die Logistik bzw. die Versorgung und mit ihr gewissermaßen die Beherrschung des militärischen Alltagsgeschäfts der entscheidende Ansatz für die Erklärung der Überlegenheit der preußischen Kriegsführung sein könnte, 3 Vgl.
ebd., Seite 327. Montgomery, Bernard Law, Kriegsgeschichte, Seite 315–317. 5 Zu den Finanzen vgl. Kunisch, Johannes, Friedrich der Große. Der König und seine Zeit, Seite 355 und zu den Truppen Hayter, Tony, Die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Grundlagen Englands, Hannovers und Preußens der britischen Beteiligung an Operationen auf dem Kontinent während des Siebenjährigen Krieges, Seite 178 f. 4 Vgl.
Einleitung23
ergab sich einerseits aus den Anregungen der angloamerikanischen Forschungslandschaft, auf die noch ausführlich einzugehen sein wird. Andererseits deuteten auch die kriegswissenschaftlichen Schriften des Königs, seine Korrespondenz und die verbliebenen Archivalien preußischer Provenienz darauf hin, dass vor allem die Bewältigung der Verpflegungsanforderungen wegen ihres dauerhaften und umfangreichen Anteils im Bereich der Organisation das charakteristische Hauptproblem der Zeit darstellte. Das Defizit in der bisherigen Sekundärliteratur war sehr viel schwieriger einzugrenzen. Die Unstimmigkeiten offenbarten sich erst im Abgleich mit dem Aktenmaterial. Insofern zeichnete sich frühzeitig ab, dass die Revision des traditionellen Bildes der friderizianischen Kriegsführung auch an einer Unmenge von Details hängen würde. Hierbei handelt es sich aber oftmals um so grundlegende Rahmenbedingungen wie die Truppenstärken, die von großer Bedeutung sind, weil sie den Umfang des Versorgungsaufwandes und folglich auch die Tragweite der Logistik als Erklärungsansatz für den militärischen Erfolg oder Misserfolg bestimmen. Daher wird in der Folge nicht nur eine ausführliche Kritik der bisherigen Zahlenarithmetik erforderlich sein, sondern auch eine breite Einführung in das Versorgungswesen, um zu verstehen, welche Anforderungen aus den Truppen- und Pferdemengen erwuchsen und wie sich die organisatorisch-technischen Mittel und Ressourcen zu ihrer Bewältigung konkret verhielten. Nach der Sichtung vieler einschlägiger Bestände im Geheimen Preußischen Staatsarchiv Berlin-Dahlem entwickelte sich noch eine zweite Hypothese, die die gesamte Arbeit prägte, nämlich dass man die spezifischen Stärken der Preußen im Bereich der Logistik niemals würde verstehen können, wenn man nicht in vergleichender Perspektive die Schwächen ihres Hauptgegners, sprich der Österreicher oder der Habsburgermonarchie, aufzeigt. Obwohl dieses Verfahren ursprünglich nur für die Feldzugsstudie geplant war, erschien es mit dem Fortschreiten der Arbeit ratsam, auch den strukturellen Teil einzubeziehen, um zu zeigen, dass sich die Unterschiede zwischen beiden Kriegsparteien schon hier offenbarten und in bestimmten Bereichen wie bei der Verteilung des Geschützmaterials und der Transportkapazitäten noch viel deutlicher hervortraten. Dennoch dürfte sich dem Leser der allgemeine Einfluss der Logistik auf die militärischen Operationen in erster Linie anhand des enormen Verpflegungsaufwandes, wie er durch die Truppen- und Pferdemengen im Rahmen eines Feldzuges tagtäglich entstand und zu bewältigen war, erschließen. Gerade in ihren Rückwirkungen auf die Operationen bleibt die militärische Logistik letztlich eine äußerst konkrete und zutiefst praktische Angelegenheit, deren Zusammenhänge sich schwerlich abstrakt erklären lassen, sodass die ausführliche und vergleichende Rekonstruktion eines Feldzuges aus dem Siebenjährigen Krieg in dieser Arbeit den größten Raum einnehmen wird. Da viele Aspekte des Versorgungswesens erheblichen Modifikationen in der Praxis unterlagen, kann dieser Teil ohnehin auch ein Stück weit für sich stehen. Insofern sollte es möglich sein, sich dem Thema von diesem Kern her zu nähern und die strukturellen Aspekte als breiten, aber entscheidenden Hintergrund zu betrachten. In jedem Fall stellt das Erklärungsmuster der militärischen Logistik keine einfache, sondern eine hochgradig komplexe Herangehensweise dar, weil sich nahezu alles aus den
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quantitativen Verhältnissen und ihren Beziehungen zueinander erklärt. Wahrscheinlich trug dieser Umstand auch dazu bei, dass man sich früher, vielleicht sogar wider besseres Wissen, einfacheren, aber nicht unbedingt angemesseneren Ansätzen zuwandte.
Forschungsstand Das Bild der friderizianischen Kriegsführung wird seit über 100 Jahren stark durch die Werke der nationalborussischen Geschichtsschreibung geprägt, die vor allem den organisatorischen Verdiensten der Armee als monarchischer Institution und der unantastbaren militärischen Kompetenz des Königs als ihrem obersten Feldherrn huldigte. Schätzungsweise 80 bis 90 % aller Aufsätze und populärwissenschaftlichen Darstellungen zur preußischen Armee in der Mitte des 18. Jahrhunderts gehen auf diese Tradition zurück. Das wichtigste Werk, dem die weiterführenden Arbeiten zugrunde liegen, ist die mehrbändige Serie des Großen Generalstabs über die Kriege Friedrichs des Großen, wobei der dritte Teil, bestehend aus 13 Bänden, die Zeit des Siebenjährigen Krieges zum Gegenstand hat6. Das andere wichtige Buch dieser Strömung ist der zweite Band der Geschichte der Königlich-Preußischen Armee aus der Feder des Generalmajors Curt Jany7. Er gehörte lange Zeit der Kriegsgeschichtlichen Abteilung II des Großen Generalstabs an, die sich mit den Kriegen vor 1815 befasste, und war später mit ihrer Leitung betraut. Seit der Zerstörung des Heeresarchivs in Potsdam am 14. April 1945, bei der extrem viele der einschlägigen Quellen verloren gingen, hat die Forschung zur Kriegsführung der preußischen Armee in friderizianischer Zeit stagniert. Es gibt zwar relativ viele Überblicksdarstellungen zur Geschichte Preußens oder zur Geschichte des Siebenjährigen Krieges, darunter auch einige jüngeren Datums, sie sind aber in militärgeschichtlicher Hinsicht als Überblickswerke zu unpräzise oder basieren überwiegend noch auf der älteren Forschungsliteratur8, obwohl im Rahmen des Friedrichjubiläums das eine oder andere Werk erschienen ist, das teilweise Beachtung verdient9. Einen merkwürdigen Zwischenstatus hat der von Bernhard R. Kroener herausgegebene Band über das Europa im Zeitalter Friedrichs des Großen, weil die Qualität der Beiträge durch ihren unterschiedlichen Anteil an Originalquellen sehr unterschiedlich ausfällt10. Gerade der Aufsatz 6 Vgl. Großer Generalstab, Die Kriege Friedrichs des Großen. Dritter Theil: Der Siebenjährige Krieg, Bd. 1–13. 7 Vgl. Jany, Curt, Geschichte der Königlich Preußischen Armee bis zum Jahre 1807, Bd. II. 8 Vgl. Clark, Christopher, Preußen, Aufstieg und Niedergang eines Staates 1600–1947 und Showalter, Dennis E., The Wars of Frederick the Great. 9 Vgl. Birk, Eberhard / Loch, Thorsten / Popp, Peter Andreas, Wie Friedrich „der Große“ wurde. Eine kleine Geschichte des Siebenjährigen Krieges. Das Werk ist eine durchaus gelungene, vom MGFA herausgegebene Einführung, die von vielen Autoren erstellt wurde mit kurzen griffigen Artikeln, von denen viele auch die Kriegsführung betreffen. Das Buch enthält auch eine umfangreiche Bibliographie. Ein wenig problematisch ist hingegen, dass die Beiträge über gar keine Fußnoten oder sonstigen Referenzapparat verfügen, was den wissenschaftlichen Gehalt des Werkes schmälert. 10 Gemäß dem Kriterium der Originalquellenanteils ist der Aufsatz von Helmut Neuhaus über die Reichsarmee und die Reichskriegsführung am höchsten zu bewerten. Von mittlerer, aber insge-
Forschungsstand25
Kroeners über die materiellen Grundlagen preußischer und österreichischer Kriegsanstrengungen zeigt, wie schwierig die Quellenlage in der Sekundärliteratur aufgrund der Mischung besserer und schlechterer Werke ist, sodass es zu widersprüchlichen Schlussfolgerungen kommen kann11. In der deutschsprachigen Forschungslandschaft gibt es nur wenige Arbeiten, die sich dem Siebenjährigen Krieg auf der Grundlage von Originalquellen gewidmet haben. Zu erwähnen wäre allerdings die Arbeit von Helmut Neuhaus zur Reichskriegsverfassung und Sozialgeschichte des Alten Reiches, die das Themengebiet zumindest tangiert. Wichtig ist vor allem die diplomatie- und operationsgeschichtliche Arbeit von Dieter Ernst Bangert über die militärische Zusammenarbeit im Siebenjährigen Krieg, die nicht zuletzt auch die Bedeutung logistischer Probleme betont und entsprechend auf österreichischen und russischen Quellen beruht12. Große Beachtung verdient auch das klassisch operationsgeschichtliche Werk von Achim Kloppert über den Schlesischen Feldzug von 176213, da gleichermaßen einschlägiges wie seltenes Archivmaterial für die preußische und österreichische Seite Berücksichtigung fand. Darüber hinaus hat Eva Ziebura mit ihren Biographien zu den königlichen Brüdern Prinz August Wilhelm und Prinz Heinrich auf seltene Quellenbestände hingewiesen und eine kritische Sicht auf die militärische Kompetenz König Friedrichs vermittelt14. Für dezidiert militärische Aspekte können in erster Linie aber die Werke von Christopher Duffy als einschlägig gelten15. Duffy darf wohl zu Recht für sich in Anspruch nehmen, die Militärgeschichte der preußischen Armee in friderizianischer Zeit während der letzten Jahrzehnte gepflegt zu haben wie kein anderer, obwohl seine früheren Werke sich zumeist auch stark auf die ältere Forschungsliteratur, die Arbeiten des Großen Generalstabs und die wenigen edierten Einzelquellen stützten16. In den letzten Jahren hat er samt hoher Qualität sind die Beiträge von John Keep über die russische Armee im Siebenjährigen Krieg, der Beitrag von Tony Hayter über die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Grundlagen Englands, Hannovers und Preußens sowie Kroeners Aufsatz über den französischen Adel in den europäischen Kriegen. Von niedrigerer Qualität sind eher Kroeners Aufsatz zu den materiellen Kriegsanstrengungen auf preußischer und österreichischer Seite und Adelheid Simbschs allgemeiner Aufsatz über die Armee, Wirtschaft und Gesellschaft. 11 Vgl. Kroener, Bernhard R., Die materiellen Grundlagen preußischer und österreichischer Kriegsanstrengungen, in ders., Europa im Zeitalter Friedrichs des Großen, Wirtschaft, Gesellschaft, Kriege, Seite 61. Kroener folgert, dass die schweren 12-pfündigen Artilleriegeschütze in den späteren Kriegsjahren von geringerer Bedeutung waren, weil ihr Transport zu aufwendig gewesen sei. Dabei weist seine Tabelle 8 (Seite 61 f.) aus, dass der Anteil der 12-Pfünder bei der preußischen Armee in den letzten Kriegsjahren relativ hoch ausfiel. 12 Vgl. Bangert, Dieter Ernst, Die russisch-österreichische Zusammenarbeit im Siebenjährigen Kriege in den Jahren 1758–1759. Zu den logistischen Problemen vgl. vor allem Seite 352–376. 13 Vgl. insbesondere zu den Archivalien Kloppert, Archim, Der Schlesische Feldzug von 1762, Seite 435. 14 Vgl. Ziebura, Eva, Prinz Heinrich von Preußen und dies., Prinz Wilhelm August von Preußen. 15 Vgl. Duffy, Christopher, Friedrich der Große. Ein Soldatenleben oder ders., The Military Expierence in the Age of Reason. 16 Vgl. ders., Friedrich der Große und seine Armee sowie ders., Die Armee Maria Theresias.
26 Einleitung
jedoch ausgehend von seinen Arbeiten über die österreichische Armee unter ausführlicher Nutzung nahezu sämtlicher Archive im ehemaligen Herrschaftsbereich der Habsburger 3 Neuerscheinungen vorgelegt, die zum Großteil eine Revision seiner früheren Werke darstellen17. Abgesehen davon erschienen hauptsächlich historiographische Arbeiten zur friderizianischen Kriegsführung wie das von Martin Raschke über den politisierenden Generalstab, das von Sven Lange über Delbrück und den Strategiestreit oder das ältere Werk von Reinhard Brühl über die Militärgeschichte und Kriegspolitik18. Gerade diese Arbeiten betonten, dass das kompakte und weitverbreitete Geschichtsbild des Generalstabs wegen seiner starken Instrumentalisierung für die tagespolitischen Zwecke des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts als äußerst tendenziös und stark umstritten gelten kann19. Besonders stark zum Ausdruck kam dies anhand des sogenannten Strategiestreits, der zwischen dem Generalstab und dem Militärhistoriker Hans Delbrück ausgetragen wurde und sich um die Frage drehte, ob Friedrich der Große ein Protagonist der Vernichtungs- oder Ermattungsstrategie gewesen sei und wie demzufolge seine Feldzüge und seine Kriegsführung zu interpretieren seien20. Angesichts der Brisanz dieser Debatte gegen Ende des 19. Jahrhunderts lag es eigentlich nahe, noch einmal umfassende Forschungen zur Militärgeschichte unter Friedrich II. zu betreiben, was allerdings kaum geschah. Und obwohl Brühl, Lange und Raschke es kaum offen aussprechen, liegt es angesichts der umfangreichen Quellenverluste auf der Hand, dass die Historiker wegen der Quellenverluste in die Verlegenheit geraten sind, das kompakte, aber höchst tendenziöse Geschichtsbild des Großen Generalstabs keiner substantiellen Kritik unterziehen zu können21. Nicht zuletzt deshalb konnte ein Forschungsprojekt zur friderizianischen Kriegsführung nur dann Aussicht auf Erfolg haben, wenn es sich größtenteils auf Quellen stützt, die nicht Gegenstand der traditionellen Betrachtung waren, deshalb nicht im Potsdamer Heeresarchiv lagerten und so nicht oder nur teilweise von dessen Vernichtung betroffen 17 Gemeint sind hiermit Sieben Jahre Krieg – Die Armee Maria Theresias 1756–1763, was eher eine strukturelle Aufarbeitung darstellt, und sein Werk By Force of Arms, Vol. II of the Austrian Army in the Seven Years War, das wie Prussias Glory, Rossbach and Leuthen 1757 operationsgeschichtliche Züge trägt. 18 Vgl. Raschke, Martin, Der politisierende Generalstab und Brühl, Reinhard, Militärgeschichte und Kriegspolitik. Zur Militärgeschichtsschreibung des preußisch-deutschen Generalstabes 1816– 1945. 19 Vgl. Raschke, Martin, Der politisierende Generalstab, Seite 12, Lange, Sven, Hans Delbrück und der Strategiestreit, insb. Seite 83–124 und Brühl, Reinhard, Militärgeschichte und Kriegspolitik, Seite 168–170. 20 Vgl. Raschke, Martin, Der politisierende Generalstab, Seite 116–119. 21 Raschke räumt zwar ein, dass das Heeresarchiv 1945 vernichtet wurde (vgl. Der politisierende Generalstab, Seite 15). Seine Behauptung, dass die Unterlagen der Kriegsgeschichtlichen Abteilung 1945 vernichtet worden sind, ist zumindest bezogen auf das Generalstabswerk über die Kriege Friedrichs des Großen falsch, denn einen Großteil der Vorarbeiten und Quellensammlung beherbergt heute die Repositur 15 A der IV. Hauptabteilung im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz zu Berlin-Dahlem.
Forschungsstand27
waren. Hierbei handelt es sich vor allem um Quellen, die Schnittpunkte mit zivilgeschichtlichen Bereichen aufweisen, was insbesondere, wenn auch nicht ausschließlich im Bereich der Versorgung bzw. der Logistik gegeben ist. Das Thema der militärischen Logistik ist aber auch unabhängig von dieser verlustbedingten Herangehensweise ein wichtiges Thema der Militärgeschichte, das sich in der angloamerikanischen Forschungslandschaft jedoch viel präsenter als im deutschsprachigen Raum oder in Kontinentaleuropa etabliert hat, was sich nicht zuletzt auch der ungleich günstigeren Quellenlage verdankt, da dort anscheinend die meisten militärgeschichtlich relevanten Archivalien erhalten geblieben sind. Darüber hinaus ist die amerikanische Militärgeschichte bei Fragen der Terminologie und Methodik ungleich offener, sodass ein sehr breites Spektrum an Arbeiten existiert22. Dies trifft auch auf die militärische Logistik zu, und zwar nicht nur für die Frühe Neuzeit, sondern auch für die Antike, das Mittelalter und die Moderne23. Für die Epoche der Frühen Neuzeit gingen viele wichtige Impulse von der Forschungsdebatte um die sogenannte „Militärische Revolution“ aus, die sich vor allem mit der Nutzbarmachung der Feuerwaffentechnik durch die europäischen Streitkräfte und den damit einhergehenden institutionellen Veränderungen befasste24. Eine der wenigen Monographien zum Thema Logistik stammt vom amerikanisch-israelischen Militärhistoriker Martin van Creveld. Sie umfasst jedoch den Zeitraum vom Dreißigjährigen Krieg bis zum Zweiten Weltkrieg und ist daher für einen etwas stärkeren Fokus auf die Frühe Neuzeit zu allgemein, obwohl sie auch für diese Periode zu einigen interessanten Ergebnissen gelangt25. Ein weiteres Werk, das 2 Epochen umfasst, aber dennoch mit seinem Schwerpunkt in der Moderne verortet ist, ist die offizielle Geschichte über die Entwicklung der Logistik in der Armee der Vereinigten Staaten von Amerika von James A. Huston26. Darüber hinaus gibt es aber viele weitere relevante Publikationen, die zwar überwiegend in Aufsatzform vorliegen, bisweilen aber durch die eine oder andere Monographie ergänzt werden. 22 Vgl. Showalter, Dennis E., Militärgeschichte als Operationsgeschichte. Deutsche und amerikanische Paradigmen, Seite 125. 23 Für die Antike vgl. Engels, Donald W., Alexander the Great and the Logistics of the Macedonian Army, Erdkamp, Paul, Hunger and the Sword. Warfare and Food Supply in Roman Republican Wars (264–30 B. C.) und Roth, Jonathan, The Logistics of the Roman Army at War: (264 B. C.–A. D. 235). Spezielle Studien sind z. B. Labisch, Alfons, Frumentum Commeatusque. Die Nahrungsmittelversorgung der Heere Caesars und Shean, John, Hannibal’s Mules: The Logistical Limitations of Hannibal’s Army After Cannae. Für das Mittelalter sind u. a. einschlägig Gillmor, Carol, Naval Logistics of the Cross-Channel Operations 1066 und Pryor, John, Logistics of Warfare in the Age of the Crusades. Für die Zeit des Zweiten Weltkrieges ist aus deutscher Perspektive wichtig: Schüler, Klaus Albert Friedrich, Logistik im Rußlandfeldzug und als ein Beispiel für die Alliierten: Hart, Russell A., Feeding Mars. The Role of Logistics in the German Defeat in Normandy, 1944. 24 Vgl. Parker, Geoffrey, Die Militärische Revolution: die Kriegskunst und der Aufstieg des Westens 1500–1800 sowie die Aufsätze im Sammelband von Clifford Rogers, The Military Revolution Debate: Readings on the Military Transformation of Early Modern Europe. 25 Creveld, Martin van, Supplying War. Logistics from Wallenstein to Patton, Cambridge University Press, Cambridge, 1977. 26 Vgl. Huston, James A., The Sinews of War, Army Logistics 1775–1953.
28 Einleitung
Gegenstand der Arbeiten sind beispielsweise Fragen wie die Versorgung der New Model Army im englischen Bürgerkrieg und bei der Invasion Schottlands oder die Verpflegung der englischen Blockadeflotten vor der französischen Küste im 17. und 18. Jahrhundert27. Während sich die meisten Aufsätze unmittelbar mit der Versorgung und Verpflegung der Streitkräfte beschäftigen28, gibt es auch solche, die die Ressourcenmobilisierung im Hinterland betrachten29. Lobenswerterweise sind einige Autoren, wie der schon erwähnte James A. Huston30, dezidiert auf die Wechselwirkung zwischen den logistischen Anforderungen und militärischen Operationen eingegangen31. Als besonders einschlägig für die Heeresverpflegung in Kontinentaleuropa zum Ende des 17. Jahrhunderts kann immer noch der Aufsatz des ungarischen Historikers Géza Perjés gelten, der sich sehr stark mit den jeweiligen Teilkomponenten der damaligen Logistik wie den Transportkapazitäten der Wagen oder den Produktionskapazitäten von Mühlen und
27 Zur Zeit des englischen Bürgerkrieges und der Republik bis zum Tode Cromwells vgl. Nusbacher, Aryeh, Supply in the Civil War: Supply of Victuals to the New Model Army on the Naseby Campaign, 1–14 June 1645 und Wheeler, James Scott, The Logistics of the Cromwellian Conquest of Scotland 1650–1651. Zur englischen Blockadeflotte vor der französischen Küste im 17. Jahrhundert bei der Belagerung von La Rochelle vgl. Stearn, S. J., Of Logistics in the Early 17th Century: The Siege of Re. Für die Blockadeflotten der Briten in der Mitte des 18. Jahrhunderts vor Brest vgl. Rodger, Nicholas A. M., The Victualling of the British Navy During the Seven Years War. 28 Relevant für die Zeit des Siebenjährigen Krieges auf deutschem Territorium Little, Hamish D., The Treasury, the Commissariat and the Supply of the Combined Army in Germany During the Seven Years War (1756–1763). Für den nordamerikanischen Unabhängigkeitskrieg Bowler, R. Arthur, Logistics and the Failure of the British Army in America, 1775–1783, Huston, James A., Logistics of Liberty, American Services of Supply in the Revolutionary War and After und Risch, Erna, Supplying Washingtons Army. 29 Im 18. Jahrhundert relevant für die Zeit des Spanischen Erfolgekrieges Nimwegen, Olaf, De subsistentie van het leger: logistiek en strategie van het Geallieerde en met name Staatse leger tijedens de Spanse Successieoorlog […] und Rowlands, Guy, Moving Mars: The Logistical Geography of Louis XIVs France. 30 Vgl. Huston, James A., Logistics of Liberty. American Services of Supply in the Revolutionary War and After, 4: Logistics of Saratoga (Seite 79–103), das die Logistik im Jahr des Feldzugs von 1777 zum Gegenstand hat, der zur Kapitulation der britischen Streitmacht bei Saratoga führte. Huston ist sicherlich zuzustimmen, dass kaum ein Feldzug in der amerikanischen Geschichte so stark durch die Logistik beeinflusst wurde wie dieser (vgl. ders., The Sinews of War, Army Logistics 1775–1953, Seite 29). Das Kapitel ist hinsichtlich der Sekundärliteratur und der Quellen auch ein gutes Beispiel für die wesentlich bessere Aufarbeitungssituation in der angloamerikanischen Forschungswelt. Dies betrifft sowohl die ereignisgeschichtlichen Daten, auf deren Grundlage derartige strukturgeschichtliche Arbeiten entstehen, aber auch die stärkere Berücksichtigung logistischer Aspekte insgesamt, was sich nicht zuletzt darin widerspiegelt, dass es eine komplette Bibliographie nur für die Armeelogistik der Vereinigten Staaten von Amerika gibt. Vgl. Shrader, Charles R., US Military Logistics 1607–1992: A Research Guide. 31 Für die napoleonische Zeit primär aus russischer Sicht vgl. Lieven, Dominic, Napoleon Against Russia. The Battle for Europe 1807 to 1814. Auf die erhebliche Bedeutung von logistischen Problemen im Rahmen operativer Planungen und Umsetzungen während des Zweiten Weltkrieges hat auch Karl-Heinz Frieser hingewiesen in: Blitzkrieglegende: Der Westfeldzug 1940.
Forschungsstand29
Backöfen beschäftigte32. Interessant für die Zeit des Siebenjährigen Krieges ist hierbei der Aufsatz von John Keep über die Versorgung der russischen Armee, der ebenfalls die Verpflegungsproblematik in den Mittelpunkt rückt und auch deutlich auf den Einfluss der Schiffstransporte im Bereich der strategischen Mobilisierung hinweist33. Die Forschungslandschaft im deutschsprachigen Raum hat sich überwiegend von den Fragen der Taktik, der Logistik und militärischen Operationen überhaupt distanziert34. Insbesondere die sogenannte „neue Militärgeschichte“ beschäftigt sich stattdessen überwiegend mit sozial-, kultur- und mentalitätsgeschichtlichen Gesichtspunkten des Militärs, und zwar zumeist in Friedenszeiten. In der Regel stehen Problemfelder wie Desertion35, das Zusammenleben des Militärs mit der Zivilbevölkerung36, die Rolle von Frauen oder die Wahrnehmung und Legitimation von militärischen Auseinandersetzungen im Mittelpunkt37. Äußerst selten werden dagegen die tatsächlichen und weitaus offensichtlicheren Einflussfaktoren, die den Ausgang des militärischen Konfliktes in ihrer Zeit bestimmten, thematisiert, wozu klassischerweise Aspekte wie Taktik, Logistik, Strategie und banalerweise auch die Truppenstärken der Kriegsparteien zählen. Aber selbst jene Phänomene, die tatsächlich einen wesentlichen Einfluss auf die militärischen Operationen ausübten wie die Desertion, zeigen viel zu selten, in welchem quantitativen Umfang sich die Ausfälle insgesamt bewegten, wie sie sich auf das Kräfteverhältnis vor einem Gefecht auswirkten oder sie den weiteren Verlauf der Feldzüge beeinflussten38. Bisweilen werden sogar Fragen der Versorgung oder der Finanzierung der Armeen wie im Buch von Bernhard Kroener über die Armeen im Nordosten Frankreichs in der Mitte des 17. Jahrhunderts oder im jüngst erschienenen Werk von Guy Thewes über die Armee in den Österreichischen Niederlanden während des 18. Jahrhunderts behandelt39. Obwohl hierbei nun häufig die Versorgungssysteme beschrieben werden, bleiben ihre Rückwirkungen auf den Erfolg der Streitkräfte und ihr Einfluss auf die Entscheidung der bewaff32 Vgl. Perjés, Géza, Army Provisioning, Logistic and Strategy in the Second Half of the 17th Century, Seite 1–51. 33 Vgl. Keep, John, Feeding the Troops: Russian Army Supply Policies During the Seven Years War, Seite 27–30. 34 Vgl. Neitzel, Sönke, Militärgeschichte ohne Krieg?, Seite 301. 35 Einschlägig zur Desertion beispielsweise Sikora, Michael, Disziplin und Desertion: Strukturprobleme militärischer Organisation im 18. Jahrhundert. 36 Vgl. Kroll, Stefan, Stadtgesellschaft und Krieg: Sozialstruktur, Bevölkerung und Wirtschaft in Stralsund und Stade 1700 bis 1715 sowie Pröve, Ralf, Stehendes Heer und städtische Gesellschaft im 18. Jahrhundert: Göttingen und seine Militärbevölkerung 1713–1756. 37 Zur Wahrnehmung vgl. Anklam, Eva, Wissen nach Augenmaß. Militärische Beobachtung und Berichterstattung im Siebenjährigen Krieg. Zur Legitimation vgl. Pröve, Ralf, Der delegitimierte Gegner. Kriegsführung als Argument im Siebenjährigen Krieg. 38 Vgl. Muth, Jörg, Flucht aus dem militärischen Alltag: Ursachen und individuelle Ausprägung der Desertion in der Armee Friedrichs des Großen und Salisch, Markus von, Treue Deserteure. Das kursächsische Militär und der Siebenjährige Krieg. 39 Kroener, Bernhard R., Les routes et les étapes. Die Versorgung der französischen Armeen in Nordostfrankreich (1635–1661) und Thewes, Guy, Stände, Staat und Militär. Versorgung und Finanzierung der Armee in den Österreichischen Niederlanden 1715–1795.
30 Einleitung
neten Konflikte zumeist eher unklar, da sowohl Erstere mit ihren konkreten Bedürfnissen, aber auch der Verlauf der Feldzüge vor diesem Hintergrund kaum Gegenstand einer ausführlichen Betrachtung sind. Insofern scheint es sich hierbei nicht so sehr um militär-, sondern eher verwaltungsgeschichtliche Werke zu handeln40. Generell tendieren die Werke der neuen Militärgeschichte dazu, die zentralen Komponenten der Kriegsführung zu sehr zu marginalisieren und Randphänomenen vergleichsweise einen viel zu hohen Stellenwert einzuräumen41. Man könnte auch sagen, dass es sich hierbei um eine Sozial-, Kultur- oder Mentalitätsgeschichte anhand von militärischen Beispielen handelt, die aber kaum beleuchten, wie ihre Untersuchungsgegenstände zum Sieg oder zur Niederlage der jeweiligen Konfliktparteien beitrugen. Diese Herangehensweise ist aber ohne die entsprechende Rückkopplung zum militärischen Erfolg ausgesprochen problematisch, denn die Erfahrungen und Interaktionen mit dem Militär ergeben in erster Linie Sinn, wenn man sich vergegenwärtigt, dass Streitkräfte nicht zum Selbstzweck existieren, sondern unterhalten, ausgebildet und ausgerüstet werden, um Konflikte gewaltsam zu Gunsten einer bestimmten Kriegspartei zu entscheiden. Vor allem dieser Gesichtspunkt ist zentral für den Standpunkt des Militärs bzw. des militärischen Erfolgs, und so ist es kein Zufall, dass ein amerikanischer Militärhistoriker wie John Lynn im Vorwort seines Buches zur französischen Armee des 17. Jahrhunderts die starke sozialgeschichtliche Fokussierung, die auch für die französische Geschichtsschreibung typisch ist, bemängelt: „Attempts to deal with the army within the parameters of contemporary historiographical themes most often stress the army exclusively as a social institution and neglect or deny its essence. Ultimately armies are for fighting, and they define themselves in combat or in the preparation of combat“42.
Man muss diesen Standpunkt zwar nicht zwangsläufig als Perspektive für die historische Betrachtung wählen, sollte aber berücksichtigen, dass die Inhalte üblicherweise in diesem Kontext stehen und sich von vielen zivilen Sachverhalten besonders durch die absoluten Konsequenzen von Leben und Tod sowie Sieg und Niederlage unterscheiden. John A. Lynn hat auch in einem seiner jüngeren Aufsätze mit dem Titel „Rally Once Again: The Embattled Future of Academic Military History“ wiederholt darauf hingewiesen, dass die ausufernde sozial- und kulturgeschichtliche Vereinnahmung militärgeschichtlicher Fragen der Forschungsvielfalt derzeit eher ab- als zuträglich ist43. Auch Bernd Wegner ist der Ansicht, dass eine kulturgeschichtliche Verengung der Militärgeschichte wenig wünschenswert ist und eine Ausblendung der Operationsgeschichte nicht 40 Darauf weist nicht zuletzt der weiterführende Untertitel des Buches von Kroener hin: „Ein Beitrag zur Verwaltungsgeschichte des Ancien Régime“. Schon sehr viel praktischer ausgerichtet, aber überwiegend auch strukturell angelegt ist dagegen die Arbeit von Jürgen Pohl, „Die Profiantirung der keyserlichen Armaden ahnbelangendt“. Studien zur Versorgung der Kaiserlichen Armee 1634 / 35. 41 Vgl. Showalter, Dennis E., Militärgeschichte als Operationsgeschichte. Deutsche und amerikanische Paradigmen, Seite 121. 42 Lynn, John, The Giant of the Grand Siecle, Seite xiii. 43 Vgl. http: / / people.cohums.ohio-state.edu / grimsley1 / dialogue / lynn.htm (letzter Zugriff am 02.05.2017).
Forschungsstand31
nur gefährlich wäre, sondern als historiographisches Defizit zu gelten hat, zumal auch oft Grundlagen für weiterführende sozial-, kultur- und mentalitätsgeschichtliche Studien geschaffen werden44. Auch im vielleicht einflussreichsten Buch der Militärgeschichte in den letzten 50 Jahren, nämlich John Keegans „Antlitz des Krieges“, ist die Schlacht bzw. der Kampf noch immer das zentrale Element der militärgeschichtlichen Betrachtung. Keegan war vor allem daran gelegen, ein Bild der Schlachten aus Perspektive der einfachen Soldaten zu zeichnen, wobei die Faktoren Sieg und Niederlage zwar etwas in den Hintergrund traten, weil aus der Sicht des kleinen Mannes das Überleben in einem Umfeld der Angst vor Verletzung und Tod im Vordergrund stand und steht45. Dennoch war die Frage nach Sieg und Niederlage offensichtlich unterschwellig immer noch präsent. Durch das Aufzeigen jener Faktoren, die es den Soldaten ermöglichten, ihre Angst zu überwinden, die Bedrohung durch den Feind auszuschalten und zu überleben, wurde gleichzeitig aus einer anderen Perspektive darauf hingewiesen, welche Gefechtspraktiken sich als besonders erfolgreich erwiesen und so maßgeblich zum Sieg der einen und zur Niederlage der anderen Seite beitrugen46. Im völligen Gegensatz dazu hat jüngst Marian Füssel am Beispiel der Schlacht um Hochkirch versucht aufzuzeigen, welche kulturgeschichtlichen Aspekte wie Wahrnehmung und Repräsentation sich mit dieser verbinden, wobei ihm die Schlachtberichte im ersten Teil seiner Darstellung vor allem als Beleg der Heroisierung gelten47. Allerdings ist fraglich, ob und inwiefern die rangniederen Soldaten, darunter auch die preußischen und österreichischen Veteranen wie Barsewisch, ein Interesse an einer heroisierenden Darstellung hatten. Abgesehen davon findet aber auch gar keine umfassende Neubewertung der militärischen Abläufe selbst auf breiter Quellenbasis statt, sodass schwer zu beurteilen sein dürfte, welche Aspekte aus der Sicht der beteiligten Kontrahenten übertrieben positiv überliefert worden sind. Obwohl das Forschungsraster der militärischen Revolution im deutschsprachigen Raum, mit prominentester Ausnahme in Gestalt von Jürgen Luh48, wenige Anhänger Wegner, Bernd, Wozu Operationsgeschichte?, Seite 108. Keegan, John, Das Antlitz des Krieges. Die Schlachten von Azincourt 1415, Waterloo 1815 und an der Somme 1916, Seite 56 f. und 88. 46 Als Beispiel für ein besonders erfolgreiches Kampfverfahren kann in der Schlacht von Azincourt das Aufspießen der Pferde der französischen Ritter durch die Pfahlhindernisse der Briten in Kombination mit dem Pfeilhagel ihrer Bogenschützen aus kurzer Distanz gelten (vgl. ebd., Seite 110). Bei Waterloo erwies sich das Feuern der britischen Infanteristen aus kurzer Distanz gegen die französischen Gardisten und die gegen die schweren Kavalleristen aus ihren kompakten und tiefergestaffelten Karreeformationen als vernichtend (vgl. ebd., Seite 195–198). In der Schlacht an der Somme waren es vor allem das Feuer der deutschen MG-Stellungen und die Stacheldrahtverhaue, die sich für die angreifenden britischen Infanteriewellen verheerend auswirkten (vgl. ebd., Seite 288–292). 47 Vgl. Füssel, Marian, Die Kultur der Niederlage – Wahrnehmung und Repräsentation einer Schlacht des Siebenjährigen Krieges am Beispiel der Schlacht von Hochkirch 1758, insbes. Seite 264–268. 48 Vgl. Luh, Jürgen, Kriegskunst in Europa 1650–1800. 44 Vgl. 45 Vgl.
32 Einleitung
gefunden hat, gibt es dennoch einige Werke, die sich dezidiert mit der Rolle der militärischen Logistik und ihrem Einfluss auf die Operationen in der Frühen Neuzeit beschäftigt haben. Besonders einschlägig ist hierbei der vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt (MGFA) herausgegebene Aufsatzband zur Bedeutung der Logistik für die militärische Führung49. Aus diesem Band stammt unter anderem auch der Aufsatz von Peter Broucek über die logistischen Fragen der Türkenkriege im 16. und 17. Jahrhundert50, der nach einem allgemeineren Einstieg schon bald konkretere Aspekte wie bei Perjés thematisiert51. Gerade in dieser Hinsicht beruht er maßgeblich auf dem minutiösen Aufsatz des ehemaligen steirischen Landeshistorikers Othmar Pickl52. Dieser stellt ganz ausführlich anhand der Hofkammerakten aus dem steirischen Landesarchiv mit vielen Originalabschriften im Anhang dar, welche Größe ein militärischer Verband besaß, welche Versorgungsanforderungen sich daraus ergaben, welche Mengen an Versorgungsgütern man aufbringen musste und welche Mengen der verschiedenen Transportmittel benötigt wurden, um die Güter in das Operationsgebiet zu schaffen. Entscheidend ist dabei gerade diese Kombination der Archivalien der militärischen Seite, die die Anforderungen dokumentierten, mit den Ständeakten in Gestalt der Hofkammerakten, die über die Bewältigung dieser Probleme Aufschluss geben und welcher Mittel es hierfür also bedurfte. Insofern ist der Aufsatz wegen seiner Detailtiefe, der Qualität und Relevanz des verwendeten Quellenmaterials, aber auch hinsichtlich seiner referentiellen Transparenz vorbildlich und kann als hervorragende Orientierung für die Herangehensweise an dieses Thema dienen. Die folgende Studie wird sich daher sowohl mit dem Versorgungssystem der preußischen Armee, den hierfür relevanten Ressourcen und dem Einfluss der Verpflegung auf den Verlauf des Feldzuges des Jahres 1757 beschäftigen. Zunächst soll es in struktureller Hinsicht darum gehen, ein Verständnis von den Ausmaßen des Versorgungsbedarfs und den alltagsgeschichtlichen Voraussetzungen im Bereich der Truppen- und Pferdeverpflegung, des Magazinwesens, der Munition und Kleidung sowie des Transportwesens zu entwickeln. Damit dürfte sich schon andeuten, dass für die Kriegsführung in der Praxis auch die Verteilung der logistisch relevanten Ressourcen im Operationsraum wichtig war. Dazu zählten aber nicht nur die Bevölkerung, die Finanzen und die Rüstungsgüter53, sondern in erster Linie die agrarischen Ressourcen, d. h. die Ernteerträge und Viehmengen sowie die Lagerungs- und Herstellungskapazitäten für Versorgungsgüter und das Potential an zivilen Transportmitteln. Da die Verpflegungsorganisation den militärischen Alltag aufgrund ihres quantitativen Umfangs so stark prägte, übte sie wahrscheinlich auch großen Einfluss auf den Zustand aus, in dem die Streitkräfte ihre Gefechte zu be49 Vgl. MGFA, Die Bedeutung der Logistik für die militärische Führung von der Antike bis in die neueste Zeit. 50 Vgl. Broucek, Peter, Logistische Fragen der Türkenkriege im 16. und 17. Jahrhundert. 51 Vgl. ebd. 52 Vgl. Pickl, Othmar, Nachschub für den großen Türkenkrieg (1. Teil). Der Anteil der Steiermark an den siegreichen Feldzügen der Jahre 1683–1686. 53 Vgl. Kroener, Bernhard R., Die materiellen Grundlagen preußischer und österreichischer Kriegsanstrengungen, Seite 61–66 und 75 f.
Quellenlage33
streiten hatten. Daher wird die Studie auch versuchen zu zeigen, wie die militärische Versorgung den Verlauf des Feldzuges von 1757 prägte. Der vergleichende Modus ist nicht zuletzt deswegen erforderlich, weil sich durch die wechselseitige Rekonstruktion der Versorgungssituation besser das Zustandekommen, Ausbleiben sowie das Stattfinden, der Ausgang und die Folgen der Gefechte erklären lassen. Besonders interessant wären eine für derartige Studie natürlich die Krisenjahre 1759, 1760 oder 1761 gewesen, in denen sich die Charakteristik der friderizianischen Kriegsführung, die letztlich auch das Überleben der preußischen Monarchie ermöglichte, vermutlich sehr klar gezeigt hätte. Da für eine konkrete Rekonstruktion des Feldzugsverlaufs in späteren Jahren auf preußischer Seite, angefangen bei den Truppenstärken bis zu den Magazinbeständen oder den Lieferungen durch die Kreise, nicht einmal ansatzweise genügend Quellenmaterial zur Verfügung stand, fiel die Wahl zwangsläufig auf dieses Kriegsjahr. Möglich wäre auch eine Studie über den Feldzug von 1756 gewesen, allerdings umfasste dieser keinen kompletten Jahreszyklus und wurde nur in sehr begrenztem Umfang zwischen den Hauptkontrahenten des Siebenjährigen Krieges, sprich den Österreichern und Preußen, ausgetragen. Der Feldzug von 1757 bot zumindest den Vorteil, dass es sich trotz der 4 von 5 möglichen Siegen in den Schlachten aus preußischer Sicht keineswegs um eine reine Erfolgsgeschichte handelte. Wichtig ist dies deshalb, weil die Vermutung naheliegt, dass die spezifischen Stärken der Preußen gerade nach Rückschlägen, wie sie in den späteren Kriegsjahren zunahmen, deutlich zu Tage traten.
Quellenlage Die Quellenlage zur Geschichte der preußischen Armee im Siebenjährigen Krieg ist an Schwierigkeiten und Komplexität fast nicht zu überbieten. Dies ist einerseits dem Umstand geschuldet, dass der größte und wichtigste Bestand an Archivalien im Heeresarchiv in Potsdam 1945 vernichtet wurde, zeitgenössische Literatur aus dem 18. Jahrhundert in geringem Umfang vorhanden ist und die systematische Aufarbeitung der militärischen Ereignisse durch den Großen Generalstab schon bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts zurückreicht, sodass auch die Authentizität jener Werke, die sich dem Thema danach im 19. und 20. Jahrhundert widmeten, grundsätzlich als zweifelhaft gelten darf. Neben den verbliebenen archivalischen Quellen, die sich inzwischen auf unzählige Archive verteilen und gleich noch ausführlich besprochen werden, dürfte im Bereich der Literatur vor allem das politische Klima, in dem bestimmte Werke entstanden, ein guter Indikator für ihre Authentizität sein. Dies bedeutet in erster Linie, dass jene Werke, die nicht im Widerspruch zu den wenigen verbliebenen Originalquellen stehen und die jeweils in Zeiten entstanden, als das zukünftige politische Schicksal Preußens und später des Deutschen Reiches eher offen, d. h. vor allem nicht in monarchische oder totalitärfaschistische Bahnen geraten war. Daher enthalten sie auch eine kritischere, aber dafür umso einschlägigere Sichtweise auf die tatsächliche Charakteristik der friderizianischen Kriegsführung. In Anbetracht dessen verdienen viele Werke aus der Zeit vor 1860 und der Weimarer Republik Berücksichtigung. Außerdem sind auch jene Werke von Interesse, die sich der friderizianischen Kriegsführung aus antipreußischer Perspektive näher-
34 Einleitung
ten. Bevor jedoch die ausführliche Bewertung der Sekundärliteratur erfolgt, sollen zunächst aber die Archivalien im Mittelpunkt stehen. Wie schon erwähnt, wird dieser Quellenbereich durch den Umstand beherrscht, dass zumindest von preußischer Seite ein Großteil des Materials verloren gegangen ist, was grundsätzlich auch die Kritik der älteren Forschungsliteratur erschwert. Infolgedessen existieren zumindest für die Zeit des 18. Jahrhunderts völlig unterschiedliche Materialdichten, die natürlich die Beantwortung anderer und vor allem präziserer Fragestellungen ermöglichen. Allerdings fiel nicht nur das Potsdamer Heeresarchiv, sondern auch ein Großteil des Breslauer Staatsarchives dem Zweiten Weltkrieg zum Opfer. Dessen Bestände wären ebenfalls für die rein militärischen Aspekte, aber auch für die zivil-militärischen Schnittstellen wie das schlesische Feldkriegskommissariat oder die Akten der Stände, in Gestalt der Archivalien der beiden schlesischen Kammern, von allerhöchstem Interesse gewesen. Die meisten Archivalien zur Geschichte des preußischen Militärs in friderizianischer Zeit lagern heute im Geheimen Preußischen Staatsarchiv zu Berlin-Dahlem (GStAPK) sowie im Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt, wobei die Zweigstellen Magdeburg (LASA, MD) und Dessau (LASA, DE) von besonders großer Bedeutung sind. Geheimes Staatsarchiv Berlin-Dahlem / Staatsbibliothek zu Berlin-Preußischer Kulturbesitz Im Geheimen Staatsarchiv zu Berlin-Dahlem verteilen sich die relevanten Aktenstücke mindestens auf 5 Hauptabteilungen. Den Großteil der Aktenstücke bilden die noch vorhandenen Korrespondenzen König Friedrichs mit seiner Familie, seinen Ministern, anderen Staatsoberhäuptern sowie mit seinen Generälen und Stabsoffizieren. Sie gehören zum Geheimen Zivilkabinett König Friedrichs II., das in der Repositur 96 der I. Hauptabteilung (I. HA., Rep. 96) enthalten ist. Wahrscheinlich handelt es sich hierbei um einen Zweig- oder Teilbestand von personenbezogenen Akten des ehemaligen Kabinetts und der Kriegskanzlei, die bisweilen von den Sekretären des Königs oder den Ministern des Generaldirektoriums an das geheime Archiv abgegeben wurden54. Wenn dem so ist, dann würde es sich hierbei unabhängig von der Überlieferungssituation um einige der wertvollsten und einschlägigsten Aktenstücke überhaupt handeln. Für die Logistik im Kontext der militärischen Operationen sind vor allem die Briefe zwischen dem König, seinen Brüdern Prinz August Wilhelm und Prinz Heinrich, der Schriftwechsel mit dem Generalkriegsdirektorium in Torgau, mit dem schlesischen Feldkriegskommissariat und nicht zuletzt mit dem dirigierenden Minister von Schlesien, Ernst Wilhelm von Schlabrendorff, einschlägig. Ebenfalls wichtig sind die Akten der Feldmarschälle von Schwerin, Keith und Moritz zu Anhalt-Dessau, der Generalleutnante von Braunschweig, von Braunschweig-Bevern und von Winterfeldt sowie die des Armeeintendanten Generalmajor von Retzow und seines Nachfolgers Oberst von Arnstedt. Hinzu kommen die Aufzeichnungen 54 Vgl. Jany, Curt, Die preußischen Militärarchive, in: Forschungen zur brandenburg-preußischen Geschichte, Seite 67 und Neugebauer, Wolfgang, Das preußische Kabinett in Potsdam, Seite 112 f.
Quellenlage35
der Generalmajore Bornstedt, Brandes, Finck sowie einiger Stabsoffiziere der Artillerie, darunter die Obristen Moller, Dieskau und Holtzmann. Nicht zu vernachlässigen ist allerdings auch die Repositur 94 (Kleine Erwerbungen), welche die eine oder andere interessante Seltenheit enthält. Die II. Hauptabteilung beherbergt die verbliebenen Bestände des Generaldirektoriums (eigentlich Generaloberfinanz-, Kriegs- und Domänendirektorium), also jener von Friedrich Wilhelm I. geschaffenen Superbehörde des preußischen Staates, die seit 1746 6 Kammern besaß, denen jeweils zivile Minister und der König an der Spitze als Präsident vorstanden. Interessant sind in logistischer Hinsicht unter anderem einige Akten zu den Magazinstandorten, die sich überwiegend im Bestand des Militärdepartments (II. HA., Abt. 34) verbergen. Darüber hinaus gibt es auch noch einige relevante Aktenstücke aus der Kurmark (II. HA., Abt. 14) und aus dem Magdeburg-Halberstädter Raum (II. HA., Abt. 15), welche das Schifffahrtswesen, die Kommerziensachen oder die Invasionssachen des Jahres 1757 betreffen. Die IV. Hauptabteilung enthält jene Bestände des Potsdamer Heeresarchivs, die nicht vernichtet wurden. Relevant für die Zeit des Siebenjährigen Krieges ist vor allem die Repositur 15 A, die die Bestände der Kriegsgeschichtlichen Abteilung II des Großen Generalstabs umfasst, welche mit der Begutachtung sämtlicher Kriege bis 1815 betraut war. Da ihr in diesem Zusammenhang auch die Aufarbeitung der Kriege Friedrichs des Großen oblag, ist hierdurch das von den Offizieren zusammengetragene Material in Form von Quellensammlungen und Ausarbeitungen erhalten geblieben. Interessant sind vor allem die Quellensammlungen, bei denen es sich zwar nicht um die Originaldokumente, aber zumindest um äußerst akkurate Abschriften derselben handelt. Sie können zumindest noch als hervorragende Anregungen für mögliche Aktenbestände dienen, vor allem weil die Offiziere schon damals eine Vielzahl von anderen Archiven im Deutschen Reich, aber auch im Ausland wie in Wien besuchten. Die VI. Hauptabteilung enthält verschiedene Nachlässe bedeutender Persönlichkeiten und Familien. Für das Jahr 1757 sind vor allem die Nachlässe der Generäle Hans Carl von Winterfeldt und August Wilhelm von Braunschweig-Bevern, die beide als enge Vertraute und Sympathieträger des Königs gelten dürfen, sowie jener von Minister Borck, der dem Generalkriegsdirektorium vorstand, am wichtigsten. Ein weiterer, oftmals übersehener Bestand ist das Brandenburg-Preußische Hausarchiv, das nach Personen geordnet ist. So findet man gerade in der Repositur zu König Friedrich II. (BPH, Rep. 47) noch einige interessante Varia zur Zeit des Siebenjährigen Kriegs, die nicht zuletzt auch Verlustlisten der Schlachten beinhalten. Bemerkenswert sind auch die Briefwechsel mit den königlichen Brüdern Prinz August Wilhelm (BPH, Rep. 56 / I) und Prinz Ferdinand (BPH, Rep. 57 / I). Eine besondere Quelle ist die sogenannte Wrede’sche Kriegskarte, also jenes Kartenwerk von ganz Schlesien, das das preußische Ingenieurskorps unter der Leitung Christian Wilhelm von Wredes von 1748 bis 1753 anfertigte. Es wird in der Kartenabteilung der Staatsbibliothek verwahrt und erfasst in seinen 5 Bänden entsprechend 5 Gebietsstreifen von Schlesien, wobei neben den Ortschaften immer auch die zugehörigen Bauern, Hüfner sowie die Pferdeanzahl verzeichnet sind55. Ausgelassen ist im Kartenwerk ein großer Gebietsstreifen links der Oder, in etwa von Höhe Liegnitz im Norden bis Strehlen im Süden.
55 Siehe
Staatsbibliothek zu Berlin, Kartenabteilung, N 15060-1,2,3,4 und 5.
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Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt, Dessau Der wichtigste Bestand im Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt befindet sich in der Zweigstelle Dessau in Form des Nachlasses des Generals und späteren Generalfeldmarschalls Prinz Moritz zu Anhalt-Dessau (LASA, DE, Z44 Abt. Dessau, A 9b VIa und VIb). Er umfasst sowohl gesammelte Schriftstücke aus den Kriegsjahren 1756 und 1757 als auch seine Korrespondenzen mit seinem Bruder, dem Fürsten Dietrich, anderen Offizieren der preußischen Armee und nicht zuletzt auch König Friedrich II. Diese Briefe und gesammelten Schriftstücke enthalten einige der wertvollsten Dokumente zur Rekonstruktion der Zahlenarithmetik und zur Logistik der preußischen Armee, darunter Tageslisten zur Stärke diverser Einheiten unter seinem Kommando sowie ein spezielles Faszikel über das Verpflegungswesen. Daneben gibt es in der Abteilung Dessau (LASA, DE, Z44) aber noch einige weitere interessante Akten, die beispielsweise die Feldzugsschilderung des Herzogs von Braunschweig-Bevern enthalten (LASA, DE, Z44 Abt. Dessau, A 9b VIIb) oder die Naturalienlieferungen des Fürstentums an die preußische Armee dokumentieren (LASA, DE, Z44 Abt. Dessau, C 16c4). Darüber hinaus sind auch von dem schon erwähnten späteren Fürsten Dietrich noch 2 Aktenstücke vorhanden, die für das preußische Versorgungswesen im Zweiten Schlesischen Krieg einschlägig sind (LASA, DE, Z44 Abt. Dessau, A 9b IVb). Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt, Magdeburg Akten zu Naturalienlieferungen und einiges zum Transport der Verpflegungsgüter per Schiff finden sich auch in der Zweigstelle Magdeburg, wobei vor allem die Präsidialregistratur und die Städtesachen des Holzkreises der Kriegs- und Domänenkammer (LASA, MD, Rep. 7 und Rep. 9a) relevant sind. Stadtarchiv Magdeburg Das mit Abstand wichtigste Archiv für Fragen des Elbschifffahrtswesens im 18. Jahrhundert ist aber das Magdeburger Stadtarchiv. Obwohl die Bestände des Alten Archivs durch Kriegseinwirkungen zu rund 60 % vernichtet sind, haben sich noch alle Sachgebiete der Buchstaben O bis Z erhalten, worunter auch die Schifffahrtssachen fallen, die gerade zu den Details der Elbschiffe immer noch mehr Substanz als viele größere Archive bieten. Brandenburgisches Landeshauptarchiv, Potsdam Allerdings finden sich ähnlich gute Informationen hierzu auch im Brandenburgischen Lan deshauptarchiv, und zwar im Bestand Steuerrat Potsdam (BHLA, Rep. 19). Erhalten ist auch noch einiges zu den Landmagazinen im Bestand der Kurmärkischen Kriegs- und Domänenkammer (BHLA, Rep. 2) und zu den Naturalienabgaben der Kur- und Neumark im Jahr 1757 in den Beständen der Kur- und Neumärkischen Stände (BHLA, Rep. 23A und 23B).
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Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt, Wernigerode Da nun auf preußischem Gebiet die Aktenbestände ansonsten nur in begrenztem Umfang vorhanden sind, aber die Umsetzung der organisatorischen Versorgungsanforderungen zum Großteil von den Ständen der jeweils vom Krieg betroffenen Provinz geregelt wurde, schien es geboten, sich intensiv mit den Akten der sächsischen Kreise zu beschäftigen. Allerdings gehörten 2 dieser Kreise, nämlich der sogenannte Thüringer Kreis wie auch der sogenannte Kurkreis, nach 1815 zum Königreich Preußen. Daher lagern die Akten der Stände des Thüringer Kreises heute auch in der Zweigstelle des Landeshauptarchivs Wernigerode. Dieses Archiv enthält sowohl im Bestand des Thüringer Kreises wie in den Beständen einiger Ämter, darunter Freyburg a. d. Unstruth, Wittenberg und Barby, nur noch einzelne Fragmente, die vor allem für 1757 vor dem Hintergrund der Operationen der Reichsarmee und der Franzosen relevant sind. Stadtarchive Naumburg und Weißenfels Von großer Bedeutung sind in diesem Zusammenhang auch die Stadtarchive von Naumburg und Weißenfels. Gerade in Naumburg sind sowohl einige Akten der Stadt, vor allem aber auch 3 sehr wichtige Deputationsakten der Stände des Thüringer Kreises verblieben. Relevant sind diese Aktenstücke ebenfalls für den Herbstfeldzug des Jahres 1757, zumal sich einige mit den Forderungen und Kosten durch die französischen Truppen befassen und sogar Tabellen zu den konkreten Lieferungen einiger Dörfer im Oktober enthalten. Das Stadtarchiv von Weißenfels beleuchtet im Vergleich dazu nur die lokale Ebene, aber trotzdem sind auch hier wertvolle Einzeldokumente erhalten geblieben, die vor allem über bestimmte Details wie die Größe des preußischen Proviantfuhrwesens Aufschluss geben, die aufgrund der vielen anderen Aktenverluste gerade im operativen Kontext sonst nicht mehr zu ermitteln wären. Von größter Bedeutung war früher offensichtlich das Stadtarchiv Mücheln, dessen Akten der Pastor Theodor Elisier Wiltsch in seinem Werk über die Schlacht bei Rossbach oder Reichardtswerben herangezogen hatte. Allerdings scheinen viele dieser Akten inzwischen auch nicht mehr zu existieren, obwohl noch diverse Einzelstücke vorhanden sind, die die Forderungen der Preußen von Mitte September dokumentieren und auf die exorbitanten Anforderungen der Franzosen unmittelbar vor der Schlacht hindeuten. Hauptstaatsarchiv Dresden Leider sind auch im Hauptstaatsarchiv Dresden, wo theoretisch viele Bestände für die Zeit und das Thema hätten relevant sein können, oft nur noch kleine Teile oder gar kein Material mehr vorhanden. Ein gutes Beispiel hierfür ist der Bestand der Landeshauptdeputation (SächsHStA-DD, 10016) aus der Zeit des Siebenjährigen Krieges, die angeblich nahezu alle Verordnungen der untergeordneten Kreisstände gesammelt haben soll. Fast komplett vernichtet sind auch die Akten des Kurkreises (SächsHStA-DD, 10019), was vor dem Hintergrund dieses Projektes aber nur bedingt ins Gewicht fällt, weil die
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Operationen des Kriegsjahres 1757 den Kurkreis nur minimal tangierten. Wie viele Akten des Kurkreises es allein für dieses Jahr gab, kann man kurioserweise noch an einem Aktenstück in Wernigerode nachvollziehen56. Aber nicht nur die Bestände des Kurkreises, sondern auch die der Stände des Meißner Kreises (SächsHStA-DD, 10018) sind von den Verlusten betroffen, da vor allem die Protokolle vernichtet wurden und meistens nur die großen Zusammenfassungstabellen erhalten geblieben sind, die man nur in geringem Maße nutzen kann, weil häufig der Geldschaden und selten die korrespondierenden Naturalien- und Materialienmengen festgehalten wurden. Dennoch gibt es eine Vielzahl weiterer Bestände, die ebenfalls eine große Menge von Dokumenten zu den verschiedenen Vorgängen in den unterschiedlichen Kreisen und Städten des Kurfürstentums Sachsen im Siebenjährigen Krieg enthalten. Der wichtigste davon ist wohl das Geheime Konsilium (SächsHStA-DD, 10025), das im Wesentlichen der ehemaligen Geheimen Kanzlei zu entsprechen scheint. Ebenfalls wichtig ist der Bestand des Geheimen Rates (SächsHStA-DD, 10024), der unter anderem auch ein Journal des Preußischen Krieges umfasst, das quasi die offizielle Kriegsberichterstattung der Geheimen Kanzlei enthält (SächsHStA-DD, 10024, Loc. 9336 / 1) und deshalb auch unter einer anderen Signatur im Bestand des Geheimen Konsiliums zu finden ist. Dieses Journal kann neben dem Journal von Gaudis sicherlich als eine der dichtesten und vollständigsten Darstellungen der Ereignisse im Kriegsjahr 1757 gelten, wobei seine Authentizität vor allem für die Vorgänge in und um Dresden am höchsten einzustufen ist. Relevant sind auch die Akten des Geheimen Kabinetts (SächsHStA-DD, 10026), die in erster Linie einige Journale der sächsischen Gesandten oder Hofräte enthalten, die an bestimmten Orten ebenfalls detailliert die Ereignisse des Kriegsjahres 1757 dokumentieren. Für die Ressourcenausstattung des sächsischen Kurfürstentums sind vor allem das Geheime Kriegsratskollegium (SächsHStA-DD, 11237), das Finanzarchiv (SächsHStA-DD, 10036) und die Landesökonomie- und Kommerziendeputation (SächsHStA-DD, 10078) von großem Interesse. Die ersten beiden Bestände enthalten die meisten Details zu den Magazinbauten des sächsischen Kurfürstentums, obgleich sich hierzu auch einige Zusatzinformationen in der Kartenabteilung (SächsHStA-DD, 11373) finden lassen. Das Finanzarchiv beinhaltet darüber hinaus auch Aufzeichnungen zur Salpeterproduktion, Straßenausbesserung und zum Bestand bestimmter wichtiger Mühlen (Pulver- und Schiffsmühlen), während die Landesökonomie- und Kommerziendeputation gehaltvolles statistisches Material zur Bevölkerung und den Ernteerträgen des Kurfürstentums enthält. Relevant ist in diesem Kontext aber auch eine Akte des Statistischen Landesamts (SächsHStADD, 10741) mit der ältesten überlieferten Erhebung des Viehbestandes von 1767. Darüber hinaus verteilen sich die übrigen Einzelstücke zu bestimmten Details der Truppenverpflegung, der geographischen Gegebenheiten oder zum Feldzugsverlauf 1757 auf das Oberproviantamt, das Ingenieurskorps, das Kreisamt Meißen, den Fürstennachlass des sächsischen Prinzen Friedrich Christian und nicht zuletzt das österreichische Generalkriegskommissariat.
56 Siehe
LASA, MD, D 54 Kreisamt Wittenberg, Nachtrag C I Nr. 11.
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Stadtarchiv Dresden Für die Stadt Dresden enthalten die Ratsakten im Stadtarchiv einige interessante Zusatzinformationen zu den Ressourcen der Stadt wie den vorhandenen Schiffsmühlen und Schiffen sowie zu Detailfragen des Kriegsalltages im Jahr 1757. Besonders gut dokumentiert sind dabei der Schriftwechsel mit dem preußischen Feldkriegskommissariat, die Entwicklung der Garnisonsstärke in der zweiten Jahreshälfte, die Nutzung der lokalen Ressourcen für die Truppenverpflegung und die Einrichtung der Lazarette57. Stadtarchive Görlitz, Kamenz, Löbau, Meißen Prina, Torgau und Zittau Abgesehen davon ist in den meisten Stadtarchiven Sachsens nur wenig oder gar kein Aktenmaterial aus der Zeit des Siebenjährigen Krieges erhalten geblieben. So gibt es im Stadtarchiv Görlitz mit Ausnahme der Wiedemann’schen Chronik leider kaum noch einschlägiges Material. Ähnlich stellt sich die Situation in Kamenz und in Pirna dar, wo die Chroniken bzw. die Rechnungskonvolute aus dem Jahr 1757 kaum substanzielle Informa tionen zu Tage förderten. Am kuriosesten ist die Situation im Stadtarchiv Meißen. Dort gibt es zwar ein maschinenschriftliches Findbuch, das vermutlich aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg stammt und für die Anfangsjahre des Siebenjährigen Krieges 14 Akten auflistet, faktisch sind diese im Archiv aber nicht mehr auffindbar. Auch im Stadtarchiv von Löbau sollten laut Findbuch über 20 Aktentitel vorhanden sein, wovon 13 jedoch nicht mehr auffindbar waren. Allerdings befand sich unter den wenigen verbliebenen Akten eine (Stadtarchiv Löbau, Rep. 2, Nr. 745), deren Relevanz kaum zu übertreffen sein dürfte, zumal sie fast das ganze Jahr 1757 umfasst und wertvolle Informationen zum Beginn des Feldzuges in Böhmen sowie zur Truppenstärke der preußischen Armee bei der Schlacht von Prag beinhaltet. Die Akten des Stadtarchivs Zittau förderten ebenfalls nur minimale Details zur Versorgungssituation der Garnison unmittelbar vor der Bombardierung der Stadt im Jahr 1757 zu Tage. Für die Stadt Torgau ist die Situation aufgrund der publizierten Chronik von Johann Bürger, den Aufzeichnungen des Superintendenten Grulich und einer weiteren Chronik, die durchweg die Alltagsgeschichte recht gut beleuchten, etwas besser, obwohl angesichts der Tatsache, dass Torgau in der Zeit des Siebenjährigen Krieges neben Dresden das wichtigste Organisationszentrum und der wichtigste Magazinplatz war, auch hier ein deutlich größerer Fundus zu erwarten gewesen wäre. Stadtarchiv Leipzig Durchaus ambivalent stellt sich auch die Situation im Leipziger Stadtarchiv dar, denn obwohl die Stadt mit ihrer Messe ein wichtiger Handels- und Finanzplatz war, sind auch hier nur noch diverse Einzelstücke vorhanden, die größtenteils aus dem Bereich der Titularakten stammen, die nicht zuletzt auch einschlägiges Material zur finanziellen Res57 Vgl.
Stadtarchiv Dresden, 2.1. Ratsarchiv / Stadtverwaltung vor 1945, G XXXIII, Nr. 18c.
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sourcenabschöpfung in Gestalt der preußischen Kontributionskasse enthalten. Die Aktenstücke zu materiellen Ressourcen befassen sich mit Fragen der Mehlherstellung, der Lazaretteinrichtung durch den Kommissar Engell und mit dem Kornbestand der Ratsstube. Hinzu kommen noch die Aufzeichnungen des Stadtschreibers Miersch, aber auch das umfangreichere und vor allem zeitlich dichtere Tagebuch des Leutnant Burchhardi (Stadtarchiv Leipzig, Titularakten LXI 10), der u. a. für die Ratspulverkammer auf der Pleißenburg zuständig war und sehr viele Vorgänge in der Stadt über das gesamte Jahr 1757 hinweg dokumentiert hat. Staatsarchiv Leipzig Eine gewisse Ergänzung bietet hier das Staatsarchiv Leipzig, das unter anderem auch die Ständeakten des ehemaligen Leipziger Kreises (Sächs. StA-L 20002) enthält. Allerdings sind die meisten davon für das Thema der Arbeit nahezu irrelevant, denn offenbar wurde in den 1770er Jahren eine interne Revision bei den Kreisständen des Leipziger Kreises durchgeführt, in deren Rahmen schon viele Akten vernichtet worden zu sein scheinen. Dafür gibt es jedoch noch einige Akten aus dem Nachlass der Kreiskommissare des Leipziger Kreises, die diese auf ihren heimischen Gütern verwahrten. Besonders einschlägig sind dabei jene vom Rittergut Königsfeld (Sächs StA-L 20443), wo der Kommissar Carl August Sahrer von Sahr residierte, da diese Dokumente viele Informationen zur Stellung von Fuhrwerken bzw. Wagen im Jahr 1757 enthalten. Darüber hinaus gibt es wieder einige interessante Einzelstücke, die sich in den Beständen der Ämter und Städte wie von Belgern (Sächs StA-L 20597) und Wurzen (Sächs StA-L 20629) verbergen. Staatsfilial- und Stadtarchiv Bautzen Obgleich die Stadtarchive von Görlitz, Zittau und Löbau nur noch wenige Einzelstücke enthalten, ist die Quellenlage zur regional- und lokalgeschichtlichen Überlieferung in der Zeit des Siebenjährigen Krieges in der Oberlausitz mit Abstand am besten. Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, dass sowohl das Archiv des Bautzener Kreises als auch das des Görlitzer Kreises erhalten geblieben sind, obgleich Letzteres heutzutage im Staatsarchiv Breslau lagert, weil der Görlitzer Kreis schon seit 1815 zum Königreich Preußen gehörte. Den Großteil der Akten beherbergt das Stadt- und Staatsfilialarchiv Bautzen. Das Staatsfilialarchiv, das wie das Staatsarchiv Leipzig eine Zweigstelle des sächsischen Staatsarchivs darstellt, verwaltet unter anderem die Akten der Landstände der sächsischen Oberlausitz (StFilA BZ 50001). Für die Zeit des Siebenjährigen Krieges ist hier ein extrem reichhaltiger Fundus vorhanden, denn allein für das Jahr 1757 gibt es 9 voluminöse Konvolute, von denen 3 schätzungsweise bis zu 1.000 Blatt umfassen. Das Staatsfilialarchiv enthält unter anderem auch den Bestand des Oberamtes (StFilA-BZ, 50009), der auch Akten zu den statistischen Verhältnissen des ehemaligen Budissiner (Bautzener) Kreises umfasst. Im Stadtarchiv haben sich vor allem die Bestände des Alten Archivs (StFiA-BZ, 62000), des Neuen Archivs (StFilA BZ, 62001) und der Handschriftenabteilung (StFilA-BZ, 62008) als einschlägig erwiesen, zumal Letztere eine
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Vielzahl von Chroniken umfasst, von denen einige auch bedeutsam bezüglich jener Vorgänge mit logistischen Aspekten im Jahr 1757 sind. Vor allem das Alte Archiv bietet in einer Unterabteilung (Sächs. StFilA-BZ, 62000, VII K) eine enorme Bandbreite an Dokumenten mit allen möglichen Facetten der damaligen Logistik wie den Materialanforderungen für die zu erbauenden Backöfen und Auflistungen zu den Fouragierungsschäden in den Dörfern. Letztere finden sich neben einigen weiteren Akten zur Statistik auch im Bestand des Neuen Archivs. Domstiftsarchiv Bautzen bzw. Diözesanarchiv Meißen-Bautzen Ergänzt werden diese Akten sogar noch durch den Bestand des Diözesanarchivs Meißen-Bautzen bzw. des ehemaligen Domstiftsarchivs Bautzen, wo mehr als 10 Aktenstücke zu den Kriegslasten der zum Domstift Bautzen gehörigen Dörfer aus dem Jahr 1757 vorhanden sind. Mit den Akten aus dem Staatsfilial- und Stadtarchiv Bautzen bilden sie die dichteste Quellengrundlage zur Beschreibung der Kriegsauswirkungen auf regionaler Ebene im Kriegsjahr 1757. Insofern sind sie von ihrer Bedeutung für das Thema gar nicht hoch genug einzustufen, weil sie es nicht nur ermöglichen, alltags- und mikrogeschichtliche Gesichtspunkte darzustellen, sondern auch zeigen, wie sich diese vor dem Hintergrund der konkreten operativen Lage im Sommer 1757 auf die Versorgungssituation der preußischen Armee auswirkten. Staatsarchiv Breslau Einen wesentlichen Beitrag hierzu leisten natürlich auch die Akten aus dem Bestand der Landstände der preußischen Oberlausitz (Landständisches Archiv der OberlausitzArchiwum Stanów Krajowych Górnych Łużyc), obgleich deren Volumen nicht ganz so opulent ausfällt wie bei den Landständen der sächsischen Oberlausitz. Abgesehen davon sind nur noch einige Einzelbestände der Stadt (Miasta Wrocławia) und des Magistrats von Breslau (Magistrat Miasta Wrocławia) verblieben, deren Akten vor allem über die Bevölkerung und andere Fragen von statistischer Relevanz Aufschluss geben. Obgleich sich die Quellenlage in der Oberlausitz deutlich günstiger als für den Rest Sachsens darstellt, wären für diese Untersuchung des gesamten Kriegsjahres 1757 die Akten von preußischer Seite, insbesondere vor dem Hintergrund der hohen Archivalienverluste in Schlesien, unzureichend gewesen. Da die Operationen des Kriegsjahres 1757 neben Schlesien und Sachsen auch Böhmen betrafen und die vergleichende Perspektive wegen der Versorgungsfragen bei den militärischen Operationen ohnehin angestrebt werden soll, wurden die Akten der österreichischen Staatsarchive ebenfalls herangezogen, zumal zu erwarten stand, dass sie auch Erhellendes für die preußische Perspektive zu Tage fördern würden.
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Österreichisches Staatsarchiv – Haus-, Hof- und Staatsarchiv In Wien verteilen sich die relevanten Bestände im Wesentlichen auf das Haus-, Hofund Staatsarchiv, Kriegsarchiv sowie das Hofkammerarchiv. Die für das Thema relevanten Akten im Haus-, Hof- und Staatsarchiv sind überwiegend in den Vorträgen der Staatskanzlei (OestHHStA, Vorträge) und in den Kriegsakten (OestHHStA, Kriegsakten) enthalten. Letztere sind nach Jahren geordnet. Die Blätter und Faszikel wurden pro Karton thematisch zusammengestellt, so beispielsweise die Korrespondenz Prinz Carls von Lothringen oder Feldmarschall Dauns mit Maria Theresia. Es gibt aber auch Akten zu sachthematisch definierten Aspekten wie zur Belagerung von Schweidnitz und Breslau oder zur Herbeischaffung der Mittel zur Kriegsführung und Bestreitung der Kriegskosten (OestHHStA, Kriegsakten Nr. 346). Darunter befindet sich ein Dokument, das als die wertvollste Einzelquelle überhaupt gelten darf, nämlich eine Gegenüberstellung der von Preußen erbeuteten und von ihnen verlorenen Magazinbestände im Jahr 1757. Allerdings ist diese Liste nicht ganz vollständig, da sie die Eroberungen von Schweidnitz und Breslau sowie die Rückeroberung der schlesischen Provinzhauptstadt durch die Preußen nicht berücksichtigt. Als besonders wertvoll kann auch der Nachlass des ersten Generalquartiermeisters und späteren Feldmarschalls Moritz Graf von Lacy gelten. Vor allem der zweite Teil im ersten Karton (Nachlass Lacy Kt. 1, Teil II) enthält ein seltenes preußisches Beutestück, nämlich eine Art Registerbuch des Feldkriegskommissariats aus den Jahren 1761 und 1762, das über viele Details wie die Rolle des Armeeintendanten, das Bäckereiwesen, die Einteilung des Proviantfuhrwesens und nicht zuletzt über die Zusammensetzung und den Verpflegungsbedarf der Korps in diesen Jahren Aufschluss gibt. Österreichisches Kriegsarchiv Im Kriegsarchiv sind vor allem die enorm umfangreichen Alten Feldakten der Hauptarmee (AFA, Hauptarmee) sowie die der Reichsarmee und der französischen Armee für das Thema relevant (AFA, Reichsarmee und französische Armee), zumal sie auch die Korrespondenz mit dem Hofkriegsrat und in Gestalt der Kabinettsakten die Eingaben an die höchsten Minister und Maria Theresia selbst umfassen. Allein in diesem Bestand gibt es über 40 Kartons mit je rund 800 Blatt. Für die Hauptarmee sind in der Regel pro Monat 2 Kartons vorhanden, wobei der erste immer viel Material zur Truppenstärke enthält, denen sich dann die Dokumente zu den Operationen anschließen, welche nicht nur die Aktionen der Österreicher, sondern gerade auch der Preußen in den Aufklärungsberichten thematisieren. Im dreizehnten Quasimonat sind dann die jeweiligen Eingaben über das Jahr gesammelt, die offenbar verspätet einliefen, darunter auch die Journale des Armeeoberkommandos, die in der Regel eine Zusammenstellung der eingelaufenen Berichte darstellen und in ihrer Authentizität bisweilen sehr unterschiedlich sind. Einerseits sind sie den Dokumenten aus den jeweiligen Monaten nicht grundsätzlich vorzuziehen, anderseits gibt es aber auch sehr wertvolle ergänzende Journale und Einzelberichte wie zur Belagerung von Schweidnitz oder zur Rückeroberung Breslaus durch die Preußen. Die Aufklärungsberichte der leichten österreichischen Truppen unter den Generälen Beck, Haddik, Laudon und Nadasdy fördern ebenfalls unzählige Details über die preußi-
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schen Kontrahenten zu Tage. Da diese Kommandeure zu den Vielschreibern gehörten, berichten sie bisweilen mehr über die Einheiten und den Zustand ihrer Gegner als über ihre eigenen. Da hierzu auch die Obristen Jahnus und Simbschön zählten, die mit ihren selbstständigen Abteilungen gegen Schlesien operierten, erfährt man einiges über die Situation im unmittelbaren Hinterland oder über die Versorgungssituation der Preußen, die für die feindlichen Truppenführer offensichtlich ebenso von höchstem Interesse war. Von großer Bedeutung ist auch der Bestand der Kriegswissenschaftlichen Mémoires, bei dem es sich um viele Einzelstücke handelt, die nach thematischen Aspekten wie Waffengattungen, Organisationsformen, Taktik und anderen Problemfeldern geordnet sind. Darunter befindet sich auch aufschlussreiches Material zur Beschreibung des preußischen Defensivsystems in Schlesien, zu den Problemen des Proviantamts und zur Struktur des übergeordneten Generalkriegskommissariats. Die Akten des Generalkriegskommissariats im übergeordneten Sammelbestand der Zentralstellen (OestKA, Zentralst., GKK) bilden einen eigenen Bestand, der aufgrund der vielen Magazinbestandsübersichten im Jahr 1757 und seinem starken Fokus auf die Versorgungs- und Verpflegungsorganisation mit Abstand als der herausragendste Fundus für logistische Fragestellungen gelten kann, zumal die 5 bis 6 Kartons zum Jahr 1757 auch quantitativ enorm ins Gewicht fallen. Interessant ist für Fragen der Logistik auch der Nachlass der Militärhofkommission Nostitz-Rieneck (OestKA, Zentralst., Militärhofkommission Nostitz-Rieneck). Die Untersuchungen dieser Kommission erfolgten zwar am Ende des 18. Jahrhunderts, berücksichtigten die Zustände in der Mitte dieses Jahrhunderts aber ebenso, sodass einige einschlägige Studien zur Stärkeentwicklung der Armee im Siebenjährigen Krieg, zum Armeefuhrwesen und zum Bekleidungswesen entstanden58. Wichtig ist auch die Kartenund Planabteilung des Kriegsarchivs, in der sich auch Landesbeschreibungen zu den geographischen Bedingungen des Operationsraums Sachsen-Böhmen-Schlesien befinden, die noch durch eine große Menge zeitgenössischer Karten sowohl von den Schlachten, Festungen und Belagerungen in der Unterabteilung Kriegskarten (H IIIe) sowie die Karten der Josephinischen Landesaufnahme ergänzt werden. Letztere entstanden zwar erst nach dem Siebenjährigen Krieg als Reaktion auf die vorgefallenen Rückschläge zur besseren Orientierung und Ressourcenerfassung, bieten aber gerade wegen ihrer minutiösen Darstellungen eine hervorragende Grundlage, um sich diesbezüglich auf dem böhmischen Kriegsschauplatz zu orientieren, wo sich 3 Monate des Feldzugjahres 1757 abspielten. Nárdoní Archiv Prag Für die Rekonstruktion der Versorgungssituation auf österreichischer Seite sind neben den Archiven in Wien auch die Akten der böhmischen Stände, d. h. genauer gesagt der böhmischen Repräsentationskammer von Bedeutung, welcher in der Zeit des Siebenjäh58 Die Aspekte sind zwar bestimmten Kartons zugeordnet, allerdings scheinen die Zusammenstellungen oder die Nummern bisweilen gewechselt zu haben, sodass es sich für das Bestellverfahren wohl immer noch empfiehlt, die Themengebiete wie Armeefuhrwesen, Monturwesen, Armeeorganisation oder Vorträge mit jeweiligem Zeitbezug anzugeben.
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rigen Krieges der Präsident und Generalkriegskommissar Vaclav Kasimir Nettolitzky vorstand. Sie befinden sich heute in der ersten Abteilung des Národní Archiv Prag und bilden den Bestand České Gubernium-Militare (CG-Mil). Besondere Schätze in logistischer Hinsicht stellen die Kartons 52 und 53 dar, welche u. a. Übersichten zu den verfügbaren Prahmen auf der Moldau sowie Verzeichnisse aller Wagen im Königreich Böhmen und Markgrafentum Mähren enthalten. Service Historique de la Défense (SHD), Paris-Vincennes Obwohl der Krieg im Jahr 1757 überwiegend auf den Hauptschauplätzen in Sachsen, Böhmen und Schlesien zwischen den Preußen und Österreichern ausgetragen wurde, kam es im Herbst dennoch zu einer Verbindung dieses Schauplatzes mit dem westlichen Operationsraum durch das Vordringen der französischen Truppen, die sich nach der gewonnenen Schlacht bei Hastenbeck in der Nähe von Hameln auf die preußischen Westprovinzen und die westlichen Ausläufer Kursachsens zubewegten. Daher schien es geboten, auch noch die Bestände der französischen Armee zu begutachten, die vom Service Historique de le Défense in Paris-Vincennes aufbewahrt werden. Relevant sind im Wesentlichen 2 Bestände, nämlich einerseits die allgemeine Korrespondenz aus der Zeit des Ancien Régime (Correspondance Générale, Sous-Serie A1), die die Kriegsnachrichten und den Schriftverkehr mit dem Hof von Versailles enthält, aber auch einige Bände mit einer speziellen Fokussierung auf die Militärverwaltung umfasst. Andererseits ist der Bestand M1 (Mémoires et Reconnaissances) von Bedeutung, da er sowohl Aufklärungsberichte als auch unzählige Beschreibungen von Feldzügen, Schlachten und Belagerungen, und zwar nicht nur für die Zeit des Ancien Régime, sondern auch für die Zeit der Französischen Revolution und des ersten Kaiserreichs unter Napoleon beinhaltet. Da offensichtlich viele Akten zur Verpflegungsorganisation, die zum Bestand der Correspondance Générale gehört hätten, vernichtet wurden, sind die Akten aus dem Bestand der „M1 Mémoires et Reconnaissances“ für die Verpflegungsorganisation der Hauptarmee am Niederrhein und für die Hilfsarmee des Prinzen von Rohan-Soubise am wertvollsten, zumal einige auch statistisches Material zu den preußischen Westprovinzen und dem Fürstentum Hannover beinhalten. Grundsätzlich hat sich bezüglich des Authentizitätswerts bei allen Archivalien herausgestellt, dass die räumliche und zeitliche Nähe zwischen dem Bericht und dem inhaltlichen Sachverhalt möglichst dicht sein sollte. Bisweilen gibt es natürlich sich widersprechende Darstellungen, bei denen dann jedoch in der Regel denjenigen der Vorrang einzuräumen ist, bei denen man davon ausgehen kann, dass der Autor entweder über die größere Kompetenz verfügte oder aufgrund seiner jeweiligen sozialen, politischen oder fachlichen Autorität einen besseren Zugang zu den jeweils relevanten Informationen besaß. Darüber hinaus haben sich für die Auswertung des Zahlenmaterials bestimmte Quellentypen mehr und andere als weniger einschlägig erwiesen. Ergiebig waren meistens Akten, Protokolle, Konsignationen, Extrakte und Nachweisungen, da man aus diesen in der Regel ersehen konnte, welche Versorgungsgüter jeweils dokumentiert wurden, während Kontributionslisten, Quittungen und vor allem die sogenannten Liquidationen
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meistens schwieriger zu handhaben sind, weil bei Weitem nicht immer verzeichnet wurde, welche Naturalien oder Materialien den Geldwerten zugrunde liegen, die diese Quellen ausweisen. Während schon die Handhabung der Archivalien eine gewisse Sensibilisierung für den genuinen Authentizitätsgehalt erfordert, so ist diese bei der Literatur umso mehr geboten. Am unproblematischsten sind die Berichte der gemeinen Soldaten über die Subalternoffiziere bis zum Hauptmann, darunter die Berichte von Ulrich Bräker, des Freikorporals von Barsewisch, des Leutnants von Prittwitz und des Rittmeisters Logan-Logeius. Als äußerst authentisch kann auch das sogenannte Breslauische Tagebuch Johann Georg Steinbergers gelten, das zwar nicht die Zeit des Siebenjährigen Krieges, aber die des Ersten Schlesischen Krieges und damit auch die friderizianische Epoche betrifft. Etwas schwieriger ist hingegen schon die Verwendung der Berichte der zeitgenössischen Stabsoffiziere, zu denen die österreichischen Oberstleutnante Cogniazzo und Warnery gehörten. Bei Cogniazzo, der eigentlich in der österreichischen Armee diente und nach dem Siebenjährigen Krieg in Preußen lebte, ist der Authentizitätswert seiner Ausführungen etwas unklar. Sie verdienen wegen ihrer selten erwähnten Zusammenhänge aber durchaus Berücksichtigung. Das Werk Charles Emmanuel von Warnerys über die Feldzüge Friedrichs des Großen ist im Vergleich dazu wegen seiner Details zur Kavallerietaktik und zum Feldzug 1757 unstrittig ein äußerst wertvolles Werk. Allerdings erwiesen sich vor allem im Abgleich mit den Archivalien seine Zahlen für die Armeegrößen oder Schlachtverluste als unzuverlässig, sodass es gilt, diesen Aspekt bei der Rezeption auszuklammern. Ein durchaus behutsamer Umgang ist auch bei der Lebensbeschreibung des Generalleutnants Carl Christoph von Schmettau geboten59, die von seinem Neffen Friedrich Wilhelm Carl stammt. Dieser war zwar erst im späteren 18. Jahrhundert General in der preußischen Armee, könnte aber durch seinen Vater Informationen aus erster Hand besessen und über die entsprechende Sachkompetenz verfügt haben, um diese auch angemessen zu verwerten. Berücksichtigung verdient das Werk vor allem auch, weil Schmettau schon im Jahr 1757 Generalquartiermeister der preußischen Armee war und folglich im besonderen Maße auch für die Ressourcennutzung des Operationsraumes verantwortlich zeichnete, jedoch beim König in Ungnade fiel, sodass hier eine durchweg kritische Perspektive auf die Ereignisse des Feldzuges zu erwarten steht. Die Werke Johann Gottlob Leonhardis wurden nur noch in relativ geringem Umfang herangezogen, denn obwohl seine „Erdbeschreibung der Churfürstlich-Sächsischen Lande“ und seine „Erdbeschreibung der Preußischen Monarchie“ durchaus wertvolle statistische Erhebungen enthalten, mischen sich sehr häufig die Zahlenangaben aus der Mitte und vom Ende des 18. Jahrhunderts. Daher wurden aus dem Werk nur jene Angaben herangezogen, die sich auf die Zeit des Siebenjährigen Krieges oder die Mitte des 18. Jahrhunderts beziehen. 59 Vgl. Schmettau, Friedrich Wilhelm Karl von, Lebensgeschichte des Grafen von Schmettau, Königl. Preuß. Generallieutenants.
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Wie wichtig immer wieder der Abgleich mit den Archivalien für die Bewertung des Authentizitätsgehalts von zeitgenössischen Quellen ist, zeigt sich auch anhand der wichtigsten edierten Quelle für das Jahr 1757, nämlich „Gaudi’s Journal vom Siebenjährigen Kriege“. Es stammt von Friedrich Ernst Wilhelm Freiherr zu Gaudi, der seit 1756 als einer der Adjutanten König Friedrichs II. fungierte, später bis in den Rang eines Generalleutnants aufstieg und nicht weniger als 22 Jahre auf die Fertigstellung seines 10-bändigen Werkes über den Siebenjährigen Krieg verwendete60, wovon 3 Bände das Jahr 1757 betreffen. Dieses Werk zählt zu jenen Quellen, die schon im 19. Jahrhundert und damit auch in der Entstehungszeit der meisten Werke der borussischen Geschichtsschreibung bekannt waren. Erstaunlicherweise wurde es aber gar nicht oder nur in sehr geringem Umfang genutzt61, obwohl es der ausführlichen Begutachtung durch den bekanntesten Vertreter der Kriegsgeschichtlichen Abteilung II im Großen Generalstab, Generalmajor Curt Jany, standhielt. Daher musste auch Jany Gaudi zugestehen, „ein Kenner seines Handwerkes“ gewesen zu sein, und räumte seinem Werk ein, für das Jahr 1757 eine Quelle „ersten Ranges“ darzustellen62.Damit schloss er sich Otto Herrmann an, der Gaudis Journal und seinem kritischen Tonfall gegenüber König Friedrich zwar extrem skeptisch gegenüberstand, jedoch dennoch anerkennen musste, dass Gaudi, sofern er nicht seine eigene Berichte benutzt hatte, offenbar extrem hochwertiges Material, wie die offiziellen Journale oder Tagebücher der großen Verbände, die Aufstellungen der wichtigsten Kommandostellen sowie die Berichte von Korrespondenten bei den verschiedenen Korps und die Aufzeichnungen anderer Offizieren für die Erstellung seines Journals verwandte63. Folglich würdigte er es als eine nicht zu vernachlässigende Quelle, die wegen bestimmte Mängel mit Vorsicht zu benutzen sei, sich in der Sachkritik aber nur gegen ausführlichere und weniger tendenziöse Quellen zu behaupten habe64. Tatsächlich erweist sich aber bei einer entsprechend kritischen Gegenüberstellung des Gaudischen Journals mit dem erhaltenen Archivmaterial, dass seine Qualität in bestimmten Aspekten als absolut gleichwertig einzustufen ist. So kann man anhand der Beschreibung des Marsches von Torgau nach Parchwitz, Mitte / Ende November 1757, und dem Vergleich mit den ebenso detaillierten Aufzeichnungen im Nachlass des Generals Moritz zu AnhaltDessau in fast allen Punkten eine exakte Übereinstimmung hinsichtlich der Genauigkeit 60 Vgl. Schöning, Curd von, Geschichte des Königl. Preußischen Regiments Garde du Corps zu seinem hundertjährigen Jubelfeste, Seite 101. 61 Vgl. Immich, Max, Die Schlacht von Zorndorf am 25. August 1758, Seite 25. 62 Vgl. Jany, Curt, Das Gaudische Journal des Siebenjährigen Krieges. Die Feldzüge 1756 und 1757, Seite 57 und 60. Die Tatsache, dass das Journal nur in Teilen als Quelle ersten Ranges gewürdigt wird, hängt in erster Linie damit zusammen, dass nur einige Abschnitte Gaudis persönliche Berichte enthalten, während er sich in anderen Passagen auf die wichtigsten Befehlshaber wie die des Kronprinzen August Wilhelm, Ferdinand von Braunschweig und August Wilhelm von Braunschweig-Bevern stützt. Darüber hinaus zeichnet Gaudi laut Jany ein viel zu kritisches Bild vom Verhalten des Königs in der Schlacht bei Kolin. Vgl. ebd., Seite 43–49 und Seite 59 f. 63 Vgl. Herrmann, Otto, Zur Charakteristik des Gaudischen Journals, Seite 544–567. 64 Vgl. ebd., Seite 582 f. Dass Herrmann als Beispiel hierfür das Süßenbachsche Journal und Tempelhoff benennt, mag zwar für sein konkretes Beispiel zutreffen, als allgemeine Tendenz würde es aber ein viel zu negatives Bild von Gaudis Werk zeichnen.
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der Aufenthaltsorte der Verbände sowie ihrer Zusammensetzung nach Bataillons- und Eskadronszahlen feststellen65. Problematisch ist dagegen die Zahlenarithmetik hinsichtlich der Armeegrößen und der Schlachtverluste66. Ausgenommen sind davon jene Stellen, an denen Gaudi den Briefwechsel des Königs mit seinem Bruder August Wilhelm zitiert. Folglich ist der Authentizitätswert des Gaudi’schen Journals für den operativen Ablauf des Feldzuges sehr hoch, hinsichtlich der absoluten Stärkenangaben bis auf wenige Ausnahmen, wo sich Gaudi auf den Schriftwechsel zwischen König Friedrich und dessen Bruder August Wilhelm bezieht, aber recht gering zu veranschlagen. Ein kritischer und ebenso vorsichtiger Umgang ist auch mit Werk geboten, das in in überarbeiteter und erweiter Form erst kurz vor der Drucklegung dieser Arbeit erschien, nämlich das Journal des englischen Oberisten Horace St. Paul, der in der österreichischen Hauptarmee als Voluntär diente und die beiden ersten Jahre des Krieges aus der Sicht des Oberkommandos der Armee in seinem „[…]Journal of the First Two Campaigns of the Seven Years War“ festhielt. Das Werk erschien 1914 als Edition in französischer Sprache67, wurde aber inzwischen ins Englische übersetzt und in durch weitere Elemente wie die Bruchstück aus dem Jounal Tempelhoffs sowie einen umfassenden Karten- und Zeichnungsanhang ergänzt68. Obwohl damit vor allem im Hinblick auf Letzteres ein ungeheuer interessantes Werk entstanden ist, empfiehlt es sich jedoch nur jene Passagen auszuwerten, wie sie in St.Pauls französischem Original enthalten sind. Da das erhaltene Aktenmaterial der österreichischen Staatsarchive in der Regel aber ohnehin sehr viel authentischer, präziser und ergiebiger ist, weil es von den kompenteteren und ungleich befugnisreicheren Akteuren stammt, wird es nur als Ergänzung für bestimmte Details dienen können, zu denen die Archivalien keine Auskunft geben. Darüber hinaus ist es auch hinsichtlich der Aufstellungen zu Truppenstärken ratsam, inbesondere wenn sich diese nicht um Original, sondern im erängzenden Anhang finden, den Archivalien den Vorzug zu geben, denn diesen lassen sich sehr viel umfänglichere, präzisere und katgeorial angemessenere Informationenen im Hinblick die Soll-und Iststärken entnehmen. Relativ unproblematisch ist hingegen der Umgang mit einer anderen edierten Quelle, nämlich der „Politischen Korrespondenz“, die ihren Namen offensichtlich dem Umstand
65 Für diesen Marsch bei Gaudi siehe ders., Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 4: 1757, Teil 3, Seite 84–88 und 111 f. sowie in den Originalakten Moritz zu Anhalt-Dessaus siehe LASA, DE, Z44 Abt. Dessau, A 9b VIb, Nr. 10, Bd. IV (Verschiedene Militaria aus des Fürsten Moritz von Anhalt in preußigen Jaare 1756), Blatt 326 Vorderseite und Nr. 10, Bd. V (Verschiedene Militaria aus des Fürsten Moritz von Anhalt in preußigen Jaare 1757), Blatt 260, 261, 262, 266, 269, 270, 406, 407, 409, 411 und 412, jeweils Vorderseite. 66 Diese Fehler könnten daraus resultieren, dass Gaudi aufgrund seines Dienstes in den westlichen Territorien des Königreichs Preußen nach dem Siebenjährigen Krieg nicht mehr den Weg in die Archive der Zentralprovinzen fand. 67 Siehe St. Paul, Horace, A Journal of the First Two Campaigns of the Seven Years War edited by Gerald Butler. 68 Siehe Cogswell, Neil, From Lobositz to Leuthen, Hoarce St. Paul and the Campaigns of the Austrian Army in the Seven Years War 1756–1757.
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verdankt, dass in ihr nur jene Briefe abgedruckt wurden, die während der Regierungszeit König Friedrichs II. entstanden. Sie enthält neben unzähligen Briefen an seine Familie und Minister auch für das Kriegsjahr 1757 die gesamte Korrespondenz des Königs mit den wichtigsten militärischen Befehlshabern, die sich auf 3 Bände, nämlich Nummer 14 bis 16, verteilt. Die Verwertung der Literatur aus dem 19. Jahrhundert ist grundsätzlich sehr viel schwieriger. Unproblematisch sind jene Passagen oder Anhänge, in denen sehr akkurat bestimmte Originalquellen wiedergegeben sind. Typischerweise ist dies in den Werken von Josef Kutzen69 und auch in Curd von Schönings mehrbändiger Geschichte der Brandenburg-Preußischen Artillerie70 der Fall. Ein weiteres Beispiel hierfür ist auch Johann von Heilmanns Beitrag zum Feldzug von 1757, der den übersetzten und nahezu vollständigen Briefwechsel zwischen König Friedrich und seinem Bruder Prinz August Wilhelm aus dem Juli des Jahres enthält. Selbst das tendenziöse Werk des Großen Generalstabs über die Kriege Friedrichs des Großen enthält einige wertvolle Anhänge, die noch als Quellen dienen können. Davon abgesehen stellt sich natürlich die Frage, wie es um die Authentizität des Fließtextes bestellt ist. Auch hier ist der Abgleich mit den archivalischen Quellen mit Abstand die sicherste Methode, um festzustellen, welche Werke dieses Kriterium erfüllen. Schönings Artilleriegeschichte kann nach diesem Verfahren als sehr zuverlässige Quelle gelten71. Für viele Bücher ist ein Abgleich aufgrund der zahlreichen Quellenverluste aber nicht mehr möglich, sodass die Bewertung oft sehr schwierig ist. Grundsätzlich ist bei allen Werken, die die Ereignisse aus preußischer Perspektive schildern, Vorsicht geboten, da schon zu Beginn des 19. Jahrhunderts mit der Veröffentlichung von Friedrich August von Retzows Werk über die Charakteristik des Siebenjährigen Krieges der Streit um die Deutung der Ereignisse vor dem Hintergrund der militärischen Verdienste und Fehler König Friedrichs entbrannt war72. Schon deswegen empfiehlt es sich, diese Darstellungen nur in sehr begrenztem Umfang heranzuziehen. Als Indikator für tendenziell unbelastete Werke kann der Entstehungszeitraum bis 1860 gelten. Oftmals vermitteln gerade jene Abhandlungen, bei denen der Bezug zum Thema eher mittelbar deutlich wird, eine unvoreingenommene Sichtweise. Hierzu dürfte auch eine weitere „Geschichte der Brandenburg-Preußischen Artillerie“ aus der Feder der Offiziere Robert von Bonin und Louis von Malinowski zählen, die vor allem interessant ist, weil sie zu vielen Fragen der Mu69 Vgl. Kutzen, Josef, Vor hundert Jahren. Erste Abteilung: Der Tag von Kolin und Zweite Abteilung: Der Tag von Leuthen. 70 Vgl. Schöning, Curd Wolfgang, Historisch-biographische Nachrichten zur Geschichte der Brandenburgisch-Preußischen Artillerie. Zweiter Theil: Die königl. Preußische Artillerie während des Siebenjährigen Krieges und bis zum Jahre 1786. 71 Der Portions- und Rationsetat der Invasionsstreitmacht von 1756 in Schönings Werk (vgl. ebd., Seite 30–314) stimmt exakt mit den Archivalien überein (siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 606 B: Rüstungen des Jahres 1756 allgemein, Blatt 34–39 Rückseite). 72 Vgl. Allgemeine Deutsche Biographie, Bd. 28, Seite 276.
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nitionsherstellung und der damit zusammenhängenden Rohstoffbeschaffung und zu den Geschützbeständen Aufschluss gibt. Neben den Werken der Artilleristen ist auch das Werk von Georg Kankrin, der im Feldzug von 1812 der Armeeintendant der russischen Streitkräfte war, über die Militärökonomie und ihren Einfluss auf die Operationen wichtig, weil es unter anderem interessante Erläuterungen zur Entwicklung des Versorgungswesens der europäischen Streitkräfte im 17. und 18. Jahrhundert enthält73. Von großer Bedeutung ist auch das Werk des schon erwähnten Pastors Theodor Elisier Wiltsch über die Schlacht von Rossbach, das vor allem wegen der Verwendung vieler lokaler Quellen und tradierter Augenzeugenberichte Beachtung verdient74. Aus der Zeit des deutschen Kaiserreichs zum Ende des 19. Jahrhunderts und Anfang des 20. Jahrhunderts gibt es wegen der Deutungshoheit des Generalstabs in militärischen Fragen nur noch wenige Werke, die als Quellen in Frage kommen. Am wichtigsten ist ohne Zweifel die Acta Borussica, die eigentlich auch ein Produkt der propreußischen Geschichtsaufarbeitung darstellt, aber ungleich wertvoller als das Werk des Großen Generalstabs ist, weil sie sehr eng mit der Quellengrundlage verbunden blieb75. Sie beinhaltet daher viele wertvolle Abschriften und Zusammenfassungen teils vernichteter, aber auch teils noch vorhandener Dokumente. Bei ihnen kann man anhand des Abgleichs mit den erhaltenen Originalen davon ausgehen, dass sie der Tendenz nach sehr genau sind und daher immer noch als verlässliche Quellen dienen können. Obwohl die meisten Dokumente in den für das Thema relevanten Bänden zur Behördenorganisation und Getreidehandelspolitik überwiegend aus dem Geheimen Staatsarchiv stammen, gibt es auch einige Passagen oder Extrakte, die auf Dokumenten des zerstörten Heeresarchivs in Potsdam beruhen, was sie natürlich besonders interessant macht. Merkwürdig ist allerdings, dass trotz der expliziten Beschäftigung mit der Getreidehandelspolitik und der Magazinwirtschaft gar keine Dokumente zu Magazinbeständen aus dem Siebenjährigen Krieg publiziert wurden, obwohl die Zeit durchaus Gegenstand des vierten Bandes war. Von großem Wert ist für Fragen der Verpflegungsorganisation jedoch ein kleines Werk, das auf den vernichteten Akten des Breslauer Staatsarchivs basiert, nämlich Fred Schädrichs Arbeit über das Generalfeldkriegskommissariat in Schlesien 174176. Es scheint sich hierbei um die einzige verbliebene Darstellung jener für die Heeresversorgung so wichtigen Behörde zu handeln, die gleich in mehrfacher Hinsicht wertvoll ist, weil sie nicht nur über grundsätzliche organisatorische Fragen, sondern auch über diverse praktische 73 Vgl. Cancrin, Georg, Üeber die Militärökonomie im Krieg und Frieden und ihr Wechselverhältnis zu den Operationen, Bd. I. 74 Vgl. Wiltsch, Johann Theodor Elisier, Die Schlacht von und nicht bei Roßbach auf den Feldern vor und bey Reichartswerben den 5. Nov. 1757. 75 Siehe Naudé, Wilhelm / Schmoller, Gustav von Skalweit, August, Acta Borussica, Getreidehandelspolitik, Bd. 3: Die Getreidehandelspolitik und Kriegsmagazinverwaltung Preußens 1740– 1756 und Skalweit, August, Acta Borussica. Getreidehandelspolitik, Bd. 4: Die Getreidehandelspolitik und Kriegsmagazinverwaltung Preußens 1756–1806 und Haß, Martin / Peters, Wolfgang, Acta Borussica. Die Behördenorganisation und die allgemeine Staatsverwaltung Preußens, Bd. 11: Akten vom August 1756 bis Ende des Jahres 1757. 76 Vgl. Schädrich, Fred, Das Generalfeldkriegskommissariat in Schlesien 1741.
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Details wie die Kapazitäten der Backöfen an den größeren Magazinstandorten Auskunft gibt. Wichtig ist allerdings auch das Werk von Arthur Brabant aus einer preußenkritischen Perspektive über den Kommandeur der Reichsarmee Friedrich von Sachsen-Hildburghausen77. Aufgrund der Verarbeitung von umfangreichem Aktenmaterial aus den Österreichischen Staatsarchiven kann es hinsichtlich der logistischen Probleme der Reichsarmee als fast unübertrefflich gelten. Als Ergänzung wird hier lediglich die umfassendere Berücksichtigung der preußischen Perspektive fungieren. Selbiges gilt auch für das minutiöse Werk des ehemaligen Archivars des Dresdner Stadtarchivs, Alfred Heinze, der die wichtigsten Ereignisse in der Stadt auf Basis der Ratsakten für den gesamten Siebenjährigen Krieg verzeichnet hat78. In der Zeit der Weimarer Republik entstanden vor allem Biographien über einige höhere Militärs der preußischen Armee, darunter eine über Feldmarschall Schwerin, eine über Hans-Joachim von Zieten und eine über Prinz Moritz zu Anhalt-Dessau79. Die Biographie über Feldmarschall Curd Christoph Graf von Schwerin, der schon in der Schlacht bei Prag am 6. Mai 1757 getötet wurde, stammt von seinem Nachfahren Detlof von Schwerin. Die Fußnoten seines Werkes lassen vermuten, dass er ebenfalls Zugang zu den Akten des Heeresarchivs in Potsdam und bestimmten Beständen des Geheimen Staatsarchivs in Berlin-Dahlem hatte, die dorthin ausgelagert wurden, sodass seine Arbeit noch immer besondere Beachtung verdient. Wie schon erwähnt, ist es in der Regel wichtig, bei der Literatur den Abgleich mit den archivalischen Quellen vorzunehmen, um festzustellen, inwiefern die Werke mit den Quellen übereinstimmen oder ob sie diesen zumindest nicht widersprechen. Weil die Situation in dieser Hinsicht zum Teil extrem schwierig ist und man an vielen Punkten immer wieder Gefahr läuft, quellenbasierte Informationen mit der Interpretation der Sekundärliteratur egal ob älteren oder neueren Datums zu vermischen, baut die vorliegende Arbeit zum allergrößten Teil auf Archivalien auf.
Leitfrage, Definitionen und Methode Wie sich vielleicht schon angedeutet hat, ergibt sich die Auswahl der Leitfrage zu einem beträchtlichen Teil aus dem Raster der Forschungslandschaft und einer schwierigen Quellenlage. Im Mittelpunkt soll aber letztlich die Frage stehen, wie sich die Logistik bzw. die Versorgung der Streitkräfte auf den Verlauf des Feldzuges, den Erfolg oder Misserfolg der militärischen Verbände bei ihren Operationen sowie die Handlungsspielräume der damaligen Befehlshaber auswirkten. Im Vordergrund wird dabei der Einfluss 77 Vgl. Brabant, Artur A., Das heilige römische Reich teutscher Nation im Kampf mit Friedrich dem Großen, Bd. 1: Joseph Friedrich, Herzog zu Sachsen-Hildburghausen, des Heiligen Römischen Reichs Teutscher Nation Generalissimus 1757. 78 Vgl. Heinze, Alfred, Dresden im Siebenjährigen Kriege. 79 Vgl. Schwerin, Detlof Graf von, Feldmarschall Schwerin. Ein Lebensbild aus Preußens großer Zeit, Preitz, Max, Prinz Moritz von Dessau im Siebenjährigen Kriege und Winter, Georg, Hans Joachim von Zieten: eine Biographie, 2 Bde.
Leitfrage, Definitionen und Methode51
der Verpflegung auf die Kampfkraft der Streitkräfte stehen, zumal dieser Aspekt in der damaligen Zeit noch große Probleme bereitete und daher von besonderer Brisanz war80. Der Begriff der Logistik oder um genauer zu sein, das Attribut logistikos stammt aus dem Griechischen und bedeutet so viel wie „geschickt im Kalkulieren“, was schon andeutet, dass Fragen der Berechnungen und der quantitativen Aspekte eine besondere Bedeutung in diesem Bereich der militärischen Organisation zukommt. Im Zusammenhang mit dem militärischen Nachschubwesen wurde der Begriff aber wohl erst im 17. Jahrhundert verwendet, obwohl damals eher die Termini Versorgung, Verpflegung, Proviant oder Fourage genannt wurden. Logistik spielt heute auch in der Betriebswirtschaft eine wichtige Rolle. Nahezu gänzlich unbedeutend waren für das 18. Jahrhundert damals noch jene Aspekte, die man aktuell als Produzenten- oder Produktionslogistik bezeichnet, welche sich vor allem mit der betriebsinternen Planung und Organisation befassen. Relevant waren für die damalige Zeit in erster Linie die Verbraucherlogistik oder jene Aspekte, die man heute auch unter den Begriffen Beschaffungs- und Distributionslogistik subsumiert, da sich diese Bereiche vor allem der Organisation einer möglichst zeitgerechten Beschaffung und Verteilung von Gütern widmen. Auch 2 andere begriffliche Differenzierungen waren im 18. Jahrhundert schon von erheblicher Bedeutung, nämlich die der Lager- und der Transportlogistik, denn auch damals mussten für militärische Zwecke enorme Mengen an Material gelagert und bewegt werden. Insofern ist nicht ganz zu Unrecht behauptet worden, es gehe bei logistischen Fragen vor allem um Material, Transport und Unterhaltung bzw. Instandsetzung81, was sicherlich insofern plausibel ist, als die materiellen Ressourcen auch im militärischen Bereich immer wieder an die richtigen Stellen transportiert werden müssen, um in diesem Fall etwas zu unterhalten oder wieder instand zu setzen, nämlich die Streitkräfte, um als Kampfinstrument in der Lage zu sein, den jeweiligen Konflikt mit Gewaltmitteln zu Gunsten einer Kriegspartei zu entscheiden. Die Streitkräfte der Vereinigten Staaten, die sich wohl rühmen dürfen, im 20. Jahrhundert die beeindruckendsten Leistungen auf dem Gebiet der Logistik erbracht zu haben, definierten diese zunächst als die Wissenschaft von der Bewegung, Unterbringung und Versorgung der Truppen, bevor dann Ende der 1950er Jahre eine umfassende Definition entstand, an der sich auch weitestgehend die der Bundeswehr orientierte82. Dieser zufolge ist die Logistik die Lehre von der Planung und Bereitstellung und vom Einsatz der für militärische Zwecke notwendigen Mittel und Dienstleistungen zur Unterstützung der Streitkräfte und / oder die Anwendung dieser Lehre, wobei sich die Funktionen auf Aspekte wie die Materialwirtschaft (Einführung, Planung, Bedarfsdeckung, Bewirtschaftung und Erhaltung), das Transport- und Ver80 In späteren Jahrhunderten, d. h. im 19. und 20. Jahrhundert, war die Verpflegungsproblematik deutlich geringer und andere Gesichtspunkte wie die Beschaffung von großen Waffen- und Munitionsmengen, aber auch der fossilen Treibstoffe sowie das Management aller industriell relevanten Ressourcen von größerer Bedeutung. In diesem Sinne reflektieren die jeweiligen logistischen Probleme auch den technischen Stand eines Zeitalters. 81 Vgl. Huston, James A., The Sinews of War: Army Logistics 1775–1953, Seite viii. 82 Vgl. ebd., Seite vii.
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kehrswesen sowie die Unterstützung durch den Sanitätsdienst erstrecken83. Man kann die vorangegangenen Definitionen wohl dahingehend vereinfachen, dass es bei logistischen Fragen fast immer darum geht, a) die Verteilung von Gütern zwischen bestimmten Orten, b) in relativ großen Mengen, c) in einer verhältnismäßig kurzen Zeit (und zu möglichst geringen Kosten) zu organisieren bzw. zu realisieren. Da der Umverteilungsaspekt bei fast allen logistischen Fragen die zentrale Rolle spielt, kommt von den zuvor genannten Bereichen dem Transportsektor die größte Bedeutung zu. Während zivile Logistiken typischerweise darauf ausgerichtet sind, ein Produkt oder eine bestimmte Dienstleistung bereitzustellen, richtet sich die militärische Logistik mittelbar auf die Einsatzfähigkeit der Streitkräfte, letztlich aber auf den Sieg, sprich den militärischen Erfolg84. Indem man sich nun vor allem mit dem Einfluss der Logistik auf die Kriegsführung beschäftigt, rückt man gemäß der heutigen Militärsoziologie einen stark quantifizierbaren und damit sehr objektiven Faktor der Kampfkraft in den Mittelpunkt der Betrachtung85. Überhaupt wird sich die Arbeit dahingehend verstehen, dass sie die offensichtlichsten Faktoren des militärischen Erfolges in den Mittelpunkt stellen wird, die bisher entweder als banal verkannt oder in ihrer Bedeutung völlig heruntergespielt wurden. So wurde der Einfluss der geographischen Gegebenheiten, der Ressourcenverteilung im Operationsraum und der Transportmittel in der Regel völlig unterschätzt. Andere Aspekte wurden sogar dezidiert verzerrt dargestellt, darunter in erster Linie die tatsächlichen Stärkeverhältnisse beider Seiten zu bestimmten Zeiten des Feldzuges. Vor allem die akkurate Bestimmung Letzterer ist aus logistischer Sicht aber von größter Bedeutung, weil die Größen der jeweiligen Verbände maßgeblich bestimmten, welchen Umfang der Versorgungsbedarf konkret annahm. Dies ist letztlich auch in operativer Hinsicht wichtig, weil es darum geht, was der Militärtheoretiker Jomini als die Logistik im militärischen Zusammenhang definiert hat, nämlich „die praktische Kunst, die Truppen im Feld zu bewegen“86. Dies weist auch auf das Manko der meisten bisherigen Arbeiten hin, nämlich dass es wenig Sinn ergibt, das Versorgungssystem nur in seiner Struktur darzustellen87, sondern dass es vor allem darum gehen muss zu zeigen, wie es in der Praxis mit den militärischen Operationen der kriegführenden Mächte interagierte und die Entscheidungen der Befehlshaber beeinflusste88. Mit dieser stark funktionalistischen Perspektive verlagert man den 83 Vgl.
Logistik, in: Logistische Begriffe der Bundeswehr (ZDv) 30 / 41. Huston, James, Sinews of War: Army Logistics 1775–1953, Seite 694. 85 Vgl. Oetting, Dirk, Gefechtswert und Motivation, Seite 41. 86 Siehe Jomini, Antoine-Henri Baron de, The Art of War, Seite 252. 87 Dies gilt nicht zuletzt auch für das Werk von Kennett Lee, The French Armies in the Seven Years War. Die Arbeit hätte viel gewinnen können, wenn die jeweiligen strukturellen Aspekte zumindest an einem umfassenderen Beispiel im operativen Kontext konkret illustriert worden wären. 88 Operationsgeschichtliche Studien sind in der deutschen Militärgeschichte äußerst selten, was nicht zuletzt auch damit zusammenhängt, dass man der militärischen Terminologie oder dem Militär als gesellschaftlicher Gruppe ablehnend gegenübersteht. Dabei ist fast unbestreitbar, dass die Operationsgeschichte auch viele der erforderlichen Hintergrundinformationen liefert, die für wei84 Vgl.
Leitfrage, Definitionen und Methode53
Schwerpunkt der Betrachtung weg von den Intentionen der damaligen Akteure hin zu den zur Verfügung stehenden Mitteln, weil hierbei die Hypothese zugrunde liegt, dass eher Letztere für den Erfolg oder Misserfolg in der Praxis wichtig waren. Anders ausgedrückt, es wird davon ausgegangen, dass die materiellen Ressourcen, die oft auch durch die geostrategische Lage bestimmt wurden, viel bedeutsamer waren als mentale, soziale und kulturelle Faktoren89. Dies heißt aber nicht, dass Aspekte wie die Konfession, der Adel oder die Herrschaftspraxis zur Unwichtigkeit oder gar Bedeutungslosigkeit verkommen. Obgleich nun das Zentrum der Arbeit im Bereich des Einflusses der Logistik liegen soll, wird es auch möglich sein, sporadisch solche Aspekte anzusprechen, die die heutige Militärwissenschaft unter dem Begriff der Basisüberzeugungen subsumiert, in denen sich der Glaube an die Legitimität und der gesellschaftlichen Unterstützung des militärischen Engagements manifestiert. Damit wäre nach den Kategorien des 20. Jahrhunderts eine bestimmte Ideologie oder Politik zu verstehen, bezogen auf die Verhältnisse der Frühen Neuzeit dürfte vor allem der Religion bzw. der jeweiligen Konfession eine solche Rolle zufallen. Insofern scheint es ratsam zu sein, auch diesen Aspekt nicht ganz aus dem Auge zu verlieren und zumindest in den Schlussfolgerungen darauf flankierend einzugehen. Letzteres ist auch dem Umstand geschuldet, dass die Quellenevidenz diesbezüglich alles andere als breit ist. Grundsätzlich ist dies natürlich höchst problematisch, weil fest davon auszugehen ist, dass es sich um einen sehr einflussreichen Faktor in der historischen Realität der Frühen Neuzeit handelte, die vor jeder anderen Epoche der Geschichte als das Zeitalter gelten kann, in dem den Konfessionen die größte gesellschaftliche und politische Bedeutung zukam. Das erste Kapitel der Arbeit wird sich zunächst damit beschäftigen, welche Bedeutung der Logistik für die Kriegsführung in den späteren Geschichtsbildern zukam, welcher Stellenwert ihr von der heutigen Literatur beigemessen wird und wie die zeitgenössischen Militärs ihn einstuften. Das Geschichtsbild des Großen Generalstabes dient dabei als Ausgangspunkt, zumal es in erster Linie der Taktik und der persönlichen Feldherrnkunst König Friedrichs als entscheidenden Faktoren im Deutungsmuster der Vernichtungsschlachtentheorie huldigte, im Gegenzug die Bedeutung der Versorgung ignorierte und zudem eine gänzlich falsche Zahlenarithmetik etablierte. Daher soll dieses Bild wie gesagt einer ausführlichen Kritik unterzogen werden. Unter Rückgriff auf die aktuelle Forschungsliteratur aus dem angloamerikanischen Raum wird sich auch zeigen, wie wichtig logistische Aspekte auch für die taktische Effizienz der damaligen Zeit waren. Bestätigen werden dies in zweiter Instanz auch die Zeitgenossen des 18. Jahrhunderts, die auch die besondere Bedeutung der Verpflegung im Bereich der Versorgung hervorhoben. Das zweite Kapitel beinhaltet dann eine ausführliche Beschreibung des logistischen Systems, primär aus preußischer Sicht, wird aber bisweilen auch immer wieder den Vertere sozial- oder kulturgeschichtliche Studien unabdingbar sind. Vgl. Neitzel, Sönke, Militärgeschichte ohne Krieg?, Seite 293 und 302. 89 In diesem Sinne argumentiert auch Wilhelm Bringmann, obgleich ihm langfristig der finan zielle Aspekt wichtiger als der logistische erscheint. Vgl. ders., Friedrich der Große. Ein Porträt, Seite 384–389.
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gleich mit den österreichischen Strukturen suchen, um die Unterschiede beider Systeme klarer hervortreten zu lassen. Um einen groben Überblick zu gewinnen, stehen zu Beginn die Organisation der Versorgung bzw. des Nachschubs im Mittelpunkt. Danach werden die Verpflegungsanforderungen der Armeen mit dem jeweils aus ihnen resultierenden hohen Naturalienbedarf vergleichend für die Österreicher und Preußen dargestellt, bevor dann kurz auf die zeitgenössischen Maßeinheiten eingegangen wird, die eigentlich eine Wissenschaft für sich sind. Anschließend werden das damals so bedeutsame Magazinwesen, die Truppenverpflegung mit dem Bäckereiwesen und die übrige Lebensmittelbeschaffung dargestellt. Eine ausführliche Berücksichtigung verdient auch das komplexe Thema der Pferdeverpflegung, sein Einfluss auf die Pferdekrankheiten und das Reservoir des damit verbundenen Pferdeersatzes. Danach werden kurz die anderen Aspekte des Versorgungssystems wie die Beschaffung der Waffen, der Munition und der Kleidung erläutert. Der letzte Abschnitt dieses Kapitels widmet sich dann den Transportmitteln der Zeit, da diese für die Mobilisierung aller Versorgungsgüter von großer Bedeutung waren, zumal die konkreten Kapazitäten der Wagen und Schiffe sowie die jeweils verfügbaren Stückzahlen einen enormen Einfluss auf die Wirkungsmächtigkeit hatten, welche die Ressourcen des Hinterlandes auf dem Operationsschauplatz zu entfalten vermochten. Entfallen wird jedoch ein Kapitel zu den finanziellen Aspekten, weil sich hierzu kaum genügend summarische Daten finden lassen, sie schwer mit den realwirtschaftlichen Gütern in Beziehung zu setzen sind und darüber hinaus zu vermuten steht, dass die güterbezogene Perspektive ohnehin die aufschlussreichere ist. Ausgelassen ist in diesem Teil auch ein Kapitel über das Sanitätswesen, was einerseits mit dem Umstand zusammenhängt, dass sich hierüber aufgrund der zeitgenössischen Quellen nur schwer eine konsistente Sichtweise entwickeln lässt und dem Autor selbst die medizinischen Fachkenntnisse fehlen, um diese aufgrund des heutigen Kenntnisstandes herzustellen und so auf Grundlage der damaligen Indizien ein plausibles Bild in dieser Frage zu zeichnen. Anschließen wird sich dann ein drittes Kapitel über die praktischen Einflussfaktoren, wobei sich der erste Abschnitt auf breiter statistischer Basis mit der Verteilung der wichtigsten Ressourcen im Operationsraum Sachsen-Böhmen-Schlesien befasst. Hierzu zählten neben der Bevölkerung, den Ernteerträgen und Viehbeständen auch die Lager- und Produktionskapazitäten für Lebensmittel und Waffen sowie die vorhandenen Transportmittel. Der andere Abschnitt widmet sich dann dem Einfluss der geographischen Gegebenheiten. Abgerundet werden diese 2 Kapitel und damit der erste Teil der Arbeit durch ein Zwischenfazit, das dazu dienen soll, sich in einer kurzen Rekapitulation zu vergegenwärtigen, wie die Chancen für die Kriegsführung der Preußen und Österreicher gemessen an den strukturellen Bedingungen und der konkreten Ressourcenverteilung aussahen. Der vierte Teil wendet sich dann der ausführlichen Rekonstruktion der Operationen und jeweiligen Versorgungslagen während des Feldzugjahres 1757 zu. Dabei werden in 8 Abschnitten die Operationen beider Seiten vergleichend dargestellt90, wobei der Fest90 Einschlägige Vorbilder der komparativen Methode im operativen Kontext sind für den Zweiten Weltkrieg Frieser, Karl-Heinz, Blitzkrieglegende, Seite 192–266 und für die Frühe Neuzeit Huston, James A., The Logistics of Liberty, Seite 79–103. Wichtig ist in beiden Fällen, dass deut-
Leitfrage, Definitionen und Methode55
stellung der jeweiligen Verbandsstärken besonderes Augenmerk gilt, da sich aus diesen jeweils der konkret zu deckende Bedarf an Lebensmitteln ergibt, der sich über die standardisierten Portions- und Rationsmengen ermitteln lässt. Bei ihren Etats planten die Preußen diesbezüglich für ihre Soldaten offenbar eine kleine Karenz ein, sodass im Durchschnitt eine Differenz von 5 % zur avisierten Truppenstärke auftrat. Deutlich größer war dieser Versatz bei den Pferden der Kavallerieeinheiten, wo die Abweichung durchschnittlich ca. 10 % betrug. Dennoch soll ausgehend von Rations- und Portionssätzen gezeigt werden, aus welchen Quellen die Deckung der Bedarfsanforderungen erfolgte und wie dies die militärischen Operationen, die Einsatzfähigkeit der Truppen und die Entscheidungen der Befehlshaber bestimmte. Angestrebt wird hier die Verknüpfung der organisatorischen mit einer phänomenalen Perspektive, um so nach Möglichkeit den Zusammenhang zwischen logistischer Ursache und den Wirkungen im Feldzug und im Gefecht aufzuzeigen. Allerdings bleibt schon vorweg anzumerken, dass es dabei in erster Linie um die Darstellung von Ausfallerscheinungen gehen wird, die vor allem bei der operativ benachteiligten oder unterlegenen Seite auftraten. Dies erklärt aber, warum die Berücksichtigung beider Seiten so wichtig ist, auch wenn die Resultate für die logistisch überlegene Kriegspartei bisweilen unspektakulärer sein werden, weil eine gut funktionierende Versorgung über die Gewährleistung der vollen Einsatzbereitschaft der Streitkräfte keine weitere Leistung erbringt. Es wird sich jedoch immer wieder zeigen, welche enorme Herausforderung schon die Erfüllung dieses Solls darstellte und wie oft die Kriegsparteien an dieser Mammutaufgabe scheiterten. Die Rekonstruktion der Operationen und der involvierten Truppenstärken ist auf der österreichischen Seite aufgrund der guten Quellenlage recht unproblematisch. Die größte Schwierigkeit besteht hier am ehesten darin, dass die Österreicher in ihren zusammenfassenden Aufstellungen oftmals die leichten Truppen, d. h. die Husaren und kroatischen Grenz- und Miliztruppen, nicht mitberücksichtigten, weshalb die Angaben immer mit Angaben der Befehlshaber der Verbände abzugleichen sind. Abgesehen davon verwendete die österreichische Armee wenigstens 3 unterschiedliche Kategorien zur Angabe ihrer Truppenstärken, nämlich den effektiven Stand, den Loco-Stand und den dienstbaren Stand. Zusätzlich gab es auch noch den kompletten Stand, der aber eine völlig theoretische Größe gewesen zu sein scheint, die für die Betrachtungen in dieser Studie, die sich auf die Evaluation der Truppenstärken im Feld fokussiert, im Grunde irrelevant ist. Von den anderen Stärkeangaben entspricht auf österreichischer Seite der Effektiv-Stand gewissermaßen der Menge an Truppen, die man optimalerweise im Operationsgebiet erwarten konnte91. Die tatsächlich vor Ort vorhandenen Truppen wiesen die Österreicher durch den sogenannten Loco-Stand aus92. Die Differenz zwischen dem Loco-Stand und dem effektiven Stand bildeten die sogenannten Kommandierten, die für diverse Aufgalich wird, dass die Fehler der einen Kriegspartei und das Funktionieren der verfeindeten Streitkräfte im Sinne der Aufrechterhaltung einer durchschnittlichen Kampfkraft oder Leistungsfähigkeit oftmals maßgeblich für den militärischen Erfolg sind. 91 Zu einer ganz ähnlichen Charakterisierung vgl. Duffy, Christopher, Sieben Jahre Krieg 1756–1763 – Die Armee Maria Theresias, Seite 127. 92 Vgl. ebd.
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ben wie der Besetzung bestimmter Plätze, aber wohl auch für Rekruten- und Krankentransporte oder Train- und Gefangenenbewachung von ihren Einheiten abgestellt wurden93. Sofern sie sich räumlich nicht zu weit von ihren Einheiten entfernt hatten, konnten diese theoretisch für Gefechtsaufgaben wieder mobilisiert werden. Allerdings waren diese Kontingente bei den Österreichern in der Regel recht weit entfernt von ihren Einheiten im Operationsraum und zum Teil sogar im gesamten Herrschaftsgebiet der Habsburger verteilt. Relevant für die Kalkulation des Verpflegungsbedarfs dürften also nur die tatsächlich vor Ort vorhandenen Truppen gewesen sein, sprich der sogenannte LocoStand. Allerdings entsprach dieser noch nicht einmal der Anzahl an Truppen, die man als einsatzfähig einstufte, denn es gab auch immer noch eine bestimmte Anzahl von Undienstbaren, die aus bestimmten Gründen wie üblicherweise Verletzungen oder Krankheiten nicht in der Lage waren, den Dienst zu versehen. Die Anzahl der Soldaten, die man letztlich als gefechtsfähig ansah, wurde mit dem sogenannten dienstbaren Stand klassifiziert94. Während die Differenz zwischen dem effektiven Stand und dem LocoStand quantitativ gesehen um die 30 % betrug, war der Unterschied zwischen dem LocoStand und dem dienstbaren Stand mit 5 % zumeist deutlich geringer. Schwieriger gestaltet sich die Ermittlung der Truppenstärken auf preußischer Seite, denn es stehen nur noch sehr wenige Listen zur Verfügung, die die Stärke der preußischen Kontingente während der unterschiedlichen Feldzugsphasen im Jahr 1757 dokumentieren. Im Unterschied zu den österreichischen Formaten gab es bei den Preußen im Wesentlichen nur 2 wichtige Stärkeangaben, nämlich den effektiven Sollstand und den Stand der effektiv zum Dienst Verbliebenen. Ersterer wurde jeweils ganz links und Letzterer ganz rechts in den Tabellen verzeichnet, während dazwischen die Abgänge durch die Kranken, Verwundeten, Kommandierten und sonstig Fehlenden, die Manquierenden, zur Erfassung kamen95. Da die Listen in der Regel unterschrieben und datiert sind, können sie sicherlich mit Abstand als die besten Quellen zur Feststellung der faktischen Verbandsstärken während des Feldzugs gelten. Bisweilen gibt es auf preußischer Seite auch nicht unterschriebene Tages- oder Verlustlisten. Solange sie aber mit den solideren Quellen nicht in Widerspruch stehen, dürften keine Bedenken bestehen, diese ebenfalls mit zu berücksichtigen. Neben den Stärkeangaben in den Listen finden sich auch noch Hinweise in den Briefwechseln der preußischen Befehlshaber, die es zu berücksichtigen gilt. Zusätzlich kann man aber auch die Aufklärungsberichte der österreichischen Kontrahenten heranziehen, sofern sie eine große zeitliche und räumliche Nähe zum Betrachtungsobjekt aufweisen. Selbiges gilt auch für die Aktenstücke aus den Regional- und 93 Aufgrund ihres immensen quantitativen Anteils in den Streitkräften der Habsburger wären die Kommandierten, ihre Aufgaben und nicht zuletzt auch ihre Aufenthaltsorte sowie der daraus entspringende Einfluss auf die Stärke der österreichischen Streitmacht eigentlich eine eigenständige Untersuchung wert. 94 Vgl. hierzu erneut Duffy, Christopher, Sieben Jahre Krieg 1756–1763 – Die Armee Maria Theresias, Seite 127. 95 Zu typischen Beispielen dieser Tabelle siehe LASA, DE, Z44 Abt. Dessau, A 9b VIb, Nr. 10, Bd. V (Verschiedene Militaria aus des Fürsten Moritz von Anhalt in preußigen Jaare 1757), Blatt 16, 18, 20, 21, 23, 24, 26, 30, 34, 36, 38, 160 und 161, jeweils Vorderseite.
Leitfrage, Definitionen und Methode57
Lokalarchiven, unter denen sich zum Teil auch sehr einschlägige Aktenstücke preußischer Generäle finden. Obwohl nun einige dieser Quellen vorhanden sind, verbleiben für die Rekonstruktion noch immer bedeutende Lücken. In indirekter Hinsicht gibt es 2 Möglichkeiten, um die Stärke der Truppen zu bestimmen. Die erste besteht darin, sich an der jeweiligen Anzahl der Infanteriebataillone und Kavallerieeskadrons zu orientieren, die durch das Gaudi’sche Journal gut belegt sind, um dann mittels der realen Stärken der Einheiten, die sich aus den Listen für bestimmte Perioden des Feldzuges entnehmen lassen, Rückschlüsse auf die Stärke der jeweiligen Gesamtkontingente zu ziehen. Man rechnet also anhand einzelner Einheiten letztlich die Verbandsstärke hoch. Die zweite Variante besteht darin, ausgehend von den direkten Angaben in den Quellen verschiedenster Provenienz, darunter auch den authentischsten Berichten aus den Landes- und Stadtarchiven, die Verbandsstärken für jene Zeiträume zu ermitteln, die nicht durch die Listen oder die Angaben der Befehlshaber belegt sind. Durch die Kombination beider Ansätze entsteht so ein Verfahren, das man vielleicht als eine Art triangulative Extra polation bezeichnen könnte, das bisweilen auch nur Näherungswerte für die Stärke der preußischen Truppen liefern kann, aber dennoch plausibler und genauer sein dürfte als alle bisherigen Kalkulationen der Forschungsliteratur. In jedem Fall müssen diese extrapolierten Werte ein kohärentes Bild mit jenen Angaben ergeben, die sich direkt aus den Quellen, d. h. vor allem den Stärkelisten der Befehlshaber erschließen lassen, sodass sich letztlich eine plausible Gesamtentwicklung über das gesamte Kriegsjahr ergibt. Grundsätzlich üben dabei die besten Quellen in Gestalt der jeweiligen Tageslisten oder der direkten Auskünfte in den Korrespondenzen einen Anpassungsdruck auf die weniger verlässlichen Quellen aus, der inhaltlich durch die sachliche Relevanz, die zeitliche Nähe, die personelle Autorität und nicht zuletzt auch den jeweiligen Kontext begründet ist. Letzteres kann z. B. bedeuten, dass bei gleicher zeitlicher und räumlicher Nähe zum zu bewertenden Ereignis ein Bericht eines Soldaten über die Vorgänge in einer Schlacht relevanter ist als die eines Zivilbeamten, dafür können die Auskünfte eines Ministers oder Kriegskommissars natürlich einschlägiger hinsichtlich der Verpflegungssituation zu diesem Zeitpunkt sein. Während zumindest auf preußischer Seite die Rekonstruktion der Truppenstärke in den einzelnen Phasen des Feldzuges extrem kompliziert ist, stellt sich die Ermittlung des jeweiligen Versorgungs-, d. h. vor allem des Verpflegungsbedarfs für Mensch und Tier relativ einfach dar, denn über die standardisierten Portions- und Rationssätze lässt sich der erforderliche Bedarf pro Tag bei einer bestimmten Verbandsstärke in- und exklusive der üblichen Karenzen für die Soldaten und Pferde relativ einfach kalkulieren. Zur Deckung dieser Anforderungen standen nun verschiedene Quellen zur Verfügung. In erster Linie lässt sich anhand der jeweiligen Magazinbestände zu bestimmten Zeiten ermitteln, wie lange diese die Versorgung der jeweiligen Truppenmenge ermöglichten. Im Grunde wird auf diese Weise auch bei den anderen Bezugsquellen verfahren werden, nämlich den Lieferungen, die den Verbänden auf der Grundlage von Ausschreibungen zugehen sollten, sowie den Fouragierungsmengen, die die Truppen sich beschafften. Dabei ist der letztgenannte Aspekt, also die Zwangsbeschaffung durch die Truppen, derjenige, bei dem die Kenntnis der lokalen Ressourcen die größte Rolle spielte, weil der Zugriff in der
58 Einleitung
Regel immer in der unmittelbaren Umgebung erfolgte. Anhand der jeweils vorhandenen, gelieferten oder beschafften Mengen und des Tagesbedarfs der Verbände sollte sich dann zumindest hinsichtlich der Verpflegungslage ein relativ genaues Bild für beide Seiten zeichnen lassen. Dabei werden die Kalkulationen noch durch die unmittelbaren Berichte der militärischen Befehlshaber und der zivilen Beamten, die ebenfalls mit den Versorgungsfragen befasst waren, ergänzt. Auf diese Weise sollte sich über ein ganzes Jahr und speziell vor dem Hintergrund der vorfallenden Gefechte abzeichnen, welchen Einfluss die Versorgungssituation auf deren Ausgang ausübte und so auch einen wesentlichen Beitrag zur besseren Erklärung von Sieg und Niederlage in den Gefechten und Handlungsmöglichkeiten und Entscheidungen der militärischen Befehlshaber leisten. Natürlich wird man hierbei nicht nur bei den Verpflegungsmengen, sondern auch bei der Erläuterung des Einflusses der Transportmittel und ihrer Kapazitäten sehr viel Zahlenmaterial heranziehen müssen. Damit bricht man zwar mit dem ehernen Gesetz, dem Leser nicht zu viel Zahlenmaterial zuzumuten, das Thema der Logistik selbst und noch mehr seine Betrachtung im operativen Kontext schienen dies aber nahezu notwendigerweise zu implizieren. Ein wenig werden hoffentlich die tabellarischen Darstellungen bei den Magazinbeständen dazu beitragen, der Unmenge an Zahlenmaterial und Details etwas mehr Übersichtlichkeit zu verleihen. Dennoch mag vielleicht die Frage aufkommen, ob eine derart positivistische Darstellung zwingend notwendig ist. Das wichtigste Argument, das dafür spricht, sind die teils widersprüchlichen, teils subtil verzerrenden, unzureichend genauen oder falsch kontextualisierten Angaben, die vor allem im Rahmen der Aufarbeitung durch den Großen Generalstab entstanden sind, sodass man Gefahr läuft, bei der Rekonstruktion der Feldzugsereignisse fast jeden Einzelaspekt in einen ungenauen oder fehlerhaften Zusammenhang zu bringen. Unabhängig davon sprechen aber mindestens 2 weitere Erwägungen für die minutiöse Abhandlung dieser Gesichtspunkte, nämlich die Tatsache, dass man so auch eine Art literarisches Backup für bestimmte Quellen schafft, und der Umstand, dass abstraktere Geschichtsbilder eventuell einfacher und stringenter zu vermitteln sind, aber dafür häufig referentiell nicht transparent genug dokumentieren, woher viele der Informationen im Fließtext stammen und in welchem Maße sie den eigentlichen Gehalt des Aktenmaterials oder schon dessen Interpretation widerspiegeln. Hinzu kommt, dass man in der Regel zwar vom Konkreten in der historischen Realität auf das Abstrakte schließen kann. Die umgekehrte gedankliche Operation ist meistens aber nicht nur schwieriger, sondern auch unplausibel. Mit einer vermeintlich so positivistischen Herangehensweise wie in den Fallstudien, die extrem dicht am Quellenmaterial operieren, und zwar dergestalt, dass sie immer nur Zusammenfassungen oder eine Umformulierung der jeweiligen Originalpassagen darstellen, dürfte dieses Problem nicht auftreten. Im Gegenteil, es sollte teilweise schon durch die Strukturierung der Kapitel und Abschnitte deutlich werden, welche Informationen sich unmittelbar aus den Quellen, die zu 95 % faktischer und nicht normativer Art sind, ergeben und welche Textbereiche eher weiterführende Interpretationen und Schlussfolgerungen enthalten. Obwohl die Fallstudie zum Jahr 1757 jener Teil sein wird, auf den dies in erster Linie zutrifft, werden auch die Teile über die Kernelemente der Heeresversorgung und zu den Ressourcen des Operationsraumes überwiegend auf Pri-
Leitfrage, Definitionen und Methode59
märquellen beruhen. Im Detail werden aber immer die jeweiligen Fußnoten zur Herkunft der Angaben den Aufschluss geben. Die Konsultation Letzterer ist in dieser Frage ohnehin erforderlich, da auch der fünfte Teil etwas thesenhafter ausfallen wird, zumal die Österreicher selbst ihre Schlussfolgerungen zum Kriegsjahr 1757 in dieser Weise formulierten. Er gliedert sich in die Bemerkungen zur Bedeutung der Logistik für die Kampfhandlungen, zur Funktionsweise des logistischen Systems in der Praxis und zu den anderen Einflussfaktoren auf die Kriegsführung. Wie sich zeigen wird, zählte hierzu auch die Kommunikation, der daher ein Extrakapitel gewidmet ist. Der Schlussteil stellt dann in einem etwas breiteren Kontext, der nicht zuletzt auch der weniger dichten Quellenlage geschuldet ist, dar, welche Praktiken die preußische Armee in taktischer, logistischer und strategisch-operativer Hinsicht befähigten, auch die nächsten 5 Jahre des Siebenjährigen Krieges zu bewältigen. Die primäre Referenzbasis ist der Satz. Falls mehrere Fußnoten im Satz auftauchen, beziehen sie sich auf die Information im Halbsatz zuvor. Ansonsten wird darauf hingewiesen, wenn sich die Fußnote auf einen ganzen Absatz bezieht. Die Zahlen sind normalerweise wegen der großen Menge an Zahlenmaterial in Form von Ziffern dargestellt. Dies gilt auch für Wortkombinationen mit dem Suffix „‑fach“, was dazu dienen soll, kognitiv leichter die Relationen zwischen bestimmten Zahlenangaben herzustellen. Lediglich Ordnungszahlen sind ausgeschrieben. Die Gestaltung der Fußnoten erfolgte so genau wie möglich und unter dem Gesichtspunkt einer möglichst schnellen Wiederauffindbarkeit. Dies hat zwar eine recht starke Uneinheitlichkeit zur Folge, aber gänzliche Einheitlichkeit ist ohnehin nicht zu gewährleisten, weil entweder nicht alle Archivalien folierte Blattangaben aufweisen oder sie sich wie im Fall der edierten Quellen nicht durchweg nach dem Ort- / Zeitformat zitieren lassen.
I. Teil
Das Bild der friderizianischen Kriegsführung und die Bedeutung der Logistik I.1. Das traditionelle Bild der friderizianischen Kriegsführung Das traditionelle Bild von der friderizianischen Kriegsführung wurde bis zum heutigen Tag häufig im Rahmen der Biographien über König Friedrich II. verbreitet. Eine der jüngsten Biographien von Johannes Kunisch, „Friedrich der Große – Der König und seine Zeit“, vermittelt dabei immer noch das Bild, wonach die preußische Armee im Jahr 1757 ihren Gegnern trotz personeller und materieller Unterlegenheit Widerstand zu leisten vermochte, weil sie zunehmend aus Landeskindern bestand, die weniger anfällig für Desertion waren, während sich der König vor allem durch seine Standhaftigkeit bei militärischen Unglücken auszeichnete1. Darüber hinaus vertrat Kunisch die These, dass über die Dauer des Siebenjährigen Krieges vor allem Friedrichs Stellung als König und Feldherr in einer Person, als roi connetable, ihn befähigte, mit unumstrittener Autorität als oberster Befehlshaber die Ressourcen des Staates konsequenter für die Armee einzusetzen und die Fehler seiner Gegner durch riskantere Entscheidungen besser auszunutzen2. Nicht zuletzt war es nach Kunisch auch das Charisma des Königs, das einen starken motivierenden Einfluss auf die Truppen und seine Kommandeure ausübte3. Auf viele der von Kunisch benannten Faktoren hatte schon die 25 Jahre ältere Biographie von Theodor Schieder hingewiesen. Auch er hatte die Auffassung vertreten, dass Preußen im Siebenjährigen Krieg ein materiell und bevölkerungsmäßig unterlegenes Land war4, aber aufgrund der Unterstützung durch bestimmte Gruppen, besonderer Geisteshaltungen und der außerordentlichen persönlichen Fähigkeiten des Königs überleben konnte. Vor allem waren es nach Schieder die Opferbereitschaft des Offizierskorps, das Ehrbewusstsein des Adels, das als Staatsethik auch das Gemeinwesen prägte, die Unterstützung der protestantischen Kirche und der Beamtenschaft, die gepaart mit dem Charisma und dem militärischen Genie des Königs das Überleben ermöglichten5. Während in diesen neueren Biographien schon mehrere Aspekte und ein größerer Personenkreis wie die Soldaten, das Offizierskorps und die Beamtenschaft als kriegsentKunisch, Johannes, Friedrich der Große. Der König und seine Zeit, Seite 372 und 383. ebd., Seite 433–434. 3 Vgl. ebd., Seite 424. 4 Vgl. Schieder, Theodor, Friedrich der Große, Seite 190. 5 Vgl. ebd., Seite 184 und 212 f. 1 Vgl. 2 Vgl.
I.1. Das traditionelle Bild der friderizianischen Kriegsführung 61
scheidende Faktoren benannt werden, verorteten die älteren Biographien wie jene von Gerhard Ritter und Reinhold Koser noch stärker die persönlichen Charaktereigenschaften des Königs als wichtige Gründe für das Überleben des preußischen Staates. So erwähnte Ritter nicht zuletzt, dass dem preußischen Heer nach den ersten 3 Kriegsjahren durch die Aushebungen an Landeskindern und zwangsrekrutierten Soldaten aus den Nachbarstaaten nicht mehr der gleiche Geist, der Drill und die Fronterfahrung der alten Truppen innewohnte6. Stattdessen, so Ritter, habe der König „[…] auf dem Höhepunkt des Krieges in der berühmten Anrede an seine Offiziere am Vorabend der Leuthener Schlacht […] es verstanden, den Zauber seiner ganzen Führungspersönlichkeit ganz unmittelbar anfeuernd wirken zu lassen“7. Vor allem erscheint der König im Werk Ritters als entschlossener Planer und Weiterentwickler in der Zwischenkriegszeit im Zenit seiner Schaffenskraft, obgleich er die diplomatischen Entwicklungen bezüglich des Siebenjährigen Krieges falsch einschätzte8. Im Krieg waren es dann angeblich seine Bereitschaft, die Strapazen seiner Soldaten auf den Feldzügen zu teilen, sowie die Standhaftigkeit und Pflichterfüllung, die ihn nach den militärischen Rückschlägen von Kolin oder Kunersdorf auszeichneten9. Gerade diese persönlichen Eigenschaften: Standhaftigkeit und Pflichterfüllung hatte schon Reinhold Koser in seiner umfangreichen Biographie ausführlich gepriesen10. Auch das Werk des Großen Generalstabs über die Kriege Friedrichs des Großen nahm diese Deutung in sein Repertoire auf. „So behauptete das Generalstabswerk recht dreist, die Moral des obersten Kriegsherren sei entscheidend für den Ausgang des Siebenjährigen Krieges gewesen. Als den wichtigsten moralischen Faktor nannte es die Seelenstärke des Königs […] kurz und gut, die Schuld für solche Niederlagen wie bei Kolin und Breslau trugen die Truppen, während Seine Majestät die Siege bei Leuthen oder Zorndorf errang. Unter diesem Gesichtspunkt wurden selbst die preußische Gefechtstaktik, die Uneinigkeit der Gegner Friedrichs II. oder der 1761 erfolgte Wechsel in der russischen Politik als sekundäre Dinge hingestellt“11.
Natürlich war ein gewisser Personenkult schon in erheblichem Maße dem Format der Biographien selbst geschuldet, in denen die Charakteristik und Probleme der friderizianischen Kriegsführung dennoch nie ganz in Vergessenheit gerieten. So erwähnt auch Kunisch, dass der Faktor der Ressourcenverteilung genauso wie die Beschaffenheit des Geländes im Operationsraum aus Sicht der Zeitgenossen entscheidenden Einfluss auf taktische und strategische Erwägungen hatten und die Friktionen der gegnerischen Seite die Preußen maßgeblich begünstigten12. Auch Schieder hatte in seinem Buch auf das Problem der sich erschöpfenden Ressourcen in den späteren Kriegsjahren hingewiesen. Ritter, Gerhard, Friedrich der Große, Seite 144 f. Seite 145. 8 Vgl. ebd., 118–127. 9 Vgl. ebd., Seite 140 und 146–149. 10 Vgl. Koser, Reinhold, König Friedrich der Große. Siebentes Buch: Drei Offensivfeldzüge 1756–1758, Rückblick und Ausblick. 11 Brühl, Reinhard, Militärgeschichte und Kriegspolitik, Seite 63. 12 Vgl. Kunisch, Johannes, Friedrich der Große – Der König und seine Zeit, Seite 336 und 342 f. 6 Vgl.
7 Ebd.,
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I. Teil: Das Bild der friderizianischen Kriegsführung
Er sprach auch an, wie verhängnisvoll sich die Entscheidungen des Königs im Kriegsjahr 1757 auswirkten, als man bei Prag und Kolin die strategische Initiative errungen hatte, und wie überraschend günstig sich die Lage entwickelte, als die Preußen bei Rossbach und Leuthen mit dem Rücken zur Wand standen13. Auch Gerhard Ritter ging in seinem Werk bisweilen sehr eindringlich auf die wesentlichen Elemente der friderizianischen Kriegsführung ein, darunter die Magazinabhängigkeit, die Bedeutung der Flüsse als Hauptnachschublinien sowie die enormen Probleme bei der Pferdeversorgung14. Noch stärker hat unlängst Peter-Michael Hahn darauf hingewiesen, wie sehr diese strukturellen Faktoren sein Handeln bestimmten, während die Überbetonung seiner persönlichen Stärken, vor allem die aber Nichterwähnung der körperlichen Schwächen und ihrer Konsequenzen, sehr zur Verfestigung des Mythos als großem Feldherrn beitrugen15. Andererseits wurde auch zu Recht darauf aufmerksam gemacht, dass seine Präsenz im Feld ihm trotzdem Vorteile wie im Bereich der Kommunikation verschaffte, worauf gegen Ende der Arbeit genauer zurückzukommen sein wird16. Vor allem logistische und strategische Aspekte wurden in ihrer Bedeutsamkeit völlig unterschätzt, weil Theodor von Bernhardi die Kriegsführung Friedrichs als eine fortschrittlichere Herangehensweise an den Krieg in der Manier von Vernichtungsschlachten gedeutet hatte. „Da tritt uns nun vor allem als charakteristisch entgegen, was, wenn wir nicht irren, nicht immer seiner vollen Bedeutung nach erwogen und gewürdigt worden ist, und zumal von seinen Zeitgenossen nicht, die es vielmehr gar nicht gewahr wurden. Der Umstand nämlich, dass alle Schlachten Friedrichs des Großen – natürlich mit Ausnahme derer, die sich aus zufälligen Zusammentreffen ergaben, wie bei Lowositz und Lignitz und diejenigen, in der er angegriffen wurde, wie bei Hochkirch – auf Vernichtungsschlachten angelegt waren. Es war in jeder der von ihm geplanten Schlacht bei weitem entschiedener als in irgendeiner der Dispositionen Napo leons auf gänzliche Zertrümmerung des feindlichen Heeres abgesehen“17.
Wie von Schieder richtig erkannt, verdankte sich diese Deutung vor allem dem ungeheuren Einfluss, den das napoleonische Beispiel auf das militärische Denken des 19. Jahrhunderts ausgeübt hatte. Noch lang galt in dieser Zeit Napoleons Kriegsführung als Vorbild, deren prägendes Merkmal auch laut den heutigen Überblickswerken das Streben nach der Entscheidungsschlacht war18. Wahrscheinlich versuchte Bernhardi im Zeitalter des Nationalismus, die Verdienste des preußischen Königs als vollendeter Feldherr höher zu preisen als die eines ausländischen Parvenüs, damit dieser seiner Rolle als vermeintlicher Vorkämpfer der preußisch-deutschen Nation gerecht werden konnte19. Die Kriegsführung Napoleons trug wohl auch dazu bei, das Konzept der sogenannten „inneren Linie“ zu betonen, das im Gegensatz zu den Geländehindernissen viel häufiger als einer der 13 Schieder,
Theodor, Friedrich der Große, Seite 191 f. Ritter, Gerhard, Friedrich der Große, Seite 166 f. 15 Vgl. Hahn, Peter-Michael, Friedrich II. von Preußen, Seite 131–145. 16 Vgl. Göse, Frank, Friedrich der Große: Vom Werden eines Mythos, Seite 52. 17 Bernhardi, Theodor von, Friedrich der Große als Feldherr, Bd. 1, Seite 17. 18 Vgl. Rothenberg, Gunther, Die Napoleonischen Kriege, Seite 210–213. 19 Vgl. Bernhardi, Theodor von, Friedrich der Große als Feldherr, Bd. 1, Seite 18. 14 Vgl.
I.1. Das traditionelle Bild der friderizianischen Kriegsführung 63
wichtigen Faktoren in den Überblickswerken für das militärische Überleben der Preußen gerade in der zweiten Hälfte des Siebenjährigen Krieges benannt wird20. Dieses geometrische Prinzip verstellt aber den Blick darauf, wie groß aus logistischer Sicht der Einfluss war, den Flüsse und Berge oder auch die Weite des Raumes unter den technisch-organisatorischen Voraussetzungen der Frühen Neuzeit auf die Kriegsführung ausübten. Die Tatsache, dass sich auch unter den Zeitgenossen des 19. Jahrhunderts hierfür kein Bewusstsein ausgebildet hatte, hing möglicherweise damit zusammen, dass die logistischen Grundlagen seiner Feldzüge lange Zeit nicht erforscht wurden21. Überhaupt schienen logistische Erwägungen bei den Kampfhandlungen keine große Rolle mehr zu spielen22. Auch der Umstand, dass der berühmteste Kriegstheoretiker des 19. Jahrhunderts, Carl von Clausewitz, in seinem Hauptwerk „Vom Kriege“ logistischen Fragen vermeintlich wenig Aufmerksamkeit widmete, könnte dazu beigetragen haben, dass derartige Probleme zusehends in Vergessenheit gerieten23, zumal in den gekürzten Ausgaben seines Werkes die Facetten der Logistik in den Kapiteln über den Unterhalt, die Operationsbasen und die Verbindungslinien nahezu komplett wegfielen24. Eigentlich äußerte er sich dort hinlänglich zur Verpflegungsproblematik, den verschiedenen Formen der Bedarfsdeckung, dem Einfluss der Bevölkerungs- und der Agrarstruktur sowie der Bedeutung des Geländes für die Transportmöglichkeiten25. Er ging auch auf die Probleme ein, die die großen Pferdefuttermengen im Transportbereich und der Futtermangel für die Waffengattungen der Kavallerie und Artillerie verursachten26, obwohl er der Ansicht war, dass die Bedarfsdeckung sich trotz der großen Massen grundsätzlich nicht übermäßig schwierig gestaltete27. Das hohe Maß an Aufmerksamkeit, das Clausewitz auch den Versorgungsproblemen entgegenbrachte, verdankte sich wahrscheinlich dem Umstand, dass er diese im Russlandfeldzug hautnah miterlebt hatte28. Nicht zuletzt als Folge dessen wusste er die logis20 Vgl. Fiedler, Siegfried, Militärgeschichte im Zeitalter des Absolutismus 1648–1789 in: Neugebauer, Karl-Volker, Grundzüge der deutschen Militärgeschichte, Bd. 1: Historischer Überblick, Seite 71 oder Simbsch, Adelheid, Armee, Wirtschaft und Gesellschaft. „Preußens Kampf auf der inneren Linie“, insbes. Seite 36 und 45. 21 Erst in jüngerer Zeit entstanden Studien wieder zur napoleonischen Versorgungsorganisation wie jene von Colonel La Barré de Nanteuil: Le Comte Daru: ou l’Administration militaire sous la Révolution et l’Empire. Auch Martin van Creveld hatte sich in diesem Zusammenhang recht stark dem Einfluss der Logistik auf die militärischen Operationen zugewandt. Vgl. ders., Supplying War, Seite 40–74. 22 Vgl. Heinsenius, Paul, Der Wandel der Logistik in den Napoleonischen Kriegen, Seite 89. 23 Vgl. Wallach, Jehuda L., Das Dogma der Vernichtungsschlacht, Seite 33 f. Insgesamt ist Wallachs Einschätzung, wonach Clausewitz die Versorgungsfragen seiner Zeit zu stark vernachlässigt habe, gerade vor dem Hintergrund seiner kriegsgeschichtlichen Werke und Abhandlungen als nicht zutreffend zu bezeichnen. 24 Siehe Clausewitz, Carl von, Vom Kriege (gekürzte Ausgabe), Seite 134–136. 25 Siehe ders., Vom Kriege (ungekürzte Ausgabe), Seite 328–350. 26 Siehe ebd., Seite 328 und 342. 27 Siehe ebd., Seite 330. 28 Siehe Clausewitz, Carl von, Der Feldzug von 1812 in Rußland und die Befreiungskriege von 1813–1815, Seite 135 f. Sehr anschaulich schildert Clausewitz, wie sehr ihm der Durst noch ge-
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I. Teil: Das Bild der friderizianischen Kriegsführung
tischen Gründe, die zur Niederlage Napoleons geführt hatten, sehr deutlich zu benennen29. Dass diese Probleme in der Geschichtsschreibung dennoch so in den Hintergrund traten, hing vielleicht damit zusammen, dass sie den Kriegsalltag betrafen, der den Teilnehmern vermutlich zunächst noch gegenwärtig war, in der Erinnerung gegenüber den Gefechtsergebnissen aber verblasste, da Letztere einfach greifbarer waren. Auch das ältere Generalstabswerk über den Siebenjährigen Krieg thematisierte logistische Fragen noch auf 16 Seiten und vermittelte keineswegs eine unkritische Perspektive auf die beträchtlichen Probleme der preußischen Armee beim Einmarsch in Böhmen 175730. In der neueren Darstellung wurden diese Aspekte eher unzureichend berücksichtigt. Vor allem unterstützte das zweite Generalstabswerk die Thesen Bernhardis zur Schlachten- und Vernichtungsdoktrin, wobei der Umstand, dass sein Sohn Friedrich von Bernhardi in der Kriegsgeschichtlichen Abteilung II als Offizier tätig war und dann die Leitung der 1. Abteilung übernahm31, vermutlich äußerst hilfreich war. „Es sei für die moderne Kriegführung sehr lehrreich, so behauptete Bernhardi frank und frei, daß Friedrich stets die Offensive ergriffen und beim Kampf an zwei Fronten die Entscheidung dadurch gesucht habe, indem er alle Kräfte gegen einen Gegner konzentrierte und ihn vernichtete […]“32.
Auch die Ereignisse des Kriegsjahres 1757 wollte man ausschließlich in diesem Sinne, von den Verlusten bei Prag bis zur Niederlage von Kolin, nahezu uneingeschränkt positiv gedeutet wissen33. Im Grunde ging diese Interpretation an der historischen Realität aber zu großen Teilen vorbei, obgleich sie damals einer verständlichen Motivation entsprang, denn „[…d]ieser Monarch sollte als Kronzeuge für die Strategie Schlieffens dienen […]“34.
Wie sehr der Streit um die Charakteristik der friderizianischen Kriegsführung im späten Kaiserreich des 19. Jahrhunderts die Gemüter erregte, zeigt die Tatsache, dass der genwärtig war, zumal man sich aus den widrigsten Pfützen ernährte und 8 Tage hintereinander nicht wusch. Auch auf die verheerenden Konsequenzen des Wasser- und Fouragemangels für die französische Kavallerie wies er deutlich hin. 29 Siehe ebd., Seite 83–87, Seite 93 f. und Seite 134–136. Obwohl die logistischen Fragen vielleicht nur 15–20 Seiten in der fast 200-seitigen Darstellung einnehmen, hat Clausewitz anhand des Zustandekommens der französischen Verluste, des Verpflegungsmangels schon zu Beginn des Feldzuges, der unzureichenden Lazaretteinrichtungen sowie der Wasserknappheit während des Hochsommers in Russland oder der Vernichtung von verbliebenen Vorräten und Unterkunftsmöglichkeiten entlang der Vormarschroute durch die Russen auf die ungeheure Bedeutung dieser Probleme für die französische Niederlage deutlich hingewiesen. Die Tatsache, dass die französische Armee dann während des Rückzuges von Moskau von den Russen nahezu vollständig aufgerieben wurde, bezeichnete er als ein Resultat, das sich größer gar nicht denken lässt. 30 Vgl. Geschichte des Siebenjährigen Krieges nach authentischen Quellen bearbeitet von Offizieren des Großen Generalstabes. Erster Theil: Die Feldzüge 1756 und 1757, Seite 55–71. 31 Vgl. Raschke, Martin, Der politisierende Generalstab, Seite 66 und 116. 32 Brühl, Reinhard, Militärgeschichte und Kriegspolitik, Seite 169. 33 Vgl. Raschke, Martin, Der politisierende Generalstab, Seite 121 f. 34 Brühl, Reinhard, Militärgeschichte und Kriegspolitik, Seite 170.
I.1. Das traditionelle Bild der friderizianischen Kriegsführung 65
Generalstab die konkurrierende Deutung Delbrücks, wonach Friedrich ein Protagonist der Ermattungsstrategie sei, im sogenannten Strategiestreit so sehr zu unterdrücken versuchte, dass er das Militär-Wochenblatt aufforderte, bestimmte Werke, die diese Ansicht teilten, der Öffentlichkeit als reine Geistprodukte vorzuenthalten35. Tatsächlich empfand der Generalstab die Thesen Delbrücks seit 1892 als Bedrohung für seine Militärtheorie, zumal deren historische Fundierung durch die ersten Bände der politischen Korrespondenz König Friedrichs sowie durch die Geschichte der Kriegswissenschaften von Max Jähns erheblich in Frage gestellt wurde36. Auch die Einzelpublikationen zu den Planungen des Feldzuges 1757 ließen diesbezüglich Zweifel aufkommen. Während der Major im Generalstab Rudolf Caemmerer, dessen Sichtweise ohnehin stark durch die napoleonische Kriegsführung geprägt war, mit einem sehr geringen Quellenanteil für die Plausibilität der Vernichtungsschlachteninterpretation argumentierte37, konnte der sächsische Hauptmann Adolf Zimmermann, der bedeutend umfassender und inhaltlich näher am Quellenmaterial blieb, dieses Bild keinesfalls bestätigen38. Dies weist schon darauf hin, dass der Generalstab und seine Mitarbeiter selbst unter Inkaufnahme der Ignoranz der Quellen nicht gewillt waren, von ihrem „Dogma der Vernichtungsschlacht“ abzurücken und diesen Teil der Geschichte völlig zur Legitimation ihrer tagespolitischen Ziele vereinnahmten. Dazu passte auch, dass im Rahmen der Vorarbeiten zum Generalstabswerk viele so einschlägige Quellen wie die Aufzeichnungen des Generals Moritz zu AnhaltDessau zu den Verpflegungsfragen aus dem Anhaltinischen Hausarchiv oder auch viele Akten aus dem Staatsarchiv in Breslau logistisch relevante Themen wie die Organisation des Magazin-, Proviant-, und Fuhrwesens zum Gegenstand hatten, gesichtet, aber dann eben kaum oder gar nicht genutzt wurden39. Die Nichtbeachtung so vieler Quellen muss unabhängig von der Motivation der damaligen Protagonisten aus der Sicht der historisch fundierten Aufarbeitung sicherlich als äußerst bedenklich, wenn nicht dezidiert als Kardinalsünde gelten. Wenn die Ignorierung des Materials beabsichtigt war, würde dies erklären, warum in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts und erst recht am Vorabend des Ersten Weltkrieges keine kritisch-realistische Aufarbeitung der Kriegsführung unter Friedrich II. auf breiter Aktengrundlage erfolgte. Es stellt sich die Frage, warum dies nicht danach in der Weimarer Republik geschah. Vermutlich hing es damit zusammen, dass sowohl die Auseinandersetzung mit den Charaktereigenschaften und persönlichen Fähigkeiten des Mo 35 Vgl.
ebd., Seite 171. Lange, Sven, Hans Delbrück und der Strategiestreit, Kriegsführung und Kriegsgeschichte in der Kontroverse 1879–1914, Seite 98–101. 37 Vgl. Caemmerer, Rudolf, Friedrichs des Großen Feldzugsplan für das Jahr 1757, Seite 5 f. und Seite 31–42. 38 Vgl. Zimmermann, Adolf, Aus dem militärischen Briefwechsel Friedrichs des Großen. Die Entstehung des Preußischen Planes für den Feldzug 1757 und seine Ausführung bis zur Vereinigung des Preußischen Heeres bei Prag, Seite 51 f. und Seite 55–69. 39 Siehe GStAPK, IV. HA., Rep. 15 A, Nr. 650: Erkundungsberichte aus Sachsen Archiv Zerbst, Blatt 27 ff. und Nr. 812: Berichte über den Besuch in fremden Archiven, Blatt 92, 93, 97 und 98, jeweils Rückseite. 36 Vgl.
66
I. Teil: Das Bild der friderizianischen Kriegsführung
narchen als auch mit der vermeintlichen Modernität seiner Kriegsführung angesichts der Abdankung Kaiser Wilhelms und der Niederlage des Deutschen Reiches im Ersten Weltkrieg kaum noch als interessante Themen angesehen wurden. Anscheinend hatte sowohl das politische als auch das militärische System des alten Kaiserreichs versagt. Vielleicht schreckte man auch davor zurück, den Wust an Literatur, den die Geschichtsschreibung des späten Kaiserreichs hervorgebracht hatte, zu widerlegen. Hinzu kam, dass ein Großteil militärhistorisch interessierter Personen auch mit der Aufarbeitung des Ersten Weltkrieges beschäftigt war, zumal eine Unmenge an Regimentsgeschichten für die traditionsreichen Einheiten des preußischen Heeres in der Zwischenkriegszeit entstanden. Als Folge dessen blieben, mit Ausnahme der 4-bändigen Geschichte der preußischen Armee von Curd Jany, auch im Dritten Reich weite Teile der preußischen Militärgeschichte, insbesondere auch hinsichtlich der zivilen Funktionsträger oder bestimmter Behörden wie der Feldkriegskommissariate, unbeleuchtet40. Einige der wenigen Ausnahmen waren das Werk Fred Schädrichs über das Generalfeldkriegskommissariat in Schlesien 1741, Paul Rehfelds Buch über die preußische Rüstungsindustrie unter Friedrich II. sowie die insgesamt recht seltenen Biographien über einige der bekanntesten preußischen Generäle41. Der mit Abstand wichtigste Grund für die nicht erfolgte Aufarbeitung in Ost- und Westdeutschland sowie eine umfassende Neubewertung war natürlich die Vernichtung der wichtigsten Akten im Heeresarchiv 1945. Sie war auch deshalb kaum noch möglich, weil sich die wenigen erhaltenen Dokumente noch einige Jahre nach der Wiedervereinigung auf viele Archive und Bestände verteilten. Als Folge dessen waren die Historiker mehr oder weniger gezwungen, das tendenziöse Bild der friderizianischen Kriegsführung zu verbreiten, obgleich sie um die Begleitumstände wussten, die es zu einer dezidiert unangemessenen Sichtweise machte. Wie das Werk genau entstand und dass es vor allem die dort postulierte Zahlenarithmetik auf preußischer Seite war, die sich gar nicht widerspruchsfrei mit den herangezogenen Quellen begründen ließ, wird nun der nächste Abschnitt zeigen.
I.2. Die Operationsgeschichte des Generalstabswerks und seine Zahlenarithmetik Das Werk, das am stärksten zur Verbreitung des tendenziösen Bildes der friderizianischen Kriegsführung beitrug, war das 19-bändige Gesamtwerk des Großen Generalstabs über die Kriege Friedrichs des Großen, das zwischen 1890 und 1914 erschien und damit 40 Angesichts der großen Affinität der national-borussischen Geschichtsschreibung für den preußischen Beamtenstaat ist es sehr erstaunlich, dass so viele Minister des altpreußischen Staates, andere Funktionsträger und ihre Behörden kaum in großen biographischen oder systematischen Darstellungen gewürdigt wurden. 41 Vgl. Preitz, Max, Prinz Moritz von Dessau im Siebenjährigen Kriege, Detlof Graf von, Feldmarschall Schwerin. Ein Lebensbild aus Preußens großer Zeit und Winter, Georg, Hans Joachim von Zieten: eine Biographie.
I.2. Die Operationsgeschichte des Generalstabswerks und seine Zahlenarithmetik 67
im Grunde deckungsgleich mit der Regierungszeit Kaiser Wilhelms II. vor dem Ersten Weltkrieg ist. Die Bände, die den Siebenjährigen Krieg betreffen, stellen den dritten Teil der Serie dar und datieren aus den Jahren 1901–1914. Angefertigt und herausgegeben wurde es von der Kriegsgeschichtlichen Abteilung II des Großen Generalstabes. Neben dem zweiten Band der „Geschichte der Königlichen Preußischen Armee“, die vom Leiter dieser Abteilung Curt Jany verfasst wurde, können sie als die einflussreichsten Werke zur Geschichte des Siebenjährigen Krieges gelten, zumal fast jede Überblicksdarstellung und vor allem nahezu alle populärwissenschaftlichen Darstellungen auf diesem Werk beruhen oder sich zumindest maßgeblich darauf beziehen1. Dies ist insofern nicht ganz selbstverständlich, als diesem Werk schon ein älteres unter ähnlichem Titel, nämlich „Geschichte des siebenjährigen Krieges: in einer Reihe von Vorlesungen, mit Benutzung authentischer Quellen“, ebenfalls bearbeitet von Offizieren des Großen Generalstabes, vorausgegangen war, wovon der erste Band die Jahre 1756 / 57 zum Gegenstand hatte2. Dieses ältere Werk ging im Rahmen des Feldzuges von 1757 noch deutlich stärker auf 2 Aspekte ein, die im neueren Generalstabswerk dann schon weitestgehend übergangen wurden, nämlich die Probleme der Preußen mit der Pferdeverpflegung beim Einmarsch nach Böhmen und die daraus resultierende Vorfälle3. Nicht zuletzt erwähnte es aber auch die Menge an personellen Reserven, die den Preußen neben den sächsischen Einheiten vor allem an Garnisonstruppen sowohl in Sachsen als auch in Schlesien zur Deckung ihrer Festungen und Magazinplätze zur Verfügung standen4. Offensichtlich geriet dieses Werk durch das neuere Werk nahezu vollkommen in Vergessenheit. Mit Letzterem hatte es zumindest gemein, dass es schon hinsichtlich der Stärke der preußischen Truppen in der Schlacht von Prag eine falsche, nämlich viel zu geringe Größenordnung propagierte. Während im älteren Generalstabswerk von 1824 der Feldzug von 1756 und 1757 noch in einem Band abgehandelt wurde, widmete das neue gleich 5 Bände dem Kriegsjahr 1757, die zwischen 1901 und 1904 herausgegeben wurden. Dabei lässt die Gliederung nach den Schlachten dieses Jahres schon erkennen, dass man vor allem diese als die entscheidenden Zäsuren ansah. Da der erste Band des dritten Teils, der sich mit dem Siebenjährigen Krieg befasste, das Jahr 1756 zum Gegenstand hat, begann die Darstellung des Kriegsjahres 1757 mit dem zweiten Band. Dieser behandelte den Einmarsch nach Böhmen bis zur Schlacht von Prag. Der dritte widmete sich den Ereignissen während der dortigen Belagerung, der Schlacht von Kolin und dem Rückzug aus Böhmen, während der vierte kurz den Aufenthalt in der Oberlausitz im August und dann die Ereignisse auf dem westlichen Kriegsschauplatz von Hastenbeck bis Rossbach thematisierte. Der fünfte Band befasste sich mit den Operationen in Ostpreußen und jenen in 1 Ein typisches Beispiel in dieser Hinsicht Dorn, Günther / Engelmann, Joachim, Die Schlachten Friedrichs des Großen. 2 Vgl. Geschichte des siebenjährigen Krieges bearbeitet von den Offizieren des großen Generalstabs. Erster Theil: Die Feldzüge 1756 und 1757, Berlin 1824. 3 Vgl. ebd., Seite 68. 4 Vgl. ebd., Anhang.
68
I. Teil: Das Bild der friderizianischen Kriegsführung
Schlesien, die im Zusammenhang mit der Armee des Herzogs von Bevern bis zur Schlacht und anschließenden Eroberung Breslaus standen. Der sechste und letzte Band beschäftigte sich mit dem Feldzug vor und nach Leuthen sowie sämtlichen weiteren Ereignissen am Jahresende. Hierfür wertete man auch eine enorme Menge an Quellen aus, wobei auffällt, dass der größte Teil der verwendeten Akten gar nicht aus dem damaligen Kriegs- oder Heeresarchiv in Potsdam stammte, sondern aus dem heutigen Geheimen Staatsarchiv und einigen Nebenarchiven, darunter auch dem Zerbster Archiv, dessen Bestand heute das Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt in Dessau verwahrt. Darüber hinaus bezog man selbst Quellen aus dem Kriegsarchiv Wien mit ein, wenn auch in sehr geringem Umfang und nicht selten in problematischer oder sogar offenkundig falscher Weise. Das neue Werk ging an bestimmten Stellen sogar auf logistische Aspekte, wie der enormen Anzahl an Wagen, die zu Beginn des Feldzuges für die Armee des Königs in Sachsen mobilisiert oder von Schwerins Truppen bei ihrem Einmarsch mitgenommen wurde, ein. Es thematisierte sogar die Eroberung der Bestände des Magazins von Jungbunzlau in den ersten Tagen der Invasion Böhmens. Man erwähnte auch die Probleme der Fouragebeschaffung während der Belagerung von Prag, den Verlust von Backöfen während des Rückzuges aus Böhmen, die Bedeutung des Verlustes des Magazins von Zittau oder sogar die der Elblinie als Hauptversorgungsader. Allerdings wurden diese Aspekte meistens gar nicht im Fließtext, sondern in den Fußnoten oder im Anhang vermerkt. Trotzdem kam man selten darauf zu sprechen, welche Konsequenzen eben mit der Eroberung oder dem Verlust eines Magazins, den Fourageproblemen oder dem Verlust von Backöfen einhergingen oder worin die Bedeutung der Elbe als Hauptversorgungsader genau bestand. Anders ausgedrückt: Diese Aspekte erschienen relativ losgelöst, denn es fehlt nahezu durchgängig an ihrer Einbettung in das Operationsgeschehen. Dies hängt vor allem damit zusammen, dass man durchweg nie auf die Bedürfnisse der Truppen sowohl hinsichtlich der Verpflegungs- als auch bezüglich der anderen Versorgungsgüter einging. Schwerpunktmäßig widmete man sich aber den Operationsverläufen und den dabei involvierten Truppenstärken der Kriegsparteien. Diese sind für logistische Fragen aber von eminenter Bedeutung, weil gerade sie die Grundlage für die Kalkulation jeglicher Versorgungsanforderungen bilden, die aus ihnen erwachsen. Zuständig für die Berechnung der Truppenstärken, die dann der Darstellung im Werk des Generalstabs im Zeitraum Januar bis August 1757 zugrunde lagen, war Hauptmann Mauerhoff. Seine Ausarbeitungen sowie auch die aller anderen ehemaligen Mitarbeiter der Kriegsgeschichtlichen Abteilung sind noch vorhanden und bilden, wie schon erwähnt, heute die Repositur 15 A der IV. Hauptabteilung im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz5. 5 Der Bestand umfasst sowohl chronologische Quellensammlungen, die von Offizieren abgeschrieben wurden, aber auch Ausarbeitungen, die als Vorbereitungen für dieses Werk dienten. Leider ist sowohl bei den Quellensammlungen als auch bei den Vorarbeiten nicht immer der Name der Offiziere, die diese erstellten, erhalten geblieben. Diesem Umstand hat man auch strukturell im Findbuch Rechnung getragen, was aber dazu geführt hat, dass die Akten nach Nummern nicht
I.2. Die Operationsgeschichte des Generalstabswerks und seine Zahlenarithmetik 69
Die von Hauptmann Mauerhoff überlieferte Akte für die Stärkenberechnungen hat die Nummer 614 und trägt den genauen Titel „Etatsmäßige Stärke der preußischen Armee beim Einmarsch 1757“. Die Bestimmung der Truppenstärken bei der Invasion Böhmens bis zum Zusammentreffen der Truppen bei Prag ist noch relativ unkompliziert, denn mit Ausnahme des Gefechts von Reichenberg, einiger anderer kleiner Scharmützel und der Zurücklassung der Aufstockungskontingente bei den schlesischen Regimentern in der Armee Feldmarschall Schwerins gab es wohl kaum Faktoren, die sich auf die Sollstärken der preußischen Regimenter ausgewirkt hatten. Mauerhoffs Angaben zufolge rückte die preußische Armee mit fast 122.000 Mann in 4 Kolonnen, davon jeweils 2 Hauptkolonnen zu ca. 40.000 und 2 Nebenkolonnen zu ca. 20.000 Mann in Böhmen ein6, wovon schließlich im Raum von Prag 106.138 Mann zusammentrafen7. Von diesen verblieben 32.773 Mann (31 Btl. / 25.838 Mann Infanterie und 38 Esk. / 6.935 Kavalleristen) sowie 50 schwere Geschütze unter dem Kommando von Feldmarschall Keith auf dem linken Elbufer und schlossen die Stadt Prag auf der sogenannten Kleinseite mit Hradschin ein. Weitere 24.287 Mann (20 Btl. / 17.248 Mann und 25 Eskadrons) waren auf der rechten Moldauseite unter dem Kommando des Königs versammelt, wozu noch die vereinigten Truppen des Feldmarschalls Schwerin und Herzogs von Bevern mit insgesamt 49.088 Mann (38 Bataillone / 35.986 Mann Infanterie und 85 Eskadrons / 13.092 Kavalleristen) zählten, da die Aufstockungsrekruten für die Infanterie und Kavallerie mit einer Stärke von 5.250 Mann zurückgelassen worden waren8. Bei der Kalkulation der verfügbaren Truppen für die Schlacht selbst wandte Mauerhoff dann jene Methode zur Berechnung der Truppenstärke an, die seine Angaben umstritten macht und ein wesentlicher Anlass für die kritische Auseinandersetzung damit sein sollte. Er ging davon aus, dass von den insgesamt 53.444 Mann Infanteristen und mehr fortlaufend zusammenhängen. Die Akten des Jahres 1757 betreffen überwiegend die Nummern 620–670 und 815–820. Besonders interessant sind Quellensammlungen, weil sie nicht selten wichtige Hinweise auf das Originalmaterial enthalten und damit immer noch eine sehr gute Orientierung bieten, um die Archivalien und weitere Quellen ausfindig zu machen. Darunter sind auch so bemerkenswerte Akten mit den Nummern 624, 625, 626 und 667, die Abschriften des Hauptmanns a. D. Hamann vom Werk des Generalmajors Zehentner über die „Historischen Nachrichten vom Siebenjährigen Krieg über die Vorbereitungen Österreichs zum Feldzug 1757 sowie Tätigkeit der I und II österreichischen Armee im Feldzug“ enthalten. Dieses Werk, das immer noch im Kriegsarchiv in Wien erhalten ist, beinhaltet nichts Geringeres als eine umfassende Darstellung des Feldzuges aus österreichischer Sicht. Es berücksichtigt viele der österreichischen Quellen, enthält in den Beilagen einige äußerst interessante Zusammenstellungen zu den Verpflegungsanforderungen und weist nicht zuletzt auf eine völlig andere Zahlenarithmetik im Feldzugsverlauf von 1757 hin. Siehe OestKA, AFA, Manuskripte, Manuskript zur Kriegs- und Feldzugsgeschichte, Nr. 54: Historische Nachrichten: Fortsetzung des Siebenjährigen Krieges 1757. Die Begebenheiten bei der k. k. Armee unter Feldmarschall Broune, später Carl von Lothringen, vom Generalmajor von Zehentner. 6 Siehe GStAPK, IV. HA., Rep. 15 A, Nr. 614: Etatsmäßige Stärke der preußischen Armee beim Einmarsch 1757, Blatt 7 Vorderseite. 7 Siehe ebd., Blatt 38 Vorderseite. 8 Siehe GStAPK, IV. HA., Rep. 15 A, Nr. 614: Etatsmäßige Stärke der preußischen Armee beim Einmarsch 1757, Blatt 38 Vorderseite.
70
I. Teil: Das Bild der friderizianischen Kriegsführung
19.921 Mann Kavalleristen einmal 4.905 Mann und einmal 1.845 Mann an sogenannten Ranggemeinen für die beiden Waffengattungen abzuziehen seien9. Diese Ranggemeinen stellen eine Art Zusammenfassung von Abgängen durch Kommandierte, Kranke, Deserteure oder anderweitig verhinderte Soldaten dar. Demzufolge wären statt 73.365 Mann nur noch 66.615 Mann für die Schlacht verblieben, von denen angeblich noch einmal 2.819 Mann für die Bewachung der Bagage abzuziehen waren, sodass nur rund 63.000 Mann für die Schlacht zur Verfügung gestanden hätten. Mauerhoff versucht diese Zahl zu stützen, indem er auf Gaudi als eine der wichtigsten Quellen verweist, die ebenfalls von dieser Größenordnung ausging. Darüber hinaus listet er aber insgesamt 15 unabhängige Quellen auf, von denen vor allem die klassisch-preußischen, nämlich das ältere Werk des Generalstabs aus den 1820er Jahren und Tempelhoffs diese Zahl bestätigen, während andere, darunter auch Kabinettssekretär Eichel, Karl von Lothringen und ein holländischer Volontär, die Stärke der preußischen Armee mit 70.000, 80.000, ja sogar 112.000 Mann angaben10. Abzüglich sämtlicher Gefechtsverluste mit 15.118 Mann, worunter jene bei Prag mit ca. 14.400 Mann mit Abstand den Großteil ausmachten, der zurückgebliebenen Aufstockungstruppen in Höhe von 5.250 Mann sowie des durchschnittlichen Abgangs der 15 Mann pro Kompanie (3 Bagage, 9 Kranke, Marode und Matte sowie 3 Deserteure), der insgesamt nicht weniger als 9.510 ausmachte, ergab sich laut Mauerhoff eine Gesamtsumme von 30.968 Mann an Verlusten, sodass am Ende angeblich nur noch 80.240 Mann verblieben, die nach der Schlacht noch zur Verfügung standen. Entscheidend für diese Kalkulation ist, wie schon gesagt, die Annahme des hohen durchschnittlichen Abgangswertes bei den Kompanien, was auch anhand derjenigen Berechnungen deutlich wird, die Mauerhoff für die Zeit nach der Schlacht von Kolin, also für den Zeitraum Ende Juni, Juli, aber auch August 1757, vornahm. Nach seiner Berechnung bestand die Armee des Königs im ersten Drittel des Monats Juli aus 33.342 Mann, während die Armee, die seit dem 1. Juli unter dem Kommando des Prinzen August Wilhelm stand, noch 30.382 Mann umfasste11. Vergleicht man nun sowohl diese Liste mit jenen Stärkeangaben, die auch den Mitarbeitern des Generalstabs nachweislich mit der „Akte 654 Rapport und Tageslisten Jan.–Juli 1757“ zur Verfügung standen und im Original aus den noch heute erhaltenen Akten des Generals Moritz zu Anhalt-Dessau stammen, so wird man zunächst feststellen, dass diese einfach nicht übereinstimmen. Auffällig ist, dass die Stärken, die Mauerhoff für die Regimenter aus der Armee des Prinzen August Wilhelm bei Jungbunzlau errechnete, zum Teil sogar noch zu hoch angesetzt sind, während diejenigen Regimenter, die zur Armee des Königs gehörten und mit den Truppen bei Linay bzw. dem heutigen Hlinay gleichzusetzen sind, in der Regel zu schwach oder zu niedrig angegeben wurden.
9 Siehe
ebd., Seite 39. ebd., Seite 66. 11 Siehe ebd., Blatt 58 Rückseite. 10 Siehe
I.2. Die Operationsgeschichte des Generalstabswerks und seine Zahlenarithmetik 71 Tabelle 1 Vergleich der Stärke einzelner Regimenter gemäß den Vorarbeiten zum Generalstabswerk und den erhaltenen Originallisten im Nachlass des Generals Moritz zu Anhalt-Dessau
Zeitraum / Datum Namen der Regimenter
Generalstabswerk
Originalakten
Zwischen 18.06. und 31.07.12
Im Lager von Jungbunzlau am 30.06.13
Sollstärke
Iststärke
Iststärke (zum Dienst Verbliebene)
Hautscharmoy
1.800
840
972
Schultze
1.800
1.303
289
Moritz
1.800
1.188
347
Hülsen
1.800
1.464
800
Treskow
1.800
842
940
Fouqué
1.400
1.402
407
Prinz Heinrich
1.500
1.125
289
Münchow
1.800
813
689
Brandis
1.800
504
1.310
Jung-Braunschweig
1.400
313
1.098
Kreytzen
1.800
1.023
803
Wied
1.800
1.213
598
Generalstabswerk
Originalakten
Markgraf Heinrich
1.800
797
1.014
Württemberg
1.500
1.004
504
Zeitraum / Datum Namen der Regimenter
Zwischen 18.6. und
31.07.14
Im Lager von Linay am 26.07.175715
Sollstärke
Verbliebene
Iststärke (zum Dienst Verbliebene)
Alt-Braunschweig
1.800
284
1.529
Asseburg
1.800
388
1.419
Kannacher / Kannacker
1.800
298
1.513
Kleist
1.800
628
1.183
72
I. Teil: Das Bild der friderizianischen Kriegsführung
Bezogen auf die zuvor angesprochene Zusammensetzung und Stärke der beiden Teilarmeen kann man einerseits feststellen, dass die Armee des Königs, die laut der Zusammenstellung des Prinzen Heinrich am 21. Juni aus 55 Bataillonen und 86 Eskadrons bestand, 6, wenn nicht sogar 8 Bataillone der Garnison von Dresden umfasste, sodass die Armee im Feld am Ende 47–49 Bataillone zählte16. Mauerhoff hatte maximal 47 Bataillone angegeben und dabei wohl auch nicht berücksichtigt, dass sich unter den Einheiten der Garnison auch ein Regiment (IR 47, damals v. Rohr) der Feldarmee befand. Die Originalliste aus Jungbunzlau zeigt, dass die Armee unter dem Prinzen August Wilhelm aus nicht mehr als 38 Bataillonen bestand, die mit 24.688 Mann sogar noch stärker waren als jene 53 Bataillone dieses Verbandes, die Mauerhoff angeblich ausfindig gemacht hatte. Erstaunlich ist dabei, dass Mauerhoff und dem Großen Generalstab nachweislich so wichtige Quellen wie die Tageslisten aus dem Zerbster Archiv und der Nachlass des Prinzen Heinrich zur Verfügung standen, die darauf hinwiesen, dass die Armee des Königs mehr Einheiten umfasste und auch deutlich zahlreicher war als die des Prinzen August Wilhelm. Dies zeigt, dass die Zusammensetzung der Armeen, wie Mauerhoff sie angab, noch nicht einmal durch die Quellensammlungen seiner Kollegen, geschweige denn durch die Archivalien plausibilisiert wurden. Wahrscheinlich sprachen selbst die einschlägigsten Akten zur Heeresverwaltung und zur Kriegsgeschichte, die sich im Archiv des Kriegsministeriums und des Großen Generalstabs befanden, gegen diese Interpretation17. Da diese Archivalien aber nur den Offizieren uneingeschränkt zugänglich waren18, konnte der Generalstab seine Deutung der Ereignisse halbwegs plausibel aufrechterhalten. Allem Anschein nach war von seiner Seite auch explizit die Absicht vorhanden, die Größe der preußischen Armee zu schmälern. Dadurch ließ sich nämlich umso stärker dafür argumentieren, dass der Erfolg der preußischen Armee bei zahlenmäßiger Unterlegenheit ganz besonders in den Gefechten bei anderen Faktoren zu suchen sein musste, nämlich in ihrer taktischen Effizienz, d. h. zum Beispiel in ihrer jeweiligen Schlachtordnung und in der Feuerüberlegenheit der Infanterieeinheiten sowie den überragenden 12 Siehe ebd., Nr. 654: Quellensammlung 26 – Tageslisten und Rapporte Jan.–Jul. 1757, Blatt 58 Rückseite. 13 Siehe LASA, DE, Z44 Abt. Dessau, A 9b VIb, Nr. 10, Bd. V (Verschiedene Militaria aus des Fürsten Moritz von Anhalt in preußigen Jaare 1757), Blatt 36 Vorderseite. 14 Siehe GStAPK, IV. HA., Rep. 15 A, Nr. 654: Quellensammlung 26 – Tageslisten und Rapporte Jan.–Jul. 1757, Blatt 58 Rückseite. 15 Siehe LASA, DE, Z44 Abt. Dessau, A 9b VIb, Nr. 10, Bd. V (Verschiedene Militaria aus des Fürsten Moritz von Anhalt in preußigen Jaare 1757), Blatt 20, 23, 26 und 30 jeweils Vorderseite. 16 Siehe GStAPK, IV. HA., Rep. 15 A, Nr. 654: Quellensammlung 30, Blatt 53 Vor- und Rückseite. Das Original war enthalten in GStAPK, Rep. 92, Pr. Heinrich v. Preußen, Bd. III, Nr. 139, fol. 13 u. 14. Dieses Dokument und die meisten anderen aus dem Bestand des Prinzen Heinrich wurden 1938 an das Heeresarchiv abgegeben, wo sie dann 1945 vernichtet wurden. 17 Vgl. Jany, Curt, Die preußischen Militärarchive, in: Forschungen zur brandenburg-preußischen Geschichte, Bd. 36, 1. Hälfte, Seite 67 und 71–84. 18 Vgl. Kessel, Eberhard, Das Ende des Siebenjährigen Krieges 1760–176, Torgau und Bunzelwitz, Schweidnitz und Freiberg, Einführung, Seite XIII, Fußnote 9. Letztere weist darauf hin, dass Jany als Offizier des Generalstabs unbeschränkten Zugang zu den Akten hatte.
I.3. Die Bedeutung der Taktik und Logistik73
persönlichen Feldherrnfähigkeiten König Friedrichs. Dies hing nicht zuletzt damit zusammen, dass man seitens der Generalstabsoffiziere der Meinung war, man habe sich schon theoretisch davor gescheut, auf zahlenmäßige Überlegenheit zu setzen, zumal die Erfahrung aller Zeiten und nicht zuletzt auch der Antike lehre, dass in erster Linie die Qualität der Einheiten und die Geschicklichkeit des Feldherrn entscheidend seien19. Wie sich nun im Folgenden aber zeigen wird, kamen selbst den Offizieren des Generalstabs Zweifel hinsichtlich der taktischen Überlegenheit der preußischen Truppen, und zwar nicht zuletzt deshalb, weil diese auch laut der heutigen Forschungsliteratur aufgrund der Feinabstimmung, die die damalige Waffentechnik erforderte, schwierig zu erzielen war und von komplizierten Abstimmungen im Gefechte abhing, die der Gegner zum Teil übernehmen oder an die er sich anpassen konnte. Dass für den Erfolg im Kampf eine gute materielle Ausstattung aber die Grundvoraussetzung darstellte, die dazu noch wesentlich schwieriger zu kopieren war, galt zumindest unter den damaligen Militärs als relativ unumstritten. Auch an Bedeutung der Versorgung durfte eigentlich gar kein Zweifel bestehen, zumal die Akten des Kriegsministeriums allein 86 Bände über die Märsche und Verpflegung der preußischen Armee seit dem Zweiten Schlesischen Krieg bis zum Bayerischen Erbfolgekrieg umfassten20.
I.3. Die Bedeutung der Taktik und der Logistik für die Kriegsführung in der Sicht der Zeitgenossen Das Paradebeispiel der taktischen Überlegenheit der preußischen Armee war die Feuerüberlegenheit ihrer Infanterie, wofür die Geschlossenheit der Linienformation mit einer Rottentiefe von 3 Reihen als eine der Grundvoraussetzungen galt1. Abgesehen davon stand üblicherweise die Feuergeschwindigkeit im Mittelpunkt, von der zum Teil übertriebene Vorstellungen kursierten, denen zufolge die Preußen in der Lage gewesen sein sollen, bis zu 6 Schuss pro Minute abzufeuern. Allerdings stellten schon die Offiziere des Generalstabs fest, dass sich diese Kadenz aus der Fehlinterpretation der Äußerungen von Marschall Belle-Isle über ein Manöverexerzieren ergab, da man diese Schussfolge fälschlicherweise auf den einzelnen Soldaten und nicht auf die Einheit, sprich das Peloton oder das Bataillon bezog2. Als halbwegs realistisch stufte man die Ergebnisse eines Übungsschießens des 1. Gardebataillons von 1754 ein, bei dem sich zeigte, dass selbst diese elitäre Einheit maximal eine Kadenz von 2,4 Schuss pro Minute erreichte. Die Feuergeschwindigkeit ließ sich also nur begrenzt steigern und stellte nur einen Faktor dar, der die taktische Effektivität beeinflusste. 19 Vgl.
Die Entwicklung des Königs auf strategischem Gebiet, Seite 346. Jany, Curt, Die preußischen Militärarchive, in: Forschungen zur brandenburg-preußischen Geschichte, Bd. 36, 1. Hälfte, Seite 75. 1 Vgl. Birk, Eberhard / Loch, Thorsten / Popp, Peter Andreas, Wie Friedrich „der Große“ wurde. Eine kleine Geschichte des Siebenjährigen Krieges, Seite 159. 2 Vgl. Großer Generalstab, Die taktische Schulung der preußischen Armee durch König Friedrich den Großen während der Friedenszeit 1745 bis 1756, Seite 435. 20 Vgl.
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1. Teil: Das Bild der friderizainischen Kriegsführung
Bedeutsam waren daneben nämlich die Richthöhe des Musketenlaufs, die Entfernung zum Gegner und auch der Bajonetteinsatz. So war der englische Generalmajor und spätere Eroberer von Quebec James Wolfe der Meinung, dass ein gut gerichtetes, ruhiges Feuer mit ordentlich geladenen Musketen oftmals weitaus effektiver sei als ein überhastetes Schießen in Konfusion3. Der österreichische Veteran Cogniazzo sprach sich dezidiert für eine tiefe Anschlagsart aus: „Dies gründet sich auf die Erfahrung beim Scheibenschießen, wo der Soldat immer etwas tiefer anschlagen muß, wenn er ungefähr die Mitte des Ihm vorgestellten Ziels treffen will; ein Beweis, dass der scharfe Schuß an und vor sich das Gewehr immer etwas zu erhöhen pflegt, und dies thut er um so mehr, je weniger die Ladung calibermäßig, oder nicht fest genug aufgesetzt ist, welches in den Schlachten bey der Geschwindigkeit der Chargierung der gewöhnliche Fall ist […]“4.
Offensichtlich war dieser Lupf- oder Sprungeffekt auf den Rückstoß der Waffe beim Abfeuern zurückzuführen, der sich am ehesten minimieren ließ, wenn man die Muskete oder das Gewehr tiefer ausrichtete, weil man so die Wahrscheinlichkeit reduzierte, dass die Kugel über die Köpfe der feindlichen Linien hinwegflogen, anstatt dort einzuschlagen. Tatsächlich war schon in der Schlachtdisposition kurz vor Hohenfriedeberg 1745 befohlen worden, dass die Soldaten die Muskete auf den halben Mann zu richten hätten, um nicht unnötig Blei und Pulver zu verschießen5. Auch kurz vor dem Ausbruch des Siebenjährigen Krieges bei den Regimentsbesichtigungen wurde vom König noch einmal hervorgehoben, dass die Einheiten gleichmäßiger und niedriger anschlagen sollten und das Pulver schneller wieder aufzufüllen hätten6. Vor allem drang er schon in der Zeit der ersten beiden Schlesischen Kriege darauf, dass die Bataillone sich dem Feind auf 40 bis 30, bisweilen aber sogar auf 20 bis 10 Schritt näherten, eine Salve abfeuerten und ihn dann sofort mit dem Bajonett attackierten7. Angriffe mit dieser Waffe erschienen dem König als besonders durchschlagend, womit er sich eher als ein Anhänger der französisch-schwedischen Taktikschule auszeichnete, die in erster Linie dem Blankwaffeneinsatz die entscheidende Wirkung auf dem Schlachtfeld zusprach, während die englisch-niederländische Schule dieses Primat den Schieß3 Wolfe, James, General Wolfe’s Instructions for Young Officers also his Orders for a Battalion and an Army, Seite 49. 4 Cogniazzo, Freymüthiger Beytrag zur Geschichte des österreichischen Militärdienstes veranlaßt durch die Schrift über den ersten Feldzug des vierten preußischen Krieges, Seite 35. 5 Siehe Friedrich II., Disposition, wie es bei vorgehender Bataille bei Seiner Königlichen Majestät in Preussen Armee unveränderlich soll gehalten werden, wornach sich auch sowohl die Generalität, als andere commandirende Officiere stricte zu achten und solches zu observiren haben, Schweidnitz 1. Juni 1745, Nr. 21. 6 LASA, DE, Z44 Abt. Dessau, A 9b VIb, Nr. 10, Bd. IV (Verschiedene Militaria aus des Fürsten Moritz von Anhalt in preußigen Jaare 1756), Blatt 156 Vorderseite. 7 Vgl. Großer Generalstab, Die taktische Schulung der preußischen Armee durch König Friedrich, Seite 440 f. und siehe Friedrich II., Disposition für die sämmtlichen Regimenter der Infanterie, wie solche sich bei dem vorfallenden Marsche gegen den Feind und bei der darauffolgenden Bataille zu verhalten haben, Selowitz, den 25. März 1742.
I.3. Die Bedeutung der Taktik und Logistik75
pulverwaffen zusprach8. Die Bajonettbesessenheit des Königs ging sogar so weit, dass er kurz vor Beginn des Siebenjährigen Krieges in den Gedanken und allgemeinen Regeln für den Krieg von 1755 forderte, dem Feind mit möglichst wenig Feuern zu begegnen9. Offensichtlich hatten sich die Österreicher aber auf diesen Bajonettansturm der Preußen sehr gut eingestellt, denn „[…w]enn aber der Feind sich annähret um mit dem Bajonette in das Regiment dringen zu wollen, hat das 1te Glied aufzustehen das Gewehr mit gespannten Hahnen in dem lincken Arm zu fällen, und so dann wenn der Feind in der nähe von 15 Schritt ist auf einmahl, loßzudrücken […]10“.
Insofern wurde der effektive Einsatz der Feuerwaffen nicht nur durch eine Vielzahl von Faktoren bestimmt, deren angemessene Koordination schwierig und in Kombination mit den Blankwaffen umstritten war, auch gelang es eher selten, wesentliche Vorteile zu erzielen, weil sich der Gegner den taktischen Verfahrensweisen anzupassen vermochte oder diese unter Umständen relativ einfach übernahm. Grundlegender für den Erfolg im Gefecht war, ob und wie gut die Waffen überhaupt funktionierten. Dies hing einerseits von den Läufen der Gewehre ab, die laut Generalmajor Wolfe durch zu häufiges Feuern bisweilen abgenutzt wurden11. Wichtig andererseits war auch eine ausreichende Bevorratung mit Flintensteinen, die als ein typisches Verschleißprodukt galten und nach Möglichkeit häufig ausgetauscht werden mussten, wenn die Schusswaffen ordentlich zünden sollten12. Auch die Qualität des Schießpulvers bestimmte maßgeblich die Wirksamkeit des Infanteriefeuers. So bemängelte der Oberstleutnant Rebain, der bei Breslau im Dezember 1757 in preußische Gefangenschaft geriet, dass das Musketenpulver der Österreicher zu grobkörnig sei, schlecht zündete und darüber hinaus auch noch den Soldaten oftmals in die Augen sprang13. Dies zeigt schon, wie sehr die grundsätzliche Einsatzbereitschaft der Waffen von einer guten materiellen Ausstattung bzw. einer guten Versorgung abhängig war, die die Verschleiß- und Verbrauchsgüter immer wieder in großem Umfang zu ersetzen vermochte. Noch bedeutender als bei der Infanterie war die materielle Grundlage bei der Kavallerie. Die Kavallerietaktik war ebenfalls ein schwer einzuschätzendes und zu beherrschendes Feld, wo sich eine Überlegenheit noch schwieriger als bei der Infanterie erzielen Nosworthy, Brent, The Anatomy of Victory, Battle Tactics 1689–1763, Seite 189 f. Friedrich II., Gedanken und allgemeine Regeln für den Krieg (1755), Kapitel VII / 8. 10 Siehe LASA, DE, Z44 Abt. Dessau, A 9b VIb, Nr. 10, Bd. IV (Verschiedene Militaria aus des Fürsten Moritz von Anhalt in preußigen Jaare 1756), Blatt 328 Rückseite. 11 Siehe Wolfe, James, General Wolfe’s Instructions for Young Officers also his Orders for a Battalion and an Army, Seite 40. 12 Vgl. Ortenburg, Georg, Waffe und Waffengebrauch im Zeitalter der Kabinettskriege, Seite 65. 13 Siehe OestKA, AFA, Nr. 669: Siebenjähriger Krieg CA 1758 Kampagne gegen Preußen I, Faszikel III / 1b. Rebain verfasste einen umfassenden Vergleich zwischen den preußischen und kaiserlich-königlichen Streitkräften der Habsburger, der zu den interessantesten Einzelstücken gehört, die in den Feldakten des Wiener Kriegsarchivs aus der Zeit des Siebenjährigen Krieges zu finden sein dürften. 8 Vgl.
9 Siehe
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1. Teil: Das Bild der friderizainischen Kriegsführung
ließ. Der preußische Kavallerieoffizier Warnery hatte darauf hingewiesen, dass es hierbei darauf ankam, die geschlossenen Formationen während der Angriffe auf die Eska dronsebene zu beschränken und entsprechende Lücken zwischen diese zu lassen seien, damit die Reiterlinien nicht zu starr und weniger störanfällig wurden14. Eine der merkwürdigsten, aber auch interessantesten Ansichten vertrat der Fürst von Ligne, laut dem es oftmals gar nicht möglich war, den Gegner beim frontalen Aufeinandertreffen mit der Waffe, also dem Degen, Säbel oder Pallasch, zu erreichen15. In Anbetracht dessen dürfte die preußische Kavallerie deutlich im Vorteil gewesen sein, weil sie laut Rebain längere Pallasche besaß, die zudem noch mit Handkörben versehen waren, welche bei den Österreichern wohl nicht zum Standard zählten16. Wahrscheinlich hatten die Preußen diese Waffen auch eingeführt, um die Köpfe ihrer Pferde zu schützen, welche die österreichischen Kavalleristen in den ersten beiden Schlesischen Kriegen vorzugsweise attackierten, um so Tier und Reiter gleichermaßen zu Fall zu bringen17. Die preußischen Husaren hatten offenbar inzwischen die Gefechtsweise der Dragoner in geschlossenen Eskadrons übernommen und verfügten über sehr gute Pferde aus Polen und anderen östlichen Gebieten18. Laut Warnery war die preußische Kavallerie den Österreichern vor allem deshalb so überlegen, weil es ihr oftmals gelang, diese in der Verfolgung einzuholen. Geschuldet war dies wohl nicht selten dem Umstand, dass die Pferde der Österreicher zu wenig trainiert wurden und sich beim Galoppieren im Angriff verausgabten, sodass sie dann später beim Rückzug unter der Last der Reiter zu schnell ermüdeten19. Die Preußen legten hingegen großen Wert darauf, dass ihre Pferde gesunde Knochen, gute Hufe sowie eine breite Brust und einen runden Bauch hatten, da insbesondere die letzten beiden Merkmale auf kräftige Lungen und einen starken Magen schließen ließen20. Obwohl man die Pferde der schweren Kavallerie sorgfältig auswählte, gingen die Preußen zunehmend dazu über, auch ihre Dragonereinheiten mit Pferden aus dem ost- und südosteuropäischen Raum auszustatten21. Dies hing vor allem damit zusammen, dass diese Tiere wesentlich ausdauernder waren. Laut General von Seydlitz konnte eine Einheit der schweren Kavallerie sogar auf dem Marsch nach und nach durch Husarenpferde aufge14 Siehe Warnery, Charles Emmanuel, Feldzüge Friedrichs des Zweyten von Preußen seit 1756 bis 1762. Erster Teil, Seite 116. 15 Siehe De Ligne, Charles Joseph, Militärische Vorurtheile, Seite 35. 16 Siehe OestKA, AFA, Nr. 669: Siebenjähriger Krieg CA 1758 Kampagne gegen Preußen I, Faszikel III / 1c. 17 Vgl. Allmayer-Beck, Christoph, Die friderizianische Armee im Spiegel ihrer österreichischen Gegner, Seite 240. 18 Siehe OestKA, AFA, Nr. 669: Siebenjähriger Krieg CA 1758 Kampagne gegen Preußen I, Faszikel III / 1c und d. 19 Zum gesamten Absatz vgl. Warnery, Charles Emmanuel, Feldzüge Friedrichs des Zweyten von Preußen seit 1756 bis 1762. Erster Teil, Seite 115 und 117. 20 Vgl. Unger, Wolfgang von, Wie ritt Seydlitz? Eine Studie über Pferde, Reiter und Reitkunst in der Kavallerie Friedrichs des Großen, Seite 20–23 und 33. 21 Vgl. ebd., Seite 24 f.
I.3. Die Bedeutung der Taktik und Logistik77
rieben werden, obgleich Erstere wegen ihrer Größe beim Einsatz in geschlossenen Linien und auf kurzen Distanzen in der Schlacht überlegen waren22. Mindestens genauso wichtig wie die grundlegende Verfügbarkeit der Pferde war ihre ständige Verpflegung. Allerdings traf dies genauso auf die Soldaten zu. Dass die Verpflegungsfrage ein viel größeres Problem darstellte, als man vielleicht auf den ersten Blick vermuten würde, hatten selbst die Offiziere des Großen Generalstabs festgestellt, obwohl sie annahmen, dass für Armeen von 50–100.000 Mann überall in Mitteleuropa genügend Nahrungsmittel zu finden seien: „Das Gegentheil ist aber der Fall: Verpflegungsfragen nehmen einen ganz unglaublich, breiten Raum in den Entwürfen der Feldherren ein, und überall tritt bei den Schriftstellern die Sorge um den Unterhalt der Heere in einer Stärke auf, die sonderbar erscheint […]“23.
Nachvollziehbar erschien dieser Aspekt den Betrachtern des späten 19. Jahrhunderts nur noch insofern, als es auch für die Desertionsvermeidung ratsam war, eine ausreichende Versorgung der Truppen mit Lebensmitteln zu garantieren, zumal der König gleich im ersten Kapitel seiner Generalprinzipien von 1748 betont hatte, dass die preußischen Truppen besser ernährt werden müssten als alle übrigen Truppen Europas24. Offenbar hatte sich die überragende Bedeutung der Verpflegungsfrage gerade im Zweiten Schlesischen Krieg dem König erschlossen, sodass in den folgenden Jahren nicht nur das Magazinwesen einen starken Ausbau erfuhr, sondern das Thema auch in den theoretischen Schriften großen Nachhall fand. „Quand on veut bâtir une armée, […] il faut commencer par le ventre; c’en est le fondement“25.
Am stärksten war für die Bedeutung der Verpflegung der preußische Oberkriegskommissar Johann Erdmann Korge sensibilisiert, der gleich auf den ersten Seiten seines zeitgenössischen Werkes „Von den Verpflegungen der Armeen“ unmissverständlich Folgendes klarstellte: „Die Armeen, denen es hieran fehlet, sind auch in der größten Gefahr geschwinde zu Grunde zu gehen. Die Truppen verlieren aus Mangel desselben bald allen Muth, werden matt, müde und zaghaft. Die Pferde werden mager, und kommen so von Kräften daß sie kaum die nöthigsten Dienste, vielweniger fatigante starke Märsche ausstehen können. Dieses verursachet längeren Aufenthalt, dadurch gewinnt der Feind, der seine Zeit wahrnimmt, Märsche und Vortheile die er nicht würde haben erlangen können, wenn dem Gegentheile der Vorrath nicht gemangelt hätte“26.
König Friedrich und Oberkriegskommissar Korge waren aber nicht die Ersten, die der Verpflegungs- und Versorgungsproblematik und allen operativen Konsequenzen, die daraus erwuchsen, enorme Aufmerksamkeit entgegenbrachten. Einer der prominentesten 22 Vgl.
ebd., Seite 125 ff. Generalstab, Friedrich des Großen Anschauungen vom Kriege in ihrer Entwickelung von 1745 bis 1756, Seite 303. 24 Siehe ebd. und Friedrich II., Die Generalprinzipien des Krieges und ihre Anwendung auf die Taktik und Disziplin der preußischen Truppen (1748), Kapitel 1. 25 Ebd., Kapitel III (französische Version). 26 Korge, Johann Ermann, Von den Verpflegungen der Armeen, Seite 4 f. 23 Großer
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1. Teil: Das Bild der friderizainischen Kriegsführung
Feldherren, der sich schon Ende des 17. Jahrhunderts ausführlich dieser Thematik angenommen hatte, war Graf Raimondo di Montecuccoli. Er hatte sich als Kavallerist durch den Dreißigjährigen Krieg gekämpft, die Türken 1664 am Raab bzw. bei Mogersdorf zurückgeschlagen und war dann 4 Jahre später zum Präsidenten des Wiener Hofkriegsrates aufgestiegen, womit er das höchste militärische Amt der Habsburgermonarchie bekleidete. Laut Montecuccoli war das Problem der Verpflegungsbeschaffung bisweilen so dramatisch, dass die Soldaten sich manchmal auch von Gras, Wurzeln, Blättern, der Rinde der Bäume sowie den Zug- und Reittieren oder im extremsten Fall sogar von Menschen ernährten. Gerade diese Formen des Kannibalismus waren in den Heeren seiner Zeit offenbar gar keine Seltenheit, auch wenn dies schon das deutlichste Anzeichen für den drohenden oder tatsächlichen Zerfall der Streitmacht war, weil diese Armeen trotz derart drastischer Maßnahmen in der Regel sehr schnell durch Krankheiten dezimiert wurden und die Soldaten einfach an Schwäche starben. Daher drang Montecuccoli ausdrücklich darauf, dass vor Beginn eines Feldzuges ausreichende Magazine an befestigten Plätzen wie Schlössern oder Städten angelegt wurden. Für die Zufuhr zum Lager oder zur Armee sollte man eine ausreichende Menge an Wagen oder Schiffen verwenden, die immer mit starken Deckungstrupps zu versehen waren und niemals zu festgelegten Zeit erfolgten. So hoffte der General, langfristig geplanten Überfällen bestmöglich entgegenzuwirken. Außerdem empfahl er, sich gegen alle möglichen Vergiftungen oder Verunreinigungen der Nahrungsmittel zu schützen, indem man sie zuweilen Tieren wie Hunden oder Pferden zu fressen gab. Außerdem galt es, ehrliches und fleißiges Personal für die Verpflegungsorganisation zu finden und dafür zu sorgen, dass genügend Mühlen und Backöfen für die Brotherstellung bereitstanden. In diesem Zusammenhang ging Montecuccoli auf viele Details wie die Vermahlungskapazitäten der Mühlen, das Fassungsvermögen von Säcken und Fässern, die Produktivität der Öfen sowie die Verpflegungssätze an Brot, Fleisch, Käse und Bier ein. Er war sich auch darüber im Klaren, dass der Versorgungsapparat mit seiner Vielzahl an Knechten, Marketendern und anderen Bediensteten selbst eine bedeutende Größe annehmen konnte, sodass deren Eigenverpflegung in nennenswertem Umfang ins Gewicht fiel. Deswegen bestand er darauf, den Tross regelmäßig einer Revision zu unterziehen, ihn so immer der Armeegröße anzupassen und sich nicht mit unnötigem Gepäck zu belasten27. Auch König Friedrich hatte in den Instruktionen an die Generale von 1747 und in den Generalprinzipien des Krieges von 1748 auf die enorme Größe der Kolonnen hingewiesen, die beim Transport der Fourage entstehen konnten und bisweilen Ausmaße annahmen, dass die Wagen einer Provinz kaum ausreichten, sodass die Pferdverpflegung abseits der Flüsse fast undurchführbar wurde28. Die immensen quantitativen Dimensionen 27 Zum gesamten Absatz siehe Montecuccoli, Raimondo Graf von, Ausgewählte Schriften des Raimund Fürsten Montecuccoli, Bd. 1: Militärische Schriften, Seite 202–213. 28 Siehe Friedrich II., Instruktion Friedrichs des Großen für seine Generale von 1747, Seite 25 und ders., Die Generalprinzipien des Krieges und ihre Anwendung auf die Taktik und Disziplin der preußischen Truppen (1748), Kapitel V.
I.3. Die Bedeutung der Taktik und Logistik79
dieser Transporte werden merkwürdigerweise bis heute in der Forschungsliteratur unterschätzt29. Der enorme Stellenwert der Logistik bzw. Verpflegungsfrage zeigte sich in den strategischen Überlegungen des Königs Friedrich nicht zuletzt daran, dass er der Ansicht war, dass die Vernachlässigung dieser Frage größere Verluste zur Folge haben konnte als eine verlorene Schlacht30. Deswegen empfahl er unter anderem, auch diese vorzubereiten, indem man den Gegner von seinen Lebensmittelzufuhren abschnitt und ein günstiges Gelände wählte, um ihn zu schlagen31. Und so grundlegend, wie dann die gegenseitige Unterstützung der Waffengattungen der Schlacht für den Sieg waren, genauso fundamental war für den König offensichtlich die Absicherung der Armee im Feld durch die Verpflegung, von der man nicht nur wissen musste, ob sie 2 Wochen, sondern ein ganzes Jahr reichte32. Er hatte offenbar auch erkannt, dass die Sicherstellung einer ausreichenden Verpflegung, die auch Fleisch, Branntwein und Tabakportionen umfassen sollte, einer der wichtigsten Faktoren im Rahmen der Desertionsvermeidung war33. Daher räumte der König in all seinen Lehrschriften logistischen Fragen einen enorm hohen Stellenwert ein. Die Inspiration hierfür scheint er allerdings weniger von Montecuccoli, sondern mehr aus dem französischen Kulturkreis bezogen zu haben, wobei er sich insbesondere den Werken des Marquis de Feuquières, den Schriften Moritz von Sachsens und der Geschichte Jean Beaurains über die Feldzüge in Flandern während des Neunjährigen Krieges (1688–1697) zuwandte34. Zu den bedeutendsten Gesamtwerken, die dann unter diesem Einfluss entstanden, zählen die Instruktion für seine Generale von 174735, die Generalprinzipien des Krieges von 1748, die allgemeinen Gedanken und Regeln für den Krieg von 1755 und die Schrift über die Kriegsmärsche von 1777. Allerdings sind auch die politischen Testamente von 1752 und 1768 in logistischer Hinsicht sehr einschlägig. Während zwischen diesen Lehrschriften und den Dispositionen für die Schlachten und Gefechte, die viel unmittelbarer die Kriegserfahrungen widerspiegelten, gewisse Diskrepanzen hinsichtlich der taktischen Grundsätze auftraten, waren die Ausführungen zur Logistik wesentlich konsistenter und unterschieden sich 29 Vgl. Creveld, Martin, Supplying War, Seite 37 f. Wesentlich angemessener in dieser Hinsicht Luh, Jürgen, Kriegskunst in Europa 1650–1800, Seite 44–47. 30 Siehe Friedrich II., Gedanken und allgemeine Regeln für den Krieg (1755), Kapitel V. 31 Siehe Friedrich II., Instruktion Friedrichs des Großen für seine Generale von 1747, Seite 113. 32 Siehe ders., Gedanken und allgemeine Regeln für den Krieg (1755), Kapitel XIII. 33 Siehe ders., Die Generalprinzipien des Krieges und ihre Anwendung auf die Taktik und Disziplin der preußischen Truppen (1748), Kapitel I. 34 Vgl. Großer Generalstab, Friedrich des Großen Anschauungen vom Kriege in ihrer Entwickelung von 1745 bis 1756, Seite 233 f. Die Tatsache, dass gerade im Neunjährigen Krieg logistische Probleme bei den Feldzügen in Flandern verstärkt auftraten, war kein Zufall, sondern dem starken quantitativen Anwachsen der französischen Heere in dieser Zeit geschuldet. Vgl. Lynn, John, Giant of the Grand Siecle, Seite 47 und 55. 35 Eigentlich stammt die erste Version, die die innersten Beweggründe des Königs wiederspiegelte, schon von 1746 unmittelbar nach dem Ende der Kampfhandlungen im Zweiten Schlesischen Krieg. Vgl. Großer Generalstab, Friedrich des Großen Anschauungen vom Kriege in ihrer Entwickelung von 1745 bis 1756, Seite 236 f.
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1. Teil: Das Bild der friderizainischen Kriegsführung
über die Jahre nur in ihrer Detailtiefe. Alle diese Lehrschriften waren geheim und deshalb gab es eigentlich ein Verbot, sie mit ins Feld zu nehmen, was über lange Zeit wohl auch eingehalten wurde, bevor den Österreichern eine Version der Generalprinzipien, die General von Czetteritz mit sich führte, inklusive einer Armeestärkeliste von 1757 und anderen Kriegsartikeln von 1760 bei Koßdorf in der Nähe von Torgau in die Hände fielen36. Logistische Erwägungen spielten in allen Feldzugsplanungen des Königs wie gegen Sachsen, Böhmen und Mähren, aber auch bei der Verteidigung Niederschlesiens und Brandenburgs eine zentrale Rolle. Für den Angriff auf Sachsen empfahl er, sich unbedingt der Elbe zu bemächtigen und sich als Vorbereitung auf die Armee und das Hauptdepot bei Halle zu konzentrieren. Für die weiteren Verpflegungsgüter war das Hauptmagazin in Magdeburg anzulegen und der Fuhrpark vorerst mit einem 3-wöchigen Mehlvorrat zu versehen. Das erste Ziel der Offensive sollte Wittenberg sein, um die Elbe als Nachschubweg zu sichern und dann Dresden einzunehmen zu können. Als Vorbereitung dessen war es jedoch zunächst erforderlich, den Feind aus Meißen und von den Kesselsdorfer Höhen zu vertreiben. Für den Einmarsch nach Böhmen bot sich nach Meinung des Königs am ehesten der Weg über Braunau an, weil die Oder diesem Punkt näher sei als Glatz oder Neisse und Schweidnitz als Versorgungsstützpunkt zur Verfügung stehe. Außerdem seien die Wege dort für das Fuhrwesen ungleich günstiger als aus der Lausitz oder über Trautenau. Grundsätzlich war Friedrich der Ansicht, dass es leichter war, Böhmen einzunehmen, als zu halten, weil es kaum befestigte Städte gab, die man für die Magazine nutzen konnte, und die Transporte dorthin immer mit den Bergpässen zu kämpfen hatten. Deshalb sollte der dortige Feldzug immer den Charakter eines Defensivkrieges mit offensiven Mitteln auf operativer Ebene tragen. Für eine Offensive gegen Mähren empfahl der König den Angriff über Sternberg, weil die Festung Neisse als Vorratslager am nächsten war. Wie im Falle Böhmens riet er auch hier dazu, Deckungstruppen zurückzulassen, und zwar bei Braunau und Jablunka. Ihre Aufgabe bestand darin, Einfälle nach Schlesien zu verhindern, womit ihnen im Gesamtplan mit Abstand die wichtigste Einzelaufgabe zufiel. Für die Verteidigung Niederschlesiens sollte man ansonsten Glatz nutzen, beispielsweise indem man mit 3 bis 4 Husarenregimentern die Versorgungslager des Gegners angriff und so dessen Nachschubmöglichkeiten zunichtemachte. Bei einem feindlichen Vorstoß auf Berlin sollten die Husaren durch die Wälder von Beelitz nach Sachsen einrücken, um den Feind zu umgehen und dann von seinen Zufuhren abzuschneiden. Neben den Angriffen auf die Versorgungslinien schenkte der König auch Winterfeldzügen große Beachtung. Letztere waren zwar nur in den äußersten Notfällen vorzunehmen, weil man häufig Gefahr lief, die Truppen durch Krankheiten zugrunde zu richten. Allerdings räumte der König ein, diese Option schon in den ersten beiden Schlesischen Kriegen 3-mal ergriffen zu haben. Dies veranlasste ihn zu der Schlussfolgerung, dass es vor allem darauf ankam, sie zu einem schnellen Abschluss zu bringen, was mit einer Belagerung in der Regel unvereinbar schien. Eine Schlacht oder 36 Vgl. ebd., Seite 236–238 und zu den weiteren Beutestücken Generals von Czetteritz siehe OestKA, AFA, Kriegswissenschaftliche Mémoires, IX, Nr. 109 und XVIII, Nr. 25.
I.3. Die Bedeutung der Taktik und Logistik81
ein Einfall in die Quartiere des Gegners hielt er für sehr lohnenswert, weil er glaubte dadurch vor allem große Geländegewinne erzielen zu können37. Allerdings brachte der König den Fragen der Verpflegung und Versorgung nicht nur im Rahmen seiner Feldzugs- und Schlachtplanung, sondern ganz allgemein großes Interesse entgegen. So beschäftigte er sich ausführlich mit den zugehörigen Teilkomponenten wie dem Magazin- und Transportwesen, der Brotherstellung sowie der Fourage beschaffung in Form von Körnern, Rau- und Grünfutter, aber auch der Bevorratung der Festungen mit Geschützen und Munition. Damit deutet sich schon an, dass die Logistik der damaligen Zeit im Grunde ein noch komplexeres Gebiet als die Taktik war, aber im Unterschied zu Letzterer ließen sich hier eher substantielle Vorteile durch längerfristige Planungen und Vorbereitungen erzielen. Dies zeigte sich besonders anhand jener Bereiche, in denen die taktische Effizienz stark von den logistischen Voraussetzungen wie der Bereitstellung von ausreichender Munition oder guten Pferden für die Kavallerie und Artillerie abhing. Obwohl sich König Friedrich zu so vielen Bereichen der Logistik ausführlich Gedanken machte, äußerte er sich eher selten in dezidiert militärfachlicher Hinsicht, d. h. bezüglich der konkreten quantitativen Dimensionen der Versorgungsorganisation wie den Truppenstärken, dem daraus entstehenden Bedarf, den Magazinbeständen oder auch den genauen Kapazitäten der Transportmittel. Um nun zu verstehen, wie die damalige Logistik genau funktionierte, werden im folgenden Teil zuerst die Organisation und die Verwaltung der Versorgung vorgestellt. Mit Blick auf die Praxis wird es vor allem darum gehen, eine wesentlich präzisere Vorstellung vom quantitativen Umfang der Versorgungsgüter der Streitkräfte zu erhalten und welche immense Bedeutung dabei den Verpflegungsgütern zukam. Anschließend werden nach einem kleinen Exkurs zu den Maßeinheiten die Teilbereiche der damaligen Versorgungsorganisation vorgestellt, darunter das Magazinwesen, die Truppenverpflegung, die Pferdeverpflegung sowie die Waffen und das Munitions- und Bekleidungswesen. Zum Schluss wird das Transportwesen näher erläutert, das für die Mobilisierung aller Versorgungs- und Verbrauchsgüter von entscheidender Bedeutung war und deswegen, wie schon erwähnt, den wichtigsten Sektor im Bereich der Logistik darstellte. Dabei wird sich durch den zeitweiligen Vergleich mit dem Verhältnissen bei den kaiserlich und königlich (k.u.k.) österreichisch-ungarischen Truppen, die in der Folge einfach als Österreicher bezeichnet werden, auch zeigen, wo die besonderen Stärken der Preußen in struktureller und quantitativer Hinsicht gegeben waren.
37 Zum gesamten Absatz vgl. Friedrich II., Instruktion Friedrichs des Großen für seine Generale von 1747, Seite 9, 11, 13, 15, 17, 123 und 125 sowie ders., Die Generalprinzipien des Krieges und ihre Anwendung auf die Taktik und Disziplin der preußischen Truppen (1748), Kapitel II.
II. Teil
Die Kernelemente der Heeresversorgung II.1. Die Organisation und Verwaltung des Versorgungswesens In der preußischen Armee oblag die Organisation der Logistik oder der Heeresversorgung vor allem den Armeeintendanten, dem Generalquartiermeister und seinen unterstellten Quartiermeistern sowie dem Generaldirektorium in Friedenszeiten und den Feldkriegskommissariaten im Krieg. Generalmajor Wolf Friedrich von Retzow gehörte seit 1747 als Intendant der Armee neben den Kommissaren der Feldkriegskommissariate wohl zu den bedeutendsten Persönlichkeiten der Nachschub- und Verpflegungsorganisation, wahrscheinlich war er sogar die wichtigste Figur, zumal ihn König Friedrich auch scherzhaft „mon petite Colbert“ nannte1. Obwohl sein genauer Kompetenzbereich nicht ganz klar zu definieren ist, zeichnete er wohl für die Organisation des gesamten Nachschubs der jeweiligen Hauptarmee an Material, Personal und Geld verantwortlich. Sein Pendant für das Schlesische Armeekorps bzw. die Schlesische Armee war Generalmajor Carl Christoph von der Goltz2. Die Verpflegungsorganisation bestimmte zum Großteil die Rolle des Intendanten, denn in Friedenszeiten hatte er die Befüllung der Magazine zu veranlassen und die dort eingesetzten Kommissare und Proviantbeamten zu beaufsichtigen. In Kriegszeiten richtete er die Magazine im Feld ein und prüfte, ob die Lebensmittel von den Lieferanten in der geforderten Quantität und Qualität sowie zum vereinbarten Preis eintrafen. Im Feindesland musste er die Lieferungen ausschreiben und notfalls auch gewaltsam durch sogenannte Exekutionskommandos eintreiben lassen. Darüber hinaus stellte er für die Verbände, d. h. die Korps, den Portions- und Rationsplan auf und wies ihnen dementsprechend die Bäckereien, das Proviantfuhrwesen, die Lazarette sowie die hierfür erforderlichen Gelder zu. Bei Gefechten hatte er die Wagen des Proviantfuhrwesens für den Abtransport der Verwundeten in die Lazarette abzustellen und deren Ausstattung in Form von Strohsäcken und Leinwand zu besorgen. Normalerweise sollte er mit ihnen aber die Brotverpflegung sicherstellen und garantieren, dass hierfür die Gerätschaften des Proviantwesens vollständig waren und etwaige Verluste am Ende eines jeden Feldzuges ersetzt 1 Zu Retzows Amtszeit siehe Naudé, Wilhelm / Schmoller, Gustav von / Skalweit, August, Acta Borussica, Getreidehandelspolitik, Bd. 3: Die Getreidehandelspolitik und Kriegsmagazinverwaltung Preußens 1740–1756, Seite 192. Zum Gleichnis in Bezug auf den Finanzminister Ludwigs XIV. vgl. Allgemeine Deutsche Biographie, Bd. 28, Seite 277. 2 Sein älterer Bruder Conrad Georg von der Goltz war der erste Intendant der Armee. Sein jüngerer Bruder Major Henning von der Goltz war im Jahr 1757 der Intendant des Pommer’schen Korps und fiel in der Schlacht bei Groß-Jägersdorf. Vgl. Jany, Curt, Geschichte der Königlich Preußischen Armee, Bd. II, Seite 207 f. und Seite 210 f.
II.1. Die Organisation und Verwaltung des Versorgungswesens83
wurden. Außerdem hatte er die Lieferungen von Brennholz und Stroh ins Lager der Armee zu organisieren, die Rinderherden und andere Lebensmittel dorthin liefern zu lassen und den Regimentern Geld zu deren Ankauf zuzuteilen3. Neben den Intendanten der Verbände gab es auch noch einen Generalquartiermeister des Heeres, dessen Posten im Jahr 1757 Generalmajor Carl Christoph von Schmettau innehatte. Seine Aufgabe und die seines Stellvertreters, des Generalquartiermeisterlieutnants Oberstleutnant von Oelsnitz, bestand normalerweise in der Einrichtung des Lagers und der Ausweisung der Marschrouten für die Armee. Letzterem war in Friedenszeiten aber auch die Leitung der Potsdamer Plankammer anvertraut4. Beim Schlesischen Armeekorps bzw. bei der Schlesischen Armee zeichnete hierfür der Oberstleutnant von Wrede verantwortlich, unter dessen Aufsicht das Ingenieurskorps auch die Kriegskarte von Schlesien anfertigte. Dies deutet darauf hin, dass die Offiziere, die die Lager und Marschrouten organisierten, über extrem gute topografische Kenntnisse verfügten oder sich diese aneignen mussten. Da sie auch die Einquartierung der Truppen insbesondere in den Wintermonaten zu organisieren hatten, mussten sie in erster Linie mit den lokalen Gegebenheiten vertraut sein, weil die Truppen in der Regel in einer Provinz zerstreut lagen und zumeist mit Hilfe der lokalen Ressourcen verpflegt wurden. Wahrscheinlich wollte man die damit verbundenen Aufgaben nicht auch noch den Intendanten aufbürden, zumal diese, wie sich später noch zeigen wird, auch in die Ausschreibung von Geldern und Rekruten involviert waren. Die Gemeinsamkeit aller 3 Funktionsträger bestand darin, dass sie die Forderungen der Armee gegenüber der Zivilverwaltung in den eigenen oder feindlichen Gebieten bzw. gegenüber dem Zivilpersonal der militärischen Verwaltung artikulierten. Damit waren sie sozusagen die Anwälte für die Bedürfnisse der Armee, wobei sich die Intendanten eben mehr mit den zentralen und die Quartiermeister mehr mit den dezentralen Elementen der Versorgung beschäftigten. Die wichtigsten Kooperationsstellen der Intendanten waren in Kriegszeiten die Feldkriegskommissariate, bisweilen auch Generalfeldkriegskommissariate genannt5, und das Feldkriegsdirektorium bzw. Generalfeldkriegsdirektorium. Letzteres wurde von dem Staatsminister von Borcke oder v. Borck geleitet und hatte seinen Sitz während des gesamten Siebenjährigen Krieges entweder in Torgau oder in Wittenberg. Es war zuständig für die gesamte Ressourcenmobilisierung des sächsischen Raums. In diesem Rahmen hatte es für den Nachschub an Naturalien, Geld, Waffen, Personal und Transportmitteln zu sorgen sowie die entsprechenden Ausschreibungen zu organisieren. Es existierte wie die Feldkriegskommissariate wohl nur in Kriegszeiten. In Schlesien war seit 1755 der dirigierende Minister Ernst Wilhelm von Schlabrendorff6, eine der am meisten unter3 Zum gesamten Absatz siehe OestHHStA, Nachlass Lacy Kt. 1, Teil II, Faszikel 21, Blatt 174 Vorderseite–178 Rückseite. 4 Vgl. Jany, Curt, Geschichte der Königlich Preußischen Armee, Bd. II, Seite 205 f. 5 Zur dieser Bezeichnung vgl. Schädrich, Fred, Das Generalfeldkriegskommissariat in Schlesien 1741. 6 Schlabrendorff hatte vor seiner Ernennung zum dirigierenden Minister von Schlesien als Magdeburger Kammerpräsident gedient und dort ein neues Transitzollsystem eingeführt. Vgl. Naudé, Wilhelm / Schmoller, Gustav von / Skalweit, August, Acta Borussica, Getreidehandelspolitik,
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II. Teil: Die Kernelemente der Heeresversorgung
schätzten Persönlichkeiten jener Zeit, mit seinen Kriegs- und Domänenkammern in Glogau und Breslau, denen er als Präsident vorstand, die wichtigste Anlaufstelle für die Mobilisierung der Ressourcen in der Provinz. Das Äquivalent bildete im gesamten Königreich Preußen das Generaldirektorium mit dem König als Präsidenten und seinen Abteilungen, denen auf Provinzebene die jeweilgen Kriegs- und Domänenkammern unterstellt waren. Innerhalb dieser Behörde gab es nach den beiden vorangegangenen Schlesischen Kriegen eine wichtige Veränderung, nämlich 1746 die Schaffung des neuen VI. Departments für Magazine, Proviant-, Marsch-, Einquartierungs-, Salpeter-, Servis- und alle anderen zum Generalkriegskommissariat gehörigen Sachen durch alle Provinzen. Damit wurden die Organisation aller wichtigen Versorgungsgüter und die erforderliche Infrastruktur für den Einsatz der Armee in einer Abteilung zusammengefasst, die in die wichtigste Behörde des preußischen Staates eingegliedert war und dauerhaft existierte. Geleitet wurde diese Abteilung bis 1760 von Heinrich Christoph von Katt, der zuvor das Amt des Kammerpräsidenten von Küstrin bekleidet hatte und nun den Titel eines dirigierenden Ministers und Generalkriegskommissars führte7. Er beaufsichtigte alle Magazine der Provinzen, auch jene in Schlesien, obwohl er sich diesbezüglich mit den jeweiligen regierenden Ministern dieser Provinz zuerst abzustimmen hatte8. Die Verwaltung der dortigen Magazine wurde offensichtlich auch von der Glogau’schen und der Breslauer Kriegs- und Domänenkammer mitorganisiert, zumal bestimmte Geheime Räte dieser Kammern ebenfalls mit Magazin-, Proviant-, Marsch-, Servis-, Pferde-, Kriegsfuhr- oder Vorspannsachen sowie Landesfourageausschreibungen beauftragt waren9. Während das Feldkriegsdirektorium und die Kriegs- und Domänenkammern sich mit der gesamten Ressourcenmobilisierung beschäftigten, waren die Feldkriegskommissariate primär für die Beschaffung der Verpflegungsgüter zuständig, wobei für ihren Transport die jeweiligen Mittel immer gleich mitbeschafft werden mussten. In den ersten beiden Schlesischen Kriegen gab es nur ein Feldkriegskommissariat, nämlich das Brandenburgische, das im Dritten Schlesischen oder Siebenjährigen Krieg durch 2 weitere Kommissariate in Schlesien und in Ostpreußen bzw. dann später in Pommern ergänzt Bd. 3: Die Getreidehandelspolitik und Kriegsmagazinverwaltung Preußens 1740–1756, Seite 124. Über Schlabrendorffs Tätigkeit ist wenig bekannt, außer dass er die Kriegslasten vor allem auf die Landadligen umverteilt hat, was zu Spannungen mit den Landräten führte und ihm die Bezeichnung eines „Bauerngenerals“ eintrug (vgl. Schulz, Ursula, Die Schlesischen Landräte unter Friedrich dem Großen, Seite 57). 7 Siehe Naudé, Wilhelm / Schmoller, Gustav von / Skalweit, August, Acta Borussica, Getreidehandelspolitik, Bd. 3: Die Getreidehandelspolitik und Kriegsmagazinverwaltung Preußens 1740– 1756, Seite 189 und Jany, Curt, Geschichte der Königlich Preußischen Armee, Bd. II, Seite 211. 8 Siehe Naudé, Wilhelm / Schmoller, Gustav von / Skalweit, August, Acta Borussica, Getreidehandelspolitik, Bd. 3: Die Getreidehandelspolitik und Kriegsmagazinverwaltung Preußens 1740– 1756, Seite 192. 9 Siehe Haß, Martin / Peters, Wolfgang, Acta Borussica. Die Behördenorganisation und die allgemeine Staatsverwaltung Preußens, Bd. 11, Seite 261 f. und 363. In der Glogau’schen Kammer waren die Räte Engelbrecht und Niccolovius und in der Breslauer Kammer der Rat Haenel hierfür zuständig.
II.1. Die Organisation und Verwaltung des Versorgungswesens85
wurde10. In der Regel führten ein Geheimer Finanzrat und ein weiteres Mitglied, die zumeist auch Geheime Kriegsräte im Generaldirektorium oder in den Schlesischen Kammern waren, den Vorsitz11. Das für Sachsen zuständige Feldkriegskommissariat zählte 1756 und 1757 mit den Räten Albrecht, Deutsch, Flesch und Zinnow sogar 4 Mitglieder12. Das schlesische Feldkriegskommissariat bestand nur aus 2 Mitgliedern, dem Finanzrat Beggerow aus dem Generaldirektorium, der auch Direktor des Medizinkollegiums war, und dem Kriegsrat Normann, der in der Breslauer Kammer u. a. für Vermessungssachen sowie für böhmische Kolonien verantwortlich zeichnete13. Die Führungskräfte der Kommissariate rekrutierten sich in der Regel wohl aus den Schlesischen Kammern und dem Generaldirektorium, zumal dem Geheimen Rat Friedrich Deutsch als Generalproviantmeister auch die Leitung des gesamten Magazinbetriebs in Friedens zeiten oblag14. Darüber hinaus hatte jedes Kommissariat seinen besonderen Etat und bestand zusätzlich aus 2 Sekretären, 1 Registrator, 2 Kalkulatoren und 2 Kanzlisten15. Unterstellt waren ihnen die Proviantämter, die sich aus einem Oberproviantmeister, einem Oberkommissar, 12 Proviantkommissaren und 60 bis 70 Proviantbedienten, Schreibern und Comis zusammensetzten16. Die Aufgabe der Feldkriegskommissariate bestand darin, die Ausschreibungen gemäß den Anforderungen der Intendanten zu organisieren, sie erledigten also den erforderlichen Schriftverkehr. Das Feldkriegskommissariat oder das Feldkriegsdirektorium fertigte die Ausschreibungen aus und übermittelte sie dann an die jeweiligen regionalen Zivilbehörden. In Sachsen war die oberste zivile Verbindungsstelle in der Zeit des Siebenjährigen Krieges wohl die Landeshauptdeputation. Diese verteilte die Anforderungen an die jeweiligen Kreise und leitete sie an die Kreisdeputierten weiter, die dann auch für die jeweiligen Ämter und Städte Verteilungsschlüssel oder Repartitionen, wie man sie damals nannte, entwarfen17. Damit bauten die Preußen offenKorge, Johann Erdmann, Von den Verpflegungen der Armeen, Seite 34. Jany, Curt, Geschichte der Königlich Preußischen Armee, Bd. II, Seite 265. Viele der Mitglieder der Feldkriegskommissariate bekleideten später Posten als Finanzräte (vgl. Straubel, Rolf, Heer- und höhere Beamtenschaft in spätfriderizianischer Zeit, Seite 105 f.). Dies scheint darauf hinzudeuten, dass man in der Regel Personen mit recht guten mathematischen Fähigkeiten wählte, die sicherlich erforderlich waren, um die enormen Kalkulationen, die sich mit der Organisation der Heeresverpflegung, -versorgung und -bezahlung verbanden, bewältigen zu können. 12 Siehe SächsHStA-DD, 10025 Geheimes Konsilium, Loc. 6482 Num 15: Königl. Preuß. Seits gelieferte vom Lande geforderte Fourage, Pferde- und Vieh Lieferungen sämtl. Proviant Pferden und Knechten ingleichen […], Blatt 318 Vorderseite. 13 Siehe Haß, Martin / Peters, Wolfgang, Acta Borussica. Die Behördenorganisation und die allgemeine Staatsverwaltung Preußens, Bd. 11, Seite 1 und 363. 14 Siehe Naudé, Wilhelm / Schmoller, Gustav von / Skalweit, August, Acta Borussica, Getreidehandelspolitik, Bd. 3: Die Getreidehandelspolitik und Kriegsmagazinverwaltung Preußens 1740– 1756, Seite 184. 15 Siehe Korge, Johann Erdmann, Von den Verpflegungen der Armeen, Seite 34 f. 16 Siehe ebd., Seite 35. 17 Zum Beispiel eine Repartition auf Kreisebene. Siehe SächsHStA-DD, 10025 Geheimes Konsilium, Loc. 6482 Num 15: Königl. Preuß. Seits gelieferte vom Lande geforderte Fourage, Pferdeund Vieh Lieferungen sämtl. Proviant Pferden und Knechten ingleichen […], Blatt 2 Vorder- und Rückseite. 10 Siehe 11 Vgl.
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II. Teil: Die Kernelemente der Heeresversorgung
bar auch in den besetzten Gebieten weitestgehend auf die Selbstverwaltung und nutzten wie in Schlesien oder anderen eigenen Provinzen die vorhandenen Zivilstrukturen, was sich mittel- und langfristig positiv auf die Ressourcenbewirtschaftung ausgewirkt haben könnte. Wie die einzelnen Behörden zusammenwirkten, stellt das Organigramm dar:
Abbildung 1: Struktur der preußischen Ressourcenmobilisierung und Magazinverwaltung in der Zeit des Siebenjährigen Krieges
II.1. Die Organisation und Verwaltung des Versorgungswesens87
Auch die wichtigsten militärischen und zivilen Funktionsträger auf preußischer Seite, darunter einige der Magazinverwalter, auch Rendanten genannt, seien hier einmal namentlich erwähnt18. Übersicht der wichtigsten preußischen Logistikoffiziere und Zivilbeamten Militärs – Generäle und Stabsoffiziere: Name Funktion Generalmajor Wolf Friedrich von Retzow Intendant der Armee des Königs (vor allem für Sachsen) Intendant der Armee / des Korps des Königs Oberst / Generalmajor von Arnstedt (nach Retzows Tod 1758 dessen Nachfolger) Generalmajor Carl Christoph von der Goltz Intendant des schlesischen Korps / der Schl. Armee Major Henning von der Glotz Intendant des Korps in Ostpreußen (gefallen bei Großjägersdorf 1757) Generalleutnant von Massow 2. Abteilung des Generaldirektoriums, Chef der Generalbekleidungskasse und Generalpferdekasse (Remontierung der Armee) Generalleutnant von Schmettau Generalquartiermeister Oberstleutnant Oelsnitz Quartiermeister für die Oberlausitz19 Zivilbeamte – Minister und Kriegskommissare: Name Funktion / Wirkungsstätte Gesamtes Königreich Preußen Generalkriegskommissar und Staatsminister, Chef Heinrich Christoph von Katt der VI. Abteilung des Generaldirektoriums für Magazine, Proviant-, Marsch-, Einquartierungs-, Salpeter-, Servis- und alle anderen zum Generalkriegskommissariat gehörigen Sachen durch alle Provinzen20
18 Diese Erwähnung erfolgt an dieser Stelle ausführlich deshalb, weil es im Rahmen der Nachforschungen bzw. der Quellenrecherche bisweilen sehr wichtig sein kann, die Namen der jeweiligen Funktionsträger im Bereich der Versorgungsorganisation zu kennen, da diese häufig ihre Korrespondenz oder selbst ihre dienstlichen Schriften in Wohnsitzen aufbewahrten, d. h. auf ihren jeweiligen Schlössern, Gütern oder sonstigen Besitztümern. 19 Zu den bis hierhin genannten Funktionsträgern vgl. Großer Generalstab, Die Kriege Friedrichs des Großen. Dritter Theil, Bd. 3: Kolin, Anlage 1 und Jany, Curt, Geschichte der Königlich Preußischen Armee bis zum Jahre 1807, Bd. II, Seite 211. 20 Siehe Naudé, Wilhelm / Schmoller, Gustav von / Skalweit, August, Acta Borussica, Getreidehandelspolitik, Bd. 3: Die Getreidehandelspolitik und Kriegsmagazinverwaltung Preußens 1740– 1756, Seite 189 und Jany, Curt, Geschichte der Königlich Preußischen Armee, Bd. II, Seite 211.
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II. Teil: Die Kernelemente der Heeresversorgung
Operationsgebiet Sachsen: Friedrich Wilhelm von Borck(e)21, Mitglieder später auch Cautius, Fiedler, Flesch, Magusch, Stieber, Plesmann und Rose22 Albrecht, Deutsch, Zinnow, Flesch23 Operationsgebiet Schlesien: Ernst Wilhelm von Schlabrendorff Kriegsräte von Beggerow und Normann Johann Ermann Korge
Generalfeldkriegsdirektorium in Torgau / Wittenberg
(General-)Feldkriegskommissariat Dresden Dirigierender Minister von Schlesien und Präsident beider Kammern (Glogau’scher und Breslau’scher)24 Schlesisches Feldkriegskommissariat25 Oberkriegskommissar bei den schlesischen Truppen26
Bekannte preußische Magazinverwalter oder Rendanten und ihre Wirkungsstätten: Name Magazinorte Engell und Handtschky Zwickau, Freiberg und Chemnitz27 Köppen und Didiering Torgau28 Gutsche / Loewe Meißen29 Zimmermann Naumburg30 Stüver / Lilienthal Weißenfels31
21 Siehe GStAPK, VI. HA., FA von Borcke, Nr. 51: Generalia die Haupt Errichtung des Generalfeldkriegsdirektorii. Die Hauptadministration Landes, Generelle Marsch-, Lieferungs- und Fouragesachen 1756–1757. 22 Siehe GStAPK, IV. HA., Rep. 16, Nr. 140: Reglement über die Ablieferung des ausgeschrieben Mehls und Fourage in den angewiesenen Magazinen 17. Jan 1762. 23 Siehe SächsHStA-DD, 10025 Geheimes Konsilium, Loc. 6482 Num 15: Königl. Preuß. Seits gelieferte vom Lande geforderte Fourage, Pferde- und Vieh Lieferungen sämtl. Proviant Pferden und Knechten ingleichen […], Blatt 318 Vorderseite. 24 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 82 P: Etatsminister Schlabrendorff, Ernst Wilhelm Immediatsberichte 1757. 25 Siehe SächsStFilA, BZ, 50001 Landstände der sächs. Oberlausitz, F XXV Siebenjähriger Krieg, Nr. 2710: Schreiben auf dem Marsch nach Hennersdorf vom 21. July 1757. 26 Siehe Staatsarchiv Breslau (A. P. we Wrocławiu), Staatsarchiv Breslau (A. P. we Wrocławiu), Landständisches Archiv der Oberlausitz, Seite 29 und 31. 27 Siehe LASA, DE, Z44 Abt. Dessau, A 9b VIb, Nr. 10, Bd. V (Verschiedene Militaria aus des Fürsten Moritz von Anhalt in preußigen Jaare 1757), Blatt 70 Vorderseite. 28 Siehe SächsHStA-DD, 10025 Geheimes Konsilium, Loc. 6482 Num 15: Königl. Preuß. Seits gelieferte vom Lande geforderte Fourage, Pferde- und Vieh Lieferungen sämtl. Proviant Pferden und Knechten ingleichen […], Blatt 5 Rückseite. 29 Siehe ebd., Blatt 5 Vorderseite. 30 Siehe Stadtarchiv Naumburg, Loc. 2001, XV, Nr. 13: Die Einrückung […] der Preußen […] in hiesige, Blatt 85 Vorderseite. 31 Siehe Stadtarchiv Weißenfels, A. I. Nr. 2619: Rechnung Brodtlieferung Sept., Okt., und Anfang Nov. 1757, Blatt 4, 7, 8 und 9 jeweils Vorderseite.
II.1. Die Organisation und Verwaltung des Versorgungswesens89
Glosemayer, Stöser, Grave, Rathenow Dresden32 Nadeborn Pirna33 Winckler Bautzen34 Dubislav Zittau35 Arndt (Oberproviantmeister) Breslau36
Auf Seiten der Österreicher gab es bis in das Jahr 1757 offenbar keine Militärs, die mit der Leitung der Armeeversorgung im Feld beauftragt waren. Im nächsten Jahr wurde dann Franz Moritz Graf Lacy der erste Generalquartiermeister des österreichischen Heeres, der dann den Fragen der Logistik und der Heeresverpflegung besondere Aufmerksamkeit widmete. Bis dahin scheint sich das Interesse eher in Grenzen gehalten zu haben, zumal auch der Kommissariatsdirektor Johann Ferdinand von der Marck zwar der militärischen Reorganisationskommission nach dem Zweiten Schlesischen Krieg angehörte, aber im Gegensatz zu seinem Vorgesetzten, Generalkommissar Franz Ludwig von Saalburg, gar kein Stimmrecht hatte37. Problematisch war auch der Umstand, dass für die Koordination der militärischen Anstrengungen gleich 5 oder 6 obere Dienststellen zuständig waren, wobei der Hofkriegsrat die traditionelle Instanz hierfür darstellte38. Allerdings übten auch der Staatsrat und die Staatskanzlei unter der Leitung des Ministers Kaunitz großen Einfluss auf die Gestaltung der Kriegsführung aus, wobei die wichtigen Entscheidungen meistens in der Militärkonferenz oder Konferenz fielen39. Während sich in der Militärkonferenz aber nur die Militärs in unregelmäßigen Abständen berieten, waren in der Konferenz Maria Theresia, die wichtigsten Staatsminister und bisweilen ihr Mann, Kaiser Franz Stephan, ebenfalls anwesend40. Damit waren die Entscheidungsfindung und die Koordination der Ressourcenmobilisierung auf höchster Ebene in der 32 Zu Glosemeyer siehe Stadtarchiv Löbau, Rep. II. Nr. 745: Anschlag über die Kriegslasten 1756 / 57, Schreiben am 24. April 1757. Zu den anderen 3 Verantwortlichen siehe SächsHStA-DD, 10025 Geheimes Konsilium, Loc. 6482 Num 15: Königl. Preuß. Seits gelieferte vom Lande geforderte Fourage, Pferde- und Vieh Lieferungen sämtl. Proviant Pferden und Knechten ingleichen […], Blatt 5 Vorderseite. 33 Siehe SächsHStA-DD, 10025 Geheimes Konsilium, Loc. 6482 Num 15: Königl. Preuß. Seits gelieferte vom Lande geforderte Fourage, Pferde- und Vieh Lieferungen sämtl. Proviant Pferden und Knechten ingleichen […], Blatt 260 Vorderseite. 34 Siehe GStAPK, VI. HA., Nachlass Hans Carl von Winterfeldt, Nr. 5: Militärberichte 1757, Blatt 167 Vorderseite. 35 Siehe SächsStFilA-BZ, 50001 Landstände der sächs Oberlausitz, Nr. 2709: Schreiben des Feldkriegskommissariats aus Jungbunzlau am 13. Mai 1757. 36 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 94, II, M, Nr. 23: Schriftwechsel des Oberproviantmeisters Arndt in Breslau v. a. mit dem Proviantamt und der Kriegs- und Domänenkammer in Breslau über Bauten und Reparaturen an Magazingebäuden in Breslau 1742–1760, Schreiben Schlabrendorffs vom 26. Sept. 1757 aus Breslau. 37 Vgl. Arneth, Alfred Ritter von, Geschichte Maria Theresias, Bd. 4, Seite 88. 38 Vgl. Duffy, Christopher, Sieben Jahre Krieg 1756–1763 – Die Armee Maria Theresias, Seite 26–28. 39 Vgl. ebd., Seite 27 f. 40 Vgl. ebd., Seite 26 f.
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II. Teil: Die Kernelemente der Heeresversorgung
Habsburgermonarchie viel komplizierter als in Preußen und relativ stark dem Einfluss nichtmilitärischer Kräfte ausgesetzt, zumal es kaum militärische Sachverständige für das Versorgungswesen und seine Kontrolle gab. Zwar machten die Österreicher mit der Einrichtung der Generalquartiermeisterstelle strukturell einen deutlichen Schritt nach vorne, blieben aber dennoch weitaus undifferenzierter als die Preußen, die die Organisation und die Führung der Versorgungsverwaltung auf mehrere Armeeintendanten, den Generalquartiermeister sowie die Feldkriegskommissariate verteilten. Grundsätzlich gab es aber auch in der Habsburgermonarchie 1 Generalkriegskommissariat, an dessen Spitze 1 Generalkriegskommissar und 1 Oberst-Kriegs-Kommissar sowie 1 Kanzelei-Direktor standen41. Nachdem der Graf Saalburg offensichtlich bis 1756 die Leitung des Kommissariats innehatte42, bekleidete im Jahr 1757 Vazlav Kasimir Nettolitzky, der gleichzeitig auch Repräsentationspräsident von Böhmen und damit der oberste zivile Stellvertreter Maria Theresias in dieser Provinz war, das Amt des Generalkriegskommissars. In Mähren hingegen übte Johann Graf von Kollowrath das Amt Oberstkriegskommissar aus. Im Kabinett waren offensichtlich die Staatsminister Johann Graf Chotek oder Friedrich Wilhelm von Haugwitz die wichtigsten Sachverständigen für Verpflegungsangelegenheiten. Neben diesen seien hier auch die weiteren Protagonisten dieses Ressorts explizit erwähnt. Die wichtigsten österreichischen Versorgungsoffiziere und Zivilbeamten Militärs – Generäle: Name Funktion Keine Armee- oder Korpsintendanten! Erster Generalquartiermeister der österreichischen Moritz Graf von Lacy43 Armee ab 1758 Zivilbeamte: Minister und Kriegskommissare: Friedrich Wilhelm Graf von Für Versorgungs- und Verpflegungsfragen zuständige Staatsminister in der Konferenz Haugwitz, Johann Graf Chotek44 Generalkriegskommissar und erster Leiter des GeGraf Franz Ludwig von Saalburg45 neralkriegskommissariats Proviantkommissar in der Hofbuchhalterei Wien Franz Eugen Zimmer46 41 Siehe OestKA, AFA, Kriegswissenschaftliche Mémoires, XVIII, Nr. 1128: Einrichtung des Generalkriegskommissariats, 1753. 42 Vgl. Duffy, Christopher, Sieben Jahre Krieg 1756–1763 – Die Armee Maria Theresias, Seite 346. 43 Siehe OestHHStA, Staatsrat, Nachlass Lacy sowie Duffy, Christopher, Sieben Jahre Krieg 1756–1763 – Die Armee Maria Theresias, Seite 421. 44 Siehe OestHHStA, Vorträge, Nr. 80: Konferenzprotokolle 1757 I–VI, diverse Protokolle und Duffy, Christopher, Sieben Jahre Krieg 1756–1763 – Die Armee Maria Theresias, Seite 26. 45 Vgl. Duffy, Christopher, Sieben Jahre Krieg 1756–1763 – Die Armee Maria Theresias, Seite 346. 46 Siehe OestHHStA, Kriegsakten, Nr. 346: Consignation Über die vornjähriger 1757 Campagnen bey nachstehende Proviant Magazinen und Postierungs-Stationen vermög der Schluß-Extrac-
II.1. Die Organisation und Verwaltung des Versorgungswesens91
Baron Johann Georg von Grechtler47
Vazlav Kasimir Nettolitzky48 Graf Johann von Kollowrath49 Franz von Sadlo50 Baron von Astfeld51 Koschin von Freudenthal Baron Heinrich von Blümegen52 Hofrat Carl Joseph Hauer53 Oberkommissar von Wieletz54 August von Weyerauch55
Zunächst Direktor des gesamten kaiserlich-könig lichen Proviantwesens, dann Proviantkommissar für die Truppen unter Feldmarschall Daun (ab August 1757 Kommissar der Reichsarmee) Generalkriegskommissar und Repräsentationspräsident von Böhmen Landeskommissar von Mähren Landeskommissar für Schlesien Oberlandeskommissar für die Oberlausitz Landeskommissar für die Lausitz (Schwerpunkt Niederl.) Kriegskommissar für Niederösterreich Oberproviantkommissar für die Armee unter dem Kommando von Karl von Lothringen Oberkommissar in der Armee Feldmarschall Dauns und bei der wiedervereinigten Hauptarmee ab Ende Juni 1757 Oberkommissar für Schlesien (bes. Finanzen)
Die Aufgabe des Generalkriegskommissars war in der Habsburgermonarchie ähnlich wie in Preußen dadurch definiert, dass dieser sämtliche Feldquartiere, die Märsche sowie die Versorgung der Armee mit Geld, Ausrüstung und Lebensmitteln zu organisieren hatte. Hierfür wurden ihm ein bestimmter Finanzetat anvertraut und ein Oberstkriegskommissar als Stellvertreter sowie eine Vielzahl an Sekretären, Räten und Kopisten zugeteilt. Außerdem unterstanden dem Generalkriegskommissariat noch die Oberkommissare, Kommisten und bereits angelangten Rechnungen dem Feind zurückgelassenen von dessen hinwiederum überkommenden Naturalien und Materialien. 47 Siehe OestKA, Zentralst., Generalkriegskommissariat, Akten, Nr. 52: Militärdirectoralia 1757 / IV–V, Faszikel V / 118 sowie AFA, Nr. 627: Reichsarmee 1757 X, Faszikel ad 3. 48 Siehe OestKA, AFA, Nr. 599: Siebenjähriger Krieg 1757, Hauptarmee 1757 I–IV, Faszikel III / 24. 49 Siehe ebd., III / 22. 50 Siehe OestKA, Zentralst., Generalkriegskommissariat, Akten, Nr. 54: Militärdirectoralia 1757 / IX / 101–XI / 140, Faszikel XI / 21: Schreiben aus dem Feldlager bei Bögendorff am 27. October 1757. 51 Siehe OestKA, Zentralst., Generalkriegskommissariat, Akten, Nr. 53: Militärdirectoralia 1757 VI–IX / 100, Faszikel VI / 185. 52 Siehe OestKA, Zentralst., Generalkriegskommissariat, Nr. 54: Militärdirectoralia 1757 / IX / 101–XI / 140, Faszikel XI / 73 und SächsHStA-DD, 13260 Generalkriegskommissariat, Nr. 239, Blatt 81 Vorderseite. 53 Siehe OestKA, AFA, Nr. 611: Siebenjähriger Krieg 1757, Hauptarmee 1757 X (401–Ende), Faszikel 407. 54 Siehe OestKA, Zentralst., Generalkriegskommissariat, Akten, Nr. 52: Militärdirectoralia 1757 / IV–V, Faszikel V / 127. 55 Zu Weyerauch siehe OestKA, AFA, Nr. 623: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 XIII (503–Ende), Faszikel 580a.
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II. Teil: Die Kernelemente der Heeresversorgung
sare und Kommissariatsoffiziere. Während Letztere einfach Heeresoffiziere waren, die man in Versorgungsangelegenheiten ausbildete und dann als Kommissare oder als Stellvertreter der Oberkommissare einsetzte, fiel ihnen die wichtige Aufgabe zu, die Portionskalkulationen für die Regimenter anhand des effektiven Standes vorzunehmen sowie Rekruten, Remonten und Naturalien zu beschaffen. Folglich war diese Position mit Abstand eine der wichtigsten in der ganzen Versorgungs- und Lagerorganisation56. Offensichtlich gab es unter diesen Oberkommissaren auch zahlreiche Zivilisten wie beispielsweise im Proviantamt, das unter anderem über 6 Oberkommissare, 8 Kommissare und 22 Proviantverwalter verfügte. Einige dieser Beamten verkauften aber zum Teil Magazinbestände weiter und unterschlugen damit permanent Gelder. Vor allem war es der Wiener Oberkommissar Klezel, der die Unterschlagungen des Proviantverwalters Fideli und von dessen Nachfolger Kliegel deckte, nachdem Fideli sogar noch Proviantkommissar geworden war. Kiegel bezahlte dann offenbar Gelder für eine Kornlieferung, die laut den Mautstellenberichten gar nicht eingetroffen war, was offenbar damit zusammenhing, dass er und der betreffende Lieferant sich bestens verstanden und den Betrug organisierten, während Klezel die Bestände im Magazin nicht prüfte. Andere Kommissare zeigten sich ähnlich dreist oder ungeschickt, indem sie zusätzlichen Lohn für Felddienste einstrichen, obwohl sie Garnisonsdienst in Ungarn versahen. Andere hingegen betrieben einfach nur Misswirtschaft, indem sie unnötiges Personal beschäftigten57. „Schlüßlich kommet deme anzuhängen daß die Hof-Kriegs Buchhalterei bey concurrierung derern Proviantbeamten Rechnung alle Partheylichkeit begehen, ja gar, weilen unter nur gedachten Proviantischen so viele anzutreffen, die mit der Feder wenig umzugehen wissen, selbigen Ihro Proviantrechnungen von Fundament auf elaborieren, mithin solchem dem weiteren Fingerzeug geben wie sie in Zukunfft Ihre Mala hinlänglich unterstüzen […]“58.
Die angestrebte Korruptionsabsicherung, die man durch eine höhere Bezahlung der Proviantoffiziere zu gewährleisten hoffte59, scheint also keinesfalls erreicht worden zu sein. Noch schlechter war es um die Versorgungsverwaltung in den französischen Streitkräften bestellt. Auch in der französischen Armee, die als Verbündete und Hilfstruppe der Habsburger in diesem Konflikt gegen die Preußen agierte, gab es Intendanten und Kommissare, die für die Versorgung der Truppen zuständig waren. Bei der Hauptarmee am Rhein unter dem Kommando des Grafen d’Estrées und seinem Nachfolger, dem Herzog von Richelieu, kümmerte sich der Kommissar Jaques Pierre Laurent Toussaint La Salle 56 Zum gesamten Absatz, OestKA, AFA, Kriegswissenschaftliche Mémoires, XVIII, Nr. 1128: Einrichtung des Generalkriegskommissariats 1753. 57 Siehe OestKA, AFA, Kriegswissenschaftliche Mémoires, VIII, Nr. 137: Pro Memoria es anreichet Ihro königl. Majt. zu nicht wenigen Nachtheyl daß das Proviantamt mit so unerhörter Mönge Verwalters, Officiers und Assistenten überhäufet wurden dann wahrhaftig hierdurch allerhöchsten Interesse directe zu nahe getreten melirecte aber räulichen Unbefugnüssen nur mehr Thür und Thor geöffnet und sogestaltitg von allen sehr arg zugesezet wird. 58 Ebd. 59 Vgl. Duffy, Christopher, Sieben Jahre Krieg 1756–1763 – Die Armee Maria Theresias, Seite 346.
II.1. Die Organisation und Verwaltung des Versorgungswesens93
um die Versorgung der Truppen, während bei der Hilfsarmee des Prinzen Rohan de Soubise diese Aufgabe François-Marie Gayot zufiel60. Die französischen Armeen waren im 16. und 17. Jahrhundert vorbildlich in der Entwicklung der militärischen Versorgungsstrukturen. Das Problem bestand nur darin, dass die Intendanten (intendants) zunehmend die Kriegskommissare (commissaires de guerres) in ihrer Funktion als Verwalter der diversen Armeebelange ablösten und oftmals Zivilisten oder bürgerlicher Herkunft waren, die das militärische System auch benutzten, um sich zu bereichern61. Im 18. Jahrhundert hatten der Ämtermissbrauch sowie die Spannungen zwischen dem Amtsadel (noblesse de robe), der traditionellerweise durch Verwaltungsposten zu Ansehen gelangt war, und dem Schwertadel (noblesse d’épée), der militärische Tätigkeiten als Metier seines Standes reklamierte, enorme Auswüchse angenommen. Dabei traten die Probleme in der Marine noch offener als bei den Landstreitkräften zu Tage, da sich hier die schwertadligen Offiziere und Intendanten offen missachteten, während in der Verwaltung manche Beamte ihre Posten nur unter der Bedingung bekleideten, dass sie ihrer eigentlichen Funktion nicht nachkamen62. Auch wenn derartig extreme Umstände auf das Umfeld der Armeen im Jahr 1757 wahrscheinlich nicht zutrafen, dürfte unstrittig sein, dass die französischen Streitkräfte auf dem Gebiet der zivilmilitärischen Zusammenarbeit und damit auch bei der Ressourcenmobilisierung große Probleme hatten, die zu einem erheblichen Teil auf die zweckentfremdete Personalstruktur zurückzuführen war63. Allerdings stellte sich die Suche nach geeignetem Personal für die Verwaltung der Magazine, den sogenannten Feldproviant- oder Magazinrendanten, auch auf preußischer Seite keineswegs einfach dar. Ihre Aufgabe bestand darin, die Rechnung über den Vorrat zu führen und daraus dann Magazinextrakte zu fertigen, welche sie entweder an das Feldkriegskommissariat oder das Generaldirektorium einsandten, um dann ausschließlich auf deren Anordnung Einkäufe vorzunehmen64. Unterstellt waren den Rendanten hierfür ein Kontrolleur und einige Proviantschreiber, wobei Letztere in Schlesien zunächst sehr ungenau waren, sodass man sie gegen viele aus Brandenburg austauschte65. Gerade im Kriegsfall, wenn der Bedarf an Hilfsbeamten stark anstieg, war es schwierig, genügend Leute mit der entsprechenden Kompetenz, aber auch Loyalität für die Versorgungsverwaltung zu finden. Der einzige Ausweg bestand im Grunde darin, schon in Friedenszeiten hierfür eine ausreichende Personalreserve zu schaffen, und so verfiel Generalmajor von Retzow auf die Idee, junge Ratsmänner aus den Magistratskollegien nebenamtlich im Magazinwesen 60 Der genaue Titel von François-Marie Gayot lautet Conseiller du Roi, Commissaire provincial de guerres, Ordonnateur et subdélégué Général de l’Intendance de Alsace, Intendant de l’Armée commandé par S. A. Monsieur le Prince de Soubise. Siehe Stadtarchiv Naumburg, Loc. 2001 XV, Nr. 111: Durchmarsch der Franzosen und anderen Kriegsvölker betreffend. Diverse Schreiben beispielsweise vom 26. und 27. Oktober. 61 Vgl. Lynn, John, The Giant of the Grand Siecle, Seite 88–97. 62 Vgl. Pritchard, James, Louis XV’s Navy. A Study of Organisation and Administration, 1748–1762, Seite 25 und 50 f. 63 Vgl. Lynn, John, The Giant of the Grand Siecle, Seite 97. 64 Vgl. Schädrich, Fred, Das Generalfeldkriegskommissariat in Schlesien 1741, Seite 15. 65 Vgl. ebd., Seite 15.
94
II. Teil: Die Kernelemente der Heeresversorgung
auszubilden, um diese dann bei Bedarf als Proviantpersonal einzusetzen66. Dies scheint darauf hinzudeuten, dass die Preußen frühzeitig Maßnahmen ergriffen, um sich gutes Ersatzpersonal aus zivilen Bereichen zu sichern. Welche Mechanismen darüber hinaus als Loyalitätsanreize auf preußischer Seite wirkten, ist jedoch unklar. Möglicherweise hatte aber der Umstand, dass viele Angehörige der preußischen Verpflegungsorganisation, darunter auch die Oberinspektoren des Mehlfuhrwesens, einige der Magazinverwalter und zum Teil auch einige der Schiffer, die für die preußische Armee Nachschubgüter beförderten67, aktive oder ehemalige Soldaten waren, positive Auswirkungen, da sie sich stärker für militärische Belange sensibilisiert zeigten. Auf höherer Ebene wurden zwar beide Versorgungssysteme maßgeblich durch ziviles Personal verwaltet, aber im Gegensatz zu den Österreichern überwachten die Preußen ihr System deutlich stärker durch die militärischen Funktionsträger.
II.2. Der Versorgungsbedarf der Streitkräfte in quantitativer Hinsicht Wie schon erwähnt, beschäftigte sich die Logistik im 18. Jahrhundert in erster Linie mit der Verpflegung der Streitkräfte. Das folgende Kapitel wird nun zeigen, dass dies mit dem quantitativen Umfang zusammenhing, der mit den Lebensmitteln im Vergleich zu übrigen Verbrauchsgütern einherging. Dabei gilt es vor allem eine Vorstellung davon zu gewinnen, welche ungeheure Menge an Nahrungsmitteln eine damalige Armee pro Tag, Woche und Monat verbrauchte und wie sich diese zu den übrigen Versorgungsgütern, d. h. in erster Linie der Munition, verhielt. Grundsätzlich benötigten sowohl Mensch als auch Tier große Mengen an Wasser. Dies stellte in Mitteleuropa aber selten ein Problem dar1, weil es fast überall genügend Quellen in Form von Flüssen, Bächen, Teichen oder Brunnen gab2. Wahrscheinlich wurde der Bedarf deswegen fast nie konkret dokumentiert. Schwieriger war die Beschaffung der anderen Lebensmittel, die sich auf preußischer Seite am besten anhand des Verpflegungsetats nachvollziehen lässt, der am 7. Juli 1756 66 Zum gesamten Absatz vgl. Naudé, Wilhelm / Schmoller, Gustav von / Skalweit, August, Acta Borussica, Getreidehandelspolitik, Bd. 3: Die Getreidehandelspolitik und Kriegsmagazinverwaltung Preußens 1740–1756, Seite 189 f. 67 Zu den Inspektoren des Mehlfuhrwesens vgl. Jany, Curt, Geschichte der Königlich Preußischen Armee, Bd. II, Seite 268 f., OestKA, Zentralst., Militärhofkommission Nostitz-Rieneck, Kt. 4, Vorträge und Protokolle, Faszikel 13, zu den Schiffern vgl. BLHA, Rep. 19 Steuerrat Potsdam, Nr. 693: Acta wegen der Schiffe so zu Kriegssachen und anderen Bedürfnüssen gebraucht werden 1756–1757, Designation aller in Potsdam befindlichen Schiffer, Gellen und Kähne vom 18. Nov. 1756. Von insgesamt 24 Schiffern waren 10 ehemalige oder noch in Diensten stehende Militärangehörige, darunter 6 Unteroffiziere, 1 Wachtmeister und 3 Grenadiere. 1 Wie schon von Clausewitz erwähnt, konnte sich diese Grundsituation im kontinentaleren Klima Russlands ganz anders darstellen. Vgl. I. Teil 1.: Das traditionelle Bild der friderizianischen Kriegsführung. 2 Zu einer seltenen Ausnahme vgl. im Rahmen der Fallstudie IV. Teil 5.1.: Der desaströse Rückzug in die Oberlausitz und der Verlust des Zittauer Magazins.
II.2. Der Versorgungsbedarf der Streitkräfte in quantitativer Hinsicht95
für die Armee, die aus der Kurmark und den Herzogtümern Magdeburg und AnhaltZerbst in das Kurfürstentum Sachsen einmarschierte, entworfen wurde. Dieser Verpflegungsetat, der auch Rations- und Portionsetat genannt wurde, enthielt die standardisierten Verpflegungssätze für die Pferde, welche die Preußen Rationen, und jene für die Menschen, die sie Portionen nannten. „Für das I. Corps d’Armee von 54 Bataillons Musquetier 15 Grenadier 41 Esquadrons Cavallerie 30 Dragoner 30 Husaren 8 Compagnien Artillerie samt den Train Auf 1. tägliche Ration werden gerechnet 3 Metzen Hafer 8 lb Heu 10 lb Stroh zum Hechsel und zum Streuen Auf 1 tägliche Portion 2 lb. Brodt Und dazu auf den Monath erfordert 8796 Wispel Hafer An Fourage 81883 Centner Heu 9382 Schock Stroh 1900 Wispel“3. An Mehl
Umgerechnet entsprach dies 1.900 Tonnen Mehl, 5.858 Tonnen Hafer, 4.197 Tonnen Heu und 5.692 Tonnen Stroh, zusammen also 17.647 Tonnen. Dass der Bedarf so hoch ausfiel, hing maßgeblich damit zusammen, dass bei dieser Monatsausrechnung der gesamte Führungs- und Logistikapparat der Armee berücksichtigt wurde, denn wie die folgende Aufstellung zeigt, ergab sich gerade im Bereich der Pferdeverpflegung eine beträchtliche Lücke zwischen den Anforderungen der eigentlichen Kampftruppe und dem Bedarf der gesamten Streitmacht. „Recapitulatio Von vorstehender Ausgabe zu Fourage und Brodt Rationes Portiones Für die Generalität 1791 746 Für das Feld-Comissariat auch General Staabs und andere Bediente 237 10 Für die Feld-Backerey und Proviantbediente bey denen Feld Magazins 705 675 Für Bediente bey denen Mehlkarren und Proviant Fuhrwesen 2837 939 26328 71806 Für das Corps d’Armee Für den Train Artillerie 3058 1463 Für das Feldjäger Corps 206 346 Für die Ingenieurs 22 13 Summa 35184 75995“4. 3 GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 606 B: Rüstungen des Jahres 1756 allgemein, Blatt 34 Vorderseite. 4 GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 606 B: Rüstungen des Jahres 1756 allgemein, Blatt 39 Rückseite.
96
II. Teil: Die Kernelemente der Heeresversorgung
Hierbei gilt es grundsätzlich zu berücksichtigen, dass diese eher normativen Angaben mit den Soll- und Iststärken der Soldaten und Pferde, wie sie sich in den faktischen Tageslisten der Einheiten widerspiegelten, nicht vollkommen übereinstimmten. So veranschlagte man z. B. die Portionen der Infanterieregimenter mit 1.627 Mann statt mit 1.516 und die der Grenadierbataillone mit 706 statt 666 oder 678 statt 634 Mann5. Bei der Kavallerie lagen zwar kaum Abweichungen hinsichtlich der Soldaten vor, dafür lag die Anzahl Rationen, selbst wenn alle Soldaten ein Reittier besaßen, 6 bis 14 % über der Sollmenge der Pferde in den Tageslisten. Wie die Liste eines Teilverbandes vom 7. September 1756 zeigt, rangierten bei der Infanterie manche Einheiten knapp unter den avisierten Sollstärken, andere hingegen deutlich darüber6. Insofern kann man nicht davon ausgehen, dass die höher veranschlagten Menschen- und Tiermengen nie in der Realität auftraten, sondern dass sie sich unterschiedlich verteilten. Wahrscheinlich wurde diese Karenz von 3 bis 7 % auf Bataillons- und Regimentsebene einkalkuliert, um Personalschwankungen und den Mangel von Brotportionen durch Verkauf oder Verfall zu kompensieren. Bei den Rationen stufte man wohl den Ausfall, der durch die minderwertige Qualität der Verpflegungsgüter entstehen konnte, als relativ stark ein, obwohl die Differenz auch durch Fluktuationen des Pferdebestandes erklärbar ist. Die Armee dürfte abzüglich dieser Karenzen nur 68.900 Mann und 32.500 Pferde umfasst haben. Ferner lässt sich gemäß der Rekapitulation feststellen, dass das Führungs- und Logistikpersonal sowie der Artillerietrain in der Regel einen Anstieg von ca. 5 % an Brotportionen, aber nicht weniger als 25 % Zuwachs an Kavallerierationen nach sich zog. Bei der Artillerie war diese Vielzahl an Rationen vor allem dem Umstand geschuldet, dass eine erhebliche Anzahl von Pferden, wahrscheinlich 920 Stück7, für die Bespannung der Munitionswagen verwendet wurde. Beim Proviantfuhrwesen schlugen die 608 Mehlkarren, die jeweils mit 3 Pferden bespannt waren, und die 180 Spriegelwagen, die von 4 Pferden gezogen wurden, mit insgesamt 2.541 Rationen zu Buche. Außerdem wurden zusätzliche Mengen für die Backofen- und Requisitenwagen benötigt, die mit 6 Pferden bzw. 4 Pferden bespannt waren. Für die 37 Backöfen gab es jeweils 1 Wagen pro Ofen und jeweils 2 für das Zubehör (1 Spriegel- und 1 Leiterwagen), sodass der Zusatzbedarf 518 Rationen umfasste. Um zu verstehen, wie sich aus den Portionen und Rationen die konkreten Naturalienmengen ergaben, muss man nicht nur wissen, welche Mengen an Naturalien hierfür veranschlagt wurden, sondern auch wie sich die damaligen Maßeinheiten zueinander verhielten und wie man sie in die heutigen umrechnet. Da dieser Aspekt sehr kompliziert 5 Zu den höheren Werten für die Portionssätze vgl. ebd., Blatt 37 Vorder- und Rückseite. Zu den jeweils niedrigen Sollstärken nach dem sogenannten mittleren Fuß vgl. GSTA PK, I. HA., Rep. 96, Nr. 92 B 10: Quartier-, Stamm- und Abgangsliste, Blatt 3 und Blatt 52 jeweils Rückseite. 6 Siehe LASA, Z44, Abt. Dessau, A9 VI b, Nr. 10 IV (Verschiedene Militaria aus des Fürsten Moritz von Anhalt in preußigen Jaare 1756, Blatt 190 Vorderseite. Tageliste aus dem Lager von Roth-Schönberg am 7. September 1756). 7 Vgl. Schöning, Curd Wolfgang, Historisch-biographische Nachrichten zur Geschichte der Brandenburgisch-Preußischen Artillerie. Erster Theil, Seite 481. Auf die Munitionswagen aus Berlin entfielen 648 Pferde und auf jene aus Magdeburg 272 Stück.
II.2. Der Versorgungsbedarf der Streitkräfte in quantitativer Hinsicht97
ist, werden die alten Maßeinheiten und ihre Umrechnung im nächsten Kapitel ganz ausführlich thematisiert. Am einfachsten ist noch die Berechnung des Mehlbedarfs nachzuvollziehen, denn hierzu hatte sich Generalkriegskommissar v. Katt explizit geäußert. Ihm zufolge konnte man aus 75 Pfund Mehl, was einem preußischen Scheffel entsprach, 100 Pfund Brot herstellen8. Damit war das Verhältnis des Mehlanteils zu Brotportion 0,75 : 1. Wie schon erwähnt, beinhaltete eine Brotportion im Feld pro Tag 2 Pfund. Folglich ergab sich der Tagesbedarf an Mehl aus der Portionsanzahl × Portionssatz zu 2 Pfund × Mehlanteil zu 0,75 = Mengenanzahl in Pfund. Entscheidend ist hierbei, dass man die Portion von 2 Pfund nicht mit 1 Kilogramm, sondern ca. 10 % schwerer mit 1,1 Kilogramm veranschlagte, sodass der Mehlanteil eigentlich 0,83 Kilogramm pro Tag betrug. Der genaue Bedarf pro Monat hätte demzufolge bei 1.854.000 Kilogramm oder 1.854 Tonnen gelegen. Ungleich komplizierter stellt sich die Kalkulation der Hafer-, Heu- und Strohmengen auf der Grundlage der Rationsmengen dar, was damit zusammenhängt, dass nicht ganz klar ist, wie sich die Grundmaße, d. h. die Metzen, aber auch die Mittelmaße Zentner und Schocke, zu den heutigen Maßeinheiten genau verhielten, weil der Wispel ein Hohlmaß war und Hafer in der Regel um ein Drittel leichter als Mehl veranschlagt wurde9. Berücksichtigt man diesen Umstand und rechnet auf Grundlage der Monatskalkulation und der Rationsanzahl zurück, so ergibt sich für eine Hafermetze ein Wert von 1,7 Kilogramm. Demzufolge umfassten 3 Hafermetzen 5,1 Kilogramm. Die Heu- und Strohmengen sind mit 4 bzw. 5 Kilogramm der Tendenz nach richtig umgerechnet, obwohl der Strohanteil eigentlich ca. 5,3 Kilogramm betragen müsste. Ähnlich kompliziert wie bei den Preußen ist die Ermittlung der Naturalienberechnung bei den österreichischen Truppen. Sie unterschieden nicht zwischen Rationen und Portionen, sondern bezeichneten alle standardisierten Zuteilungsgrößen als Brot- oder Pferdportionen, ähnlich wie die Franzosen, die ihre Sätze durchweg als Rationen titulierten. Die normale Brotportion umfasste bei ihnen ebenfalls 2 Pfund, d. h. ca. 1 Kilogramm. Man nahm an, dass 1 niederösterreichischer Zentner Mehl für 80 Portionen und 1 Metze Hafer für 8 Pferdeportionen reichten10. Demzufolge betrug der Mehlanteil am Brot ebenfalls 75 %, während der Verpflegungssatz für das Hartfutter normalerweise bei knapp 4 Kilogramm lag. Um die übrigen Sätze nachzuvollziehen, muss man auf jene Verpflegungskalkulation zurückgreifen, die die Österreicher für das Jahr 1757 aufstellten. Dabei gingen sie in 6 Wintermonaten von rund 140.000 Brot- und 60.000 Pferdeportionen aus und planten sogar mit ca. 200.000 Brot- und 80.000 Pferdeportionen in den 7 Sommermonaten, wobei der 13. Monat als Grundreserve diente. 8 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 614 E: Magazine, Proviantwesen, Feldbäckerei 1749– 1756, Schreiben Etatsministers von Katt aus Berlin am 27. Sept. 1750. 9 Zur Gewichtsabweichung bzw. zur Dichtenabhängigkeit des Wispelmaßes siehe nächstes Kapitel. 10 Siehe OestKA, Zentralst., Generalkriegskommissariat, Nr. 52: Militärdirectoralia 1757 / IV–V, Faszikel V / 241.
98
II. Teil: Die Kernelemente der Heeresversorgung Tabelle 2 Verpflegungsmengen der österreichischen Truppen in einem Jahr und ihre Umrechnung in Tonnen11 Portionsanzahl
Mehl
Hafer
Heu
Stroh
Mann / Brot
Pferde
niederöst. Zentner
Tonnen
niederöst. Metzen
Tonnen
niederöst. Zentner
Tonnen
niederöst. Zentner
Tonnen
140.000
60.000
296.537
18.088
1.235.898
38.930
469.000
28.609
610.500
37.230
200.000
80.000
525.000
32.025
2.500.000
78.750
240.000
14.640
821.537
50.113
3.450.898
117.680
709.500
43.249
610.500
37.230
Erstaunlicherweise planten die Österreicher selbst in Winterzeiten nicht mehr als 2,5 Kilogramm Heu pro Ration sowie 3,5 Kilogramm Stroh pro Ration ein, obwohl in dieser Zeit kein Gras gefüttert werden konnte. Im Sommer ging man ohnehin davon aus, einen Großteil mit Letzterem zu kompensieren. Damit deutet sich an, dass sie für die Verpflegung der Pferde, vor allem im Bereich des Raufutters, deutlich geringere Mengen aufwandten als die Preußen. Wie sich die österreichischen Anforderungen im Vergleich zu den preußischen verhielten, zeigt die folgende Tabelle am Beispiel von 10.000 Berittenen. Für beide Seiten gilt, dass die Mehlmengen auch repräsentativ für einen Infanterieverband dieser Größenordnung waren. Tabelle 3 Vergleich des preußischen und österreichischen Verpflegungsbedarfs am Beispiel von 10.000 Kavalleristen Tag
Woche
Preußen Brot zu 1,1 kg – Mehlanteil zu 0,83 kg
Monat
6 Monate
Tonnen 8,25
57,75
247,5
1.485
Hafer 3 Metzen zu 5,1 kg
51
357
1.530
9.180
Heu 8 Pfund zu 4 kg
40
280
1.200
7.200
Stroh 10 Pfund zu 5 kg
50
385
1.650
9.900
149,25
1.079,75
4.628
27.765
Summe
11 Zu den Originalwerten in der Tabelle vgl. OestHHStA, Kriegsakten, Nr. 346: Erfordernüß an Mehl, Hart- und Rauchfutter ult. Novembris 1756 bis ult. Novembris 1757.
II.2. Der Versorgungsbedarf der Streitkräfte in quantitativer Hinsicht99 Habsburger / Österreich Brotportion zu 2 Pfund – Mehlanteil zu 0,75 kg
6,2
43,4
186
1.116
Hafer zu ca. 4 kg
40
280
1.200
7.200
Heu zu ca. 2,5 kg
25
175
750
4.500
Stroh zu ca. 3,5 kg
35
245
1.050
6.300
Summe
106
743,4
3.186
19.116
Man erkennt, dass die Preußen aufgrund ihrer höheren Verpflegungssätze beim Raufutter ein Drittel mehr an Naturalien beschaffen mussten, sodass sie besondere Maßnahmen ergriffen. Das einzige Versorgungsgut, das neben den Nahrungsmitteln häufiger verbraucht wurde und damit nennenswert ins Gewicht fiel, war die Munition für die Infanterie und Artillerie. Der Umfang war in der Regel davon abhängig, ob es sich um die gewöhnliche Armee oder einen besonderen Artilleriepark für eine Belagerung handelte. Abgesehen davon ist es relativ schwierig, eine Vorstellung vom realen Munitionsbedarf zu erlangen, denn er richtete sich vor allem nach der Anzahl der mitgenommenen Geschütze sowie der Häufigkeit der dann auftretenden Gefechte, die für Armeen gleicher Größe sehr unterschiedlich sein konnten. Die Österreicher berechneten beispielsweise für die Ausstattung der Feldartillerie zu Beginn des Feldzuges 1757 einen Munitionsumfang von 3.912 Zentner12, was rund 240 Tonnen entsprach. Hinzu kam noch die Munition für die Kleinwaffen. Die Kugel wog 40 Gramm13, wobei die Infanteristen in der Regel über 36–40 Stück verfügten14. Für die Kürassiere und Dragoner kalkulierte man 12 und für die Husaren 24 Schuss ein, sodass die Munitionssätze kaum 500 Gramm bzw. 1 Kilogramm wogen. Bei 106.660 Infanteristen, 21.000 Mann regulärer Kavallerie und 12.000 Husaren15 hätte die zusätzliche Munitionsmenge also 176 Tonnen betragen. Insgesamt hätte der Munitionsbedarf bei 416 Tonnen gelegen. Im Vergleich dazu betrug die Summe aller Verpflegungsgüter, die nach dem Winteransatz benötigt wurden, rund 20.800 Tonnen, was dem 50-Fachen entsprach oder wenn sämtliche Munitionsmengen aufgrund intensiver Gefechtshandlungen doppelt verbraucht wurden, nicht mehr als das 25-Fache ausmachte. Der Transportbedarf für die Munition und die Artillerie war dennoch immens, denn die Österreicher veranschlagten hierfür nicht weniger als 3.500 Pferde16. 12 Siehe 13 Vgl.
OestKA, AFA, Nr. 599: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 I–IV, Faszikel I / 34. Duffy, Christopher, Sieben Jahre Krieg – Die Armee Maria Theresias 1756–1763,
Seite 267. 14 Vgl. Dolleczek, Anton, Monographie der k. u. k. öster-ungar. blanken und Handfeuerwaffen, Seite 65. 15 Siehe OestKA, AFA, Nr. 630: Siebenjähriger Krieg 1757 HKR I–IV, Faszikel, I / 2. 16 Siehe ebd.
100
II. Teil: Die Kernelemente der Heeresversorgung
Selbiges galt für die preußische Seite, die nach dem Etat der Feldarmee von 1756 ebenfalls rund 3.000 Pferde für den Artillerietrain benötigte. Obwohl man die Standardmenge der Artilleriemunition nur sehr schwer genau nachvollziehen kann, scheint es sicher zu sein, dass man in der Regel um die 8.000 Zentner17, d. h. rund 400 Tonnen Pulver, mit ins Feld führte. Da jede Musketenkugel bei den Preußen 50 Gramm wog18 und man als normalen Verbrauch 2 Sätze zu 60 Schuss veranschlagte19, betrug die Munitionsmenge pro Soldat für ein Gefecht rund 6 Kilogramm. Bei der Kavallerie plante man üblicherweise mit 60 Schuss für die Dragoner, 30 für die Kürassiere und 150 für die Husaren20, sodass je nach Truppengattung 3, 1,5 und 7,5 Kilogramm für die Sätze anfielen. Demzufolge hätten die 54.116 Infanteristen, 3.668 Kürassiere, 5.389 Dragoner und 3.540 Husaren der Invasionsstreitmacht von 1756 388 Tonnen Kleinwaffenmunition benötigt21. Inklusive des Gewichts der Kugeln und Bomben für die Geschütze kam man wahrscheinlich über eine Größenordnung von 1.000 Tonnen selten hinaus. Die Menge der zuvor erwähnten Verpflegungsgüter war dagegen glatt 18-mal so groß. Damit bleibt festzuhalten, dass der Munitionsbedarf der Armeen zwar deutlich geringer, der Transport aber sehr aufwendig war, weil er eine große Anzahl zusätzlicher Pferde und damit große Mengen an Futter erforderte. Der wichtigste Unterschied bestand darin, dass Munition und Waffen im Gegensatz zu den Verpflegungsgütern dauerhaft in großer Zahl gelagert werden konnten, sodass neben dem Transport nur Beschaffung und Herstellung Probleme bereiten konnten. Dies galt übrigens auch für die Bekleidung, d. h. die Uniformen, deren Verbrauch natürlich noch sehr viel geringer war als der der Munition. Obwohl im Folgenden die Verpflegungsorganisation im Mittelpunkt stehen wird, kommen die Aspekte der Herstellung und Lagerung der Waffen sowie die der Munition und der Bekleidung im vorletzten Kapitel dieses II. Teils zur Sprache.
II.3. Maßeinheiten und ihre Umrechnungen Wie schon erwähnt, ist es für die Bewertung der Verpflegungsmengen sehr wichtig zu wissen, welche Umrechnungen in Bezug auf heutige Maße galten, um sie mit dem Bedarf der Truppen und den Transportkapazitäten einheitlich nach heutigen Maßen in Be-
17 Siehe Friedrich II., Das politische Testament von 1752, Heerwesen – Womit man eine Festung ausrüsten muß. 18 Vgl. Ortenburg, Georg, Waffe und Waffengebrauch im Zeitalter der Kabinettskriege, Seite 66. 19 Vgl. Malinowski, Louis / Bonin, Robert, Geschichte der brandenburgisch-preußischen Artillerie. Erster Theil, Seite 497. 20 Vgl. ebd. 21 Zur genauen Aufschlüsselung der Truppen siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 606 B: Rüstungen des Jahres 1756 allgemein, Blatt 35–36 Vorderseite oder alternativ Schöning, Curd Wolfgang, Historisch-biographische Nachrichten zur Geschichte der Brandenburgisch-Preußischen Artillerie. Zweiter Theil, Seite 312 f.
II.3. Maßeinheiten und ihre Umrechnungen101
ziehung setzen zu können. Die Ermittlung dieser Relationen ist grundsätzlich nur gerade einfach, weil hierzu so gut wie gar keine verlässliche Literatur existiert1. Aufgrund der stark partikularen Strukturen im Heiligen Römischen Reich gab es viele unterschiedliche Maße, zwischen denen es neben Abweichungen von Staat zu Staat zum Teil sogar Unterschiede von Stadt zu Stadt gab. Man kann aber feststellen, dass es innerhalb der größeren Territorialstaaten wie Sachsen, Preußen und der Habsburgermonarchie im 18. Jahrhundert schon zu Vereinheitlichungen gekommen war, sodass in der Regel das Maß der jeweiligen Haupt- oder Residenzstadt zum Richtmaß für das ganze Gemeinwesen wurde2. Neben den regionalen Unterschieden gab es aufgrund der Tatsache, dass es sich bei Maßen zur Angabe von Naturalien in Regel um Hohlmaße handelte, erhebliche Gewichtsunterschiede zwischen den Kornsorten und anderen wichtigen Verpflegungsgütern wie Mehl. Das gebräuchlichste Kleinmaß war das Pfund. Es wurde im Zusammenhang mit den Nahrungsmitteln für Mensch und Tier, aber auch im Bereich der Munition, vor allem bei Pulvermengen und für die Gewichtsangabe von Artilleriegeschossen, verwendet. Das Pfund entsprach meistens dem heutigen Standard von 500 Gramm, das preußische Pfund scheint dagegen ca. 10–12 % schwerer gewesen zu sein, sodass es 550 Gramm oder sogar 555 Gramm wog. Letzteres ergibt sich zwingend aus der Berechnung, die der Kriegskommissar Schall aus Magdeburg im Jahr 1752 im Zusammenhang mit dem Bau einer Mehlremise aufstellte, denn ihm zufolge galten folgende Verhältnisse: „6800 Fäßer in Suma, a 6 Schfl. das Faß betraegt 1700 Wiespel a Schfl. 75 lb“3.
Die arithmetische Notwendigkeit dieser Kalkulation erfordert, dass man das Pfund mindestens mit 550 Gramm oder noch besser mit 555 Gramm in der Umrechnung ansetzt, denn bei 500 Gramm würde sich im Bereich der Wispel ein Defizit von 170 Wispeln ergeben, sprich die Rechnung wäre nicht einmal ansatzweise richtig. Bei 550 Gramm stimmt sie mit ca. 1.683 Wispeln schon ungefähr und bei 555 Gramm kann sie mit 1.698,3 Wispeln im Prinzip als korrekt gelten. Da diese Kalkulation auch auf heutigen Maßen basiert, wird klar, dass das Berliner Wispelmaß für Mehl tatsächlich dem heutigen Tonnenmaß entsprach. Deutlich leichter waren offenbar Kornsorten wie Hafer oder Gerste4, was offensichtlich mit der Abwei1 Auch die Ausführungen von Harald Witthöft über die Maße und Gewichte in friderizianischer Zeit sind wegen der unzureichenden Quellenbasis nicht zuverlässig. Vgl. ders., Die Maße und Gewichte, in: Ziechmann, Jürgen, Panorama der friderizianischen Zeit, Seite 618–625. 2 Vgl. insbes. zu Preußen und Sachsen Krünitz, Johann Georg, Oeconomische Encyklopädie, Bd. 45, Seite 678 f. Im Zusammenhang mit Krünitz’ Ausführungen hat sich herausgestellt, dass seine Angaben relational meistens korrekt sind, wogegen es sie in absoluter Hinsicht stets zu hinterfragen gilt. 3 GStAPK, II. HA., Abt. 34. Generaldepartment II, Nr. 207: Acta wegen Erbauung einer MehlRemise zu Magdeburg 1753 / 1754, Rekapitulation vom 22. Februar 1752. 4 Siehe Stadtarchiv Magdeburg, A. I. (Altes Archiv) S, Nr. 326: Schiffsbeschlag nach Berlin und Glogau betreffend 1745. Besonders die Listen vom 6.8. und 20. Marty 1745, Bd. I. Aufgelistet sind hier die Kapazitäten der Schiffstypen für unterschiedliche Transportgüter, wobei festzustellen
102
II. Teil: Die Kernelemente der Heeresversorgung
chung des Hohlmaßes zu erklären ist, sodass 1 Wispel Hafer oder Gerste gegenüber dem Mehl um ein Drittel geringer ausfiel und rund 666 Kilogramm entsprach. Ein anderes wichtiges Kleinmaß war die Metze. Im Zivilbereich wurde sie oftmals im Zusammenhang mit dem Brauwesen verwendet. Bei der Heeresversorgung trat sie immer im Zusammenhang mit der Pferdeverpflegung auf, denn sie war das üblichste Maß für die Angabe von Hartfuttermengen. In Preußen wie auch in Sachsen wog die Metze anscheinend um die 1,6–1,7 Kilogramm5. Die niederösterreichische Metze, die das Standardmaß in der österreichischen Armee für die Angabe von Hartfuttermengen war, wog wohl immer 31,5 Kilogramm, obwohl der Umrechnungsfaktor mit 47,5 bei den Kornsorten größer war, was dem Umstand geschuldet ist, dass Hafer ca. ein Drittel leichter ist als Mehl6. Abgesehen davon rangierte die niederösterreichische Metze mit diesem Gewicht in der Größenordnung der Mittelmaße wie dem Scheffel in Preußen oder Sachsen. Das Scheffelmaß war zwar im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation weit verbreitet, jedoch mit sehr starken regionalen Unterschieden7. In Preußen wurde seit Beginn des 18. Jahrhunderts aber das Berliner Maß standardisiert verwendet, während in Sachsen der Dresdener Scheffel gebräuchlich war. Da der Berliner Scheffel Mehl gemäß der oben erwähnten Kalkulation 75 Pfund wog, wurde der Dresdner Scheffel Mehl immer mit 150 Pfund angegeben. Gemäß der vorigen Kalkulation von 550 Gramm pro Pfund wären dies 41,5 Kilogramm für den Berliner und 83 Kilogramm für den Dresdner Scheffel gewesen. Der Scheffel Roggen und der Scheffel Weizen waren mit 164 und 173 Pfund sogar noch etwas schwerer, allerdings ging man davon aus, dass nach der Einmahlung und dem Abzug an Staub und Kleien immer 150 Pfund als Nettogewicht eines Scheffel Mehls vorhanden zu sein hatten8. Auch in Preußen, wo man den Scheffel mit 75 Pfund
ist, dass diese für Mehl und Hafer extrem schwankten, nämlich zwischen 16 und 24 Wispeln. Wenn man nun nicht von gravierend unterschiedlichen Mengen für die Ladekapazität des Schiffes ausgehen will, dann muss dies auf das unterschiedliche Gewicht des Hohlmaßes für bestimmte Güter zurückzuführen sein. 5 Die Metze war der 16. Teil eines Berliner Scheffels. Vgl. Krünitz, Johann Georg, Oeconomische Encyklopädie, Bd. 45, Seite 678. Krünitz’ Angaben sind relational zumeist korrekt, absolut aber keineswegs immer richtig. Man muss auch hier berücksichtigen, dass der Scheffel ebenfalls ein Hohlmaß war, sodass dieser beim Hafer nicht 41,5 kg, sondern 27,6 kg wog. 6 Siehe OestKA, AFA, Nr. 613: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 XI (351–Ende), Faszikel 471-a und 471-b. Hier sind die Magazinbestände des Breslauer Magazins vom 24. November in niederösterreichischen Metzen und Berliner Wispeln angegeben. Es ergibt sich erstaunlicherweise für fast alle Kornsorten, d. h. Weizen, Gerste und Hafer, ein Umrechnungsfaktor 0,0475, lediglich bei Gerste liegt er bei 0,0488. Da 1 Berliner Wispel 1.000 kg enthielt, entsprach dies 47,5 bzw. 48,8 quasi-kg. Da es sich bei Wispeln und Metzen aber um Hohlmaße handelte, muss man Angaben bei den leichten Korn- oder Getreidesorten wie Hafer und Gerste in der Regel mit dem Faktor 0,67 multiplizieren, um die Mengen auf ein heutiges Maß zurückzuführen. Folglich entspräche die Metze bei leichtem Getreide also in der Regel 31,5–32,5 kg. 7 Siehe Krünitz, Johann Georg, Oeconomische Encyklopädie, Bd. 45, Seite 678–683. 8 Siehe SächsHStA-DD, 11293 Oberproviantamt: Die Becker Innung wie auch das Brodt und Backwesen in Dreßden betref, Nota zu Schreiben vom 15. Dezember 1766.
II.3. Maßeinheiten und ihre Umrechnungen103
veranschlagte, wurde der Scheffel Roggen mit 79–83 Pfund angegeben9, was umgerechnet im Durchschnitt 45 Kilogramm entsprach. In Schlesien, das erst seit einigen Jahren zum Königreich Preußen gehörte, war auch der Breslauer Scheffel noch immer ein verbreitetes Maß. Dieser enthielt bei den schweren Kornsorten offenbar um die 60 Kilo gramm und bei den leichten Kornsorten um die 40 Kilogramm10. Ein anderes Mittelmaß, das offensichtlich nur in Böhmen, und zwar für Kornsorten aller Art, verwendet wurde, war der sogenannte Strich. Bei den leichten Kornsorten entsprach er wohl rund 40 Kilogramm, was bedeutet, dass er beim Mehl oder schweren Kornsorten 60 Kilogramm umfasste11. Folglich waren der Breslauer Scheffel sowie der normale böhmische Strich weitestgehend identische Maße. Der Prager Strich verhielt sich dagegen wie 30 zu 29, wog rund 66 Kilogramm und war damit offenbar etwas schwerer. Ein weiteres Mittelmaß war der Zentner, den man Preußen und Sachsen mit 50 Kilogramm ansetzte und bei den Lebensmitteln fast nur im Zusammenhang mit der Angabe von Heumengen verwendete. Die Österreicher hingegen gebrauchten dieses Maß auch für Mehlmengen, der niederösterreichische Zentner wog offensichtlich 60 Kilogramm12. Darüber hinaus wurde damals auch schon ein Tonnenmaß verwendet, das allerdings deutlich geringer war als das heutige Tonnengwicht, denn in der Regel rechnete man eine Last zu 12 Tonnen, sodass 1 damalige Tonne 166,66 Kilogramm entsprach. Das größte Hohlmaß im Rahmen der Heeresverpflegung in der Mitte des 18. Jahrhundets war offensichtlich das Schockmaß, das man in Preußen und Sachsen verwendete, um Strohmengen anzugeben. Ein Schock bestand in der Regel aus 60 Bund, wobei jedes Strohbund mit 20 Pfund veranschlagt wurde13. Dies würde bedeuten, dass ein Schock Stroh in der Regel 600 Kilogramm umfasste. 9 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 614 E: Magazine, Proviantwesen, Feldbäckerei 1749– 1756, Schreiben Etatsministers von Katt aus Berlin am 27. Sept. 1750. 10 Siehe OestKA, AFA, Nr. 613: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 XI (351–Ende), Faszikel und 475-a und 475-b. Hier sind die Kornsorten des Breslauer Magazins vom 26. / 27. November in österreichischen Metzen und Breslauer Scheffeln angegeben. Unter Anwendung des vorigen Gewichts für das Metzenmaß der Österreicher ergibt sich für die schweren Kornsorten Weizen und Roggen ein Gewicht von 59 kg und für die leichteren Kornsorten ein Gewicht von 41 kg. 11 Vgl. Národní Archiv, Gubernium České Militare, Kt. 52. C / 13 / 4: Transporty do zásobáren. Im Zusammenhang mit den Hafertransporten wird erwähnt, dass 130.687 niederösterreichische Metzen 104.550 böhmischen Strich entsprachen. Folglich entsprach 1 böhmischer Strich Hafer 1,25 niederösterreichischen Metzen. Multipliziert man diesen Wert mit 31,5 kg, so ergibt dies einen Wert von 40 kg für den Hafer. Für Mehl oder schwere Kornsorten, die ein Drittel mehr wogen, wären dies folglich 60 kg. 12 GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 98 G: Immediatsberichte des Fürsten Printz Moritz zu AnhaltDessau. Summarischer Extract Derjenigen Naturalien, welche in dem Magazin zu Liegnitz gefunden worden. Laut diesem entsprachen 4.967 niederösterreichischen Zentner Mehl nach Berliner Maß 303 Wispel, 4 Scheffel. Damit ergibt sich ein Umrechnungsfaktor von 0,06, was abermals 60 kg entspricht. 13 Siehe Krünitz, Johann Georg, Oeconomische Encyklopädie, Bd. 147, Seite 599 und Bd. 176, Seite 18.
104
II. Teil: Die Kernelemente der Heeresversorgung
Das typische Maß für große Mengen in dieser Zeit war der sogenannte Wispel, der wie schon erwähnt heute 1 Tonne entspricht. Verwendet wurde er in Preußen und Sachsen für Korn- und Mehlarten. Aufgrund des unterschiedlichen Scheffelmaßes in beiden Staaten war der sächsische Wispel doppelt so groß wie der preußische und entsprach rund 2 heutigen Tonnen. Es gab noch ein weiteres Großmaß, das vor allem im Rahmen der Binnenschifffahrt, aber auch bei den großen Seemächten des Westens wie den Engländern und Niederländern sehr verbreitet war, nämlich die Last bzw. der Plural die Lasten, die bei den leichten Kornmengen wie Roggen und Weizen 2 Wispel und bei den schweren wie Gerste und Hafer 3 Wispel umfassten14. Neben diesen Maßen für Nahrungsmittel gab es 2 Gewichtsmaße, die nur für Holzmengen verwendet wurden, der Klafter und der Schragen. Der Klafter war ein Gewichtsmaß, dem eigentlich ein Längenmaß zugrunde lag und der in Preußen 108 Kubikfuß beinhaltete, was rund 3 Kubikmetern entsprach. Welches Holzgewicht sich nun daraus ergab, ist nicht einfach zu bestimmen, weil die einzelnen Holzarten unterschiedliche Dichten und unterschiedliche Gewichte bei unterschiedlichen Feuchtigkeitsgraden aufweisen. Abgesehen davon ist auch nicht ganz klar, ob nach Raum- oder Schüttmetern veranschlagt wurde. Für Kiefernholz oder andere Nadelhölzer kann bei trockenem Zustand ein Gewicht von 300 Kilogramm als ein plausibler Wert gelten. Folglich hätte ein Klafter 900 Kilogramm entsprochen. Da ein Schragen in der Regel wiederum 3 Klafter enthielt und dieser je nach Holzart ca. 70–80 Zentner15, sprich 3.500 bis 4.000 Kilogramm wog, sollte man auch für den Klafter etwas höhere Gewichtswerte bis 1,2 Tonnen ansetzen. Am einfachsten ist die Umrechnung noch bei den Längenmaßen. Das wichtigste, der Rheinländische Fuß, entsprach rund 31 Zenitmeter und war im ganzen Reich verbreitet. Gebräuchlich war auch das Schrittmaß, das 75 Zentimeter umfasste. Für größere Entfernungen wurde die Meile verwendet, die in Preußen, Sachsen und Österreich wohl ebenfalls um die 7,5 Kilometer lang war16. Die folgende Tabelle zeigt noch einmal die Umrechnungen aller Gewichts- und Hohlmaße im Überblick.
14 Siehe
ebd., Bd. 65, Seite 189. ebd., Bd. 148, Seite 147. 16 Siehe ebd., Bd. 87, Seite 716 f. 15 Siehe
Kleinmaß
Kleinmaß Mittelmaß entspricht der Scheffelkategorie
Mittelmaß
Mittelmaß
Mittelmaß
Mittelmaß Mittelmaß Mittelmaß
Pfund
Metze Niederö. Metze
Scheffel
Strich
Malter
Schock Zentner
Großmaß primär für Flüssigkeiten Maß für große Holzmengen
Tonne
Maß für sehr große Mengen im heutigen Tonnenbereich
Maß für große Mengen im Schiffsverkehr
Wispel
Lasten
Schragen
Mittelmaß für Holz
Klafter
n.-ö. Zentner
Erläuterung
Gewichtsmaß
alle Getreidearten Hafer und Gerste
1 Metze = 1,7 kg 1 Metze = 31,6 kg
Nutzung für Materialien Umrechnung in heutige Einheit Naturalien Brotportionen 1 Pfund = 0,55 Kilo oder 550 Gramm 1 Pfund = 0,5 Kilo oder 500 Gramm
Sachsen Preußen, Sachsen, Niederlande, England
Preußen Sachsen Schlesien Böhmen (Prag Sonderfall) Preußen Sachsen Preußen, Sachsen Preußen, Sachsen Böhmen Österreich / Habsburgerreich
alle Getreidearten Mehl und alle Getreidearten
1 Wispel Hafer / Gerste = 0,66 Tonnen 1 Wispel Mehl = 2 Tonnen 1 Last = ca. 2 Tonnen
Mehl Gerste und Hafer 1 Scheffel = ca. 41,5 kg 27,6 kg ca. 55 kg 1 Scheffel = ca. 83 kg 1 Scheffel = 59 kg 41 kg ca. 40 kg 1 Strich = ca. 60 kg 1 Strich = 80 kg 1 Malter = 4 Scheffel = 166 kg 1 Malter = 500 kg Stroh 1 Schock = ca. 600 kg Heu, Stroh oder Hecksel 1 Zentner = ca. 50 kg Mehl 1 Zentner = 66 kg Mehl, Heu und Stroh 1 Zent. Mehl ca. 60 kg, 1 Zent. Heu ca. 55 kg Preußen, Sachsen und Österreich / Holz 1 Klafter = ca. 3 Kubikmeter Habsburgerreich = 900–1.200 kg Bier, Fische, Butter, 1 Tonne = 166,66 kg Schmalz Sachsen Holz 1 Schragen = ca. 70–80 Zentner = 3.500–4.000 kg Preußen Mehl / Roggen 1 Wispel Mehl = 1 Tonne
Weitestgehend einheitliche Verwendung in: Preußen Sachsen und Österreich / Habsburgerreich Preußen, Sachsen Österreich, insbes. Nieder österreich
Tabelle 4 Übersicht und Erläuterung der gebräuchlichsten Gewichts- und Hohlmaße aus dem 18. Jahrhundert sowie Umrechnung in heutige Einheiten II.3. Maßeinheiten und ihre Umrechnungen105
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II. Teil: Die Kernelemente der Heeresversorgung
II.4. Das Magazinwesen – Lage, Bau, Verwaltung und konkreter Umfang der Bestände Als Magazine bezeichnete man normalerweise jene Aufbewahrungsorte, in denen die großen Mengen an Verpflegungsgütern für die Pferde oder für die Truppen aufbewahrt wurden1. Die anderen Versorgungsgüter wie Munition oder Ausrüstungsgegenstände wurden in der Regel in Zeug- oder Lagerhäusern gelagert. Die Preußen unterschieden bei den Magazinen zwischen denjenigen für Kriegszwecke und jenen, die für die Notversorgung der Bevölkerung mit Brot- oder Saatkorn angelegt wurden. Während bei Friedrich Wilhelm I. diese Unterscheidung eher von geringer Bedeutung war, nahm sie unter Friedrich aufgrund der vielen Konflikte zu, obwohl ein fließender Übergang zwischen diesen beiden Formen nie ganz verschwand und bisweilen auch zur Schmälerung der Bestände in den Kriegsmagazinen führte. Zu den Landmagazinen, die die Aushilfsvorräte für die Bevölkerung enthielten, zählten unter anderem Cottbus, Diesdorff, Fürstenwalde, Landsberg, Liebenwerda, Neuenhagen, Potsdam, Prenzlau, Rudersdorff, Wittenberge, Zechlin und Zehdenick. In der Regel lagerten dort aber maximal einige Hundert Wispel Getreide und damit wesentlich weniger als in den Kriegsmagazinen, wo zumeist mehrere Tausend Tonnen vorhanden sein sollten. Interessanterweise sollten aber Orte wie Tangermünde und Wittenberge an der Elbe über Magazine verfügen, die bis zu 1.500 Wispel aufnehmen konnten, was darauf hinweist, dass gerade an den Flüssen beträchtliche Zusatzkapazitäten vorhanden waren, die möglicherweise auch im Kriegsfall als zusätzliche Reserve genutzt werden konnten2, zumal insgesamt bis zu 8.000 Wispel Getreide bereitstehen konnten3. Die Kriegsmagazine befanden sich fast alle in der Nähe der großen Ströme. König Friedrich selbst betonte, dass die Hauptmagazine an den Flüssen gelegen sein müssten, wie dies in Spandau und Magdeburg der Fall war, um von dort aus entlang der Elbe gegen Sachsen operieren zu können oder um die Aufstockung der Bestände in Breslau, das über die Oder erreichbar war, zu ermöglichen4. Tatsächlich lagen nicht nur der letztgenannte Ort, sondern mit Stettin, Küstrin, Frankfurt und Crossen auch alle anderen Kriegsmagazine in der Kurmark am Unter- und Mittellauf des Oderstroms. Selbst die meisten anderen Magazine in Schlesien, darunter Glogau, Brieg und Cosel, waren über die Oder miteinander verbunden, weshalb Friedrich den Fluss auch als Nährmutter der 1 Die Terminologie war diesbezüglich wohl nicht völlig einheitlich. Im politischen Testament spricht der König auch von Geschützmagazinen (vgl. Friedrich II., Das politische Testament von 1752, Heerwesen – Waffen- und Geschützmagazine für die Armee). Möglicherweise unterschied man im Zusammenhang mit Waffen und Munition nur anhand der Gebäudegröße oder der Bauweise zwischen Magazinen und Zeughäusern. 2 Vgl. BLHA, Rep. 2 Kurmärkische Kriegs- und Domänenkammer, D-2, Nr. 367: Betreffend die in einigen Aemtern anzulegenden kleinen Kornmagazine. 3 Siehe Friedrich II., Das politische Testament von 1752, Getreidemagazine. 4 Siehe ders., Die Generalprinzipien des Krieges und ihre Anwendung auf die Taktik und Disziplin der preußischen Truppen (1748), Kapitel II, III und IV sowie ders., Das politische Testament von 1752, Heerwesen – Das Kriegskommissariat.
II.4. Das Magazinwesen107
Armee bezeichnete5. Lediglich Glatz im Gebirge sowie Schweidnitz und Neisse im Vorland des Eulengebirges bzw. der Sudeten konnten nicht per Schiff erreicht werden. Letzteres dürfte den Österreichern sehr vertraut gewesen sein, denn sie besaßen in Wien, Crems, Pressburg, Raab, Komorn, Pileck, Grann, Mocs, Ofen, Maizen, Baya und Esegg auch eine Vielzahl an Magazinen, die an der Donau lagen, allerdings sollten im Siebenjährigen Krieg auch viele Magazine in Böhmen und Mähren angelegt werden, die gerade nicht per Schiff erreichbar waren, wie Pardubitz, Königgrätz, Budin, Laun, Böhmisch Budweis, Deutschbrod, Leitomischl und Politzka6. Zur Anlage der Magazine wurden sowohl bei den Land- als auch Kriegsmagazinen Provianthäuser oder andere öffentliche Gebäude genutzt, allerdings gab es kontinuierliche Klagen über den schlechten Zustand der Magazingebäude. In Anbetracht dessen erscheint es nicht verwunderlich, dass man bisweilen auch auf herrschaftliche Gebäude zurückgegriffen oder Gebäude von Privatpersonen angemietet hat7, wie dies beispielsweise 1753 in Fürstenwalde der Fall war. Wie sich noch zeigen wird, zog man aber auch sehr gern Kirchen und Klöster zu diesem Zweck heran. Ansonsten musste man extra Lagergebäude errichten, wofür entsprechende Kosten anfielen, die man aber möglichst zu senken versuchte. Hierfür gibt es kaum ein besseres Beispiel als den Bau von zunächst einem Mehlschuppen in den Jahren 1752 / 53 und einem weiteren in den Jahren 1755 / 56 in Magdeburg. Vor allem der erste Fall zeigte in nahezu einzigartiger Weise, welcher Kostendruck offenbar herrschte und wie oft deshalb die Entwürfe oder Anschläge geändert wurden. Zunächst hatte Hauptmann Gedler ein massives Gebäude von 424 Rheinländischen Fuß Länge und 40 Rheinländischen Fuß Breite (131 m × 12 m) geplant, in dem 1.683 Tonnen Mehl oder 6.732 Fässer aufbewahrt werden konnten. Allerdings sollte dieses Gebäude insgesamt 10.623 Reichstaler kosten, wobei schon die 181.000 Mauersteine inklusive Fuhrlohn mit 1.439 Reichstalern und der Maurer- und Handlangerlohn mit 1.100 Reichstalern zu Buche schlugen8. Da Gedler schon befürchtete, dass die Kosten zu hoch sein könnten, gab es noch einen Alternativvorschlag, der mit 50.000 Mauersteinen auskam und mit 9.202 Reichstalern etwas weniger kostete. In diesem wie auch dem vorigen Gebäude sollten die Fässer gemäß der Rekapitulation von Kriegskommissar Schall 8 Stück breit, 170 Stück lang und 5 Stück hoch verteilt sein, was in einer Ebene 1.360 und zusammen 6.800 Fässer ergab, die bei 6 Scheffeln pro Fass zusammen knapp 1.700 Tonnen Mehl enthielten9. Da offensichtlich auch dieses Gebäude abgelehnt wurde, gab es am 29. Februar 1752 einen weiteren Vorschlag, der nun ohne Mauersteine aus5 Siehe Friedrich II., Die Generalprinzipien des Krieges und ihre Anwendung auf die Taktik und Disziplin der preußischen Truppen (1748), Kapitel II. 6 Siehe OestHHStA, Kriegsakten, Nr. 346, Blatt 178 Rück- und 179 Vorderseite. 7 Zum gesamten Absatz siehe Krünitz, Johann Georg, Oeconomische Encyklopädie, Bd. 51, Seite 538. 8 Siehe GStAPK, II. HA., Abt. 34 Militärdepartment, Nr. 207: Acta wegen Erbauung einer Mehl-Remise zu Magdeburg 1753 / 1754, Anschlag vom 11. Februar 1752. 9 Siehe GStAPK, II. HA., Abt. 34 Militärdepartment, Nr. 207: Acta wegen Erbauung einer Mehl-Remise zu Magdeburg 1753 / 1754, Recapitulation vom 22. Februar 1752.
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II. Teil: Die Kernelemente der Heeresversorgung
kam, weil es sich inzwischen nicht mehr um eine Fachwerks-, sondern Schuppenkonstruktion handelte. Daher verringerten sich die Gesamtkosten nun auf 6.163 Reichstaler. Aber selbst diese Version wurde wohl als nicht tragbar erachtet und so enthielt ein weiterer Alternativvorschlag vom selben Tag in weiser Voraussicht eine Aufstellung, nach der das Gebäude nur noch 3.270 Reichstaler kosten sollte. Dieses Gebäude war nun jedoch nur noch 309 Rheinländische Fuß lang und 40 Fuß breit (128 m × 12 m), sollte dementsprechend nur für 1.280 Tonnen Mehl Platz bieten und überwiegend aus Holz bestehen. Laut dem offiziellen Bewilligungsschreiben der Etatsminister von Katt und von Boden vom Mai nächsten Jahres wurde die Endsumme lediglich auf 2.865 Reichstaler festgesetzt10. Dies hing vermutlich damit zusammen, dass man bei der Beschaffung und dem Transport des Holzes noch auf einige Einsparungen spekulierte, indem man es aus den Rathenau’schen Forsten oder der Colbitzer Heide beschaffte, um es dann für den üblichen Fuhrlohn der Holzhändler zum Fluss zu schaffen und per Schiff nach Magdeburg zu transportieren. Die Idee zu dieser Holzbeschaffung aus Rathenau’schen Forsten und der damit verbundenen Kostensenkung stammte offensichtlich von Generalmajor von Retzow, der dies in seinem Schreiben vom 19. April des Jahres 1753 angeregt hatte11, obwohl er später auch die Colbitzer Heide ins Gespräch brachte. Darüber hinaus hatte Retzow in diesem Schreiben behauptet, „[…] dass bey dem Packen der Fässer der Platz mehr menagiret, und also viel als für die 5000 Wispel complet zu machen erforderlich, darin asserviret werde können“12.
Vermutlich ist diese Bemerkung aber nicht so zu deuten, dass man nun tatsächlich 5.000 statt 1.280 Tonnen Mehl in diesem einen Gebäude unterbringen konnte, sondern dass durch eine bessere Packweise in dem Gebäude tatsächlich etwas mehr Mehl untergebracht werden konnte und so ein zusätzlicher Beitrag zur Unterbringung der 5.000 Wispel in Magdeburg insgesamt geleistet wurde. Folgerichtig wies Hauptmann Gedlers letzter Anschlag das Fassungsvermögen der Remise auch mit 1.580 Tonnen aus. Sein Schreiben hob auch noch einmal die günstige Lage am Kanal mit Zugang von 3 Seiten hervor, wo 2 Wagen, ohne sich zu behindern, ein- und ausladen konnten13. Offenbar war die Lagerungssituation aber auch 2 Jahre später schon wieder unzureichend, weshalb ein ganz ähnliches Gebäude entworfen wurde, das umgerechnet ebenfalls 95 Meter lang und rund 12 Meter breit war und 1.600 Tonnen Mehl fasste. Allerdings sollte es mit 3.112 Reichstalern auch etwas mehr kosten, weil das Holz gekauft werden musste. 10 Siehe
ebd., Schreiben der Minister von Katt und von Boden aus Berlin vom 22. Mai 1753. GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 614 E: Magazine, Proviantwesen, Feldbäckerei 1749– 1756, Schreiben des Generalmajors von Retzow vom 19. April 1753 und II. HA., Abt. 34 Militärdepartment, Nr. 207: Acta wegen Erbauung einer Mehl-Remise zu Magdeburg 1753 / 1754, Schreiben von Retzows vom 26. Juni 1753. 12 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 614 E: Magazine, Proviantwesen, Feldbäckerei 1749– 1756, Schreiben des Generalmajors von Retzow vom 19. April 1753. 13 Siehe GStAPK, II. HA., Abt. 34 Militärdepartment, Nr. 207: Acta wegen Erbauung einer Mehl-Remise zu Magdeburg 1753 / 1754, Schreiben Gedlers vom 25. August 1753. 11 Siehe
II.4. Das Magazinwesen109 „Diese Mehl-Remise komt neben der in Ao 1753 erbauten zu stehen, nemlich zwischen der Citadel und der Schleuse, und die Bauarth ist eben so als die vorige Remise, mit einen Ziegeldach und brettern Wände, das erforderliche Bau-Holtz aber ist dieses mahl nicht aus königl. Forsten assigniret, sondern für baar Geld erkauffet worden“14.
Letztlich schuf man mit den beiden Gebäuden trotz Kostendrucks neue Lagerungsräume für nicht weniger als 3.200 Tonnen Mehl, wobei das zweite Gebäude wohl das Mehl aus der Halle in der Nähe der Dom- und Gertruden-Kirche aufnehmen sollte15. Die Befüllung der Magazingebäude erfolgte entweder mit Hilfe der Bauern aus dem eigenen Land, die das Mehl, Korn oder Raufutter mit Schiffen oder Wagen zu vorgesehenen Magazinplätzen schafften, oder indem man mit Lieferanten entsprechende Verträge hierfür abschloss, wobei der König vor allem vor den Wucherpreisen Letzterer warnte, sodass diese nur im äußersten Notfall heranzuziehen wären16. Um begrenzten Mühlenkapazitäten und der Gefahr durch Verunreinigungen vorzubeugen, waren die Magazine zu 2 Dritteln mit Mehl und zu 1 Drittel mit Roggen zu befüllen, wobei Letzterer alle 3 Jahre ausgetauscht wurde und zeitweilig als Aushilfsfutter für den Hafer bei der Kavallerie dienen sollte17. Während Generalkriegskommissar Katt, die Generalmajore von Retzow und Goltz, Minister von Schlabrendorff sowie die Leiter der Feldkriegskommissariate und die Magazinrendanten die Ober- und Mittelschicht der Versorgungs- und Verpflegungsorganisation repräsentierten, rangierten auf der unteren Ebene die Proviantangestellten. Sie hatten die Handarbeit in den Magazinen zu verrichten und sich an bestimmte Vorschriften zu halten, die der Bestandssicherung dienten. Bei den Magazinen, in denen Korn oder Mehl gelagert wurde, kam es offensichtlich darauf an, das Getreide in den Wintermonaten einmal pro Woche und in den Sommermonaten 2- bis 3-mal pro Woche umzuschippen und dabei die Fenster zu öffnen18. Bisweilen wurde es im Sommer aber wohl jeden Tag gewendet, was bei staubigen Sorten wie Roggen in warmen Zeiten auch erforderlich war, um Feuergefahr zu vermeiden19. Allerdings konnte ein Mann pro Stunde je nach Getreidesorte nur zwischen 3 und 5 Wispel wenden20. Darüber hinaus sollte für die Reinigung des Getreides gesorgt und das Rauchen vermieden werden. Natürlich war man auch vor Ungeziefer wie Ratten und Mäusen auf der Hut, weshalb man selbst mit geringen Mengen von Arsen zu dessen Vergiftung experimentierte. Im Wesentlichen lief wohl alles darauf hinaus, die Verpflegungsgüter nicht nass werden zu lassen oder sie durch Feuergefahr dem Verderben 14 GStAPK, II. HA., Abt. 34 Militärdepartment, Nr. 209: Acta wegen Erbauung einer MehlRemise zu Magdeburg 1755 / 1756, Schreiben Schalls aus Magdeburg vom 23.05.1755. 15 Siehe ebd., Schreiben des Etat-Ministers von Katt aus Berlin vom 13.05.1756. 16 Siehe Friedrich II., Instruktion Friedrichs des Großen für seine Generale von 1747, Seite 19 und 21. 17 Siehe ders., Das politische Testament von 1752, Heerwesen – Das Kriegskommissariat. 18 Siehe Stadtarchiv Wittenberg, Nr. 1153: Getreideumschippen auf Kornboden und Instruktion dazu 1747, Blatt 3 Vorder- und Rückseite. 19 Siehe Scharlbaum, P. E., Gedanken über Körnermagazine und die nothwendige Proviantwirtschaft im Felde und im Lande, Seite 8 und 10. 20 Siehe ebd., Seite 13.
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II. Teil: Die Kernelemente der Heeresversorgung
preiszugeben. Während Letzteres am ehesten durch eine gewisse Disziplin seitens der Proviantbedienten zu bewerkstelligen war, konnte sich die Nässe schon bei der Annahme der Fouragegüter einschleichen. Geschuldet war dies nicht selten dem Umstand, dass das Korn selbst im Rahmen der Ernte oder des Transports feucht wurde, sodass die Körner zunächst aufquollen und dann zusammensackten, sodass man in der Regel zwischen 3 und 5 % als Verlust einkalkulierte und gerade in den Magazinen, wo das Getreide längere Zeit, sprich über 2 Monate, lagerte, eine entsprechend höhere Ablieferungsmenge forderte21. Deshalb sollte darauf geachtet werden, dass keine verdorbenen Körner und kein verfaultes Heu oder Stroh angenommen wurden. „[…D]enn solches sind die wahren Ursachen, woher unter denen Pferden sich so böse Krankheiten finden, so viel crepieren, und unbrauchbar werden […]“22.
Vor allem bei Magazingütern, die von Lieferanten beschafft wurden, hatte man besondere Vorsicht walten lassen und unbedingt vermieden, dass sie sich mit den Kommissaren gut verstanden, da Betrügereien sonst unausweichlich zu befürchten standen. Vermutlich erklärt sich aus der Furcht vor Letzteren auch die Maßregel, dass bei der Einlieferung des Raufutters, also bei Heu und Stroh, die Bünde nicht zu klein sein durften23. Während das Ziel der Magazinverwaltung darin bestand, die Verpflegungsgüter in einem möglichst guten Zustand zu erhalten und sie bei Bedarf bereitzustellen, ging die größte Gefahr für die Magazine in Kriegszeiten natürlich von der Vernichtung durch feindliche Zugriffe aus. Daher waren fast alle Hauptmagazine der preußischen Armee deckungsgleich mit den großen Festungen des Königreichs24, darunter Stettin, Küstrin, Frankfurt, Glogau, Breslau, Brieg, Cosel, Neisse, Schweidnitz, Glatz wie auch Magdeburg, Königsberg, Wesel und Spandau25, wo die kleine Festung inzwischen als Rückzugsort für das entfestigte Berlin diente. Vor allem von der Größe dieser Stadt mit ca. 100.000 Einwohnern ging schon in Friedenszeiten eine gewisse Bedrohung für die Bestände der Kriegsmagazine aus, da man die Ernährung der Bevölkerung in Krisenzeiten unterstützen musste. Um diese nach Möglichkeit nicht zu gefährden, wurden hierfür eigentlich große Getreidemengen aus anderen Provinzen herangeführt. Das Herzogtum Magdeburg war die kornreichste Provinz des Königreichs Preußen, deren Überschüsse sich angeblich schon in schlechten Jahren auf ca. 14.000, in mittleren Jahren schon auf 55.000 und in guten Jahren auf 88.000 Wispel beliefen26. Daher wurden schon in der Mitte des 17. Jahrhunderts pro Jahr nicht selten über 10.000 Wispel Getreide elbabwärts nach Hamburg verschifft, wobei die 21 Siehe
ebd., Seite 5 f. und 23 f. I. HA., Rep. 96, Nr. 92 B 6: Varia Militaria aus der Zeit des Siebenjährigen Krieges, Blatt 14 Vorderseite. 23 Siehe ebd. 24 Siehe Friedrich II., Das politische Testament von 1752, Heerwesen – Festungen. 25 Eine leicht und schnell zugängliche Liste sämtlicher preußischen Festungen findet sich beispielsweise unter www.festungpeitz.de / map_preuss.html (letzter Zugriff am 02.05.2017). 26 Siehe Skalweit, August, Acta Borussica, Getreidehandelspolitik, Bd. 4: Die Getreidehandelspolitik und Kriegsmagazinverwaltung Preußens 1756–1806, Seite 13. 22 GStAPK,
II.4. Das Magazinwesen111
Kornschifffahrt im Jahr 1709 mit 72.102 Wispel wohl ihren absoluten Höchststand erreichte27. Allerdings war der Absatz in der Mitte des 18. Jahrhunderts stark zurückgegangen, sodass einerseits der Bedarf im wachsenden Berlin als auch der Überschuss in Magdeburg den Transport großer Mengen durch den Plauener Kanal anregten28. Abgesehen davon zog man für die interne Umverteilung innerhalb Preußens zunehmend auch die Überschüsse der eroberten Provinz Schlesien in Betracht. Dort gab es zwischen 1749 und 1752 reiche Ernten, sodass in den Jahren 1753 bis 1755 mehrere Tausend Wispel Roggen für Berlin geordert wurden29. Da die Erträge in Schlesien nach 1755 stark zurückgegangen waren, musste Generalmajor von Retzow zur Bewerkstelligung der letzten Lieferung neben den polnischen Importen auch auf die Bestände der Kriegsmagazine von Glogau und Breslau zurückgreifen30. Infolgedessen dauerte es bis Mitte 1756, um diesen Bestandsverlust wieder größtenteils zu kompensieren, was zeigt, dass es entgegen den offiziellen Absichten in der Praxis wesentlich häufiger zur Vermischung von zivilen und militärischen Angelegenheiten kam, die den Kriegsvorbereitungen bisweilen alles andere als zuträglich waren. Nach der Norm sollten für die Truppenverpflegung, die im Gegensatz zur Pferdeverpflegung sehr gut überliefert ist, in den Kriegsmagazinen 1750 37.800 Tonnen an Mehl und Roggen im Verhältnis 2 Drittel zu 1 Drittel bereitstehen. Dabei hatte man 20.000 Tonnen für die Kurmark und die übrigen Provinzen vorgesehen, während die restlichen 17.800 Tonnen für die schlesischen Magazine bestimmt waren. Der Sollbestand der schlesischen Magazine wurde 1752 auf 20.000 Tonnen erhöht, während er in den übrigen Provinzen auf insgesamt 22.000 Tonnen stieg31. Allerdings offenbarte eine Zusammenstellung, die von Ende August 1756 stammt, ein etwas anderes Bild der Lagerbestände, denn offensichtlich beliefen sich diese nach der Norm noch immer auf 40.000 Tonnen, was den Bedarf für 100.000 Mann fast 1 ½ Jahre deckte32. 27 Vgl. Mai, Erich, Die Magdeburger Elbschiffahrt im 18. Jahrhundert, Seite 721 und Wieske, Alfred, Magdeburgs Elbhandel und Elbhandelspolitik bis zum Ende des 19. Jahrhunderts, Seite 163 f. und 169. 28 Siehe Naudé, Wilhelm / Schmoller, Gustav von / Skalweit, August, Acta Borussica, Getreidehandelspolitik, Bd. 3: Die Getreidehandelspolitik und Kriegsmagazinverwaltung Preußens 1740– 1756, Seite 124 f. 29 Siehe ebd., Seite 218–225. 30 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 614 E: Magazine, Proviantwesen, Feldbäckerei 1749– 1756, Schreiben des Generalmajors von Retzow vom 25. Nov. 1755. 31 Zum gesamten Absatz siehe Naudé, Wilhelm / Schmoller, Gustav von / Skalweit, August, Acta Borussica, Getreidehandelspolitik, Bd. 3: Die Getreidehandelspolitik und Kriegsmagazinverwaltung Preußens 1740–1756, Seite 230–233. 32 Laut dem Politischen Testament des Königs reichten 40.000 Scheffel für 100.000 Mann 17 Monate und 3 Tage (siehe Friedrich II., Das Politische Testament von 1752, Heerwesen – Das Kriegskommissariat). Hierbei muss ein Transskriptionsfehler oder ein Irrtum vorliegen, denn nicht 40.000 Scheffel, sondern 40.000 Wispel bzw. Tonnen Mehl reichten beim grob veranschlagten Bedarf von 75 Tonnen pro Tag für 17 Monate und 15 Tage (100.000 × 0,75 = 75.000 kg = 75 Tonnen. 40.000 / 75 = 533 Tage. Der Monat zu 30,5 Tagen = 17,5 Monate).
112
II. Teil: Die Kernelemente der Heeresversorgung
„Nachweisung Von denen Umständen in welchen sich königl. Magazine ult. August 1756 befinden. 1. Die Magazine exclusive Schlesien In denenselben sollen seyn 20000 Wspl. 6908 Es sind ult. August vorhanden 5894 ult. Julio haben bei diesen Magazinen bereits gefehlet hierzu sind in Augusto Für die Guarnison verbacken 1372 21 An Deputat und Futter Korn, auch für die Festung und Gefangenen verkauffet sind 548 140 Zur Magdeburgischen Zwieback Bäckerey sind gekommen 5096 Der königl. Armee sind nach gesandt An Futterkorn sind für einige marschirte Regimenter hergegeben 52 Einigen Unterthanen sind geliehen 54 […] Zugang […] 86 Es fehlen also ult. August bei diesen Magazine 13091 2. Die Schlesischen Magazine 20000 Wspl. In denen sollen seyn Es sind in denenselben ult. August vorhanden an Roggen 6289 An Mehl 11872 […] Und fehlen also bey diesen Magazinen 1838 […]“33.
Erstaunlicherweise hielten sich die Defizite bei den schlesischen Magazinen mit 1.838 Wispel oder Tonnen noch halbwegs in Grenzen, obwohl die dortigen Bestände kurz zuvor für die Ernährung der Berliner Bevölkerung genutzt worden waren. Dagegen fehlten in den Magazinen der Kurmark und der übrigen Provinzen fast 14.000 Tonnen, also mehr als 2 Drittel. Allerdings zeigt die Zusammenstellung auch, dass sich der eigentliche Fehlbestand auf ca. 1 Drittel belief und teilweise auf eine Missernte, die besonders in Pommern sehr deutlich zu Tage trat, zurückzuführen war. Die anderen Mengen, nämlich ca. 6.500 Tonnen, waren bereits der Armee zur Unterstützung hinterhergeschickt sowie in Magdeburg bei der Feldbäckerei oder für die Garnisonstruppen verbacken worden, womit sie genau ihrem vorgesehenen Zweck, nämlich der Verpflegung der Truppen im Feld oder in den Festungen dienten. Während man für die Truppenverpflegung also halbwegs gut ausgestattet war, bereitete die Aufbringung der großen Fouragemengen gerade in Schlesien, wo es um die Bestände der Truppenverpflegung so gut bestellt war, zu Beginn des Siebenjährigen Krieges angeblich massive Probleme34. Möglicherweise hing dies einfach damit zusammen, dass es auf Dauer schlicht und ergreifend zu kostenintensiv war, die erforderlichen Gebäude für die Lagerung der Naturalien zu unterhalten, deren Kapazitäten nicht übermäßig hoch waren35, 33 GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 425 A: Immediatsberichte des Generaldirectoriums in Sonderheit der Etatsminister v. Katt und v. Wedell in Militärverwaltungssachen 1744–1762, Blatt 9 Vorderseite. 34 Vgl. Koser, Reinhold, König Friedrich der Große, Bd. 1, Seite 15 und darauf basierend Luh, Jürgen, Die Kriegskunst in Europa 1650–1800, Seite 28.
II.5. Die Truppenverpflegung113
da man schon für die Lagerung des Roggens und des Mehls im Umfang von knapp 5.800 Tonnen in Breslau 4 Gebäude benötigte36. Dies war wohl nichts Neues, denn schon im Ersten Schlesischen Krieg fehlten nach dem geglückten Einmarsch für die weiteren Operationen Anfang Februar 1741 noch 95 % der Hafer-, 94 % der Heu- sowie 99 % der Strohmengen für die kommenden 7 Monate, während das Brotkorn zu rund 60 % vorhanden war37. Wie sich aber noch zeigen wird, stellte sich die Lage zu Beginn des Kriegsjahres 1757 gerade in Schlesien weitaus besser dar38. Dies zeigt grundsätzlich, wie ungeheuer bedeutsam das Magazinwesen im Gegensatz zur herkömmlichen Sichtweise auch für die Bewältigung der Pferdeverpflegung war39. Es ist aber gut möglich, dass sich gerade dieser Umstand immer erst im Kriegsfall wirklich offenbarte, weil man vor dem Hintergrund der großen Mengen, die gelagert werden mussten, auf die Nutzung zusätzlicher ziviler und geistlicher Gebäude angewiesen war40, die man wegen des schon mehrfach erwähnten Kostendrucks selbst nicht schaffen wollte und zu Friedenszeiten in konzentrierter Form an bestimmten Orten eben auch nicht benötigte.
II.5. Die Truppenverpflegung – Mehlgewinnung, Brotherstellung und andere Nahrungsmittel Die Verpflegung der Soldaten erfolgte überwiegend mit Brot. Zwieback wurde ebenfalls in Erwägung gezogen, galt in der Praxis hinsichtlich seines Nährwertes aber als minderwertig, weil die Soldaten oftmals dazu neigten, ihn mit Suppe zu vermengen1. Wie im Rahmen der Versorgungsanforderungen erwähnt, erhielt jeder Soldat pro Tag eine Portion von 2 Pfund. Aufgrund der begrenzten Tragekapazität führten die Infanteristen sowohl bei den Preußen wie bei den Österreichern nicht mehr als 4 oder 5 Tagesrationen mit sich. Für weitere 5 Tage wurde es den Truppen in der Regel durch die Brot- bzw. Proviantwagen nachgefahren2. Üblicherweise kalkulierte man aber so, dass die Truppen bloß für 3 Tage Brot mitnahmen und es ihnen für 6 Tage nachgeführt wurde3. Die Österreicher praktizierten wohl einen Modus, bei dem die Soldaten Brot für 35 Ein gutes Einzelbeispiel hierfür das Wittenberger Magazingebäude, vgl. III. Teil 1.: Die logistischen Ressourcen in Schlesien, Sachsen, Böhmen und Mähren. 36 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 94, Nr. II, M Brandenburg-Preußen Heer, Nr. 23: Schriftwechsel des Oberproviantmeisters Arndt in Breslau v. a. mit dem Proviantamt und der Kriegs- und Domänenkammer in Breslau über Bauten und Reparaturen an Magazingebäuden in Breslau 1742–1760, Schreiben Oberproviantmeister Arndts vom 13. Sept. 1743. 37 Vgl. Schädrich, Fred, Das Generalkriegskommissariat in Schlesien 1741, Seite 16. 38 Vgl. IV. Teil 2.4.: Das Korps der schlesischen Truppen unter Feldmarschall Schwerin. 39 Der Aspekt des Kavalleriefutteraufwandes fällt in den traditionellen Darstellungen zumeist völlig unter den Tisch. Vgl. beispielsweise Atof, Lars, Der König und das Korn, Seite 243–261. 40 Vgl. V. Teil 3.: Der Einfluss weiterer Faktoren auf die Kriegsführung. 1 Siehe Friedrich II., Die Generalprinzipien des Krieges und ihre Anwendung auf die Taktik und Disziplin der preußischen Truppen (1748), Kapitel III. 2 Siehe ebd. 3 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 606 B: Rüstungen des Jahres 1756 allgemein, Blatt 128 und 129 jeweils Vorderseite.
114
II. Teil: Die Kernelemente der Heeresversorgung
2 bis 3 Tage selbst mitnahmen und es für 2 Tage durch die Proviantwagen der Regimenter sowie 4 weitere Tage durch das Armeefuhrwesen nachgeführt bekamen4. Länger als 9 Tage konnte es in der Regel aber nicht mitgeführt werden, da dies der maximalen Haltbarkeitsdauer entsprach5. Folglich musste das Brot immer wieder neu hergestellt und anschließend in diesem Zeitraum an die Truppen ausgegeben werden. Den Grundstoff für das Brot bildete das Mehl, das man entweder direkt aus den Magazinen bezog oder es erst vermahlen lassen musste, wofür normalerweise Weizen oder Roggen, bisweilen aber auch Gerstenkorn verwendet wurde. Dabei galt für die Mehlausbeute laut Generalkriegskommissar von Katt die Regel: „[…] dass 1000 Wispel Roggen ebenfalls 1000 Wispel Mehl geben kann, 1 Scheffel Roggen 79–80 biß 83 lb wieget, wovon im Durchschnitt gerechnet allemahl 75 lb oder ein Scheffel Mehl“6.
Allerdings hatte die Getreideart wesentlichen Einfluss auf die Ausbeute, denn während sie bei Roggen in Sachsen, wo es sehr effiziente Vermahlungsarten gab, bei fast 90 % lag, betrug sie bei Gerste in der Regel nur um die 70 %7. Normalerweise durften bei der Vermahlung eines Wispels Roggen, der in der Regel 2 Taler und 12 Groschen kostete, nur 48 Pfund Abgang und 1 Scheffel Kleien anfallen8. Die Vermahlungskapazitäten der jeweiligen Mühlen waren jedoch äußerst unterschiedlich. Raimondo di Montecuccoli hatte einst kalkuliert, dass man auf einer Windmühle bei gutem Wind 128 Säcke in 24 Stunden vermahlen könne, jeder Sack zu 160 Pfund gerechnet9. Demzufolge konnten Windmühlen in 24 Stunden fast 2 Tonnen vermahlen, was pro Stunde einer Leistung von 80 Kilogramm entsprochen hätte. Bei den Wassermühlen war die Produktivität mit 8 Scheffeln in 24 Stunden für einen oberschlächtigen Gang und mit 12 Scheffeln für einen unterschlächtigen Gang, sprich 650 Kilogramm bis 1 Tonne, auch bei ausreichendem Wasser geringer als bei den Windmühlen10. Laut Oberkriegskommissar Korge waren die Wassermühlen aber bei mahlgerechtem Wasserstand in der Lage, in einem Mahlgang pro Tag zwischen 30 bis 60 Berliner Scheffel, d. h. 1,25 4 Siehe OestKA, Manuskripte, Kriegsgeschichte, Nr. 54, Generalmajor von Zehentner, Historische Nachrichten: Fortsetzung des Siebenjährigen Krieges 1757. Die Begebenheiten bei der k. k. Armee unter Feldmarschall Broune, Aufsatz der zu den Kriegs-Herren für den Feldzug 1757, angetragenen eignen, und gedungenen Proviant-Fuhrwesen, und auf wie viel Täge gerechnet würde, durch solcher der Armee die Erforderniß nachführen zu können. 5 Vgl. Geschichte des Siebenjährigen Krieges nach authentischen Quellen Die Feldzüge von 1756 und 1757, Seite 54. 6 GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 614 E: Magazine, Proviantwesen, Feldbäckerei 1749–1756, Schreiben des Etatsministers von Katt aus Berlin vom 27. Sept. 1750. 7 Vgl. hierzu die Vermahlungstabelle, die im Rahmen der Versorgung der Besatzung der Festung Königstein angefertigt wurde, in: SächsHStA-DD, 11237 Geheimes Kriegsratskollegium, Nr. 1987, Blatt 34 Rück- und 35 Vorderseite. 8 Siehe OestHHStA, Nachlass Lacy Kt. 1, Teil II, Faszikel 21, Blatt 179 Vorderseite. 9 Siehe Montecuccoli, Raimondo, Ausgewählte Schriften des Raimund Fürsten Montecuccoli, Bd. 1: Militärische Schriften, Seite 204. 10 Vgl. Krünitz, Johann Georg, Oeconomische Encyklopädie, Bd. 96, Seite 389.
II.5. Die Truppenverpflegung115
bis 2,5 Tonnen Getreide zu verarbeiten11. Die Gemeinsamkeit der Wind- und Wassermühlen bestand jedoch in der Abhängigkeit von der Wetterlage. Letztere war bei den Wassermühlen eher jahreszeitlich, d. h. durch die drohende Vereisung im Winter und das Niedrigwasser im Sommer bestimmt, während bei den Windmühlen Flauten zu jeder Jahreszeit auftreten konnten. Es gab jedoch einen Mühlentyp, der relativ unabhängig von der Wetterlage war, nämlich die Schiffsmühlen, denn diese hatten den Vorteil, dass sie selbst bei Niedrigwasser aufgrund ihrer hausbootartigen Bauweise mit dem Pegel des Flusses auf- und absteigen konnten. Auf diese Weise tauchten die Räder im Gegensatz zu den festen Wassermühlen, wo sich das Gebäude selbst nicht bewegen konnte, immer weit genug in das Wasser ein, sodass sie in ausreichendem Maße angetrieben wurden. Einen starken Einfluss auf die Strömungsgeschwindigkeit und damit auf die Kraft, mit der das Mühlrad getrieben wurde, hatte offenbar die Bauweise der Mühlen, denn „[…d]ie Geschwindigkeit, mit der das Wasser des Flusses auf die Schaufeln trifft, ist der Faktor, welcher den stärksten Einfluß auf die mögliche Leistung einer Schiffmühle hat“12.
Durch die Lagerung des Mühlenrades zwischen 2 Schiffsrümpfen, ähnlich wie bei einem Katamaran, gelang es offenbar, die Fließgeschwindigkeit deutlich zu erhöhen. Am wichtigsten war sicherlich, dass Schiffsmühlen aufgrund ihrer Flexibilität viel kontinuierlicher arbeiten konnten als andere Wassermühlen. Ausfallen konnten sie eigentlich nur unter extremsten Wettersituationen, d. h. bei einer Dürre, die im Grund so stark sein musste, dass sie das Flussbett fast austrocknete, oder bei starkem Hochwasser und Eisschollenbildung, weil dies wohl dazu führen konnte, dass die gesamte Mühle mitgerissen wurde oder die Schaufelräder durch das Eis blockiert wurden13. Da derartige Wettersituationen im mitteleuropäischem Raum für gewöhnlich aber nicht von langer Dauer sind (5–6 Wochen maximal), waren Schiffsmühlen alles in allem deutlich zuverlässiger als andere Wassermühlen. Natürlich spielte für ihre Produktivität auch die Vermahlungskapazität eine wesentliche Rolle. Gemäß Aussage des Müllers Joseph Klima, der eine Meile vor Prag wohnte, konnte man in einem Gang einer Schiffsmühle bei großem oder kleinem, sprich hohem oder niedrigem Wasser, 10 Strich in 24 Stunden vermahlen14, was umgerechnet eben 620 Kilogramm entspricht15. Damit war die Leistung einer Schiffsmühle nur ¼ so groß wie die von Windmühlen und halb so groß wie die von normalen Wassermühlen. Die Regelmäßigkeit ihrer Arbeitsweise garantierte aber weitestgehend wetterunabhängig ein hohes Maß an Versorgungssicherheit, sodass Orte mit vielen Schiffsmühlen sich gut für Magazine und Bäckereien eigneten.
Korge, Johann Erdmann, Von den Verpflegungen der Armeen, Seite 16. Daniela, Schiffsmühlen in Europa, Seite 161. Zu den wesentlichen Bestandteilen einer Schiffsmühle vgl. ebd., Seite 137–170. 13 Vgl. Steiner, Edgar, Schiffsmühlen auf der Elbe und Havel, Seite 46. 14 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 98 G: Immediatsberichte des Fürsten Printz Moritz zu Anhalt-Dessau, Anlage zum Schreiben Moritz von Anhalts aus Lager vor Prag vom 14. Mai 1757. 15 Gerechnet hier nach dem etwas schweren Prager Strich zu 62 kg. 11 Vgl.
12 Gräf,
116
II. Teil: Die Kernelemente der Heeresversorgung
Nachdem das Mehl in den Mühlen hergestellt war, wurde es entweder verbacken oder zunächst in Fässern in die Magazine eingelagert. In der Regel verpackte man 1 Wispel oder 1 Tonne Mehl in 4 Fässer, die nach Berliner Maß netto 6 Scheffel, d. h. 450 Pfund oder 225 Kilogramm, wogen, während das Fass selbst 48 Pfund oder 26,5 Kilogramm schwer war16. Der Feldbäckerei wurde das Mehl dann durch das sogenannte Proviant- oder Mehlfuhrwesen zugeführt17, das bei den Preußen hierfür eigene Wagen besaß, auf deren Wartung entsprechende Sorgfalt verwendet werden sollte18. Im Gegensatz dazu beförderte das Armeefuhrwesen der Österreicher sowohl das Mehl zur Herstellung der Brotportionen, Letztere selbst als auch das Pferdefutter19. Dem Schutz dieser Transporte kam eine hohe Bedeutung zu, wobei die sicherste Methode laut König Friedrich darin bestand, ein starkes Korps zwischen dem Transport und dem Feind zu postieren20. Grundsätzlich richtete sich die Stärke des Konvoischutzes nach der Anzahl der eigenen Wagen, der Stärke und Entfernung des Feindes sowie seiner Aufstellung21. In ebenem Terrain bestanden die Deckungstruppen aus Infanterie und Kavallerie sowie einigen Husaren, die den Konvoi in größerer Entfernung abschirmten, während man im Gebirge überwiegend die Infanterie einsetzte und die Husaren in geringer Anzahl zur Nachrichtenübermittlung verwandte22. Feldmarschall Schwerin schlug ein Muster vor, nach dem jeweils 1 Eskadron oder 1 Bataillon für die Bewachung von 167 Wagen einzusetzen waren, die zusammen 2.500 Schritt ausmachten, sodass jeder Wagen 15 Schritt oder 11–12 Meter lang war23. Praktisch verfuhr man offenbar aber zumeist dahingehend, dass die Bataillone tatsächlich zumeist die ihnen zugehörigen Versorgungswagen, auch Regimentsbagage genannt, abwechselnd eskortierten, während das Proviantfuhrwesen und der Artillerietross in einer großen geschlossenen Masse am Ende der Marschkolonne hinterhergeführt wurden, wo sie wenn möglich von Infanterie- oder Kavalleriekolonnen links und rechts Deckung erhielten24.
16 Siehe
OestHHStA, Nachlass Lacy Kt. 1, Teil II, Faszikel 21, Blatt 179 Rückseite. zeitgenössische Bezeichnung ist diesbezüglich sehr uneinheitlich und daher tendenziell irritationsstiftend. Siehe hierzu auch OestHHStA, Nachlass Lacy Kt. 1, Teil II, Faszikel 21, Blatt 119 Vorderseite sowie Blatt 120 Vorder- und Rückseite. 18 Siehe Friedrich II., Die Generalprinzipien des Krieges und ihre Anwendung auf die Taktik und Disziplin der preußischen Truppen (1748), Kapitel III. 19 Siehe OestKA, Zentralst., Militärhofkommission Nostitz-Rieneck, Armeefuhrwesen 1756– 1792, Faszikel 15: Bemerckungen über die Grundsätze nach welchen das Armee Fuhrwesen der k. k. Armee dermahlen in Kriegszeiten bestimmet wird. 20 Siehe Friedrich II., Gedanken und allgemeine Regeln für den Krieg (1755), Kapitel V. 21 Siehe ders., Instruktion Friedrichs des Großen für seine Generale von 1747, Seite 27. 22 Siehe ders., Die Generalprinzipien des Krieges und ihre Anwendung auf die Taktik und Disziplin der preußischen Truppen (1748), Kapitel III. 23 Vgl. Schwerin, Graf von, Gedanken über einige militärische Gegenstände, Seite 155–158. 24 Vgl. hierzu besonders IV. Teil 3.1.: Der Einmarsch aus Schlesien und der Oberlausitz bis zur Eroberung des Magazins von Jungbunzlau und IV. Teil 8.3.: Der Marsch des Korps unter Friedrich und Moritz zu Anhalt-Dessau nach Schlesien. 17 Die
II.5. Die Truppenverpflegung117
Wenn es aufgrund feindlicher Störaktionen doch zu Lieferengpässen kam, dann konnte die preußische Armee noch auf eiserne Handmühlen zurückgreifen, die der König im Anschluss an Montecuccoli fertigen ließ, die in der Lage waren, in 8 Tagen Mehl für 15 Tage herzustellen, sprich rund das Doppelte des Tagesbedarfs25. Allerdings hatte Friedrich II. wohl selbst hinsichtlich der Qualität dieses Mehls Bedenken und riet dazu, es mit jenem aus den Magazinen zu vermischen26. Insgesamt sollte die preußische Armee 872 Handmühlen erhalten, wofür im August 1755 aber 359 Stück anzuschaffen waren und mit einem Preis von 6 Reichstalern und 8 Groschen wohl recht erschwinglich waren27. Im Gegensatz zu den Österreichern, die ihr Brot zumindest bis 1758 nur mittels der lokal verfügbaren Backöfen herstellen ließen, verfügten die Preußen schon bei Ausbruch des Siebenjährigen Krieges über mobile eiserne Backöfen für die Anlage ihrer Feld bäckereien28. Bis 1752 hatte der König 48 Stück, die für 100.000 Mann reichten, anschaffen lassen29. Jeder dieser Öfen wog 18 bis 23 Zentner und war ca. 4,60 Meter lang, 3 Meter breit und 70 cm hoch30. Im Jahr 1744 verfügte man erst über 16 dieser Backöfen, die aufgrund ihres enormen Gewichts auf Leiterwagen mit beschlagenen Rädern transportiert wurden und noch mit 4 Ochsen bespannt waren31. Die Ochsenbespannung hatte man schon zu Beginn des Siebenjährigen Krieges durch die Anspannung von 6 Pferden ersetzt32. Allerdings hatte auch ihre Anzahl deutlich zugenommen, sodass sich 1756 folgende Verteilung ergab:
25 Siehe
riat.
Friedrich II., Das Politische Testament von 1752, Heerwesen – Das Kriegskommissa-
26 Siehe ders., Die Generalprinzipien des Krieges und ihre Anwendung auf die Taktik und Disziplin der preußischen Truppen (1748), Kapitel III. 27 Siehe GStAPK., I. HA., Rep. 96, Nr. 614 E: Magazine, Proviantwesen, Feldbäckerei 1749– 1756, Designation, so zu denen noch anzufertigenden eisernen Handmühlen erfordert werden. 28 Im Widerspruch dazu Duffy, Christopher, Sieben Jahre Krieg 1756–1763 – Die Armee Maria Theresias, Seite 355. Eiserne Öfen wurden seitens der Österreicher erst eingesetzt, nachdem einige von ihnen 1757 erbeutet worden waren (vgl. IV. Teil 5.2.: Der Rückzug der Armee unter dem Kommando des Prinzen August Wilhelm). 29 Siehe Friedrich II., Das Politische Testament von 1752, Heerwesen – Das Kriegskommissariat. Erstaunlicherweise bestritt ein Buch der Kriegsgeschichtlichen Abteilung I des Großen Generalstabs über die Heeresverpflegung trotz dieser expliziten Äußerungen, dass es in friderizianischer Zeit leichte bewegliche Feldbacköfen gegeben habe (vgl. Großer Generalstab, Heeresverpflegung, Seite 2). 30 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 84 Nn 6 Verpflegungsetats, Wegen des Feld-Proviantwesens, No. 1: Anschlag von der Anschaffung 16 eyserner Back-Ofen zu deren Transportierung benötigten Wagen und Ochsen. Jany veranschlagte für die Öfen ein Gewicht von 23 Zentnern. Möglicherweise handelte es sich bei der Angabe von 18 Zentnern nur um ein Nettogewicht. Siehe Krünitz, Johann Georg, Oeconomische Encyklopädie, Bd. 49, Seite 705. 31 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 84 Nn 6 Verpflegungsetats, Wegen des Feld-Proviantwesens, No. 1: Anschlag von der Anschaffung 16 eyserner Back-Ofen zu deren Transportierung benötigten Wagen und Ochsen. 32 Vgl. Jany, Curt, Geschichte der Königlich Preußischen Armee bis zum Jahre 1807, Bd. II, Seite 268.
118
II. Teil: Die Kernelemente der Heeresversorgung Tabelle 5 Verteilung der mobilen eisernen Backöfen und Proviantwagen auf die preußischen Provinzen 175633
Namen der Korps
Eiserne Backöfen und Zubehör
Proviantwagen inklusive der Bäckereiwagen
Kurmärkisches
25
586
Magdeburgisches
18
419
Westfälisches
6
145
Pommerisches
9
200
Preußisches
12
266
Schlesisches
21
482
Summe
91
2.098
+ 5 Backöfen in Schlesien in Reserve für eine größere Bäckerei
Aus dieser Menge entfielen eigentlich nur 2 Wagen auf je 1 Ofen, nämlich den Backofenwagen selbst und den Requisitenwagen, der das gesamte Zubehör wie Backtröge, Eimer etc. transportierte, während die übrigen Wagen für den Transport des Proviants zu den Regimentern verblieben34. Die Aufbewahrung der Brot- und Proviantwagen ließ bisweilen sehr zu wünschen übrig, da der Sparzwang wie bei der Lagerung der Verpflegungsgüter immens war. So hatte man beispielsweise 1747 in Magdeburg 44 neue Proviantwagen bauen lassen, die nun untergebracht werden sollten, um nicht im Regen und Schnee zu stehen. Der neue Unterstand wurde daher auf dem Münzhof gebaut, weil dort nach dem Abriss der alten Backöfen wohl schon ein gepflasterter Untergrund vorhanden war35. Knapp 7 Jahre später gab es einen ähnlichen Fall, wo ein derartiger Boden nicht vorhanden war, sodass ein Schuppen ausgebohlt werden musste, damit die Backofenwagen, bei denen die Räder zur Lagerung abgezogen wurden, mit ihren Wagengestellen nicht weiterhin im Dreck lagen36. Die Unterfütterung des Schuppenbodens wurde dann wohl auch durch Generalma33 Siehe OestKA, Zentralst., Militärhofkommission Nostitz-Rieneck, Vorträge und Protokolle, Kt. 4, Faszikel 13. 34 Zur genauen Zuteilung der Wagen vgl. OesHHStA, Nachlass Lacy Kt. 1, Teil II, Faszikel 21, Blatt 129 Rückseite. 35 Siehe GStAPK, II. HA., Abt. 34, Militärdepartment, Nr. 217: Acta daß zu Magdeburg die eingefallenen Backofen auf dem alten Müntz-Hoffe auffgeräumet und die noch brauchbahren Materialien herfür gebracht hingegen die noch fürhandene 6 Backofen repariret und in brauchbaren Stande gesetzte werden sollen, Schreiben Etatsministers Katt am 19ten January 1747 aus Berlin. 36 Siehe GStAPK, II. HA., Abt. 34 Generaldepartment II. 208: Acta und Rechnung von dem neu erbauten Proviant-Waagen Schoppen, Schreiben Schalls vom 24. August 1754 aus Magdeburg und Etatministers von Katt aus Berlin vom 1. Sept. 1754.
II.5. Die Truppenverpflegung119
jor von Retzow gewährt, nur stellte Kommissar Schall fest, dass immer noch nicht genügend Platz vorhanden war, um alle Wagen unterzubringen37. Gerade das Gewicht der Öfen und die Vielzahl an Gerätschaften legten es nahe, die Feldbäckereien nach Möglichkeit per Schiff zu transportieren und in der Nähe eines größeren Flusses einzurichten, was in Anbetracht des Wasserbedarfs beim Backen ohnehin ratsam war38. Die Besonderheit der mobilen Backöfen bestand grundsätzlich darin, dass sie theoretisch in 24 Stunden bis zu 1.200 6-pfündige Brote produzieren konnten und relativ schnell einsatzbereit waren39. Diese Öfen stellten damals eine große Innovation in der Bäckereitechnik dar, an der nicht nur in Preußen, sondern auch in Sachsen geforscht wurde, was auf folgende Erfahrungen zurückzuführen war: „Nachdem in meinen jungen Jahren im Reich und Braband, als Feld-Bäcker, und im Königreich Pohlen und Böhmen, als Ober-Becker Meister gesehen, wie beschwerlich ja oftmahls fast ohnmöglich gewesen, eine Armee mit Brodte zu versehen, und öfters, mit großen Kosten, große Magazine aufgebauet dennoch zu 10 biß 20 Meilen das Brodt nachgeführet werden, wobey vieles zu schaden und verlohren gegangen, die in fernen Oefen aber, so man im Gelde gebraucht, mit großen Kosten und Mühe nachgeführet, jedoch wenig oder gar keinen Nutzen gebracht […]“40.
Daher erfand 1753 auch der Dresdner Oberbäckermeister Johann Andreas Zacharias einen Ofen, den man schnell und leicht aufbauen und wieder einreißen konnte41. Zur Bedienung waren nur 6 Mann erforderlich, wobei sich 2 Bäcker alle 8 Stunden abwechselten. Der Ofen war etwas mehr als 2 Meter lang (4 Ellen) und 1 ½ Meter breit (3 Ellen) und produzierte bei jedem Backgang auch nur 50 Brote zu 4 Pfund, was in 24 Stunden aber 18-mal möglich war, sodass am Ende 900 Brote oder 1.800 Portionen zu 2 Pfund entstanden. Dieser geringere Ausstoß war zwar ein Nachteil, dafür wog der Ofen mit 4 Zentner deutlich weniger als das preußische Modell, konnte mit einem kleinen Karren transportiert werden, war auf Schiffen verwendbar und kostete etwas weniger. Dennoch wies Generalmajor von Retzow, der 1755 das Angebot dieses Backofens prüfte, ihn wegen seiner nur halb so großen Produktionskapazität zurück. Unter Umständen verfügten die Preußen damit aber dennoch über eine wertvolle Reserveoption für Zeiten knapperer Transportmittel42.
37 Siehe ebd., Schreiben Retzows aus Potsdam vom 21. September 1754 und Schalls aus Magdeburg vom 13. Oktober 1754. 38 Siehe Krünitz, Johann Georg, Oeconomische Encyklopädie, Bd. 49, Seite 699 f. 39 Zur Produktionskapazität der Öfen Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 614 E: Magazine, Proviantwesen, Feldbäckerei 1749–1756, Schreiben des Generalmajors von Retzow vom 25. Okt 1755. 40 Ebd. 41 Siehe SächsHStA-DD, 11237 Geheimes Kriegsratskollegium, Nr. 3192: Acta Die von dem Oberbeckermeister Zacharias intendierte Errichtung eines Maschinenbackofens […] betref., Registratur Neustadt bey Dresden am 24. September 1753. 42 Zum gesamten Absatz siehe SächsHStA-DD, 11237 Geheimes Kriegsratskollegium, Nr. 3192: Acta die von dem Oberbeckermeister Zacharias intendierte Errichtung eines Maschinenbackofens […] betref., Schreiben Johann Andreas Zacharias’ vom 12. Nov. 1753 und GStAPK, I. HA.,
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II. Teil: Die Kernelemente der Heeresversorgung
Beide Ofenvarianten bildeten wohl eher Gestelle, die zusätzlich mit Ziegeln ausgemauert werden mussten. Sofern keine Steine vorhanden waren, riss man notfalls auch Gebäude ein, wobei das Holz zum Verfeuern und die Steine zum Ausmauern der Öfen genutzt wurden, was aber durchaus schwierig werden konnte, da es in bestimmten Gegenden wie Polen nur Häuser aus Lehm gab43. Gerade vor diesem Hintergrund war es ein großer Vorteil, dass das sächsische Modell auch einfach in einen lehmigen oder tonigen Boden gesetzt werden konnte44. Falls dies auch bei den preußischen Öfen möglich war, dann weil sie zumindest an den Seiten aus Eisenplatten bestanden, deren Hitze die außen anliegende Lehm- oder Tonschicht brannte. Der Mantel sorgte vermutlich mit der luftdichten Lehm- oder Tonschicht für einen ausreichenden Hitzestau im Inneren des Ofens. Der Aufbau dauerte beim preußischen Modell nur 1 Stunde, gebacken werden konnte darin jedoch erst nach 8 Stunden45. Man benötigte wohl nicht mehr als 500 Steine, aber mindestens 6 weitere Stunden für die Inbetriebnahme, wobei 3 Stunden zum Ausmauern und Verputzen sowie 3 Stunden zum Austrocknen mit Hilfe eines Schmauchfeuers und zum Anheizen veranschlagt wurden46. Erforderlich war hierfür schon 1 Klafter Holz, d. h. 900–1.200 Kilogramm47. Aufgrund dieses Aufwandes, vor allem aber wegen der Zeit, riet König Friedrich immer dazu, an Ruhetagen zu backen und dann möglichst umfangreiche Vorräte herzustellen48. Während des Aufbauens, des Austrocknens und Anheizens der Öfen waren die Bäcker damit beschäftigt, den Sauerteig anzusetzen. Dieser wurde in der Regel aus Mehl, Wasser und aus kleinen Sauerkügelchen hergestellt. Letztere musste man immer mitführen und wälzte sie zur Konservierung in Mehl, sodass sie sehr lange, unter Umständen 15 oder sogar 30 Jahre hielten. Das Mehl und die Sauerkügelchen wurden dann mit warmem Wasser in einem Trog zu Teig vermengt, der dann jedoch wenigstens 3 Stunden gehen musste, weil man ansonsten keine Brote, sondern lediglich Fladen erhielt49. Eine warme Umgebung war beim Backen offensichtlich von großer Bedeutung, sodass man nur im Frühjahr und Sommer im Freien unter Zelten backen konnte, wobei zu 2 Öfen je Rep. 96, Nr. 614 E: Magazine, Proviantwesen, Feldbäckerei 1749–1756, Schreiben aus Magdeburg vom 10. August 1755 sowie Schreiben des Generalmajors von Retzow vom 25. Okt 1755. 43 Zu dieser Vorgehensweise siehe Krünitz, Johann Georg, Oeconomische Encyklopädie, Bd. 49, Seite 699 und zum Problem in bestimmten Regionen vgl. Duffy, Christopher, Friedrich der Große und seine Armee, Seite 202. 44 Siehe SächsHStA-DD, 11237 Geheimes Kriegsratskollegium, Nr. 3192: Acta die von dem Oberbeckermeister Zacharias intendierte Errichtung eines Maschinenbackofens […] betref., Schreiben Zacharias’ vom 12. Nov. 1753. 45 Siehe LASA, Z44, Abt. Dessau, A9 VI b, Nr. 10 V (Verschiedene Militaria aus des Fürsten Moritz von Anhalt in preußigen Jaare 1757), Blatt 51 Rückseite. 46 Vgl. Krünitz, Johann Georg, Oeconomische Encyklopädie, Bd. 49, Seite 698 ff. 47 Vgl. OestHHStA, Nachlass Lacy Kt. 1, Teil II, Faszikel 21, Blatt 180 Vorderseite. 48 Vgl. Friedrich II., Die Generalprinzipien des Krieges und ihre Anwendung auf die Taktik und Disziplin der preußischen Truppen (1748), Kapitel III. 49 Vgl. Krünitz, Johann Georg, Oeconomische Encyklopädie, Bd. 49, Seite 701 f.
II.5. Die Truppenverpflegung121
1 Zelt gehörte50. Im Herbst und im Winter benötigte man üblicherweise Backstuben51, sodass man theoretisch stärker von der lokalen Infrastruktur abhängig war. Abgewogen wurden die Brote vor dem Backen sogar in Formen zu 6 ¾ Pfund52, was wohl mit dem Wasserverlust während des Backvorgangs zusammenhing. Für das Verbacken von 1 Tonne Mehl benötigte man ½ Klafter Holz, d. h. für 800 Brote bzw. 2.400 Kilogramm pro Tag 1 Klafter53. Das Backen selbst dauerte für gewöhnlich 2 Stunden, die restliche Zeit entfiel auf das Anheizen, Bestücken und Ausräumen. Die tatsächliche Produktionskapazität der Öfen war umstritten. Als Faustregel galt, dass 1 mobiler Ofen für 2.000 Mann oder für die Herstellung von 2.000 Portionen Brot pro Tag reichte. Dennoch verfügte das Korps, das 1756 in Sachsen einrückte, bei einem Bedarf von rund 75.000 Brotportionen pro Tag nur über 37 Backöfen54. Im späteren Verlauf des Siebenjährigen Krieges kalkulierte Oberst Arnstedt, der Ende 1758 nach dem Tode Generalmajors von Retzow dessen Nachfolge als Intendant der Armee angetreten hatte, für den Bedarf der Schlesischen Armee von 86.000 Portionen 45 statt 43 mobile Öfen ein55. Angesichts der Tatsache, dass Oberkriegskommissar Korge eine Tagesproduktion von 1.000 Broten oder 3.000 Portionen ebenfalls für ein Maximum hielt56, erscheint dies nicht unangebracht. Anderen Angaben zufolge produzierten die Öfen in 24 Stunden bei 4-maligem Backen sogar nur 800 Brote zu 6 Pfund, sprich 2.400 Portionen, und benötigten mindestens 12 Mann für die Bedienung57. Unter Feldzugsbedingungen, d. h. bei Zeitdruck und Konzentrationsmängeln, konnte ein Ausstoß von 900 Stück pro Tag wohl als Höchstgrenze gelten, zumal schon dafür ein 5-maliges Backen, wenn auch mit einer lockeren Bestückung von 180 Broten erfolgen musste58. Vermutlich war aber dann auch mehr Personal erforderlich, sprich 15 statt 12 Mann pro Ofen. Trotzdem reichten die Öfen dann aus, um bei 5 Backgängen 2.700 und bei 4 Backgängen 2.160 Portionen herzustellen59. Die Faustregel umfasste also recht eine große Karenz, denn schon 43 Öfen produzierten zwischen 92.800 bis 116.000 Portionen. Arnstedts höherer 50 Vgl. OestHHStA, Nachlass Lacy Kt. 1, Teil II, Faszikel 21: Pro Memoria, was den königl. Magazin Einkauf Proviantwesen und Feldbäckerey angehet, Potsdam 7. January 1754. 51 Siehe SächsHStA-DD, 11237 Geheimes Kriegsratskollegium, Nr. 3192: Acta Die von dem Oberbeckermeister Zacharias intendierte Errichtung eines Maschinenbackofens […] betref., Schreiben Zacharias’ vom 12. Nov. 1753. 52 Siehe OestHHStA, Nachlass Lacy Kt. 1, Teil II, Faszikel 21: Pro Memoria, was den königl. Magazin Einkauf Proviantwesen und Feldbäckerey angehet, Potsdam 7. January 1754. 53 Vgl. ebd. 54 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 606 B: Rüstungen des Jahres 1756 allgemein, Blatt 36 Vorderseite. 55 Siehe ebd., I. HA., Rep. 96, Nr. 85 F1 Oberst Arnstedt, Ernst Lebrecht 1756–1760, Blatt 43 Vorderseite. 56 Siehe Korge, Johann Erdmann, Von den Verpflegungen der Armeen, Seite 41. 57 Siehe OestHHStA, Nachlass Lacy Kt. 1, Teil II, Faszikel 21, Blatt 180 Vorderseite. 58 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 92 B 6: Varia Militaria aus der Zeit des Siebenjährigen Krieges. Von der Bäckerey und Brodt-Verpflegung, Blatt 12 Rückseite. 59 In jedem Fall völlig falsch in dieser Hinsicht Guddat, Martin, Handbuch zur preußischen Militärgeschichte 1688–1786, Seite 81. Der Artikel von Guddat zur Feldverpflegung ist ein gutes
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II. Teil: Die Kernelemente der Heeresversorgung
Ansatz von 45 Stück für 86.000 Mann ist also schwer nachvollziehbar, wenn man nicht beträchtliche Mengen an zusätzlichen Konsumenten unterstellt, die aber durch Knechte und anderes Personal vorhanden gewesen sein können. Das Abbauen dieser mobilen Öfen erfolgte nicht selten einfach dadurch, dass man die Eisenteile an Ketten mit Hilfe von Pferden herausriss. Hierbei musste man offensichtlich darauf achten, dass Erstere in ausreichendem Maße abgekühlt wurden, damit sie sich nicht verbogen und die Öfen damit längerfristig unbrauchbar wurden, denn derartig große Eisenteile dürften von den Feldschmieden wohl kaum zu reparieren gewesen sein. In diesem Fall war man dann auf andere Backöfen angewiesen, auf die man aber auch zurückgreifen musste, wenn die mobilen Geräte nicht ausreichten60. Neben den mobilen Öfen gab es an den großen Hauptmagazinplätzen wie Breslau, vermutlich aber auch in Glogau oder Torgau Magazinöfen, die in der Lage waren, pro Backgang 200 oder 250 Brote auszustoßen und so pro Tag 1.250 bis 1.500 Stück zu produzieren61, was zwischen 3.750 und 4.500 Portionen Brot entsprach. Auch in Stettin gab es derartige Backöfen, denn „[…i]n die 8 Stück Backofen, welche alhier zu Stettin verfertiget worden, können in jedem Ofen in jeder Hitze 240 Stück 6 pfündige Brod gebacken werden, beträgt in 8 Öfen einmahl gebacken 1920 und 4mahl in jedem Ofen in 24 Stunden gebacken 7680 6lbdige Brod […]“62.
Es wird sehr deutlich, dass die Kapazitäten dieser Bäckereien doch ganz enorm waren, da mit diesen 8 Öfen nicht weniger als 23.000 Brotportionen am Tag erzeugt werden konnten. Wie diese Öfen ausgesehen haben könnten, zeigt das Beispiel der Glatzer Bäckerei. Sie lag unterhalb der Alten und Neuen Festung, sehr nah am Neißefluß und dicht bei den Magazinen63.
Beispiel, wie häufig sich in der Sekundärliteratur über die preußische Armee unter Friedrich II. falsche mit richtigen Angaben in einem Absatz oder einem Artikel mischen. 60 Zum Verfahren des Abbruchs und zu den dabei entstehenden Problemen siehe Krünitz, Johann Georg, Oeconomische Encyklopädie, Bd. 49, Seite 705. 61 Siehe Korge, Johann Erdmann, von den Verpflegungen der Armeen, Seite 41 und Schädrich, Fred, Das Generalfeldkriegskommissariat in Schlesien 1741, Seite 21. Bestätigt ist die Anlegung solcher Öfen in Breslau 1741. 62 GStAPK, II. HA., Abt. 34, Militärdepartment, Nr. 241: Acta wegen Anleg. einer CommissBäckerey von 8 Backofen zu Stettin in Ansehung einer daselbst für fallenden starcken Brodtverpflegung, Schreiben des Ober-Proviant-Meisters Hoen vom 11. Nov. 1757. 63 Siehe Staatsbibliothek zu Berlin, Kartensammlung, S Kart. X 251707 / 1, Plan von der Vestung Glatz.
II.5. Die Truppenverpflegung123
Abbildung 2: Magazinbäckerei zu Glatz64
Zum Betrieb dieser Backöfen waren in Stettin 8 sogenannte Schießer eingeteilt, die das Brot einschoben. Sie versahen die Brote auch mit Nummern, sodass später nachvollzogen werden konnte, wer das Brot gebacken hatte. Erforderlich waren 32 Mischer und 3 Oberknechte, die ebenfalls von einer Mannschaft von 43 Leuten abgelöst wurden. Für die Kontrolle sorgte ein Bäckermeister, der darauf achtete, dass sich die Burschen ordentlich wuschen und sich die Haare zusammenbanden, damit der Teig nicht ver unreinigt wurde. Inklusive der 4 Holzhauer und 4 Mann, die das Mehl zum Backenvorbereiteten, aber keine Ablösung erhielten, umfasste die Backmannschaft schon 94 Leute65. Dies zeigt schon, dass neben der Ofenkapazität vor allem die Anzahl des Personals die Produktivität der Bäckereien bestimmte. So verfügte die Bäckerei der Küstriner Garnison auch über 4 Backöfen, von denen jeder 200 Brote pro Backgang erzeugte, jedoch konnten in 24 Stunden nicht mehr als 2.400 Brote hergestellt werden, obwohl es bei 4-maligem Backen 3.200 hätten sein müssen. Geschuldet war dies dem Umstand, dass 64 Staatsbibliothek zu Berlin, Kartensammlung, S Kart. X 251707 / 6, Glatz / Detailzeichnung für die Festung und die Garnison 1747–1756, Blatt 44: Plan, Profil et Elevation d’une Boulangerie batie a Glatz l’an 1756. 65 Siehe zum gesamten Absatz, GStAPK, II. HA., Abt. 34 Militärdepartment, Nr. 241: Acta wegen Anleg. einer Commiss-Bäckerey von 8 Backofen zu Stettin in Ansehung einer daselbst fürfallenden starcken Brodtverpflegung, Instruktion an den Ober-Proviant-Meister Hoen, durch Etatsministers von Katt, Berlin den 26. Aug. 1757. Vor allem Punkte 13–19.
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II. Teil: Die Kernelemente der Heeresversorgung
nur 3- oder 4-mal pro Tag gebacken wurde, weil nur 12 Bäckergesellen und 2 Backmeister zugeteilt waren, sodass auf 1 Ofen nur 3 ½ Mann entfielen, während es in Stettin ca. 6 Mann waren66. Wegen des beträchtlichen Personalbedarfs beim Backen veranschlagte man für eine Hauptarmee normalerweise auch 4 Backmeister, 8 bis 12 Oberbäcker und 800 bis 1.000 Bäckerburschen67, was schon andeutet, dass man pro Ofen wohl mindestens mit 20 Mann kalkulierte. Sofern man nun weder auf die Backöfen der großen Magazinplätze noch die mobilen Backöfen zurückgreifen konnte, war man auf jene Backöfen angewiesen, die von der örtlichen Bevölkerung genutzt wurden. Dabei stellte sich das Potential der lokal verfügbaren Backöfen recht unterschiedlich dar. In der Nähe von großen Städten wie Berlin, Breslau oder auch Dresden, wo es nicht selten über 100 ortsansässige Bäcker gab, war auch die Verpflegung größerer Truppenmengen kaum ein Problem. In Dresden hatte man beispielsweise im Rahmen eines Manövers 1753 für die Verpflegung von 19.000 Mann gerade einmal 22 Bäcker anheuern müssen, die jeden Tag 4.810 4-pfündige Kommissbrote produzierten. Darüber hinaus war man der Ansicht, dass „[…] die übrigen 90 Meister, wohl eine Armee von 50 und mehr 1000 Mann mit Brodte zu versehen im Stande, ohne daß es diesfalls eines Plazbeckers bedürffe[…]“68.
Je größer die Städte waren, desto eher konnte man auch davon ausgehen, größere Verbände oder Truppenkonzentrationen gut verpflegen zu können, weil es schlicht und ergreifend eine ausreichende Menge an zivilen Backstuben, Öfen und Bäckereipersonal gab. Abgesehen davon scheinen auf dem Lande auch ganz beträchtliche Kapazitäten vorhanden gewesen zu sein. Während nach dem Siebenjährigen Krieg Anstrengungen unternommen wurden, um auf den Dörfern Gemeindebacköfen und dazugehörige Häuser einzurichten, weil der bisherige Holzverbrauch offenbar sehr hoch war, scheint die Praxis bis zu diesem Zeitpunkt darin bestanden zu haben, dass viele Familien für ihre Brotproduktion selbst Backöfen besaßen, sodass die Brotherstellung grundsätzlich an vielen Stellen möglich war. Offenbar war die Anzahl der Backöfen in etwa mit der Anzahl der Bauern und Häusler in einer Region gleichzusetzen69. Während die lokalen Ressourcen für die Brotherstellung bei den Österreichern permanent und bei den Preußen zum Teil eine entscheidende Rolle spielten, waren sie bei der Fleischbeschaffung wohl für beide Seiten von essentieller Bedeutung, obgleich nur weniges hierzu bekannt ist. In der Regel wurden der Armee offenbar Rinderherden mit polnischen Ochsen hinterhergetrieben, von denen die Fleischer jeder Kompanie eine 66 Siehe GStAPK, II. HA., Abt. 34, Militärdepartment, Nr. 142: Anlegung einer Commiss-Bäckerey und der Anschaffung der anzu gehörigen Requisiten bey dem Magazin zu Cüstrin 1758, 1759, 1799, Schreiben vom 12. October 1758. 67 Siehe Korge, Johann Erdmann, Von den Verpflegungen der Armeen, Seite 39. 68 SächsHStA-DD, 11237 Geheimes Kriegsratskollegium, Nr. 3192: Acta Die von dem Oberbeckermeister Zacharias intendierte Errichtung eines Maschinenbackofens […] betref., Schreiben des Oberältesten der Weißbäckerinnung Johann Carl Reinold, Dreßden am 4 Juni 1754. 69 Siehe SächsHStA-DD, 10078 Landesökonomie-, Manufaktur- und Kommerziendeputation, Nr. 1078: Anlegung derer Gemeinde Backöfen und Backhäuser im Lande Anno 1764, Extrakt aus dem Schreiben von Ernst Julius Schüz vom 14. März 1764.
II.5. Die Truppenverpflegung125
entsprechende Menge ankauften und schlachteten, sodass man das Fleisch in Feldkesseln zubereiten konnte70. Diese hatten die Soldaten, die in einem Zelt untergebracht waren, wie die übrige Feldausrüstung, darunter auch Flaschen, offensichtlich selbst zu tragen71. Hiervon erhielt letztlich jeder Soldat pro Woche 2 Pfund Fleisch72. Allerdings benötigte man eine Unmenge an Vieh, zumal laut General Moritz zu Anhalt-Dessau für 100 Mann 4 Rinder und 25 Schafe benötigt wurden73, was theoretisch bedeutete, dass 1 Rind nur für 25 Mann und 1 Schaf gerade für 4 Mann reichte74. Das Ausschlachtungsverhältnis war in der Realität aber doch günstiger, denn bei Kriegsbeginn 1756 wurden in Sachsen 1.000 Rinder und 2.500 Schafe geliefert75. In der Regel erhielten jedes Bataillon und jedes Kavallerieregiment zu 5 Eskadrons 10 Rinder und jedes Infanterieregiment mit 2 Bataillonen die doppelte Menge76. An Schafen wurden zu diesem Zeitpunkt wohl 34 bzw. 68 Stück verteilt77. Da die Infanterieregimenter sowohl nach normativer wie faktischer Stärke zumeist um die 1.500 Mann zählten78, folgt daraus, dass 1 Rind in der Regel für 75 Mann und ein Schaf in der Regel für 22 Mann reichte79. Hinzu kam, dass ein Fleischer mit einem Gehilfen für die Schlachtung eines Rindes wahrscheinlich 5 Stunden benötigte und in derselben Zeit höchstens 2 Schweine oder 3 Schafe schlachten konnte80. Wahrscheinlich wurde das Schlachten deshalb wie das Backen vorzugsweise an Rasttagen durchgeführt. In diesem Rahmen griff man dann wohl nicht nur auf die Rinderherden, sondern angesichts des immensen Bedarfs zusätzlich auf die lokal verfügbaren Viehbestände zurück. Jany, Curt, Geschichte der Königlich Preußischen Armee Bd. II, Seite 271. Scheelen, Ernst Gottlob von, Potsdamer Tagebücher, Seite 109. 72 Siehe Friedrich II., Instruktion Friedrichs des Großen für seine Generale von 1747, Seite 23. 73 Siehe LASA, Z44 Abt. Dessau, A 9b VIb, Nr. 10, Bd. IV (Verschiedene Militaria aus des Fürsten Moritz von Anhalt in preußigen Jaare 1756), Blatt 301 Vorderseite. 74 Diese Verhältnisse würden sogar noch deutlich unter jenen, liegen die Geoffrey Parker einst für das 16. Jahrhundert ermittelt hat. Vgl. ders., Die Militärische Revolution, Die Kriegskunst und der Aufstieg des Westens 1500–1800, Seite 101. Laut Parker benötigte eine 30.000-Mann-Armee pro Tag 30.000 Pfund oder 15.000 kg Fleisch, wofür 150 Rinder oder 1.500 Schafe erforderlich waren. Ein Rind reichte also für 100 Mann und ein Schaf für 10. 75 Siehe SächsHStA-DD, 10016 Landeshauptdeputation, Loc. 41524, Nr. 3: Die königl. Preuß. Seits von Chursächßs. Und incorporierten Landen geforderte Lieferung an Rind und Schaaf Vieh samt was dem anhängig betref., Blatt 7 Vorderseite. 76 Siehe ebd., Blatt 21 Vorderseite. 77 Siehe ebd. 78 Siehe LASA, Z44, Abt. Dessau, A 9b VIb, Nr. 10, Bd. IV (Verschiedene Militaria aus des Fürsten Moritz von Anhalt in preußigen Jaare 1756), Blatt 189 Rück- und 190 Vorderseite. Hierbei handelt es sich abermals um die Stärkeliste der preußischen Infanterie im Lager von Roth-Schönberg am 7. September 1756. 79 Dies dürfte bedeuten, dass die Ausschlachtung ein Rindes wenigstens 75 kg und die eines Schafs zumindest 22 kg ergab. Folglich scheint die Fleischmenge bei den Rindern im Vergleich zum 16. Jahrhundert und bei den Schafen höher gewesen zu sein. 80 Nach Angaben eines heutigen Haus- und Dorfschlachters. 70 Vgl.
71 Siehe
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II. Teil: Die Kernelemente der Heeresversorgung
Auf lokale Ressourcen war man aber auch bei der dezentralen Beschaffung aller anderen Lebensmittel wie Bier, Tabak und Branntwein maßgeblich angewiesen. Sie erfolgte in der Regel durch die Marketender, die es nach Möglichkeit im Feindesland zu schützen galt, um hierfür nicht die Soldaten ausschicken zu müssen, die so relativ anfällig für Formen der Desertion waren81.
II.6. Die Pferdeverpflegung, die Pferdekrankheiten und der Pferdeersatz Die Verpflegung der Pferde war eine äußerst wichtige Angelegenheit, denn sofern diese nicht funktionierte, wurden die Pferde krank oder starben, sodass man neue beschaffen musste, wenn man die Kavallerie in einem einsatzfähigen Zustand halten wollte, was vor allem wegen der großen Mengen, die benötigt wurden, eine enorme Herausforderung darstellte. Wie schon im Zusammenhang mit den Versorgungsanforderungen der Armee erwähnt, galt es neben den Hartfutteranteilen auch große Raufuttermengen zu beschaffen, wofür man im Feld in der Regel auf Fouragierungen, also organisierte Zwangsbeschaffungen, zurückgriff, zumal die Lagerung in den Magazinen anscheinend schon so beschwerlich war. König Friedrich war ohnehin der Meinung, dass die Verpflegung der Armee mit Trockenfutter sie stark abhängig von ihren Magazinen machte und der Transport ohne die Möglichkeit der Nutzung von Flüssen geradezu unmöglich war, weil viel zu große Transportkolonnen entstünden, die sich auch wesentlich schwieriger sichern ließen, zumal deren eigene Versorgung ebenfalls ein großes Problem darstellte1. Daher riet er dazu, dass man im Winter, wenn man ausschließlich auf Trockenfutter angewiesen sei, dem Reiter Heu und Hafer für 5 Tage mitgeben solle2, wobei es laut dem österreichischen Veteran, dem Fürsten von Ligne, hilfreich war, wenn man das Raufutter für den Transport wurstähnlich um einen Stock wickelte3. Weil man von Anfang November bis Anfang Mai vollkommen auf Trockenfutter angewiesen war, versuchte man in den Sommer- und Herbstmonaten zur Verpflegung der Pferde auch auf Grünfutter zurückzugreifen, zumal das Gras vom 25. Mai bis zum 15. Juli wohl als das beste und heilsamste für die Pferde galt4. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass die Österreicher in Friedenszeiten fast ihre gesamte Kavallerie in den weitläufigen Ebenen Ungarns stationierten, wo man auch größere Mengen von Pferden 81 Siehe Friedrich II., Die Generalprinzipien des Krieges und ihre Anwendung auf die Taktik und Disziplin der preußischen Truppen (1748), Kapitel III. 1 Siehe Friedrich II., Instruktion Friedrichs des Großen für seine Generale, Seite 25 und ders., Die Generalprinzipien des Krieges und ihre Anwendung auf die Taktik und Disziplin der preußischen Truppen (1748), Kapitel V. 2 Siehe ders., Die Generalprinzipien des Krieges und ihre Anwendung auf die Taktik und Disziplin der preußischen Truppen (1748), Kapitel V. 3 Siehe De Ligne, Charles Joseph, Militärische Vorurtheile, Seite 23. 4 Siehe ebd., Seite 20.
II.6. Die Pferdeverpflegung127
im Sommer grasen lassen konnte5. König Friedrich betonte, dass man im Krieg die Operationen in bestimmten Gebieten wie Böhmen und Mähren in jedem Fall nach der Menge des bereits vorhandenen Grases ausrichten musste, um nicht den Verlust der Kavallerie zu riskieren6. Bei den Fouragierungen unterschied man grundsätzlich zwischen der des Grünfutters, die ausschließlich auf dem Feld erfolgte, und der des Trockenfutters, das man entweder vom Feld oder nach der Ernte aus den Scheunen der Bauern beschaffte. Dabei setzten sich Fouragierungsabteilungen in der Regel aus Husaren zusammen, die die Vorhut bildeten und für eine angemessene Aufklärung sorgen sollten. Dahinter folgten die Fourageure, die mit Degen und Karabiner bewaffnet waren und zusätzlich noch von Kavallerie- und Infanterieabteilungen geschützt wurden, wobei Letztere sogar ihre Bataillonsgeschütze mitführten. Eine Fouragierung im Feld wurde gesichert, indem man mit der Infanterie Dörfer oder andere befestigte Stellungen besetzte, zwischen denen dann Reiter patrouillierten und einen Deckungsschirm schufen, hinter dem die Fourageure agierten. Wenn sich der Feind in der Nähe befand, musste man einen größeren Trupp entsenden oder die eigenen Beschaffungsmaßnahmen in zeitlicher Übereinstimmung mit denen des Gegners durchführen. Der befehlshabende Offizier hatte auch darauf achten, dass die Futterbünde auch groß genug gemacht wurden, was alles andere als selbstverständlich war, denn Feldmarschall Schwerin machte gleich 1756 im Lager bei Aujezd die Erfahrung, dass seine Dragoner und Kürassiere sich unfähig zeigten, auch nur ein Bündel zu schnüren7. Ein weiteres Problem bestand darin, dass bei einer zu schnellen Umstellung der Pferdefütterung von Trocken- auf Grünfutter und umgekehrt sehr häufig Krankheiten wie die Druse, der Wurm oder Rotz auftraten8. Sie konnten aber auch bei schlechtem Trockenfutter ausbrechen, beispielsweise wenn der Hafer nass oder warm war9. Auch de Ligne war der Ansicht, dass man bei den Fouragierungen niemals altes oder stickiges Korn besorgen sollte, sondern nach Möglichkeit junge Gerste10. Die Druse war eine vor allem 5 Zur Dislokation der Österreicher 1749 siehe GStAPK, VI. HA., Nachlass Winterfeldt, HansKarl von, Nr. 7: Militärische Correspondenz Winterfeldts mit dem Könige, dem Obersten Gellhorn etc., Blatt 25 Rückseite. 6 Siehe Friedrich II., Instruktion Friedrichs des Großen für seine Generale von 1747, Seite 25 und ders., Die Generalprinzipien des Krieges und ihre Anwendung auf die Taktik und Disziplin der preußischen Truppen (1748), Kapitel V. 7 Zum gesamten Absatz siehe Friedrich II., Instruktion Friedrichs des Großen für seine Generale von 1747, Seite 25, 27, 33 und 35 sowie ders., Die Generalprinzipien des Krieges und ihre Anwendung auf die Taktik und Disziplin der preußischen Truppen (1748), Kapitel V und ders., Gedanken und allgemeine Regeln für den Krieg (1755). Zu Schwerins Erfahrung im Jahr 1756 vgl. Schwerin, Detlof Graf von, Feldmarschall Schwerin, Seite 261–263. 8 Siehe Krünitz, Johann Georg, Oeconomische Encyklopädie, Bd. 9, Seite 654. 9 Siehe Friedrich II., Instruktion Friedrichs des Großen für die Generale, Seite 25 und ders., Die Generalprinzipien des Krieges und ihre Anwendung auf die Taktik und Disziplin der preußischen Truppen (1748), Kapitel V. 10 Siehe De Ligne, Charles Joseph, Militärische Vorurtheile, Seite 22.
128
II. Teil: Die Kernelemente der Heeresversorgung
in kälteren Gegenden verbreitete Krankheit, die ein Pferd aber nicht nur von warmem oder nassem Hafer, sondern auch von verdorbenem, feuchtem oder auf sumpfigem Boden gewachsenem Heu bekam. Am schädlichsten war mit Abstand eine ständige Durchmischung von Grün- und Trockenfutter, bei der die Druse im Vergleich zum Wurm oder zum Rotz wohl noch die mildeste Krankheit war. Ihre Behandlung sollte in der Regel durch den Entzug von Heu und Hafer sowie das Warmhalten des Pferdes im Stall oder mit einer Decke erfolgen. Zusätzlich konnte man auch noch Gerstenmehl mit Kleie füttern, das mit lauwarmem Wasser angefeuchtet wurde. Da derartige Heilungsmaßnahmen im Feld natürlich nur äußerst schwer und bezogen auf große Massen vermutlich gar nicht zu realisieren waren, galt es natürlich umso mehr, das Ausbrechen dieser Krankheiten von vorneherein zu verhindern11. Sofern dies aber nicht gelang, musste man die Pferde austauschen oder gar komplett ersetzen, falls sie starben. Die Organisation des Pferdeersatzes oder der Remontierung, wie es damals genannt wurde, war eine sehr komplexe Angelegenheit, denn die unterschiedlichen Waffengattungen der Kavallerie, also die Kürassiere, Dragoner und Husaren, machten aufgrund ihrer unterschiedlichen taktischen Verwendung auch von unterschiedlichen Pferdearten Gebrauch, die ihren Bedürfnissen am besten entsprachen. Die Kürassiere und Dragoner, also jene beiden Truppengattungen, die ausschließlich oder überwiegend als Schlachtenkavallerie eingesetzt wurden, sollten vor allem über 5 Fuß große Pferde haben. Letzteres lässt darauf schließen, dass vor allem auf das Merkmal der erhöhten Position, die der Reiter im Kampf gegenüber dem Infanteristen besaß, großen Wert gelegt wurde. Allerdings konnten diese Größenvorschriften nicht immer eingehalten werden, und zwar schon deshalb nicht, weil sich bei der Dragonertruppe die Pferdearten änderten. Zunächst verwendeten die Kürassiere und Dragoner offensichtlich ausschließlich Holsteiner, die sie über das Kurfürstentum Hannover bezogen. Die Kürassier- und Dragonerregimenter, die zu Kriegsbeginn 742 Pferde im Bestand hatten, kauften jedes Jahr 70 neue Pferde an. Manche Dragonerregimenter umfassten sogar 1.480 Pferde, sodass sie als Ersatz für kranke oder komplett ausrangierte Pferde bis zu 140 anschafften. Die Husarenregimenter mit einem Bestand von 1.130 Pferden rangierten pro Jahr wohl ebenfalls 10 % der Pferde aus. Dieser permanente Austausch verursachte durchaus erhebliche Kosten. Für die insgesamt 840 Remonten der 12 Kürassierregimenter wurden bei 65 Reichstaler pro Stück und zusätzlichen 6.000 Reichstalern Transportkosten insgesamt 60.600 Reichstaler bezahlt. Für die 980 Remonten der 10 Dragonerregimenter (8 Regt. zu 70 Stück / 2 Regt. zu 140 Stück) wandte man jeweils 56 Reichstaler und an Transportkosten 11.000 Reichstaler auf und für die je 1.050 Pferde der 10 Husarenregimenter zusammen 32.550 Reichstaler, sodass sich eine Summe von fast 160.000 Reichstaler pro Jahr ergab12.
Krünitz, Johann Georg, Oeconomische Encyklopädie, Bd. 9, Seite 655. gesamten Absatz vgl. Mentzel, Ewald Oswald, Die Remontierung der Preußischen Armee in ihrer historischen Entwicklung und jetzigen Gestalt, Seite 57–61. 11 Siehe 12 Zum
II.6. Die Pferdeverpflegung129
Wie schon erwähnt, bezogen die Kürassier- und Dragonerregimenter ihren Pferde ersatz über das Kurfürstentum Hannover, wo sie den Kommandos der jeweiligen Einheiten zunächst bei Zelle und später in Grenznähe bei Steimbke oder Kloster Diesdorf übergeben wurden. Diese Pferde waren groß und schwer und damit für den Durchbruch in der Schlacht, aufgrund ihres schwammigen Körperbaus, ihrer dünnen Beine und ihres schweren Halses aber nicht für dauerhaftere Anstrengungen geeignet13. Wesentlich besser bewährten sich hierbei die wilden Steppenpferde der Husaren, die sich besonders durch gesunde Sehnen und starke Knochen sowie Abhärtung gegen Nässe und Kälte auszeichneten. Bezogen wurden sie aus den Gebieten nordwestlich des Schwarzen Meeres wie der Walachei, Wolhynien, Podolien, Bessarabien und der Ukraine. In der Regel kauften die Remontekommandos sie an und setzten sie dann zumeist in Herden von ca. 200 Stück in Marsch. Teil eines solchen Kommandos war offenbar auch der Major von Wartemberg vom Vippach’schen Husarenregiment, der am 11. Juni 1755 meldete, „[…] dass den 2ten dieses nebst bey mich habenden Commandow und 120 Stück Remonte Pferde auß der Ukrayne wieder beym Regiment angekommen, auch solche sofort an die Esquadrons vertheilet habe“14.
Die Ablieferung erfolgte aber auch oft in Schlesien bei Brieg oder Guhrau und Glogau, zumal der Ankauf nicht selten über schlesische Lieferanten organisiert worden zu sein scheint. Im südlichen Polen waren es wohl in erster Linie die Städte Krakau, Dombrowa, Seydomir, Jaroslaw und Krotozin, wo Ende April und Anfang Mai große Pferdemärkte stattfanden und jeweils 3–4.000 ukrainische, walachische und tartarische Pferde verkauft wurden. Seit dem Siebenjährigen Krieg erhielten auch die Dragonerregimenter ihren Pferdeersatz aus den polnischen und ukrainischen Regionen. Allerdings gab es auch Mischformen, denn die Regimenter Ansbach-Bayreuth und von Czetteritz bestanden wohl noch zu 2 Dritteln aus Holsteinern und 1 Drittel aus polnischen Remonten. Die Kürassiereinheit Garde du Corps, die pro Jahr immer 50 Holsteiner ankaufte, erhielt offenbar seit dieser Zeit auch immer 16 polnische Remonten. Diese Pferde waren auch etwas kleiner als die Holsteiner und sollten auch nur 4 Fuß und 11 Zoll groß sein15. Dieser Pferdeankauf im Ausland war die Regel, weil man glaubte, dort die besten Pferde für die Kavallerie zu finden. Die meisten Pferde im Inland waren für die Artillerie und für das Proviantfuhrwesen vorgesehen. Der Ankauf hier diente offensichtlich nur als Notlösung und war vermutlich nicht erwünscht, weil man glaubte, dass die besten Pferde dadurch der ohnehin schon schlechten Pferdezucht abhandenkämen. Allerdings zeigt ein Bericht von Generalleutnant Hans Karl von Winterfeld vom 6. Juni 1756, dass man von dieser Reserve durchaus Gebrauch machte, denn während man beabsichtigte,
13 Vgl.
Der preußische Kavalleriedienst vor 1806, Seite 29. I. HA., Rep. 96, Nr. 614 D: Bekleidung, Bewaffnung, Besoldung, Remontierung und Fahnen des Heeres, Blatt 1 Vorderseite. 15 Zu diesem Absatz vgl. Mentzel, Ewald Oswald, Die Remontierung der Preußischen Armee in ihrer historischen Entwicklung und jetzigen Gestalt, Seite 68–71 und 81 f. sowie Großer Generalstab, Der preußische Kavalleriedienst vor 1806, Seite 26 f. 14 GStAPK,
130
II. Teil: Die Kernelemente der Heeresversorgung
noch 5.742 Pferde anzukaufen, waren aus den Provinzen im Rahmen der Mobilmachung schon 10.374 Pferde zusammengebracht worden16. Normalerweise ging man aber davon aus, dass die Regimenter in Friedenszeiten mit der fest eingeplanten Menge an Pferdeersatz auskommen würden. Überdurchschnittliche Abgänge scheinen bisweilen nur dadurch zustande gekommen zu sein, weil man versuchte die Pferde möglichst fett zu füttern, sodass man ihnen anstatt Hafers und guten Heus auch geschrotetes Korn, Erbsen und aufgekochten Roggen zu fressen gab17. Dass möglichst gut ausgefütterte Pferde sowohl in Friedens-, vor allem aber in Kriegszeiten ein angestrebter, aber keinesfalls ein selbstverständlicher Zustand waren, zeigt der Bericht des Generals Leopold Maximilian von Anhalt-Dessau im Rahmen des Ersten Schlesischen Krieges. „Da ich von Visitirung derer Regimenter in dem Leutmeritzer- und Buntzlauer Creyß zurück bin, so muß Euer königl. Maj. schuldigst Rapport in aller Unterhtänigkeit davon abstatten, und zwar von den schönen Printz Wilhelmschen Regiment den machen, alß die Leibcompagnie, Obrist-Lieutenant Katzler, Major Canitz, Rittmeister Fabian, Bredow und Oppen welche alle sehr schön, in guter Ordre und Pferde in einem vortrefflichen Stande, insonderheit die LeibCompagnie wo die Pferde so dicke sein wie Kasten, wie denn auch das Regiment sehr propre, und dergestalt nach ist, alß Euer königl. Maj.es kennen, von denen anderen beyden Regimentern, kann nicht durchgehends desgleichen melden. […] [I]ch habe dem Obrist Maltzhan und Obrist Lieutenant Borck alles gesagt, waß Euer königl. Maj. Dienst erfordert, auch Ihnen anbefohlen, nebst den Lieutenant so die LeibCompagnie commandiret, morgen die Printz Wilhelmsche LeibCompagnie zu sehen, und Exempel davon zu nehmen, und habe sie mir sehr versprochen alles in guten Stand zu setzen,[…]auch dass sie ihren Fleiß daran wenden würden, die Pferde in 3 bis 4 Wochen fetter zuschaffen“18.
Ein anderer Bericht über das österreichische Husarenregiment von Morocz vom 31. Januar 1756 aus Bielitz im böhmischen Grenzgebiet zeigt ebenfalls, dass es schwierig war, geeignete Pferde in gutem Zustand ins Operationsgebiet zu schaffen und dort einsatzbereit zu halten. „Das Regiment Morocz bestehet aus 5 Escadrons und 10 Compagnien, jede Compagnie 60 Man, also das gantze Regiment 600 Pferde stark, jedoch aber fehlen bey jede Compagnie 5,6 biß 7 Man und eben so viel Pferde. […] Waß die Leuthe und Pferde des Moroczschen Regiment anbelange, die ich selben gesehen, so muß gestehen, daß solche so schlecht als möglich sind. […]Ihre Montierung ist ebenfalß sehr schlecht. Die Pferde sind schlecht und so klein als die kleinsten Littauer sind, und in Vergleichung also mit den hiesigen recht spaashaft anzusehen sind, weßhalb ich auch den Obrist Czobel gefraget, wie ein Kerl auf einem so kleinen und schlechten Pferde seine Dienste verrichten können, derselbe mir darauf zur Antwort gegebn, daß wäre sein geringsten Kummer, sie müsten die Pferde so nehmen als sie geliefert würden, zu dem bekämen sie von den Proviant-Commis16 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 601 G: Schriftwechsel mit den Generalmajor / General lieutenant von Winterfeldt, Bd. V 1756, Blatt 19 Vorderseite. 17 Vgl. Mentzel, Ewald Oswald, Die Remontierung der Preußischen Armee in ihrer historischen Entwicklung und jetzigen Gestalt, Seite 59. 18 GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 97 H: Leopold Maximilian von Anhalt Immediatsberichte 1742–1744, Schreiben aus Jung-Buntzlau vom 5. Martii 1742.
II.6. Die Pferdeverpflegung131 sarius die Fourage auf jede Pferdt täglich 6 lb Haaber 8 lb Heu und 3 lb Stroh, gelieffert welche ebenfalß so schlecht wäre daß er mir versichert, die Pferde würden aufs Frühjahr knapp gehen können, er könnte nicht davor maßen seine deßhalb an den Hoff-Kriegs-Rath abgestattete Briefe unbeantwortet geblieben wären“19.
Dies weist darauf hin, dass die österreichischen Husarenregimenter zu kleine und schlecht ernährte Pferde besaßen, deren Rationen mit 3 Kilogramm Hafer, 4 Kilogramm Heu und gerade 1,5 Kilogramm Stroh geringer und qualitativ schlechter waren als bei den Preußen. Als Folge dessen war ein Ausfall weiterer Reittiere zu erwarten, nachdem zum Zeitpunkt des Berichtes schon 12 pro Eskadron oder umgerechnet auf das Regiment 60 Stück fehlten, was 10 % des Sollbestandes entsprach. Die Lage bei den Kürassierund Dragonerregimentern der österreichischen Armee stellte sich unwesentlich besser dar. Laut Oberstleutnant Pflug waren die Regimenter zwar komplett, ließen aber viele ihre schlechten Pferde in Ungarn zurück und versuchten nun die Verluste durch Ankäufe des Pferdehändlers Altvater zu ersetzen20. Wie Generalleutnant von Winterfeldt berichtete, versuchten die Preußen gerade Letzteres zu verhindern: „Ein Roßhändler der vor unßere Cavallerie lieffert, hat hier ausgesagt, daß er vor 8 Tagen dem Wienerschen Pferde Lievranten Altvater in Hannover gesprochen und derselbe alda alle Pferdehändler so nur Ihn Entriren wollen auffgebothen hätte, Liefferungen zu übernehmen. Jedem er einige 1000 Stück remondt Pferde vor die Oesterreicher schaffen sollte. Er selbst wäre auch gleich von da nach dem Holsteinschen abgereist, umb alles was er nur bekommen konnte weg zu kauffen. Außer hier gewesener Liverant hat diesen Umbstand an dem Herrn General Massow gesagt, und meinet deßfalls, daß derselbe solches bereits auch schon an königl. Majestät gemeldet hätte, und darauff durch dem hießigen Englischen Gesandten die Verfügung gemachet worden, dass Sie im Hannoverschen keine Pferde vor die Oesterreicher auff zukauffen erlaubten. […] Im Mecklenburgischen gegen der Holsteinschen Grentze zu, fangen Sie auch schon an weg zu kauffen, und nehmen Pferde vermuth. vor die Dragoner welche kaum 5 Fuß hoch, wann sie sonsten nur starcke Knochen haben und breit von Brust und Kreutzschen. Ich habe denn dagegen alles vorgekehret umb Ihnen doch dem abzulauffen und die benöthigten Pferde zusammen zu bringen“21.
Dies zeigt, dass es den österreichischen Kürassieren und Dragonern offenbar ebenfalls an guten Pferden mangelte und ihre Bestrebungen, hierfür holsteinische Remonten in Hannover aufzutreiben, von den Preußen durchkreuzt wurden. Dabei waren sich die Österreicher ohnehin darüber im Klaren, dass die Preußen durch die geographische Nähe der Kurmark zu Holstein und Hannover über bedeutende Vorteile verfügten, weil sie die Pferde von dort nach und nach und dadurch zu geringeren Preisen aufkaufen konnten, während sie in Schlesien ohnehin auf eine gute Pferdezucht zurückzugreifen vermochten22. Problematisch war aus Sicht der Habsburger auch, dass die böhmischen Bauern 19 GStAPK, VI. HA., Nachlass Winterfeldt, Hans-Karl von, Nr. 6: Militärberichte 1756, Blatt 32 und 33 Vorderseite. 20 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 601 G: Schriftenwechsel mit dem General-Major / Generallieutenant von Winterfeldt Bd. V 1756, Blatt 22 Rückseite. 21 Ebd., Blatt 29 Vorder- und Rückseite. 22 Siehe OestKA, Kriegsarchiv, Zentralst., Militärhofkommission Nostitz-Rieneck, Vorträge und Protokolle, Kt. 4, Faszikel 13.
132
II. Teil: Die Kernelemente der Heeresversorgung
zum Teil ihre Fohlen nach Schlesien verkauften, weil sie selbst nicht in deren Aufzucht investieren wollten oder konnten und sich stattdessen billigere Pferde hielten23. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass die Österreicher versuchten Pferde in Hannover aufzukaufen. Aber selbst wenn ihnen dies entgegen der von den Preußen geforderten Sank tionsmaßnahmen gelang, dann mussten die Pferde immer noch das Herrschaftsgebiet der Habsburger erreichen, was die Preußen jedoch ebenfalls zu verhindern suchten. Wie der Kommentar des preußischen Oberstleutnants Warnery zeigt, war dies aber bei Weitem nicht das einzige Problem, denn selbst wenn die Pferde ihre Ziele erreichten, waren sie oft zu klein und wurden nicht ordentlich bezahlt, weil der mit der Beschaffung beauftragte Kommissar pro Pferd 2 Ecu für sich behielt. „I’ay aussi vu de chevaux de remonte que la reine a fait acheter pour des cuirassiers et dragons dans la Boheme elle paye soixante ecus pour un de cuirassier et cinquante pour un dragon, mais le commisaire qui les achete reticent pour lui deux ecus par cheval, ils m’ont para de durée mais trop petits, sur tout ceux des dragons […]“24.
Allerdings hatte auch die preußische Kavallerie bei der Mobilmachung ganz erhebliche Schwierigkeiten. So berichtete Generalmajor von Massow in seinem Schreiben vom 5. Juli 1756, dass dem Seydlitz’schen Regiment 145 Pferde fehlten und 80 untauglich waren25. Auch der König zeigte sich über diesen Zustand höchst ungehalten und rügte Oberst Seydlitz hierfür26. Letzteres ist durchaus nachvollziehbar, denn Defizite dieser Größenordnung waren offenbar kein Einzelfall, zumal auch die ostpreußischen Husarenregimenter Ruesch und Malachowski keine Pferde an das Seydlitz’sche Regiment abgeben konnten, weil sie selbst auch nicht komplettiert waren27. Es wird deutlich, dass auch bei den preußischen Husareneinheiten enorme Pferdemängel auftreten konnten, sodass die Abgangsquote mit 13 % bis 20 % bei diesen Regimentern im Vergleich mit den österreichischen Einheiten sogar bis zu 2-mal so hoch war. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass Abhilfe geschaffen werden musste, indem Generalmajor von Massow an die Husarenregimenter in Ostpreußen und Schlesien schrieb, „[…] dass Sie sich alle Mühe geben, recht gute Pferde anzuschaffen, und die schlesischen Regimenter die Pferde nach Frankfurth und die Preußischen bis an der Weichßel lieffern sollen, und von der Kriegs- und Domainen-Cammer in Königsberg und Breslau die Gelder und Marschrouten bekommen und selbige die Fourage besorgen würde: Wie dem auch an das General-Directorium schreiben werde die Marschrouten und Fourage von der Weichsel und von Frankfurth bis zum Regiment zu besorgen“28. 23 Siehe ebd. und vgl. Duffy, Christopher, Sieben Jahre Krieg 1756–1763 – Die Armee Maria Theresias, Seite 281. 24 GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 608 O: Warnery von ihm in Sachsen und Oesterreich gemachte Beobachtungen, Blatt 4 Vorderseite. 25 Siehe GStA PK, I. HA., Rep. 96, Nr. 614 D: Bekleidung, Bewaffnung, Besoldung, Remontierung und Fahnen des Heeres, Blatt 32 Vorderseite. 26 Siehe ebd., Blatt 33 Rückseite. 27 Siehe ebd., Blatt 39 Vorderseite. 28 GStA PK, I. HA., Rep. 96, Nr. 614 D: Bekleidung, Bewaffnung, Besoldung, Remontierung und Fahnen des Heeres, Blatt 32 Vorderseite.
II.6. Die Pferdeverpflegung133
Besonders bemerkenswert sind dabei die letzten Bemerkungen Massows, denn sie zeigen, dass es nicht nur darauf ankam, gute Pferde anzukaufen, sondern vor allem für die Ausweisung von Marschrouten und die Bereitstellung von Fourage zu sorgen, um die Pferde in einem möglichst guten Zustand an ihre Bestimmungsorte zu bringen. Relevant war dies auch im Rahmen der Beschaffung der 5.000 Pferde, die Generalleutnant von Winterfeld 1756 organisierte. Er selbst trieb offenbar einen Lieferanten auf, der bereit war, ihm 4.000 Pferde zu liefern, während der Rest wohl vom Land kam. Diese Pferde sollten bis zum 25. Juli an bestimmten Orten im Magdeburgischen, der Altmark, der Prignitz wie Lenzen und Perleberg sowie in Pommern bei Demmin oder Wriezen an der Oder geliefert werden. Ihre Bereitstellung war in Potsdam zwischen dem 1. und 6. August vorgesehen. An die Landräte der Provinzen sollten Anordnungen ergehen, sodass für Fourage und Gras gesorgt sein würde. Als Versammlungsort war dann offenbar der sogenannte Horst bei Nauen vorgesehen, weil man dort relativ viele Pferde unterbringen konnte29. Insgesamt war eine ausreichende und richtig organisierte Pferdeverpflegung die wichtigste Grundlage für die Einsatzbereitschaft der Kavallerie. Im Vorteil war dabei immer jene kriegführende Partei, die über die größeren Kapazitäten zur Heranschaffung enormer Mengen an Trockenfutter wie Hafer oder Heu verfügte und sich am besten auf die Umstellung zum und vom Grünfutter verstand. Die Bekämpfung von Krankheiten erforderte, sofern diese erst einmal ausgebrochen waren, eine Herauslösung der betroffenen Pferde aus den großen Massen der kämpfenden Truppe, um Ansteckungen zu verhindern und sie dann nach Möglichkeit in den Ställen auszukurieren. Es war also eine Rückführung in die rückwärtigen Gebiete erforderlich, wo man dann über eine entsprechende Infrastruktur verfügen musste, um die Ausfälle einzudämmen. Vermutlich wirkten sich auch im Rahmen dieser Umverteilung gute Verkehrsverbindungen, die in erster Linie von der physischen Geographie bestimmt wurden30, positiv aus. Für den Ersatz dieser Verluste waren die Preußen aufgrund ihrer geographischen Lage offensichtlich besser positioniert als ihre österreichischen Kontrahenten, denn die Zuchtgebiete für die schweren Reitpferde wie Hannover oder Holstein lagen einfach näher an ihrem Territorium. Hinsichtlich des Zugangs zu Pferden für Dragoner und Husaren scheint keine der beiden Seiten grundsätzlich begünstigt oder benachteiligt gewesen zu sein, denn die Preußen bezogen ihre Pferde ebenfalls aus recht entlegenen Gebieten wie Südpolen und der Ukraine, während die Österreicher wohl auf die Pferdebestände in Ungarn zurückgriffen. Letztere hatten jedoch das Problem, ihre Pferde dann quer durch ihr Herrschaftsgebiet bis nach Böhmen transportieren zu müssen, wo sie offenbar häufig in schlechtem Zustand ankamen und dann auch weiterhin zu schlecht ernährt wurden. Da sich aber auch die Preußen hierbei bisweilen mit großen Problemen konfrontiert sahen, ergingen bei neuen Ankäufen entsprechende Anweisungen an das Generaldirektorium oder die Land29 Zu diesem Absatz vgl. GStA PK, I. HA., Rep. 96, Nr. 601 G: Schriftenwechsel mit dem General-Major / Generallieutenant von Winterfeldt Bd. V 1756, Blatt 23 Vorderseite und Blatt 26 Vorder- und Rückseite. 30 Vgl. III. Teil 2.: Die Theorie der Operationslinien und die Bedeutung der physischen Geographie.
134
II. Teil: Die Kernelemente der Heeresversorgung
räte der Provinzen, um Fourage bereitzustellen, sodass sich auch in diesem Zusammenhang die Organisation der Verpflegung als Dreh- und Angelpunkt für die dauerhafte Verwendungsfähigkeit der Reittiere erwies.
II.7. Die weiteren Versorgungsgüter – Waffen, Munition und Bekleidung Neben der Beschaffung der Verpflegungsgüter stellte auch die Bereitstellung der Waffen, der Munition und Kleidung für eine so große Anzahl von Soldaten eine enorme Herausforderung dar. Allerdings konnte man Letztere im Gegensatz zu Ersteren in viel größerem Umfang einlagern. Die Preußen taten dies überwiegend in den Zeughäusern von Magdeburg, Berlin, Stettin und Breslau1. Laut König Friedrich hatte allein das Berliner Zeughaus 21.000 Gewehre, 3.000 Sättel und Koppeln für 8 Regimenter vorrätig. Allerdings zeigt die folgende Übersicht, dass es weit mehr aufnehmen konnte: Tabelle 6 Infanterie- und Kavalleriewaffen im Berliner Zeughaus am 20. Dezember 17692 Anzahl
Waffe Ausrüstungstücke 12.100
Große Gewehre
28.667
Mittlere Gewehre
39.734
Österreichische Gewehre
13.674
Dragonerflinten
326
Dragonerflinten
13.000
Reiterkarabiner
7.382
Lange Husarenkarabiner
5.613
Kurze Husarenkarabiner
219
Gezogene Husarenkarabiner
671
Jägerbüchsen
40.000
Paar Pistolen
16.000
Dragoner Degen
14.000
Reiterdegen
20.000
Husarensäbel
1 Siehe Friedrich II., Das Politische Testament von 1752, Heerwesen – Waffen- und Geschützmagazine für die Armee. 2 Vgl. Müller, Heinrich, Das Berliner Zeughaus. Vom Arsenal zum Museum, Seite 41.
II.7. Die weiteren Versorgungsgüter135 Anzahl
Waffe Ausrüstungstücke 293 1.207
Espontons Kurzgewehre
957
Piken für Grenadier-Unteroffiziere
199
Infanterietrommeln
75
Dragonertrommeln
16.854
Infanteriesäbel und Pallaschklingen
215
Reiter-Degenklingen
582
Husaren-Säbelklingen
5.500 140
ordinaire Cuirasse polirte Cuirasse
Die Herstellung der Waffen, insbesondere der Gewehre erfolgte durch die Lieferanten Splittgerber und Daum in den Potsdamer und Spandauer Gewehrfabriken. Im Jahr 1758 lag die Kapazität wohl bei 1.200 Gewehren pro Monat, was aber angesichts der enormen Verschleißmengen in Kriegszeiten wohl kaum noch ausreichend war3. Die Standardwaffe der Infanterie war in dieser Zeit das Infanteriegewehr von 1740, das kürzer war als das Vorläufermodell von 1723 und ein Kaliber von 19,5 mm besaß4. Die Waffe hatte einen geraden Schaft, sodass ein zielgenaues Anlegen nicht möglich war, verfügte aber über einen neuen Ladestock, den man nicht mehr wenden musste, was die Feuergeschwindigkeit erhöhte5. Darüber hinaus gab es aber auch Gewehre für die Dragoner, während die anderen Kavalleristen in der Regel kürzere Karabiner führten, die wohl zum überwiegenden Teil in Potsdam und Berlin hergestellt wurden6. Die Österreicher ließen ihre Waffenlieferungen überwiegend von jenem Lieferanten organisieren, der auch dem Artilleriewesen vorstand, nämlich Fürst Joseph Wenzel von Liechtenstein. Die wichtigste technische Neuerung war nach den Erfahrungen der ersten beiden schlesischen Kriege die Einführung eines eisernen Ladestocks, wie ihn die preußische Armee schon lange besaß7. Zur gebräuchlichsten Waffe wurde das Gewehrmodell 3 Vgl. Schöning, Curd Wolfgang, Historisch-biographische Nachrichten zur Geschichte der Brandenburgisch-Preußischen Artillerie. Zweiter Theil, Seite 95. 4 Zum gesamten Absatz vgl. Müller, Heinrich, Das Heerwesen in Brandenburg-Preußen, Bd. 1: Die Bewaffnung, Seite 87–91. 5 Vgl. Niemeyer, Joachim, Die Bewaffnung und Ausrüstung der Armee Friedrichs des Großen, Seite 93 und 95. 6 Vgl. ebd., Seite 100–107. 7 Vgl. Duffy, Christopher, Sieben Jahre Krieg 1756–1763 – Die Armee Maria Theresias, Seite 267 und Allmayer-Beck, Johann Christoph Freiherr von, Die friderizianische Armee im Spiegel ihrer österreichischen Gegner, Seite 243.
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II. Teil: Die Kernelemente der Heeresversorgung
von 1754 mit einem Kaliber von 18,3 mm. Zu Kriegsbeginn 1756 lagerte hiervon schon eine enorme Menge in den Zeughäusern der habsburgischen Provinzen und im Hauptzeughaus in Wien. Tabelle 7 Anzahl der österreichischen Feuergewehre zu Beginn des Siebenjährigen Krieges8 Brauchbar
Unbrauchbar
In Österreich
5.852
619
In Ungarn
18.452
8.008
Siebenbürgen
4.398
14.898
Böheim
5.410
2.752
In Mähren
8.340
In Tirol
14.985
Im Reich
1.151
In Italien
6.468
Hauptzeughaus Wien
31.981
Summa
92.952
5.296
21.686
52.640
Obwohl diese Übersicht deutlich macht, dass neben den brauchbaren Gewehren auch eine sehr große Menge unbrauchbarer Modelle vorhanden war, scheint die Qualität der österreichischen Gewehre im Allgemeinen dennoch recht gut gewesen zu sein9. Größere Probleme scheint es lediglich mit den Gewehren für die Kontingente der entlegeneren Provinzen wie den österreichischen Niederlanden und bei den kroatischen Grenztruppen gegeben zu haben10, da man rund 25.000 Stück, die man aus Lüttich erworben hatte, wieder zurücksandte11. Neben den Waffen für die Infanterie und die Kavallerie lagerten auch Unmengen von Geschützen, Munitionswagen und anderem Zubehör in den Zeughäusern. Auf preußischer Seite befanden sich an besagtem 20. Dezember 1769 in Berlin folgende Mengen: 8 Siehe OestHHStA, Kriegsakten, Nr. 346: Extract daß in denen sambtlichn Zeughausern befindlichen sowohl brauch, alß unbrauchbaren Feyergewöhrs. 9 Vgl. Duffy, Christopher, Sieben Jahre Krieg 1756–1763 – Die Armee Maria Theresias, Seite 268. 10 Siehe OestKA, AFA, Nr. 633: Siebenjähriger Krieg 1757 HKR X–XII, Faszikel X / 27 und X / 27a. 11 Vgl. Dolleczek, Anton, Monographie der k. u. k. österr.-ungar. blanken und Handfeuer-Waffen, Seite 67.
II.7. Die weiteren Versorgungsgüter137 Tabelle 8 Bestand an Artilleriematerial im Berliner Zeughaus am 20. Dezember 176912 Anzahl
Geschützart oder Ausrüstungsgegenstand 30
12-pfündige schwere Kanonen
30
12-pfündige österreichische Kanonen
20
12-pfündige leichte Kanonen
10
6-pfündige schwere Kanonen
79
6-pfündige leichte Bataillonsgeschütze
31
3-pfündige Bataillonsgeschütze
10
10-pfündige Haubitzen
10
7-pfündige Haubitzen
3
12-pfündige schwere Haubitzen
3
12-pfündige österreichische Haubitzen
2
12-pfündige leichte Haubitzen
1
6-pfündige schwere Haubitze
3
6-pfündige leichte Haubitzen
2
3-pfündige leichte Haubitzen
1
10-pfündige leichte Haubitze
1
7-pfündige leichte Haubitze
3
50-pfündige Mörser
3
25-pfündige Mörser
2
10-pfündige Mörser
20
6-pfündige Bataillonsgeschütze
20
3-pfündige Bataillonsgeschütze
162 30
Mit Zubehör
Mit Protzen
Kartuschenwagen Granatwagen für 7- und 10-pfündige Haubitzen
12 Zu sämtlichen Werten in dieser Tabelle vgl. Malinowski, Louis / Bonin, Robert, Geschichte der brandenburgisch-preußischen Artillerie. Zweiter Theil, Seite 512 f. Es sind noch weitere Geschütze aufgeführt, die aber noch nicht fertiggestellt waren oder noch nicht im Zeughaus lagerten.
138
II. Teil: Die Kernelemente der Heeresversorgung
Anzahl
Geschützart oder Ausrüstungsgegenstand 183
Munitions- und Trainwagen
3
Hebezeugwagen
9
Räderwagen
3
Feldschmieden
1
Räderstockwagen
1
Paukerwagen
40
Proviantwagen
Allerdings verfügten die Preußen schon vor dem Siebenjährigen Krieg über eine Unmenge an Geschützen. Dies zeigt auch der Artilleriebestand der Festung Magdeburg aus der Zeit des Zweiten Schlesischen Krieges. Dort waren im Jahr 1745 insgesamt 225 Geschütze vorhanden, darunter 24 24-Pfünder, 12 18-Pfünder und 97 12-Pfünder, denen nur 38 6- und 28 3-Pfünder gegenüberstanden13. Allerdings bestätigte schon die Generalübersicht aller Geschütze von Anfang 1743, dass die Preußen in ihren Festungen und deren Zeughäusern insgesamt 397 24-pfündige Geschütze, 136 18-Psfünder, 586 12-Pfünder, 376 6-Pfünder und 239 3-Pfünder eingelagert hatten, wovon sich allein 154 der 24-Pfünder in Berlin befanden14. Die restlichen Mengen konzentrierten sich überwiegend auf die Festungen von Stettin, Magdeburg, Wesel sowie Glogau, Breslau, Neisse und Glatz15. Auffällig ist, dass die Preußen sowohl bei bronzenen wie bei den eisernen Geschützen über eine vergleichsweise große Menge an schwerer Artillerie, also 12 Pfund oder darüber, verfügten. Im Vergleich dazu konnten die Österreicher selbst 1757, also 15 Jahre später, insgesamt nicht mehr als 158 24-Pfünder und 144 12-Pfünder aufbieten16. Folglich waren sie im Bereich des schweren Geschützpotentials deutlich unterlegen, zumal sie im Feld überhaupt keine 24-Pfünder einsetzten, während dieser Geschütztyp bei den Preußen schon 1756 1 / 4 der Gesamtkalibermenge ausmachen sollte17. Wie schon erwähnt, war der Bespannungsaufwand für die Artillerie ebenfalls beträchtlich, was vor allem damit zusammenhing, dass der preußische Artillerietrain nicht nur 13 Vgl. Malinowski, Louis / Bonin, Robert, Geschichte der brandenburgisch-preußischen Artillerie. Erster Theil, Seite 456 f. und 490. 14 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 83 Xx2 Generalmajor d. Artillerie Christian von Linger, 1743–1745: Generalbestand aller Geschütze Ammunition und Materialien welche sich gegenwärtig in allen seiner königlichen Majestät Festungen befinden Den 1. Januar 1743, Generaltabelle Wie viel Canonen, Mortiers und Haubitzen, Item Canon-Kugeln und Bomben ferner an Pulver, Lunte, Bley, Hand-Granaten, Flinten-Steine und Gewehr in allen seiner Königlichen Majestät Festungen verhanden, welches alles aus dem vorgehenden General-Bestandt des 1742 Jahres extrahiret worden. 15 Siehe ebd. 16 Siehe OestKA, AFA, Nr. 599: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 I–IV, Faszikel II / 9. 17 Vgl. Duffy, Christopher, Sieben Jahre Krieg 1756–1763 – Die Armee Maria Theresias, Seite 306 f.
II.7. Die weiteren Versorgungsgüter139
die Geschütze und ihr Zubehör, sondern auch die Munitionsreserve für die Armee mit sich führte. Dies war übrigens auch bei der österreichischen Armee der Fall18, was auch erklärt, warum der Pferdebedarf dort ähnlich groß ausfiel wie bei den Preußen. Die Munitionswagen selbst waren mehr oder weniger fahrbare Holzkästen mit einem Spitzdachdeckel, der ein wenig der Form von Särgen ähnelte19. Pro Wagen konnten jeweils 15.000 Patronen mitgenommen werden, die noch einmal in Kisten zu 1.000 Stück verpackt waren20. Ob nur diese Wagen oder auch die Rüstwagen der preußischen Infanterieeinheiten Munition mit ins Feld führten, sodass neben dem Satz, den die Soldaten selbst mitführten, ein dritter Munitionssatz befördert wurde, ist nicht ganz klar. Vermutlich gab es einen Spielraum, den beide Seiten hierfür nutzen konnten, da auch die österreichischen Regimenter über Requisitenwagen verfügten, sodass im Feld auf beiden Seiten in der Regel 180 Schuss pro Mann verfügbar waren. Der Artillerie oblag aber nicht nur der Transport der Munition, ihre Offiziere waren auch für die Herstellung, d. h. vor allem für die Pulverproduktion verantwortlich. In Preußen unterstand die Leitung des gesamten Artillerieressorts für viele Jahre Generalmajor Christian Nikolaus von Linger, dessen Nachfolger als Generalinspekteur der Artillerie dann 1756 Oberstleutnant Karl Wilhelm von Dieskau wurde. Die wichtigste Produktionsstätte war zweifelsohne die große Pulvermühle von Spandau, die mit ihren 8 Gängen seit 1747 wohl 3.000 Zentner pro Jahr, d. h. 150 Tonnen, erzeugte21. Allerdings meldete Dieskau dem König schon am 18. August 1756, dass die Pulvermühle pro Jahr in der Lage sei, 5.000 Zentner, sprich 250 Tonnen, ordinäres bzw. gewöhnliches Pulver herzustellen22. Denkbar ist dies durchaus, denn Dieskau berichtete im selben Zusammenhang, dass man die Herstellung von feinem Pulver nunmehr einstelle. Die benötige Zeit für die Pulverherstellung war nämlich stark abhängig von der Qualität des Pulvers. So rechnete man für die Herstellung von Kanonenpulver 3 ½–4 Stunden, für Musketenpulver, das auch für Mörser und Haubitzen verwendet wurde, 4–5 Stunden und für Pirschpulver 8–10 Stunden. Dies bezog sich vor allem auf die Zeit, in der die Bestandteile Salpeter, Schwefel und Kohle im Mörser miteinander vermahlen wurden. Normalerweise wurde das Pulver dann erst noch 2 Tage lang in einem verschlossenen Raum getrocknet, bevor man es siebte und in Fässer verpackte23. Die Pulverarten zeichneten sich insgesamt aber nicht so sehr durch ihre Herstellungsdauer, sondern, wie die folgende Tabelle von 1747 zeigt, durch ihre Zusammensetzung aus:
18 Vgl.
ebd., Seite 304. Steinberger, Johann Georg, Breslauisches Tagebuch: 1740–1742, Seite 65. 20 Vgl. Malinowski, Louis / Bonin, Robert, Geschichte der brandenburgisch-preußischen Artillerie. Erster Theil Seite 467 und 501. 21 Vgl. Malinowski, Louis / Bonin, Robert, Geschichte der brandenburgisch-preußischen Artillerie, Seite 608. 22 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 612 F: Artillerie, Train, Pontons, Waffen und Pulver, Bd. VI 1756, Blatt 41 Vorderseite. 23 Vgl. Malinowski, Louis / Bonin, Robert, Geschichte der brandenburgisch-preußischen Artillerie. Erster Theil, Seite 606. 19 Siehe
140
II. Teil: Die Kernelemente der Heeresversorgung Tabelle 9 Pulvertypen und ihre Anteile in Pfund 174724 Kanonenpulver
Musketenpulver
Pirschpulver
Salpeter
100
100
100
100
100
100
Schwefel
25
20
18
18
12
8
Kohle
25
24
20
18
15
10
Vor allem war es der Salpeteranteil, der die Qualität des Pulvers bestimmte, was sich auch daran zeigt, dass er beim Pirschpulver, welches das Beste war, am höchsten ausfiel. Die Beschaffung des Salpeters war jedoch ein höchst aufwendiges und kostspieliges Verfahren. Salpeter kommt in natürlicher Form entweder im Bergbau oder als Absonderungsprodukt in nitrathaltigen, d. h. besonders fruchtbaren Böden, auch an Häuserwänden vor. Aufgrund dessen gab es im Herzogtum Magdeburg auch ein eigenes Salpeterwesen, das zur Salpetergewinnung durch Abkratzen von den Häuserwänden diente25. Natürlich versuchte man den Salpeter deswegen auch künstlich in größeren Mengen herzustellen. In Preußen geschah dies zumeist mit Hilfe sogenannter Wellerwände, bei denen Braunerde mit Exkrementen und Stroh vermengt wurde, die man dann im Sommer mit Wasser übergoss26. Es gab auch in Sachsen ein Verfahren, das ganz ähnlich funktionierte, aber in seinen Details besser überliefert ist. Dort war man sich immerhin schon der Tatsache bewusst, dass das Verfahren zur Extraktion des Salpeters eigentlich auf die Nitritbestandteile zielte, die theoretisch überall in der Natur, selbst in der Luft vorkamen27. Das Verfahren sah vor, Urin in den Weinhäusern und Schenken, wie bei Dresden, zu sammeln und über Gestellen aus gestampften Kieseln oder gedüngter bzw. durchgemisteter Erde zu entleeren, um die Luft daraus dann luftgeschwängerten Salpeter hervorbringen zu lassen28. Allerdings scheinen diese Verfahren extrem ineffektiv gewesen zu sein, denn offenbar gewann man aus einem Zentner dieser Erde in der Regel nur 4 bis 5 Pfund Salpeter, was rund 1/20 des Ursprungsgewichts entsprach29. Größere Mengen von natürlichem Salpeter kamen im 18. Jahrhundert nur in Indien vor. Dieser war jedoch begehrt, weil seine Qualität deutlich höher als die des künstlichen Salpeters ausfiel. Deswegen erwarben die Preußen dieses Produkt von der niederländi24 Vgl.
ebd., Seite 611. Krünitz, Oekonomische Encyklopädie, Bd. 132, Seite 93–106. 26 Vgl. Malinowski, Louis / Bonin, Robert, Geschichte der brandenburgisch-preußischen Artillerie. Erster Theil, Seite 600 f. 27 Siehe SächsHStA-DD, 10036 Finanzarchiv, 36173, Rep. 9, Nr. 2856, Canzeley Acta die Errichtung eines Salpeter-Wercks betreffend 1744, Blatt 3 und Blatt 4 Vorder- und Rückseite. 28 Siehe ebd., Blatt 22 Vorder- und Rückseite. 29 Siehe SächsHStA-DD, 10036 Finanzarchiv, 36080, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 663, Die Salpeterwercke auch einige Privilegia betreff. 1691–1747, Anlage zum Schreiben Friedrich Nicolaus Rosenkrantz’ aus Querfurth vom 24. April 1747. 25 Siehe
II.7. Die weiteren Versorgungsgüter141
schen Ostindienkompanie auch für 15 statt 13 Rhtlr.30. Gerade wegen des höheren Preises wollte man aber nicht völlig auf die einheimische Salpeterproduktion verzichten und so gab es schon seit 1723 nicht weniger als 34 Salpeterhütten im Herzogtum Magdeburg und im Halberstädtischen, obgleich vereinzelt auch weitere Hütten wie in Küstrin vorhanden waren31. Etwas komplizierter gestaltete sich die Lage offensichtlich im erst kürzlich eroberten Schlesien. Dort gab es insgesamt wohl 10 Pulvermühlen und 8 Salpetersieder, von denen die meisten aber kaum größere Mengen herstellten, lediglich ein Sieder namens Tintz erzeugte pro Jahr bis zu 40 Zentner32. Oberstleutnant Dieskau schlug daher vor, die Pulverproduktion in Schlesien gänzlich einzustellen und die geringen Salpetermengen in Berlin mitzuverarbeiten, da er hoffte, auf diese Weise von Importen aus dem Ausland größtenteils unabhängig zu werden33. Letztlich konnte man aber offenbar nie ganz auf die Pulverimporte verzichten und beabsichtigte 1762, als die Änderung der diplomatisch-strategischen Situation im Siebenjährigen Krieg es wieder zuließ, sogar große Pulvermengen vom einstigen Gegner in St. Petersburg zu kaufen, zumal dort 1 Zentner Pulver nur 75 Rhtlr. kostete, während man in den Niederlanden zur selben Zeit 100 Reichstaler für die gleich Menge bezahlte34. Wie wertvoll das Schießpulver in den späteren Kriegsjahren war, zeigt sich auch daran, dass König Friedrich 1759 äußerst allergisch auf Pulververschwendung reagierte und befahl, dass „[…] der erste so in der Bataille Patronenwegschmeißen wird, mit 36 mal Spitzruthen gleich darauf bestraft werden soll; Und wann die Patronenwagen kommen und die Burschen keine nehmen wollen, so soll derjenige welcher davon überführet wird, so gleich bey den Regiment arquebusiret werden, und soll die Execution vor den Regiment geschehen, ohne dass Ich weiter darüber angefraget seyn will, der Kerl habe 6 Fuß oder 6 Zoll […]“35.
Grundsätzlich lagerte man aber ohnehin viel Pulver ein, denn auch für die Festungen waren standardmäßig 8.000 Zentner vorgesehen36. Zu Beginn des Siebenjährigen Krieges scheint man aber auch noch genügend Pulver produziert zu haben, denn noch vor Kriegsausbruch sollten im Mai 1756 1.055 Zentner von Berlin nach Stettin geschickt werden, während man Anfang 1757 vom Vorrat 600 Zentner nach Magdeburg und 2.000 Zentner nach Breslau und Glogau transportierte37. 30 Vgl. Malinowski, Louis / Bonin, Robert, Geschichte der brandenburgisch-preußischen Artillerie, Erster Theil, Seite 600 und 671. 31 Vgl. ebd., Seite 672 f. 32 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 612 F: Artillerie, Train, Pontons, Waffen und Pulver, Bd. VI 1756, Blatt 1 Vorderseite. 33 Siehe ebd. 34 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 92 B 6: Varia Militaria aus der Zeit des Siebenjährigen Krieges, Blatt 14 Vorderseite. 35 GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 87 I.2: Instructions, Ordres, Avancements Sammlung aus dem Cabinet, Instruction vor die General Majors der Infanterie 12. Februar 1759. 36 Siehe Friedrich II., Das Politische Testament von 1752 – Heerwesen. Womit man eine Festung ausrüsten muss. 37 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96 B: Minüten, Nr. 66: Abschriften von Kabinettsordres, Fragmente 1757, 1758, 1759, Blatt 24 Vorderseite.
142
II. Teil: Die Kernelemente der Heeresversorgung
Allerdings waren nicht nur die Preußen hinsichtlich der Pulverbestände bei Kriegsbeginn gut gerüstet, sondern auch die Österreicher, denn sie verfügten insgesamt über 52.270 Zentner Pulver, d. h. rund 3.694 Tonnen in ihren Magazinen. Allerdings waren sie hinsichtlich der Verteilung zunächst benachteiligt, denn nicht weniger als 11.404 Zentner lagerten bei Mantua in Italien, während in Böhmen nicht einmal 1.000 Zentner vorhanden waren. In Mähren, d. h. in Brünn und Olmütz, konnte man zumindest auf fast 10.000 Zentner zurückgreifen. In Wien selbst waren zunächst rund 3.200 Zentner vorhanden, die vor allem durch Lieferungen aus der Steiermark und Tirol auf 7.500 Zentner aufgestockt wurden38. Allerdings reichten die erwähnten Pulvermengen ohnehin recht lange, denn die Preußen veranschlagten für die Herstellung von 1.000.000 Flintenpatronen gerade einmal 364 Zentner Pulver und für 300.0000 Karabinerpatronen 64 Zentner39, d. h. pro Flintenpatrone ca. 18 Gramm und pro Karabinerpatrone ca. 11 Gramm. Lediglich für die Artilleriemunition benötigte man größere Mengen, da die Kartuschen bisweilen ca. 1 Kilogramm wogen40. Entscheidend war einerseits die Patronenanzahl pro Soldat, die bei den Preußen 60 Stück betrug, während sich die Österreicher mit 39 Stück begnügen mussten. Andererseits war die Qualität des Pulvers wichtig, die bei den Österreichern wegen der Grobkörnigkeit schlechter war, sodass es manchmal zu Fehlzündungen kam41. Die Österreicher reduzierten auch die Pulverladungen ihrer Patronen um 1 Drittel, was dazu führte, dass sie mit leichteren Ladungen bei fast gleichem Gewehrkaliber gegen die Preußen ins Gefecht ziehen mussten42, was natürlich ein gravierender Nachteil war. Probleme gab es auch in der österreichischen Bekleidungswirtschaft, da die Regimenter in der Regel ihre Kleidungsstücke von privaten Lieferanten herstellen ließen, die diese dann ablieferten. Allerdings war es schwierig dieses System stärker zu zentralisieren, wie man es mit den Militärökonomiekommissionen versuchte, weil dadurch ein beträchtlicher Teil der Handwerker arbeitslos wurde und der steigende Konkurrenzdruck eine Verschlechterung statt eine Verbesserung des Materials nach sich zog43. Die Bekleidungsbeschaffung war also recht uneinheitlich und tendenziell von geringer Qualität. Das preußische System war im Vergleich dazu relativ ausgeklügelt. Denn einerseits war der Wollpreis in Preußen niedriger als in der Habsburgermonarchie44, was vermutlich mit 38 Zu
seite.
gesamten Absatz siehe OestHHStA, Kriegsakten, Nr. 346, Blatt 5 Vorder-Blatt 6 Vorder-
39 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 87 C 11, Major der Artillerie Johann Heinrich Holtzmann, 1758–1759, Blatt 2 Vorderseite. 40 Siehe ebd. 41 Vgl. Duffy, Christopher, Sieben Jahre Krieg 1756–1763 – Die Armee Maria Theresias, Seite 248. 42 Vgl. ebd., Seite 304. Das Gewehrkaliber betrug wie gesagt 18,3 mm. und das der Preußen 19,5 mm. 43 Siehe OestKA, Zentralst., Militärhofkommission Nostitz-Rieneck, Monturwesen 1748–1795, Kt. 20, Faszikel 7, Militärcommissionsprotocoll das Militärmonturwesen betreffend. 44 Siehe OestKA, Zentralst., Militärhofkommission Nostitz-Rieneck, Vorträge und Protokolle, Kt. 4, Faszikel 13.
II.7. Die weiteren Versorgungsgüter143
der größeren Gesamtbevölkerung des Habsburgerreichs zusammenhing. Andererseits hatten die Preußen ihre Bekleidungswirtschaft wohl auch als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für die Militärangehörigen aufgebaut45, wodurch diese im Winter ihr Zubrot in den Garnisonsstädten verdienten. Da die Monturen, von denen immer eine komplette zweite Garnitur vorhanden sein musste, die laut dem Ökonomie-Reglement des Marggraf Heinrich’schen Regiments jedes Jahr erneuert wurde, war so auch die zivilwirtschaftliche Beschäftigung und Versorgung dauerhaft gesichert46. Die Regimenter erhielten dabei Schnittmuster, nach denen die Fertigung zu erfolgen hatte, wobei die Kompaniechefs mit Hilfe der zu Verfügung gestellten Gelder dann die Produktion der Uniformen mit den privaten Lieferanten organisierten47. Allerdings wurden die fertigen Uniformen nicht direkt an die Regimenter oder Kompanien, sondern nach Berlin geliefert, wo durch Hans Jürgen Detlef von Massow, der wohl ebenfalls den Titel eines Generalkriegskommissars führte, und seine Sekretäre gewissermaßen die Qualitätskontrolle stattfand48. Während die gröberen Stoffe in erster Linie auf den Dörfern und in kleineren Landstädten hergestellt wurden, fertigte man die feineren Stoffe für die Offiziersuniformen im Berliner Lagerhaus49, wo dann wohl viele Uniformen eingelagert wurden. Tatsächlich zeigte sich am Beispiel des Infanterieregiments Prinz Moritz, das nach der Schlacht von Kolin stark dezimiert war, dass die neuen Rekruten hierfür zunächst zwar am Garnisonsstandort Stargard abzuliefern waren, dann jedoch nach Berlin marschieren sollten, um dort ihre Monturen und ihre Gewehre zu empfangen50. Oft wurden die Monturen auch in der jeweiligen Garnisonsstadt gelagert oder im Kriegsfall in die nächstgelegenen Festungen verbracht, wo der Magistrat sie dann auf die öffentlichen Häuser verteilte51. Die meisten Bekleidungsstücke führte man neben anderen Kleinutensilien auch im Tornister mit, dazu zählten unter anderem 1 Messer, 1 Löffel, 1 Gabel, 1 Schuh- und Kehrbürste,1 Puderbeutel, 1 Kamm,1 Talglappen,1 Feldmütze, 2 Unterhemden, 2 Collerets, 2 Vorärmel, 1 paar Strümpfe, 1 Aderlassbinde und 2 Paar Leinenhosen52. Insgesamt offenbarten sich im Bereich der Bekleidungswirtschaft also recht deutliche Unterschiede zwischen den beiden Kriegsparteien, weil die Preußen ihre Uniformen in der Herstellung stärker einer zentralisierten Qualitätsprüfung unterzogen und sie im Bedrohungsfall auch konzentrierter und gesicherter lagerten, während die Österreicher offenbar ihre Monturenversorgung ausschließlich auf Regimentsebene ohne derartige 45 Vgl. Niemeyer, Joachim, Die Bewaffnung und Ausrüstung der Armee Friedrichs des Großen, Seite 80. 46 Siehe OestHHStA, Nachlass Lacy Kt. 1, Teil II, Faszikel 11, Punkt 7. 47 Vgl. Krause, Gisela, Altpreußische Uniformfertigung als Vorstufe der Bekleidungsindustrie, Seite 18 f. 48 Vgl. Rehfeld, Paul, Die preußische Kriegsindustrie unter Friedrich dem Großen, Seite 86, 89 und 93. 49 Vgl. Herzfeld, Erika, Preußische Manufakturen, Seite 72 f. und 80 f. 50 Siehe LASA; DE, Z44 Abt. Dessau, A 9b VIb, Nr. 15: Das dem Fürsten Moritz verliehen Borckesche Regiment zu Fuß 1757 / 1760, Blatt 41 Vorderseite. 51 Vgl. OestHHStA, Nachlass Lacy Kt. 1, Teil II, Faszikel 11, Punkt 27. 52 Vgl. Scheelen, Ernst Gottlob von, Potsdamer Tagebücher, Seite 107.
144
II. Teil: Die Kernelemente der Heeresversorgung
Kontrollverfahren realisierten. Hinsichtlich der Waffen- und der Munitionsausstattung waren beide Seiten auf den ersten Blick gut auf den Krieg vorbereitet, da sie enorme Mengen an Musketen, Kugeln und Schießpulver lagerten. Der zweite Blick offenbart aber wichtige Unterschiede. So war es bei der Munition vor allem der bessere Zugang der Preußen zur wichtigen Ressource des Salpeters, die höhere Patronenanzahl pro Soldat und die größere Menge an Schießpulver pro Kugel, die ihnen geringfügige Vorteile in diesem Bereich der Ausrüstung verliehen haben dürften. Hinzu kam, dass sie offensichtlich beim Zugang zu externen Quellen für Schießpulver im Vorteil waren und die Österreicher ihr Material zerstreuter lagerten. Aus den weit entfernten Regionen wie Ungarn oder Italien bzw. der Steiermark oder Tirol musste es erst auf den Kriegsschauplatz befördert werden. Insofern deutet sich hier schon an, wie wichtig es war, dieses Material verlegen zu können, und welche große Bedeutung demzufolge den Transportmitteln und ihren Kapazitäten für die Mobilisierung aller Verbrauchsgüter zukam.
II.8. Das Transportwesen – die Transportkapazitäten und Verwendungen von Wagen und Schiffen Im 18. Jahrhundert gab es eigentlich nur 2 Möglichkeiten, um größere Mengen an Naturalien, Lebensmitteln und anderen Gütern zu transportieren, nämlich per Wagen oder per Schiff. Obwohl die Einsatzmöglichkeiten der Flussschiffe wegen ihrer Bindung an die Gewässer grundsätzlich eingeschränkter waren als die der Wagen, durfte man Erstere nicht außer Acht lassen, da sie über die weitaus größeren Transportkapazitäten verfügten. Im Folgenden sollen neben einigen allgemeinen Bemerkungen zu Beginn vor allem die Transportkapazitäten der verschiedenen Typen von Wagen und Schiffen, die Faktoren, die ihre Verwendung beeinflussten, und auch die schiere Anzahl der jeweiligen Transportmittel, welche die Konfliktparteien üblicherweise aufboten, genau beschrieben werden. Gezogen wurden die Wagen in der Regel von Pferden. Seit 1744 erwogen die Preußen auch Ochsen als alternative Bespannung, weil sie in der Lage waren, schwere Lasten zu ziehen, ohne Hartfutter ernährt und zur Not auch geschlachtet werden konnten. Allerdings sah man ihren hohen Wasserbedarf und ihre geringe Geschwindigkeit als zu hinderlich an1. Dennoch kamen sie bei Pferdeknappheit als eine akzeptable Notlösung in Betracht und wurden nicht selten für die Vervollständigung der vierspännigen Wagen genutzt. Letztlich waren beide Tierarten gleichermaßen anfällig für die Strapazen, die durch zu häufige oder zu lange Einsätze erzeugt wurden, weshalb unter anderem viele an Erschöpfung starben. Insbesondere die Brot- oder Proviantwagen waren zumeist vierspännige Leiterwagen, die man auch als Erntewagen bezeichnete. Die Länge der Gespanne betrug in der Regel wohl 11–12 Meter2. Auf dem flachen Lande besaßen die Wagen nicht selten auch unbe1 Vgl. Geschichte des Siebenjährigen Krieges nach authentischen Quellen bearbeitet von Offizieren des Großen Generalstabes, Berlin, 1824, Bd. 1, Seite 63. 2 Siehe De Ligne, Charles Joseph, Melanges Militaires, Bd. 1, Seite 218 und Schwerin, Graf von, Gedanken über einige militärische Gegenstände, Seite 155 und 158. De Ligne und Schwerin
II.8. Das Transportwesen145
schlagene Blockräder. In den gebirgigeren Regionen gab es aber viele Wagen, deren Speichenräder mit eisernen Radreifen versehen waren und bei weicherem Untergrund immer breiter ausgelegt wurden. Eiserne Verstärkungen waren auch an den Achsen in diesen Gegenden üblich, da der steinige Untergrund die tragenden Elemente des Wagens besonders strapazierte3. Trotzdem traten Beschädigungen, die ein verzögertes Eintreffen oder gar Ausbleiben der Transporte auf dem Landweg nach sich ziehen konnten, wohl recht häufig auf4. Die Transportkapazitäten der Wagen sind nicht einfach zu bestimmen, denn sie waren maßgeblich von dem Gut, das befördert wurde, abhängig. Für einen vierspännigen Wagen, der keine große Distanz bewältigen musste, konnte 1 Wispel Mehl, sprich 1 heutige Tonne wohl als Richtwert gelten5. Allerdings hatte der General der Infanterie Moritz zu Anhalt-Dessau Mitte April 1757 im Rahmen einer Aufstellung für den Verpflegungsbedarf seines Korps auch die Anzahl der erforderlichen Wagen und deren Transportkapazitäten für die jeweils unterschiedlichen Ladegüter folgendermaßen angegeben: „1) Zu 476 Wspl. Hafer a 1 Wagen 2) Zu 4436 Ct. Heu a Wagen 15 Ct. a Schock 1 Wagen 3) Zu 508 Schok Stroh 4) 123 Wspl. 8 Schffl. Mehl
476 295 508 124
Wagens Wagens Wagens Wagens“6.
Auffällig ist hierbei, dass die Transportkapazitäten der Wagen für Heu und Stroh mit 15 Zentner und 1 Schock, was 750 Kilogramm bzw. 660 Kilogramm entspricht, im Vergleich zum Mehl mit 1 Tonne niedriger lagen, was offenbar dem größeren Volumen des Raufutters geschuldet war. Aber auch die Hafermenge war mit umgerechnet 318 Tonnen geringer als beim Mehl, obgleich das Verhältnis von Wagenanzahl zu Wispel 1 : 1 betrug. Allerdings scheint die Auslastung beim Mehl ohnehin recht hoch veranschlagt gewesen zu sein, denn „[…d]ie gewöhnliche Ladung auf einen solchen 4spännigen Wagen besteht aus 3 Faß Mehl a 6 berl. Schäfel in Summa 18 Schäffel Mehl, woraus 300 Stück 6 pfündige Brot gebacken werden können, oder man beladet selbigen mit 300 Broden a 6 Pfund und führet solche der Armee nach […]“7. geben für einen Gespann 15 Schritte an. De Ligne setzt im selben Zusammenhang eine deutsche Meile mit 10.000 Schritten und Schwerin 3 Meilen mit 30.000 Schritten gleich. Da diese aber 7.500 Meter oder 7,5 km umfasste, kann man davon ausgehen, dass ein Schritt bei beiden 0,75 Meter entsprach und 15 Schritte demzufolge 11,25 Meter. 3 Siehe bis hierhin in diesem Absatz Krünitz, Johann Georg, Oeconomische Encyklopädie, Bd. 77, Seite 92 und Bd. 232, Seite 434 und 439. 4 Zu den häufigen Wagenschäden vgl. Luh, Jürgen, Die Kriegskunst in Europa 1650–1800, Seite 49 f. 5 Zu diesem Wert als maximaler Ladekapazität vgl. Geschichte des Siebenjährigen Krieges nach authentischen Quellen bearbeitet von Offizieren des Großen Generalstabes, Bd. 1, Seite 54. Genau genommen hatte man die Ladekapazität auf höchstens 2.000 Pfund veranschlagt. 6 LASA, DE, Z44 Abt. Dessau, A 9b VIb, Nr. 10, Bd. V (Verschiedene Militaria aus des Fürsten Moritz von Anhalt in preußigen Jaare 1757), Blatt 74 Vorderseite. 7 OestKA, Zentralst., Militärhofkommission Nostitz-Rieneck, Vorträge und Protokolle, Kt. 4, Faszikel 13: Von den Königlich Preußischen Proviantfuhrwesen.
146
II. Teil: Die Kernelemente der Heeresversorgung
Offenbar betrug die theoretische Belastbarkeit tatsächlich 1 Tonne, aber schon rund 830 Kilogramm eigentliche Ladung galten wegen des Pferdefutters, das man in der Regel für 4 Tage mitführte, als recht viel8. Jedes Musketierbataillon verfügte zunächst über 5 Proviantwagen, während die Grenadierbataillone 4 Stück besaßen und die Kavallerieregimenter mindestens 1 Proviantwagen pro Eskadron aufboten9. Daneben besaßen die Kompanien jeweils 1 Rüstwagen, auf dem Zubehör wie die Flintensteine transportiert wurde10. Außerdem gab es pro Kompanie 4 Packpferde, welche die Zelte beförderten, von denen jedes 130 ½ Pfund wog11. Da in der Regel pro Bataillon 24 Stück vorhanden waren, verfügte jedes Musketierbataillon über 5 Proviant- und 5 Rüstwagen sowie 20 Packpferde für die Zelte. Die Grenadierbataillone führten dementsprechend wohl 4 Proviant- und 4 Rüstwagen sowie 16 Packpferde mit ins Feld. Neben den typischen vierspännigen Wagen gab es auch zwei-, drei- und sechsspännige Wagen. Letztere benutzte man aber wohl nur für eine kurze Zeit für Getreidetransporte zwischen den Magazinen12. Zweispännige Wagen, die auch als Karren bezeichnet wurden, waren neben vierspännigen Wagen die gebräuchlichsten Typen und fanden häufig im Rahmen des Munitionstransports für die Artillerie Verwendung. Im Jahr 1756 wurden zweirädrige Karren nach thüringischem Vorbild dreispännig verwendet, um damit die gleiche Menge wie mit den Vierspännern fortschaffen zu können13. Sie wurden dann beim Mehlfuhrwesen eingesetzt. Die märkischen und pommerschen Fuhrknechte waren jedoch im Gebirge und insbesondere hinsichtlich der Lastenverteilung und des Lenkens der Pferde unerfahren, was bewirkte, dass viele der Karren während des noch zu besprechenden Feldzuges im Jahr 1757 kaputtgingen14. Geschuldet war dies in erheblichem Maße auch der Umstellung zwischen dem breiteren und engeren Geleis, also der engeren Spurbreite, wie sie in Sachsen verbreitet vorkam15. Allerdings verfügten die Preußen grundsätzlich über ein gutes Instandhaltungssystem, um derartigen Problemen weitestgehend vorzubeugen, denn die Wagen des Mehlfuhrwesens waren alle in Kolonnen oder Inspektionen zu 51 Stück eingeteilt, zu denen neben einem Inspektor jeweils auch 2 Wagenmeister, 6 Schirrmeister, 1 Hufschmied, 1 Stellmacher oder Wagenbauer sowie 1 Sattler oder Riemer gehörten. Da man in den späteren 8 Siehe
ebd. GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 84 Nn: Verpflegungsetats Preußisches, Märckisches, Schlesisches Corps Feldproviantwesen, Nn. 2: Schlesisches Corps, Ordinaire Ausgabe An monathlicher Fourage für das Corps d’Armee. 10 Siehe Scheelen, Ernst Gottlob von, Potsdamer Tagebücher, Seite 108. 11 Siehe ebd., Seite 107. 12 Siehe Zentralst., Militärhofkommission Nostitz-Rieneck, Vorträge und Protokolle, Kt. 4. Faszikel 13: Von den Königlich Preußischen Proviantfuhrwesen. 13 Vgl. Jany, Curt, Geschichte der Königlich Preußischen Armee, Bd. II, Seite 268 f. 14 Vgl. ebd., Seite 269 f. 15 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 601 E: Schriftwechsel mit dem Generalmajor / Generallieutenant von Winterfeldt Bd. III, 1754, Blatt 41 Vorderseite. 9 Siehe
II.8. Das Transportwesen147
Kriegsjahren wie 1761 und 1762 ausschließlich vierspännige Wagen statt dreispänniger Karren nutzte, zählten zu einer Kolonne immer 225 Pferde und 56 Knechte16. Das Mehlfuhrwesen des Ersten Armeekorps von 1756 umfasste ohne die Feldschmiede und das Ersatzkontingent von 40 Knechten und 160 Pferden zunächst noch 608 dreispännige Mehlkarren und bloß 180 vierspännige Spriegelwagen mit 787 Knechten und 2.541 Pferden17, die sich wahrscheinlich in 12 Kolonnen gliederten. Außerdem besaß die preußische Armee offensichtlich bereits zur Zeit des Ersten Schlesischen Krieges ein erstaunliches Maß an Organisation in ihrem Mehlfuhrwesen, da die Wagen alle mit blauen Wachsleinwänden bespannt waren, die neben den königlichen Initialen auch Nummern trugen, welche sich ebenso an den Hüten der Fuhrknechte wiederfanden18. Dies ermöglichte vermutlich ein hohes Maß an Kontrolle, das aber auch erforderlich war, wenn man so komplizierte Rotationszyklen wie beim Fünfmärschesystem ansatzweise bewerkstelligen wollte. Angeblich war es der preußischen Armee mit Hilfe dieses Systems möglich, die Marschdauer deutlich auszudehnen, indem zwischendurch wieder Nachschub von der Feldbäckerei hergestellt wurde19. Ob sich das idealisierte Rotationssystem, das wenig Karenz für Komplikationen zuließ, in der Praxis realisieren ließ, ist höchst umstritten, was damit zusammenhängt, dass es unter Umständen nicht immer richtig verstanden wurde20. Auch König Friedrich setzte den Zeitraum, über den sich eine Truppe aus dem Magazin versorgen konnte, mit 22 Tagen an, wobei die Soldaten das Brot auf 6 Tage selbst mitführten, die Kompaniewagen dieses für weitere 6 Tage beisteuerten und die Wagen des Kommissariats noch für Mehl für weitere 10 Tage aufkamen21. Dies bedeutet aber nicht, dass die Truppe 22 Tagesmärsche ununterbrochen vorrücken konnte, weil dies schon wegen der Haltbarkeitsdauer des Brotes unmöglich war. Das Nachschubsystem scheint auch mit mehreren rotierenden Kolonnen beim Mehlfuhrwesen und bei den Proviantwagen funktioniert zu haben, die an den Be- und Entladungstagen rasteten und üblicherweise darauf ausgerichtet waren, eine Feldbäckerei in einer 3-tägigen Entfernung vom Magazin sowie die Armee in einer 7-tägigen Entfernung von diesem dauerhaft zu
16 Siehe OestHHStA, Nachlass Lacy, Kt. 1, Teil II, Faszikel 21, Blatt 129 Vorderseite und 178 Rückseite. 17 Siehe GStA PK, I. HA., Rep. 96, Nr. 606 B: Rüstungen des Jahres 1756 allgemein, Blatt 36 Rückseite. 18 Siehe Steinberger, Johann Georg, Breslauisches Tagebuch: 1740–1742, Seite 114. Allerdings ist nicht ganz klar, ob sich die Nummerierung nur auf die Munitionswagen oder auch auf das Mehl- bzw. Proviantfuhrwesen bezog. 19 Vgl. Luh, Jürgen, Die Kriegskunst in Europa 1650–1800, Seite 51 f. Zur ursprünglichen Beschreibung dieses Systems, die die Funktionsweise zunächst für 5 und dann für 9 Tage schildert, vgl. Anonymus, Ueber das Verpflegungswesen im Siebenjährigen Krieg, Seite 41–43 und 45. 20 Vgl. Jany, Curt, Geschichte der Königlich Preußischen Armee, Bd. II, Seite 272 f. und Creveld, Martin van, Supplying War, Seite 29. Creveld stuft das System als einen Mythos ein, der sich eher dem Wunschdenken eines späteren „Schreibtischstrategen“ verdanke. 21 Vgl. Friedrich II., Die Generalprinzipien des Krieges und ihre Anwendung auf die Taktik und Disziplin der preußischen Truppen (1748), Kapitel III.
148
II. Teil: Die Kernelemente der Heeresversorgung
versorgen22. Allerdings konnte man die Nachschubdauer während eines Marsches durch die Herstellung von Brotvorräten auf 9 bis 10 Tagesmärsche von der letzten Bäckerei sowie auf 13 Tage vom letzten Magazin erweitern, indem man das erforderliche Mehl für die weitere Brotherstellung mitführte23. Welche Versorgungsmöglichkeiten sich faktisch ergaben, lässt sich am Beispiel des Ersten Korps von 1756 nachvollziehen. Mit den Proviantwagen der Einheiten (Btl. und Esk.), den Backofen- und dem Mehlfuhrwagen dürfte das Fuhrwesen für die Verpflegungsbelange, d. h. ohne die Transportmittel für die Munition, über folgende Gesamtwagenanzahl verfügt haben: Tabelle 10 Wagenmenge des preußischen Fuhrwesens für Verpflegungsbelange in Sachsen 1756 Zusammensetzung 54 Muskt.-Btl. / 15 Gren.-Btl. / 101 Esk.
Proviantwagen
Backöfen mit Zubehör
Mehlfuhrwesen der Armee
Gesamtanzahl
431
74
788
1.293
Der Tagesbedarf an Mehl betrug bei rund 75.000 Portionen 63 Tonnen. Damit benötigte man gemäß der üblichen Lademenge von 750 Kilogramm 83 dreispännige Karren für den Nachschub. Folglich konnte man der Armee mit dieser Anzahl für 9 ½ Tage das Mehl nachführen. Nach dem Rotationsschema war es aber nicht möglich, die Bäckerei dauerhaft weiter als 4 Tage vom Magazin entfernt einzurichten, weil die Wagen jeweils 4 Tage hin und zurück benötigten und zwischendurch beim Aufladen und Entladen immer noch einen Tag rasten sollten. In beiden Fällen hätte man die Entfernung mit einer größeren Wagenmenge aber ausdehnen können. Mit den Brotwagen war dies nicht möglich. Da ihre Ladekapazität 900 Portionen umfasste, mussten pro Tag 83 Stück eintreffen, um der Truppe den erforderlichen Bedarf zuzuführen. Die vorhandenen Proviantwagen reichten also aus, um den Nachschub für maximal 5 Tage von der Bäckerei zu gewährleisten. Theoretisch konnte man die Wagen des Mehlfuhrwesens aber für den Brottransport 4 weitere Tage einsetzen, während der Rest für 5 Tage Mehl mitführte. Da man über die Haltbarkeitsdauer des Brotes aber nicht hinauskam, musste man spätestens am neunten Tag rasten und das mitgeführte Mehl verbacken. Wenn dies an einem Tag gelang, dann konnte man wieder 5 weitere Tage marschieren und abzüglich des Rasttages insgesamt 13 Tage vorrücken. Die kurze Unterbrechung von 1 Tag blieb dabei unvermeidbar. Da das Brot nicht länger als 9 Tage haltbar war und die Soldaten es normalerweise für 3 Tage mitführten, ergab es eigentlich gar keinen Sinn, für mehr als 2 Tage Wagen des Mehlfuhrwesens zuzuteilen, weil jeder überschüssige Brotvorrat verdarb, wenn man diesen nicht an die Truppen in erhöhten Sätzen vorher zum Verzehr verteilte. 22 Vgl. Cancrin, Georg, Üeber die Militärökonomie im Krieg und Frieden und ihr Wechselverhältnis zu den Operationen, Bd. 1, Seite 64–66. 23 Vgl. ebd., Seite 67.
II.8. Das Transportwesen149
Zu berücksichtigen ist allerdings auch, dass die Eskadrons der Kavallerie aufgrund ihrer geringeren Größe zwar nur rund 120–170 Brotportionen pro Tag benötigten, zusätzlich aber auch rund 2,3 Tonnen Pferdefutter. Damit waren für jede Eskadron eigentlich 2 ½ Wagen zusätzlich erforderlich, d. h. bei 101 Eskadrons pro Tag 252 Stück. Folglich waren die Soldaten mit dieser Menge an Proviantwagen 2 Tage mit Brot, aber nur 1 Tag mit Futter zu versorgen, wenn die Kavallerie nicht selbst Futter mitführte, was in der Regel für 3 Tage der Fall war, sodass dieser Zeitraum immer noch gewährleistet war. Sofern sie sich dann durch Fouragierungen verpflegte oder zusätzliche Proviantwagen zur Verfügung standen, die den Pferden Futter nachführten, konnten auch sie bis zu 9 Tage ununterbrochen vorrücken. Dies zeigt, dass sowohl die Haltbarkeitsdauer der Lebensmittel als auch die Menge an Transportmitteln den Bewegungsradius der Streitkräfte entscheidend beeinflussten. Daneben gab es noch einen weiteren Faktor, der maßgeblich die Versorgungsdauer bestimmte, nämlich wie sich der Anteil des Pferdefutters für die Eigenversorgung der Wagen auf die verfügbare Ladekapazität bei zunehmender Entfernung auswirkte. Der dirigierende Minister in Schlesien von Schlabrendorff sandte Generalmajor von Retzow am 25. Mai 1757 ein Schreiben aus Breslau, in dem er diese Problematik ausführlich erörterte: „[…] Es sind nur einen Mittelweg zu nehmen, da doch ein großer Theil der Fuhren nach weiter würde geholet werden müssen, man hier bis Pirna 36 Meilen und wenn es also mit dem Transport nicht gut ginge, so würde mit den Tagen zur Auf und Abladung u. ohne Ruhetage 24 Tage dazu erfordert. Die Fourage müsste nach dem Reglement den Anspännern mitgegeben werden, und zwar in Ermangelung des Heus, weil solches nicht mitzuführen stehet, täglich auf 4 Pferde 12 Metz. Hafer, thut 18 Scheffel […]. Bey 18 Scheffel Hafer so der Anspänner mitnehmen muß, kann derselbe noch etwa 1 Faß Mehl laden, welches zu transportieren 38 Rthl. 12 gr oder der Scheffel 6 Rthl. 10 gr ohne die Kosten, welche auf die mitzugebende Aufseher beym Transport zu verwenden, betragen würde. […] Wenn nun wie vorgedacht per. Fuhren nur 1 Faß Mehl würde fortgeschafft werden können, so werden die auf einen Monat geforderte 1540 Wispel 6160 Fuhren erfordern, und da selbige 24 Tage zu thun hätten, so müsste gegen deren Zurückkunft schon andere 6160 Fuhren in Bereitschaft stehen, wozu den die äußeren Kreisen, als Rattibor, Pleß welche 60–70 Meilen von Dresden gelegen sind, ebenfalls würden mit konkurriren müssen, welche denn aber wie einige Niederschlesische Kreise, mit ihren kleinen Gras-Pferden, die Sächsische Grenze nicht erreichen würden, und wenn sie auch so glücklich wären, zur Hin- und Rückreise, an 2 Monat unterwegs seyn und also statt 6 Rthl. 10 gr. ein Scheffel Mehl 12 Rhtl. u drüber Transportkosten verursachen würde […]“24. 24 Schöning, Curd Wolfgang, Historisch-biographische Nachrichten zur Geschichte der Brandenburgisch-Preußischen Artillerie. Zweiter Theil, Seite 341 ff. Diese Fassung wurde aufgrund ihrer vertrauteren Orthographie und Stilistik gewählt. Glücklicherweise hat sich das Schriftstück aber noch in der Korrespondenz des Intendanten Generalmajor Retzow erhalten. Vgl. dazu GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 87 Kk2: Generalmajor Wolf Friedrich von Retzow, Blatt 10 Vorderund Rückseite. Gemessen an der Autorität und Kompetenz der korrespondierenden Personen sowie seiner inhaltlichen Relevanz, stellt es das bedeutendste verbliebene Einzeldokument zur damaligen Logistik aus preußischer Sicht dar, sodass seine Rezeption höchste Aufmerksamkeit verdient.
150
II. Teil: Die Kernelemente der Heeresversorgung
Wie sich herausstellt, konnten auf langen Strecken 18 Scheffel Hafer oder 3 Viertel des Ladevermögens verloren gehen25. Außerdem mussten die enormen Futtermengen noch teuer bezahlt werden, sodass lange Transporte auch finanziell eine große Belastung darstellten. Für das Mehlfuhrwesen bedeutete dies, dass man die Bäckerei zwar noch 36 Meilen oder 270 km vom Magazin entfernt hätte anlegen können, man dann aber eine so ungeheure Menge an Wagen benötigte, wie sie in einer Provinz kaum zu finden war. Folglich blieb man in der Praxis üblicherweise auf kürzere Entfernungen angewiesen, die vermutlich selten über 12 Meilen oder 90 km hinausgingen. Da die starken Belastungen nicht nur für die Tiere, sondern auch für die Wagen bei langen Entfernungen auftraten, gab es einen hierfür speziell angepassten Wagentyp, dessen Nutzung bisher jedoch nur für die österreichischen Truppen belegt ist. Es handelt sich hierbei um die sogenannten bedungenen oder gedungenen Wägen, die vermutlich über eine massivere Bauweise verfügten, was wohl damit zusammenhing, dass es sich in der Regel um Mietfahrzeuge handelte, die oftmals von professionellen Fuhrunternehmern genutzt wurden. Die genauen Spezifikationen der Wagen, insbesondere hinsichtlich ihrer Transportkapazitäten und ihrer Reichweite pro Tag und Monat, sind von einigen Stabsoffizieren und Beamten der Militärhofkommission Nostitz-Rieneck überliefert, die Ende des 18. Jahrhunderts das Fuhrwesen in den zurückliegenden Jahrzehnten, darunter auch in der Zeit des Siebenjährigen Krieges, untersuchten. Allerdings gelangten sie dabei zu durchaus unterschiedlichen Einschätzungen hinsichtlich der Transportkapazitäten. Eine erste Gegenüberstellung von bedungenen und normalen Wagen stellte sich wie folgt dar: „Bilance Lit A mit dem Sub Allegat No 1. Über einen Monatlichen Betrag eines vierspännigen Aerial- und eines Tagweis bedungenen 4spännigen Transportwagen. Da ein jedes Armeefurwesen, die Stationwägen lang oder kurtz seyn die Hälfte der Monathlichen Zeit mit der Rückfuhr zur Auflad Station, zubringen mus, so können eigentlich beladenen, und als dienstlichstings Täge, nur angenommen werden, 15 Tage monathlich Hiervon müssen noch abgerechnet werden, die zur auf und Abladung, dann zur Fourage Fassung mit der gantzen Division erforderliche, und auf die Helfte des Monats betragenede 3 Tage Dann zur Wagen Reparatur, einen Hufbeschlag, oder wegen Maroden Pferden, oder also daß Tag 1 Tag binnen 15 Tägen wenigstens Zusammen also 4 Tage Es bleiben als zu würcklichen Transportierung in vorwärtige Magazin monathlich eigentlich nur 11 Tage Ein Militar Fuhrwesen Transportwagen ladet die Winter und Sommer Monathe, und die gutten dannschlechten Weege in Durchschnitt gerechnet, nebst seiner Fourage nicht mehr als 20 Centner 25 Dieser formale Zusammenhang, dass sich bei größer werdenden Entfernungen die Transportkapazität aufgrund des Eigenbedarfs der Zug- und Tragetiere immer mehr verringerte, galt vermutlich auch für alle anderen zurückliegenden Epochen der Geschichte, auch wenn das Phänomen selten untersucht und herausgestellt wurde. Ein Beispiel hierfür ist jedoch Engels, D. W., Alexander the Great and the Logistics of the Macedonian Army, Seite 12–17.
II.8. Das Transportwesen151 Mit diesen fahret er, in Vorraus gesetzter Durchschnitts Berechnung 2 Meilen Täglich nicht weiter als In 11 Tagen also beladener 22 Meilen Er führet also Monathliche auf eine Distanz von 22 Meilen Von einem Magazin in das andere Mehl, oder Hartfutter 20 Centner Ein Tagweis bedungener Transportwagen Der Billigkeit wegen nimt man an, daß obschon es kontractmäsig nicht passiret ist, daß ein bedungener täglich bezalter Wagen, eben wegen der halbmonatlichen leeren Ruckfuhr, dann wegen der auf und Abladungstägen etc. etc. in einem Monate beladener im Dienst zu bringen, da dieselben kein Rasttag erlaubet ist, nur 12 Täge So sollte er doch gewöhnlich, und kontractmässig 30 Centner laden, und täglich 4 Meilen damit fahren. Mit Rücksicht der Jahreszeitten, dann Weege und Witterung, mus Verlust seines Verdienstes im Durchschnitt beständig laden 27 Centner Und mit diesen wenigst eine Distanz erreichen, die Winter und Sommermonathe im Durchschnitt von täglich 3 ½ Meilen 42 Meilen In 12 Tägen also Ein solcher Tagweis bedungener Wagen führet also ausser seiner eignen Fourage, aus einer Magazinstation in die andere monatlich auf eine Distanz von 42 Meilen, 27 Centner Mehl oder Hartfutter Gehorsamste Anmerkung Das Heu sollte stätts mit der gewöhnlichen Landes Vorspann niemals aber mit gedungenen, oder aerialischen Wägen transportiret werden, weillen mit der besten dieser Bespannungen 8, bis 10 Cent geladen werden können, und also jeder Centner in ein zwey bis vierfaches Frachtlohn zu Meille kosten würde. 20. Juli 1792 Anton Moritz Ritter von Böhmstein26“.
Die letzte Bemerkung erklärt sich mit hoher Wahrscheinlichkeit abermals durch das große Volumen des Heues, das keine effizientere Nutzung der Tragekapazität zuließ. Davon abgesehen, konnte gemäß dieser Ausrechnung ein bedungener Wagen also 1 Drittel mehr als ein normaler Transportwagen mitführen und damit täglich 1 ½-mal so weit fahren. Insofern kann man für die weiteren Überlegungen davon ausgehen, dass die bedungenen Wagen umgerechnet etwa 1,6 Tonnen und die normalen Transportwagen 1,2 Tonnen luden. Neben diesen Wagen beim Armeefuhrwesen gab es auch bei den Österreichern jene Fuhrwerke, die den Regimentern selbst zugeteilt waren. Für ein Infanterieregiment waren dies 8, für ein Kürassierregiment 3 und für ein Husarenregiment 5 Proviantwagen27. Während die regulären Regimenter auch noch 4 Zeltwagen besaßen, verfügten die Kavallerieeinheiten und die kroatischen Grenzregimenter als Miliztruppen wohl über keine Zeltwagen, sodass für sie nur die Proviantwagen anzusetzen sind. Da die Dragonerregimenter und die sächsischen Kavallerieregimenter am ehesten der mittelschweren Kaval26 OestKA, Zentralst., Militärhofkommission Nostitz-Rieneck, Kt. 16, Armeefuhrwesen 1756– 1792, Faszikel 21. 27 Siehe ebd., Faszikel 15: Bemerckungen über die Grundsätze nach welchen d Armee Fuhrwesen der k. k. Armee dermahlen in Kriegszeiten bestimmet wird.
152
II. Teil: Die Kernelemente der Heeresversorgung
lerie zuzurechnen sind, dürften sie hinsichtlich der Menge der Proviantwagen mit den Kürassierregimentern gleichzusetzen sein. Umstritten ist, ob die Infanterieregimenter tatsächlich über weitere Nachschubwagen, wie z. B. für die Munition, gemäß dem Reglement von 1748 verfügten28, oder die Soldaten Letztere nur aus der Reserve der Armee im Tross der Artillerie bezogen. Welche Anzahl sich vorläufig ohne diese standardmäßig für die Streitmacht der Österreicher ergab, zeigt folgende Tabelle: Tabelle 11 Wagenanzahl der Regimenter der vereinigten österreichischen Armee im August 175729 Regimentstyp
Anzahl
Proviantwagen
Zeltwagen
Infanterie
42
336
168
Grenztruppen (Kroaten)
12
96
Kürassiere
13
48
Dragoner
11
33
Husaren
11
55
Sächsische Kavallerie
4
12
Summe
93
580
168
Auch die weitere Bestimmung der Gesamtmenge, die daraus für Verpflegungszwecke auf Seiten der Österreicher resultierte, ist umstritten. Nach der ersten Variante kalkulierte man mit 1.000 Wagen30. Hierzu wären nun die 580 Proviantwagen der Regimenter zu addieren, sodass sich eine Summe von 1.580 Wagen ergeben hätte. Laut einer zweiten Version stellten sich die Verhältnisse aber so dar: „Campagne 1757 Zur Artillerie Zu Pontons Zum Provianttransport
Ärarisches gedungenes Mann Pferde Mann Pferde 1996 3500 15 345 920 1345 3421 3356 6921 345 920“31.
28 Zum Widerspruch vgl. Duffy, Christopher, Sieben Jahre Krieg–Die Armee Maria Theresias 1756–1753, Seite 269 und 360. 29 Zur Regimenteranzahl siehe OestKA, AFA, Nr. 606: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 VIII (1–400), Faszikel ad 140. 30 Siehe OestKA, Zentralst., Mil-Kom. Nostitz-Rieneck, Kt. 16, Armeefuhrwesen 1756–1792, Faszikel 23: Bemerckungen über das im siebenjährigen Kriege bestandene äraische Fuhrwesen vom Obristlieut. Gomez. 31 OestKA, Zentralst., Mil-Kom. Nostitz-Rieneck, Kt. 16, Armeefuhrwesen 1756–1792, Faszikel 29.
II.8. Das Transportwesen153
Wagenzahlen werden hier nicht explizit genannt, aber sofern man davon ausgeht, dass über längere Entfernungen fast ausschließlich vierspännige Fuhrwerke zum Einsatz kamen, dann kann man von der Pferdeanzahl auch Rückschlüsse auf die Wagenmenge in den jeweiligen Bereichen ziehen. Folglich dürften zum Provianttransport ca. 850 normale oder ärarische Wagen und bei den Pontons 230 gedungene Wagen eingeteilt gewesen sein. Sofern man Letztere ebenfalls für den Transport der Nahrungsmittel nutzen konnte, hätten sie hinsichtlich der Transportkapazität wohl 368 Tonnen entsprochen. Zu dieser Menge wären dann wie auch in der ersten Variante Proviantwagen der Regimenter hinzugekommen. Laut einer dritten Variante erforderte der Nachschub des 4-tägigen Brotbedarfs 507 Wagen und der des 6-tägigen Hafervorrats 840 Wagen, zusammen also 1.347 Wagen, wovon jedoch nur 1.216 Wagen tatsächlich zur Verfügung standen, während 130 Wagen fehlten32. Mit den Proviantwagen der Regimenter erhöhte sich auch diese Anzahl um 580 Stück, sodass immerhin noch 1.796 Wagen vorhanden waren. Obwohl in Variante 1 und 3 die bedungenen und gedungenen Fuhrwerke nicht erwähnt werden, waren sie vielleicht trotzdem vorhanden, wurden aber aufgrund ihrer Verwendung für den Pontontransport nicht mitberücksichtigt. Ihr Einsatz in diesem Rahmen impliziert ohnehin, dass diese Transportmittel nur bedingt für die Beförderung von Nahrungsmitteln zur Verfügung standen. Welche Kapazitäten aus den verschiedenen Varianten resultierten und welchen Anteil die bedungenen oder gedungenen Wagen hierzu theoretisch beitrugen, zeigt die folgende Tabelle: Tabelle 12 Transportwagen und ihre Kapazitäten der österreichischen Armee im Jahr 1757 Wagenzuteilung
1. Variante
2. Variante
3. Variante
Anzahl
Kapazität in Tonnen
Anzahl
Kapazität in Tonnen
Anzahl
Kapazität in Tonnen
Proviantwagen d. Reg.
580
696
580
696
580
696
Proviantfuhrwesen d. Armee
1.000
1.200
850
1.020
1.216
1.459
Zwischensumme der regulären Wagen
1.580
1.896
1.430
1.716
1.796
2.155
Bedungene Wagen
230
368
230
368
230
368
Mögliche Gesamtsumme
1.810
2.264
1.660
2.048
2.026
2.523
Da die dritte Variante die Anforderungen des Proviantwesens am transparentesten dokumentierte, dürfte sie die zuverlässigste sein. Mit maximal 1.796 Wagen war die Anzahl zwar um 1 Drittel größer als bei der preußischen Invasionsarmee von 1756. Al32 Siehe ebd., Faszikel 15: Bemerckungen über die Grundsätze nach welchen das Armee Fuhrwesen der k. k. Armee dermahlen in Kriegszeiten bestimmet wird.
154
II. Teil: Die Kernelemente der Heeresversorgung
lerdings zählte diese nur knapp 75.000 Mann, während die vereinigte Armee der Österreicher nach dem Loco-Stand über 120.000 Mann verfügte33. Da die preußische Armee um 1 Drittel kleiner war als die Armee der Österreicher, war die standardisierte Wagenmenge für Verpflegungsbelange auf beiden Seiten in etwa gleich groß. Wenn man davon ausgeht, dass die Wagen der preußischen Armee in der Lage waren, bis zu 1 Tonne zu laden, dann war auch im Bereich der Transportkapazitäten kein großer Vorsprung auf Seiten der Österreicher vorhanden. Den 1.219 Proviantwagen und Karren des Mehlfuhrwesens der preußischen Invasionsarmee mit einem Ladevermögen von 1.219 Tonnen hätten nämlich bei einer gleichgroßen österreichischen Armee 1.113 Wagen mit 1.336 Tonnen Lademenge gegenübergestanden. Jedoch änderte sich dieser Umstand durch die Kapazitäten der bedungenen Wagen, da die Österreicher bei gleicher Armeegröße wie die Preußen mit einer Gesamtkapazität von 1.700 Tonnen ihre Überlegenheit an Transportgewicht zurückerlangten, die noch größer ausfiel, wenn die Infanterieregimenter über weitere Wagen verfügten. Das Bild ändert sich jedoch vollkommen, wenn man jene Kapazitäten berücksichtigt, die beiden Seiten aus der Flussschifffahrt erwuchsen. Deren Einsatzraum war, wie schon erwähnt, zwar wesentlich eingeschränkter als der der Wagen, allerdings hatten die Preußen mit der Oder und der Elbe gleich Zugang zu 2 Wasserwegen, die sie hervorragend nutzen konnten. Das Schifffahrtswesen und die Kapazitäten der unterschiedlichen Schiffstypen oder der Gefäße, wie man sie damals nannte, sind vor allem in Magdeburg sehr gut überliefert. Die Ausmaße der Schiffe waren laut einer Liste von 1752 in etwa folgende34: Tabelle 13 Ausmaße der verschiedenen Elbschiffe Schiffstypen
Länge im Boden
Breite im Boden
Tiefe / Höhe
Rheinl. Fuß
Meter
Rheinl. Fuß
Meter
Meter
Schute
124–26 Fuß
ca. 42
16 Fuß 8 Zoll
ca. 5,5 5 Fuß 3 Zoll
ca. 2
Gelle
90–94 Fuß
ca. 30
13 Fuß 6 Zoll
ca. 3,5 4 Fuß
ca. 1,3
Arche
96 Fuß
ca. 32
14 Fuß
ca. 4
4 Fuß 3 Zoll
ca. 1,5
Quacke
60 Fuß
ca. 20
8 Fuß 6 Zoll
ca. 2,5 3 Fuß 8 Zoll
ca. 1,1
Wichtig war die Größe der Schiffe wegen ihrer Transportgeschwindigkeit, denn ein großes Schiff benötigte für die Strecke Hamburg–Magdeburg flussaufwärts 4 bis 6 Wo33 Siehe OestKA, AFA, Nr. 606: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 VIII (1–400), Faszikel ad 140. 34 Siehe Stadtarchiv Magdeburg, A. I. (Altes Archiv) S, Nr. 350: Schiffsgefäße so auf der Elbe gehen und deren Beschaffenheit betreffend 1751.
II.8. Das Transportwesen155
chen, während ein kleineres diese schon in 10 bis 14 Tagen bewältigte, was dazu führte, dass Erstere diese Reise 1- bis 2-mal im Jahr unternahmen, Letztere aber bis zu 5-mal fuhren35. Aus dem Jahr 1757 liegt ein einzelnes Frachtpapier vor, das ausführlicher dokumentiert, wie lange Schiffe von bestimmten Stationen bei ihrer Fahrt flussaufwärts benötigten. Allerdings ist nicht bekannt, um welche Schiffstypen es sich handelte. Beladen waren die 10 Schiffe mit 73 Lasten Weizen, 125 Lasten und 15 Fässern Roggen, 75 Lasten und 45 Fässern Hafer sowie 6 Zentnern Käse, 9 Zentnern Tabak, 60 Tonnen Reis, 7 Tonnen Rotscherren (Hummer) und etwas Branntwein, was umgerechnet einer Gesamtmenge von rund 600 Tonnen entsprach, sodass jedes Schiff im Durchschnitt 60 Tonnen beförderte. Demzufolge waren wohl recht große Schiffstypen, also vermutlich Gellen und Schuten im Einsatz. Obwohl sich die Schiffe stromaufwärts bewegten, kamen sie relativ schnell voran. Sie verließen am 7. Mai Hamburg, erreichten am 18. Mai Tangermünde und passierten bereits am 23. Mai Magdeburg, tags darauf Schönebeck sowie am 26. Mai Acken und Dessau, bevor sie dann am 2. Juni vorerst in Torgau eintrafen. Sie hatten also in 26 Tagen rund 400 km zurückgelegt und kamen damit auf einen Durchschnitt von etwa 15 km am Tag. Vermutlich lag dieser aber noch etwas höher bei rund 20 km, weil zum Teil Schleusen wie in Magdeburg zu passieren waren, sodass Wartezeiten anfielen36. Das Fortkommen mit den Schiffen war oft einfach, manchmal aber auch sehr mühselig. Flussabwärts konnte man sich der Strömung bedienen und per Segel auch den Wind nutzen, sofern er aus passender Richtung wehte37. Wenn Letzteres nicht der Fall war, dann mussten Zugtiere38 das Schiff flussaufwärts ziehen oder Schiffsknechte es bisweilen auch staken, was dazu führte, dass ein Schiff nicht selten zwischen 50 und 100 Mann pro Fahrt löhnte39. In Sachsen bestand das angeheuerte Zusatzpersonal oft aus berufsmäßigen Ziehern, sogenannten Schiffsstreckern oder Bomätzschern40. Der Kern der Mannschaft setzte sich bei den Elbschiffen in der Regel nur aus 12 bis 15, maximal aber 20 Leuten zusammen41. Auf der Oder kamen die Schiffer aufgrund der kleineren Schiffe mit einer Kerntruppe von nur 3 Mann aus. 35 Vgl. Mai, Erich, Die Magdeburger Elbschiffahrt im 18. Jahrhundert, Seite 678 und Reichmann, Heinz, Magdeburgs Schiffahrtswesen, Seite 23. 36 Zum gesamten Absatz siehe Landesarchiv Schleswig-Holstein, Abt. 127.3, Carl Heinrich Schimmelmann, Nr. 13: Schifferfrachten 1756–1758, Blatt 129 Vorder- und Rückseite. 37 Vgl. Reichmann, Heinz, Magdeburgs Schiffahrtswesen, Seite 20. 38 Für das 17. Jahrhundert galt wohl, dass ein Pferd an der Donau im Durchschnitt 4 Tonnen Schiffslast bewegen konnte (vgl. Pohl, Jürgen, Die Profiantirung der keyserlichen Armaden anbelangendt. Studien zur Versorgung der Kaiserlichen Armee 1634 / 35, Seite 60). Ob dies im 18. Jahrhundert noch der Fall war, ist angesichts möglicher Fortschritte in der Tierzucht, aber auch durch die anderen Strömungs- und Windverhältnisse an der Elbe und ihre Auswirkungen auf die unterschiedlichen Schiffstypen schwer zu beurteilen. 39 Vgl. Reichmann, Heinz, Magdeburgs Schiffahrtswesen, Seite 23. 40 Vgl. Glade, Heinz, Bericht über die Entwicklung der Magdeburger Elbschiffahrt, Seite 14. 41 Vgl. Mai, Erich, Die Magdeburger Elbschiffahrt im 18. Jahrhundert, Seite 695 und Reichmann, Heinz, Magdeburgs Schiffahrtswesen, Seite 18.
156
II. Teil: Die Kernelemente der Heeresversorgung
„[…W]ann zum Exempel, bey denen königl. mächtigen Armeen nur 300 Schiffsleuthe dienen, so sind solche im Stande 100 Oderkähne völlig zu besetzen, und durch die wiederholte Transporte sowohl Se königl. Majt. als allerhöchst dero Armeen und dem Publico wichtige und ersprißliche Dienste zu Wasser zu prastiren […]“42.
Die Aufgabe der Mannschaften bestand zum Teil darin, quasi als Aufklärungsabteilung entweder von kleinen Beibooten aus mit Stangen oder im Fluss selbst vorauszugehen, um das Flussbett auf Sandbänke hin zu untersuchen43. Sofern ein Schiff auf eine Sandbank lief, gab es meistens keine andere Möglichkeit, um es wieder freizubekommen, als sich eines Teils der Ladung durch vorübergehendes Ab-, Aus- und Umladen zu entledigen, weshalb man zu diesem Zweck nicht selten auch einen kleinen Kahn oder Anhänger mitführte. So oder so war ein Auflaufen aber natürlich mit einem beträchtlichen Zeitaufwand verbunden, was auch erklärt, warum große Schiffe für die Strecke Hamburg–Magdeburg im Gegensatz zu kleineren oftmals eine so lange Zeit benötigten, denn auf dieser Strecke trat ein solcher Fall nicht selten bis zu 12-mal ein44. Vermutlich waren die kleineren Elbund Oderkähne für die Stromhindernisse weniger anfällig, sodass sich auch die Magdeburger Kaufleute schon 1746 der Kahnfahrer aus der Kurmark bedienten, weil diese in der Lage waren, ihre Reisen schneller und sicherer durchzuführen45. Problematisch war natürlich auch die Nässe, der die Transportgüter im Rahmen der Umladungen ausgesetzt sein konnten, denn lange Zeit waren die Schiffe offen, was zwar nicht so sehr bei den Gütern in Fässern, dafür aber beim Schüttgut erhebliche Einbußen durch Verderb nach sich ziehen konnte46. Die großen Schiffe, insbesondere die Schuten, die bisweilen auch als gedeckte Kähne bezeichnet wurden, verfügten wohl über eine derartige Abdeckung. Ob diese in Form einer geteerten Leinwand aber auch bei den kleineren Kähnen schon in der Mitte des 18. Jahrhunderts oder doch erst gegen Ende üblich wurde, ist umstritten47. Tendenziell machte es die größeren Schiffe aber umso wertvoller, weil kaum wetterbedingte Einbußen anfielen. Erst recht galt dies für die Ladekapazitäten, die den Wert der Schiffe so maßgeblich bestimmten und 1745 folgendermaßen veranschlagt wurden:
42 GStAPK, II. HA., Abt. 14 Kurmark, CCLXI Schiffer-Sachen, Nr. 8: Die wegen Erbauung neuer Schiffsgefäße und die darauf accordirten Beneficia Ergangenen Ordres, Vol. II: Schreiben der gesamten Kaufmannschaft hiesiger Residentzien, Berlin den 3ten Juny 1762. 43 Vgl. Reichmann, Heinz, Magdeburgs Schiffahrtswesen, Seite 18. 44 Vgl. ebd., Seite 21. 45 Vgl. Mai, Erich, Die Magdeburger Elbschiffahrt im 18. Jahrhundert, Seite 775 f. 46 Zur Wichtigkeit des Schutzes der Transportgüter vor Feuchtigkeit vgl. auch Luh, Jürgen, Kriegskunst in Europa 1650–1800, Seite 45. 47 Vgl. zu den tendenziell unterschiedlichen Auffassungen Glade, Heinz, Bericht über die Entwicklung der Magdeburger Elbschiffahrt, Seite 13 und Reichmann, Heinz, Magdeburgs Schifffahrtswesen, Seite 24.
II.8. Das Transportwesen157 Tabelle 14 Gesamtkapazitäten der Schiffe der Stadt Magdeburg im Jahr 1745 in Wispeln48 Schiffstyp / -gefäß
Anzahl
Gesamttransportkapazität in zeitgenössischen Hohlmaßen Mehl in Wispeln
Hafer in Wispeln
Schuten
25
2.665
3.795
Große Gellen
13
732
1.058
Normale Gellen
30
672
983
Kähne
31
444
880
Gesamt
99
4.513
6.716
Die Liste zeigt anscheinend auch, dass die Transportkapazitäten der Schiffe ebenfalls durch die Art des jeweiligen Frachtgutes beeinflusst wurden. Laut diesen Aufstellungen trugen die Schuten 60–110 Wispel Mehl oder 70–155 Wispel Hafer, große Gellen zumeist 60–80 Wispel Mehl oder 80–100 Wispel Hafer, normale Gellen 24–36 Wispel Mehl oder 30–50 Wispel Hafer und die Kähne meistens 16 Wispel Mehl oder 24 Wispel Hafer49. Zustande kamen diese gravierenden Unterschiede aber durch die Gewichtsdifferenz des Hohlmaßes Wispel, sodass die Kapazität für Hafer bei den großen Schiffen um 30 % und bei den kleinen Schiffen rund 33 % höher angegeben wurde. Das eigentliche Ladegewicht war wohl mit der Mehlmenge gleichzusetzen, die dem heutigen Tonnenmaß entsprach. Einen gewissen Einfluss übte auf Transportkapazitäten aber auch der Wasserstand aus, der dazu führte, dass die Belastbarkeit um ca. 10 % sank50. Unter Berücksichtigung des verschiedenen Frachtgutes und der unterschiedlichen Wasserstände dürften sich die Kapazitäten der verschiedenen Schiffstypen 1745 so dargestellt haben: 48 Zu den Zahlen der Schiffe sowie ihren einzelnen und summarischen Tragekapazitäten vgl. Stadtarchiv Magdeburg, A. I. (Altes Archiv) S, Nr. 326: Schiffsbeschlag nach Berlin und Glogau betreffend 1745, Bd. I, besonders die Spezifikationslisten vom 6., 8. und 20. März 1745. Nach diesen Aufstellungen waren 37 Schuten, 32 normale und 15 große Gellen sowie 40 Kähne vorhanden. Davon gehörten aber 10 Schuten, 2 große und 2 kleine Gellen sowie 9 Kähne nicht zur Stadt selbst, sondern zu den anderen Ortschaften wie Arneburg, Gottesgnaden, Schönebeck und Tangermünde. 2 weitere Schuten waren wohl nicht immer verfügbar. Gemäß der Aufstellung vom 19. März waren sogar 31 Schuten, 51 Gellen und 44 Kähne vorhanden, wovon allein 6 Schuten und 4 Gellen aus Tangermünde und Arneburg stammten, während 4 Kähne üblicherweise auf der Oder verkehrten. 49 Siehe Stadtarchiv Magdeburg, A. I. (Altes Archiv) S, Nr. 326: Schiffsbeschlag nach Berlin und Glogau betreffend 1745, Bd. I, besonders die Spezifikationslisten vom 6., 8. und 20. Marty 1745. 50 Siehe Stadtarchiv Magdeburg, A. I. (Altes Archiv) S, Nr. 295: Schiffsbeschlag wegen einiger nach Berlin erforderten Schiffsgefäße 1740, Aufstellung vom 8. Oktober 1741.
158
II. Teil: Die Kernelemente der Heeresversorgung Tabelle 15 Elbschiffstypen und ihre Transportkapazitäten in Tonnen und Wispeln im Jahr 174551
Schiffstyp
Hohes Wasser
Niedriges Wasser
Mehl
Hafer
Mehl
Hafer
Wispel / Tonnen (Gewicht)
Wispel (Hohlmaß)
Wispel / Tonnen (Gewicht)
Wispel (Hohlmaß)
Schute
60–110
80–155
54–100
72–125
Große Gelle
60–80
80–100
56–72
72–90
Arche
40–66
60–100
36–60
55–90
Gelle
24–36
30–50
22–32
27–45
Kähne
10–17
16–24
9–15
14–22
Quacke
10–13
16–20
9–12
14–18
Gemäß dieser Kalkulation betrug die durchschnittliche Kapazität bei Niedrigwasser 77 Tonnen für die Schuten, 64 Tonnen für große Gellen, 48 Tonnen für die Archen, 27 Tonnen für normale Gellen, 12 Tonnen für die Kähne und 11 Tonnen für die Quacken. Interessanterweise bestätigen sich für die Gellen und Kähne die Transportkapazitäten, wie sie für Mehl bei niedrigem Wasserstand angegeben sind, anhand einer anderen Liste vom August 1744 für einen klassischen Sommermonat, in dem der Pegel in der Tat verhältnismäßig niedrig gewesen sein dürfte52. Die Kapazitäten der Gellen schwankten diesen Angaben zufolge stark zwischen 18 und 50 Tonnen, wobei sich der Großteil jedoch im Bereich zwischen 26 und 45 Tonnen bewegte53. Die Kähne lagen mit 7 und 8 Tonnen zum Teil wohl sogar noch unter den errechneten Werten54. Für die Gesamtkapazität war neben dem Ladevermögen der Schiffe vor allem deren Anzahl entscheidend. Ab 1747 scheint diese deutlich zugenommen zu haben, denn im gesamten Jahr zählte man schon 45 Schuten, 27 Gellen sowie 90 Anhänger und 51 Zu den Ausgangswerten der Wispel für die Schuten, großen Gellen, normalen Gellen und Kähne angenommen für hohes Wasser siehe Stadtarchiv Magdeburg, A. I. (Altes Archiv) S, Nr. 326: Schiffsbeschlag nach Berlin und Glogau betreffend 1745, Bd. I, besonders die Listen vom 6.8. und 20 Marty 1745. Zu den Quacken und Archen siehe ebd., Nr. 295: Schiffsbeschlag wegen einiger nach Berlin erforderten Schiffsgefäße 1740, Aufstellung vom 8. Oktober 1741. Die umgerechneten Tonnenmengen für das Schüttgut bei unterschiedlichen Wasserständen stellen Schlussfolgerungen dar. 52 Siehe LASA, MD, A 7, Nr. 1a: Beschlagnahme von Kähnen und Schiffen auf der Elbe für einen Salztransport nach Ostfriesland sowie einen Mehl- und Artillerietransport 1744. 53 Siehe ebd. 54 Siehe ebd.
II.8. Das Transportwesen159
Kähne55. 1752 waren in Magdeburg 112 Schuten, 73 Gellen, 88 Quacken und 47 Kähne vorhanden, sprich 320 Schiffe, was aber ein absoluter Spitzenwert gewesen zu sein scheint, weil die Menge der Schiffe in den Jahren 1753 bis 1755 doch wieder etwas sank56. Dies hing wohl nicht zuletzt damit zusammen, dass inzwischen viele Kahnführer in Tangermünde ansässig waren, von denen einige Schiffer 10 bis 12 Schiffe besaßen57. Vor allem im Bereich der Schuten stieg die Anzahl um das 3- bis 4-Fache, was wegen der Größe dieser Schiffsgefäße schon einen immensen Anstieg der Transportkapazitäten nach sich zog. Auch 1756 waren wohl 57 Schuten, 45 Gellen und sogar 148 Kähne vorhanden58. Ein Jahr später war die Anzahl wahrscheinlich infolge der ersten Kriegsanstrengungen schon wieder gesunken. Dennoch verfügten die in Magdeburg ansässigen Schiffer 1757 noch über 49 Schuten, 9 Gellen, 38 Quacken und 31 eigene Kähne, die noch durch die angemieteten Schiffe, nämlich 16 Schuten, 10 Gellen, 12 Quacken und 6 Kähne, ergänzt wurden59. Wie sich proportional zur Anzahl der Schiffe die Transportkapazitäten gemäß den verschiedenen Schiffstypen gesteigert haben dürften, zeigt die folgende Übersicht in tabellarischer Form:
55 Vgl. Mai, Erich, Die Magdeburger Elbschifffahrt im 18. Jahrhundert, Seite 687. Im Gegensatz dazu wohl Schmoller, Gustav von, Die wirtschaftlichen Zustände des Herzogtums Magdeburg. Bevölkerung, Ackerbau, Handel und Schifffahrt 1680–1786, Seite 48. Laut Schmoller waren in diesem Jahr nur 28 Schuten, 27 Gellen und 40 Anhänger und Kähne sowie 40–50 weitere Kähne der Kahnführer vorhanden. Während bei den Kähnen eine andere Zusammenrechnung vorstellbar erscheint, ist kaum nachvollziehbar, wie sich die große Differenz bei den Schuten erklärt, was angesichts der damit verbundenen großen Ladekapazitäten aber alles andere als unwichtig ist. 56 Siehe GStAPK, II. HA., Abt. 15 Magdeburg, CLXXXI Manufaktur- und Commerciensachen, Nr. 4: Acta betreffend den Success des Magdeburgischen Commerci wegen der zu Verbeßerung des Elb-Commerci vorgeschlagenen Geränke, Bd. I, Blatt 153 Rückseite–156 Vorderseite, Blatt 168 Rückseite–171 Vorderseite, Blatt 179 Rück- und 181 Vorderseite sowie Blatt 193 Rück- und 196 Vorderseite. Die genaue Bestimmung des Schiffsbestandes ist schwierig, weil es sich hierbei um Momentaufnahmen des Schiffsverkehrs handelt, wo auch Schiffe aus anderen Städten und Provinzen berücksichtigt sind, die aber trotzdem nicht alle Städte der Provinz Magdeburg umfassen. 57 Siehe ebd., Blatt 169 Rückseite und 170 Vorderseite. 1753 waren allein 91 Kähne aus Tangermünde im Einsatz. Davon besaßen Paul und Arend Isendahl 10 Stück und der Schiffer Jacob Kampff 12. 58 Vgl. Mai, Erich, Die Magdeburger Elbschifffahrt im 18. Jahrhundert, Seite 687. 59 Siehe GStAPK, II. HA., Abt. 15 Magdeburg, CLXXXI Manufaktur- und Commerciensachen, Nr. 4: Acta die Balance von denen in Magdeburg zu Wasser und Lande eingegangenen fremden und eigenen Waaren, 1757, 1758, 1759, Bd. II, Nr. 5: Specification aller zu Magdeburg in Anno 1757 von Hamburg beladen gekommenen, auch von da dorthin beladenden abgegangenen Schiffsgefäße. Die Gesamtanzahl der Schiffe der eigenen Schiffe belief sich auf 70 Schuten, 21 Gellen, 43 Quacken und 90 Kähne. Die Anzahl der gemieteten Schiffe lag insgesamt bei 17 Schuten, 15 Gellen, 12 Quacken und 10 Kähnen.
160
II. Teil: Die Kernelemente der Heeresversorgung Tabelle 16 Entwicklung des Elbschiffsbestandes der Stadt Magdeburg und ihrer Transportkapazitäten60
Jahr
Schiffstypen und -anzahl
Gesamt anzahl Schiffe
Gesamtsumme der Transportkapazitäten bei Niedrigwasser Für Mehl
Für Hafer
Wispel / Tonnen
Wispel
1745
25 Schuten, 43 Gellen (inkl. 13 große) 31 Kähne
99
3.943
5.579
1747
45 Schuten, 27 Gellen, 90 Kähne
162
5.265
7.977
1752
112 Schuten, 73 Gellen, 88 Quacken, 47 Kähne
320
12.127
18.192
1753
70 Schuten, 24 Gellen, 61 Quacken, 28 Kähne
183
7.045
10.578
1754
86 Schuten, 32 Gellen, 66 Quacken, 29 Kähne
213
7.909
11.865
1755
70 Schuten, 19 Gellen, 21 Quacken, 48 Kähne
158
6.710
10.075
1756
57 Schuten, 45 Gellen, 148 Kähne
250
7.380
11.181
1757
65 Schuten, 19 Gellen, 50 Quacken, 37 Kähne
172
6.512
9.769
Allerdings waren dies noch nicht einmal alle Schiffe, die auf der Mittelelbe zur Verfügung standen. Zum gesamten Herzogtum bzw. zur Provinz Magdeburg zählten neben der Stadt Magdeburg u. a. weitere Elbanrainerstädte wie Arneburg, Tangermünde und Schönebeck, die zusammen laut der Designation vom 22. März 1745 über 96 Schuten, 44 Gellen sowie 84 Kähne verfügten61. Insgesamt waren also 224 Schiffe vorhanden, wobei allein auf die Salzschifffahrt 27 Schuten und 21 Kähne entfielen und im Saalearm 60 Für 1745 stellen die Werte eine Addition der Einzelkapazitäten, abzüglich der 10 % für Niedrigwasser, dar. Ab 1747 beruhen die Berechnungen zur Summe der Transportkapazitäten auf den durchschnittlichen Ladekapazitäten von 1745 für Niedrigwasser, sprich 77 Tonnen für die Schuten, 27 Tonnen für die Gellen sowie 12 Tonnen für die Kähne und 11 Tonnen für die Quacken. 61 Siehe Stadtarchiv Magdeburg, A. I. (Altes Archiv) S, Nr. 326: Schiffsbeschlag zum Transport nach Berlin und Großglogau betreffend 1745, Bd. I: Designation derjenigen Schiffsgefäße welche in der Provinz Magdeburg nach d. Berichten d. 22. Marty befindl. Im Widerspruch dazu Schmoller, Gustav von, Die wirtschaftlichen Zustände des Herzogtums Magdeburg, Bevölkerung, Ackerbau, Handel und Schifffahrt 1680–1786, Seite 48. Laut diesem Aufsatz waren 1747 nur 28 Schuten, 27 Gellen und 40 Kähne vorhanden. Dies ist aber äußerst unwahrscheinlich, da schon die Stadt Magdeburg selbst, wie bereits erwähnt, zu diesem Zeitpunkt über deutlich mehr Schiffe verfügte. Schmollers Ausführungen in diesem Aufsatz beziehen sich aber ohnehin auf die gesamte Provinz Magdeburg und nicht nur auf die Stadt, sodass seine Angabe mit hoher Wahrscheinlichkeit viel zu niedrig ist. Denkbar ist aber, dass Schmoller die Anzahl der Schiffe in der Provinz ohne die Stadt angegeben hat.
II.8. Das Transportwesen161
35 Schuten und 2 Gellen und 15 Kähne anzutreffen waren62. Wahrscheinlich gab es auf der Elbe aber noch viel mehr Schiffe, denn angeblich konnte König Friedrich während des Zweiten Schlesischen Krieges für den Transport des Geschützparks nach Böhmen schon 480 Schiffe mobilisieren63. Darunter befanden sich wohl auch Elbschiffe aus den sächsischen Gebieten, dem Gebiet der Unterelbe um Lauenburg und Hamburg sowie die Kähne der Havel, Spree und Oder64. Angesichts des Zuwachses, den die Stadt Magdeburg bis in die Mitte der 1750er Jahre zu verzeichnen hatte, und der Tatsache, dass schon 1745 in der Provinz 125 Schiffe mehr als in der Stadt selbst vorhanden waren, ist es plausibel, dass den Preußen bei Ausbruch des Siebenjährigen Krieges um die 350 Schiffe in der Provinz zur Verfügung standen. Falls sie sich im gleichen Verhältnis wie 1745 verteilten, dann hätte sich hinsichtlich der Schiffsanzahl und der Transportkapazitäten folgendes Bild ergeben: Tabelle 17 Schiffsbestand und wahrscheinliche Kapazitäten in der Provinz Magdeburg 1745 und 175665 Jahr
Summe der Schiffe
Schiffsanzahl nach Typen
Gesamttransportkapazität bei Niedrigwasser Mehl in Tonnen
Hafer in Wispeln
1745
224
96 Schuten, 44 Gellen, 84 Kähne
10.217
15.216
1756
350
150 Schuten, 69 Gellen, 131 Kähne
14.985
22.480
Neben den Schiffen der Stadt und des Herzogtums Magdeburg gab es noch weitere Flussschiffe im Königreich Preußen, die die Verbindungskanäle zur Elbe und Oder in Brandenburg sowie die Oder selbst befuhren. Die Kurmark Brandenburg verfügte vor 62 Stadtarchiv Magdeburg, A. I. (Altes Archiv) S, Nr. 326: Schiffsbeschlag zum Transport nach Berlin und Großglogau betreffend 1745, Bd. I: Designation derjenigen Schiffsgefäße welche in der Provinz Magdeburg nach d. Berichten d. 22. Marty befindl. 63 Siehe Dreyhaupt, Johann Christoph von, Ausführliche diplomatisch-historische Beschreibung des zum ehemaligen Primat und Ertz-Stift, nunmehr aber durch den westphälischen FriedensSchluß secularisiserten Herzogtum Magdeburg gehörgien Saal-Creyse und allerdarinnen befindlichen Städte, Schlössern, Aemter, Rittergüter, adelichen Familien, Kirchen, Pfarren und Dörffer […]. Erster Theil, Seite 570. 64 Vgl. Schmoller, Gustav von, Die wirtschaftlichen Zustände des Herzogtums Magdeburg. Bevölkerung, Ackerbau, Handel und Schifffahrt 1680–1786, Seite 43. 65 Die Gesamttransportkapazität ergibt sich aus der Addition der Kapazitäten der einzelnen Schiffstypen. Angenommen sind die Durchschnittswerte der Schiffstypen für Niedrigwasser, d. h. die Schuten mit 77 Tonnen, die normalen Gellen mit 27 Tonnen und die Kähne mit 12 Tonnen. Da sich 1745 unter den 44 Gellen auch die 15 großen Gellen befunden haben dürften, sind diese als Anteil der 44 Gellen mit 64 Tonnen veranschlagt und die restlichen 27 Schiffe mit der üblichen Transportkapazität.
162
II. Teil: Die Kernelemente der Heeresversorgung
dem Siebenjährigen Krieg über 62 Gellen und 364 Kähne66. Hiervon waren 44 große und kleine Gellen sowie 38 große und kleine Breslauer Kähne im Raum Brandenburg, Werder, Caputh und Potsdam beheimatet67. Weitere 237 Kähne gab es im Mittellauf der Oder in der Nähe der Städte Landsberg, Küstrin, Crossen und Züllichow68. Wie sich die restlichen 18 Gellen und 89 Kähne verteilten, ist unklar. Vermutlich werden die Gellen wegen ihrer Größe aber nahezu ausschließlich in der westlichen Kurmark ansässig gewesen sein, da man 1757 feststellte, dass „[…] diese Gefäße auf der Oder nicht gehen können, sondern blos auf der Havel, Spree und Elbe; weilen die Oder vieler Orten zu flach ist“69.
Die Transportkapazitäten waren auch hier sehr unterschiedlich. Die größeren Schiffstypen, die vor allem im westlichen Brandenburg die Verbindungen zur Elbe befuhren, konnten zum Teil ähnlich große Mengen wie die Schuten und Gellen in Magdeburg befördern. Andererseits gab es die weitverbreiteten Breslauer Kähne und die anderen Oderkähne, deren Kapazitäten sich im Bereich der Elbkähne bewegten. Das Transportvolumen der kleinen Breslauer Kähne lag sogar noch darunter. Die Tabelle auf der nächsten Seite zeigt die verschiedenen Typen, ihre Ladekapazitäten für bestimmte Güter und den prozentualen Anteil an der Menge der 319 bekannten Schiffe. Es ist deutlich erkennbar, dass die größten Anteile auf Oderkähne sowie die Breslauer Kähne entfielen, was sicherlich nicht verwunderlich ist, denn neben den kleinen Breslauer Kähnen waren diese am ehesten in der Lage, die Oder selbst und den Finow- und Friedrich-Wilhelm-Kanal dorthin zu passieren. Insgesamt betrug die Kapazität jener 426 Schiffe in der Kurmark zu Beginn des Siebenjährigen Krieges 40.763 Zentner Heu oder 8.352 Wispel Roggen70, d. h. rund 9.020 Tonnen71. Hinzu kamen noch die großen verdeckten Kähne, von denen der König offenbar 30 Stück hatte bauen lassen, um die zivile Schifffahrt nicht zu stören, während in Stettin für den Kriegsfall noch Holzteile für 140 weitere Schiffe eingelagert wurden, sodass sich 66 Siehe GStAPK, II. HA., Abt. 14, CCLXI Schiffer-Sachen, Nr. 8: Die wegen Erbauung neuer Schiffsgefäße und die darauf accordirten Beneficia Ergangenen Ordres, Vol. II: Schreiben Gröbens, Groschopps und Schmettaus aus Berlin vom 29. Mai 1762. 67 Siehe BLHA, Rep. 19 Steuerrat Potsdam, Nr. 693: Acta wegen der Schiffe so zu Kriegssachen und anderen Bedürfnüssen gebraucht werden 1756–1757, insbesondere die jeweiligen Designationen aus Potsdam, Brandenburg, Werder und Caputh vom 10. Dec. 1756. 68 Siehe GStAPK, II. HA., Abt. 14, Kurmark, CCLXI Schiffer-Sachen, Nr. 8: Die wegen Erbauung neuer Schiffsgefäße und die darauf accordirten Beneficia Ergangenen Ordres, Vol. I: Schreiben aus Cüstrin vom 20. Marty 1762. 69 BLHA, Rep. 19 Steuerrat Potsdam, Nr. 693: Acta wegen der Schiffe so zu Kriegssachen und anderen Bedürfnüssen gebraucht werden 1756–1757, Schreiben aus Potsdam vom 7. Aug. 1757. 70 Siehe GStAPK, II. HA., Abt. 14 Kurmark, CCLXI Schiffer-Sachen, Nr. 8: Die wegen Erbauung neuer Schiffsgefäße und die darauf accordirten Beneficia Ergangenen Ordres, Vol. II: Schreiben Gröbens, Groschopps und Schmettaus aus Berlin vom 29. Mai 1762. 71 Vgl. Teil II.5. Da laut dem Generalkriegskommissar Heinrich von Katt ein Scheffel Roggen im Durchschnitt etwa 45 kg wog, dürfte ein Wispel Roggen demzufolge 1.080 Tonnen gewogen haben, sodass sich eine Gesamtsumme von 9.020 Tonnen ergibt.
II.8. Das Transportwesen163 Tabelle 18 Schiffstypen und ihre Ladekapazitäten in der Kurmark Brandenburg72 Schiffstyp
Tragekapazitäten für Naturalien in: Roggen
Gerste
Hafer
Wispel (Hohlmaß) sehr große Gellen, Quasi-Schuten
Anzahl
Anteil in %
Heu Zentner
100–120
110–160
130–200
6–700
6
1,8
große Gellen
50–60
60–70
80–90
3–400
30
9,4
kleine Gellen
18–25
22–40
28–40
300
8
2,8
Breslauer Kähne
16–18
18–22
20–28
80
35
11
kleine Breslauer Kähne
12–15
15–17
19–24
60
3
0,9
Oderkähne
16–18
237
74,3
20–22
insgesamt ein Potential von 170 zusätzlichen Schiffen ergeben hätte73. Wahrscheinlich lag die Kapazität dieser Schiffe aber wegen der geringen Wassermenge der Oder nur im Bereich der Gellen, sodass sie in der Lage waren, lediglich 50–60 Tonnen zu transportieren. Da die Oder, wie zuvor erwähnt, vor allem in Schlesien aber deutlich flacher war, konnte man vermutlich selbst die Gesamtkapazität der Schiffe von 9.350 Tonnen, die sich bei einem Durchschnittswert von 55 Tonnen ergab, nur auf dem Unter- und Mittellauf der Oder voll ausschöpfen74. Insgesamt stellten sich die Schiffskapazitäten im preußischen Kerngebiet wie folgt dar:
72 Zu sämtlichen Zahlenangaben mit Ausnahme der Prozentangaben und der Werte zu den Oderkähnen siehe BLHA, Rep. 19, Steuerrat Potsdam, Nr. 693: Acta wegen der Schiffe so zu Kriegssachen und anderen Bedürfnüssen gebraucht werden 1756–1757, insbesondere die jeweiligen Designationen aus Potsdam, Brandenburg, Werder und Caputh vom 10. Dec. 1756. Zu den Kapazitäten der Oderkähne siehe GStAPK, II. HA., Abt. 14, Kurmark, CCLXI Schiffer-Sachen, Nr. 8: Die wegen Erbauung neuer Schiffsgefäße und die darauf accordirten Beneficia Ergangenen Ordres, Vol. II: Specification Wieviel Oder-Kähne in der Provintz Pommern seit dem April 1762 erbauet worden, Stettin den 6. January 1763. 73 Siehe Friedrich II., Das Politische Testament von 1752, Heerwesen – Das Kriegskommissariat. Die Zusammensetzung der Holzteile sollte im Bedarfsfall innerhalb von 3 Wochen möglich sein. Luh zufolge wurden aber nur 30 dieser Kähne gebaut und eingelagert, die beim Ausbruch des Siebenjährigen Krieges nicht mehr verfügbar waren, weil sie verrotteten. Vgl. Luh, Jürgen, Die Kriegskunst in Europa 1650–1800, Seite 222 f. Luh nennt jedoch keine Referenz für diese These, deren interne Logik etwas fragwürdig ist, denn dass eingelagerte Schiffe verrotten, erscheint auf den ersten Blick etwas unplausibel. Noch unwahrscheinlicher dürfte aber sein, dass keine der beiden Konservierungsmaßnahmen, sprich Zusammenbau oder getrennte Lagerung, funktionierte. 74 Auf dem Mittellauf der Oder gab es beispielsweise bei Wriezen durchaus Schiffe, die 40 Wispel beförderten. Vgl. Schmidt, Rudolf, Wriezen. Geschichte der Stadt in Einzeldarstellungen, Bd. 1, Seite 19. Gemeint ist hier aber der Fließtext und nicht die Tabelle auf der betreffenden
164
II. Teil: Die Kernelemente der Heeresversorgung Tabelle 19 Wahrscheinliche Anzahl der Flussschiffe im preußischen Hinterland und ihre Gesamtkapazitäten bei Beginn des Siebenjährigen Krieges 1756
Name der Stadt oder Provinz
Schiffsanzahl
Transportkapazität für Mehl in Wispeln oder Tonnen
Herzogtum Magdeburg
350
14.985
Kurmark Brandenburg
426
9.020
Stettin und Pommern
170
9.350
Summe
946
33.355
Es wird sehr deutlich, dass die Preußen in ihren Provinzen über ein ganz enormes Potential an Schiffskapazitäten verfügten und so vielleicht auch die bedeutendste Binnenhandelsmacht der damaligen Zeit im norddeutschen Raum darstellten, was anscheinend aber völlig in Vergessenheit geriet. Vor allem der Umstand, dass selbst die kleinsten Schiffstypen bei geringen Kapazitäten 12-mal so viel Hafer laden konnten wie ein normaler vierspänniger Wagen, machte sie unglaublich wertvoll. Da die Elbschiffe bzw. die Schiffe, die im westlichen Brandenburg beheimatet waren, aber nicht selten um das 20- bis 30-Fache und zum Teil mehr als das 80- bis 100-Fache eines vierspännigen Wagens aufwogen, brauchte man fast die doppelte Anzahl an kleinen Schiffsgefäßen, wie sie auf der Oder üblich waren, um die Transportkapazitäten einer entsprechenden Menge an Elbschiffen zu ersetzen. Trotzdem war auch die Vielzahl der Schiffe auf der Oder ungeheuer wertvoll, zumal die Preußen sie dort wie auf der Elbe auch häufig zur Beförderung von Artillerie oder Munition einsetzten. Attraktiv war diese Option gerade für die schwersten Geschütze der Belagerungsartillerie, da man beispielsweise für die 24 Pfund schweren Kanonen jeweils 16 Pferde und 6 Knechte benötigte, weil das Rohr selbst auf einem Sattelwagen und dazu die Lafette von je 8 Pferden gezogen wurden. Der Aufwand an Personal und Tieren war zusammen mit den Wagen für die Munition deswegen schon bei einem recht überschaubaren Umfang Belagerungswaffen relativ hoch. Daher konnte sich König Friedrich gegenüber dem Artilleriechef, Generalmajor von Linger, bei der Vorlage seiner Bespannungsliste im März 1745 nicht die Frage verkneifen, „ob er rasend tol geworden“75 sei. Jedenfalls ordnete er hinsichtlich des zu transportierenden Artilleriematerials an, „dieses muß alles zu Wasser gehen“76! Allerdings konnten von den 24-Pfündern oder halben Kartaunen, die nicht selten um die 3 Tonnen oder mehr wogen, nur 2 Stück auf die kleineren Elbkähne und die Schiffe auf der oberen Oder verladen werden, weshalb man den restlichen Raum für Pulver und Seite, in der die Schiffskapazitäten viel zu hoch angegeben sind, wahrscheinlich weil in den Spalten nicht die Zahlen nach Berliner Wispeln, sondern nach Scheffeln angegeben sein müssten. 75 GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 83 Xx2: Generalmajor d. Artillerie Christian von Linger, 1743–1745, Blatt 67 Vorderseite. 76 Ebd.
II.8. Das Transportwesen165
Kugeln verwendete77. Während man bei den Kugeln der großen Geschützkaliber üblicherweise mit einer Beförderungskapazität von bis zu 12 Tonnen rechnete, kalkulierte man beim Transport von Pulver und Flintenpatronen stattdessen nur mit 8,5 Tonnen, was darauf hinweist, dass der Verpackungsaufwand beim Schießpulver und der Kleinwaffenmunition so hoch war, dass er glatt 1 / 4 des Ladevolumens verschlang78. Trotzdem blieben die Wasser- im Vergleich zu den Landfahrzeugen ungeheuer effizient. Von den Schiffen, die auf der Elbe und Oder benutzt wurden, kann man sich nur anhand eines Bildes von Bernardo Bellotto, genannt Canaletto, einen ungefähren Eindruck verschaffen. Es zeigt das Schloss und die Festung Sonnenstein bei Pirna mit einem segelnden Kahn auf der Elbe und Schiffsrümpfe an Land im Hintergrund während des Kriegsjahres 1757.
Abbildung 3: Ausschnitt aus: Canaletto, Pirna von der Postaer Höhe79
Steinberger, Johann Georg, Breslauisches Tagebuch: 1740–1742, Seite 116 und 119. GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 85, Ll.2: Dieskau, Carl Wilhelm Oberst d. Artillerie 1758, Blatt 109 Vorderseite. 79 Vgl. Canaletto, Pirna von der Postaer Höhe, in: Schmidt, Werner, Canaletto in Pirna und auf der Festung Königstein, Seite 75. 77 Vgl.
78 Siehe
166
II. Teil: Die Kernelemente der Heeresversorgung
Grundsätzlich verfügten auch die Österreicher auf der Donau über ein großes Potential an Schiffen und Flößen, die zum Teil sogar noch durch die Wasserfahrzeuge der Nebenflüsse wie Lech, Inn, Traun oder Enns ergänzt werden konnten. Typische Schiffe waren im oberen Donaubereich die sogenannten Zillen80, die in verschiedensten Größen vorkamen, wobei zu den größten Modellen die sogenannten Kelheimer zählten, die 400 und 2.000 Zentner trugen81, sprich 24 bis 120 Tonnen. Ein ähnlicher Zillentyp waren die sogenannten Gamsen, von denen die meisten wohl zwischen 30 und 50 Tonnen trugen82. Eine weitere Variante waren die Trauner Salzschiffe, die zwischen 30 und 70 Tonnen trugen83. Der andere vorherrschende Schiffstyp war die sogenannte Plätte, die sich durch ihre flache Rumpfbauweise auszeichnete und deswegen auch die Nebenflüsse im Gebirge bis zu bestimmten Stellen befahren konnte. Ihr Ladevermögen schwankte wie bei den Kelheimern zwischen 400 und 2.000 Zentnern84. Die folgenden 3 Bilder deuten an, wie Zillen und Plätten damals und heute in verschiedenen Größen ausgesehen haben.
Abbildung 4: Heutige Zille85 80 Vgl. Neweklowsky, Ernst, Schiffahrt und Flößerei im Raum der oberen Donau, Bd. 1, Seite 186. 81 Vgl. ebd., Seite 179 f. 82 Vgl. ebd., Seite 184. 83 Vgl. ebd., Seite 204 f. 84 Vgl. ebd., Seite 194.
II.8. Das Transportwesen167
Abbildung 5: Große Zille – damals auch bekannt als Ulmer Schachtel86
Abbildung 6: Rekonstruktion historische Plätte87 85 http://de.wikipedia.org/wiki/Zille_(Bootstyp)#mediaviewer/File:Fischerzille_L %C3 % BCA_10_m_Donau_bei_Greifenstein_Nieder %C3 %B6sterreich.jpg (letzter Zugriff am 02.05. 2017). 86 http://www.schule-bw/faecher-und-schularten/gesellschaftswissenschaftliche-und-philoso phische-faecher/landeskunde-landesgeschichte/module/epochen/neuzeit/migration/donauschwa ben/b2.jpg (letzter Zugriff am 29.01.2018). 87 http: / / www.lobensommer.com / historisches (letzter Zugriff am 29.01.2018).
168
II. Teil: Die Kernelemente der Heeresversorgung
Wie bei den Preußen war es auch für das Schiffspotential auf österreichischer Seite wichtig, gerade über die größeren Exemplare mit hohem Ladevermögen in nennenswertem Umfang zu verfügen, damit sie als zusätzliche Transportkapazitäten in signifikantem Ausmaß ins Gewicht fielen. Ihre Anzahl war in der Tat enorm, denn schon in der Mitte des 17. Jahrhunderts gab es auf der Donau über 4.000 große Schiffe, die noch durch kleinere Modelle und Flöße ergänzt wurden88. Geht man von einem Durchschnittswert von rund 75 Tonnen für die großen Donauschiffe aus, dann betrug das gesamte Beförderungsvolumen im oberen Flussbereich immerhin um die 300.000 Tonnen. Dies entsprach fast dem 10-Fachen jener Menge, die für den traditionellen preußischen Herrschaftsbereich ohne Schlesien wahrscheinlich ist. Genutzt wurden diese Wasserfahrzeuge seit dem 16. Jahrhundert durchweg auch für militärische Zwecke89. Dies war auch in der Zeit des Siebenjährigen Krieges nicht anders, wo sie unter anderem für Truppentransporte zum Einsatz kamen wie bei der Beförderung der 6.000 Württemberger mit 57 Schiffen und 70 Flößen90. Allerdings gab es aus Sicht der Österreicher ein großes Problem, nämlich dass man all diese Transportmittel für die militärischen Operationen in Böhmen und Mähren nicht zur Geltung bringen konnte, weil keine Wasserstraßenverbindungen in diese Regionen existierten. Wie sich im nächsten Kapitel zeigen wird, gab es zwar auch im Operationsraum Schiffe und Flöße in begrenztem Umfang, dennoch war es ein gravierender Nachteil, die zahlreichen Wasserfahrzeuge aus dem strategischen Hinterland nicht mobilisieren zu können. Insgesamt bleibt festzuhalten, dass die Transportwagen zwar einen größeren Einsatzraum als die Schiffe besaßen, aber über die weitaus geringere Transportkapazität verfügten, die zudem auch noch von den jeweiligen Gütern und der Entfernung abhing. Beide Seiten verwandten auf den Transport ihrer Lebensmittel und Utensilien Wagenkapazitäten ähnlicher Größenordnungen. Und obwohl die Österreicher mit den bedungenen Wagen über ein wertvolles Zusatzpotential verfügten, mussten auch sie bei langen Strecken einen Großteil der Lademenge für ihre Eigenversorgung aufwenden. Dieses Problem war bei den Schiffen in diesem Ausmaße nicht gegeben, zumal ihre Kapazitäten sowohl für Fassgut wie Mehl als auch für Schüttgut wie Hafer um ein Vielfaches größer waren. Entscheidend war aber, wie viele man davon letztlich im Operationsraum zum Einsatz bringen konnte, denn hieraus erwuchsen die wesentlichen logistischen Vor- und Nachteile.
88 Vgl. Neweklowsky, Ernst, Schiffahrt und Flößerei im Raum der oberen Donau, Bd. 1, Seite 45. 89 Vgl. ebd., Seite 46. 90 Vgl. ebd., Seite 47.
III. Teil
Die Ressourcen des Operationsraums III.1. Die logistisch relevanten Ressourcen in Schlesien, Sachsen, Böhmen und Mähren Für die tatsächliche Versorgung der Truppen, aber auch für die Mobilisierung anderer kriegswichtiger Versorgungsgüter spielten vor allem die Ressourcen des zentralen Operationsraumes des Siebenjährigen Krieges in Europa, der sich über Sachsen, Schlesien, Böhmen und auch Mähren erstreckte, eine große Rolle. Dies betraf vor allem die Getreideerträge, die Möglichkeiten zur Lagerung derselben in Magazingebäuden, aber auch Mühlen für die Verarbeitung und Backkapazitäten für die Brotherstellung. Bedeutsam war auch die Größe der Bevölkerung in den Provinzen, denn von ihrem Eigenkonsum hing ab, wie hoch die Überschüsse an landwirtschaftlichen Produkten ausfielen, die für die Verpflegung von Mensch und Tier verblieben. Auch der Viehbestand in diesen Regionen spielte eine Rolle für die Versorgung, und zwar primär als Vorspann für die Transportwagen, sekundär aber auch als Potential für die Fleischbeschaffung. Wie wertvoll dabei die Ressourcen des Kurfürstentums Sachsen waren, zeigt vielleicht am besten die Spionageaffäre um den geheimen Kabinettskanzelisten Menzel, der im Jahre 1757 in Polen festgenommen und anschließend dann in Wien vom Freiherrn von Managetta vernommen wurde. Menzel hatte den Preußen offensichtlich in den 4 bis 5 Jahren vor dem Kriegsausbruch gegen ein monatliches Honorar von 100 Reichstalern, das er von den preußischen Gesandten Malzahn und Pleßmann erhielt, die Korrespondenz des sächsischen Hofes mit Österreich, Russland, England, den Niederlanden und auch Frankreich zukommen lassen, wobei ihm wohl nicht genau bekannt war, was er seinen preußischen Auftraggebern eigentlich übermittelte, weil er selbst gar kein Französisch beherrschte1. Vermutlich gelangte deshalb auch eine französischsprachige Abschrift von einer Unterredung des sächsischen Gesandten Arnims mit König Friedrich II. und General von Winterfeldt in die Unterlagen. Die Abschriften dieser und anderer Unterredungen belegen, dass die Sachsen für die Dauer des erneuten Krieges offenbar einen
1 Siehe SächsHStA-DD, 10026 Geheimes Kabinett, Loc. 1406 / 5: Acta die gegen den geheimen Cabinetts Canzelisten Friedrich Wilhelm Menzel. So wie gegen den Goldschmidtgesellen Johann Benjamin Erfurthen, wegen seit dem Jahr 1752 an die königl. Preussische Gesandschaft aus der Geheimen Cabinetts Canzelei und sonsten insgeheim communicirten Nachrichten im Jahr 1757 anhängig gewesene Untersuchung u. w. d. m. a. betref., Blatt 76 Rückseite–77 Vorderseite und Blatt 94 Vorder- und Rückseite.
170
III. Teil: Die Ressourcen des Operationsraums
Neutralitätsstatus anstrebten2. Allerdings machte König Friedrich unmissverständlich klar, dass er Sachsen zu seinen Gunsten gesichert sehen wollte und freien Zugang zur Elbe haben müsse3. Deshalb hielt er es auch für erforderlich, dass sich 24.000 Mann seinen Truppen anschlossen oder die Preußen selbst diese Anzahl in Sachsen zum Schutz gegen Feldmarschall Brownes Truppen in Böhmen zurückließen4. Offensichtlich war der Kurfürst aber nicht bereit, dem König von Preußen sein Land auszuliefern und ihm seine Truppen zu unterstellen, sodass beide Seiten im Zwist dieser Septembertage von 1755 auseinandergingen und schon vieles auf einen preußischen Einmarsch in Sachsen hindeutete. Erforderlich wurde die Invasion, um die Überlegenheit des gegnerischen Bündnisses zwischen Österreich, Frankreich, Russland, dem Reich und Schweden, die im Bereich der personellen und materiellen Ressourcen theoretisch bestand, zumindest etwas zu kompensieren, wobei die Teilnahme Russlands und Schwedens 1757 vorerst nur marginal in Ostpreußen und Vorpommern zum Tragen kam. Durch das Gegenbündnis Preußens mit der Seemacht Großbritannien stand auch die Verbindung zu Großteilen des Welthandels und damit für weitere Waffen- und Munitionslieferungen offen, dennoch war das Kurfürstentum Sachsen mit seinem gesamten Ressourcenspektrum von weitaus größerer Bedeutung. Die Erfolgsaussichten für dessen Unterwerfung waren aus preußischer Sicht von Anfang an gut, denn die kursächsische Streitmacht bestand nur aus rund 22.500 Mann mit 6.000 Berittenen5. Die Preußen rückten dagegen mit einer Kampftruppe von rund 71.700 Mann inklusive 26.300 Kavalleristen aus der Kurmark ein6. Sie drangen in 3 großen Kolonnen durch Westsachsen, entlang der Elbe und durch die Lausitz vor, besetzten schnell den Großteil des Landes und schlossen die sächsische Armee auf dem Plateau zwischen Pirna, Struppen und dem Königsstein südlich von Dresden ein7. Dort plagte die sächsischen Truppen nahezu von Anfang an der Hunger. Nachdem die Österreicher einen ersten Rückschlag gegen die Preußen bei Lowositz erlitten hatten und ihr Entsatzversuch unter Feldmarschall Browne gescheitert war, erfolgte schließlich die Kapitulation des sächsischen Heeres am 16. Oktober 17568. Dadurch gerieten nicht
2 Zu den anderen Verhandlungen vgl. Hanké, René, Brühl und das Renversement des alliances, Seite 317 f. 3 Siehe SächsHStA-DD, 10026 Geheimes Kabinett, Loc. 1406 / 5, Blatt 48 Rück- und 49 Vorderseite. 4 Vgl. ebd., Blatt 49 Rück- und 50 Vorderseite. 5 Vgl. Aster, Heinrich, Beleuchtung der Kriegswirren, Seite 17 f. 6 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 606 B: Rüstungen des Jahres 1756 allgemein, Blatt 39 Rückseite. 7 Zu den Operationen im Kriegsjahr 1756 vgl. Großer Generalstab, Geschichte des Siebenjährigen Krieges nach authentischen Quellen. Die Feldzüge von 1756 und 1757, Seite 73–138. Zu den Planungen siehe auch GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 91 J: Militärberichte an und von dem Generallieutnant von Winterfeldt 1756, Blatt 83–169. 8 Zu den Einzelheiten das Lagers bei Pirna aus sächsischer Perspektive vgl. Salisch, Marcus von, Treue Deserteure, Seite 106–137.
III.1. Ressourcen in Schlesien, Sachsen, Böhmen und Mähren171
Abbildung 7: Die Regionen Sachsens mit ihren Bodenwerten9
nur die sächsischen Soldaten in Kriegsgefangenschaft, sondern auch die Ressourcen des gesamten Landes für den Rest des Krieges in die Hände der Preußen. Besonders wichtig waren die Agrarprodukte wie die Getreidemengen, die die Grundlage der Verpflegung von Mensch und Tier bildeten. Ein wesentlicher Vorteil bestand aus preußischer Perspektive darin, dass sich die fruchtbarsten Gebiete im nördlichen Mittelsachsen um Lommatsch und im nordwestlichen Sachsen bei Leipzig und Merseburg befanden, wohin die Truppen von Halle oder den Anhaltinischen Herzogtümern innerhalb von 1 bis 2, maximal 3 Tagesmärschen vorstoßen konnten. Die Verteilung der wertvollsten Gegenden lässt sich gut anhand heutiger Bodenkarten nachvollziehen.
9 http: / / www.umwelt.sachsen.de / umwelt / download / boden / gemdat_bobew.jpg (letzter Zugriff am 02.05.2017).
172
III. Teil: Die Ressourcen des Operationsraums
Die Getreideerträge werden aus der Tabelle von 1755 ersichtlich: Tabelle 20 Aussaat, Ernte und zu Konsum verbliebene Getreidemengen in Sachsen 175510 Getreidesorte
Summen der Aussaat
Summen der Erntemengen
Zum Konsum verbleibende Mengen
Dresdner Scheffel
Tonnen
Dresdner Scheffel
Tonnen
Dresdner Scheffel
Tonnen
Weizen
68.338
5.257
231.501
19.330
163.163
13.542
Korn / Roggen
860.185
71.395
2.495.046
208.336
1.550.354
128.679
Gerste
354.359
19.600
1.217.170
67.343
862.811
47.737
Hafer
613.417
33.908
1.944.982
107.611
1.331.565
73.672
Heidekorn
39.832
3.306
104.508
8.676
64.676
5.368
Im Allgemeinen waren durchaus große Mengen wie in Gestalt des Hafers und der Gerste vorhanden, die die Preußen für die Verpflegung ihrer Pferde zumindest mitnutzen konnten, obwohl die Überschüsse gering gewesen sein dürften, weil pro Jahr im Durchschnitt nur ca. 1 Tonne auf ein Pferd entfiel11. Auch bei der Truppenverpflegung spielte die Größe der Bevölkerung neben den Ernteerträgen eine wichtige Rolle, weil der Konsum ebenfalls bestimmte, ob in nennenswertem Ausmaß Überschüsse für das Militär verblieben. Für das Kurfürstentum Sachsen lässt sich die Bevölkerungsgröße relativ einfach anhand der Generaltabelle von 1755 ermitteln, der zufolge sie sich auf 1.686.908 Personen belief12. Wenn man davon ausgeht, dass man neben dem Weizen, Roggen und Heidekorn auch die Gerste, ob nun zum Brotverzehr oder zum Bierbrauen, mitverwendete, dann standen jedem Einwohner pro Jahr aber nicht mehr als 137 Kilogramm zur Verfügung, was darauf hindeutet, dass es in diesem Bereich kaum Reserven gab. Erstaunlich ist, dass selbst in Schlesien mehr Brotgetreide vorhanden gewesen zu sein scheint. Aus der Übersicht, die der regierende Minister von Münchow 1747 einsandte, geht aber hervor, dass der Bedarf für die Aussaat und Ernährung der Bevölkerung noch höher war. 10 Zu den Originalwerten der Aussaat- und Erntemengen siehe SächsHStA-DD, 10078, Landesökonomie und Kommerziendeputation, Nr. 305: Eheschließungen, Geburten, Todesfälle in den Erblanden 1753–1755, Aussaat und Ernteerträge in den Erblanden und der Lausitz 1755. General Tabelle Über den Zuwachs an allerhand Getreyde in ChurFürstenthum Sachsen, mit denen incorpriten und übrigen Landen, wie solche in denen Monaten Jul., Aug. consigniret worden. 11 Pro Tag standen den rund 119.400 Pferden damit um die 2,8 kg an Trockenfutter zur Verfügung. Wenn sie wenigstens 3 Monate grasen konnten, dann entstand schon eine Karenz von ca. 30.000 Tonnen, die durchaus signifikant war. 12 Siehe ebd.
III.1. Ressourcen in Schlesien, Sachsen, Böhmen und Mähren173 Tabelle 21 Getreideerträge und -konsum in Schlesien 174713 Nach branden burgischem Maß
Weizen Wispel Tonnen
Roggen Wispel
Tonnen
Gerste Wispel
Tonnen
Hafer Wispel
Tonnen
Getreide wird gewonnen
63.106 68.154 282.127 304.697 124.322 82.052 208.206 138.665
Zu Aussaat und Konsumption nötig
35.573 38.418 435.169 459.204
42.695
28.178 193.381 127.631
Überschuss
27.532 29.734
81.626
53.873 14.824
Defizit
9.872
153.042 165.285
Andererseits gab es wie in Sachsen große Mengen an Hafer und Gerste, sodass sich in dieser Provinz aufgrund der Überschüsse noch größere Vorteile für die Pferdeverpflegung ergaben. Um die Truppenverpflegung war es angesichts des Roggendefizits auch hier schlecht bestellt, zumal sich der Mangel an Brotgetreide selbst dann nicht kompensieren ließ, wenn man die anderen Überschüsse an Weizen, Hafer und Gerste eintauschte. Da sich in Breslau bereits 55.500 Einwohner konzentrierten14, importierte man in Schlesien pro Jahr riesige Mengen Brotgetreide per Schiff. Der hohe Konsum der Bevölkerung war damit wohl der wichtigste zivilwirtschaftliche Anreiz, um die Transportkapazitäten der Fluss- und Kanalschifffahrt zu entwickeln und so die Versorgung dauerhaft sicherzustellen15. Die Umverteilung der großen Getreidemengen trug so dazu bei, eine Transportinfrastruktur zu erproben, die dann auch militärisch genutzt werden konnte, zumal es hinsichtlich der Lebensmittelmengen kaum einen Unterschied machte, ob man eine Armee von 55.000 Mann versorgte oder dementsprechend eine Stadt von derselben Größe wie Breslau. Die Bestimmung der gesamten Bevölkerungsgröße gestaltet sich für Schlesien aber schwierig, weil für die Zeit des Siebenjährigen Krieges keine Daten mehr vorliegen. 1775 waren es 1,4 Millionen16. In Anbetracht des Zuwachses seit dem Krieg und den Verlusten durch diesen dürfte eine Größenordnung von ca. 1,3 Millionen Einwohnern
13 Zu den Originalwerten in der Tabelle siehe Naudé, Wilhelm / Schmoller, Gustav von / Skalweit, August, Acta Borussica. Die Getreidehandelspolitik und Kriegsmagazinverwaltung Preußens 1740– 1756, Bd. 3, Seite 433. Die kleineren Mengen, sprich die Scheffelangaben, sind vernachlässigt. 14 Siehe Staatsarchiv Breslau (A. P. we Wrocławiu), Magistrat Miasta Wrocławia, Nr. 3: Die Einrichtung und Einsendung der historischen Tabellen an Königl. Kriegs- und Domainencammer, betref. a 1mo Februaris 1750 ad ult. Decembris 1767, Blatt 98 Rückseite. 15 Siehe Skalweit, August, Acta Borussica. Getreidehandelspolitik, Bd. 4: Die Getreidehandelspolitik und Kriegsmagazinverwaltung Preußens 1756–1806, Seite 306. 16 Vgl. Grünhagen, Colmar, Schlesien unter Friedrich dem Großen, Bd. 1, Seite 546 und 548.
174
III. Teil: Die Ressourcen des Operationsraums
vor und zu Beginn des Krieges durchaus realistisch sein17. Die Bevölkerung des Königreichs Preußen betrug ohne Schlesien in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts um die 2,6 Millionen18. Sie dürfte sich aber bis zur Mitte des Jahrhunderts noch um 100.000 bis 300.000 Menschen vermehrt haben19. Abzüglich der 660.000 Einwohner in Ostpreußen und 450.000 in den Westprovinzen sowie zuzüglich der 1,6 Millionen Einwohner in Sachsen stand den Preußen für den Großteil des Siebenjährigen Krieges ein Bevölkerungspotential von rund 4,7 Millionen Menschen zur Verfügung. Im Vergleich dazu war die Bevölkerung der Habsburgermonarchie trotzdem mehr als 3-mal so groß und damit theoretisch der größte Trumpf der Österreicher auf dem Tableau der Ressourcen. Insgesamt verfügte das Reich über 16 Millionen Einwohner. Davon lebten jedoch 9,7 Millionen in den Ländern der Krone Ungarns, den italienischen Besitzungen und den Österreichischen Niederlanden20 und damit weit entfernt vom Kriegsschauplatz im nordöstlichen Zentrum Europas. In den deutschen und österreichischen Erblanden waren aber immerhin 6,4 Millionen Menschen beheimatet21, wovon 1.942.519 auf Böhmen und 867.222 auf Mähren entfielen22. Folglich relativierte sich das personelle Ungleichgewicht im zentralen Operationsraum, denn es herrschte mit 2,9 Millionen (Sachsen inklusive) auf preußischer und 2,8 Millionen Einwohnern auf habsburgischer Seite weitestgehend Gleichstand. Beim lokalen Rekrutenpotential befanden sich die Österreicher leicht im Nachteil, denn die Anzahl der männlichen Personen zwischen 20 und 50 Jahren, was im Wesentlichen mit der waffenfähigen Bevölkerung gleichzusetzen war, betrug in Böhmen nämlich 382.432 und in Mähren 173.494 Mann23. Dagegen belief sich schon in Sachsen die Anzahl der männlichen Personen im Alter von 14 bis 60 Jahren auf 463.000 Mann24, sodass sich für die preußische Armee schon ohne Schlesien ein beträchtliches Potential an zusätzlichen Rekruten erschloss. Allerdings scheint die böhmische Bevölkerung besser versorgt gewesen zu sein. Im Jahr 1791 erntete man dort 11.941.386 Metzen Weizen und Roggen bei einer Bevölkerungsgröße von rund 2,9 Millionen25, sprich rund 1 Million mehr als zur Zeit des SieGroßer Generalstab, Theil 1, Bd. 1, Seite 203. GStAPK, VI. HA., Nachlass Podewils, Nr. 6, Bd. II: Einwohnerzahl vermöge der Geburts und Todtelisten de 1725. 19 Für den preußischen Herrschaftsraum ergibt sich damit eine Zwischensumme von rund 4,1 Mil lionen Einwohnern, was weitestgehend mit den traditionellen Angaben übereinstimmt. Vgl. Koser, Reinhold, Zur Bevölkerungsstatistik des preußischen Staates von 1756 bis 1786, Seite 240 f. 20 Vgl. Duffy, Christopher, Sieben Jahre Krieg – Die Armee Maria Theresias 1756–1753, Seite 33. 21 Vgl. ebd. 22 Siehe OestAVA, Inneres, Hofkanzelei, Allgemeine Reihe, Nr. 497: Politische Konskription Häusernummern. 23 Siehe ebd. 24 Siehe ebd. 25 Siehe DeLuca, Ignaz, Geographisches Handbuch vom Oesterreichischen Staate. Dritter Band, Seite 312 und 347. Angenommen ist hier, dass eine Metze einer niederösterreichischen Metze entsprach. 17 Vgl.
18 Siehe
III.1. Ressourcen in Schlesien, Sachsen, Böhmen und Mähren175
benjährigen Krieges. Geht man davon aus, dass die Ernteerträge zu dieser Zeit proportional zur Bevölkerung ebenfalls um 1 Drittel geringer ausfielen, dann dürften diese bei 7.952.963 Metzen gelegen haben, was umgerechnet 377.765 Tonnen entsprach. Wenn dies zutraf, dann standen jedem Einwohner 194 Kilogramm Brotgetreide pro Jahr zur Verfügung, also deutlich mehr als in Sachsen. Obwohl der hohe Konsum durch die Bevölkerung nicht nur in Sachsen, sondern auch in Schlesien ein ständiges Problem darstellte26, gab es dort vor der Annektierung durch die Preußen mit Ausnahme von Breslau erstaunlicherweise nur wenige Magazine für Brotgetreide und Mehl, sodass bei Hungersnöten, die zwischen 1735 und 1738 auftraten, 50.000 Menschen über der durchschnittlichen Sterberate an Mangelernährung verschieden27, obwohl die Preußen aus den Magazinen von Küstrin und Krossen Hilfslieferungen schickten28. Insofern war der Anschluss Schlesiens an die preußische Monarchie wohl auch in wirtschaftlicher Hinsicht sinnvoll. Für das Militär war es dagegen umso wichtiger, gerade dort Vorräte anzulegen und in Form der Magazingebäude entsprechende Lagerungsmöglichkeiten zu schaffen. Die Bestandssituation hatte sich 1756, wie schon erwähnt, mit über 17.000 Tonnen Mehl und Roggen aber deutlich verbessert29. Dies ist insofern nicht ganz selbstverständlich, weil sich König Friedrich bei der Schaffung weiterer Lagerungsstätten zunächst gewohnt knauserig zeigte und behauptete, er habe mehr Platz in Form von Speichergebäuden zur Verfügung, als man mit Getreide befüllen könne, bevor er dann doch wie in Glogau, Neisse und Glatz der Errichtung gänzlich neuer Magazingebäude zustimmte und in Cosel den Umbau von Kasernen genehmigte30. Allerdings gab es an bestimmten Orten wie in Schweidnitz selbst nach dem Siebenjährigen Krieg noch Handlungsbedarf, denn 1764 plante man, ein neues Gebäude mit einem Fassungsvermögen von 2.200 Tonnen Mehl und 800 Tonnen Roggen zu bauen, wofür man wegen des hohen Holzpreises sogar teilweise die alte Stadtmauer abtragen wollte31. Dies deutet darauf hin, dass die architektonische Gestaltung der Magazine wohl nicht nur mit dem Kostendruck, der im Allgemeinen herrschte, zusammenhing, sondern auch mit der naturräumlichen Ressourcenausstattung, die den Preis für die Baumaterialien in der jeweiligen Region bestimmte. Anders ist es kaum zu erklären, dass man in Magdeburg aus Kostengründen auf Holzbauten zurückgriff, während man in Schlesien aus demselben Grund Stein bevorzugte. Auch die folgenden Bilder weisen darauf hin, dass 26 Hier zeigt sich tendenziell ein Widerspruch zur traditionellen Auffassung, wonach der Bevölkerungsreichtum per se einen kanonisch hohen Stellenwert besaß. Vgl. Kunisch, Johannes, Friedrich der Große, Seite 465. 27 Vgl. Müller, Max, Getreidepolitik, Getreideverkehr und Getreidepreise in Schlesien im 18. Jahrhundert, Seite 15 f. 28 Siehe Korge, Johann Erdmann, Von den Verpflegungen der Armeen, Seite 12. 29 Vgl. II. Teil 4.: Das Magazinwesen. 30 Siehe Naudè, Wilhelm / Schmoller, Gustav von / Skalweit, August, Acta Borussica, Getreidehandelspolitik, Bd. 3: Die Getreidehandelspolitik und Kriegsmagazinverwaltung Preußens 1740– 1756, Seite 176. 31 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 93 b: Ingenieur-Major de Daries, Schreiben vom 3. Februar 1764.
176
III. Teil: Die Ressourcen des Operationsraums
in der Kurmark eher Holz- und Fachwerkbauten und in Schlesien eher Steinbauten vorherrschten.
Abbildung 8: Speichergebäude in Frankfurt an der Oder32
Abbildung 9: Speichergebäude in Breslau am Burgfeld33
32 Privatarchiv 33 Magazin
Joachim Schneider. am Burgfeld in Breslau, Herder Institut e. V., Bildarchiv, Inventarnr. 130009.
III.1. Ressourcen in Schlesien, Sachsen, Böhmen und Mähren177
Abbildung 10: Getreidespreicher in Schweidnitz34
Gelagert wurden in den Gebäuden der Festungen neben den Lebensmitteln natürlich auch Waffen und Munition in Form von Geschützen, Kugeln und Pulver. Dabei erwuchsen den Preußen auch beim Transport dieses Materials ins Operationsgebiet große Vorteile durch die Flussschifffahrt. Schon während des Ersten Schlesischen Krieges staunten die Einwohner von Breslau, welch ungeheure Menge an Geschützmaterial die Preußen mit ihren Schiffen beförderten. So kamen am 26. März 1741 50 Schiffe mit 12 24-Pfündern und der zugehörigen Munition an, denen dann am 4. April 20 Schiffe mit weiterem Geschütz, Munitionsmaterial sowie Schanzzeug, Sätteln, Zelten und Kleidungsstücken folgten, sodass man am folgenden Tage mehr als 150 Schiffe zählte35. Die folgenden Tabellen spiegeln die großen Mengen an Geschützen und Munition wider, die die Preußen zur Beginn des Siebenjährigen Krieges in Schlesien angehäuft hatten. Sie stammen schon aus dem Juni des Jahres 1757, als Prinz August Wilhelm den Oberbefehl über die schlesischen Truppen und über die zur Provinz gehörigen Festungen erhielt.
34 Schweidnitz, Kornspeicheraufnahme, Brandenburgisches Landesamt für Denkmalpflege und Archäologisches Landesmuseum, Neg.-Nr.: 62 L7 / 4264.1. 35 Siehe Steinberger, Johann Georg, Breslauisches Tagebuch: 1740–1742, Seite 116, 119 und 123.
3 lb
32
6
53
36
34
40
4
52
251
Nahmen der Vestungen
Glogau
Breslau
Brieg
Neisse
Glatz
Cosel
Im Feld
Schweidnitz
Summa
123
40
12
21
11
13
20
6 lb
145
22
3
36
10
12
24
38
12 lb
197
17
6
117
5
6
46
24 lb
Metallene Canons
21
3
3
2
13
3 lb
33
12
5
2
8
6
6 lb
248
30
52
60
60
40
1
5
12 lb
Eiserne Canons
109
14
54
55
Ausser Caliber
93
11
8
6
2
2
7
1
1
3 43
Eiserne Mortier
601
145
76
100
220
60
15
1
2
3
8
1
Ausser Hand Ausser Caliber Mortier Caliber
5 2
75 lb
1
13
50 lb
Metallene Mortiers
An Geschütz in allen Schlesischen Vestungen zur Defension vorhanden
Tabelle 22 „Bestand aller Geschütz und Ammunition in Sr. Königl. Majestät Schlesischen Vestungen zur Defension vorhanden vom Junii 1757“36
2
2
10
4
2
4
Metallene Haubitzen
178 III. Teil: Die Ressourcen des Operationsraums
98
85
2.843
7.228
4.374
4.000
5.089
28.200
Brieg
Neisse
Glatz
Cosel
Schweidnitz
Summa
36 Sämtliche
14
2.073
Breslau
3.894
998
110
429
693
373
288
5
31
95
80
86
43
lb
201.930
[…]
24 lb
55.936
[…]
Ausser Caliber
2.200
[…]
10 u. 12
3.365
[…]
16. u. 18 lb
4.724.776
490.212
730.050
1.636.712
1.121.044
399.818
230.000
116.940
Stück
Scharfe Flintenpatronen
429.450
8.000
105.560
234.250
42.160
39.030
Stück
Scharfe Carabinersp.
20.500
3.500
6.000
5.000
6.000
Stück
Scharfe Wallmusquet
15.099.832
4.445.636
472.132
2.881.023
2.667.548
960.764
1.646.469
2.014.960
Stück
Flinten Kugeln
An Ammunition in allen Schlesischen Vestungen vorhanden
289.101
[…]
12 lb […]
50 lb
776.968
40.000
367.950
8.870
148
Stück
Doppelhackenkugeln
45.729
Bomben
Tabellen in GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 116 G: Prinz August Wilhelm von Preußen 1756–1758.
60
65
2.600
Glogau
1.000
Cent
lb
Cent.
Nahmen der Vestungen
81.499
Lunte
252.235
[…]
[…]
Pulver
Summa
6 lb
3 lb
Canonen Kugeln
Kugeln und Bomben in allen Schlesischen Vestungen vorhanden
6.440.189
996.400
30.520
510.128
2.879.975
564.000
690.038
769.398
Stück
Flintensteine
4.132
[…]
75 lb
1.121.420
500.000
27.850
510.080
82.490
Stück
Carbinierkugeln
4.255
[…]
Ausser Calibre
III.1. Ressourcen in Schlesien, Sachsen, Böhmen und Mähren179
180
III. Teil: Die Ressourcen des Operationsraums
Wie in der Übersicht zu sehen, verfügten die Preußen mit fast 200 24-Pfündern und 150 12-Pfündern über enorme Reserven im Bereich der schweren Artillerie. Dies galt allerdings auch für die Verbrauchsgüter der Infanterie wie die Flintenpatronen, -kugeln und -steine, zumal für die Armee allein in Schweidnitz von beiden Sorten noch jeweils 2 Millionen Stück als Sonderbestand vorhanden waren. Beträchtlich waren allerdings auch die Munitionsbestände und die Geschützanzahl der Artillerie, vor allem wenn man bedenkt, welche Mengen die Österreicher im Vergleich dazu insgesamt und im Operationsgebiet aufzubieten vermochten. Bedeutsam ist dies, wenn man bedenkt, welch enormer Aufwand an Transportkapazitäten erforderlich war, um das Artilleriematerial dorthin zu befördern. Die Streitkräfte der Habsburger hatten den Großteil ihrer schweren Artillerie mit der zugehörigen Munition zu Beginn des Kriegsjahres 1757 noch nicht einmal nach Böhmen oder Mähren verlegt. Von den 24-Pfündern waren nur 36 Stück in Olmütz und Brünn vorhanden, wo sich auch rund 27.000 Kugeln an passender Munition befanden, zu denen noch die 7.321 Stück in Prag kamen. Folglich waren die Preußen in diesem Bereich in Schlesien um das 5-Fache an Geschützen und um das 6-Fache an Munition überlegen. Bei den 12-Pfündern stellte sich die Situation etwas günstiger dar, zumal 62 Stück in Olmütz und Brünn vorhanden waren, sodass die Überlegenheit der Preußen in diesem Segment nur das 2 ½-Fache betrug. Auch an Pulver stand in Schlesien das 3-Fache bereit, denn in Olmütz, Brünn und Prag lagerten nur rund 9.800 Zentner. Die Österreicher verfügten zwar insgesamt über 32.000 Zentner, aber wie schon 1756 lagerten Großteile weit entfernt vom Operationsraum, darunter 8.000 Zentner in Italien und Luxemburg. Insofern bestätigt sich, dass die Preußen gerade im Segment der schweren Artillerie durch die Konzentrations- und Verteilungsmängel ihrer Gegner auch zu Beginn des Feldzuges von 1757 stark überlegen waren, was vor allem wegen des Aufwandes, der mit Transport dieses Materials für die Belagerungen notwendigerweise verbunden war, von großer Bedeutung sein sollte. Nicht zuletzt deshalb scheint es merkwürdig, dass sich die traditionelle Sichtweise von der Überlegenheit der Habsburger im artilleristischen Bereich bisher so hartnäckig gehalten hat37. Gesteigert wurde der quantitative Vorteil noch, weil es den Preußen gelang, sich die Bestände des Dresdner Hauptzeughauses anzueignen, wo sie ab dem 13. September 1756 235 Bronzegeschütze in Beschlag nahmen38. Darunter befanden sich 4 Doppelkartaunen (60-Pfünder), 21 ganze Kartaunen (40- bis 50-Pfünder), 10 Not-Schlangen (24bis 30-Pfünder), 4 halbe Kartaunen (24-Pfünder), 2 Viertel-Kartaunen (12-Pfünder), 66 Feldschlangen (6-Pfünder) sowie 48 3-pfündige Regimentskanonen39. In besonderem 37 Zu den Daten der Österreicher im gesamten Absatz siehe OestKA, AFA, Nr. 599: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 I–IV, Faszikel II / 9. Zur Hartnäckigkeit dieser traditionellen Sichtweise vgl. auch Duffy, Christopher, Sieben Jahre Krieg – Die Armee Maria Theresias 1756–1763, Seite 308. 38 Siehe SächsHStA-DD, 10026 Geheimes Kabinett, Loc. 3265 / 3: Listes de Canons et de Nomes enleves de l’Arsenal de Dresde et des autres endroits l’Année 1756. 39 Siehe SächsHStA-DD, 11269 Hauptzeughaus, Loc. 14572 / 11: Feindlicher Verlust beym hiesigen Zeughauße welcher durch den königl. Preußischen Einfall de anno 1756 nach und nach erlitten worden, Blatt 1–5 Vorder- und Rückseiten.
III.1. Ressourcen in Schlesien, Sachsen, Böhmen und Mähren181
Maße interessierten sich die Preußen für die schweren Geschütze, da sie auch 18 Kammergeschütze mitnahmen, die Steingeschosse von bis zu 64 Pfund verfeuerten und 20 Stück kaiserlicher Herkunft beschlagnahmten, die überwiegend 27–30 Pfund Eisen schossen und wie die sächsischen Modelle oftmals noch aus dem 16. und 17. Jahrhundert stammten40. Auch auf einige Steinmörser wollten sie nicht verzichten, da diese über zylindrische Kammern verfügten, wobei die schwersten, Romulus und Remus genannt, ohnehin ursprünglich brandenburgischer Herkunft waren und jeweils Geschosse von 312 Pfund warfen41. Obwohl so viele Geschütze und Mörser konfisziert wurden, hielt sich die Menge an passender Munition in Grenzen, denn es waren nur 27.789 gegossene und 37.185 geschmiedete Eisenkugeln vorrätig42. Dafür befanden sich vor Ort aber der Großteil der brauchbaren Gewehre mit 8.862 Stück, enorme Mengen zugehöriger Flinten-, Karabiner- und Pistolensteine sowie rund 4.000 Zentner Pulver, während sich die übrigen Bestände auf die Leipziger Pleißenburg, den Königstein, den Sonnenstein sowie Freiberg und Senftenberg verteilten43. Der Großteil dieser Beutestücke wurde aber sofort nach Magdeburg verschifft, um bei einem eventuellen Eindringen der Österreicher nach Sachsen diesen ein weitestgehend leeres Zeughaus hinterlassen zu können44. Wie Schlesien verfügte auch das Kurfürstentum Sachsen über gute Voraussetzungen für die Lagerung von Waffen, Munition, Getreide und andere Lebensmitteln. So gab es diverse kleinere Standorte, deren zivile Bauten sich durchaus auch für die Nutzung als Magazine anboten wie in Zeitz, wo man den Opernsaal des Schlosses und einen Boden darüber zum Schüttraum umwandelte, sodass anschließend 3.000 Scheffel Korn gelagert werden konnten45. Zu den wichtigsten Magazinplätzen zählten vor allem die größeren Städte an der Elbe wie Wittenberg, Torgau, Meißen und natürlich die Hauptstadt Dresden.
40 Siehe
ebd., Blatt 8 Rückseite–Blatt 10 Rückseite. ebd., Blatt 23 Vorderseite. 42 Siehe ebd., Blatt 44 Vorder- und Rückseite. 43 Siehe SächsHStA-DD, 10026 Geheimes Kabinett, Loc. 1086 / 8: Das Hauptzeughauß in Dresden und darinn befindliche Gewehr, Munition und Schantzzeug, Summarischer Extract pro Octobr. 1755. 44 Vgl. Schöning, Curd Wolfgang, Historisch-biographische Nachrichten zur Geschichte der Brandenburgisch-Preußischen Artillerie. Zweiter Theil: Die königl. Preußische Artillerie während des Siebenjährigen Krieges, Seite 30. 45 Siehe SächsHStA-DD, 11237 Geheimes Kriegsratskollegium, Nr. 3677: Acta Die Aptierung des Schlosses in Zeitz zu einem Magazinhauße sämmtl. Reparaturen betreffn. Anno 1753, 1754, 1756 betref., Blatt 12 Vorderseite. 41 Siehe
182
III. Teil: Die Ressourcen des Operationsraums
Wie die folgende Abbildung zeigt, gab es in Wittenberg ein massives Magazingebäude, wo im Erdgeschoss 800 Fässer sowie je 1.000 Zentner Mehl im ersten und zweiten Stock gelagert werden konnten, während das letzte Stockwerk sowie die Dachböden 800, 600 oder 200 Scheffel Roggen oder alternativ dazu die doppelte Menge an Hafer aufnahmen46. Folglich konnten insgesamt über 130 Tonnen Getreide sowie 300 bis 400 Tonnen Mehl gelagert werden, was gemessen am Verbrauch eines großen Truppenverbandes nicht gerade viel war.
Abbildung 11: Ansicht des Militärproviantmagazingebäudes in Wittenberg47
Ungeheuer wertvoll wurde das Gebäude aber wegen seiner Flussnähe, denn obwohl „[…] nun das Wittenberger Magazin Hauß nicht beträchtlich ist, […] so verdient dasselbe in Rücksicht auf dessen vortheilhafte Lage, da auf dem Elbstrohm, die weiter Transportirung des Getreides ungemein erleichtert wird, vorzügliche Aufmerksamkeit […]“48.
Leipzig war zwar mit seinen 28.579 Einwohnern zu Beginn des Siebenjährigen Krieges eine der größten Städte im Kurfürstentum und die größte Stadt in Nordsachsen49, 46 Siehe 47 Ebd.
SächsHStA-DD, 11373 Karten des Kriegsarchivs, Fach XI, Nr. 36a.
48 SächsHStA-DD, 10036 Finanzarchiv, Loc. 35865 Rep. 8, Nr. 460: Militär Magazin Gebäude zu Freyberg, Torgau, Wittenberg, Spremberg, Weissenfels, Bautzen, Zwickau. 49 Siehe Stadtarchiv Leipzig, Titularakten XXXI, A(F) Nr. 18, Blatt 48.
III.1. Ressourcen in Schlesien, Sachsen, Böhmen und Mähren183
eignete sich aber nur bedingt als Magazinstandort. Wie eine Magazinaufstellung aus dem Zweiten Schlesischen Krieg im Jahr 1745 zeigt, konnten zwar beträchtliche Mengen in der Pleißenburg untergebracht werden, die restlichen Vorräte, insbesondere das voluminöse Raufutter, mussten wahrscheinlich aus Platzmangel außerhalb gelagert werden50. Die Bedeutung der Stadt als Finanzplatz und Geldmarkt war dagegen so groß, wie man es sich überhaupt nur vorstellen kann. Dies zeigt sich nicht zuletzt daran, dass der Stadt Leipzig in den preußischen Kontributionsforderungen derselbe Anteil zugedacht wurde wie dem ganzen Leipziger oder Meißener Kreis51. Die Besonderheit Leipzigs bestand aber darin, dass man dort binnen einer Woche Bargeld in einer Größenordnung von 600.000 Reichstalern aufzubringen vermochte52. Außerdem konnten von den Kaufleuten auch Wechsel, d. h. Zahlungsobligationen gegenüber Handelspartnern aus Amsterdam, Hamburg, Berlin, Magdeburg und Königsberg, ausgehändigt werden53. Der bedeutendste Magazinplatz in Nordsachsen war Torgau, wo sich während des Krieges das Generalkriegsdirektorium unter dem Minister von Borck einrichtete. Mit der unmittelbaren Lage an der Hauptnachschubroute, der Elbe, bot sich die Stadt neben Meißen und Dresden am ehesten für die Heranführung und Lagerung der großen Verpflegungsmengen an. Hierfür war nicht nur ein großes Magazinhaus, sondern auch noch ein Kornhaus mit 2 weiteren Nebengebäuden vorhanden, das sich südlich des Schlosses Hartenfels in unmittelbarer Nähe der Elbe befand54. In erster Linie stach Torgau aber durch eine der höchsten Dichten an Schiffsmühlen in ganz Sachsen hervor, denn offensichtlich gab es zwischen 24 und 29 Stück, während andere Orte wie Dresden oder Mühlberg nur zwischen 5 oder 12 dieser Einrichtungen vorweisen konnten55. Ein Nachteil war jedoch, dass die Stadt selbst wohl nur durch die mittelalterliche Stadtmauer geschützt war und bei Beginn des Siebenjährigen Krieges noch über keine moderneren Befestigungselemente verfügte56. 50 Siehe LASA, DE, Z44 Abt. Dessau, A9b IVb, Nr. 9, Bd. II: Acta wegen Commissariats Sachen betreffendt die Campagne in Sachsen 1745, Blatt 11 Vorderseite. Auf der Pleißenburg konnten nach dieser Aufstellung aber immerhin noch 2.000 Scheffel Mehl, 12.710 Scheffel Korn, 500 Scheffel Hafer und 13 Zentner Zwieback gelagert werden, was umgerechnet zusammen ca. 1.260 Tonnen entsprach. 51 Siehe ebd., Blatt 9 Vorderseite. 52 Siehe ebd., Blatt 44 und 48 jeweils Vorderseite. 53 Siehe ebd., Blatt 49 Vorderseite. 54 Siehe SächsHStA-DD, 11373 Karten des Kriegsarchivs, Fach X, Nr. 50, 57 und 58. 55 Siehe SächsHStA-DD, 10036 Finanzarchiv Loc. 33804, Rep. 27, Nr. 58b: Verzeichnis der Mahl-, Schiffs-, Wind-, Walk-, Polier-, Schleif-, Pulver- und Papiermühlen und ihrer Gänge in Kursachsen und den inkorporierten Ländern, Generaltabelle über die in nachgesezten Ämtern befindl. Wind-Schiff- und Wassermühlen, deren dabei befindliche Mahlgänge und siehe LASA, MD, D 49 Amt Torgau, Anhang 10, Nr. 221: Das Handwerk der Elbschiffmüller allhier zu Torgau wieder Johann Andreas Müller auch Elbschiffmüller allhier 1751–1752, Blatt 48 Rück- und 49 Vorderseite. 56 Zur Form der Bastion und zum Zustand der Stadt vgl. Jäger, Volker, Die Preußen kommen. Torgau in den drei Schlesischen Kriegen 1740–1763, Seite 84 f. Dass die Stadt zur Zeit des Sie-
184
III. Teil: Die Ressourcen des Operationsraums
Auch Meißen an der Elbe verfügte mit dem dortigen Gewandhaus und Hospital zu St. Laurenz über Lagerkapazitäten in Höhe von 20.000 Scheffeln oder ca. 1.660 Tonnen57. Hinzu kamen 544 Häuser sowie 22 Backhäuser58. Zusätzlich verfügte die Stadt über 4 Wassermühlen mit 8 Mahlgängen sowie 2 Schiffsmühlen mit 2 Gängen in ihrer unmittelbaren Nähe59. Wahrscheinlich trugen diese äußerst günstigen strukturellen Voraussetzungen maßgeblich dazu bei, dass die Stadt in der Lage war, der preußischen Armee am 12. September 1756, kurz nach dem Beginn ihres Einmarsches in das sächsische Kurfürstentum, 50.000 6-pfündige Brote zu liefern, die ihr offensichtlich per Schiff zugeführt werden sollten60. Hierfür hatte die Stadt eigentlich 60 Zieher zu stellen, die die Schiffe stromaufwärts in Richtung Dresden zogen61. Die Zufuhr dauerte im konkreten Fall aber ohnehin länger und erfolgte dann mit vierspännigen Wagen, auf denen Doppelkörbe angebracht waren62. Obwohl die strukturellen Voraussetzungen in Meißen alles andere als schlecht waren, eignete sich zuallererst Dresden als Magazinplatz, da es nicht nur eine Vielzahl großer öffentlicher Gebäude gab, sondern auch umfassende Befestigungsanlagen auf der Neustadtseite, wie im Plan von 1755 ersichtlich. Die dortigen Wälle verfügten selbst nach dem Siebenjährigen Krieg auf jeder Bastion über 4–6 18-Pfünder, 1–5 12-Pfünder und weitere kleine Geschütze, die sich vor allem auf die 4 innersten Werke konzentrierten63. Allerdings standen auch schon während des Siebenjährigen Krieges wie im Jahr 1759 46 18-Pfünder, 45 12-Pfünder und 37 6-Pfünder zur Verfügung64. Das Verteidigungspotential auf der rechten Elbseite war also riesig. Auf der linken Elbseite gab es nicht nur die älteren und damit anfälligeren Verteidigungsanlagen, sondern auch zahlreiche Vorstädte, sodass Dresden von dieser Seite wesentlich leichter angreifbar war und im Bedrohungsfall eines zusätzlichen Schutzes durch die Feldtruppen, ihrer Artillerie und aufgeworfenen Schanzen bedurfte.
benjährigen Krieges tatsächlich keine weiteren Befestigungsanlagen besaß, belegen auch die zeitgenössischen Karten der Österreicher. Siehe OestKA, Plan-, Kartensammlung, Kriegskarten, H IIIe Siebenjähriger Krieg, Nr. 2283. 57 Siehe SächsHStA-DD, 11373 Karten des Kriegsarchivs, Fach IV, Nr. 46: Plan von Meissen. 58 Siehe ebd. 59 Siehe SächsHStA-DD, 10057 Kreisamt Meißen, Nr. 2945: Tabelle derer beym Creyßamt Meißen sowohl denen Schrift- und Amtssaßen als denen amts-Dorfschaften befindlichen Mühlen. 60 Siehe SächsHStA-DD, 10057 Kreisamt Meißen, Nr. 2336: Einrückung der preußischen Truppen in hiesige Gegend und was sich dabey hauptsächlich im Monath Septembris hindurch verschiedentlich ereignet hat, Blatt 90 Vorderseite, 125 Vorderseite und 141 Vorderseite. 61 Siehe ebd., Seite 116 Vorderseite und 124 Rückseite. 62 Siehe ebd., Seite 123 Vorderseite. 63 Siehe SächsHStA-DD, 11269 Hauptzeughaus, Nr. 570: Geschütz Bestand 1763–70. 64 Siehe SächsHStA-DD, 10026 Geheimes Kabinett, Loc. 1086 / 8: Das Hauptzeughauß in Dresden und darinn befindlich Gewehr, Munition und Schantzzeug, Unterthänigster Rapport der Eisernern Canons so bey der Evacuierung deer Preußen aus Dreßden unbrauchbar gemacht, wie selbige repariret, und wie viel Cansons sich ietzo auf den Wällen befinden, nehmlich 1759.
III.1. Ressourcen in Schlesien, Sachsen, Böhmen und Mähren185
Abbildung 12: Stadt und Neustadt Dresden mit Festung65
Die Einwohnerzahl der Stadt betrug vor dem Krieg 63.000, reduzierte sich in den späteren Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts als Folge des Siebenjährigen Krieges aber um 10.000 Menschen66. In der Innenstadt waren 823 und in den Vorstädten mindestens 888 Häuser vorhanden67, sodass sich dort auch beträchtliche Einquartierungs- und Aufbewahrungsmöglichkeiten ergaben. 65 Deutsche
Elb.
Fotothek Nr. 70400075, Seutter, Matth(äus): Dresda ad Albim, […] Dresden an der
66 Siehe Leonhardi, Friedrich Gottlob, Erdbeschreibung der Churfürstlich und HerzoglichSächsischen Lande, Bd. 2, Seite 213. 67 Siehe SächsHStA-DD, 11237 Geheimes Kriegsratskollegium, Nr. 2643: Hauptverzeichniß aller in der Residentz Dresden befindlichen Häuser wie solche nach ergangenen allergnädigsten Befehl mit Ausgang des Jahres 1747 und Anfang des Jahres 1748 consigniret worden und ebd., Nr. 2646: Consignation aller Häuser und derer Vorstädten zu Dresden welcher weder gänzlich
186
III. Teil: Die Ressourcen des Operationsraums
Wie in der Bildecke links unten angedeutet, wurde auch viel Holz an der Elbe gelagert. Dies war vor allem deswegen günstig, weil die Truppen im Winter gigantische Mengen an Holz benötigten. Die Dresdener Garnison, die Anfang des Jahres 1757 aus rund 11.400 Mann bestand68, verbrauchte pro Monat 7.500 Klafter69, sodass jeder Soldat im Durchschnitt 660 Kilogramm Holz erhielt70. Wie die folgende Übersicht zeigt, waren Unterschiede bei der Zuteilung zwischen den verschiedenen Dienstgraden ohnehin sehr groß. „Für einen Oberst täglich Obristlieutnant wöchentlich Major wöchentlich Capitain der eine Kompanie hat Subalterne wöchentlich Jeden von Unterstaabe, nehml. Reg. Quart. Mstr., Auditeur, Prediger Regt, Feldscheer wöchentlich Unterofficier oder Gemeine auf den ganzen Winter Das Regiments-Lazareth monathlich
½ Klafter 3 Klafter 2 ½ Klafter 2 Klafter 1 Klafter 1 Klafter 2 Klafter 32 Klafter“71.
Allerdings hatte der Intendant, Generalmajor von Retzow, Ende 1756 angeordnet, dass die enormen Mengen zunächst aus den Wäldern von Grillenburg und Dippoldiswalde beschafft werden sollten, damit der Dresdener Bevölkerung das Floßholz für den Winter verblieb72. Für die Brotversorgung der Einwohner standen in näherem Umkreis wohl 12 Wassermühlen, 5 Schiffsmühlen und 4 Windmühlen zur Verfügung, die insgesamt über bis zu noch gegen Entrichtung eines Aequivalents von Einrichtung befreyet worden, sondern damit würklich beleget sind. 68 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 425 P: Immediatsberichte des Generalfeldkriegsdirektoriums Januar–Juli 1757, Blatt 4 Vorderseite. 69 Siehe SächsHStA-DD, Geheimes Kabinett 10026, Loc. 30146, Nr. 9: Designation des Holze, was der zu Dreßden befindlichen Königs. Preußischen Generalität sowohl als denen daselbst einquartierten Regimentern und Bataillons, der Artillerie, Adjdantur und Ingenieurs Lazarethen und dem Feld-Kriegs-commissariat aus denen Königsl. Pohlnischen Försten für den ganzen Winter angewiesen werden muß. 70 Wegen dieser Dimensionen sollte man das Problem der Holzbeschaffung nicht unterschätzen. Zu dieser Tendenz vgl. Luh, Jürgen, Kriegskunst in Europa 1650–1800, Seite 37. Zu den dramatischen Folgen, die sich bisweilen ergaben, vgl. Teil IV.8.4: Die Schlacht bei Breslau und der Rückzug des preußischen Korps. 71 SächsHStA-DD, Geheimes Kabinett 10026, Loc. 30146, Nr. 9: Beylagen und Acta 79, Vol. 1: Vom Sept. 1756–13. May 1757, Designation des Holze, was der zu Dreßden befindlichen Königs. Preußischen Generalität sowohl als denen daselbst einquartierten Regimentern und Bataillons, der Artillerie, Adjudantur und Ingenieurs, Lazarethen und dem Feld-Kriegs-commissariat aus denen Königl. Pohlnischen Försten für den ganzen Winter angewiesen werden muß. 72 Siehe OestHHStA, Kriegsakten, Nr. 343: Preussische Mandata 1757 die Holzfäll-, Brot und Fouragelieferungen in Sachsen betref., Schreiben des Generalmajors von Retzow vom 12. Dezember 1756.
III.1. Ressourcen in Schlesien, Sachsen, Böhmen und Mähren187
199 Gänge verfügten73. Besonders diese Wassermühlen leisteten einen erheblichen Beitrag zur Mehlproduktion, da manche Mühlen wie die Hof- und Beckenmühlen oder die Mühle im Plauen’schen Hof jeweils 14 Gänge aufboten74 und damit in der Lage waren, bei vollem Wasser 7 Scheffel in 24 Stunden, d. h. ca. 580 Kilogramm pro Gang und insgesamt rund 8 Tonnen, zu vermahlen75. Vor allem bemühte man sich aber in den Frühjahrsmonaten, viel auf Vorrat wegen der zu befürchtenden Niedrigwasserstände im Sommer zu produzieren76. Lediglich die Schiffsmühlen waren hiervon nicht betroffen, offensichtlich steuerten diese aber nur einen Gang bei. Mit den über 111 Bäckern, die in Dresden 1753 vorhanden waren77, dürfte die Verpflegung der Stadtbevölkerung und zusätzlicher Besatzungstruppen durchaus sicherzustellen gewesen sein – vor allem wenn man davon ausgeht, dass 1756 noch mehr Bäcker zur Verfügung standen, zumal Oberst von Arnstedt der Ansicht war, dass die 160 vorhandenen Bäcker bequem ausreichen sollten, um 50.000 Brote pro Tag herzustellen, auch wenn selbige der Meinung waren, nicht mehr als 25.000 6-Pfund-Brote liefern zu können78. Möglicherweise hing dieser Dissens damit zusammen, dass hierfür zunächst nicht genügend Öfen in der Stadt zur Verfügung standen, was erklären würde, weshalb Arnstedt bereits am 11. September 1756 20 Backöfen auf einer Wiese bei der Neustadt aus 24.000 Mauerziegeln errichten ließ79. So hatten die Preußen schon kurz nach ihrem Einmarsch in Dresden genügend Personal erschlossen und ausreichende Zusatzkapazitäten geschaffen, um von dort aus bis zu 75.000 Soldaten dauerhaft zu verpflegen. Während in Sachsen einerseits der Elbstrich, um den herum sich der Meißener Kreis bzw. der Kurkreis im Norden erstreckte, aus versorgungstechnischer Sicht ein besonders wertvolles Gebiet darstellte, war es im Süden der Erzgebirgische Kreis, der mit seinen 3 relativ großen Städten Chemnitz, Freiberg und Zwickau nicht nur ein hohes Potential an Einquartierungsmöglichkeiten versprach, sondern auch ein besonders hohes Potential an Kapazitäten für die Herstellung der Truppenverpflegung bereithielt. Eine extrem genaue 73 Siehe SächsHStA-DD, 10036 Finanzarchiv Loc. 33804, Rep. 27, Nr. 58 b: Verzeichnis der Mahl-, Schiffs-, Wind-, Walk-, Polier-, Schleif-, Pulver- und Papiermühlen und ihrer Gänge in Kursachsen und den inkorporierten Ländern, Generaltabelle über die in nachgesetzten Ämtern befindl. Wind-, Schiff- und Wassermühlen, deren dabei befindliche Mahlgänge. 74 Siehe Stadtarchiv Dresden, Innungen Beckerinnung, Nr. 27: Beckerinnung über den MühlenInspectorem wegen derer ihnen bey entstandener Kälte und Forst versagten Freyzeddel, geführte Beschwerde und Stadtarchiv Dresden, Ratsarchiv / Stadtverwaltung vor 1945, C XXXII, Nr. 28: Acta die zeithero eingerißende metzfreye Mehl- und Brodeinfuhre in hiesige Stadt betref. 1760, Blatt 2 Vorderseite. 75 Siehe Stadtarchiv Dresden, Ratsarchiv / Stadtverwaltung vor 1945, C XXXII, Nr. 28: Acta die zeithero eingerißende metzfreye Mehl- und Brodeinfuhre in hiesige Stadt betref. 1760, Blatt 2 Vorderseite, Blatt 5 Vorderseite und Blatt 6 Rückseite. 76 Vgl. ebd., Blatt 5 Vorderseite. 77 Vgl. SächsHStA-DD, 11237 Geheimes Kriegsratskollegium, Nr. 3192: Schreiben Johann Carl Reinolds aus Dresden vom 4. Juni 1754. 78 Vgl. Stadtarchiv Dresden, 2.1. Ratsarchiv / Stadtverwaltung vor 1945, A.II. Ratsprotokolle, Nr. 100p, Blatt 155 Rückseite. 79 Vgl. ebd., Blatt 152 Rückseite (bzw. 152 b).
188
III. Teil: Die Ressourcen des Operationsraums
Beschreibung der Ressourcenlage aus dem erzgebirgischen Raum ist dem preußischen General der Infanterie Moritz zu Anhalt-Dessau zu verdanken, der seinen unterstellten Befehlshabern, den Generälen Hülsen, Knobloch und Manstein, einen 30-Punkte-Katalog zusandte, den diese zu beantworten hatten. Die ersten 11 betrafen die Verteilung der Einheiten und den Routinedienst, d. h. die detachierten Posten, die Patrouillen, die Position der Verhacken, der Posten, Wachten und der Alarmplätze sowie die Vorkehrungen der Kommandeure für etwaige feindliche Angriffe. Die Punkte 12 bis 17 befassten sich mit den Einquartierungsmöglichkeiten der Truppen. Die Fragen 18 bis 25 betrafen die Ressourcen der Stadt und des näheren Umlandes, darunter den Bestand an Wild, Vieh und Fisch, die Arten der Feldfrüchte, die Manufakturen und die Steuereinkünfte. Die Punkte 26 bis 28 beschäftigten sich insbesondere mit der Brotherstellung, d. h. mit der Frage, wie viele Mühlen und Mahlgänge und wie viele Bäcker vorhanden waren und welche Menge Brot schließlich in 24 Stunden hergestellt werden konnte80. Die unterstellten Generäle Manstein, Zieten und Hülsen hatten gemeldet, dass es in Dippoldiswalde 18 Mahlgänge und 20 Bäckermeister gab, welche 8.000 Portionen zu 3 Pfund, d. h. 12.000 Portionen zu 2 Pfund, in 24 Stunden herstellen konnten. In Chemnitz waren laut Knobloch 3 Mühlen mit 19 Mahlgängen und weitere 24 in der näheren Umgebung vorhanden. Die 38 Bäcker sahen sich offensichtlich in der Lage, pro Tag 22.800 Portionen Brot zu erzeugen, wobei auf jeden Bäcker zwischen 200 und 600 Brote entfielen. Verwunderlich ist dies sicherlich nicht, da die Stadt über rund 9.000 Einwohner verfügte. Diese Informationen verwendet Moritz zu Anhalt-Dessau dann in seiner weiterführenden Beschreibung des ganzen Kreises bis in die Gegend um Naumburg, wobei er nicht nur das Gelände und seine Gliederung schilderte, sondern auch immer die Häuseranzahl benannte. Bezogen auf die beiden letztgenannten Orte fügte er hinzu, dass Dippoldiswalde über eine geschlossene Ringmauer mit guten Toren sowie 160 Häuser in der Stadt und 120 in den Vorstädten verfügte. Zu Chemnitz bemerkte er, dass sich ein Schloss ca. 2.000 Schritte von der Stadt entfernt befand, wo insgesamt 769 Häuser vorhanden waren. Freiberg verfügte ihm zufolge über eine hohe Stadtmauer mit 5 Toren, wurde von 2 Anhöhen beherrscht und zählte mit Vorstädten sogar 970 Häuser. Obwohl sich nur 5 Mahlgänge in der Stadt befanden, konnten in ihr pro Tag 12.000 Portionen Brot gebacken werden. Zwickau im Westen der Region wurde ebenfalls von einer Höhe beherrscht, hatte 610 Häuser in der Stadt und 125 in den Vorstädten sowie 18 Mahlgänge und war in der Lage, in 24 Stunden 6.000 Brote herzustellen. Insgesamt standen den Preußen damit 4 Städte zur Verfügung, die zusammen die Truppenverpflegung für 50.000 Mann bewerkstelligen konnten81.
80 Zum gesamten Absatz siehe LASA, DE, Z44 Abt. Dessau, A 9b VIb, Nr. 10, Bd. IV (Verschiedene Militaria aus des Fürsten Moritz von Anhalt in preußigen Jaare 1756), Blatt 86–88 Vorderseite und Blatt 96 Vorderseite- 98 Vorderseite. 81 Zum gesamten Absatz siehe LASA, DE, Z44 Abt. Dessau, A 9b VIb, Nr. 10, Bd. IV (Verschiedene Militaria aus des Fürsten Moritz von Anhalt in preußigen Jaare 1756), Blatt 43 Vorderseite–Blatt 46 Vorderseite und zur Häuserliste sämtlicher Städte im Erzgebirge LASA, A 9 VIb, Nr. 8: Die dem Fürsten Moritz aufgetragene Umformung der Kriegsgefangenen sächßischen Regimenter und was dem anhängig 1756, Bd. I: Blatt 82 Vorderseite.
III.1. Ressourcen in Schlesien, Sachsen, Böhmen und Mähren189
Neben dem Erzgebirge und dem Streifen entlang der Elbe sollte auch die Oberlausitz eines der wichtigen Aufmarschgebiete für den Feldzug 1757 werden. Dort gab es 3 mittelgroße Städte, wobei Bautzen rund 4.500 Einwohner, Görlitz 6.200 und Zittau rund 5.000 Einwohner zählte82. Auch sie verfügten noch über gute mittelalterliche Verteidigungsanlagen, d. h. vor allem intakte Ringmauern, was offenbar aber auch auf die übrigen Sechsstädte, sprich Kamenz, Lauban und Löbau, zutraf83. Darüber hinaus besaßen die Städte eine beträchtliche Anzahl von öffentlichen und geistlichen Gebäuden, die man für die Anlage von Magazinen nutzen konnte. Die Salzhäuser von Lauban und Zittau waren hierfür geradezu prädestiniert. Letzteres blieb sogar nach der überwiegenden Zerstörung der Stadt 1757 als eines der wenigen Gebäude innerhalb der Stadtmauer erhalten und wurde auch noch 2 Jahre später u. a. als Fouragemagazin genutzt84. Auch heute sind beide Gebäude noch erhalten.
Abbildung 13: Salzhaus in Lauban85
Abbildung 14: Salzhaus in Zittau86
Völlig anders stellte sich die Situation in Böhmen dar, denn laut König Friedrich gab es dort nur wenige Städte, die noch über eine geschlossene Ringmauer verfügten und sich so als Stützpunkt und befestigte Magazinplätze eigneten. Tatsächlich weist auch die Josephinische Landesaufnahme der Österreicher, die nach dem Siebenjährigen Krieg im gleichen Muster wie die Wrede’sche Kriegskarte angefertigt wurde, darauf hin, dass viele Städte im nördlichen und mittleren Böhmen gar nicht oder kaum noch über intakte Stadtmauern verfügten. Dies traf insbesondere auf die Städte Lowositz, Tursko, Welwarn, Sobotka, Kosmanos, Jung- und Altbunzlau sowie Benatek, Kosteletz, Lissau, KoHartstock, Erhard, Wirtschaftsgeschichte der Oberlausitz, Seite 139. ebd., Bildbeilage IV–VI. 84 Zur späteren Nutzung siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 90 H1: Generalmajor Johan Ernst Schmettau, Blatt 91 Rückseite. 85 http://www.szlakikulturowe.dolnyslask.pl/de/die-routen/niederschlesischer-jakobsweg-trasse3-sudetenroute/beschreibung-der-sehenswuerdigkeiten-der-umgebung/luban-brueder-kraemer-unddreifaltigkeitsturm-speicher-salzhaus-haus-zum-schiff-stadtmauer (letzter Zugriff 07.03.2018). 86 Fotoaufnahme des Autors. 82 Vgl. 83 Vgl.
190
III. Teil: Die Ressourcen des Operationsraums
lin und Kuttenberg zu, während Aussig, Leitmeritz und Kaurzim zumindest noch ihre mittelalterlichen Befestigungswerke besaßen oder wie Budin quasi nur aus der Burg und einigen Häusern in der näheren Umgebung bestanden87. Hinzu kam, dass auch die Einquartierungsmöglichkeiten in Böhmen eher begrenzt waren. So ließen sich im Bunzlauer Kreis um Jungbunzlau und Reichenberg nur 1.958 Mann bequem und zur Not 5.750 unterbringen88. Etwas günstiger war die Lage in den beiden anderen Kreisen Nord- und Nordostböhmen. So konnten im Leitmeritzer Kreis immerhin zur Not fast 24.000 und im Königgrätzer Kreis zur Not insgesamt 20.000 Mann einquartiert werden89. Problematisch war aber der Umstand, dass die einquartierten Truppen ihre Unterbringung im Rahmen der zur Verfügung stehenden Möglichkeiten nicht frei wählten, sondern auf die Zustimmung der lokalen Obrigkeiten angewiesen waren, auf deren Befindlichkeiten die Preußen in Sachsen wohl gar keine Rücksicht nahmen. Die Österreicher durften dagegen für ihre Pferde keine größeren Ansprüche z. B. hinsichtlich des Unterstreus stellen und hatten sich mit Moos, Laub und Schilf statt Stroh zu begnügen90. Neben den Getreidemengen, der Bevölkerung, den Magazinen, Produktionskapazitäten für Brot und den Häusern für die Einquartierung war auch der Viehbestand der jeweiligen Länder logistisch relevant, und zwar als Potential für Schlachtvieh und Zugtiere, wofür man zwar Pferde bevorzugte, bisweilen auch Ochsen nutzte. In erster Linie wurden Letztere aber als Schlachttiere verwendet, was sich auch daran zeigte, dass die Preußen in den ersten Tagen nach dem Einmarsch in Sachsen u. a. 1.100 Stück für ihre Fleischversorgung gefordert hatten91. Hinsichtlich des Gesamtpotentials an Schlachtund Zugtieren scheinen für Sachsen aus der Zeit des Siebenjährigen Krieges selbst keine genauen Zahlen mehr vorzuliegen. Lediglich für 5 Jahre nach dem Krieg sind folgende Werte überliefert, die zumindest eine ungefähre Vorstellung von der Dimension der damaligen Bestände vermitteln.
87 Siehe OestKA, Karten- und Plansammlung, B Europa, IXa92 (Josephinische Landesaufnahme, Böhmen), Sektionen 26, 39, 55, 56, 58, 59, 73, 75, 90, 91 und 127. 88 Siehe OestKA, Karten- und Plansammlung, K VII c Landesbeschreibungen, Böhmen, Nr. 13 E: Summarium deren in den Königreich Böhmen und in dessen Kreyßen befindlichen Orthschaften und was darinnen an Mannschaft untergebracht werden kann nach der Aufnahm von dem daran benennten Jahren, Summarium derer in den Bunzlauer Kreiß des Königreichs Böhmen befindlichen Orthschaften und was darin an Manschaft untergebracht werden kann nach der Aufnahme im Jahre 1766. 89 Siehe ebd., Summarium derer in den Leutmeritzer Kreiß des Königreichs Böhmen befindlichen Orthschaften und was darin an Manschaft untergebracht werden kann nach der Aufnahme im Jahre 1766 und Summarium derer in den Königgrätzer Kreiß und Bitschower Antheil des Königreichs Böhmen befindlichen Orthschaften und was darin an Mannschaft untergebracht werden kann nach der Annahme im Jahre 1765. 90 Siehe Národní Archiv Prag, Gubernium České Militare, Karton 43, Faszikel C / 10 / 1: Instruction Für Gesamte königl. Herren Creyshauptleuthe des Königreichs Böheim, die Winter Bequartierung der kayl. königl. Trouppen belangend, insbesondere Punkte drittens und efltens. 91 Siehe Stadtarchiv Dresden, 2.1. Ratsarchiv / Stadtverwaltung vor 1945, A.II. Ratsprotokolle, Nr. 100, Blatt 154 Vorderseite.
III.1. Ressourcen in Schlesien, Sachsen, Böhmen und Mähren191 Tabelle 23 Viehbestände des Kurfürstentums Sachsen zwischen 1768 und 177892 Kreis
Pferde
Ochsen
Kühe und Färsen
Schafe
Schweine
Leipziger Kreis
17.780
41.628
52.492
412.370
69.988
Meißener Kreis
20.753
51.077
74.597
390.500
99.130
Erzgebirgischer Kreis
14.685
28.676
96.507
73.650
96.507
Oberlausitz
16.020
39.900
49.944
389.540
89.725
Gesamtmenge inkl. anderer Landesteile
119.361
291.696
418.276
1.561.286
696.872
Es zeigt sich sehr deutlich, dass die Anzahl der Tiere, die ausschließlich als Schlachtvieh für die Fleischversorgung der Truppen herangezogen werden konnten, ganz beträchtlich war, denn es standen insgesamt über 270.000 Kühe und Färsen, mehr als 1.266.000 Schafe und 355.000 Schweine zur Verfügung. Auffällig ist dabei, dass es mit Ausnahme der Schafe relativ viele Schlachttiere im Erzgebirgischen und im Meißener Kreis gab, die zu den bevölkerungsreichsten, aber nicht ertragreichsten Regionen Kursachsens zählten, was darauf hinweist, dass eher ein Zusammenhang zwischen der Bevölkerungsgröße und dem Schlachtviehvorkommen als zwischen den erzeugten Futtermengen und dem Viehbestand in einer Region existierte. Neben den Kühen, Färsen und Schweinen konnten aber auch die rund 160.000 Ochsen, wie von den Preußen bevorzugt, als Schlachtvieh genutzt werden. Wie sich im Folgenden noch zeigen wird, kamen Ochsen gerade in der Oberlausitz sowohl alleine als auch mit Pferden gemischt und als Vorspann zum Einsatz. Schon mit der Gesamtmenge an Pferden war man theoretisch in der Lage, bis zu 30.000 vierspännige Wagen aufzubringen, deren Anzahl durch die Teilnutzung der Ochsen noch gestiegen sein könnte. In Schlesien ist das Vorspannpotential genau überliefert, denn laut Minister von Schlabrendorff gab es allein in Niederschlesien 11.700 Fuhren sowie 4.278 weitere in Oberschlesien, die wohl mit 4 Pferden bespannt waren93, sodass insgesamt 15.978 vierspännige Wagen zur Verfügung standen. Eine Auswertung der Wrede’schen Kriegskarte ergibt, dass in Niederschlesien mindestens 42.494 Pferde vorhanden waren94. Wahrscheinlich standen aber sogar mehr als 63.000 Pferde zur Verfügung, weil der mittlere Teil auf 92 Zu den Angaben der Kreise siehe SächsHStA-DD, 10741 Statistisches Landesamt, Nr. 1. Zu den Angaben der Gesamtmenge siehe Leonhardi, Gottlob Friedrich, Erdbeschreibung der Churfürstlich und Herzoglich-Sächsischen Lande, Bd. 1, Seite 39 f. 93 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 87 Kk2: Generalmajor Wolf Friedrich von Retzow, Blatt 10 Vorderseite. 94 Siehe Staatsbibliothek zu Berlin, Kartensammlung, N-15060, Bd. 1, 4 und 5. Der 1. Bd. zeigt die schlesische-böhmische Grenze von der Lausitz bis Mähren, der 4. Bd. zeigt das nördliche
192
III. Teil: Die Ressourcen des Operationsraums
der linken Oderseite von Liegnitz bis Strehlen nicht erhalten ist. Zusätzlich gab es in Oberschlesien weitere 36.123 Pferde95, sodass sich eine Gesamtanzahl von rund 98.000 Pferden ergeben haben dürfte, mit denen man theoretisch sogar 24.000 vierspännige Wagen hätte aufbieten können. In jedem Fall weist Schlabrendorffs Aussage schon da rauf hin, dass in Niederschlesien wohl 3 Viertel aller Pferde, nämlich 46.800 Stück, in vierspännigen Fuhrwerken verwendet wurden, während in Oberschlesien kaum die Hälfte der Pferde in dieser Form verspannt waren. Wie sich zeigen wird, lagen die Quoten aber deutlich über den Anteilen in den beiden Nachbarländern Böhmen und Mähren. Zumindest hinsichtlich der Fuhrwerke konnten nicht nur die Preußen, sondern auch die Österreicher auf eine ungeheure Menge im Königreich Böhmen zurückgreifen. Die folgende Tabelle spiegelt wider, wie sich die Wagen auf die einzelnen Kreise nach der Art ihrer Bespannung verteilten: Tabelle 24 Anzahl der Wagen im Königreich Böhmen nach unterschiedlicher Bespannungsart96 Kreise
Mit Pferden
Mit Ochsen
Gesamt
Bespannungsart 4-sp.
2-sp.
4-sp.
2-sp.
4-sp.
2-sp.
4-sp. Kapazität
Buntzlauer
134
2.776
25
1.591
159
4.367
2.627
Königgrätzer
170
2.583
3
527
173
3.110
2.309
Bitschower
791
1.091
29
542
820
1.633
1.843
Chrudimer
148
1.256
111
928
259
2.184
1.652
Czaßlauer
69
522
121
3.451
190
3.973
2.345
Kaurzimer
341
1.306
30
1.149
371
2.455
1.767
Taborer
10
4.611
10
4.611
2.456
Zwischensumme
1.653
8.188
1.972
18.722
12.543
9.534
319
Niederschlesien von der Lausitzer Grenze bis zur Oder und der 5. Bd. das Gebiet auf der linken Oderseite an der polnischen Grenze. 95 Siehe ebd., Bd. 2 und 3. Der 2. Bd. zeigt das Gebiet auf der linken Oderseite zur polnischen Grenze im Bereich Oberschlesiens, während der 3. Bd. den Teil Oberschlesiens auf der rechten Seite bis zur mährischen Grenze darstellt, der erstaunlicherweise mit 25.403 Pferden die größte Anzahl enthält. 96 Zu sämtlichen Zahlen in der Tabelle mit Ausnahme jener in der Kategorie „Gesamt“ siehe Národní Archiv, Gubernium České Militare, Kt. 53, Faszikel C / 13 / 6: Transporty do zásobáren, Verzeichnis der Robothern im Königreich Böheim. Ausgelassen sind die drei- und einspännigen Fuhrwerke, was erklärt, warum das Potential an vierspännigen Wagenkapazitäten um rund 1.660 Stück höher liegt, als es sich aus der Umrechnung der zweispännigen Fuhrwerke ergibt.
III.1. Ressourcen in Schlesien, Sachsen, Böhmen und Mähren193 Kreise
Mit Pferden
Mit Ochsen
Gesamt
Bespannungsart 4-sp.
2-sp.
4-sp.
2-sp.
4-sp.
2-sp.
4-sp. Kapazität
1.653
9.534
319
8.188
1.972
18.722
12.543
Budweiser
1.044
36
4.621
36
5.665
3.000
Prachiner
625
39
3.427
39
4.052
2.645
1.659
63
3.019
71
4.678
1.350
3.058
1.770
Transport
Pilßner
8
Klattauer
325
2.733
Saatzer
115
1.476
31
844
146
2.320
1.377
Ellenbogner
642
847
128
720
770
1.567
2.577
Leutmeritzer
37
2.401
7
1.852
44
4.253
2.472
Rakonitzer
24
2.765
390
24
3.155
1.666
Berauner
17
1.013
2.083
17
3.096
1.660
Summe
2.506
21.689
32.488
3.129
54.177
31.166
623
Ganz klar sollte werden, welchen riesigen Anteil die zweispännigen Wagen an der Gesamtmenge einnahmen. Besonders klar tritt dies beim Taborer, Budweiser oder Klattauer Kreis hervor, wo nur sehr wenige oder gar keine vierspännigen Wagen vorhanden waren, aber vergleichsweise hohe Gesamtkapazitäten. Im Bitschower und Chrudimer Kreis, wo die Anzahl an realen vierspännigen Wagen vergleichsweise hoch ausfiel, lagen die entsprechenden Kapazitäten insgesamt niedriger als in den 3 zuvor benannten Kreisen. Im Bunzlauer und Königgrätzer Kreis fielen sie wieder deutlich höher aus, obwohl die reale Wagenanzahl niedriger war. Insofern hatte eine höhere Anzahl real vorhandener vierspänniger Wagen nicht zwangsläufig die größten Gesamttransportkapazitäten zur Folge, weil diese sehr stark von der Menge der übrigen Fuhrwerke abhingen, zumal die Anzahl der zweispännigen Wagen 17-mal größer war. Diese prägten die Transportkultur des Königreichs Böhmen ebenso wie die weitverbreitete Bespannung mit Ochsen, die wegen des hohen Wasserverbrauchs der Tiere in ihrer Effizienz umstritten war. Die Situation in Mähren stellte sich ähnlich dar. Allerdings kalkulierte man dort ausgehend von der Anzahl der Pferde und Ochsen die Menge der Wagen, die der jeweiligen Verspannungsart zugeteilt waren. Offenbar veranschlagte man anhand der gesamten Tiermenge, die man für die Fuhrdienste als tauglich erachtete, auch das Potential an vierspännigen Fuhrwerken, das sich theoretisch daraus ergab.
194
III. Teil: Die Ressourcen des Operationsraums Tabelle 25 Gespannverteilung nach Tierart und Gesamtpotential an Zugtieren im Markgrafentum Mähren97 Pferde
Gemessene und ungemessene Robothen Olmützer Kreis
9 ½
104 ½ 28 Wagen 2874 ¼
Znaymer Kreis
823 ¾
37 Wagen
Fuhrwerke Hradischer Kreis Fuhrwerke Gesamtsumme
935
5.476 ½
5.083 ¼ 3 Wagen 81
134
33
3.862
19.808
4.952
609
18.734
4.908
1.505 ½
16.742
4.186
1271
13.598
3.393
134
7.858
149
13.360
3.340
90.101
22.525
1.739 Wagen
130 ½ Wagen 2.708
1.276
3.177 Wagen
40 Wagen 97 ½
Gesamtpotential
3.491 Wagen
13
81
An 4-spännigen Fuhren
772 Wagen 8
Fuhrwerke Iglauer Kreis
4.042 ½
Pferde und Ochsen
2.659 Wagen
141
Fuhrwerke
Ochsen
2-spännig
924 Wagen Brünner Kreis
Pferde
4-spännig
Fuhrwerke Prerauer
Ochsen
957 ½
4.267 Wagen
1.095
2.478 Wagen 21.140
7.496
14.318 Wagen
Auch hier zeigt sich, dass es wie in Böhmen deutlich mehr zweispännige als vierspännige Wagen gab. Nur im Prerauer Kreis fiel die Anzahl der vierspännigen Wagen höher aus. Insgesamt ergab sich ein recht differenziertes Bild, denn obwohl die Österreicher in Böhmen und Mähren tatsächlich nur über 7.683 vierspännige Wagen verfügten, konnten die beiden Provinzen zusammen mit ihren Vorspanntieren theoretisch an die 50.000 vierspännige Fuhrwerke aufbieten. Da diese normalen Landwagen wohl nur 32 Metzen Hafer befördern konnten98, sodass das Ladevermögen umgerechnet 1 Tonne betrug, belief sich die Gesamtkapazität 97 Zur gesamten Tabelle vgl. grundsätzlich vgl. Nardoni Archiv, Gubernium Ceske Militare Kt. 53, Faszikel C / 13 / 6 Transporty do zasobaren, Verzeichniß der Bespannung. Die Zahlen sind sämtlich zusammen-gerechnete Angaben, da die gemessenen und ungemessen Robothen eigentlich separat geführt wurden. Die Anzahl der Wagen ist gänzlich errechnet. 98 Siehe OestKA, Manuskripte, Kriegsgeschichte Nr. 54, Historische Nachrichten: Fortsetzung des Siebenjährigen Krieges 1757. Die Begebenheiten bei der k. k. Armee unter Feldmarschall Broune. Aufsatz der zu den Kriegs-Herren für den Feldzug 1757, angetragenen eignen, und gedun-
III.1. Ressourcen in Schlesien, Sachsen, Böhmen und Mähren195
auf 50.000 Tonnen. Letzteres war vor allem dem hohen Anteil an zweispännigen Wagen in beiden Ländern geschuldet. Aufgrund ihrer geringeren Ladekapazität konnte man diese zwar gut bei sich verkürzenden Nachschublinien im Rahmen von Rückzugsbewegungen oder in der Nähe der eigenen Magazine nutzen, für weitere Entfernungen oder sich ausdehnende Versorgungswege im Rahmen von Offensivaktionen waren sie jedoch ungeeignet. Insbesondere die letzte Übersicht zur Bespannungsverteilung im Markgrafentum Mähren zeigt, dass man zwar theoretisch aus der Menge der Pferde und Ochsen auf die Anzahl der vierspännigen Wagen schließen konnte, dies aber keineswegs die Nutzungsverhältnisse in der Praxis widerspiegelte. Die Tatsache, dass man in Böhmen nur 12.516 Ochsen und Pferde und in Mähren 14.700 für vierspännige Fuhren verwendete, während in Schlesien über 63.500 Zugtiere hierfür verspannt wurden, zeigt aber, wie unterschiedlich die historisch gewachsenen Transportkulturen zwischen den Provinzen sein konnten. Völlig unterschiedlich war auch die Verteilung der Schiffskapazitäten im Operationsraum. Wie schon angedeutet, verfügten die Preußen nicht nur über den Vorteil, mit der Elbe und der Oder 2 relativ große Flüsse für die Binnenschifffahrt nutzen, sondern zwischen diesen auch Güter über den Wasserweg umverteilen zu können. Seit 1746 hatten sie durch den Plauen’schen Kanal die Elbe mit der Havel und den Seen um Potsdam und Berlin verbunden99. Die Verbindung mit der Oder erfolgte auf einer nördlichen und südlichen Route im Zeitraum zwischen 1743 und 1749 durch die Fertigstellung des Finowkanals, der zunächst nur mit 10 Schleusen ausgestattet war, die aber noch um 3 weitere ergänzt wurden100. Die südliche Route, der Neue Graben, bestand schon seit der Zeit des Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm, weil die Fahrt über die Havel bei Finow nach Stettin aber deutlich kürzer war, wurde seit 1743 der Finowkanal angelegt101. So entstanden 2 Routen, über die die Schiffe die Oder erreichen konnten, was einen großen Vorteil hinsichtlich der Umverteilungsmöglichkeiten für Güter und Ressourcen aller Art darstellte. Allerdings dauerte schon die Fahrt durch den Plauen’schen Kanal je nach Jahreszeit 2 bis 3 Wochen102, sodass man mit den Havelseen, der Spree und den beiden anderen Kanälen, die zur Oder führten, wohl mindestens 5 bis 6 Wochen benötigte, um die Kurmark einmal komplett mit dem Schiff zu durchqueren.
genen Proviant-Fuhrwesen, und auf wie viel Täge gerechnet würde, durch solcher der Armee die Erforderniß nachführen zu können. 99 Vgl. Schmoller, Gustav, Die Preußische Wirtschaftspolitik im Herzogtum Magdeburg 1680 bis 1786, hauptsächlich das Transitzollsystem, Seite 44–46 sowie Bekmann, Johann Christoph, Historische Beschreibung der Chur- und Mark Brandenburg. Erster Theil, Seite 986 und 1039. 100 Siehe Bekmann, Johann Christoph, Historische Beschreibung der Chur- und Mark Brandenburg. Erster Theil, Seite 1039. 101 Vgl. ebd. und zum Friedrich-Wilhelm-Kanal bzw. zum Neuen Graben Toeche-Mittler, Konrad, Der Friedrichwilhelmskanal und die Berlin-Hamburger-Flussschiffahrt, Seite 36–38. 102 Siehe GStAPK, II. HA., Abteilung 32, Salzdepartement, Titel XI Verschiffung, Nr. 3: Verschiedene Nachrichtungen und Ausrechnungen wegen Administrierung der Salzschiffahrt 1748 / 49, Bd. II: Balance Wieviel Saltz jährlich die 29 große Elbschiffe, und hingegen 50 große Kähne a 12 Lasten bis Berlin verschiffen können.
196
III. Teil: Die Ressourcen des Operationsraums
Den Preußen sollen beim Einmarsch 1756 nach Sachsen bis zu 400 Schiffe gefolgt sein103. Nachgewiesen sind allerdings nur 298 Schiffe104. Vermutlich stammten sie zum Großteil aus der Provinz Magdeburg oder aus anderen Abschnitten des Elbstroms. Wenn man davon ausgeht, dass sich die Schiffstypen im gleichen Verhältnis zusammensetzen wie in der Provinz, dann dürften insgesamt 128 Schuten, 58 Gellen und 112 Kähne vorhanden gewesen sein, die zusammen bis zu 12.766 Tonnen transportieren konnten. Zusätzlich gab es in Dresden mindestens 6 Schiffe, die zusammen minimal 200 Tonnen trugen105, sodass mindestens 304 Schiffe mit einem Gesamtladevermögen von rund 12.900 Tonnen auf der Elbe im Operationsgebiet vorhanden gewesen sein dürften. Vor dem Hintergrund des Schiffsbestandes aus dem 19. Jahrhundert liegt allerdings nahe106, dass auch in Sachsen die Anzahl der Schiffe um ein Vielfaches höher war. In Schlesien waren vor allem Kähne üblich, die zumeist 36 Ellen lang und 5 Ellen breit waren107. Es handelte sich also um sehr schlanke Schiffe, die oft für den Salztransport genutzt wurden. Seit 1716 strebte man danach, ihnen eine flachere und breitere Bauweise zu verleihen, damit sie für bestimmte Flusshindernisse, darunter die zahlreichen Wehre auf der Oder, weniger anfällig und gleichzeitig um ein 1 / 4 größer wurden108. Die Gesamtanzahl der Schiffe ist sehr schwierig zu ermitteln. Angesichts der Tatsache, dass der dirigierende Minister von Schlabrendorff gegen Ende des Krieges 600 Schiffe in Brandenburg bzw. in der Kurmark nachbauen lassen wollte, weil es in Schlesien nicht genug Schiffsbauer gab109, könnte dies in etwa der dort verfügbaren Anzahl an Schiffen entsprochen haben. Für diese Größenordnung spricht, dass man gegen Ende des 18. Jahrhunderts in beiden Schlesischen Kammern insgesamt 453 Schiffer und Fährleute zählte110. Da in
103 Siehe SächsHStA-DD, 10025 Geheimes Konsilium, Loc. 6482, Num. 6: Die in den ChurCreyß eingerückten Preußischen Trouppen und zwar in die Stadt Wittenberg, Belzig und Seyda und was bey sothanen Einmarsch und sonst nachher vorgegangen, Blatt 10 Vorderseite. 104 Vgl. Großer Generalstab, Teil 3, Bd. 1: Pirna und Lobositz, Anlage 20. 105 Siehe Stadtarchiv Dresden, 2.1. Ratsarchiv / Stadtverwaltung vor 1945, G XXXII 125t, Blatt 1 und 4 Vorderseite. 106 Gegen Ende des 19. Jahrhunderts verkehrten noch über 7.300 Segelschiffe flussabwärts und über 5.200 flussaufwärts (vgl. Kratzmann, Richard, Die obere, insbesondere die sächsische Elbe und ihre Schiffahrt, Seite 16 f.). 107 Vgl. Schulz, Gottfried, Zum Neuen Saltze, Seite 202. 108 Vgl. ebd. Seite 202 f. 109 Siehe GStAPK, II. HA., Abt. 14 Kurmark, CCLXI Schiffer-Sachen, Nr. 8: Die wegen Erbauung neuer Schiffsgefäße und die darauf accordierten Beneficia Ergangenen Ordres, Vol. II: Schreiben Schlabrendorffs aus Breslau vom 12. Dec. 1762. 110 Siehe Staatsarchiv Breslau (A. P. we Wrocławiu), Akta Miasta Wrocławia, Nr. 399: Historische Tabellen von Schlesien 1787. Die Schiffer und Fährleute verteilten sich folgendermaßen: Dörfer der Glogau’schen Kammer 57 Schiffer, Dörfer der Breslau’schen Kammer 142 Schiffer. Städte im Glogau’schen Department 191 Schiffer, Städte im Breslau’schen Department 63 Schiffer. Auf die Größenordnung von 1 bis 2 Schiffen pro Besitzer weist auch Gottfried Schulz hin. Vgl. ders., Zum Neuen Saltze, Seite 362.
III.1. Ressourcen in Schlesien, Sachsen, Böhmen und Mähren197
der Regel jeder Schiffer nur 1–2 Kähne besaß111, wäre die angenommene Anzahl von 600 Schiffen einigermaßen plausibel. Wie sich diese Menge genau zusammensetzte, bleibt aber unklar. Die meisten Wasserfahrzeuge luden vor dem Umbau 300 Zentner und danach 100 Zentner mehr112. Dies entsprach 15–20 Tonnen, im Durchschnitt also 17,5. Damit ergab sich für die rund 600 Schiffe in Schlesien in der Summe eine Transportkapazität von 10.500 Tonnen. Welche Gesamtkapazitäten hieraus für die 904 Schiffe im Operationsraum erwuchsen, stellt die folgende Tabelle dar: Tabelle 26 Verfügbare Mindestanzahl an Flussschiffen im Operationsgebiet Sachsen und Schlesien und ihre Transportkapazitäten im Jahr 1756 Name der Stadt oder Provinz
Schiffszahl
Transportkapazität Mehl
Hafer
in Tonnen
in Wispeln
Magdeburg / Sachsen, Elbe
304
12.900
19.000
Schlesien / Oder
600
10.200
12.000
Gesamtsumme
904
22.500
31.000
Wenn man annimmt, dass von den 350 Schiffen der Provinz Magdeburg, abzüglich der 298 nachgewiesenen Schiffe, noch 52 Stück verblieben und sich proportional auf die verschiedenen Schiffstypen verteilten, dann hätten rund 22 Schuten, 10 Gellen und 20 Kähne zur Verfügung gestanden, was zusammen einer Ladekapazität von 2.204 Tonnen entsprach. Mit den 426 Schiffen auf den kurmärkischen Binnenkanälen sowie den 170 auf dem Mittel- und Unterlauf der Oder dürften also noch 648 Schiffe im Hinterland vorhanden gewesen sein. Wichtig war, dass alle diese Schiffe im Gegensatz zu denen der Österreicher auf der Donau auch den Operationsraum in Sachsen und Schlesien erreichen konnten, auch wenn es nicht möglich war, die Kapazitäten vieler Oderschiffe im Oberlauf des Flusses, d. h. in Schlesien, voll auszuschöpfen. Dort dürfte sich die Ladekapazität höchstens in einer Größenordnung von 16 Tonnen bewegt haben wie bei einem Breslauer Kahn. Folglich wären die 170 Schiffe aus Stettin in der Lage gewesen, höchstens 2.720 Tonnen zu befördern, obwohl sie theoretisch 9.350 Tonnen zu laden vermochten. Von den Schiffen der Kurmark dürften die größeren die Elbe befahren haben, während die kleineren auf der Oder zum Einsatz kamen, sodass sie ihre jeweiligen Transportkapazitäten im Um111 Vermutlich stellten sich die Verhältnisse ähnlich wie in Magdeburg dar, wo gegen Ende des 18. Jahrhunderts diese Struktur immer noch dominierte. Vgl. Mai, Erich, Die Magdeburger Elbschiffahrt im 18. Jahrhundert, Seite 694. 112 Vgl. Schulz, Gottfried, Zum Neuen Saltze, Seite 202.
198
III. Teil: Die Ressourcen des Operationsraums
fang von 9.020 Tonnen komplett nutzen konnten. Mit den Schiffen aus der Provinz Magdeburg und den Oderschiffen betrug die zusätzlich mobilisierbare Gesamtkapazität im Hinterland rund 14.000 Tonnen. Dem hatten die Österreicher nicht viel Vergleichbares entgegenzusetzen. Die wichtigsten Transportfahrzeuge zu Wasser, die sie für die Versorgung ihrer Truppen in Böhmen nutzen konnten, waren floßartige Prahmen. Auf der Moldau stand mit 159 dieser floßartigen Fahrzeuge, die nahezu ausschließlich Holzhändlern aus dem Taborer und Bechiner Kreis im südwestlichen Teil Böhmens gehörten, aber ein beachtliches Potential zur Verfügung. Sie waren in der Lage, zwischen 400 und 800 böhmische Strich, d. h. 16 bis 32 Tonnen, zu transportieren, wobei der Großteil eine Kapazität von 500 bis 600 Strich, also 20 bis 24 Tonnen, beförderte. Theoretisch verfügten die Österreicher mit diesen Prahmen bis zum Johannistag am 24. Juni über eine Gesamtladekapazität von 104.550 Strich, was umgerechnet 6.273 Tonnen entsprach. Nach dem 24. Juni konnten, vermutlich als Folge des niedrigeren Wasserstandes im Sommer, wohl nur noch 89 Prahmen eingesetzt werden, wodurch die Gesamtkapazität auf 62.300 Strich oder 3.738 Tonnen, sprich rund 60 %, sank. Dies bedeutet, dass die Österreicher vor allem im Spätsommer und Herbst auf knapp die Hälfte ihres Schiffspotentials verzichten mussten113. Sie verfügten möglicherweise aber noch über einige Schiffe und Flöße auf der Elbe, die vor allem für die Holzschifffahrt genutzt wurden. So gab es Anfang des 18. Jahrhunderts ca. 40 Kähne und bis zu 60 Flößchen114, welche die Elbe befuhren. Veranschlagt man für Erstere die Kapazitäten der normalen Elbkähne mit 12 Tonnen und für Letztere höchstens eine Kapazität von 20 Tonnen, wie sie der Großteil der Prahmen beförderte, dann standen zusammen noch rund 1.700 Tonnen an Beförderungskapazitäten zur Verfügung. Die gesamte Transportkapazität dieser 269 Wasserfahrzeuge betrug also maximal um die 8.000 Tonnen. Die folgende Übersicht stellt den theoretischen Gesamtumfang an Transportkapazitäten dar, der bei vergleichbarer Zugtierart, in diesem Fall den Pferden, an vierspännigen Wagen und Wasserfahrzeugen hervorging. Der Vergleich ist nicht ganz unproblematisch, da die Menge an vierspännigen Wagen eine theoretische Maximalgröße darstellt, die sich aus der Anzahl der Pferde ergab. Realiter waren auf beiden Seiten, insbesondere aber bei den Österreichern sehr viel mehr zweispännige Wagen vorhanden.
113 Zum gesamten Absatz siehe Národní Archiv, Gubernium České Militare, Karton 52, Faszikel C / 13 / 4: Transporty do zásobáren, Individual Haubt Tabella. 114 Siehe SächsHStA-DD, 10026 Geheimer Rat, Loc. 10733 / 12: Specification derjenigen Schiffsgefäße, so die Jahre 1712, 1713 et 1714 auff der Elbe mit Getreyde, Holze oder auch an dren Wahren aus dem Königreich Böhmen in hiesige Lande und durch dieselben förder passiret, und was für Fahrzeuge, auch mit was für Wahren wieder zurückgekommen.
III.1. Ressourcen in Schlesien, Sachsen, Böhmen und Mähren199 Tabelle 27 Vergleich der Pferdeanzahl, Wagenkapazitäten und einsatzrelevanten Wasserfahrzeuge sowie ihrer theoretischen Lademengen im Operationsraum Königreich Preußen / Kurfürstentum Sachsen (ab 1756 preußisch besetzt) Im Operationsraum
Pferde
Potential vierspänniger Wagen und Kapazitäten in Tonnen
Mindestanzahl an Wasserfahrzeugen
Transportkapazitäten in Tonnen
Gesamtkapazität in Tonnen
Sachsen / Elbe
119.361
29.840
304
13.000
42.840
Schlesien / Oder
98.000
24.500
600
10.500
34.700
Summe
217.361
54.340
904
23.500
77.540
648
14.000
14.000
1.552
37.500
91.840
9.700
27.294
Im Hinterland des Königsreichs Gesamtsumme
217.361
54.340
Habsburgermonarchie Im Operationsraum
Pferde
Prahmen / Flöße / Kähne
Böhmen / Moldau / Elbe
70.377
17.594
Mähren
31.522
7.880
Gesamtsumme
101.875
25.468
269 / 100
11.831 369
9.700
39.125
Wie man sieht, waren die Preußen schon hinsichtlich des Potentials an Pferden und der daraus resultierenden theoretischen Gesamtkapazität an vierspännigen Wagen den Österreichern um das Doppelte überlegen. Inklusive der Flussschiffe in den Operationsgebieten sowie jenen im Hinterland steigerte sich die Überlegenheit fast auf das 3-Fache.
200
III. Teil: Die Ressourcen des Operationsraums
III.2. Die Theorie der Operationslinienund die Bedeutung der physischen Geographie Einen wesentlichen Einfluss auf die Ressourcenmobilisierung und die Logistik übten in der Praxis auch die Geländehindernisse und die natürlichen Verbindungswege aus1, von denen die wichtigsten damals auch als Operationslinien bezeichnet wurden. Die Theorie der Operationslinien geht auf den britischen Generalmajor Henry Lloyd zurück, der im Jahr 1758 für kurze Zeit sogar in der österreichischen Armee diente2. Ihm zufolge war eine Operationslinie jene Verbindung zwischen den Hauptmagazinen, die die Armeen zu ihrer Versorgung anlegten und entlang derer man sich mit einem Großteil ihrer Kräfte bewegen musste. Im Vorteil war nach Lloyd immer die Armee, deren Operationslinie kürzer sei, da sich die Streitmacht näher an den Magazinen befinde. Einen maßgeblichen Einfluss auf den Schutz und die Sicherungen dieser Operationslinie übte vor allem das Gelände aus, denn je durchschnittener es und je länger die Operationslinie war, desto leichter konnte man sie unterbrechen. Als natürliche Hindernisse fungierten Flüsse, Berge, Wälder und Engpässe (Defileen). Als Verbindungselemente galten Ebenen, Pässe, Hauptstraßen und Flüsse. Die wichtigste Operationslinie von Böhmen nach Sachsen erstreckte sich direkt entlang der Elbe und Moldau von Prag bis Dresden, während die beiden wichtigsten Operationslinien von Schlesien jene von Schweidnitz nach Prag und jene von Neisse nach Olmütz in Mähren waren, die vor allem von der Grafschaft Glatz beherrscht wurden3. Lloyd zufolge gab es im Wesentlichen 3 Routen, die von Sachsen nach Böhmen führten, nämlich die Straße von Marienberg über Basberg nach Komotau und Laun sowie eine andere von Zinnwald nach Töplitz und Lowositz und eine weitere, die aber insbesondere im Erzgebirge viele Engpässe aufwies und daher schlecht zu passieren war4. Laut den Berichten des preußischen Generals Moritz zu Anhalt-Dessau gab es im Erz gebirge theoretisch sogar 5 wichtige Straßen, die von Böhmen nach Sachsen führten, und zwar jene, die die Städte Freiberg, Oedern, Chemnitz, Langenlangwitz und Zwickau durchquerten5. Laut General von Winterfeldt ließen sich die meisten aber leicht kontrol1 Diese Auffassung vertritt letztlich auch Christopher Duffy, in: Ders., Militärische Aspekte Schlesiens im Siebenjährigen Krieg, insbesondere Seite 187–194. Problematisch ist, dass der Aufsatz an vielen entscheidenden Stellen referentiell viel zu gering unterfüttert ist, was den inhaltlichen Wert leider deutlich schmälert, weil oftmals nicht klar ist, woher Duffy seine Informationen bezieht, sprich ob diese tatsächlich aus den Quellen stammen oder mehr akkumulierte Eindrücke darstellen, die der Autor während seiner jahrzehntelangen Forschungen gewonnen hat. Dies ist wichtig, weil davon abhängt, ob es sich eher um Hypothesen oder doch belegbare Fakten handelt. 2 Vgl. Duffy, Christopher, Sieben Jahre Krieg – Die Armee Maria Theresias 1756–1763, Seite 420. 3 Zum gesamten Absatz vgl. Lloyd, Henry, Praktisches Handbuch für Offiziere, Seite 90–94, Seite 111 und Seite 127–130. 4 Siehe Lloyd, Henry, Geschichte des Siebenjährigen Krieges in Deutschland zwischen dem König von Preußen und der Kaiser Königin mit ihren Alliierten, Seite 18 f. 5 Siehe LASA, DE, Z44 Abt. Dessau, A 9b VIb, Nr. 10, Bd. IV (Verschiedene Militaria aus des Fürsten Moritz von Anhalt in preußigen Jaare 1756), Blatt 48 Rückseite.
III.2. Die Theorie der Operationslinien201
lieren, wenn man das Defilee am sogenannten roten Berg bei Zwickau beherrschte, da seiner Einschätzung zufolge 8–10.000 Mann in dieser Stellung ein Korps von 40.000 Mann aufzuhalten vermochten6. Während die Straßen im Sommer mit Wagen und sogar mit schwerer Artillerie passierbar waren, wurden sie unter schlechteren Witterungsbedingungen schnell unpassierbar: „Und ob zwar alle diese Wege meistentheils von Inwohnern des Gebürges […] vor beladene Wagen mit 4 Pferde practicable angegeben worden, […] bey großen Schnee oder Regenwetter, halte ich selbige vor Bagage und Artillerie impracticable, wie denn auch die ordentliche Landstraße von Comothau bis Basberg oder Sebastiansberg, an den Örtern wo sie noch nicht ausgearbeitet worden, vor schwehre Artillerie sehr difficil und bey Regenwetter impracticable seyn dürffte“7.
Dies betraf in gewisser Weise auch die wichtigste Straße von Sachsen nach Böhmen über Gießhübel, Peterswalde, Nollendorf, Lowositz und Budin nach Prag, die an ihrem höchsten Punkt fast 680 Meter hoch lag8. Sie konnte in den Engpässen bei Gießhübel mit wenigen Bataillonen gegen eine ganze Armee gesperrt werden, was aber auch in Böhmen entlang der Eger aufgrund des höhergelegenen Südufers möglich war9. Laut den Berichten des sächsischen Ingenieurkorps war die ehemals löchrige Straße, die von Prag über das Baschkopolgebirge mit ihren diversen Abzweigen über Töplitz und Linay nach Sachsen führte, auch schon zu Beginn der 1740er Jahre ausgebessert worden10. Auch General von Winterfeldt begutachtete sie 1754 und meinte, dass man auf ihr in 2 Kolonnen mit der Bagage in der Mitte bequem marschieren konnte11. Allerdings ergaben die Erkundungen der Österreicher, dass die Nebenstraßen dieser Route, die über Aussig, Bernersdorff, Ober- und Niederseidewitz nach Zehist oder von Töplitz über Altenberg, Alt-Geising oder Kraupen nach Gottleube verliefen, im Winter ebenfalls gänzlich unpassierbar wurden12. Allerdings kam es Lloyd zufolge für beide Seiten in diesem Raum ohnehin darauf an, vor allem die Elbe zu kontrollieren, um mit ihrer Hilfe die Versorgung zu bewältigen.
6 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 601 E: Schriftwechsel mit dem Generalmajor / Generallieutenant von Winterfeldt, Bd. III, 1754, Blatt 41 Rückseite. 7 OestKA, Karten- und Plansammlung, K VIIc Landesbeschreibungen Böhmen, Nr. 11: Wege zwischen Peterswalde und Aussig. Bericht über Verschiedene Wege, so zwischen den Dresdener Landstraßen von Aussig über Peterswaldt und der Leipziger von Commotau nach Marienberg, durch das Gräntzgebürge aus Böhmen nach Sachsen gehen. 8 Vgl. Gräßer, Ingolf, Pässe über das Erzgebirge, Seite 102. 9 Vgl. Lloyd, Henry, Geschichte des Siebenjährigen Krieges in Deutschland zwischen dem König von Preußen und der Kaiser Königin mit ihren Alliierten, Seite 16 und 18 f. 10 Vgl. SächsHStA-DD, 11345 Ingenieurskorps, Nr. 78: Recognoscierung des Böhmischen Mittelgebirges durch Ingenieur Rehschuh. 11 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 601 E: Schriftwechsel mit dem Generalmajor / Generallieutenant von Winterfeldt, Bd. III, 1754, Blatt 42 Vorderseite. 12 Siehe OestKA, Karten- und Plansammlung, K VIIc Landesbeschreibungen Böhmen, Nr. 11: Wege zwischen Peterswalde und Aussig. Bericht über Verschiedene Wege, so zwischen den Dresdener Landstraßen von Aussig über Peterswaldt und der Leipziger von Commotau nach Marienberg, durch das Gräntzgebürge aus Böhmen nach Sachsen gehen.
202
III. Teil: Die Ressourcen des Operationsraums
Neben den Straßen im Erzgebirge und auf dem linken Elbufer gab es noch eine weitere Route über Zittau und Kratzau nach Reichenberg, die sich zum Einmarsch nach Böhmen eignete, aber durch gute Stellungen zwischen Nimburg und Brandeis blockiert werden konnte. Genau genommen gingen von Zittau zwar auch 3 bis 4 Straßen aus, wovon 2 über Kratzau und Grafenstein sowie Neuland und Christoph-Ehrenberg nach Reichenberg führten und 2 andere nach Pass und Finkenkrug in Böhmen gingen. Hinzu kamen noch zahlreiche Fußsteige, darunter jener über Oybin nach Brennach, von denen man aber ebenfalls wusste, dass sie alle bei Schneefall unpassierbar waren13. Auch für die Verteidigung oder den Angriff Schlesiens spielten die Gebirge eine große Rolle, denn die wenigen Routen über Trautenau und Freiwalde oder von Olmütz nach Olomschau wurden durch die Grafschaft Glatz in der Flanke bedroht, sodass die Verbindungen ohne ausreichende Deckungstruppen nicht zu sichern waren. Hinzu kam, dass die meisten Pässe durch die Grenzgebirge nach Schlesien ebenfalls bei Regenwetter nicht zu passieren waren. Die Preußen verfügten dagegen bei Frankenstein, Wartha, Würben und Landeshut über gute Lagerplätze, an denen sie sowohl ihre Versorgung bewerkstelligen als auch die Festungen von Schweidnitz und Neisse unterstützten konnten. Weitere Lagerplätze, die zur Abwehr von eindringenden Verbänden aus der Oberlausitz genutzt werden konnten, befanden sich zwischen Liebenthal und Löwenberg sowie Naumburg und Bunzlau14. Die Österreicher profitierten kaum von ihrer naturräumlichen Ausstattung, „[…] da hierzu weder Schiffe, reiche Fluße noch Kanäle, ja nicht einmahl hinlangliche gute Heerstraßen, zur Erleichterung der Transportierung vorhanden sind“15.
Auf der böhmischen Seite des Gebirges gab es nämlich kaum Stellungen, die sich für ein Abfangen von preußischen Angriffen eigneten oder aus denen man selbst zur Offensive übergehen konnte. Dies hing maßgeblich damit zusammen, dass das Gebirge auf dieser Seite offenbar viele Steilhänge aufwies. Hinzu kam, dass die Struktur der Straßen offenbar ungünstig für Truppenverlegungen parallel zur Gebirgsfront war, weil sie zumeist sternförmig vom Gebirge weg zu den Städten im Landesinneren verliefen und nur wenige Querverbindungen untereinander aufwiesen. Die Preußen verfügten mit der Via Regia zumindest über eine größere Straße, die dies ermöglichte, obwohl sich hierfür vielleicht noch eine weitere Straße am Rande des schlesischen Gebirges eignete, die sich von Görlitz über Landeshut und Schweidnitz nach Neisse erstreckte16. 13 Zum gesamten Absatz siehe OestKA, Karten- und Plansammlung, K II f Landesbeschreibungen Preußen: 0-3 Beschreibung Derer Landstraßen, Wege und Fußsteige so aus der Laußnitz in der Gegend von Weißkirchen bis Hirschenstein wie auch von denen Communicationswegen. 14 Vgl. Lloyd, Henry, Geschichte des Siebenjährigen Krieges in Deutschland zwischen dem König von Preußen und der Kaiser Königin mit ihren Alliierten, Seite 21 f. 15 Siehe OestKA, Zentralst., Militärhofkommission Nostitz-Rieneck, Kt. 16 Armeefuhrwesen, Faszikel 8: Entwurf Zu Beantwortung der Frage: OB das Militair-Fuhrwesen auf dem dermahligen Fuß zu verbleiben habe, oder abgeändert werden solle, und wie, Vorerinnerung über die Wichtigkeit des Fuhrwesens. 16 Zum gesamten Absatz vgl. Duffy, Christopher, Militärische Aspekte Schlesiens im Siebenjährigen Krieg, Seite 189 bis 191. Während die Bedeutung der Via Regia relativ unstrittig ist, dürfte
III.2. Die Theorie der Operationslinien203
Ihr größter Vorteil blieben aber unzweifelhaft die Flussverbindungen: „Die zum Preußischen Staat gehörigen Länder haben hierin den großen und vielbedeutenden Vorzug, daß […] zum Theil auf den zwey Hauptflüssen der Elbe und Oder, und vermittelst der durch die Kanäle gemachten Communication der Spree und der Havel, aus jeder Provinz in die andere alles zu Wasser auf den großen Kähnen leicht transportiret werden kann. Es kann daher aus diesem Grunde schon die Preußische Macht, wenn sie auch nicht so groß wäre, als sie es ist, Schlesien immer eher mainteniren, als die Kaiserliche es wieder behaupten; denn die Preußische kann alle Nothdürfte an Vivres und Ammuntion auf den beyden Flüssen, der Elbe und Oder, aus dem Brandenburgischen, Pommern und Preußen leicht nach Schlesien und Meilen nach Böhmen hinschaffen, dahingegen aus Böhmen und Mähren alles zu Lande und noch dazu durch eine Strecke des Gebürges von zehn bis zwölf Meilen, mit vielen Beschwerlichkeiten und Kosten fortgebracht werden muß […]“17.
Im Gegensatz dazu konnten die Österreicher in Böhmen für den Transport neben der Moldau, die keine Verbindung zur Donau oder anderen Flüssen des habsburgischen Hinterlandes besaß, nur noch die Elbe nutzen, die traditionellerweise erst ab Leitmeritz als schiffbar galt18. Insofern bleibt festzuhalten, dass es in der Tat eine Reihe von Operationslinien in Gestalt der größten Straßen und Pässe gab, derer sich die Österreicher und Preußen bedienen konnten, um in das Territorium des jeweiligen Gegners zu gelangen und über diese ihre Versorgungsgüter nachzuführen. Da die Straßen in der Regel aber nur mit Dammholz und Sand befestigt waren19, wurden die meisten durch Schlechtwettereinflüsse vor allem für Wagen und schwere Artillerie unbrauchbar. Folglich trennte die Gebirgsfront bestehend aus dem Erzgebirge, dem Lausitzer Bergland und den böhmischen Sudeten im Herbst und Winter Sachsen und Schlesien im Norden wie eine natürliche Mauer auf einer Länge von rund 650 km von Böhmen und Mähren im Süden. Lediglich die Elbe verblieb als einziger Verbindungsweg, was die Möglichkeit für überraschende Offensiven beider Seiten aber extrem einschränkte. Am bedeutendsten war, dass die Flussverbindungen im Hinterland und die Querstraßenverbindungen im Operationsgebiet die Preußen in die Lage versetzten, ihre Kräfte schneller umzugruppieren und so den Offensivbemühungen der Österreicher schneller entgegenzuwirken, wenn sie sich bei der Verteidigung ihrer Provinzen und Operationsbasen nördlich der Gebirgsbarrikade in Stellung brachten. Die Karte zeigt die wichtigsten Gebirgsverläufe und Wasserstraßen noch einmal im Überblick (siehe nächste Seite).
angesichts des Verlaufs der anderen Straße schon fraglich sein, wie wertvoll die Straße bei ungünstigen Wetterbedingungen war. 17 Korge,
Johann Erdmann, Von den Verpflegungen der Armeen, Seite 79 f. traditionellen Schiffbarkeit der Elbe ab Leitmeritz siehe SächsHStA-DD, 10036 Finanzarchiv Loc. 31859 Lit G, Nr. 26, Blatt 26 Vorderseite. 19 Vgl. Aurig, Rainer, Der Umschwung im sächßischen Straßenwesen, Seite 179. 18 Zur
20 Karte adaptiert nach Duffy, Christopher, Friedrich der Große. Ein Soldatenleben, quasi Seite 512 f. (Innenbandseiten am Ende des Buches).
Abbildung 15: Übersichtskarte zum Operationsraum20
204 III. Teil: Die Ressourcen des Operationsraums
Zwischenfazit205
Zwischenfazit Die preußische Armee verfügte über ein ausgeklügeltes und weit entwickeltes Versorgungssystem, das vor allem erforderlich war, um die ungeheuren Anforderungen, die sich gerade im Bereich der Truppen- und Pferdeverpflegung ergaben, bewältigen zu können. Dabei war sie ihren habsburgischen Kontrahenten in vielen Bereichen leicht überlegen, wobei sich die geringfügigen Unterscheide zu einer beachtlichen Überlegenheit steigerten. Im Bereich der Organisation der Versorgung waren mehr militärische Zuständigkeitsund Kontrollinstanzen, eine dauerhaft etablierte Magazinverwaltung sowie umfangreiches, zuverlässigeres Zivilpersonal vorhanden. Obwohl die Verpflegung per se riesige Mengen an Mehl, Hart- und Raufutter, d. h. Heu oder Stroh für die Soldaten und Pferde, erforderte und damit das zentrale Problem der militärischen Logistik darstellte, setzten die Preußen durchweg höhere Verpflegungsmengen und umfassende Karenzen als die Österreicher an21. Im Bereich der Truppenverpflegung gab es qualitativ gesehen wenige Unterschiede, denn beide Seiten versorgten ihre Truppen überwiegend mit Brot, das sie teils durch die Soldaten und teils auf Transportwagen mitführten, die sie in ähnlicher Größenordnung einplanten. Über leichte Vorteile verfügten die Preußen dennoch durch ihre Notreserve an Handmühlen zur Mehlgewinnung und durch ihre mobilen Feldbacköfen, was sie in geringerem Umfang von den örtlichen Vermahlungs- und Verbackungskapazitäten abhängig machte, die damals aufgrund der hohen Selbstversorgungspraxis an vielen Stellen vorhanden waren und in großen Städten sogar ausreichten, um konzentrierte Truppenkörper von bis zu 50.000 Mann zu versorgen. Für die Verpflegung der Pferde hatten sie sich mehr auf die Beschaffung aus lokalen Quellen durch die Fouragierungen spezialisiert, waren stärker für die Gefahren der Pferdekrankheiten sensibilisiert und besaßen aufgrund ihrer geostrategische Lage besseren Zugang zu den Ersatzquellen für die schwere Kavallerie im Holstein-Hannover’schen Raum. Viele Magazine der 21 Für die Österreicher ist es sehr viel schwieriger zu ermitteln, ob und in welchem Maße Karenzen veranschlagt wurden oder nicht, weil detaillierte Etats wie bei den Preußen ganz fehlen und die Zahlen insbesondere hinsichtlich der Pferdeportionen in manchen scheinbar einschlägigen Aufstellungen unvollständig sind. Siehe OestKA, Zentralst., Militärhofkommission Nostitz-Rieneck, Fuhrwesen 1756–1792, Faszikel 29, Ausweis 17, No. 2. Darüber hinaus veranschlagten die Österreicher oft nach dem „completten Stand“, der in der Praxis aber der unwichtigste war. Für die Soldaten zeichnet sich die Tendenz ab, dass nach „completten“ oder dem effektiven Stand nicht nur keine Verpflegungskarenzen vorhanden waren, sondern die Truppe teilweise unterversorgt war, während bei den niedrigeren Loco- oder dienstbaren Ständen durch den Schwund der Truppenanzahl zumindest eine ausreichende Deckung des Bedarfs erreicht wurde. Bei den Pferden scheint die Lage günstiger gewesen zu sein, da offenbar schon im Bereich des completten und effektiven Standes kleine Spielräume vorhanden waren, die dann bei den Loco- und dienstbaren Ständen anwuchsen. Siehe OestKA, Zentralst., Militärhofkommission Nostitz-Rieneck, Fuhrwesen 1756– 1792, Faszikel 29, Ausweis 17, No. 1. Damit deutet alles darauf hin, dass die Streitkräfte der Habsburger standardmäßig kaum über Portionskarenzen verfügten, wenn diese nicht zwangsläufig durch die eigenen Ausfälle an Mensch und Tier oder andere ungewöhnliche Hinzugewinne wie Magazineroberungen an den Einsatzorten zufällig entstanden.
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III. Teil: Die Ressourcen des Operationsraums
Preußen waren im Gegensatz zu denen der Österreicher gut über die Flüsse miteinander vernetzt, aus regional günstigen Baustoffen wie Holz errichtet und enthielten zumindest für die Truppenverpflegung schon zu Friedenszeiten ganz enorme Vorräte, die einerseits aus zivilwirtschaftlichen Lagerungsstätten ergänzt werden konnten, aber anderseits von diesen bisweilen geschröpft wurden. Die Vorräte an Waffen und Kanonen beider Seiten waren hingegen enorm, wobei die Preußen insgesamt über das etwas zuverlässigere Beschaffungs- und Ersatzsystem für die Musketen verfügten und sich im Bereich der schweren Geschützkaliber überlegen präsentierten. Außerdem hatten sie die Bekleidungsherstellung und -lagerung stärker zentralisiert, trieben die Salpeterproduktion im eigenen Land mehr voran und legten damit den Grundstein für gutes Schießpulver. Dieses konnten sie offenbar auch besser verteilen, weil Munitionswagen auf Regiments ebene bei den Preußen standarisierter vorhanden gewesen zu sein scheinen als bei den Österrreichern, sodass diese im Fall des Fehlens unter einer Munitionsversorgungslücke zu leiden hatten. Darüber hinaus konnten die Preußen das Schießpulver auch in Form von stärkeren Patronenladungen ausgeben, da sie im Notfall über den besseren Zugang zu den Ersatzquellen verfügten, was durch ihre geostrategischen Lage, d. h. ihre größere Nähe zu den See- und Handelsmächten, bedingt war. Letzteres weist schon auf den größten Trumpf der preußischen Versorgungsorganisation hin, nämlich ihre Überlegenheit im Bereich der Transportkapazitäten infolge der Nutzung der zivilen Flussschifffahrt, die ihnen besonders große Vorteile bei der Mobilisierung ihrer Versorgungsgüter verschaffte. Grundsätzlich verwendeten beide Parteien den Großteil ihrer Nachschubwagen für die Beförderung der Lebensmittel und gingen von ähnlichen Mengenanforderungen aus. Obwohl die Österreicher durch die bedungenen oder gemieteten Transportwagen, die besonders für weite Strecken und große Lasten ausgelegt waren, über beträchtliche zusätzliche Kapazitäten verfügten, konnten sie bei Weitem nicht die Kapazitäten kompensieren, die die Preußen durch ihre vielen Schiffe auf der Elbe, Oder und Havel besaßen. Diese transportierten minimal das 10- bis 12-Fache, oft aber das 20- bis 30-Fache und sogar 80- bis 100-Fache eines vierspännigen Wagens. Zudem waren sie in der Lage, neben Lebensmitteln auch Munition und schwere Geschütze zu befördern, wobei man theoretisch eine Zusatzkapazität von über 30.000 Tonnen zu nutzen vermochte. Verstärkt wurden diese Vorteile noch durch die Ressourcen des zentralen Operationsraumes. Selbst im Bereich der Bevölkerung, wo die Habsburger gegenüber der preußischen Monarchie insgesamt noch ein starkes Übergewicht besaßen, relativierte sich dies mit Sachsen und Schlesien, weil die Österreicher unmittelbar, beispielsweise für kurzfristige Rekrutierungen, nur das Bevölkerungspotential Böhmens und Mährens nutzen konnten. Etwas günstiger stellte sich die Situation aus Sicht der Österreicher wohl hinsichtlich der agrarischen Ressourcen dar, denn obwohl den Preußen in Schlesien und nach der Besetzung Sachsens große Mengen an Getreide zur Verfügung standen, war der zusätzliche Nutzen vor allem hinsichtlich der Pferdeverpflegung gegeben, während sich die Vorteile für die Truppenverpflegung durch den hohen Eigenbedarf der Bevölkerung beider Regionen in Grenzen hielten. Obwohl die Bevölkerung in Böhmen besser mit Brotgetreide versorgt war als die Einwohner Sachsens und Schlesiens, beförderte der Mangel in der preußischen Provinz die Entwicklung umfangreicher Lagerungs- und
Zwischenfazit207
Transportstrukturen, die dann auch militärisch genutzt werden konnten. Die schlesischen Magazine waren massiver als jene in der Kurmark Brandenburg gebaut, zur Hälfte per Schiff erreichbar und überwiegend in den Festungen gelegen. Sie sicherten nicht nur die Lebensmittelvorräte, sondern auch die ungeheure Menge an Munition und schweren Geschützen, wodurch die Überlegenheit der Preußen an schwerem Artilleriematerial im zentralen Operationsraum, schon ohne die zusätzlichen Bestände aus dem Dresdener Hauptzeughaus, klar hervortrat. Dresden selbst war wie die großen Städte des Erzgebirges und größeren Orte in der Oberlausitz ein großer Gewinn für die Preußen, weil es nicht nur eine recht große Anzahl von Truppen über längere Zeit beherbergen konnte, sondern aufgrund ihrer Größe einen wichtigen Beitrag zur Truppenverpflegung in Form von lokalen Backkapazitäten leistete und mit ihren intakten mittelalterlichen Stadtmauern auch den Magazinen ausreichend Schutz bot. Letztere waren ähnlich wie in Schlesien zumeist massiv, d. h. aus Stein, gebaut und verfügten wie in Wittenberg, Torgau und Dresden über einen unmittelbaren Zugang zur Elblinie. Dem hatten die Österreicher nur wenig entgegenzusetzen, weil es in Böhmen mit Ausnahme von Prag nur eine geringe Anzahl größerer Städte gab, deren Ressourcen man für die Unterbringung oder für die Truppenverpflegung nutzen konnte. Hinzu kam, dass viele dieser Orte auch über keine intakten Mauern mehr verfügten, sodass die Plätze, welche sich für die Anlage gesicherter Magazine eigneten, rar waren. Obwohl es in Böhmen und Mähren beträchtliche Pferdemengen gab, wies die zivilwirtschaftliche Transportkultur eine hohe Anzahl an zweispännigen Wagen auf, deren geringere Einzelkapazitäten sich zwar für einen Defensivkrieg mit sich verkürzenden Nachschublinien, aber weniger für einen Offensivkrieg mit sich ausdehnenden Verbindungslinien eigneten, bei dem es darauf ankam, größere Mengen für längere Zeit mitführen zu können. Die Preußen verfügten dagegen über die doppelte Pferdemenge und konnten wie in Schlesien auf eine deutlich größere Anzahl an vierspännigen Wagen zurückgreifen. Verstärkt wurde der Vorsprung im Bereich der Transportmittel durch die zusätzlichen Schiffskapazitäten dieser Provinz. Am wichtigsten aber war, dass die Preußen ihre militärisch relevanten Ressourcen durch die Verbindungskanäle zwischen Elbe und Oder flexibel umverteilen und sie aus dem Hinterland in großen Mengen den Truppen im Einsatzgebiet zuführen konnten. Den Österreichern stand in Böhmen zwar ein beträchtliches Potential an Prahmen auf der Moldau zur Verfügung, letztlich waren sie aber nicht in der Lage, die Schiffskapazitäten der Preußen zu kompensieren, was damit zusammenhing, dass es nur wenige schiffbare Flüsse in Böhmen gab und vor allem keine Wasserstraßenverbindungen zwischen dem Operationsraum und dem strategischen Hinterland, d. h. Ober- und Niederösterreich sowie Ungarn und der sie verbindenden Donau, bestanden. Dies führte in der Summe dazu, dass Preußen hinsichtlich der Transportkapazitäten im Operationsgebiet um das Doppelte und mit den Schiffen im Hinterland um fast das 3-Fache überlegen war. Weitere Vorteile erwuchsen ihnen aus dem natürlichen Terrain des zentralen Operationsraumes, d. h. den Flussverbindungen und dem Grenzgebirge, das im Winter eine undurchdringliche Barriere bildete. Letzteres war für jene Kriegspartei, die sich strategisch
208
III. Teil: Die Ressourcen des Operationsraums
in der Defensive befand, von großem Nutzen, sofern sie meinte, die Gebirge nicht aus anderen strategischen Erwägungen passieren zu müssen. Zieht man alle Faktoren in Betracht, so wird man nahezu unweigerlich zu der Schlussfolgerung gelangen müssen, dass die Preußen den Habsburgern hinsichtlich Verteilung und Mobilisierung der militärisch relevanten Ressourcen in fast allen Belangen überlegen waren. Die Grundannahme, der zufolge das Königreich Preußen ein materiell unterlegenes Land gewesen sei, wie Schieder und Kunisch es noch immer behaupten, ist vor allem angesichts der Ressourcenausstattung im zentralen Operationsraum gegenüber der Habsburgermonarchie völlig unzutreffend22. Obwohl diese in der Kriegskoalition mit ihren Verbündeten insgesamt über das größere Potential an strategischen Ressourcen verfügte, sollte sich im Verlauf des Krieges zeigen, dass die Flügelmächte Frankreich und Russland diese nur in unzureichendem Maße zur Geltung bringen würden, was ganz offensichtlich mit ihren Defiziten im Bereich der strategischen Mobilisierung zusammenhing23. Den Preußen hingegen verlieh die Überlegenheit im Transportsektor in Kombination mit der Verteilungssituation im zentralen Operationsraum von Anfang an enorme strategische Vorteile, welche die plausibelste Erklärung für das Überleben des preußischen Staates im Siebenjährigen Krieg darstellen. Gerade diese deutlich günstigere strategische Ausgangslage, die sich nicht zuletzt den technischen Standards der Zeit und der großen Bedeutung der naturräumlichen Ressourcen verdankte, unterschied diesen Konflikt eklatant von jenen, die das Deutsche Reich im 20. Jahrhundert ausfechten sollte24.
22 Vgl.
I. Teil 1.: Die traditionellen Bilder der friderizianischen Kriegsführung. die russischen Streitkräfte deutet sehr viel darauf hin. Vgl. Keep, John, Feeding the Troops: Russian Army Supply Policies During the Seven Years War, Seite 29–31. Für die französischen Streitkräfte vgl. IV. Teil 7.2.: Die Lage im Westen und der Marsch der preußischen Armee nach Thüringen. 24 Zur Rüstungsunterlegenheit des Deutschen Reiches im Zweiten Weltkrieg vor allem in quantitativer Hinsicht vgl. Frieser, Karl-Heinz, Blitzkrieglegende, Seite 24–65. 23 Für
Überleitung209
Überleitung Während der Stand der bisherigen Untersuchung dahin reicht, dass die Preußen aufgrund ihres Vorsprungs im Bereich der Organisation, Verwaltung und der Transportkapazitäten und nicht zuletzt auch durch die konkrete Ressourcenverteilung den Österreichern deutlich überlegen waren, wird sich nun in ausführlicher und umfassender Form die Studie des Feldzuges von 1757 anschließen, um zu zeigen, wie militärische Logistik und die Kriegsführung tatsächlich in der Praxis funktionierten. Dabei wird es vor allem darum gehen zu zeigen, wie die Versorgungsanforderungen der Soldaten und Pferde, die militärischen Planungen, die Kampfhandlungen und den faktischen Verlauf des Feldzuges des Jahres 1757 beeinflussten. Dabei besteht die Besonderheit dieser operationsgeschichtlichen Abhandlung darin, dass nicht so sehr ein Konglomerat von unterschiedlichen strukturellen Faktoren, sondern vor allem ein einziger Gesichtspunkt kontinuierlich den Verlauf der Ereignisse sowie die Entscheidungen und Handlungen der Befehlshaber bestimmte. Obwohl nun die Verpflegung hierbei ganz klar im Vordergrund steht, werden gegen Ende des Feldzuges peripher auch Aspekte wie der Bekleidungsersatz und die Holzbeschaffung eine größere Rolle spielen, zumal in der kälteren Jahreszeit auch die Frage der Einquartierung in richtigen Häusern erst relevant wurde, während die Truppen der Kriegsparteien über den Großteil des Jahres zelteten. Die minutiöse Rekonstruktion des Feldzugsverlaufs ist vor allem der überaus schwierigen Quellenlage auf preußischer Seite geschuldet und orientiert sich an der Methode Ernst Wilhelm von Gaudis, dessen Werk zu großen Teilen als Richtschur der Darstellung dient. Allerdings besteht auch vor dem Hintergrund der traditionell verzerrten Darstellung der Truppenstärken und ihrer Folgen für die damit einhergehende logistische Situation zusätzlich Bedarf, die Ereignisgeschichte an nahezu allen Stellen in numerischer Hinsicht neu zu ordnen. Die Studie soll in der Summe aber auch als Korrektiv für die strukturellen Faktoren fungieren, z. B. bezüglich des Umfangs der Magazinbestände oder hinsichtlich des Transportmittelaufwandes. In der Folge bildet sie dann die Grundlage für die abschließende Skizze der Charakteristik der friderizianischen Kriegsführung im nächsten sowie letzten Teil der Arbeit. Weiterhin gilt, dass die Streitkräfte der Habsburger entweder genau als solche oder alternativ dazu mit dem Sammelbegriff der Österreicher bezeichnet werden, wohlwissend, dass sie sich selbst kaiserlich-königliche Armeen nannten, die nicht nur österreichische, sondern auch deutsche, böhmische, ungarische, italienische, flämisch-niederländische und kroatische Soldaten oder ganze Kontingente davon aus diesen Regionen und Ländern im Herrschaftsbereich des Hauses Habsburg in ihren Reihen hatten.
IV. Teil
Fallstudie(n): Der Feldzug / die Feldzüge des Jahres 1757 IV.1. Stärkeverhältnisse und Operationsplanung zu Beginn des Jahres 1757 IV.1.1. Die Aufstockung zu Beginn des Jahres 1757 und die Stärke des preußischen Heeres Die ersten Überlegungen für den Feldzug des Jahres 1757 begannen äußerst früh. In einem Brief vom 2. Januar 1757 an Generalleutnant Hans Carl von Winterfeldt veranschlagte der König die Stärke der verbündeten Streitkräfte, sprich der Österreicher, der Reichstruppen und Russen, auf 220.000 Mann, gegen welche er nur 150.000 aufbieten könne1. Als Konsequenz dessen teilte er ihm eine Woche später mit, dass er die Aufstockung sämtlicher Kompanien um 30 Kantonisten beschlossen hatte2, womit der Übergang vom mittleren zum sogenannten neuen Fuß vollzogen wurde. Die Infanterieregimenter, die in Kriegszeiten aus 2 Bataillonen zu je 5 Kompanien bestanden, wurden um 30 Gemeine pro Kompanie vergrößert. Ausgenommen hiervon waren die Regimenter Münchow und Württemberg und 5 weitere Regimenter, die im Frieden 10 statt 12 Kompanien umfassten. Während ein Regiment zuvor 1.516 Mann, darunter 1.140 Gemeine, zählte, verfügte es nach der Aufstockung über 1.816 Mann insgesamt und 1.530 gemeine Soldaten. Bei 38 Regimentern oder 77 Bataillonen, die diese Veränderung betraf, zog dies die Aushebung von 11.150 Rekruten nach sich3. Neben den zuvor erwähnten Regimentern erhielten auch die Regimenter Garde und Anhalt-Bernburg keine Ergänzung, da sie über keine Kantons verfügten, sodass sie auf dem alten Fuß blieben. Das Garderegiment umfasste 2.690 und das Regiment AnhaltBernburg mehr als 2.587 Mann, die sich in beiden Regimentern auf 3 Bataillone verteilten4. Von der Aufstockung betroffen waren auch die Grenadierbataillone, die aus 4 Kompanien bestanden und in Kriegszeiten aus den beiden Grenadierkompanien der Regimenter gebildet wurden, wobei die Abgabe von je 2 Regimentern ein Bataillon bildete. Die Bataillone wurden von 560 auf 681 Gemeine aufgestockt und zählten dann insgesamt Friedrich II., Politische Correspondenz, Bd. 14, Nr. 8498. ebd., Bd. 14, Nr. 8515. 3 Zu diesem Absatz siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 92 B 10: Quartier-, Stamm- und Abgangsliste, Blatt 3, Blatt 5 und Blatt 51 jeweils Rückseite. 4 Siehe ebd. Blatt 4 Rückseite und Blatt 5 Vorderseite. 1 Siehe 2 Siehe
IV.1. Stärkeverhältnisse und Operationsplanung211
773 statt wie zuvor 666 Mann. Bei 40 Bataillonen hatte dies einen Rekrutierungsbedarf von 5.040 Mann zur Folge. Die 12 Kürassier- und 12 Dragonereinheiten, die standardmäßig über 5 Eskadrons verfügten, wurden pro Eskadron um 5 Offiziere, 10 Unteroffiziere und 120 Gemeine aufgestockt, so dass die Kürassiere nun 981 statt 841 und die Dragoner 986 statt 852 Mann zählten. Eine Ausnahme bildeten das Regiment Garde du Corps mit 3 Eskadrons, das als 13. Kürassierregiment neu geschaffen wurde, und das Dragonerregiment Nr. 5 Ansbach-Bayreuth, das mit 10 Eskadrons über die doppelte Anzahl verfügte, sie wurden von 561 auf 591 bzw. von 1.690 auf 1.980 Mann aufgestockt. Der gesamte Augmentationsbedarf belief sich bei den Kürassieren und Dragonern damit auf 3.672 Mann. Von den 8 Husarenregimentern wurden nur 6, und zwar sehr leicht um 6 Mann pro Eskadron, aufgestockt, zumal jedes Eskadron im Jahr zuvor schon 6 Mann zusätzlich erhalten hatte, sodass der Bedarf der Husarentruppe für das Jahr 1757 nur 444 Mann betrug und mit Ausnahme der ostpreußischen Regimenter Ruesch und Malachowski auf einen Sollstand von 1.370 Mann stieg5. Unter dem Strich scheint der Aufstockungsbedarf der preußischen Feldtruppen 20.306 Mann betragen zu haben. Zur Aushebung entsandten die Regimenter zumeist Kommandierte in die Kantons, die mit den Rekruten jedoch nicht vor Mitte Ende Februar eintrafen6. Ein besonderes Kontingent bildeten die übernommenen sächsischen Einheiten. Für diese hatte General Moritz zu Anhalt-Dessau, der mit der Umformung der Regimenter betraut war, schon Mitte November 1756 9.294 Rekruten gefordert, zumal die Sollstärke bereits zu diesem Zeitpunkt auf 1.824 Mann stieg7. Zu dieser planmäßigen Lieferung kam im Januar 1757 eine weitere Forderung in Höhe von 4.332 Mann8, sodass sich die gesamte Rekrutenmenge der 10 übernommenen Infanterieregimenter und 4 Grenadierbataillone bis Ende Januar 1757 auf 13.600 Mann belief9. Offenbar empfand man diese Größenordnung sogar noch als zumutbar, weil ganz Sachsen wohl über rund 24.000 Dörfer verfügte, sodass im Durchschnitt auf jedes nicht einmal 1 Mann entfiel10. Alles in allem zielten die Maßnahmen darauf ab, ein Zusatzkontingent von rund 21.000 Mann zu schaffen. Wenn die avisierten Rekrutenmengen aufgebracht wurden, dann verfügte das preußische Heer im Jahr 1757 nach der Liste des Generals von Czetteritz über 176.000 Mann 5 Zu diesem Absatz siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 92 B 10: Quartier-, Stamm- und Abgangsliste, Blatt 111 Rückseite, Blatt 112 und 126 Vorderseite sowie Blatt 143 Vorder- und Rückseite f. 6 Siehe SächsHStA-DD, 10024 Geheimer Rat, Loc. 9336: Journal des Preußischen Krieges 1756 / 1757, Blatt 214 und Blatt 240 jeweils Vorderseite. 7 Siehe ebd., Blatt 223 Vorderseite. 8 Siehe SächsHStA-DD, 10016 Landeshauptdeputation Loc. 41524 Nr. 11: Die von könig. Preuß. Seits geforderte andere Recroutierung, Blatt 16 Vorderseite. 9 Siehe SächsHStA-DD, 10024 Geheimer Rat, Loc. 9336 / 1: Journal des Preußischen Krieges 1756 / 1757, Blatt 215 Rückseite. 10 Siehe Stadtarchiv Torgau, H 9: Geschichtliche Nachrichten über Torgau 1756.
212
IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
an Feldtruppen11. Dies liegt zwar knapp 30.000 Mann über den traditionellen Annahmen12, ist aber darauf zurückzuführen, dass bei den 144.000 Infanteristen die Sachsen und Freibataillone im Umfang von 27.300 Mann wohl schon einkalkuliert waren. Mit den übrigen Zusatzkräften an Garnisonsbataillonen im Umfang von 31.500 Mann könnte das Heer um die 207.500 Mann stark gewesen sein13, was zumindest folgerichtig wäre, zumal man schon bis zum 15. Februar einen Stand von 210.000 Mann anstrebte14. Dagegen verfügten die Österreicher nach dem effektiven Stand bis zum 6. März über 138.000 Mann im Feld und boten inklusive der Garnisonstruppen 182.000 Soldaten auf15. Die Preußen hatten die Stärke der habsburgischen Streitkräfte schon im Vorjahr auf über 202.000 Mann geschätzt16 und wahrscheinlich auch deshalb die Erweiterung ihrer Truppen so stark vorangetrieben, dass ihre Überlegenheit nun ca. 20.000 Mann betragen konnte. Neben der personellen Aufstockung stellte sich bei den Kavallerieeinheiten der preußischen Armee auch die Frage der zusätzlichen Pferdebeschaffung, die sich parallel zum Personal auf 4.116 Stück belief. Diese Größenordnung stellte durchaus eine gewisse Herausforderung dar. Insofern dürfte der Umstand, dass es den Husarenpatrouillen unter Generalleutnant von Zieten Ende Februar gelang, bei Langensalza und Bargfelde mindestens 353 Remontepferde in 4 Kolonnen abzufangen17, aus preußischer Sicht ausgesprochen erleichternd gewirkt haben. Für die Österreicher war es dagegen sehr verdrießlich, auf diese Weise schon vor Beginn des Feldzuges die so schwer zu beschaffenden Kürassierpferde zu verlieren. Den größten Beitrag zum Pferdeersatz leisteten aber die fast 3.000 Pferde, die man aus sächsischen Diensten übernahm. Während 1 Drittel den 2 übernommenen sächsischen Kavallerieeinheiten verblieb, wurden die übrigen 1.896 Stück zu je 158 Stück auf 11 preußische Kürassier- und Dragonerregimenter verteilt18.
11 Siehe OestKA, AFA, Kriegswissenschaftliche Mémoires, XVIII, Nr. 25: Etat der gesamten Preußischen Armee im Jahr 1757 – Beim in Kriegsgefangenschaft gerathenen preuß. Gral Czettritz vorgefunden worden. 12 Der Generalstab veranschlagte in seinen Vorarbeiten mit Kavallerie 147.315 Mann für die Feldtruppen (siehe GStAPK, IV. HA., Rep. 15 A, Nr. 614: Etatsmäßige Stärke der preußischen Armee 1757, Blatt 18 Rückseite). 13 Das ältere Generalstabswerk gab die Gesamtstärke der Zusatzkräfte mit 58.800 Mann an (vgl. Großer Generalstab, Geschichte des Siebenjährigen Krieges nach authentischen Quellen. Die Feldzüge von 1756 und 1757, Seite 147 f.). Abzüglich der Sachsen und der Freibataillone verblieben demzufolge 31.500 Mann. 14 Siehe Friedrich II., Politische Correspondenz, Bd. 14, Nr. 8537. 15 Siehe OestHHStA, Staatskanzelei, Vorträge 80, Blatt 445 Rückseite. 16 Siehe LASA, DE, Z44 Abt. Dessau, A 9b VIb, Nr. 10, Bd. IV (Verschiedene Militaria aus des Fürsten Moritz von Anhalt in preußigen Jaare 1756), Blatt 311 Vorderseite. 17 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 92 A1: Generallieutenant Hans Joachim von Zieten 1756–1758, Blatt 54 Vorderseite. 18 Siehe LASA, DE, Z44 Abt. Dessau, A 9b VIb, Nr. 8, Bd. I: Die dem Fürsten Moritz aufgetragene Umformung der Kriegsgefangenen sächßischen Regimenter und was dem anhängig 1756, Blatt 225 Vorderseite.
IV.1. Stärkeverhältnisse und Operationsplanung213
Wie sich die Stärke der Einheiten Anfang 1757 darstellte, zeigt eine von König Friedrich verfasste Liste der in Sachsen und Schlesien versammelten Verbände. Er hatte aber manche Infanterieregimenter zu hoch veranschlagt und andererseits den neuen Sollstand nicht durchweg berücksichtigt. Außerdem fanden einige Umgruppierungen statt, die ebenso wenig einkalkuliert worden waren19. Das ehemalige Gardegrenadierbataillon, nun Retzow genannt, wurde gänzlich vernachlässigt wie der Zuwachs durch das pommersche Korps in Gestalt der Infanterieregimenter Amstel, Darmstadt und Jung-Kleist. Tabelle 28 Stärke und Zusammensetzung der Verbände nach Originalliste des Königs Sachsen20
Stärke der Verbände nach neuem Sollstand, Zuwachs durch pommersches Korps und Umgruppierung
Schlesien21
Sachsen
Schlesien
Einheit(en)
Stärke
Einheit(en)
Stärke
Einheit(en)
Stärke
Einheit(en)
Stärke
16 IR (2 Btl.) à 1.900
34.200
14 IR (2 Btl.) à 1900
26.600
16 IR (2 Btl.) à 1.816
29.056
14 IR (2 Btl.) à 1.516
21.224
IR Garde (3 Btl.)
2.850
IR Münchow
1.500
IR Garde (3 Btl.)
2.690
IR AnhaltBernburg (3 Btl.)
2.850
IR FranzBraunschweig
1.500
IR AnhaltBernburg (3 Btl.)
2.587
IR Heinrich (2 Btl.)
1.350
IR Württemberg
1.400
IR Heinrich (2 Btl.)
1.350
IR Rohr (2 Btl.)
1.450
6 Gren.-Btl. à 720
4.320
IR Rohr (2 Btl.)
1.450
6 Gren.-Btl. à 773
4.638
13 Gren.-Btl.
9.780
6 Gren.-Btl. à 600
3.600
13 Gren.-Btl. à 773
10.049
6 Gren.-Btl. à 681
4.086
Gren.-Btl. Retzow
720
IR Münchow
1.500
IR FranzBraunschweig
1.500
IR Württemberg
1.400
Summa. preuß. Inf.
29.948
Summa. preuß. Inf..
52.480
Summa. preuß. Inf..
38.920
IR Darmstadt
1.816
IR Amstel
1.816
IR Jung-Kleist
1.816
Summa. preuß. Inf..
57.750
19 Die Umgruppierungen spiegelt am besten die Dislokationsliste der preußischen Armee in den Winterquartieren in Sachsen wider. Siehe LASA, DE, Z44 Abt. Dessau, A 9b VIb, Nr. 10, Bd. IV (Verschiedene Militaria aus des Fürsten Moritz von Anhalt in preußigen Jaare 1757), Blatt 431 Vorderseite. 20 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 87 I.1: Instructions, Ordres, Avancements Sammlung aus dem Cabinet, Blatt 12 und 15 Vorderseite. Die Zwischensummen sind errechnet, die Endsummen stimmen überein. 21 Siehe ebd. Die Zwischensumme für die Infanterie stimmt auch hier nicht mit dem Original überein, weil der König sich schon bei den preußischen Einheiten um 1.000 Mann verrechnet hat.
214
IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
Stärke und Zusammensetzung der Verbände nach Originalliste des Königs Sachsen Summa. preuß. Inf.
Stärke der Verbände nach neuem Sollstand, Zuwachs durch pommersches Korps und Umgruppierung
Schlesien 52.480
Summa. preuß. Inf.
38.920
Sachsen Summa. preuß. Inf..
Schlesien 57.750
Summa. preuß. Inf.
29.948
4 Freibtl.
2.300
Gefangene
1.300
4 Freibtl.
2.300
Gefangene
1.300
8 sächs. Musk.-Btl.
6.000
8 sächs. Musk.
6.000
8 sächs. Musk.-Bat.
7.296
8 sächs. Musk.
7.296
4 sächs. Gren.-Btl.
2.400
4 sächs Gren.-Btl.
2.400
Summe Inf.
63.180
Summe Inf.
46.220
Summe Inf.
69.746
Summe Inf.
38.544
Kavallerie
18.000
Kavallerie
9.300
Kavallerie
19.300
Kavallerie
9.300
Artillerie
2.000
Artillerie
Summe
83.180
600
Artillerie
2.000
Artillerie
600
57.120
Gesamtsumme
91.046
Gesamtsumme
48.444
Wie man sieht, umfasste die preußische Streitmacht mit den sächsischen Kontingenten unter Berücksichtigung der neuen Sollstärken in Sachsen und dem Verbleib der schlesischen Einheiten auf dem mittleren Fuß mindestens 138.000 Mann, wobei die zahlreichen Garnisonstruppen noch nicht einmal berücksichtigt sind. Allerdings belief sich schon der Anteil der preußischen Feldtruppen auf rund 124.000 Soldaten22. Sie bildeten auch den Kern der Offensivstreitmacht, da vorerst nur die Hälfte der sächsischen Musketierbataillone aus Schlesien hierfür herangezogen wurde. Dennoch erhöhte sich die Offensivstreitmacht wohl auf 126.000 Mann, was dazu führte, dass man den Österreichern nach dem dienstbaren Stand zwischenzeitlich um ca. 25.000 Mann überlegen war23. IV.1.2. Die Operationsplanungen der Preußen Unter diesen günstigen Kräfteverhältnissen begannen nun die Feldzugsplanungen. Ab Mitte Februar liefen auch die ersten Informationen über die Vorhaben der Franzosen ein, die planten mit 30.000 Mann über die Lahn gegen Böhmen zu agieren und ca. 60.000 am Niederrhein zu versammeln, sodass am 18. März Generalleutnant de la Motte in Wesel Befehl erhielt, alle Schiffe auf dem Rhein Richtung Frankfurt, Mainz und Köln anzuhalten24. Am selben Tag meldete General von Hülsen aus Freiberg, dass im Erzgebirge der Schnee 2 Ellen, sprich 60 cm hoch lag und es daher gänzlich unmöglich sei, die Berge 22 Das alte Generalstabswerk veranlagte für die preußischen Feldtruppen nur 117.000 Mann. Vgl. Großer Generalstab, Geschichte des Siebenjährigen Krieges nach authentischen Quellen. Die Feldzüge von 1756 und 1757, Dieterici, Berlin, 1824, Anlage B Vorderseite. 23 Vgl. IV. Teil 1.4.: Die Verteilung der Verbände vor dem Beginn der Operationen Ende März / Mitte April. 24 Siehe Friedrich II., Politische Correspondenz, Bd. 14, Nr. 8745.
IV.1. Stärkeverhältnisse und Operationsplanung215
zu passieren, geschweige denn schwere Artillerie über diese zu transportieren25. Dennoch nahmen die Überlegungen für eine Offensive in Böhmen bald sehr konkrete Gestalt an. Feldmarschall Schwerin hatte schon seit geraumer Zeit berichtet, dass sich die österreichische Infanterie in Böhmen wegen der hohen Belegungsquote von 20 bis 40 Mann pro Haus in schlechtem Zustand befand26. Hinzu kam, dass sie viel exerzierte, sodass die Kleidung schlecht und die Soldaten unzufrieden und niedergeschlagen waren und daher selbst meinten gegen die Preußen nichts als Prügel beziehen zu können27. Die Kavallerie befand sich angeblich in besserer Verfassung, hatte aber mit knappen Fouragemengen zu kämpfen. Laut General von Winterfeldt wurden deswegen auch Teile der Kavallerie wieder nach Mähren zurückgeschickt, wo sich noch 4 Infanterieregimenter befanden, während man in Böhmen inzwischen nun auch unter den Fuhrleuten, die zur Armee kamen, Rekruten aushob28. Vor dem Hintergrund dieser Probleme und Schwächen auf Seiten des Gegners begann Feldmarschall Schwerin am 20. März mit der Planung der zukünftigen Operationen. Während die ersten 3 Entwürfe Schwerins das Eingreifen der Franzosen mit unterschiedlichen Stärken und die daraus resultierende Kräfteverteilung der preußischen Verbände entlang der sächsischen und schlesischen Grenze thematisierten, erwog der vierte Plan unter der Voraussetzung, dass die Franzosen nicht offensiv agieren würden oder sich eine Verzögerung ergäbe, die Option eines offensiven Vorgehens29. In den Schreiben vom 21. und 22. März arbeitete Winterfeldt den Offensivplan näher aus. Laut diesem würde der Vorstoß nach Böhmen von der Lausitz und von Schlesien aus erfolgen, wobei für 14 Tage Brot und Fourage mitgenommen werden sollte, obgleich man damit rechnete, spätestens am 4. Tag ein Magazin zu erobern30. Die schlesischen Truppen, die er auf bis zu 45.000 Mann schätzte, seien auch in der Lage, Feldmarschall Brouns Armee zu schlagen, sofern sich dieser ihnen überhaupt entgegenstellen würde, denn dies hätte zur Folge, dass der König bei einem gleichzeitigen Vorgehen die Magazine von Aussig, Leitmeritz und Lowositz ohne größere Gegenwehr erobern könnte31. Der König erwiderte in seinem Schreiben 25. März jedoch, dass die Chancen zwar gut seien, in Böhmen einzudringen und bei Aussig, Teplitz und Karbatitz etwas zu erbeuten, die Stellung des Baschkopolgebirges sei aber so stark, dass eine Truppe von 30.000 Mann problemlos 50.000 aufhalten könne32. Außerdem war er der Ansicht, man brauche 8.000 Wagen für 25 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 87 F1: Generalmajor Johann Dietrich Hülsen 1756–1759, Blatt 14 Vorderseite. 26 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 90 L3: Feldmarschall Curt Christoph von Schwerin Jan.–Feb. 1757, Blatt 3 Vorderseite. 27 Siehe ebd., Blatt 66 Rückseite. 28 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 91 L: Generallieutenant Hans Carl von Winterfeldt Immediatskorrespondenz 1757, Blatt 32 Vorder- und Rückseite. 29 Siehe Friedrich II., Politische Correspondenz, Bd. 14, Nr. 8751. 30 Siehe ebd., Bd. 14, Nr. 8757. 31 Siehe ebd., Bd. 14, Nr. 8775. 32 Siehe ebd.
216
IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
das Unternehmen, wovon es in Sachsen aber nur 5.000 gebe, von denen gleich 3.000 abzuziehen seien33. Für eine Offensivaktion bleibe aber ohnehin nur Zeit bis Anfang Juni, sodass letztlich höchstens eine Expedition, aber kein umfassender Feldzug möglich sei, zumal es schwerfallen dürfte, das Magazin von Jungbunzlau zu erbeuten34. Im Schreiben vom 26. März wiederholte der König gegenüber Schwerin das Problem der Verpflegungsanforderung von 8.000 Wagen für die Offensive. Als ein weiteres Problem für die Offensive gegen Böhmen erschien ihm die vermeintlich große Anzahl von bis zu 30.000 Österreichern, die der Oberlausitz gegenüberstanden, da diese es für den Herzog von Bevern, der dort das Kommando führte, schwermacht, dort überhaupt einzudringen35. Zur Diskussion dieser Pläne und zur Lösung der damit einhergehenden logistischen Probleme hatte der König den Intendanten der schlesischen Truppen Generalmajor Carl Christoph von der Goltz nach Frankenstein in Schlesien entsandt, um hierüber mit Feldmarschall Schwerin und Generalleutnant von Winterfeldt zu beraten. Als Ergebnis dieser Beratungen führten Schwerin und Winterfeldt in ihrem Schreiben vom 30. März an den König aus, dass man nach dem Stand der gegenwärtigen Planung nicht der Abwehr der Franzosen die größte Aufmerksamkeit widmen solle, sondern einer Offensive gegen die Österreicher, weil man auf diese Weise die Pläne der beiden verbündeten Mächte am besten durchkreuzen könne. Bezüglich der Verpflegungsprobleme führten sie aus, dass man genug Fourage mitnehmen, aus gegnerischen Magazinen erbeuten oder als Kontributionen eintreiben könne. Winterfeldt hatte auch eine Reihe von Fragen zu beantworten, wovon 2 Ausfertigungen entstanden. Die ersten beiden Fragen widmeten sich der Stärke und den Möglichkeiten der Eroberung der Magazine von Pardubitz und Königgrätz. Winterfeldt ging hierauf jedoch in seiner Antwort gar nicht direkt ein. Er führte lediglich aus, man beabsichtige die Österreicher aus dem Raum zwischen der Elbe, Schlesien und Sachsen zu vertreiben und halte es für wahrscheinlich, sich dabei eines ausreichenden Anteils der Magazine bemächtigen zu können. In der zweiten Ausfertigung, bei der diese Frage nur noch sehr indirekt Gegenstand des ersten Beantwortungspunktes war, weil den König mehr interessierte, ob die Offensive noch durchführbar war, wenn sich Österreicher früher im Feld zusammenzögen, gab Winterfeldt zu Protokoll, dass man eine mögliche Versammlung der Österreicher bei Königgrätz und Pardubitz geschehen lassen wolle, jedoch das Magazin von Jungbunzlau zu erobern sei. Daher ging er auf letzteres Vorhaben ausführlich ein und argumentierte, dass die Österreicher das Magazin nicht verbrennen könnten, weil ansonsten die ganze Stadt, in der man die Vorräte verteilt habe, mit in Flammen aufginge. Wie sich später zeigen sollte, hatte er mit dieser Annahme genau ins Schwarze getroffen. Im letzten Punkt wies Winterfeldt darauf hin, dass man bei einem frühzeitigen Erfolg gegenüber den grenznahen österreichischen Truppen auch deren Husaren auseinandertreiben und damit die Desertion der Infanterie forcieren könne. Darüber hinaus präsentierte er einen recht plausiblen Lösungsansatz für die Einnahme der Baschkopolstellung,
33 Siehe
ebd. ebd. 35 Siehe ebd., Bd. 14, Nr. 8778 und 8779. 34 Siehe
IV.1. Stärkeverhältnisse und Operationsplanung217
der darin bestand, diese Stellung mit 40–50.000 Mann zu umgehen und die Elblinie mit vergleichsweise schwachen Kräften von 20.000 Mann zu decken36. Obwohl Generalleutnant von Winterfeldt mit diesem Entwurf einige Erwägungen, die gegen den Offensivfeldzug in Böhmen sprachen, ausgeräumt hatte, war die Entscheidung zugunsten dieses Planes noch nicht endgültig gefallen. Laut dem Schreiben Friedrichs vom 31. März an General Moritz zu Anhalt-Dessau hatte sich die Bedrohung, die von den französischen Truppen ausging, aber verringert, weil bei Erfurt bisher kaum Magazine vorhanden waren und die Armee des Prinzen Soubise selbst mit den Württembergern und Bayern wesentlich schwächer sei, als er dies bis dahin erwartet hatte37. Vermutlich führten diese beiden Faktoren, d. h. die gestiegene Wahrscheinlichkeit für die logistische Realisierbarkeit des Einmarsches gepaart mit der abnehmenden Gefahr durch die französischen Truppen, zum Entschluss, in Böhmen einzufallen. Dass sich König Friedrich hierzu durchrang, war nicht unbedingt überraschend, denn schon als er sich noch skeptisch zu den Chancen der Magazineroberung von Jungbunzlau äußerte, hatte er seine Sympathien für einen Offensivfeldzug in Böhmen deutlich bekundet, denn es sei „[…] wenn die Sache einschläget dabey 10 mahl mehr zu gewinnen als zu verliehren“38.
Am 5. April betonte er aber noch einmal die Bedeutung der strategischen Defensive, denn „wan wihr dießes Jahr Schlesien und Saksen reine von feindtlichen Einfall halten so haben wihr alles gethan was man von uns pretendiren kann“39.
Angeblich soll es sich bei dieser Äußerung um eine bewusste Täuschung gehandelt haben40. Möglich ist allerdings auch, dass König Friedrich vor dem Beginn aller Irrungen und Wirrungen, die ein kommender Feldzug heraufbeschwören konnte, die eigentlichen Prioritäten in diesem Kriegsjahr klarzustellen gedachte und auch die Offensivplanungen in diesem Sinne einordnete. Vielleicht zog er auch in Erwägung, dass die jüngsten Berichte nicht zutrafen, sodass die französische Streitmacht zahlreicher ausfiel und zur Unterstützung der Österreicher in Richtung Böhmen oder Thüringen unterwegs war. Aber selbst unter Berücksichtigung dieser Risiken verblieb ein Zeitfenster von knapp 3 Monaten für die Durchführung einer Offensive in Böhmen, die unter Umständen kriegsentscheidend sein konnte. Das Ziel dieses Feldzuges scheint daher auch nicht operativ, sondern strategisch definiert gewesen zu sein, nämlich den wichtigsten Gegner in Gestalt der Habsburger oder der Österreicher zu besiegen, somit das zentrale Bindeglied der gegnerischen Koalition zu eliminieren, das Kriegsbündnis aufzulösen und so den Krieg nach dem Status quo zugunsten Preußens zu beenden. gesamten Absatz siehe Friedrich II., Politische Correspondenz, Bd. 14, Nr. 8795. Friedrich II., Politische Correspondenz, Bd. 14, Nr. 8799. 38 GStAPK, Nachlass Winterfeldt, Hans Carl von, Nr. 5: Militärberichte 1757, Blatt 155 Vorderseite. Schreiben vom 26. März aus Lockwitz. 39 GStAPK, VI. HA., Nachlass Winterfeldt, Hans Carl von, Nr. 5: Militärberichte 1757, Blatt 155 Vorderseite. 40 Siehe auch Friedrich II., Politische Correspondenz, Bd. 14, Nr. 8823. Laut der dazugehörigen Fußnote liegt diese Vermutung nahe, weil das Schreiben unverschlüsselt war. 36 Zum
37 Siehe
218
IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
Die geplanten Operationen liefen auf eine Art doppelte Zangenbewegung hinaus, einerseits entlang der Elbe und aus Westsachsen kommend und andererseits aus der Lausitz und aus Schlesien einrückend. Auf diese Weise sollten die grenznahen Truppen zurückgetrieben oder zerschlagen, Geländehindernisse wie das Baschkopolgebirge überwunden und die erste Linie der gegnerischen Magazine in Tetschen, Aussig und Jungbunzlau erobert werden, zumal alle weiteren Operationen logistisch gesehen hiervon abhingen. Die Eroberung des Magazins von Jungbunzlau bildete den Dreh- und Angelpunkt des gesamten Operationsplans, weil man glaubte, dass das so versorgte Korps unter Feldmarschall Schwerin Zugzwang auf die gegnerischen Kräfte links der Elbe ausüben und die Überwindung der Stellungen am Baschkopolgebirge erleichtern würde. Große Schwierigkeiten konnten hierbei jedoch die gegen die Oberlausitz entsandten Truppen bereiten. Was mit den Magazinen bei Pardubitz und Königgrätz geschehen sollte, sprich ob ein Vorstoß auch in diese Richtung erfolgen konnte, war zunächst noch offengeblieben. Dies war alles andere als unwichtig, denn Generalleutnant von Winterfeldt hatte schon Mitte Januar berichtet, dass gerade dort, sprich in Pardubitz und Königgrätz, große Vorräte lagerten, weil sich viele der Nachschubrouten in dieser Gegend konzentrierten: „Das Magazin von Pardubitz wird nach die große Armee in der Gegend von Prag abgeführet, dagegen wird dieses Magazin wieder aus Mähren completiret, und kommen täglich 15 mit 4 Pferden bespannte Wagens in Pardubitz an. Aus Ungarn wird der Haber nur der Armee nach Brünn und Olmütz mit Kayserl. Pferden zugeführet. […] In Königgrätz ist ein Haupt-Magazin. 2 Kirchen sind schon völlig gefüllet. […] Sonsten komt ein erstaunliches Getreyde aus Ungarn herein. Zu Erleichterung des Transports haben sie ordentliche Relais von 2 zu 2 Meilen angeleget. Auf jedem Relais befinden sich 142 Pferde, so dass wann ein Transport ankomt, wird nur gleich umgespannt und wieder fort und das gehet Tag und Nacht wie eine Extra-Post“41.
Bis Anfang März hatten die Österreicher in Königgrätz 70.000 Strich Hartfutter und sogar 80.000 Strich in Pardubitz zusammengeführt, was umgerechnet 2.400 bzw. 3.200 Tonnen entsprach42. Bei Deutschbrod, Czaslau, Jeneckau, Münchengrätz, Iglau und Trebisch lagerten ebenfalls erstaunliche Mehl- und Hartfuttervorräte, während in Neuhoff, Kuttenburg und Suchdol enorme Heumengen gehortet wurden43. Weitere Transporte trafen permanent aus Ungarn über Olmütz und Prostnitz, Leitomischl und Politzka ein44, wofür offenbar in großem Umfang auch sechs- und vierspännige Ochsengespanne verwendet wurden45. Wichtig war vor allem, dass die Magazine neben Kolin zu jenen Lagerstätten zählten, die man bisher geschont hatte46. Da sich beide Orte als lohnende Al-
41 GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 91 K: Generallieutenant Hans Carl von Winterfeldt Immediatskorrespondenz 1756–1757 Jan.–Feb., Blatt 133 Vorderseite. 42 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 91 L: Generallieutenant Hans Carl von Winterfeldt Immediatskorrespondenz 1757, Blatt 8 Vorderseite. 43 Siehe GStAPK, VI. HA., Nachlass Winterfeldt, Hans Carl von, Nr. 5: Militärberichte 1757, Blatt 117 Vorderseite. 44 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 91 L: Generallieutenant Hans Carl von Winterfeldt Immediatskorrespondenz 1757, Blatt 32 Vorderseite. 45 Siehe ebd., Blatt 7 Vorderseite. 46 Siehe ebd., Blatt 40 Vorderseite.
IV.1. Stärkeverhältnisse und Operationsplanung219
ternativziele für die weiteren Operationen anboten, war Winterfeldt der festen Überzeugung, man könne dem unentschlossenen Gegner den größten Schaden zufügen, indem man ihn dort überfiel und seine Pläne zunichtemachte47. Allerdings wurde Feldmarschall Schwerin ein Vorstoß in diese Richtung durch den Befehl des Königs vom 14. April explizit untersagt: „Ob Sie den Feind schlagen oder nicht schlagen, ich befehle Ihnen, nachdem Sie ihn verfolgt haben, an die Elbe auf Leitmeritz oder Melnick zu marschieren; das ist der entscheidende Schlag. Darin liegt die Kraft unseres Planes, und ich werde Sie zu Verantwortung ziehen, wenn Sie meine Befehle nicht auf den Buchstaben genau – au pied de lettre – ausführen. Wenn Sie das nicht tun und nicht an die Elbe marschieren, so ist Ihre ganze Expedition nutzlos; wir müssen dem Feind hinter der Eger den Todesstoß versetzen. Wenn Browne geschlagen und von seinem Magazin verjagt ist, so fällt ganz Böhmen. Ich kümmere mich sehr wenig um einen Einfall, den die Königgrätzer Armee in Schlesien machen könnte; wenn Broune geschlagen ist, wird sie sehr schnell die Flucht ergreifen. – Das ist also ein fester Wille dem ich in allen Punkten ausdrücklich befehle. Das ist mein Plan. Wenn Sie nicht an die Elbe nach Leitmeritz marschieren, sondern auf Königgrätz oder Kolin gehen, muß ich mich aus Mangel an Verpflegung nach Sachsen zurückziehen und sie haben mich dann zu dieser Dummheit verlasst. Also von ihrer Expedition hängt das Heil des Staates ab; wenn Sie sie nicht nach meinem Willen leiten soll mir Ihr Kopf dafür verantwortlich sein“48.
Es wird überdeutlich, dass König Friedrich fest davon überzeugt war, dass der Kampf um die Baschkopolstellung den Feldzug in Böhmen entscheiden würde, und Feldmarschall Schwerin daher nötigte nach Melnick oder Leitmeritz marschieren, indem er dieser Forderung in den schärfsten Tönen Nachdruck verlieh. Wie ernst es ihm damit war, zeigt die Tatsache, dass er diese Ermahnung noch einmal in einem Brief an Generalleutnant von Winterfeldt wiederholte und von ihm ebenfalls verlangte für die Einhaltung seiner Forderungen zu sorgen49. Durch diese Befehlslage war aber nicht nur ein Vorgehen gegen die Magazine bei Königgrätz oder Kolin ausgeschlossen, überhaupt hatte der König den Befehlshaber des schlesischen Korps nahezu gänzlich seines operativen Handlungsspielraums beraubt, was sich für den Verlauf des Feldzuges sehr ungünstig auswirken sollte. IV.1.3. Die Operationsplanungen der Österreicher Auf gegnerischer Seite begannen die operativen Planungen für das Jahr 1757 im Rahmen der Konferenz in Wien am 28. Februar, an der neben Karl von Lothringen u. a. auch der französische Generalleutnant Graf d’Estrées sowie Staatsminister Kaunitz teilnahmen50. Zunächst sollten die österreichischen Truppen Anfang April aus ihren Winter47 Siehe
ebd., Blatt 47 Vorder- und Rückseite. Detlof Graf von, Feldmarschall Schwerin, Seite 333. Zum französischen Original vgl. Friedrich II., Politische Correspondenz, Bd. 14, Nr. 8859. 49 Siehe Friedrich II., Politische Correspondenz, Nr. 8860. 50 Siehe OestHHStA, Staatskanzelei, Vorträge 80, Blatt 364 Vorderseite. Protocollum der Zusammentrettung, so in Ihro königl. Hoheit des Printzen Carl von Lothringen Gegenwart mit dem Herrn französischen Lieutenant General und Ministre de Plenipontentaire, Comte d´Estrées, den 28 Februarii 1757 in der Burg gepflogen worden. 48 Schwerin,
220
IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
quartieren, wo sie nicht länger verpflegt werden konnten, an 4 Sammelplätzen zusammengezogen werden. Davon befanden sich 2 im Königgrätzer Kreis, 1 weiterer im Bunzlauer und 1 im Leitmeritzer Kreis. Auf diese Weise, so Kaunitz, hätten die Truppen jeweils ein Hauptmagazin im Rücken, würden dieses gleichzeitig decken und könnten dann entweder gegen Sachsen und die Lausitz oder gegen Schlesien operieren. Die Ausarbeitung der Pläne für die Offensivoperationen hatte Karl von Lothringen übernommen, wobei letztlich dem Eindringen über die Lausitz nach Sachsen von Maria Theresia und ihrem Mann Kaiser Franz Stephan der Vorzug gegenüber allen anderen Varianten eingeräumt wurde, weil man meinte auf diese Weise am besten das Vorrücken der verbündeten Franzosen nach Magdeburg unterstützen zu können51. Die Ausarbeitungen Lothringens zeigen, dass er sich vor dem Hintergrund der Versorgungs- oder Verpflegungsproblematik darüber im Klaren war, dass man nur auf 2 Routen nach Sachsen würde eindringen können, nämlich entweder über die Elblinie, für deren Beherrschung man im Besitz des Königsteins sein musste, oder über die Oberlausitz, wo man ein Magazin in Zittau benötigte. Für ein Vorgehen gegen die Lausitz sprach vor allem die Tatsache, dass die Gebirge weniger schwierig zu durchqueren waren. Außerdem glaubte man den König zu einem Abzug von Kräften von der Elblinie zu zwingen, wenn man sich selbst in Richtung Schlesien und Oder bewegte, was die Vereinigung mit den Russen, den Vormarsch der Franzosen zur Elbe und die Einnahme des Königsteins ermöglichen sollte. Für eine direkte Offensive gegen Schlesien sprach vor allem die Tatsache, dass man im Lande genügend Verpflegung und Wagen finden würde, was in der Lausitz unter Umständen schwierig oder gar unmöglich werden könnte. Allerdings war er der Ansicht, das Eindringen sei wegen der Gebirge sehr schwer zu bewerkstelligen, da man durch die Pässe die Lebensmittel nachführen müsse. Abgesehen davon wusste Karl von Lothringen auch um die Probleme seines Vorhabens gegen die Lausitz, nämlich dass die Preußen ihm von Schlesien oder aus Sachsen in die Flanke fallen könnten und unter Umständen feindliche Kräfte an der Elbe zurückblieben, die die eigenen Magazine bedrohen würden, sodass man gezwungen wäre zu deren Schutz einen Teil der österreichischen Truppen in Böhmen zurückzulassen52. Insgesamt waren die Überlegungen der Österreicher aber noch deutlich unpräziser und wesentlich unausgereifter als die der Preußen. IV.1.4. Die Verteilung der Verbände vor dem Beginn der Operationen Ende März / Mitte April Bis zum März 1757 bestanden die Streitkräfte der Habsburger aus einer sogenannten Großen Armee mit ca. 114.000 sowie einer zweiten Armee von rund 17.300 Mann in Mähren, sodass sich nach Effektiv- bzw. Sollstand 131.300 Mann versammelt hatten53. Bei den Garnisonstruppen zeigten sich die typischen Verteilungsmängel, denn in Böh51 Siehe
ebd., Blatt 391 Vorder- und Rückseite. Dasselbe Protokoll. zum gesamten Absatz OestHHStA, Staatskanzelei, Vorträge 80, Blatt 369 Vorderseite bis 376 Vorderseite. 53 Siehe OestKA, AFA, Nr. 630: Siebenjähriger Krieg HKR I–IV 1757, Faszikel IV / 16. 52 Siehe
IV.1. Stärkeverhältnisse und Operationsplanung221
men und Mähren waren gerade 8.200 Mann zusätzlich vorhanden, während an die 13.000 in Ungarn, über 6.000 in Italien und über 7.000 in den Niederlanden stationiert waren54. Daher standen im Operationsraum höchstens 140.000 Mann zur Verfügung. Allerdings war schon der dienstbare Stand der Feldtruppen Ende März mit 101.626 Mann und 21.014 Pferden deutlich geringer55. Hiervon standen 22.659 Mann und 5.255 Pferde unter dem Kommando des Feldzeugmeisters Serbelloni in der Gegend um Königgrätz56. Die anderen Korps der Österreicher sammelten sich links der Elbe bei Budin und Schlan, während das Korps des Generalfeldzeugmeisters von Königsegg auf der rechten Elbeseite gegenüber der Oberlausitz Position bezog, wobei die Vorposten bis Rumburg und Friedland reichten. Wie sich die Kräfte dieser 3 Korps genau verteilten, ist etwas unklar. Abzüglich der Königgrätzer Armee verblieben der Großen Armee zunächst 78.967 einsatzfähige Soldaten für die 3 anderen Korps. Wenn man davon ausgeht, dass auf das Korps des Feldzeugmeisters Königsegg bis zu 24.000 Mann entfielen57, dann dürften für die beiden anderen Korps unter Feldmarschall Browne und Generalfeldzeugmeister von Ahremberg nicht mehr als 55.000 Mann zur Verfügung gestanden haben. Die Königgrätzer Armee, die später unter dem Kommando Feldmarschall Dauns stehen sollte, wuchs durch die Ergänzungen der Truppen aus Mähren und Wien bis Ende April auf einen dienstbaren Stand von 37.133 Mann und 10.056 Pferden an58. Abzüglich der 5 Infanterie- und 2 Kavallerieregimenter mit ca. 6.300 Mann in Mähren belief sich die Gesamtstärke der österreichischen Truppen in Böhmen damit auf rund 116.100 einsatzfähige Soldaten59. Auch unter diesen Umständen waren die Preußen um 10.000 Mann überlegen. Diese formierten sich für die Offensive gegen Böhmen in 4 Korps, 3 in Sachsen und 1 in Schlesien. Im Wesentlichen wurden die Verbände entsprechend der Dislokation der preußischen Einheiten in den Winterquartieren gebildet. Die rund 91.500 Mann in Sachsen zogen sich um die größeren Städte des Erzgebirges, an der Elbe zwischen Pirna und Dresden sowie in der Oberlausitz zusammen.
54 Siehe
OestHHStA, Staatskanzelei, Vorträge 80, Blatt 443–444 Vorderseite. OestKA, AFA, Nr. 630: Siebenjähriger Krieg HKR I–IV 1757, Faszikel IV / 16. 56 Siehe OestKA, AFA, Nr. 599: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 I–V, Faszikel III / 32. 57 Gemäß der Schätzung des Königs im Brief an seine Schwester, die Marggräfin von Bayreuth, vom 22. April aus Aussig umfasste Königseggs Korps rund 24.000 Mann. Siehe Friedrich II., Politische Correspondenz, Nr. 8888. 58 Siehe OestKA, AFA, Nr. 599: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 I–V, Faszikel IV / 15. 59 Die Stärke und die Verteilung der österreichischen Truppen wird seitens der Preußen immer anders angegeben, nämlich mit 118.000 bis 133.000 Mann verteilt auf 5 Korps, davon 4 in Böhmen und 1 weiteres in Mähren (vgl. Großer Generalstab, Die Kriege Friedrichs des Großen. Dritter Theil, Bd. 2: Prag, Seite 55 und Schwerin, Detlof Graf von, Feldmarschall Schwerin, Seite 341). Am auffälligsten ist, dass der Verband des Feldmarschalls Daun zumeist um 10.000 Mann geringer und der des Generals Nadasdy in Mähren um 9–10.000 Mann stärker angegeben werden, was wohl damit zusammenhängt, dass die Umgruppierung dieser Einheiten nicht berücksichtigt wurde. Deutlich zu hoch veranschlagt war wahrscheinlich auch das Korps des Generals von Ahremberg mit 24.000 Mann bzw. die ganze Streitmacht der Österreicher links der Elbe mit insgesamt 64.000 Mann. 55 Siehe
222
IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
Das Korps im Erzgebirge versammelte sich bei Chemnitz, Zwickau und Freiberg und wurde vom General der Infanterie Moritz zu Anhalt-Dessau kommandiert. Es bestand aus 11 Musketier- und 4 Grenadierbataillonen, 3 Freibataillonen und 30 Eskadrons, jeweils 10 der Kürassiere, Dragoner und Husaren, die inklusive der Artillerie 21.515 Portionen verbrauchten60, sodass insgesamt um die 20.500 Soldaten antraten. In der Oberlausitz formierte sich das Korps des Herzogs von Bevern. Da das Regiment von Württemberg wieder dem schlesischen Korps zugeteilt wurde, setzte es sich aus 16 Musketier- und 4 Grenadierbataillonen sowie 25 Eskadrons Kavallerie zusammen61. Dabei umfasste es ca. 16.600 Infanteristen und 4.300 Kavalleristen mit einem Bedarf von 22.100 Portionen. Während die beiden Flügelkorps im Erzgebirge und in der Oberlausitz damit aus rund 15.500 bzw. 17.000 Infanteristen bestanden, verblieben für das Korps des Königs inklusive der Freibataillone noch ca. 27.500 Mann Infanterie, die sich auf 25 Musketier-, 9 Grenadier- und 1 Freibataillon verteilten. Hinzu kamen 52 Eskadrons Kavallerie, worunter sich zunächst noch die 4 sächsischen Dragonereskadrons unter Oberstleutnant Pflug befanden, die Ende März 1757 aber zu den Österreichern überliefen62. Auch bei den übrigen ehemals sächsischen Infanterieregimentern kam es zu bedeutenden Deser tionsausfällen, vor allem das Regiment von Loen und das 2. Bataillon des Regiments Jung-Bevern marschierten auf ihrem Weg ins Brandenburgische bei Beeskow oder Lieberose ab und überquerten die Oder, um sich nach Polen abzusetzen, nachdem es zuvor zu gewaltsamen Auseinandersetzungen mit den Offizieren gekommen war63. Allerdings hatte wohl auch ein sächsisches Grenadierbataillon auf dem Marsch von Leipzig nach Grimma deutliche Loyalitätsbekundungen gegenüber dem sächsischen Kurfürsten und polnischem König geäußert64. Vor dem Hintergrund dieser Probleme wurden die sächsischen Einheiten, die das Korps des Königs auf bis zu 42 Bataillone verstärkten65, zunächst zurückgelassen, obwohl 2 Regimenter später noch als Besatzungstruppen nachrückten. Für die Offensive gegen Böhmen verblieben der Kampftruppe noch 36 Bataillone und 48 Eskadrons Kavallerie66, die schon ohne die Artilleristen und die Feldjäger, die sie noch ergänzen sollten, um die 42.000 Mann zählten. Ab dem 16. und 17. April gingen sie bei Nollendorf an der Grenze zu Böhmen in Stellung67.
60 Siehe LASA, DE, Z44 Abt. Dessau, A 9b VIb, Nr. 10, Bd. V (Verschiedene Militaria aus des Fürsten Moritz von Anhalt in preußigen Jaare 1757), Blatt 59 und 60 jeweils Vorderseite. 61 Siehe LASA, DE, Z44 Abt. Dessau, A 9b VIb, Nr. 10, Bd. IV (Verschiedene Militaria aus des Fürsten Moritz von Anhalt in preußigen Jaare 1756), Blatt 431 Vorderseite. 62 Siehe SächsHStA-DD, 10024 Geheimer Rat, Loc. 9336 / 1: Journal des Preußischen Krieges 1756 / 1757, Blatt 282 Rückseite und Blatt 300 Vorderseite. 63 Siehe ebd., Blatt 281 Vorderseite–282 Rückseite. 64 Siehe ebd., Blatt 275 Vorderseite. 65 Siehe Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 2: 1757, Teil 1, Seite 9 f. 66 Für die genaue Schlachtordnung und die einzelnen Einheiten vgl. Westphalen, Christian Heinrich, Philipp Edler von, Feldzüge des Herzog Ferdinand von Braunschweig, Bd. II, Seite 28 f. 67 Siehe Friedrich II., Politische Correspondenz, Bd. 14, Nr. 8810.
IV.1. Stärkeverhältnisse und Operationsplanung223
Dem schlesischen Korps verblieben ca. 40.000 preußische Soldaten. Für die Offensive gegen Böhmen wurde auch zunächst nur ein sächsisches Regiment herangezogen, sodass die Stärke der Streitmacht vorerst 42.000 Mann wohl nicht überstieg. IV.1.5. Rekapitulation der Planungsphase Die Karte zeigt abschließend, wie sich die Verbände verteilten und wie auf preußischer Seite nach der Bildung der beiden Armeen das Vorgehen der Streitmacht unter Schwerin und Bevern in Richtung Melnick geplant war, um die Armee des Königs bei Budin zu unterstützen.
Abbildung 16: Operationsentwürfe Frühjahr 175768
Angedeutet ist auch die alternative Vorstoßvariante in den Raum Königgrätz, Pardubitz und Kolin, die durch Friedrichs Knebelbefehl an Feldmarschall Schwerin verworfen wurde. Ob sich König Friedrich eher auf eine westliche Ausrichtung der Operationen vor dem Hintergrund der besseren Nachschubmöglichkeiten seitens des Gegners, die sich offensichtlich über die Moldaulinie ergaben, festlegte, ist unklar, aber durchaus denkbar.
68 Karte
adaptiert nach Schwerin, Detlof Graf von, Feldmarschall Schwerin.
224
IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
Die unterschiedlichen Ansichten zur Gestaltung der Operationen nach der Eroberung des Jungbunzlauer Magazins waren vermutlich dem Umstand geschuldet, dass sich König Friedrich erst kurzfristig für die Durchführung des Feldzuges entschied, weil er der Verlockung erlag, möglicherweise einen schnellen Sieg erringen zu können. Gedanken über ein aussichtsreiches Operationsziel hatte er sich wahrscheinlich erst nach dem Schriftwechsel mit General von Winterfeldt und Feldmarschall Schwerin gemacht. Die beiden Generäle hatten ihre Planungen und Überlegungen dagegen viel langfristiger anhand ihrer Aufklärungsberichte ausgerichtet und bevorzugten eine Offensive in Richtung Königgrätz, Pardubitz und Kolin, wobei sie offenbar flexibler, d. h. mehr nach Maßgabe der Umstände und Gelegenheiten, zu agieren gedachten, anstatt sich von Anfang und in Unkenntnis der gegnerischen Reaktion auf ein bestimmtes Ziel festzulegen. Die Dislokation der Österreicher kam den Preußen ein Stück weit entgegen, zumal das vorgeschobene Korps gegenüber der Oberlausitz stark von der Umfassung durch die pommerschen und schlesischen Truppen bedroht war. Abbildung Obwohl die Österreicher sogar früher mit ihren Operationsplanungen als die Preußen begannen, war dies offenbar recht spät, weil sich der Großteil der Vorbereitungen hinsichtlich der Rekrutierungen offenbar bis in das Frühjahr 1757 hinzog. Insofern stellt sich die Frage, warum die Habsburger als jene Kriegspartei, die sich in der strategischen Offensive befand, nicht wesentlich früher mit den Vorkehrungen, die beispielsweise auch die Verlegung von großen Mengen an Artilleriematerial betrafen69, begonnen hatten. Allerdings wird sich nun im folgenden Kapitel zeigen, dass es weder bei den Preußen noch bei den Österreichern schlecht um die logistischen Voraussetzungen bestellt war, wobei Letzteres auch nur bedingt überraschend ist, zumal sich dies weitestgehend mit den Aufklärungsergebnissen von Feldmarschall Schwerin und Generalleutnant von Winterfeldt deckte.
69 Vgl. III. Teil 1.: Die logistisch relevanten Ressourcen in Schlesien, Sachsen, Böhmen und Mähren.
IV.2. Logistische Vorbereitungen225
IV.2. Logistische Vorbereitungen – Verpflegungslage und Transportmittelbeschaffung IV.2.1. Das Korps des Generals Moritz zu Anhalt-Dessau im Erzgebirge Die logistischen Vorbereitungen des Feldzuges betrafen in erster Linie die Beschaffung der Lebensmittelvorräte für die Feldtruppen sowie die Aufbringung der Transportmittel im Operationsraum, die für ihre Nachführung benötigt wurden. Wie schon geschildert, stellten für die Preußen das Kurfürstentum Sachsen und das Herzogtum Schlesien die Aufmarschgebiete dar, während die Österreicher sich in Böhmen konzentrierten. In Schlesien lässt sich vor allem anhand der Magazinbestände, die sich nicht nur auf die Hauptfestungen, sondern auch auf zahlreiche kleine Städte verteilten, ein recht gutes Bild von den Vorräten zeichnen. In Sachsen ist es viel schwieriger, sich ein Bild von der Bevorratungslage zu verschaffen, weil sich die Magazinbestände nur für das Korps in der Oberlausitz und im Erzgebirge erhalten haben. Für die Armee des Königs muss man versuchen die Versorgungssituation durch die Ausschreibungen in Sachsen und die Lieferungen, die den preußischen Truppen durch den Geheimen Rat Carl Heinrich Schimmelmann zugingen, zu rekonstruieren. Bei den Transportmitteln kann man plausiblerweise davon ausgehen, dass die Brot- und Fouragewagen der Regimenter vorhanden waren und die zusätzlich erforderlichen Wagen aus den Aufmarschgebieten beschafft wurden. Hervorragend kalkulierbar ist dagegen der Bedarf an Naturalien und Transportmitteln, da er für das Korps des preußischen Generals Moritz zu Anhalt-Dessau ausführlich dokumentiert ist und somit als Muster für die Bestimmung der Anforderungen aller anderen preußischen Korps dienen kann. Die Etats umfassten auch die Wagen, die den Kompanien, Bataillonen und Eskadrons zugeteilt waren, deren Anzahl sich durch die Aufstockung inzwischen ebenfalls erhöht hatte. Die Aufstellung zeigt, welche großen Rationsmengen allein für die Pferde eines aufgestockten Infanterieregimentes veranschlagt wurden: „1 Obrister 1 Obristlieutenant 2 Major a 4 Rat. 2 Adjudanten a 3 Rat. 1 Regts. Quartier-meister 1 Auditeur und 1 Feldprediger 1 Regiments Feldscher 1 Stabswagen 10 Captaines a 12 Rationes 20 Lieutenants a 2 Rationes 10 Fähnrichs a 2 Rationes 12 Proviant-Wagen a 4 Pferde Summa
8 Rationes 6 Rationes 8 Rationes 6 Rationes 3 Rationes 3 Rationes 4 Rationes 4 Rationes 120 Rationes 40 Rationes 20 Rationes 48 Rationes 270 Rationes“1.
1 LASA, DE, Z44 Abt. Dessau, A 9b VIb, Nr. 10, Bd. V (Verschiedene Militaria aus des Fürsten Moritz von Anhalt in preußigen Jaare 1757), Blatt 54 Vorderseite.
226
IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
Wie man sieht, waren nicht nur die Proviant- und Stabswagen, sondern vermutlich auch die Munitions- und Zeltwagen eingeplant, da die Hauptmänner, sprich die Capitaine, über 12 Rationen im Vergleich zu den Majoren mit 4, den Oberstleutnanten mit 6 und den Obristen mit lediglich 8 über einen ungewöhnlich hohen Etat verfügten, der wahrscheinlich dem Umstand geschuldet war, dass zu jeder Kompanie auch immer ein Rüst- und Zeltwagen gehörte, sprich 2 × 4 Rationen auf diese Wagen entfielen. Folglich besaß jedes Musketierbataillon in der Regel wohl weitere 10 und jedes Grenadierbataillon 8 Wagen, sodass insgesamt pro Infanterieregiment 23 und pro Grenadierbataillon 14 Wagen anfielen, da Letztere infolge der Aufstockung, ähnlich wie die Kürassier- und Dragonerregimenter, inzwischen auch 6 Brot- und Proviantwagen besessen haben dürften2. Die Husarenregimenter verblieben wegen ihrer geringfügigeren Aufstockung wohl nur bei 10 Proviantwagen, die gemäß der Zirkularorder von Anfang Januar nun fest den Regimentern überstellt waren3. Bei einer Zusammensetzung von 11 Infanteriebataillonen, 4 Grenadierbataillonen, 3 Freibataillonen und 20 Eskadrons schwerer und 10 Eskadrons leichter Kavallerie benötigte das Korps schon durch die regimentsinterne Logistik in der Summe ca. 220 Wagen. Der Verband zog sich um Freiberg, Chemnitz, Zwickau und Marienberg im Erzgebirge zusammen und benötigte pro Tag folgende Anzahl an Brotportionen und Pferderationen: Tabelle 29 Portions- und Rationsbedarf des Korps des Prinzen Moritz zu Anhalt-Dessau im März 17574 Einheit / militärischer Funktionsträger Generalleutnante Generalmajore Augmentierte Musketierbataillone Grenadierbataillone Freibataillone Eskadrons Kürassiere Eskadrons Dragoner von Bayreuth Eskadrons Husaren von Zieten Artillerie bei den Bataillonen Artillerie des Korps und Fußjäger Summe
Anzahl
Portionen
Rationen
3 4 11 4 3 10 10 10
36 40 10.693 3.183 1.627 1.996 1.981 1.327 413 189 21.515
117 40 1.483 423 297 2.286 2.237 1.487 114 127 8.620
18 Btl./30 Esk.
2 Siehe LASA, DE, Z44 Abt. Dessau, A 9b VIb, Nr. 10, Bd. V (Verschiedene Militaria aus des Fürsten Moritz von Anhalt in preußigen Jaare 1757), Blatt 58 Vorderseite. 3 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96 B: Minüten, Nr. 66 1757, 1758, 1759, Blatt 6 Vorderseite. 4 Zu sämtlichen Angaben in dieser Tabelle siehe LASA, DE, Z44 Abt. Dessau, A 9b VIb, Nr. 10, Bd. V (Verschiedene Militaria aus des Fürsten Moritz von Anhalt in preußigen Jaare 1757), Blatt 59 und 60 Vorderseite.
IV.2. Logistische Vorbereitungen227
Dieser Bedarf entsprach pro Tag folgenden Mengen an Naturalien: Tabelle 30 Naturalienbedarf des Korps von General Moritz zu Anhalt-Dessau im März 17575 Originalmengen in Wispeln, Scheffeln, Zentnern, Schock und Pfund
Mengen in Tonnen
50 Portionen = 1 Scheffel Rocken
17 Wispel
22 Scheffel
15,75
Hafer a Ration 3 Metzen
67 Wispel
8 Scheffel
45
Heu a Ration 8 Pfund
626 Zentner
100 Pfund
31
Streu-Stroh a Pferd 4Pfund
313 Zentner
50 Pfund
15,5
Welche Vorräte zur Deckung in den Magazinen von Zwickau, Chemnitz und Freiberg in der Zeit vom 18. bis 24. März 1757 zur Verfügung standen, zeigt die folgende Tabelle. Es sind sowohl die Mengen der Naturalien als auch die entsprechenden Portions- und Rationsanzahlen angegeben. In Freiberg sind nur die Brotmengen angegeben, woraus sich aber die entsprechende Portionsmenge anhand des Standardbrotgewichts von 3 Kilogramm und die entsprechende Mehlmenge anhand des gewöhnlichen Anteils von 75 % bestimmen lässt. Die Roggenmenge kann ebenfalls nach der von Minister Katt errechneten Faustformel ermittelt werden, laut derer sich das Verhältnis zwischen dieser und der Portionsmenge auf 1 : 1 belief, weil der Gewichtsverlust, der durch die Vermahlung entstand, beim Backen wieder ausgeglichen wurde.
5 Zu sämtlichen Zahlen in der Tabelle siehe LASA, DE, Z44 Abt. Dessau, A 9b VIb, Nr. 10, Bd. V (Verschiedene Militaria aus des Fürsten Moritz von Anhalt in preußigen Jaare 1757), Blatt 59 und Blatt 60 jeweils Vorderseite.
228
IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757 Tabelle 31 Magazinbestände zur Truppenverpflegung im Erzgebirge Mitte / Ende März 17576 Freiberg
Chemnitz
Zwickau
Vorräte für die Truppenverpflegung in Tonnen und ihre Entsprechung in Portionen Tonnen
Brote
Portionen
Tonnen
Scheffel
Portionen
Tonnen
Portionen
Mehl
1.830
457.444
1.372.332
143
21
172.633
122
147.220
Rocken
396
150.000
450.000
Zusätzlich in Bäckerei als Brot vorhanden
15
20.517
Zusätzlich in Bäckerei an Mehl vorhanden
14
19.824
141
187.341
Summe
2.226
607.444
1.822.332
143
21
172.633
Wie man sieht, verfügte das Magazin in Freiberg mit 2.226 Tonnen gegenüber den Magazinen in Chemnitz und Zwickau über die größten Mehlvorräte. Insgesamt konnte man aus den Mehlbeständen dieser Magazine 2.182.296 Brotportionen herstellen. Diese Menge genügte, um das Korps nach dem Tagesbedarf von 21.515 Portionen für 101 Tage zu versorgen. Geht man von den rund 18 Tonnen Mehl aus, die General von Anhalt-Dessau hierfür pro Tag kalkuliert hatte, so zeigt sich, dass die Gesamtbestände im Umfang von 2.565 Tonnen mindestens für 142 Tage und ohne die 5 % Karenz sogar für 150 Tage reichten. Deutlich schwieriger gestaltete sich die Pferdeverpflegung, mit folgenden Vorräten: Tabelle 32 Vorräte der Pferdeverpflegung in den Magazinen des Erzgebirges7 Wispel
Rationen
Gerste
Wispel
Rationen
Wispel
Rationen
Wispel
19
2.540
11
2.192
35
710
90.943
1.837
Hafer
836
107.270
291
38.614
Häcksel
89
5.994
121
8.000
Zentner Heu
9.307
Zentner 116.349
Schock Stroh
67
6.348
Zentner 86.970
Schock 8.124
40
91 7.890
Zentner 108.591
Schock 4.820
91
23.545 Schock
10.980
198
6 Zu sämtlichen Werten in der Tabelle siehe LASA, DE, Z44 Abt. Dessau, A 9b VIb, Nr. 10, Bd. V (Verschiedene Militaria aus des Fürsten Moritz von Anhalt in preußigen Jaare 1757), Blatt 63 Vorderseite, Blatt 66 Vorderseite und Blatt 70 Vorderseite. 7 Zu sämtlichen Werten in der Tabelle siehe ebenda alle zuvor genannten Blattseiten.
IV.2. Logistische Vorbereitungen229
Die hier angegebenen Verpflegungsmengen für die Pferde entsprechen 1.224 Tonnen Hafer, 210 Tonnen Häcksel und 1.177 Tonnen Heu sowie 130 Tonnen Stroh. Nach der angegebenen Rationsmenge betrug der Tagesbedarf in Naturalien 44 Tonnen Hartfutter, 34 Tonnen Heu und für Stroh 43 Tonnen. Folglich reichten die entsprechenden Nahrungsmittel 32, 38 und 3 Tage. Allerdings konnte man mit dem Häcksel als Ersatz die Versorgung noch 1 ½ Tage zusätzlich sicherstellen. Denn normalerweise setzte sich eine Ration immer aus 3 Komponenten, nämlich typischerweise Hafer, Heu und Stroh zusammen, wobei als Ersatz für das Raufutter auch Häcksel verfüttert werden konnte. Dies bedeutet, dass die Pferde selbst ohne die Karenz der Kavallerieeinheiten im Umfang von 550 bis 700 Stück mit dem Stroh nur für 5 Tage voll versorgt waren. Abzüglich dessen verblieben für 27 Tage Hafer und 33 Tage Heu, die dann jedoch in erhöhten Rationen gefüttert werden mussten, um den fehlenden Strohanteil auszugleichen, sodass man nur für weitere 17 bzw. 22 Tage versorgt gewesen wäre, sprich bis zum 15. oder 20. April. Allerdings erhielt das Korps durch die Initiative General von Zietens zur Unterstützung die gesamten Bestände des Naumburger Magazins. Am 29. März lagerten dort noch 5.056 Scheffel Hafer, 1.539 Scheffel Gerste, 2.741 Zentner Heu und 100 Schock Stroh8. Als man einige Tage später begann die kompletten Bestände des Magazins abzuführen, hatte sich die Hafermenge schon um 2.675 Scheffel verringert9, was aber möglicherweise damit zusammenhing, dass ein Teil den Truppen schon zugeführt worden war. Die restlichen Mengen gingen dem Korps dann Mitte April auf 484 Wagen zu, von denen 282 vom Thüringer Kreis und 82 vom Stift Naumburg-Zeitz und die 118 übrigen vom Stift in Merseburg gestellt wurden10. Die Gesamtmenge des Magazins entsprach 547 Tonnen an Hartfutter, 137 Tonnen Heu und 60 Tonnen Stroh, sodass die Verpflegung mit Hafer und Heu inklusive der 3 anderen Magazinbestände jeweils 37 ½ Tage und jene mit Stroh 6 Tage möglich war. Somit konnte die Vollversorgung des Korps bis Ende März und bei erhöhten Hafer- und Heuanteilen bis zum 26. April gewährleistet werden. Im Rahmen der geplanten Offensive gegen Böhmen benötigte man nun zusätzlich 1.643 vierspännige Wagen, die den Truppen Mehl und Fourage für 7 Tage nachführten, sodass sie inklusive der 3 Tagesverpflegungen, die man für die Soldaten und Pferde mitnahm, 10 Tage versorgt waren11. Mit den Wagen ging eine zusätzliche Anzahl von 6.572 Pferden einher, sodass der Bedarf von 8.620 auf 15.192 Rationen anstieg. Damit stieg der Tagesverbrauch theoretisch auf 77,5 Tonnen Hafer, rund 60,7 Tonnen Heu und 75 Tonnen Stroh. Mit den Magazinvorräten aus Naumburg wäre eine Vollversorgung somit gerade einmal für 2 ½ Tage möglich gewesen. Die verbleibenden Heu- und Hafermengen sicherten die Versorgung für 19 Tage, sprich maximal bis zum 17. April. Wahrscheinlich hatten sich die zusätzlich ausgeschriebenen Wagen ihre Verpflegung aber 8 Siehe LASA, MD, A 49 Stände des Thüringischen Kreises und Kreisdeputation, Nr. 126: den Transport der königl. Preuß. Magazinvorräthe in Zeitz betreff, Blatt 25 Vorderseite. 9 Siehe ebd., Blatt 8 Vorderseite. 10 Siehe LASA, MD, A 49, Nr. 126: den Transport der königl. Preuß. Magazinvorräthe in Zeitz betreff, Blatt 6 Vorderseite–Blatt 8 Vorderseite. 11 Siehe LASA, Z44 Abt. Dessau, A 9b VIb, Nr. 10, Bd. V (Verschiedene Militaria aus des Fürsten Moritz von Anhalt in preußigen Jaare 1757), Blatt 74 Vorderseite.
230
IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
selbst mitzubringen, sodass das Futter in der Tat bis zum 26. April reichte. Trotzdem deutet sich angesichts des hohen Verbrauchs der Magazinbestände schon an, wie schwierig es war, die enormen Vorräte für die konzentrierten Pferdemassen schon zu Beginn aufzubringen, und dass die Verpflegungsprobleme nicht erst begannen, wenn die Verbände ins Feld rückten. IV.2.2. Das Korps unter König Friedrich bei Dresden Auch die Versorgung des Korps unter König Friedrich war alles andere als einfach. Wie viel Mehl für die Truppenverpflegung von den 5.096 Tonnen12, die man der Armee aus den kurmärkischen Magazinen beim Einmarsch nach Sachsen 1756 nachgesandt hatte, verblieben waren, ist schwer einzuschätzen. Die rund 69.800 Mann der Invasionsarmee, zu der auch die Einheiten gehörten, die nun das Korps unter General Moritz zu Anhalt-Dessau bildeten, hatten bei einem Bedarf von 75.000 Portionen pro Tag aber bis zu 62 Tonnen verbraucht13, sodass die Menge höchstens für 3 Monate, sprich bis Ende des Jahres 1756, reichte. Ähnlich stellte sich die Versorgungslage der Kavallerie dar. Für deren Verpflegung hatte man nach dem Einmarsch Mitte September 1756 folgende Mengen gefordert: „a) 5000 Wispel Hafer oder Gerste, Berliner Maaß oder 2587 Wispel 13 Schfl. Dreßdner Maaß b) 45000 Ct. Heu c) 6000 Schock Stroh, das Schock a 60 Schütten, und die Schütte a 20–24 lb14“.
Dies entsprach umgerechnet 3.350 Tonnen Hafer oder Gerste, 2.250 Tonnen Heu und 3.600–4.300 Tonnen Stroh. Da diese Mengen gleich 3-mal geliefert werden mussten, ergab dies eine Gesamtmenge von rund 10.000 Tonnen Hafer oder Gerste, 6.750 Tonnen Heu sowie rund 12.000 Tonnen Stroh. Als Ablieferungsorte für diese Mengen hatte man zunächst Torgau, Meißen und Dresden bestimmt, dann aber Pirna statt Torgau vorgesehen15. Da sich aus einer Tonne Hafer oder Gerste 196 Rationen, aus einer Tonne Heu 250 Rationen und aus einer Tonne Stroh 240 Rationen gewinnen ließen, entsprachen diese Mengen rund 2 Millionen Rationen Hafer, 1,68 Millionen Rationen Heu und 1,6 Millionen Rationen Stroh. Weil sich der Bedarf der unter König Friedrich in Sachsen eingerückten Streitmacht auf bis zu 35.000 Rationen belief16, dürften auch diese Mengen 12 Zu
dieser Menge vgl. II. Teil 5.: Das Magazinwesen. GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 606 B: Rüstungen des Jahres 1756 allgemein, Blatt 38 Vorderseite. 14 SächsHStA-DD, 10016 Landeshauptdeputation, Loc. 41524, Rep. LXI, Nr. 1: Die bey der königl. Preuß. Einquartierung dero Armee gelieferte Fourage und was dem anhängig, Blatt 26 Vorderseite. 15 Siehe SächsHStA-DD, 10025 Geheimes Konsilium, Loc. 6482, Num 15: Königl. Preuß. Seits gelieferte vom Lande geforderte Fourage, Pferde- und Vieh Lieferungen sämtl. Proviant Pferden und Knechten ingleichen […], Blatt 5 und 8 Vorderseite. 16 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 606 B: Rüstungen des Jahres 1756 allgemein, Blatt 38 Vorderseite. 13 Siehe
IV.2. Logistische Vorbereitungen231
schon nach ca. 50 Tagen, d. h. mit hoher Wahrscheinlichkeit noch vor Ende des Jahres 1756, verbraucht gewesen sein. Allerdings standen den Preußen noch weitere Hilfsquellen zur Verfügung. Vor allem der Geheime Rat Carl Heinrich von Schimmelmann beschaffte ganz enorme Mengen an Getreide aus Hamburg sowie aus dem magdeburgischen und anhaltischen Raum, die er mit Schiffen nach Dresden oder Torgau bringen ließ. Bereits am 22. September 1756 hatte man ihm einen Freipass auf den Transport von 8.000 Wispeln Hafer und Roggen, 10.000 Zentnern Heu und 5.000 Zentnern Stroh aus Magdeburg sowie auf die Heranführung von weiteren 12.000 Wispeln Roggen und Hafer aus Hamburg erteilt17. Von der Lieferung aus dem magdeburgischen und anhaltischen Raum waren bis zum 3. Dezember 1756 mit ca. 192 Schiffstransporten insgesamt 5.068 Wispel Getreide eingetroffen, wobei bis auf 5 Schiffsladungen, die nach Torgau gingen, alle anderen in Dresden gelöscht wurden18. Der Großteil dieses Getreides, das aus Alsleben, Nienburg und Bernburg stammte, bestand in 3.076 Wispeln Gerste, während der Hafer mit 417 Wispeln den geringsten Anteil darstellte19. Diese 3.493 Wispel oder 2.328 Tonnen Hartfutter deckten den Verpflegungsbedarf sämtlicher preußischer Pferde in Sachsen aber nur für weitere 13–14 Tage. Selbst wenn alle Mengen aus dem Magdeburgischen und Anhaltischen eintrafen, war die Versorgung höchstens für 1 Monat, d. h. bis Anfang Januar, gesichert. Wenn die 12.000 Wispel, die aus Hamburg kommen sollten, zu rund 2 Dritteln Hafer und Gerste und 1 Drittel Roggen bestanden, wäre die Kavallerieverpflegung etwas mehr als einen weiteren Monat, jedoch nicht länger als bis Ende Januar 1757 gesichert gewesen, während der Roggen, wenn er zu 4.000 Tonnen Mehl vermahlen wurde, den Bedarf der Invasionsstreitmacht bis Ende Februar deckte. Allerdings hatte sich neben Schimmelmann Mitte Januar 1757 ein anderer Händler Namens Croon angeboten, 2.000 Wispel Roggen, 500 Wispel Gerste und 4.000 Wispel Hafer zu liefern, was in etwa einer Gesamtmenge von ca. 4.350 Tonnen entsprach20. Das Getreide, das nicht aus brandenburgisch-preußischem Territorium stammte, sollte auf der Elbe zollfrei ab Aufgang des Flusses, d. h. nach Abschmelzen des Eises, bis Dresden transportiert werden, und zwar nur in ausländischen Schiffen21. Wenn die Mengen bis Ende Februar / Anfang März 1757 eingetroffen waren, dann ermöglichte der Roggen die Brotversorgung aller preußischen Truppen in Mittelsachsen, d. h. der Einheiten links der Elbe, abzüglich derjenigen, die im Erzgebirge stationiert waren, für rund 44 Tage. Die Hartfuttermenge im Umfang von ca. 3.000 Tonnen reichte zwar 16 Tage, wurde vorerst aber noch gar nicht für die Versorgung der Kavallerie benötigt. 17 Siehe SächsHStA-DD, 10026 Geheimes Kabinett, Loc. 3296 / 29: Preußische Invasion Sachen 1756 1757, Schreiben aus Dresden am Dresden, den 22. Sept. 1756. 18 Siehe LASH, Abt. 127.3. Schimmelmann, Nr. 13: Schifferfrachten 1756–1758, Blatt 222–223 Rückseite. 19 Siehe ebd. 20 Siehe SächHStA DD, 10016 Landeshauptdeputation, Loc. 41524, Nr. 11: Die von könig. Preuß. Seits geforderte andere Recroutierung, Blatt 54 Vorder- und Rückseite. 21 Siehe ebd.
232
IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
Nach dem Ende des Feldzuges 1756 hatte man diese in die Winterquartiere verlegt und über das ganze Kurfürstentum verteilt, wo sie bis Ende März 1757 verblieben, bevor sie wieder in der Gegend um Dresden zusammengezogen wurden. Vor allem die schwere Reiterei war in die Dörfer des nördlichen Mittelsachsen von Großenhain über Wutzen, Grimma bis nach Leipzig, Naumburg und Zeitz einquartiert worden22, wo die Versorgung von den kleinen und mittelgroßen Städten in Nordwestsachsen bewerkstelligt werden musste23. Zusammen benötigten die 37 Kürassiereskadrons, offenbar ohne die übliche 10 % Karenz, mindestens 6.929 Rationen pro Tag24. In Naturalien entsprach dies 35,3 Tonnen Hafer, 27,7 Tonnen Heu und 34,6 Tonnen Stroh täglich. Allein in Grimma, Wurtzen und Großenhain waren von Ende November 1756 bis Ende Februar 1757 zusammen 42.274 Scheffel25 Hafer, 30.795 Zentner Heu und 4.235 Schock Stroh eingeliefert worden26. Letztlich standen Ende Februar umgerechnet noch ca. 2.330 Tonnen Hartfutter, 1.540 Tonnen Heu und 2.795 Tonnen Stroh zur Verfügung, mit denen sich die Verpflegung dieser Kavallerieeinheiten für ca. 60–80 Tage bewerkstelligen ließ, sprich bis Ende April oder Mitte Mai. Zu versorgen waren allerdings auch die rund 7.000 Reiter mit einem täglichen Bedarf von 5,25 Tonnen Mehl. Hierfür standen in Grimma bis Ende Februar 2.464 Zentner Mehl bereit, die noch durch weitere 4.000 Scheffel Weizenund Roggen, die zur Vermahlung vorgesehen waren, ergänzt wurden27. Weitere 829 Zentner Mehl lagerten in Großenhain, 587 Zentner in Eilenburg und 1.800 Zentner in Wurzen28. Mit dieser Gesamtmenge, die umgerechnet 284 Tonnen entsprach, und den Weizen- und Roggenmengen, aus denen sich rund 160 Tonnen Mehl gewinnen ließen, dürften insgesamt 444 Tonnen zur Verfügung gestanden haben, die die Verpflegung der Reiter über 84 Tage und damit noch länger als die der Reittiere ermöglichten. Allerdings waren auch die Pferde des Proviant- bzw. Mehlfuhrwesens sowie jene für den Artillerietrain und die Pontons zu verpflegen, die sich auf mehrere Dörfer zwischen Meißen und Dresden bzw. zwischen Mühlberg und Liebenwerda verteilten29. Hinzu kamen noch die 5 Kürassier- und 10 Husareneskadrons um Dresden sowie die berittenen 22 Zur Dislokation der Preußen in Sachen 1756 / 1757 siehe LASA, DE, Z44 Abt. Dessau, A 9 VIb, Nr. 10, Bd. IV (Verschiedene Militaria aus des Fürsten Moritz von Anhalt in preußigen Jaare 1756), Blatt 431 Vorderseite. 23 Siehe LASH, Abt. 127.3 Schimmelmann, Nr. 12: Fourageakten 1756–1758, Bd. III, Blatt 1 und 2 jeweils Vorderseite. Die Aufstellungen deuten darauf hin, dass Schimmelmann mit vielen Akziseeinnehmern in ganz Sachsen Verträge zur Fouragebeschaffung getroffen hatte. 24 Siehe LASH, Abt. 127.3 Schimmelmann, Nr. 12: Fourageakten 1756–1758, Bd. III, Blatt 3 Rückseite und 4 Vorderseite. 25 Die Aufstellungen weisen nicht klar aus, ob es sich um Dresdner Scheffel handelte, es ist aber äußerst wahrscheinlich. 26 Siehe LASH, Abt. 127.3 Schimmelmann, Nr. 12: Fourageakten 1756–1758, Bd. I, Blatt 245 Vorderseite, Blatt 254 Vorderseite und Bd. III, Blatt 213 Rückseite. 27 Siehe LASH, Abt. 127.3 Schimmelmann, Nr. 12: Fourageakten 1756–1758, Bd. I, Blatt 245 Vorderseite. 28 Siehe ebd., Bd. I, Blatt 254 Vorderseite, Blatt 99 Vorderseite und Bd. III, Blatt 213 Rückseite. 29 Siehe ebd., Bd. III, Blatt 3 Rückseite und 4 Vorderseite.
IV.2. Logistische Vorbereitungen233
Jäger, denen zusammen rund 2.600 Pferde zur Verfügung standen. Obgleich nicht ganz klar ist, welche Bestände in diesem Bereich vorhanden waren, ist es in Anbetracht der guten Versorgungslage bei den schweren Kavallerieeinheiten wahrscheinlich, dass es gelang, auch diese Abteilungen mit ihren rund 8.500 Rationen in den Winterquartieren bis Ende März zu verpflegen, zumal selbst im Großenhainer Magazin am 31. März noch genügend Hart- und Raufutter vorhanden war, um den Bedarf für 10–12 Tage, sprich bis Mitte April, zu decken. Ende März wurde das Fuhrwesen aber schon Richtung Dresden beordert, wo sich das Korps des Königs nun für den Feldzug des Jahres 1757 formierte. Es bestand wie gesagt aus 25 Musketier-, 9 Grenadier- und 1 Freibataillon sowie den Feldjägern zu Fuß und zu Pferde. Die sich daraus ergebenden Portions- und Rationsmengen sind nach dem Schema kalkuliert, das Prinz Moritz zu Anhalt-Dessau für sein Korps angegeben hatte. Dies gilt auch für die Bedienung der Bataillonsgeschütze und den Transport ihrer Munition. Bei der schweren Artillerie und der Munitionsreserve ist mit den gleichen Portions- und Rationssätzen wie beim Einmarsch in Sachsen 1756 kalkuliert, wo der Großteil auf die 230 Munitionswagen entfiel30. Tabelle 33 Portions- und Rationsbedarf des Korps unter König Friedrich im März und April 175731 Einheit / militärischer Funktionsträger
Anzahl
Portion pro Einheit
Summe der Portionen
Ration pro Einheit
Summe der Rationen
12 / 10
152
39 / 10
314
Musketierbataillone
25
972
24.300
135
3.105
Grenadierbataillone
10
795
7.950
105
1.050
Freibataillone
1
700
700
Jäger Fuß und Pferd
1
Kürassiereskadrons
28
199
5.588
228
6.348
Dragonereskadrons
10
198
1.980
223
2.230
Husareneskadrons
10
132
1.320
148
1.480
Generalleut. / -majore
346
206
Bataillonsgeschütze
624
208
Parkartillerie und Munition
1.463
3.058
44.426
17.999
Gesamtsumme
36 Btl./48 Esk.
30 Zur Anzahl der Munitionswagen in Berlin und Magdeburg 1756 vgl. Schöning, Curd Wolfgang, Historisch-biographische Nachrichten zur Geschichte der Brandenburgisch Preußischen Artillerie. Erster Theil, Seite 472. 31 Die Zusammensetzung ergibt sich aus dem Abgleich der Dislokationsliste (siehe LASA, DE, Z44 Abt. Dessau, A 9 VIb, Nr. 10, Bd. IV, Blatt 431 Vorderseite) und der Schlachtordnung der Truppe vor Prag (siehe OestKA, AFA, Nr. 634: Siebenjähriger Krieg CA Kampagne gegen Preußen 1757, Faszikel 5 / 12g).
234
IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
Diese Verpflegungsanforderungen des Korps entsprachen in Naturalien einem Tagesbedarf von 36 Tonnen Mehl, einer Menge von rund 90,5 Tonnen Hafer, 71 Tonnen Heu und 89 Tonnen Stroh. In Leipzig lagerten Ende März noch 20.000 Zentner Mehl32 oder rund 1.000 Tonnen, mit denen die Verpflegung fast 28 Tage möglich war33. Abgesehen davon, erwartete man auch von den Dresdner Stadtmüllern 9.700 Zentner, was rund 523 Tonnen entsprach und mindestens für weitere 15 Tage, also bis Mitte Mai reichte. Die Herstellung der Brotvorräte war völlig unproblematisch, denn neben den mobilen Backöfen der Armee konnte man ja seit Ende September 1756 hierfür zusätzlich auf die Einrichtungen der Stadtbäcker in Dresden zurückgreifen, die schon alleine 75.000 Brotportionen herzustellen vermochten34. Offenbar wurden daher im März 1757 auch nicht mehr als 53 Bäcker zum Kommissbacken herangezogen35. Gut verpflegt waren vorerst auch die Kavalleriepferde, denn wahrscheinlich stand noch der Großteil der rund 3.000 Tonnen an Hartfutter zur Verfügung, die der Kaufmann Croon liefern sollte, was ihre Versorgung für 33 Tage, also bis zum 3. Mai, ermöglichte. Man konnte aber auf weitere Lieferungen hoffen, denn schon Anfang März hatte das Feldkriegskommissariat erneut bei Schimmelmann zusätzliche Lebensmittel bestellt. Welche Mengen die Preußen erhalten sollten, zeigt die folgende Tabelle:
32 Siehe LASH, Abt. 127.3 Schimmelmann, Nr. 12: Fourageakten 1756–1758, Bd. III, Blatt 480 Vorderseite. 33 Die Truppenverpflegung in Sachsen scheint tatsächlich extrem gut gewesen zu sein, denn laut einer undatierten Liste Schimmelmanns hatte er in den sächsischen Städten ohne Dresden 222.553 Zentner Mehl anliefern und einlagern lassen, was umgerechnet 12.240 Tonnen entsprach und die Versorgung aller Truppen in Sachsen, sprich der rund 94.500 Mann, für nicht weniger als 173 Tage ermöglicht hätte. Siehe LASH, Abt. 127.3 Schimmelmann, Nr. 16.1: Schatzmeister-Korrespondenz, undatierte Liste der sächsischen Städte mit ihren Mehlbeständen. Die Bestände von Leipzig legen nahe, dass die Liste von Ende März stammte, der Vergleich mit den Vorräten anderer Städte wie Freiberg, Zwickau, Bautzen oder Görlitz bestätigt dies hingegen nicht. Letzteres könnte aber damit zusammenhängen, dass die dortigen Bestände im Rahmen der Feldzugsvorbereitungen im März sehr rasch verbraucht wurden. In jedem Fall dürfte die Liste aus dem Zeitraum zwischen Oktober 1756 und März 1757 stammen und somit bestätigten, dass die Bevorratungssituation in Sachsen grundsätzlich sehr komfortabel war. 34 Vgl. III. Teil 1.: Die logistisch relevanten Ressourcen in Schlesien, Sachsen, Böhmen und Mähren. 35 Siehe Stadtarchiv Dresden, 2.1. Ratsarchiv, G XXXII, Nr. 22: Protocollum über das hochlöblichen Cammer-Collegio sowohl denen hiesigen Weiß-Beckern als auch der königl. Preuß. Feldbeckerei im Jägerhofe […], Blatt 109 Vorderseite.
IV.2. Logistische Vorbereitungen235 Tabelle 34 Bei Schimmelmann bestellte Lebensmittellieferungen für die preußischen Truppen36 Originalmenge
Gewicht in Tonnen
Weizen
2.000
Lasten
1.760
Gerste
1.000
Lasten
1.340
Hafer
2.000
Lasten
2.680
100
Fass
200
Wein
50
Fass
100
Tabak
500
Zentner
25
Käse
300
Zentner
15
Reis
1.500
Tonnen
250
Laberdan
30
Tonnen
5
Rotscherren (wohl Hummer)
30
Tonnen
5
Heringe
100
Tonnen
16,5
Speck
200
Tonnen
33
Branntwein
Sie belegt, dass das Lebensmittelsortiment der preußischen Truppen bisweilen sehr vielfältig war und über die standardisierten Verpflegungssätze, die lediglich aus Brotund Fleischportionen bestanden, hinausging, wenn die Soldaten in der Nähe der größeren Magazinstandorte oder im Optimalfall sogar in der Nähe der Wasserstraßen verköstigt wurden. Mit den 1.760 Tonnen Weizen und den 250 Tonnen Reis ließ sich die Versorgung der Truppen für weitere 45 Tage, d. h. bis Mitte Mai, sicherstellen. Die rund 4.000 Tonnen Gerste und Hafer, die für die Kavallerieverpflegung genutzt werden konnten, reichten theoretisch für 46 Tage. Das Problem war aber, dass ein Großteil dieser Lieferung im April noch gar nicht eintraf, sodass man vorerst auf andere Ressourcen zurückgreifen musste. Schuld daran war das Wetter, denn in Aurich bzw. in Ostfriesland verzögerte sich der Versand, weil die Schleusen bei Emden zugefroren waren und die Stürme das Verladen und die Verschiffung nur unter Inkaufnahme hoher Risiken zuließen37. Der engste Ver-
36 8 Siehe LASH, Abt. 127.3 Schimmelmann, Nr. 9: Korrespondenz mit dem preußischen Feldkriegskommissariat 1756–1757, Copie des Schreiben des Feldkriegskommissariat aus Dresden vom 3. März 1757 im Schreiben des designierten Preußischen Minister im niedersächsischen Kreis Hecht aus Hamburg am 1. April 1757. 37 Siehe ebd., Blatt 305, 309 und 312 jeweils Vorderseite.
236
IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
traute Schimmelmanns in Sachen Getreidebeschaffung, Johann Gottlieb Loeser, sollte im März 1757 von dort eigentlich 1.000 Lasten abtransportieren lassen, die bis auf 100–130 Lasten auch schon verschifft waren38. Genau genommen waren 315 Lasten Gerste und 507 Lasten Hafer abgegangen39, die bereits die Versorgung der Kavallerie bis Mitte Mai ermöglichten. In Hamburg organisierte Schimmelmann aber die Verschiffung der restlichen Mengen. Der Transport erfolgte in 3 Schiffskolonnen. Eine Ausnahme bildeten hierbei lediglich der Schiffer Nuland und der Hoffaktor Uhlemann, die mit 4 und 6 Schiffen eine ungewöhnlich große Anzahl an Schiffen besaßen und deshalb offenbar selbst einen Schiffskonvoi formierten40. Mit diesem Transport wurden von Anfang bis Ende April in 57 Schiffen insgesamt über 3.910 Wispel oder rund 3.150 Tonnen verschifft41. In Anbetracht der durchschnittlichen Fahrzeit von 4–6 Wochen stromaufwärts dürften die Güter jedoch nicht vor Ende Mai in Dresden eingetroffen sein42. Mit Ausnahme der 6 Schiffe, die dem königlichpreußischen Oberschiffer Heinrich Christian Nuland gehörten43, umfasste der Konvoi kaum Angehörige der Magdeburger Schifferbrüderschaft, stattdessen befanden sich unter den Schiffern unter anderem 2 Besitzer aus Pirna44. Die Magdeburger Schiffer benutzten in diesem Kriegsjahr den Großteil ihrer Schiffe noch überwiegend zur Selbstversorgung der Stadt bzw. zum Import von Nahrungsmitteln und anderen Waren aus Hamburg45. Schimmelmann organisierte jedoch nicht nur den Transport von Nahrungsmitteln, sondern auch den Pferdenachschub. So sollten für die Armee in Sachsen nicht weniger als 2.804 Pferde beschafft werden, die alle im Zeitraum vom 15. Februar bis 22. April zu liefern waren. Tatsächlich wurden aber nur 2.006 Pferde geliefert, die folgendermaßen Verwendung fanden:
38 Siehe LASH, Abt. 127.3 Schimmelmann, Nr. 12: Fourageakten 1756–1758, Bd. I, Blatt 310 Vorderseite. 39 Siehe ebd., Blatt 315 Vorderseite. 40 Siehe LASH, Abt. 127.3 Schimmelmann, Nr. 12: Fourageakten 1756–1758, Bd. II, Blatt 59 Vorderseite–Blatt 60 Vorderseite. 41 Siehe ebd. 42 Siehe LASH, Abt. 127.3 Schimmelmann, Nr. 9: Korrespondenz mit dem preußischen Feldkriegskommissariat 1756–1757, Nachtrag zum Schreiben des designierten Ministers im niedersächsischen Kreis Hecht vom 1. April 1757 aus Hamburg. 43 Zu Nulands Bezeichnung siehe Stadtarchiv Wittenberg, Nr. 1856: Das zu Wittenberg aufgeschüttete Proviant Getreyde und Fourage 1756 / 1757, Blatt 10 Vorderseite. 44 Siehe LASH, Abt. 127.3 Schimmelmann, Nr. 12, Bd. II, Blatt 59 Vorderseite–Blatt 60 Vorderseite. 45 Siehe GStAPK, II. HA., Abt. 15 Magdeburg, CLXXXI Commerciensachen, Nr. 4: Acta die Balance von denen in Magdeburg zu Wasser und Lande eingegangenen fremden und eigenen Waaren, 1757, 1758, 1759, Bd. II: Nr. 5: Specification aller zu Magdeburg in Anno 1757 von Hamburg beladen gekommenen, auch von da dorthin beladenden abgegangenen Schiffsgefäße. Specification derer sämtlichen einländischen Schiffsgefäße so an hiesigen Quai zu Magdeburg in Anno 1757 von Hamburg beschifft angekommen.
IV.2. Logistische Vorbereitungen237 Tabelle 35 Anzahl und Verwendung der bei Schimmelmann bestellten und bis Ende März 1757 gelieferten Pferde46 Anzahl
Verwendung
Bestellt
Geliefert
168
168
218
Bespannung der 12-pfündigen Geschütze Ausgleich der Verlustes an Artillerievorspann aus dem letzten Feldzug (1756)
122
122
Bespannung von 20 Pontons
378
378
Bespannung der Wagen und Zubehörwagen von 23 eisernen Backöfen
459
459
80 neue Proviantwagen wegen Infanterieaufstockung und 6 eisernen Backöfen
935
355
Bespannung von 12 eisernen Backofen- und neuen Fuhrwagen mit 580 Pferden
524
524
Bespannung der Proviantwagen der übernommenen sächsischen Regimenter
Offensichtlich legten die Preußen am wenigsten Wert auf den Ausgleich der Verluste an Artilleriepferden und die Anschaffung der Pferde für die neue Fuhrwagenkolonne, da genau diese Pferdemengen noch ausstanden oder erst gar nicht geliefert wurden. Vermutlich hing dies damit zusammen, dass die Verluste sich in Grenzen hielten und die neue Fuhrwagenkolonne zunächst noch entbehrlich schien. Darüber hinaus wurden für die Backöfen mit 16 bis 23 Stück pro Ofen offensichtlich sehr viel mehr Pferde geliefert, als eigentlich benötigt wurden, da die Menge pro Ofen mit Zubehör eigentlich nur bei 10 Zugtieren lag. Neben dieser Pferdemenge sollten wegen der Aufstockung noch 666 Pferde an die Regimenter in Dresden und 500 weitere nach Breslau für die Aufstockung der Kavallerieregimenter geschickt werden47. Dass die Mobilmachung der aufgestockten Einheiten generell aufwendig war, zeigt sich auch daran, dass für die Regimenter in Sachsen und Schlesien zusätzlich Munitionswagen angeschafft werden mussten, denn ansonsten wäre 46 Siehe LASH, Abt. 127.3 Schimmelmann, Nr. 16: Schatzmeister-Korrespondenz, Bd. I: Listen und Quittungsbelege als Anlage zum Schreiben der Kammerdirektoren Brenckenhoff und Keckhoff aus Dresden am 15. Juny 1757. Die Anzahl von 378 Pferden stellt eine Zusammenfassung der Positionen Nr. 4 und Nr. 7 dar, die sich in 266 und 112 Pferde für 16 bzw. 7 Backöfen aufsplitteten, welche gemäß den Quittungen auch geliefert wurden. 47 Siehe LASH, Abt. 127.3 Schimmelmann, Nr. 16: Schatzmeister-Korrespondenz, Bd. I: Listen und Quittungsbelege als Anlage zum Schreiben der Kammerdirektoren Brenckenhoff und Keckhoff aus Dresden am 15. Juny 1757.
238
IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
man laut Oberstleutnant von Dieskau gezwungen gewesen, die Anzahl der Patronen von 60 auf 40 Stück pro Mann zu senken48. Die wichtigste Folge dieser zusätzlichen Pferdelieferungen war, dass sich die Rationsmenge und damit der gesamte Verpflegungsbedarf enorm erhöhte, insbesondere wenn man berücksichtigt, dass der Unterstützungsapparat, also das Mehlfuhrwesen mit den Backöfen, ohnehin schon einen beträchtlichen Rationszuwachs implizierte. Die Aufstockung der 80 preußischen Proviantwagen dürfte im Etat für das Korps des Königs schon berücksichtigt worden sein. Die Zusammensetzung des regulären Mehlfuhrwesens für König Friedrichs Korps dürfte sich inklusive der Wagenbestände aus dem Vorjahr folgendermaßen dargestellt haben: Tabelle 36 Wahrscheinliche Zusammensetzung des Mehl- und Bäckereifuhrwesens
Mindestpferdeanzahl
606 Mehlkarren zu 3 Pferden und 180 Wagen zu 4 Pferden
2.538
41 eiserne Backöfen und Zubehör
421
Reserve für den Verlust beim Proviantfuhrwesen
160
Summe
3.119
Wie General Moritz von Anhalt hatte auch König Friedrich in den sächsischen Kreisen noch eine beträchtliche Menge an zusätzlichen Wagen für den Nachschub seines Korps ausschreiben lassen. Der Leipziger Kreis sollte 1.600, der Meißener Kreis 800, der Kurund Thüringer Kreis jeweils 300 vierspännige und die Oberlausitz 400 Wagen liefern49. Letztere waren wohl für das Korps des Herzogs von Bevern bestimmt. Mit den 1.600 Wagen, die General Moritz zu Anhalt-Dessau für sein Korps ausschreiben ließ, betrug die Gesamtmenge in Sachsen um die 5.000 Wagen, was unter anderem wohl auch dazu führte, dass in Dresden die Kutschen sämtlicher Minister beschlagnahmt wurden50.
48 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, 85 Ll.1: Dieskau, Carl Wilhelm, Obristlieutenant d. Artillerie 1756–1757, Blatt 73 Vorderseite. 49 Siehe SächsHStA-DD, 10025 Geheimes Konsilium, Loc. 6482. Num. 15: Königl. Preuß. Seits gelieferte vom Lande geforderte Fourage, Pferde- und Vieh Lieferungen sämtl. Proviant Pferden und Knechten ingleichen […], Blatt 239 und 241 jeweils Vorderseite sowie SächsHStA-DD, 10024, Geheimer Rat, Loc. 9336 / 1: Journal des Preußischen Krieges 1756–1757, Blatt 295 Rückseite und Stadtarchiv Wittenberg, Nr. 1866: Die vom Feldkriegscommissariat und Directorio ausgeschriebenen Wagen, Blatt 2 Vorderseite. 50 Siehe SächsHStA-DD, 10025 Geheimes Konsilium, Loc. 6482, Num. 15: Königl. Preuß. Seits gelieferte vom Lande geforderte Fourage, Pferde- und Vieh Lieferungen sämtl. Proviant Pferden und Knechten ingleichen […], Blatt 246 Vorderseite.
IV.2. Logistische Vorbereitungen239
Darüber hinaus betrug die Menge der im Leipziger Kreis geforderten Wagen sogar 1.800 Stück, von denen 240 für den von Moritz zu Anhalt-Dessau vorgesehenen Strohtransport beschlagnahmt wurden, sodass nur noch 1.580 Wagen zur Verfügung standen. Die Anforderungen an diesen Kreis waren derart groß, dass im März und April 4.375 Fuhren zu stellen waren. Darunter befanden sich u. a. 309 Mehl- und Haferfuhren sowie 275 Strohfuhren, die die Vorräte aus Borna, Pegau, Colditz und Rochlitz nach Zwickau abführten. Hinzu kamen 1.625 Milizfuhren, die vor allem benötigt wurden, um den übernommenen sächsischen Infanterieregimentern und den Kürassierregimentern, die bisher im Leipziger Kreis ihre Winterquartiere bezogen hatten, ihre Ausrüstung, Rekruten und Verpflegung nachzuführen. Die 1.800 bzw. 1.580 Fuhren sollten Mehl und Hafer aus Leipzig und Eilenburg mit nach Dresden nehmen und eigentlich dann zusammen mit den Wagen aus den anderen Kreisen für den Transport der 500.000 Palisaden verwendet werden, die ebenfalls Vorräte, beispielsweise in Strehla, Riesa und Großenhain aufnehmen sollten51. Der Palisadentransport diente wohl nicht ausschließlich, aber zumindest auch als ein Vorwand, um die Wagen zusammenzubringen und sie dann für die Transporte nach Böhmen einzusetzen. Ein Großteil des Palisadenholzes wurde nämlich auf der Elbe herangeschafft, darunter 4.000 Kiefernstämme und 2.400 Eichenposten, die man über Magdeburg nach Dresden herunterflößte52. Die Listen der Ämter Colditz und Grimma im Leipziger Kreis spiegeln klar den Umstand wider, dass zwar nicht alle der gestellten Wagen, aber doch eine beträchtliche Menge zwischen 17 und 30 Tagen unterwegs war, bis sie wieder zurückkehrten53, was darauf hinweist, dass man sie für den Nachschub nach Böhmen einsetzte. Allerdings wurden nicht alle Wagen, die man offenbar unter dem Vorwand der Palisadenbeförderung ausschrieb, zum Transport nach Böhmen herangezogen. Die 119 Wagen des Thüringer Kreises transportierten nämlich zusammen mit den 171 Wagen des Zeitzer Stifts die Vorräte aus dem Magazin in das Magazin nach Döbeln54. Dabei hatten das Stift Naumburg-Zeitz und der Thüringer Kreis mit einer ziemlichen Doppelbelastung zu kämpfen, weil man zur selben Zeit die Bestände des Naumburger Magazins an das Korps von Moritz zu Anhalt-Dessau im Erzgebirge abführte, wo sie relativ dringend benötigt wurden. 51 Zum gesamten Absatz siehe SächsHStA-DD, 10025 Geheimes Konsilium, Loc. 6482, Num. 2: Die in den Leipziger Kreis eingerückten königl. preuß. Trouppen und zwar in die Stadt Leipzig Anno 1756 / 1757, Blatt 231 Vorderseite–234 Rückseite. 52 Siehe SächsHStA-DD, 10036 Finanzarchiv, Loc. 35016, Rep. 54a, Nr. 197: Kriegs Unruhen durch Preußen betreffend 1757, Teil 1: Schreiben Gottfried Prellers aus Wittenberg am 20. April 1757. 53 Siehe SächsStA-L, 20443 Rittergut Königsfeld, Nr. 1472: Listen des Erbamtes Grimma vom 20. Mai 1757 zu den Pallisadenfuhren vom 10. April und den Haferfuhren vom 19. April des Jahres 1757. Listen aus Brandßstein und Sahleis vom 11. bzw. 18. Juli des Jahres 1757. Außerdem relevant 20443 Rittergut Königsfeld, Nr. 1471: Specification derer aus dem Amtsbezirk Coldiz zu Prestierung derer nach Dreßden zu Anführung der Pallisaden verlangten 1600 vierspännigen Wagen zugleich mit verschriebenen Dorfschaften. 54 Siehe SächsHStA-DD, 10025 Geheimes Konsilium, Loc. 6482, Num. 12: Die Einrückung derer königl. Preußischen Trouppen in das Stift Naumburg, Zeitz, und deren Verpflegungen und Fourage-Lieferungen, Blatt 94 Vorderseite 95 Vorderseite.
240
IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
Bei den 300 Wagen aus dem Kurkreis ist es wahrscheinlich, dass sie zur Unterstützung des Korps mitgenommen wurden, denn sie sollten nicht nur Hafer und Mehl von Torgau nach Dresden bringen, sondern noch für 12 weitere Tage Futter mitführen55. Jedoch waren auch die Untertanen des Leipziger Kreises angehalten, hinlänglich Hartfutter mitzunehmen, „[…] inmaßen das Feldkriegscommissariat, da die Verpflegung aus den königl. Magazin nicht geschehen kann, keinen Antheil davon nimmt, wenn die Pferde vor Hunger crepieren müssen“56.
Mit den 1.580 Wagen aus dem Leipziger und den 400 aus dem Meißner Kreis dürften insgesamt 2.280 vierspännige Wagen für den Einmarsch nach Böhmen gestellt worden sein, sodass sich die Pferdemenge des Korps um 9.120 Stück erhöhte. Obwohl sich der Gesamtbedarf des Verbandes damit theoretisch auf 30.328 Rationen erhöhte, mussten dank der Selbsterhaltung der sächsischen Wagen wohl „nur“ die Pferde des regulären Mehlfuhrwesens versorgt werden, sodass letztlich 19–21.000 Tiere aus den Magazinen zu verpflegen waren. An Naturalien wären hierfür 96–107 Tonnen Hafer, 76–84 Tonnen Heu und 95–106 Tonnen Stroh erforderlich gewesen. Wenn Ende März trotzdem nur jene Mengen zur Verfügung standen, die der Kaufmann Croon und Schimmelmanns Geschäftspartner Loeser besorgt hatten, so entsprach dies rund 4.094 Tonnen an Gerste und Hafer. Folglich hätte man die Verpflegung der Kampftruppe und des Nachschubapparates nach den normalen Portions- und Rationssätzen bis zum 18. oder 22. Mai gewährleisten können. Allerdings konnten die rund 7.000 Pferde der schweren Kavallerie zunächst noch aus ihren Magazinen in Mittelsachsen versorgt werden, sodass die Magazinvorräte wohl in jedem Fall ausreichten, um alle Reit- und Zugtiere des Korps bis Mitte Mai zu verpflegen, und sogar noch dann, wenn die über 9.000 Vorspannpferde der sächsischen Wagen miternährt werden mussten. Im Feld war die Versorgung ohnehin nicht länger als 9 oder 10 Tage möglich, da sich die Brotvorräte nicht länger hielten und die Wagenkapazitäten nur für 7 Tage reichten, um der Truppe den erforderlichen Tagesbedarf von 250 Tonnen Pferdefutter nachzuführen. Wenn die Reiter ihr Futter mitnahmen, war aber ein operativer Spielraum von bis zu 10 Tagen gegeben.
55 Siehe Stadtarchiv Wittenberg, Nr. 1866: Die vom Feldkriegscommissariat und Directorio ausgeschriebenen Wagen, Blatt 2 Vorderseite. 56 SächsHStA-DD 10026, Geheimes Kabinett Loc. 3296 / 29: Preußische Invasion Sachen 1756–1757, Schreiben des Feldkriegskommissariat am 12. April 1757.
IV.2. Logistische Vorbereitungen241
IV.2.3. Das Korps unter dem Kommando des Herzogs von Bevern in der Oberlausitz Auch beim Korps des Herzogs von Bevern in der Oberlausitz stellte sich die Versorgungslage nicht viel günstiger dar. Neben den Generälen57 umfasste der Verband die 3 nicht aufgestockten Infanterieregimenter von Münchow zu 1.500 Mann, Franz von Braunschweig mit 1.400 Mann und Markgraf Heinrich zu 1.350 Mann sowie die 10 aufgestockten Musktierbataillone nach dem neuen Fuß58. Hinzu kamen noch 4 Grenadierbataillone sowie die 15 Eskadrons der Dragonerregimenter und die 10 Eskadrons Husaren. Daraus ergaben sich nach dem Schema des Generals Moritz zu Anhalt-Dessau folgende Portions- und Rationsmengen sowie der damit einhergehende Verpflegungsbedarf59: Tabelle 37 Portions- und Rationsbedarf des Korps unter dem Herzog von Bevern im April 1757 Einheit
Einheitsanzahl
Portion pro Einheit
Summe der Portionen
Ration pro Einheit
Summe der Rationen
Generalleutnante
1
12
24
39
39
Generalmajore
5
10
50
10
50
Musketierbataillon
10
972
9.720
135
1.350
Nichtaufgestockte Musketierbataillone
6
Nicht einheitlich
4.250
126
1.008
Grenadierbataillon
4
795
3.183
105
420
Dragonereskadrons
15
198
2.970
223
3.345
Husareneskadrons
10
132
1.320
148
1.480
Bataillonsgeschütze
480
160
Parkartillerie
189
127
22.186
7.979
Gesamtsumme
20 / 25
57 Die Anzahl ergibt sich aus dem Abgleich zwischen Gaudi (vgl. ders., Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 2: 1757, Teil 1, Seite 19 f.) und der Schlachtordnung der Schwerin-Bevernschen Armee (siehe OestKA, AFA, Nr. 600: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 V [1–308], Faszikel 275). 58 Die aufgestockten Infanterieregimenter waren Forcade, Pr. Preussen, Darmstadt, Amstel und Jung-Kleist. Siehe LASA, DE, Z44 Abt. Dessau, A 9b VIb, Nr. 10, Bd. V (Verschiedene Militaria aus des Fürsten Moritz von Anhalt in preußigen Jaare 1757), Blatt 431 Vorderseite. 59 Vgl. Portions- und Rationsbedarf des Korps des Fürsten Moritz zu Anhalt-Dessau im März 1757.
242
IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
Für den Nachschub sollte die Oberlausitz 604 vierspännige Wagen liefern, wovon 408 auf den Bautzener Kreis ausgeschrieben waren60. Aus der Niederlausitz wurden wenigstens noch einmal 93 Wagen geliefert61, sodass sich die Gesamtanzahl auf 697 Wagen oder 2.788 Pferde oder Ochsen belief, mit denen ein erheblicher Anteil dieser Wagen bespannt war. Der Verpflegungsbedarf für die Zugtiere stieg damit auf 10.767 Rationen, was in Naturalien 55 Tonnen Hafer, 43 Tonnen Heu und 54 Tonnen Stroh entsprach. Zur Bewältigung dieser Anforderungen standen in den Magazinen unter anderem folgende Naturalien zur Verfügung: Tabelle 38 Magazinbestände in Bautzen und Görlitz im März und April 1757 Mehl Magazin
Heu
Weizen
Roggen
Zentner
Bautzen62
4.603
251
Görlitz63
11.548
16.135
Summe
16.151
Summe in Tonnen
807,55
Gerste
Hafer
Häcksel
Scheffel 241 52
Stroh Schock
1.750
45
6.564
830
12.050
172
1.752
16.386
6.805
830
13.800
172
1.797
819,3
500
46
770,5
14,2
1.074,6
Obwohl es wahrscheinlich ist, dass es sich hierbei nicht um alle Vorräte handelte, hätten bereits diese genügt, um die Truppen bei einem Tagesbedarf von 16 Tonnen auf 50 Tage mit Brot zu versorgen. Das Hartfutter reichte für 15, das Heu für 20 und das Stroh für 20 Tage. Somit waren zwar die Soldaten der Kampftruppe für 1 ½ Monate, die Pferde und Ochsen aber nur für 2–3 Wochen verpflegt. Hinzu kam jedoch, dass es äußerst schwierig gewesen sein dürfte, die Truppe mit der geringen Anzahl von 697 Wagen zu versorgen. Pro Tag benötigte man nach den Standardverpflegungssätzen nämlich 202 Wagen, sodass der Nachschub gerade einmal für etwas 60 Siehe SächsStFilA-BZ, 50001 Landstände der sächs. Oberlausitz, F XXV Siebenjähriger Krieg, Nr. 2709: Schreiben von Gottfried Leubnitz am 19. Mai 1757. 61 Siehe SächsHStA-DD, 10025 Geheimes Konsilium, Loc. 6501: Tabellen über die KriegsSchäden und Unkosten in den Niederlausitzschen Ortschaften. Schon die Städte Sorau und Triebel sowie die Dörfer Schenkendorf, Klein- und Groß-Gaßdorf, Kreckwitz, Grießen, Taubendorf, Otterwasch und Schenkendöbern lieferten Ende März, Anfang April 93 Wagen. 62 Zu den Zahlen dieses Magazins siehe LASH, Abt. 127.3 Schimmelmann, Nr. 12. III, Blatt 441. Herangezogen sind hier von der Einlieferungsliste vom 8. März bis 3. Juni die ersten 4 Positionen, die addiert wurden. 63 Zu den Beständen dieses Magazins siehe LASH, Abt. 127.3. Schimmelmann, Nr. 12. I, Blatt 212: Summarische Recapitualition über erkaufftes Getreide und Fourage von Alexander Heinrich Francke in Görlitz am 18. April 1757.
IV.2. Logistische Vorbereitungen243
mehr als 3 Tage gewährleistet werden konnte. Während für die 289 Wagen des Görlitzer Kreises und der Niederlausitz nicht bekannt ist, wie sie sich verteilten, geht aus der Spezifikation des Quartiermeisters und Oberstleutnants von der Oelsnitz am 9. April die Einteilung für die 408 Wagen des Bautzener Kreises hervor. Gemäß dieser sollten am 15. April 53 Stück mit je 10 Berliner Scheffeln Mehl von Bautzen nach Zittau kommen, denen am nächsten Tag 97 Wagen mit derselben Mehlmenge und 22 mit je 8 Zentnern Heu folgten, bevor am 22. April noch einmal 115 Wagen mit der gleichen Mehlmenge und 121 Wagen mit derselben Heumenge angefordert wurden64. Insgesamt hätten die Truppen auf 265 Wagen rund 110 Tonnen Mehl und auf 143 Wagen 71 Tonnen Heu erhalten. Allerdings wurden von den 408 Wagen aus dem Bautzener Kreis 44 Stück nicht gestellt65, sodass ihr Beförderungsvolumen von einem Teil der übrigen 289 Wagen kompensiert werden musste. Wenn dies geschah, dann war die Versorgung der Infanterie für 6 Tage gesichert, das Heu reichte ohnehin kaum für 2 Tage. Mit den verbliebenen 245 Wagen konnte man möglicherweise 156 Tonnen Hafer für 3 Tage und 80 Tonnen Heu für 2 weitere Tage heranführen. Sofern die Kavallerie aber für 3 Tage selbst noch das Futter mitnahm, war es möglich, sie im Feld 6 bis 7 Tage zu verpflegen, während die Soldaten inklusive ihrer Vorräte 8 bis 9 Tage versorgt waren. Dies zeigt, dass die Truppen des Herzogs von Bevern, im Gegensatz zu König Friedrichs Einheiten bei Dresden oder Moritz zu Anhalt-Dessaus Kontingent, weniger mit zu knappen Magazinbeständen, sondern eher mit zu knappen Transportmitteln zu kämpfen hatten. Bei allen 3 Verbänden in Sachsen wirkte sich der Eigenbedarf des Nachschubwesens extrem belastend auf die Versorgungssituation aus, weil es schwierig war hierfür ausreichende Mengen konzentriert bereitzustellen. IV.2.4. Das Korps der schlesischen Truppen unter Feldmarschall Schwerin Dies traf auch auf Feldmarschall Schwerins Korps zu. Mit Ausnahme der 7 Grenadierbataillone setzte es sich überwiegend aus nichtaufgestockten Einheiten, nämlich 30 Musketier- und 6 nichtaufgestockten Grenadierbataillonen zusammen66. Hinzu kamen die 20 Eskadrons Kürassiere, 10 Eskadrons Dragoner und 30 Eskadrons Husaren, die ihre Aufstockungskontingente wohl vorerst ebenso zurückließen67, sowie 8 Musketierbataillone der Sachsen und die Artilleristen. Bei Letzteren sind die Portionszahl nach der Aufstellung König Friedrichs und die Rationszahl für die Bataillonsgeschütze nach dem Muster von Moritz zu Anhalt-Dessau veranschlagt. Dabei sind die Rationen für die Kavallerieeinheiten wie im Etat von 1756 angesetzt68. Für die Artillerie und Munition sind 64 Siehe SächsStFilA-BZ, 50001 Landstände der sächs. Oberlausitz, F XXV Siebenjähriger Krieg, Nr. 2709: Schreiben Obristlieutenants von der Oelsnitz aus Zittau am 9. April 1757. 65 Siehe ebd., Nr. 2709: Schreiben von Gottfried Leubnitz am 19. Mai 1757. 66 Zur Zusammensetzung siehe Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 2: 1757, Teil 1, Seite 14 f. 67 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 90 M: Feldmarschall Curt Christoph von Schwerin April / Mai 1757, Blatt 14. 68 Vgl. hierzu auch Schöning, Curd Wolfgang, Historisch-biographische Nachrichten zur Geschichte der Brandenburgisch-Preußischen Artillerie. Zweiter Theil, Seite 312 f.
244
IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
die gleichen Pferdemengen wie für König Friedrichs Korps angenommen, da das Korps vermutlich auch die Munitionsreserve für das Korps des Herzogs von Bevern mitführte. Den Portions- und Rationsbedarf, der sich damit wie bei allen anderen Korps ergab, zeigt die folgende Tabelle: Tabelle 39 Portions- und Rationsbedarf des Korps unter Feldmarschall Schwerin im April 1757 Einheit
Anzahl
Portion pro Einheit
Summe der Portionen
Ration pro Einheit
Summe der Rationen
Generalleutnante
5
12
60
39
195
Generalmajore
12
10
120
10
120
Nichtaufgestockte Musketierbataillone
28
758
21.224
126
3.528
Grenadierbataillone
6
773
4.638
105
630
Nichtaufgestockte Grenadierbataillone
6
681
4.086
98
588
Sächs. Musketierbtl.
8
912
7.296
24
?
Kürassiereskadrons
20
181
3.620
199
3.980
Dragonereskadrons
10
183
1.830
196
1.960
Husareneskadrons
30
124
3.540
134
4.026
Bataillonsgeschütze
600
424
Parkartillerie und Munition
1.463
3.058
50.237
19.209
Gesamtsumme
50 Btl. / 60 Esk.
Für die Verpflegung der Truppen wurden pro Tag 40 Tonnen Mehl benötigt. Die Anforderungen der Pferde sind mit 18.509 Rationen noch nicht hinlänglich beziffert, denn auch hier kamen die Wagen des regulären Backofen- und Mehlfuhrwesens sowie die zusätzlichen Wagen hinzu, die der Kavallerie für mehrere Tage das Futter zuführen sollten. Für deren Verpflegung hatte Generalleutnant von Winterfeldt am 24. März kalkuliert, dass bei 12.000 Rationen zu 4 Metzen Hafer, d. h. 6,8 Kilogramm pro Ration, über 10 Tage sowie einer Gesamtmenge von 816 Tonnen 1.000 Wagen erforderlich waren69. Die Truppe, die dann Mitte April in Böhmen einrückte, führte aber deutlich mehr, nämlich 69 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 91 L: Hans Carl von Winterfeldt Immediatskorrespondenz 1757, Blatt 41 Vorderseite.
IV.2. Logistische Vorbereitungen245
1.823 Wispel Hafer sowie 370 Wispel Mehl mit sich70. Letzteres reichte für 9 Tage und wurde wohl von den dreispännigen Karren des Mehlfuhrwesens befördert, während man für die 26 Backöfen in Schlesien jeweils einen sechs- und vierspännigen Wagen benötigte. Folglich ergaben sich für das reguläre Mehlfuhrwesen bei einer Menge von 493 dreispännigen Karren 1.439 Rationen, die mit der Bespannung der 26 in Schlesien vorhandenen Backöfen und ihrem Vorspannbedarf von je 10 Pferden, zusammen 260 Rationen, eine Gesamtmenge von mindestens 1.739 Rationen ergaben. Für den Hafer verwendete man wohl die vierspännigen Wagen, wofür nach der üblichen Wagenauslastung von 1 Wispel pro Wagen 1.823 Stück benötigt wurden. Demzufolge stellte sich die Anzahl der Rationsmengen wie folgt dar: Tabelle 40 Mindestwagenanzahl und Rationsbedarf des Proviantfuhrwesens des schlesischen Korps unter Feldmarschall Schwerin und Generalleutnant von Winterfeldt Art des Fuhrwesens und Verwendung
Wagenanzahl
Rationen
Mehl- und Bäckereifuhrwesen für 370 Tonnen Mehl und 26 Öfen
546
1.739
Zusätzliche Wagen für 1.823 Wispel Hafer als Pferdefutter
1.823
7.292
Summe
2.369
9.031
Der Rationsbedarf des gesamten Korps stieg damit auf 28.240 Stück. Geht man nun davon aus, dass diese Rationen eben aus 4 Metzen, also rund 6,8 Kilogramm Hafer, bestanden, so belief sich der Tagesbedarf der gesamten Streitmacht auf 188 Tonnen. Folglich war die Versorgung der Kampftruppe und des Nachschubwesens mit den rund 1.200 Tonnen Hafer nicht länger als 7 Tage zu bewerkstelligen. Offenbar sandte Minister Schlabrendorff deshalb auch noch einmal 1.000 Wagen hinterher, denen dann am 22. Mai weitere 1.300 mit Mehl, Salz und Geld folgen sollten71, sodass später berichtet wurde, den preußischen Truppen des schlesischen Korps seien bei ihrem Einmarsch sogar 4.000 Wagen gefolgt72. Vielleicht galt die Organisation dieses Konvois allen Kennern des Verpflegungshandwerks auch deswegen als ein Meisterstück an Planung und Koordination73. Die Grundlage hierfür bildeten die schlesischen Magazine, die sich schon Anfang Januar in sehr gutem Zustand befinden mussten, weil allein die Hafermenge bis Ende Juli 70 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 89 Kk. 2: Generalmajor und -lieutenant Wolf Friedrich von Retzow 1756–1758, Blatt 10 Vorderseite. 71 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 89 Kk. 2: Generalmajor und -lieutenant Wolf Friedrich von Retzow 1756–1758, Blatt 10 Vorderseite. 72 Siehe Korge, Johann Ermann, Von den Verpflegungen der Armeen, Seite 26. 73 Siehe ebd.
246
IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
reichen sollte74. Der Generalextrakt vom 26. Januar 1757 spiegelte folgende Bestände wider: Tabelle 41 Bestände der schlesischen Magazine am 26. Januar 175775 Magazin
Roggen und Mehl
Hafer
Heu
Stroh
Wispel
Wispel
Zentner
Schock
Breslau
3.568
4.373
16.649
556
Glogau
3.363
1.779
Brieg
3.207
2.743
14.306
408
Cosel
2.855
2.132
17.581
918
Neiss(e)
6.334
6.924
33.327
3.322
Glatz
2.300
2.638
8.379
1.977
Schweidnitz
4.040
4.668
43.956
6.825
Franckenstein
555
1.229
20.255
2.419
Striegau
101
1.040
600
80
Jauer
828
787
911
42
Liegnitz
3.509
3.766
88.384
5.534
Auffhalt
432
Maltsch
210
307
Ohlau
364
605
7.700
524
Oppeln
304
456
1.531
143
Krappitz
142
238
Ober-Glogau
206
617
781
74
Neustadt
70
326
1.489
312
Schönau und Goldberg
5.000
Summe
32.055
35.066
250.749
23.134
Summe in Tonnen
32.055
23.494
12.537
13.880
74 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 429 C: Etatsminister Schlabrendorffs Immediatsberichte die in Schlesien zu errichtenden Magazine betreffend 1755–1757, Blatt 65–66 Vorderseite. 75 Zu sämtlichen Originalangaben in der Tabelle siehe ebd., Blatt 75 Vorderseite. Die vergleichsweise kleinen Scheffelmengen sind vernachlässigt.
IV.2. Logistische Vorbereitungen247
Wie Schlabendorff am 12. März 1757 meldete, waren diese Vorräte ausreichend, um die Pferde nicht nur wie gefordert bis Juli, sondern sogar bis September, also 6 Monate, aus den Magazinen zu ernähren76. Die Situation bei der Brotverpflegung war noch komfortabler, denn hiermit konnten die Truppen bis zum April des Jahres 1758 versorgt werden. Vermutlich war diese Kalkulation aber sogar noch zu niedrig veranschlagt, denn mit den rund 32.000 Tonnen Mehl oder Mehlkerngetreide hätte man die Feldtruppen von rund 50.000 Mann über 2 Jahre versorgen können. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass noch die 17.000 Soldaten der in Schlesien stationierten Garnisonseinheiten hinzukamen77. Aber selbst dann konnten die Truppen 19 Monate verpflegt werden. Die ursprünglich veranschlagten 12.000 Pferde wären mit den Hafer-, Heu- und Strohmengen zwischen 7 ½ und 13 Monaten zu versorgen gewesen. Da die Rationsmenge faktisch höher ausfiel, traf Schlabrendorffs Schätzung von ca. 6 Monaten wohl doch zu, denn bei ca. 28.200 Pferden reichten die Vorräte 5 bis 9 Monate. Erstaunlich war sicherlich, dass an Hafer mehr als das 2-Fache des Jahresüberschusses, wie man ihn 1747 erwirtschaftet hatte, in den schlesischen Magazinen lagerte78. Es zeigt, dass Minister von Schlabrendorff und seine Untergebenen ausgezeichnet für das Kriegsjahr 1757 vorgesorgt hatten. Dieser Umstand kam den preußischen Truppen besonders deshalb zugute, weil inzwischen einige polnische Magnaten damit begonnen hatten, die Ausfuhr des polnischen Getreides nach Schlesien zu verbieten, sodass Ankäufe für mögliche Verluste erschwert werden würden, obgleich es einigen Landeseinwohnern wohl nach wie vor gelang, zu bestimmten Zeiten und Orten noch diese Naturalien einzuführen79. Problematischer war, dass man das Verbot auch auf den Ankauf von Pferden und Wagen ausdehnen wollte. Bevor die Truppen nach Böhmen aufbrachen, musste sich Schlabrendorff noch mit der Umverteilung einiger Magazinbestände beschäftigen. So hatte er in Breslau damit zu kämpfen, dass der Kommandant und die Ingenieure große Heumengen von 10.000, 13.000 und 16.000 Zentnern sowie 2.800 Schock Stroh an Stellen umlagern wollten, die nicht überschwemmungssicher waren80. Dies belegt, wie problematisch die Lagerung großer Raufuttermengen für die Kernoperationszeit im Umfang von knapp 2.000 Tonnen selbst im Gebiet einer damaligen Großstadt werden konnte. Im Rahmen der Feldzugsvorbereitungen plante man auch die Verlegung des Liegnitzer Magazins nach Schweidnitz. Wie die folgende Übersicht zeigt, benötigte man hierfür aber eine ungeheure Anzahl an Wagenladungen.
76 Siehe ebd., Blatt 97 Vorderseite. Die hervorragende Vorratslage offenbart auch einen deutlichen Gegensatz zur Situation von 1756 (vgl. II. Teil 4.: Das Magazinwesen). 77 Siehe Acta Borussica, Behördenorganisation, Bd. 11, Nr. 178. 78 Vgl. III. Teil 1.: Die logistisch relevanten Ressourcen in Schlesien, Sachsen, Böhmen und Mähren. 79 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 429 C: Etatsminister Schlabrendorffs Immediatsberichte die in Schlesien zu errichtenden Magazine betreffend 1755–1757, Blatt 79 Vorderseite. 80 Siehe ebd., Blatt 99 Vorder- und Rückseite.
248
IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
„Nachweisung Wieviel Fuhren zu Transportierung des Liegnitzschen Magazins erfordert werden. 1674 Wispel Roggen à 18 Scheffel p Fuhre 2232 Fuhren 331 Mehl dito 441 Gerste à 20 Schfl. 106 89 Hafer à 1 Wispel 3694 3694 82630 Centner Heu à 10 Centner 8626 Stroh à 1 Schock 5862 5862 Schock Summa 20961 Fuhren“81
Man sieht sehr deutlich, dass von den fast 21.000 Fuhren allein um die 14.700 auf das Raufutter entfielen, obwohl das Gewicht zusammen nur 8.150 Tonnen, also rund 54 % der theoretischen Ladekapazität, betrug, was abermals zeigt, wie aufwendig die Beförderung dieser Anteile war. Offenbar kalkulierte Schlabrendorff die Transportkapazitäten ohnehin etwas niedriger und damit möglicherweise realistischer als General Moritz zu Anhalt-Dessau. Derartig große Wagenmengen waren ohnehin kurzfristig nicht aufzubringen, zumal das gesamte Glogau’sche Department mit 5.000 Stück nicht mehr als ein Viertel der benötigten Anzahl zu liefern vermochte82. Außerdem stellte sich die Frage nach dem Sinn dieses Transports, denn kurz zuvor hatte der Minister 1.000 Tonnen Roggen nach Schweidnitz transportieren lassen, wo aber alle Schüttböden überfüllt waren83. Bis zum 18. März waren in der Festung Schweidnitz, die den schlesischen Truppen neben Landeshut als Ausgangsbasis für den geplanten Feldzug nach Böhmen diente, folgende Vorräte vorhanden: Tabelle 42 Bestände des Schweidnitzer Magazins am 18. März 175784 Originalmenge
Menge in Tonnen
Roggen
2.424 Wispel
2.666
Mehl
2.800
2.800
300
198
6.298
4.156
Gerste Hafer Heu
133.323 Zentner
6.799
Stroh
16.500 Schock
9.900
Summe
81 Ebd.,
26.519
Blatt 106 Vorderseite. GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 429 C: Etatsminister Schlabrendorffs Immediatsberichte die in Schlesien zu errichtenden Magazine betreffend 1755–1757, Blatt 104 Vorderseite. 83 Siehe ebd. 84 Siehe ebd., Blatt 104 Rückseite. 82 Siehe
IV.2. Logistische Vorbereitungen249
Damit standen nicht nur enorme Mehl- und Hafervorräte, sondern auch riesige Raufuttermengen zur Verfügung. Obwohl sie die Truppen wegen des hohen Transportaufwandes kaum mitführen konnten, hatten sie sich seit Ende Januar mehr als verdreifacht. Daher bat Schlabrendorff auch um eine Untersuchung der Situation vor Ort, bevor man die Untertanen mit unnötigen weiteren Fuhren belastete, das Raufutter aus den Scheunen holte und beim Transport durch die feuchte Witterung dem Verderb aussetzte, der auch dem Getreide auf den überschütteten Böden drohte85. Letztlich wurden nur noch 500 Wispel Mehl und 500 Wispel Hafer nach Schweidnitz geschickt, während 1.400 Wispel Hafer, d. h. ein Vorrat für rund 16 Tage, an Winterfeldts Truppen im Gebirge geliefert wurde86. Obwohl die Mobilisierung der Verpflegungsgüter damit auch in Schlesien nicht gänzlich reibungslos verlief, war man insgesamt sehr gut vorbereitet, zumal das schlesische Korps von allen preußischen Verbänden mit Abstand über die beste Magazin ausstattung verfügte. Das größte Problem war bei allen preußischen Verbänden die Verpflegung der zusätzlichen Pferde durch die Nachschubwagen, denn es führte dazu, dass der Rationsbedarf bei allen Korps gegenüber den Anforderungen der Kampftruppe zwischen 1 Drittel und 50 % anstieg. Welche Mengen an zusätzlichen Proviantwagen pro Korps anfielen und wie sich dies auf den Rationsbedarfs der Korps auswirkte, zeigt noch einmal die folgende Tabelle: Tabelle 43 Wahrscheinlicher Rationsbedarf, inklusive der zusätzlichen Nachschubwagen bei den preußischen Korps zu Beginn des Feldzugsjahres 1757 Korps nach Kommandeuren
Zusammensetzung Btl. / Esk.
Rationsbedarf inklusive Wagen der Regimenter
Zusätzliche Proviant- und Mehlfuhrwagen
Rationsbedarf
Gesamtmenge der Rationen
Anhalt-Dessau
17 / 30
8.620
1.643
6.572
15.192
König Friedrich
36 / 48
17.999
3.148
12.239
30.238
Schwerin
53 / 60
19.209
2.369
9.031
28.240
Bevern
22 / 25
7.979
697
2.788
10.767
Summe
128 / 163
52.256
7.887
30.630
84.437
Selbst wenn genügend Vorräte vorhanden waren, konnte man wegen des hohen Zusatzbedarfs durch den Nachschubapparat kaum mehr Lebensmittel als für 8 bis 10 Tage mitführen. Deswegen war es auch so entscheidend, dass man, wie von Winterfeldt und Schwerin geplant, schon in diesem Zeitraum ein Magazin wie das in Jungbunzlau eroberte, aus dem man sich dann erneut verpflegen konnte. Lediglich König Friedrichs 85 Siehe 86 Siehe
ebd., Blatt 105 Vorderseite. ebd., Blatt 109 Vorderseite.
250
IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
Korps verfügte über den enormen Vorteil, sich nach der Eroberung bestimmter Punkte an der Elbe eben der Schifffahrt für den Nachschub größerer Nahrungsmittelmengen bedienen zu können. Insgesamt war die Pferdeverpflegung für die Offensivoperation bei allen Korps sehr knapp bemessen, weil der Transport der Raufutteranteile so aufwendig war, dass man bei Schwerins Korps auf diesen Teil komplett verzichtete und stattdessen versuchte die Tiere übergangsweise mit erhöhten Haferrationen zu verpflegen. IV.2.5. Der Verpflegungsvorrat und die Transportmittelbeschaffung der Österreicher Die Aufbringung der Verpflegungsgüter stellte aber nicht nur auf preußischer Seite eine enorme Herausforderung dar, denn die Streitkräfte der Habsburger sahen sich mit genau demselben Problem konfrontiert. Tabelle 44 Bedarfs- und Beschaffungskalkulation der österreichischen Armee für 13 Monate im Jahr 175787 Brot- / Pferdeportionen
Mehl
Hafer
Heu
Stroh
niederöst. Zentner
Tonnen
niederöst. Metzen
Tonnen
niederöst. Zentner
Tonnen
niederöst. Zentner
Tonnen
Bedarf für 13 Monate
821.537
50.114
3.455.898
109.984
709.500
43.280
650.500
39.681
Beschaffbare Verpflegung
689.390
42.053
2.780.876
88.501
606.050
36.969
477.000
29.097
Defizit
132.147
8.061
670.023
21.483
103.450
6.310
133.500
10.584
140–180.000 / 60–80.000
Wie die grobe Planung auf 1 Jahr zeigt, wurden bei 140.000 Portionen und 60.000 Rationen für 6 Wintermonate sowie 180.000 Portionen und 80.000 Rationen in den 7 Sommermonaten folgende Mengen benötigt, sodass entsprechende Defizite wohl unvermeidlich waren. Besonders bedenklich ist dabei der Umstand, dass schon bei den Strohmengen ein Defizit auftrat, obwohl die erforderlichen Mengen nur für die Wintermonate beschafft werden mussten. Abgesehen davon waren auch die anderen Mengen so groß, dass bei den durchschnittlichen Monatsanforderungen für das Raufutter ein Defizit von 2 Monaten und beim Hafer sogar ein Defizit von fast 3 Monaten befürchtet werden musste.
87 Zu den Originalwerten in der Tabelle siehe OestHHStA, Kriegsakten, Nr. 346: Erfordernüß an Mehl, Hart- und Rauchfutter ult. Novembris 1756 bis ult. Novembris 1757.
IV.2. Logistische Vorbereitungen251
Wie schon erwähnt, waren auch den Preußen die Vorbereitungen für die Beschaffung der Vorräte nicht verborgen geblieben88. So hatte Generalleutnant von Winterfeldt auch ermittelt, dass sich die meisten Mehlvorräte wohl in den böhmischen Kreisstädten und Orten mit größeren Flüssen konzentrierten wie bei Leitmeritz oder Jungbunzlau, weil wegen des wenigen Wassers im Winter nur dort gut gemahlen werden konnte89. Feldmarschall Schwerin hatte ferner im Januar berichtet, dass die Bevölkerung in Böhmen ständig Fourage liefern müsse, dafür aber nicht entlohnt werde und es in den Scheunen bereits anfange, „helle“ zu werden90. Er glaubte auch, die österreichischen Magazine seien aufgrund des hohen Verbrauchs relativ schwach bestückt und das Raufutter sei allein aus Böhmen nicht zu ersetzen. Hiervon vermutete er einen Großteil in Alt-Kolin, wo es schon in den dortigen Schuppen verdarb, obwohl man inzwischen begonnen hatte dagegen Verdecke zu errichten91. Die Bestände, die die Österreicher bis zum 11. März aufbrachten, stellten sich so dar: Tabelle 45 Bestände der österreichischen Truppen im Operationsgebiet am 11. März 175792 Böhmen
Mähren
Summe
Gewicht in Tonnen
Roggen in niederöst. Zent.
11.813
2.218
14.031
856
Mehl in niederöst. Zent.
267.813
48.808
316.621
19.314
Hafer in niederöst. Metzen
665.176
164.689
829.865
26.410
Gerste in niederöst. Metzen
61.884
946
62.830
2.000
Heu in niederöst. Zent.
134.446
66.164
200.611
12.237
Stroh in niederöst. Zent.
63.12
83.21
14.634
893
Truppenverpflegung
Pferdeverpflegung
Gesamtmenge
88 Vgl.
59.910
IV. Teil 2.2.: Die Operationsplanungen der Preußen. GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 91 K: Generallieutenant Hans Carl von Winterfeldt Immediatskorrespondenz 1756–1757 Jan.–Feb., Blatt 147 Vorderseite. 90 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 90 L 3: Feldmarschall Curt Christoph von Schwerin Jan.–Feb. 1757, Blatt 3. 91 Siehe ebd., Blatt 66 Vorderseite. 92 Zu sämtlichen Originalangaben in der Tabelle siehe OestHHStA, Staatskanzelei, Vorträge 80. 89 Siehe
252
IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
Mit den Mengen ließen sich die rund 131.000 Mann schon fast 6 Monate und die 21.000 Pferde der Kavallerie zumindest für 7 Monate versorgen, selbst wenn sie 1 ½ Rationen Hartfutter zu 6 Kilogramm erhielten und sich der Heuanteil bei ca. 2,5 Kilogramm bewegte. Zumindest lagen die Mehlvorräte weit über der avisierten Menge von rund 285.000 Zentnern. Auch die Hafervorräte waren mit 830.000 Metzen umfangreicher als angenommen, obwohl 170.000 Metzen tatsächlich für die Kompensation des Raufutters verwendet worden zu sein scheinen. Allerdings verfügten die Preußen allein in Schlesien über umfangreichere Bestände. Mit den Vorräten, die in Sachsen lagerten, waren sie deutlich überlegen, da die Mehlmengen beider Provinzen mehr als doppelt so groß waren. Allerdings konnten die Österreicher noch auf Reserven im Hinterland zurückgreifen, denn zu diesem Zeitpunkt befanden sich in den Magazinen von Wien, Crems, Pressburg, Raab, Komorn, Pileck, Grann, Mocs, Ofen, Maizen, Baya und Esegg aber insgesamt noch 354.177 Metzen Hartfutter, wobei fast die Hälfte in Ofen und Maizen lagerte. Neben diesen 10.873 Tonnen, die die Gesamtmenge der vorhandenen Hartfutterbestände, inklusive der zuvor erwähnten Magazine in Böhmen, auf fast 40.000 Tonnen erhöhten, wollte man aber noch weitere 1.374.791 Metzen Hartfutter beschaffen. Man war sich jedoch im Klaren darüber, dass von den noch zu beschaffenden Mengen rund 400.000 Metzen bzw.12.664 Tonnen wohl nicht aufzubringen wären93. Folglich würden nur 974.791 Metzen oder 30.865 Tonnen Hafer zusätzlich zur Verfügung stehen, wodurch die Gesamtmenge des verfügbaren Hartfutters in diesem Kriegsjahr auf 70.148 Tonnen anstieg94. Für die Kalkulation der Versorgungsdauer galt es auch hier die Anforderungen des Fuhrwesens, der Artillerie und der Proviantwagen mit zu berücksichtigen. Zum Zustand des Armeefuhrwesens und zur Beschaffung weiterer Wagen bemerkten die Minister Graf Chotek und Haugwitz schon im Januar, „man hätte die Einrichtung auf 800 Brod und 800 Haaber Wägen allbereits veranstaltet, diese aber würden dennoch nicht erklecklich mithin Vorspann-Wägen vonnöthen seyn, wan die Armeen zu operieren anfangen würden, mit diesen Vorspann werde es auch sehr große Beschwernüßen abgeben, indeme nicht wohl thunlich, selbe aus denen entlegenen Creyßen herkommen zu lassen, ohne für ihre Fütterung zu sorgen, diese aber nur alsdann einigermaßen möglich sey wan man sich des Grases werde bedienen können“95.
Man erwog daher, neben den 1.600 Wagen weitere 5.050 Landwagen anzuschaffen, von denen 2.250 den Hafer und das 2.750 das Heu transportieren sollten96. Hinzu kam 93 Siehe
OestHHStA, Vorträge, Nr. 80, Blatt 10 Rückseite. sämtlichen Angaben in diesem Absatz siehe OestHHStA, Staatskanzelei, Vorträge 80: Protocollum Der In Behuff der fernene Militar-Veranstaltungen, 9te Januarii 1757 abgehaltenen Zusammentretung und ebenda, Ausweis Das zu Behuf der Armee exclusive Böhmen, und Mähren in denen Magazinen würckl. vorräthigen, auch noch einzuliefern seynden Hartfutters. 95 OestHHStA, Vorträge, Nr. 80, Blatt 15 Vorderseite. 96 Siehe OestKA, Manuskripte, Kriegsgeschichte, Nr. 54: Historische Nachrichten: Fortsetzung des Siebenjährigen Krieges 1757. Die Begebenheiten bei der k. k. Armee unter Feldmarschall 94 Zu
IV.2. Logistische Vorbereitungen253
noch der Artilleriepark mit 3.500 Pferden. Die geplante Gesamtmenge an Wagen und Pferden, die sich damit für den Nachschub der österreichischen Truppen ergab, zeigt die folgende Tabelle: Tabelle 46 Erforderliche Transportwagen und Pferdeanzahl der österreichischen Armee zu Beginn des Kriegsjahres 1757 Wagentyp
Wagenanzahl
Pferdeanzahl
Leiter- und Deckelwagen
1.600
6.400
Brot- oder Mehltransport
Landwagen
2.250
9.000
Hafertransport
Landwagen
2.750
11.000
Raufuttertransport
3.500
Transport der Geschütze, Kleinwaffen- und Artilleriemunition
Artilleriepark Summe
6.600
Verwendung
29.900
Mit diesen Pferden stieg der Gesamtbedarf mindestens auf 51.–53.000 Pferdeportionen, insbesondere wenn man die Proviant- und Zeltwagen der Regimenter berücksichtigt, die mit ca. 2.500 Pferden zu Buche schlugen. Folglich reichten die Mengen, die im März in Böhmen lagerten, aus, um die Truppen samt Nachschubwesen bei 1 ½ Rationen zu 6 Kilogramm und 2,5 Kilogramm für 3 Monate zu verpflegen. Die rund 70.000 Tonnen Hartfutter, die man meinte beschaffen zu können, wären sogar ausreichend gewesen, um die Truppen bei diesem Satz für 7 ½ Monate, d. h. bis Mitte November 1757, zu versorgen. Wie die beiden folgenden Tabellen zeigen, war die Vorratslage für die Streitkräfte der Habsburger zu Beginn des Feldzuges noch recht günstig. Die Raufuttervorräte hatten überwiegend abgenommen und reichten nicht viel länger als 2 ½ Monate. Die Mehl- und Hartfuttermengen erhöhten sich dagegen bis zum Beginn der Operationen deutlich. In jedem Fall reichten sie aus, um die Soldaten fast 15 Monate und die Pferde, selbst bei aufgestockten Hartfutterportionen, mit der Gesamtmenge von 64.400 Tonnen fast 7 ½ Monate zu versorgen. Die zweite und dritte Tabelle belegen jedoch, dass die Magazine von Pardubitz und Königgrätz die größten Raufuttervorräte enthielten, sodass ihr Verlust für die Österreicher mehr noch als der Gewinn für die Preußen unter Umständen von erheblicher Bedeutung gewesen wäre, wenn König Friedrich den Vormarsch in diese Richtung durch den Befehl an Feldmarschall Schwerin nicht untersagt hätte. Broune Aufsatz der zu den Kriegs-Herren für den Feldzug 1757, angetragenen eignen, und gedungenen Proviant-Fuhrwesen, und auf wie viel Täge gerechnet würde, durch solcher der Armee die Erforderniß nachführen zu können.
Korn
75
8.346
45
Pilsen
Pisek
815
7.422
Nimes
12.911
Nimburg
694
1.464
Neuhof
Laun
Leitmeritz
Königswarth
Kuttenberg
113
7.382
Eger
25.563
Dux
101
Collin
809
7.451
640
39.504
21.091
2.629
3752
163.410
126
69.741
22.605
271
2.124
Budin
5.133
61.310 42.676
158
1.892
171
1.527
Bunzlau
2.109
Gersten
687
9.864
4.228
21.776
4.408
1.492
450
1.245
81
Niederöst. Metzen
Hafer
Hartfutter
Budweis
5.644
368
1.737
Billin
Brandeis
298
Aussig
Niederöst. Zentner
Weizen
Mehl Gerstenstroh
404
868
583
2.993
1.351
114
4.882
319
21.066
22.054
16.280
7.878
979
520
316
406
136
1.565
55
652
170
492
Niederöst. Zentner
Heu
Raufutter
1.581
1
31.865
17.750
6.175
12 Pfund
Bund zu
Lagerstroh
783
8.079
101
9.497
8.930
400
volle
Säcke
Tabelle 47 Gesamtübersicht der Magazinvorräte in Böhmen am 15. April 1757, primär zur Versorgung der Großen Armee oder Hauptarmee97
Stück
323
1.955
660
339
2.640
30
2.357
692
leere
1.149
109
973
1.516
761
38
2.930
325
1.249
45
89
volle
Fässer
1.985
8
751
174
79
10
464
leere
254 IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
11.078
38.076
634.598
115
1.651
1.067
20.536
122.957
18.639
3.832
63.863 9.002
147.572
1.046
15
4.375
13.177
347
5.688
48
1.265
62
515
284
91.101
3.365
11.453
3.316
1.223
13.896
12 Pfund
Bund zu
Lagerstroh
5.867
93.232
9.954
55.227
251
volle
Säcke
Stück
28.954
35
645
575
8.002
86
178
5.734
1.183
leere
8.523
21.854
122
4.668
37
591
6.781
293
volle
Fässer
5216
6
51
80
28
395
1.185
leere
97 Zu den Originalangaben in der Tabelle siehe OestKA, Zentralst., Generalkriegskommissariat, Nr. 52 Militärdirectoralia1757/IV–V, Faszikel V/10: Summarischer Extract über die in nachbenannten Stationen unterm 15 Aprilis hujus Anni verbliebene Natural und Material Vorräthe, von Gottfreid Johann Köckh von der kayl. Königl. Feldproviantbuchhalterey in Böheim. Vernachlässigt sind in der Darstellung die Kleinstangaben im Pfundbereich, wie sie das Original widerspiegelt.
370
181.538
Summe in Tonnen
Summe
6.261
218
1
6.069
46
Zebrak
Welwarn
Töplitz
Thein Moldau
41.335
2.982
2.716
1.161
29.765
10.545
495
Deutschbrod
318
990
Schlan
752
1.256
26.956
18.342
Gerstenstroh
Niederöst. Zentner
Heu
Raufutter
575
3.283
Gersten
Niederöst. Metzen
Hafer
Hartfutter
Saatz
Reichenberg
8
2.540
48.056
1.190
1.535
Plann
Prag
Podiebrad
Korn
Niederöst. Zentner
Weizen
Mehl
IV.2. Logistische Vorbereitungen255
11.785
372.257
14 3/8
6.934
12.317
10.739
339.204
2.206
60
2.858
3.292
13.454
12.050
3.261
Gesamtmenge in Tonnen
7.298
121.630
1.530
25.505
Metzen
Gerste
1.761
320.242 ½
8.870
50.000
19.770
7.645
233.957
a 11 lb
Stroh
31
8.860
1.661
1.584
5.409
a 7 lb
Portionen
Heu
Raufutter
Heu
1.570
241.602
Portiones
91
15.282
4.492
10.790
a 12lb
Bund
Lagerstroh
24,5
6.993
Portiones
Stroh
21.478
1.440
1.314
18.724
volle
Säcke
917
15.282
Bund
7.419
19.209
841
2.449
4.781
2.882
3.918
4.338
volle
Lagerstroh
20.501
3.119
8.202
1.954
2.401
1.682
910
2.233
leere
1.611
39
677
895
leere
3.220
8.256
Volle
Fässer
Fässer
98 Zu den Originalangaben in der Tabelle siehe OestKA, Zentralst., Generalkriegskommissariat, Nr. 52 Militärdirectoralia 1757/IV–V, Faszikel V/10: Haupt- Vorrats- Rapport Über die bey der Königgrätzer Armee bis inclus 15ten Aprilis in nachstehenden Stationes befündliche Naturalien und Materialien.
65.227
Gesamtmenge
Hafer Metzen
Mehl
Zentner
Davon zusammen in den Magazinen von Königgrätz und Pardubitz
9.333
Summe
Summe in Tonen
109
153.007
Jaromirz
Mit der Herrschaft Kladens vereinbart
6.754
18.582
Landscron
Semin
40.200
Politzka
9.811
122.689 7
22.387
Leutomischl
35.524
86.106
10.562 3
34.266
Pardubitz
Gerste
Niederöst. Metzen
Hafer
Hartfutter
Hohenmauth
30.961
Zentner
Mehl
Königgrätz
Stationen
Übersicht der für die Königsgrätzer Armee bestimmten Naturalien und Materialien am 15. April 175798
Tabelle 48 256 IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
IV.2. Logistische Vorbereitungen257
Insgesamt boten sowohl die Österreicher als auch die Preußen bedeutend größere agenmengen auf, als es das reguläre Transportwesen der Armeen vorsah. Auch die W Vorräte, die beide Seiten zur Verpflegung der Soldaten und Pferde bereitstellten, waren weitaus größer und vielfältiger, als es die üblichen Aufstellungen zum Magazinwesen erahnen lassen, was im Wesentlichen dem Umstand geschuldet ist, dass sämtliche Vorkehrungen zur Pferdeverpflegung in den bisherigen Darstellungen vollkommen ausgeblendet wurden99, obwohl sie für die Einsatzfähigkeit der Kavallerie, der Artillerie, aber auch für die regimentsinterne Logistik und die der Verbände genauso unverzichtbar war wie für die Truppen. Dass dies den Zeitgenossen klar war, zeigt sich nicht zuletzt daran, dass beide Kriegsparteien auch in dieser Hinsicht für den Feldzug gut gerüstet waren und ihn mit ausreichenden Reserven begannen. IV.2.6. Rekapitulation der logistischen Vorbereitungen beider Kriegsparteien Es dürfte deutlich geworden sein, dass die größte Herausforderung bei den logis tischen Vorbereitungen für beide Kriegsparteien nicht die Truppen-, sondern in erster Linie die Pferdeverpflegung darstellte. Dies belegte nicht zuletzt die Tatsache, dass die Österreicher schon bei ihren Planungen gewahr wurden, gegen Ende des Kriegsjahres 1757 diesbezüglich an die Grenzen des absolut Machbaren zu stoßen, obwohl es ihnen bei Eröffnung der Operationen noch gelang, die Verpflegungsgüter in ausreichendem Umfang bereitzustellen. Allerdings hatten auch die preußischen Korps mit der Beschaffung und dem Transport der riesigen Futtermengen schwer zu kämpfen, weil schon ein beträchtlicher Anteil in den Winterquartieren des Aufmarsch- und Operationsgebietes verbraucht wurde. Abgesehen davon war der immense Aufwand vor allem auf den Zuwachs an Nachschubwagen und deren Eigenversorgung zurückzuführen, zu denen es abseits der Flüsse kaum Alternativen gab, gerade wenn man die Kampftruppe mit einer funktionstüchtigen Kavallerie und Artillerie ausstatten wollte. Die Preußen verfügten aber mit den Flussverbindungen in Schlesien und Sachsen über außerordentlich gute Möglichkeiten, um ihre Magazine zu ergänzen, wofür sie von bestimmten Lieferanten wie dem Geheimen Rat Schimmelmann auch besonders tatkräftige Unterstützung erhielten. Offenbar erklärte sich auch die besonders gute Futterbevorratung in Schlesien durch die Zulieferungsalternativen per Schiff, die neben dem Handel mit Polen und den Beiträgen der Provinz wohl die dritte Säule der dortigen Beschaffungsorganisation bildeten. Mit hoher Wahrscheinlichkeit verlieh insbesondere die Fähigkeit der zusätzlichen Ressourcenmobilisierung den Preußen die größten Vorteile bei der Feldzugsvorbereitung, denn auch den Österreichern war es gelungen, das regionale Potential an Naturalien in ihrem Aufmarschgebiet, d. h. in Böhmen und teilweise auch in Mähren, in einem erstaunlichen Maße abzuschöpfen.
99 Vgl.
II. Teil 4.: Das Magazinwesen.
258
IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
IV.3. Der Eröffnungsfeldzug und die Schlacht bei Prag IV.3.1. Der Einmarsch aus Schlesien und der Oberlausitz bis zur Eroberung des Magazins von Jungbunzlau Feldmarschall Schwerins Korps brach als erstes am 18. April nach Böhmen auf. Seine Truppen zählten, wie schon erwähnt, knapp 40.000 Mann. Mit den rund 7.300 Sachsen und dem Artilleriepersonal standen fast 50.000 Mann zur Verfügung, was auch General von Marschall auf Seiten der Österreicher bestätigte1. Wie der Einmarsch verlaufen sollte, geht aus dem Schreiben der schlesischen Korpsführung an den Herzog von Bevern hervor: „Alles bleibt bei meiner Disposition ohne Veränderung. Ich gedenke Morgen in Trautenau zu seyn, den 19ten mit zwei Colonnen bey Königshoff, und den 20ten mit der gantzen Armee jenseits Köngishoff über der Elbe zusammen zu seyn, und so dann den March nach des Königs Befehl über Gitschin gegen Jung-Buntzlau, und so weiter gegen Leutmeritz oder Melnick zu dirigiren. Landshuth, den 17. April 1757“2.
Begünstigt wurde das Eindringen aus Schlesien wahrscheinlich durch den Umstand, dass die Österreicher noch im März die Straßen bei Nachod, Braunau und Trautenau hatten ausbessern lassen3. Der Aufbruch erfolgte planmäßig in 5 Abteilungen. Die ersten beiden Kolonnen, zu denen auch das ehemals sächsische Regiment von Manstein gehörte, bestanden aus 14 Musketier- und 3 Grenadierbataillonen und 35 Eskadrons, die unter der Führung der Generäle von Manteuffel und Winterfeldt aus der Gegend von Schmiedeberg und Landeshut einrückten und zunächst in Richtung Trautenau marschierten. Einen Tag später erreichten sie Königshof, wo am 20. April gerastet wurde. Am folgenden Tag rückte man bis Miletin vor, wo sich die 3 anderen Kolonnen aus Richtung Glatz und Starkstadt anschlossen. Sie waren mit 15 Musketier- und 4 Grenadierbataillonen sowie 25 Eskadrons unter den Generälen Hautcharmoy und Fouque von Friedland und Eypel bzw. aus Wünschelburg und Glatz nach Böhmen eingedrungen und dann über Politz und Starckstadt weiter vorgerückt4. Damit hatte sich der Großteil des schlesischen Korps am 22. April bei Miletin versammelt. Es umfasste zunächst 29 Musketier- und 6 Grenadierbataillone sowie 60 Eskadrons Kavallerie mit rund 35.000 Mann5. Zurückgeblieben waren vermutlich die 6 nicht aufge1 Zur Schätzung General Marschalls siehe OestKA, AFA, Nr. 630 I–IV HKR: Siebenjähriger Krieg 1757, Faszikel IV / 65. 2 GStAPK, VI. HA., Nachlass Herzog August Wilhelm von Braunschweig-Bevern, Nr. 3: April–Mai 1757, Blatt 47 Vorderseite. Der Verfasser ist nicht genau nachzuvollziehen. Es kommen eigentlich nur Generalleutnant von Winterfeldt und Feldmarschall Schwerin in Frage, wahrscheinlicher ist der Letztgenannte. 3 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 90 L 3: Feldmarschall Curt Christoph von Schwerin Jan.– Feb. 1757, Blatt 66 Rückseite. 4 Zum gesamten Absatz siehe Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 2: 1757, Teil 1, Seite 14 f. 5 Dies stimmt ungefähr mit den älteren Angaben von 34.000 Mann überein (vgl. Schwerin, Detlof Graf von, Feldmarschall Schwerin, Seite 336).
IV.3. Der Eröffnungsfeldzug und die Schlacht bei Prag259
stockten Grenadierbataillone und das Gros der ehemals sächsischen Einheiten. Für die böhmische Bevölkerung, die die Preußen zunächst auch mit Lebensmitteln versorgte, war es wohl sehr erstaunlich, dass sich unter ihnen überhaupt ein sächsisches Regiment befand6. Mit der Artillerie dürfte die Kampftruppe etwas mehr als 37.000 Mann gezählt haben7. Ergänzt wurde sie durch die ca. 2.400 Mehl- und Fouragewagen sowie die Zeltund Proviantwagen der Regimenter, auf die sich die Preußen zunächst beschränkten, um in der ersten Phase des Einmarsches schneller voranzukommen8. Während am 23. April nur die Vorhut, bestehend aus rund 1.000 Mann Infanterie und Kavallerie, nach Hollobau vorauseilte, um feindliche Verpflegungsvorräte zu erbeuten, hielt sich der Großteil noch immer bei Miletin auf. Erst am 24. und 25. April rückte das ganze Korps in 4 Kolonnen weiter nach Gitschin und Sobotka vor, wobei die Artillerie und das Proviantfuhrwesen immer die Mittelkolonne bildeten und seitlich von den Reihen der Infanterie gedeckt wurden9. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich zwischen den preußischen Truppen unter dem Generalleutnant von Braunschweig-Bevern und dem österreichischen Verband unter General von Königsegg bei Reichenberg schon ein Gefecht ereignet. Das Korps des Generalleutnants von Bevern, das sich mit jenem unter Schwerins Kommando in der Gegend von Turnau oder Münchengrätz vereinigen sollte, bestand, wie gesagt, aus 25 Eskadrons Kavallerie und 20 Bataillonen. Sie waren am 20. April auf der Straße nach Reichenberg über Klein-Schönau, Ullerdorf und Kratzau nach Böhmen eingerückt. Schon in der Nähe des letztgenannten Ortes stieß man auf die Vorposten des gegnerischen Korps unter General Königsegg, das sich um Reichenberg mit seinen 16 Bataillonen und 29 Eskadrons zusammenzog10. Am 24. April kam es zum Kampf mit den Österreichern. Das Gefecht selbst verlief nach einem einfachen Schema. Die gegnerischen Einheiten hatten sich in einer Linie formiert und ihre Stellung durch einen Verhack mit Wolfsgruben auf der linken und durch ein Dorf auf der rechten Flanke gesichert. Die Truppen des Herzogs von Bevern, die nun in breiter Front angriffen, taten sich infolgedessen zunächst schwer. Entschieden wurde die Auseinandersetzung durch den frontalen Angriff und den Durchbruch von 3 Dragonerregimentern, die offenbar von den Generalmajoren Normann, Katte und Prinz von Württemberg befehligt und für ihre Leistung ausdrücklich gelobt wurden. Die preußische Infanterie hatte offensichtlich nicht viel gefeuert, sondern die Österreicher vor 6 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 91 L: Generallieutenant Hans Carl von Winterfeldt Immediatskorrespondenz 1757, Blatt 87 Rückseite, Schreiben aus Königshoff am 22. April 1757. 7 Die Österreicher gaben die Stärke von Schwerins Korps mit 37.044 Mann an (siehe OestKA, AFA, Nr. 599: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 I–IV, Faszikel IV / 36). Allerdings veranschlagten sie 2 Grenadierbataillone zu viel, während sie die Artillerie der Bataillone und des Korps nicht berücksichtigten. 8 Siehe GStAPK, VI. HA., Nachlass Herzog August Wilhelm von Braunschweig-Bevern, Nr. 3: April–Mai 1757, Blatt 28 Vorderseite. 9 Siehe Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 2: 1757, Teil 1, Seite 16–18. 10 Zum gesamten Absatz siehe Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 2: 1757, Teil 1, Seite 19–23.
260
IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
allem auf den Flanken mit Bajonettattacken aus ihren befestigten Positionen vertrieben. Das Gefecht dauerte von 7 bis 11 Uhr und hatte die Preußen 105 Tote und 357 Verwundete gekostet. Man nahm 300 Österreicher gefangen und erbeutete 3 Munitionswagen, die offensichtlich in den verschanzten Stellungen zurückgelassen worden waren. Der Gesamtverlust der Österreicher betrug nur 874 Mann und 553 Pferde. Da die Österreicher die bessere Stellung innehatten und sich relativ geordnet zurückgezogen, hielt sich der Erfolg auf preußischer Seite in Grenzen. Trotzdem gratulierte König Friedrich dem Herzog in seinem Schreiben 3 Tage später geradezu überschwänglich zu seinem Sieg11: „Ich gratulire ihnen zur der schönen Action die nicht recht eine Bataille heißen kann wie der Turene, und Condé ihre meisten gewesen seindt, sie haben hierbei bewissen das ich mihr gar nicht betrogen habe in der Opinion und das Vertrauen das ich zu Sie gehabt habe, nuhn sie sehen sie selber, das wan man was auf seine Hörner nimt, und eine schwehre Sache mit einer guthen Disposition entrepreniert das es guth gehet. Die Officiers und allen die jenigen so sich dabei distinguiret haben werden sie meiner hertzlichen Erkentlichkeit versichern […]“12.
Anlass zur Euphorie bestand eigentlich nicht, denn die Österreicher setzten nicht nur ihren geordneten Rückzug nach Liebenau fort, sondern erhielten auf dem Weg dorthin auch Verstärkung durch jene Truppen, die sich aus Friedland und Gabel anschlossen. Vor allem die Einheiten, die auf den exponiertesten Posten gegen die Oberlausitz gestanden hatten und nun über Gabel ankamen, bereiteten den Preußen große Probleme. Es handelte sich hierbei um 7 Bataillone und 2 Kavallerieregimenter unter dem Kommando von General Maquire, die nun versuchten zwischen Reichenberg und Marchendorf die preußische Versorgungskolonne zu attackieren, was jedoch von den Husaren verhindert wurde. Das Korps des Herzogs sah sich am 22. April gezwungen zu rasten und 1 Bataillon in Reichenberg zur Besatzung zurückzulassen, bevor es am 23. Richtung nach Liebenau aufbrach. Der Vormarsch war geprägt von ständigen Scharmützeln mit den österreichischen Truppen, die bei Liebenau eine starke Stellung bezogen hatten, von der man aber glaubte, dass die Österreicher sie bald verlassen würden13. Unterdessen hatte sich auch der Vormarsch des Korps von Feldmarschall Schwerin wegen der beschwerlichen Wege verzögert, und so erfuhr Bevern durch ein Husarenkommando, dass die schlesischen Truppen erst am Morgen des 25. April bei Gitschin versammelt sein würden. General von Winterfeldt bat den Herzog, nicht bei Turnau, sondern weiter südlich bei Swigan die Iser zu passieren, um sich dann mit seinen Einheiten bei Münchengrätz oder Jungbunzlau dem schlesischen Korps anzuschließen14. Während sich die Österreicher an diesem Tag noch nicht bewegten, waren sie am Tag 11 Zum Gefecht bei Reichenberg siehe Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 2: 1757, Teil 1, Seite 23–27 und GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 102 D: August Wilhelm von BraunschweigBevern 1757, Blatt 102 Vorderseite–103 Vorderseite. 12 GStAPK, VI. HA., Nachlass Herzog August Wilhelm von Braunschweig-Bevern, Nr. 3: April–Mai 1757, Blatt 51 Vorderseite. 13 Zum gesamten Absatz siehe Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 2: 1757, Teil 1, Seite 28–30. 14 Siehe GStAPK, VI. HA., Nachlass, Herzog August Wilhelm von Braunschweig-Bevern, Nr. 3: April–Mai 1757, Blatt 53 Vorderseite.
IV.3. Der Eröffnungsfeldzug und die Schlacht bei Prag261
darauf verschwunden und so rückten die Truppen des Herzogs geradewegs über Liebenau nach Swigan vor15. Feldmarschall Schwerin beabsichtigte ursprünglich in Richtung Turnau zu marschieren, um in den Rücken des Königsegg’schen Korps vorzustoßen und dieses dadurch zum Rückzug zu veranlassen. Durch den Erfolg bei Reichenberg war diese Operation nun aber überflüssig geworden und so bezog er einen Vorposten bei Sobotka, um von dort aus nun in Richtung Jungbunzlau und über die Iser vorzustoßen, um dem gegnerischen Verband so nach Möglichkeit den Rückzug auf Prag abzuschneiden. Am 26. April rückte er mit der Vorhut im Umfang von 3 Dragonerregimentern bzw. 15 Eskadrons und 7 Bataillonen zunächst nach Münchengrätz vor. Es gelang jedoch den gegnerischen Husaren, die dortige Brücke vor seinem Eintreffen zu verbrennen. Dafür eroberte man rund 100 Wagen, die vor allem mit Zelten und Munition beladen waren und verbrannt wurden, sofern man sie nicht mitnehmen konnte16. Die preußische Kavallerie verfolgte die feindlichen Truppen bis Jungbunzlau, wo es dann, haargenau wie geplant, gelang, das wichtige Magazin zu erbeuten. Allerdings gerieten die Schwierigkeiten und die Dramatik dieser Operation, die für die Logistik und den Fortgang des weiteren Feldzuges so entscheidend war, weitestgehend in Vergessenheit17. Die erfolgreiche Eroberung des Ortes mit dem darin befindlichen Magazin war in der Tat darauf zurückzuführen, dass der österreichische Kommandierende nicht die Verantwortung für das damit einhergehende Niederbrennen der Stadt übernehmen wollte, denn: „[…] es haben die Preuß. ungefehr um Mittag Jung-Bunzlau angefallen, unserer daselbst gestandene Bewachung von Colloredo sowohl als die dahin geschickte wenige Husaren vertrieben, und folgl. dieses so imposante und kostbahre Magazin, zum höchsten und uneinbringlichen Schaden Ihro Majt. allerhöchsten Interesse erbeutet; dieser Verlust ist umso schmerzlicher und unvergesslich, als man dess Wichtigkeit erst auß denen weiteren Folgerungen erkennen wird, wie ich merckte gestern, daß es ziemlich um Jung-Bunzlau geschehen seyn würde, so habe der Generalität vorgetragen, ob in jenem Fall, wann gleichwohl Jungbunzlau übergehen sollte, daß Magazin verbrennt, od. sonst zu nichte und unbrauchbahr gemachet werden sollte? Die Anzündung, wodurch die ganze Stadt inevitablement wäre eingeäschert worden, hat dem Commandierenden zu bedencklich geschienen […]“18.
Generalleutnant von Winterfeldt hatte mit seiner Einschätzung, dass der Feind nicht in der Lage sei, seine Bestände zu verbrennen, weil die Lebensmittel in der Stadt zu zerstreut lagen und die Stadt somit ebenfalls vernichtet werden würde, vollkommen Recht Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 2: 1757, Teil 1, Seite 28–31. GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 91 L: Hans Carl von Winterfeldt Immediatskorrespondenz 1757, Blatt 91 Vorderseite, Schreiben aus Buntzlau am 27. April 1757. 17 Vgl. Großer Generalstab, Die Kriege Friedrichs des Großen. Dritter Theil, Bd. 2: Prag, Seite 86. 18 OestKA, Zentralst., Generalkriegskommissariat, Akten, Nr. 52 Militärdirectoralia IV–V, Faszikel V / 42: Copia eines Schreibens Baron von Astfelds an Haugwitz erlassen am 26. April. Neben den erwähnten Husaren umfasste die Bewachung des Colloredo’schen Regiments offensichtlich gerade einmal 80 Mann. Vgl. ebd., Faszikel V / 10: Schreiben Grechtlers aus Trusko, am 28. April. 15 Siehe 16 Siehe
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IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
behalten19. Er war jedoch der Ansicht, dass die Eroberung den Preußen denkbar knapp geglückt sei und eine halbe Stunde später doch alles in Brand geraten wäre. Der General selbst hatte mit einigen Dragonern die feindlichen Dragoner an der Überquerung der Iserbrücke von Podlascko gehindert und eine Rückeroberung von Jungbunzlau unterbunden, wo die Stadt zunächst nur mit der Hälfte des abgesessenen Dragonerregiments von Blankensee besetzt werden konnte20. Die folgende Karte stellt die operative Situation dar und zeigt Winterfeldts Blockade der Iserbrücke nach Westen, wodurch die Stadt im Süden isoliert wurde, denn aufgrund ihrer Lage auf dem Felssporn war eine schnelle Rettung der Vorräte kaum möglich, sodass sie den Preußen auch deswegen zwangsläufig in die Hände fallen mussten.
Abbildung 17: Operationen zur Einnahme Jungbunzlaus21 19 Vgl.
IV. Teil 1.2.: Die Operationsplanungen der Preußen. diesem Absatz Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 91 L: Generallieutenant Hans Carl von Winterfeldt Immediatskorrespondenz 1757, Blatt 90 Vorder- und Rückseite, Schreiben aus Buntzlau am 27. April 1757. 21 Karte adaptiert nach OestKA, Karten- und Plansammlung, B IX a 92, Sekt 58. 20 Zu
IV.3. Der Eröffnungsfeldzug und die Schlacht bei Prag263
Verloren hätten die Österreicher ihr Magazin mittelfristig in jedem Fall, denn „[…] mit Fuhren es zu retten war nicht die Frag, weil man zeitlicher von dem Anmarsch der Feind über Gitschin nichts gewußst, und eben so wenig der Creyßhauptmann, wie ich selbst im Stande waren, besonders in der fast unaußsprechlichen Confusion, so seit der allererste Zusammenziehung und folglicher Affaire von Reichenberg auf einmahl fast unglaublich respatu des Missbrauchs deren Vorspann-Wägen vom Landes eingerisst eine zulängliche Quantität an Landfuhren beyzuschaffen; […] weilen die Zeit nicht langte es außn anderen Creyßen zu verschreiben dem Creyßamt von Bunzlau als dem Proviantamt mitzugeben[. W]elches aber, wie gesagt sowohl wegen Kürze der Zeit, als auch wegen gar zu vieler Anzahl derer bey der Armee und Bagage, Krancken, Blessierte, zurückgeschickten Siche, Requisiten, Manover-Sorten etc. angehaltenenen Vorspannwägen und Pferden, unmöglich einen Effect von Consideration haben konnte […]“22.
Eine Evakuierung kam also auch wegen des paralysierten Transportwesens nicht in Betracht. Aus preußischer Sicht war dieser Umstand günstig, zumal die substantiellen Sicherungskräfte in Gestalt der Infanterie erst 6 Stunden nach der Eroberung gegen 8 Uhr abends eintrafen und dann Jungbunzlau mit 3 und Kosmanos zunächst mit 4 Bataillonen besetzten23. Der Rest des schlesischen Korps war den Österreichern in Richtung Swigan und Münchengrätz gefolgt, wo man sich nun mit der Vorhut der Bevern’schen Truppen vereinigte24. Tags darauf folgten die Nachschubwagen aus Sobotka, wobei allein die 2.400 Proviantwagen in einer Reihe eine Länge von bis zu 27 Kilometer erreichen konnten. Insofern ist es kaum verwunderlich, dass es einigen österreichischen Husaren gelang sie anzugreifen, weil sich die Vorhut etwas zu weit von den anderen Deckungstruppen entfernt hatte25. Auf diese Weise erbeuteten die Österreicher 30 Mehlwagen und -karren, von denen aber 6 von einem preußischen Husarenkommando aus Jungbunzlau wieder zurückerobert wurden, sodass nur 24 Stück in feindlichen Händen verblieben26. Nach österreichischen Angaben wurden von Oberstleutnant von Gersdorff und dem Kürassierregiment von Birkenfeld insgesamt sogar 37 drei- und vierspännige Wagen in Verwahrung genommen, die überwiegend aus dem Glatzer, teilweise aber auch aus dem Reichenberger, Jaromirer und Striegauer Kreis stammten und vermutlich auch anderen Zwecken, wie dem Transport von Fourage oder Munition, dienten27. Abgesehen von diesem kleinen Erfolg, herrschte auf Seiten der Österreicher reichlich Verwirrung. So zog sich Kommissar Genssler, der ursprünglich entweder dem Magazin in Reichenberg oder dem Königsegg’schen Korps selbst zugeteilt war, nach Melnick und Brandeis zurück, wohin die Preußen schon unterwegs waren. Kommissar Führig aus 22 OestKA, Zentralst., Generalkriegskommissariat, Akten, Nr. 52 Militärdirectoralia IV–V, Faszikel V / 42: Copia eines Schreibens Baron von Astfelds an Haugwitz erlassen am 26. April 1757. 23 Siehe Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 2: 1757, Teil 1, Seite 33. 24 Siehe ebd., Seite 34. 25 Siehe ebd. 26 Siehe ebd. 27 Siehe OestKA, AFA, Nr. 630: Siebenjähriger Krieg 1757 HKR I–IV, Faszikel IV / 55.
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IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
Niemes schaffte es zwar, 40 Wagen, die mit Brot, Hafer und Heu beladen waren, Richtung Prag abzuführen, verlor dabei seine Requisiten und die eines Bäckermeisters28. Darüber hinaus vermissten die Österreicher 75 Proviant-Tenkel und 57 bedungene vierspännige Wagen, die diesem Korps zugeteilt waren29. Wagenmangel herrschte offensichtlich auch bei der Königgrätzer Armee. Graf Kollowrath zufolge fehlten am 25. April auch Pontons, für die aber Flöße verfügbar waren, während der Ersatz für die 200 Proviantwagen und 200 Lastwagen nicht beschafft werden konnte, obwohl man dem Verband eigentlich 800 Wagen zugeteilt hatte30. Der Großteil der preußischen Truppen unter dem Kommando von Schwerin und Bevern rastete am 28. April, was vermutlich auch dem Umstand geschuldet war, dass man nun schon die eroberten oder neuhergestellten Brote verteilte, da die aus Schlesien nachgeführten Vorräte zur Neige gingen. Nur die Vorhut unter Generalleutnant von Winterfeldt rückte mit 7 Bataillonen, 1 Dragoner- und 2 Husarenregimentern weiter vor, um nach Bischitz zu gelangen und von dort gemäß dem Befehl Friedrichs Verbindung mit Melnick herzustellen, wozu man sich vorerst auf der Straße Richtung Brodetz nach Benatek bewegte. Am nächsten Tag folgte der Rest der Armee in 3 Kolonnen, wobei die Artillerie und die Bagage wieder das Zentrum bildeten und von den Infanteriekolonnen flankiert wurden. Aufgehalten wurde der Marsch vor allem dadurch, dass die Österreicher viele Brücken über die Iser zerstört hatten. Daher mussten die Preußen für ihre Überquerung erst Pontonbrücken als Ersatz errichten, was aber viel Zeit kostete, sodass Schwerins Armee den Fluss nicht vor dem 1. Mai bei Draschitz, Brodetz, Hruschow und Samost passieren konnte. Generalleutnant von Winterfeldt war aber ohnehin der Ansicht, dass der Feind sich nicht diesseits der Elbe halten würde, da er sich sonst in einem Sack befände. Er glaubte die Österreicher hielten nur noch aus Verzweiflung stand und trieben deswegen die Konzentration ihrer Kräfte voran. Diese Annahme schien sich auch dadurch zu bestätigten, dass das Korps des Generalfeldzugmeisters von Königsegg sich in Richtung Alt-Buntzlau zurückzog und bereits am 30. April die Elbe überquerte31. Die Schwerin-Bevern’sche Armee verblieb vorerst bei Benatek rechts der Iser, wo sie versuchte Kontakt mit der Vorhut unter General von Winterfeldt zu halten, die sich links des Flusses 1 Meile vor Melnik aufhielt. Da die Verpflegung der Armee nur noch bis zum 3. Mai reichte, wurden am 1. Mai sämtliche Proviantwagen nach Jungbunzlau zurückgeschickt, um von dort Nachschub für die kommenden 6 Tage vom 4. bis zum
28 Siehe OestKA, Zentralst., Generalkriegskommissariat, Akten, Nr. 52 Militärdirectoralia 1757 IV–V, Faszikel V / 15: Schreiben Grechtlers aus Trusko, am 28. April. 29 Siehe ebd. 30 Siehe ebd., Faszikel IV / 162: Schreiben Kollowraths aus Königgrätz am 25. April 1757. 31 Siehe zum gesamten Absatz Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 2: 1757, Teil 1, Seite 35–39 und GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 91 L: Generallieutenant Hans Carl von Winterfeldt Immediatskorrespondenz 1757, Blatt 91 Vorder- und Rückseite, Schreiben aus Buntzlau am 27. April 1757.
IV.3. Der Eröffnungsfeldzug und die Schlacht bei Prag265
9. Mai abzuholen32. Während 2 Grenadierbataillone der Vorhut dann Melnick besetzten, rastete der Rest der Armee an diesem Tag erneut. Das gegnerische Korps unter Generalfeldzeugmeister Königsegg zog sich währenddessen weiter nach Prag zurück. Allerdings standen nach Schätzung Winterfeldts noch 3.000 Husaren jenseits der Elbe, die aber jederzeit über die Brücken bei Kosteletz und Brandeis ausweichen konnten. Außerdem waren einige Teile des Serbelloni’schen Korps, das bisher in der Gegend von Königgrätz gestanden hatte und nun von Feldmarschall Daun kommandiert wurde, bei Nimburg eingetroffen, wo sie weiter gegen Brandeis vorrückten. General Pretlach berichtete, dass von Feldmarschall Schwerins Armee nicht mehr als 5–6.000 Mann bei Jungbunzlau zurückgeblieben seien33. Aus preußischer Sicht war diese Situation nicht ungefährlich für die eroberten Bestände, da die Königgrätzer Armee inklusive der Verstärkungen aus Mähren Ende April auf bis zu 37.133 einsatzfähige Soldaten anwuchs34. Allerdings umfasste der erste Teil, der den ursprünglichen Kern des Verbandes unter Serbelloni bildete, nicht mehr als 12.215 Mann und war mittlerweile bei Humburg eingetroffen35. Dort sollte er die Magazine südlich der Elblinie bei Kolin, Kuttenberg und Königgrätz decken, die man inzwischen von Schwerins Armee bedroht sah36, zumal man deren Gesamtstärke auf rund 60.000 Mann schätzte37. Die Gefahr für das Jungbunzlauer Magazin hielt sich aber in Grenzen, da die Österreicher noch am 2. Mai die Brücke bei Brandeis und damit den letzten Elbübergang in der Gegend durch Abbrennen zerstört hatten, obwohl es den preußischen Husaren fast gelungen wäre, dies zu verhindern. Generalleutnant von Winterfeldt war der Meinung, es würde schwierig werden, dort die Elbe zu überqueren, solange die Österreicher das Schloss besetzt hielten. Er beabsichtigte deshalb 3 Prahmen, die bei Melnick versenkt worden waren, herausziehen zu lassen, um diese dann bis Woberzist oder Lobkowitz zu schaffen und so die ebenfalls abgeworfene Brücke bei Kosteletz zu reparieren. Anschließend wollte er mit einigen Bataillonen und Eskadrons Kavallerie übersetzen und in den Rücken des Feindes bis Brandeis vorstoßen, um ihn von dort zu vertreiben. Im Rahmen eines Scharmützels mit den zurückweichenden Österreichern wurde dann nicht nur General Wartenberg getötet, sondern auch bei Brandeis die Brücke über die Elbe zerstört, die die Preußen dann ebenfalls durch eine Pontonbrücke ersetzen mussten. Während die
32 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 91 L: Generallieutenant Hans Carl von Winterfeldt Immediatskorrespondenz 1757, Blatt 92 Rückseite. 33 Siehe OestKA, AFA, Nr. 600: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 V (1–308), Faszikel, 193c. 34 Siehe OestKA, AFA, Nr. 599: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 I–IV, Faszikel IV / 15. 35 Siehe OestKA, AFA, Nr. 600: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 V (1–308), Faszikel 173a und 194. 36 Siehe ebd., Faszikel 158. 37 Siehe OestKA, AFA, Nr. 599: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 I–IV, Faszikel IV / 81 und IV / 82, OestKA, AFA, Nr. 600: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 V (1–308), Faszikel 173b. Im Gegensatz dazu die früheren Angaben, nach der die Stärke nur 48.000 Mann betrug. Vgl. Schwerin, Detlof Graf von, Feldmarschall Schwerin, Seite 345.
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IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
Armee dann am 4. Mai auf dieser überzusetzen begann, war die alte Brücke am 8. Mai immer noch nicht repariert38. IV.3.2. Die Operationen auf der linken Elbseite und die Bildung der Armee unter König Friedrichs Kommando König Friedrich und General Moritz zu Anhalt-Dessau waren erst 3 bis 4 Tage später aufgebrochen. Wie schon erwähnt, umfasste die Streitmacht Anhalt-Dessaus mit den Wagen des Nachschubwesens rund 20.500 Mann und bis zu 15.200 Pferde. Es war, wie die beiden anderen Korps, für ca. 9–10 Tage mit Brot und Pferdefutter verpflegt, das in diesem Fall aber nicht nur bis zum 28., sondern bis zum 30. oder 31. Mai reichte. Der Einmarsch des Korps nach Böhmen begann am 21. April und stieß bis Kommotau nur auf sehr geringen Widerstand. Obwohl man plante dann nach Laun und Schlan vorzu rücken, um das Korps des Generals von Ahremberg von Prag abzuschneiden, marschierte das Korps nun in 2 Kolonnen mit der Bagage in der Mitte über Brix nach Linai, weil man glaubte, die Stellung des gegnerischen Verbandes hinter der Eger sei im Falle einer gewaltsamen Überquerung zu stark39. König Friedrichs Armee hatte sich mit ihren rund 42.000 Mann und bis zu 31.000 Pferden am 20. und 21. April zwischen Ottendorf und Cotta zusammengezogen, wobei sich die Vorhut schon seit Längerem in der Gegend von Gottleuba und Berggießhübel aufhielt. Die Versorgung für Mensch und Tier war auch hier bis zum 30. April oder 1. Mai gewährleistet. Die Truppen brachen am 22. April auf und stießen am nächsten Tag auf leichten Widerstand durch die Husaren und Kroaten unter General Haddik und General Draskowitz, die sich ihnen bei Wiklitz und Aussig entgegenstellten. Diese wichen vor der geballten Macht des preußischen Verbandes aber schnell zurück, sodass Aussig problemlos eingenommen wurde40. Nach Tetschen wurde ein Bataillon mit Belagerungsartillerie entsandt, um die dortige feindliche Besatzung zu vertreiben und so die Elblinie zu sichern. Allerdings präsentierten sich die rund 800 Kroaten von General Draskowitz gegenüber der kleinen Abteilung unter General Zastrow, die dann auf 3 Bataillone, 4 Geschütze und 2 60-pfündige Mörser anwuchs, kampfeslustig. Sie leisteten 2 Tage erbitterten Widerstand und schlossen sich dann auf der rechten Elbseite dem Königsegg’schen Korps bei dessen Rückzug über Brandeis an41. General Moritz zu Anhalt-Dessau hatte sich am 23. und 24. April dem Korps des Königs über Brix genähert und vereinigte sich mit diesem am nächsten Tag in der Nähe 38 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 91 L: Hans Carl von Winterfeldt Immediatskorrespondenz, Blatt 94 und 95 Vorderseite. 39 Zum gesamten Absatz siehe Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 2: 1757, Teil 1, Seite 44 f. 40 Zum gesamten Absatz siehe ebd., Seite 45 f. 41 Siehe OestKA, AFA, Nr. 616: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 XIII (1–19), Faszikel 6: Journal der attaque des Schlosses Tetschen an der Elbe Anno 1757.
IV.3. Der Eröffnungsfeldzug und die Schlacht bei Prag267
von Linay. Die Armee dürfte damit 53 Bataillonen und 78 Eskadrons umfasst haben und zwischen 50 und 60.000 Mann stark gewesen sein. Diese Größenordnung sowie die schnelle Eroberung der Magazine bei Aussig, Töplitz und Dux durch die Preußen bestätigte auch der Bericht des Repräsentationspräsidenten und Generalkriegskommissars von Böhmen Vaclav Kasimir Nettolitzky vom 24. April: „[…] Der Feind ist gestern schon bey Aussig gewesen und ist dieses feindl. Corps so gegen uns Anrücket, 50, 60 nicht mehr tausend Mann starck, denn dann der Gral Hadik nicht hat resistiren können, sondern sich an die grosse Armee zuziehet, sein Retrait aber gang wohl, und ohne einigen Verlust genohmen hat; die Magazinen, die nicht allzu considerable an Mehl und Haaber bey Duy, Töplitz und Aussig gewesen, seynd, wie die Commissarien beybringen, größten teils salviret, das Heu aber, was das kostbarste und schwärlichste ist, verlohren gegangen, dessen doch eine nahmhaffte Anzahl beysammen ist gewesen; […]“42.
Obwohl sich die Erfolge bei den Magazineroberungen bis zu diesem Zeitpunkt vor allem auf die Heuvorräte beschränkten, dürfte dies den Preußen vor dem Hintergrund ihrer begrenzten Magazinbestände im Erzgebirge und des hohen Verbrauchs durch das Nachschubwesen extrem in die Hände gespielt haben, zumal gerade der Transport des Raufutters so aufwendig war. Dessen Verlust wurde auch von den Österreichern als überaus empfindlich eingestuft, zumal auch Kriegskommissar Grechtler der Ansicht war, dass der „Cavallerie auf die Länge das Rauchfutter abgehen wird“43. Geschuldet waren diese Verluste wohl den unzureichenden Transportkapazitäten für die Evakuierung, da viele der schweren bedungenen Wagen offensichtlich nicht termingerecht von den Bauern gestellt worden waren und man durch deren allmähliches Eintreffen kaum eine Vorstellung davon hatte, wie viele Wagen eigentlich zur Verfügung standen44. Merkwürdig ist jedoch, dass Baron Nettolitzky die Heumenge als so bedeutsam einstufte, denn in den 3 Magazinen befanden sich laut dem summarischen Extrakt vom 15. April eigentlich nur 5.214 Zentner, während das Magazin bei Budin mehr als das 4-Fache enthielt45 und etwas später sogar auf 22.000 Zentner Heu anwuchs46. Diese beträchtliche Menge erklärt auch, warum Nettolitzky angesichts der Heuknappheit hoffte dieses Magazin nicht auch noch zu verlieren47. Offenbar nahm der Mangel hieran aber solche Ausmaße an, dass sich die Österreicher entschieden, die Stellung bei Budin und die umliegenden Magazine aufzugeben. Feldmarschall Browne begründete seinen Rückzug nämlich mit dem drohenden Heudefizit, der Gefahr, von Prag abgeschnitten zu werden, und damit sich dem
42 OestKA,
AFA, Nr. 599: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 I–IV, Faszikel IV / 58. Zentralst., Generalkriegskommissariat, Akten, Nr. 52 Militärdirectoralia 1757 IV–V, Faszikel IV / 181: Schreiben Grechtlers am 24. April aus Budin. 44 Siehe ebd. 45 Siehe hierzu OestKA, Zentralst., Generalkriegskommissariat, Akten, Nr. 52 Militärdirectoralia 1757 IV–V, Faszikel V / 10: Summarischer Extract über die in nachbenannten Stationen unterm 15 Aprilis hujus Anni verbliebene Natural und Material Vorräthe, von Gottfried Johann Köckh von der kayl. Königl. Feldproviantbuchhalterey in Böheim. 46 Siehe OestKA, Zentralst., Generalkriegskommissariat, Akten, Nr. 52 Militärdirectoralia 1757 IV–V, Faszikel IV / 181: Schreiben Grechtlers am 24. April aus Budin. 47 Siehe OestKA, AFA, Nr. 599: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 I–IV, Faszikel IV / 58. 43 OestKA,
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IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
Korps von General Königsegg bei Altbunzlau und Brandeis nähern zu wollen48. Wichtig für diese Entscheidung war auch, dass Kommissar Grechtler glaubte, ein Großteil dieser Magazine sei schon evakuiert worden. „[…] Von Budin, welches nach dermalligern Situation unseres Laagers in der Fronte lieget, und ebenfals in Gefahr des immer anrückenden Feindes ausgesetzet ist, habe von der Stund meiner Ankunft Mehl, Haaber, und auch Heu nach Charbatetz zurückbringen lassen. Bis auf 8000 Metzen Haaber, 7000 Centner Mehl und 10000 Centern Heu ist auch schon alles dahin gerettet, und wann unß der Feind nur noch 24 Stund zeit lasset, hoffe auch diesen Überrest an Mehl und Haaber, und den größten Theil des Heues in Sicherheit zuschaffen. Waß bei diesen Umständen das Beschworlichste ist, daß ich zu Budin in denen angelegten 8 Backöfen die Verbackung abgehen und das Brodt nun rückwärts in Schlann, Wellwarn und Prag erzeugen lassen muß, zu dessen Beyfuhr nun doppeltes Fuhrwerck erforderlich ist […]“49.
Letzteres belegt, dass die Preisgabe dieser Stellung eigentlich die Versorgung der Preußen wesentlich begünstigte und die der Österreicher zumindest vorerst deutlich erschwerte. Die Armee des Königs, die genau genommen wohl um die 58.000 Mann zählte50, rückte am 25. April gegen die Stellungen in der Umgebung von Budin vor. Dorthin bewegte sich zunächst auch das Korps des Generals Ahremberg, das zuvor in der Nähe von Schlan gestanden hatte. Nach einigen Komplikationen am nächsten Tag, die u. a. mit der Nachführung der Pontons für die Egerüberquerung zusammenhingen, erreichte dann am 27. April die Vorhut unter dem Kommando von General von Zieten die Umgebung von Budin, wo man bei Martinowes und Karwartez auf einige österreichische Husarenvorposten stieß: „Letztere waren bey Chawatez deshalb zurückgelassen, weil sie daselbst ein ziemlich Vorrath von Mehl in Fässern gehabt auch Heu und Stroh welches sie noch transportieren lassen sollen. Sie haben aber da sie gesehen, dass sie sich nicht maintenieren würden, die Fässer meistenteils bis auf 70 so noch gantz sind entzwey geschlagen und das Mehl verschüttet oder auch mit dem Heu an gestecket. Das Commando oesterreichischer Seits haben der Generalfeldmarschalllieutnant Haddick und der General Graf Setscheni und diese unter und bey sich die Husaren Regimenter von Baronai und Esterhazi gehabt. […I]n Chawatez haben wir ein Hafer Magazin, welches auf 5 bis 6000 Ctr. geschätzt wird, angetroffen. Ich halte gewiß dafür, dass diese Action avantagerer ausgeschlagen seyn würde, wen nicht einstheils der starke Staub uns gehindert, hauptsächlich aber unsere Pferde die seit d. 10t. huj Tag und Nacht keine Ruhe mehr gehabt, sondern beständig im Marsch und Fatiguen gewesen gantz abgematten, und in den gebürgiten Wegen ganz verbället und lahm wären, dass sie gar nicht
48 Siehe
ebd., Faszikel IV / 75. Zentralst., Generalkriegskommissariat, Akten, Nr. 52 Militärdirectoralia 1757 IV–V, Faszikel V / 10: Schreiben Grechtlers am 26. April aus Martinowes. 50 Siehe OestKA, Manuskripte, Kriegsgeschichte, Nr. 54: Generalmajor von Zehentner. Historische Nachrichten: Fortsetzung des Siebenjährigen Krieges 1757. Die Begebenheiten bei der k. k. Armee unter Feldmarschall Broune, Anlage 35: Summarischer Ausweis über die Beyläufige Stärke der jetztigen Armee des Königs aus Preußen mit welcher in April 1757 über Peterswald und Paßberg aus Sachsen und Böhmen eingedrungen. 49 OestKA,
IV.3. Der Eröffnungsfeldzug und die Schlacht bei Prag269 fortzubringen, welches auch verursachet, dass ich nicht einmahl gestern Abend Martinowitz erreichen konnen, sondern bey Chawatez bleiben müssen […]“51.
Die ambivalente Charakterisierung der Lage, die sich Generalleutnant von Zieten zufolge einerseits in der Zurückdrängung der Österreicher und Eroberung der Lebensmittel manifestierte und in der Erschöpfung der Truppe andererseits äußerte, war durchaus typisch für den Zustand von König Friedrichs Armee. Obwohl man am 28. April während des Vormarsches in Richtung Budin die Einheiten des Korps unter General Moritz zu Anhalt zurücklassen musste, konnte sie auch diesen Ort einnehmen. Von dort versuchten die Österreicher einen Großteil ihrer Vorräte zurückzuführen, dennoch gelang dies wohl nicht in dem Umfang, wie Kommissar Grechtler es zunächst angenommen hatte, sodass er einräumte, man habe in Budin und Charbatez 650 Fässer Mehl und 30.000 Brotportionen zurücklassen müssen, die unter der Bevölkerung verteilt wurden. Außerdem verblieben ihm zufolge mindestens 3.000 Metzen Hafer und 15.500 Zentner Heu, wobei sich Letzteres auf 22 Scheunen verteilte, während die anderen Bestände aus den restlichen 13 Scheunen entweder verbraucht oder zum Teil auch verbrannt worden waren. Angeblich hatte man auch in Welwarn 6.000 Metzen Hafer und 2.000 Fässer Mehl zurückgelassen, weil sie in der Kürze der Zeit nicht mit den zur Verfügung stehenden Fuhren nach Prag zurücktransportiert werden konnten. Wahrscheinlich war der Großteil des Mehls ebensfalls unter der Bevölkerung verteilt oder vernichtet worden, da General Zieten nur noch 70 davon fand. Auch anderenorts wie in Leitmeritz und Raudnitz, wohin man aus Aussig per Schiff noch 1.000 Zentner Heu rettete, gab es bei der Rückführung der Vorräte Probleme52. Alles in allem führte dies dazu, dass die Preußen bis Ende April zwar eine beachtliche, aber dennoch unbefriedigende Bilanz in puncto Magazineroberungen zu verzeichnen hatten, weil man in der Gegend um Budin und Welwarn gemessen an dem, was einige Tage zuvor dort gelagert hatte, zu wenig beschlagnahmte53. Die folgende Tabelle zeigt noch einmal, dass das Jungbunzlauer Magazin am bedeutendsten war, zumal ein Großteil der Bestände von Altbunzlau, wo sich keine Vorräte mehr befanden, dorthin geschafft worden war54.
51 GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 92 A1: Generallieutnant Hans Joachim von Zieten 1756–1758, Blatt 31 Vorder- und Rückseite. 52 Zu diesem Absatz siehe OestKA, Generalkriegskommissariat, Akten, Nr. 52 Militärdirectoralia 1757 IV–VI: Schreiben Grechtlers aus Trusko am 28. April 1757. 53 Man kann allerdings auch nicht behaupten, dass die Magazineroberungen selbstverständlich unbedeutend waren oder gar als kompletter Reinfall zu werten sind. Zu dieser tendenziell falschen und pauschalisierenden Einschätzung vgl. Luh, Jürgen, Kriegskunst in Europa 1650–1800, Seite 47. 54 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 91 L: Hans Carl von Winterfeldt Immediatskorrespondenz 1757, Blatt 93 Rückseite, Schreiben aus Byschitz am 1. Mai 1757.
270
IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757 Tabelle 50 Wahrscheinliche Magazinverluste der Österreicher an die Preußen bis zur Schlacht bei Prag55
Ortschaften
Mehl
Brot
Gerste
Hafer
Zentner Portionen niederöst. Metzen
Heu
Futterstroh
Fässer
Zentner Zentner.
Stück
Postierungsstationen im Operationsraum der Armee Feldmarschall Schwerins u. Herzogs v. Bevern Trautenau
85
529
Starckstadt
16
1.165
155
1.166
Swatowez
524
92
25
Eybeth
2.935
33
56
218
715
Königshoff
108
Hauptmagazine im Operationsraum der Armee Feldmarschall Schwerins und des Herzogs v. Bevern Reichenberg
4.294
62.687
108
4127
4.565
Jungbunzlau
9.196
2.145
65.715
14.898
Brandeis
3.374
1
416
Niemes
1.975
38.659
236
Zwischensumme
19.052
106.500
Zwischensumme in Tonnen
1.162
1.150 585
1.584
3.781
884
944
536
287
2.905
71.284
25.742
91,5
2.245
1.416
585
3.905 1.523
55 Für die Zahlen der Postierungsstationen bei der Armee König Friedrichs und Moritz zu Anhalt-Dessau siehe Zentralst., Generalkriegskommissariat, Akten, Nr. 52 Militärdirectoralia, 1757 IV–V, Faszikel V / 10: Summarischer Extract über die in nachbenannten Stationen unterm 15 Aprilis hujus Anni verbliebene Natural und Material Vorräthe. Abgezogen sind die Mehl- und Hafermengen, die die Österreicher entweder vernichteten, oder wie die 1.000 Zentner Heu, die sie aus Aussig per Schiff abzutransportieren versuchten. Für alle anderen Zahlen siehe OestHHStA, Kriegsakten, Nr. 346: Consignation Uber die vornjähriger 1757 Campagne bey nachstehende Proviant Magazinen und Postierungs-Stationen vermög der Schluß-Extracten und bereits angelangten Rechnungen dem Feind zurückgelassenen von dessen hin wiederum überkommenden Naturalien und Materialien.
IV.3. Der Eröffnungsfeldzug und die Schlacht bei Prag271 Ortschaften
Mehl
Brot
Gerste
Hafer
Zentner Portionen niederöst. Metzen
Heu
Futterstroh
Fässer
Zentner Zentner.
Stück
Postierungsstationen im Operationsraum der Armee König Friedrichs und
Anhalt-Dessaus56
Dux
113
126
319
Töplitz
265
1.067
4.375
Aussig
298
1.527
520
Eger
7.483
Saatz
575
Laun
1.351
Schlan
318
2.982
495
Hauptmagazine im Operationsraum der Armee König Friedrichs und Anhalt-Dessaus Leitmeritz
1.091
10.242
50
936
2.233
752
648
Budin und Karwatez
7.000
7.569
1.864
3.000
15.500
388
650
5.988
903
27.399
2.817
Welwarn Zwischensumme
16.568
Zwischensumme in Tonnen
1.019
Gesamtsumme
28.620
Gesamtsumme in Tonnen
2.181
133.899
9
70
9.638
25.377
1.368
89
305
1.395
533
5.722
80.922
51.119
1.725
5.273
182
2.575
2.811
86
2.05657
Am problematischsten gestaltete sich trotz der großen Vorräte noch immer die Pferdeverpflegung. Die Menge an Hartfutter im Umfang von 2.575 Tonnen und die 2.555 Tonnen Heu reichten nämlich für die Gesamtmenge von bis zu 84.700 Pferden, von denen ca. 26.000 Stück auf die zusätzlichen Nachschubwagen entfielen, gerade für 6–8 Tage. Allerdings hätte man den Verbrauch deutlich senken können, indem man zumindest die zusätzlich mitgeführten Wagen zurückschickte und nur die regulären Wagen für das Mehl und die Backöfen weiterversorgte. Welche Menge an Pferden dann verblieben, welcher Bedarf an Hafer und Heu sich mit und ohne die zusätzlichen Wagen ergab und wie lange die Verpflegung zu bewerkstelligen war, zeigt die nächste Übersicht. Ihr liegen die von den Armeen eroberten Bestände als Kalkulationsbasis für die Versorgungsdauer zugrunde. 56 Nicht berücksichtigt ist das Pilsner Magazin, das durch Oberstleutnant Mayrs Husaren und seine 2 Freibataillone vernichtet wurde, da es weit abseits lag und keine Relevanz für die Vorgänge bei dieser Armee hatte. 57 Die Fässer hier gerechnet im Durchschnitt zu 6–7 Zentnern, je 120 Pfund, wie es böhmische Wirtschafter während der kommenden Belagerung von Prag veranschlagten (siehe LASA, DE, Z44 Abt. Dessau, A 9b VIb, Nr. 4, Bd. VIII: Gesammelte Briefe des Fürsten Moritz aus den Jahren 1757 / 58, Blatt 144 Vorderseite und Beylage).
272
IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
Tabelle 51 Tagesverbrauch an Pferdefutter bei den preußischen Armeen und Verpflegungsdauer auf der Grundlage der eroberten Magazinbestände Rations anzahl (für Pferde)
Hartfuttermenge in Tonnen
Heumenge pro Tag in Tonnen
Verpflegungsdauer in Tagen Hartfutter / Heu
Armee König Friedrichs mit allen Nachschubwagen
45.863
233
183
1,5 / 8,5
Armee Friedrichs ohne zusätzliche Wagen
29.991
153
119
2,5 / 13
Armee Schwerins mit allen Nachschubwagen
39.007
198
156
12 / 9
Armee Schwerins ohne zusätzliche Wagen
27.188
138
108
16 / 13
Beide Armeen mit allen Nachschubwagen
84.780
432
339
6 / 8
Beide Armeen ohne zusätzliche Wagen
57.179
292
224
9 / 13
Verbandszusammensetzung
Es wird klar, dass die Vorräte bei Feldmarschall Schwerins Armee deutlich länger reichten als bei den Truppen des Königs, weil ihnen die großen Hartfuttervorkommen mit ca. 2.349 Tonnen und die Heuvorräte im Umfang von 1.415 Tonnen zur Verfügung standen, denn somit konnte sich diese Armee fast dreimal länger verpflegen. Für die Armee unter König Friedrich und Moritz zu Anhalt-Dessau war die Versorgungslage wesentlich schwieriger. Mit den 396 Tonnen Hartfutter und 1.547 Tonnen Heu, die sich in den Postierungsstationen und Magazinen links der Elbe befanden, ließ sich die Gesamtanzahl von rund 42.000 Pferden mit bis zu 46.800 Rationen und einem Verbrauch von 233 Tonnen Hafer und 183 Tonnen Heu pro Tag 1 ½ bis 8 ½ Tage, im Durchschnitt also 4 Tage, verpflegen. Selbst die Rücksendung der zusätzlichen Wagen hätte wenig an der kritischen Lage geändert, denn auch dann konnten die Pferde höchstens für 3 Tage voll verpflegt werden. Ratsam war dies aber trotzdem, denn die Wagen lagen schon 2 Tagesmärsche zurück, während die Kavallerie und Artillerie aufgrund von Versorgungsengpässen schon einen Ausfall von 3.000 Pferden durch Verfütterung zu verzeichnen hatten, was den Intendanten von Retzow wohl am wenigsten verwunderte, weil er derartige Probleme wegen der nicht angelegten Magazine vorhergesehen hatte58. Aus den eroberten Magazinen konnte man selbst die 27–30.000 Pferde der Kampftruppe und der regulären Nachschubwagen selbst bei einem entsprechend höheren Heubzw. niedrigeren Hartfutteranteil nicht länger als 7–8 Tage versorgen, also bis zum 7. oder 8. Mai. 58 Siehe
Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 2: 1757, Teil 1, Seite 51 f.
IV.3. Der Eröffnungsfeldzug und die Schlacht bei Prag273
König Friedrich, der von Anfang an auf die Eroberung der feindlichen Vorräte spekuliert hatte, konnte seine Erwartungen nur bei den Mehlbeständen voll erfüllt sehen. Der eroberte Vorrat bei Leitmeritz entsprach zwar nur 66 ½ Tonnen. Wenn die 650 Fässer voll waren, dann standen aber weitere 253 Tonnen zur Verfügung, die zusammen für rund 58.000 Mann mit einem Tagesverbrauch von 43,5 Tonnen aber auch nicht länger als 7 Tage reichten. Falls den Preußen die 7.000 Zentner bzw. 427 Tonnen der Österreicher bei Budin doch in die Hände gefallen waren und die Fässer in dieser Gegend auch gefüllt waren, dann verfügte man links der Elbe insgesamt über ca. 1.000 Tonnen Mehl, welche die Truppen für 23 Tage versorgt hätten. Gewährleistet wurde dieser Zeitrahmen in jedem Fall, wenn es gelang, die ähnlich großen Vorräte aus dem Magazin in Eger heranzuführen. Schwerins Soldaten waren schon ohne die eroberten Fässer 26 Tage verpflegt. Insgesamt reichten die 2.181 Tonnen Mehl für beide Armeen, die inklusive der noch nachrückenden Besatzungseinheiten ca. 125.000 Mann zählten, bei einem Tagesbedarf von 103 Tonnen für 21 Tage, sprich genau 3 Wochen. Wenn auch die erbeuteten Fässer bei Schwerin und Beverns Truppen voll waren, dann konnte man daraus aber Mehl für weitere 18 Tage gewinnen und die Brotversorgung bis Mitte Juni sichern. Günstig war, dass die kombinierten Truppen unter Feldmarschall Schwerin und dem Herzog von Bevern über 100.000 Brotportionen erbeutet hatten. Dadurch dürften sie 2 ½ Tage bis zum 30. April gewonnen haben, um in Jungbunzlau ihre Bäckerei mit den 26 mobilen Öfen einzurichten, den Teig anzusetzen, vorerst einen Brotvorrat für 3 Tage herzustellen und diesen zu verteilen, bevor dann am 3. Mai weiterer Nachschub benötigt wurde. König Friedrichs Armee standen schon die gegnerischen Backöfen in Budin zur Verfügung. Das Brot, das seine Truppen aus Sachsen mitgeführt hatten, dürfte zwar noch bis zum 30. April gereicht haben, allerdings nur wenn die Proviantwagen in ausreichender Menge eintrafen. Man musste zwar mittels der mobilen Öfen noch zusätzliche Backkapazitäten schaffen, um genügend Brot produzieren zu können, gelangte bei Welwarn aber in den Besitz weiterer Einrichtungen, nachdem Zietens Husaren die Feinde von dort vertrieben hatten: „[…] Es ist indes hier eine Königl. Bäckerey worin 4 große massive Backofen sind und fast in jedem Hause sind Ofens denen ich das Backen anbefohlen und ist nicht zu zweifeln, wan nur erst unsere Backers heran sind, in der Geschwindigkeit zum Brodwerck Rath geschaffet werde können […]“59.
Insgesamt produzierten diese 4 Öfen und die 8 Öfen in Budin vielleicht bis zu 12.000 6-pfündige Brote am Tag, was 36.000 Portionen entsprach. Folglich benötigte man noch mindestens 4 mobile eiserne Öfen, die allerdings erst mit den Wagen ankommen und anschließend aufgebaut werden mussten. Für die kurzfristige Überbrückung dürften sich die von Zieten erwähnten Öfen, die die Bevölkerung für den Eigenbedarf besaß, als äußerst wertvoll erwiesen haben. Möglicherweise hatte man so große Zusatzkapazitäten erschlossen, dass die Armee des Königs in der Lage war, ihren gesamten Tagesbedarf damit zu decken. 59 GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 92 A 1: Generallieutnant Hans Joachim von Zieten 1756–1758, Blatt 31 Vorder- und Rückseite.
274
IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
IV.3.3. Der Vormarsch nach und die Schlacht bei Prag Offenbar konnte die vereinigte Streitmacht unter König Friedrich auch deshalb schon am 1. Mai mit einer Vorhut, bestehend aus 23 Eskadrons und 12 Bataillonen, gefolgt vom Rest der Armee, in 2 Kolonnen unter Feldmarschall Keith Richtung Tursko und Tuchmieretz vorrücken. Am 2. Mai erreichte sie schließlich in etwa derselben Formation über Rusin die Gegend des Weißen Berges vor Prag. Laut den Berichten einiger preußischer Deserteure, die die Österreicher auffingen, betrug ihre faktische Stärke nun rund 60.000 Mann60. Die Österreicher vereinigten sich inzwischen mit dem Korps des Generals von Königs egg, das aus Brandeis eintraf. Seine Truppen hatten bis dahin wohl einen äußerst beschwerlichen Marsch absolviert, der vielleicht mit der Abwesenheit der zugeteilten Transportwagen zusammenhing. Jedenfalls kam es auf dem Weg von Liebenau nach Brandeis zu massiven Plünderungen, die Maria Theresia in Zukunft mit Nachdruck zu vermeiden befahl61. Nach der Vereinigung der Truppen unter Feldmarschall Brown umfasste die versammelte Streitmacht der Österreicher bei Prag nun 71 Bataillone, 78 Grenadierkompanien und 112 Eskadrons Kavallerie62, deren Stärke sich in etwa auf 75–80.000 Mann belief63. Die Versorgungslage der habsburgischen Streitkräfte war trotz der immensen Magazinverluste immer noch recht gut, denn sie hatten in den Magazinen zu Deutschbrod und Kolin so große Vorräte zurückbehalten, dass die Verpflegung der Hauptarmee bei Prag mit Brot und Hafer für 4 bis 6 Wochen sichergestellt war64. Dieser glückliche Umstand verdankte sich laut Kommissar Grechtler vor allem der Tatsache, dass man die Verlagerung der Vorräte in Magazine in das Frontgebiet nach Jungbunzlau oder Budin nicht stärker vorangetrieben hatte65. Lediglich um das Raufutter war es kritisch bestellt, was die Österreicher jedoch durch das Ausfüttern mit Gras in der nächsten Zeit zu kompensieren hofften66. Außerdem hatte man bis zum 2. Mai von Tabor teils auf Schiffen, teils auf Prahmen 28.152 niederösterreichische Metzen bzw. 892 Tonnen Hafer nach Prag 60 Siehe OestKA, AFA, Nr. 600: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 V (1–308), Faszikel 190 und 191. 61 Siehe OestKA, AFA, Nr. 600: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee V (1–308), Faszikel 189. 62 Siehe ebd., Faszikel 3. 63 Siehe Zentralst., Generalkriegskommissariat, Akten, Nr. 52, Militärdirectoralia IV–V 1757, Faszikel V / 10: Schreiben Grechtlers aus Trusko am 28. und ebd., Faszikel V / 15: Zweites Schreiben Grechtler aus Trusko am 29. April 1757. Generalmajor von Zehentner ging in seiner Darstellung sogar von 82.282 Mann nach Loco-Stand und 74.704 Dienstbaren aus (siehe OestKA, Manuskripte, Kriegsgeschichte, Nr. 54: Generalmajor von Zehentner. Historische Nachrichten: Fortsetzung des Siebenjährigen Krieges 1757. Die Begebenheiten bei der k. k. Armee unter Feldmarschall Broune, Anlage 36). 64 Siehe OestKA, Zentralst., Generalkriegskommissariat, Akten, Nr. 52, Militärdirectoralia IV–V 1757, Faszikel V / 66: Schreiben Grechtlers am 3. Mai 1757 aus Prag. 65 Siehe ebd. 66 Siehe ebd.
IV.3. Der Eröffnungsfeldzug und die Schlacht bei Prag275
transportiert67. Proviantoffizier Strasser musste dagegen bei Brandeis 13 Schiffe und Prahmen, auf die ein Großteil des Proviants verladen worden war, verbrennen, weil sie wegen der Strömung nicht mehr rechtzeitig fortgeschafft werden konnten68. 300 Mehlfässer überließ man ebenfalls der preußischen Vorhut69. Über unzureichende Transportmittel klagte auch General von Serbelloni, denn am 30. April beschwerte er sich, dass seinen Truppen von den insgesamt 1.000 Deckel-, 200 Proviant-Leiterwagen sowie 800 gemieteten Lastwagen in Böhmen nur 200 von Letzteren zugeteilt worden seien, während Feldmarschall Schwerins Kolonne allein 3.000 Wagen zur Verfügung stünden70. Als Feldmarschall Daun das Kommando über diese Truppen übernahm, ordnete er an, den Vorrat aus Königgrätz nach Kolin in Sicherheit zu bringen, wofür aus dem Königgrätzer, Bischower und Chrudimer Kreis alltäglich 300 vierspännige Fuhren zu stellen waren, die ergänzt durch 50 bis 60 Wagen von der Armee dieses Magazin nach Kolin abtransportieren sollten71. Dort befand sich am 5. Mai wohl auch der Großteil der Königgrätzer Armee, nachdem sie 2 Tage vorher bis Nimburg und Pardubitz vorgerückt war72. Unterdessen erhielt König Friedrich am 3. Mai von Feldmarschall Schwerin aus Slusnow die Nachricht, dass der Feind viele Brücken über die Iser und Elbe zerstört hatte. Für deren Ersatz versuchte man einen Übergang zu finden oder wollte bis zum nächsten Morgen einen mit Hilfe der Pontons schaffen73. Am nächsten Tag bereiteten sich Teile der Armee des Königs, die die Österreicher auf 50 Bataillone und 78 Eskadrons schätzten74, darauf vor, die Moldau zu überqueren, während die Mehrzahl der Einheiten unter dem Kommando von Feldmarschall Keith auf der linken Flussseite verblieb. Dieses Kontingent bestand aus 30 Bataillonen sowie 40 Eskadrons Kavallerie, sodass sich die Stärke auf rund 32.000 Mann belaufen haben dürfte. Es sollte die Stadt blockieren und einen österreichischen Rückzug über diese Seite, wo sich auch der Weiße Berg und der kleinere Teil Prags inklusive des Hradschins (daher auch Kleinseite genannt) befanden, verhindern. Für das Korps unter Friedrichs Kommando verblieben 11 Musketier- und 9 Grenadierbataillone sowie 38 Eskadrons Kavallerie, ergänzt um 24 12-Pfünder, 10 Haubitzen und 16 Mörser, die zusammen 25.000 Mann stark gewesen sein könnten. Nach67 Siehe OestKA, Zentralst., Generalkriegskommissariat, Akten, Nr. 52, Militärdirectoralia IV–V 1757, Faszikel V / 35: Schreiben Vincentz Graf v. Vratißlauz aus Tabor am 2. Mai 1757. 68 Siehe ebd., Faszikel IV / 181: Schreiben Grechtlers am 5. Mai aus Prag. 69 Siehe ebd. 70 Siehe OestKA, AFA, Nr. 630: Siebenjähriger Krieg 1757 HKR I–IV, Faszikel IV / 66h. Diese Größenordnung war bezogen auf eine Kolonne wahrscheinlich übertrieben, aber zusammen konnten die Korps von Bevern und Schwerin mindestens 3.000 Wagen vorweisen. 71 Siehe OestKA, Zentralst., Generalkriegskommissariat, Akten, Nr. 52 Militärdirectoralia 1757 IV–V, Faszikel V / 68: Schreiben des Landrat Veterschig, aus dem Hauptquartier zu Pratz bei Bischow am 4. Mai. 72 Siehe OestKA, AFA, Nr. 600: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee V (1–308), Faszikel 194. 73 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 90 M: Feldmarschall Curt Christoph von Schwerin April / Mai 1757, Blatt 10 Vorderseite. 74 Siehe OestKA, AFA, Nr. 600 Siebenjähriger Krieg Hauptarmee, V (1–308), Faszikel 12g.
276
IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
dem am 5. Mai bei Seltz gegen 9.00 Uhr die Pontonsbrücke fertig wurde, setzten die Truppen über den Fluss. Der König zeigte sich nun jedoch sehr ungehalten darüber, dass sich Schwerin mit seiner Armee bis zu diesem Zeitpunkt nicht weiter genähert hatte, um ihn gegebenenfalls zu unterstützen75. Allerdings hatte der Feldmarschall schon in seinem Schreiben aus Slusnow angedeutet, dass er Mühe hatte, seine Brot- und Fourageversorgung sicherzustellen, was vermutlich damit zusammenhing, dass inzwischen der erste 3-Tages-Vorrat an Brot zur Neige ging und die nach Jungbunzlau entsandten Wagen noch nicht wieder zurückgekehrt waren. Daher empfahl er dem König unbedingt für Brote und Fourage bei den eigenen Truppen zu sorgen, weil diese bei seiner Armee sehr knapp seien76. Offensichtlich gab es aber nicht nur Probleme bei der Verpflegung, denn auch die Überquerung der Elbe gestaltete sich deutlich aufwendiger als vermutet. Am 4. Mai hatte Schwerins Armee nämlich einen Marsch in Richtung Kosteletz unternommen, um den Übergang dort vorzutäuschen77. Daraufhin zogen die Österreicher Kräfte ab, sodass es den Preußen nun endlich gelang, bei Brandeis ihre Pontonbrücke zu errichten. Am Abend des 5. Mai überquerten sie die Elbe und griffen die österreichischen Kavalleristen an, von denen sie einige hundert Mann gefangen nahmen und die restlichen 300 in die Moldau trieben, wo sie ertranken78. Nach dem Zusammenschluss mit dem Korps des Herzogs von Bevern zählte die Armee eigentlich 56 Bataillone79. Da 1 Bataillon des Prinz-Heinrich’schen Regiments in Reichenberg, die Regimenter von Münchow und von Seers in Jungbunzlau sowie die Grenadierbataillone Nimscheffsky und Manteuffel an den Schiffsbrücken bei Samost und Brandeis zurückgelassen wurden, marschierten am 5. Mai offenbar nur noch 48 Bataillone und 85 Eskadrons Kavallerie bis Mercktitz80. Dort erhielt die Streitmacht um 1 Uhr nachts den Befehl, zur Armee des Königs aufzubrechen, die sie um 6 Uhr am 75 Zu den geschilderten Vorgängen und den Einheitszahlen im gesamten Absatz siehe Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 2: 1757, Teil 1, Seite 56–60. 76 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 90 M: Feldmarschall Curt Christoph von Schwerin April / Mai 1757, Blatt 26 Vorderseite. Schwerin glaubte, die Knappheit hänge auch damit zusammen, dass sich die Kommissare hinsichtlich der Bestände des Jungbunzlauer Magazins verschätzt hätten. Wahrscheinlich war dies aber gar nicht der Fall. 77 Siehe GStAPK, VI. HA., FA von Borcke, Nr. 121: Berichte über die Schlachten von Prag und Kollin, Schreiben eines Offiziers vom Schwerinschen Regiment vom 7. Mai aus dem Lager bei Prag. Möglicherweise handelt es sich hierbei um den Bericht des Leutnants von Borcke, welcher der zweite Adjudant des Feldmarschalls von Schwerin war (vgl. Schwerin, Detlof Graf von, Feldmarschall Schwerin, Seite 355). 78 Siehe GStAPK, VI. HA., FA von Borcke, Nr. 121: Berichte über die Schlachten von Prag und Kollin, Schreiben eines Offiziers vom Schwerinschen Regiment vom 7. Mai aus dem Lager bei Prag. 79 Siehe OestKA, AFA, Nr. 634: Siebenjähriger Krieg CA Kampagne gegen Preußen 1757, Faszikel V / 12 f.: Ordre de Bataille von der Armee des Preußischen Feldmarschalls Schwerin, nachdem er mit dem Prinzen Bevern vereinigt war, den 29. April 1757. 80 Siehe ebd., Faszikel 12 f.: Anmerkungen zur Schwerinischen Armee und Ordre de Bataille der Armee des Feldmarschalls Schwerin.
IV.3. Der Eröffnungsfeldzug und die Schlacht bei Prag277
nächsten Morgen in der Gegend von Prosik erreichte81, bevor es an jenem 6. Mai 1757 zur Schlacht vor Prag kam. Die vereinigten Armeen umfassten zunächst 68 Infanteriebataillone82. Da abermals 2 Bataillone der Regimenter Württemberg und von Manstein zur Bewachung der Bagagewagen zurückblieben, konnten für den Angriff auf die Österreicher wohl nur 66 Stück (53 Musketier- und 13 Grenadierbataillone) sowie die 123 Eskadrons Kavallerie aufgeboten werden83. Demzufolge lag die Stärke der Streitmacht bei rund 80.000 Mann, vielleicht waren es sogar 85.000, was in jedem Fall deutlich über den traditionellen Schätzungen liegt und entgegen konventionellen Darstellungen für eine klare numerische Überlegenheit der Preußen spricht84. Die Stärke der österreichischen Truppen belief sich, abzüglich derjenigen, die noch in Prag verblieben, auf rund 72.600 Mann85. Sie bezogen auf den Höhen östlich der Stadt 81 Siehe GStAPK, VI. HA., FA von Borcke, Nr. 121: Berichte über die Schlachten von Prag und Kollin, Schreiben eines Offiziers vom Schwerinschen Regiment vom 7. Mai aus dem Lager bei Prag. 82 Zu dieser ursprünglich berechneten Bataillons- und Eskadronsanzahl siehe OestKA, Manuskripte, Kriegsgeschichte, Nr. 54: Generalmajor von Zehentner. Historische Nachrichten: Fortsetzung des Siebenjährigen Krieges 1757. Die Begebenheiten bei der k. k. Armee unter Feldmarschall Broune, Anlage 34. 83 Siehe OestKA, AFA, Nr. 600: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee, 1757 V (1–308), Faszikel 12e. Die Behauptung, wonach das Regiment Kurssell zurückgelassen worden sei, ist falsch. Siehe Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 2: 1757, Teil 1, Seite 14. 84 Zur Gesamtstärke siehe Stadtarchiv Löbau, Rep. II, Nr. 745: Anschlag über die Kriegslasten 1756 / 57, Schreiben eines Unbekannten aus dem Lager bei Prag am 7. Mai 1757. In diesem Fall wären wohl 55.000 Mann auf die Armee von Feldmarschall Schwerin und 30.000 Mann auf die Truppen unter dem Befehl des Königs entfallen. Zu den Stärkeanteilen siehe GStAPK, VI. HA., FA von Borcke, Nr. 121: Berichte über die Schlachten von Prag und Kollin, Schreiben eines Offiziers vom Schwerinschen Regiment vom 7. Mai aus dem Lager bei Prag. Ob man von 80 oder 85.000 Mann ausgeht, ist in gewisser Weise von zweitrangiger Bedeutung, denn diese Größenordnung steht ausdrücklich im Widerspruch zu den Angaben des Generalstabswerks und Gaudis, wonach die Armee nur 63.000 Mann stark gewesen sein soll (siehe Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 2: 1757, Teil 1, Seite 60 und Großer Generalstab, Die Kriege Friedrichs des Großen. Dritter Theil, Bd. 2: Prag, Seite 127). Auch die vom Generalstab herausgegebenen Briefe der preußischen Soldaten waren tendenziell geeignet, um diese Größenordnung zu untermauern (vgl. Großer Generalstab, Briefe preußischer Soldaten aus den Feldzügen 1756 und 1757 über die Schlachten von Lobositz und Prag, Seite 50–59). Angaben, die die Stärke der preußischen Armee in der Tradition des Generalstabs zu niedrig beziffern, finden sich noch immer in aktuellen Darstellungen (vgl. Luh, Jürgen, Strategie und Taktik im Ancien Regime, Seite 130). Wie sich aber noch zeigen wird, sind die höheren Werte durchaus plausibel, zumal auch die Österreicher die Gesamtstärke der preußischen Armee mit 100.000 bis 112.000 Mann angaben. 85 Auch die Stärke der österreichischen Truppen ist extrem schwierig zu kalkulieren. Am plausibelsten dürfte noch eine Zurückrechnung sein. Die Summe der in Prag versammelten Truppen belief sich 2 Tage nach der Schlacht auf 51.027 Mann, Schlachtverluste betrugen 12.607 Mann und die Anzahl der nach Beneschau Geflüchteten war inklusive der kroatischen Miliztruppen, der Gränzer, auf ca. 14.000 Mann zu veranschlagen, sodass sich eine Gesamtsumme von 77.634 Mann ergibt. Vermutlich verblieben hiervon noch wenigstens 4.000 Mann zum Schutz der Stadt, insbe-
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IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
Position und befanden sich damit in einer enorm starken Position, denn diese wurde im Westen durch die Stadt selbst und nach Norden durch den Moldaubogen gedeckt, sodass ein Angriff seitens der Preußen nur von Osten und Süden her erfolgen konnte. Zusätzlich hatten die Österreicher auf dem Plateau viele Geschützbatterien angelegt, die nach Osten ausgerichtet waren. Insgesamt verfügten sie über 232 3-Pfünder, 50 6-Pfünder und 24 12-Pfünder86. Hinter und zwischen diesen Geschützen formierte sich die Armee der Österreicher in 3 Linien, sodass ein von Osten anrückender Feind sich einer massiven Verteidigungsstellung gegenübersah87, die noch durch das zerklüftete Hügelterrain begünstigt wurde. Dies erkannten auch die Preußen, als sie sich näherten. „[…U]nd glaubte weder Officier noch sonst jemand daß wir schlagen würden, weil wir die erschrecklichsten Anstallten, die tiefen Gründe die wir passiren musten, und alsdann die vielen Höhen vor uns sahen, welche wir ersteigen musten, wenn wir den Feind angreifen sollten“88.
Aber nicht nur die Anzahl und die Stellungen der Österreicher minderten die Erfolgschancen der Preußen. Vor allem ihre schlechte Verpflegungslage, die offenbar auf das verspätete Eintreffen der Proviantwagen oder andere verbandsinterne Verteilungsprobleme zurückzuführen war, wirkte sich in Kombination mit den unmittelbar vorangegangenen Marschstrapazen äußerst negativ auf die Verfassung der schlesischen Truppen und die Einheiten des Herzogs von Bevern aus. Entgegen der herkömmlichen Sichtweise sollen daher „[…] der Feldmarschall Schwerin und General Lieutenant Winterfeldt dem Könige diesen Angriff […] wiederrathen haben, vorwendend, daß die Armee gestern bis Mitternacht, und heute von 1 Uhr an marchiret nicht gegessen nicht getruncken und also sehr marode wäre. Sie glaubten, daß wann Ihro Majt. der Armee nur 2 Stunden oder wo es gar möglich wäre bis Morgen Ruhe geben wollten, dieselben mit mehreren Muth den Angriff machen würden, zudem da der Feind keine Anstalt mehr machen könnte. Der König aber befahl den Angriff und es ging um halb 10 Uhr loß […]“89. sondere zur Deckung der vom Feind bedrohten Kleinseite. Demzufolge wären etwa 73.600 Mann auf österreichischer Seite zum Einsatz gekommen. Generalmajor von Zehentner ging in seinem Werk von 74.704 dienstbaren Soldaten aus, von denen in der Schlacht aber nur 61.970 Mann zum Einsatz kamen, sodass nach dieser Rechnung über 12.000 Mann zur Deckung der Stadt zurückblieben (siehe OestKA, Manuskripte, Kriegsgeschichte, Nr. 54: Generalmajor von Zehentner. Historische Nachrichten: Fortsetzung des Siebenjährigen Krieges 1757. Die Begebenheiten bei der k. k. Armee unter Feldmarschall Broune, Anlage 36). Falls dies der Fall war, dann betrug die numerische Überlegenheit der preußischen Armee nicht nur rund 10.000, sondern sogar um die 20.000 Mann. 86 Siehe OestKA, Manuskripte, Kriegsgeschichte, Nr. 54: Generalmajor von Zehentner. Historische Nachrichten: Fortsetzung des Siebenjährigen Krieges 1757. Die Begebenheiten bei der k. k. Armee unter Feldmarschall Broune, Anlage über die Ausrüstung der Feldartillerie für den Feldzug 1757. 87 Siehe OestKA, AFA, Nr. 600: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 V (1–308), Faszikel 270. 88 GStAPK, VI. HA., FA von Borcke, Nr. 121: Schreiben eines Offiziers vom Schwerinschen Regiment vom 7. Mai aus dem Lager bei Prag. 89 GStAPK, VI. HA., FA von Borcke, Nr. 121: Schreiben eines Offiziers vom Schwerinschen Regiment vom 7. Mai aus dem Lager bei Prag. Gerade diese Episode ist bis in die jüngste Zeit
IV.3. Der Eröffnungsfeldzug und die Schlacht bei Prag279
Der Ablauf der nun folgenden Schlacht entsprach vom Grundschema einem wiederholten Frontalangriff der preußischen Infanterie unter hohen Verlusten gegen die verschanzt und erhöht liegenden Stellungen der Österreicher, die nach und nach vor allem von Süden von der preußischen Kavallerie umfasst und dann in mehrmaligen Attacken erstürmt wurden. Der größte Vorteil der Preußen lag eigentlich im Bereich der schweren Artillerie, denn insgesamt verfügten sie über 82 Geschütze90, wobei abzüglich der Mörser, die für das Gefecht wohl unzweckmäßig waren, noch 66 Kanonen verblieben. Dennoch waren sie theoretisch um mehr als das Doppelte überlegen. Das Problem bestand jedoch darin, dass diese Waffen vorerst nicht zum Einsatz kommen konnten, weil man in der Eile die Beschaffenheit des Geländes im Aufmarschgebiet falsch eingeschätzt hatte, sodass ein Großteil der leichten Bataillons- und schweren Parkgeschütze in den sumpfigen Wiesen oder Gassen des Dorfes Unter-Poczernitz stecken blieb91. Hinzu kam die Ermüdung der Truppen, sodass es wohl in jedem Fall lohnenswert gewesen wäre, den Angriff um 2 Stunden zu verschieben, der nun auf dem linken Flügel weitestgehend ohne die Unterstützung der leichten und schweren Artillerie begann. Zunächst rückten 6 Bataillone unter dem Kommando des Generalleutnants von Winterfeldt gegen das vorerst unbesetzte Vorwerk von Sterbohol auf dem linken preußischen Flügel am südlichen Rand des Plateaus vor. Als das Regiment Fouquet zur Unterstützung nahte, konnte es aufgrund des starken Marschtempos und zahlreicher Gräben nicht mehr von der langsam nachrückenden Artillerie unterstützt werden. Unglücklicherweise traf es auf eine feindliche Batterie mit 14 Geschützen, sodass es durch das Kartätschenfeuer zurückgetrieben wurde92. Selbiges widerfuhr dem Regiment von Feldmarschall Schwerin, das ihm zur Seite stand. Der Einheit schlug ein derartig starkes Geschützfeuer entgegen, dass sofort 600 Mann durch die gegnerischen Kartätschen getötet wurden, als es bei 60 Schritt zum Angriff überging93. Im Rahmen dieser Kampfhandlungen trafen einige Geschossteile auch Generalleutnant von Winterfeldt, der sich in der Front des Schwe rin’schen Regiments aufhielt. Nachdem er wieder zu Bewusstsein gelangt war, fand er von seinen Truppen niemanden mehr, während die gegnerischen Einheiten auf 80 Schritte herangerückt waren und ihn fast gefangen genommen hätten. Auch sein Versuch, die fliehenden Soldaten aufzuhalten, scheiterte:
diametral entgegengesetzt dargestellt worden, nämlich so als ob Feldmarschall Schwerin und Generalleutnant von Winterfeldt den Angriff von Anfang an befürwortet hätten. Vgl. Großer Generalstab, Die Kriege Friedrichs des Großen. Dritter Theil, Bd. 2: Prag, Seite 130 und Duffy, Christopher, Friedrich der Große. Ein Soldatenleben, Seite 169. Umstritten war diese Frage offenbar schon immer, obwohl die überwiegende Anzahl der zeitgenössischen Quellen und nun auch diese auf die hier dargestellte Version hindeuten (vgl. Schwerin, Detlof Graf von, Feldmarschall Schwerin, Seite 429). 90 Vgl. Schwerin, Detlof Graf von, Feldmarschall Schwerin, Seite 357. 91 Vgl. ebd., Seite 361. 92 Siehe Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 2: 1757, Teil 1, Seite 68. 93 Siehe GStAPK, VI. HA., FA von Borcke, Nr. 121: Berichte über die Schlachten von Prag und Kollin, Schreiben eines Offiziers vom Schwerinschen Regiment vom 7. Mai aus dem Lager bei Prag.
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IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
„[…] Ich rafte mich denn so geschwinde als es meine Mattigkeit nur zulassen wollte auf holte auch unseren konfusen Klumpen wieder ein konnte aber weder durch Bitten noch Drohen einen eintzigen Mann bewegen der einmahl das Gesicht nach dem Feind gedrehet noch weniger aber halt gemacht hätte […]“94.
Als Feldmarschall Schwerin nun ebenfalls versuchte die Angehörigen seines Regiments zu sammeln, wurden er und sein Adjutant von Platen tödlich von Kartätschenkugeln getroffen. Obwohl zu diesem Zeitpunkt schon 6 Grenadierbataillone zur Unterstützung herangerückt waren, herrschte offenbar ziemliches Chaos auf dem linken Flügel der preußischen Armee, weil auch schon viele Stabsoffiziere verwundet oder tot waren. Daher widmete König Friedrich diesem Teil seiner Armee nun besondere Aufmerksamkeit. Nach einiger Zeit gelang es schließlich, 16 12-pfündige Geschütze in Stellung zu bringen, durch deren Beschuss die verfolgenden österreichischen Truppen wieder zurückgetrieben wurden95. Die Infanterie, die taktisch kaum brillierte, griff nun wechselweise mit beiden Treffen die Österreicher ununterbrochen an, die ihrerseits 3-mal eine neue Linie formierten, wobei die Preußen abermals hohe Verluste durch die gegnerische Artillerie erlitten96. Die Österreicher zogen sich dennoch weiter zurück, weil sie nach der Abwehr des zweiten preußischen Angriffs komplett ihre eigenen 48 Patronen und die von den Preußen erbeutete Munition verschossen hatten97. Der Zusammenbruch ihrer Linien gegen 2 Uhr nachmittags wurde dann aber nicht von der preußischen Infanterie, sondern der Kavallerie hervorgerufen. Diese war „[…] nachdem sie 2 mahl repoussiret worden, […] so glücklich, daß sie zum dritten mahl, […] die feindliche Cavallerie schlug und derselben Infanterie in die Flanque hieb. Hierauf hat die Cavallerie Wunter gethan und sie verdienet diessmahl den Ruhm uns den Sieg erfochten zu haben […]“98.
Die folgende Karte zeigt im oberen linken Teil die Kavallerie des linken preußischen Flügels. Man sieht, wie sich die Preußen (hellblaue Linien) in Frontalangriffen gegen die sich immer wieder neu formierenden Österreicher (orange Linien) weiter vorankämpften und die gegnerische Kavallerie nach Süden abdrängten.
94 GStAPK, VI. HA., Nachlass Hans Carl von Winterfeldt, Nr. 5, Blatt 168 Rückseite (Relation von der Bataille bey Prag in Ansehung der Infanterie. Im Lager bei Prag den 8ten Mai 1757). 95 Zu diesem Absatz siehe Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 2: 1757, Teil 1, Seite 68. 96 Siehe GStAPK, VI. HA., FA von Borcke, Nr. 121: Berichte über die Schlachten von Prag und Kollin, Schreiben eines Offiziers vom Schwerinschen Regiment vom 7. Mai aus dem Lager bei Prag. 97 Siehe OestKA, AFA, Nr. 634: Siebenjähriger Krieg CA Kampagne gegen Preußen 1757, Faszikel 5 / 16 des Grenadier Michael Schelkop vom Mittrowskischen Regiment und Bericht von Generalmajor Zechenter Faszikel 5 / 25b. Hier scheint sich zu bestätigen, dass bestimmte Einheiten der Österreicher bisweilen Probleme mit der Munitionsversorgung hatten, die möglicherweise mit unzureichenden Transportmitteln auf der Ebene der Regimentsorganisation zusammenhingen. 98 GStAPK, VI. HA, FA von Borcke, Nr. 121: Berichte über die Schlachten von Prag und Kollin, Schreiben eines Offiziers vom Schwerinschen Regiment vom 7. Mai aus dem Lager bei Prag.
99 Siehe
OestKA, Karten- und Plansammlung, Kriegskarten, H IIIe, Nr. 1464.
Abbildung 18: Zeitgenössische Karte zur Schlacht bei Prag99
IV.3. Der Eröffnungsfeldzug und die Schlacht bei Prag281
282
IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
Obwohl die preußische Kavallerie dem Gegner vorübergehend hohe Verluste zufügte100, zerstreute sie sich durch selbstständiges Vorrücken und war nach dem Kampf und wegen des Nachtmarsches zuvor so stark ermüdet, sodass eine unmittelbare Verfolgung größtenteils nicht stattfinden konnte101. Die Tatsache, dass es ihr gelungen war, die Österreicher doch noch zu schlagen, war neben ihrer taktischen Geschicklichkeit, die Warnery in diesem Zusammenhang hervorhob102, in erster Linie auf die vergleichsweise bessere Verpflegung zurückzuführen, denn obwohl der Nachschub unmittelbar vor der Schlacht bei Schwerins Armee Probleme bereitete, stellte sich bald heraus, dass die Versorgung ihrer österreichischen Kontrahenten mittel- und langfristig noch viel schlechter war103. Die preußischen Einheiten des rechten Flügels und im Zentrum hatten bei ihren Frontalangriffen gegen die Österreicher bis dahin kaum Fortschritte erzielt, sofern sie überhaupt zum Einsatz gekommen waren. Nun wurde man dort gewahr, dass zumindest Teile der Österreicher begannen sich zurückzuziehen. Deshalb beorderte man das Kürassier regiment von Schönaich zur Verfolgung heran, das durch einige Intervalle in der Infanterielinie vorrückte, dann jedoch vor der Front in das Feuer der eigenen Truppen geriet, wodurch es 50 Mann und noch mehr Pferde verlor. Allerdings leisteten auch die anderen Kavallerieeinheiten des rechten preußischen Flügels aus der Armee des Königs keinen nennenswerten Beitrag zum Gewinn der Schlacht, weil sie vom Geschehen weitestgehend isoliert blieben. Möglicherweise hemmte das knappe Pferdefutter ihre Beweglichkeit aber ohnehin104. Dennoch erbeuteten die Preußen angeblich 16 24-pfündige Kanonen, 18 12-Pfünder, 104 6- und 3-Pfundgeschütze sowie 123 Wagen mit Munition, 117 Pontons und sämtliche Zelte im Lager, die man aber offensichtlich sofort verbrannte105. Die Verluste an Soldaten und Pferden waren auf beiden Seiten hoch und verteilten sich folgendermaßen:
100 Siehe GStAPK, VI. HA, FA von Borcke, Nr. 121: Berichte über die Schlachten von Prag und Kollin, Schreiben eines Offiziers vom Schwerinschen Regiment vom 7. Mai aus dem Lager bei Prag. 101 Siehe Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 2: 1757, Teil 1, Seite 69 f. 102 Siehe Warnery, Charles Emmanuel de, Feldzüge Friedrichs des Zweyten von Preußen seit 1756 bis 1762. Erster Teil, Seite 115 f. 103 Vgl. hierzu IV. Teil 4.2.: Die Operationen des Herzogs von Bevern gegen die Armee des Feldmarschalls Daun. 104 Zum gesamten Absatz siehe Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 2: 1757, Teil 1, Seite 73 f. 105 Siehe GStAPK, VI. HA, FA von Borcke, Nr. 121: Berichte über die Schlachten von Prag und Kollin, Schreiben eines Offiziers vom Schwerinschen Regiment vom 7. Mai aus dem Lager bei Prag.
IV.3. Der Eröffnungsfeldzug und die Schlacht bei Prag283 Tabelle 52 Vergleich der Verluste der preußischen und österreichischen Armee in der Schlacht bei Prag am 6. Mai 1757 nach eigenen Angaben und gegnerischen Schätzungen106 Tot
Verwundet
Verloren oder Gefangen
Summe
Preußische Truppen nach eigenen Angaben107
Waffengattung Mann
Pferde
Mann
Infanterie
2.916
Kavallerie
275
842
442
Gesamtverlust
3.191
842
8.206
Pferde
7.764
Mann
Pferde
Mann
Pferde
1.337
12.017
246
200
917
1.088
246
1.537
12.934
1.088
Preußische Truppen nach österreichischen Schätzungen108 Infanterie
2.790
7.775
1.388
11.953
Kavallerie
295
594
200
1.089
Gesamtverlust
3.085
8.369
1.588
13.042
Österreichische Truppen nach eigenen Mann Infanterie
Pferde 1.326
Mann 4.352
Pferde
Mann
Angaben109 Pferde
6.471
Mann 12.149
Kavallerie
133
Artillerie
339
Gesamtverluste
Pferde
12.675
Wie man sieht, weichen die Schätzungen der Österreicher und die eigenen Angaben der Preußen nur geringfügig voneinander ab, obwohl die preußischen Ausfälle üblicher106 Schätzungen der Preußen zu den Verlusten der Österreicher scheinen nicht vorgelegen zu haben. 107 Siehe GStAPK, BPH, Rep. 47 König Friedrich II., Nr. 665: Varia zur Geschichte des Siebenjährigen Krieges, Blatt 55 Vorder- und Rückseite. Bei der Addition der Verlustzahlen der Einheiten treten leichte Fehler bzw. Abweichungen in den Listen auf, die hier aber schon korrigiert sind. Die Werte des Gesamtverlustes entstehen aus der Addition der Teilsummen. 108 Siehe OestKA, AFA, Nr. 600: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee V (1–308), Faszikel 5 / 257: Extract Derer bey Prag, den 6. Mai 1757, Preußischerseits todt geblieben, Blessirten, und Gefangenen oder Vermissten. Auch hier sind die Additionsfehler in den Teilsummen korrigiert worden. 109 Siehe OestKA, AFA, Nr. 600: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee V (1–308), Faszikel 281 und 284. Das letztgenannte Faszikel gibt die Verluste der Infanterie auf 11.875 Mann an, die Gesamtverluste aber auf 12.282 Mann bei den genannten Artillerie- und Kavallerieverlusten. Auch hier liegt ein Additionsfehler vor.
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IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
weise viel höher veranschlagt wurden110. Festzustellen ist, dass auf beiden Seiten die Infanterieverluste mit Abstand am größten waren und sich jeweils auf rund 12.000 Mann beliefen. Allerdings verteilten sie sich äußerst unterschiedlich, denn während die Preußen zusammen über 10.500 Mann an Toten und Verwundeten zu beklagen hatten, entfielen auf gegnerischer Seite nur 5.670 Mann auf diese Kategorien. Der Großteil der Österreicher, mit fast 6.500 Mann, war gefangen genommen worden. Die geringen Kavallerieverluste deuten darauf hin, dass die Österreicher sich relativ früh zurückzogen und sich bei den Preußen, obwohl sie 2-mal zurückgeschlagen worden waren, auf dem linken Flügel bald der Erfolg einstellte. Die Masse der österreichischen Hauptarmee hatte sich nach Prag geflüchtet, wo in den ersten Tagen nach der Schlacht ca. 46.000 Mann einsatzfähige Soldaten eintrafen111. Vom rechten Flügel kamen bei Beneschau südlich von Prag zunächst noch 5.996 Kavalleristen an, hiervon wurden jedoch nur noch 1.183 Mann und Pferde als tauglich für den Felddienst erachtet112. Die restlichen 4.667 Berittenen sollten nach Mähren zurückgesandt werden. Auch der größte Teil der 5.375 Infanteristen wurde wegen der verlorenen Requisiten zunächst nach Mähren geschickt, statt sich unmittelbar der Armee von Feldmarschall Daun anzuschließen113. Der Kern seiner Truppen war am 5. Mai mit ca. 12.750 Mann von Schischlitz nach Podiebrad vorgerückt114. Am Tag der Schlacht selbst traf diese Truppe in Satzka ein, während sich die Generäle Beck und Puebla mit 3.500 Mann bei Mochow aufhielten 110 Mauerhoff ging insgesamt von 14.419 Mann aus. Siehe GStAPK, IV. HA., Rep. 15 A, Nr. 614: Etatsmäßige Stärke der preußischen Armee beim Einmarsch 1757 und ihre Verteilung auf die verschiedenen Kriegstheater, Blatt 41 Rückseite. Das Generalstabswerk veranschlagt basierend hierauf die Verluste auf rund 14.400 Mann. Vgl. Großer Generalstab, Die Kriege Friedrichs des Großen. Dritter Theil, Bd. 2: Prag, Seite 148 und 176 f. Zu höheren Zahlen vgl. auch Jany, Curt, Geschichte der Königl. Preuß. Armee, Bd. 2, Seite 404. Diese Angaben stammen offenbar von Hoen, Maximilian Ritter von, Die Schlacht bei Prag am 6. Mai 1757, Seite 234. Hoen veranschlagt den Verlust auf 13.899 Mann und schenkt einer preußischen Liste, die den Verlust auf 12.922 Mann und 1.186 Pferde beziffert, offenbar keinen Glauben. Er verwirft diese Aufstellung, weil diese seiner Meinung nach im Widerspruch mit 2 Angaben zu den Einzelverlusten der Regimenter Anhalt und Winterfeldt stehen. Da Hoen jene Feldakten, welche die letztgenannten Zahlen stützen, im Gegensatz zu den Cabinettsakten im Feldaktenbestand selbst offenbar nicht noch einmal in Augenschein genommen hat und die seinerseits verwendeten Zahlen der Österreichischen Militärischen Zeitschrift von 1822 entnommen zu sein scheinen, kann erheblicher Zweifel an seiner Version bestehen. Letzteres ist umso naheliegender, weil auch die Verluste der Österreicher erheblich von Hoens Zahlen abweichen, zumal bei näherem Hinsehen auffällt, dass die Angaben für bestimmte Regimenter offenbar gar nicht vorlagen. Vgl. ebd., Seite 229. 111 Siehe OestKA, AFA, Nr. 600: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 V (1–308), Faszikel 275. 112 Siehe OestKA, AFA, Nr. 631: Siebenjähriger Krieg 1757 HKR V–VI, Faszikel V / 13aa und V / 13ww. 113 Siehe ebd., Faszikel V / 13tt. 114 Siehe OestKA, AFA, Nr. 631: Siebenjähriger Krieg 1757 HKR V–VI, Faszikel V / 11, V / 12 und V / 12b. Zur Stärke der Kavallerie mit 3.650 Berittenen siehe ebd., Faszikel V / 12a. Die Stärke
IV.3. Der Eröffnungsfeldzug und die Schlacht bei Prag285
bzw. mit 9.000 Mann bei Böhmisch Brod oder Auwal eintrafen115. Folglich hätten sie vermutlich frühestens am nächsten Tag und auch dann wohl nur in begrenztem Umfang in die Gefechte bei Prag eingreifen können116. Am Tag der Schlacht operierten die Kroaten unter General Beck am weitesten westlich. Dadurch gelang es ihnen, die zurückgelassene preußische Besatzung bei Brandeis zu überfallen und 641 Mann gefangen zu nehmen, wobei der Großteil mit 374 Mann auf das übernommene sächsische Infanterieregiment von Manstein entfiel117. IV.3.4. Rekapitulation der Schlacht und des bisherigen Feldzugsverlaufs Obwohl die Preußen in der Schlacht formell den Sieg davongetragen hatten, indem sie den Kampfplatz behaupteten und die Österreicher zur Flucht nach Prag und in Richtung Süden veranlassten, war das Gefecht aus ihrer Perspektive nicht günstig verlaufen. Schon die Tatsache, dass König Friedrich entgegen den Bitten von Feldmarschall Schwerin nicht auf den schlechten Verpflegungszustand der Truppen Rücksicht nahm und trotzdem auf dem Angriff bestand, stellte sich als eine verhängnisvolle Entscheidung heraus, die einen ungeheuer hohen Blutzoll nach sich zog. Es ist zwar möglich, dass die Preußen Informationen über den Anmarsch des Serbelloni’schen bzw. des Daun’schen Korps erhalten hatten und glaubten, es sei Eile geboten. Das weite Vordringen der Kroatenvorhut nach Westen belegte auch, dass eine gewisse Gefahr real vorhanden war. Da sie aber nicht weiter als bis Brandeis gelangte, konnten auch sie nicht in die Kampfhandlungen bei Prag eingreifen. Außerdem hätten den Preußen im Bereich der Kavallerie ausreichende Kräfte zur Verfügung gestanden, um sowohl Aufklärungskommandos zur weiteren Absicherung zu entsenden als auch die Schlacht zu bestreiten. Obwohl die Kavallerie aus Königs Friedrichs Armee wegen der knappen Versorgungslage vielleicht in ihrer Beweglichkeit etwas eingeschränkt war, nutzte man sie weder für den einen noch den anderen Zweck und wählte so die schlechteste Option. Neben der unsicheren Operationslage wirkte sich auch das Schlachtfeld oder die Wahlstatt, wie man es damals nannte, nachteilig für die Preußen aus, weil es nur von Osten und Süden Angriffsmöglichkeiten bot, was die Handlungsoptionen der Preußen von Anfang an stark einschränkte und berechenbar machte. Hieraus erwuchs den Österder Infanterie ist angenommen wie am 1. Mai mit 9.150 Mann. Siehe OestKA, AFA, Nr. 600: Siebenjähriger Krieg 1757 Hauptarmee V (1–308), Faszikel 173a. 115 Siehe OestKA, AFA, Nr. 600: Siebenjähriger Krieg 1757 Hauptarmee V (1–308), Faszikel 256 und 258 sowie AFA, Manuskripte Nr. 57: Geschichte des Feldzug 1757 des Siebenjährigen Krieges der Hauptarmee in Böhmen und Schlesien in 4 Abschnitten verfasst durch Hauptmann von Heller. Dieser gibt die Stärke der Truppe unter Daun bei Schischelitz bzw. Podiebard aber sogar mit 18.000 Mann an. 116 Vgl. auch Hoen, Maximilian Ritter von, Die Schlacht bei Prag am 6. Mai 1757, Seite 210. Schischelitz lag 60 km vom Schlachtfeld entfernt, Satzka 40, Böhmisch Brod 22 km und Auwal ca. 10 km. 117 Siehe OestKA, AFA, Nr. 600: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 V (1–308), Faszikel 259a / b.
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IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
reichern unter dem Aspekt der Kräfteökonomie ein eklatanter Vorteil. Die Preußen hingegen waren gezwungen, ihre Gegner in einer erhöhten und verschanzten Stellung von Osten frontal anzugreifen oder sie im Süden recht weiträumig zu umgehen, was unweigerlich hohe Verluste an Personal oder Zeit nach sich ziehen musste. Zudem war absehbar, dass sich eine Verfolgung durch die Kavallerie im zerfurchten und hügeligen Gelände mit der Stadt als Auffangstellung und Rückzugsbasis sehr schwierig gestalten würde. Damit hatte König Friedrich gegen seine eigenen Grundsätze für das Ausfechten von Schlachten verstoßen, wonach diese immer nur anzustreben waren, wenn die Aussicht bestand, dem Gegner im Falle des Sieges und der Flucht große Verluste durch die Verfolgung mit der Kavallerie beizubringen. Denn: „[…] kömte der Feindt, ich schlage ihn und kann nicht nachsetzen so ist mehr ein unnützes Bludtbadt, das nicht decidiret, und das mus nicht seindt, sondern jede Bataille so wihr lieffern mus ein großer Schritt vohrwärts zum Verderben des Feindes werden“118.
Obwohl es häufig unerwähnt bleibt, ist klar, dass die Preußen im Kampf besser mit der Kavallerie und die Österreicher besser mit der Infanterie abschnitten119. Entscheidend war letztlich aber die zahlenmäßige Überlegenheit der Preußen, die sie nutzten, um ihre Ausfälle auf dem Schlachtfeld schnell zu kompensieren. Letztere hätten deutlich geringer ausfallen und wie die kurzfristigen logistischen Probleme bei der Infanterie mit der Lebensmittelversorgung durch einen Aufschub des Angriffs um einige Stunden teilweise vermieden werden können. Selbiges galt für die Transportprobleme der Artillerie und die Verpflegungsprobleme der Kavallerie, die ebenfalls der Entscheidung zur übereilten Attacke geschuldet waren. So ambivalent wie die Schlacht stellte sich auch der Verlauf der Operationen bis zu diesem Zeitpunkt dar. Vor allem die erste Woche des Feldzugs war klar zu Gunsten der Preußen verlaufen, denn alle preußischen Truppen erzielten Erfolge bei den grenznahen Gefechten. Die wichtigsten Resultate verbuchte man aber mit der Sicherstellung der großen Magazinbestände bei Jungbunzlau und Budin, die die Österreicher nicht mehr abtransportieren konnten. Hier zeigte sich, wie überlastet oder schlicht unzureichend selbst relativ große Wagenmengen waren, wenn man zeitgleich an vielen Punkten große Nahrungsmittelmengen zurückführen musste. Wahrscheinlich hatten Feldmarschall Schwerin und Generalleutnant von Winterfeldt hierauf und auf das übrige organisatorische Chaos beim Gegner spekuliert, das es den Preußen ermöglichte, zumindest mancherorts beträchtliche Bestände zu erbeuten. Dass ihnen dies teilweise glückte, überraschte sie selbst wohl ebenso wie die Preisgabe der Baschkopolstellung am meisten, denn dadurch verbesserte sich ihre Versorgungslage ganz erheblich. Ob es seitens der Österreicher erforderlich war, diese Stellung zu räumen und die Magazine zurückzulassen, ist fraglich. Allerdings rechtfertigte die Tatsache, dass es gelang, den preußischen Angriff mit stark überlegenen Kräften an dieser Stelle gewissermaßen ins Leere laufen zu lassen, den Rückzug in jedem Fall. 118 GStAPK, VI. HA., Nachlass Hans Carl von Winterfeldt, Nr. 6: Militärberichte 1756, Blatt 112 Vorderseite. 119 Vgl. Jany, Curt, Geschichte der Königl. Preuß. Armee, Bd. 2, Seite 399–404.
IV.3. Der Eröffnungsfeldzug und die Schlacht bei Prag287
König Friedrich hatte mit deutlich größerem Widerstand gerechnet und geglaubt, dass dessen Auflösung durch den Vorstoß Schwerins nach Melnick und Leitmeritz der entscheidende Moment des Feldzugs sei. Allerdings wurde dessen Vormarsch durch die Vernichtung der Brücken über die Iser deutlich verlangsamt. Außerdem war es Königseggs Truppen durch das erneute Abbrennen der Elbbrücken gelungen, den weiteren Vormarsch der Preußen zu verzögern. Das Korps gewann dadurch die Zeit, um sich einer möglichen Umfassung durch die Truppen Schwerins und Beverns oder durch die beiden preußischen Armeen zu entziehen und sich mit den Truppen der Generäle Browne und Ahremberg bei Prag zu vereinigen120. Auf diese Weise konnten die Österreicher den Preußen mit einer größeren Truppenmenge und in einer stärkeren Stellung als bei Budin entgegentreten. Sie manövrierten die Preußen also aus und verleiteten König Friedrich zu einem verlustreichen Angriff, der mit einem Pyrrhussieg endete. Dieser konnte sich theoretisch aber noch auszahlen, wenn man die nach Prag geflüchteten Einheiten im Rahmen einer Belagerung gefangen nahm.
Abbildung 19: Operationsverlauf bis Schlacht bei Prag121 120 Zu dieser Einschätzung siehe auch Cogniazzo, Geständnisse eines Oestreichischen Veterans in politisch-militarischer Hinsicht auf die interessantesten Verhältnisse zwischen Oestreich und Preußen, während der Regierung des Großen Königs der Preußen Friedrichs des Zweyten. Zweyter Theil, Seite 278 f. 121 Karte adaptiert nach Duffy, Christopher, Friedrich der Große. Ein Soldatenleben, Karte 14.
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IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
Die Karte zeigt noch einmal, wie durch den Rückzug die vorübergehende Überlegenheit der beiden preußischen Armeen von der Konzentration der österreichischen Hauptarmee bei Prag kompensiert wurde, während sich die Entfernung zu den eroberten Magazinen bei Leitmeritz und Jungbunzlau vergrößerte, womit die Wahrscheinlichkeit für Transportkomplikationen bei allen Versorgungsgütern und für die Schwächung der Truppen zunahm.
IV.4. Vom Beginn der Belagerung Prags bis zur Schlacht bei Kolin IV.4.1. Die Einschließung Prags und die Herausbildung der beiden Verbände In den ersten 3 Tagen nach der Schlacht von Prag waren die Preußen einerseits mit der Verfolgung der feindlichen Truppen beschäftigt und begannen andererseits damit, die Stadt einzuschließen, indem sie den Belagerungsring um diese immer enger zogen. Der wichtigste Vorfall, der sich während dieser Zeit ereignete, war die Gefangennahme des Oberstleutnants von der Oelsnitz, der zuvor in seiner Funktion als Generalquartiermeister die Ausschreibung der Nachschubwagen in der Oberlausitz organisiert hatte. Er wurde am 7. oder 8. Mai von einigen Kroaten in den Weinbergen des Vorortes Nusle schwer verwundet, dann gefangen genommen und verstarb einige Tage später in Prag1. Laut einer Liste, die er offenbar mit sich führte, hatte die Stärke der gesamten preußischen Armee am Tag der Schlacht 107.232 Mann betragen, gegliedert in 96 Bataillonen zu je 867 Mann sowie 114 Eskadrons schwerer Kavallerie und 46 Eskadrons Husaren je zu 150 Mann2.
1 Siehe Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 2: 1757, Teil 1, Seite 86 und OestKA, AFA, Nr. 600: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 V (1–308), Faszikel 275: Journal über Preussische Bloquade und Bombardierung der Stadt Prag im Jahre 1757. 2 Siehe GStAPK, IV. HA., Rep. 15 B, Nr. 198: Sammlung einiger Nachrichten und Dispositions aus dem letzten Kriege von 1756 bis 1763, Blatt 9 Vorderseite. Das Journal des Oberstleutnants von Springer, eines russischen Offiziers, der in der österreichischen Armee diente, deutet auf von der Oelsnitz hin. Er verfasste einige Aufzeichnungen zum Jahr 1757, die dann den Preußen nach der Schlacht von Leuthen in die Hände fielen. Der Name des Offiziers ist offensichtlich bewusst ausgelassen worden. Es könnte sich auch um eine andere Person gehandelt haben. Es soll aber ein Adjudant des preußischen Königs gewesen sein, der am 13. Mai verstarb. Wahrscheinlich stellen die von von der Oelsnitz angeführten Werte zu den Bataillons- und Eskadronsstärken eher Durchschnittsangaben dar, sie können aber durchaus als plausibel gelten, obwohl der Gesamtdurchschnitt bei allen Musketierbataillonen zu 910 Mann und allen Grenadierbataillonen zu 776 Mann sogar nur bei 843 Mann liegt. Der Durchschnittswert für die Kavallerie hingegen scheint zu niedrig veranlagt, da die schweren Reiter mit 196 Mann pro Eskadron und die Husaren mit 137 im Durchschnitt sogar auf 166 Mann kommen. Da die Sollstände aber nicht immer wie bei den schlesischen Infanterieeinheiten durch das Zurücklassen der Aufstockungskontingente erreicht wurden und auch darüber hinaus vielfältige Veränderungen eingetreten sein können, ist es möglich, dass von der Oelsnitzens Angaben näherungsweise korrekt waren. Wahrscheinlich verdankten sich die genauen Schätzungen der Österreicher zu den Schlachtverlusten der Preußen auch seinen Angaben.
IV.4. Vom Beginn der Belagerung Prags bis zur Schlacht bei Kolin289
Um diese riesige Streitmacht zu versorgen, erging schon einen Tag danach, am 7. Mai, folgende Lebensmittelausschreibung an den Saatzer Kreis, die innerhalb von 14 Tagen in das Hauptquartier bei Prag abzuliefern war: „200000 Labl Brodt pr. 4 Pfund 50000 Zentner Mehl 20000 Strich Haaber 50000 Zentner Heu 2000 Schock Stroh 4000 Faß Bier und 800 Stück Rindvieh“3.
Diese Mengen entsprachen 400.000 Brotportionen, 3.000 Tonnen Mehl, 800 Tonnen Hafer, 2.500 Tonnen Heu und 1.200 Tonnen Stroh. Im Gegenzug sollte der Kreis Quittungen erhalten und alles auf Heller und Pfennig vergütet werden. Wie die folgende Karte zeigt, hatten die Preußen inzwischen den kompletten Norden und Nordwesten Böhmens besetzt: Der Saatzer Kreis lag in der nordwestlichsten Ecke Böhmens. Im Gegensatz zu den Kreisen von Leitmeritz, Jungbunzlau, Königgrätz und Rakonitz waren seine Ressourcen durch die bisherigen Durchmärsche aber kaum strapaziert worden, sodass die Chancen für das komplette Eintreffen der Naturalien relativ gut waren. Auch der Transport dürfte hinlänglich zu bewältigen gewesen sein, da ein Großteil der Wagen aus den besetzten Kreisen von Jungbunzlau, Leitmeritz, Saatz und Rakonitz zur Verfügung stand, was mindestens einem Potential von 727 vierspännigen Wagen und 14.185 zweispännigen Wagen entsprach4. Neben den Ausschreibungen war man zunächst bemüht, die Belagerung Prags vorzubereiten, indem man die beherrschende Stellung des Ziskaberges, den noch 1.000 Kroaten besetzt hielten, einnahm. Die Eroberung erfolgte am 9. Mai durch einen Angriff mit 1.000 Infanteristen, unterstützt von 18 Geschützen5. König Friedrich hatte durch die ausgeschickten Husaren erfahren, dass sich die österreichischen Truppen auf beiden Seiten der Elbe südlich in den Dörfern und Wäldern aufhielten und sich in Richtung Beneschau zurückzogen. Die Einheiten unter Zietens Kommando berichteten, dass sich die Masse von Feldmarschall Dauns Einheiten in der Nähe von Böhmisch Brod aufhielt, die Vorhut mit 18 Grenadierkompanien, 2 Infanterieregimentern und 2 Kavallerieregimentern bei Auwal patrouillierte und demzufolge um die 7–8.000 Mann stark gewesen sein dürfte. Die Gesamtstärke der Truppen unter Dauns 3 OestKA, Zentralst., Generalkriegskommissariat, Akten, Nr. 52 Militärdirectoralia 1757 / IV–V, Faszikel V / ad 188: Schreiben aus Saatz am 13. Mai – Copie des Specical-Befehls des Generalmajors von Retzow aus dem Lager bei Prag am 7. Mai. 4 Vgl. III. Teil 1.: Die logistisch relevanten Ressourcen in Schlesien, Sachsen, Böhmen und Mähren. Tabelle zur Anzahl der verfügbaren Wagen im Königreich Böhmen nach unterschiedlicher Bespannungsart. 5 Siehe Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 2: 1757, Teil 1, Seite 88.
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IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
Abbildung 20: Kontrollanteile an den Kreisen Böhmens6
Kommando betrug nach dem effektiven Stand vom 11. Mai 45.365 Mann7. Die tatsächliche Stärke war offensichtlich selbst für den damaligen Hofrat von Kollowrath kaum in Erfahrung zu bringen. Er vermutete zwar, dass es auch nach dienstbarem Stand etwa knapp 30.000 Mann gewesen sein müssten, weil die vormals 26–27.000 Mann des Serbelloni’schen Korps inzwischen durch einige Geflüchtete und auch durch Verstärkungen aus Mähren ergänzt wurden. Er wusste aber, dass manche Husarenregimenter nur 500 Pferde zählten und auch die Kürassier- und Dragonerregimenter statt der rund 1.000 Berittenen nur 900, 800 oder 700 aufwiesen8.Tatsächlich zählten die reguläre Infanterie und Kavallerie nach dienstbarem Stand am 12. Mai nur 24.991 Mann, darunter 6.556 Berittene9. Allerdings schloss sich Dauns Armee in den nächsten Tagen ein beträchtlicher Teil jener Truppen, die aus der Schlacht geflohen waren, wieder an. Gemessen an 6 Karte adaptiert nach http: / / commons.wikimedia.org / wiki / File:Josephinische_Landaufnah me_Boemia.jpg (letzter Zugriff am 30.05.2017). 7 Siehe OestHHStA, Kriegsakten, Nr. 334: Extract aus des Herren Feldmarschallen Grafen von Daun eingesendeten Stand- und Dienst-Tabella von 11ten Maji 1757. 8 Siehe OestKA, Zentralst., Generalkriegskommissariat, Akten, Nr. 52 Militärdirectoralia1757 / IV–V, Faszikel 81: Schreiben Graf Kollowraths aus Böhmisch Brod am 9. Mai 1757. 9 Siehe OestKA, AFA, Nr. 600: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 V (1–308), Faszikel 49.
IV.4. Vom Beginn der Belagerung Prags bis zur Schlacht bei Kolin291
der Anzahl derjenigen, die sich eigentlich zurückgezogen hatten, war der Anteil jedoch nicht sehr groß, denn obwohl 5.996 Berittene und 5.375 Mann Infanterie in der ersten Woche nach der Schlacht bei Beneschau eintrafen, erwiesen sich hiervon nur noch 1.138 Berittene und 942 Infanteristen als diensttauglich, um sich der Streitmacht Feldmarschall Dauns wieder anzuschließen10. 4.438 Mann Infanterie und 4.677 Kavalleristen marschierten zurück nach Mähren, weil sie neben ihren Waffen wie Pistolen oder Pallaschen auch Ausrüstungsgegenstände, darunter Zelte, Hafersäcke und Fouragierstricke verloren hatten11, die äußerst wichtig für die Praxis der Futterbeschaffung waren. Allerdings gesellten sich zu den 1.138 Mann der Dragonerregimenter Porporati und Modena sowie den 942 Infanteristen des Regiments Stahremberg noch 1.004 Kroaten und 1.410 Husaren, sodass Dauns Truppen letztlich um rund 4.500 Mann ergänzt wurden12. Die Stärke seiner Armee scheint inklusive der 9.100 Berittenen auf rund 29.500 Mann angewachsen sein, für die sogar noch 48.000 Mann an Verstärkungen eingeplant waren13. Diese beachtliche Größe des Daun’schen Korps hatte König Friedrich schon am 10. Mai dazu veranlasst, 43 Eskadrons, die sich bei General von Zieten befanden, sowie 7 Bataillone und 15 Eskadrons unter dem Kommando des Herzogs von Bevern zu entsenden, die von 10 weiteren Eskadrons des Husarenregiments Puttkammer und 2 Bataillonen Infanterie verstärkt wurden14. Da Beverns Korps mit 75 Eskadrons hauptsächlich aus Kavallerieeinheiten bestand und das Infanteriekontingent nur einem geringen Anteil von 14 Bataillonen ausmachte, dürfte es zunächst nicht mehr als 21.000 Mann gezählt haben, wobei eigentlich noch 3 Bataillone zum Korps gehörten, die für die Bewachung der Iserbrücken und des Magazins bei Jungbunzlau eingesetzt waren15. Mit den Proviantwagen der Infanterieeinheiten zählte die Kampftruppe wahrscheinlich trotzdem schon an die 16.000 Pferde16. Den Großteil des preußischen Truppenkontingents bildete die Belagerungsarmee bei Prag mit 82 Bataillonen und 85 Eskadrons, die entgegen vielen herkömmlichen Annahmen nach Abzug der Gefechtsverluste immer noch um die 73.000 Mann stark gewesen sein dürfte17. Die besagten Eskadrons der Kavallerie, die zunächst noch bei der Armee verblie10 Siehe
OestKA, AFA, Nr. 631: Siebenjähriger Krieg 1757 HKR V–VI, Faszikel V / 13ccc. ebd., Faszikel V / 13 mmm. 12 Siehe ebd., Faszikel V / 13 ff., V / 13mm und V / 13tt. 13 Zum vorgesehenen Verstärkungsetat siehe OestHHStA, Kriegsakten, Nr. 334: Verstärckungs Etat der kayl. königl. Armee unter Comando des Feld-Marschallen Grafens v. Daun. 14 Siehe Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 2: 1757, Teil 1, Seite 87 und 89–92. 15 Zur Zusammensetzung von Beverns Korps siehe Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 2: 1757, Teil 1, Seite 87, 89–92, 101 und 107. Kutzen nahm die Stärke des Observationskorps mit 17.000 Mann und sehr geringem Infanterieanteil in Höhe von 5.000 Mann an. Vgl. Kutzen, Joseph August, Vor hundert Jahren, Abteilung 1: Der Tag von Kolin, Seite 27. 16 Abermals gerechnet zu 185 Pferden pro Eskadron für die Kavallerie, sprich zusammen 13.780 Stück; Gefechtsabzug für die Schlacht bei Prag im Umfang von 593 Stück und Zuwachs von 2.060 Pferden durch 17 Infanteriebataillone je zu 120 Stück, insgesamt also 15.840 Pferde. 17 Die Zusammensetzung der Belagerungsarmee ergibt sich aus der Gesamtstreitmacht vor der Schlacht abzüglich der Schlachtverluste und dem hier genannten Bevern’schen Korps. Die Kalku11 Siehe
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IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
ben waren, umfassten unter Berücksichtigung der Gefechtsverluste als Folge der Schlacht bei Prag wahrscheinlich nicht viel mehr als 15.200 Pferde18. Mit den 11.000 Reit-, Packund Zugtieren der Infanterieeinheiten zählte die Kampftruppe aber schon 26.200 Stück19. Damit etablierte sich auf preußischer Seite schon zu diesem Zeitpunkt jene Verbandsstruktur, die nun für rund einen Monat prägend sein sollte, nämlich die eines kleinen Observationskorps unter dem Herzog von Bevern und der großen Belagerungsarmee unter dem Kommando König Friedrichs und Feldmarschall Keiths bei Prag.
Abbildung 21: Operativ-logistische Lage Mitte Mai 175720
lation basiert auf der Gesamtstärke und den Durchschnittswerten gemäß den Angaben von der Oelsnitzens sowie den Schlachtverlusten. Gaudi selbst ging ohne die 40 Husareneskadrons, die sich um den 11. Mai anschlossen, von 13–14.000 Mann aus. Das alte Generalstabswerk nahm zu diesem Zeitpunkt eine Gesamtstärke von 92.700 Mann an. Vgl. Geschichte des Siebenjährigen Krieges nach authentischen Quellen, Die Feldzüge von 1756 und 1757, Dieterici, Berlin, 1824, Anlage c. Ganz anders die Angaben Mauerhoffs für das Neue Generalstabswerk mit einer Gesamtstärke von 80.240 Mann. Das Observationskorps veranschlagt er mit 17.933 Soldaten und die Belagerungsarmee mit 62.300. Siehe GStAPK, IV. HA., Rep. 15 A, Nr. 614: Etatsmäßige Stärke der preußischen Armee beim Einmarsch 1757 und ihre Verteilung auf die verschiedenen Kriegstheater, Blatt 41 Rück- und Blatt 42 Vorderseite. 18 Die Eskadrons wieder durchschnittlich zu 185 Pferden gerechnet, zusammen also15.725. Abzüglich der Hälfte der Pferdeverluste aus der Schlacht von Prag in Höhe von 544 (1.088 / 2) wären dies letztlich also 15.181. 19 Die Pferde der Bataillone durchschnittlich gerechnet zu 120 Stück, da jedes Grenadierbataillon 105 und jedes Musketierbataillon, mit den Reittieren der Offiziere, den Proviant- und Rüstwagen sowie den Packpferden für die Zelte, 135 Stück zählte. 20 Karte adaptiert nach Schwerin, Detlof, Feldmarschall Schwerin.
IV.4. Vom Beginn der Belagerung Prags bis zur Schlacht bei Kolin293
Zunächst konnten alle preußischen Truppen in Böhmen mit den Vorräten aus den eroberten Magazinen noch fast 2 Wochen verpflegt werden. Zurückzuführen war diese komfortable Situation wohl auf die umfassenden Vorkehrungen, die Feldmarschall Schwerin und General von Winterfeldt getroffen hatten21. Wenn die zuvor erwähnten Naturalien aus dem Saatzer Kreis eintrafen, dann war die Brotversorgung der Prager Belagerungsarmee bei einem täglichen Bedarf von 55 Tonnen Mehl für 55 weitere Tage zu bewerkstelligen. Die Verpflegung konnte theoretisch also bis Anfang Juli gewährleistet werden. Auch die Fleischversorgung funktionierte Anfang Mai noch gut22, zumal schon die 800 Ochsen aus dem Saatzer Kreis den Großteil des Wochenbedarfs der Belagerungsarmee in Höhe von 973 Tieren abdeckten. Die über 9.000 zusätzlichen Ochsen in den anderen eroberten Kreisen ermöglichten die Versorgung sogar für bis zu 9 Wochen23. Die Bestimmung der Verpflegungsdauer für die Pferde bei der Belagerungsarmee ist etwas schwieriger. Selbst wenn die Truppen ihre zusätzlichen Transportwagen wieder nach Sachsen und Schlesien zurückgeschickt hatten, war die Anzahl der zu versorgenden Pferde immer noch enorm groß. In der Nähe von Prag waren neben den 26.200 Tieren der Infanterie und Kavallerie auch noch die Pferde der Artillerie beider Armeen sowie das reguläre Proviantwesen von König Friedrichs Armee im Umfang ca. 10.500 Stück vorhanden24, sodass die zu versorgende Gesamtanzahl wahrscheinlich um die 36.700 Pferde betrug. Die restlichen 18.000 Pferde verteilten sich auf das Korps des Herzogs von Bevern, wobei sich das Back- und Mehlfuhrwesen des ehemaligen Schwerin’schen Korps wahrscheinlich in Jungbunzlau aufhielt, während die Proviantwagen der Einheiten, die die rückwärtigen Stationen besetzt hielten, sich ebenfalls im Raum der Mittelelbe und entlang der Iser verteilt haben dürften25.
Korge, Johann Erdmann, Von den Verpflegungen der Armeen, Seite 26 f. GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 116: Prinz August Wilhelm von Preußen 1756–1758, Schreiben aus Lager bei Prag am 8. Mai 1757. 23 Die Ochsenmengen der eroberten Kreise sind in der Tabelle zur Wagenanzahl im Königreich Böhmen ersichtlich. Vgl. III. Teil 1.: Die logistisch relevanten Ressourcen in Schlesien, Sachsen, Böhmen und Mähren. 24 Das reguläre Mehl- und Backfuhrwesen der Armee des Königs gerechnet mit 3.119 Pferden, die Artillerie beider Armeen (2 × 3.058 Pferde) und für die Bataillonsgeschütze von 82 Bataillonen 1.312 Pferde. 25 Das reguläre Mehl- und Backfuhrwesen der ehemaligen Armee unter Schwerins Kommando angesetzt mit Jungbunzlau mit 1.739 Pferden und die Proviantwagen der 7 abkommandierten Bataillone mit 735 Pferden. 21 Siehe 22 Siehe
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IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
Für die Pferde der Belagerungsarmee hätten die Hafervorräte in Höhe von 12.199 niederösterreichischen Metzen bzw. 386 Tonnen26, die man noch im Magazin von Sabielitz fand, bei diesem Tagesbedarf von 187 Tonnen gerade einmal für 2 Tage gereicht. Die Haferlieferungen aus dem Saatzer Kreis wären für 4 ½ Tage und die Strohmenge bei einem Gesamtverbrauch von 184 Tonnen pro Tag für knapp 6 ½ Tage ausreichend gewesen. Mit den Heuvorräten konnte man bei einem Tagesverbrauch von rund 147 Tonnen sogar 17 Tage auskommen. Insgesamt war die Verpflegung der Pferde selbst ohne die Karenz bei den Rationen für 1 ½ Wochen sichergestellt und auch nur unter der Voraussetzung, dass man die Lieferungen aus dem Saatzer Kreis extrem forcierte, sodass diese schnell eintrafen. Aufgrund dieser knappen Bestände waren die Truppen der Belagerungsarmee schon früh darum bemüht, weitere Vorräte in der näheren Umgebung aufzutreiben. So musste die Herrschaft Königsaal südlich von Prag, die schon seit dem 30. April Lieferungen zu leisten hatte, am 8. Mai unter Androhung härtester Strafmaßnahmen ohne den geringsten Zeitverlust unter anderem 4.000 Portionen Brot, 10 Kälber, 10 Schöpse, 4 fette Ochsen und 8.000 Palisaden abführen27. Angesichts der prekären Versorgungslage bei Prag beschlagnahmte schon am nächsten Tag ein preußischer Oberst mit 200 Gemeinen sämtliche Korn-, Mehl- und Raufuttervorräte der Herrschaft. Am 10. Mai traf ein noch stärkeres Kommando ein und plünderte, was für die Notdurft von Mensch und Tier noch vorhanden war, jedoch ohne die Wirtschaftsgeräte zu schädigen. Es wurden auch 10 Pferde, 6 Fohlen, 5 Kühe und 10 Ochsen eingezogen, mit Ausnahme der Pferde aber alle wieder freigelassen. In den nächsten beiden Tagen bemächtigten sich die preußischen Truppen dann offensichtlich noch der Weinvorräte, die sie entweder verkonsumierten oder in ihre Lager abführten. Ähnlich wie der Herrschaft Königsaal erging es offenbar den Dörfern Lisnitz, Nzidka, Dawle und Schena, wobei 4 sogenannte Mayerhöfe völlig ausgeplündert wurden28. IV.4.2. Die Operationen des Herzogs von Bevern gegen die Armee des Feldmarschalls Daun Aber nicht nur König Friedrichs Truppen, auch die Einheiten des Herzogs von Bevern waren intensiv mit ihrer Lebensmittelbeschaffung beschäftigt. Die Brotversorgung dieses Korps und der Belagerungsarmee war nach der Schlacht theoretisch noch für mindestens 10 weitere Tage gewährleistet, sodass die Zeit wohl ausreichte, um alle erforderlichen Vorkehrungen in die Wege zu leiten29. Zusätzlich waren 500 Wagen mit Mehl in Richtung Jungbunzlau in Anmarsch, die aber wegen des hohen Eigenversorgungsanteils ver-
26 Zu
den Mengen bei Sabieletz vgl. die Tabelle der bis 23. Mai eroberten Magazinbestände. Zentralst., Generalkriegskommissariat, Akten, Nr. 52 Militärdirectoralia 1757 / IV– V, Faszikel 166. 28 Siehe ebd. 29 Siehe Korge, Johann Erdmann, Von den Verpflegungen der Armeen, Seite 27. 27 OestKA,
IV.4. Vom Beginn der Belagerung Prags bis zur Schlacht bei Kolin295
mutlich nicht mehr als 250 Tonnen an Nachschub heranführten30. Bis zum 10. Mai waren die Vorräte aber noch gar nicht in Mittelböhmen eingetroffen und hinzu kamen weitere Transportschwierigkeiten, sodass der Herzog von Bevern schon an diesem Tag aus Brandeis Folgendes berichtete: „[…] Die Subsistence macht mir die größte Sorge, da die mehrste Regter nur biß auf heute, mit Brodt versehen sind und der ietzigen gantze Vorarth allhier, nur in 2000 Stück bestehet und nur 2 Ofens erst fertig und auch 2 andere aptiret werden, ich muß alßo die Wagens zum Brod empfangen, nach Jung-Buntzlau schicken und zur escorte derselben, daß eine Battl. v. Wied welches noch ein Compan. davon in Wellwarn ist, nicht complet sich befindet […]“31.
Offensichtlich war nicht nur die Heranführung des Mehls, sondern auch die Herstellung der Brote problematisch, da die neue Bäckerei in Brandeis noch nicht eingerichtet und der Weg zur alten nach Jungbunzlau weit und in gewissem Maße auch gefährlich war, weil die Transporte Deckung benötigten, wofür es kaum genügend Einheiten gab. Insofern erscheint es nicht verwunderlich, dass sich die Preußen vor allem in der näheren Umgebung intensiv nach Nahrung umsahen. Deswegen gaben am 8. und 11. Mai die österreichischen Kavallerieoffiziere Oberstleutnant von Luzinsky, Rittermeister Gräfen stein und Rittmeister Puadagni zu Protokoll, dass in der Gegend um Böhmisch Brod keine Fourage und auch kein Brot mehr aufzutreiben war, weil die Preußen alles ausfouragiert und wie bei dem Dorf Prastove alles ausgeplündert hätten32. Die Österreicher selbst waren extrem gut versorgt. Sie gliederten um den 11. und 12. Mai ihre Verbände notgedrungenerweise wie die Preußen in 2 Abteilungen, nämlich die in Prag eingeschlossenen Truppen unter dem Kommando Karl von Lothringens und die Armee außerhalb des Belagerungsrings unter der Führung von Feldmarschall Daun, die sich im Wesentlichen aus der ehemaligen Königgrätzer Armee und den von Prag geflüchteten Einheiten zusammensetzte. Für die Verpflegung waren in den Magazinen von Mittelböhmen noch große Vorräte vorhanden, deren Umfang und Verteilung sich folgendermaßen darstellte:
30 Siehe OestKA, AFA, Nr. 600: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 V (1–308), Faszikel 263. 31 GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 102 D: August Wilhelm von Braunschweig-Bevern 1757, Blatt 106 Vorderseite. 32 Siehe OestKA, AFA, Nr. 601: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee V (309–Ende), Faszikel 329 und 408.
296
IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757 Tabelle 53 Verbliebene Bestände der österreichischen Truppen in Böhmen nach der Schlacht bei Prag33
Magazine
Mehl
Brot
niederöst. Portionen Zentner Feldmagazin
Hafer
Gerste
Heu
Stroh
Lagerstroh
niederöst. Metzen
11 lb
7 lb
12 lb
93.754
2.742
636
27.067
Podiebrad, Nimburg
8.552
67.000
43.623
9.324
168.420
7.189
11.896
Kolin
24.931
22.040
59.373
4.791
164.251
6.238
31.865
Kuttenberg
15.011
17.232
157.312
25.928
Königgrätz
24.561
77.782
35.589
5.936
119.625
Pardubitz
35.179
37.303
44.126
13.307
16.861
397
Semin
10.116
10.458
2.519
76.631
1.878
Leitomischl
22.340
119.075
1.022
475
Hohenmauth
10.514
Landskron
11.073
Politzka
39.546
Summa
190.311
Summe in Tonnen
11.609
3.639 4.492
13.622 13
93.875
2.020
315.111
576.690
65.407
586.952
15.702
51.892
158
18.262
2.071
323
55
311
Für die 29.500 Mann und die 9.100 Pferde der Kampftruppe hätten sämtliche Bestände im Bereich der Truppenverpflegung mehr als 16 Monate und für die Pferde, bei einem Verbrauch von ca. 55 Tonnen Hartfutter pro Tag, rund 12 Monate gereicht. Dem liegt jedoch schon die Kalkulation nach dem erhöhten Satz von 1 ½ Pferdeportionen oder 6 Kilogramm Hartfutter zugrunde, den die Österreicher nutzten, um die fehlenden Heu- und Strohmengen zu kompensieren, die in der Tat spärlicher vorhanden waren. Dafür enthielten die Magazine in der unmittelbaren Nähe bei Podiebrad, Nimburg, Kolin, Kuttenberg, Königgrätz und Pardubitz die größten Bestände an Mehl und Hartfutter, sodass selbst hier die Versorgung rund 8 Monate für die Tiere und 10 Monate für die 33 Zu sämtlichen Angaben in dieser Tabelle ohne die Umrechungen siehe OestKA, Zentralst., Generalkriegskommissariat, Akten, Nr. 52 Militärdirectoralia 1757 / IV–V, Faszikel 106: HaubtVorraths Rapport Ueber die nachbeannten Stationen befindlichen und unter Commando des He. General Feldmarschallen Grafen Daun Excellen stehend kayl. Königlichen Armee gehörigen Proviant Naturale bis inclusive 11. Mai 1757.
IV.4. Vom Beginn der Belagerung Prags bis zur Schlacht bei Kolin297
Soldaten gewährleistet war. Auch die Brotvorräte in diesen nahegelegenen Magazinen reichten für über 10 Tage und konnten kaum verbraucht werden. Der Überfluss war offenbar darauf zurückzuführen, dass Kommissar Hauer zur Unterstützung des Verbandes vor der Schlacht bei Prag in Kolin noch 20 Backöfen hatte errichten lassen34. Die Zufuhr aus den Magazinen zur Armee war weitestgehend unproblematisch, denn um den 16. Mai verfügte man hierfür über 1.579 Wagen35, inbegriffen die 129 Proviantwagen der regulären Regimenter und die rund 630 Wagen des bedungenen Fuhrwesens36. Demzufolge stand eine Gesamtbeförderungskapazität von 2.000 Tonnen zur Verfügung, mit der sich die 80 Tonnen des Tagesbedarfs für Mensch und Tier fast 30-mal transportieren ließen. Wenn alle Wagen mit 4 Pferden bespannt waren, umfasste die Streitmacht 15.416 Pferde, die pro Tag rund 93 Tonnen Hartfutter verbrauchten. Selbst bei diesem Bedarf reichten schon die Vorräte der nahegelegenen Ortschaften für 4 ½ Monate. Angesichts der erheblichen Stärke und guten Versorgungslage musste es äußerst merkwürdig erscheinen, wenn sich die Österreicher zunächst vor den Einheiten des Herzogs von Bevern und des Generalleutnants von Zieten, die rund 9.000 Mann schwächer waren, zurückzogen, als jene am 11. Mai bis Böhmisch Brod und am dann am 12. Mai bis in die Gegend von Schwartz-Kosteletz vorrückten. Der österreichische Oberleutant Magy berichtete, dass die Preußen von der Herrschaft Kosteletz umgehend beträchtliche Naturalienmengen verlangten und zur Bekräftigung ihrer Forderung den Burggrafen als Geisel nahmen. „Die Herrschaft Costeletz solle geben anheuth 40000 Port. Brodt Heu und Haaber 40000 Port. Bier 500 Vaß 20 Cent. Butter Saltz 20 Väsl. Gänß 15 Ändten 15 Hüner 50 Capüauner 50
34 Siehe OestKA, Zentralst., Generalkriegskommissariat, Akten, Nr. 52 Militärdirectoralia 1757 / IV–V, Faszikel V / 75: Schreiben Grechtlers aus Beneschau am 7. Mai 1757. 35 Siehe OestKA, AFA, Nr. 600: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee V (1–308), Specification waß bei nachstehenden Infanterie und Cavallerie Regimentern an Proviant, Zelter- und Munitionswägen, Artiglerie, dann brauchbar und unbrauchbare Feuergewöhr nebst Schantzzeug befindlich. 36 Siehe OestKA, Zentralst., Generalkriegskommissariat, Nr. 53 Militärdirectoralia 1757 VI– IX / 100, Faszikel VI / 110: StandesTabella Über das zu den kayl. Königl. Proviant schwergedungene Landt-Fuhren, wie starck sich diese nemlich mit 1mo Maji orientiertmassen befanden, zeitherozugewachsen, und abgegangen, infolgsame Effective unter heutige Dato verbleiben, Dobrawitz den 28ten Maji 1757.
298 Kälber Ochsen Holtz Löchter
IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757 10 Stk. 300 Stk. 200 Clafter 2 Cent“37.
Da diese Brot-, Hafer- und Heumengen die Versorgung des Korps wohl nur für 2 oder 3 Tage ermöglichten, herrschte ziemlich großer Mangel bei den Truppen des Herzogs von Bevern, zumal er berichtete, dass „[…] einige Regimenter schon seit einigen Tagen nicht mehr mit Brod versehen, indem der Magazin Vorrath in Brandeis nur geringe gewesen, und Jung-Buntzlau allzu weit ablieget. Ob ich gleich in hiesiger Gegend Ausschreibungen thun lassen, so kann man doch, da keine Anspannung verhanden, nicht darauf rechnen. Mit der Cavallerie ist ebenfalls nicht zum Besten beschaffen, da heute von einem Regiment 9, und von einem anderen 7 Pferde gestürtzt sind […]“38.
Dem König teilte Bevern mit, er habe nach dem Vorrücken von Böhmisch Brod in Richtung Planian von den Landeseinwohnern erfahren, dass Feldmarschall Daun mit 27–30.000 Mann hinter den dortigen Engpässen stehe39. Er sehe jedoch keine Möglichkeit, ihn anzugreifen, da die Kavallerie angesichts des Unterholzes eher hinderlich als nützlich sei und nicht genügend Infanterie zur Verfügung stehe40. Am 13. Mai hatte der König Friedrich dem Intendanten des schlesischen Korps Generalmajor von der Goltz befohlen, sich der Versorgungsprobleme des Bevern’schen Korps anzunehmen. Weitere infanteristische Verstärkung konnte der Verband vom Grenadierbataillon Gemmingen erwarten. Das Bataillon und auch die Regimenter Manteuffel und Wied sollten ihr Brot zunächst aus Brandeis beziehen. Zusätzlich empfahl der König Kaurzim und Kosteletz für die Brotherstellung zu nutzen und als Ausgleich für mögliche Engpässe zusätzliches Schlachtvieh anzukaufen. Nachdem die Verpflegung der Truppen sichergestellt war, sollte Bevern nach Kolin vorrücken, um Jungbunzlau zu decken, da Dauns Truppen nach Meinung des Königs nur 14.000 Mann stark waren41. Allerdings informierte ihn der Herzog am nächsten Tag, dass General von Zieten und Oberst von Finck die Stärke des Feindes anhand des verlassenen Lagers erneut auf bis zu 30.000 Mann veranschlagten und die Verpflegungssituation weiterhin ungünstig war42. Es wurde zwar in Kosteletz, Kaurzim und Böhmisch Brod seit dem ersten Tag gebacken, da es aber an vielem hierzu fehlte, ging es sehr langsam voran. Dennoch sicherte er dem König zu, in Richtung Kolin vorzurücken, sobald die Truppenverpflegung 37 OestKA,
AFA, Nr. 601: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 V (309–Ende), Faszikel 408. I. HA., Rep. 96, Nr. 102 D: August Wilhelm von Braunschweig-Bevern 1757, Blatt 110 Vorderseite. 39 Siehe ebd. 40 Siehe ebd. 41 Zum gesamten Absatz siehe Friedrich II., Politische Correspondenz, Bd. 15, Nr. 8934. 42 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 102 D: August Wilhelm von Braunschweig-Bevern 1757, Blatt 114 Vorderseite. 38 GStAPK,
IV.4. Vom Beginn der Belagerung Prags bis zur Schlacht bei Kolin299
wieder in ausreichendem Maße funktioniere und man einen gewissen Vorrat produziert habe43. Zurückzuführen waren die Probleme bei der Brotversorgung darauf, dass sie zum Großteil noch immer über Jungbunzlau organisiert wurde, von wo offenbar alle Truppen rechts der Elbe, d. h. auch die Masse der Belagerungsarmee und das Korps des Herzogs ihr Brot erhielten. Deshalb mussten dort alle 3 Tage auch 100.000 Brote hergestellt werden, die den Einheiten permanent von ihren Proviantwagen zugeführt wurden44. Genauso problematisch wie die langen Wege war dabei der Umstand, dass es zwischen den Offizieren, die mit der Abholung betraut waren, und den Bäckerburschen zu Streitigkeiten kam, die deshalb sogar mit Spießrutenlaufen betraft werden sollten. Die meisten von ihnen kamen dieser Maßnahme aber zuvor, indem sie bei Nacht die Stadt verließen. Erst nach 2 Tagen konnten sie vom Feldkriegskommissariat zur Rückkehr bewegt werden, indem es für die Freilassung der inhaftierten Bäcker sorgte45. Durch den Vorfall kam es zu weiteren Verzögerungen bei den Brotlieferungen, sodass manche Regimenter, wie schon erwähnt, unterversorgt bei Beverns Korps eintrafen. Mit den Ausschreibungen war kaum Abhilfe zu schaffen, weil es hierzu an ausreichenden Wagen mangelte, viele Ortschaften zu entlegen schienen und auch die feindlichen Husaren die Abholung erschwerten46. Dennoch hatte Oberst Finck am 14. Mai von den Herrschaften Beneschau und Konopitsch 30.000 Portionen Brot, 25.000 Rationen Hafer, Gerstenheu oder Heckerling sowie 10 Ochsen und 6 Pferde gefordert, für deren Ablieferung bis zu 14 Tage angesetzt waren47. Da es aber auch an Munition für die Artillerie, Gewehren und Verpflegungsgeldern fehlte, war an ein weiteres Vorrücken des Korps in Richtung Kolin vorerst eigentlich nicht zu denken. Auch um die Kavallerieverpflegung war es nach wie vor schlecht bestellt, denn aus Hafermangel fütterten die Regimenter schon seit einigen Tagen Roggen und inzwischen war auch abzusehen, dass man auf das Grünfutter würde zurückgreifen müssen48. Dem Herzog von Bevern zufolge befanden sich die Dragoner- und Husarenregimenter noch in halbwegs guter Verfassung, den Zustand der Kürassiere hingegen bezeichnete er als „kläglich“49. 43 Vgl.
ebd. Anzahl entsprach beim Standardgewicht der Brote von 6 Pfund auch 300.000 Portionen und damit dem Tagesbedarf für genau 100.000 Mann. 45 Zum gesamten Absatz siehe Korge, Johann Erdmann, Von den Verpflegungen der Armeen, Seite 47 f. Im Rahmen dieser Episode setzte sich das Feldkriegskommissariat selbst gegenüber dem Stadtkommandanten Generalmajor von Brandis durch, der sich für die Vollstreckung der Strafe aussprach, obwohl sich herausstellte, dass die Offiziere die Auseinandersetzung verursacht hatten und dazu im Unrecht waren. 46 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 102 D: August Wilhelm von Braunschweig-Bevern 1757, Blatt 114 Vorderseite. 47 Siehe OestKA, Zentralst., Generalkriegskommissariat, Akten, Nr. 52 Militärdirectoralia 1757 / IV–V, Faszikel V / 194: Copie der Ausschreibung aus Hauptquartir Krzig ohnweit Böhmisch Brod am 14. May 1757. 48 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 102 D: August Wilhelm von Braunschweig-Bevern 1757, Blatt 114 Rückseite. 49 Siehe ebd. 44 Diese
300
IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
König Friedrich war jedoch der Ansicht, dass sich die schlesische Kavallerie an das Roggenfüttern noch nicht gewöhnt hatte, weil sie bisher immer mit Hafer aus den Magazinen verpflegt wurde. Man müsse jedoch darauf achten, den Rocken zu befeuchten und ausquellen zu lassen und ihn dann genauso wie den Hafer zu verwenden. Er fügte noch hinzu, dass er bei seinen Truppen nur Rocken an die Pferde verfüttern ließ, meinte, die Probleme bei Beverns Einheiten seien auf die falsche Handhabung dieser Verpflegungsmethode durch die dortigen Kavallerieoffiziere zurückzuführen. Auch den Berichten über die Stärke des Feindes wollte der König keinen Glauben schenken und meinte seinen Kopf darauf wetten zu können, dass dieser keine 30.000 Mann stark sei. Er kündigte jedoch an, nach Rücksprache mit General von der Goltz die Bäckerei nach Nimburg zu verlegen und vom Regiment von Münchow, das ohnehin zum Korps des Herzogs stoßen sollte, das Mehl heranführen zu lassen. Die Stadt Nimburg, wohin auch die Munitionswagen und die Gelder gelangen sollten, erhielt diese Einheit und das sächsische Grenadierbataillon von Kahlenberg zunächst als Besatzung50. Diese Maßnahme nahm der Herzog von Bevern dankbar zur Kenntnis und stellte am 15. Mai in Aussicht, in 2 Tagen, wenn ein 3-tägiger Brotvorrat organisiert worden sei, in Richtung Kolin zu marschieren. Er ließ auch die Anweisung zur Roggenfütterung an die Kavallerieregimenter übermitteln, von denen die Kürassierregimenter Krockow und Kyau mit 400 bis 500 Berittenen noch zu den stärksten gehörten, teilte dem König aber mit, dass sie nicht wegen der Nachlässigkeit ihrer Offiziere, sondern in erster Linie aufgrund der Schlachtverluste geschwächt seien51. Den König schien dies überhaupt nicht zu interessieren. Er hielt auch an seinen Vorstellungen hinsichtlich der Stärke der feindlichen Armee von rund 20.000 Mann fest und schenkte den jüngsten Berichten, die ihm der Herzog von Bevern durch einen Spion des Generals von Zieten übermittelt hatte, keinen Glauben52, obwohl die Österreicher diesen zufolge inzwischen auch Verstärkungen aus Ungarn erhielten53. Am nächsten Tag ergänzten 2 weitere Musketierbataillone Beverns Korps, das damit nun 15 Bataillone zählte. Eine österreichische Ausschreibung, an die der Herzog gelangte, veranlasste ihn zur Vermutung, dass Dauns Truppen seinen Vormarsch nach Kolin nicht aufhalten würden. Am 17. Mai rückte der Verband dann doch in 3 Kolonnen vor. Obgleich es zwischen der Vorhut und den leichten Einheiten der Österreicher zu kleineren Scharmützeln kam, zog sich diese bald zurück, nachdem es den Preußen gelungen war, die beherrschende Stellung des Galgenbergs zu erobern. Während die Husarenregimenter die Vorstädte besetzten, wurden 2 Bataillone in der Stadt selbst stationiert, wo man ein Getreide- und Mehlmagazin vorfand. Die Österreicher zogen sich in Richtung
gesamten Absatz siehe Friedrich II., Politische Correspondenz, Bd. 15, Nr. 8943. GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 102 D: August Wilhelm von Braunschweig-Bevern 1757, Blatt 117 Vorderseite. 52 Siehe Friedrich II., Politische Correspondenz, Bd. 15, Nr. 8948. 53 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 102 D: August Wilhelm von Braunschweig-Bevern 1757, Blatt 117 Rückseite. 50 Zum
51 Siehe
IV.4. Vom Beginn der Belagerung Prags bis zur Schlacht bei Kolin301
Kuttenberg und Alt-Kolin zurück, wo angeblich 16.000 Mann Verstärkung aus Ungarn unter Nadasdy ankamen54. König Friedrich war abermals der Ansicht, dass es sich hierbei höchstens um 6.000 Mann handeln könne, und gratulierte dem Herzog von Bevern zur Eroberung des Magazins, die er als höchst nötig betrachtete55. Dieser berichtete, dass man in Kolin die Backtröge noch eingeknetet und die Öfen angeheizt vorgefunden habe. Auch in Nimburg, wo der Oberst Queis mit dem Regiment Münchow eingetroffen war, hatten 3 feindliche Husareneskadrons noch 7 gemauerte Öfen und einen Mehlvorrat und Fourage zurückgelassen. Insofern war das Problem der Broterstellung zunächst gelöst. Allerdings teilte Bevern dem König mit, dass das Mehl in Kolin nur für 1 Tag und die Fourage höchstens für 3 Tage reichen würde, weil alles sehr knapp sei56. Geschuldet war dieser Mangel offensichtlich dem Umstand, dass die Österreicher sich über Alt-Kolin bis Czaslau zurückzogen und ihre Vorräte zum Großteil evakuierten. „[…] Aus Neu-Kollin hat man gleichwohlen, so viel wie möglich ware herausgeführet, in dem Feld-Magazin Basta, und in jenem zu Kuttenberg hat man bis um Mitternacht soviel leere Wägen als vorhanden, und solang die Armee in der Nähe ware beladen […]“57.
Obwohl die Truppen der Habsburger ihre Vorräte teilweise gerettet hatten und mit den anderen Lebensmitteln die Verpflegung ihrer Soldaten und Pferde bequem gewährleisten konnten, mussten sie sich eingestehen, bis zu diesem Zeitpunkt schon beachtliche Mengen in Mittelböhmen eingebüßt zu haben. Den Beleg liefert folgende Tabelle (siehe nächste Seite). Die bei Kolin und Heuschupffen erbeuteten Vorräte entsprachen 348 Tonnen Hartfutter und rund 440 Tonnen Heu. Da Beverns Korps schon ohne die 10- %-Karenz bei den Rationsmengen mindestens 15.600–15.800 Pferde versorgen musste, was nach dem Standardsatz 80 Tonnen Hafer und 62 Tonnen Heu entsprach, so reichte das Hartfutter 4 Tage, sprich vom 19. bis zum 23. Mai, das Heu aber zumindest 7 Tage, also bis zum 26. Mai. Die Kalkulation ist aber nur korrekt, wenn man aufgrund der vorangegangenen Unterversorgung nicht gezwungen war, höhere Rationssätze auszugeben und somit die bisher aufgetretenen Mangelerscheinungen zu kompensieren. Einfacher wurde die Verpflegung der Pferde vorerst ohnehin nicht, weil der König dem Herzog von Bevern am 19. Mai auch noch das Kürassierregiment Karabiniers zuteilte, da schon zu diesem Zeitpunkt bei Prag Engpässe wegen der Fourageknappheit auftraten.
54 Zum gesamten Absatz siehe Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 2: 1757, Teil 1, Seite 105 und zu den angeblichen Verstärkungen Nadasdys GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 102 D: August Wilhelm von Braunschweig-Bevern 1757, Blatt 121 Vorderseite. 55 Siehe Friedrich II., Politische Correspondenz, Bd. 15, Nr. 8959. 56 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 102 D: August Wilhelm von Braunschweig-Bevern 1757, Blatt 123 Rückseite und 124 Vorderseite. 57 OestKA, Zentralst., Generalkriegskommissariat, Akten, Nr. 52 Militärdirectoralia 1757 / IV–V, Faszikel V / 175: Schreiben Baron Grechtler aus Hauptquartier Czaslau am 18. Mai 1757.
302
IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757 Tabelle 54 Übersicht der österreichischen Magazinverluste in Mittelböhmen bis zum 23. (22.) Mai 175758
Magazins
Mehl Weizen
Brot
Gerste
Hafer
Heu
Korn
niederöst. Zentner
Port.
Sabielitz bei Prag
niederöst. Metzen
Zentner
20
12.199
3
Stroh Futter
Lager
Zentner
Bund à 12 lb
Kolin und Heuschupffen
201
421
1.275
4.192
6.828
8.004
388
15.797
Summe
201
421
1.275
4.222
19.027
8.007
388
15.797
Summe in Tonnen
12
25
134
1.052
440
94,5
„[H]ier [d. h. bei Prag], da die Armee auf einem Fleck stehet, würde es Mir schwer, wenn nicht sogar unmöglich fallen, sie wegen der Pferde zu ernähren, hergegen Ew. Liebden Gelegenheit haben, solche wohl gegen der Elbe als auch rechter Hand gegen die Sazawa, wo sich noch überall was findet, zu ernähren […]“59.
Bevern versprach dem König für die Verpflegung so gut wie möglich zu sorgen und wies noch einmal darauf hin, dass den Kürassierregimentern Kyau und Krockow nicht wegen schlechter Fütterung, sondern aufgrund ihrer Schlachtverluste und wegen der Zurücklassung des Aufstockungskontingente in Schlesien 230 bzw. 280 Pferde fehlten. Da dies auf die Regimenter Stechow und Blankensee ebenso zutraf, waren sie nicht schwächer als die anderen Kavallerieeinheiten, die an der Schlacht von Prag teilgenommen hatten. Wegen der bedingten Einsatzfähigkeit und numerischen Schwächung der schweren Kavallerie übernahm die Sicherung der Verbindungswege zwischen den wichtigsten Bäckereistützpunkten Kolin, Nimburg und Jungbunzlau aber nun das Husarenregiment von Puttkammer60. Die Brotversorgung funktionierte zu diesem Zeitpunkt ohnehin wieder etwas besser, denn wie die folgende Ausschreibung von Oberst Fincks vom 19. Mai zeigt, wurden inzwischen weniger Brotportionen von den umliegenden Herrschaften gefordert. Der Bedarf an Pferdefutter blieb jedoch unvermindert hoch und wurde, wie die anderen Lebensmittel, unter Androhung härtester Strafen im Falle der Nichteinhaltung eingefordert. 58 Zu sämtlichen Originalangaben in der Tabelle siehe OestKA, AFA, Nr. 631: Siebenjähriger Krieg 1757, HKR V–VI, Faszikel VI, 13 h. Am 22. Mai kam das noch nicht registrierte Magazin bei Suchdol hinzu. 59 Friedrich II., Politische Correspondenz, Bd. 15, Nr. 8964. 60 Zum gesamten Absatz siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 102 D: August Wilhelm von Braunschweig-Bevern 1757, Blatt 125 Rückseite.
IV.4. Vom Beginn der Belagerung Prags bis zur Schlacht bei Kolin303 „Der Herrschaft Janowitz, wird Nahmens S. hochfürstl. Durchlaucht Hertzog von Bevern, Königl. Preuß. Generallieutnant von der Infanterie, hiermit nochmahls alles Ernstes anbefohlen 4000 Portiones an Bordt a 2lb. 4000 Rationes, Haber, Heu, Stroh und Heyel 10 Faß Bier 5 Stück Ochsen 4 Zugpferde 3 Fässer Saltz 3 Strich Erbsen und 3 Strich Linsen Ohne den Geringsten Anstand, zu hochfürstl. Durchl. Corps d’Armee und zwar von dato an, bis auf das längste 26 hujus, in Hauptquartier zur Stadt Collin an der Elbe, benebst allerhand Vicutalie, als Geflügel, Wildprett, Fische, Eyer und Butter zu Se hochfürstl. Durchl. Küche anzuliefern, wiedrigenfalls zu gewärtigen, daß gedachte Herrschaft mit militarischer Execution beleget, ja mit Feuer und Schwerdt ganz gewiß bestrafft werden wird61“.
Neben den Ausschreibungen erhielten die Preußen zusätzlich aus Schlesien 600 Schlachtochsen und ließen sogar noch Getreide auf einem Schüttboden bei Sogdel oder Suchdol zurück62. Seit dem 22. Mai hatte sich die Lage hinsichtlich der Kavallerieverpflegung deutlich entspannt, denn an diesem Tag war es den Preußen gelungen, das Magazin bei Suchdol zu erobern. Man hatte die Generäle von Ziethen, Manstein und Krockow mit 4 Bataillonen und 1.100 Pferden entsandt, um das Magazin, das sich in einem großen Speichergebäude befand, zu erbeuten. Nachdem sie große Teile des Getreides mitgenommen hatten, verließen sie den Ort wieder63. Die Österreicher bestätigten, dass den Preußen rund 30.000 Metzen Hartfutter in die Hände gefallen waren64, denn dort fanden sich 8.044 Metzen Gerste und 21.333 Metzen Hafer65, was insgesamt 925 Tonnen Hartfutter entsprach. Laut Bevern reichte diese Menge aber nur aus, um das Korps für weitere 5 Tage zu versorgen66. Wenn das Regiment Karabiniers inzwischen eingetroffen war, dann musste man inzwischen 80 Eskadrons verpflegen, was vermutlich um die 16.000 Pferde entsprach, die pro Tag rund 82 Tonnen Hartfutter konsumierten. Folglich reichte die eroberte Menge für 11 Tage, sprich bis zum 6. Juni. Berücksichtigt ist dabei noch nicht einmal, dass die schlesischen Infanterieregimenter und die Kavallerie wegen der erwähn61 OestKA, AFA, Nr. 601: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 V (309– Ende), Faszikel 502a. 62 Siehe ebd., Faszikel 527 Nachtrag und Faszikel 531. 63 Zum gesamten Absatz siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 102 D: August Wilhelm von Braunschweig-Bevern 1757, Blatt 137 Vorder- und Rückseite. 64 Siehe OestKA, Zentralst., Generalkriegskommissariat, Akten, Nr. 52 Militärdirectoralia 1757 / IV–V, Faszikel V / 198: Schreiben aus Hauptquartier in Czaslau am 23. Mai 1757. 65 Zu den eroberten Mengen siehe Kriegsakten, Nr. 346: Consignation Uber die vornjähriger 1757 Campagne bey nachstehende Proviant Magazinen und Postierungs-Stationen vermög der Schluß-Extracten und bereits angelangten Rechnungen dem Feind zurückgelassenen von dessen hin wiederum überkommenden Naturalien und Materialien. 66 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 102 D: August Wilhelm von Braunschweig-Bevern 1757, Blatt 137 Vorderseite.
304
IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
ten Schlachtverluste und der zurückgebliebenen Aufstockungskontingente gar nicht komplett waren. Insofern dürfte die Behauptung des Herzogs von Bevern, dass die eroberten Vorräte nur für weitere 5 Tage zureichend gewesen seien, also übertrieben sein, wenn nicht weitere Pferdemengen wie die der Transportwagen ebenfalls mitversorgt werden mussten. Letzteres ist aber durchaus vorstellbar, zumal allein die Abholung des Magazins 1.762 vierspännige Wagen erforderte, deren 7.048 Vorspannpferde bei normaler Hartfutterration einen zusätzlichen Verpflegungsbedarf von 36 Tonnen erzeugt hätten. Aber selbst bei einem Tageskonsum von 118 Tonnen hätten die Vorräte diesen noch für 8 Tage gedeckt, alles in allem also bis zum 3. Juni. Während sich die Versorgungslage der preußischen Kavallerie nun deutlich gebessert hatte, war ein weiteres Vorrücken angesichts der quantitativ so begrenzten Infanteriekräfte kaum möglich. Schon am 18. und 19. Mai hatte König Friedrich angekündigt, das Grenadierbataillon Nimscheffsky zu entsenden, das bisher zur Bewachung der Iserbrücke von Stranow eingesetzt war und nun zusammen mit dem Regiment Münchow nach Nimburg verlegt werden sollte67. Während das Grenadierbataillon und das 1. Bataillon des Infanterieregiments Prinz Heinrich am 20. Mai eintrafen, sodass sich das Korps auf 17 Bataillone verstärkte, ließ das Regiment Münchow weiter auf sich warten. Am 21. Mai waren die 2 Bataillone immer noch nicht eingetroffen, zumal das 1. Bataillon des Regiments für die Bewachung der erwähnten Transporte aus Schlesien Richtung Gitschin entsandt worden war. Unterdessen beklagte sich der Herzog von Bevern, dass derzeit bei seinem Korps 5.000 Mann und 2.500 Pferde fehlen würden68. Folglich können der Kavallerie selbst nicht viel mehr als 13.500 Stück zur Verfügung gestanden haben. Um die Situation zu verbessern, bat der Herzog den König nun darum, die Aufstockungskontingente aus Schlesien heranziehen zu dürfen und ihm einige der Rekonvaleszierten aus den Prager Lazaretten zuzuteilen. Allerdings erhielt er in beiden Anliegen eine abschlägige Antwort, weil man die Kontingente der schlesischen Regimenter benötigte, um die Gebirge weiterhin gegen die Österreicher zu sichern und es noch nicht viele wiedergenesene Soldaten bei Prag gab69. Wegen der geringen Korpsgröße und der geringen Infanteriemenge zog der Herzog in den nächsten Tagen viele Berichte über die Zusammensetzung und Verfassung der österreichischen Truppen ein und tauschte sich mit König Friedrich hierüber aus. Am 19. Mai bezifferte ein desertierter österreichischer Korporal vom Regiment Deutschmeister die Stärke der Truppen bei Alt-Kolin und Czaslau nach der Auskunft eines Kameraden vom Dragonerregiment Alt-Savoye schon auf 38–40.000 Mann70. Außerdem konnte er dem Herzog mitteilen, dass die Armee überall Magazine errichtet hatte und bei Czaslau große Friedrich II., Politische Correspondenz, Bd. 15, Nr. 8959 und 8964. GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 102 D: August Wilhelm von Braunschweig-Bevern 1757, Blatt 134 Rückseite. 69 Siehe Friedrich II., Politische Correspondenz, Bd. 15, Nr. 8979. 70 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 102 D: August Wilhelm von Braunschweig-Bevern 1757, Blatt 127 Vorder- und Rückseite. 67 Siehe 68 Siehe
IV.4. Vom Beginn der Belagerung Prags bis zur Schlacht bei Kolin305
Vorräte vorhanden waren, ausgenommen an Heu71. Tatsächlich umfasste Dauns Streitmacht schon zu diesem Zeitpunkt nach dem dienstbaren Stand wieder 40.290 Mann inklusive 13.530 Berittener72 und war damit fast doppelt so stark wie die Streitmacht des Herzogs von Bevern. König Friedrich hielt aber selbst eine Größe von 30.000 Mann auf Seiten des Gegners für übertrieben und war offenbar der festen Überzeugung, dass die Kampftruppe nur 24.000 Mann umfasste73. Während er am 23. Mai noch immer zu dieser Ansicht neigte74, gelangte er nur einen Tag später doch zu der Einsicht, dass Feldmarschall Daun möglicherweise 30.000 Mann an regulären und 8–10.000 Mann an irregulären Truppen zur Verfügung stehen könnten75. Genährt wurde dieser Verdacht am 25. Mai eigentlich durch den Bericht eines weiteren Deserteurs, der die Stärke der österreichischen Truppen auf 40.000 Mann bezifferte76. Auch diese Größenordnung schien dem König zu hoch, was er damit begründete, dass die österreichischen Unteroffiziere und Offiziere sehr viele Brotportionen erhielten und 40.000 Stück eher auf eine Stärke von 30.000 Mann hindeuteten77. Allerdings berichtete am 31. Mai ein weiterer Deserteur aus dem Regiment Ahremberg, dass die österreichischen Truppen bei Czaslau inzwischen 50.000 Mann umfassten78. Tatsächlich betrug der dienstbare Stand von Feldmarschall Dauns Armee Ende Mai bereits 53.024 Mann und 21.588 Pferde79. Auch die Anzahl der Transportwagen hatte sich zu diesem Zeitpunkt noch einmal leicht erhöht, sodass die Versorgung aus den nahegelegenen Magazinen wie Königgrätz und Pardubitz weiterhin völlig unproblematisch war. Bis zum 28. Mai waren noch einmal 40 Wagen Zuwachs zu verzeichnen, wobei die meisten nach wie vor aus den Kreisen von Troppau, Königgrätz, Olmütz und Brünn stammten. Aus dem letztgenannten Kreis stellte der Fuhrunternehmer Elias Bien besonders viele Fuhrwerke, nämlich 100 vierspännige, 7 dreispännige und 6 zweispännige Wagen, zur Verfügung. Die Ausstattung hinsichtlich der Transportmittel und Gesamtversorgungslage blieb also weiterhin äußerst günstig80. 71 Siehe
ebd., Blatt 129 Vorderseite. OestHHStA, Kriegsakten, Nr. 334: Summarischer Stand wie starck sich heut dato den 19ten May Anno 1757 die kayl. königl. unter meinem General-Commando stehende Armee effective befindet, was sich weitherswo hiervon absent krank und undienstbahr auch commandiret befindet, mithin bey der Armee wirklich zu Diensten verbleibet. 73 Siehe Friedrich II., Politische Correspondenz, Bd. 15, Nr. 8969. 74 Siehe ebd., Bd. 15, Nr. 8980. 75 Siehe ebd., Bd. 15, Nr. 8987. 76 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 102 D: August Wilhelm von Braunschweig-Bevern 1757, Blatt 145 Vorderseite. 77 Siehe Friedrich II., Politische Correspondenz, Bd. 15, Nr. 9009. 78 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 102 D: August Wilhelm von Braunschweig-Bevern 1757, Blatt 152 Vorderseite–153 Rückseite. 79 Siehe OestKA, AFA, Nr. 600: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee V (1–308), Faszikel 151. Der Effektivstand belief sich sogar auf 69.081 Mann und 26.842 Pferde. 80 Siehe OestKA, Zentralst., Generalkriegskommissariat, Akten, Nr. 53 Militärdirectoralia 1757 VI–IX / 100, Faszikel VI / 110: StandesTabella Über das zu den kayl. Königl. Proviant schwerge72 Siehe
306
IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
Die Österreicher betrieben Ende Mai / Anfang Juni immer noch intensive Nachforschungen zu den Ursachen des schlechten Zustands ihrer Kavallerieeinheiten, der zumindest einer der Gründe dafür gewesen sein dürfte, warum diese Waffengattung in der Schlacht bei Prag letztlich doch unterlag und Feldmarschall Dauns Armee trotz ihrer zunehmenden numerischen Überlegenheit noch immer vor den Preußen zurückwich. Feldzeugmeister Carl O’Donnell, der diese Untersuchung u. a. durchführte, kam zu dem Schluss, dass die Pferde vor allem in den Winterquartieren mit minderwertigem Raufutter in zu geringen Mengen versorgt worden waren, sodass sie größtenteils fast schlechter aus den Winterquartieren kamen, als sie dorthin eingerückt waren81. Die Untersuchung beim Serbelloni’schen Kürassierregiment förderte eine weitere Ursache hierfür zu Tage, nämlich die unzureichenden Stallungen in den Winterquartieren. „Bey so gefüter Situation hat das Dienstpferd wegen schlechter Verwachung der Ställe nicht allein viel Kälte ausstehen, sondern auch wegen ermangelnder Streu beständig auch auf denen bloß steinernen oder morastigen Böden liegen müssen“82.
Andere Pferde hatten lange Märsche hinter sich, darunter auch jene im Dragonerregiment de Ligne, das aus den Niederlanden nach Böhmen gekommen und dadurch stark entkräftet war. Die Tiere erhielten dann schlechtes Raufutter und mussten schon nach 6 Wochen wieder ins Feld rücken. Aber nicht nur die vorhandenen Pferde, auch die jungen Ersatzpferde, die an die Belastungen noch nicht gewöhnt waren, wurden mit zu wenig und zu schlechtem Hart- und Raufutter versorgt, sodass sie in schlechte Verfassung gerieten. General Franz Graf von Nadasdy, der sich zu diesem Zeitpunkt noch in Wien aufhielt, äußerte sich hierzu ganz klar: „[…W]egen der rimonda, der Jud hat 500 übernohmen mit halben Juny zu verschaffen, ich besorge aber, daß sie sie dieses campagne nicht diensttauglich seyn werden, weilen auch die vorige Liefferungen matt und krachendürr solle gewesen seyn, in lang seyndt auch keine Pferdt vorfündig […]“83.
Vor allem das Hartfutter, das in den Magazinen in großen Mengen vorhanden war und von den Österreichern in erster Linie für die Pferdeverpflegung genutzt wurde, war eher schädlich als nützlich84: Ein möglichst zeitnaher Einsatz der Kavallerie war aber erforderlich, weil Maria Theresia bei Feldmarschall Daun seit Ende Mai darauf drang, mit den rund 16.000 Mann der leichten Truppen gegen die preußische Armee vorzugehen, indem man dieser die Zufuhr an Lebensmitteln abschnitt oder sie zumindest zwang, sich mit ihren Kräften zu zerstreuen, was nach Meinung der Kaiser-Königin deren Untergang dungene Landt-Fuhren, wie starck sich diese nemlich mit 1mo Maji orientiertmassen befanden, zeitherozugewachsen, und abgegangen, infolgsame Effective unter heutige Dato verbleiben, Dobrawitz den 28ten Maji 1757. 81 Siehe OesKA, AFA, Nr. 631: Siebenjähriger Krieg 1757 HKR V–VI, Faszikel VI / 4v. 82 Ebd., Faszikel VI / 4cc. 83 GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 73 D: Abgefangene Briefe 1757–1759, Schreiben Nadasdys aus Wien am 1. Juni 1757. 84 Zum gesamten Absatz siehe OesKA, AFA, Nr. 631: Siebenjähriger Krieg 1757 HKR V–VI, Faszikel VI / 4v.
IV.4. Vom Beginn der Belagerung Prags bis zur Schlacht bei Kolin307
zur Folge haben musste85. Als Unterstützung dieser leichten Kräfte sollte auch ein Jägerkorps aufgestellt werden. Anlass hierzu gaben vor allem die Verluste, die die Österreicher bisher durch die preußischen Jägereinheiten sowohl im Feld als auch während der Belagerung erlitten hatten, zumal die Preußen mit ihren gezogenen Gewehren bis nach Prag hineinschossen86. Man plante die Jäger in die Einheiten der Kroaten und leichten Truppen einzugliedern, um sie dann zusammen im Rahmen von Scharmützeln einzusetzen87. Offenbar gab es in den Städten und Marktflecken Böhmens auch eine beachtliche Anzahl von Beamten, Müllern, Brauern, Gärtnern und anderen Bürgern, die im Umgang mit Gewehren geübt waren, sodass sich theoretisch eine gute Rekrutierungsgrundlage ergab. Problematisch war jedoch der Umstand, dass die Preußen schon einen Großteil Böhmens kontrollierten, sodass man die dort gelegenen Ortschaften nicht nutzen konnte. Als Sammlungsorte für das Jägerkorps bestimmte man Chrudim und Richenburg im Chrudimer Kreis und Tabor und Neuhaus im Bechiner Kreis, wo jeweils zwischen 1.000–1.200 Mann zusammengebracht werden sollten. Es zeigte sich aber später, dass man faktisch weit hinter der avisierten Größe zurückblieb88. Während die Österreicher nun bemüht waren, ihre Kavallerieeinheiten und leichten Verbände auf Störangriffe und andere Offensivaktionen vorzubereiten, gingen auf preußischer Seite die Überlegungen dahin, sie weiter zurückzutreiben, zumal der König hoffte, dann auch die schlesischen Verstärkungen samt ihrer Bagage heranziehen zu können. In seinem Schreiben vom 2. Juni beklagte er zwar einerseits, dass der Herzog den Feind noch nicht angegriffen habe, räumte aber die Schwierigkeiten ein, weil der Weg von Kuttenberg nach Czaslau zu Dauns Lager voller Engpässe (Defilees) und Schanzen (Ravins) sei89. Die Verpflegungslage des Bevern’schen Korps hatte sich inzwischen zum Teil deutlich verbessert, weil Minister Schlabrendorff am 22. Mai 750 Tonnen Mehl und 166 Tonnen Hafer und 240 Fässer Salz auf 1.300 Wagen nach Böhmen entsandt hatte90. Während der Hafer nur für 2 Tage reichte, konnte man mit dem Mehl die Versorgung des Verbandes für mehr als 5 Wochen bewerkstelligen, sprich bis Anfang Juli. Eskortiert wurde der Konvoi vom ehemals sächsischen Regiment von Wietersheim, das von Torgau über Zittau nach Jungbunzlau verlegt worden war, sowie vom 2. Bataillon des Regiments von 85 Siehe OestHHStA, Kriegsakten, Nr. 358: Schreiben Maria Theresias an Graf Daun vom 28. Mai 1757. 86 Siehe OestKA, AFA, Nr. 603: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 VI (366–Ende), Faszikel 457b. 87 Siehe OestKA, Zentralst., Generalkriegskommissariat, Akten, Nr. 53 Militärdirectoralia 1757 VI–IX / 100, Faszikel VI / 47. 88 Siehe zum Rest des Absatzes OestKA, Zentralst., Generalkriegskommissariat, Akten, Nr. 53 Militärdirectoralia 1757 VI–IX / 100, Faszikel 47: Schreiben aus Wien an Baron von Nettolitzky am 9. Juni. 89 Siehe Friedrich II., Politische Correspondenz, Bd. 15, Nr. 9028. 90 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 89 Kk.2: Generalmajor und -lieutenant von Retzow 1756–1758, Blatt 10 Rückseite.
308
IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
Münchow, das sich ebenfalls Beverns Korps anschloss. Während das Regiment von Wietersheim in Jungbunzlau verblieb, wurden die Transportwagen unter einer Bedeckung über Reichenberg nach Friedland geschickt und von dort nach Schlesien entlassen91. Wie der Mehl- und Hafervorrat weiter bis zu Beverns Truppen gelangte, ist nicht genau klar. Wahrscheinlich wurde er aber von den Proviantwagen der Regimenter dorthin befördert und von den beiden Bataillonen des Regiments Münchow eskortiert, die sich schon seit geraumer Zeit in Nimburg einfinden sollten92. Nachdem das Korps am 4. Juni Verstärkung durch das Regiment von Münchow erhalten hatte, zählte es 19 Bataillone und 80 Eskadrons, d. h. ca. 24.000 Mann. Der Verband rückte nun sogar noch einmal in Richtung Kuttenberg vor, wo es im Vorort Kank zu einem Gefecht mit den Vorhuteinheiten des Generals Nadasdy kam. Da es den preußischen Einheiten relativ schnell gelang, die Anhöhen zu erobern und dort Geschütze in Stellung zu bringen, waren sie in der Lage, die österreichischen Kavallerieeinheiten schnell zurückzutreiben. Anschließend besetzten dann 3 Bataillone Kuttenberg, während die Husarenregimenter auch noch Hyglow und Kloster Sedlitz in Beschlag nahmen. Sowohl in Kuttenberg als auch im Kloster Sedlitz sowie den anderen umliegenden Orten Malin, Neuhoff und Maleschau fand man ansehnliche Magazine. Die Gesamtmenge der Vorräte, die das Korps des Herzogs seit Mitte Mai erobert hatte, stellten sich wie folgt dar93: Tabelle 55 Eroberte Magazine durch das Korps des Herzogs von Bevern in der Gegend um Kuttenberg94 Magazine Kuttenberg
Mehl
Brot
Gerste
Zentner
Port.
niederöst. Metzen
1.587
75.004
Kloster Sedlitz Neuhoff
1.728
Hafer
Heu
Futter Stroh
Fässer
Zentner
Zentner
Stück
19.642
209
14.602
401
3.640 3.453
3.513
Malin
671 162
Maleschau Summe
5.040
Summe in Tonnen
307
75.166
65
26
344
8.881
34.309
697
344
281
1.086
533
91 Vgl. Großer Generalstab, Die Kriege Friedrichs des Großen. Dritter Theil, Bd. 3: Kolin, Seite 207 f. 92 Siehe GStAPK, VI. HA., Nachlass, Herzog August Wilhelm von Braunschweig-Bevern, Nr. 3: April–Mai 1757, Blatt 65 Vorderseite. 93 Siehe Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 2: 1757, Teil 1, Seite 118–121. 94 Zu sämtlichen Angaben in dieser Tabelle siehe Kriegsakten, Nr. 346: Consignation Uber die vornjähriger 1757 Campagne bey nachstehende Proviant Magazinen und Postierungs-Stationen vermög der Schluß-Extracten und bereits angelangten Rechnungen dem Feind zurückgelassenen von dessen hin wiederum überkommenden Naturalien und Materialien.
IV.4. Vom Beginn der Belagerung Prags bis zur Schlacht bei Kolin309
Man sieht sehr deutlich, dass die Preußen in der Kuttenberger Umgebung, d. h. auch bei Kloster Sedlitz und Neuhoff, nicht nur beträchtliche Mengen Brot und Mehl erbeuteten, die genügten, um die rund 24.000 Mann des Korps für weitere 21 Tage zu versorgen, sondern auch 1.350 Tonnen an Hartfutter sicherstellten. Dies reichte, um bei normalem Rationssatz und dem entsprechenden Tagesverbrauch von rund 76 Tonnen die Pferde 18 Tage zu verpflegen. Folglich war die Versorgung sogar bis Ende Juni gesichert, sodass diese letzte Eroberung in der Tat einen großen Erfolg darstellte. Dies erklärt auch, warum König Friedrich dem Herzog geradezu überschwänglich zu seinem Erfolg gratulierte und ihn am 6. und 8. Juni aufforderte, sich selbst mehr zuzutrauen. Im zweiten Schreiben vom 8. Juni deutete der König nun auf einmal an, dass ihm ein Vormarsch nach Czaslau trotz der gegnerischen Überlegenheit sinnvoll erschien, weil damit zu rechnen sei, dass Nadasdy sich zurückziehen werde. Hierfür stellte er am 9. Juni in Aussicht, dem Herzog von Bevern noch weitere 10 Bataillone und 10 Eskadrons zu schicken. Tags darauf zeigte er sich schon sehr ungehalten darüber, dass Bevern nicht weiter vorgerückt war. Der König gelangte nun selbst zu der Einsicht, dass sich die Österreicher weiter verstärkten, weshalb er es für erforderlich hielt, sie erneut anzugreifen, damit sie sich weiter absetzten und keinesfalls Möglichkeit erhielten, sich Prag für einen Entsatz zu nähern95. IV.4.3. Die Vorgänge während der Prager Belagerung Um zu verstehen, welchem Umstand sich dieser plötzliche Offensivdrang auf Seiten des Königs verdankte, ist es erforderlich, sich zu vergegenwärtigen, was in der Zwischenzeit bei der Belagerung von Prag aus logistischer Sicht vorgefallen war. Die Österreicher hatten dort nach dem Einschluss am 8. Mai eine Kommission zur Einteilung der Lebensmittelvorräte gebildet, die von Karl von Lothringen und Generalfeldzeugmeister von Kheul geleitet wurde. Ihr gehörten auch die Landesdeputierten Baron von Hatzfeld und Pachta, Artillerieoberst von Feuerstein, Feldmarschallleutnant Thierheim, der Hofkriegsrat von Wiess sowie die Proviantkommissare Billard und Keck an96. Da sich spätestens seit dem 10. Mai die artilleristisch beherrschende Stellung des Ziskaberges in preußischer Hand befand, begann man damit, aus der Prager Neustadt die Bäckerei und das Magazin zu evakuieren, und befahl den Bewohnern die Dachschindeln der Häuser abzudecken sowie die Dachböden stattdessen mit Mist zu bedecken, um die Feuergefahr bei Beschuss zu senken97. Da schon am 12. Mai die ersten Schüsse aus 6-Pfündern auf die Stadt niedergingen, war dies keineswegs verfrüht. In der Stadt befanden sich laut dienstbarem Loco-Stand vom 8. Mai 44.049 Mann Infanterie, 4.067 Kavalleristen, 2.272 Artilleristen, 619 Mann vom Proviantfuhrwesen, 95 Zum gesamten Absatz siehe Friedrich II., Politische Correspondenz, Bd. 15, Nr. 9058, 9067, 9076 und 9082. 96 Siehe OestKA, AFA, Nr. 600: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 V (1–308), Faszikel 275. 97 Siehe ebd.
310
IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
einige Kommissare und Ingenieure, insgesamt also 51.027 Mann98. An Vorräten waren gemäß der Aufstellung, die vermutlich um den 15. Mai entstand, folgende Mengen vorhanden: Tabelle 56 Ausgewählte Vorräte in der Stadt Prag um den 14. / 15. Mai 175799 Nahrungsmittel und Gewicht
Hradschin / Kleinseite
Reis in Pfund
Altstadt
Neustadt
9.361
Grieß in Pfund
10
Wein in Eimer
3.354
Summe 9.361
5.370 ½
5.380 ½
3.123
3.408
9.885
1 ½
16
41
58 ½
Ochsen in Stück
21
28
70
119
Kühe in Stück
98
152
365
615
Kälber in Stück
4
9
6
19
Lämmer / Schafe in Stück
53
1
18
72
Schweine in Stück
34
134
266
434
Speck in Pfund
699
820
899
2.418
Butter in Pfund
2.613
1.800
3.020
7.433
Weizen in Strich
429
2.023
4.070
6.522 ½
Korn in Strich
237
3.461
2.579
6.277
73
162
619
844
Hafer in Strich
1.544
747
2.920
5.211
Salz in Fass
1.535
2
1.537
Weizen-Mehl Zentner
617 ½
235
62
914 ⅞
Korn-Mehl in Zentner
1.637
6.891
1.727
10.252
498
27
48
575
1.580
828
1.296
3.704
43
1.257
5.710
7.010
Bier in Pfund
Gersten in Strich
Käse Stück Heu Zentner Stroh Bund
98 Siehe OestKA, AFA, Nr. 634: Siebenjähriger Krieg CA Kampagne gegen Preußen 1757, Faszikel 5 / ad24 und OestKA, AFA, Nr. 616: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee XIII (1–19), Faszikel 5, Seite 13 f. 99 Zu dieser Tabelle siehe OestKA, AFA, Nr. 600: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee V (1–308), Faszikel 275 oder 305.
IV.4. Vom Beginn der Belagerung Prags bis zur Schlacht bei Kolin311
Die klassischen Versorgungsgüter wie Mehl, Hafer und Gerste stellten die größten Mengen dar. Dabei verteilten sich das Mehl und die vermahlungsrelevanten Kornsorten Weizen und Roggen laut den detaillierten Eingaben der Stadtteile, aus denen die obige Gesamtübersicht hervorging, vor allem auf Bäcker sowie Müller und lagen nicht in größeren Mengen konzentriert vor100. Daher war es kaum möglich, im Rahmen der Bombardierung durch den gezielten Beschuss bestimmter Punkte große Mengen zu vernichten. Laut Oberkommissar Hauer verdankte sich der recht große Umfang an Lebensmitteln ohnehin einem Zufall, denn: „[…] in der Verlegenheit aber, in welche Böhmen durch den preusischen Einfall gesetzt ware, kamen die Helfte der Landesfuhren nicht zur Ladung die ausgeschrieben waren, man konnte also nichts als Hartfutter herausführen, das Mehl blieb liegen […]“101.
Das Weizen- und Kornmehl entsprach umgerechnet 681 Tonnen, die Weizen- und Roggenkörner nach dem schweren Prager Strich 793 Tonnen, sodass bei der Vermahlung daraus 714 Tonnen Mehl hätten gewonnen werden können. Mit dieser Gesamtmenge von 1.395 Tonnen konnte die Kampftruppe bei einem Tagesbedarf von rund 42 Tonnen 33 Tage lang versorgt werden. Es galt jedoch auch die Zivilbevölkerung Prags, die ebenfalls um die 51.000 Einwohner zählte102, zu ernähren, auch wenn die Militärangehörigen bei der Verteilung der Nahrungsmittel wahrscheinlich privilegiert behandelt wurden. Dennoch halbierte sich durch die Anforderungen der Zivilisten die Versorgungsdauer auf 16 Tage, sodass die Stadt dann höchstens bis zum 1. Juni ausreichend verpflegt war. Allerdings konnte die Dauer noch etwas durch die übrigen Nahrungsmittel verlängert werden. Obwohl der Reis, der Grieß, der Speck und die Butter insgesamt nur 12 Tonnen ausmachten, mit denen man selbst die Kampftruppe nicht einmal einen halben Tag verpflegen konnte, dürften sie als zusätzliche Kalorienlieferanten recht wertvoll gewesen sein. Etwas bedeutender waren die Mengen an Schlachtvieh. Dennoch hätte man aus den 753 Kühen nur 56.475 Portionen zu 1 Kilogramm gewinnen können, was etwas mehr als dem Bedarf für 1 Woche entsprach. Noch geringfügiger war der Anteil der Schafe mit 288 Stück und der Schweine, aus denen sich insgesamt vielleicht 6.336 Portionen herstellen ließen. Allerdings war es General Materni gelungen, am 13. Mai noch weitere 30 Ochsen und 400 Schafe in die Stadt zu bringen103, aus denen noch einmal rund 11.000 Portionen gewonnen werden konnten. Somit waren die Truppen insgesamt für 1 ½ Wochen mit Fleisch verpflegt. Da man nicht im Feld schlachtete, sondern in der Stadt, ist auch es denkbar, dass man die Ausschlachtung deutlich effizienter organisieren konnte und sogar in der Lage war, die erforderliche Fleischmenge für 2 komplette Wochen zu 100 Siehe OestKA, AFA, Nr. 622: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 XIII (399–502), Faszikel 500, 500b und 500d. Aufgelistet sind die Bestandsaufnahmen für die einzelnen Stadtteile Prags, die überwiegend vom 14. und 15. Mai datieren. 101 OestKA, AFA, Nr. 670: Siebenjähriger Krieg 1758 CA. Kampagne gegen Preußen 1758 (VIII–XIII), Faszikel XIII / 12. 102 Zur Größe der Prager Bevölkerung siehe OestAVA, Inneres, Hofkanzelei, Nr. 497: Politische Konskription, Häusernummern, Haupt Summarium Über die eingelangte Seelen und Häuser Conscriptiones de Anno 1754. Die genaue Einwohnerzahl belief sich auf 50.797 Menschen. 103 Siehe OestKA, AFA, Nr. 600: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757, Faszikel 275.
312
IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
erzeugen. Dennoch war die Ernährungssituation in der belagerten Stadt gerade mit den Zivilisten sehr problematisch, sodass man wahrscheinlich gezwungen war, die Brotpor tionen stärker zu rationieren und diesen Verlust dann durch einen Mix aus den anderen Lebensmitteln zu kompensieren, um möglichst lange durchhalten zu können. Noch schwieriger als die Truppenverpflegung gestaltete sich wie immer die Beschaffung des Tierfutters. Denn mit den vorhandenen Mengen an Hafer und Gerste, die zusammen lediglich 460 Tonnen entsprachen, hätten die rund 5.000 Pferde der Kavallerie und Artillerie, die sich seit dem 8. Mai in der Stadt befanden, nur 15 Tage versorgt werden können. Die summierten Heu und Strohbestände wären bei einem Tagesverbrauch von 20 Tonnen jedoch nur 15 Tage ausreichend gewesen, sodass eine Vollverpflegung in jedem Fall höchstens für einen halben Monat gesichert war. Offensichtlich reichten die Mengen aber nicht einmal so lange, da die Gesamtanzahl der Pferde sich sogar auf 9.500 Stück belief, die deswegen schon seit dem 25. Mai mit Kleien und Träbern versorgt werden mussten. Nur 2 Tage später begann man die ersten Pferde wegen des Fleischmangels zu schlachten, während man der Zivilbevölkerung den weiteren Mehlkonsum untersagte104. Obwohl die Preußen die Stadt seit dem 12. Mai mit kleineren Geschützen beschossen, verzögerte sich die Ankunft ihrer schweren Belagerungsartillerie nun stark. Den Transport bis Leitmeritz hatte Oberstleutnant Moller organisiert. Der gesamte Park war in Magdeburg am 11. April zusammengestellt worden, wobei sich schon dort die ersten Schwierigkeiten zeigten, weil viele Lafetten, Sattelwagen und Protzen wegen der schlechten Verwahrung von Holzwürmern zerfressen waren. Jedoch meinte Moller noch die besten herausgesucht zu haben und bat darum, für die 17 Pulverkähne jeweils einen Stadtbürger rekrutieren zu dürfen, die insbesondere die Schiffsknechte im Umgang mit Feuer beaufsichtigen sollten. Am 28. April hatte er den Artilleriepark mit Schiffen bis nach Torgau befördert und teilte dem König mit, dass die 6 Hamburger Schuten, die man hierzu ebenfalls verwendet hatte, nicht weiter als bis Pirna fahren könnten, sodass umgeladen werden müsse. Allerdings erfolgte diese Umladung nicht, weil Moller glaubte dadurch zu viel Zeit zu verlieren. Am 6. Mai, also dem Tag der Schlacht, konnte er aus Pirna melden, einen Schiffer gefunden zu haben, der seine Schiffe in 8 bis 9 Tagen nach Leitmeritz bringen wolle. Tatsächlich traf der Konvoi schon am 11. Mai in Leitmeritz ein. Allerdings musste Moller dem König schon am nächsten Tag mitteilen, dass man noch auf Pferde aus Halle wartete, um die Transporte zur Armee abschicken zu können. Am 16. Mai entsandte er den ersten Teil des Belagerungsparks mit 12 50-pfündigen Mörsern, 800 Bomben und 150 Zentner Pulver. 3 Tage später versicherte Moller, mit dem Transport über Land fortzufahren, bis alle 6.000 Bomben und die 2.700 Zentner Pulver abtransportiert wären. Da es ihm an Wagen fehlte, sollte Hauptmann von Wartenberg alle Wagen zusammentreiben lassen, die sich finden ließen. Am 22. Mai musste Moller aber feststellen, dass sich auch das Zaumzeug der 1.000 Artilleriepferde, die aus dem Magdeburgischen ankamen, ebenfalls in äußerst schlechtem Zustand befand und 100 Pferde marode 104 Zum
gesamten Absatz siehe ebd.
IV.4. Vom Beginn der Belagerung Prags bis zur Schlacht bei Kolin313
waren105. Dennoch beabsichtigte er nun, zusammen mit 20 12- und 10 24-Pfündern sowie je 100 Schuss Munition pro Geschütz über Budin selbst nach Prag zu kommen106. Neben den erwähnten Bomben für die Mörser wurden auch 20.000 Kugeln für die 12-Pfünder und 10.000 Stück für die 24-Pfünder herangeführt. 6 50-pfündige Mörser und 10 25-pfündige hatte die Armee bereits mitgebracht. Mit der Anlage der Artilleriestellungen hatte man am 20. Mai begonnen. Insgesamt befanden sich auf dem rechten Moldauufer 3 Batterien und 12 Redouten, die jeweils bestimmten Bataillonen und Regimentern zugeordnet waren. Ein Problem ergab sich laut dem genauen Geschützplan von Oberstleutnant von Dieskau aus der Tatsache, dass auf dieser Uferseite nicht mehr als 22 schwere Kanonen, nämlich 10 24-Pfünder und 12 12-Pfünder eingesetzt werden konnten. Von beiden Kalibern standen noch 24 weitere Geschütze zur Verfügung, sie gehörten aber durchweg zum leichten Typ, der eigentlich für den Einsatz im Feld vorgesehen war. Vorerst waren auch nur 5 50-pfündige und 6 25-pfündige Mörser vorhanden. Die ankommenden 12 50-Pfund-Mörser wurden offenbar zum Großteil auf die 3 Batterien der linken Flussseite verteilt, wo Feldmarschall Keith kommandierte. Dort boten die Preußen dann 8 Mörser und 11 12-Pfünder und 4 24-Pfünder auf, wobei unklar ist, ob die Kanonen zur leichten oder schweren Art gehörten. Die folgende Karte zeigt die genaue Zusammensetzung der Truppenkontingente und Batterien107 (siehe nächste Seite). Wegen der Verzögerungen konnte der Beschuss der Stadt in nennenswertem Umfang nicht vor dem 29. Mai beginnen. Bis dahin war nicht viel passiert. Die Preußen beschäftigten sich weiter mit der Vorbereitung der Bombardierung. Die Österreicher konnten nichts weiter tun, als auszuharren, auf den Entsatz durch Feldmarschall Daun zu hoffen und bis dahin ihre Vorräte weiter zu rationieren. Nur einmal, in der Nacht vom 23. zum 24. Mai, kam es zu einem größeren Ausbruchsversuch gegen das Keith’sche Korps. Die Österreicher verloren hierbei 615 Mann, während ihre Gegner 60 Tote und 294 Verwundete zu beklagen hatten108. Da die Preußen die genauen Standorte der Mehlmagazine in Prag nicht kannten, aber wussten, dass es viele Kellergewölbe gab, wo die Österreicher ihre Verpflegungsgüter verstauen konnten, bestand ohnehin geringe Aussicht, die Magazine im Rahmen einer Bombardierung zu dezimieren. Folglich machte sich General Moritz zu Anhalt-Dessau spätestens seit dem 27. Mai, also 2 Tage, nachdem der Zivilbevölkerung der Mehlkonsum untersagt worden war, mit Hilfe böhmischer Wirtschafter ernsthafte Gedanken über den Umfang der österreichischen Vorräte. Es galt festzustellen, wie lange diese noch reichten und ob es auch möglich wäre, die Stadt ohne die Auswirkung des Bombarde105 Möglicherweise waren derartige Defizite auch auf den permanenten Sparzwang zurückzuführen. 106 Zum gesamten Absatz siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 89 K 4: Obristlieutenant und Obrister Karl Friedrich von Moller, Blatt 6, 9, 11, 13 und 16 jeweils Vorderseite. 107 Zum gesamten Absatz siehe Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 2: 1757, Teil 1, Seite 92 f. und LASA, DE, Z44 Abt. Dessau, A 9b VIb, Nr. 10, Bd. V (Verschiedene Militaria aus des Fürsten Moritz von Anhalt in preußigen Jaare 1757), Blatt 367 Vorderseite. 108 Zu den österreichischen Verlusten vgl. ebd. und für jene auf preußischer Seite siehe Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 2: 1757, Teil 1, Seite 94 f.
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IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
Abbildung 22: Einteilung der Belagerungsarmee vor Prag109
ments in absehbarer Zeit durch Aushungern zur Kapitulation zu zwingen. Man glaubte, dass alle Bestände für 60.000 Mann 42 Tage reichten, wenn man ab dem 6. Mai rechnete, also bis zum 18. Juni. Der Zeitrahmen war völlig korrekt ermittelt, obwohl man die reale Bemessungsgrundlage, wie schon erwähnt, mit 51.000 Kombattanten sogar noch niedriger anzusetzen hatte. Auf preußischer Seite ging man ferner davon aus, dass die eingeschlossenen Truppen pro Tag 101 und pro Woche 706 Fässer Mehl benötigen, von denen jedes 6 bis 7 Zentner wog, sodass der Wochenbedarf 275 Tonnen entsprach. Aufgrund dessen gelangten die Preußen zu der Schlussfolgerung, dass die Österreicher zu diesem Zeitpunkt, 3 Wochen nach dem Beginn der Belagerung, die 2.118 Fässer oder 826 Tonnen verbraucht haben mussten, die sie in Vorrat hatten. Diese Menge war verglichen mit dem realen Bestand deutlich zu hoch kalkuliert, vor allem wenn man nach böhmischem Zentnermaß zu 60 Kilogramm rechnete. Der bisherige Bedarf der Kampftruppe, der 819 Tonnen betrug, war dagegen nahezu vollkommen korrekt ermittelt110. 109 Karte adaptiert nach Großer Generalstab, Die Kriege Friedrichs des Großen. Dritter Theil, Bd. 3: Kolin, Anhang 3. 110 Zum gesamten Absatz siehe LASA, DE, Z44 Abt. Dessau, A 9b VIb, Nr. 4, Bd. VIII: Gesammelte Briefe des Fürsten Moritz aus den Jahren 1757–59, Blatt 144 Vorderseite und Rückseite (Beylage).
IV.4. Vom Beginn der Belagerung Prags bis zur Schlacht bei Kolin315
Man wusste aber ohnehin, dass es noch weitere Kornbestände gab. Wie umfangreich diese waren, hatten die Preußen nicht in Erfahrung bringen können. Fest stand, dass in Prag genügend Mühlen vorhanden waren, um aus dem Korn weiteres Mehl herzustellen. Laut dem Bericht des Müllers Joseph Klima gab es in Prag 9 Pfahlmühlen. Die meisten von ihnen hatten zwar nur 2 oder 3 Mahlgänge, aber eine verfügte gleich über 12 Stück, eine weitere über 15 und eine andere sogar über 30 Mahlgänge, sodass alle diese feststehenden Mühlen schon 74 Mahlgänge aufboten. Hinzu kamen noch 40 Schiffsmühlen, die zwischen 2 und 3 Mahlgängen besaßen, sodass sich deren Anzahl zusammen auf 100 Stück belief. Diese waren in der Lage, in 24 Stunden je 10 Strich, sprich 620 Kilogramm111 und somit zusammen rund 62 Tonnen, zu vermahlen, was schon deutlich über dem Tagesverbrauch der österreichischen Truppen von 35–40 Tonnen lag. Bei den Pfahlmühlen schwankte die Vermahlungsmenge zwischen 5 und 10 Strich pro Tag. Somit konnten diese Mühlen pro Tag zwischen 30 und 60 Tonnen Mehl produzieren, was den Gesamtausstoß auf 90 bis 120 Tonnen pro Tag erhöhte und somit den kombinierten Gesamtbedarf der Besatzung und der Bevölkerung im Umfang von 76,5 Tonnen bequem deckte, wenn genügend Korn vorhanden war. Somit war abzusehen, dass zumindest eine kurzfristige Kapitulation der Stadt durch fehlende Mehlvorräte oder aufgrund unzureichender Herstellungskapazitäten nicht zu erwarten stand112. In Anbetracht dessen konnte man aus preußischer Sicht nur noch auf einen glücklichen Ausgang des Bombardements hoffen. Wie König Friedrich dem Herzog von Bevern am 27. Mai mitteilte, verzögerte sich der Beschuss der Stadt bis 29. Mai, weil zunächst noch immer Kanonen fehlten113. An diesem Tag erfuhr er auch, dass die Prager Garnison ihren Bedarf inzwischen aus ihren Kornvorräten deckte, der Beschuss nun aber beginnen konnte114. Es gelang offenbar auch zunächst einige Häuser in Brand zu schießen; da am 29. und 30. Mai starker Regen fiel, waren die Österreicher in der Lage, diese sehr schnell wieder zu löschen. Daher informierte der König sowohl General Moritz zu Anhalt-Dessau als auch den Herzog von Bevern, dass nicht mehr als 30 bis 40 Häuser und eine Bäckerei in der Judenstadt zerstört worden waren und die glühenden Geschosse bisher noch nicht die gewünschte Wirkung entfaltet hatten. Die einzigen Verluste entstanden den Österreichern offenbar dadurch, dass die stark angestiegene Moldau die Kasematten in der Stadt überflutete, wodurch viel Mehl, das angeblich darin gelagert worden war, verloren ging115. Die starken Niederschläge erklären auch, warum selbst aus Sicht der preußischen Soldaten bei der Belagerungsarmee nicht so sehr die Beschaffung der Lebensmittel, sondern vielmehr die Herbeischaffung des Brennholzes das entscheidende Problem darstellte. Zum Teil wurden die Häuser ganzer Dörfer abgerissen und deren Einzelteile wie 111 Gerechnet
hier wieder der Prager Strich zu ca. 62 kg. gesamten Absatz siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 98 G: Immediatsberichte des Fürsten Printz Moritz zu Anhalt-Dessau 1757, Anlage zum Schreiben vom 14. Mai und 27. Mai 1757. 113 Siehe Friedrich II., Politische Correspondenz, Bd. 15, Nr. 9003 und 9005. 114 Siehe ebd., Bd. 15, Nr. 9009. 115 Siehe ebd., Bd. 15, Nr. 9019 und 9020. 112 Zum
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IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
Schindeln, Latten und Sparren in die Lager getragen, um den immensen Holzbedarf zu decken. Dieser erhöhte sich offenbar noch weiter, weil die Kleidung unzureichend war und die Leinwände der Zelte den Regen nicht ausreichend abhielten116. Am 1. Juni hatten die Österreicher eigentlich einen Ausfall mit 18.000 Mann in 3 Kolonnen geplant, der jedoch ausblieb, weil sich die Kolonne des Generals von Ahremberg durch den massiven Beschuss an diesem Tag verspätete117. Auf der Alt- und Neustadtseite, rechts der Moldau, gingen an diesem Tag in 24 Stunden 2.500 Kanonenkugeln, 800 Bomben und 90 Karkassen aus den 4 Batterien der Preußen auf die Stadt nieder118. Daher setzten die Österreicher das Abdecken der Schindeldächer fort und hoben auch das Straßenpflaster auf119. Dennoch entfachten die Kugeln nun einen Brand in der Stadt, der anscheinend noch 3 weitere Tage anhielt, sodass der König am 2. und 3. Juni berichten konnte, inzwischen wüte das Feuer in der Stadt und habe schon 2 Bäckereien auf dem Rossmarkt zerstört120. Eine Atempause verschafften sich die Österreicher am 3. Juni durch einen kurzen Ausfall mit rund 250 Kroaten und 200 Freiwilligen auf eine der Batterien auf der Kleinseite, wodurch den Preußen 3 12-Pfünder verloren gingen, die von den Österreichern größtenteils in die Stadt geschafft oder vernagelt werden konnten, bevor die preußische Verstärkung eintraf121. Am 4. Juni wurden schon sehr viele Bomben aus Stein und anderem, gefüllt mit Sand, in die Stadt geworfen, woraus die Verteidiger schlossen, dass die Preußen an Munitionsmangel litten122. Letztere hatten bis zu diesem Zeitpunkt in Prag schon die Judenstadt, Boritsch, die Stadtquartiere beim Spittal sowie die Carlstadt und einen Teil des Hradschins in Schutt und Asche gelegt. Dafür hatten sie aber auch den Großteil der 15–20.000 Bomben und ca. 50.000 Stückkugeln, darunter auch 18.500 Glühende, verbraucht, was spätestens am 8. Juni dazu führte, dass der Munitionsmangel deutlich hervortrat123. Der anstehende Abbruch des Bombardements war vor allem deshalb so ungünstig, weil es den Preußen nicht gelang, die logistisch so wichtigen Magazine bzw. die verteilten Lebensmittel in Brand zu setzen, denen vor allem das Interesse des Königs galt124. Insofern war es bezeichnend, dass er schon am 1. Juni, als man die ersten Ergebnisse des Bombardements in Augenschein nahm, ernüchtert einräumte: 116 Zum gesamten Absatz siehe Prittwitz, Christian Wilhelm von, Jugend und Kriegsleben eines preußischen Offiziers im Siebenjährigen Krieg, Seite 44. 117 Siehe OestKA, AFA, Nr. 600: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 V (1–308), Faszikel 275. 118 Siehe ebd. 119 Siehe ebd. 120 Siehe Friedrich II., Politische Correspondenz, Bd. 15, Nr. 9035. 121 Siehe OestKA, AFA, Nr. 634: Siebenjähriger Krieg CA Kampagne gegen Preußen 1757, Faszikel 5 / ad 24. 122 Siehe OestKA, AFA, Nr. 600: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 V (1–308), Faszikel 275. 123 Siehe OestKA, ebd., Faszikel 275 und OestKA, AFA, Nr. 634: Siebenjähriger Krieg CA Kampagne gegen Preußen 1757, Faszikel 5 / ad 24. 124 Siehe Friedrich II., Politische Correspondenz, Bd. 15, Nr. 9057.
IV.4. Vom Beginn der Belagerung Prags bis zur Schlacht bei Kolin317 „[…] wenn man ihnen die Stadt anbrennet, und sie zu essen haben, halten sie es aus […]“125.
Da der König am nächsten Tag bemerkt hatte, dass die entfachten Brände immer wieder von den Österreichern gelöscht wurden, schien er nun selbst daran zu zweifeln, dass man die Stadt durch eine Bombardierung oder durch Aushungern in absehbarer Zeit zur Kapitulation zwingen konnte. Allerdings erfuhr er am 7. Juni von der Kürzung der Brotportionen auf österreichischer Seite und sah nun die Möglichkeit, durch Geduld und Vorsicht die Stadt vielleicht doch noch einzunehmen126. Was er nicht wusste, war, dass die Stadt in 13 Tagen tatsächlich aufzugeben drohte. Durch Hauptmann Vaugez, der es geschafft hatte, aus Prag nach Wien zu entkommen, erfuhr man dort, dass „[…] die […] Trouppen nicht länger, als den 20ten dieses [Monats] halten könten […]“127.
Wie sich die strategische Gesamtlage im Operationsraum bei Prag und den Truppen des Herzogs von Bevern Ende Mai / Anfang Juni verändert hatte, erläutert die folgende Karte:
Abbildung 23: Operativ-logistische Lage Ende Mai 1757128
125 Ebd.,
Nr. 9026. ebd., Nr. 9059. 127 OestHHStA, Kriegsakten, Nr. 358: Schreiben an den Herren Grafen Daun, Wien den 7. Junii 1757. 128 Karte adaptiert nach Schwerin, Detlof, Feldmarschall Schwerin. 126 Siehe
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IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
IV.4.4. Die Lage bei Prag und die Vorbereitungen auf die Schlacht bei Kolin Da der Fall Prags nun wahrscheinlich war, legte Maria Theresia Feldmarschall Daun nahe, die preußischen Truppen zur Schlacht zu stellen, weil der Verlust der großen Besatzung von Prag zur Folge haben könnte, dass die Preußen quantitativ gänzlich die Oberhand gewannen und damit in der Lage waren, die verbliebenen Truppen unter seinem Kommando von Lager zu Lager bis vor die Tore Wiens zu treiben. Dass es dabei gar nicht in erster Linie auf das Provozieren einer Schlacht ankam, sondern vielmehr auf den Entsatz Prags, zeigt ein weiteres Schreiben Maria Theresias vom 11. Juni. Laut diesem sollte sich Feldmarschall Daun auch nicht durch die Operationen des Herzogs von Bevern beirren lassen, selbst wenn dieser weit in Richtung Deutschbrod vorstieß129. König Friedrich, der einerseits Hoffnung schöpfte, die Belagerung Prags durch das Aushungern der Stadt noch zu seinen Gunsten zu entscheiden, war sich andererseits nicht sicher, ob die Zeit zu seinen Gunsten arbeitete, und hatte deshalb, wie schon erwähnt, am 8. und 9. Juni den Herzog von Bevern eindringlich ermahnt, gegen Feldmarschall Dauns Truppen vorzurücken, wobei es ihm gemäß dem Brief, den er an Oberst von Finck schickte, in der Wirkung darum ging, diese Streitmacht auf Distanz zu halten130. Nur einen Tag später zeigte er sich jedoch schon sehr ungehalten darüber, dass der Herzog nicht gegen Feldmarschall Daun vorrückte, und beschuldigte ihn, dies schon zu einem früheren Zeitpunkt versäumt zu haben131. Offensichtlich hatte er die Versorgungsschwierigkeiten, die Bevern bis dahin geplagt hatten, völlig unterschätzt oder weitestgehend ausgeblendet. Auch der Umstand, dass Dauns Verband inzwischen doppelt so stark war wie der Beverns, realisierte er offenbar nicht, als er am 12. Juni den Herzog erneut aufforderte, gegen den Feind vorzurücken und ihn nach Mähren hineinzutreiben, weil er Meinung war, dass Prag sonst nicht fallen würde132. Die Größe der Daun’schen Armee nahm zu diesem Zeitpunkt noch einmal zu, denn bereits zu Beginn des Monats Juni verfügte sie über 55.488 Mann und 20.588 Pferde133. Angesichts dieser enormen Überlegenheit konnten sich auch mit der Verstärkung von 8 Bataillonen und 6 Eskadrons keine neuen Handlungsoptionen für Beverns Truppen ergeben. Der Offensivdrang und der Entschluss des Königs zur Verlegung der Einheiten hing sicher damit zusammen, dass sich die Versorgungssituation der Belagerungsarmee inzwischen deutlich verschlechterte, denn für die Verpflegung der enormen Pferdemengen musste man derweil in umfangreichem Maße vom Grünfutter Gebrauch machen. In diesem Zusammenhang wurden auch die Fouragierungen stark ausgedehnt, was rechts 129 Siehe OestKA, AFA, Nr. 634: Siebenjähriger Krieg CA Kampagne gegen Preußen 1757, Faszikel 6 / 20. 130 Siehe Friedrich II., Politische Correspondenz, Bd. 15, Nr. 9068. 131 Siehe ebd., Nr. 9069. 132 Siehe ebd., Nr. 9098. 133 Siehe OestKA, AFA, Nr. 602: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757, VI (1–365), Faszikel 1 ½.
IV.4. Vom Beginn der Belagerung Prags bis zur Schlacht bei Kolin319
der Moldau, wo sich sowohl das Gros der Belagerungsarmee als auch das entfernte Korps unter dem Herzog von Bevern aufhielt, sich schwierig gestaltete, weil dort häufiger Störungen durch die Österreicher auftraten. Die Verpflegungsorganisation unterstand hier dem Intendanten der schlesischen Truppen, Generalmajor von der Goltz, der möglicherweise etwas überfordert war. Auf der linken Moldauseite organisierte diese Generalmajor von Retzow, der wohl für zusätzlichen Nachschub aus Sachsen sorgte. Auch deshalb waren die dortigen Einheiten unter dem Kommando von Feldmarschall Keith noch am besten versorgt. Sie konnten aber ebenfalls ungestört bis an die Beraun fouragieren und bezogen ihren Brotnachschub aus dem nähergelegenen Welwarn, wohin das Mehl aus Leitmeritz kam134. Auch die anderen rückwärtigen Dienste funktionierten auf der linken Moldauseite deutlich besser, zumal dort wohl größtenteils die Vorkehrungen für die Wartung und den Rücktransport der Verwundeten und Kranken sowie der österreichischen Gefangenen getroffen wurden. Das Zentrum der Nachschuborganisation im Hinterland war Dresden. Es diente neben der Zuführung von Lebensmitteln auch der von Pferden und rekonvaleszierten Soldaten. Der dortige Kommandant Generalmajor von Bornstedt berichtete am 16. Mai, dass 100 Rekonvaleszierte zur Armee geschickt wurden. Diesen folgten am 19. Mai auch 1.000 Artilleriepferde in Abteilungen zu 200 Stück, die jeweils von 1 Unteroffizier und 16 Husaren eskortiert wurden. Neben diesen Pferden fuhr auch eine Kolonne des Mehlfuhrwesens unter Major von Schönfeld ab, der 5–600 Rekonvaleszierte Schutz boten135. Angewachsen war inzwischen auch die Anzahl der preußischen Verwundeten, von denen am 24. Mai rund 1.800 aus Leitmeritz eingetroffen waren136. Am 30. Mai folgten weitere 500 Mann und am 10. Juni noch 400 per Schiff, sodass sich bis Mitte Juni etwa 2.700 preußische Verwundete in Dresden aufhielten137. Diese mussten natürlich untergebracht werden, weshalb man sowohl in der Orangerie als auch den Gewächshäusern Lazarette einrichtete, während die österreichischen Kriegsgefangenen in der Reitbahn des Kadettenhauses und des Brühl’schen Palais einquartiert waren138. Der Großteil der Verwundeten befand sich aber offenbar noch in Böhmen, und zwar überwiegend in der Nähe von Prag, weshalb dorthin auch seit dem 22. Mai 40 Feldschere und 140 Krankenknechte abgeschickt wurden, die allerdings nur einen Bruchteil des Behandlungs-, Pflege- und Wartungspersonals im Umfang von 728 Personen ausmachten, die man aus bestimmten Regionen Sachsen und Schlesiens geordert hatte139. Erforderlich waren diese 134 Zum gesamten Absatz siehe Großer Generalstab, Die Kriege Friedrichs des Großen. Dritter Theil, Bd. 3: Kolin, Seite 50 f. 135 Zum gesamten Absatz siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 85 V1: Generalmajor Bornstedt, August Gottlieb 1757–59, Schreiben vom 16. und 19. Mai. 1757. 136 Siehe ebd., Schreiben vom 22. und 30. Mai 1757. 137 Siehe ebd., Schreiben vom 30. Mai und 10. Juni. 138 Siehe SächsHStA-DD, 10024 Geheimer Rat, Loc. 9336 / 1: Journal des Preußischen Krieges 1756–1757, Blatt 319 Rückseite, Blatt 320 Vorderseite und 325 Rückseite. 139 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 85 V1: Generalmajor Bornstedt, August Gottlieb 1757– 59, Schreiben vom 22. Mai 1757.
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IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
allemal, denn ansonsten konnte es vorkommen, dass die Kranken wie bei den österreichischen Gefangenen unverbunden blieben und auf ihren durch Kot verunreinigten Strohlagern dahinsiechten, wo sich dadurch das Ungeziefer tummelte140. Entsandt wurden nach Böhmen, genauer gesagt nach Leitmeritz, per Schiff auch Bekleidungsstücke, denen am 6. Juni noch 16 Kähne mit Bomben, Pulver und Patronen folgten. Wenn man davon ausgeht, dass jeder dieser Kähne wenigstens 8 Tonnen beförderte, dann erhielt die preußische Armee 3.000 Zentner oder ca. 150 Tonnen an Munition und dürfte somit für die kommenden Gefechte gut gerüstet gewesen sein141. In eines wurde der Herzog von Bevern am 13. Juni in der Gegend von Kuttenberg verwickelt, wo seine Truppen an mehreren Stellen stark unter Druck gerieten. Weil die Österreicher so viele Angriffe unternahmen und dabei auch Artillerie herangeführt hatten, schien es dem Herzog von Bevern ratsam zu sein, die Stellung bei Kuttenberg zu räumen und zunächst wieder Raum zwischen sich und den Feind zu bringen, indem er sich nach Kolin absetzte. Letzteres hatte jedoch zur Folge, dass man die dortigen Magazine aufgab, wodurch die Österreicher beträchtliche Mengen an Naturalien zurückerlangten142. Tabelle 57 Österreichern überlassene Naturalien beim Rückzug von Kuttenberg am 13. Juni 1757143 Magazine
Kuttenberg
Mehl
Brot
Zentner
Portionen
982
2.798
Sedlitz
Gerste
Hafer
niederöst. Metzen 320
Fässer Stück
7.900
113
260
7.500
350
3.280
15.400
463
104
487
28
2.700
Neuhoff
2.976
Summe
3.982
Umrechnung in Tonnen
243
2.798
Dies war äußerst ungünstig, denn die 13.500 Pferde des Bevern’schen Korps hätten mit diesen Vorräten noch 8 ½ Tage versorgt werden können. Allerdings war über die 140 Siehe OestKA, AFA, Nr. 605: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 VII (451–Ende), Faszikel 467. 141 Zum gesamten Absatz siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 85 V1: Generalmajor Bornstedt, August Gottlieb 1757–59, Schreiben vom 6. und 10. Juni 1757. 142 Zum gesamten Absatz siehe Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 2: 1757, Teil 1, Seite 140–144. 143 Zu den Angaben siehe OestHHStA, Kriegsakten, Nr. 346: Consignation Uber die vornjähriger 1757 Campagne bey nachstehende Proviant Magazinen und Postierungs-Stationen vermög der Schluß-Extracten und bereits angelangten Rechnungen dem Feind zurückgelassenen von dessen hin wiederum überkommenden Naturalien und Materialien.
IV.4. Vom Beginn der Belagerung Prags bis zur Schlacht bei Kolin321
Hälfte des Hartfutters, das man Anfang Juni erobert hatte, verbraucht und das Korps während der letzten 10 Tage wohl überwiegend aus den Beständen dieser Magazine verpflegt worden. Daher könnten bei Suchdol und Kolin und durch die Zulieferungen aus Schlesien noch Hartfutterbestände für 2 oder 3 Tage vorhanden gewesen sein. Dennoch bahnte sich ab dem 16. Juni eine gewisse Knappheit an. Möglicherweise verlangte der Magazinrendant in Nimburg, Leutnant Radicke, auch deshalb an diesem Tag von den umliegenden Herrschaften die Lieferung von 5.400 Strich bzw. 162 Tonnen Hafer144, was aber auch nicht länger als 2 Tage reichte. Die Einbußen an Mehl fielen nicht so sehr ins Gewicht, weil die Mengen nur für 4 ½ Tage reichten und man durch die Zufuhren aus Schlesien wesentlich besser versorgt war. Dennoch ging mit dem Verlust auch ein Rückschlag für die Truppenverpflegung einher. Die Österreicher fanden neben den Vorräten auch die festen Backöfen in Kuttenberg unversehrt vor, was es ihnen mit Unterstützung durch Proviantkommissar Hauer ermöglichte, eine neue Bäckerei einzurichten, um so eine möglichst reibungslose Brotversorgung zu garantieren. „[…] In Kuttenberg hat der Feind bey seiner Retirade 112 Mehl-Vässer nebst einer Quantität Hartfutter verlassen, wir fangen würklich darinnen wider zubacken an, ich sende so eben all entzähliche Requisiten, und Becken dahin, doch weilen die Entfernung der Armee einen beständigen Brodt-Vorschuß erfordert, muß die Beckerey hier, und in Iglau noch forthin eifrig betrieben werden […]“145.
Neben den ausreichenden Backkapazitäten und den erbeuteten Vorräten war laut Hauer in den Magazinen von Deutschbrod, Stecken und Pardubitz aber ohnehin viel Mehl vorhanden, sodass die Truppen bis Ende August versorgt werden konnten. Die Hartfutterbestände reichten zwar nur bis Ende Juni, aber zur Kompensation möglicher Ausfälle konnte man nun auf die zurückeroberten Bestände zurückgreifen. Die logistische Situation der Österreicher war zu diesem Zeitpunkt ohnehin völlig entspannt, denn in mährischen Magazinen lagerten noch enorme Mengen, obwohl diese erst mit dem Fuhrwesen herangeführt werden mussten. Wenn man davon ausgeht, dass rund 90 % der 5.213 Tonnen Weizen und Roggen vermahlen werden konnten, dann hätten insgesamt rund 4.691 Tonnen an Mehl zur Verfügung gestanden, welche die rund 60.000 Mann unter Feldmarschall Dauns Kommando noch fast 3 ½ Monate, sprich bis Mitte Oktober, versorgen konnten. Das Hartfutter reichte zwar nur 1 ½, das Raufutter sogar nur rund 1 Monat. Damit war die Verpflegung der Soldaten inklusive der Vorräte bei Pardubitz, Deutschbrod und Stecken theoretisch für die nächsten 5 Monate, aber für die Kavallerie 1 ½–2 Monate komplett sichergestellt. Die Österreicher gingen also bestens verpflegt gegen die Preußen bzw. das Korps des Herzogs von Bevern die Offensive. Währenddessen war König Friedrich am 14. Juni mit den Ergänzungstruppen von Prag bei Mallotitz eingetroffen, wo er General Moritz zu Anhalt-Dessau befahl, ihm 144 Siehe OestKA, AFA, Nr. 603: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 VI (366–Ende), Faszikel 367a. 145 OestKA, Zentralst., Generalkriegskommissariat, Akten, Nr. 53 Militärdirectoralia 1757 VI– IX / 100, Faszikel VI / 110: Schreiben Carl Josephs Hauers aus Deutschbrod am 15. Juni 1757.
322
IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757 Tabelle 58 Vorräte der Österreicher in den mährischen Magazinen am 15. Juni 1757146
Magazine
Mehl
Hartfutter
Weizen
Roggen
Zentner
Zentner
Brünn
536
14.559
9.124
Olmütz
1.809
28.066
Großmeseritz
Hafer
Säcke
Heu
Futterstroh
volle
Zentner
Zentner
Stück
53.123
5.590
6.563
17.760
1.386
27.586
45.426
20.987
1.004
47.320
Gradisch
10.193
28.253
29.957
Prosnitz
302
616
446
2.608
1.889
6.732 ½
91
Nickolsburg
Gersten
Rauchfutter
niederöst. Metzen
2.608 22.132
4.307
1.972
Summe
2.346
83.119
16.844
179.212 ½
55.323
8.536
Summe in Tonnen
143
5.070
528
5.967
3.375
521
3.300
49.502
noch weitere 6 Bataillone und 10 Eskadrons zu schicken. 2 Tage später kam auch dieses Kontingent an147, sodass insgesamt 14 Bataillone und 16 Eskadrons von der Belagerungsarmee versammelt wurden. Wenn die Einheiten einigermaßen komplett waren, dann dürften dies rund 14.000 Mann gewesen sein148, womit Beverns Korps, das zuvor auf 18 Bataillone und 90 Eskadrons angewachsen war149, nun insgesamt 32 Bataillone und 106 Eskadrons umfasste. Abzüglich der Verluste, die im Rahmen der Schlacht von Prag entstanden waren, konnten so rund 27.000 Mann Infanterie und 13.228 Berittene 146 Zu sämtlichen Originalangaben in dieser Tabelle siehe OestKA, Zentralst., Generalkriegskommissariat, Akten, Nr. 53 Militärdirectoralia 1757 VI–IX / 100, Faszikel VI / 110: Vorrats Rapport über die nachstehende Magazine, Brünn 15. Juni 1757 von Baron Wieletz. 147 Siehe Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 2: 1757, Teil 1, Seite 151. 148 Siehe LASA, DE, Z44 Abt. Dessau, A 9b VIb, Nr. 10, Bd. V (Verschiedene Militaria aus des Fürsten Moritz von Anhalt in preußigen Jaare 1757), Blatt 14 Vorderseite. Das Infanteriekontingent umfasste die 6 Regimenter Prinz Moritz zu Anhalt-Dessau, Kalckstein, Schultz, Herzog Bevern und Hülsen sowie das Grenadierbataillon Kahlden und das 1. Gardebataillon. Abzüglich der Verluste aus der Schlacht bei Prag, die aber nur das Grenadierbataillon Kahlden und das Regiment Schultz betrafen, umfasste das Kontingent 11.692 Mann. Das Regiment Anhalt-Dessau hatte in der Schlacht bei Prag mit 649 Mann zwar recht hohe Verluste erlitten, verfügte aber ursprünglich über 3 Bataillone, aus denen man nun 2 gebildet hatte, sodass diese komplett, wenn nicht sogar überkomplett mit 1.800 Mann + × anzunehmen sind. Mit den rund 16 Eskadrons bzw. 3 Kavallerieregimentern dürfte man sich in einer Größenordnung von rund 14.000 Mann bewegt haben. 149 Siehe Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 2: 1757, Teil 1, Seite 139.
IV.4. Vom Beginn der Belagerung Prags bis zur Schlacht bei Kolin323
aufgeboten werden150, also fast 9.000 Mann mehr, als es üblicherweise angenommen wird151. Der König begründete seine Entscheidung, den Feind nun am nächsten Tag anzugreifen, später damit, dass er glaubte nur auf diese Weise die Belagerung aufrechterhalten zu können. Der Gegner sei sonst in der Lage, diese durch eine Umgehung über die Sazawa oder durch die Bedrohung des Magazins von Nimburg zu gefährden. Außerdem hielt er es nicht für möglich, ihn bei seinem offensiven Vorgehen in einer starken Defensivposition zu einer Schlacht zu zwingen152. Am 17. Juni plante man in Richtung Suchdol und Kuttenberg vorzurücken. Allerdings hatten die Vorposten von Oberst Finck bereits bei Planian feindliche Husaren entdeckt. Hinzu kam, dass der Brottransport unter Generalmajor von Manstein bei Satzka angegriffen worden war. Allerdings konnte Oberstleutnant Billerbeck, der die Deckungstruppen kommandierte, verhindern, dass es zu Verlusten kam, sodass der Konvoi am nächsten Morgen eintraf, wodurch die Brotversorgung der Preußen wohl gewährleistet war. Als sie gegen Mittag ausrückten, erblickten sie bald in der Nähe von Krichenau die österreichischen Truppen unter Feldmarschall Daun, deren Stärke man auf preußischer Seite ebenfalls auf 60.000 Mann schätzte. Der König beschloss aber trotzdem die gegnerische Streitmacht anzugreifen und in Richtung Planian zu marschieren, wo der Ort zunächst von 3 Bataillonen der Österreicher besetzt war, die sich aber schnell bei Ankunft der preußischen Truppen zurückzogen153. Wie sich die strategische Gesamtlage nun entwickelt hatte, zeigt die folgende Karte:
150 Siehe LASA, DE, Z44 Abt. Dessau, A 9b VIb, Nr. 10, Bd. V (Verschiedene Militaria aus des Fürsten Moritz von Anhalt in preußigen Jaare 1757), Blatt 14 Vorderseite. Von der Sollstärke verblieben unter Berücksichtigung der Verluste aus der Schlacht bei Prag, die auch noch die Infanterieregimenter Prinz Heinrich, Kreytzen und Manteuffel sowie die Grenadierbataillone Möllendorf, Waldau und Finck betrafen, 26.220 Mann. Das gesamte Infanteriekontingent dürfte inklusive des 1. Gardebataillons, angenommen zu 800 Mann, rund 27.000 Mann umfasst haben. Zur Stärke der Kavallerie siehe LASA, DE, Z44 Abt. Dessau, A 9b VIb, Nr. 10, Bd. V (Verschiedene Militaria aus des Fürsten Moritz von Anhalt in preußigen Jaare 1757), Blatt 9 Vorderseite. Im Gegensatz dazu vgl. Jany, Geschichte der Königl. Preuß. Armee, Bd. 2, Seite 407 f. und Kutzen, Joseph August, Vor hundert Jahren, Abteilung 1: Der Tag von Kolin, Seite 60. 151 Vgl. Großer Generalstab, Die Kriege Friedrichs des Großen. Dritter Theil, Bd. 3: Kolin, Seite 67 und 210. 152 Zum gesamten Absatz siehe Friedrich II., Die Gründe meines militärischen Verhaltens (Juli 1757). Obwohl die Argumentation des Königs auf den ersten Blick plausibel erscheint, erweist sie sich bei genauerer Betrachtung nur als bedingt stichhaltig. Einerseits wäre es vermutlich möglich gewesen, das Magazin von Nimburg nach Altbunzlau oder Brandeis zu verlegen und von dort aus sowie über Jungbunzlau die Verpflegung zu organisieren, und andererseits hätte man bei einer Umgehung von Dauns Armee über die Sazawa wohl schon so viel Zeit gewonnen, dass die Besatzung von Prag schon hätte kapitulieren müssen. 153 Zum gesamten Absatz siehe Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 2: 1757, Teil 1, Seite 154–157.
324
IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
Abbildung 24: Operativ-logistische Situation Mitte Juni 1757154
IV.4.5. Die Schlacht bei Kolin Am Morgen des 18. Juni 1757 brach die preußische Armee bereits um 6 Uhr auf. Generalleutnant von Zieten vertrieb mit der Vorhut, die neben 2 Bataillonen auch aus 30 Eskadrons Husaren bestand, zunächst 2.000 feindliche Husaren aus Planian und ging dann entlang der sogenannten Kaiserstraße, die nach Kolin führte, in Stellung155. Die Karte zeigt den Aufmarsch der beiden Armeen. Die Österreicher hatten ihre Stellung (hellrot und rot) zunächst nach Westen ausgerichtet, bevor sie auf die Bewegungen der preußischen Armee (hellblau und blau) reagierten, sich nach Norden verlagerten und dann dabei weiter nach Osten verschoben. Schließlich postierten sich Feldmarschall Dauns Truppen auf den Höhen und fuhren mehrere Geschütze auf. Während die Preußen ca. 40.000 Mann für die Schlacht aufboten, umfasste Feldmarschall Dauns Armee seit dem 10. Juni 30.726 Mann Infanterie, 9.055 Berittene und die wiedergesammelten Einheiten unter General Pretlack im Umfang von 6.301 Kavalleristen156. An einsatzfähigen regulären Kräften standen also 45.681 Mann und rund 15.000 adaptiert nach Schwerin, Detlof, Feldmarschall Schwerin. gesamten Absatz siehe Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 2: 1757, Teil 1, Seite 158–163. 156 Siehe OestKA, AFA, Nr. 602: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 VI (1–365), Faszikel 37 und 38. 154 Karte 155 Zum
IV.4. Vom Beginn der Belagerung Prags bis zur Schlacht bei Kolin325
Abbildung 25: Operative Lage unmittelbar vor Kolin157
Pferde zur Verfügung, sodass man den Preußen in dieser Hinsicht nur leicht überlegen war. Hinzu kamen aber noch die rund 8.000 Husaren, 5.000 kroatischen Grenzer und dassächsische Kontingent mit ca. 2.300 Berittenen, sodass sich die Gesamtanzahl theoretisch auf 61.000 Mann und 23.000 Pferde belaufen haben könnte158, auch wenn am Tagder Schlacht bedingt durch Abkommandierungen wohl nur 56.000 Kämpfer zur Verfügung standen159. Das nächste Bild zeigt den Blick von den Höhen auf das Wirtshaus Zalty Slunce – Zur Goldenen Sonne, wo König Friedrich für die Dauer der Schlacht nun sein Hauptquartier einrichtete.
157 Karte adaptiert OestKA, AFA, Nr. 620: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 XIII, Faszikel 244, Nr. 15. 158 Von dem vorgesehenen Verstärkungskontingent (siehe OestHHStA, Kriegsakten, Nr. 334, Blatt 84 Vorderseite) waren bis Mitte Juni wahrscheinlich 12 Bataillone Infanterie, vorgesehen mit je 600 Mann, zusammen also 7.200 Mann, sowie 2 neuerrichtete Husarenregimenter zu je 1.300 Mann, zusammen also 2.600 Mann, angekommen. Zu diesen 9.800 Mann kamen wohl auch noch die 2.500–3.000 sächsischen Kavalleristen und möglicherweise 5.000 Kroaten. 159 Vgl. Hoen, Maximilian Ritter von, Die Schlacht bei Kolin, Seite 14.
326
IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
Abbildung 26: Blick Richtung Wirtshaus Goldene Sonne160
Das zweite Bild stammt vom rechten Flügel der Österreicher mit Blick auf den Hügel bei Koller und das Gelände des linken preußischen Flügels. In der Mitte beider Bilder wie einst die Kornfelder am Hügelhang in der Front der Österreicher. Hier versteckten sich zum Teil die kroatischen Grenz- oder Miliztruppen.
Abbildung 27: Blick Richtung Höhe von Koller161 160 Fotoaufnahme 161 Fotoaufnahme
des Autors. des Autors.
IV.4. Vom Beginn der Belagerung Prags bis zur Schlacht bei Kolin327
Die Österreicher verfügten mit 145 Kanonen über 55 Geschütze mehr als die Preußen, obwohl diese 21 12-Pfünder, 4 Haubitzen und 3 Mörser aufboten und damit im Bereich der schweren Artillerie um fast das Dreifache überlegen waren162. Zusätzlich befanden sich die Österreicher im Stellungsvorteil, denn sie beherrschten die Höhen südwestlich von Kolin und überblickten von dort die Ebene, in der sich die Preußen für den Angriff formierten. Trotz der vorteilhaften Position und numerischen Überlegenheit des Gegners war König Friedrich fest entschlossen, diesen links zu umgehen und anzugreifen. Allerdings verzögerte sich der Aufmarsch der Truppen wegen der großen Hitze bis 1 Uhr Mittags163. Gerade in der Mittagsglut wurden die Kräfte von Mensch und Tier stark strapaziert, sodass schon die Heranführung der preußischen Geschütze nur unter Inkaufnahme von Verlusten an Knechten und Pferden zu bewerkstelligen war. Besonders problematisch dürfte aus logistischer Sicht der Umstand gewesen sein, dass man sich immer weiter von der Sazawa und der Elbe weg in ein Gebiet hineinbewegte, wo es so gut wie keine größeren Fließgewässer gab, die man zur Wasserversorgung in dieser Situation hätte nutzen können. Die einzige Erleichterung, die sich den preußischen Truppen bot, waren einige Eisgruben, aus denen die Soldaten- oder Marketenderweiber das geschmolzene Wasser zu den Soldaten schafften und es an diese gewinnbringend verkauften. Einige von diesen wie die Angehörigen des Bevern’schen Infanterieregiments sahen sich während der Aufmarschphase einem permanenten Artilleriefeuer ausgesetzt, da sie sich zwischen den feuernden Geschützen befanden, die anfangs versuchten einander gegenseitig auf große Distanz auszuschalten164. Als die preußischen Generäle im Wirtshaus zur Goldenen Sonne noch einmal ihre Instruktionen für die Schlacht empfingen, veranlasste der Oberst Balbi, dass man einen österreichischen Reiter, der vor der Front der abgesessenen Kavallerie herumstreifte, gefangen nahm. Man erfuhr durch diesen Rittmeister Krauss vom österreichischen Kürassierregiment Gelhay, dass Feldmarschall Daun aus Wien den Befehl erhalten habe, alles für den Entsatz von Prag zu unternehmen und die Armee des Königs entweder heute oder morgen angreifen werde165. Daun, dem die Bewegung der preußischen Armee 162 Vgl. Hoen, Maximilian Ritter von, Die Schlacht bei Kolin,, Seite 14 f. und Seite 18 nd siehe zur Liste der preußischen Geschütze, LASA, DE, Z44 Abt. Dessau, A 9b VIb, Nr. 10, Bd. V (Verschiedene Militaria aus des Fürsten Moritz von Anhalt in preußigen Jaare 1757), Blatt 10 Vorderseite. 163 Siehe Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 2: 1757, Teil 1, Seite 164. 164 Zum gesamten Absatz siehe Prittwitz, Christian Wilhelm von, Jugend und Kriegsleben eines preußischen Offiziers im Siebenjährigen Krieg, Seite 54. 165 Spätestens zu diesem Zeitpunkt dürfte die vom König suggerierte Rechtfertigung, er habe den Feind zur Schlacht zwingen müssen, weil dieser sonst durch eine Umgehung die Fortführung der Belagerung von Prag gefährdet hätte, hinfällig sein. Siehe Friedrich II., Die Gründe meines militärischen Verhaltens (Juli 1757). Zu diesem Zeitpunkt war klar, dass der Feind den Preußen den Entscheidungskampf anbieten wollte, sodass sie unter Umständen in der Lage gewesen wären, diesen Umstand durch die Wahl einer möglichst starken Verteidigungsstellung für sich auszunutzen.
328
IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
und ihre mutmaßlichen Angriffsabsichten wohl nicht verborgen geblieben waren, hatte inzwischen seinen rechten Flügel mit regulärer Infanterie, Kroaten und die Stellung beim Dorf Krzeczor mit 12 Geschützen verstärkt166. Dennoch gelang es der Vorhut unter Generalmajor von Hülsen, bestehend aus 7 Bataillonen und 4 schweren Geschützen, die Österreicher trotz ihrer heftigen artilleristischen Gegenwehr aus der Umgebung des Dorfs Krzeczor zu vertreiben. Unterstützt wurden sie dabei neben 5 Eskadrons des Dragonerregiments Stechow noch von weiteren 25 Eskadrons aus General von Zietens Vorhut, die die Flanken sicherten. Links davon ging Zieten, der als Ausgleich für die zur Vorhut abgegebenen Einheiten 25 Eskadrons vom rechten Flügel und der Reserve unter Oberst Seydlitz erhielt, mit 50 Eskadrons gegen das leichte Kavalleriekorps unter General Nadasdy vor. Damit kamen bereits in der Anfangsphase der Schlacht rund 8.900 preußische Kavalleristen auf dem linken Flügel zum Einsatz, während im Zentrum nur 20 Eskadrons und weitere 16 auf dem rechten Flügel als Reserve verblieben. Zietens Angriff auf Nadasdys Truppen geriet aber durch die Unterstützung der eigentlich abkommandierten Einheiten und die Verstärkung der schweren Kavallerie zu einem durchschlagenden Erfolg167. Nun geschah etwas völlig Unvorhergesehenes, denn der Vormarsch der Infanterie zum Angriff auf den rechten Flügel in Richtung Eichwald wurde nicht weiter fortgesetzt. General Moritz zu Anhalt-Dessau wies darauf hin, dass man bei dem derzeitigen Aufmarsch den Feind nicht umgehen könne und man ihn folglich in einer starken Stellung angreifen müsse. Vor allem aber bedeutete dies, dass der Angriff nicht wie geplant östlich des Dorfes Krzeczor mit dem Eichwald als Zentrum gegen die rechte Flanke der feindlichen Stellung, sondern frontal auf die Stellung des Gegners bei Chozemitz gegenüber der Kaiserstraße zwischen Planian und Kolin stattzufinden drohte. Entsprechend vehement fiel der Protest von General Moritz zu Anhalt-Dessau aus, der eigentlich mit der ersten Kolonne bis zum Eichwald hätte vorrücken sollen: „Der Fürst, der in dergleichen Gelegenheiten ein vortreffliches Auge hatte, und folglich die übele und gefährliche Folgen dieses Aufmarsches gleich einsahe, erwiderte, dass er unmöglich ohne seine Pflicht zu verletzen und Verantwortung auf sich selbst zu laden die Armee allhier formiren lassen könne, sondern selbige erst noch weiter in Colonnen vorrücken müsse. Allein der König wurde hierüber höchst ungehalten, nährte sich in grössten Eyffer, den Degen in der Hand habend dem Fürsten, und ertheilte ihm nochmals die Ordre aufzumarschieren, wobei er ihn fragte ob er es tun wolle oder nicht?“168. 166 Zum gesamten Absatz siehe Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 2: 1757, Teil 1, Seite 163–165. 167 Zum gesamten Absatz siehe ebd., Seite 165–168. Die Stärkeangabe ergibt sich aus der Addition aller Husarenregimenter, aller Dragonerregimenter mit Ausnahme des Regiments von Meinicke sowie der beiden Kürassierregimenter Prinz Preußen und von Rochow in der noch folgenden Stärke- und Verlustliste. 168 Ebd., Seite 169. Eine besonders merkwürdige Deutung dieser Entscheidung und der aus ihr resultierenden Folgen findet sich bei Kutzen. Vgl. ders., Joseph August, Vor hundert Jahren, Abteilung 1: Der Tag von Kolin, Seite 98 f. und Seite 218–236. Wie stark über die Rolle des Fürsten Moritz gestritten wurde und mit welcher Vehemenz man sich bemühte, König Friedrich von jeg
IV.4. Vom Beginn der Belagerung Prags bis zur Schlacht bei Kolin329
Geschuldet war die fatale Planänderung vielleicht der Kurzsichtigkeit des Königs, die ihn im Gegensatz zu Moritz zu Anhalt-Dessau hinderte, die Proportionen des Schlachtfeldes richtig einzuschätzen169. Es mögen auch noch andere Faktoren dazu beigetragen haben, wahrhsceinlich war dieser Fehler aber nur einer, jedoch nicht der letzter und wohl auch nicht der entscheide in einer in einer Reihe von Fehlentscheidungen, die zum nun eintretenden Verlauf der Schlacht führten170. Die folgende Karte zeigt den ursprünglich geplanten Aufmarsch der Preußen in blau und den tatsächlich durchgeführten Aufmarsch in schwarz. Es wird deutlich, dass gerade die Ausdehnung des linken Flügels nicht stattfand, wodurch sich die gesamte Schlachtordnung zu sehr nach rechts (auf der Karte seitenverkehrt nach links) verschob.
Abbildung 28: Geänderter Aufmarschplan der Schlacht bei Kolin171
licher Mitschuld freizusprechen und stattdessen Ersteren zum alleinigen Sündenbock zu stempeln, zeigt die Argumentation Reinhold Kosers. Vgl. ders., Bemerkungen zur Schlacht bei Kolin, Seite 186–188. 169 Zur Kurzsichtigkeit des Königs vgl. Greeff, Richard, Ueber Augengläser und optische Instrumente im Hohenzollernmuseum, Seite 163 f. und jüngst auch Hahn, Peter-Michael, Friedrich II. von Preußen, Seite 256. 170 Koser verortet diesen im späteren Angriff des rechten Flügels, wahrscheinlich ist aber dass die Schlacht selbst angesichts der nummerischen Überlegenheit der Österreicher, ihrer vorteilhaften und des strapaziösen Wetters gar nicht erst hätte stattfinden dürfen. 171 Karte adaptiert nach: Grundzüge der deutschen Militärgeschichte, Bd. 2, Seite 78.
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IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
Aufgrund dieses veränderten Aufmarsches war es nun nicht mehr möglich, den rechten Flügel der Österreicher anzugreifen, weil sich der linke Flügel der preußischen Armee nun fast 2 Kilometer entfernt vom Eichwald und über 1 Kilometer entfernt von der Vorhut des Generalmajors von Hülsen formierte. Gerade hier, wie auch überhaupt auf dem linken Flügel, hatte der Angriff der preußischen Armee vielversprechend begonnen. Das Korps des Generals Nadasdy war durch Zietens Truppen südöstlich von Krzeczor zurückgeworfen worden, die Stellung bei Krzeczor hatte man eingenommen und es sogar geschafft, den Eichwald mit 2 jener Grenadierbataillone zu besetzen, die zuvor am Angriff auf Krzeczor teilgenommen hatten. Allerdings geriet der Angriff nun ins Stocken, weil 4 Kürassierregimenter unter dem Kommando von General Pennavaire durch die Aufmarschänderung zunächst nicht wie geplant auf den rechten Flügel zur Unterstützung der Infanterie vorrückten, sondern bei Brzisti zurückblieben172. Zunächst kam nun gegen 2 Uhr nachmittags der Großteil des linken preußischen Flügels zum Einsatz und griff zusammen mit der Vorhut des Generalmajors von Hülsen eine Batterie südwestlich des Dorfes Krzeczor an. Die beiden Bataillone im Eichwald, die gewissermaßen die äußerste linke Flanke der Armee im Eichwald formierten, wurden von 3 Bataillonen der Österreicher angegriffen. Da in diesem Augenblick die Unterstützung in Gestalt eines kavalleristischen Entlastungsangriffs durch die zurückgebliebene schwere Reiterei unter Pennavaires Kommando ausblieb, wurden die Infanteristen bis nach Krzeczor zurückgetrieben173. Außerdem rückte nun Nadasdys Korps, das sich gesammelt hatte und von einigen Kürassier- und Dragonerregimentern Verstärkung erhielt, erneut vor und versuchte tief in die linke preußische Flanke bei Kurtlitz vorzustoßen. Allerdings wurden sie von 50 Eskadrons, die von hier aus nun unter Zieten wieder in den Kampf eingriffen, erneut zurückgeschlagen174. Obwohl sich das Nadasdy’sche Korps nun abermals bis hinter das Dorf Radowsinitz, das gewissermaßen das äußerste rechte Ende der österreichischen Stellung markierte, zurückzog, sah General von Zieten von einer Verfolgung ab, weil seine Truppen schon zu sehr unter dem feindlichen Infanterieund Artilleriefeuer aus dem Eichwald gelitten hatten. Zur Unterstützung der zurückgeworfenen preußischen Infanterie bezogen nun östlich von Krzeczor 3 Kavallerieregimenter unter Oberst von Seydlitz Position175. In diesem Rahmen gelang es offenbar dem Kürassierregiment von Rochow unter seiner Führung, nicht nur die vorrückenden sächsischen Chevaulegers zu zerschlagen, sondern auch das nachrückende Infanterieregiment von Haller, das versuchte die Sachsen durchsickern zu lassen, ebenfalls zu zertrümmern, zumal es ohnehin von den zurückflutenden Kavalleristen mitgerissen wurde176. Die Österreicher brachten die Infanterieregimenter Gaisrugg und Neipperg unter General von Krottendorf auf ihrem rechten Flügel in Stellung, hinter denen sich die flüchtenden
172 Zum gesamten Absatz siehe Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 2: 1757, Teil 1, Seite 168–172. 173 Siehe Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 2: 1757, Teil 1, Seite 173. 174 Siehe ebd., Seite 174. 175 Siehe ebd., Seite 177. 176 Vgl. Hoen, Maximilian Ritter von, Die Schlacht bei Kolin, Seite 70 und 74.
IV.4. Vom Beginn der Belagerung Prags bis zur Schlacht bei Kolin331
Truppen Nadasdys neu formieren konnten177. Dies war dringend erforderlich, denn zu diesem Zeitpunkt glaubten sie, die Schlacht sei verloren178. Die Lage änderte sich, als General von Manstein um 4 Uhr mit einigen Bataillonen, die eigentlich zurückbleiben sollten, frontal die Hauptstellung der Österreicher bei Chotemesitz angriff, wo seine Einheiten dann auch in schweres Infanterie- und Artilleriefeuer der gegnerischen Truppen gerieten. Der verdutzte Herzog von Bevern brachte auf Nachfragen in Erfahrung, dass diese Attacke im ausdrücklichen Auftrage des Königs geschah. Kurz darauf wurde auch die Lage auf dem linken Flügel kritischer, da sich die österreichische Kavallerie dort nun wieder zum Angriff zu formieren begann. Nun sollte sie aber von den 20 Eskadrons Kürassieren unter Pennavaire zurückgeschlagen werden, die aufgrund des Geländes verspätet am eigentlichen Einsatzort eintrafen, sodass ihr Angriff nicht ganz jene Wirkung entfaltete, die man sich erhofft hatte. Trotzdem befanden sich inzwischen 100 Eskadrons der preußischen Kavallerie auf dem linken Flügel, sodass es Zietens Einheiten abermals gelang, Nadasdys Korps zurückzuwerfen, während die Truppen unter Seydlitz ebenfalls einige feindliche Kavallerieregimenter auf dem rechten Teil des linken preußischen Flügels zurückdrängten. Da sie sich heftigem Artilleriefeuer ausgesetzt sahen, waren auch sie gezwungen, sich zurückzuziehen. Obwohl die Kavallerieangriffe keine entscheidende Wirkung erzielten, verschafften sie den Infanterieregimentern des linken Flügels, denen zum Teil schon die Munition ausgegangen war, die dringend erforderliche Atempause179. Hierzu zählte wohl auch das Infanterieregiment des Herzogs von Bevern, das westlich von Krzeczor zum Einsatz gekommen war. Nachdem es zunächst ohne zu feuern gegen die Höhen vorrückte, schlug es dann die ersten gegnerischen Einheiten mittels einiger Salven in die Flucht180. Die Österreicher hatten aber Verstärkung erhalten, während es den Preußen an Munition mangelte, sodass sie diese ihren Verwundeten und Toten abnehmen mussten181. Letzteres fand wohl auch bei den Österreichern statt, die deswegen aber auch mittels Bajonettattacken die Flucht nach vorn antraten und dann Kugeln von den Preußen erbeuteten182. Zum Teil wurde der Nachschub auch von den Trommlern der Regimenter herangeführt, welche die Patronen in ihren aufgeschlitzten Pauken und Trommeln transportierten183. Einige Einheiten stellten ein beeindruckendes Maß an Feu177 Siehe OestKA, AFA, Nr. 602: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 VI (1–365), Faszikel ad 330. 178 Siehe Warnery, Charles Emmanuel de, Feldzüge Friedrichs des Zweyten von Preußen seit 1756 bis 1762. Erster Teil, Seite 141. 179 Zum gesamten Absatz siehe Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 2: 1757, Teil 1, Seite 174–177. 180 Siehe Prittwitz, Christian Wilhelm von, Jugend und Kriegsleben eines preußischen Offiziers im Siebenjährigen Krieg, Seite 56. 181 Siehe ebd. 182 Siehe OestKA, AFA, Nr. 634: Siebenjähriger Krieg CA Kampagne gegen Preußen 1757, Faszikel 6 / 50b. 183 Siehe ebd., Faszikel 6 / 52. Dieser Umstand weist abermals darauf hin, dass es auf Regimentsebene zuweilen eine Lücke im Bereich der Munitionsversorgung gab. Erstaunlicherweise
332
IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
erpräzision unter Beweis, darunter das ungarische Infanterieregiment Erzherzog Karl, wo die Offiziere beim Anschlagen selbst die Gewehre der Soldaten ausrichteten, bevor diese ihre Salven abgaben184. Die Preußen sahen sich dagegen mit dem Problem konfrontiert, dass ihre Gewehre schon heißgeschossen worden waren185. Dennoch verfügte beispielsweise das Bevern’sche Regiment nach dem ersten Angriff immer noch über rund 1.000 Soldaten und wurde erst zerschlagen, als es von feindlicher Kavallerie im Rücken angegriffen wurde, die auch vom ausgedünnten dritten Glied des Regiments nicht mehr aufgehalten werden konnte186. Die gegnerischen Infanterieeinheiten, formiert in 4 Mann tiefen Reihen, verfügten dagegen noch über ein weiteres Reserveglied187. Inzwischen war es schon 5 Uhr nachmittags. Zunächst wurden nun die Kürassierregimenter unter General Pennavaire bei ihrem dritten Vorrücken durch das gegnerische Flankenfeuer aus dem Eichwald zurückgetrieben. Da infolge des andauernden Artillerieund Musketenfeuers große Lücken in den Regimentern entstanden waren, fiel es der österreichischen Kavallerie nicht schwer, die preußischen Truppen, die sich ohnehin schon in kritischem Zustand befanden, zur kollektiven Flucht anzustacheln, die zuerst auf dem linken Flügel einsetzte. Die preußischen Kürassiere rückten zwar noch einmal vor, vermochten aber den Fliehenden wenig Deckung zu bieten, weil sie sich selbst dem österreichischen Artilleriefeuer ausgesetzt sahen. Mittlerweile zogen sich die Truppen unter General Manstein auf dem rechten Flügel aufgrund des massiven Kartätschenfeuers und der ausgehenden Munition zurück. Die großen Lücken wurden hier vom Regiment von Kreytzen aus dem zweiten Treffen gefüllt, das sich nun vor allem der verfolgenden österreichischen Kavallerie entgegenstellte und so zusammen mit den Resten der Regimenter Kalckstein und Moritz das ungeordnete Zurückweichen der Preußen auf dieser Flanke weitestgehend stabilisierte. Währenddessen trat König Friedrich bereits den Rückzug nach Nimburg an, übergab dem Herzog von Bevern das Kommando über die Armee und beauftragte ihn, sich mit dieser wieder hinter das Defilee, sprich auf die westliche Seite hinter das zerfurchte Bachgelände von Planian, abzusetzen188. Der Rückzug der preußischen Truppen erfolgte nun in Richtung der Kaiserstraße, wobei vor allem der rechte Flügel von den Österreichern heftig attackiert wurde, aber auf ebenso hartnäckigen Widerstand des Grenadierbataillons Gemmingen, des Gardebawurden Berichte wie dieser erst 1787, also 7 Jahre nach dem Tod Maria Theresias, dokumentiert. Wahrscheinlich hing dies mit dem überhöhten Symbolismus der Schlacht zusammen, da Kolin später als der zweite Geburtstag der Habsburgermonarchie gefeiert wurde. 184 Siehe Cogniazzo, Geständnisse eines Oestreichischen Veterans in politisch-militarischer Hinsicht auf die interessantesten Verhältnisse zwischen Oestreich und Preußen, während der Regierung des Großen Königs der Preußen Friedrichs des Zweyten. Zweyter Theil, Seite 354. 185 Siehe Prittwitz, Christian Wilhelm von, Jugend und Kriegsleben eines preußischen Offiziers im Siebenjährigen Krieg, Seite 57. 186 Siehe ebd., Seite 57 f. 187 Siehe OestKA, AFA, Nr. 634: Siebenjähriger Krieg CA Kampagne gegen Preußen 1757, Faszikel 6 / 50a. 188 Zum gesamten Absatz siehe Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 2: 1757, Teil 1, Seite 179–181.
IV.4. Vom Beginn der Belagerung Prags bis zur Schlacht bei Kolin333
taillons und des Dragonerregiments Meinecke stieß, die versuchten den Rückzug der fliehenden und zerstreuten Soldaten zu decken. Die preußische Infanterie bildete hierfür wohl auch Karreeformationen, die der gegnerischen Kavallerie die Verfolgung deutlich erschwerten189. Das Zurückweichen der Preußen dauerte etwa bis 7 Uhr abends, als das Grenadierbataillon Gemmingen verlegt wurde, um den Deckungsschirm auf die Zerstreuten und Flüchtigen des linken Flügels auszuweiten. Komplettiert wurde dieser von den Kürassierregimentern Driesen und Schönaich, die nun für die Sicherung des Rückzugsweges nach Planian sorgten, wo sich die Geflüchteten sammelten und von dort gegen 8 Uhr den endgültigen Rückzug antraten. Lediglich die 80 Eskadrons unter Zieten und Seydlitz verblieben bis 11 Uhr auf dem östlichen Schlachtfeld, bevor auch sie in Richtung Nimburg abzogen. Dorthin bewegte sich auch General Moritz zu Anhalt-Dessau mit einem Teil der Truppen über Satzka190. Die österreichischen Truppen verblieben in der Nacht in ihren Positionen und setzten sich dann am Morgen rückwärts nach Krichenau ab. Obwohl sie als Sieger aus der Schlacht hervorgegangen waren, hatten sie ebenfalls beträchtliche Verluste zu verzeichnen, die sich laut der offiziellen Liste von Feldmarschall Daun auf 8.015 Mann und 2.610 Pferde beliefen191. Die regulären Infanterieregimenter verfügten nach der Schlacht nur noch über 24.706 einsatzfähige Soldaten192. Da die Österreicher auch nur 7.125 schwere Reiter aufbieten konnten193, lag die Gesamtstärke bei knapp 32.000 Mann. Angesichts der beträchtlichen Stärke der preußischen Truppen, die nur um rund 1 / 4 schwächer waren, unterblieb eine Verfolgung. Maria Theresia billigte das unmittelbare Ausbleiben durchaus in ihrem Dankesschreiben vom 21. Juni und zeigte sich vor allem um Feldmarschall Dauns persönliches Wohlergehen besorgt, weil ihr dessen Dienste so wertvoll erschienen194. Auf preußischer Seite spiegelten die Verluste das Desaster der verlorenen Schlacht in ihrem ganzen Ausmaß wider. Die Österreicher schätzten sie auf bis zu 20.000 Mann, wobei ihre Spezifikationen 6.500 Tote auf dem Schlachtfeld verzeichneten, zu denen noch 897 Deserteure sowie 4.011 Kriegsgefangene hinzuzurechnen waren, zusammen also 11.485 Mann. Jedoch gab die Liste der Kriegsgefangenen vom 22. Juni bis Ende des Monats die Gesamtzahl nur mit 3.147 Mann an. Der größte Teil entfiel dabei auf die 189 Zur Karreebildung durch die preußische Infanterie siehe OestKA, AFA, Nr. 634: Siebenjähriger Krieg CA Kampagne gegen Preußen 1757, Faszikel 6 / 50b. 190 Zum gesamten Absatz siehe Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 2: 1757, Teil 1, Seite 182 f. 191 Siehe OestKA, AFA, Nr. 602: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 VI (1–365), Faszikel 349. 192 Siehe ebd., Faszikel 58. 193 Siehe ebd., Faszikel 65. 194 Siehe OestKA, AFA, Nr. 602: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 VI (1–365), Faszikel 334. Dies weist schon darauf hin, dass man zunächst den Ausgang der Schlacht deutlich nüchterner beurteilte und nicht gerade in Feierlaune war, wie man es zum Geburtstag eines Staates, zu dem man die Schlacht dann stilisierte, erwarten sollte.
334
IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
Infanterie, wobei die Regimenter Bevern und Fürst Moritz jeweils mit 417 Mann die höchsten Ausfälle zu verzeichnen hatten. Die Kavallerieregimenter büßten in dieser Kategorie insgesamt nicht mehr als 113 Mann ein195. Obgleich nicht mehr genau nachvollziehbar ist, wie hoch der Verlust der Preußen auf dem Schlachtfeld war und wie er sich zusammensetzte, steht außer Frage, dass er deutlich über dem der Österreicher lag, auch wenn König Friedrich das Bild der Niederlage in einem Schreiben an seine Minister Podewils und Finkenstein zu relativieren versuchte und sie anwies, den Verlauf in einem etwas anderen Licht zu schildern: „[…] Die feindliche Armee ware in 3 Linien gestellet, und zwar auf einen hohen Berg welcher mit einer grossem Anzahl von Canonen besetzt ware. Dieser vortheilhaften Stellung ohngeachtet, machte meine Armée um 2 Uhr Nachmittag den Angriff, und bemächtigte sich auch zweyer Batterien und zweyer Dörfer in welchen Infanterie lage: allein sie konnte nicht über den dritten Posten Meister werden, worüber ich den Entschluß fasste, von dieser Unternehmung zulassen, und meine Armee nach Nimburg zurückzuziehen. Wir haben den Feind auf unserer rechten Seite noch 2 mal repoussiret, und er hat sich nicht getrauet uns nach der Action zu folgen, noch uns auf irgendeine Weise zu beunruhigen. Seine Infanterie ist nicht einmal über die Helfte des Berges herunter gekommen, welches genugsam beweiset, wie beträchtlich sein Verlust gewesen sein müsse. Wir haben weder Bagage noch Canonen verlohren, ausgenommen etliche Wagen die verirrt haben, und einige Canonen, die wegen Abgang ihrer Lavetten nicht weiter gebrauchet werden konnten. […] Berlin, den 24 Juny 1757 Auf ausdrücklichsten Befehl des Königs“196.
Obwohl König Friedrich den negativen Ausgang der Schlacht durch den Entschluss zum Angriff und die Veränderung des Aufmarsches maßgeblich selbst verschuldet hatte, kann seine Beschreibung sogar als eine weitestgehend zutreffende Halbwahrheit gelten. Allerdings hatte er hinsichtlich der Verluste dreist gelogen, denn tatsächlich büßten die Preußen nicht weniger als 45 Geschütze ein197. Laut der Liste aus dem Lager bei Nimburg 3 Tage später beschränkten sich die wichtigsten Verluste auf 4 Haubitzen und 9 12-Pfünder. Für die Kompensation des Verlustes sollte Oberstleutnant von Dieskau in Berlin 20 neue 12-Pfünder gießen lassen198. Gerettet hatte man von ursprünglich 80 Geschützen nur 42 Stück, darunter aber immerhin noch 12 12-pfündige Geschütze sowie 3 Mörser199. Zu diesem Zeitpunkt, sprich am 22. Juni offenbarte sich, wie verheerend die Verluste der preußischen Infanterie waren, die weitestgehend in der Tagesliste aus Nimburg do195 Zum gesamten Absatz siehe OestKA, AFA, Nr. 602: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 VI (1–365), Faszikel 347, 348 und 349. 196 OestKA, AFA, Nr. 602: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757, VI (1–365), Faszikel 332 ½. 197 Siehe LASA, DE, Z44 Abt. Dessau, A 9b VIb, Nr. 10, Bd. V (Verschiedene Militaria aus des Fürsten Moritz von Anhalt in preußigen Jaare 1757), Blatt 10 Vorderseite. 198 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, 85 Ll.1: Dieskau, Carl Wilhelm, Obristlieutenant d. Artillerie 1756–1757, Blatt 88 Vorderseite. 199 Siehe LASA, DE, Z44 Abt. Dessau, A 9b VIb, Nr. 10, Bd. V (Verschiedene Militaria aus des Fürsten Moritz von Anhalt in preußigen Jaare 1757), Blatt 10 Vorderseite.
IV.4. Vom Beginn der Belagerung Prags bis zur Schlacht bei Kolin335
kumentiert sind, denn mit Ausnahme des 1. Bataillons des Garderegiments verzeichnete sie alle Infanterieregimenter und Grenadierbataillone, die an der Schlacht teilgenommen hatten. Die folgende Tabelle stellt in verkürzter Form die Sollstärken der Regimenter, die Anzahl der Kranken, Kommandierten, Verwundeten bzw. Blessierten, Fehlenden oder Manquierenden und die zum Dienst verbliebenen Truppen dar. Tabelle 59 Stärke der preußischen Infanterie 4 Tage nach der Schlacht bei Kolin im Lager bei Nimburg200 Sollstärke
Kommandiert
Kranke
Verwundet
Manquierend
Iststärke
Gesamt
Gesamt
Gesamt
Gesamt
Gesamt
Gesamt
26.347
947
1.540
4.566
9.482
11.014
Es zeigt sich sehr deutlich, dass die Iststärke, die der Anzahl der „zum Dienst verbliebenen entsprach“ etwas mehr als 1 Drittel der Sollstärke, nämlich 41 % bzw. 35 % betrug. Dies war natürlich eine enorme Einbuße. Die Kategorien der Manquierenden und Verwundeten spiegelten vermutlich die Schlachtverluste bei Kolin wider. Damit würde sich der Verlust der Infanterie in der Schlacht bei Kolin auf 14.048 Mann belaufen201. Hinzu kamen aber noch die Verluste des 1. Gardebataillons, die mit 475 Mann zu Buche schlugen202. Insgesamt hatte die preußische Infanterie also mindestens 14.505 Mann bis zu diesem Zeitpunkt verloren, wobei die Verwundeten nur als vorübergehende Ausfälle zu werten sind, die man gegebenenfalls zu einem späteren Zeitpunkt wieder einsetzen konnte, wenn es gelang, sie abzutransportieren und einigermaßen angemessen zu behandeln. Während die Infanterie und Artillerie der Preußen stark gelitten hatten, verzeichnete die Kavallerie sehr geringe Verluste und war weitestgehend intakt. Die Regimenter hatten ohnehin sehr viel mehr Reiter und Pferde aufgeboten, als es angesichts der vorangegangenen Schilderungen des Herzogs von Bevern über die Ausfälle zu erwarten gewesen wäre. Die Tabelle zeigt die Ausgangsstärken der Einheiten, die Anzahl der Toten, Vermissten, Verwundeten und die Verbliebenen, mit denen der Rest des Feldzuges zu bestreiten war.
200 Zu sämtlichen Zahlen in der Tabelle siehe LASA, DE, Z44 Abt. Dessau, A 9b VIb, Nr. 10, Bd. V (Verschiedene Militaria aus des Fürsten Moritz von Anhalt in preußigen Jaare 1757), Blatt 14 Vorderseite. 201 Vgl. im Gegensatz dazu Kutzen, Joseph August, Vor hundert Jahren, Abteilung 1: Der Tag von Kolin, Seite 144. Hier werden die Ausgangsstärke mit 18.000 und der Verlust mit 12.400 zu niedrig angegeben. 202 Vgl. Reinhard, Carl von, Geschichte des königlich-preußischen ersten Garderegiments, zurückgeführt auf die historische Abstammung des Regiments vom 1. Bataillon Leibgarde, dem Regiment Garde und dem Grenadier-Gardebataillon: 1740–1857, Seite 85.
336
IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757 Tabelle 60 Stärke- und Verlustliste der preußischen Kavallerie am 18. Juni bei Kolin203 Vor der Schlacht
Regimenter
Mann
Pferd
Prinz Preußen
751
Leib. Regiment
Tot / Vermisst
Verwundet
Mann
Pferd
Mann
770
92
178
31
740
736
26
73
20
Karabiniers
806
782
69
135
von Rochow
806
806
129
von Kyau
512
476
von Krockow
468
von Schönaich von Driesen
Pferd
Verblieben Mann
Pferd
628
592
21
(694)
642
20
11
(717)
(636)
208
37
8
(640)
590
30
63
16
12
(466)
(401)
442
35
69
16
15
417
358
710
696
22
49
2
686
647
874
848
75
142
51
31
748
675
von Katt
831
722
49
64
15
22
767
636
von Blankensee
472
460
15
39
11
6
(446)
(415)
von Meinicke
817
761
38
58
24
10
755
693
von Normann
727
637
68
84
34
625
553
von Stechow
524
499
29
30
8
487
467
1.174
1.155
73
267
100
1.001
888
von Wartenberg
843
838
43
55
17
2
783
781
von Szeckuly
448
439
10
18
15
13
423
408
1.021
950
22
62
46
36
953
852
von Seidlitz
424
413
55
7
35
28
(334)
(378)
von Werner
857
798
58
66
14
23
(785)
709
13.805
13.228
938
1667
512
240
12.355
11.321
Kürassiere
Dragoner
2
Husaren von Zieten
von Puttkammer
Summe
203 Zu den Zahlen in dieser Tabelle siehe LASA, DE, Z44 Abt. Dessau, A 9b VIb, Nr. 10, Bd. V (Verschiedene Militaria aus des Fürsten Moritz von Anhalt in preußigen Jaare 1757), Blatt 9 Vorderseite. Die Tabelle enthält vor allem in der Kategorie der zum Dienst verbliebenen Effektiven Ausrechnungs- und daraus folgende Additionsfehler in der Spalte der Gemeinen und der Pferde. Die Zahlen in den anderen Kategorien sind offenbar korrekt. Die hier in Klammern angegebenen Zahlen geben die richtigen Werte und Endsummen an.
IV.4. Vom Beginn der Belagerung Prags bis zur Schlacht bei Kolin337
Wie man sieht, waren die Verluste an Reitern und Pferden relativ gering. Dies ist angesichts des Schlachtverlaufs sicherlich nicht übermäßig überraschend, denn offensichtlich hatten die Einheiten sich größtenteils erfolgreich gegen Nadasdys Korps auf dem äußersten linken Flügel behauptet oder waren wie auf dem rechten Flügel spät zur Eindämmung der österreichischen Verfolgungsangriffe genutzt worden. Fraglich ist hingegen, ob nur die Toten und Vermissten oder auch die Blessierten als Verluste zu werten sind. Da die preußische Kavallerie das Schlachtfeld lange behauptete, ist es zumindest möglich, dass man die verwundeten Männer und Pferde evakuieren konnte. Ob es jedoch möglich war, Letztere wieder einzusetzen, dürfte angesichts der Feldzugstrapazen und der Schwierigkeiten, den Tieren die zur Heilung nötige Ruhe und Pflege zukommen zu lassen, äußerst fraglich sein. Wahrscheinlich waren also die verwundeten Pferde, jedoch nicht die Reiter langfristig verloren. Da sich der Verlust der Kavallerie wohl auf 1.450 Mann und 1.907 Pferde belief204, war er deutlich niedriger als bei den Österreichern, weil die preußische Kavallerie ihre Kontrahenten von Anfang bis Ende dominierte. Der personelle Gesamtverlust stieg letztlich auf 15.955 Mann und die zuvor erwähnte Anzahl von Pferden205. Dies war durchaus heikel, denn der Gesamtdurchschnitt des Personal- und Pferdebestandes lag schon vor der Schlacht bei 71–72 % und sank danach besonders bei den Kürassieren auf 51–52 %. Als klassische Schlachtenreiterei waren sie in der Tat am stärksten im Gefecht beansprucht worden, da allein 917 der Pferdeausfälle auf sie entfielen. Obwohl die anderen Einheiten weniger gelitten hatten, konnten auch sie die Niederlage bei Kolin nicht verhindern. Letztlich verblieben der geschlagenen preußischen Armee noch um die 23.500 einsatzfähige Soldaten und damit nur 59 % der Ausgangsstärke zu Schlachtbeginn. IV.4.6. Rekapitulation des Feldzugsverlaufs und der Schlacht bei Kolin Der Versuch, die Belagerung Prags durch das Abdrängen des Daun’schen Korps, den Feldzug sowie den ganzen Krieg noch im Sommer des Jahres 1757 zu Gunsten des Königreichs Preußen zu entscheiden, war endgültig gescheitert. Am Ausgang der Schlacht sowie an ihrem Zustandekommen hatte der König maßgeblichen Anteil. So fand der Angriff statt, obwohl man unmittelbar zuvor von dem feindlichen Rittmeister erfahren hatte, dass Feldmarschall Daun aufgrund des politischen Drucks aus Wien und der Hungersnot in Prag innerhalb kurzer Zeit selbst genötigt gewesen wäre, die preußi204 Interessanterweise hat Hoen den Verlust der Kavallerieeinheiten, der ihm zufolge 1.416 Mann betrug, nicht zusammengefasst, vor allem aber überhaupt nicht den Pferdeverlust auf preußischer Seite angegeben. Allerdings lassen auch die Verluste der einzelnen Regimenter erahnen, dass die preußische Kavallerie das Gefecht relativ gut überstanden hatte, denn nur 1 Drittel der eingesetzten Regimenter, sprich 5 Stück, verzeichneten auch nach seiner Aufstellung mehr als 100 Mann an Verlusten. Vgl. Hoen, Maximilian Ritter von, Die Schlacht bei Kolin, Blatt 146. 205 Vgl. im Gegensatz dazu die Angaben bei Hoen, Maximilian Ritter von, Die Schlacht bei Kolin, Blatt 145 f. Nach Hoens Angaben verlor die preußische Armee inklusive der Kavallerie nur 13.767 Mann. Kutzen hingegen veranschlagte den Verlust zu hoch. Vgl. ders., Vor hundert Jahren, Abteilung 1: Der Tag von Kolin, Seite 144 und 254 f.
338
IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
schen Truppen anzugreifen. Außerdem hatte der König gegen den massiven Protest des Generals Moritz zu Anhalt-Dessau anders aufmarschieren lassen, wodurch er die eigens konzipierte Umgehung des Gegners zunichtemachte, auf der er vorher so vehement bestanden hatte. Vor der Schlacht war der König Feldmarschall Daun entgegengerückt, obwohl er gewusst haben wird, dass dessen Armee deutlich stärker war als von ihm angenommen. Schon aus den Berichten, die der Herzog von Bevern ihm geschickt hatte, konnte man den Zuwachs der Daun’schen Armee erahnen. Dennoch scheint die Fehleinschätzung auf diesem Gebiet noch am ehesten nachvollziehbar. Beverns Berichte ließen vor dem Hintergrund der sich ständig ändernden, komplexen Lage kein eindeutiges Bild bezüglich der gegnerischen Stärkeentwicklung zu. Vor allem der Umstand, dass sich die Streitmacht von Anfang bis Ende Mai um fast 20.000 Mann vergrößert hatte, war sicherlich schwer zu glauben. Ob diese Entwicklung gänzlich unvorhersehbar war, scheint aber ebenso fraglich zu sein. Generalleutnant von Winterfeldt hatte, wie erwähnt, schon zu Beginn des Feldzuges Kenntnis davon, dass ein Teil der österreichischen Kavallerie in Mähren zurückgeblieben war206, die inzwischen als Verstärkung mobilisiert worden sein konnte. Ebenso fraglich ist jedoch auch, ob er sich Mitte / Ende Mai angesichts seiner Verletzungen, die er in der Schlacht bei Prag erlitten hatte, in der physischen und mentalen Verfassung befand, um den König in dieser Frage sachkundig beraten zu können. Noch rätselhafter ist, warum der König sich der feindlichen Armee näherte und meinte diese angreifen müssen, nachdem er bemerkt hatte, dass diese bis zu 60.000 Mann zählte und damit 1 Drittel stärker war als seine Truppen. Vor allem hatte er bis zum 10. Juni behauptet, dass es ihm in erster Linie darum gehe, Feldmarschall Dauns Armee am Entsatz von Prag zu hindern, und nicht darum, diese anzugreifen und ihr im Gefecht signifikante Verluste zuzufügen. Dem Herzog von Bevern konnte man nicht vorwerfen, den König unzureichend über die Lageentwicklung unterrichtet zu haben. Am umstrittensten dürfte seine Entscheidung gewesen sein, sich zu schnell und zu weit nach dem Gefecht bei Kuttenberg zurückgezogen zu haben, denn dadurch gelangten Dauns Truppen wieder in den Besitz bedeutender Magazinvorräte. Denkbar ist, dass die preußischen Truppen schlicht und ergreifend nicht über eine ausreichende Menge an Transportwagen verfügten, um diese vom 5. bis zum 13. Juni abzutransportieren. Dies erklärt aber nicht, warum der Herzog mit seinen Truppen auch die Stellung bei Kolin räumte und sich weiter in Richtung Prag zurückzog. Vermutlich favorisierte er wegen der starken numerischen Überlegenheit des Gegners eine weiträumigere Absetzung. Diese hätte im Raum Böhmisch Brod wahrscheinlich mehr Aussicht auf Erfolg gehabt, weil damit eine Umgehung für Feldmarschall Daun erschwert worden und die kurzfristigen Verstärkungen eher zu realisieren gewesen wären. So aber waren der Herzog von Bevern und König Friedrich mit unterschiedlichen operativen Vorhaben und auch gänzlich verschiedenen Vorstellungen von der Stärke des Gegners und der Verfassung der preußischen Truppen vor Ort im Lager bei Mallotitz zusammengetroffen. 206 Vgl.
IV. Teil 1.2.: Die Operationsplanungen der Preußen.
IV.4. Vom Beginn der Belagerung Prags bis zur Schlacht bei Kolin339
Auch die Gesamtlage, aus der er sich zum Angriff entschied, hatte König Friedrich maßgeblich selbst herbeigeführt, denn er unterschätzte den Belagerungsaufwand bei Prag, die nicht minder schwierige Versorgungslage von Beverns Korps und die Stärke der gegnerischen Streitmacht unter Feldmarschall Daun kolossal. Strategisch gesehen, führte in erster Linie der Fehlschlag der Prager Belagerung dazu, dass der König Anfang Juni in Zugzwang geriet und dann jene Reihe von verhängnisvollen Fehlentscheidungen traf, die im Falle der Kapitulation und der Gefangennahme der Besatzung hinfällig gewesen wären. Dass diese ausblieb, war teilweise auch unglücklichen Zufällen geschuldet, z. B. dass die Österreicher sehr viele Vorräte in der Stadt zurückbehalten hatten, weil vieles wegen des Wagenmangels zunächst gar nicht ins Feld gelangt war. Auch das Regenwetter schwächte die Wirkung des Bombardements. Zwar trugen die Österreicher auch selbst zur Reduzierung der Brandgefahr durch das Abdecken der Dachschindeln und das Bedecken der Dachböden mit Mist bei. Allerdings erwies sich rückblickend die zeitliche Verzögerung des Bombardements, hervorgerufen durch die langsame Heranführung des Belagerungsparks, der außerdem unzureichende Mengen an schwerem Geschütz und zugehöriger Munition umfasste, als großer Planungsmangel im Bereich der Logistik, der dazu führte, dass es nicht gelang, die Stadt einzunehmen, mehr Schaden zu verursachen oder das Aushungern der Besatzung stärker zu forcieren. Am Beispiel der österreichischen Besatzung in Prag und der preußischen Belagerungsarmee zeigte sich, dass die Truppenverpflegung selbst für eine große Streitmacht wie vor den Toren oder in der eingeschlossenen Stadt durchaus für 1 ½ Monate zu bewältigen war. Große Schwierigkeiten bereitete nicht nur den Verteidigern, sondern auch den Angreifern die Kavallerieverpflegung, da die Preußen weit entfernt von ihren Magazinen operierten und die Ausschreibungen in Böhmen nur bedingt den Bedarf deckten. Den Österreichern unter Daun standen nicht nur ausreichende Magazinbestände zur Verfügung, sie hatten auch vergleichsweise geringere Pferdemengen zu versorgen. Das Observationskorps des Herzogs von Bevern hatte sehr viel Kavallerie aufgeboten und vor der zweiten und dritten Magazineroberung große Schwierigkeiten bei der Verpflegung der Pferde. Trotz dieser Probleme erzielte gerade die preußische Kavallerie bei Kolin zwischenzeitlich große Erfolge im Gefecht. Wahrscheinlich war dies darauf zurückzuführen, dass sie sich maßgeblich durch die Vorräte aus den eroberten Magazinen erholt hatte. Vor der Schlacht mangelte es offenbar weder Mensch noch Tier beider Seiten an Lebensmitteln. Die logistischen Defizite bei Kolin entstanden auf preußischer Seite vor allem durch die kurzfristigen Hitzefolgen. Letztere strapazierten das physische Kräftepotential, führten zum Ausfall der Waffen und wären folglich durch das kurzfristige Unterlassen des Angriffs noch zu vermeiden bzw. zu kompensieren gewesen. Da aber genau dies nicht der Fall war, mussten schließlich die numerische Überlegenheit und der Geländevorteil den Ausschlag zu Gunsten der Österreicher geben207. Der Sieg und der nun folgende Entsatz Prags waren denkbar knapp und aus österreichischer Perspektive glücklich, weil man zu 207 Siehe OestKA, AFA, Kriegswissenschaftliche Mémoires, II, Nr. 15: Anmerkungen über die Schlacht bei Kolin.
340
IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
diesem Zeitpunkt von massiven Fehlentscheidungen des Königs auf strategischem und taktischem Gebiet profitierte. Angesichts der Tatsache, dass die Stadt in kürzester Zeit immer noch hätte kapitulieren können, neigte unmittelbar nach der Schlacht auch niemand auf Seiten der Habsburger zu jener Euphorie, wie es die spätere Stilisierung als zweitem Geburtstag der Monarchie vermuten lassen würde208. Hierfür stand man viel zu sehr unter Druck und war angesichts der prekären strategischen Gesamtlage viel zu angespannt.
IV.5. Der langsame Rückzug aus Böhmen IV.5.1. Die Aufhebung der Prager Belagerung und Bildung der beiden preußischen Armeen Während die bei Kolin geschlagene Armee sich nach der Schlacht unter Führung des Königs, des Herzogs von Bevern und des Prinzen Moritz zu Anhalt-Dessau Richtung Nimburg zurückzog, hoben die preußischen Truppen am 20. Juni die Belagerung von Prag auf. Die Einheiten, die auf der rechten Moldauseite gestanden hatten, insgesamt 38 Musketier- und 9 Grenadierbataillone sowie 22 Eskadrons, brachen in 3 Kolonnen Richtung Brandeis auf. Auf dem linken Moldauufer zog das Korps unter dem Kommando von Feldmarschall Keith, das noch aus 19 Musketier- und 8 Grenadierbataillonen sowie 18 Eskadrons bestand, ebenfalls ab1. Den meisten österreichischen Berichten zufolge umfasste dieser Verband noch 27.000 Mann2. Da durch die rund 14.000 Mann, die vor der Schlacht bei Kolin zum Korps des Herzogs von Bevern entsandt wurden, die Stärke der Belagerungsarmee von 70–73.000 Mann auf rund 56–59.000 gesunken war, dürften abzüglich des Korps unter Keith auf der rechten Moldauseite noch 29–32.000 Mann zur Verfügung gestanden haben, die von dort abzogen. Der Rückzug der preußischen Truppen unter Feldmarschall Keith auf der linken Seite der Moldau gestaltete sich durch die einsetzende österreichische Verfolgung am schwierigsten. Zunächst kam es im Rahmen des Abzuges zu einem Artilleriegefecht mit den Österreichern, die bereits am 20. Juni aus dem Reichen- und Carls-Tor hinausgerückt waren3. Dennoch gelang es den rund 27.000 Preußen, sich relativ geordnet zurückzuziehen, da Generalleutnant von Schmettau sich mit 6 Grenadierbataillonen schrittweise von Engpass zu Engpass zurückfallen ließ und so den Rückzug der übrigen Einheiten si208 Offensichtlich erfolgte diese Deutung erst durch ein Schreiben, das Maria Theresia ein Jahr später an Feldmarschall Daun sandte. Vgl. Broucek, Peter, Der Geburtstag der Monarchie, Seite 131. 1 Zum gesamten Absatz siehe Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 3: 1757, Teil 2, Seite 9 f. 2 Siehe OestKA, AFA, Nr. 603: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 VI (366–Ende), Faszikel 579. 3 Siehe Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 3: 1757, Teil 2, Seite 10 f.
IV.5. Der langsame Rückzug aus Böhmen341
cherte4. Die Österreicher, deren leichte Truppen unter Oberst Laudon die Verfolgung begannen, nahmen vorerst nicht mehr als 160 Mann gefangen. Allerdings ließen die Preußen 1.200 ihrer eigenen und 600 österreichische Verwundete im Margarethenkloster zurück und waren aus Pferdemangel nicht in der Lage, ihre für die Flussüberquerungen so wichtigen Pontons abzutransportieren, sodass die Österreicher hiervon 42 Stück mit den zugehörigen Wagen eroberten5. Sie gelangten auch in den Besitz noch weiterer Pontons, die man zuvor für die provisorischen Brücken der preußischen Armee verwendet hatte und nun Richtung Melnick die Moldau hinuntertreiben ließ, um sie dort wieder aufzufangen. Allerdings war der Verlust für die Preußen zu verschmerzen, weil noch genügend Ersatz in Dresden und Pirna vorhanden war, auch wenn die Wagen zum Teil ebenfalls fehlten6. Der Großteil der Truppen auf dem rechten Moldauufer brach am 21. Juni offenbar weitestgehend unbehelligt auf. Die Preußen konnten wohl auch die schweren Belagerungsgeschütze wieder auf ihren Sattelwagen nach Leitmeritz zurückschicken, wo sie dann in die Schiffe verladen wurden, während man die Lafetten und Batterien zerstört vor der Stadt zurückließ7. Der König entsandte unverzüglich 3 Grenadierbataillone und Teile des Husarenregiments von Seydlitz nach Jungbunzlau, um das dortige Magazin zu decken, obgleich sich dort schon seit einigen Tagen 2 Bataillone des Regiments von Wietersheim und 1 Bataillon des Regiments von Seers befanden. Der Rest der Truppen lagerte am 21. und 22. Juni bei Brandeis und Altbunzlau, wo Schiffsbrücken errichtet worden waren, die von 4 Grenadierbataillonen auf dem Brandeiser Schloss und der Insel gedeckt wurden. Am 22. Juni wurden 3 Musketierbataillone nach Nimburg entsandt, während das 1. Bataillon von Seers nach dem Eintreffen der Abteilung in Jungbunzlau zum Schutz Zittaus abzog. Zur Verstärkung von Feldmarschall Keiths Truppen rückten am nächsten Tag 7 Kavallerieregimenter ab8. Dieser setzte am 21. Juni seinen Rückzug fort, bei dem im Rahmen eines Überfalls auf eine gemischte Abteilung durch 1.000 Kroaten weitere 60 Mann getötet und 250 gefangen genommen wurden, sodass sich der Verlust während dieses Rückmarsches zunächst auf 470 Mann erhöhte, wozu aber noch 300 Deserteure zu rechnen sind, die bei den Österreichern bis zum 23. Juni eintrafen und die Ausfälle auf rund 770 preußische Soldaten anwachsen ließen9. Dennoch war laut Feldmarschall Keith, der den Abgang 4 Vgl. Schmettau, Friedrich Wilhelm Karl von, Lebensgeschichte des Grafen von Schmettau, Königl. Preuß. Generallieutenants, Seite 350 f. 5 Siehe OestKA, AFA, Nr. 616: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 XIII (1–19), Faszikel 2. 6 Siehe LASA, DE, Z44 Abt. Dessau, 9b VIb, Nr. 4, Bd. VIII: Gesammelte Briefe des Fürsten aus Moritz den Jahren 1757–1759, Blatt 145 Vorderseite. 7 Vgl. Malinowski, Curd / Bonin, Robert, Geschichte der brandenburg-preußischen Artillerie, Bd. III, Seite 209. 8 Zum gesamten Absatz siehe Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 3: 1757, Teil 2, Seite 12–15. 9 Siehe OestKA, AFA, Nr. 603: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 VI (366–Ende), Faszikel 408 und Faszikel 579.
342
IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
insgesamt auf 1.000 Mann schätzte, kein Geschütz verloren gegangen und die schwere Artillerie samt der Bagage am 22. Juni bei Welwarn eingetroffen10. Der Großteil der Truppen befand sich am selben Tag schon in Budin. Prinz August Wilhelm berichtete, dass man fast alle Verwundeten geborgen hatte, die Regimenter noch ziemlich stark waren und weiterhin gute Dienste verrichteten, wenn die leichten Truppen des Gegners ihnen nicht die Zufuhr an Lebensmitteln erschwerten11. Gerade vor dem Hintergrund der Versorgungsfrage waren sich die preußischen Generäle völlig einig, dass es die Elblinie unbedingt zu sichern galt12. Während Keiths Korps nun am 23. Juni größtenteils rastete, entsandte er wegen des Überfalls bei Beraun die beiden Infanterieregimenter Hessen-Darmstadt und Foracde nach Leitmeritz, um das dortige Magazin besser zu decken. Bisher hatte sich dort nur das 1. Bataillon des ehemaligen sächsischen Regiments von Wylich befunden, während das 2. Bataillon des Regiments Aussig und die Burg Schreckenstein verteidigte. Aufgrund der Gefahr, die von Laudons Kroaten ausging, rückte zum besseren Schutz der Magazine, Bäckerei und Elblinie auch der Rest des Keith’schen Korps am 24. Juni in Leitmeritz ein. Sofern keine anderen Verluste während des Rückzugs aufgetreten waren, dürften also rund 26.000 Mann eingetroffen sein. Die Truppen des Königs bei Sahorzan brachen unterdessen ebenfalls in diese Richtung auf13. Noch am selben Tag trafen schon die 7 Kavallerieregimenter aus Nimburg ein, die wohl noch durch 2 Regimenter bei Melnick ergänzt wurden. Sie setzten sich aus 60 Eskadrons zusammen und entstammten größtenteils dem Kavallerieverband, der an der Schlacht bei Kolin teilgenommen hatte. Die Einheiten aus diesem Verband zählten nach der Schlacht noch 5.400 Mann und 5.555 Pferde14. Somit wuchs die Truppe bei Leitmeritz mindestens auf 31.500 Mann an. Am 26. und 27. Juni schloss sich König Friedrich mit 3 Eskadrons der Garde du Corps, dem stark dezimierten 1. Gardebataillon sowie 12 Musketierbataillonen und 1 Grenadierbataillon den Truppen Feldmarschall Keiths an15. Wenn diese 14 Infanterieeinheiten überwiegend komplett waren, konnten dies maximal 12.100 Mann sein. Wahrscheinlich war dies aber nicht der Fall, sodass das Kontingent 10 Siehe
seite.
GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 87 N: Feldmarschall Jakob Keith 1757, Blatt 100 Rück-
11 Siehe ebd., Nr. 116: Prinz August Wilhelm von Preußen 1756–1758, Au Camp de Budin 23 Juin. 12 Siehe ebd., Nr. 87 N: Feldmarschall Jakob Keith 1757, Blatt 104 Vorderseite. 13 Zum gesamten Absatz siehe Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 3: 1757, Teil 2, Seite 16–18. 14 Siehe LASA, DE, Z44 Abt. Dessau, A 9b VIb, Nr. 10, Bd. V (Verschiedene Militaria aus des Fürsten Moritz von Anhalt in preußigen Jaare 1757), Blatt 9 und 36 jeweils Vorderseite. Von den 19 Regimentern, die an der Schlacht bei Kolin teilgenommen hatten, wurden die Regimenter Prinz von Preußen, Leib-Regiment, Carabiniers, Driesen, Katt, Meinicke sowie Zieten, Szekuly und Seidlitz dem Korps des Königs zugeteilt. Die Husarenregimenter Seidlitz und Szekuly hatten wahrscheinlich nur die Hälfte des Regiments für die Schlacht aufgeboten, sodass selbst Einheiten insgesamt noch etwas stärker gewesen sein dürften. 15 Siehe Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 3: 1757, Teil 2, Seite 19.
IV.5. Der langsame Rückzug aus Böhmen343
wohl nur um die 8.100 Mann zählte16. Demzufolge umfassten die 32 Musketier- und 9 Grenadierbataillone und 63 Eskadrons Kavallerie, die sich zunächst im Lager bei Leitmeritz eingefunden hatten, nach der bisherigen Kalkulation also nur um die 40.000 Mann. Die Verbandsstärke ist aber vor dem Hintergrund der ständigen Umgruppierungen, Abgänge und Verstärkungen, die sich in nächster Zeit fortsetzten, schwer zu ermitteln, sodass dieser Aspekt später noch einmal Gegenstand einer ausführlicheren Betrachtung sein wird. Entscheidend war aus logistischer Sicht zunächst, dass die Preußen ihre Verbindungslinien nach Sachsen zu sichern begannen, indem sie am 27. Juni 5 Musketierbataillone auf das linke Elbufer in das Gebirge an wichtige Orte wie Lowositz, Sahlest und Berggießhübel abkommandierten. Zur Verstärkung der Stellungen im Baschkopolgebirge und bei Aussig wurden 3 weitere Bataillone, darunter auch eines vom Infanterieregiment von Rohr, das in Dresden verblieben war, hinzugezogen. Am 29. Juni folgten noch 1 Grenadier- und 2 Musketierbataillone, um die 3 Musketierbataillone am Baschkopolgebirge abzulösen, die daraufhin ein Lager bei Nollendorf bezogen. Außerdem wurde ein Grenadierbataillon mit 50 Husaren zur Sicherung der Kommunikationslinien nach Welmina entsandt. Damit standen nun 10 Bataillone, davon 7 aus Feldmarschall Keiths Korps, mit einer Stärke von rund 7.000 Mann auf der linken Elbseite. Die anderen 24 Musketierund 7 Grenadierbataillone und die gesamte Kavallerie, die sich zusammen somit auf 33–34.000 Mann beliefen, verblieben in den Lagern bei Leitmeritz und dem nahegelegenen Dirnowa, wo sie ohne größere Vorkommnisse bis zum Aufbruch nach Sachsen zwischen dem 18. und 20. Juli verweilten17. Die österreichischen Truppen waren seit der Schlacht bei Kolin einerseits damit beschäftigt, die Aufhebung der Prager Belagerung sicherzustellen, sich zu vereinigen und parallel dazu die Verfolgung der Preußen zu betreiben. Letztere blieb fast ausschließlich auf das Korps von Feldmarschall Keith auf der linken Moldauseite beschränkt. Der Großteil der österreichischen Truppen in Prag musste zunächst wieder ausreichend verpflegt werden, um in die Offensive gehen zu können, was offenbar keine allzu großen Probleme bereitete, da seit dem 21. Juni aus der umliegenden Gegend wieder Schlachtvieh, Butter, Schmalz und andere Lebensmittel in der Stadt eintrafen. Dennoch dauerte es noch 3 weitere Tage, bis sich die Prager Besatzungstruppen der Armee von Feldmarschall Daun näherten. Zunächst bezogen die ehemals belagerten Truppen aus Prag, die offenbar rund 40.000 Mann Infanterie und 4.000 Mann Kavallerie umfassten18, ein Lager bei Kolodieg, das man schnell wieder aufgab, weil man entdeckte, dass die dort bestat16 Legt man die prozentuale Stärke des Infanteriekontingents der Prager Belagerungsarmee zugrunde, das sich der Armee bei Jungbunzlau anschloss (siehe Tabelle zur Stärke der Armee bei Jungbunzlau am 30. Juni 1757) und inklusive seiner Kommandierten ca. 67 % des Solls aufbot, dann dürfte die Stärke der Kavallerie bei 8.740 Mann gelegen haben. 17 Zum gesamten Absatz siehe Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 3: 1757, Teil 2, Seite 18 f. und 47. 18 Siehe OestKA, AFA, Nr. 602: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 VI (1–365), Faszikel 111.
344
IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
teten Toten aus der Schlacht von Prag nicht richtig begraben worden waren. Die Vereinigung mit der Entsatzstreitmacht unter Feldmarschall Daun erfolgte am 27. Juni, also erst eine Woche nach dem Ende der Belagerung19, was andeutet, wie wahrscheinlich die Kapitulation der Stadt ohne die kühnen Offensivoperationen des Königs, die zur Schlacht bei Kolin führten, gewesen wäre. Dauns Armee war nach der Schlacht nämlich gar nicht vorgerückt, sondern vorerst in ihr Lager bei Krichenau zurückgekehrt, wo sie bis zum 21. Juni verblieb. 2 Tage später marschierte sie nach Schwarz-Kosteletz und dann am 25. Juni nach Skworetz. Laut der Liste vom 26. Juni umfassten die regulären Truppen zu diesem Zeitpunkt immerhin schon wieder 38.134 Mann, darunter 10.639 Berittene. Nach der Vereinigung der beiden Teilkontingente, die am 27. Juni bei Oberpotschernitz stattfand, wies die Schlachtordnung am nächsten Tag für die Hauptarmee aber nur eine Stärke von 75.781 Mann aus20, was darauf hindeutet, dass auch Daun noch einmal rund 3.000 Mann zurückgelassen oder abkommandiert hatte. Wie die Preußen durch einen österreichischen Deserteur erfuhren, bestand die gegnerische Armee insgesamt aus 80.000 Mann oder nach anderen Schätzungen sogar 100.000 Mann21. Zurückzuführen waren die schwankenden Angaben wohl darauf, dass auf Seiten der habsburgischen Streitkräfte neben der Hauptarmee, auch „Große Armee“ genannt, noch 3 weitere Korps unter den Generälen Nadasdy, Beck und Morocz sowie Haddik operierten, sodass sich die Truppen nach Stärke und Verbandszugehörigkeit Ende Juni 1757 wie in der Tabelle auf der nächsten Seite verteilten. Man sieht dort sehr deutlich, dass bei allen Korps der habsburgischen Streitkräfte ca. 1 Drittel der Mannschaft und 1 / 4 der Pferde kommandiert waren. Selbst von den vor Ort anwesenden Truppen (Loco-Stand) standen noch nicht einmal alle Pferde und Soldaten zur Verfügung, was zur Folge hatte, dass sich der dienstbare Stand der Großen Armee bzw. der Hauptarmee nur auf 71.485 Mann und 15.678 Pferde belief.
19 Zum gesamten Absatz mit Ausnahme der Zahlenangaben siehe OestKA, AFA, Nr. 616: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee XIII (1–19), Faszikel 2 und OestKA, AFA, Nr. 634: Siebenjähriger Krieg CA Kampagne gegen Preußen 1757, Faszikel, 5 / ad 24. 20 Zur Stärkeentwicklung der Armee unter Feldmarschall Daun in diesem Absatz siehe O estKA, AFA, Nr. 602: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 VI (1–365), Faszikel 58, 59, 64 und 74 sowie zur Schlachtordnung der wiedervereinigten Hauptarmee der Österreicher unter dem Herzog von Lothringen und dem Feldmarschall Faszikel 2. Zu den Marschstationen der Hauptarmee für diese Zeit, aber auch für das ganze Jahr 1757 siehe OestKA, AFA, Nr. 616: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 XIII (1–19), Faszikel 7. 21 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 98 G: Anhang zum Schreiben des Fürsten Prinz Moritz zu Anhalt-Dessau aus Jungbunzlau am 28. Juny 1757.
IV.5. Der langsame Rückzug aus Böhmen345 Tabelle 61 Truppenstärken der österreichischen Korps in Böhmen Ende Juni 175722 Namen der Korps
Dienstbarer Stand
Undienstbare
Kommandierte
Effektiver Stand
Mann
Pferde
Mann
Pferde
Mann
Pferde
Mann
Pferde
Hauptarmee
71.485
15.678
7.631
1.996
26.874
4.163
105.990
21.837
Beck und Morocz
4.009
1.179
216
84
1.824
768
6.049
2.031
Nadasdy
12.358
5.928
1.641
851
7.055
1.743
20.854
8.522
Haddik
4.072
1.515
28
25
1.201
635
5.654
2.344
Summe
91.924
24.300
9.516
2.956
36.954
7.309
138.547
34.734
Während die rund 16.000 Mann der Korps unter Nadasdy und Haddik nun die Deckung Prags und die Observation der Armee unter König Friedrich entlang der Elblinie übernahmen, rückte die Hauptarmee, für die das Korps von Beck und Morocz offenbar als Vorhut fungierte, am 30. Juni nach Czelakowitz vor und überquerte dann einen Tag später dort die Elbe, um ein Lager bei Lissau zu beziehen23. Allerdings beabsichtigten die Österreicher gar nicht die Preußen in eine Schlacht zu verwickeln, denn Maria Theresia hatte schon am 26. Juni befohlen, dass, „[…] wann nicht ein besonderer Vortheil vorzusehen stehet, ein abermahlige Decision Schlacht zu vermeiden, und vielmehr auf Mittel und Wege fürzudenken seyn, wie der Feind auf allen Seiten beunruhiget, seine Subsistenz abgeschnitten, und aus Böhmen durch Manoeuvres gedrücket, als dann aber mit Vortheil verfolget werden könne […]“24.
Der nun einsetzende Vormarsch der Österreicher hatte zur Folge, dass sich die Truppen sowohl von den Magazinen in der Gegend von Königgrätz und Kuttenberg im Süden und Osten als auch von Prag im Westen weiter entfernten, sodass sich die Nachschubwege immer weiter ausdehnten, was die Versorgung der großen Truppenmenge erschwerte. Vor allem der Abtransport der großen Hartfuttervorräte aus dem mährischen Hinterland in Richtung Kolin nahm enorme Kapazitäten in Anspruch, denn hierfür waren pro Tag nicht weniger als 400 Wagen vorgesehen. „[…] Die ganze Anzahl dieser täglich ladenden 400 Fuhren wird geraden Weges bis Kollin abgesendet, um nur für das gegenwärtige mit all möglicher Beförderung der Armee hierunter die Abhülf, es koste, was es wolle, zu verschaffen. Euer Excellenz werden aber dabey selbst gnädig ermessen, dass durch diese weite Transportirung, da die meisten Vecturanten aus dem Brünner, theils auch aus dem Znaymer Creyß mit 22 Zu sämtlichen Angaben in dieser Tabelle siehe OestKA, AFA, Nr. 602: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 VI (1–365), Faszikel 109. Diesbezüglich herrscht auch Übereinstimmung mit dem Generalstabswerk (vgl. Großer Generalstab, Die Kriege Friedrichs des Großen. Dritter Theil, Bd. 3: Kolin, Seite 221). 23 Siehe OestKA, AFA, Nr. 616: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee XIII (1–19), Faszikel 7. 24 OestKA, AFA, Nr. 603: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 VI (366–Ende), Faszikel 461.
346
IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
Einrechnung des Rückwegs über 40 Meylen zu fahren haben der Unterthan ohnmittelbahr zu Grund gerichtet werden müste. Man kann dabey sich leichtlich vorstellen, dass weilen der Vecturant auf einen so weiten Weg die Erfordernus an Futter nicht mitführen, unterwegs aber solches in dem sehr hochgestiegenen Preyß nicht erkauffen theils auch für baares Geld gar nicht erhalten können, solchergestalten die äußerste Beschwerlichkeit bey diesen Transport sich äussern werde. Wie ich dann in der That besorge, dass ein grosser Theil dieser abschickende Fuhren nicht mehr zurückkehren, oder wenigstens ausser Stand zum künftig Gebrauch gesezet werden dürffte. Auf diese Art wird alßo die eingeleitet Abfuhr und die Länge keineswegen bestritten werden können […]“25.
Da hiervon 300 Wagen für den Transport der Vorräte aus Mesertisch und Brünn eingeplant waren26, hätten diese für die Überführung der dortigen Mengen in Höhe von 100.443 Metzen oder 3.177 Tonnen Hartfutter, aber an 11 Tagen oder 11-mal gestellt werden müssen, sodass insgesamt 3.300 vierspännige Wagen erforderlich waren, was schon einen enormen Aufwand darstellte. Wahrscheinlich sollten deshalb zur besseren Umverteilung zukünftig 5 bis 600 vierspännige Wagen aus ganz Mähren den beständigen Transport von Iglau nach Kolin übernehmen, zumal man der Meinung war, dass die Belastungen für die dortigen Herrschaften mit einer durchschnittlichen Quote von 2–4 Fuhren relativ erträglich waren27. Eine weitere Erleichterung entstand im Operationsgebiet selbst dadurch, dass sich nahezu alle Einheiten zu diesem Zeitpunkt noch in den Ebenen Mittelböhmens um Nimburg, Pardubitz, Brandeis, Lissau, Altbunzlau und Benatek aufhielten. Infolgedessen war es im Hochsommer wahrscheinlich recht unproblematisch, die Kavallerie mit Raufutter in Form von Heu zu versorgen. Zusätzlich konnte man auch den Unterlauf der Elbe in begrenztem Umfang zur Heranführung von Naturalien nutzen, sodass es logistisch gesehen nicht nur wegen der Wasserversorgung von Mensch und Tier attraktiv war, sich in dieser Gegend aufzuhalten. Allerdings hatten bis vor Kurzem noch die Preußen die Gegend um Lissau behauptet und zur Versorgung genutzt, denn General Moritz zu Anhalt-Dessau war dort bis zum 25. Juni mit 30 Bataillonen und 15 Eskadrons zurückgeblieben28. Sein Kontingent umfasste ohne die Kommandierten 15.144 Mann und dürfte inklusive der Kavallerie ungefähr 17.500 Mann stark gewesen sein. Von König Friedrich hatte er Nachricht erhalten, dass laut Spionen ein schnelles Vorrücken der gegnerischen Armee nicht zu erwarten stand, weil die Versorgungsknappheit in Prag nachwirkte29. Dennoch scheint sich der König der schwierigen Gesamtlage durchaus bewusst gewesen zu sein, sodass er den
25 OestKA, Zentralst., Generalkriegskommissariat, Akten, Nr. 53 Militärdirectoralia 1757 VI– IX / 100, Faszikel VI / 185: Schreiben von Blümegens aus Brünn am 28. Juni 1757. 26 Siehe ebd. 27 Siehe ebd. 28 Siehe Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 3: 1757, Teil 2, Seite 17. 29 Siehe ebd., Seite 21.
IV.5. Der langsame Rückzug aus Böhmen347
General am 24. Juni aufforderte den Abmarsch nach Jungbunzlau vorzubereiten und sich für weitere Rückzugsoperationen bereitzuhalten. „Machen Sie allda die Anstalten die Sie vor guth befinden, umb alles üble vorzukehren. Wann Sie fortmüssen, so gehet es nach Jung-Buntzlau. Da müssen Sie den Kleist auch an sich ziehen. So viele sehe ich ein, dass wir werden nach Schlesien und Sachsen müssen. Dem General Brandes nur bey Zeiten von allem avertiret.“30
Am 26. Juni vereinigte sich General zu Anhalt-Dessau mit dem Herzog von Bevern in Nimburg. Weil es offensichtlich noch immer sehr warm war, hatte der König befohlen, zur Schonung der Truppen den Marsch zwischen 12 Uhr und Mitternacht und 7 bis 8 Uhr morgens zu absolvieren31. Da im Rahmen dieser Verlegung von Lissau nach Nimburg noch 1.500 verwundete Soldaten abtransportiert werden mussten, aber viele Wagen nach Leitmeritz und Melnick zum Brotholen entsandt waren, gab es keine andere Möglichkeit, als sie auf jenen Wagen zu transportieren, die eigentlich für die Beförderung der neuen Kleidungsstücke vorgesehen waren32. Letztere wurden gezwungenermaßen an die Soldaten verteilt, die sich dafür ihrer alten Ausrüstung entledigten33. Schon einen Tag später waren die Vorräte im Magazin von Nimburg verbraucht, weshalb die Truppen am 27. Juni über Strasnow nach Buknowo aufbrachen, wo sie gegenüber von Jungbunzlau ein Lager bezogen, in dem sich 47 Bataillone und 70 Eskadrons einfanden. Da am 29. Juni wiederum 3 Musketier- und 2 Grenadierbataillone sowie 5 Eskadrons unter Generalmajor von Rebentisch zum Schutz eines Krankentransports nach Görlitz sowie zur Besetzung Zittaus entsandt wurden, hätten eigentlich noch 44 Bataillone und 65 Eskadrons im Lager von Jungbunzlau vorhanden sein sollen34. Laut den Tageslisten vom 30. Juni waren aber sogar 63 Bataillone und nur 45 Eskadrons vorhanden. Offenbar hing dies damit zusammen, dass einige Bataillone, die als Besatzungstruppen von Jungbunzlau und Zittau fungierten, ebenfalls berücksichtigt wurden, während die 25 Eskadrons der Husarenregimenter Werner, Puttkammer und Wartenberg nicht erfasst waren. Obwohl die Stärke der Armee nach dem Ist-Stand, der eigentlich als Stand der „Effectiv zum Dienst Verbliebenen“ bezeichnet wurde, nur ca. 29.500 Mann und 4.500 Pferde betrug, konnten sich die Anzahl der Mannschaft noch um 1 / 5 und die der Pferde um 1 / 4 durch die Kommandierten erhöhen, wenn sich diese wieder dem Verband anschlossen.
30 LASA, DE, Z44 Abt. Dessau, A 9b VIb, Nr. 4, Bd. V: Correspondenz des Fürsten Moritz mit Friedrich II., Blatt 124 Vorderseite. 31 Siehe ebd., Blatt 126 Vorderseite. 32 Siehe ebd., Blatt 282 Vorderseite. 33 Siehe ebd. 34 Zum gesamten Absatz siehe Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 3: 1757, Teil 2, Seite 20–23 und 25.
348
IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757 Tabelle 62 Zusammenfassung der preußischen Infanterie und schweren Kavallerie im Lager von Jungbunzlau am 30. Juni 175735
Truppengattung und Zusammensetzung Btl. / Esk.
Soll-Stand (sollen zum Dienst sein)
Ist-Stand (zum Dienst Verbliebene)
Kommandierte Gesamtsumme des Ist-Standes
Mann / Pferde Mann Pferde Mann Pferde Mann Pferde
Von Kolin 7. Gren. / 22 Musk.
24.207
8.773
915
9.688
Von Prag
7. Gren. / 27 Musk.
27.765
15.314
3.313
18.627
Gesamtinf. 14 Gren. / 49 Musk.
51.972
24.087
n. a.
4.228
n. a.
28.315
n. a.
Kavallerie 25 Küras. / 20 Drag. 8.735 / 8.402 5.351 4.508
1.852
1.696 7.203 6.204
Summe
6.080
1.696 35.518 6.204
45 Esk. / 63 Btl.
60.707 / 8.402 29.438 4.508
Grundsätzlich befand sich die Infanterie aber in einem schlechten Zustand, denn die Stärke der tatsächlich vorhandenen Truppen betrug ohne die Kommandierten 48 % und mit diesen 55 % gegenüber dem Sollstand von 51.972 Mann. Die stärksten Ausfälle entfielen neben den 12.858 Manquierenden auf die Verwundeten mit 6.550 Mann und die Kranken mit 2.605 Mann. Desertiert waren gerade 8 Soldaten. Die Kavallerie, von der hier nur die schweren Einheiten erfasst sind, war in etwas besserem Zustand, denn von den ursprünglich 8.735 Mann stellten die Verbliebenen inklusive der Kommandierten fast noch 61 % dar. Auch der Pferdeverlust hielt sich mit rund 26 % noch einigermaßen in Grenzen. Inklusive der 3 Husarenregimenter Puttkammer, Werner und Wartenberg, die nach Schlacht bei Kolin noch 2.516 Mann aufboten36, könnten 32.500 bis 38.500 Mann zur Verfügung gestanden haben37. Wie stark das Korps vor Ort anwachsen konnte, hing vom konkreten Aufenthaltsort der Kommandierten ab und den damit verbundenen Möglichkeiten, den Verband bei Bedarf wieder anzuschließen. Einen Überblick zum Verlauf der Operationen bis Ende Juni 1757 und den dabei involvierten Kräfteverhältnissen bietet die folgende Karte.
35 Zu diesen und allen weiteren Zahlen im Zusammenhang mit der Tagesliste vom 30 Juni aus dem Lager von Jungbunzlau siehe LASA, DE, Z44 Abt. Dessau, A 9b VIb, Nr. 10, Bd. V (Verschiedene Militaria aus des Fürsten Moritz von Anhalt in preußigen Jaare 1757), Blatt 36 und 38 jeweils Vorderseite. 36 Zur Stärke der Kavallerieregimenter nach der Schlacht bei Kolin siehe LASA, DE, Z44 Abt. Dessau, A 9 VIb, Nr. 10, Bd. V (Verschiedene Militaria aus des Fürsten Moritz von Anhalt in preußigen Jaare 1757), Blatt 9 Vorderseite. 37 An dieser Stelle ist der Gegensatz zum Generalstabswerk nur bedingt vorhanden, da laut diesem die Streitmacht 33.800 und 7.800 Pferde umfasste, was je nach Rechenweise mit und ohne Kommandierte denkbar ist. Siehe Großer Generalstab, Die Kriege Friedrichs des Großen. Dritter Theil, Bd. 3: Kolin, Seite 114.
IV.5. Der langsame Rückzug aus Böhmen349
Abbildung 29: Rückzug von Prag und Kolin Mitte Juni38
Wie man sieht, verblieben mit den 40.500 bis 41.500 Mann bei Leitmeritz insgesamt noch 73.000 bis 80.000 preußische Soldaten in Böhmen39, denen 91.000 bis 95.000 einsatzfähige Österreicher gegenüberstanden. Die numerische Unterlegenheit der Preußen war mit 11.000–20.000 Mann also deutlich, aber nicht eklatant groß oder gar hoffnungslos. adaptiert nach Ziebura, Eva, Prinz August Wilhelm von Preußen, Seite 213. niedrigere Werte mit rund 68.000 Mann suggeriert das Generalstabswerk auf der Grundlage der Berechnungen von Mauerhoff. Vgl. Großer Generalstab, Die Kriege Friedrichs des Großen. Dritter Theil, Bd. 3: Kolin, Seite 114. Allein die Infanterie der Jungbunzlauer Armee wird um 2.000 Mann zu niedrig angegeben. Die Kavallerie ist dagegen mit 7.800 Mann veranschlagt. Unklar ist, ob hier mit oder ohne die Husareneinheiten kalkuliert ist. 38 Karte
39 Entsprechend
350
IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
IV.5.2. Der Abbruch des Rückzugs in die Oberlausitz und der Magazintransport aus Schlesien Das Kommando über die Armee bei Jungbunzlau übernahm nun der Bruder des Königs, August Wilhelm40. Der König hatte ihn bereits am 28. Juni zum Befehlshaber über die schlesischen Truppen und Festungen ernannt41. Am selben Tag setzte er General Moritz zu Anhalt noch davon in Kenntnis, dass sein Bruder in den nächsten Tagen mit einem Brotvorrat für 6 Tage bei ihm eintreffen werde, während ein weiterer großer Lebensmitteltransport unter Generalmajor von Brandes schon in Zittau angekommen sei42. Brandes befand sich zu diesem Zeitpunkt aber erst im Dorf Spiller, zwischen Hirschberg und Greiffenberg. Am 29. traf er in letztgenanntem Ort ein und passierte am nächsten Tag Lauban, am 1. Juli Radmeritz und rechnete damit, am 2. Juli in Zittau mit seinem Transport einzutreffen43. Die Verzögerung war offensichtlich dem Umstand geschuldet, dass man sich zwar schon am 24. Juni in Liebau befand, an diesem Tag aber noch einmal nach Landeshut umkehrte, um Brot und Fourage zu empfangen, sodass der erste Abschnitt des Weges nach Schmiedeberg erst am 25. Juni zurückgelegt werden konnte. Allerdings traf dort der letzte Wagen erst 62 Stunden später ein. Offenbar war der Konvoi nicht in der Lage, mehr als 2 Meilen pro Tag, d. h. 14 km, zurückzulegen, wobei die ersten Wagen bei Tagesanbruch aufbrachen und die letzten nicht vor Tagesende ihr Ziel erreichten44. Dies ist sicherlich nicht verwunderlich, wenn man sich vergegenwärtigt, dass allein der erste Teil des gesamten Konvois unter von Brandes’ Kommando schon 3.500 Wagen umfasste45, denn damit dürfte er zwischen 18 und 35 km lang gewesen sein, je nachdem ob die Wagen in 1 oder 2 Reihen die Etappen des Weges passierten. Der zweite Teil des Konvois unter Generalmajor von Stechow folgte von Brandes’ Abteilung durch die jeweils zuvor durchquerten Ortschaften erst einen Tag später46. Mit dabei waren auch die Aufstockungskontingente für die schlesischen Regimenter, die neben den Garnisonseinheiten den Schutz des Konvois übernahmen. Insgesamt scheinen 40 Zu den Befehlshabern und zur Gliederung der Hauptquartiere vgl. Großer Generalstab, Die Kriege Friedrichs des Großen. Dritter Theil, Bd. 3: Kolin, Anlage 1. 41 Siehe Friedrich II., Politische Correspondenz, Bd. 15, Nr. 9140. 42 Siehe ebd., Bd. 15, Nr. 9139. 43 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 85 W 1: Generalmajor bzw. Generallieutnant Johann Christian von Brandes, Immediatsberichte 1757–1759, Schreiben aus Greiffenberg am 29. Juni 1757. 44 Siehe ebd., Schreiben vom 1. Juli aus Rathmeritz. 45 Siehe ebd., Schreiben vom 25. Juni aus Schmiedeberg. Brandes’ Formulierung, ob nur der erste Teil des Konvois 3.500 Wagen umfasste oder der ganze Konvoi sich in dieser Größenordnung bewegte, ist nicht ganz eindeutig. Allerdings bestätigte auch der Bericht des preußischen Leutnants Kundermann, der dem Konvoi von Zittau aus entgegenritt, dass schon der erste Teil, der bei Greiffenberg am 29. Juni eingetroffen war, ca. 4.000 Wagen umfasste. Siehe Stadtarchiv Bautzen, Altes Archiv, VII K, Nr. 62: Wagenlieferung an die preußische Armee, Schreiben aus Lauban am 29. Juni 1757. 46 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 85 W 1: Generalmajor bzw. Generallieutnant Johann Christian von Brandes, Immediatsberichte 1757–1759, Schreiben vom 1. Juli aus Rathmeritz.
IV.5. Der langsame Rückzug aus Böhmen351
über 11.700 Wagen mit Mehl, Fourage und Geld entsandt worden zu sein47, was dem gesamten vierspännigen Vorspannpotential Niederschlesiens entsprach48, obwohl Anfang Juli etwas weniger, nämlich 9.000 Stück, in der Gegend von Zittau eintrafen. Diese Differenz erklärt sich vermutlich daraus, dass in Schlesien zur Bewältigung der Gebirgsstrecke ein umfangreicher Vorspann von 6–8 Pferden pro Fuhrwerk erforderlich war49, dessen man sich später entledigen konnte, sodass 1 / 4 der Pferde und Wagen entfielen. Letztere waren auf diesem Teil der Strecke wohl für die Eigenversorgung des Transportes unentbehrlich, denn bei der gemischten Standardration von Hafer, Heu und Stroh mussten für die ca. 47.000 Pferde pro Tag etwas mehr als 662 Tonnen an Pferdefutter mitbewegt werden. Hierzu waren aufgrund des hohen Volumens von Heu und Stroh, das eine volle Ausnutzung der Tragekapazität der Wagen von bis zu 1 Tonne nicht zuließ, aber einen Anteil von 61 % in der Ration ausmachte, wenigstens 673 Wagen erforderlich. Folglich benötigte man bei einem Haferanteil von 258 Tonnen zusätzlich 931 vierspännige Fuhrwerke pro Tag für die Pferdeverpflegung. Möglicherweise fiel die erforderliche Wagenmenge aber nicht ganz so groß aus, denn es ist denkbar, dass man die Pferde anstatt der Standardration mit einer erhöhten Haferration von rund 7 Metzen bzw. 12 Kilogramm versorgte. Dadurch hätte sich die Wagenanzahl sofort auf 564 Stück reduziert, die jeweils 1 Tonne Hafer transportierten. Dennoch wären im Rahmen der 9 Tagesmärsche nach Zittau noch immer 5.076 vierspännige Wagen allein für das Pferdefutter des Konvois benötigt worden, sodass nur 6.624 Wagen für den eigentlichen Nachschub an Mehl, Hafer, Geld und Munition verblieben wären50. Wahrscheinlich nutzte man aber auch in erheblichem Maße die Ressourcen der durchquerten Gebiete in Form von Gras oder Heu. Trotzdem trafen in der Zittauer Umgebung immer noch 9.000 vierspännige Wagen ein, die mit ihren 36.000 Pferden sämtliche Wicken- und Gerstenfelder leer fouragierten, entgegen den Bitten der Einwohner auch den Roggen, Weizen und Hafer nicht verschonten und selbst vor den Vorgärten nicht haltmachten, was dazu führte, dass der Stadt ein geschätzter Schaden von über 20.000 Reichstalern entstand51. Die Karte auf der nächsten Seite spiegelt die logistische Situation Ende Juni / Anfang Juli wider und zeigt, dass der Aufwand wegen der Entfernung zu den großen Magazinen in Sachsen und Schlesien sowie den Flüssen, die als Hauptversorgungsrouten fungierten, fast unvermeidlich war. 47 Siehe OestKA, AFA, Nr. 603: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 VI (366–Ende), Faszikel 473b, 504 und 505 sowie AFA, Nr. 604: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 VII (1–450), Faszikel ad 370. 48 Vgl. III. Teil 1.: Die logistisch relevanten Ressourcen in Schlesien, Sachsen, Böhmen und Mähren. 49 Vgl. Jacobi, Ländliche Zustände in Schlesien während des vorigen Jahrhunderts, Seite 166. 50 Interessanterweise nannten die Berichte der Österreicher mit 6.766 Stück tatsächlich eine Wagenanzahl in dieser Größenordnung. Siehe OestKA, AFA, Nr. 603: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 VI (366–Ende), Faszikel ad 554. 51 Siehe SächsStFilA-BZ, 50001 Landstände der sächs. Oberlausitz, F XXV Siebenjähriger Krieg, Nr. 2710: Schreiben aus Zittau vom 14. und 15. Juli sowie SächsHStA, DD, 10026 Geheimes Kabinett, Loc. 3253, Nr. 8: Des Hofraths Just Militär Journal betref. 1756, 1757, 1758, Blatt 168 Vorderseite.
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IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
Abbildung 30: Logistische Situation Anfang Juni 175752
König Friedrichs Armee konnte auch über die Elbe per Schiff versorgt werden, was ebenfalls die Ergänzung der Magazine bei Dresden und Pirna ermöglichte. Dagegen war die Armee des Prinzen August Wilhelm für ihren Nachschub und die Ergänzung des Zittauer Magazins ausschließlich auf den Transport über Land mittels großer Wagenmengen angewiesen, da es keine schiffbare Querverbindung gab, welche die Oberlausitz mit Schlesien verband. Allerdings waren auch die Österreicher für den Nachschub aus ihren Magazinen in Mittelböhmen und Prag vom Landtransport mit vielen Fuhrwerken abhängig. Obwohl der Transport unter Brandes später eintraf als geplant, spielte seine erwartete Ankunft eine wesentliche Rolle bei der Planung der Operationen, denn König Friedrich informierte General Moritz zu Anhalt-Dessau am 29. Juni, dass dieser Konvoi seine weitere Brotversorgung ermöglichen werde, nachdem diese zunächst durch den Transport des Prinzen August Wilhelm aus Leitmeritz bis zum 8. Juli gesichert war. Diesen hatte man wohl entsandt, weil der Intendant, Generalmajor von der Goltz, in einem Memorandum noch einmal darauf hingewiesen hatte, dass die Armee bis zum 6. Juli versorgt sei, man sich aber 4 Tage zuvor dem Konvoi bei Zittau nähern müsse, um keinen Verpflegungsausfall entstehen zu lassen53. Offenbar hatte General zu Anhalt-Dessau adaptiert nach Schwerin, Dettlof Graf von, Feldmarschall Schwerin. LASA, DE, Z44 Abt. Dessau, A 9b VIb, Nr. 10, Bd. V (Verschiedene Militaria aus des Fürsten Moritz von Anhalt in preußigen Jaare 1757), Blatt 168 und 169 jeweils Rückseite. 52 Karte
53 Siehe
IV.5. Der langsame Rückzug aus Böhmen353
sich deswegen entschlossen, dem Transport entgegenzurücken und diesen nicht weiter Richtung Jungbunzlau heranzuziehen. In diesem Zusammenhang erging vom Feldkriegs kommissariat seiner Armee ein Schreiben, das belegt, dass die Preußen schon umfangreiche Vorbereitungen für den Fall des Rückzugs bis Zittau getroffen hatten: „Wir haben d. Rendanten Dubislav schon vorläuffig bekandt gemacht, daß vielleicht das hiesige Corps in die Gegend Zittau sich einfinden mögte, da Ihro durchl. der Fürst Moritz bereits den 1ten dieses dahin aufzubrechen resolviret und folglich höchst nöthig alle vorläuffigen Veranstaltungen vorzukehren, daß der Armee dort nicht an Brod gebreche. So wird Rendant Dubislav nachselber Möglichkeit veranstatten, daß Mehl in Vorrath sich befinde, auch zu baldiger Aufsetzung die eysernen Ofens etliche 1000 Mauersteine in Bereitschaft gehalten und vor Holtz gesorget werde, damit man sogleich zum backen schreiten und gegen den 5ten die Armee mit Brodt versorgen könne, als welche biß den 6ten solches bereits erhalten. Wobey Ihm zur Nachricht dienet, dass auf 32000 tägliche Portiones gerechnet werden muß. Wohlgedachte Herr Rendant muß hierunter alle menschmögliche Vorsorge legen, als welches ihm bey Se. königl. Majestaet selbst zum Ruhm gereichen, und des Fürsten durchl. animieren wird, sicher Ihm zu interessieren. Jung-Bunzlau den 29ten Juni 1757 Königl. Preus. Feldkrieges Commissario Beggerow Normann“54
Dieser geplante Rückzug fand jedoch nicht statt, denn General Moritz von AnhaltDessau wurde noch am selben Tag von König Friedrich streng zurückbeordert: „[…] Ew. Liebden Schreiben vom 29. dieses erhalte sogleich, ersehe aber mit Erstaunen daraus, dass dieselbe als morgen sich auf Zittau zurückziehen wollen. Ew. Liebden werden aber doch ohngescheidt und unbedachtsam nicht sein, sich ohne meine positive Ordre zurückzuziehen, denn allefalls ich von hier aus Brod schicken kann. Dieselbe werden also Mir davor responsable bleiben, wenn Sie ohne Ordre sich zurückziehen wollten. […] Dieses muss absolut befolget werden. Friedrich“55.
Diese Entscheidung war der Beginn einer Serie von folgenreichen und größtenteils verhängnisvollen Weichenstellungen innerhalb der ersten 2 Juliwochen, die dazu führten, dass sich die Armee bei Jungbunzlau gegen Ende des Monats zu einem desaströsen Rückzug in die Oberlausitz gezwungen sehen sollte und die Stadt Zittau mit ihrem wertvollen Magazin verloren ging. Wie sich in den nächsten Kapiteln noch zeigen wird, ermöglichte Letzteres der österreichischen Hauptarmee, sich im August an den Grenzen der Oberlausitz trotz langer Transportwege in Böhmen zu verpflegen, dann im September in Nieder- und Mittelschlesien einzudringen und dort im Oktober und November ausreichend versorgt zu werden und letztlich sogar Schweidnitz und Breslau einzunehmen. Die Episode wird vor allem belegen, welchen enormen Einfluss die Verpflegungsorganisation auf die Handlungsoptionen und die Entscheidungen der militärischen Befehlshaber ausübte und wie diese auf die logistische Situation, in der sich die Streitkräfte befanden, zurückwirkte.
54 OestKA,
AFA, Nr. 604: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 VII (1–450), Faszikel 328a. Politische Correspondenz, Bd. 15, Nr. 9143.
55 Friedrich II.,
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IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
IV.5.3. Die Übernahme der Armee durch Prinz August Wilhelm bis zum Rückzug aus Böhmen Alles begann damit, dass Prinz August Wilhelm am 28. Juni das Kommando über die Armee bei Jungbunzlau erhielt. Der König beauftragte ihn, so lange wie möglich dort die Stellung zu halten, einen ausreichenden Brotvorrat herstellen zu lassen, den dafür erforderlichen Mehltransport unter Generalmajor von Brandes heranzuziehen und die Wege für eine mögliche Zusammenführung beider Armeen zu erkunden. Maßgeblich war hierbei, dass der Prinz seine Instruktionen wohl nur mündlich erhalten hatte. Dennoch schrieb er diese nieder, um sie vom König kommentieren oder gegebenenfalls korrigieren zu lassen. In jedem Fall rechnete er aber damit, von ihm ein unterschriebenes Dokument zurückzuerhalten. Umso erstaunter war er, als er am 29. Juni aus Leitmeritz aufbrach und offenbar erst unterwegs feststellte, dass sein Instruktionsmémoire gar keine Anmerkungen, vor allem aber keine Unterschrift seitens des Königs enthielt. Ebenso nebensächlich hatte dieser die Anfrage des Prinzen beantwortet, den Generalquartiermeister General von Schmettau mitnehmen zu dürfen56. Letztgenannter erhielt aber die Erlaubnis, sich dem Prinzen anzuschließen, und begleitete ihn während der nächsten beiden Tage zusammen mit Generalleutnant von Winterfeldt, 1.000 Mehlwagen und dem Konvoischutz, der vom Infanterieregiment von Kleist gestellt wurde, nach Jungbunzlau57. Dort stellte sich ihm die Versorgungslage am 1. Juli aber völlig anders dar, als er es erwartet hatte. Es war überhaupt kein Brot, kein Mehl, aber auch kein Hartfutter für die Pferde und zudem im Lager der Armee größtenteils auch kein Wasser vorhanden, was insbesondere in der Hochsommerzeit sehr problematisch für die Mannschaft, aber noch mehr für die Reit- und Zugtiere gewesen sein dürfte. Im Zusammenhang mit der Truppenverpflegung könnte es zu einem Missverständnis gekommen sein, denn möglicherweise war dem Prinzen nicht bewusst, dass er fertige Brote aus Leitmeritz mitzubringen hatte und nicht nur das Mehl, obwohl auch diese Menge angesichts der großen Wagenanzahl relativ gering gewesen zu sein scheint. Wie das Schreiben des Feldkriegskommissariats zeigt, hatten die Truppen ihr Brot zwar schon bis zum 6. Juli erhalten, da man aber nicht wusste, wie man vor Ort die weitere Verpflegung bewerkstelligen sollte und wie viele Regimenter ihre Brotwagen zum Abtransport ihrer Verwundeten nach Zittau verwendeten, wurde auf Vorschlag des Prinzen zunächst ein neues Lager bei Hirschberg und dann bei Neuschloss bezogen, um so die Strecke nach Leitmeritz zu verkürzen und damit den Brottransport von dort zu erleichtern. Da am selben Tag aber General Moritz zu Anhalt-Dessau, der sich noch in Jungbunzlau aufhielt, das Schreiben zuging, welchem zufolge die Armee unbedingt bei 56 Vgl. Schmettau, Friedrich Wilhelm Karl von, Lebensgeschichte des Grafen von Schmettau, Königl. Preuß. Generallieutenants, Seite 354. 57 Zum gesamten Absatz siehe Heilmann, Johann von, Beitrag zur Geschichte des Feldzuges von 1757, Seite 2 f. und Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 3: 1757, Teil 2, Seite 28– 30.
IV.5. Der langsame Rückzug aus Böhmen355
Jungbunzlau bleiben sollte, teilte der Prinz dem König am 1. Juli noch einmal seine Absicht mit, das Lager der Armee zu verändern. Schon zu diesem Zeitpunkt rechnete er mit keiner zeitigen Antwort, weil er vermutete, dass die Feldjäger öfter vom Gegner abgefangen wurden, zumal er seit dem Tag seiner Abreise keine Nachrichten mehr aus Leitmeritz erhalten hatte. Allerdings erreichte ihn am 4. Juli eine Notiz, die ein verkleideter Husar überbrachte, aus der hervorging, dass der König sein Vorhaben gebilligt hatte58. Zu diesem Zeitpunkt war die Armee des Prinzen schon in Hirschberg eingetroffen, nachdem sie am 3. Juli Jungbunzlau kurz nach 6 Uhr morgens verlassen hatte. Vorausgegangen war ihr General Moritz zu Anhalt-Dessau, der mit 4 Bataillonen Infanterie und 100 Husaren die Brotwagen eskortierte, die bei Pleiswedel 60.000 Brote aus Leitmeritz übernahmen und die Versorgung der 32–35.000 Mann für weitere 5 Tage, insgesamt also bis zum 11. Juli, sicherten. Der General selbst bekam aus den Reihen der Armee noch Verstärkung durch 2 Kavallerieregimenter und rückte am nächsten Tag mit 3 anderen Bataillonen nach Leitmeritz ab. Am Abend erhielt Prinz August Wilhelm ein weiteres Schreiben vom König, das eine Kurzinstruktion für die kommenden Tage enthielt und interessante Einblicke in seine operativen Vorstellungen gewährt59: „[…] Ihr werdet euch nicht mehr nach Schlesien zurückziehen können. Es bleibt Euch also kein anderer Ort als die Lausitz übrig. Ihr müsset alle Gegenden fouragieren und ruiniren, was ihr nicht auffüttern könnet, um dem Feind die Lebensmittel schwer zu machen. Sobald Ihr das Lager zu Hirschberg haben werdet, wird die Communication mit Leitmeritz nicht schwer sein. Wir müssen suchen uns in Böhmen wo möglich bis den 15ten August zu erhalten, und da Zittau ein schlechter Posten ist, stehet es in Eurer Willkühr, Euch bei Reichenberg, Krottau oder Gabel zu setzen. Wofern sich der Feind nach der Lausitz wendet, müsset ihr Euer Lager mit vieler Vorsicht nehmen, ihn vorbeilassen, und alsdann ihm nachgehen, und die Lebensmittel ihm abschneiden, wodurch er gezwungen ist auf euch zu kommen, und Euch in einem Terrain so ihr aussuchen könnet, zu attaquiren, wozu der Herzog von Bevern und unterschiedene andere Offiziers, so dortige Gegenden kennen, behülflich sein. Wo der Feind mit seiner ganzen Macht sich gegen Landshut ziehet, so müsset ihr auf Greiffenberg marschieren, um ihm die Lebensmittel abzuschneiden. Winterfeld, hauptsächlich aber dem Major Embers sind dortige Gegenden bekannt; diese können Eure Märsche einrichten und Eure Lager aussuchen. Uebereilt nichts auf unsichere Nachrichten und fasset keinen Entschluß bevor ihr nicht von den Absichten des Feindes versichert seid[…]“60.
Unterdessen war sich König Friedrich schon im Klaren darüber, dass es künftig schwierig werden könnte, die Verbindung mit Leitmeritz aufrechtzuerhalten. Daher schlug er vor, die Husarenboten als Ungarn verkleidet durch die feindlichen Linien zu schicken. Prinz August Wilhelm sah diese Probleme ebenfalls voraus, was ungünstig war, weil er seit dem 6. Juli beabsichtigte, 700 Wagen vom Konvoi des Generalmajor 58 Zum gesamten Absatz siehe Heilmann, Johann von, Beitrag zur Geschichte des Feldzuges von 1757, Seite 25–29 und Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 3: 1757, Teil 2, Seite 30–32. 59 Zum gesamten Absatz siehe Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 3: 1757, Teil 2, Seite 32–35 und 49. 60 Heilmann, Johann von, Beitrag zur Geschichte des Feldzuges von 1757, Seite 32 f.
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IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
Brandes aus Zittau heranrücken zu lassen. Zu deren Schutz entsandte er das Grenadierbataillon Billerbeck nach Gabel und wies Brandes an, mit dem Vorrücken vorerst abzuwarten, da die leichten Truppen der Österreicher unter General Nadasdy angeblich bei Münchengrätz standen. Außerdem hatten Generalleutnant von Winterfeldts Aufklärungsbemühungen zu Tage gefördert, dass Nadasdys Einheiten auch bei Hirschberg und Niemes operierten und in der österreichischen Hauptarmee, die inzwischen bei Benatek links der Iser stehen sollte, das Gerücht umging, man wolle die Preußen von Zittau und dem dortigen Magazin abschneiden61. Tatsächlich hatte die österreichische Hauptarmee am 1. Juli die Elbe überquert, dann bei Lissau für 3 Tage ein Lager bezogen, bevor sie am 4. Juli zunächst rechts der Iser nach Benatek vorrückte, weil General Nadasdy aus Stransow berichtete, dass die Preußen bei ihrem Abmarsch nach Hirschberg alle Brücken über den Fluss zerstört hatten, die man versuchte zu reparieren62. Während General Morocz und Oberst Somoggi sich mit ihren leichten Einheiten schon bei Weiswasser im nördlichsten Böhmen aufhielten und Informationen über den Transport des Generalmajors von Brandes einzogen, verstärkte sich General Nadasdy weiter mit deutschen Truppen, um sich über Wegstädtel und Tzebus Leitmeritz zu nähern und dann die Observation der Armee unter dem Kommando des Königs zu übernehmen63. Als Folge dessen blieben ihm auch die Brottransporte der Preußen Richtung Pleiswedel und Neuschloss nicht verborgen, allerdings glaubte er, sie seien für die Armee in Leitmeritz bestimmt. General Palffi sollte mit 600 Kroaten und 200 Pferden die Elbe überqueren, um den Preußen den Nachschub auf der linken Uferseite nach Leitmeritz abzuschneiden64. Dieses Vorhaben verdankte sich vermutlich den Berichten einiger Rittmeister, die mit einem 100 Mann starken Kommando bei Doxan standen und meinten, die Elbe sei so flach, dass man sie an mehreren Stellen durchreiten könne65. Sie glaubten auch, die preußischen Truppen bei Leitmeritz seien nur 6.000 Mann stark, obwohl im Lager Zelte für 40.000 standen66. Während es den Einheiten von Morocz und Nadasdy zumindest gelang, noch einige Dinge über ihre Gegner bei Zittau oder Leitmeritz in Erfahrung zu bringen und damit auch Möglichkeiten für kleinere Angriffe aufzuzeigen, war dies General Beck, der die Armee des Prinzen August Wilhelm beobachtete, zunächst nicht möglich. So berichtete er am 6. Juli aus Weseln, dass die Preußen bei Mückhan alle hohen Berge besetzt hatten und hinter den Husarenkordons in den Ebenen fouragierten, sodass es schwer sei, ihr 61 Zum gesamten Absatz siehe Heilmann, Johann von, Beitrag zur Geschichte des Feldzuges von 1757, Seite 35 und 41 f. 62 Siehe OestKA, AFA, Nr. 604: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 VII (1–450), Faszikel 350. 63 Siehe ebd., Faszikel 368. 64 Siehe ebd., Faszikel 381. 65 Siehe OestKA, AFA, Nr. 604: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 VII (1–450), Faszikel 380. 66 Siehe ebd. Diese Einschätzung scheint aber die Größenordnung der Armee bei Leitmeritz zu bestätigen (vgl. die entsprechenden Angaben bzw. Kalkulationen hierzu in Abschnitt 5.1. und Abschnitt 5.7.).
IV.5. Der langsame Rückzug aus Böhmen357
Lager in Augenschein zu nehmen67. Geschuldet war dies vielleicht auch dem Umstand, dass Becks Kommando nicht über mehr als 2.500 Mann verfügte68. Die folgende Karte zeigt die Umgebung von Neuschloss im Süden bis Böhmisch-Leipa im Norden. Offenbar fouragierten hier die Preußen um die Stadt herum in den Ebenen hinter dem Deckungsschirm bei Mückhan oder Mickhan, während die österreichischen Einheiten bei Weseln das Lager und die Fourageure kaum zu Gesicht bekamen.
Abbildung 31: Umgebung v. Neuschloss und Böhmisch-Leipa69
67 Siehe OestKA, AFA, Nr. 604: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 VII (1–450), Faszikel ad 395. 68 Siehe ebd. 69 Karte adaptiert nach OestKA, Plan- und Kartenabteilung, B IXa92, Sekt. 18.
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Die Stärke der preußischen Armee bei Neuschloss hatte sich bis zum 6. Juli inklusive der schweren Kavallerie, aber ohne die Kommandierten auf 27.210 Mann verringert, was u. a. mit dem vorübergehenden Abgang von 8 Bataillonen und 25 Eskadrons seit dem 30. Juni zu erklären ist70. Dennoch dürften neben den Pferden der Kavallerie, den 5.800 Pferden der Infanterieeinheiten und dem regulären Mehl- und Bäckereifuhrwesen weitere 1.800 Vorspanntiere zu versorgen gewesen sein. In Anbetracht dieser Rationsmenge von rund 15.000 Stück erscheint es nachvollziehbar, dass die Preußen in enormem Umfang auf Fouragierungen und Lieferungen angewiesen waren, zumal die Anzahl der Pferde durch die ankommenden Transporte ebenfalls zwischenzeitlich immer wieder anstieg. Grundsätzlich sank die Anzahl der Soldaten nun jedoch weiter, denn am 7. Juli brach Generalleutnant Winterfeldt mit 5 weiteren Bataillonen und 1 Regiment Dragoner und Husaren Richtung Görgental auf, um die österreichischen Truppen von dort zu vertreiben und die Ankunft des Transportes unter General von Brandes sicherzustellen. Zusätzlich waren die Obristen Belling und Billerbeck mit 2 Bataillonen entsandt worden, denen es auch gelang, Gabel in Besitz zu nehmen. Währenddessen hatte die Armee des Prinzen ein neues Lager bei Böhmisch-Leipa bezogen, was der König mürrisch billigte, indem er seinen Bruder gleichzeitig ermahnte, sich nicht weiter und am Ende gar bis Sachsen zurückzuziehen. Darüber hinaus wies er ihn am 7. Juli an, mit den Kommandanten der schlesischen Festungen einen Briefwechsel zu unterhalten und Zittau ausreichend gegen das Korps des Generals Nadasdy zu decken, falls er gezwungen sein sollte, nach Schlesien aufzubrechen. Erstaunlicherweise hielt er es angesichts der vielen leichten Einheiten des Gegners und der damit einhergehenden Kommunikationsschwierigkeiten, die sich bisher schon gezeigt hatten, weder für nötig, ihm einen Stellungswechsel Richtung Gabel zu empfehlen oder noch einmal auf die Bedeutung des Zittauer Magazins hinzuweisen. August Wilhelm jedenfalls teilte ihm am 8. Juli mit, dass eine Aufrechterhaltung der Kommunikation mit Schlesien äußerst schwierig werden dürfte, und erbat sich nun erneut eindeutige Anweisungen hinsichtlich seiner primären Aufgabe, nämlich entweder Schlesien zu decken oder in Böhmen zu bleiben und Zittau ebenfalls zu schützen. An einen Aufbruch in Richtung Zittau war vor dem 14. Juli ohnehin nicht zu denken, da man noch 6 Tage benötigte, um die Brotvorräte für die kommenden Märsche herzustellen. Genügend Mehl war hierfür zumindest vorhanden, weil der Transport unter General Brandes inzwischen in Gabel angekommen war. Die restlichen Wagen bei Zittau wurden auf das dringende Anraten des Intendanten Generalmajor von der Goltz zurückgeschickt, weil der enorme Fouragekonsum der unzähligen Zugtiere die Ressourcen der Umgebung viel zu stark belastete71. Vom 9. bis 11. Juli traten die ersten größeren Kommunikationsschwierigkeiten offen zu Tage. Prinz August Wilhelm hatte einen Husarenboten entsandt, der jedoch am 10. Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 3: 1757, Teil 2, Seite 25, 32 und 36. gesamten Absatz siehe Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 3: 1757, Teil 2, Seite 35–44 und Heilmann, Johann von, Beitrag zur Geschichte des Feldzuges von 1757, Seite 39– 46. 70 Siehe 71 Zum
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wieder zurückkehrte. Auch sein Versuch, einen als Ungarn verkleideten Husaren durch die feindlichen Posten zu schicken, scheiterte. Auch die Briefe des Königs wurden offenbar abgefangen, sodass sein Schreiben vom 8. Juli erst 3 Tage später eintraf und seitens des Prinzen erst am 12. Juli beantwortet werden konnte. Gegenstand der Nachricht war, dass König Friedrich die Gefahr für Schlesien, vor allem aber für Schweidnitz, relativ niedrig einschätzte, Empfehlungen aussprach, in welcher Weise die sächsischen Einheiten in die preußischen einzugliedern waren, und dem Prinzen riet, den Transport des Generals Brandes mit dessen 700 Wagen an sich zu ziehen. Laut den verzögerten Berichten August Wilhelms war der Transport am 9. Juli inklusive der Aufstockungskontingente für die schlesischen Regimenter, die offenbar um die 6.000 Mann umfassten72, bei der Armee eingetroffen und hatte Mehl für 10 Tage sowie Geld für 2 Monate mitgebracht. Da die Armee nun wieder mindestens 33.000 Mann umfasste, müssen dies ca. 260 Tonnen gewesen sein, sodass jeder Wagen offenbar kaum 2 Mehlfässer, die zusammen 500 Kilogramm wogen, befördert hatte. Für weitere 10 Tage benötigte man nur noch 550 Wagen mit Mehl, was darauf hindeutet, dass die 700 Fuhrwerke auch Futter für die Pferde herangeführt hatten. Die Wagen wurden unverzüglich wieder zurück nach Zittau geschickt, wobei ungewiss war, welche Mengen man von dort würde beziehen können, da Prinz August Wilhelm diese mit einer Spanne von 3 bis 4 Wochen angab73. Eindeutiger stellte sich Feindlage dar, die inzwischen äußerst bedrohlich für die Preußen geworden war, weil die österreichische Hauptarmee sich bei Münchengrätz oder sogar schon zwischen Liebenau und Swigan aufhielt und General Morocz mit seinem Korps in der Gegend von Niemes als Vorhut operierte74. Tatsächlich war die österreichische Hauptarmee, nachdem sie bis zum 5. Juli bei Benatek gestanden hatte, zunächst nach Kosmanos, am 7. Juli nach Münchengrätz und von dort wieder am 8. Juli nach Swigan gerückt, wo sie dann bis zum 11. Juli verblieb, bevor sie sich nach Münchengrätz zurückzog und am 13. Juli nach Hünerwasser vorrückte75. Dabei war das Vor- und 72 Siehe GStAPK, IV. HA, Rep. 15A, Nr. 614: Etatsmäßige Stärke der preußischen Armee 1757, Blatt 56 Rückseite. Generalmajor von der Goltz soll auf einem Verpflegungszettel die Stärke des Aufstockungskontingentes gegenüber Minister Schlabrendorff mit 6.000 Mann angegeben haben. Eigentlich gab es nur 4 Regimenter, denen das Aufstockungskontingent von 300 Mann nach dem Sollstand nicht fehlte, während den beiden Regimentern Franz Braunschweig und Marggraf Heinrich jeweils sogar um die 400 Mann fehlten, um auf den Stand von rund 1.800 Mann pro Regiment zu kommen. Siehe LASA, DE, Z44 Abt. Dessau, A 9b VIb, Nr. 10, Bd. V (Verschiedene Militaria aus des Fürsten Moritz von Anhalt in preußigen Jaare 1757), Blatt 36 und 38 jeweils Vorderseite. Mit 4 × 300 Mann und 2 × 400 Mann wäre lediglich ein Kontingent von 2.000 Mann zu erwarten gewesen. Es ist aber denkbar, dass die Infanterieregimenter, die ihre Rekruten noch nicht erhalten hatten, dennoch nach dem Sollstand von 1.812 Mann aufgelistet wurden. Bei 12 Regimentern (ohne Meyerinck und Schwerin- / Goltz-Rekruten nach Dresden) hätte man zusätzlich noch ein Kontingent von 3.600 Mann benötigt, womit sich eine Größenordnung von fast 6.000 Mann ergibt. Auch König Friedrich bestätigte, dass General Brandes 6.000 Mann Verstärkung heranführte. Siehe Friedrich II., Die Gründe meines militärischen Verhaltens (Juli 1757). 73 Mit Ausnahme der Bemerkung zu den Aufstockungskontingenten siehe zum gesamten Absatz Heilmann, Johann von, Beitrag zur Geschichte des Feldzuges von 1757, Seite 47–53. 74 Siehe Heilmann, Johann von, Beitrag zur Geschichte des Feldzuges von 1757, Seite 49 f. 75 Siehe OestKA, AFA, Nr. 616: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee XIII (1–19), Faszikel 7.
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IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
Zurückmarschieren wohl der Tatsache geschuldet, dass es schwierig war, in der bergigen Gegend die enormen Proviant- und die Fouragemengen nachzuführen76, zumal die Preußen in der Umgebung exorbitante Lieferungen ausschrieben und die Dörfer plünderten77. Die folgende Karte vermittelt einen Eindruck von der ungeheuren Ausdehnung der österreichischen Hauptarmee, die sich im schmalen Flusstal der Iser bei Swigan über 4 bis 5 Dörfer erstreckte.
Abbildung 32: Österreichische Hauptarmee im Isertal78
Obwohl die Armee seit dem 10. Juli mit 71.314 Mann sogar etwas kleiner war als noch am 28. Juni, weil man 5.132 Mann an General Nadasdys Korps abgegeben hatte79, bereitete die Versorgung schon immense Probleme, sodass der Kommandeur des Artillerie, Oberst Feuerstein, vorschlug, Artilleriematerial zurückzulassen. Darunter befanden sich 4 Munitionskarren sowie 21 leichte und 69 schwere Wagen, was aber nichts daran änderte, dass der Artillerietrain noch immer sehr groß war, denn neben 26 schweren und 17 leichten Wagen wurden weiterhin 546 Munitionskarren sowie 245 3-pfündige, 54 6-pfündige, 26 12-pfündige Geschütze und 16 7-pfündige Haubitzen mitgeführt80. Während die Österreicher mit ihren eigenen Nachschubschwierigkeiten zu kämpfen hatten, versuchten ihre leichten Truppen diese auf gegnerischer Seite herbeizuführen, indem sie 76 Siehe
ebd., Faszikel 2a, Journal aus dem Hauptquartier Swigan am 10. July. OestKA, AFA, Nr. 670: CA Kampagne gegen Preußen 1758 (VIII–XIII), Faszikel XIII / 12. 78 Karte adaptiert nach OestKA, AFA, Nr. 620: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 XIII, Faszikel 244, Karte 2. 79 Zur Ordre de Bataille vom 10. Juli siehe OestKA, AFA, Nr. 604: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 VII (1–450), Faszikel 4. 80 Siehe OestKA, AFA, Nr. 604: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 VII (1–450), Faszikel 239. 77 Siehe
IV.5. Der langsame Rückzug aus Böhmen361
beispielsweise ausgeschriebene Getreidelieferungen wie jene aus Grottau wieder abbestellen ließen81. In Anbetracht der sich zuspitzenden Lage erbat sich Prinz August Wilhelm in seinem Brief am 12. Juli auch noch einmal eindeutige Befehle, ob er vorrücken oder sich eher Gabel nähern solle, um so Zittau zu decken, zumal er beabsichtigte, das Lager bei Böhmisch-Leipa spätestens in 8 Tagen aufgrund des Fouragemangels aufzugeben. Obwohl der Prinz die Lage richtig bewertete, misstraute er seinem eigenen Urteil und neigte dazu, die Österreicher zu unterschätzen. „[…] Mir däucht, daß der größte Schaden, welchen der Feind uns zufügen könnte, wäre sich unserer Magazins zu bemächtigen. In Schlesien ist es in Schweidnitz durch die Festung gut gedeckt. Es bleibt ihm also das von Zittau übrig, auf welches er wohl ein Augenmerk haben könnte. So lange ich mit der Armee so stehe, daß ich, wo nicht vor, so doch wenigstens mit ihm zugleich bei Zittau eintreffen kann, werden sie solches nicht wagen […]“82.
Wie sich zeigen sollte, standen aber gerade die bequeme Erreichbarkeit und damit der Schutz des Zittauer Magazins in Frage. Ob die Antwort des Königs, die Prinz August Wilhelm nicht mehr erreichte, ihn zu einer besseren Positionierung der Armee bewogen hätte, dürfte ebenso fraglich sein. Der Prinz erhielt nämlich zum wiederholten Mal die Anweisung, die Lausitz und Schlesien zu decken sowie seine eigenen Bewegungen parallel zu denen des Gegners auszurichten. Über die konkrete Umsetzung sollte er laut König Friedrich nach wie vor selbst entscheiden. „[…] Ich kann Euch nicht die Art und Weise vorschreiben, wie ihr dieses Vorhaben ins Werk richten könnet; dieses alles ist sehr schwer. Besprechet euch mit Euren erfahrensten Generals und erwählet die besten Mittel nach Vorfallenheit der Umstände […]“83.
Die näheren Umstände wurden nun zusehends kompliziert und heikel, denn in seinem Schreiben vom 10. Juli, das wegen der ständigen Unterbrechung der Kommunikationswege erneut 2 Tage später eintraf, forderte der König die Entsendung einer Truppe von 6–7.000 Mann zum Schutz von Tetschen84. Diese Bitte sollte sich als äußerst folgenreich erweisen. Warum sie dem König so wichtig war, ist unklar. Ob er, wie sein Bruder Ferdinand behauptete, den Kopf verloren hatte oder an diesem Punkt dem Rat Feldmarschall Keiths gefolgt war, der befürchtete, General Nadasdy könne ein Korps von bis zu 6.000 Mann über Tetschen nach Dresden entsenden und sich des dortigen Magazins bemächtigen, ist nicht genau nachzuvollziehen85. Prinz August Wilhelm sicherte dem König zu, 81 Siehe
OestKA, AFA, Nr. 605: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 VII (451–Ende), 487. Johann von, Beitrag zur Geschichte des Feldzuges von 1757, Seite 54. 83 Ebd., Seite 61. 84 Zur Ankunft des Schreibens siehe GStAPK, BPH, Rep. 47 König Friedrich II., Nr. 666: Correspondenz des Königs Friedrich II. mit seinem Bruder August Wilhelm vom 1.–25. Juli 1757, Brief Nr. 19. 85 Siehe GStAPK, BPH, Rep. 57 / I Prinz Ferdinand, J Nr. 29, Bd. III: Lettres du Pr. Ferdinand au Prince du Prusse. Depuis 1757 jusq’au 1758, Lettre au Camp de Leitmeritz le 12 Juillet 1757. In Anbetracht der Tatsache, dass insbesondere die Dresdener Neustadt noch mit starken Bastionen befestigt war, die eine enorme Anzahl an schweren Geschützen aufwiesen, ist es eher unwahrscheinlich, dass es den Österreichern gelungen wäre, die Stadt in ihre Gewalt zu bekommen. Ver82 Heilmann,
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IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
unverzüglich 7 Bataillone und 20 Eskadrons Kavallerie unter Generalleutnant von Winterfeldt in Richtung Auscha in Marsch zu setzen, auch wenn seiner Streitmacht dadurch nur noch 33 Bataillone und 50 Eskadrons verblieben, weil er glaubte, den Konvoi des Generals von Brandes nur unter dem Schutz von 2 Bataillonen nach Zittau zurückschicken zu können86. An einen etwaigen Abmarsch der Armee war noch nicht zu denken, weil man 36 Stunden Vorlauf benötigte, um die Abfahrt der großen Anzahl von Fuhrwerken einzuleiten87. Am 14. Juli begannen die Österreicher unter General Maquière mit 23 Grenadierkompanien, 1.500 abkommandierten Musketieren und 500 Kavalleristen, zusammen ca. 7.000 Mann, sowie mit einigen Geschützen gegen Gabel vorzurücken88. Unterstützung erhielten sie hierbei vom Reservekorps der Hauptarmee unter General von Ahremberg89. General von Wulffen war es zwar gelungen, 200 Proviantwagen mit Mehl, Hafer, Heu oder Stroh zu erobern, nachdem die Preußen einen Großteil der Pferde ausgespannt und in die Stadt gerettet hatten90. An diesem Tag wurde Generalmajor von Puttkammer durch die Übermacht der Österreicher in die Stadt zurückgedrängt und dort eingeschlossen. Prinz August Wilhelm erfuhr hiervon durch Major von Ostwin, der sich mit 5 Eskadrons des Werner’schen Husarenregiments von Gabel kommend auf verschiedenen Wegen durch die feindlichen Linien geschlichen und geschlagen hatte91. Nun machte er sich große Sorgen um die Verbindung mit Zittau über Gabel sowie die dahin abgeschickten Wagen, denen er so schnell wie möglich Hilfe zukommen lassen wollte. Offenbar war er sich der kritischen Lage bei Gabel bewusst und ließ deswegen bereits Erkundigungen über mögliche Alternativrouten nach Zittau, wie jene über Rumburg, einziehen92. Der König, der von den Vorgängen bei Gabel erst am nächsten Tag erfuhr, zeigte sich zutiefst erzürnt über das Verhalten seines Bruders und konnte kaum glauben, dass dieser Zittau bereits so in Gefahr gebracht hatte, da seiner Meinung nach 10 Schlachten besser gewesen wären, als den Verlust dieses Magazins zu riskieren. Vor allem beschuldigte er General von Schmettau, dem Prinzen schlechte Ratschläge zu erteilen, immer alles mutlich war Feldmarschall Keiths Warnung eher Ausdruck einer in der Generalität und im Offizierskorps verbreiteten Meinung, zu der auch Moritz zu Anhalt und Gaudi neigten, wonach man sich schnell aus Böhmen zurückziehen solle, anstatt zu versuchen dort noch länger Gebiete besetzt zu halten. 86 Siehe Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 3: 1757, Teil 2, Seite 60. 87 Siehe ebd. 88 Siehe Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 3: 1757, Teil 2, Seite 68. 89 Siehe ebd. 90 Siehe OestKA, AFA, Nr. 605: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 VII (451–Ende), Faszikel 527 und 528. 91 Siehe Heilmann, Johann von, Beitrag zur Geschichte des Feldzuges von 1757, Seite 6 f. und Schmettau, Friedrich Wilhelm Karl von, Lebensgeschichte des Grafen von Schmettau, Königl. Preuß. Generallieutenants, Seite 359 f. 92 Siehe GStAPK, BPH, Rep. 47, Nr. 666: Correspondenz des Königs Friedrich II. mit seinem Bruder August Wilhelm vom 1.–25. Juli 1757, Brief Nr. 22.
IV.5. Der langsame Rückzug aus Böhmen363
schwarzzusehen, und wünschte, ihn hätte der Teufel geholt, statt seinem Bruder als Ratgeber zur Seite zu stehen93. Nachdem General von Winterfeldt dem Prinzen gemeldet hatte, dass er auf keine Truppen bei Kamnitz gestoßen sei, die möglicherweise gegen Tetschen vorstießen, traf er am Abend des 14. Juli gegen 6 Uhr wieder im Lager des Prinzen in Böhmisch-Leipa ein94. Er ließ ihm jedoch mitteilen, dass sowohl er als auch seine Truppen zu erschöpft seien, um noch etwas auszurichten, er selbst stehe ihm aber am nächsten Tag mit Rat zur Verfügung, da noch genügend Zeit sei, um das weitere Vorgehen zu beratschlagen95. Winterfeldt hatte an der Bedeutung Gabels zwar keinen Zweifel, aber nur als Mittel zur Aufrechterhaltung der Verbindung mit Zittau: „Gabel müssen wir mainteniren und dadurch die Communication mit Zittau frey halten koste es was es wolle. […] Wenn wir nicht von hieraus die Communication mit Zittau mainteniren können, so hilft es uns nichts, sondern es ist besser wir ziehen uns näher dahin. Die feindliche Armee welche eine Meile von uns vor Nimes mit dem rechten Flügel ohngefehr auch eine Meile von Gabel steht können wir deutlich übersehen. Wir haben uns durch die detachierte 15 Bataillons nach Gabel Zittau und Reichenstadt schon sehr geschwächt sonst könnten wir auf denen Flanquen des Feindes etwas probiren […]“96.
Offenbar verabschiedeten sich die Preußen halbwegs von der Vorstellung, Gabel retten zu können, weil Prinz August Wilhelm befürchtete, dass man unter Umständen gezwungen sei, der rund 80.000 Mann starken Armee der Österreicher mit nur 25.000 Mann entgegentreten zu müssen97. Um sich dieser Option nicht zwangsläufig auszusetzen, beriet er sich mit seinen Generälen, wie man am günstigsten nach Zittau gelangen könne, und kam zu dem Ergebnis, dass die Route über Rumburg hierfür die einzige Option darstellte, da der Weg über Görgental nach Ansicht des Prinzen nur für eine Kolonne passierbar war98. Allerdings wurden die Preußen bei Böhmisch-Leipa, Generalleutnant von Winterfeldt inbegriffen, hinsichtlich ihrer Planungen von den Ereignissen bei Gabel eingeholt. Die Österreicher hatten sich in der Nacht vom 14. zum 15. Juli nicht nur durch das Reservekorps von General von Ahremberg mit 6.000 Mann verstärkt, sodass die Preußen 93 Siehe
ebd., Brief Nr. 23. Heilmann, Johann von, Beitrag zur Geschichte des Feldzuges von 1757, Seite 6 f. 95 Siehe GStAPK, BPH, Rep.56 / I Prinz August Wilhelm, Nr. J 22: Briefe des Prinzen August Wilhelm von Preußen, den an den Generallieutenant Grafen von Schmettau 1744–1758, Le 14 de Juillet. Die Akte enthält in französischer Sprache nicht betitelte Aufzeichnungen über den Rückzug aus Böhmen. Diese Aufzeichnungen wurden von Eva Ziebura in ihrem Buch „Prinz August Wilhelm von Preußen“ unter der Bezeichnung „Relation über den Rückzug von Böhmen von Generalleutnant Reichsgraf von Schmettau“ übersetzt (vgl. Ziebura, Eva, Prinz August Wilhelm von Preußen, Seite 261–269). Allerdings ist die Übersetzung an wenigen Stellen nicht ganz vollständig und korrekt. Deswegen wird im Folgenden immer auf das französische Aktenoriginal verwiesen, das sich in die jeweiligen Tage nach französischer Datumsangabe gliedert. 96 GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 91 L: Hans Carl von Winterfeldt Immediatskorrespondenz 1757, Blatt 107 Vorderseite. 97 Siehe Heilmann, Johann von, Beitrag zur Geschichte des Feldzuges von 1757, Seite 7 f. 98 Siehe ebd. und GStAPK, BPH, Rep. 47 König Friedrich II., Nr. 666: Correspondenz des Königs Friedrich II. mit seinem Bruder August Wilhelm vom 1.–25. Juli 1757, Brief Nr. 24. 94 Siehe
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IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
nun einer feindlichen Streitmacht von rund 13.000 Mann gegenüberstanden, sondern auch 16 schwere Geschütze herangeführt und alle Hohlwege von Böhmisch-Leipa Richtung Gabel durch die leichten Truppen der Generäle Morocz und Beck besetzen lassen, um etwaige Verstärkungen aufzuhalten99. Daher gelang es den erwähnten 3 Bataillonen unter General von Rebentisch, zu denen sich ein Dragonerregiment gesellte, nicht nach Gabel durchzudringen100. Offensichtlich hatten die Preußen sogar Glück, dass die Österreicher sie nicht verfolgten, da sie laut Warnery ansonsten verloren gewesen wären101. Dort begannen die Österreicher die Stadt am Nachmittag zu beschießen. Da die Stadt nur über alte Mauern ohne Türme und Wälle verfügte102, konnte sich die preußische Besatzung zwar erbittert wehren, musste dann jedoch wegen Munitions- und Wassermangel aufgeben. Laut preußischen Angaben wurden 60 Offiziere, darunter 1 Oberstleutnant und 4 Majore sowie 1.898 Mann, gefangen genommen103. Die Österreicher bezifferten die preußischen Verluste etwas höher. Denn neben 2.380 Gemeinen aus 2 Grenadier- und 2 Füsilierbataillonen sowie 119 Husaren und 63 Offizieren wurden auch noch 276 Wagen mit je 3 Knechten festgesetzt, sodass sich der Gesamtverlust auf 3.380 Mann belief. Die Anzahl der österreichischen Verluste wurde beiderseits auf ca. 490 Mann veranschlagt104. Gelohnt hatte sich die Eroberung laut Oberkommissar Hauer noch aus einem anderen Grund: „[…] Zu Gabel hat sich ein besonderer Umstand der in das Proviantwesen einschlägt, ergeben. Man fand unter den preussischen Kriegsgerätschaften verschiedene eiserne Gerippe, von Feldbacköfen, ich besah sie, und weil sie ganz anders als die wir in den Türkenkriegen hatten, gestaltet waren, wurde ich umso begieriger davon einen Gebrauch zu machen, als die vom Türkenkrieg ganz unschicksam, nicht wohl zu gebrauchen waren, dabey aber die mir um so nöthiger schienen, als ich bis dahin ungemeine Berechnungen anwenden muste, die Beckereyen der Armee und so viele Corpi immerhin nachzuschicken; es gelang mir auch aus diesen Gerippe obwohl überall etwas abginge, einen solchen eisernen Feldofen zusammenzustudiren, der hernach gute Dienste leistete […]“105.
Die Preußen erfuhren von der Kapitulation Gabels erst am 16. Juli, als General von Manteuffel mit 5 Bataillonen entsandt wurde, um den General Rebentisch zu unterstützen, der sich von einem Korps der Österreicher aus Richtung Niemes bedroht sah106. Der Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 3: 1757, Teil 2, Seite 68. Absendung von 3 Bataillonen und 1 Dragonerregiment siehe Heilmann, Johann von, Beitrag zur Geschichte des Feldzuges von 1757, Seite 6. Auch das Journal Schmettaus erwähnt die Absendung der 3 Bataillone am 15. Juli, scheint ansonsten aber die Ereignisse dieses Tages mit denen des folgenden Tages, sprich des 16. Juli, zu vermischen. 101 Siehe Warnery, Charles Emmanuel de, Feldzüge Friedrichs des Zweyten von Preußen seit 1756 bis 1762. Erster Teil, Seite 168 f. 102 Siehe ebd., Seite 166. 103 Siehe Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 3: 1757, Teil 2, Seite 69. 104 Siehe OestKA, AFA, Nr. 605: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 VII (451–Ende), Faszikel 537g. 105 OestKA, AFA, Nr. 670: CA Kampagne gegen Preußen 1758 (VIII–XIII), Faszikel XIII / 12. 106 Siehe Heilmann, Johann von, Beitrag zur Geschichte des Feldzuges von 1757, Seite 8 und Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 3: 1757, Teil 2, Seite 64. Genau hierin, d. h. hin99 Siehe 100 Zur
IV.5. Der langsame Rückzug aus Böhmen365
Prinz meldete dies am Abend dem König und teilte ihm mit, dass man nur noch für 4 Tage mit Brot, d. h. bis zum 20. Juli, verpflegt war und deswegen morgen marschieren werde107. Die folgende Karte vermittelt einen Überblick, wie sich dieser Rückmarsch nach Zittau vor dem Hintergrund der Bewegungen der österreichischen Hauptarmee in den gesamten Rückzugsverlauf der Armee einordnete:
Abbildung 33: Überblickskarte zum Rückzug der Armee des Prinzen August Wilhelm von Preußen108
sichtlich der Tatsache, dass man von der Kapitulation Gabels erst im Verlauf des 16. Juli erfuhr, und zwar durch die Entsendung von Manteuffels Entsatzkommando, unterscheidet sich das Journal Schmettaus von dem des Prinzen, in dem es diese beiden Ereignisse schon auf den 15. verlegt. Dies kann dazu führen, dass bestimmte Äußerungen, wie der Brief des Königs vom 15. Juli, in einen falschen Kontext geraten (vgl. Ziebura, Eva, Prinz August Wilhelm von Preußen, Seite 219). Da der Prinz und die Armee bei Leipa jedoch erst im Verlauf des 16. Juli von der Kapitulation Gabels erfuhren, ist es sehr unwahrscheinlich, dass der König in Leitmeritz am Tag zuvor davon wusste und sich darauf bezog, zumal die Stadt erst am Nachmittag artilleristisch angegriffen wurde. 107 Siehe GStAPK, BPH, Rep. 47: Correspondenz des Königs Friedrich II. mit seinem Bruder August Wilhelm vom 1.–25. Juli 1757, Brief Nr. 24 und 25. Dies sind die Briefe 2 und 3 des Prinzen vom 16. Juli. Der erste Brief scheint verloren gegangen zu sein. 108 Karte adaptiert nach Ziebura, Eva, Prinz August Wilhelm von Preußen, Seite 213.
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IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
IV.5.4. Der desaströse Rückzug in die Oberlausitz und der Verlust des Zittauer Magazins Während General von Winterfeldt dafür plädierte, über den Kaiserweg direkt nach Norden in Richtung Rumburg zu marschieren, waren die anderen Generäle wohl der Meinung, dass man auf diese Weise zu nah am Feind operieren würde und deswegen weiter westlich nach Böhmisch-Kamnitz einschwenken solle, obwohl man wusste, dass die Wege dort kaum zu passieren waren109. Die folgende Karte zeigt das dortige Mittelgebirge mit den stärksten Erhebungen in den schwarzen Schattierungen, die man offensichtlich auf diesem ersten Teil des Weges über Unter- und Ober-Libich am unteren Bildrand, Meistersdorf in der Mitte sowie Kamnitz, links oben, zu umgehen versuchte.
Abbildung 34: Rückzugsroute über Böhmisch-Kamnitz110
109 Siehe Warnery, Charles Emmanuel de, Feldzüge Friedrichs des Zweyten von Preußen seit 1756 bis 1762. Erster Teil, Seite 171. 110 Karte adaptiert nach OestKA, Plan- und Kartenabteilung, B IXa92, Sekt. 18.
IV.5. Der langsame Rückzug aus Böhmen367
Die Vorhut der Armee unter General von Schmettau brach noch an diesem Abend in Richtung Zittau auf. Sie umfasste 6 Musketier- und 2 Grenadierbataillonen, 5 Eskadrons Kavallerie und 4 12-pfündige Geschütze. Obwohl sie sich um 6 Uhr versammelt hatte, konnte sie nicht vor 8 Uhr aufbrechen, weil die beiden Grenadierbataillone ihr Brot noch nicht erhalten hatten. Darüber hinaus mussten 2 von ihnen zurückbleiben, um mit den 5 Eskadrons des Husarenregiments Wartenberg und den 3 Bataillonen von Wietersheim, Kahlenberg und Manstein sämtliche Bäckerei-, Pontons-, Bagage- und Proviantwagen zu schützen111. Problematisch war hierbei, dass diese Einheiten aus ehemaligen sächsischen Soldaten bestanden, bei denen die Desertionsgefahr ungleich größer war als bei den preußischen Truppen, wenn man sie nicht durch eine geschickte Durchmischung und Verteilung einzudämmen versuchte. Offensichtlich stellte sich die Einteilung, die der kommandierende Generalmajor Wietersheim vornahm, aber als gänzlich unsinnig he raus, was dazu führte, dass die Wagen, deren Anzahl sich offenbar auf 3–4.000 Stück belief112, eine schlechte Deckung erhielten. Durch die Vielzahl der Fuhrwerke, die die Anzahl der zu versorgenden Pferde auf bis zu 20.000 Stück anwachsen ließ, nahm die Länge der Wagenkette enorm zu. Sie erstreckte sich in einer Reihe auf rund 40 km und war selbst bei 2 Wagen nebeneinander noch 15 bis 20 km lang, sodass sie über die ganze Karte bis Kamnitz reichte und extrem angreifbar war. Tatsächlich befand sich deswegen und aufgrund der Engpässe bei Ober-Libich das Ende der Wagenkolonne am Abend des 17. Juli noch immer im Lager und verzögerte den Abmarsch der Armee113. Wahrscheinlich schrieb das Feldkriegskommissariat auch vor dem Hintergrund der Verzögerung noch an diesem Tag 60.000 Brote aus, die bis zum 19. oder 20. Juli nach Löbau zu liefern waren114. Generalleutnant von Schmettau erreichte an diesem Abend mit seiner Vorhut Kamnitz, wo auch General von Wietersheim mit einem Bataillon seiner Deckungstruppen eintraf, der aber sofort wieder umkehren musste, weil man erfahren hatte, dass einige feindliche Husaren die Pferde der Pontonswagen ausgespannt hatten115. Derartige Vorfälle hielten sich zunächst aber noch in Grenzen, weil es den Österreichern aufgrund des Terrains schwerfiel, einen Überblick zu gewinnen und dann entsprechende Angriffsmöglichkeiten zu nutzen116. Hinzu kam, dass die Kräfte, die der österreichischen Vorhut hierfür zur Verfügung standen, nicht übermäßig groß waren, denn General Had111 Siehe GStAPK, BPH, Rep. 56 / I Prinz August Wilhelm, Nr. J 22: Briefe des Prinzen August Wilhelm von Preußen an den Generallieutenant Grafen von Schmettau 1744–1758, Le 16 de Juillet. 112 Zur Anzahl der Wagen vgl. Schmettau, Friedrich Wilhelm Karl von, Lebensgeschichte des Grafen von Schmettau, Königl. Preuß. Generallieutenants, Seite 364 f. 113 Siehe Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 3: 1757, Teil 2, Seite 69 f. 114 Siehe SächsStFilA-BZ, 50001 Landstände der sächs. Oberlausitz, F XXV Siebenjähriger Krieg, Nr. 2710: Schreiben des Feldkriegskommissariats aus dem Lager von Böhmisch Leipa am 17. Juli. 115 Siehe GStAPK, BPH, Rep. 56 / I Prinz August Wilhelm, Nr. J 22: Briefe des Prinzen August Wilhelm von Preußen an den Generallieutenant Grafen von Schmettau 1744–1758, Le 17 de Juillet. 116 Siehe OestKAAFA, Nr. 605: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 VII (451–Ende), Faszikel 574.
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IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
dik verfügte nur über rund 1.700 Mann, während General Morocz nur 415 Berittene aufbieten konnte und zudem selbst unter Nachschubproblemen litt117. Von diesen blieben auch die Preußen nicht verschont, denn als die Armee am 18. Juli endlich in Richtung Kamnitz abrückte, fand sie bei Meistersdorf ihre zurückgelassenen Proviantwagen, deren Brotladungen unverzüglich an die Soldaten ausgegeben wurden. Der Konvoi der Wagen selbst folgte an diesem Tag der Vorhut über Kreibitz, wo das Regiment von Wied nach Bautzen aufbrach, während sich die Fuhrwerke in der Nähe des Kaltenberges zu einer Wagenburg formierten. Im Verlauf des Marsches war es jedoch bei Hasel zu einer Reihe Auffahrunfällen gekommen, sodass die Österreicher entstandene Verwirrung nutzen konnten, um die Vorspannpferde loszuschneiden und wegzuführen118. Begünstigt wurde dies durch den Umstand, dass zahlreiche preußische Einheiten, darunter auch die Freikompanien, mit dem Zurückdrängen der Kroaten beschäftigt waren119. Unterdessen rückte Schmettaus Vorhut weiter Richtung Rumburg vor, wo ebenfalls 10.000 Brotportionen ausgeschrieben wurden, bevor die Abteilung dann am Ende des Tages in Schönborn eintraf120. Prinz August Wilhelm hatte General von Schmettau mitgeteilt, dass er beabsichtigte, der Armee von Kamnitz über Kunersdorf und Kaltendorf nach Schönlinde oder sogar weiter darüber hinaus Richtung Rumburg zu folgen. Zur Vorbereitung sollte er die Bagage in Richtung Löbau schicken und nach Möglichkeit die Höhen bei Zittau besetzen. Darüber hinaus war Schmettau angehalten, in Zittau und den nahegelegenen Dörfern Brot für die Armee backen zu lassen, weitere Lebensmittel aus Bautzen zu organisieren sowie zu garantieren, dass das Kommissariat diese bezahlte121. Daher befahl der General, der die Stärke seiner Truppen bei Schönborn auf 12.000 und die der ganzen Armee auf rund 40.000 Mann schätzte, dass von den Bewohnern des Bautzener Kreises täglich 40.000 Portionen Brot sowie Fleisch und Gemüse bereitzustellen waren122. Seine Einheiten setzten ihren Weg am 19. Juli über Rumburg und Spitzkunnersdorf nach Zittau fort, wo sie in jenem Moment eintrafen, als die Österreicher gerade den Eckartsberg nördlich der Stadt besetzten. Eine Rückeroberung kam nicht in Frage, weil die preußischen Infanteristen im Gegensatz zu den Kavalleristen unter General von Seydlitz noch zu weit zurücklagen, sodass die Österreicher neben 12–15.000 Mann auch 20 6-Pfünder, 5 12-Pünder und 2 Mörser dort in Stellung bringen konnten123. Schon allein deshalb, aber auch wegen der 12.000 Mann, die die 117 Siehe
ebd., Faszikel 541, 580 und 581. hierhin in diesem Absatz siehe Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 3: 1757, Teil 2, Seite 70. 119 Siehe Heilmann, Johann von, Beitrag zur Geschichte des Feldzuges von 1757, Seite 9 f. 120 Siehe GStAPK, BPH, Rep. 56 / I Prinz August Wilhelm, Nr. J 22: Briefe des Prinzen August Wilhelm von Preußen an den Generallieutenant Grafen von Schmettau 1744–1758, Le 18 de Juillet. 121 Zu den Angaben aus dem Brief von Prinz August Wilhelm an diesem Tag vgl. ebd., Au Camp de Kemnitz le 18 Juillet. 122 Siehe SächsStFilA-BZ, 50001 Landstände der sächs. Oberlausitz, F XXV Siebenjähriger Krieg, Nr. 2710: Schreiben Generalleutnant von Schmettaus am 18. und 19. Juli aus Schönborn. 123 Siehe GStAPK, BPH, Rep. 56 / I Prinz August Wilhelm, Nr. J 22: Briefe des Prinzen August Wilhelm von Preußen, den an den Generallieutenant Grafen von Schmettau 1744–1758, Le 19 de Juillet. 118 Bis
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Österreicher noch am Abend erhielten, entschieden sich die Preußen, in die Stadt einzurücken, weitere Verteidigungsvorbereitungen zu treffen und mit der Herstellung der Brotportionen zu beginnen124. Dies führte wahrscheinlich dazu, dass die Vorhut zwar nicht unter Brotmangel litt, sich aber von knapp 27.000 Österreichern bedroht sah, denen die Preußen inklusive der bereits vorhandenen 5 Bataillone, die bis dahin die Garnison von Zittau unter Oberstleutnant von Diericke formiert hatten, maximal 16.000– 18.000 Mann entgegenstellen konnten125. Der Rest der Armee folgte der Vorhut am 19. Juli in Richtung Kreibitz. Da die Wege hohl und steinig waren und permanent zwischen Bergen und Abgründen hindurchführten, brachen die Wagenräder aber häufig126. Das Bild vermittelt einen guten Eindruck vom steilen und engen Gelände bei Kamnitz, das sich auch hervorragend für die Hinterhalte der Österreicher eignete.
Abbildung 35: Gelände in den Pässen des böhmisch-sächsischen Grenzgebirges127
124 Siehe
ebd., Le 19 de Juillet und Fin. diesem Höchstwert von insgesamt 18.000 Mann sowie der Stärke der Garnison von 7.000 Mann vgl. SächsStFilA-BZ, 50001 Landstände der sächs. Oberlausitz, F XXV Siebenjähriger Krieg, Nr. 2710: Anonymes Protokollschreiben vom 22. Juli. 126 Siehe Warnery, Charles Emmanuel de, Feldzüge Friedrichs des Zweyten von Preußen seit 1756 bis 1762. Erster Teil, Seite 171. 127 Fotoaufnahme des Autors. 125 Zu
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IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
Aufgrund der engen Wege oder wegen des Pferdemangels mussten auch beim Dorf Hasel viele Pontons zerhauen und zusammen mit den Wagen verbrannt werden128. Da ein Pass von rund 6.000 Österreichern blockiert wurde, sah sich Prinz August Wilhelm auch gezwungen, 13 Bataillone und 2 Kavallerieregimenter über einen schmalen Pfadohne ihre Geschütze vorrücken zu lassen129. Während das Dorf Kreibitz von der Spitze der Armee so noch gesichert werden konnte, reichte die Zeit für den Großteil wohl nicht mehr, um einen weiteren Engpass in der Nähe von Hasel zu überwinden, da sich in der Nähe einige Kroaten aufhielten. So bezog die Armee ihr Lager größtenteils auf und um den Kaltenberg. Hier stieg die Desertion sprunghaft an, weil die Soldaten unter freiem Himmel kampierten, durch den Marsch ermüdet waren, wenig oder gar kein Wasser zur Verfügung hatten und zudem das Brot auszugehen begann130. Begünstigt wurde die Fahnenflucht durch die Formation der preußischen Truppen, da die Kavallerie im Zentrum und die Infanterie um sie herum postiert war131. Die Rückschläge an diesem Tag und in der folgenden Nacht resultierten aber auch daraus, dass die Österreicher durch die Kommandeure der leichten Truppen, wie Oberstleutnant Somoggi, gut über das schwierige Gelände, in dem sich die preußische Armee bewegte, und ihre Probleme informiert waren132. Der preußische Feld- und Landjäger Weinreich hatte gegen Abend zufällig mit seinem Pferd einen der höchsten Geländepunkte erreicht, wo er die Stellungen der Österreicher, die Kirchtürme von Kreibitz und ein großes Haferfeld sah, das er dann nutzte, um den Rest der Armee am nächsten Tag weitestgehend unbehelligt in Richtung Kreibitz zu führen, wo General von Winterfeldt die übrige Generalität sogar zum Frühstück willkommen hieß133. Obwohl Weinrich davon berichtete, dass in dieser Nacht über 1.000 Mann desertiert waren134 und am nächsten Tag 1.600 Deserteure bei Hüllemühl gesichtet wurden135, scheinen diese nie von den österreichischen Posten aufgegriffen worden zu sein, zumal General Haddik am 20. Juli lediglich 22 Mann, darunter 7 Verwundete, gefangen nahm136. Dies deutet darauf hin, dass es sich bei den vermeintlichen Deserteuren auch um eine sehr große Anzahl vorübergehend Versprengter oder Desertierter gehandelt haben könnte, die später wieder zurückkehrten oder von den preußischen Husaren einge128 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 89 Ji I.: Relationen aus der Zeit des Siebenjährigen Krieges, Blatt 130 Vorderseite. 129 Siehe Beitrag zur Geschichte des Feldzuges von 1757, Seite 10 und insbesondere zur Zurücklassung der Geschütze Schmettau, Friedrich Wilhelm Karl von, Lebensgeschichte des Grafen von Schmettau, Königl. Preuß. Generallieutenants, Seite 374. 130 Siehe Heilmann, Johann von, Beitrag zur Geschichte des Feldzuges von 1757, Seite 11. 131 Siehe ebd. 132 Siehe OestKA, AFA, Nr. 605: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 VII (451–Ende), Faszikel 618: Schreiben des Oberstleutnants Somoggi. 133 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 89 Ji I.: Relationen aus der Zeit des Siebenjährigen Krieges, Blatt 130 Vorderseite–132 Rückseite. 134 Siehe ebd. 135 Zur Anzahl der Deserteure, die bei Hüllendorf gesichtet wurden, siehe OestKA, AFA, Nr. 605: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 VII (451–Ende), Faszikel 619b. 136 Siehe ebd., Faszikel 619 ad b.
IV.5. Der langsame Rückzug aus Böhmen371
fangen wurden. Auch von den preußischen Wagenverlusten hatten die Österreicher bis zu diesem Zeitpunkt nicht übermäßig profitiert. So berichtete der österreichische General Morocz, dass man bei Kreibitz an diesem Tag nicht mehr als 30 Pferde erbeuten, 1 Rüstwagen wegführen und 3 weitere umwerfen konnte, weil die Preußen den Großteil der Wagen selbst in Brand steckten und in der Nacht eine solide Wagenburg bei Schönborn formierten137.Am nächsten Tag fanden die Österreicher auch bei Kamnitz die zurückgelassenen Pontons der Preußen durchlöchert vor und sahen, wie sie bei ihrem Aufbruch von Kreibitz weitere Wagen verbrannten138. Offenbar wurden dabei fast alle Ponton- und Bäckereiwagen vernichtet139. Wie im folgenden Bild zu sehen, marschierte die Armee selbst an diesem 20. Juli aus dem Lager am Kaltenberg in 2 Kolonnen weiter über Kreibitz oder Kreywitz nach Schönlinde, wobei eine der Routen aufgrund der Unebenheit erneut nur von einigen Infanterieeinheiten ohne ihre Geschütze passiert werden konnte140.
Abbildung 36: Rückzugsroute der Armee am 18. Juli 1757141
137 Siehe OestKA, AFA, Nr. 605: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 VII (451–Ende), Faszikel 619. 138 Siehe ebd., Faszikel 640. 139 Siehe Warnery, Charles Emmanuel de, Feldzüge Friedrichs des Zweyten von Preußen seit 1756 bis 1762. Erster Teil, Seite 171. 140 Siehe Heilmann, Johann von, Beitrag zur Geschichte des Feldzuges von 1757, Seite 12 f. 141 Karte adaptiert nach OestKA, Plan- und Kartenabteilung, B IXa92, Sekt. 10.
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IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
General von Winterfeldt, der den ersten Teil der Armee führte, gelangte mit der Spitze der Einheiten sogar schon in die Gegend von Rumburg, wo General von Seydlitz zu ihm stieß, der mit seiner Kavallerie Zittau verlassen hatte, um Fourage zu beschaffen142. Trotzdem wurde Winterfeldts Bagage an diesem Tag von rund 1.000 Mann unter General Beck angegriffen, sodass er 15 Pontons, die man aus den Engpässen nicht retten konnte, verbrennen und einige Geschütze vernageln ließ143. Es kam auch erneut zu Desertionen von preußischer Seite, sodass Major Barcoi vom österreichischen Kavallerieregiment O’Donnell an diesem Tag 103 Deserteure abschickte, denen am nächsten Tag noch 113 folgten144. Mit hoher Wahrscheinlichkeit stammten sie alle vom sächsischen Grenadierbataillon Kahlenberg, das zusammen mit einigen Freikompanien und den Jägern einen Angriff auf den Kroatenposten in einem nahegelegenen Wald unternahm und diese Gelegenheit mit Ausnahme von 200 Mann dazu nutzte, um komplett überzulaufen145. Auf Winterfeldts Empfehlung marschierte die Armee dann am 21. Juli nicht über Rumburg, sondern südlich davon in Richtung Seifhennersdorf, wo man zwischen den dortigen Teichen und Spitzkunnersdorf ein Lager bezog, um die Wasserversorgung der Pferde gewährleisten zu können. Außerdem wurden vom Feldkriegskommissariat der Armee Fouragelieferungen in der Oberlausitz ausgeschrieben146. Während die Vorkehrungen für die Pferdeversorgung einigermaßen aussichtsreich waren, gestaltete sich die Brotversorgung deutlich schwieriger, da die vom Feldkriegskommissariat nach Löbau ausgeschriebene Lieferung am Abend des 21. Juli dort immer noch nicht eingetroffen war147. In Zittau hatte General von Schmettau allerdings an die 35.000 Brote zu 6 Pfund backen lassen, von denen zunächst aber nur 16.000 Stück wegen fehlender Wagen verladen werden konnten. Dies war alles andere als günstig, denn an diesem Tag fehlte dem Großteil der Armee schon das Brot, das ihr wegen der Bedrohung durch gegnerische Kräfte auf dem Eckartsberg auch schwierig zuzuführen war. Die Österreicher forderten die preußische Besatzung von Zittau bereits am Vormittag zur Kapitulation auf, welche diese aber verweigerte. Allerdings musste Schmettau dem Prinzen melden, dass über Grottau und Giesmannsdorf der größte Teil der österreichischen Hauptarmee angekom-
142 Siehe GStAPK, BPH, Rep. 56 / I Prinz August Wilhelm, Nr. J 22: Briefe des Prinzen August Wilhelm von Preußen, den an den Generallieutenant Grafen von Schmettau 1744–1758, Le 20 de Juillet und Heilmann, Johann von, Beitrag zur Geschichte des Feldzuges von 1757, Seite 14. 143 Siehe OestKA, AFA, Nr. 605: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 VII (451–Ende), Faszikel 649. 144 Siehe ebd., Faszikel 640. 145 Siehe Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 3: 1757, Teil 2, Seite 78 f. 146 Siehe SächsStFilA-BZ, 50001 Landstände der sächs. Oberlausitz, F XXV Siebenjähriger Krieg, Nr. 2710: Schreiben der Kriegsräte Beggerow und Normann am 21. July auf dem Marsch bey dem Dorf Hennersdorf. 147 Siehe SächsStFilA-BZ, 50001 Landstände der sächs. Oberlausitz, F XXV Siebenjähriger Krieg, Nr. 2710: Schreiben der Rathscanzeley aus Löbau am 22. July.
IV.5. Der langsame Rückzug aus Böhmen373
men war, sodass sich die in Zittau befindlichen Einheiten trotz der ausgeweiteten Verteidigungsvorkehrungen in einer äußerst kritischen Lage befanden148. In Anbetracht dessen rückte die Armee auch am 22. Juli nach Herwigsdorf vor. Allerdings war es nicht einfach, den Brottransport zur Armee zu geleiten, weil man befürchte, durch eine zu starke Annäherung in Richtung Zittau dem Gegner die Gelegenheit zu verschaffen, die linke Flanke der Armee zu umgehen und sie somit von den Straßen und Wegen Richtung Löbau und Bautzen abzuschneiden149, was bei der ohnehin schon heiklen Versorgungslage verheerend gewesen wäre. Daher besetzte man auch das Dorf Oderwitz, während General von Winterfeldt sich mit 10 Bataillonen Zittau näherte, wo sich General von Schmettau noch mit den Einheiten seiner Vorhut befand150. Allerdings war er bis 5 Uhr abends noch nicht mit dem Brot eingetroffen, das auch Prinz August Wilhelm zufolge seit einem Tag fehlte151. Oberstleutnant von Warnery vertrat gar die Ansicht, dass ein großangelegter Angriff der Österreicher in diesem Moment für die preußische Armee angesichts der vorangegangenen Strapazen den völligen Untergang bedeutet hätte152. Es bestand jedoch Aussicht, spätestens in Bautzen weiteres Brot zu erhalten, denn der Brief des Königs vom 18. Juli besagte, dass er der Armee des Prinzen aus Pirna für 6 Tage Brot dorthin schicken werde153. König Friedrich zeigte sich aber in höchstem Maße erzürnt über die Tatsache, dass sein Bruder am 14. Juli nicht mit der Armee nach Gabel marschiert war, um die Stadt zu retten154. Dieser Umstand, so der König, mache es ihm unmöglich, den Prinzen jemals wieder mit einem Armeekommando zu betrauen155. Allerdings gab es auch positive Neuigkeiten, denn noch am Abend traf Generalleutnant von Winterfeldt mit dem Brot für die nächsten 2 Tage ein156. General von Schmettau war ihm aus Zittau mit 8 Bataillonen entgegengekommen, sodass es gelang, die Proviantwagen mit dem Brot für mindestens 1 ½ Tage an den feindlichen Truppen vorbei heranzuführen. Wenn die Armee tatsächlich noch um die 40.000 Mann zählte, dann würde dies bedeuten, dass man es geschafft hatte, ca. 20.000 Brote, die genau 60.000 Portionen entsprachen, wie durch einen Schlauch an den Gegnern vorbeizuschleusen.
148 Zum gesamten Absatz siehe GStAPK, Rep. 56 / I Prinz August Wilhelm, Nr. J 22: Briefe des Prinzen August Wilhelm von Preußen, den an den Generallieutenant Grafen von Schmettau 1744– 1758, Le 21 de Juillet. 149 Siehe Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 3: 1757, Teil 2, Seite 81–83. 150 Siehe GStAPK, BPH, Rep. 47, Nr. 666: Correspondenz des Königs Friedrich II. mit seinem Bruder August Wilhelm vom 1.–25. Juli 1757, Brief Nr. 28 und 29. 151 Siehe ebd., Brief Nr. 28. 152 Siehe Warnery, Charles Emmanuel de, Feldzüge Friedrichs des Zweyten von Preußen seit 1756 bis 1762. Erster Teil, Seite 177 f. 153 Siehe GStAPK, BPH, Rep. 47, Nr. 666: Correspondenz des Königs Friedrich II. mit seinem Bruder August Wilhelm vom 1.–25. Juli 1757, Brief Nr. 27. 154 Siehe ebd., Brief Nr. 30. 155 Siehe ebd. 156 Siehe ebd., Brief Nr. 29.
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IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
Es war höchste Zeit, denn die Österreicher standen am 22. Juli bereits mit 33.662 Mann Infanterie bei Zittau und erwarteten die rund 15.000 Infanteristen des Reservekorps unter General von Ahremberg, das tags zuvor von Gabel nach Grottau aufgebrochen war157. Am nächsten Tag waren die Einheiten offenbar eingetroffen, sodass die Fußtruppen der österreichischen Hauptarmee komplett gewesen sein dürften. Unter ihnen befanden sich auch einige Angehörige des neu errichteten Jägerkorps. Dessen Stärke blieb aber deutlich hinter der angestrebten Größe zurück, denn der effektive Stand betrug am 22. Juli statt der avisierten 1.000 gerade einmal 71 Mann158. Dienstbar oder einsatzfähig waren nur 64 Soldaten, wovon 8 Mann dem Korps von Oberst Laudon zugeteilt waren, sodass dem Kommandeur bei Zittau, Obristwachtmeister de Richardt, lediglich 56 Mann verblieben159. Die Zusammensetzung der Artillerie, die nun eine wichtige Rolle spielen sollte, ist schwieriger zu ermitteln. Wenn alle schweren Geschütze der Hauptarmee eingetroffen waren, dann verfügten die Österreicher im Bereich der schweren Artillerie u. a. über 26 12-Pünder und 2 Mörser. Ob sie die 12 24-Pfünder sowie die 3 60- und die 3 30-pfündigen Mörser erhalten hatten, die Oberst Lichtenstein am 1. Juli aus Wien in Richtung Prag abgeschickt hatte, ist unklar160. Wahrscheinlich war dies nicht der Fall, denn sie begannen den Angriff auf Zittau nun, indem sie einige ihrer 7-Pfund-Haubitzen gegen den Frauenkirchhof einsetzten. Dennoch nahm an diesem 23. Juli nun einer der denkwürdigsten Tage in der Geschichte des Siebenjährigen Kriegs seinen Lauf, welcher mit der fast vollständigen Zerstörung Zittaus endete. Die Österreicher hatten gegen 10 Uhr ihre Geschütze in Stellung gebracht und begannen eine halbe Stunde später mit der Beschießung der Stadt, wobei sie zunächst nur wenig Schaden anrichteten. Während der weiteren Kanonade, die dann bis 16.30 Uhr dauerte, gingen nun aber bis zu 5.000 Kugeln auf die Stadt nieder161, die die Zerstörung von 547 Häusern, darunter 104 Brauhöfe und nahezu alle öffentliche Gebäude, bewirkten. Lediglich das Salzhaus, die Klöster und die Ratsbibliothek sowie weitere 138 Häuser blieben innerhalb der Stadtmauern stehen. Da die Österreicher die Stadt weitestgehend von der Wasserversorgung abgeschnitten hatten und die vorhandenen Spritzen ausfielen, hatte dies zur Folge, dass im Rahmen des Brandes auch 90 Personen in den Kellern der Häuser erstickten und insgesamt mindestens 200 Ziviltote zu
157 Siehe OestKA, AFA, Nr. 604: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 VII (1–450), Faszikel 126 und 133. 158 Obgleich dies eine verschwindend geringe Menge im Vergleich zu den ursprünglich angestrebten 2.000 Mann war, ist es durchaus möglich, dass man in Böhmen doch noch mehr Jäger aufbringen konnte. Dennoch zeigt sich auch hieran, welche enormen Mobilisierungsprobleme die Habsburger bei speziellem Personal wie den Jägern hatten. 159 Siehe OestKA, AFA, Nr. 604: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 VII (1–450), Faszikel 145 / ad 145. 160 Siehe ebd., Faszikel 326. 161 Bei rund 44 eingesetzten Geschützen, nämlich den 26 12-Pündern, 16 7-Pfund Haubitzen und mindestens 2 Mörsern, wäre bei einem 7 ½-Stundenbeschuss im Durchschnitt pro Waffe immerhin alle 5 bis 4 Minuten 1 Geschoss verfeuert worden, was eine erstaunlich hohe Kadenz dargestellt hätte.
IV.5. Der langsame Rückzug aus Böhmen375
beklagen waren162. Ob der Brand vom Magazin ausging, das sich ebenfalls unter den zerstörten öffentlichen Gebäuden befand, weil es die Preußen laut den Österreichern selbst ansteckten163, oder er doch durch die Beschießung der Stadt entstand bzw. am Ende gar beide Faktoren zusammenwirkten, ist unklar. Unklarheit bestand auch über das Ausmaß an Versorgungs- bzw. Verpflegungsgütern, die die Preußen in diesem Rahmen einbüßten. Sie selbst gaben an, eine Mehlmenge für 4.000 Mann über einen Zeitraum von 3 Wochen verloren zu haben164. Dies hätte ca. 84 Tonnen entsprochen. Offenbar fand die österreichische Armee aber sehr viel mehr Mehlfässer, jedes zu 3 Dresdener Scheffeln bzw. 250 Kilogramm, auch wenn die Angaben zur genauen Anzahl schwankten165. Die zuverlässigste Spezifikation stammte wahrscheinlich von der Auszählung 2 Tage nach der Einnahme der Stadt, die auch die Verteilung auf die einzelnen Gebäude darstellt und belegt, dass der Masse der Fässer vor allem bei den größeren geistlichen Einrichtungen wie z. B. der Kreuzkirche, dem Pfarr- oder dem Klostergarten verstaut worden war. „Bey der dato beschehenen Auszehlung derer Preußischen Mehlfäßer ist benach er hiesigen Unter-Schlößlern Anzeige befunden worden Bey dem böhmischen Thore 253 Fäßer Im großen Marschstall 657 − 359 − Im alten Marschstalle Bey der Creuzkriche u. Feuerthore 397 − Im Pfarrgarthen 1360 − 1122 − Im Kloster-Garthen u. Kirchhofe 253 − Bey der Schule In der Schule in 2 Zimmern 220 − 198 − Im Spritzenhauße am Marschstall Bautzener Thor 8 − Im Mittelschweidernischen Backhause 2 − 4809 Fäßer Sigl. Zittau d. 25 July 1757 D. Christian Siegfried Nesen Cons“166.
Obwohl sich die Menge der Fässer vielleicht noch leicht erhöhte, weil man in den kommenden Wochen noch weitere fand, ändert dies nicht viel daran, dass die 4.800 bis 4.900 Fässer wohl 17.793 Zentner oder 1.085 Tonnen Mehl beinhalteten167, was mindes162 Siehe zum gesamten Absatz bis hierhin GStAPK, I. HA, Rep. 63, Nr. 1090: Schriftstück aus Dresden vom 5 Aug. 1757 und SächsHStA-DD, 10024, Loc. 9336 / 1: Journal des Preußischen Krieges 1756–1757, Blatt 360 Rückseite, Blatt 361 Vorder- und Rückseite. 163 Siehe zu dieser Version OestKA, AFA, Nr. 605: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 VII (451–Ende), Faszikel 698c. 164 Siehe Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 3: 1757, Teil 2, Seite 90. 165 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Rep. 63, Nr. 1090: Schriftstück aus Dresden vom 5 Aug. 1757 (4.845 Fässer) und OestKA, AFA, Nr. 605: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 VII (451– Ende), Faszikel 698a (4.885 Fässer). 166 OestKA, AFA, Nr. 618: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee XIII (23–218), Faszikel 213. 167 Zum Originalwert der Zentner siehe OestHHStA, Kriegsakten, Nr. 346: Consignation Uber die vornjähriger 1757 Campagne bey nachstehende Proviant Magazinen und Postierungs-Stationen
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IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
tens einem 4 ½-wöchigen Vorrat für eine Truppe von fast 40.000 und nicht nur für 4.000 Mann entsprach. Wahrscheinlich hätten die Österreicher sogar noch mehr erbeutet. Wie Oberkommissar Hauer berichtete, war es am 24. Juli aber nicht gelungen, die Brände zu löschen, weil das Wasser im brennenden Mehl das Feuer nur noch mehr anfachte168. Neben dem Mehl fanden die Österreicher auch 1,5 Millionen Flintenpatronen sowie 6.000 Kartuschen für 3-, 6- und 12-Pfünder in der Stadt169. Den Großteil der Besatzungsmannschaften konnten die Preußen jedoch retten, denn von den 6 Bataillonen der Garnison entkamen alle bis auf 240 Preußen, die beim Ausmarsch durch das Webertor von einstürzenden Häuserteilen verschüttet wurden, und dem sächsischen Grenadierbataillon von Bähr, das bis auf 100 Mann zu den Österreichern überlief170. Am 24. Juli begann der Rückzug nach Löbau, weil es der Armee schon wieder an Brot mangelte. Die Brotknappheit war wohl nicht nur auf den Verlust der enormen Mehlmengen in Zittau zurückzuführen, sondern auch darauf, dass die Preußen im Rahmen ihres so schwierigen und umkämpften Rückmarsches wie schon bei Gabel einige ihrer mobilen eisernen Backöfen verloren hatten. So berichtete der österreichische General Beck, dass man von den Backöfen, die die Preußen bei Görgenthal zurückgelassen hatten171, 43 große und 20 kleine Eisenbügel auf den Wagen fand, die bis zu diesem Zeitpunkt aber noch immer dort lagerten, weil man keinen Vorspann zum Abtransport auftreiben konnte172. Aufgrund des Verlustes an Backkapazitäten befahl General von Winterfeldt, nun alle verbliebenen Proviantwagen und einen Großteil der Bagagewagen für den Brottransport einzusetzen173. Die Armee umfasste immer noch 46 Bataillone, wobei sich 10 auf die Vorhut, 12 auf die Nachhut und weitere 19 auf das Zentrum sowie 5 auf die Deckungsabteilung für die verbliebenen Wagen verteilten174, mit dabei waren auch das sächsische Grenadierbataillon von Bähr sowie das 1. Bataillon des Pionierregiments von Seers, die davor zur Garnison von Zittau gehört hatten. Die Armee sollte an diesem Tag durch die Schlucht von Königswalde über die Oderwitzer Berge, Niederruppersdorf und Strawalde bis in die Gegend bei Bernstadt auf dem Eigen gelangen, wo man glaubte eine günstige Stellung innezuhaben und sich gut mit Brot, Wein und Bier versorgen zu können, da vermög der Schluß-Extracten und bereits angelangten Rechnungen dem Feind zurückgelassenen von dessen hin wiederum überkommenden Naturalien und Materialien. 168 Siehe OestKA, AFA, Nr. 670: CA Kampagne gegen Preußen 1758 (VIII–XIII), Faszikel XIII, 12. 169 Siehe OestKA, AFA, Nr. 605: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 VII (451–Ende), Faszikel 698b. 170 Siehe Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 3: 1757, Teil 2, Seite 90 und Heilmann, Johann von, Beitrag zur Geschichte des Feldzuges von 1757, Seite 15 f. 171 Siehe OestKA, AFA, Nr. 605: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 VII (451–Ende), Faszikel 663. 172 Siehe ebd., Faszikel 695. 173 Siehe GStAPK, VI. HA, Nachlass Hans Carl von Winterfeldt, Nr. 5: Militärberichte 1757, Blatt 196 Vorderseite. 174 Siehe ebd., Blatt 196 Vorder- und Rückseite.
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man nur 1 Meile von Löbau entfernt lag175. Günstig war für die schnelle Rückzugsoperation auch, dass sich die Truppen bei ihrem Marsch in Richtung Löbau nun überwiegend auf einem unmittelbar vor Kriegsbeginn sanierten Straßenstück bewegten176. Währenddessen hatte Prinz August Wilhelm den Brief des Königs vom 19. Juli erhalten, in dem er sich wutentbrannt über den Fall Gabels sowie den drohenden Verlust von Zittau ausließ und seinen Bruder mit Schmähtiraden überzog: „[V]ous abandonnez lâchement Gabel, qui vous donnait la connexion avec Zittau & votre magasin. Vous ne serez jamais un pitoiable Général. Commandes un serrail de filles, la bonne heure, mais tan que je vivrai, je ne vous confierai pas le commandement de dix hommes. […] Ce que je vous dis est dur, mais vrai. Vous m’y forces. Vous me mettez sur le point de perdre le reputation de l’armée, le mienne et l’état […]“177.
Am Abend des 25. Juli trafen die Truppen in Löbau ein. Von dort meldete der Prinz dem König nun offiziell den Verlust von Zittau178. Die Brotlieferung, die Schmettau eigentlich viel früher bestellt hatte, traf erst am nächsten Morgen mit 6 bis 7 Tagen Verspätung ein. Der österreichische General Beck, der die Preußen bis Strawalde südlich von Löbau verfolgte, hatte durch einen Kundschafter erfahren, dass bei den Regimentern der gegnerischen Armee am Morgen zwar schon Ochsen geschlachtet wurden, aber kaum Brot vorhanden war. Deswegen glaubte er, die Truppen würden sich noch an diesem Tag Bautzen nähern, wohin angeblich schon einige Regimenter ihre Bagage und Kranken vorausgeschickt hatten. Zum Ende des Tages hatten sie ihr Brot aber erhalten, das ihnen laut Beck durch 300 Proviantwagen, gedeckt mit 1 Bataillon Infanterie und 2 Eskadrons Husaren, zugeführt wurde179. Laut General von Winterfeldt reichte das Brot aber nur für 2 Tage, was bedeutet, dass rund 80.000 Portionen angekommen sein dürften. Für weitere 4 Tage, also etwa bis zum 2. August, war in Bautzen entweder noch Mehl vorhanden oder wie vom König angekündigt zu erwarten180.
175 Siehe
ebd., Blatt 197 Vorderseite. SächsHStA-DD, 10036 Finanzarchiv, Loc. 34796, Rep. 41, Nr. 0016a: Die Ausbesserung der Land- und Poststraßen in der Oberlausitz 1740–1756, Blatt 206 Vorderseite. 177 GStAPK, BPH, Rep. 47 König Friedrich II., Nr. 666: Correspondenz des Königs Friedrich II. mit seinem Bruder August Wilhelm vom 1.–25. Juli 1757, Brief Nr. 30. 178 Siehe ebd., Brief Nr. 31. 179 Zu den Ausführungen General Becks siehe OestKA, AFA, Nr. 605: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 VII (451–Ende), Faszikel 739, 740 und 742. 180 Zu den Ausführungen Winterfeldts siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 91 L: Hans Carl von Winterfeldt Immediatskorrespondenz, Blatt 110 Vorderseite. Geringere Mengen sowohl an zugeführtem Brot als auch an vorrätigem Mehl deutet das Generalstabswerk an. Vgl. Großer Generalstab, Die Kriege Friedrichs des Großen. Dritter Theil, Bd. 3: Kolin, Seite 223. Dagegen spricht der Tendenz nach der Umstand, dass Anfang Mai nach dem Ausmarsch des Bevern’schen Korps im Bautzener Magazin noch 228 Wispel bzw. Tonnen Mehl vorhanden waren, was bei der Armeegröße von ca. 40.000 Mann sogar für 7 Tage gereicht hätte. Zum Bautzener Magazinbestand siehe GStAPK, VI. HA., Nachlass Hans Carl von Winterfeldt, Nr. 5: Militärberichte 1757, Blatt 167 Vorderseite. 176 Siehe
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IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
Deshalb brach die Armee nun auch dorthin auf. Winterfeldts Vorhut, bestehend aus 12 Musketier- und 2 Grenadierbataillonen sowie 10 Eskadrons Kavallerie, rückte von Klein-Dehsa als Erstes am 27. Juli nach Hochkirch, wo sie zunächst noch den Raum nach Süden sicherte. Der Rest der Armee, deren Stärke auch die Österreicher zu diesem Zeitpunkt auf 36.000 bis 40.000 Mann schätzten181, begann dann noch am selben Tag nach Bautzen zu folgen. Dabei kam es zwar gelegentlich zu kleineren Scharmützeln mit den preußischen Freikompanien, abgesehen davon verlief der Rückmarsch aber ohne Schwierigkeiten, was vermutlich auch hier damit zusammenhing, dass das Dorf GroßDehsa 30 Mann zur Ausbesserung der Straße entsandte182. IV.5.5. Der Abbruch der Verfolgung durch die Österreicher vor Ort und die Versorgungslage beider Seiten im Operationsraum Die leichten Einheiten der Österreicher setzten vor allem zwischen dem 27. und 31. Juli ihre Streifzüge im Bereich Königshayn, Weißenberg, Wasserkretschen und Görlitz fort. Sie beobachteten die Preußen entweder oder lieferten sich mit ihnen, wie mit der Nachhut der Armee des Prinzen, kleinere Gefechte. Daneben rückten nun auch die anderen leichten Einheiten, darunter General Haddik, dessen Verband schon 4.671 Mann und 1.507 Pferde zählte183, in die Oberlausitz ein, sodass er am Mittag des 28. Juli in Oberpostwitz gegenüber Bautzen Quartier bezog184. General Nadasdy, der Oberbefehlshaber der leichten Truppen, begab sich am selben Tag von Tetschen nach Böhmisch Kamnitz und vermerkte bei dieser Gelegenheit, dass der Weg von dort in Richtung Pirna völlig unbrauchbar für Regimentszeltwagen und Geschütze war, sodass der einzig brauchbare Weg nach Sachsen über Kreibitz, Schönlinde und Bad Schandau führte185. Feldmarschall Keiths Sorgen bezüglich eines schnellen Vordringens der Österreicher gegen Dresden, die ihn Mitte Juli geplagt und wohl die Entsendung von Winterfeldts Korps Richtung Tetschen forciert hatten, scheinen also unbegründet gewesen sein. Schwierige Wegverhältnisse plagten auf österreichischer Seite aber nicht nur die leichten Truppen, sondern auch die Hauptarmee, die am 28. Juli bei Zittau erst über 53.158 Mann Infanterie und 11.551 Kavalleristen verfügte186, zumal ohnehin nur 72.977 Mann 181 Siehe OestKA, AFA, Nr. 605: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 VII (451–Ende), Faszikel 698b und OestKA, AFA, Nr. 634: Siebenjähriger Krieg CA Kampagne gegen Preußen 1757, Faszikel 7 / 12. 182 Siehe Domstiftsarchiv Bautzen, A. I., Nr. 3416a: Das Kriegsjahr 1756 / 1757, Dorf Groß dähsa. 183 Siehe OestKA, AFA, Nr. 604: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 VII (1–450), Faszikel 135. 184 Siehe OestKA, AFA, Nr. 605: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 VII (451–Ende), Faszikel 779. 185 Siehe ebd., Faszikel 776. 186 Siehe OestKA, AFA, Nr. 604: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 VII (1–450), Faszikel 171 und 172.
IV.5. Der langsame Rückzug aus Böhmen379
und 15.525 Pferde einsatzfähig waren, sprich zum dienstbaren Stand zählten187. Nun sah sie sich vor allem mit Versorgungsproblemen in einer von den Preußen schon stark beanspruchten Region konfrontiert und litt darüber hinaus unter sehr langen Nachschubwegen. Dies war besonders für die Verpflegung der Kavallerie ungünstig, führte weitestgehend zum Stillstand der Operationen und machte jede großangelegte Verfolgung der geschwächten preußischen Armee unter Prinz August Wilhelm unmöglich. Feldmarschall Daun beklagte am 30. Juli: „[…] les pais icy outre la monesse volonté ne peut pas fournir que le moindre, et la transport de le Boheme est eloigné parce que la comsomption de cette armée est enorme. La cavallerie manque deja actuellement du foin et avoinne deux jours […] qu’on fourages il n’y a plus de ressource, et voilà que tous les mouvemens ce trouve arretté […]“188.
Auch der böhmische Repräsentationspräsident Nettolitzky gelangte zu einem ähnlichen Urteil. „[…] Mit der Provision der Armée geeht es dermahlen nicht gar ordentlich, massen die selbe schon durch 2 Tage ohne Haaber geblieben, und das Heu, so noch grossen theils aus Böhmen beygeschaffet wird, schwer beyzubringen ist, nachdeme die Laußistzer zu allem mit Execution gezwungen werde müssen, und aus dem Jauersichen Fürstenthumb eben noch nicht das mündeste eingeliefert worden, weilen die Commandi zur Execution nicht zeitlich genug bekommen habe, und sie noch zugesamt nicht beysammen seynd […]“189.
Wie von Daun und Nettolitzky angesprochen, begann das Problem der Verpflegungsbeschaffung nicht erst in der Zittauer Gegend, sondern zog sich bis tief in den rückwärtigen Raum, d. h. bis nach Mittel- und Südböhmen, Mähren sowie Nieder- und Oberösterreich hinein. So hatte der Bechiner Kreis Tabor’schen Anteils für den Transport der Vorräte von Deutschbrod und Stecken nach Kolin und Jungbunzlau zwischen 193 und 213 vierspännige Wagen sowie 555 bis 612 zweispännige Wagen im Zeitraum vom 7. bis 16. Juli gestellt. Folglich standen im Durchschnitt 203 vierspännige und 584 zweispännige Wagen zur Verfügung, was einer Transportkapazität knapp 500 Tonnen pro Tag entsprach. Offensichtlich wurden diese Fuhren dann aber wieder bis auf 88 zweispännige Wagen nach Hause entlassen, wofür dann jedoch täglich 865 neue zweispännige Wagen zu stellen waren. Hiervon trafen am 20. Juli nur 360 ein. Ihre Anzahl steigerte sich bis zum 25. Juli kontinuierlich, aber kam dennoch nicht über die Höchstmengen von 832 Wagen hinaus. Seit 27. Juli mussten zahlreiche Wagen zur Fouragebeschaffung oder Auswechslung der Zugtiere wieder nach Hause entlassen werden, sodass an diesem Tag nur 394 Wagen, 2 Tage später 477 und am 1. August nur noch 392 vierspännige Wagen verblieben. Dennoch wurden seit dem 20. Juli insgesamt 4.624 zweispännige Wagen 187 Siehe ebd., Faszikel 204. Noch gravierender als bei den undienstbaren 8.513 Mann und 1.814 Pferden vor Ort stellte sich die Lage bei den Kommandierten dar, denn unter den 24.005 Mann befanden sich allein 15.995 Kranke und dabei Kommandierte in Böhmen. 188 OestKA, AFA, Nr. 634: Siebenjähriger Krieg CA Kampagne gegen Preußen 1757, Faszikel 7 / 13. 189 OestKA, Zentralst., Generalkriegskommissariat, Akten, Nr. 53: Militärdirectoralia 1757 VI– IX / 100, Faszikel VII / 195: Schreiben Baron von Nettolitzkys aus dem Hauptquartier Klein-Schönau am 31. Juli 1757.
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IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
aufgebracht, die mit den anderen 584 zweispännigen und 203 vierspännigen Wagen, die sich seit 5. Juli im Einsatz befanden, eine Transportkapazität von ca. 2.800 Tonnen aufboten. Bis zum 5. August wurden von diesen Wagen insgesamt 10.138 Säcke Hafer und 1.345 Mehlfässer befördert, was in etwa 638 Tonnen Hafer und 336 Tonnen Mehl entsprach und nur 1 Drittel der theoretischen Beförderungskapazität darstellte. Dies dürfte damit zusammengehangen haben, dass die Wagen Futter und möglicherweise auch Wasser für die 70 bis 130 km auf dem Hin- und Rückweg mitführen mussten, zumal ein Großteil der zweispännigen Fuhrwerke mit Ochsen bespannt gewesen sein muss. Insofern ist es wahrscheinlich, dass die Ausfälle zum Ende des Monats auf eine Überanstrengung der zweispännigen Wagen zurückzuführen sind, von denen es im Taborer Kreis immerhin 4.611 Stück gab. Eingetroffen waren bis zum 25. Juli laut Auflistung insgesamt nur 3.873 Stück, der größte Teil der übrigen 738 Wagen im Kreis, nämlich 661 Stück, dürfte auf der Route zwischen Neuhaus und Prag eingesetzt gewesen sein. Dies würde erklären, warum die Wagen seit dem 27. Juli zur Hälfte ausfielen und wieder nach Hause geschickt wurden, denn mit hoher Wahrscheinlichkeit hatte man diese Gespanne innerhalb von 3 bis 4 Wochen zum zweiten Mal zu Magazintransporten herangezogen, die sie aber nicht mehr zu leisten vermochten190. Die völlige Ausreizung der Transportkapazitäten im Taborer Kreis war vor allem auch deshalb problematisch, weil man zu diesem Zeitpunkt plante, noch 800.000 Metzen Hartfutter, sprich 38.000 Tonnen, die man in Ungarn bestellt hatte, über 2 Routen nach Böhmen zu schaffen. Dabei sollten auf dem Landweg über Iglau nach Kolin 450.000 Metzen transportiert werden, während die anderen 350.000 Metzen auf dem Wasserweg, d. h. über die Donau, zunächst nach Linz oder Matthausen und von dort nach Budweis sowie dann nach Prag zu liefern waren191. Wie sich aber noch zeigen sollte, war auch hierfür eine immense Menge an Wagen erforderlich, zumal auch die zweite Route nicht gänzlich auf den Landtransport verzichten konnte, weil das Korn aus dem Linz-Matthausener Raum zunächst nach Budweis transportiert werden musste, wo man dann theoretisch über die Möglichkeit verfügte, es mit Prahmen und Flößen auf der Moldau nach Prag zu verschiffen. Laut Kommissar von Grechtler konnte man aber auf der Moldau im Sommer gerade einmal 100.000 Metzen192, sprich 3.160 Tonnen, transportieren und abgesehen davon fürchtete er, dass ohnehin viel Korn in Böhmen verderben würde, weil dort zu wenige Schüttkästen vorhanden waren193. Nicht zuletzt deshalb dachte man für
190 Zum gesamten Absatz siehe OestKA, Zentralst., Generalkriegskommissariat, Akten Nr. 53: Militärdirectoralia 1757 VI–IX / 100, Faszikel VIII / 64 sowie zur Gesamtanzahl der Wagenmenge im Taborer Kreis vgl. III. Teil 1.: Die logistisch relevanten Ressourcen in Schlesien, Sachsen, Böhmen und Mähren. 191 Siehe OestKA, Zentralst., Generalkriegskommissariat, Akten, Nr. 53: Militärdirectoralia 1757 VI–IX / 100, Faszikel VII / 199, von Nettolitzky vom 28. Juli 1757. 192 Tatsächlich konnte man seit dem 24. Juni auf der Moldau mit den Prahmen nicht mehr als 62.300 Strich Hafer transportieren, was umrechnet 2.464 Tonnen entsprach. Vgl. III. Teil 1.: Die logistisch relevanten Ressourcen in Schlesien, Sachsen, Böhmen und Mähren. 193 Siehe OestKA, Zentralst., Generalkriegskommissariat, Akten, Nr. 53 Militärdirectoralia 1757 VI–IX / 100, Faszikel VIII / 52.
IV.5. Der langsame Rückzug aus Böhmen381
den Nachschub des Hartfutters über eine umfassende Transportorganisation zu Lande nach.Wie sich die logistische Situation zu diesem Zeitpunkt in Böhmen darstellte, zeigt die nächste Karte.
Abbildung 37: Logistisch-operative Gesamtlage in Böhmen im Juli 1757194
Ziel war es, pro Tag 4.900 und pro Monat 138.000 Metzen, d. h. 155 bzw. 4.360 Tonnen Hartfutter zu befördern. Hierfür sollten die Vorräte in einem Relais- bzw. Stationssystem mit jeweils 300 zweispännigen Wagen pro Tag von Budweis bis Tabor, von dort nach Beneschau und dann wiederum nach Prag weitergeführt werden. Für die ersten beiden Strecken hatten der Budweiser und Taborer Kreis jeweils 200 Wagen zu stellen, während die übrigen 100 jeweils vom Prachiner Kreis ergänzt wurden. Da die Kapazitäten im Taborer Kreis anscheinend so überlastet waren, verblieben wahrscheinlich nur noch die Kapazitäten des Budweiser und Prachiner Kreises, die zusammen aber immerhin 9.717 Wagen aufboten, sodass sie bei gleichmäßiger Verteilung in der Lage gewesen wären, den Transport für 32 Tage mit frischen Fuhren zu gewährleisten. Wesentlich 194 Karte adaptiert nach http: / / commons.wikimedia.org / wiki / File:Josephinische_Landaufnah me_Boemia.jpg (letzter Zugriff am 09.05.2017).
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problematischer war die Lage für die Strecke von Beneschau bis Prag, wo der Berauner und Kaurzimer Kreis täglich 150 zweispännige Wagen zu stellen hatten. Da die beiden letztgenannten Kreise zusammen über 5.551 zweispännige Fuhrwerke verfügten, konnte man lediglich für 18 Tage frische Gespanne liefern, bevor die gebrauchten Wagen und Zugtiere erneut verwendet werden mussten. Folglich dürfte es an dieser Stelle auf Dauer zu massiven Problemen gekommen sein, wie sie sich schon im Zusammenhang mit den Transporten von Stecken und Deutschbrod Richtung Jungbunzlau andeuteten. Es zeigte sich generell sehr deutlich, wie groß die Probleme der Österreicher bei der Mobilisierung ihrer Ressourcen im strategischen Hinterland waren und wie schnell man sich im Transportsektor den Grenzen des absolut Machbaren näherte. Dabei war Baron Nettolitzky der Ansicht, dass die Situation im Sommer sogar noch halbwegs erträglich war, da man im Herbst zusätzlich mit schlechten Wegen zu rechnen hatte. Die folgende Karte stellt die logistischen Probleme noch einmal vor dem Hintergrund der topographischen Bedingungen im gesamten Operationsraum dar195.
Abbildung 38: Logistische Situation im Operationsraum Ende Juli 1757196 195 Siehe zum gesamten Absatz OestKA, Zentralst., Generalkriegskommissariat, Akten, Nr. 53 Militärdirectoralia 1757 VI–IX / 100, Faszikel VIII / 64 und zu Nettolitzkys Ansicht bezüglich der Wege ebd., Faszikel VII / 195: Schreiben Baron von Nettolitzkys aus dem Hauptquartier KleinSchönau am 31. Juli 1757. Zur Wagenanzahl in dem genannten Kreis vgl. III. Teil 1.: Die logistisch relevanten Ressourcen in Schlesien, Sachsen, Böhmen und Mähren. 196 Karte adaptiert nach Duffy, Christopher, Friedrich der Große. Ein Soldatenleben, quasi Seite 512 f.
IV.5. Der langsame Rückzug aus Böhmen383
Es sollte deutlich werden, dass die Österreicher zur Bewältigung der großen Entfernungen beim Transport der Nahrungsmittel in das Operationsgebiet nach Mittelböhmenfast ausschließlich auf die Wege über Land angewiesen waren und hierbei auch noch Mittelgebirgsregionen zu durchqueren hatten. Selbst die Moldau, die als einzige Alternative in Frage kam, konnte nur begrenzt genutzt werden. Die Versorgungswege zur Hauptarmee und ihrer Vorhut waren nicht nur lang, sondern führten nun ebenfalls über Teile der Gebirgsbarriere. Außerdem konzentrierte sich die österreichische Hauptarmee sehr stark, während sich die Preußen zumindest auf 2 Hauptverbände verteilten. Hinzu kam, dass sie ihre Lebensmittel mit Schiffen ins Operationsgebiet brachten und zum Teil die Truppen damit an vorderster Front versorgten. Obwohl sie nicht völlig auf Transporte über Land verzichten konnten, profitierten sie auch hier, weil sich die Versorgungswege zu den Magazinen im Rahmen des Rückzuges verkürzten und wie im Fall der Armee des Prinzen zumindest nicht mehr durch das Grenzgebirge verliefen. IV.5.6. Die Ereignisse bei der Armee des Königs und in ihrem operativen Hinterland bis Dresden Die massiven Nachschubprobleme auf der österreichischen Gegenseite, unter denen eben nicht nur die Hauptarmee, sondern auch Nadasdys Observationskorps litt, verschafften König Friedrich nun die Zeit, um bis zum 29. Juli mit einem Korps bis nach Bautzen zu gelangen und in den darauffolgenden Tagen auch die leichten Truppen der Österreicher in der östlichen Oberlausitz zurückzudrängen. Bis Mitte / Ende Juli hielt sich die Armee des Königs noch überwiegend in der Gegend von Leitmeritz auf. Die Truppen verteilten sich hauptsächlich entlang der Elbe und rückwärtig in das sächsische Grenzgebirge. Zur Verstärkung der Sicherungseinheiten links der Elbe war am 15. Juni nun auch das 1. Bataillon des Infanterieregiments von Rohr Richtung Cotta abgerückt und dann bis zum 10. Juli in Berggießhübel verblieben, was dazu führte, dass die Garnison Dresdens sich zwischenzeitlich auf 3 Bataillone verringerte. Dieser Umstand war äußerst ungünstig, denn einige der rund 1.700 österreichischen Kriegsgefangenen hatten offenbar schon Fluchtversuche unternommen, sodass die Wachen verstärkt werden mussten. Als Ersatz für das 1. Bataillon des Rohr’schen Regiments rückte vom 18. Juni bis 11. Juli Oberst Grollmann mit 4 Kompanien seines Bataillons in Dresden ein, was aber zur Folge hatte, dass dem bisherigen Standort Torgau, dem wahrscheinlich wichtigsten Magazinplatz neben Dresden und Sitz des Feldkriegsdirektoriums, höchstens noch 150–200 Mann als Besatzung verblieben197. Während die Stärke der Garnison in Dresden nun recht gering war, nahm im Juni die Anzahl der preußischen Verwundeten und Kranken stark zu. Obwohl die Anzahl bis zum 6. Juni nur ca. 2.700 Mann betrug, zählte man um den 20. Juni schon 5.000 Gemeine 197 Zum gesamten Absatz siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 85 V1: Generalmajor Bornstedt, August Gottlieb 1757–59, Schreiben aus Dresden vom 15. und 18. Juni sowie vom 3. Juli, 12. und 15. Juli sowie SächsHStA-DD, 10024, Loc. 9336 / 1: Journal des Preußischen Krieges 1756–1757, Blatt 330 Vorderseite, 334 Rückseite, 337 Vorderseite und 348 Vorderseite.
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IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
bzw. einfache Mannschaftssoldaten in der Stadt, weshalb weitere Lazarette im Opernund Ballhaus sowie im Japanischen und Türkischen Palais vom Kommandanten angelegt worden waren. Die großen Mengen an eintreffenden Verwundeten und die Tatsache, dass an den Wällen und Brücken von Dresden Geschütze aufgefahren wurden, ließen auch die Dresdner Bevölkerung vermuten, dass sich inzwischen die Lage in Böhmen zu Ungunsten der Preußen verschlechtert hatte. Da am 22. Juni noch einmal 1.000 Verwundete per Schiff in Dresden ankamen, veranschlagte Generalmajor von Bornstedt ihre Menge ohne die Offiziere bereits am 30. Juni auf 7.000 Mann. Obwohl man stark zusammenrückte, sodass die meisten Häuser mit 13 statt mit 6 oder mit 30 statt mit 12 Mann belegt waren, trat die hemmungslose Überfüllung in der Stadt und den Vorstädten nun offen zu Tage. Daher beauftragte Bornstedt den Chirurg Cothenius, noch für 500 Mann ein weiteres Lazarett in Pirna anzulegen. Ratsam war dies allemal, denn schon am 3. Juli kamen 2.000 weitere Verwundete per Schiff an, worunter sich wohl auch Angehörige des 1. Gardebataillons befanden, die zumindest noch in einem großen Saal untergebracht werden konnten. Da in 9 Tagen noch 3.000 weitere Verwundete erwartet wurden, wies Cothenius darauf hin, dass unter einigen Bürgern der Stadt schon seit dem Winter eine Art Fleckfieber kursierte, das nun die Truppen zu infizieren drohte, wenn sie in die Bürgerhäuser einquartiert wurden, da keine öffentlichen Gebäude mehr zur Verfügung standen. Neben dem Platz benötigte man für die Versorgung der vielen Verwundeten und der Kranken auch eine Unmenge an Gerätschaften, Krankenwärtern und Holz, die den Rat der Stadt enorme Summe kosteten. Verständlich wird dies, wenn man sich vergegenwärtigt, dass sich zwischen dem 3. und 15. Juli 9–12.000 Verwundete, bis zu 1.700 österreichische Kriegsgefangene und mindestens 2.000 Soldaten der Besatzungstruppen in Dresden aufhielten, denn zusammen entsprachen sie nicht weniger als einem Viertel der Stadtbevölkerung. Wahrscheinlich war es diese Kombination, d. h. die kleine Garnison, die hohe Anzahl an Verwundeten und ein großes Magazin, die Feldmarschall Keith in Leitmeritz in dieser Zeit besonders um die Stadt und ihre logistischen Unterstützungsfunktionen fürchten ließ198. Um die nun dringend erforderliche Entlastung bei der Einquartierungssituation herbeizuführen, plante Generalmajor von Bornstedt schon seit dem 12. Juli 1.600–2.000 Verwundete nach Torgau zu schicken. Daher wurden von den 1.600 Mann, die am 15. Juli wohl größtenteils per Wagen in Dresden eintrafen, auch 900 Mann per Schiff weiter nach Torgau gebracht. Ähnlich musste man mit weiteren 1.300 Verwundeten verfahren, die am 17. Juli ankamen und von denen dann 1.100, vor allem Leichtverwundete, nach Torgau transportiert wurden. Zusätzlich sollten wohl in nächster Zeit dann auch diejenigen Verwundeten abtransportiert werden, bei denen keine Aussicht auf Genesung in einem Zeitraum von 2 Wochen bestand. Somit trafen am 16. Juli 1.200 Mann in Torgau ein, denen dann am 21. Juli weitere 1.200 Mann folgten, die aber so schwer verletzt 198 Zum gesamten Absatz bis hierher siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 85 V1: Generalmajor Bornstedt, August Gottlieb 1757–59, Schreiben aus Dresden vom 30. Juni sowie 3. und 12. Juli und SächsHStA-DD, 10024, Loc. 9336 / 1: Journal des Preußischen Krieges 1756–1757, Blatt 334 Vorder- und Rückseite, Blatt 347 Rückseite.
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waren, dass sie auf Sesseln ins Lazarett getragen werden mussten, wo man für die Verwundeten schon 2.260 Strohsäcke hatte stopfen lassen. Der Lazarettbestand in Dresden dürfte damit wieder auf eine etwas erträglichere Größenordnung unter 10.000 Mann gesunken sein199. Zur Entlastung Dresdens trug allerdings auch der Umstand bei, dass schon am 3. Juli nicht weniger als 1.680 Infanteristen sowie 50 Kavalleristen mit 79 Pferden über Berggießhübel als Rekonvaleszierte zur Armee geschickt werden konnten. Am 22. Juli folgten ihnen weitere 1.000 Mann, die aber nicht nach Leitmeritz, sondern über Bautzen zur Armee des Prinzen August Wilhelm marschierten, nachdem sie in Dresden neue Ausrüstung wie Patronentaschen und Gewehre erhalten hatten. Dennoch waren zu diesem Zeitpunkt quasi alle der rund 2.700 Verwundeten, die sich bis Anfang Juni in der Stadt befunden hatten, wiedereingesetzt worden200. Dresden blieb so oder so der wichtigste Dreh- und Angelpunkt für die Logistik der preußischen Armee in Sachsen, weshalb dort auch ein besonders reger Durchgangsverkehr herrschte. Unter anderem eskortierten die Rekonvaleszierten, die zur Armee geschickt wurden, zusammen mit den Garnisonseinheiten die Kriegskasse auf 20 Wagen zur Armee201. Für die preußische Kavallerie bei Leitmeritz war dagegen nur wenig Verstärkung zu verzeichnen. Stattdessen kamen viele unberittene Kavalleristen aus Böhmen, die sich nun in dem Dorf Ubigau einquartierten, wo sie ihren Pferdeersatz aus der Kurmark und dem Herzogtum Magdeburg erwarteten. Dafür marschierten am 12. Juli die Aufstockungskontingente der Infanterieregimenter Meyerink und Goltz (ehemals Schwerin), die Anfang des Jahres noch zum schlesischen Korps gehört hatten202, in Richtung Leitmeritz. Wenn sie den Standardumfang von 300 Mann besaßen, würde dies bedeuten, dass weitere 600 Mann abgeschickt worden waren. In Bautzen befanden sich zu diesem Zeitpunkt noch exakt 676 Verwundete, von denen ebenfalls 243 schon wieder genesen waren203. Hiervon wurden 139 Mann, die für die Regimenter Forcade, Kleist, Darmstadt und Geist bestimmt waren, am 22. Juli samt einer 30-Mann-Husareneskorte ebenfalls zur Armee des Königs entsandt. Mit den erwähnten Rekonvaleszierten von Anfang Juli hatte die Armee des Kö199 Zum gesamten Absatz siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 85 V1: Generalmajor Bornstedt, August Gottlieb 1757–59, Schreiben aus Dresden vom 15., 17. und 22. Juli sowie Bürger, Johann, Vorgänge in und um Torgau während des Siebenjährigen Krieges namentlich die Schlacht bei Süpitz, Seite 31 f. 200 Zum gesamten Absatz siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 85 V1: Generalmajor Bornstedt, August Gottlieb 1757–59, Schreiben vom 3. und 22. Juli 1757. 201 Siehe SächsHStA-DD, 10024, Loc. 9336 / 1: Journal des Preußischen Krieges 1756–1757, Blatt 341 Vorder- und Rückseite. 202 Zur ehemaligen Zugehörigkeit der Regimenter von Meyerinck und Goltz zum schlesischen Korps d’Armee siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 425 Bb: Immediatsberichte des Generaldirectoriums in Sonderheit der Etatsminister v. Katt und v. Wedell in Militärverwaltungssachen 1744– 1762, Blatt 25 Vorderseite. 203 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 89 S1: Oberstlieutenant Victor Wilhelm von Oertzen 1757. Die Verwundeten im Bautzener Lazarett stammten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit alle aus dem Gefecht bei Reichenberg, das im Rahmen des Einmarsches nach Böhmen am 24. April stattgefunden hatte.
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nigs bei Leitmeritz seit der Schlacht bei Kolin wenigstens 2.439 Mann Verstärkung an Infanterie erhalten, sodass ihre Stärke zumindest gesunken sein dürfte, auch wenn im Gegenzug die unberittenen Kavalleristen und jene Kranken, die per Wagen nach Dresden kamen, als Abgang aus diesem Verband dagegenzurechnen sind204. In Leitmeritz blieb die Situation seit dem 28. Juni im Wesentlichen unverändert. Die Österreicher schätzten, dass etwa 30.000 Mann der preußischen Armee zwischen Elbe und Eger standen, während die Straßen der Stadt von vielen Wagen verstopft waren und an der Elbe die schwere Artillerie in die Schiffe verladen wurde205. Neben dem dort befindlichen Magazin waren alle Häuser und Kirchen mit Kranken und Verwundeten belegt, deren Anzahl sich Laudon zufolge zwischenzeitlich auf etwa 5.000 Mann belief206. Auch die Transporte der Preußen blieben ihm nicht verborgen, sodass es einem seiner Kommandos, das sich in die Gebirge geschlichen hatte und von Kulm nach Tetschen patrouillierte, am 1. Juli gelang, 15 leere Kähne, die von Dresden kamen, zu versenken207. Den Rücktransport der vielen Verwundeten auf 50 Schiffen, der am 1. Juli von Leitmeritz aufbrach und von einem Musketierbataillon auf der rechten und einem 200 Mann starken Kommando auf der linken Elbseite gedeckt wurde208, konnte er offenbar nicht verhindern. Dennoch landete Laudon 2 Tage später seinen nächsten Coup, denn es kam zwischen dem Grenadierbataillon Kleist und den 1.200 Kroaten zu einem erbitterten Gefecht bei Welmina, wobei die Verluste mit ca. 200 Mann auf beiden Seiten in etwa gleich hoch ausfielen209. In jedem Fall versetzte er die Preußen in höchste Alarmbereitschaft, sodass diese dem Geldwagen das Infanterieregiment Alt-Braunschweig von Leitmeritz als zusätzliche Eskorte entgegenschickten210. Diese Schutzmaßnahmen verhinderten in nächster Zeit, dass die Österreicher wenige Möglichkeiten fanden, um den Preußen zu Leibe zu rücken. Hinzu kam, dass General Nadasdy, der mit seinen unmittelbar unterstellten Truppen zur Observation von Leitmeritz von der Hauptarmee entsandt worden war, sich nicht wie Laudon links, sondern rechts der Elbe aufhielt, sodass man für mögliche Angriffe auf die preußischen Versorgungsrouten zu Lande erst den Fluss überqueren musste. Außerdem hatte Nadasdy schon am 1. Juli berichtet, dass er unter Verpflegungsproblemen litt, die sich offenbar am 9. des Monats noch nicht gebessert hatten, weil sich der Nachschub aus
204 Zum gesamten Absatz siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 85 V1: Generalmajor Bornstedt, August Gottlieb 1757–59, Schreiben aus Dresden vom 3. und 22. Juli und SächsHStA-DD, 10024, Loc. 9336 / 1: Journal des Preußischen Krieges 1756–1757, Blatt 341 Vorderseite und Blatt 348 Rückseite. 205 Siehe OestKA, AFA, Nr. 616: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 XIII (1–19), Faszikel 2a. Journal aus Kolodieg am 29. Juni 1757. 206 Siehe OestKA, AFA, Nr. 604: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 VII (1–450), Faszikel 331. 207 Siehe ebd. 208 Siehe Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 3: 1757, Teil 2, Seite 47. 209 Siehe ebd., Seite 47 f. 210 Siehe ebd., Seite 49.
IV.5. Der langsame Rückzug aus Böhmen387
Prag kaum bewerkstelligen ließ211. Eine Woche später stellte sich die Situation unwesentlich anders dar. So nahm Prinz Heinrich am 18. Juli einige ungarische Deserteure gefangen, die bei einer Fouragierung übergelaufen waren und berichteten, dass sie seit 14 Tagen nur eine Portion Brot bekommen hätten, sich stattdessen von Erbsen und anderen Hartfürchten ernährten und wegen dieser Lebensmittelknappheit auch desertiert seien212. Aufgrund der anhaltenden Versorgungsengpässe und der Schutzmaßnahmen der Preußen waren die Österreicher größtenteils gezwungen mitanzusehen, wie Erstere ihr Material und Personal u. a. zwischen dem 9. und 11. Juli mit 200 Schiffen Richtung Dresden bzw. Sachsen abführten und dabei die unberittenen Kavalleristen als Eskorte einsetzten213. Laudon schickte am 11. Juli zwar erneut ein Kommando von 30 Husaren in die Gegend zwischen Tetschen und Herrnskrätschen214, um diese Schiffe aufzuhalten oder ihre Fahrt zumindest zu verzögern, der Erfolg hielt sich aber in Grenzen. Wie Oberst Hertzberg vom Regiment Darmstadt aus Aussig berichtete, hatten die Kroaten bei Tetschen zwar 4 leere Schiffe verbrannt, aber dafür konnte er am 19. Juli melden, dass die mit Mehl und den Verwundeten beladenen Schiffe sicher von Aussig nach Tetschen gelangt waren, obwohl der Konvoi unter Hauptmann Pforth mehrere Male von Kroaten an verschiedenen Orten angegriffen worden war215. 2 Tage später beschossen die Kroaten ohne weitere Folgen die Burg Schreckenstein, zogen dann ihre Posten ein und bewegten sich laut Major Eminga, der sich auf der Burg befand, hinter den Bergen in Richtung Tetschen, was Oberst Herzberg in Aussig zu der Vermutung veranlasste, dass die Kroaten nun versuchen würden, mit Flößen über den Fluss zu setzen216. Auch Oberst Arnstedt berichtete am 22. Juli aus Aussig, dass der Dresdner Schiffer Ehrlich bei Sebesitz von den Kroaten angehalten und ihnen dann wieder entkommen war und sich inzwischen schon 3 Regimenter in der Nähe des Schreckensteins befanden, die nahc allen Schiffstypen suchten, um über den Fluss zu setzen217. Dies deutet darauf hin, dass es sich gar nicht mehr um Laudons Einheiten, sondern um Nadasdys Truppen handelte, die inzwischen doch weiter vorgerückt waren und nun massiv die wichtigste Nachschublinie der Preußen bedrohten. Die Kroaten oder Panduren, wie sie von den Preußen genannt wurden, hatten sich gegenüber von Aussig einiger massiver 211 Siehe OestKA, AFA, Nr. 604: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 VII (1–450), Faszikel 327 und 449. 212 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 105 Bb: Prinz Heinrich von Preußen 1756–1757, Blatt 49 Vorder- und Rückseite. 213 Siehe OestKA, AFA, Nr. 605: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 VII (451–Ende), Faszikel 479 und 508 sowie OestKA, AFA, Nr. 616: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 XIII (1–19), Faszikel 2a: Journal aus Swigan am 10. Juli 1757. 214 Siehe OestKA, AFA, Nr. 605: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 VII (451–Ende), Faszikel 477. 215 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 87 B: Oberst Joachim Wilhelm von Hertzberg 1756– 1757, Schreiben aus Aussig am 10. Juli und am 19. Juli 1757. 216 Siehe ebd., Schreiben aus Aussig am 21. Juli 1757. 217 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 85 F1: Oberst Ernst Lebrecht Arnstedt 1756–1760, Blatt 27 Vorderseite.
388
IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
Häuser bemächtigt, weshalb Herzberg nun artilleristische Unterstützung in Form einiger Mörser anforderte, um die gegnerischen Einheiten daraus zu vertreiben218. Wie man sich die bergige Umgebung bei Aussig und die Verteilung der preußischen und österreichischen Truppen vorzustellen hat, zeigt die folgende Karte. Am unteren Bildrand Sebesein, möglicherweise der Ort, wo der Schiffer Ehrlich angehalten worden war.
Abbildung 39: Rückzugs- und Sicherungsgefechte entlang der Elblinie Mitte–Ende Juli 1757219
Major Eminga war der Ansicht, dass wegen der vielen gegnerischen Einheiten kaum durch Patrouillen in Erfahrung gebracht werden konnte, ob und wo der Feind den Fluss 218 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 87 B: Oberst Joachim Wilhelm von Hertzberg 1756– 1757, 1. Schreiben aus Aussig am 22. Juli 1757. 219 Karte adaptiert nach OestKA, Plan- und Kartenabteilung, B IXa92 Sekt. 26 und Sekt. 39.
IV.5. Der langsame Rückzug aus Böhmen389
zu überqueren beabsichtigte220. Oberst Herzberg bemängelte ebenfalls, dass nach dem Abmarsch eines Bataillons vom Regiment Markgraf Carl nun auch auf der linken Elbseite zu wenige Kräfte vorhanden waren, um alle Stellungen zu besetzen sowie die Fährstelle und die Stadt zu decken, was umso wichtiger war, weil sich Teile des Feldkriegskommissariats in der Stadt aufhielten221. Der König sicherte Herzberg ausreichende Unterstützung zu, befahl ihm aber Stellung auf der Anhöhe bei Aussig zu beziehen und dem Posten auf dem Schreckenstein Annäherungen des Feindes zu melden. Oberst Arnstedt, der in Aussig für das Kommissariat zuständig war222, wollte sich keinesfalls überraschen lassen und dachte darüber nach, zumindest schon Teile des Proviantfuhrwesens und der Bäckerei, die sich dort ebenfalls befanden, zu evakuieren223. Genau zu diesem Zeitpunkt begann der Rückzug der Armee aus der Gegend von Leitmeritz. Nachdem der König vom Fall Gabels und dem Rückzug der Armee seines Bruders erfahren hatte, begannen ab dem 20. Juli die Vorbereitungen für den allmählichen Abzug aus Böhmen. Das königliche Hauptquartier wurde nach Likowitz verlegt, während das Proviantfuhrwesen, die Feldbäckerei und der Artillerietrain mit einem Deckungstrupp nach Linai vorauseilten. Am nächsten Tag rückte Prinz Heinrich mit den Truppen unter seinem Kommando über die Brücke bei Leitmeritz auf das linke Elbufer, von wo aus die Truppen in 2 Kolonnen über Sulowitz den Rückmarsch antraten, nachdem die Tore der Stadt zur Unterstützung des Rückzuges verbarrikadiert worden waren224. IV.5.7. Die Rückzugsvorbereitungen bei Leitmeritz, die Stärke der Truppen und ihre Verpflegung Prinz Heinrich dokumentierte zu diesem Zeitpunkt, sprich am 21. Juli, ausführlich, wie sich die Armee des Königs, bestehend aus 55 Bataillonen und 88 Eskadrons, entlang der Elblinie und durch das böhmische Mittel- und Grenzgebirge bis nach Dresden verteilte. Der Großteil der Truppen, nämlich 25 Musketier-, 8 Grenadier-, 2 Freibataillone und 1 sächsisches Musketierbataillon sowie die ganzen 88 Eskadrons der Kavallerie hielten sich noch in der Höhe von Leitmeritz auf dem linken Elbufer auf. Das nächste große Kontingent deckte Aussig und Tetschen an der Elbe, den Grenzort Nollendorf sowie Gottleuba und Berggießhübel auf der sächsischen Seite mit insgesamt 11 Bataillonen. Der Rest, nämlich 8 Bataillone, war als Besatzung von Dresden und Pirna eingesetzt, darunter das preußische Infanterieregiment Rohr, das sächsische Musketierregiment Oldenburg und die Garnisonsregimenter Grape und Lange zu je 2 Bataillonen. Im Feld 220 Siehe
ebd. ebd. 222 Arnstedt war zu diesem Zeitpunkt speziell für Organisationsfragen in Verbindung mit dem Feldkriegskommissariat zuständig. Vgl. Großer Generalstab, Die Kriege Friedrichs des Großen. Dritter Theil, Bd. 3: Kolin, Anlage 1. 223 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 85 F1: Oberst Ernst Lebrecht Arnstedt 1756–1760, Blatt 27 Vorderseite. 224 Zum gesamten Absatz siehe Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 3: 1757, Teil 2, Seite 103 f. 221 Siehe
390
IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
verblieben somit 47 Bataillone und 88 Eskadrons an Kavallerie. Die folgende Tabelle zeigt die Verteilung noch einmal im Überblick. Tabelle 63 Dislokationsübersicht der preußischen Armee unter König Friedrich am 21. Juli 1757225 Ort
Musketierbtl.
Grenadier
Sulowitz
20
5
Welmina
1
1
Baschkopolo
2
2
Haberzin
2
Aussig
3
Freibtl.
1
3
15
2
Summe der Einheiten vor Ort
10
25 Btl. / 50 Esk. 2 Btl. / 5 Esk.
20 13 1
4 Btl.
1
1 Btl. 4 Btl.
1
1 Btl.
1
1 Btl.
Pirna Dresden
2
Summe
34
6 Btl. / 20 Esk. 2 Btl. / 13 Esk.
1
Gottleube Gießhübel
25
Husaren
5
Tetschen Nollendorf
Sächs. Garni- Küras- Dra Muske- sonbtl. siere goner tierbtl.
9
2
2
2 Btl.
2
2
6 Btl.
6
4
38
20
30
55 Btl. / 88 Esk.
Von dieser Armee brachen nun zunächst am 22. Juli 18 Bataillone und 28 Eskadrons unter dem Kommando des Königs nach Sachsen auf, um dem Korps des Prinzen August Wilhelm in der Oberlausitz zu Hilfe zu eilen. Der Rest der Truppe verblieb unter Keiths Kommando noch in Böhmen. Die Tageslisten der ihm unterstellten Einheiten ermöglichen eine relativ genaue Einschätzung der Truppenstärke zu diesem Zeitpunkt. Es handelt sich zwar um keine summarischen Tabellen des gesamten Korps, aber immerhin lassen sich für einige Infanterieregimenter und Grenadierbataillone sowie den Großteil der verbliebenen Kavallerieregimenter die Soll- und Iststärken nachvollziehen. Letztere 225 Zu den Angaben dieser Tabelle siehe GStAPK, IV. HA., Rep. 15 A, Nr. 654: Quellensammlung 21-Tageslisten und Rapporte Jan.–Juli 1757, Blatt 53 Vorder- und Rückseite. Es handelt sich hierbei zwar nicht mehr um die Originalakten, aber zumindest um sehr genaue Abschriften, die die Offiziere der Kriegsgeschichtlichen Abteilung II des Großen Generalstabes als Vorbereitung für das Generalstabswerk über die Kriege Friedrichs des Großen angefertigt haben. Das Original war ehemals enthalten in GStAPK, I. HA., Rep. 92: Pr. Heinrich v. Preußen, B. III, Nr. 139 fol. 13 u. 14. Diese Dokumente sind wie alle anderen aus dem Bestand des Prinzen Heinrich 1938 an das Heeresarchiv in Potsdam abgegeben und dort 1945 vernichtet worden.
IV.5. Der langsame Rückzug aus Böhmen391
können ebenso wie die Anzahl der Kommandierten als repräsentative Werte gelten, aus denen sich dann Durchschnittswerte ermitteln lassen, mit denen sich anhand der von Prinz Heinrich überlieferten Bataillons- und Eskadronszahlen die Gesamtstärke der Armee ermitteln lassen sollte, welche für die Einschätzung der tatsächlichen Verpflegungsanforderungen von allergrößter Bedeutung ist. Die folgenden Tabellen zeigen den Soll- und zum Dienst verbliebenen Stand der egimenter, hier als Soll- und Iststärken bezeichnet. Die Bezeichnung Stab der RegiR menter bezieht sich auf sämtliche Offiziere, Unteroffiziere, Spiel- und Zimmerleute.
Tabelle 64 Stärken ausgewählter preußischer Infanterieeinheiten im Lager bei Linai am 26. / 27. Juli 1757 Name der Einheit
Sollstärke
Iststärke
Anteil an der Sollstärke
Mann
Mann
in Prozent
Alt-Braunschweig
1.808
1.529
85 %
Von Asseburg
1.808
1.419
78 %
Von Kannacker
1.808
1.513
84 %
Von Kleist
1.808
1.183
65 %
1.412
78 %
Infanterieregimenter226
Durchschnittliche Stärke der Regimenter Musketierbataillone einzelner Infanterieregimenter227 Btl. d. Regt. Goltz
904
695
77 %
Btl. d. Regt. Forcade
904
558
62 %
Btl. d. Regt. Anhalt
904
510
56 %
Durchschnittliche Stärke einzelner Bataillone
587
65 %
Durchschnittliche Stärke aller Musketierbataillone
673
72 %
226 Zu den Stärken der Regimenter siehe LASA, DE, Z44 Abt. Dessau, A 9b VIb, Nr. 10, Bd. V (Militaria 1757), Blatt 23 oder 30 jeweils Vorderseite für Alt-Braunschweig und Kannacker sowie Blatt 20 oder 26 jeweils Vorderseite für Kleist und Blatt 18 Vorderseite für das Regiment Asseburg. 227 Zu den Stärken der einzelnen Musketierbataillone der Regimenter siehe LASA, DE, Z44 Abt. Dessau, A 9b VIb, Nr. 10, Bd. V (Verschiedene Militaria aus des Fürsten Moritz von Anhalt in preußigen Jaare 1757), Blatt 32 Vorderseite für das Regiment Anhalt und Blatt 34 Vorderseite für die Bataillone der beiden anderen Regimenter.
392
IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
Name der Einheit
Sollstärke
Iststärke
Anteil an der Sollstärke
Mann
Mann
in Prozent
Von Haack
754
357
47 %
Von Ramin
754
476
63 %
Von Wedell
754
489
65 %
Von Schenkendorf
614
460
75 %
Von Billerbeck
753
491
63 %
454
62 %
Grenadierbataillone228
Durchschnittsstärke aller Grenadierbataillone
Man sieht deutlich, dass die Infanterieregimenter bei den Gemeinen im Durchschnitt noch 78 % ihrer Sollstärke aufwiesen, alle Musketierbataillone zumindest noch auf 72 % und die Grenadierbataillone auf 63 % ihrer Sollstärke kamen. Die Anzahl der Kommandierten war bei allen Einheiten sehr gering (20 Mann und weniger), um für nennenswerte Ergänzungen ins Gewicht zu fallen. Insgesamt lagen die Durchschnittsstärken der Infanterieeinheiten damit 13 % über denen der Armee des Prinzen August Wilhelm. Die größten Ausfälle entfielen auf die Kranken, Verwundeten und Manquierenden mit durchschnittlich 77, 34 und 74 Mann pro Bataillon. Desertierte waren erstaunlicherweise gar nicht zu verzeichnen. Für die Stärkeeinschätzung bleibt festzuhalten, dass jedes Musketierbataillon im Durchschnitt noch 673 Mann und jedes Grenadierbataillon noch 454 Mann umfasste. Folglich wären die 41 preußischen Bataillone, die sich im Feld von Linai bis Berggießhübel verteilten, zusammen 25.622 Mann stark gewesen229. Sehr schwierig ist die Stärke der Freibataillone einzuschätzen; wenn sie größtenteils komplett waren, sprich 700 Soldaten verzeichneten, waren dies zusammen 1.400 Mann. Die sächsischen Musketierbataillone zählten wohl nicht viel mehr als 500 Mann, darunter das 1. Bataillon des übernommenen Regiments Prinz Friedrich mit 511, obwohl es nach dem Sollstand 751 Soldaten hätte aufweisen müssen230. Die 4 Bataillone dürften insgesamt also zusammen um 228 Zu den Stärken der Grenadierbataillone siehe LASA, DE, Z44 Abt. Dessau, A 9b VIb, Nr. 10, Bd. V (Verschiedene Militaria aus des Fürsten Moritz von Anhalt in preußigen Jaare 1757), Blatt 24 Vorderseite für Wedell und Ramin und Blatt 23 oder 30 jeweils Vorderseite für Haack sowie Blatt 34 Vorderseite für die Billerbeck und Schenkendorf. 229 Die 32 Musketierbataillone zu 21.536 Mann und die 9 Grenadierbataillonen zu 4.086 Mann. Selbst diese Größenordnung liegt noch 2.000 Mann über der von Mauerhoff ermittelten Stärke, die dem Generalstabswerk zugrunde lag, nämlich 23.226 Mann (siehe GStAPK, IV. HA., Rep. 15 A, Nr. 614: Etatsmäßige Stärke der preußischen Armee beim Einmarsch 1757 und ihre Verteilung auf die verschiedenen Kriegstheater, Blatt 52 Vorderseite). 230 Zur Sollstärke des übernommenen ehemals sächsischen Regiments Prinz Friedrich siehe LASA, DE, Z44 Abt. Dessau, A 9b VIb, Nr. 10, Bd. V (Verschiedene Militaria aus des Fürsten Moritz von Anhalt in preußigen Jaare 1757), Blatt 34 Vorderseite.
IV.5. Der langsame Rückzug aus Böhmen393
die 2.000 Mann stark gewesen sein. Demzufolge konnte König Friedrichs Korps gegen Ende Juli wahrscheinlich nicht mehr als rund 29.000 Mann Infanterie im Feld aufbieten. Bei der Ermittlung der Kavalleriestärke ist im Folgenden neben der Anzahl der Kommandierten auch die Pferdeanzahl berücksichtigt worden, die Aufschluss über die tatsächliche Einsatzbereitschaft der Einheiten als berittene Truppe gibt. Tabelle 65 Stärken der preußischen Kavallerieeinheiten im Lager von Linai am 25. und 26. Juli 1757231 Namen der Regimenter
Sollstand
Ist-Stand
Kommandiert
Ist-Stand inkl. Kommandierte
Mann
Mann
in Prozent
Pferde
Mann
Mannschaft gesamt
Carabiniers
946
719
76 %
639
113
832
Driesen
946
739
78 %
699
53
792
Leibregiment
946
636
67 %
556
155
791
Pr. Preußen
946
596
63 %
605
125
721
Schönaich
946
688
78 %
610
120
808
Meinicke
946
719
76 %
707
60
779
Bayreuth
1.928
1.531
79 %
1.478
14
1.545
Szekely
1.292
950
73 %
922
168
1.090
Seydlitz
1.292
720
56 %
537
329
956
Summe
10.188
7.298
72 %
6.753
1.137
8.314
Durchschnitt pro Eskadron
170
121
74 %
112
17
137
Zunächst zeigt sich, dass der faktische Mannschaftsbestand der Kavallerie mit 72 bis 74 % ihres Sollstandes immer noch beträchtlich war und vor allem auch 10 bis 14 % höher lag als bei der Armee des Prinzen August Wilhelm. Es bestätigt sich auch, dass die Pferdeanzahl nicht ausreichend war, um damit die 7.298 Soldaten vor Ort oder die 8.314 Gesamttruppe in den berittenen Stand zu versetzen. Mit 1.016 Unberittenen trat der Mangel an Pferden deutlich zu Tage, was erklärt, dass eine beträchtliche Anzahl Kaval231 Zu den Einheiten der schweren Kavallerie, sprich die Regimenter Carabiners bis Bayreuth, siehe LASA, DE, Z44 Abt. Dessau, A 9b VIb, Nr. 10, Bd. V (Verschiedene Militaria aus des Fürsten Moritz von Anhalt in preußigen Jaare 1757), Blatt 28 Vorderseite und für die Husarenregimenter Seidlitz und Szekely siehe ebd., Blatt 160 und 161 jeweils Vorderseite.
394
IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
leristen entlang der Elbe gesichtet wurde und in die Dresdener Umgebung kam, um dort ihren Pferdeersatz zu empfangen. Allerdings gab es zwischen den einzelnen Einheiten extreme Unterschiede, denn während das Dragonerregiment Ansbach-Bayreuth immerhin noch 76 bis 77 % der ursprünglichen Stärke in den berittenen Stand versetzen konnte, gelang dies dem Regiment Prinz von Preußen nur mit ca. 59 % seiner Sollstärke. Niedriger war der Anteil nur beim Regiment Seydlitz, das wegen der großen Menge an kommandierten Reitern eine Ausnahme darstellte. Das Regiment Ansbach-Bayreuth war sogar in der Lage, 95 % des verbliebenen Personalbestandes inklusive der Kommandierten als Reiter einzusetzen. Der besonders gute Zustand dieses Dragonerregiments war vermutlich darauf zurückzuführen, dass es sich während der Belagerung von Prag auf dem linken Moldauufer aufgehalten hatte, wo die Verpflegungssituation, wie erwähnt, wesentlich günstiger war als auf der rechten Moldauseite. Im Gesamtdurchschnitt fehlten auf Regimentsebene 125 Pferde, was rund 18 % entsprach, sodass die Menge der Berittenen in der Regel noch bei 82 % lag. Für die Gesamtstärke des Kavallerieverbandes mit 88 Eskadrons, zu denen neben den hier erwähnten 60 Eskadrons auch die Dragonerregimenter Katt und Prinz Friedrich, das Husarenregiment Zieten sowie die Kürassierregimenter Gens d’Armes und Garde du Corps gehörten232, bedeutet dies, dass sich recht unterschiedliche Größenordnungen hinsichtlich der verfügbaren und zu versorgenden Mengen an Kavalleristen und Pferden ergaben. Bei einer Durchschnittsstärke von 137 Mann pro Eskadron hätte die Kavallerietruppe inklusive der Kommandierten aus 12.506 Mann bestanden233. Mit Pferden einsetzbar dürften aber wohl nur 9.856 Mann gewesen sein, während 2.600 als Quasiinfanteristen zeitweilig mitversorgt werden mussten, bevor ein Teil dieser Unberittenen in Richtung Dresden abrückte. Mit der Infanterie standen der Feldarmee demnach rund 41.500 Mann zur Verfügung, von denen aber nur knapp 39.000 als voll einsatzfähig gelten konnten234. Inklusive der Garnisonseinheiten von Dresden und Pirna waren es wohl bis zu 47.500 Mann, was ebenfalls darauf hindeutet, dass die Armee des Königs aller Wahrscheinlichkeit nach sowohl im Feld als auch im rückwärtigen Raum über die größeren personellen Reserven verfügte als die Armee des Prinzen August Wilhelm, die allerhöchstens 38.500 und mit der Besatzung von Zittau maximal 40.000 Mann aufzubieten vermochte. Demzufolge konnte die Armee des Königs die Truppen für den Schutz der Stadt Tetschen eigentlich 232 Zur Präsenz dieser weiteren Kavallerieeinheiten ist abermals Prinz Heinrichs Dislokationsübersicht vom 21. Juli einschlägig. Siehe GStAPK, IV. HA., Rep. 15 A, Nr. 654 Quellensammlung 21-Tageslisten und Rapporte Jan.–Juli 1757, Blatt 53 Vorder- und Rückseite. 233 Auch diese Größenordnung liegt rund 2.000 Mann über der von Mauerhoff ermittelten Stärke von 10.116 Mann (siehe GStAPK, IV. HA., Rep. 15 A, Nr. 614: Etatsmäßige Stärke der preußischen Armee beim Einmarsch 1757 und ihre Verteilung auf die verschiedenen Kriegstheater, Blatt 52 Vorderseite). 234 Im Gegensatz dazu steht die Angabe des Großen Generalstabs von 33.342 Mann (vgl. ders., Die Kriege Friedrichs des Großen. Dritter Teil, Bd. 3: Kolin, Seite 114), der die Berechnungen Mauerhoffs zugrunde liegen.
IV.5. Der langsame Rückzug aus Böhmen395
eher entbehren, sodass General von Winterfeldts Einheiten für den Entsatz bzw. die Unterstützung von Gabel am 14. Juli verfügbar gewesen wären. Wichtiger als die leichte personelle Überlegenheit war im Vergleich zur Armee des Prinzen August Wilhelm aber die deutlich günstigere logistische Situation, denn im Gegensatz zu Letzterer bereitete die Versorgung der Armee des Königs keine großen Probleme. Die Elbe bei Leitmeritz bot nicht nur genügend Wasser für die Soldaten und Pferde, sondern ermöglichte auch den Nachschub per Schiff235. Dies war auch dringend erforderlich, denn die rund 41.500 Mann benötigten bei 43.500 Portionen für die Brotverpflegung pro Tag rund 36 und in einem Monat 1.116 Tonnen Mehl. Die rund 10.000 Pferde der Kavallerie konsumierten bei 11.000 Rationen täglich schon 155 Tonnen an Futter und verbrauchten in 31 Tagen 4.805 Tonnen. Wahrscheinlich kamen aber noch rund 12.300 Pferde für die Infanterieregimenter und die Grenadierbataillone, die Geschützbespannung und die Munitionsreserve im Artilleriepark, das Proviantfuhrwesen sowie die Feldbäckerei mit den mobilen Öfen hinzu236. Bei einer Gesamtmenge von 22.300 Pferden mit einem Bedarf von ca. 24.500 Rationen betrug der Futterverbrauch 346 Tonnen pro Tag und somit in einem Monat nicht weniger als 10.720 Tonnen. Da die Preußen sowohl bei Leitmeritz als auch bei dem nun erfolgenden Rückzug in der Gegend von Linai immer noch fouragierten237, ist es durchaus wahrscheinlich, dass der Heu- und Strohanteil, der in der Ration 9 Kilgramm und für 31 Tage eine Menge von 6.835 Tonnen ausmachte, weitestgehend aus verschiedenen Orten der Umgebung beschafft werden konnte. Offensichtlich trugen die lokalen Ressourcen auch erheblich zur Truppenverpflegung bei, denn zumindest scheinen die Preußen in der engeren und weiteren Umgebung von Leitmeritz, sprich bei Melnick und Groß-Czernusek, auch genügend böhmischen Landwein gefunden zu haben238.
235 Die enorme Bedeutung der Elblinie als Hauptversorgungsader wurde auch vom Generalstabswerk keineswegs verkannt (vgl. Großer Generalstab, Die Kriege Friedrichs des Großen. Dritter Theil, Bd. 3: Kolin, Seite 198). Daher schlussfolgerte man auch, dass eine österreichische Offensive auf dem linken Moldau- und Elbufer Richtung Sachsen angemessen gewesen wäre. Dies berücksichtigt aber ebenso wenig die Versorgungsprobleme auf der Nachschubroute über das zuvor eingeschlossene Prag, die bedingt schiffbare Moldau im Sommer sowie den Stellungsvorteil von König Friedrichs Armee im Baschkopol- und Erzgebirge und nicht zuletzt die hervorragenden materiellen und personellen Ergänzungsmöglichkeiten aus Dresden zu Wasser und zu Lande. 236 Für die 16 Infanterieregimenter im Feld kamen 4.320 Pferde und für die 9 Grenadierbataillon 945 Pferde zusammen. Auf die Bataillonsgeschütze entfielen zusammen weitere 400 Stück und auf die Geschütze der schweren Artillerie bzw. den Artillerieparks sowie die Wagen der Muni tionsreserve ca. 3.058 Stück. Für das Mehlfuhrwesen inklusive der Bäckereiwagen dürften 3.159 Pferde zu veranschlagen sein, sodass sich eine Gesamtmenge von 12.290 Pferden ergab. Die Pferde für die Proviantwagen der Eskadrons werden vermutlich in der Rationskarenz enthalten gewesen sein. 237 Zur Fouragierung bei Leitmeritz und während des Rückzuges siehe Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 3 Teil 2 1757, Seite 47 und 108. 238 Siehe ebd., Seite 47 und Barsewisch, C. F. R., Meine Kriegserlebnisse während des Siebenjährigen Krieges: 1757–1763, Seite 63. Barsewisch berichtet, man hätte im Lager bei Melnick viel vom Landwein profitiert, was möglicherweise damit zusammenhängt, dass sein Regiment (zu
396
IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
Bei der Fourage verblieben wahrscheinlich ca. 3.885 Tonnen Hartfutter, die herangeführt werden mussten. Bei einer Tragekapazität von mindestens 12 Tonnen pro Schiff, was dem Durchschnittswert der Elbkähne und der Breslauer Kähne bei Niedrigwasser entsprach, war dies mit 324 Schiffen möglich. Da die Preußen laut ihren Gegnern um die 200 Wasserfahrzeuge im Einsatz hatten, dürften sie knapp in der Lage gewesen sein, diese Anforderung zu bewältigen. Allerdings musste mit diesen Schiffen wahrscheinlich auch ein Großteil der 1.116 Tonnen Mehl befördert werden, wofür ebenfalls bis zu 93 Schiffe erforderlich waren. Die Alternative hätte darin bestanden, ca. 1.400 vierspännige Wagen einzusetzen, für deren Bespannung aber 5.600 Pferde erforderlich gewesen wären. Allerdings war nicht nur die Aufbringung einer so großen Wagenmenge, sondern auch die Versorgung der Pferde alles andere als einfach, zumal sie rund 80 Tonnen pro Tag verbraucht hätten und bei einem 14-tägigen Konsum dieselbe Menge an Schiffen benötigt worden wäre, um diese zusätzliche Menge an Pferden zu verpflegen. Die eleganteste Lösung bestand wahrscheinlich darin, die Schiffe rotieren zu lassen und die Hartfutter- und Mehlmengen in gemischten Schiffskolonnen heranzuführen. Wenn beispielsweise mit 162 Schiffen ca. die Hälfte des Hartfutters, sprich rund 1.944 Tonnen, herangeführt worden wäre, dann hätte man mit den verbliebenen 38 Schiffen noch 456 Tonnen Mehl transportieren können, womit die Brotversorgung bei einem Tagesverbrauch von 36 Tonnen für 12 ½ Tage und Pferdeverpflegung bei einem täglichen Bedarf von 127 Tonnen für 15 Tage sichergestellt gewesen wäre. Den Rest mussten die Preußen entweder aus den lokalen Ressourcen decken oder mit einer neuen Schiffslieferung heranführen. Rechnet man für eine Fahrt von Leitmeritz stromabwärts nach Dresden mit 4 Tagen, für das Ein- und Ausladen mit 2 bis 3 Tagen und für die Rückfahrt stromaufwärts mit 5 Tagen239, dann war ein Rotationszyklus innerhalb von 11 bis 12 Tagen und damit ein ununterbrochener Nachschub theoretisch möglich, zumal die Preußen durch ihre Portions- und Rationskarenzen jeweils fast noch für 1 Tag Lebensmittel in Reserve hatten. Offenbar funktionierte die Versorgung daher in der Praxis so gut, dass sie bei ihrem Aufbruch aus Leitmeritz am 21. Juli tatsächlich noch so viel Mehl in ihrem Magazin hatten, dass sie sogar 500 Fässer bzw. 125 Tonnen zurücklassen und vernichten mussten, weil ihnen nicht genügend Transportmittel zur Verfügung standen, um es fortzuschaffen240. Dies weist einerseits darauf hin, wie wertvoll die Schiffskapazitäten grundsätzlich waren, belegt aber andererseits auch, wie sehr sie zu diesem Zeitpunkt beansprucht wurden. Dies hing wahrscheinlich damit zusammen, dass innerhalb kürzester Zeit noch einmal sehr viel Material und Personal zurücktransportiert werden mussten und die Bedrohung durch die österreichischen Truppen, vor allem auch vom rechten Elbufer durch die Einheiten Nadasdys, zugenommen hatte. Da man sich wieder Sachsen näherte, verkürzten sich aber gleichermaßen die Nachschubwege.
diesem Zeitpunkt von Meyerinck) während des Rückzuges noch längere Zeit in dieser Gegend stationiert war. 239 Zur Dauer der Fahrt stromaufwärts vgl. IV. Teil 4.3.: Die Vorgänge während der Prager Belagerung. 240 Siehe Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 3: 1757, Teil 2, Seite 104.
IV.5. Der langsame Rückzug aus Böhmen397
IV.5.8. Der gestaffelte Rückmarsch der Armee unter König Friedrich in 2 Etappen Der Rückzug der Armee erfolgte schrittweise seit dem 22. Juli von Linai, wo sich inzwischen auch die Bäckerei und das Proviantfuhrwesen befanden. Zunächst setzte sich das Korps des Königs mit 18 Bataillonen, 28 Eskadrons und 42 schweren Geschützen in Marsch. Feldmarschall Keith verblieb noch mit 30 Bataillonen und 60 Eskadrons in Böhmen241. Welche Verbandsgrößen sich nun gemäß den zuvor erwähnten Durchschnittsstärken pro Bataillon und Eskadron ergaben, zeigt die folgende Tabelle. Tabelle 66 Wahrscheinliche Zusammensetzung der preußischen Korps links der Elbe Ende Juli 1757 Befehlshaber des Korps König Friedrich Feldmarschall Keith Summe
Zusammensetzung der Infanterieeinheiten
Stärke Kavallerie Stärke einheiten Mann / Pferde
Gesamtstärke Mann / Pferde
12.168
28
3.948 / 3.136
16.116 / 3.136
17.089 30 (17 Musk. / 7 Gren. / 6 sächs. Musk.)
60
8.460 / 6.720
25.549 / 6.720
88 Esk.
12.408 / 9.856
41.665 / 9.856
18 (14 Musk. / 2 Gren. / 2 Frei.)
48 Btl.
29.257
Für den Marsch, den das Korps des Königs zu absolvieren hatte, stellte man wahrscheinlich wie bei der Armee des Prinzen einen Brotvorrat in Aussig her, der wenigstens 4, nach Möglichkeit aber 6 Tage reichte. Die weitere Verpflegung erfolgte wohl aus Pirna, wo die ersten eisernen Backöfen schon am 19. Juli eingetroffen waren242, also noch einen Tag vor dem Aufbruch aus Leitmeritz. Mehl war dort offensichtlich in ausreichendem Maße vorhanden, denn schon im Juni waren 244 Tonnen vermahlen worden, denen im Juli noch ca. 290 folgen sollten, sodass zusammen 530 Tonnen zur Verfügung gestanden haben könnten243, die die Versorgung sämtlicher Truppen auf der linken Elbseite für 15 Tage ermöglichten. Am 23. Juli rasteten König Friedrichs Truppen zunächst in Linai, lediglich ihre Bagage und der Artillerietrain, die von 3 Bataillonen und 4 Husareneskadrons gedeckt wurden, gingen nach Nollendorf voraus. Am nächsten Tag folgte das Korps des Königs in das dortige Lager und marschierte dann weiter über Schönewalde und Ottendorf
241 Siehe
ebd., Seite 108 f. SächsHStA-DD, 10024 Geheimer Rat, Loc. 9336 / 1: Journal des Preußischen Krieges 1756–1757, Blatt 351 Vorderseite. 243 Siehe LASH, Abt. 127.3. Schimmelmann, Nr. 14: Mehlgelder 1757, Blatt 151 Vorder- und Blatt 210 Vorder- und Rückseite. Im Juni waren 4.784 Zentner und im Juli 5.685 Zentner vermahlen worden. 242 Siehe
398
IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
bzw. Peterwalde und Höllendorf bis nach Goes und Cotta. Schon an diesem Tag wurde eine Schiffsbrücke über die Elbe bei Pirna geschlagen, wo der Verband am nächsten Tag zusammen mit dem ehemaligen sächsischen Regiment von Oldenburg eintraf. Letzteres wurde bei dieser Gelegenheit aufgelöst und unter die dezimierten preußischen Regimenter verteilt. Dieser Umstand sowie die Tatsache, dass sich abermals einige Rekonvaleszierte und wieder beritten gemachte Kavalleristen dem Korps des Königs anschlossen, trug wahrscheinlich dazu bei, dass die Streitmacht die Gegend von Dresden mit ca. 2.000 Mann stärker wieder verließ, als sie dort von Böhmen angekommen war244. Zunächst erhielten die Truppen, die nun rund 18.000 Mann umfasst haben dürften, aber ihren üblichen Rasttag, bevor sie am 28. Juli, mit Ausnahme des 1. Gardebataillons, das nach Potsdam zur Wiederherstellung des Mannschaftsbestandes entsandt wurde, in Richtung Bautzen aufbrachen. Zur Unterstützung des Marsches hatte das Feldkriegskommissariat in Dresden 200 Leiterwagen ausgeschrieben, wobei den Bauern, die sich widersetzten, mit dem Abbrennen ihrer Höfe gedroht wurde245. Das Korps marschierte dann in 2 Kolonnen, von denen die erste den Weg über Lohmen und Dobra sowie Dürren und Röhrsdorf nach Harthau nahm. Die zweite Kolonne rückte mit der Bagage und dem Artillerietrain über Proschendorf und Röhrsdorf auf der Landstraße nach Bautzen ab und diente dabei dem Brottransport, der für die Armee des Prinzen bestimmt war, gleichzeitig als Geleitschutz. Am nächsten Tag bewegten sich die beiden Marschkolonnen auf einer leicht südlich und nördlich versetzten Route über Bischofswerda, Goldbach, Seitschen und Stiepitz bzw. über Pohla, Leutwitz und Spittwitz entlang der Landstraße nach Bautzen. Als sie dort eintrafen, hatten die Truppen, abzüglich des Rasttages bei Pirna, innerhalb von 5 Tagen eine Strecke von ca. 80 km durch stark hügeliges Gelände zurückgelegt246. Nach seinem Eintreffen bei Bautzen machte der König seinen Bruder und dessen Generäle für den Verlauf des unglücklichen Rückzuges verantwortlich, drohte ihnen mit dem Tod und ließ General von Schmettau ausrichten, er möge ihm nicht mehr unter die Augen treten und sich stattdessen schnellstens nach Dresden begeben. Prinz August Wilhelm hielt es für angebracht, sein Vorgehen noch einmal gegenüber dem König zu rechtfertigen, und teilte ihm mit, dass er versucht hatte, die Lage während des Rückzuges aus Böhmen so gut er nur konnte zu bewältigen, was ihm alle Generäle unter seinem Kommando bestätigen würden. Der König zeigte sich aber gänzlich unversöhnlich und behauptete in seinem Brief vom 30. Juli, Prinz August Wilhelm sei immer den 244 Zum gesamten Absatz siehe Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 3: 1757, Teil 2, Seite 109 f. und SächsHStA-DD, 10024, Loc. 9336 / 1: Journal des Preußischen Krieges 1756– 1757, Blatt 357 Rückseite. 245 Siehe SächsHStA-DD, 10025 Geheimes Konsilium, Loc. 6482 Num. 15: Königl. Preuß. Seits gelieferte vom Lande geforderte Fourage, Pferde- und Vieh Lieferungen sämtl. Proviant Pferden und Knechten ingleichen […], Blatt 273 Vorderseite. 246 Zum gesamten Absatz siehe Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 3: 1757, Teil 2, Seite 111 f.
IV.5. Der langsame Rückzug aus Böhmen399
Ratschlägen der Schmeichler gefolgt und habe sich und ihn dadurch in die denkbar schlechteste Lage manövriert. Dennoch schloss König Friedrich mit dem versöhnlich anmutenden Satz, der noch einmal ganz bewusst das brüderliche Zuneigungsverhältnis betonte und seine harsche Kritik als widerwilligen Ausdruck der Staatsräson erscheinen ließ247: „[…] Seyd unterdessen versichert, dass ich euch allemahl geliebt habe, und dass ich auch in derselben Gesinnung sterben werden […]“248.
Der Prinz beantwortete diesen Brief nicht, entschloss sich stattdessen von der Armee Abschied zu nehmen und nach Dresden zu gehen, um dort seine angegriffene körperliche Verfassung zu kurieren. Darüber hinaus sollte er nun aber seinen Aufenthalt dort nutzen, um das Journal zu verfassen, das den Rückzug aus seiner Sicht schilderte. Von der Veröffentlichung sah er jedoch auf Anraten seiner Freunde ab. Auch der Leiter des Feldkriegsdirektoriums in Torgau, Friedrich Wilhelm v. Borcke, schrieb ihm, noch bevor er überhaupt das Armeekommando übernahm, man habe schon genug Ärger am Hals und ein zusätzlicher Hader im Haus Hohenzollern würde den Untergang des Staates besiegeln249. Vermutlich trug dieser Umstand erheblich dazu bei, dass die Rahmenbedingungen, unter denen der Rückzug stattgefunden hatte, und der Verlauf desselben für lange Zeit in Vergessenheit gerieten. Währenddessen nahmen die militärischen Ereignisse ihren Lauf. Das Kommando über die Armee des Prinzen übernahm zunächst der Herzog von Bevern. Am 30. Juli ließ der König General Zieten mit 10 Husareneskadrons, dem Regiment Prinz von Preußen, das laut der Jungbunzlauer Tagesliste vom 30. Juni mit 1.351 Mann das stärkste Regiment war, und den Fußjägern die Gegend Richtung Hochkirch und Weißenberg auskundschaften, wobei sie auf leichten Widerstand durch die Kroaten und 2–3.000 Mann unter General Beck stießen. Nachdem der König am 31. Juli seine Truppe um 3 Bataillone und 30 Eskadrons verstärkt hatte, setzte er den Marsch bis Weißenberg fort, um den Streifzügen der leichten Truppen des Gegners in nördlicher Richtung Einhalt zu gebieten. In dieser Gegend bezog das Korps des Königs ein Lager, das sich offenbar parallel zur Bautzener Landstraße zwischen Koditz (heute Kotitz) und dem Löbauer Wasser erstreckte und Weißenberg nach Süden hin abschirmte. Hier verblieben die Truppen nun fast 14 Tage250. Zu dieser Zeit traf Feldmarschall Keith schon mit seinem Korps im Lager bei Rothnaußlitz in der Nähe von Bischofswerda ein. Keith war mit dem Rest der Truppen, bestehend aus 28 Bataillonen und 60 Eskadrons, zunächst noch im Lager bei Linai verblieben. Am 25. Juli entsandte er noch zur Sicherung von Aussig 5 Bataillone, weil sich zu diesem Zeitpunkt die Bäckerei noch dort befand und die leichten Truppen des Geg247 Zum
gesamten Absatz siehe ebd., Seite 112–114. Seite 114. 249 Vgl. Ziebura, Eva, Prinz August Wilhelm von Preußen, Seite 207. 250 Zum gesamten Absatz siehe Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 3: 1757, Teil 2, Seite 115–118. 248 Ebd.,
400
IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
ners aktiver wurden. Die 2 Grenadier- und 3 Musketierbataillone, deren Anzahl an gemeinen Soldaten zusammen 2.620 Mann umfasste251, verstärkten einen Teil des sächsischen Garnisonsregiments Wylich, der gerade noch 112 Mann zählte. Vor dem Rückmarsch wurde am nächsten Tag vorerst das letzte Mal in Böhmen in 4 Dörfern fouragiert, was aufgrund der Bedrohung durch Laudons Einheiten nur unter starken Schutzvorkehrungen erfolgen konnte252. Der König hatte Keith befohlen, zuerst das Proviantfuhrwesen, dann die Bagage und die 10 12-pfündigen Geschütze über Nollendorf mit einer Eskorte vorauszuschicken, bevor er dann auf einer parallelen Route zur zusätzlichen Deckung mit dem Rest der Truppe folgte. Dabei sollten 8 Bataillone und 1 Husarenregiment die Nachhut bilden, von denen wiederum 4 preußische und dezidiert nichtsächsische Bataillone den Posten bei Gottleuba zu besetzen hatten, während General Moritz zu Anhalt-Dessau mit 10 weiteren Bataillonen und den Kürassiereinheiten, Leibregiment und Driesen ein Lager bei Groß-Cotta beziehen sollte253. Der Rückmarsch gestaltete sich für Keiths Truppen durchaus schwierig, weil sich nicht alle Generäle an den empfohlenen Marschplan hielten. Am 27. Juli entsandte der Feldmarschall 3 Musketierbataillone und 8 12-pfündige Geschütze zur Verstärkung nach Aussig, von wo an diesem Tag die Bäckerei, gedeckt von 1 Grenadier- und 1 Musketierbataillon, nach Nollendorf aufbrach. Dort übernahm sie Generalmajor von Asseburg und ließ sie vom Regiment Wylich weiter nach Pirna eskortieren. Am nächsten Tag folgten die Bagagewagen unter dem Schutz von 2 Musketierbataillonen, 15 Eskadrons der schweren Kavallerie und 100 Husaren. Trotzdem wurde diese Abteilung nun bei Kulm und Kinnitz in heftige Kämpfe mit den Truppen von Oberst Laudon verwickelt, was offensichtlich auf einen Stau der sich kreuzenden Trains aus Linai und Aussig zurückzuführen war. Diese Verzögerung gekoppelt mit den feindlichen Angriffen bewirkte eine Unordnung, bei der letztlich neben einer 12-pfündigen Kanone 20 Munitionswagen, einige Bagage- und viele Marketenderwagen verloren gingen, weil die Vorspannpferde zum Teil erschossen worden waren. Am nächsten Tag brach auch Generalmajor von Grabow in Aussig auf, der gleich zu Beginn des Abmarsches einige Wagen an die Kroaten verlor, weil er diese ohne Deckung seinen Truppen folgen ließ. Auch nach der Vereinigung mit den Einheiten aus Richtung Linai setzte sich der Spießrutenlauf für das Korps fort, da die beiden Marschkolonnen erneut zwischen Kulm und Deutsch-Neudörfl angegriffen wurden. Allerdings gelang es der preußischen Artillerie und dem Infanterieregiment Kannacker, die Kroaten zurückzutreiben, bevor sie vom Freibataillon Mayr zu Pferde verfolgt wurden, sodass der Rest der Abteilung dann das Lager von Nollendorf 251 Zu dieser Stärke siehe LASA, DE, Z44 Abt. Dessau, A 9b VIb, Nr. 10, Bd. V (Verschiedene Militaria aus des Fürsten Moritz von Anhalt in preußigen Jaare 1757), Blatt 24 Vorderseite. 252 Siehe Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 3: 1757, Teil 2, Seite 119. 253 Zum gesamten Absatz siehe LASA, DE, Z44 Abt. Dessau, A 9b VIb, Nr. 10, Bd. V (Verschiedene Militaria aus des Fürsten Moritz von Anhalt in preußigen Jaare 1757), Blatt 157 Vorderund Rückseite.
IV.5. Der langsame Rückzug aus Böhmen401
unter einer Einbuße von jeweils 30 Toten und Verwundeten erreichte, wo Generalmajor Asseburg mit 4 Bataillonen die Stellung hielt. Dieser rückte dann mit der Bagage und Artillerie, gedeckt von 5 Bataillonen und 3 Kürassierregimentern, weiter nach Schönwalde und Cotta vor, wohin ihm am 30. Juli der Rest der Armee folgte, der zunächst bei Goes und einen Tag später bei Pirna in jenen Stellungen kampierte, die auch König Friedrich 5 Tage zuvor bezogen hatte. Alle preußischen Einheiten befanden sich nun wieder auf sächsischem Boden254. IV.5.9. Rekapitulation der Entscheidungsfindung und Operationen während des Rückzuges Der mehr als einen Monat dauernde Rückzug aus Böhmen war abgeschlossen. Er hätte deutlich schneller und mit wesentlich geringeren Verlusten durchgeführt werden können. Nachdem die Preußen es wegen der zögerlichen Verfolgung der Österreicher geschafft hatten, sich mit ihren Armeen nach Leitmeritz und Jungbunzlau abzusetzen, um dort ihre Versorgungswege zu sichern bzw. den Rückzug nach Sachsen vorzubereiten, wurde er zunächst von König Friedrich unterbrochen. Zurückzuführen war dies auf seine Weigerung, General Moritz zu Anhalt-Dessau mit der Armee am 29. Juni den Rückzug nach Zittau zu erlauben. Stattdessen hielt er ihn in Jungbunzlau fest, wo man das Lager aufgrund des Verpflegungsmangels aber ohnehin nicht mehr lange halten konnte. In dieser kritischen Situation hatte er seinen Bruder August Wilhelm als neuen Befehlshaber der dortigen Armee eingesetzt, ohne die Befehle, die er ihm mündlich erteilte, schriftlich zu bestätigen. Damit verschaffte er sich selbst eine günstige Lage, weil er mit allen weiteren Instruktionen, die er dem Prinzen nun noch zusandte, auch belastendes Beweismaterial in schriftlicher Form schuf, das es ihm bei diversen Fehlschlägen umso mehr gegenüber seinen Kritikern und der Nachwelt erlaubte, etwaige mündliche Vereinbarungen mit seinem Bruder bei einem ungünstigen Ausgang in seinem Sinne umzudeuten. Der unglückliche Verlauf der Ereignisse, der zum Fall Gabels, dem verlustreichen Rückzug sowie der Eroberung Zittaus führte, war letztlich auf eine Kombination verschiedener Faktoren zurückzuführen. Vor allem die Kommunikationsprobleme, hervorgerufen durch die leichten Truppen der Österreicher, die falsche oder unentschlossene Deutung von Friedrichs abstrakten Instruktionen durch Prinz August Wilhelm sowie die Schwächung der Armee des Prinzen nach der Entsendung von Winterfeldts Korps zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Für die Kommunikationsschwierigkeiten, die auch zur späteren Absendung des Korps in Richtung Tetschen beitrugen, hätte der König eigentlich sensibilisiert sein müssen, denn diese waren schon Anfang Juli und nicht erst in der Zeit vom 10. bis 12. Juli aufgetreten. Wenn der König in dieser schwierigen Situation seine abstrakte Befehlsgebung, wie sie sich im Schreiben vom 4. Juli offenbarte, beibe254 Zum gesamten Absatz siehe Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 3: 1757, Teil 2, Seite 119–122.
402
IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
hielt, was aufgrund von Geheimhaltungserwägungen durchaus nachvollziehbar gewesen war, dann hätte er in jedem Fall jemanden für das Oberkommando der Armee auswählen müssen, der ein besseres intuitives Verständnis für seine operativen Vorstellungen besaß. Darüber hinaus wäre er verpflichtet gewesen, dem Prinzen insbesondere in der Zeit um den 7. und 8. Juli, als der Briefwechsel noch einmal reibungslos funktionierte, wesentlich detailliertere Anweisungen bezüglich der Bedeutung des Zittauer Magazins zu erteilen. Man kann natürlich behaupten, dass der König den Zwang, die Befehle vor dem Hintergrund der Kommunikationsschwierigkeiten abstrakt zu formulieren, nicht vorhersehen konnte. Die schwierige Lage, in der sich die Armee grundsätzlich befand, und wie ungünstig sich die charakterlichen Eigenschaften seines Bruders sowie die Interpretation seiner Anweisungen beeinflussen würden, hätte er aber zumindest ungefähr einschätzen müssen. Schließlich hatte er selbst die heikle Versorgungssituation der Armee durch den Abbruch des Rückzuges herbeigeführt und August Wilhelm als Kommandeur derselben eingesetzt, obwohl mit Feldmarschall Keith, Prinz Heinrich, Ferdinand von Braunschweig, General von Winterfeldt und August Wilhelm von Braunschweig-Bevern 3 bis 5 erfahrenere Kandidaten für das Armeeoberkommando zur Verfügung standen. Hinzu kam, dass die österreichische Hauptarmee durch das Verbleiben der Armee in Böhmen wieder zu dieser aufschließen konnte, obwohl sich ihr Vormarsch und damit auch der räumliche Abstand zu den Preußen infolge der Versorgungsschwierigkeiten zu diesem Zeitpunkt eigentlich schon zu sehr verzögert hatten. Da sie sich dann aber gegen die numerisch schwächere, mit Sicherheit aber logistisch unterlegene Streitmacht der Preußen in Böhmen gewandt hatte, dürfte auch die Forderung des Königs, das Winterfeldt’sche Korps nach Tetschen zu entsenden, unangemessen gewesen sein, da seine eigene Armee die Kräfte hierfür eher hätte entbehren können. Prinz August Wilhelm kann man neben dem Umstand, dass er die Instruktion vom 4. Juli und einige andere Hinweise nicht richtig zu deuten vermochte, wahrscheinlich nur seine Unentschlossenheit am 15. Juli vorwerfen. Er hätte entweder versuchen müssen nach Gabel zum Entsatz der dortigen Truppen durchzubrechen oder die Vorhut unter General von Schmettau nach Zittau in Marsch zu setzen, um dort vor den Österreichern den Eckartsberg einzunehmen und somit die Stadt und das Magazin zu retten. Falls ihm Ersteres unmöglich erschien, weil es bedeutet hätte, mit 25.000 gegen rund 80.000 Mann anzutreten, dann wäre es dringend erforderlich gewesen, die zweite Option zu ergreifen und die Vorhut zu entsenden, zumal ab diesem Tag das Brot fertig und die Verpflegung der Truppen gewährleistet war. Denkbar ist aber, dass sich General von Winterfeldt massiv zu Gunsten des Entsatzes von Gabel ausgesprochen hatte. Wahrscheinlich wäre man aber in der Lage gewesen, sogar beide Optionen zu verfolgen. Den Tag aber verstreichen zu lassen, ohne sich in eine der beiden Richtungen zu bewegen, war sicherlich die schlechteste Entscheidung in Anbetracht der ohnehin schon kritischen Lage, die eine sehr entschlossene Handlungsweise erforderlich machte. Insofern konnte das Verhalten des Prinzen an diesem Tag berechtigten Anlass zum Verdacht geben, dass er nicht fähig war, unter Druck entschlossen zu handeln und die Armee zu führen.
IV.5. Der langsame Rückzug aus Böhmen403
Für die Unentschlossenheit, die Prinz August Wilhelm hierbei zeigte, kann man vielleicht angesichts seiner Unerfahrenheit in so einer schwierigen Lage und seiner vorsichtigen charakterlichen Disposition noch Verständnis aufbringen, obwohl das Ausmaß, in dem er sie an den Tag legte, rückblickend ein wenig irrational erscheint. König Friedrichs Entscheidung, ihn trotz seiner zögerlichen Persönlichkeit zum Befehlshaber dieser Armee zu ernennen, ist hingegen kaum nachzuvollziehen, weil dies eigentlich zwangsläufig mit seinen kühnen Operationsvorstellungen kollidieren musste. Insofern stellt sich die Frage, was den König letztlich bewog, seinen Bruder dieser kritischen Situation auszusetzen. Das differenzierte Bild, das sich aus dem Journal des Prinzen und dem Briefwechsel mit Friedrich ergibt, lässt die Frage zu, ob es sich hierbei auch um ein äußerst subtil eingefädeltes Komplott seitens des Königs gehandelt haben könnte, um sich seines Bruders als Liebling seines Vaters und potentiellen Anwärters auf den Thron zu entledigen. Die alternative Deutung der Ereignisse würde schlicht und ergreifend darauf hinauslaufen, dass der König die Lage, in die er seinen Bruder hineinmanövriert hatte, in ihrer sich dann entwickelnden Komplexität und Brisanz massiv unterschätzt hatte. Letzteres würde belegen, dass Prinz August Wilhelm mental ebenso wenig in der Lage war, die Situation zu beherrschen, wie Friedrich selbst, zumal er sich hinsichtlich der Fourageund Erntesituation in Böhmen und Sachsen komplett verschätzt hatte. Vor allem Hauptmann von Gaudi, Feldmarschall Keith, Prinz Ferdinand und natürlich auch General Moritz zu Anhalt-Dessau kritisierten implizit oder ganz offen die Entscheidung des Königs, mit den Truppen in Böhmen zu bleiben. In diesem Sinne urteilte auch Oberstleutnant von Warnery ganz unverhohlen negativ über die Befehle des Königs: „Der Prinz von Preußen, welchem dieser Rückzug so viel Kränkung und sogar Tod verursachte hat hundertmal gesagt, wenn es von ihm abgehangen hätte, so würde er aber ohne Aufenthalt bis Zittau zurückgegangen seyn, er hätte aber ausdrückliche Befehle vom König gehabt in Böhmen zu bleiben, um die Fourage daselbst aufzuzehren und Sachsen zu schonen. Es ist aber bekannt, daß Friedrich nie Unrecht haben will […]“255.
Tatsächlich zeigte sich auch während des Rückzugs, dass die Preußen in enormem Umfang, sei es durch die Schiffe auf der Elbe oder die riesigen Wagenkolonnen, die aus der Oberlausitz oder Schlesien die Nahrungsmittel heranführten, auf externe Ressourcen angewiesen waren und nicht ausschließlich mit den lokalen Ressourcen in Böhmen auszukommen vermochten. Insofern hätte der verzögerte Rückzug aus logistischer Sicht sogar noch desaströser enden können, wenn es den Österreichern gelungen wäre, in großem Ausmaße den Nachschub zu unterbrechen oder den preußischen Verband direkt anzugreifen. Dass es nicht dazu kam, war vor allem dem Umstand geschuldet, dass sie bei ihrem Vormarsch schon bald unter ähnlich großen Versorgungsproblemen litten wie die Preußen. Geschuldet war dies der Ausbeutung der Ressourcen in den nordböhmischen Kreisen durch Letztere, der Ausdehnung der Verbindungslinien im Operationsraum sowie der extremen Auslastung der Transportkapazitäten im Hinterland, weil man ge255 Warnery, Charles Emmanuel de, Feldzüge Friedrichs des Zweyten von Preußen seit 1756 bis 1762. Erster Teil, Seite 164.
404
IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
zwungen war, die Magazinbestände aus Südböhmen zu verlegen und weitere Nahrungsmittel aus Ober- und Niederösterreich zu beschaffen. Dennoch erzielten die Österreicher mit der Eroberung Gabels und der Gefangennahme der dortigen Besatzung, der Einnahme Zittaus und dem Gewinn der dortigen Magazinvorräte sowie den Verlusten an Transportwagen, Backöfen und Geschützen, die sie den Preußen im Rahmen des Rückzuges zufügten, bedeutende Erfolge, deren Tragweite sich in vollem Umfang sogar erst noch zeigen sollte. Allerdings konnten sie die Armee des Prinzen aufgrund ihrer eigenen Versorgungsprobleme vor Ort nicht aufreiben und ihr dadurch gewissermaßen den Todesstoß versetzen. Offenbar waren die Österreicher in gewisser Weise überfordert, neben den 3 zuvor erwähnten Operationen unter schwierigsten logistischen Bedingungen auch noch eine umfassende Verfolgung mit größeren Kräften vorzunehmen. Die Verdienste der Kommandeure der leichten Truppen auf Seiten der Streitkräfte der Habsburger wie Beck, Haddik, Morocz und Nadasdy schmälerte dies aber nicht im Geringsten. Oberst Laudon sah sich auf dem linken Elbufer dagegen einer zu starken preußischen Streitmacht gegenüber, die darüber hinaus mit der Elbe über einen hervorragenden Transportweg und mit Dresden über eine exzellente Operations- und Versorgungsbasis verfügte, was sowohl die Rückführung und die Behandlung der Verwundeten als auch die Verpflegung von König Friedrichs Armee maßgeblich erleichterte. Allerdings trugen auch die frühzeitige Stationierung der zahlreichen Infanterieeinheiten auf der linken Elbseite, die Eskorten der Schiffe und die Gegenwehr der an der Elbe stationierten Deckungstruppen maßgeblich dazu bei, dass es den Preußen gelang, diesen Rückzugsweg für den Großteil der Zeit ausreichend zu sichern. Nur im Rahmen des Abmarsches auf dem Landweg konnten die Österreicher den Preußen größere Verluste bedingt durch deren vorübergehende Koordinierungsschwächen zufügen. Die Folgen für die Versorgung der preußischen Truppen blieben aber sehr begrenzt, sodass alle Teile der Armee des Königs, sieht man von den unberittenen Kavalleristen ab, voll einsatzfähig wieder nach Sachsen zurückkehrten.
IV.6. Zwischen operativem Stillstand und Fouragieren in der Oberlausitz IV.6.1. Das Eintreffen der Hauptkräfte beider Seiten in der Oberlausitz Im August 1757 konzentrierten sich die Streitkräfte beider Kriegsparteien in der Oberlausitz, was einen 5-wöchigen Operationsstillstand nach sich zog, dem normalerweise kaum Beachtung geschenkt wurde1, obwohl die Preußen in dieser Zeit die logistischen Grundlagen schufen, um die verlorene Initiative teilweise zurückzuerlangen. Bevor Feldmarschall Keith seinen Marsch aus der Dresdner Umgebung fortsetzte, fanden am 1 Siehe
Jany, Curt, Geschichte der Königl. Preuß. Armee, Bd. 2, Seite 425 f.
IV.6. Zwischen operativem Stillstand und Fouragieren in der Oberlausitz 405
30. und 31. Juli einige Umgruppierungen statt. So wurde das Korps zwischen ihm und dem General der Infanterie Moritz zu Anhalt-Dessau geteilt. Auch diese Verbände erhielten Verstärkung durch die Soldaten der ehemals sächsischen Regimenter Prinz Friedrich und Wylich, die man nun auflöste. Während Keith mit seinem Korps in die Oberlausitz abrückte, übernahm General Moritz zu Anhalt-Dessau mit 10 Musketier- und 4 Grenadierbataillonen sowie 20 Eskadrons Kavallerie und dem Freibataillon Meyer für einen Monat die Deckung Dresdens. Sie bezogen Position im Lager von Cotta und verteilten sich in einer Tiefenstaffelung über Gottleuba und Berggießhübel in das Erzgebirge, um die Region gegen Laudons Korps an der sächsischen Grenze zu schützen. Das Korps erhielt einen beträchtlichen Teil der Artillerie und der Munitionsvorräte, denn einige Tage später befanden sich im Lager noch 6 24-Pfünder und 9 12-Pfünder sowie 17 Munitionswagen für das Geschützmaterial und weitere 92 Munitionswagen, von denen aber nur 1 Drittel mit Flinten- oder Karabinerpatronen beladen war, während der Rest für die Beförderung der Artilleriemunition und des Schanzzeugs verwendet wurde2. Von seiner Infanterie, den Freitruppen und der Artillerie stehen genaue Zahlen zur Verfügung. Tabelle 67 Preußische Infanterie und Artillerie im Lager bei Groß-Cotta am 7. August 17573 Soll-Stand
Ist-Stand der Einheit vor der Umverteilung
Abgabe von sächsischen Regimentern
Ist-Stand der Einheiten nach der Neuzuteilung
Grenadierbataillone
Mann
Mann
Mann
Mann
Billerbeck
754
677
92
769
Finck
754
648
118
766
Ramin
754
644
124
768
Wedell
754
627
139
765
Summe
3.016
2.596
473
3.068
Name der Einheit
2 Siehe LASA, DE, Z44 Abt. Dessau, A 9b VIb, Nr. 10, Bd. V (Verschiedene Militaria aus des Fürsten Moritz von Anhalt in preußigen Jaare 1757), Blatt 176 Vorder- und Rückseite. 3 Zu sämtlichen Angaben in dieser Tabelle mit Ausnahme der Sollstärken der Einheiten siehe LASA, DE, Z44 Abt. Dessau, A 9b VIa, Nr. 77, Blatt 8 Vorderseite.
406
IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757 Soll-Stand
Ist-Stand der Einheit vor der Umverteilung
Abgabe von sächsischen Regimentern
Ist-Stand der Einheiten nach der Neuzuteilung
Mann
Mann
Mann
Mann
3.016
2.596
473
3.068
Alt-Braunschweig
1.808
1.695
317
2.012
v. Forcade
1.808
1.518
602
2.120
Hessen-Darmstadt
1.808
1.588
246
1.834
v. Goltz
1.808
1.676
405
2.081
v. Kleist
1.808
1.628
402
2.030
Zwischensumme
9.040
8.105
1.972
10.077
Freibataillon Meyer
700
526
95
631
Name der Einheit
Summe Gren.Btl. Infanterieregimenter
152
Artillerietrain Gesamtsumme
12.756
11.228
2.482
13.895
Wie man sieht, stammen sie zwar schon vom 7. August, dokumentieren aber ausführlich die Auflösung und Umverteilung der Mannschaften aus den ehemals sächsischen Regimentern und lassen erneut Rückschlüsse auf die Stärke der preußischen Einheiten und Verbände zu. Der Artillerietrain war von der Neuverteilung besonders stark betroffen, denn offenbar wurde er in diesem Rahmen als separate Einheit neu aufgestellt. Aber auch fast jedes Grenadierbataillon und Infanterieregiment wurde mit und ohne Stab gleichermaßen in einen überkompletten Stand versetzt, der zum Teil 10 bis 11 % über der Sollstärke lag. Mit den Kürassierregimentern von Driesen und Leibregiment sowie dem Husarenregiment von Szekely betrug die Gesamtstärke des Deckungskorps unter General Moritz zu Anhalt-Dessau wahrscheinlich über 15.000 Mann, die wohl überwiegend aus Dresden versorgt wurden. Im Rahmen ihres Rasttages erhielten auch jene Truppen, die nun unter Feldmarschall Keith ihren Weg Richtung Oberlausitz fortsetzten, Verstärkung durch die sächsischen Soldaten. Wenn die Werte der oben angeführten Infanterieeinheiten repräsentativ waren und man für die Eskadrons der Kavallerie abermals die Durchschnittsstärke von 132 Mann veranschlagt, dann würde dies auf Keiths Korps angewendet bedeuten, dass die 7 Musketier- und 3 Grenadierbataillone sowie 1 Freibataillon und 40 Eskadrons in etwa 15.100 Mann zählten4. Nach dem Rasttag am 1. August marschierte der Verband am 4 Die Infanteriebataillone überkomplett, durchschnittlich gerechnet zu 994 Mann, die Grenadierbataillone zu 767 Mann. Das Freibataillon genau in derselben Stärke wie oben mit 631 Mann veranschlagt.
IV.6. Zwischen operativem Stillstand und Fouragieren in der Oberlausitz 407
nächsten Tag durch Dresden und überquerte mittels der dortigen Brücke die Elbe, bevor er am übernächsten Tag bis Klein-Wölmsdorf bei Radeberg vorrückte und von dort am 4. August in 2 Kolonnen in die Lager bei Demitz-Thumitz und Rothnaußlitz gelangte5. Hier sollte die Streitmacht nun während der 10 kommenden Tage verweilen. Mit der Armee des Prinzen August Wilhelm und dem Korps des Königs dürften sich 64–69 Bataillone und bis zu 133 Eskadrons Kavallerie in der Oberlausitz befunden haben. Die Zusammensetzung des Infanteriekontingents in der Armee des Prinzen ist kaum zu ermitteln, weil die Regimenter Moritz und Bevern zur Komplettierung in ihre Kantons nach Pommern zurückgeschickt wurden, während die ehemalige Besatzung von Zittau und die eingegliederten sächsischen Einheiten hinzukamen, sodass der Verband nur aus 35 bis 40 Bataillonen bestand. Inklusive der 70 Eskadrons Kavallerie zählte die Streitmacht wohl an die 40.000 Mann. Mit dem Korps des Königs, das nach der Eingliederung der Sachsen bis zu 17.500 Mann aufbot, den 15.100 Mann unter Feldmarschall Keith sowie den 15.000 Mann des Deckungskorps konnten die Preußen Anfang August 1757 an Feldtruppen immer noch 85.000 bis 90.000 Mann im sächsischen Operationsgebiet aufbieten, darunter vorerst 72.500 in der Oberlausitz, was deutlich über den traditio nellen Schätzungen liegen würde6. Ein Fleischer, der von der preußischen Armee bei Bautzen nach Muskau zurückgekehrt war, berichtete, dass die preußischen Truppen dort sogar um die 80.000 Mann zählten7. Der wichtigste Anhaltspunkt für diese Größenordnung ist der Brief eines preußischen Soldaten aus Bautzen, den die Österreicher wenig später erbeuteten. Er bemerkte, „[i]ezo stehen wir 80000 Mann stark auf dieser Seithe von der Stadt Zittau, und die Österreichische Armée auf der anderen Seithe […]“8.
Der Umstand, dass auch die österreichische Aufklärung den Umfang der gegnerischen Streitkräfte in der Oberlausitz mit 70.000–80.000 angab9, hing wohl damit zusammen, dass sie enormen Personalersatz erhielten. Schon Ende Juli hatte General Beck berichtet, dass die Preußen 10.000 Rekruten erwarteten10. Wahrscheinlich ist dies allemal, da General Nadasdy von einem Rittmeister, der mit seinen Husaren bis nach Spremberg gestreift war, am 9. August erfuhr, dass in der dortigen Umgebung tatsächlich Ausschreibungen Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 3: 1757, Teil 2, Seite 121–123. und im Anschluss an ihn das Generalstabswerk veranschlagten 66.432 Mann für den Operationsraum und 56.735 Mann für die Oberlausitz. Siehe GStAPK, IV. HA., Rep. 15 A, Nr. 614: Etatsmäßige Stärke der preußischen Armee beim Einmarsch 1757 und ihre Verteilung auf die verschiedenen Kriegstheater, Blatt 72 Vorderseite. 7 Siehe Stadtarchiv Cottbus A. I., 14 Militaria, 4, Bd. I: Acta und Nachrichten betreffend, die während des jetzigen Krieges abzustattenden Relationes, 1756 et 1757. Schreiben vom 30. Juli 1757. Der Fleischer war selbst nicht in Cottbus vorstellig geworden. Stattdessen war der ehemalige Unteroffizier des Schwerin’schen Regiments namens Lämbschen diesem in Muskau begegnet. 8 OestKA, AFA, Nr. 607: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 VIII (401–Ende), Faszikel ad 402. 9 Siehe ebd., Faszikel 562a und Faszikel 677. 10 Siehe OestKA, AFA, Nr. 605: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 VII (451–Ende), Faszikel 695. 5 Siehe
6 Mauerhoff
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IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
für 9.000 brandenburgische Rekruten zirkulierten11. Vor diesem Hintergrund dürfte die angegebene Stärke von 80.000 ein guter Richtwert sein, auch wenn man bedenkt, dass nicht alle Rekruten eintrafen und wieder Abgänge durch Kranke und einige Deserteure zu verzeichnen waren12. Die Stärke der Österreicher belief sich Anfang August inklusive der leichten Truppen ebenfalls auf rund 80.000 Kombattanten13, wovon die 57.392 Infanteristen bei der Hauptarmee wohl den Großteil stellten14. Die rund 15–20.000 Mann der Vorhut waren unter ihren Befehlshabern Kalnocky, Haddik und Beck relativ weit vorgerückt und verteilten sich in einem weiten Bogen von Stolpen über Großpostwitz bis Löbau15.
Abbildung 40: Operative Lage im Operationsgebiet Anfang August 175716 11 Siehe OestKA, AFA, Nr. 606: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 VIII (1–400), Faszikel 354. Die Entsendung dieses Rittmeisters war offensichtlich am 6. August durch den Oberst Kalnocky erfolgt. Siehe ebd., Faszikel 305. 12 Die Anzahl der preußischen Deserteure war sehr gering und belief sich bis Mitte August meist auf 10–20 Mann pro Tag, worunter viele auch gar nicht zur Kampftruppe, sondern zu den Knechten zählten. Siehe OestKA, AFA, Nr. 606: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 VIII (1– 400), Faszikel 21, 26, 37, 41, 63 und 67. 13 Siehe OestKA, AFA, Nr. 606: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 VIII (1–400), Faszikel 337 ½. Im Gegensatz dazu die Behauptung des Generalstabswerkes, wonach die Österreicher doppelt so stark gewesen seien. Vgl. Großer Generalstab, Die Kriege Friedrichs des Großen. Dritter Theil, Bd. 3: Kolin, Seite 164. 14 Siehe OestKA, AFA, Nr. 606: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 VIII (1–400), Faszikel 7. 15 Zur Verteilung über diese Ortschaften siehe ebd., Faszikel 218, Faszikel 235 und Faszikel 265. 16 Karte adaptiert nach: Der große illustrierte Weltatlas, Seite 117.
IV.6. Zwischen operativem Stillstand und Fouragieren in der Oberlausitz 409
Man sieht deutlich, dass die Preußen durch die geschickte Verteilung ihrer Verbände die numerische Überlegenheit der Österreicher zu kompensieren vermochten. Letztere konzentrierten sich überwiegend bei Zittau, was vor allem für die Verpflegung der Pferde problematische Konsequenzen nach sich zog. Geschuldet war dies sowohl den geringen Ressourcen vor Ort und als auch den langen Nachschubwegen zwischen der Armee und den Magazinen in Böhmen. Oberbefehlshaber Karl von Lothringen gab daher am 8. August Folgendes zu Protokoll: „Nous ne pouvons tirer jusqu’a cette heure nos subsistances que de la Bohême par Gabel; car les peu que nous tirons de la Silesie doit etre regadre comme un hazard, et la petite partie du Terrain, que nous occupons dans la Lusace, ne peut être compte comme une resource. Notre Position d’ailleurs est avantageux pour nous de soutenir, mais difficile pour opérer puisque en nous eloigent d’ici nous pourrions courir le risqué de perdre notre communication avec la Bohême, et de nous trouvent par conséquent dans un grand embarrass pour les subsistances“17.
IV.6.2. Die Organisation der Truppenverpflegung bei Bautzen und die ersten Fouragierungen Die Versorgungsprobleme der Österreicher verschafften den Preußen selbst die nötige Ruhepause, um in einer gewissen räumlichen Distanz zum Gegner ihre eigenen Ange legenheiten wieder zu ordnen. Aufgrund dessen waren sie während der gesamten ersten Augusthälfte fast ausschließlich mit der Lebensmittelbeschaffung für Mensch und Tier sowie dem Schutz des hierfür erforderlichen Nachschubs und der Eintreibung beschäftigt. Das Zentrum der Verpflegungsorganisation war schon seit den letzten Julitagen Bautzen. Die Stadt verfügte über hervorragende Voraussetzungen, weil sie ein enormes Verteidigungspotential besaß, was die Sicherung der Vorräte und der erforderlichen Einrichtungen stark erleichterte. Die Ortenburg, die den nordwestlichen Eckpfeiler der Stadt bildete, konnte mit ihrer dominierenden Höhenlage über der Spree im Notfall auch einer kleineren Besatzung noch als letzter Rückzugsort dienen. Hieran schloss sich die imposante spätmittelalterliche Stadtmauer an, die den Innenstadtbereich umgab. Diese innere Mauer besaß eine Höhe von 4,53 Meter und eine Dicke von 1,56 Meter18. Die äußeren Stadtmauern, die sämtliche Vorstädte umschlossen, waren zwar 4 Meter hoch, aber auch nur 0,85 Meter dick19. Wahrscheinlich entschlossen sich die Preußen deshalb, die Mauern von innen zusätzlich mit Erdwällen zu verstärken und zahlreiche Schanzen mit Palisaden und Geschützständen zu errichten, wofür auch die 80 Jahre alten Linden auf der Schießbleiche und die 100 Jahre alten Eichenbäume gefällt wurden20. Neben den Stadtmauern waren es aber vor allem die zahlenreichen Wehrtürme wie der 56 Meter hohe Reichenturm und der 83 Meter hohe Turm des Doms, 17 OestKA, AFA,
Nr. 606: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 VIII (1–400), Faszikel 337 ½. Wilhelm, Felix, Die mittelalterlichen Befestigungen der Stadt Bautzen und die Gründe für ihren teilweisen Abbruch, Seite 6. 19 Vgl. ebd., Seite 20. 20 Siehe SächsStFilA-BZ, 68001 Handschriftensammlung, U III 180, Chronik Bautzen, Seite 533. 18 Vgl.
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IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
die in Kombination mit der erhöhten Altstadtlage von 229 Metern über dem Meeresspiegel dazu beitrugen, dass man den Großteil der Umgebung nach Osten bei klarer Sicht, wie sie im Sommer recht häufig vorkommt, 50 und mehr Kilometer überblicken konnte21. Auf diese Weise war man zumindest in der Lage, in den waldfreien Gegendengrößere Truppenbewegungen gut zu erkennen. Das Bild zeigt den heutigen Blick nach Osten vom Turm des Doms. Am Horizont sieht man die Landeskrone bei Görlitz.
Abbildung 41: Heutiger Blick von Bautzen auf die Landschaft der östlichen Oberlausitz22
Diese günstige Position hatte natürlich einen erheblichen Vorteil bei der Aufklärung gegnerischer Bewegungen sowie der Koordination und Kontrolle der eigenen Aktionen zur Folge. Außerdem konnte man in den 687 Häusern eine beträchtliche Anzahl von Soldaten einquartieren23. Hinzu kamen noch die Ortenburg und einige größere Versammlungs- bzw. Verwaltungsgebäude der Stände der Oberlausitz, die geistlichen Gebäude des Domstifts und zur Not auch der Dom, die genutzt werden konnten. Neben den 10 geistlichen Gebäuden gab es in der Stadt auch noch 3 Hospitäler und 1 Waisenhaus24, 21 Beide Türme können heute noch besichtigt und bis zu den Spitzen bzw. Aussichtsplattformen bestiegen werden. Man erhält von ihnen einen hervorragenden Überblick über die Oberlausitz und kann sich somit eine äußerst plastische Vorstellung von den visuellen Aufklärungsmöglichkeiten, die die Stadt mit diesen Gebäude bot, verschaffen. Im Turm des Doms befindet sich eine Sichtobjekterklärung für die verschiedenen Himmelsrichtungen mit Entfernungsangaben in Kilometern, welche die räumliche Orientierung sehr begünstigen. 22 Fotoaufnahme des Autors. 23 Zu den Häuserzahlen siehe SächsStFilA-BZ, 50009 Oberamt des Marggraftums Oberlausitz, Nr. 126: Einsendung derer Feuerstädte in den Sechsstädten betreffend 1715. 24 Siehe ebd.
IV.6. Zwischen operativem Stillstand und Fouragieren in der Oberlausitz 411
die sich auch für die Einrichtung von Lazaretten anboten, wobei sich vermutlich auch der Umstand angenehm bemerkbar machte, dass aus dem böhmischen Gebirge oftmals Winde in das Hügel- und Flachland der Oberlausitz strömen, die vermutlich schon damals in der Stadt für eine gute Durchlüftung der Gassen und Häuser sorgten. Darüber hinaus verfügte Bautzen u. a. über 1 Pulver- und 4 Mahlmühlen25, die theoretisch für die Ergänzung der eigenen Pulver- und Mehlbestände äußerst wertvoll sein konnten, zumal allein die Neue Mühle in Bautzen nach Johann George Schreibers Plan von 1710 über nicht weniger als 16 Mahlgänge verfügte26. Der folgende Ausschnitt aus seinem zeitgenössischen Plan zeigt noch einmal, wie man sich die Bautzener Innenstadt mit ihren Verteidigungsanlagen und die Orte, wo die Öfen errichtet wurden, vorzustellen hat.
Abbildung 42: Zeitgenössischer Plan des befestigten Bautzens mit Bäckereistandorten27
25 Siehe
ebd. http: / / www.deutschefotothek.de / documents / obj / 70302189 / df_dk_000074 (letzter Zugriff am 11.05.2017). 27 Bild adaptiert nach ebd. (letzter Zugriff am 11.05.2017). 26 Vgl.
412
IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
Aus Dresden hatte das dortige Feldkriegskommissariat bereits am 24. Juli den Bau von 10 Backöfen auf dem Schloss Ortenburg angeordnet, wobei man sich darüber im Klaren war, dass diese nicht vor dem 30. Juli fertig sein würden. Dies ist sicherlich nicht verwunderlich, denn tatsächlich benötigte man für den Aufbau dieser Öfen, der einen Tag später beginnen sollte, jeweils 2.000 Steine, zusammen also 20.000 Stück, sowie 50 Arbeiter und große Mengen von Sand und Lehm, die alle mit Fuhrwerken herbeigeschafft werden mussten28. Daher begannen die Dörfer Auritz, Bobliz, Oehna, Oberkeina und Preuschwitz schon am nächsten Tag 34 und an den darauffolgenden Tagen jeweils 20 Pferde zu stellen29. Diese wurden zu 5–8 vierspännigen oder 10–17 zweispännigen Wagen verspannt, was mit einer Transportkapazität von 5 bis 8 Tonnen gleichzusetzen ist. Wie sich noch zeigen wird, konnte man pro Tag aber nur 750–1.200 Steine befördern, sprich in 4 Tagen gerade zwischen 3.000 und 4.800 Stück, was maximal kaum einem Viertel der erforderlichen Menge entsprach. Dies war aber nicht das einzige Problem, mit dem die Preußen zu kämpfen hatten, denn neben den Backöfen benötigte man viel Mehl für die Herstellung der Brote. Daher hatte das Feldkriegskommissariat der schlesischen Truppen schon am 30. Juli die Lieferung von 1.500 Scheffeln, sprich 125 Tonnen, je zur Hälfte Korn und Mehl, angeordnet. Das Problem bestand jedoch darin, dass das Korn in Bautzen bzw. in der Nähe von Weißenberg nur langsam oder gar nicht vermahlen werden konnte, weil an der Spree die Wassermühlen wegen des Niedrigwassers ausgefallen waren30. So behaupteten die Bautzener Müller, dass sie nicht in der Lage seien, mehr als 6 Scheffel pro Tag zu vermahlen, was bedeutete, dass man über 40 Tage benötigt hätte, um den Kornanteil der Ausschreibung in Höhe von 750 Scheffeln zu verarbeiten31. Folglich konnte man von den ausgeschriebenen Liefermengen in absehbarer Zeit, wenn überhaupt, nur den Mehlanteil, der umrechnet 62 Tonnen entsprach, nutzen. Damit waren die 57.500 Mann, die sich bis zum 1. August in der Oberlausitz aufhielten, bei rund 60.000 Portionen und einem Tagesverbrauch von 50 Tonnen Mehl nicht länger als 1 Tag zu versorgen, sodass sich schon früh der Bedarf an großen Mehlzufuhren abzeichnete. Zur Erleichterung der angespannten Situation trug wohl der Umstand bei, dass König Friedrich bei seiner Ankunft aus Dresden am 1. August 600.000 Portionen Brot mitge-
28 Siehe Stadtarchiv Bautzen, 62000 Altes Archiv, VII K, Nr. 75: Die Anlegung von 10 Backofen auf dem Schloße alhier vor die königl. Preuß. Trouppen ergangene Ordre dergl. Materialien und Arbeiter und diesfalls gethane Vorstellung mense Julii 1757, Specification B und D vom 25. July 1757. 29 Siehe ebd., 62000 Altes Archiv, VII K, Nr. 65 / I: Kriegsprästationen im Jahre 1757 und derselbigen Berechnungen, Vorspannprotokoll von Januar bis Juli 1757. 30 Siehe SächsStFilA-BZ, 50001 Landstände der sächs. Oberlausitz, F XXV Siebenjähriger Krieg, Nr. 2710: Schreiben der Deputierten Stände der Oberlausitz am 20. Juli 1757 oder Stadtarchiv Bautzen, 62000 Altes Archiv, VII K, Nr. 74 / 1: Lieferung und Anfuhre von Back-, Bau- und Brennholtz nach Budissin, Görlitz und Lauban 1757, Schreiben des Bürgermeisters und Raths aus Budissin am 19. Julii 1757. 31 Siehe Stadtarchiv Bautzen, 62000 Altes Archiv, VII K, Nr. 148: Militärsachen 1756–1759, Schreiben Johann Andreas Belischs Budißin am 1. August 1757.
IV.6. Zwischen operativem Stillstand und Fouragieren in der Oberlausitz 413
bracht hatte32, mit denen die knapp 60.000 Soldaten 9–10 Tage und die sich dann einfindenden 70–80.000 Mann 7–8 Tage versorgt werden konnten. Ihm zufolge war die Verpflegung aber nur bis zum 5. August gewährleistet33, was vermutlich damit zusammenhing, dass die Truppen seines Korps seit ihrem Abmarsch aus der Dresdner Gegend von diesen Vorräten zehrten. Dennoch schufen die Brotvorräte vorübergehend die dringend erforderliche Aushilfe, da die Verbackung und der Aufbau der anderen Öfen wegen der Probleme bei der Holzbeschaffung und der fehlenden Mauerziegel schleppend vorangingen. Bereits am 1. August hatte man die Stände der Oberlausitz nachdrücklich ermahnt, mit der Lieferung der 4.000 Klafter Holz für die Feldbäckerei endlich zu beginnen34. Dies entsprach rund 4.200 Tonnen, womit nicht weniger als 20.000 einzelne Backgänge bestritten werden konnten, d. h. bei 10 Öfen 2.000 Backgänge pro Stück, was bei höchstens 5-mal Backen pro Tag für 400 Tage gereicht hätte. Für die Heranführung dieser immensen Menge sollten täglich 100 Wagen eingesetzt werden. 5 Tage später waren die Preußen wegen der langsamen Lieferungen bereits recht ungeduldig, zumal Generalmajor von Retzow schon im Winter bzw. März des Jahres die Bevorratung mit 1.000 Klaftern befohlen hatte35. Von den geforderten 4.000 Klaftern sollten gemäß der ursprünglichen Zuweisung 1.225 der Bautzener Kreis, 924 der Görlitzer Kreis, 425 die Stadt Bautzen, 633 die Stadt Görlitz, 434 die Stadt Zittau und die übrigen Sechsstädte Kamenz, Lauban und Löbau die restlichen 299 Klafter liefern36. Ob diese Zuteilung angesichts der österreichischen Kräfte, die inzwischen schon den Großteil der südöstlichen Oberlausitz besetzt hatten, noch aktuell war, dürfte mehr als fraglich sein. Dennoch bezogen sich die Preußen, die schon seit 2 oder 3 Tagen auf die Lieferungen für die neue Verbackung angewiesen waren, bei ihrer verschärften Drohung am 8. August noch auf diesen Schlüssel: „Bereits unterm 6 dieses ist E. Hochedl. Magistrat bekandt gemacht, diejenige 425 Clafftern Holtz an die hiesige Bäckerey ohne den geringsten Anstand abzuliefern, welche dieselben nach ihrer Proportion zu denen 4000 Clafftern, die die hochlöbl. Oberlausitzschen Stände nach dem Ausschreiben H. General v. Retzow Hochwohlgeboren abliefern sollen, abzuliefern schuldig. Da aber zur Zeit darauf noch nichts erfolget; So haben Wir hieran abermahls erinnern und demselben bekandt machen sollen, daß annoch heute ganz unausbleiblich die Execution erfolgen wird, wenn nicht ein guten Anfang mit der Lieferung gemachet wird, und sollte gar ein Mangel an Holtz sich ereignen, würde man wieder Willen auch einige Scheunen und Stallungen einreißen lassen müssen, um einen Vorrath Holtz zu gelangen.
Friedrich II., Politische Correspondenz, Bd. 15, Nr. 9250. ebd. 34 Siehe SächsStFilA-BZ, 50001 Landstände der sächs.Oberlausitz, F XXV Siebenjähriger Krieg, Nr. 2711, Schreiben Beggerows und Normanns vom 1. August 1757. 35 Siehe ebd., Schreiben Beggerows an Landessekretär Fiedler am 6. August 1757. 36 Siehe SächsStFilA-BZ, 50001 Landstände der sächs. Oberlausitz, F XXV Siebenjähriger Krieg, Nr. 2711: Schreiben des Landessekretärs Fiedlers vom Landessteueramt am 7. August 1757. 32 Siehe
33 Siehe
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IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
Budißin, den 8. Aug. 1757 Königl. Preuß. Feld-Kriegs-Commissariat v. Beggerow v. Normann“37.
Nun riss aber nicht nur dem Feldkriegskommissariat, sondern auch dem Armeeintendanten Generalmajor von Retzow, der sich im Lager des Keith’schen Korps bei Rothnaußlitz aufhielt, der Geduldsfaden. Daher befahl er ebenfalls am 8. August dem Richter der Gemeinde Uhyst, alle dort vorhandenen Wagen, insgesamt 13 Stück, am sogenannten Taucher Wald mit trockenem Holz zu beladen, dies noch am selben Tag nach Bautzen zu liefern und die Anordnung zur Durchführung derselben Maßnahme an die Dörfer Glaubnitz und Glauschwitz zu schicken38. Probleme bereitete aber nicht nur die Heranführung des Holzes, sondern auch der Transport der Steine. Anfang August hatte man weitere 3.700 Stück angefordert, die mit 27 Wagen verteilt auf 25 Dörfer nach Bautzen geschafft werden sollten, wobei die vierspännigen Wagen in der Regel 100–150 Stück luden39. Für den Aufbau der mobilen Eisenöfen verlangte man weitere 40.000 Ziegel, von denen bis zum 6. August aber zu wenige eintrafen, sodass das Feldkriegskommissariat der schlesischen Truppen den Landessekretär Fiedler aufforderte, unverzüglich 15.000 Stück zu beschaffen, wovon die ersten 7.000 noch am selben Tag und die nächsten 8.000 am darauffolgenden Tag bis 11 Uhr ankommen sollten40. Geschuldet waren die Lieferungsverzögerungen an Steinen und Holz wohl in erster Linie der Wagenknappheit. Laut Landessekretär Fiedler konnte die Holzbevorratung zuvor nicht in ausreichendem Maße betrieben werden, weil im April des Jahres die 408 vierspännigen Wagen zum Fouragetransport nach Zittau gestellt werden mussten und seit dem Anfang des Jahres mindestens 1.000 Zugtiere verloren gegangen waren41. Ob die Situation deswegen dramatische Dimensionen annahm, ist fraglich, denn eigentlich dürften noch genügend Wagen zur Verfügung gestanden haben. Für gewöhnlich ging man nämlich davon aus, dass die Anzahl der Zugtiere mit der Anzahl der Rauche oder der Feuerstellen in der Oberlausitz gleichzusetzen war42. Allein der Bautzener Kreis verfügte hiervon über 8.183 und mit dem Görlitzer Kreis betrug die Gesamtanzahl 13.819 Stück43. 37 Stadtarchiv Bautzen, 62000 Altes Archiv, VII K, Nr. 74 / 1: Lieferung und Anfuhren von Back-, Bau- und Brennholtz nach Budissin, Görlitz und Lauban 1757. 38 Siehe SächsStFilA-BZ, 50001 Landstände der sächs. Oberlausitz, F XXV Siebenjähriger Krieg, Nr. 2711: Schreiben Generalmajors von Retzow aus dem Lager von Rothnaußlitz am 8. August 1757. 39 Siehe ebd., Schreiben des Landescommissarats aus Budißin am 3. und 4. August. 40 Siehe ebd., Schreiben Beggerows und Normanns aus Budissin am 6. August 1757. 41 Siehe SächsStFilA-BZ, 50001 Landstände der sächs. Oberlausitz, F XXV Siebenjähriger Krieg, Nr. 2711: Schreiben des Landessekretärs Fiedlers vom Landessteueramt am 7. August 1757. 42 Siehe Stadtarchiv Bautzen, 62000 Altes Archiv, VII K, 65 / I: Kriegsprästationen im Jahre 1757 und derselbigen Berechnungen. Anonymes Schreiben. 43 Siehe Stadtarchiv Bautzen, 62001 Neues Archiv, Nr. 277: Nachricht was ein jegliches Dorff des Marggraftums Oberlausitz und zwar im Budißinschen Ober-Creyße, wohl vom Lande, als Städten an Rauchen […] und wem sie angehören. Die Zählung der Rauche bezieht sich auf das
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Folglich hätten nach dem erwähnten Abgang noch rund 12.800 Zugtiere zur Verfügung stehen müssen, was theoretisch einem Potential von 3.200 vierspännigen Wagen entsprach. Allerdings waren Anfang August der Großteil des Görlitzer Kreises und auch der Bautzener Oberkreis, sprich die Gebiete südöstlich von Bautzen in der Nähe der Gebirge sowie Richtung Löbau und Zittau, von den leichten Truppen der Österreicher besetzt, sodass nur noch ca. 4.200 Rauche im Bautzener Niederkreis verblieben44. Damit verringerte sich das Reservoir an vierspännigen Wagen schon auf 1.050 Stück. Die Wageneinbußen machten sich auch unmittelbar bei Bautzen bemerkbar. Die 35 stadtmitleidenden Dorfschaften verfügten mit 160 Pferden und 31 Ochsen theoretisch über ein Potential, das 45 vierspännigen Wagen entsprach45. Praktisch stand diese Menge aber nicht zur Verfügung, da 21 Dörfer von den Österreichern besetzt waren oder wenigstens unter ihrem Einfluss standen, sodass sich das Vorspannpotential für die Preußen zeitweilig auf 79 Zugtiere (64 Pferde, 15 Ochsen) reduzierte, die von 9 Dörfern gestellt wurden46. Laut dem Protokoll mussten die Anforderungen im Wesentlichen von den Dörfern Auritz, Burgk, Oberkeyna, Preuschwitz, Siebitz und Strehla bewältigt werden. Besonders groß war die Belastung zwischen dem 8. und 14. August, da pro Tag zwischen 22 und 32 Pferden gestellt wurden, die in der Regel als zweispännige Fuhrwerke Verwendung fanden, sodass zumeist 15 Stück zur Verfügung standen47. Die Tatsache, dass auch das Dorf Preuschwitz seit dem 7. August wieder Fuhren stellte, deutet darauf hin, dass jene Dörfer, die sich zunächst unter dem Einfluss der Österreicher befunden hatten, bis zu diesem Zeitpunkt wieder unter preußischer Kontrolle waren. Hierzu könnte auch das Dorf Uhyst am Taucher gezählt haben, das zeitweilig „wegen herumflanquierens derer Oesterreichisch. Husaren“48 keine Pferde zu entsenden vermochte. Wie es mit seinen 16 Pferden und 3 Ochsen überhaupt jene 13 Gespanne liefern sollte, die Generalmajor von Retzow meinte verlangen zu können, bleibt unklar, denn schon am 7. August beklagten sich die Einwohner über die geforderten Holzfuhren49. Vermutlich Jahr 1748. Hier wird ihre Gesamtanzahl in der Oberlausitz mit 14.819 Stück angegeben. Dies hängt offensichtlich damit zusammen, dass die Anzahl im Görlitzer Kreis mit 6.636 Rauchen um 1.000 Stück zu hoch veranschlagt wurde. Zur korrekten Anzahl der 5.636 Rauche im Görlitzer Kreis siehe Staatsarchiv Breslau (A. P. we Wrocławiu), Landständisches Archiv der Oberlausitz, Nr. 1250, Blatt 440 Vorderseite. 44 Siehe Stadtarchiv Bautzen, 62001 Neues Archiv, Nr. 277: Nachricht was ein jegliches Dorff des Marggraftums Oberlausitz und zwar im Budißinschen Ober-Creyße, wohl vom Lande, als Städten an Rauchen […] und wem sie angehören. 45 Stadtarchiv Bautzen, 62000 Altes Archiv VII K 65 / I: Tabelle über das bey sechs-städtisch mitleidenden Dorfschaften vorhandene Fuhrwesen. Angemerkt ist, dass die Wagen überwiegend zweispännig und schlecht waren. 46 Siehe ebd. Die Tabellen sind nur überschrieben mit „Der Stadt Budißin stadtmitleidenden Dorfschaften“ und leider auch nicht genau datiert. Es ist aber mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass sie aus den ersten Augusttagen des Jahres 1757 stammen. 47 Siehe Stadtarchiv Bautzen, 62000 Altes Archiv VII K 65 / I: Vorspannungs-, Transports- und Holtzfuhren Acta von 1 Aug. usqe. 48 Stadtarchiv Bautzen, 62000 Altes Archiv, VII K, Nr. 65 / I: Tabelle über das bey sechs-städtisch mitleidenden Dorfschaften vorhandene Fuhrwesen.
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IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
stellte seine Aufforderung am nächsten Tag schon die letzte Warnung dar, die den Mangel an Fuhrwerken überdeutlich zum Ausdruck brachte. Am 8. August sollten auch 2.500 Steine aus der Ziegelei von Baruth nach Bautzen geliefert werden, wofür insgesamt 20 Wagen von 11 Dörfern zu stellen waren50. Allein 5 Wagen hatte das Dorf Uhyst zu stellen. Wenn es sich hierbei um dasselbe Dorf handelte, in das Generalmajor von Retzow an diesem Tag den Holztransport ausgeschrieben hatte, dürfte es völlig unmöglich gewesen sein, beide Anforderungen zu erfüllen, weil alle Wagen schon durch die Holzlieferung in Beschlag genommen waren. Da es aber 2 Dörfer mit dem Namen Uhyst in der Oberlausitz gab, eines westlich von Bautzen und das andere nördlich von Bautzen an der Grenze zur Niederlausitz gelegen, ist es denkbar, dass diese Doppelbelastung in der historischen Realität gar nicht auftrat. Letzteres ist auch deshalb wahrscheinlich, weil der Großteil der Dörfer in der Wagenausschreibung vom 8. August, darunter Friedersdorf bei Lohsa, Steinitz, Kolitz und Milkel, alle im Umkreis des nördlichen Uhyst lagen51. Vermutlich hatte das Landeskommissariat damit auf die problematische Transportlage infolge der Besetzungen bei den stadtmitleidenden Dorfschaften reagiert und für die Steinlieferung Wagen aus den nördlichen Dörfern des Markgraftums Oberlausitz ausgeschrieben, die dem Zugriff der österreichischen Truppen weitestgehend entzogen waren. Letzteres galt wahrscheinlich auch für die rund 200 vierspännigen Korbwagen, die am 5. August für die Brotzufuhr geordert wurden und 3 Tage später in Bautzen eintreffen sollten, denn diese Wagen, die sich auch für 5 bis 6 Tage selbst mit Futter zu versorgen hatten, wurden größtenteils von den Dörfern westlich und nördlich Bautzens bis um Pulsnitz und Königsbrück gestellt, wobei in der Regel 1 Wagen auf 1 Dorf entfiel52. Durch das Ausweichen auf die entfernteren Gebiete konnte man vermutlich doch noch genügend Wagen mobilisieren, um die Zufuhrprobleme einigermaßen zu bewältigen und so den hohen Bedarf von 60.000 Ziegelsteinen und Holz weitestgehend zu decken53. Es scheinen sogar noch Reserven vorhanden gewesen zu sein, denn beim Domstift St. Petri
49 Siehe ebd. zur Anzahl der Pferde und Ochsen. Zur Klage der 13 Personen in Bautzen siehe Stadtarchiv Bautzen, 62000 Altes Archiv, VII K, Nr. 62: Schreiben Adam Traugott Jancovius Budißin den 7. August 1757. 50 Siehe SächsStFilA-BZ, 50001 Landstände der sächs. Oberlausitz, F XXV Siebenjähriger Krieg, Nr. 2711: Schreiben des Landescommissariats aus Budißin am 8. August 1757. 51 Siehe ebd. 52 Siehe SächsStFilA-BZ, 50001 Landstände der sächs. Oberlausitz, F XXV Siebenjähriger Krieg, Nr. 2711: Ausschreibung des Landescommissariat Budißin den 5. August 1757 und die zugehörigen Insinuationen. Faktisch trafen wohl zumindest 184 dieser Wagen ein. Siehe ebd., Protokoll Fiedlers vom 25. Aug. 1757. 53 Siehe Stadtarchiv Bautzen, 62000 Altes Archiv, VII K, Nr. 65 / I: Specification der Materialien vom 15. Sept. 1756 biß 20 Aug. 1757. Die Aufstellung zeigt, dass einmal 21.500 Ziegelsteine und ein weiteres Mal 37.500 Steine geliefert wurden. Leider sind die Zeiträume nicht genauer angegeben worden, sodass sich nicht ganz genau zuordnen lässt, ob dies Lieferungen für die preußische Feldbäckerei im August 1757 waren.
IV.6. Zwischen operativem Stillstand und Fouragieren in der Oberlausitz 417
in Bautzen waren die 18.200 Ziegelsteine, die Ende Juli zur Verfügung standen, Ende August immer noch vorrätig54. In jedem Fall erklärt es, wie es dann doch gelingen konnte, die Steinknappheit zu beheben und neben der Ortenburg, auf der Reitplane sowie am Kornmarkt noch weitere Backöfen anzulegen, wodurch sich die Gesamtanzahl auf 40 Stück erhöhte55, darunter wohl auch einige der mobilen eisernen Modelle. Für die Lagerung des Mehls hatte man in der Nähe der Bäckereien seit dem 8. August auch das Haus des Bürgers Johann Kockus am Reichentor in Beschlag genommen56. Die Öfen produzierten pro Tag offenbar 40.000 Brote57. Ob es sich dabei um jene handelte, die nach preußischem Standard 6 Pfund wogen oder eher 4 Pfund, wie es in der Oberlausitz üblich war, ist unklar. Der Tagesausstoß hätte damit entweder bei 120.000 oder 80.000 Brotportionen zu je 2 Pfund gelegen. Für das Backen waren bei diesen Größenordnungen pro Tag 45 Klafter Holz erforderlich58. Allein die Holzmengen, die aus dem unmittelbaren städtischen Umkreis Bautzens geliefert werden sollten, ermöglichten die Brotherstellung also für mehr als 9 Tage. Entscheidend war für die weitere Brotherstellung vor Ort aber die Behebung der Mehlknappheit, die in diesem Fall nur gelingen konnte, wenn man die erforderlichen Mengen aus Dresden heranführte. Allerdings hatte König Friedrich Feldmarschall Keith schon am 27. Juli befohlen, für 9 Tage Brot sowie Ochsen und Branntwein aus Dresden mitzubringen59. Offensichtlich wurde daraufhin ein Konvoi mit 600 Wagen zusammengestellt, die zur Hälfte aus dem Leipziger Kreis stammten60. Die Armee hatte auf diese Weise offenbar bis zum 3. oder 4. August 500 Wispel Mehl für die Herstellung der Brote erhalten61, wodurch die Truppenverpflegung bei dem zuvor erwähnten Tagesverbrauch 54 Siehe
Domstiftsarchiv Bautzen, A. I., Nr. 1518. Stadtarchiv Bautzen, 68001 Handschriftensammlung, U III 126, Chronik Bautzen. Die österreichische Aufklärung unter General Beck machte zwar nur 35 Öfen aus (siehe OestKA, AFA, Nr. 606: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 VIII [1–400], Faszikel 362), da sie aber schon die Anzahl der Öfen auf der Ortenburg nur auf 6 statt auf 10 veranschlagten, erklärt sich die Abweichung weitestgehend dadurch. Laut dem Bericht des örtlichen Chronisten standen 11 Öfen auf dem Rossmarkt und die anderen 17 auf dem Kornmarkt, an diesen 3 Stellen also mindestens 38 Stück. 56 Siehe Stadtarchiv Bautzen, 62000 Altes Archiv, VII K, Nr. 148 Militärsachen 1756–1759: Schreiben Beggerows und Normanns Budißin den 8. August 1757. 57 Siehe Stadtarchiv Bautzen, 68001 Handschriftensammlung, U III 126, Chronik Bautzen. 58 Bei 40.000 Broten zu 6 Pfund benötigte man pro Tag 90 Tonnen Mehl. Da man für das Verbacken eines Wispels Mehl ½ Klafter Holz benötigte, brauchte man in diesem Fall 45 Klafter Holz, d. h. 50–55 Tonnen. 59 Siehe LASA, DE, Z44 Abt. Dessau, A 9b VIb, Nr. 10, Bd. V (Verschiedene Militaria aus des Fürsten Moritz von Anhalt in preußigen Jaare 1757), Blatt 165 Vorderseite. 60 Siehe SächsStA Leipzig, 20443 Rittergut Königsfelde, Nr. 1557: Specification derer 4spännigen Wagen, welche Mehl aus Dreßden nach Bauzen fahren soll, und deswegen d. 28. July 1757 Abends in Dreßden sich einfinden. 61 Siehe SächsHStA-DD, 10024 Geheimer Rat, Loc. 9336 / 1: Journal des Preußischen Krieges 1756–1757, Blatt 359 Rückseite und 10025 Geheimes Konsilium, Loc. 6482 / 15: Königl. Preuß. 55 Siehe
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IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
von 50–60 Tonnen vorerst nur für 8–10 Tage, d. h. bis zum 14. oder 16. August, gesichert war. Vorerst genügte dies aber, da das gelieferte Brennholz ohnehin nicht länger reichte. Die Brotversorgung über längere Dauer machte weitere Mehlzufuhren dagegen unumgänglich notwendig. Bei der Versorgung mit Fleisch und anderen Lebensmitteln waren die Soldaten nahezu ausschließlich auf die lokalen Ressourcen angewiesen, was angesichts des theoretischen Potentials von fast 40.000 Ochsen und 50.000 anderen Rindern in der Oberlausitz kaum Probleme bereitet haben dürfte62. Faktisch häuften sich schon seit Ende Juli kontinuierlich die Beschwerden über die Requisitionen der preußischen Truppen in den Dörfern südöstlich von Bautzen, wo die ausgemergelten Einheiten der Armee des Prinzen August Wilhelm aus Löbau eintrafen. Das Dorf Strehla wurde am 28. Juli zum ersten Mal geplündert63. Wie die folgende Beschwerde der Untertanen zeigt, hatte sich die Lage in den nächsten Tagen weiter verschärft. „Budißin, den 3. August 1757 Dato erscheinen Mattes Zieschanck Andreas Lehmann und Peter Reckisch, allerseits Rathsunterthanen von Strehla, Und stellten wehmütig vor, wie sehr sie die Zeit über als die königl. Preuß. Trouppes in ihrer und hiesiger Gegend sich gelagert mitgenommen worden. Sie hatten nicht nur ein ganzes Bataillon Grenadiers zur Einquartierung bekommen, davon in einem Hoffe zu 130 biß 140 Mann lägen, sondern sie hätten auch denen rothen und braunen Husaren alles was sie an Victualien vorräthig gehabt geben müssen, wovor sie nicht das mindeste bezahlet und ietzo da sie nicht das mindeste mehr hätten wollten sie zwingen daß sie gleichwohl noch mehr schaffen sollten. Besonders dringen die Schlächter und Fleischer bey der Armée in sie und bedrohen sie mit der Gewalt, daß sie ihnen noch mehreres Vieh überlassen sollten. Das Dorff hätte aber bereits an Rindvieh 24 Stück und ein Wirth zu 4 biß 5 Stück darzu geben müssen und die Schlächter hätten ihnen vor eine Kuh nicht mehr als 2 tlr. 12 gr. bezahlet, welche ihnen vor 10 bis 11 rtl. nicht fiel gewesen. Im Dorffe hätten sie zugleich eine Beckerey vor welche alles Holtz, was im Dorffe vorräthig gewesen weggenommen, und verbrannt worden, und da es nunmehro fast gäntzlich weg sey, drohten sie die Gebäude abzudecken. Die meisten Zäune und Bäume wären sowohl von denen Soldaten so im Dorffe lägen als von anderen so dahingekommen abgebrochen und niedergehauen worden, und das Getreyde so sie noch auf den Felde stehen gehabt wäre gäntzlich wegfouragiret auch hätten sie in etlichen Höffen aus denen Scheunen Stroh und Heu zur Fütterung ausgeräumet“64. Seits gelieferte vom Lande geforderte Fourage, Pferde- und Vieh Lieferungen […] nichtminder Anno 1757 wie das Preußische Vorspann zu großer Belästigung der Unterthanen beständig fortgegangen, Blatt 282 Vorderseite. Zum Zeitpunkt der Ankunft in der Oberlausitz siehe OestKA, AFA, Nr. 606: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 VIII (1–400), Faszikel 253. 62 Zur Menge der Ochsen und Rinder vgl. III. Teil 1.: Die logistisch relevanten Ressourcen in Schlesien, Sachsen, Böhmen und Mähren. 63 Siehe Stadtarchiv Bautzen, 62007 Neues Archiv, VII o. Militär- und Schützensachen, Nr. 21: Schreiben Johann Peter Henricis aus Budißin den 28. July. 64 Ebd., Schreiben Johann Peter Henricis Budißin den 3. Aug. 1757.
IV.6. Zwischen operativem Stillstand und Fouragieren in der Oberlausitz 419
Die Eingabe belegt auch, dass die Dörfer nicht nur für die Beschaffung der Verpflegung für Mensch und Tier, sondern bisweilen eben auch für die Holzgewinnung und die Einquartierung der Truppen genutzt wurden. Während die Zivilbevölkerung der Dörfer massiv unter den Belastungen des Militärs litt, erholten sich die vom Rückzug strapazierten preußischen Soldaten, darunter auch der Gemeine Wultten, während dieser Tage prächtig: „Endlich bin ich durch Gottey Schuz aus dem infamen Böhmen durch die bestialischen Berge mit Hunger, Kummer und Noth vor 9 Tägen hier in Bauzen glücklich angekommen und fange an mich wieder auszufressen, ich bin schon wieder ein ganzer Kerl, ich gehe alle Tag frisiert und montonirt aus, aber noch mit sehr langsamen Schritten“65.
Unterdessen war ein Großteil von Wulttens einsatzfähigen Kameraden mit der Heranführung weiterer Mehlvorräte beschäftigt. Wegen der Konvois, die von Dresden nach Bautzen verkehrten, waren die ersten beiden Augustwochen von den Streifzügen der leichten österreichischen Truppen geprägt, die diese permanent zu attackieren versuchten. Am 5. August eskortierten 3 Bataillone aus dem Lager von Feldmarschall Keith bei Rothnaußlitz 800 Wagen u. a. mit 1.800 Kranken und Verwundeten zurück nach Dresden66. Dies blieb auch den Österreichern nicht verborgen, denen es am selben Tag gelang, in Radeburg einige Preußen, darunter einen Kriegskommissar, gefangen zu nehmen und auf der Poststraße in der Nähe von Bischofswerda einen Leutnant mit Briefen, die nach Potsdam und Berlin adressiert waren, aufzuhalten67. Als Gegenmaßnahme verübten Feldmarschall Keiths Truppen in der Nacht zum 7. August einen kleinen Überfall auf einen feindlichen Vorposten von 120 Berittenen bei Niederputzka, nahmen so einige Österreicher gefangen und trieben den Rest auseinander68. Tags darauf revanchierten sich die Österreicher, als das Dragonerregiment AnsbachBayreuth in Richtung Bischofswerda unterwegs war, um mit dem 3. Bataillon des Regiments Anhalt-Bernburg die Landstraße zwischen Bautzen und Dresden zu sichern, da man in den nächsten Tagen einen weiteren Mehlkonvoi unter dem Kommando des Generals von Oldenburg erwartete. Das Bataillon des Anhalt’schen Regiments verblieb zunächst in Bischofswerda, während die Dragoner bei Schmiedefeld von 300 Kommandierten und der 1.000 Mann starken Kroaten- und Husarentruppe, die sich seit einiger Zeit bei Stolpen unter dem Oberst Palffy befand, angegriffen wurden. Das Gefecht begann um 2 Uhr nachmittags und dauerte mehrere Stunden bis in den Abend. Offenbar kämpften die Dragoner abgesessen und hatten zunächst eine vorteilhafte Höhe bei Harthau besetzt. Als die Angriffe der österreichischen Husaren heftiger wurden, zogen sie sich aber zurück, wobei das halbe Regiment versprengt wurde und 70 Mann, darunter auch der Kommandeur Oberst Düring, in Gefangenschaft gerieten. Weitere 100 Mann desertierten, sodass die Einheit zwischenzeitlich wohl um die 500 Mann einbüßte. Allerdings erhielten die flüchtenden Dragoner am Abend Unterstützung durch das 3. Bataillon des Anhalt’schen Regiments, 65 OestKA,
402.
AFA, Nr. 607: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 VIII (401–Ende), Faszikel ad
Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 3: 1757, Teil 2, Seite 123 f. OestKA, AFA, Nr. 606: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 VIII (1–400), Faszikel 305 und 354. 68 Siehe Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 3: 1757, Teil 2, 124. 66 Siehe 67 Siehe
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IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
das mit seinen Bataillonsgeschützen bei Harthau eintraf und von einem weiteren Bataillon sowie einigen Husaren verstärkt wurde, die Keith wegen des Gefechtslärms in Richtung Bischofswerda entsandt hatte. Die Österreicher sahen von weiteren Kampfhandlungen und einer Verfolgung ab, weil sie die Verstärkung der Preußen wesentlich stärker einschätzten. Deren Verlust betrug letztlich wohl nur 50 Mann und 70 Pferde69. Obwohl dieser 8. August 1757 aus preußischer Sicht schlecht endete, hielt sich der substantielle Schaden im Bereich der Logistik sehr in Grenzen, weil die 800 Wagen und 1.800 Kranken offenbar schon in Dresden eingetroffen waren70. Der nächste Transport von dort nach Bautzen folgte schon 2 Tage später und umfasste offenbar zwischen 1.000 und 2.000 Wagen, darunter auch je 800, die kurz zuvor eingetroffen waren71. Als Schutz fungierten die 3 Bataillone aus dem Rothnaußlitzer Lager, die von den beiden Bataillonen des Regiments von Rohr verstärkt wurden. Aufgrund des Vorfalls bei Schmiedefeld wählte man nun aber eine nördlichere Route über Ottendorf, Lichtenberg, Radeberg und Elstra72. Am 11. August traf der Konvoi bereits im Lager bei Rothnaußlitz ein und schickte von dort die 2 Bataillone des Regiments Rohr wieder zurück nach Dresden73. Ihren Zweck hatten sie und auch der Rest der preußischen Eskorte, zu der laut österreichischen Angaben neben den Husaren auch noch schwere Kavallerie und 8 Geschütze zählten, ohnehin erfüllt, denn die leichten Truppen unter Oberst Kalnocki versuchten erst gar nicht die Abteilung zu attackieren74. Neben dem Geleitschutz der preußischen Einheiten trug auch die Lage des Rothnaußlitzer Lagers zur Abschirmung der Transportwege bei. Die folgende Karte zeigt noch einmal die Routen der ersten beiden Konvois, die 69 Zu diesem Absatz siehe Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 3: 1757, Teil 2, Seite 124–126, SächsHStA-DD, 10024 Geheimer Rat, Loc. 9336 / 1: Journal des Preußischen Krieges 1756–1757, Blatt 369 Rückseite und OestKA, AFA, Nr. 606: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 VIII (1–400), Faszikel 354a sowie ad 354a. Der Verlauf der Aktion wird in allen diesen Quellen sehr ähnlich beschrieben. Abweichungen, zum Teil auch Unklarheiten bestehen hinsichtlich der genauen Stärke der Österreicher im Kampf, der Anzahl der preußischen Verluste sowie des Umfangs der Verstärkungstruppen, die zuletzt von Feldmarschall Keith entsandt wurden. Die hier dargestellte Version dürfte alles in allem die Wahrscheinlichste sein. 70 Siehe SächsHStA-DD, 10024 Geheimer Rat, Loc. 9336 / 1: Journal des Preußischen Krieges 1756–1757, Blatt 371 Vorderseite. 71 Siehe SächsHStA-DD, 10024 Geheimer Rat, Loc. 9336 / 1: Journal des Preußischen Krieges 1756–1757, Blatt 371 Rückseite. Laut Nadasdy und Haddik umfasste der Transport jedoch nur 1.000 Wagen. Siehe OestKA, AFA, Nr. 606: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 VIII (1–400) Faszikel 354b und ebd., Nr. 607: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 VIII (401–Ende), Faszikel 415. Da die Beurteilung Nadasdys einer größeren räumlichen Entfernung als die der sächsischen Quellenautoren entspringt, ist eher von 2.000 Wagen auszugehen. General Haddiks Einschätzung dürfte gemäß derselben Logik vom Authentizitätswert wesentlich höher einzustufen sein. Allerdings ist es durchaus möglich, dass sich der Transport trennte und ein Teil im Lager von Roth naußlitz verblieb, während der andere nach Bautzen seinen Weg fortsetzte. 72 Siehe SächsHStA-DD, 10024 Geheimer Rat, Loc. 9336 / 1: Journal des Preußischen Krieges 1756–1757, Blatt 371 Vorder- und Rückseite. 73 Siehe Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 3: 1757, Teil 2, Seite 127 f. 74 Siehe OestKA, AFA, Nr. 606: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 VIII (1–400) Faszikel 354 b und 432.
IV.6. Zwischen operativem Stillstand und Fouragieren in der Oberlausitz 421
grobe Positionierung der preußischen Verbandslager und den Ort des Gefechts bei Harthau zwischen Bischofswerda und Niederputzka.
Abbildung 43: Operativ-logistische Situation in der Oberlausitz Mitte August 175775
Da der zweite Transport wohl 1.500 Mehlwagen umfasste76, waren inklusive des ersten Konvois bis zum 12. August 2.100 Mehlwagen in der Gegend um Bautzen eingetroffen. Bei standardmäßiger Beladung von 3 Fässern zu rund 250 Kilogramm würde dies bedeuten, dass die Preußen mit diesem zweiten Transport knapp 1.575 Tonnen Mehl nach Bautzen geschafft hätten. Offenbar konnte man die Wagenkapazitäten aber nicht in diesem Umfang ausschöpfen, denn laut Generalmajor von Retzow waren mit dem letzten Transport nur 750 Wispel angekommen77. Demzufolge hatten die Preußen insgesamt nur 1.250 Tonnen Mehl erhalten, was bei einem Tagesverbrauch von 60–65 Tonnen immerhin 19–20 Tage reichte, sodass die Brotversorgung der Truppen bis zum 25. oder 26. August gewährleistet wurde. Die halb so große Mehlmenge dürfte auf die beträchtlichen Haferanteile zurückzuführen sein, die man für die Eigenversorgung der Fuhrwerke benötigte, wenn man die Vorräte bei Bautzen nicht beanspruchen wollte. Folglich verblieb nur noch Platz für 2 Fässer, sprich 500 Kilogramm Mehl pro Wagen. Wahrscheinlich führten die Gespanne für 3 Tage Hin- und 3 Tage Rückmarsch sowie 1 bis 2 Tage Aufenthalt während des Entladens zusammen also 8 Tage Futter mit. Nach dem Satz von 12 Metzen, den Minister Schlabren75 Karte
adaptiert nach: Der große illustrierte Weltatlas, Seite 117. Wagenanzahl siehe GStAPK, I. HA., Rep. 63: Geheimer Rat, Neuere Kriegssachen, Nr. 1090, Schreiben aus Budissin am 12. August 1757. 77 Siehe LASA, DE, Z44 Abt. Dessau, A 9b VIa, Nr. 44: Correspondenz des Fürsten Moritz u. a. mit Forcade und Finck, Blatt 89 Vorderseite. 76 Zur
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IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
dorff veranschlagte78, wären dies pro Pferd 20,4 Kilogramm und pro vierspännigem Wagen 81,2 Kilogramm gewesen, an 8 Tagen demzufolge 653 Kilogramm. Da auf den Wagen aber ohnehin nicht mehr als 500 Kilogramm neben den Mehlfässern mitgenommen werden konnten, belief sich die Tagesration pro Vorspannpferd wohl nur auf 15 Kilogramm. Für die Gesamtmenge der bisherigen 2.100 Gespanne benötigte man demzufolge 1.008 Tonnen Hartfutter. In konzentrierter Form waren derartige Mehl- und Futtervorräte zu diesem Zeitpunkt nur noch in den Hauptmagazinen der Preußen wie Dresden vorhanden. Die wichtigsten Lagerstätten befanden sich laut der österreichischen Aufklärung im Zeughaus, im Wagenhaus, im Rathaus der Neustadt, in diversen Privathäusern der Vorstädte und in der Ziegelscheune. Hinzu kamen weitere Magazine für das Raufutter im Palaisgarten, im Jägerhof hinter dem Wall bei den Kasernen sowie im Osterhohen Werk. Günstigerweise verfügten Dresden und Pirna, wo sich ein kleineres Magazin befand, auch über ausreichende Sicherungskräfte, obwohl die Österreicher nur die Mannschaften des Regiments von Rohr als gut einstuften, während sie das Langen’sche Garnisonsregiment ebenso wie das Regiment von Grape in Pirna als weitestgehend ungeübt klassifizierten. Dennoch stellten auch aus ihrer Sicht die Befestigungen der Dresdner Neustadtseite mit den vielen Geschützen ein enormes Verteidigungspotential dar, da sich auf den Wällen 57 18-Pfünder und zahlreiche Kanonen kleineren Kalibers befanden. Das bekannte Bild der preußischen Überlegenheit im Bereich der schweren Artillerie bestätigt sich hier auch dadurch, dass im Zeughaus noch 24 12- und 24-Pfünder sowie 4 österreichische 12-Pfünder lagerten und selbst in die Schiffe auf der Elbe Geschütze dieser schweren Kaliber verladen waren79. Neben den vorrätigen Waffen hatten die Preußen auch die lokalen Vermahlungskapazitäten voll in Beschlag genommen, sodass alle Mühlen im Stadtgebiet genutzt wurden, die inklusive der Schiffs- und Walkmühlen im August 3.612 Zentner Mehl herstellen sollten80. Das Korn hierfür traf auch während des Sommers aus Hamburg ein. Allein vom 9. bis 13. August waren es 1.100 Scheffel, d. h. nach sächsischem Maß etwas über 90 Tonnen81. Offensichtlich verfügten die Preußen zu diesem Zeitpunkt aber ohnehin noch über immense Vorräte. So hatte der österreichische Generalmajor von Palffy kurz zuvor aus Stolpen berichtet, dass in Dresden noch 20.000 Fässer mit Mehl und 30.000 Strich Hafer vorhanden waren82. Ersteres hätte immerhin 5.000 Tonnen, Letzteres aber 78 Vgl. II. Teil 8.: Das Transportwesen – die Kapazitäten und Verwendungen von Wagen und Schiffen. 79 Zum gesamten Absatz siehe OestKA, AFA, Nr. 612: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 XI (1–350), Faszikel 191b. Bei dem letztgenannten Faszikel handelt es sich um ein Dokument, das sich zwischen den Akten zum Zeitraum November befindet, obgleich es sich inhaltlich auf den August des Jahres 1757 bezieht. Für die kurze Bemerkung zum Magazin in Pirna vgl. IV. Teil 6.5.: Die operativen und logistischen Entwicklungen in Schlesien und Mittelsachsen. 80 Siehe LASH, Abt. 127.3 Schimmelmann, Nr. 14: Mehlgelder 1757, Blatt 14 Rückseite. 81 Siehe ebd., Nr. 12: Fourageakten, Bd. I, Blatt 367 Vorder- bis 371 Vorderseite. 82 Siehe Stadtarchiv Dresden, 2.1: Ratsarchiv / Stadtverwaltung vor 1945, G XXXII, Nr. 125 u. Collectanea den Siebenjährigen Krieg betreffend 1756 / 1757, No V: Schreiben des General Major, Grafen Palfi, an den General Nadasti, d.d. Stolpe den 12ten August 1757.
IV.6. Zwischen operativem Stillstand und Fouragieren in der Oberlausitz 423
nur rund 1.170 Tonnen entsprochen. Vorstellbar sind diese Größenordnungen angesichts der Mehlmengen, die noch im März vorhanden waren, allemal83. Im Zusammenhang mit dem Hartfutter hatte Proviantkommissar Stoeser schon im Juni berichtet, dass allein von Schimmelmann weitere 1.200–1.400 Wispel guter Hafer, sprich 800 bis 932 Tonnen, nach Dresden geliefert worden waren84. Folglich konnte der Großteil der 8.400 Vorspannpferde, welche für die überlebenswichtigen Mehlkonvois erforderlich waren, in jedem Fall mit Futter aus den Dresdner Magazinen versorgt werden. Im Gegensatz dazu musste die Fourage für die meisten Pferde in der Oberlausitz vor Ort beschafft werden. Dabei dürfte das erwähnte Niedrigwasser in den Flüssen und Bächen zur Folge gehabt haben, dass in dieser Phase des Hochsommers die Wasserversorgung zumindest dauerhaft nicht einfach zu bewerkstelligen war. Alle preußischen Lager zeichneten sich aber durch eine Vielzahl von Teichen oder Bächen in ihrer Nähe aus. So befanden sich mehrere Teiche bei Feldmarschall Keiths Korps zu Rothnaußlitz, Karlsdorf und Demitz-Thumitz sowie beim Bevern’schen Korps im Gebiet zwischen Wurschen, Belgern und Nechern, hinter Burgk und Niederkeina, aber auch bei Niedergurig und Malschwitz. König Friedrichs Korps dürfte in dieser Hinsicht noch am schlechtesten positioniert gewesen sein, da das Löbauer Wasser bei Weißenberg wohl ebenfalls Niedrigwasser führte und die nächstgrößeren Teiche im Forst von Baruth und bei Drubkau etwas weiter entfernt lagen. Für die Futterversorgung hatte das Feldkriegskommissariat der schlesischen Truppen am 4. August u. a. 1.960 Scheffel Hafer nach Dresdner Maß ausgeschrieben85, was rund 108 Tonnen entsprach. Wenn man von der durchschnittlichen Pferdeanzahl von 112 Pferden pro Eskadron ausgeht, dann umfassten die 133 Eskadrons der Kampftruppe ca. 15.000 Pferde. Hinzu kamen aber noch die Pferde der 69 Infanteriebataillone mit rund 8.300 Stück, die Pferde der Artillerie, vom regulären Proviantfuhrwesen aber nur 3.177 Stück aus der Armee des Königs, da der Tross der Armee des Prinzen August offenbar zu großen Teilen auf dem Rückzug verloren bzw. zurückgelassen worden war86. Folglich hielten sich seitens der Preußen mindestens 26.500 Pferde in der Oberlausitz auf, sodass der Futterbedarf für ca. 29.100 Rationen bei 149 Tonnen Hafer pro Tag lag. Mit der ausgeschriebenen Menge ließ sich demzufolge nicht einmal der Tagesbedarf decken. Offenbar war die Ausschreibung ohnehin irrelevant, denn wie bei der Fleischversorgung waren die Preußen auch bei der Beschaffung des Pferdefutters seit Ende Juli zur intensiven Nutzung der lokalen Ressourcen übergegangen. Sie ernteten auf den Feldern den Hafer und die Gerste ab, banden diese zu Garben zusammen oder holten selbige aus den Scheunen, um daraus möglichst schnell Futtergetreide zu gewinnen. Deshalb wurde in 83 Vgl.
Abschnitt IV.2.2: Das Korps unter König Friedrich bei Dresden. LASH, Abt. 127.3, Schimmelmann, Nr. 16: Schatzmeister-Korrespondenz, Bd. I: Schreiben des Feldkriegskommissariats aus Dresden am 7. Juni 1757. 85 Siehe SächsStFilA-BZ, 50001 Landstände der sächs. Oberlausitz, F XXV Siebenjähriger Krieg, Nr. 2711: Schreiben des Feldkriegskommissariats am 4. August aus Bautzen. 86 Siehe IV. Teil 5.2.: Der Rückzug der Armee unter dem Kommando des Prinzen August Wilhelm. 84 Siehe
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IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
Bautzen in allen Gassen mit Prügeln gedroschen, sodass die Straßen und Gassen mit Korn bedeckt waren, das von den Bürgern aufgesammelt und gereinigt wurde, wovon infolge des Durcheinanders nur 2 Drittel als Futter Verwendung fanden87. Um den 5. bis 8. August erreichte die erste Fouragierungswelle ihren Höhepunkt. Dies betraf nicht nur die stadtmitleidenden Dorfschaften, sondern auch die Dörfer des Bautzener Domstifts St. Petri, darunter Cölln, Luga, Dahlewitz, Nimschütz und Temritz oder Temmeritz, deren Untertanen schon am 1. August entsprechende Klagen vortrugen. Die Dörfer Belschitz, Grubitz, Kleinpostwitz, Paßlitz, Tschornitz und Saltzenforst konnten zunächst ihren Lieferungen von ungefähr 10–12 Scheffeln nicht nachkommen, weil sie entweder von den Österreichern besetzt waren oder zumindest mittelbar von diesen an der Abfuhr gehindert wurden88. Allerdings zeigt das Beispiel aus Saltzenforst, dass nicht nur die österreichischen Streifzüge, sondern auch der Zeitdruck maßgeblich zur Verzögerung der Lieferungen beitrug, denn der Richter Wosky meldete, dass man wegen der Ernte bisher nicht zum Dreschen gekommen sei, aber nun innerhalb einer Woche versuchen wolle 10 Scheffel zu liefern. Vermutlich war das Angebot aber hinfällig, denn schon am 5. August sei „[…] eine große Menge Knechte mit einer starcken Bedeckung von der Infanterie mit Wagen, und Pferden in das Dorff gekommen und hätten allen Bauern Gerste, Hafer, Wicken und Erbsen aus denen Scheunen herausgenommen, ihre Wagen, und Packpferde damit beladen, und so viel sie von obrigen Getreyde nur fortbringen können, mit sich hinweg geführet. Sie wären solchergestalt nicht vermögend einen Scheffel Korn zu dreschen, und zu ihren eigenen Unterhalt mahlen zulassen“89.
Ähnlich forsch verfuhren die Preußen auch im Dorf Milkwitz nordwestlich von Bautzen, wo sie zum Teil die Giebel aus Schaf- und Pferdeställen schlugen, um das Heu hinunterzuwerfen. Allein dem Pächter des Rittergutes entwendeten sie aus den Scheunen 50 zweispännige Fuder Heu, 13 Schock Gerste und 49 Schock Hafer sowie auf den Feldern 100 Schock Gerste und 27 Schock Hafer90. Im Dorf Litten nahmen die Husaren des Regiments von Zieten 4 Säcke mit frisch ausgedroschenem Hafer und 6 Gänse mit, bevor dann auch noch das Puttkammer’sche Regiment 20 Garben Hafer abholte91. Im Dorf Stiebitz zeigten sich die Zieten’schen Husaren ebenfalls, wo sie 38 Hafergarben, 87 Siehe Domstiftsarchiv Bautzen, A. I., Nr. 3415: Traurige Krieges-Begebenheiten sonderlich bey einem Hochwürdigen Domstift St. Petri zu Budissin 1756–1763, Seite 7. 88 Siehe Domstiftsarchiv Bautzen, A. I., Nr. 3217: Das Kriegsjahr 1757 betref., Berichte der genannten Dorfschaften vom 1. August. 89 Domstiftsarchiv Bautzen, A. I., Nr. 3217: Das Kriegsjahr 1757, Bericht des Richters Nikolaus Wosky aus Saltzenforst, Actum Budißin aufm Decanat den 5. Aug. An. 1757. 90 Siehe SächsStFilA-BZ, 50001 Landstände der sächs. Oberlausitz, F XXV Siebenjähriger Krieg, Nr. 2711: Bericht des Generalmandatars der Großmilkwizs. Lehnserben Johann Christoph Janus aus Milkwiz am 5. Aug. 1757 nachmittags um 3 Uhr. Die in den Scheunen beschlagnahmten Mengen entsprachen knapp 18–19 Tonnen Heu, ca. 2 ½ Tonnen Gerste und 20 Tonnen Hafer, die auf den Feldern rund 20 Tonnen Gerste sowie 11 ½ Tonnen Hafer. 91 Siehe Stadtarchiv Bautzen 62007 Neues Archiv, VII o. Militär- und Schützensachen, Nr. 21: Aussage George Benads und Andreas Pannaschs aufgenommen durch Johann Andreas Bleisch, Budißin am 8. August 1757.
IV.6. Zwischen operativem Stillstand und Fouragieren in der Oberlausitz 425
3 Bund Heu und 1 Gans erbeuteten92. Einen Beitrag zur Pferdeverpflegung sollte auch das Dorf Uhyst am Taucher leisten, dessen Transportkapazitäten in diesem Zeitraum ohnehin durch die Holzlieferungen beansprucht wurden. Laut Richter Nikolaus Sperling mussten für das Kürassierregiment Baron Schönaich 903 Rationen nach dem üblichen Satz geliefert werden, sodass ca. 7 Tonnen Hafer, 3,6 Tonnen Heu und 4,5 Tonnen Stroh zu beschaffen waren93. Tatsächlich stellte das Dorf am 6. und 7. August jeweils 4–6 Tonnen und 800 Kilogramm Heu, was eigentlich nur 3 Viertel oder 1 / 4 der geforderten Mengen entsprach94. Wahrscheinlich wurden die übrigen Anforderungen vom Dorf Großhänischen übernommen, wohin die dieselbe Anordnung erging. Jedenfalls lieferte die Ortschaft am 8. August, als Uhyst mit den Holzlieferungen nach Bautzen beschäftigt war, 2,4 Tonnen Hafer, 3,36 Tonnen Heu und 3,55 Tonnen Stroh nach Rothnaußlitz95. Ähnlich große Mengen mussten auch die Dörfer Säuritz (2,4 Tonnen Hafer, 850 Kilogramm Heu und 1,3 Tonnen Stroh96) und Ostro (ca. 4 Tonnen Hafer, 1,7 Tonnen Heu und 4,6 Tonnen Stroh97) aufbringen, die ebenfalls im Umkreis von Uhyst lagen. Das Dorf Tscharnitz lieferte am nächsten Tag ebenfalls 176 Rationen98, was etwa für 1 Eskadron reichte. Der Zeitdruck bei der Futterbeschaffung war aber offensichtlich so groß, dass die Preußen auch auf so ungewöhnliche Methoden zurückgriffen, wie das Getreide durch die Hufe der Pferde aushüten bzw. ausdreschen zu lassen. Ein Untertan aus der Gemeinde Stier, die zu den Dörfern des Domstifts St. Petri in Bautzen zählte, gab unter anderem hierzu Folgendes zu Protokoll: „Actum Budißin auf Decanat den 9. Aug. 1757 Erscheinet George Walde Pachter in Stier und bringet an, wasgestalt am letzt abgewichenen Sontage den 7 hujus früh in der 9te Stunde ein königl. Preuß. Husar in den Herrschaftl. Hoff daselbst gekommen und Futter verlanget, hierauf aber wäre eine große Menge Soldaten, und Knechte mit vielen Wagen, Pack-Pferden in den Hof eingedrungen, welche so gleich die Scheunen eröffnet und aus solchen 16 Schock Gerste a 2 ½ Scheffel und ohngefähr Schock Korn a 2 Scheffel auch vom Pferde, Schaaf, Ochsen und Kälber Stalle das Heu, welches wenigstens 10 vierspännige Fuder gewesen, herunter 92 Siehe ebd., Bericht Hanß Benads von Stiebiz aufgenommen durch Johann Andreas Bleisch, Budißin am 8. August 1757. 93 Siehe Stadtarchiv Bautzen 62007 Neues Archiv, VII o. Militär- und Schützensachen, Nr. 21: Bericht des Richter Nikolaus, Uhyst am Taucher am 8. August 1757. 94 Siehe ebd., Aussage des Tagelöhners Johann Christoph Menzel am 7. August in Budißin aufgenommen durch Johann Andreas Bleich. Die Originalangaben lauten 72 Scheffel Hafer und 400 Bund zu 4 Pfund. 95 Siehe ebd., Schreiben des Richters Martin Sperling aus Großhänichen am 8. August 1757. Originalwerte 44 Scheffel Hafer, 336 Bund Heu und 355 Schütten Stroh. 96 Die Originalmengenangaben lauten 44 Scheffel und 18 Zentner. Siehe Domstiftsarchiv Bautzen, A. I., Nr. 3425: Anzeigen sämtlicher an Königl. Preuß. Trouppen entrichtete Contributionen und Lieferungen 1756–1763, Dorf Seuriz 7. und 8. August. 97 Die Originalangaben lauten 47,5 Scheffel Hafer, 35 Zentner Heu und 7 Schock Stroh. Siehe Domstiftsarchiv Bautzen, A. I., Nr. 3416a: Das Kriegsjahr 1756 / 1757 betref. Teil 1. 98 Siehe ebd., Dorf Tscharnitz. Die Originalangaben lauten 19 Scheffel und 2 Metzen Hafer, 175 Bund Heu à 8 Pfund und 44 Schütten Stroh à 20 Pfund.
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geworffen, auf ihre Wagen geladen, auch auf die Pferde aufgepacket, und mit sich fortgeführet, auf dem Felde hätte noch ein Fleck Gerste noch 7 Vierteln Aussaat gestanden, welche sie gantz und gar mit ihren Pferden ausgehütet und in Grund und Boden treten lassen, auch die schönste davon weggehauen, und mitgenommen, welche Gerste wenigstens auch 2 Schock betragen würden. Das Kraut und die Erdbirnen hätten sie auch sehr ruiniert, und was ihnen angestanden, dass hätten Sie mitgenommen, ingleichen auch aus den Hofe und Ställen 1 Leither, 1 Kette 1 Waßeymer, viele Stränge von den Kammerten, und Ochsen Jochen seinen Sohne 1 Paar Stieffeln, dem Schäfer 1 Röckel und andere mehr Sachen mehr entwendet. Quod registratum ut supra Franz Carl Seibt. Secretarius“99.
Der Bericht belegt auch klar, dass Fouragierungen in der Regel kaum selektiv durchgeführt und zur Beschaffung aller erdenklichen Verbrauchs- und Verschleißgüter genutzt wurden. IV.6.3. Die Versorgungslage und die Nachschuborganisation der Österreicher Während die Preußen mit der Brotherstellung und den Fouragierungen beschäftigt waren, um sich nach dem Rückzug aus Böhmen wieder zu regenerieren, wurden die Österreicher auch ununterbrochen von Verpflegungssorgen geplagt, die ihre Operationen ebenso wie die der Preußen lähmten, obwohl die Brotversorgung noch recht gut funktio nierte. Letzteres hing vor allem damit zusammen, dass ihnen die eroberten Mehlfässer aus dem Zittauer Magazin und die erforderlichen Backkapazitäten in Groß- und KleinPoritz, 2 Vororten von Zittau, zur Verfügung standen. In den beiden Orten befanden sich vorerst zusammen 25 Backöfen, die pro Backgang jeweils 500 Portionen Brot erzeugten und bei 7-maligem Backen in 24 Stunden 80.500 Portionen produzierten, was aber noch nicht den Spitzenwert darstellte, weil man plante, noch 7 weitere Öfen anzulegen, sodass man in Kürze bis zu 105.000 Portionen am Tag herstellen konnte100. Das Problem bestand nun jedoch darin, dass mit den rund 1.200 Tonnen Mehl in den Fässern die ca. 80.000 Mann der Hauptarmee bei normalem Portionssatz nur 17–18 Tage versorgt werden konnten. Zu diesem Zeitpunkt, sprich um den 11. / 12. August, befanden sich die Österreicher aber schon 19 Tage bei Zittau, sodass sich nun eine Verknappung der Bestände abzeichnete, auch wenn man für einige Zeit noch eine Überbrückungsreserve durch die eroberten Bestände in Gabel hatte. Wie Baron von Nettolitzky berichtete, stand zunächst deswegen auch nicht die Brotversorgung, sondern die Kavallerieverpflegung im Vordergrund. Besonders kompliziert gestaltete sich die Beschaffung des Heus, weil „[…] dasselbe zum theil aus Schlesien erhollet, von denen hiesigen Landesinwohnern aber gleichsam erzwungen werden muß, und aus Böhmen umb so beschwerlicher beygeschaffet wird, 99 Domstiftsarchiv Bautzen, A. I., Nr. 3428: Specification der durch Königl. Preuß. Trouppen erlittenen Kriegsschäden. 100 Siehe OestKA, AFA, Nr. 607: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 VIII (401–Ende), Faszikel 401.
IV.6. Zwischen operativem Stillstand und Fouragieren in der Oberlausitz 427 da die nahe liegende Creyß gäntzlich evacuierte seynd, und es vor denen entlegenen Gegenden wegen derer andersweitig zubestreitten habenden Magazinstransporten nicht kann beygeschaffet werden; zu deme annoch stosset, daß bey den fürwährenden Aufenthalt sowohl kayl. Als feindl. Armee in der Lausnitz das Cunsumo ungemein groß seyn, und andurch die Subsistenz und Unterhaltungsmitteln anhier ungemein geschwächet werden“101.
Insofern ist es nicht verwunderlich, dass der österreichische Oberproviantkommissar bei der Hauptarmee, Carl Joseph Hauer, begann, sich scheinbar „unmaßgebliche Gedankhen“ zu machen, wie der Nachschub aus Mittelböhmen und den weiter zurückliegenden Orten für die Soldaten, vor allem aber für die Pferde, um die es schon seit Längerem schlecht bestellt war, organisiert werden konnte. Laut seiner Denkschrift vom 12. August reichte der Hartfuttervorrat nur noch für 2 Tage. Vor allem der hohe Tagesbedarf von 6.000 Metzen oder 190 Tonnen Hartfutter, die bei der Standardration von 4 Kilogramm auf eine Größenordnung von 47.500 Pferden hindeuten, stellte die österreichische Nachschuborganisation vor immense Probleme, weil seit dem 9. August auch in Jungbunzlau keine Vorräte mehr vorhanden waren. Hauers Vorschlag zur Entschärfung der Versorgungsknappheit lief darauf hinaus, für den Nachschub des Hartfutters täglich 300 zweispännige Wagen oder 150 vierspännige Wagen auszuschreiben, die entsprechend jeweils 10 oder 20 Säcke zu laden hatten102. Allerdings konnten diese das Futter nur von Kolin bis Nimburg und noch nicht einmal nach Jungbunzlau befördern103. Der Tagesbedarf an Mehl, im Umfang von 1.500 Zentnern bzw. 91,5 Tonnen, sollte von den 75 vierspännigen oder 150 zweispännigen Wagen lediglich bis Nimes transportiert werden. Von dort bzw. von Jungbunzlau musste das reguläre Proviantfuhrwesen der Armee den letzten Teil des Weges bewältigen. Diese täglich zu stellenden Wagen für den Weg durch das mittelböhmische Hinterland, sprich 225 vierspännige oder 450 zweispännige, sollten vom Bitschower, Königgrätzer, Kaurzimer und Buntzlauer Kreis aufgebracht werden104. Praktisch war dies jedoch nicht mehr möglich. Theoretisch verfügten die Kreise zwar über 1.523 vierspännige Wagen und 11.565 zweispännige Fuhrwerke105, womit sich diese erste Anforderung immerhin 36 Tage, also bis Mitte / Ende September, bewältigen ließ. Die Kalkulation setzt aber voraus, dass durch die bisherige Nutzung im Rahmen der Durchmärsche beiden Kriegsparteien keine Ausfälle entstanden waren. Offensichtlich 101 OestKA, Zentralst., Generalkriegskommissariat, Akten, Nr. 53 Militärdirectoralia 1757 VI– IX / 100, Faszikel VIII / 80: Schreiben Nettolitzkys an Haugwitz am 11. August 1757 aus Hauptquartier Klein-Schönau. 102 Da jeder Sack offensichtlich 2 Metzen enthielt, sprich ca. 63 kg, war die Auslastung der zweispännigen Wagen mit 630 kg und der vierspännigen Wagen mit 1,2 Tonnen überproportional hoch. 103 Wie Hauer gedachte, beim Hartfuttertransport die Lücke zwischen Nimburg und Jungbunzlau, was immerhin einer Strecke von etwas mehr als 30 km entspricht, zu schließen, ist unklar. 104 Zu diesem Absatz siehe OestKA, AFA, Nr. 621: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 XIII (253–389), Faszikel 393. 105 Zur Summe dieser Zahlen siehe für die Wagenzahlen der Kreise Nardoni Archiv, Gubernium České Militare Kt. 53, Faszikel C / 13 / 6: Transporty do zásobáren, Consignation im gesambten Königreich Böheim befündlichen Robothern.
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traf genau das aber nicht zu, denn Baron von Nettolitzky meldete schon früh, dass der Kaurzimer Kreis 70 oder 80 Wagen seines Anteils nicht bereitstellen konnte106. Hinzu kam, dass Hauers Planung anderen Kreisen eine Doppelbelastung zumutete. Im Rahmen einer zweiten Anforderung sollte der Königgrätzer Kreis mit dem Chrudimer Kreis insgesamt weitere 1.500 vierspännige oder 3.000 zweispännige Wagen, verteilt über 10 Tage, stellen, um Vorräte von Politzka nach Jungbunzlau zu schaffen. Wenn die Ressourcen des Königgrätzer Kreises schon für die erste Anforderung genutzt wurden, war es unmöglich, dieser Anforderung nachzukommen, weil der Kreis von Chrudim alleine nur 259 vierspännige und 2.184 zweispännige Wagen aufbot. Im günstigsten Fall konnte man die 173 vierspännigen Wagen des Königgrätzer Kreises für diese weitere Anforderung zurückbehalten und die 3.110 zweispännigen Wagen des Kreises für die erste Transportforderung einsetzen. Zusammen mit den vierspännigen Wagen aus dem Chrudimer Kreis verfügte man über 432 vierspännige Wagen, was 864 zweispännigen Fuhrwerken entsprach. Folglich war man mit diesen und den 2.184 zweispännigen Wagen aus dem Chrudimer Kreis theoretisch in der Lage, selbst diese zweite Anforderung zu bewältigen. Dies setzte jedoch auch hier voraus, dass bis dahin keine größeren Ausfälle zu verzeichnen waren. Während Letzteres beim Königgrätzer Kreis schon wegen des vorangegangenen Einmarsches der Preußen aus Schlesien nahezu unvorstellbar erscheint, könnte dies auf den Chrudimer Kreis in der südöstlichsten Ecke Böhmens zugetroffen haben, da man bis dahin wohl „nur“ mit einer hohen Dauerbelastung zu kämpfen hatte. Da aber seit Anfang des Jahres Lebensmittel aus Mähren durch diesen Kreis nach Böhmen transportiert wurden, dürften die Strapazen im sechsten oder siebten Monat ein fast unerträgliches Maß angenommen haben. Wahrscheinlich litten auch der Czaslauer und Taborer Kreis, die ebenfalls im Südosten und Süden lagen, unter der permanenten Transportbelastung durch die Streitkräfte der Habsburger. Dennoch sollten auch diese Kreise nach Hauers Plänen Mitte August pro Tag 100 vierspännige oder 200 zweispännige Wagen 8-mal aufbringen und damit die Magazinvorräte von Deutschbrod und Stecken nach Kolin transportieren, um den dort vorhandenen Bestand von 20.000 auf 50.000 Metzen Hafer aufzustocken. Während die Kapazitäten des Taborer Kreises wegen der hohen Belastung im Juli und die des Chrudimer Kreises durch die zweite Anforderung Hauers schon weitestgehend ausgelastet gewesen sein müssen, standen im Czaslauser Kreis theoretisch noch fast 4.000 zweispännige Wagen zur Verfügung, mit denen diese Transportanforderung im Umfang von 1.600 Wagen gut zu bewältigen war107. Das riesige Potential an zweispännigen Wagen trug zumindest in Mähren zur Lösung der Transportprobleme bei. Aus Iglau sollten weitere 26.000 Metzen bzw. 823 Tonnen Hartfutter nach Kolin transportiert werden, wofür 600 mährische Landesfuhren an 9 Ta-
106 Siehe OestKA, Zentralst., Generalkriegskommissariat, Akten, Nr. 53 Militärdirectoralia 1757 VI–IX / 100, Faszikel VIII / 141: Schreiben Barons von Nettolitzky aus Jungbunzlau am 13. August 1757. 107 Zum gesamten Absatz hinsichtlich Hauers Planungen siehe OestKA, AFA, Nr. 621: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 XIII (253–389), Faszikel 393.
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gen eingeplant waren108. Wenn es sich hierbei um zweispännige Wagen handelte, dann war mit 5.400 Stück 1 / 4 der Gesamtmenge aufzubringen109. Offenbar vermochte jeder Wagen nur ca. 300 Kilogramm an Transportgut zu laden. Angesichts der Entfernung ist es aber vorstellbar, dass die übrige Kapazität von 200 Kilogramm für die Eigenversorgung der Gespanne mit Futter benötigt wurde. Die folgende Karte zeigt noch einmal die Versorgungsrouten, die Wagenpotentiale der betroffenen Kreise und die Verteilung der Transportbelastung. Nicht eingezeichnet ist hier der Bitschower Kreis, der nach einer anderen Kreiseinteilung Böhmens wohl Teile des Königgrätzer und Kaurzimer Kreises umfasste.
Abbildung 44: Versorgungslage der Österreicher Ende Juli–Mitte August 1757110
108 Siehe OestKA, AFA, Nr. 621: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 XIII (253–389), Faszikel 393. 109 Für die Verhältnisse in Mähren vgl. III. Teil 1.: Die logistisch relevanten Ressourcen in Schlesien, Sachsen, Böhmen und Mähren. 110 Karte adaptiert nach http: / / commons.wikimedia.org / wiki / File:Josephinische_Landaufnah me_Boemia.jpg (letzter Zugriff am 11.05.2017).
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Alles in allem erforderte Hauers Plan bis zu 14.500 zweispännige Wagen mit 29.000 Zugtieren. Obwohl dies auf den ersten Blick eine riesige Menge war, entsprach sie nur 1 Siebtel des verfügbaren Potentials in Böhmen und Mähren111, sodass selbst bei diversen Einbußen und Ausfällen, wie sie durch die bisherigen Kampfhandlungen und Dauerbeanspruchung eingetreten sein konnten, die erforderlichen Reserven durchaus vorhanden waren, um die Versorgung der Truppen zumindest bis an den Rand Böhmens zu realisieren. Trotzdem waren die Belastungen in den nordöstlichen Kreisen des Königreichs punktuell so groß, dass man niemals auf die Hilfe des regulären Proviantfuhrwesens hätte verzichten können, um Teile des Nachschubweges zu bewältigen112. Dies erklärt auch, warum es den Österreichern oft so schwer fiel, ihren immensen Transportbedarf zu decken, sodass sie kaum in der Lage waren, größere Vorräte für Offensivoperationen anzuhäufen, und weiterhin bei Zittau verharrten. IV.6.4. Die Versorgungslage der Preußen Mitte August und das Vorrücken Richtung Zittau Die Lage auf preußischer Seite war bis zum Ende der zweiten Augustwoche trotz der intensiven Fouragierungsbemühungen nur geringfügig besser. Wie die Verpflegungsliste der preußischen Regimenter, die vor Bautzen im Lager bei Wurschen standen, zeigt, waren die 9 Grenadierbataillone und 12 Infanterieregimenter am 10. August für 2 Tage mit Brot versorgt und die 8 Kavallerieregimenter für denselben Zeitraum mit Fourage verpflegt113. Diese war wegen des erwähnten Zeitdrucks nur schwer in ausreichendem Umfang aufzutreiben und oft nicht verwertbar, da die ausgedroschenen Körner teilweise noch grün waren114. König Friedrich ging die Brotherstellung zu langsam voran. Daher befahl er am 11. August dem Intendanten der Schlesischen Armee, Generalmajor von Goltz, auch auf den Dörfern Brot backen zu lassen und zur Not die Portionen um die Hälfte zu kürzen115. Angesichts der geplanten Offensive verließ ihn einen Tag später endgültig die Geduld: „Der Goltze trainiret mir zu lange. Morgen, als der 13. war feste gesetzte zum Marsch; nun soll ich bis zum 16. warten: da fressen wir vier Tage wieder müssig Brot. Das gehet nicht an, den 15. muss er alles fertig haben, und das muss seind. Wann ich nichts weiter als mit die Oesterreicher zu tun hätte wäre mir an einem Tag mehr oder weniger nicht viel gelegen; allein hier seind viel andere schlimme Umstände die mir pressiren und zwingen in der Geschwindigkeit zu agieren. Ich bitte Ihnen, machen Sie ihm die Hölle recht heiss! […]“116. 111 Vgl. III. Teil 1.: Die logistisch relevanten Ressourcen in Schlesien, Sachsen, Böhmen und Mähren. 112 Siehe OestKA, AFA, Nr. 621: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 XIII (253–389), Faszikel 393. 113 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 87 I.2: Instructions, Ordres, Avancements Sammlung aus dem Cabinet, Blatt 3 und 4 Vorderseite. 114 Siehe ebd. Der Umstand, dass die Körner grün waren, ist in der Nebenbemerkung erwähnt. 115 Siehe Friedrich II., Politische Correspondenz, Bd. 15, Nr. 9270. 116 Ebd., Nr. 9274.
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Zurückzuführen waren diese Verzögerungen wohl nicht nur auf die Probleme bei der Stein- und Holzbeschaffung, sondern auch auf den intensiven Verkehr bei der Brotabholung in Bautzen, denn an manchen Stellen lag der Pferdemist zu dieser Zeit eine halbe Elle, d. h. rund 15 cm hoch, während auf dem Marktplatz schon tote Pferde herumlagen und einen erbärmlichen Gestank verbreiteten117. Es waren aber wohl nicht diese schlimmen Umstände, auf die der König anspielte. Vielmehr dürfte er sich auf die sich zusammenbrauende Bedrohung durch die französischen Truppen bezogen haben. Seit dem 5. August hatte er davon erfahren, dass die britisch finanzierte Observationsarmee auf dem westlichen Kriegsschauplatz eine Niederlage erlitten hatte und die ersten Einheiten der französischen Armee bei Langensalza am äußersten Westrand Kursachsens eintrafen118. Offensichtlich wollte er diesen aber erst entgegentreten, nachdem er die Hauptarmee der Österreicher in einem erfolgreichen Gefecht bei Zittau überwältigt hatte. Am 10. August erfuhr er auch von den Versorgungsproblemen der habs burgischen Streitkräfte, denn einige Deserteure berichteten ihm, dass sie nur alle 2 Tage Brot bekämen, woraus der König schlussfolgerte, dass mit offensiven Operationen seitens der Gegner nicht zu rechnen war119. Er setzte also den Herzog von Bevern in Kenntnis, dass er beabsichtigte, mit den Truppen am 13. August nach Löbau aufzubrechen, um dort, wie er es in pathetischem Französisch formulierte, in den nächsten Tagen das Schicksal (die sort) Deutschlands zu entscheiden120, sprich die Österreicher anzugreifen und zu schlagen. Deren Versorgungsschwierigkeiten hatten sich zu diesem Zeitpunkt noch etwas verschärft, weil sie seit dem 13. August nach dienstbarem Stand zwar über 92.141 Mann, aber mit den Undienstbaren vor Ort über 102.038 Mann verfügten, die es ebenfalls zu ernähren galt121. Allerdings umfassten diese Angaben nach dem Loco-Stand wohl sämtliche Einheiten im Operationsgebiet, darunter auch die selbstständig agierenden Verbände unter den Obristen Laudon und Jahnus in Westsachsen und Schlesien, sodass der Bedarf bei Zittau nicht ganz so hoch war. Trotzdem befanden sich die Kavallerieeinheiten der Vorhut in schlechtem Zustand, denn schon einige Tage zuvor hatte General Morocz um die Ablösung seiner strapazierten Pferde gebeten122. Vermutlich hing dies damit zusammen, dass sich seine berittenen Einheiten, wie von Kommissar Hauer angedeutet, in der kritischen Entfernung von 4 Meilen, also ca. 30 km, zur Hauptarmee aufhielten, in der 117 Siehe Domstiftsarchiv Bautzen, A. I., Nr. 3415: Traurige Krieges-Begebenheiten sonderlich bey einem Hochwürdigen Domstift St. Petri zu Budissin 1756–1763, Seite 8. Die Angabe bezieht sich eigentlich auf den 13. August. 118 Siehe Friedrich II., Politische Correspondenz, Bd. 15, Nr. 9256. 119 Siehe ebd., Bd. 15, Nr. 9268. 120 Siehe ebd., Bd. 15, Nr. 9277 und 9278. 121 Siehe OestKA, AFA, Nr. 607: Hauptarmee 1757 VIII (401–Ende), Faszikel 432. Wahrscheinlich bezieht sich das Generalstabswerk auf diese Größenordnung, wenn es die Stärke der österreichischen Hauptarmee für Anfang bis Mitte August 1757 mit 100.000 Mann angibt. Vgl. Großer Generalstab. Dritter Theil, Bd. 3: Kolin, Seite 178. 122 Siehe OestKA, AFA, Nr. 606: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 VIII (1–400), Faszikel ad 354.
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die Versorgung mit Futter aus den Magazinen und dem rückwärtigem Raum nicht mehr zu bewerkstelligen war. Als Vorbereitung der von König Friedrich angestrebten Entscheidung waren Feldmarschall Keiths Truppen aus dem Lager von Rothnaußlitz aufgebrochen und bezogen am 14. August nordöstlich von Bautzen ein Lager, bevor sie am nächsten Tag bei Hochkirch eintrafen. Am nächsten Tag brachen auch die Truppen des Königs aus ihrem Lager in Weißenberg in 2 Kolonnen nach Bernstädt auf, während Oberst Werner mit 5 Eskadrons seines Regiments nach Ostritz zur Vertreibung des dortigen österreichischen Vorpostens ausrückte. Auch Feldmarschall Keith und der Herzog von Bevern rückten mit ihren Truppen an diesem Tag weiter vor und erreichten Herwigsdorf. Generalmajor von Rebentisch verblieb mit insgesamt 8 Bataillonen im Lager bei Bautzen, wobei die Stadt selbst noch mit 2 Bataillonen besetzt blieb. Gemäß der ausgegebenen Schlachtordnung sollte die wiedervereinigte Armee aus 41 Musketier-, 15 Grenadier- und 3 Freibataillonen sowie 53 Eskadrons Kürassieren, 40 Eskadrons Dragonern und 40 Eskadrons Husaren bestehen123. Die Stärke dieses Verbandes ist schwer zu kalkulieren. Wenn man davon ausgeht, dass die Einheiten von König Friedrich und Feldmarschall Keiths Korps nach der Eingliederung der sächsischen Kontingente, wie im Korps unter Moritz zu Anhalt-Dessau, mitunter sogar überkomplett waren, so ergäbe sich für die 29 Bataillone inklusive der Freibataillone eine Größenordnung von rund 27.500 Mann. Die Infanterie in der ehemaligen Armee des Prinzen August Wilhelm war, wie sich am Beispiel von Generalmajor von Gumbkows Korps noch zeigen wird, mit einer Durchschnittsstärke von 526 Mann noch sehr schwach, sodass die verbliebenen 27 Bataillone in der Summe wahrscheinlich nur 14.200 Mann ausmachten. Demzufolge ergab sich für das Infanteriekontingent eine Stärke von 41.700 Mann. Allerdings dürfte die Rekrutenverstärkung von 9–10.000 Mann, die die Preußen in diesen Tagen erhielten, hierbei noch nicht inbegriffen gewesen sein. Kompliziert gestaltet sich allerdings auch die Stärkeberechnung der Kavallerie. Gemäß der Aufstellung eines Teilkontingentes dieser Armee unter Grumbkows Kommando mangelte es wohl weniger an Pferden als Reitern124, sodass der Durchschnittswert pro Eskadron bei 120 Mann sowie 130 Pferden lag und sich bei 133 Eskadrons eine Anzahl von rund 16.000 Kavalleristen und ca. 17.300 Pferden ergab. Folglich dürfte die Größe der Armee ohne die Rekruten bei 67.000 Mann und mit ihnen um die 76–77.000 Mann, in der Mitte also bei rund 72.500 Mann gelegen haben. Nicht eingerechnet sind die 8–10 Bataillone, die Bautzen schützten und ohne die Rekrutenaufstockung vorerst mit 4–5.000 Mann zu veranschlagen sein dürften. Die Karte zeigt die bevorstehenden Operationen und die Stärkeverhältnisse der gegnerischen Verbände.
123 Siehe Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 3: 1757, Teil 2, Seite 126–129 sowie zur Schlachtordnung Seite 297 f. 124 Insgesamt war für die 15 Eskadrons in Grumbkows Korps wenige Tage später eine Rationsmenge von 1.944 Stück angesetzt. Vgl. Staatsarchiv Breslau (A. P. we Wrocławiu), Landständisches Archiv der Oberlausitz, Nr. 1260 Correspondence Militaria 1756 / 1757, Nr. 1260: Verpflegungsliste zu Grumbkows Korps in Görlitz am 20. Aug. 1757.
IV.6. Zwischen operativem Stillstand und Fouragieren in der Oberlausitz 433
Abbildung 45: Vereinigung der preußischen Korps in der Oberlausitz Mitte August 1757125
Am 16. August rückte die vereinigte Armee vor. Allerdings fanden zunächst General Hans Carl von Winterfeldt, dann Prinz Heinrich und Generalleutnant Ferdinand von Braunschweig heraus, dass die Stellung der gegnerischen Armee zwischen Wittgendorf, Zittau und Kleinschöna viel zu stark war, um sie anzugreifen. Auch die Generalmajore von Ingersleben und Geist waren dieser Ansicht und es gelang den Generälen, in erster Linie aber Winterfeldt und Prinz Heinrich, den König davon zu überzeugen126, dass ein Angriff selbst im günstigen Fall äußerst kostspielig wäre und im Falle eines Fehlschlags in einer totalen Katastrophe enden könnte. Somit fiel die geplante Schlacht aus, zumal auch die Österreicher bei einem etwaigen Angriff ihrerseits nur in geringfügigem Maße von einem Sieg hätten profitieren können, da ihre Kavallerie wegen der Verpflegungsprobleme kaum zu einer Verfolgung des geschlagenen Gegners in der Lage gewesen wäre. Allerdings überquerte General von Winterfeldt am 17. August die Neiße bei Hirschfeld mit 15 Bataillonen und 50 Eskadrons Kavallerie, um in die Flanken bzw. den Rücken der österreichischen Hauptarmee zu gelangen und so nach Möglichkeit das Magazin bei Gabel anzugreifen, was Nadasdys Truppen aber durch die Besetzung bestimmter Engpässe zu verhindern wussten127. Am 18. August wurde Generalmajor von Grumbkow 125 Karte
adaptiert nach: Der große illustrierte Weltatlas, Seite 117. deutet abermals darauf hin, dass vor allem Winterfeldt und Prinz Heinrich zu jenen Personen zählten, die das Vertrauen des Königs genossen und damit im Gegensatz zu vielen anderen Befehlshabern überhaupt Einfluss auf die Entscheidungen des Königs zu nehmen vermochten. 127 Siehe Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 3: 1757, Teil 2, Seite 130 f. Zur Stellungsbeurteilung Seite 137–140. 126 Dies
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mit 5 Bataillonen und 10 Eskadrons Kavallerie nach Görlitz entsandt, wo man die Stadt einen Tag später vom Feind verlassen vorfand. Tags darauf bezog die Armee wieder ihr Lager bei Bernstädt128. Wie der Sekretär des Königs, Eichel, berichtete, war sie nach wie vor gut versorgt und beschlagnahmte sogar den Briefwechsel des Generals Nadasdy129. Während sich die Verpflegungssituation der Preußen leicht entspannt hatte, verschärfte sie sich auf Seiten der Österreicher. Diese befanden sich immer noch in ihrer Defensivstellung bei Zittau, in deren Nähe sich nun aber auch ihr Gegner aufhielt, was dazu führte, dass sich der Raum für die Fouragierungen in der Umgebung verkleinerte und sich das Potential der lokalen Aushilfsressourcen bei Lieferengpässen weiter einengte. Baron von Astfeld, der als sächsischer Verbindungsoffizier und Kriegskommissar für die Oberlausitz bei der österreichischen Hauptarmee fungierte, schilderte die verdrießliche Lage so: „Wenn man rechnet, daß in einem Bezirk höchstens von 2 Meilen im Durchschnitt, ohne Vergrößerung 150000 Menschen und zwischen 80 bis 90000 Pferde, die Preußen eingerechnet leben, wollen, so wird man leichte finden, daß das Verderben dieses Districts dennoch nur einen kleinen Theil zum Unterhalte beytragen kann, und daß das übrige von anderen obschon mit vielen Schwürigkeiten herbeygeschaffet werden muß“130.
Wegen der zu erwartenden Probleme mit dem Transport sollte auf Befehl von Minister Haugwitz ab dem 19. August aus der Oberlausitz ein Vorrat von 10–12 Tagen beschafft werden131. Andererseits ergab sich nun zunehmend die Möglichkeit zur Aufbringung der Kavallerieverpflegung aus den schlesischen Regionen durch die veränderte Lage im dortigen Operationsraum, denn am 15. August hatte Oberst Jahnus einen Angriff der Truppen unter General Kreytzen bei Landeshut zurückgeschlagen und konnte nun damit beginnen, größere Teile des Landes zu besetzen. IV.6.5. Die operativen und logistischen Entwicklungen in Schlesien und Mittelsachsen Jahnus hielt sich schon seit dem 10. Juli bei Landeshut auf. Sein Korps bestand nahezu ausschließlich aus den kroatischen Grenztruppen, die nach dienstbarem Stand zusammen vorerst 3.264 Mann Infanterie sowie 149 Husaren zählten132, aber bis Mitte August auf 4.470 Mann Infanterie und 576 Husaren anwuchsen133. Die Truppen 128 Gaudi, 129 Siehe
Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 3: 1757, Teil 2, Seite 138 f. GStAPK, I. HA., Rep. 98, Nr. 19: Immediatskorrespondenz Juli–Sept. 1757, Blatt 98
Vorderseite. 130 SächsHStA-DD, 13260 Generalkriegskommissariat, Nr. 239: Regulierung der Verpflegung der kayserl. Königl. Truppen in der Oberlausitz 1757, Blatt 44 Rückseite. 131 Siehe OestKA, AFA, Nr. 607: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 VIII (401–Ende), Faszikel ad 573. 132 Siehe OestKA, AFA, Nr. 604: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 VII (1–450), Faszikel 136. 133 Siehe OestKA, AFA, Nr. 606: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 VIII (1–400), Faszikel 25.
IV.6. Zwischen operativem Stillstand und Fouragieren in der Oberlausitz 435
hatten zunächst die Umgebung von Liebau aus erkundet und die Stadt dann kampflos eingenommen, nachdem sich die beiden preußischen Bataillone unter dem Kommando der Generäle von Mützschephal und Kreytzen nach Schweidnitz zurückgezogen hatten134. Aufgrund dieser Aktion erlangten die Streitkräfte der Habsburger bereits so umfangreiche Bewegungsfreiheit in Schlesien, dass es ihnen gelang, zahlreiche Erkundigungen über den Zustand des Landes einzuziehen. Hiermit war aber auch Oberst Simbschön beschäftigt, der sich seit Ende Juli bei Zuckmantel aufhielt und u. a. Schweidnitz observierte. In diesem Zusammenhang fand er heraus, dass die Festung noch immer einem einzigen Magazin glich. So standen im Hof des Schweidnitzer Jesuitenklosters 300 Mehlfässer und auch die Gänge des Gebäudes waren voll davon135. In der Dominikanerkirche lagen der Hafer und Roggen 2 Ellen, also rund 60 cm hoch, während in der großen Minoritenkirche das Korn mannshoch, also wenigstens 1,60 Meter, aufgeschüttet war136. Außerdem hatte man innerhalb der Festungswerke im Abstand von 300 Schritten Heu- und Strohhaufen verteilt. Einige Tage später berichtete der Oberst auch, dass man in Breslau das preußische Magazin vom Schweidnitzer Anger auf den Bürgerwerder, sprich eine der Oderinseln, umlagerte und Teile in Richtung Glogau verschiffte137. In Anbetracht der immensen Vorräte in Schweidnitz und den intensiven Bemühungen zur Sicherung derselben in Breslau erscheint es durchaus nachvollziehbar, dass General von Kreytzen zunächst General Mützschephals Bitten um Artillerieunterstützung zurückwies, die dieser angefordert hatte, um Landeshut zurückzuerobern und die Gefahr der feindlichen Streifzüge bis in die schlesische Ebene einzudämmen. Offensichtlich drang aber nicht nur Mützschephal, sondern auch Minister Schlabrendorff zur Tat. Er beschwerte sich während der letzten Juliwoche und Anfang August permanent über Kreytzens Untätigkeit. Verständlich war dies durchaus, da noch bis zu 17.000 Mann in Gestalt der 24 Garnisonsbataillone zur Verfügung standen. General von Kreytzen rechtfertigte sein Zögern damit, dass er nicht ohne Prinz Heinrichs Einverständnis vorgehen könne. Obgleich er auf Schlabrendorffs Drängen dann aus Cosel, Glatz und Neisse 3 Bataillone hinzuzog, beharrte er auf seiner Meinung, dass der Schutz von Schweidnitz und der Magazine wichtiger sei als die Eindämmung der Streifereien, die der Minister so vehement forderte, zumal die Österreicher immer dreister wurden, sodass die katholischen Grenzgebiete nicht mehr den Rekrutierungsanordnungen, dafür aber den österreichischen Lieferungsaufforderungen Folge leisteten138. 134 Siehe ebd., AFA, Nr. 605: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 VII (451–Ende), Faszikel 463. 135 Siehe ebd., Faszikel 671. 136 Siehe ebd. 137 Siehe OestKA, AFA, Nr. 606: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 VIII (1–400), Faszikel 278a. 138 Zum gesamten Absatz siehe Acta Borussica, Behördenorganisation, Bd. 11, Nr. 178 und Nr. 185.
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Der schnelle Rückzug der preußischen Besatzung aus Landeshut, der das Eindringen der Österreicher überhaupt ermöglicht hatte, hing offenbar damit zusammen, dass sie numerisch viel zu stark unterlegen waren. Die Landeshuter Stellung galt nämlich nur dann als gute Verteidigungsposition, wenn sie von 30.000 Mann besetzt wurde139. Folglich konnte sie mit 1.200 Mann eines Garnisonsregiments, wie sie zu Mützschephal zu diesem Zeitpunkt gestanden hatten140, nicht einmal ansatzweise behauptet werden. Dennoch versuchten die Preußen nun unter Führung General von Kreytzens am 14. August diese zurückzuerobern. Hierfür zogen sie aber gerade einmal 6 Bataillone zusammen, die vermutlich 4–4.500 Mann, aber keine 8.000 zählten, wie es die Österreicher behaupteten141. Das preußische Kontingent setzte sich zudem aus 4 Garnisonsbataillonen und 2 übernommenen sächsischen Grenadier bataillonen zusammen, also durchweg für den Dienst im Feld ungeeigneten oder tendenziell unzuverlässigen Einheiten. Jahnus’ Korps, dem sich inzwischen wohl auch Oberst Simbschön angeschlossen hatte, umfasste inzwischen 5.600 Mann und erhielt nur 6 Stunden, bevor die Preußen anrückten, Geschützverstärkung in Gestalt von 4 Falkaunen, d. h. 6-Pfündern142. Die Preußen schätzten ihre Erfolgschancen von Anfang an nicht hoch ein, da mit erheblichen Verzögerungen beim Vormarsch durch das Gelände zu rechnen war. Außerdem wusste man, dass die Stellung des Feindes nicht innerhalb eines Tages erreicht werden konnte, was diesem die Gelegenheit für nächtliche Überfälle eröffnete. Das Korps brach in der Nacht vom 13. zum 14. August aus Schweidnitz auf und wurde dann tatsächlich durch diverse Scharmützel mit österreichischen Husarenposten bei Hartmannsdorf sowie durch das Gelände, das vor allem die Heranführung der Geschütze beeinträchtigte, aufgehalten, sodass es nicht gelang, sich Landeshut vor 7 Uhr abends überhaupt zu nähern. Da die preußischen Truppen ermüdet waren und es dunkel wurde, beschloss man für die Nacht ein Karree zu formieren, um die Proviant- und Munitionswagen zu sichern. Wie vermutet nutzten die Österreicher diesen Augenblick und es gelang ihnen, einige Pferde zu stehlen und so viel Verwirrung unter den preußischen Truppen zu stiften, dass diese zum Teil sogar aufeinander schossen, weil sie bedingt durch die Karreeformation glaubten, feindliche Truppen in ihrem Rücken zu haben. Am nächsten Tag rückten zunächst die Grenadierbataillone vor und konnten die Österreicher aus einer bewaldeten Stellung zurückdrängen, die dann unter starken Artilleriebeschuss geriet. Die Preußen setzten ihrerseits 4 leichte Feldgeschütze ein und versuchten Teile ihrer übrigen Artillerie zu verlegen, wobei die Pferde in einer sumpfigen Wiese stecken blieben und teilweise erschossen wurden. Dies zwang die Preußen zum Abbruch des Gefechts, zumal die Grenadiere zur selben Zeit aus den eroberten Vorposten von den Österreichern wieder verdrängt worden waren. Letztlich hatte, wie befürchtet, das Ge139 Siehe OestKA, Kriegswissenschaftliche Mémoires, II, Nr. 32: Über das Preußische Defensiv-System für Schlesien, Seite 13. 140 Siehe OestHHStA, Kriegsakten, Nr. 343: Liste Wie starck die beiden erstn Bataillone hochlöb. Mutzschefalsischen Regmt. gegen in Landeshut stehet, den 26. Juni 1757. 141 Siehe OestKA, AFA, Nr. 607: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 VIII (401–Ende), Faszikel 436. 142 Siehe OestKA, AFA, Nr. 632 HKR VII–IX: Siebenjähriger Krieg 1757, Faszikel VIII, 28b.
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lände in Kombination mit der Dunkelheit und der feindlichen Einwirkung den Vormarsch aufgehalten, für Verwirrung und Pferdeverluste gesorgt und damit den Ausfall der Artillerie hervorgerufen. Nach eigenen Angaben verloren die Preußen 1.263 Mann und zogen sich in Richtung Schweidnitz zurück. Die Österreicher gaben die Verluste sogar mit 400 Verwundeten und Toten sowie ca. 1.000 Kriegsgefangenen, 6 3-pfündigen Geschützen und 6 Munitionswagen an143. Dieser Misserfolg hatte zur Folge, dass sich die Kontrolle der Österreicher über das niederschlesische Grenzgebirge und die dahinterliegenden Regionen verfestigte, sodass sich ihr Zugriff auf die dortigen Agrarressourcen verfestigte, wovon u. a. die Hauptarmee in der Oberlausitz im Rahmen der Fouragelieferungen profitierte. Zur selben Zeit, als Jahnus in Schlesien den Angriff der Preußen pariert hatte, ging Oberst Laudon, der sich mit seinem Korps bisher im sächsischen Grenzgebirge und bei Freiberg aufgehalten hatte, in die Offensive, um die Magazine der Preußen im südlichen Mittelsachsen, d. h. bei Grimma, Döbeln und Rosswein, zu erobern. Allerdings wurde das Magazin von Grimma, wo Laudon 1.000 Mehlfässer ohne Deckungstruppen vermutete, doch von so vielen Preußen verteidigt, dass sie zumindest die ausgesandten 40 Husaren der Österreicher abwehren konnten144. In Döbeln war das Magazin schon evakuiert, sodass nur noch wenige Scheffel vorhanden waren. In Rosswein hatte das preußische Freibataillon Chossignon, das fast ausschließlich aus österreichischen Deserteuren bestand, bis auf Kleinstmengen an Lebensmitteln, Waffen und Kleidung den Großteil des Magazins aus Zeit- und Wagenmangel den dortigen Bürgern verkauft145. Anschließend zog es sich mit 200–250 Mann am 12. August nach Meißen zurück, wo man aus Dresden Verstärkung in Form von 5–600 Mann vom Lange’schen Garnisonsregiment und 12 Geschütze anforderte, weil man befürchtete, Laudon sei mit 600 Mann im Anmarsch146. Aber nicht nur bei Meißen, sondern auch bei Dresden begannen die Preußen ihre Vorräte stärker zu sichern und ihre Kräfte im näheren Umfeld der Stadt zu konzentrieren. So wurde auch das preußische Magazin in Pirna nach Dresden abtransportiert. General Moritz zu Anhalt-Dessau verlegte in diesem Rahmen sein Schutzkorps von Berggießhübel und Cotta in ein anderes Lager nach Sedlitz147. Obwohl diese Rückverlagerung dem Schutz der sächsischen Hauptstadt und der Versorgung der Truppen wegen der sich verkürzenden Nachschubwege diente, zeigte sich König Friedrich hiermit gar nicht einverstanden. Er tadelte den General völlig übertrieben und zu Unrecht, 143 Zum gesamten Absatz siehe Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 3: 1757, Teil 2, Seite 149–157 und zu den österreichischen Angaben OestKA, AFA, Nr. 607: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 VIII (401–Ende), Faszikel 436 und Faszikel 440 c. 144 Siehe OestKA, AFA, Nr. 607: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 VIII (401–Ende), Faszikel 472. 145 Siehe ebd. 146 Siehe SächsHStA-DD, 10057, Nr. 10057 Kreisamt Meißen, Nr. 2337: Einrückung des Major Chossignon und seines unterhabenden Freybataillons sowie die Abbrennung der Brücke bei Meissen, Blatt 3 Vorderseite. 147 Siehe SächsHStA-DD, 10024 Geheimer Rat, Loc. 9336 / 1: Journal des Preußischen Krieges 1756–1757, Blatt 376 Vorderseite.
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als ob sich dessen Verband in heilloser Flucht oder Auflösung befände, was nicht einmal ansatzweise der Fall war: „Ich hätte mir nicht eingebildet nach meinem expressen Befehl Cotta nicht zuverlaßen, daß Sie doch allda weg marchiren würden. Laudon hat keine 2500 Mann, ich bin mit ihrer Conduite gar nicht zufrieden, gehen sie die Schurken auf den Halse und agiren offensive oder unsere Freundschaft höret auf, hier ist keine compliance vor den Printzen, sondern der General muß seine Schuldigkeit thun, sonst hört alles auf. Friedrich“ „Wohr ist die Ehre der Preußen, vor 2500 Mann, lauffen ein General von der Infanterie mit 14 Bataillons und 20 Esquadrons zurück. Wenn ihr Vater dieses im Grabe hörte, so würde er sich umkehren. F.“148.
Im Rahmen dieses missbilligten Abzugs traf am 14. August auch das Regiment von Goltz in Dresden ein, sodass sich die Garnison, die bis dahin aus 6 Bataillonen und einem Verband von Rekonvaleszierten in Bataillonsstärke bestand, auf insgesamt 9 Bataillone anwuchs. Das Regiment wurde nun aber als Garnison der Festung Sonnenstein bei Pirna eingesetzt, wo die Preußen schanzen ließen. Im Zusammenhang mit dem Abtransport der dortigen Bestände nach Dresden wurden 3 mit Mehl beladene Schiffe bei Laubegast, Sabirgen und Hosterwitz von 50 Kroaten und Husaren angehalten, was die preußische Husarenpatrouille auf der linken Uferseite nicht verhindern konnte, sodass vom ersten Schiff die gesamte Ladung von 100 Mehlfässern, was immerhin 25 Tonnen entsprach, verloren ging. Als Gegenmaßnahme rückten 200 Mann des Regiments von Rohr aus, die auf die Kroaten und Husaren feuerten, welche dann die beiden anderen Schiffe verließen und lediglich 15 weitere Fässer erbeuteten. Der Vorfall trug dazu bei, dass die Preußen nun sämtliche Schiffe zwischen Pirna und Dresden in unmittelbarer Nähe der Hauptstadt zusammenzogen149. General Beck hatte schon am 13. August gemeldet, dass zwar nur 2 große Schiffe, dafür jedoch 200 Breslauer Kähne zur Verfügung standen, mit denen jeweils auch 16 bis 20 Mann der Kranken und Verwundeten nach Torgau abtransportiert werden konnten150. Dies zeigt, dass den Preußen theoretisch so große Kapazitäten zur Verfügung standen, dass 3.200–4.000 Mann auf einmal verlegt werden konnten. Der Lazarettbestand in Dresden hatte sich inzwischen aber ohnehin auf ca. 5.000 Mann reduziert151, sodass weitere Entlastungen vorerst nicht erforderlich waren. Daher kamen von diesen 200 148 LASA, DE, Z44 Abt. Dessau, A 9b VIb, Nr. 4, Bd. V: Correspondenz des Fürsten Moritz mit Friedrich II., Blatt 309 Rück- bis 310 Vorderseite. Siehe auch Friedrich II., Politische Correspondenz, Bd. 15, Nr. 9284. Die beiden Schreiben sind schöne Beispiele dafür, wie bestimmte orthographische Besonderheiten, die deutlich auf Friedrichs eigenhändige Bemerkungen hinweisen, zuweilen nicht in die Edition der politischen Korrespondenz übernommen wurden. Als besonders relevant kann hier das Wort „wohr“ statt wo gelten. 149 Zu diesem Absatz siehe SächsHStA-DD, 10024 Geheimer Rat, Loc. 9336 / 1: Journal des Preußischen Krieges 1756–1757, Blatt 375 Vorder- bis 376 Rückseite. 150 Siehe OestKA, AFA, Nr. 607: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 VIII (401–Ende) Faszikel 432. 151 Siehe ebd.
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Schiffen laut General Haddik vorerst nur 25 Stück für den Abtransport des Pirnaer Magazins zum Einsatz152. IV.6.6. Die weiteren Verpflegungsmaßnahmen der Preußen in der Oberlausitz Unterdessen formierte sich in Dresden ein weiterer Mehlkonvoi für den Marsch nach Bautzen am 21. August. Von dort war am 18. August ein Deckungstrupp von 4 Bataillonen mit 3.000 Kranken, 600 Rekonvaleszierten und einigen Hundert Wagen eingetroffen153. Der dritte Mehltransport machte sich 3 Tage später mit ca. 1.000 Wagen, den erwähnten Bataillonen, einer Husarenabteilung sowie 3 weiteren Bataillonen der Dresdener Garnison auf den Rückweg nach Bautzen. Die letztgenannten Einheiten wurden gegen Abend schon wieder von Ottendorf zurückgeschickt, da man bis dahin auf keine feindlichen Truppen gestoßen war154. Man hatte eine nördlichere Route über die Landstraße bei Königsbrück gewählt, denn durch die Erhöhung der räumlichen Distanz zum Gegner glaubte man am ehesten seinen Angriffen entgehen zu können155. Am nächsten Morgen wurde der Konvoi, der sich offenbar zu einer Wagenburg formiert hatte, dann aber zwischen Glauschnitz und Laußnitz, also ausgerechnet an jenem Punkt, der am weitesten von den Linien der österreichischen Vorhuttruppen entfernt zu liegen schien, doch von Husaren angegriffen156. Das Gefecht dauerte offenbar von 5 bis 11 Uhr früh und verlief aus preußischer Sicht, wenn man von den 300 Deserteuren absieht, sehr glimpflich, weil die Österreicher nach eigenen Angaben nicht mehr als 2 Wagen und 5 Pferde erbeuteten, selbst aber neben 3 Mann auch 11 Pferde einbüßten157. Die Karte zeigt das Lager der preußischen Armee bei Kemnitz und Bernstadt und die letzte Konvoiroute, die nun wegen der kleinere Besatzung in Bautzen und die Konzentration der preußischen Armee in der östlichen Oberlausitz für die Vorhuttruppen der Österreicher im westlichen Teil angreifbar wurde.
152 Siehe OestKA, AFA, Nr. 607: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 VIII (401–Ende) Faszikel 533. 153 Siehe Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 3: 1757, Teil 2, Seite 146 und zur Anzahl der Kranken und Rekonvaleszierten SächsStFilA-BZ, 50001 Landstände der sächs. Oberlausitz, F XXV Siebenjähriger Krieg, Nr. 2710: Annota Dresden am 17. Aug. 1757. 154 Siehe SächsHStA-DD, 10024 Geheimer Rat, Loc. 9336 / 1: Journal des Preußischen Krieges 1756–1757, Blatt 382 Rückseite. 155 Siehe Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 3: 1757, Teil 2, Seite 130. 156 Siehe ebd., Blatt 382 Rückseite und zur Aufstellung des Konvois in einer Wagenburg OestKA, AFA, Nr. 607: Hauptarmee 1757 VIII (401–Ende), Faszikel 580. 157 Zur Gefechtsdauer, den vermeintlich desertierten Preußen und österreichischen Verlusten siehe ebd.
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IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
Abbildung 46: Logistische Situation in der 2. Augusthälfte 1757158
Der Konvoi konnte seinen Weg aber fortsetzen und erhielt bei Neudörfel noch Verstärkung durch 3 Bataillone, die Generalmajor Rebentisch ihm aus Bautzen entgegensandte, wo er dann am Abend des 23. eintraf159. Da es sich laut dem Chronisten sogar um 1.100 Mehlwagen handelte160, steigerte sich die Anzahl der seit Anfang August eingetroffenen Wagen wahrscheinlich auf 3.200 Stück, worunter sich bis zu 2.700 Mehlfuhren befanden. Selbst wenn die letzten Wagen wegen ihres Eigenbedarfs an Futter nur 550 Tonnen oder sogar noch weniger herangeführt hatten161, dann war die Truppenverpflegung für 7 bis 9 weitere Tage und damit insgesamt bis zum 3. oder 5. September sichergestellt. Obwohl die Truppen mit den bisherigen Mehltransporten bis zum 26. August versorgt waren, hatte König Friedrich am 21. August befohlen, 10.000 Brote zu 10 Pfund auszuschreiben162. Vermutlich dienten diese als Übergangsreserve für mögliche Verzögerungen oder Komplikationen, zumal der Transport ja tatsächlich erst 2 Tage später eintraf. 158 Karte
adaptiert nach: Der große illustrierte Weltatlas, Seite 117. Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 3: 1757, Teil 2, Seite 160 und OestKA, AFA, Nr. 607: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 VIII (401–Ende), Faszikel 630 (Schreiben Haddiks aus Postwitz am 26. Aug. 1757 vormittags um ½ 12 Uhr). Haddik nennt für die Ankunft der Wagen jedoch erst den 24. August. 160 Siehe SächsStFilA-BZ, 68001 Handschriftensammlung, U III 180, Chronik Bautzen, Seite 534. 161 Angeblich gingen aus Dresden nur 1.500 Säcke Mehl und 27.000 Brote per Wagen ab. Vgl. Heinze, Alfred, Dresden im Siebenjährigen Kriege, Seite 64. Wahrscheinlich handelte es sich aber um 1.500 Fässer Mehl, was 375 Tonnen oder einem Vorrat von 6 Tagen entsprochen hätte, der sich mit den Broten auf 7 Tage erhöhte. 162 Siehe Friedrich II., Politische Correspondenz, Bd. 15, Nr. 9285. 159 Siehe
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Generalmajor von Retzow hielt es wohl für nötig, am selben Tag noch 50.000 Brote zu je 4 Pfund anzufordern163. Währenddessen schrieb General von Winterfeldt noch weitere Mengen aus, die aber für das Korps des Generalmajors von Grumbkow bestimmt waren164. In Bautzen forderte man am selben Abend des 22. August noch die Ablieferung sämtlicher Mehlreserven bei Androhung der Hausdurchsuchung165. In diesem Rahmen mussten manche Bürger offenbar über 2 Scheffel, d. h. 160–170 Kilogramm, entrichten166. Am nächsten Tag schrieb Retzow für den Transport im Bautzener Kreis 124 und im Görlitzer 130 vierspännige Korbwagen aus, die jeweils für ihre Knechte Brot und Futter für ihre Pferde auf 4 Tage sowie Stroh mitzubringen hatten167. Gestellt wurden die Wagen erneut zu einem beträchtlichen Anteil von den nördlichen und westlichen Gutsherrschaften und Kleinstädten des Bautzener Kreises. So lieferte das Kloster Marienstern 25 Wagen, Königsbrück mit seinen 3 Dörfern 14 vierspännige Wagen und Hoyerswerda ebenfalls 16 Stück168. Im Görlitzer Kreis scheint die Stellung überwiegend von den Dörfern auf dem linken Neißeufer erfolgt zu sein, wobei die Quote pro Dorf mit 3 bis 4 Wagen etwas höher ausfiel als im Bautzener Kreis169, wo sie in der Regel nur bei 1 Wagen pro Dorf lag. Offensichtlich traf zumindest in Bautzen am Ende so viel Brot ein, dass einiges davon zu verderben drohte und deswegen an die Bürger verkauft wurde170. Am 21. August musste der König auch die Kavallerie wegen ihres großen Futterbedarfs zurückschicken. Die „[…] Cavallerie aber, die frisst Ihnen und mir auf, die wollen wir zwischen Winterfeld und Görlitz campieren lassen, da können sie fressen, und als wir sie wieder nöthig haben so ist sie wieder hier […]“171.
163 Siehe SächsStFilA-BZ, 50001 Landstände der sächs. Oberlausitz, F XXV Siebenjähriger Krieg, Nr. 2711: Schreiben des Generalmajor von Retzows aus dem Lager bei Bernstadt am 21. Aug. 1757. 164 Siehe Staatsarchiv Breslau (A. P. we Wrocławiu), Landständisches Archiv der Oberlausitz, Nr. 1273: Königl. preuss. Ordres wegen Fourage Lieferungen vor das Prinz Beversche Corps und darauf eingegangene Kreis Ausschreiben 1757, Seite 112, 120 f., 124 f. und 127 f. 165 Siehe Domstiftsarchiv Bautzen, A. I., Nr. 3415: Traurige Krieges-Begebenheiten sonderlich bey einem Hochwürdigen Domstift St. Petri zu Budissin 1756–1763, Seite 8. 166 Siehe Stadtarchiv Bautzen, 62000 Altes Archiv, 68001 Handschriftensammlung U III 126 Chronik Bautzen. 167 Siehe SächsStFilA-BZ, 50001 Landstände der sächs. Oberlausitz, F XXV Siebenjähriger Krieg, Nr. 2711: Schreiben Generalmajor von Retzows aus Lager bei Bernstadt am 22. Aug. und Staatsarchiv Breslau (A. P. we Wrocławiu), Landständisches Archiv der Oberlausitz, Nr. 1260, Blatt 7 Vorderseite. 168 Siehe ebd., Insinuationslisten vom 23. und 24. Aug. 1757. 169 Siehe Staatsarchiv Breslau (A. P. we Wrocławiu), Landständisches Archiv der Oberlausitz, Nr. 1260, Blatt 7 Rückseite und Blatt 8 Vorderseite sowie Blatt 22 Rückseite und 23 Vorderseite. 170 Siehe Stadtarchiv Bautzen, 62000 Altes Archiv, 68001 Handschriftensammlung U III 126 Chronik Bautzen. 171 Friedrich II., Politische Correspondenz, Bd. 15, Nr. 9285.
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Die Husarenregimenter Warnery und Puttkammer hatte man schon seit über einer Woche in die Niederlausitz verlegt, wo sie sich in der Umgebung von Sorau, Triebel und Spremberg verpflegten172. Um die Versorgung und damit die mittel- und langfristige Einsatzbereitschaft der vor Ort verbliebenen Kavallerieregimenter zu gewährleisten, setzte nun eine zweite Fouragierungswelle ein, wobei fraglich sein dürfte, ob es überhaupt nennenswerte Unterbrechungen gegeben hatte. Betroffen waren erneut die Dörfer des Bautzener Domstifts St. Petri, darunter Seuriz, Stier, Tscharnitz und Radibor173, aber auch die stadtmitleidenden Dorfschaften Bautzens wie Burk, Stiebitz und Strehla, vermutlich aber auch die übrigen Dörfer des Bautzener Kreises. Besonders interessant sind dabei die Aufstellungen des Dorfes Stiebitz vom 16. und 26. August sowie die des Dorfes Burgk vom 20. bis 22. August, die sehr vielfältig und detailliert für einzelne Personen belegen, welche Mengen fouragiert wurden174. Gerade in diesem Zusammenhang wird deutlich, in welchem Verhältnis die Aussaat, angegeben in Scheffel, zur Ernte in Schock, dem daraus gewonnenen Ausdrusch, ebenfalls erhoben in Scheffeln, und den taxierten Schadenssummen in Reichstalern standen. Tabelle 68 Aussaat-, Ernte-, Ausdrusch- und Vergütungsquoten von Getreide und Erdfrüchten Getreidesorte
Aussaat
Ernte
Ausdrusch
Geldsumme
Weizen
1 Scheffel
2–2,5 Schock
4–6 Scheffel
24–30 Thlr.
Korn / Roggen
1 Scheffel
2 Schock
4 Scheffel
20 Thlr.
Gerste
1 Scheffel
2,5 Schock
6,25 Scheffel
25 Thlr.
Hafer
1 Scheffel
2,5 Schock
12,5 Scheffel
25 Thlr.
Wicken
1 Scheffel
1,5 Fuder
4,5 Scheffel
22 ½ Thlr.
Erbsen
1 Scheffel
2 Fuder
5 Scheffel
30 Thlr.
Dies war vor allem deshalb wichtig, weil man den Geldschaden gar nicht anhand der Scheffelmengen des Saatguts einstufte, sondern anhand der potentiellen Ernte- und Ausdruschmengen. Dies war natürlich recht großzügig seitens der Betroffenen kalkuliert, 172 Siehe SächsHStA-DD, 10025 Geheimes Konsilium, Loc. 6501: Tabellen über Kriegsschäden und Unkosten der Niederlausitzschen Ortschaften 1756–1759, Stadt Triebel, Caput I, II und VII und zu den Vorgängen bei Spremberg siehe SächsStFilA-BZ, 50001 Landstände der sächs. Oberlausitz, F XXV Siebenjähriger Krieg, Nr. 2710: Annota aus Dresden vom 17. August 1757. 173 Siehe Domstiftsarchiv Bautzen, A. I., Nr. 3416a: Das Kriegsjahr 1756 / 1757 betref. Teil 1. 174 Siehe Stadtarchiv Bautzen, 62000 Altes Archiv, VII K, Nr. 69 I: Sämtliche Aufstellungen aus Burk vom 20 bis 22. August und Stiebitz vom 16. August.
IV.6. Zwischen operativem Stillstand und Fouragieren in der Oberlausitz 443
weil man ja nicht mit Sicherheit davon ausgehen konnte, dass sich das Potential der Saat in Form der Ernte realisierte, zumal Letztere durch so banale Faktoren wie das Wetter extrem stark beeinflusst wurde. Wie hoch die Diskrepanz zwischen dem Geldwert, den tatsächlich erbeuteten Mengen sowie den potentiellen Ernte- und Ausdruschmengen ausfiel, hing davon ab, in welchem Ausmaß man Scheffel oder Schocken, die ja schon die tatsächlichen Erträge darstellten, fouragierte. So entstand im Dorf Stiebitz, vermutlich infolge des Durchmarschs des Korps unter König Friedrich, allein am 26. August ein Schaden von 4.011 Reichstalern175. Fouragiert wurden hierbei fast ausschließlich Naturalien in Form von Schocken. In Burgk, wo man die Kosten infolge der 3 Fouragierungstage vom 20. bis 22. August auf 11.642 Reichstaler taxierte, betrug der Unterschied zwischen dem Geldwert der erbeuteten Weizen-, Gerste- und Hafermengen sowie dem Geldwert des Ernte- und Ausdruschpotentials rund 2.000 Reichstaler.176. Interessant und relevant sind diese Verhältnisse aber nicht nur für die Kalkulation des Geldschadens, sondern vor allem für die Erhebung der Naturalienmengen. Zur Bestimmung der faktisch beschlagnahmten Naturalienmengen ist es ratsam, jene Dörfer zu betrachten, die nachweislich mehrfach ausfouragiert wurden, damit man mit einer gewissen Plausibilität davon ausgehen kann, dass die angegebenen Mengen die Gesamtsummen darstellen. Von den Dörfern des Domstifts St. Petri zählten hierzu mit großer Wahrscheinlichkeit Temritz, Nimschütz, Saltzenforst, Cölln, Großdehsa, Stier, das Stierer Vorwerk, Strohschütz und Wawitz177. Von den stadtmitleidenden Dorfschaften Bautzens wurden Burgk und Stiebitz 3-mal ausfouragiert178. Bei Kleinseidau ist es trotz der einmaligen Fouragierung am 22. August wegen der geringen Größe des Orts wahrscheinlich, dass dort in diesem Rahmen sämtliche verfügbaren Verpflegungsgüter requiriert wurden. Die folgende Tabelle stellt die Ernte- und die Ausdruschmengen der oben erwähnten Orte dar:
175 Zu den Kosten in Stiebitz siehe Stadtarchiv Bautzen, 62000 Altes Archiv, VII K, Nr. 69 I: Die Aufstellungen des Dorfes zum 26. August vom 2. September 1757. 176 Zu den Kosten in Burgk siehe Stadtarchiv Bautzen, 62000 Altes Archiv, VII K, Nr. 69 / I: Die von denen Raths-Dorffschaften eingegebenen Liquidations von den Preussischen Trouppen während des gehaltenen Campements 1757, Aufstellungen des Dorfes vom 20. und 22. August. 177 Temritz wurde gar 7-mal von den Preußen fouragiert, Nimschütz und Saltzenforst in jedem Fall mehrmals. Temritz und Saltzenforst liegen westlich von Bautzen. Nimschütz lag nördlich von Bautzen. Das Dorf existiert jedoch nicht mehr, weil sich heutzutage dort die Spreetalsperre befindet. 178 Wie schon erwähnt, wurden Burgk am 20., 21. und 22. August und Stiebitz am 8., 16. und 26. des Monats fouragiert.
444
IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757 Tabelle 69 Fouragierungsmengen in Dörfern des Domstifts und der Stadt Bautzen Juli / August 1757179
Dorf
Weizen
Gerste
Hafer
Heu
Ernte
Ausdrusch
Ernte
Ausdrusch
Ernte
Ausdrusch
Schock
Dres.Scheffel
Schock
Dres.Scheffel
Schock
Dres.Scheffel
Zentner
Nimschütz
6
12
196
490
84
420
1.010
Temritz
5
10
54
135
28
140
148
47
117,5
34
170
236
99
366
49
243
386
Saltzenforst Durchschnitt
5
Dorf
Korn oder Roggen Schock
11
Dres.Scheffel
Cölln
Gerste
Hafer
Heu
Schock
Dres.Scheffel
Schock
Dres.Scheffel
34
85
52
285
131
Großdehsa
9
98
245
203
1015
63
Strohschütz
1
38
95
24
120
179
Vorwerk Stier
6
18
45
28
33
238
30
521
Stier
12 87
Wawitz
50 52
130
24
120 23
Durchschnitt
2,6
16
40
108
55
271
149
179 Zu den Dörfern des Domstifts siehe Domstiftsarchiv Bautzen, A. I., Nr. 3416a: Das Kriegsjahr 1756 / 1757 betref. Die Auflistungen der genannten Orte. Für die stadtmitleidenden Dorfschaften siehe Stadtarchiv Bautzen, 62000 Altes Archiv, VII K, Nr. 69 I: Die von deren Raths-Dorffschaften eingegebenen Liquidations von den Preussischen Trouppen während des gehaltenen Campements 1757. Bei Stiebitz wurde die erste Fouragierung am 8. August nicht miteinbezogen, weil nicht zu ermitteln war, wie viel Ausdrusch eine Hafergarbe ergab. Es könnten etwas mehr als 10 kg gewesen sein, sodass die Abweichung bei der requirierten Menge von 38 Garben rund 5 Scheffel betragen hätte.
IV.6. Zwischen operativem Stillstand und Fouragieren in der Oberlausitz 445
Dorf
Dorf
Weizen
Gerste
Hafer
Heu
Ernte
Ausdrusch
Ernte
Ausdrusch
Ernte
Ausdrusch
Schock
Dres.Scheffel
Schock
Dres.Scheffel
Schock
Dres.Scheffel
Zentner
108,5
271,5
4 ¾
23 ¾
640
Roggen und Weizen
Stiebitz
43
Burgk
15
86
1.296 52,5
156
72
Kleinseidau
2 ½
44
15
104
Durchschnitt
47
157
37
680
257
267
Gesamtdurchschnitt
4
25
69
237
52
Die genannten Scheffelmengen entsprachen nun umgerechnet pro Dorf rund 2 Tonnen Roggen oder Weizen, 13,1 Tonnen Gerste, 14 Tonnen Hafer und 13,5 Tonnen Heu. Dies belegt nicht nur, wie stark die Dörfer ausgebeutet wurden, sondern weist auch darauf hin, dass es sich bei dem Jahr 1757 wohl um ein überdurchschnittlich gutes Erntejahr handelte, zumal der Getreidepreis gegenüber 1756 wieder fiel180. Laut den Einwohnern von Dresden galt es sogar als ein reiches Erntejahr181. Wichtig war auch der Einzugsbereich, der für die Fouragierungen und Lieferungen zur Verfügung stand, zumal sich diese beiden Verfahren theoretisch überschneiden konnten. Ersteres glich eben mehr einer Zwangseintreibung, während das letztgenannte Beschaffungsverfahren mehr die selbstorganisierte Erfüllung der Anforderung in den Mittelpunkt stellte. Die Oberlausitz verfügte theoretisch über 949 Dörfer. Allerdings standen hiervon nicht alle zur Verfügung, auch wenn sich nach dem Vormarsch der Armee seit dem 17. August fast wieder der gesamte Bautzener Kreis (385 Dörfer) in preußischer Hand befand. Mit den Herrschaften Königsbrück (14 Dörfer) und Hoyerswerda (39 Dörfer), der Stadt Kamenz (3 Dörfer) und dem Kloster Marienstern (50 Dörfer) kontrollierte man wahrscheinlich um die 490 Dörfer. Lediglich einige Orte im Lausitz’schen Bergland bei Soh land und Großpostwitz (ca. 15–30 Dörfer), wo sich noch immer die leichten Truppen unter Haddik, Kalnocki und Palffy aufhielten, waren dem Zugriff der Preußen entzogen182.
Hunger, Johann Gottfried, Kurze Geschichte der Abgaben in Sachsen, Seite 154 f. GStAPK, I. HA., Rep. 63, Nr. 1090: Schreiben aus Dresden am 5. August. 182 Zum gesamten Absatz siehe Stadtarchiv Bautzen, 62001 Neues Archiv, Nr. 277: Nachricht was ein jegliches Dorff des Marggraftums Oberlausitz und zwar im Budißinschen Ober-Creyße, wohl vom Lande, als Städten an Rauchen […] und wem sie angehören. 180 Siehe 181 Siehe
446
IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
Es ist aber denkbar, dass der Fouragierungsraum deutlich kleiner war, weil die Hälfte der Kreisdörfer, sprich rund 190 Stück und 2 Drittel der Dörfer des Domstifts, also ca. 20 Stück, schon von den Österreichern geplündert worden war, womit eine Einbuße von ca. 210 Dörfern einhergegangen wäre. Wahrscheinlich waren die Preußen vor dem Hintergrund der gegnerischen Bedrohung auch kaum in der Lage, genügend Personal abzustellen, um bei 30–40 Tagen Aufenthalt in der Oberlausitz kontinuierlich pro Tag 15 Dörfer auszufouragieren. Deshalb scheint es plausibler, von 280 Dörfern auszugehen, da in diesem Fall nur 8 Dörfer pro Tag zu bewältigen gewesen wären. Wie sich der Umstand auf die geschätzten Fouragierungsmengen auswirkte und wie lange sie reichten, um 30.000 Pferde der preußischen Armee mit einem Bedarf von bis zu 33.000 Rationen zu versorgen183, zeigt die Tabelle. Tabelle 70 Geschätzte Fouragierungsmengen im Bautzener Kreis und resultierende Verpflegungsdauer Anzahl der Dörfer 490 Stück (möglicher Fall) 280 Stück (wahrscheinlicher Fall)
Gerste in Versorgungs Hafer in Versorgungs Heu in VersorgungsTonnen zeitraum Tonnen zeitraum Tonnen zeitraum 6.419
38 Tage
6.860
41 Tage
6.517
49 Tage
3.668
22 Tage
3.920
23 Tage
3.724
28 Tage
Obwohl die Mengen die Verpflegung der preußischen Pferde selbst im schlechtesten Fall fast über den gesamten Monat August gewährleisteten und die Versorgung mit Hartfutter für 1 ½ Monate sicherten, war dies noch nicht die Endsumme an Naturalien, derer sich die Preußen bemächtigt hatten. Schwieriger gestaltete sich der Zugriff auf den Görlitzer Kreis. Da der südliche Teil mit Zittau, Löbau und dem Kloster Marienthal sowie der Queißkreis und Lauban von den Österreichern besetzt waren, verblieben den Preußen im nördlichen Teil vermutlich nicht mehr als 1 Drittel der Kreisdorfschaften (75 Stück), die Dörfer der Stadt Görlitz (56) und der Herrschaft Muskau (39 Stück), zusammen also noch 170 Stück184. Die Lage unterschied sich vom Bautzener Kreis eklatant dadurch, dass die lokale Ressourcen 183 Dieser Größenordnung dürfte man sich mindestens genähert haben, da die Kampftruppe auf 17.500 Pferde angewachsen war, die Proviantwagen mit 8.300 Stück anfielen und das reguläre Mehl- und Bäckereifuhrwesen mit 3.177 Zugtieren versorgt werden musste. Demzufolge galt es mindestens 28.800 Pferde zu verpflegen, zumal Baron von Astfelds Bemerkungen darauf hindeuten, dass die Preußen sogar für über 30.000 Tiere aufzukommen hatten. Vgl. IV. Teil 6.4.: Die Versorgungslage der Preußen Mitte August und das Vorrücken Richtung Zittau. 184 Siehe Stadtarchiv Bautzen, 62001 Neues Archiv, Nr. 277: Nachricht was ein jegliches Dorff des Marggraftums Oberlausitz und zwar im Budißinschen Ober-Creyße, wohl vom Lande, als Städten an Rauchen […] und wem sie angehören.
IV.6. Zwischen operativem Stillstand und Fouragieren in der Oberlausitz 447
erschließung während des Monats August in einem anderen Modus erfolgte, da die Preußen zunächst die selbstorganisierten Lieferungen erhielten, während ihre zwangsvollstreckten Fouragierungen in diesem Raum erst Anfang September einsetzten. Allerdings stellten später nur 40 Dörfer wegen dieser Lieferungen Vergütungsforderungen an die Preußen, darunter 12, die vor Anfang September überhaupt keine Abgaben leisteten, während die anderen 28 nur zum Teil im August lieferten. Anhand der detaillierten Liquidationsrechnungen ist es aber dennoch möglich, sich ein Bild vom Umfang der Lieferungen im August zu machen und so abermals eine durchschnittliche Größenordnung für die Dörfer zu ermitteln. Im Folgenden wurden nur jene Dörfer berücksichtigt, bei denen sich eindeutig nachvollziehen ließ, dass die Mengen im August bzw. unmittelbar davor, also Ende Juli, geliefert wurden. Von früheren Lieferungen konnten die Preußen dagegen nicht profitieren, weil die Gegend zuvor von den Österreichern besetzt war oder zumindest von ihnen kontrolliert wurde. Tabelle 71 Beispiele für Naturalienlieferungen im Görlitzer Kreis im Juli und August 1757185 Dorf
Zeitraum
Brot Portionen
Gerßdorf am Queis Gersdorf bei Reichenbach
Gerste
Hafer
Scheffel
Heu
Stroh
Zent.
Schock
30. Jul.–25. Aug.
57
36
21. Aug.
37
37
3
Mittelhorcka
4.–23. Aug.
250
64
51
Oberhorcka
Aug.
318
64
61
5
Hennersdorf
Aug.
105
60
15
12
15 19
12 4.957
Kemniz
18.–20. Aug.
Oedernitz
6.–30. Aug.
71
Rerzdorf
28. Aug.
3
Niederrengersdorf
22.–24. Aug.
710
44
8 3
185 Zu sämtlichen Werten in der Tabelle siehe Staatsarchiv Breslau (A. P. we Wrocławiu), Landständisches Archiv der Oberlausitz. Relevant für die Dörfer Oedernitz und Rerzdorf Nr. 1243: Liquidationes über durch preuss. Truppen erlittener Schaden und Unkosten, 1756–1763. Vol. 1: A–E und für die Ortschaften Gerßdorf am Queis, Gersdorf bei Reichenbach, Mittel- und Oberhorcka Nr. 1244: Liquidationes über durch preuss. Truppen erlittener Schaden und Unkosten, 1756–1763, Vol. 2: F–G. Einschlägig für Kemniz Nr. 1245: Liquidationes über durch preuss. Truppen erlittener Schaden und Unkosten, 1756–1763, Vol. 3: I–M und für Niederrengersdorf, Niederrudelsdorff, Särchen, Schönberg, Ullersdorf und Waldau Nr. 1247: Liquidationes über durch preuss. Truppen erlittener Schaden und Unkosten, 1756–1763, Vol. 5: T–Z. Relevant sind in den Tabellen der Dörfer jeweils die Angaben unter Caput I oder Caput VII.
448
IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
Dorf
Zeitraum
Brot Portionen
Niederrudelsdorff
Gerste
Hafer
Scheffel
20.–30. Aug
600
280
20. Aug.
125
7
Schönberg
Aug.
815
6
Ullersdorf
12. Aug.
50
Waldau
Jul. / Aug.
68
Särchen
Durchschnitt
598
4,3
63
Heu
Stroh
Zent.
Schock
91
4
10
29
3
Mit Ausnahme der Brotportionen entsprachen diese Angaben umgerechnet bei der Gerste 358 Kilogramm, 5,2 Tonnen beim Hafer, 2 Tonnen beim Heu sowie 249 Kilogramm beim Stroh. Das würde bedeuten, dass rund 356 Kilogramm Gerste, 379 Tonnen Hafer, 148 Tonnen Heu und 18,5 Tonnen Stroh zusätzlich geliefert wurden. Diese Mengen waren so gering, dass sie die Versorgung der preußischen Truppen gerade für 1 weiteren Tag ermöglichten. Wie groß die Unterschiede zwischen dem Lieferungs- und Fouragierungsverfahren waren, zeigt auch das Beispiel des Dorfes Gröbeln, wo am 20. August u. a. 46 Schock Hafer beschlagnahmt wurden186, was 19 bzw. 26 Tonnen entsprach und damit dem 4- bis 5-Fachen der gelieferten Menge. Die Fouragierungsbeute im Bautzener Kreis fiel also mehr ins Gewicht. Außerdem ging ein Teil der Lieferungen aus dem Görlitzer Kreis an das Korps des Generalmajors von Grumbkow. Dessen Verband rückte am 20. August nach Schlesien ab, um den dortigen Streifzügen unter General Jahnus Einhalt zu gebieten. Gemäß der Liste vom 20. August bestand das Korps nun aus 15 Eskadrons Kavallerie mit fast zu gleichen Teilen Kürassieren, Dragonern und Husaren sowie 6 Bataillonen Infanterie und einer Artillerieabteilung, die zusammen 5.041 Mann und 2.736 Pferde zählten187. Relativ schwach waren vor allem die Infanterieregimenter Kurssell mit 1.137 Mann, Kreytzen mit 1.231 Mann und Fouquet mit 781 Mann. Trotzdem verfügten die beiden letztgenannten Regimenter über rund 400 bzw. 300 Mann mehr als Ende Juli, was auf schon eingegliederte Verstärkungskontingente hindeutet. Auf dem Weg nach Schlesien durchquerte die Abteilung Lauban und nahm dann in Greiffenberg, wo sie am 22. bzw. 23 August eintraf, einige Kürassiere und feindliche Jäger gefangen188. 186 Siehe Staatsarchiv Breslau (A. P. we Wrocławiu), Landständisches Archiv der Oberlausitz, Nr. 1273: Königl. preuss. Ordres wegen Fourage Lieferungen vor das Prinz Beversche Corps und darauf eingegangene Kreis Ausschreiben 1757, Seite 143 f. 187 Zu den Ausführungen hier und im Folgenden im Zusammenhang mit Grumbkows Korps siehe Staatsarchiv Breslau (A. P. we Wrocławiu), Landständisches Archiv der Oberlausitz, Nr. 1260: Correspondence Militaria 1756 / 1757, Nr. 1260: Verpflegungsliste zu Grumbkows Korps aus Görlitz am 20. Aug. 1757. 188 Zu diesem Absatz siehe Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 3: 1757, Teil 2, Seite 158 f. zum Abmarsch des Letztgenannten nach Schlesien.
IV.6. Zwischen operativem Stillstand und Fouragieren in der Oberlausitz 449
IV.6.7. Die Planungen der Österreicher und ihre Versorgungssituation gegen Ende August Aufgrund des erfolgreichen Gefechts bei Landeshut und den umfassenden Streifzügen dachten die Österreicher nun intensiv darüber nach, mit größeren Kräften in Schlesien einzudringen. Diese Überlegungen mündeten wahrscheinlich in die wichtigste strategische Entscheidung, die in der zweiten Hälfte des Kriegsjahres 1757 von österreichischer Seite getroffen wurde, nämlich mit der Hauptarmee und einem Hilfskorps in Schlesien einzurücken. Schon am 17. August beratschlagte man in der Wiener Hofkonferenz über die Entsendung von 30.000 Mann nach Schlesien, um auf diese Weise entweder dort durch eine Belagerung eine Festung einzunehmen oder, falls dies nicht möglich sein sollte, weil die Preußen mit einem größeren Korps nach Schlesien folgen würden, dementsprechend in die Lausitz und nach Sachsen einzudringen, weil man glaubte, es sei den Preußen nicht möglich, alle Positionen gleich stark zu decken189. In jedem Fall war man sich darüber im Klaren, dass eine Bewegung nach Schlesien am ehesten für den Abzug feindlicher Kräfte aus der Lausitz und Sachsen sorgen würde. Im Rahmen der Vorbereitung sollte Zittau befestigt werden, während man in Gabel ein Magazin anlegte und 400 Mehlwagen für die Armee bereithielt190. Allerdings entwickelten sich die Ansichten zunehmend dahin, vorerst ein Korps von 20.000 Mann von der Hauptarmee abzutrennen, das zuerst in Schlesien einrücken sollte, bevor das Gros der Truppen folgte. Auch Karl von Lothringen befürwortet in seiner Stellungnahme vom 25. August den Einmarsch der Hauptarmee nach Schlesien, weil laut Baron von Nettolitzky die Versorgung bei Zittau nicht länger als 9–12 Tage reichte. Darüber hinaus wies er auch darauf hin, dass die Versorgung der Truppen beim Einmarsch in Schlesien nahezu unmöglich wäre und ein Korps von 10–20.000 Mann in der Oberlausitz zurückbleiben müsse, um Böhmen zu schützen. Daher schlug er vor, sich mit dem Großteil der Armee nach Trautenau zurückzuziehen, um dann von dort aus zur Unterstützung des Belagerungskorps nach Schlesien einzudringen. Allerdings gab er zu bedenken, dass man wegen der Heranführung des Belagerungsparks nicht auf mehr als die Eroberung einer Festung hoffen könne, der Angriff auf Schweidnitz jedoch den Versuch wert sei191. Maria Theresia und Franz Stephan teilten die Sorgen Lothringens um die Nachschubwege der Hauptarmee, wollten mit ihr aber unbedingt noch während des laufenden Feldzugsjahres eine Offensive in Schlesien starten. Vorerst entschieden sie sich dafür, dass trotz der schwierigen Versorgungslage rund 40–50.000 Mann der Hauptarmee bei Zittau zu verbleiben hätten, während 20.000 Mann einrückten, um eine Reaktion der Preußen zu provozieren. Dieses Invasionskorps sollte neben den Truppen des Oberst 189 Siehe OestHHStA, Staatskanzlei, Vorträge 81, 1757 VII–XII, Blatt 65 Rückseite und 66 Vorderseite. 190 Siehe ebd., Blatt 67 Vorder- und Rückseite. 191 Zum gesamten Absatz siehe OestKA, AFA, Nr. 607: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 VIII (401–Ende), Faszikel 499c.
450
IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
Simbschön, mit rund 2.000 Mann, auch das Korps von General Jahnus, einigen Infanterieeinheiten, die bisher dem Nadasdy’schen Korps zugeteilt waren, sowie den bayerischen Hilfstruppen bestehen und insgesamt 15.600 Mann Infanterie und 2.800 Kavalleristen umfassen192. Man beabsichtigte die Einheiten, die sich schon in den Grenzregionen Schlesiens befanden, aufzustocken und den Verband nach Maßgabe der Umstände agieren zu lassen. Es sollte sich aber zeigen, dass dieser Plan dann doch zugunsten eines umfassenden Einmarsches der gesamten Hauptarmee verworfen wurde. Damit folgte man letztlich dem Ratschlag von Feldmarschall Daun, der vehement für einen möglichst zeitnahen Abmarsch eingetreten war, weil er glaubte, dass der Subsistenzmangel die Truppen in der Lausitz schwächte und das zu entsendende Korps ohne die Unterstützung der Armee keine Belagerung vornehmen könne193. Ursache der angespannten Verpflegungslage war auch die Zunahme der österreichischen Truppenstärke, sodass sich die Situation gegen Ende August 1757 wie folgt präsentierte: Tabelle 72 Stärke der österreichischen Truppen am 31. August 1757 im Operationsgebiet194 Stand
Reguläre Inf.
Kroaten
Kavallerie
Gesamt
Mann
Mann
Mann
Pferde
Mann
Pferde
Effektiv
88.856
23.780
39.245
36.206
151.882
39.246
Kommandiert
14.617
6.272
10.773
7.833
31.681
10.927
Loco
74.239
17.504
25.840
25.876
120.251
28.319
Undienstbar
9.652
994
2.712
2.748
13.697
3.058
Dienstbar
64.797
16.574
23.128
23.128
106.572
25.261
Entscheidend war nicht nur, dass diese Angaben alle Truppen im Operationsgebiet berücksichtigten. Wichtiger war noch, dass von den kroatischen Miliztruppen und Husaren viele Einheiten bei den kommandierten Korps eingesetzt wurden. Jahnus verfügte im schlesisch-böhmischen Grenzgebiet über 4.470 Mann, deren Anzahl sich inzwischen vermutlich auf 6.379 Mann erhöht hatte195. Bei Laudon befanden sich offenbar 2.800 Mann Liccaner, Ottochaner und Oguliner, während er bei Haddik u. a. auch das soge192 Zur genauen Zusammensetzung des Korps siehe OestHHStA, Kriegsakten, Nr. 334: Corps pour la Silesie selon Etat qu sa Majesté m’ fait de envoier. 193 Siehe OestHHStA, Staatskanzlei, Vorträge 81, 1757 VII–XII, Blatt 113 Vorderseite. 194 Zu den für den Effektiv-, Loco- und dienstbaren Stand in der Tabelle siehe OestKA, AFA, Nr. 606: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 VIII (1–400), Faszikel 140. Die Zahlen für die Kommandierten und Undienstbaren ergeben sich aus den errechneten Differenzen.
IV.6. Zwischen operativem Stillstand und Fouragieren in der Oberlausitz 451
nannte Sluiner Regiment mit 1.150 Mann unter seinem Kommando hatte196. Folglich verteilten sich von den 16.514 Grenztruppen 10.329 Mann auf die entsandten Korps, sodass die Stärke der dienstbaren Infanteristen in der Hauptarmee inklusive der Kroaten bei 71.041 Mann gelegen haben dürfte. Neben den Kroaten kamen auch viele Husaren bei den selbstständig agierenden Nebenverbänden zum Einsatz, wobei allein auf die Baranai, Carlstädter und Jatziger Husarenregimenter 1.382 Mann entfielen. Die Stärke der einsatzfähigen Soldaten bei Zittau dürfte inklusive der Kavalleristen also maximal um die 95.000 Mann betragen haben197, sodass sich die Truppenkonzentration und die lokalen Versorgungsprobleme, die daraus erwachsen konnten, einigermaßen in Grenzen hielten. Hierzu trug auch der Umstand bei, dass die Österreicher allein vom Kurfürstentum Sachsen im Zeitraum vom 5. Juli bis 15. September 230.000 Portionen Brot und rund 1.450.000 Heuportionen geliefert bekamen, was die Versorgung der Soldaten für 2 ½ Tage, die der Kavalleriepferde aber für fast 2 Monate ermöglichte. Für sämtliche Pferde der Streitmacht, deren Anzahl inklusive Infanterie, Artillerie und Proviantfuhrwesen wahrscheinlich rund 47.500 Stück betrug, reichte das Heu zumindest 1 Monat, da inzwischen auch 80.000 Portionen aus Schlesien eintrafen. Noch bedeutender waren die Haferlieferungen, denn hiervon hatte man aus Schlesien wenigstens 4.802 Scheffel und aus Sachsen 18.733 Scheffel erhalten. Dies entsprach nach den provinztypischen Breslauer und Dresdner Maßen insgesamt 1.830 Tonnen und ermöglichte die Verpflegung aller Pferde für ca. 9 Tage, sodass sich die Versorgungslage trotz der immensen Anforderungen durch die umfassende Nutzung der lokalen Ressourcen beider Regionen etwas gebessert hatte198. Hierauf deutet auch die Übersicht der Magazinbestände vom 28. August hin, wobei sie eher Reserven bei der Infanterie als bei der Kavallerie offenbart.
195 Siehe OestKA, AFA, Nr. 606: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 VIII (1–400), Faszikel ad 140. Schon die Gradiskaner, Kreutzer, St. Georger und Peterwardeiner zählten gemäß dieser detaillierten Aufstellung von Ende August nach dienstbarem Stand 6.379 Mann. 196 Siehe OestKA, AFA, Nr. 607: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 VIII (401–Ende), Faszikel ad 532. 197 Siehe OestKA, AFA, Nr. 606: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 VIII (1–400), Faszikel ad 140. 198 Zum gesamten Absatz siehe OestKA, Zentralst., GKK, Akten, Nr. 54 Militärdirectoralia 1757 IX 101–XI 140, Faszikel IX / 174: Schreiben Baron von Nettolitzkys aus Hauptquartier Jauer vom 23. September 1757.
452
IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757 Tabelle 73 Naturalien- und Materialienbestände in den Magazinen der österreichischen Truppen am 28. August 1757199
Datum
Magazine
Hartfutter Reis
Mehl
Brot
Zentner
Zentner
Portionen
Hafer
Gerste
Raufutter Heu
Gerstenstroh
Niederöst. Metzen
a 11 lb
a 14 lb.
2.425
28. Aug.
FeldMagazin Haubtarmee
18.271
33.042
5.323
38.591
26. Aug.
FeldMagazin Nadast.Corps
87.604
967
146
11.924
13
Lagerstroh
Fässer volle
Bund a 12 lb
Stück
In der Lausitz 28.
Zittau
10.472
145.865
2.982
3.557
32.931
586
577
11.832
550
196
5.093
2.987
7.898
3.881
1.450
7.805
1.035
41.001
2.584
486
1.150
574
In Böhmen 28. Aug.
Gabel
28. Aug.
Warttenberg
27. Aug.
Jungbunzlau
27. Aug.
Niemes
24. Aug.
Nymburg
24. Aug.
Eger
26. Aug.
Prag
25. Aug.
Kollin
12
98 105
616
937
692
8.635
3.949
65
4.351
21.792
4.095
4.961
26.183
709
1.476
13.501
2.638
33.093
9.198
1.860
1.697
3.523
25. Aug.
Kuttenberg
580
Koniggraz
293
23. Aug.
Pardubiz
24. Aug.
Pilsen
22. Aug.
Politschka
23. Aug.
Teutschbrod
29.872
2.558
20. Aug.
Pudweis
20. Aug.
Czaslau
98
4.704
20. Aug.
MoldauThein
21. Aug.
Neuhaus
5.678
755
4.300 460
235
1.393
5.785
2.783
1.295
21.114
19.044
1.059
11
96
61
4.152
2.604
35
5.540
334 3.558
1.102
169
4.265
24. Aug.
Summe
268 120
488
32
3.592
324
1.475
210 2.309
1.962 ½
80
9.720
260
481
6.022
2.163
9.392
3.972
688
17
15.804
10.712
2052
65
74
12.407
4.870 12 1.554
86.170
244.335
1.075
3.457
95.082
9.491
97.926
13.004 35.996 ½
145.949
16.511
In Schlesien 24. Aug.
Landshut, Trauttenau
In Mähren [Alle Magazine]
14.914 69.901
116.000
287.779
13.633
199 Zu sämtlichen Angaben siehe OestHHStA, Kriegsakten, Nr. 346: Summarischer Vorrats Rapport Was in nachstehenden kayl. königl. Proviant Magazinen vermög eingelangten und hier nach specificiter Rapporten an Natural- und Materialien sich wirklich voräthig befindet. Zittau 28. August 1757. Franz Eu. Zimmer. Nicht aufgeführt sind die Säcke sowie die leeren Fässer.
IV.6. Zwischen operativem Stillstand und Fouragieren in der Oberlausitz 453
Die Hauptarmee und das Nadasdy’sche Korps verfügten in ihren Feldmagazinen und bei Zittau über Hartfuttervorräte in einer Größenordnung von rund 39.000 Metzen, die genügten, um den Tagesbedarf aller Pferde bei rund 6.000 Metzen für 6 ½ Tage zu decken. Mit den Raufuttermengen ließen sich aber selbst die 25.000 Pferde der Kampftruppe nicht länger als 1 ½ Tage voll verpflegen. Daher ergab sich nur ein sehr kleiner Spielraum für kavalleristische Offensivaktionen, zumal Nachschub aus den Magazinen in größerem Umfang nicht zu erwarten war, denn die Hartfuttervorräte bei Jungbunzlau und Nimes deckten den Bedarf kaum für mehr als 1 Tag, während die Heuvorräte nicht einmal für 1 Drittel des Tagesbedarfs genügten. Größere Vorräte waren erst auf der Linie KolinEger wieder vorhanden, wobei die Heuvorräte in Eger im Gegensatz zu den Hartfuttermengen aus Kolin wegen der deutlich größeren Entfernung kaum für die Truppen in der Oberlausitz zu mobilisieren waren. Dies galt erst recht für die Mengen in Prag und Pilsen. Günstiger stellte sich die Situation bei der Truppenverpflegung und damit für die Waffengattung der Infanterie dar. In den Feldmagazinen und bei Zittau lagerten für ca. 95.000 Soldaten der Truppen bei Zittau noch Brotportionen für ca. 2 ½ Tage, während man aus Gabel, Jungbunzlau, Warttenberg und Nimes weitere Vorräte für 1 Tag heranführen konnte. Vor allem aber stand mit den 10.472 Zentnern bzw. 638 Tonnen Mehl in Zittau eine Reserve für weitere 9 Tage zur Verfügung, sodass die Soldaten noch für knapp 2 Wochen versorgt waren. Es gab zwar theoretisch noch weitere Reserven, allerdings verteilten sich die größeren Mengen auf die weiter zurückliegenden Nachschub stationen in Mittel- und Südböhmen wie Kolin, Politschka und Deutschbrod. Noch mehr Mehl lagerte tief im Hinterland in Mähren, was belegt, dass die Österreicher trotz ihres enormen Wagenaufwandes große Schwierigkeiten bei der Umverteilung ihrer Ressourcen ins frontnahe Operationsgebiet hatten. IV.6.8. Die Vorbereitungen der Preußen zum Abmarsch aus der Oberlausitz Während sich die Versorgungslage der Österreicher etwas entspannt hatte, spitzte sie sich bei den Preußen gegen Ende August wieder etwas zu. Der operative Hintergrund bestand hierbei darin, dass König Friedrich am 24. August seinen Abmarsch aus der Oberlausitz vorbereitete, um mit einem Korps nach Westsachsen zur Eindämmung des französischen Vormarsches aufzubrechen. Das Kommando über die Truppen, die in der Oberlausitz bei Schöna, Bernstadt und Groß-Radmeritz zurückbleiben würden, sowie die Einheiten bei Bautzen sollte der Herzog von Bevern übernehmen. Bevor der König diesem offiziell das Kommando über die schlesischen Truppen und die Festungen übertrug, erbat er dessen persönliche Anwesenheit, da er ihm notwendige Dinge mitzuteilen habe200. Offenbar wollte der König sicherstellen, dass die wichtigsten Anweisungen ausschließlich mündlich übermittelt wurden. Der Herzog von Bevern sollte so lange wie möglich in der Lausitz verbleiben und Görlitz decken, wohin der König einen Transport mit 700 Tonnen Mehl aus Dresden zu 200 Siehe
Friedrich II., Politische Correspondenz, Bd. 15, Nr. 9289.
454
IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
schicken gedachte, der ihm eine Versorgung für 9 bis 12 Tage mit Brot ermöglichte. Allerdings konnte der Intendant, Generalmajor von Retzow, ihm diese Menge schon jetzt nicht garantieren. Da Bevern sich einer zahlenmäßig weit überlegenen Armee gegenübersehen würde, musste er versuchen durch die geschickte Wahl der Stellungen die Versorgung seiner Armee zu sichern, die Verbindung mit Schlesien aufrechtzuerhalten und das Eindringen leichter Truppen nach Brandenburg zu verhindern. In seiner Funktion übernahm er nun auch gleichzeitig die Nachfolge Feldmarschall Schwerins und des Prinzen August Wilhelm als Oberbefehlshaber über die Festungen in Schlesien. Beraten sollten ihn der dort ortskundige Generalleutnant Winterfeldt und Ingenieur-Major Embers. Zur Seite stand ihm auch Minister von Schlabrendorff, an den sich der Herzog von Bevern wandte, um der drohenden Mehlknappheit vorzubeugen, indem er aus den schlesischen Magazinen noch 500 Tonnen anforderte, die von Einheiten aus General von Grumbkows Korps zu eskortieren waren201. Der König brach am 25. August mit 12 Bataillonen, 18 Eskadrons und 10 schweren Geschützen von Bernstadt in Richtung Weißenberg auf, wo sich noch 5 Bataillone und 5 Eskadrons Dragoner nach ihrer Verwendung als Brotwageneskorte von Bautzen kommend anschlossen. Am 26. August marschierten diese 17 Bataillone und 23 Eskadrons bis Bautzen und bezogen bei Stiebitz ein Lager, wobei das Dorf, wie schon erwähnt, intensiv ausfouragiert wurde, was nicht verwunderlich ist, da auch dieser Verband um die 6.000 Pferde umfasste202. Für deren Verpflegung plünderten die rund 20.000 Mann nicht nur die Dörfer aus, sondern rissen auch das Stroh von den Dächern der Häuser203. Den Herzog von Bevern informierte der König an diesem Tag, dass er ihm wenigstens noch 500 Tonnen Mehl aus Dresden zu schicken beabsichtigte204. Außerdem setzte er ihn davon in Kenntnis, dass er unter Umständen eine Verstärkung von 10 Bataillonen und 30 Eskadrons benötigen würde, falls die Österreicher sich doch mit 30.000 oder 40.000 Mann gegen Dresden wandten und nur mit 40–50.000 Mann Richtung Landeshut marschierten205. Noch mehr als die Österreicher beunruhigten den König jedoch die Einheiten der französischen Vorhut, die sich angeblich schon bei Lützen befanden. Am 27. August rückten die Truppen unter seinem Kommando in 2 Kolonnen bis Harthau vor, wo ein Ruhetag folgte. Am 29. August setzten sie ihren Marsch nach Dresden fort, wo sie sich mit dem Korps des Generals Moritz zu Anhalt-Dessau im Umfang von 201 Zum gesamten Absatz siehe Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 3: 1757, Teil 2, Seite 162–164. 202 Die Anzahl ergibt sich aus den 23 Eskadrons zu 130 Stück, die zusammen rund 3.000 Pferde ausmachten, den 1.500 Pferden der Proviantwagen und weiteren 1.500 Zugtieren, die zum Bäckerei- und Mehlfuhrwesen gehörten. Da Letzteres wohl geteilt wurde, rückten nur 18 oder 19 Öfen von den 40 in Bautzen vorhandenen mit dem Korps des Königs nach Dresden ab, während 21 Stück für die Truppen unter dem Kommando des Herzogs von Bevern verblieben (vgl. den folgenden IV. Teil 7.1.) 203 Siehe OestKA, AFA, Nr. 607: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 VIII (401–Ende), Faszikel 677. 204 Siehe Friedrich II., Politische Correspondenz, Bd. 15, Nr. 9292. 205 Siehe ebd.
IV.6. Zwischen operativem Stillstand und Fouragieren in der Oberlausitz 455
15 Bataillonen und 20 Eskadrons vereinigten. Die kombinierte Streitmacht, bestehend aus 32 Bataillonen und 37 Eskadrons, umfasste anscheinend 36.000 Mann206. General zu Anhalt-Dessau wurde angewiesen, für das Garnisonsregiment von Grape in Pirna einen Vorrat für 3 Monate zurückzulassen, den Rest per Schiff nach Dresden zu schicken und vor allem sämtliche Bauernwagen, die er finden könne, dorthin mitzubringen207. Tatsächlich waren zu diesem Zeitpunkt 2 Nahrungsmitteltransporte der Pirnaer Kaufleute Christian Meissner und Johann Gottfried Gläser in Magdeburg eingetroffen, die aber wegen der Zollabgaben und der Umladung in die Wasserfahrzeuge der Dresdner Schiffer noch auf ihren Weitertransport warteten208. Die beiden Ladungen beinhalteten u. a. 102 Tonnen Heringe, über 6,5 Tonnen Reis, über 13 Tonnen Sirup, 4 Tonnen Rotschären, aber auch Öl, Butter, Brieftabak und 2 ½ Tonnen Holz, das ausdrücklich für die Truppenversorgung vorgesehen war, auch wenn es etwas verspätet eintraf209. Dem neuen Stadtkommandanten von Dresden, Oberst Finck, ließ der König mitteilen, dass er die 12- und 24-Pfund Geschütze, die bei Prag im Einsatz waren, nach Magdeburg und die Kranken in möglichst großer Anzahl nach Torgau schicken möge210. Für den Fall einer Belagerung wies er ihn an, die Neustadt niederzubrennen und dem Feind die Stadt gegebenenfalls nur in Form eines abgebrannten Schutthaufens zu übergeben211. Zunächst hatte er aber dafür zu sorgen, dass zum 31. August vor dem Schwarzen Tor, wo die Armee nun ihr Lager bezog, Lebensmittel, Branntwein und 60 Tonnen Brennholz bereitstanden212. Neben den unmittelbaren Bedürfnissen der Armee des Königs stellten vor allem die längerfristigen Ausschreibungen für die Pferdeverpflegung in den kommenden Monaten eine Zumutung für die sächsischen Untertanen dar. Bereits am 27. August forderte das Feldkriegskommissariat an Fourage 31.452 Wispel Hafer, 9.529 Wispel Gerste, 400.000 Zentner Heu und 50.000 Schock Stroh, die bis Ende November zu einem gemäßigten Preis an die Magazine abgeliefert werden sollten. Ausgenommen von der Lieferung waren die Nieder- und Oberlausitz, was auf die enormen Belastungen hindeutet, die diesen Provinzen schon durch die Preußen und Österreicher widerfahren waren. Weil die übri206 Siehe Stadtarchiv Dresden, 2.1: Ratsarchiv / Stadtverwaltung vor 1945, G XXXIII 18c, Blatt 194 Vorderseite. Bisweilen wird die Stärke sogar auf 45.000 Mann bei einer geringeren Bataillons-, aber höheren Eskadronsanzahl angegeben. Vgl. Kästner, Gotthard, Generalmajor Mayr und sein Freikorps in Kursachsen, Seite 48. Im völligen Gegensatz dazu gibt Brabant die Stärke der preußischen Truppen weit niedriger an. Vgl. Brabant, Arthur, Das Heilige Römische Reich im Kampf mit Friedrich dem Großen, Bd. 1, Seite 206. 207 Siehe Friedrich II., Politische Correspondenz, Bd. 15, Nr. 9297. 208 Siehe LASA, A 9a VI Kriegs- und Domänenkammer zu Magdeburg, Specialia, Städtesachen des Holzkreises, Altstadt Magdeburg, Nr. 223: Der Alten Stadt Magdeburg Stapelgerechtigkeit betref., Bd. III, Blatt 155 und 162 jeweils Vorderseite. 209 Siehe ebd., Blatt 159 und 164 jeweils Vorderseite. 210 Siehe Friedrich II., Politische Correspondenz, Bd. 15, Nr. 9295. 211 Siehe ebd., Nr. 9298. 212 Siehe Stadtarchiv Dresden, 2.1: Ratsarchiv / Stadtverwaltung vor 1945, G XXXII, Nr. 22, Blatt 152 Rückseite.
456
IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
gen Landesteile nun entsprechend mehr liefern mussten, wollte man den sächsischen Ständen dahingehend entgegenkommen, dass die Ablieferung auch in die nächstgelegenen Orte der jeweiligen Kreise erfolgen konnte, wobei deren Festsetzung noch ausstand. Das Feldkriegskommissariat stellte jedoch klar, dass der größte Teil nach Dresden zu erfolgen habe und die nahegelegenen Orte hierzu mehr Raufutter, die entfernteren Gemeinden aber mehr Hartfutter beitragen müssten. Da die Mengen umgerechnet 20.947 Tonnen Hafer, 9.529 Tonnen Gerste, 20.000 Tonnen Heu und 30.000 Tonnen Stroh entsprachen, reichten sie aus, um die geschätzte Pferdemenge der preußischen Armee, die sich vor dem Abmarsch des Königs in der Oberlausitz aufhielt, also rund 30.000 Stück, für 4–5 ½ Monate zu versorgen213. Hinzu kam die Ausschreibung für die Truppenverpflegung, die auch an die kursächsischen Stände erging: „Wobey denenselben zugleich bekannt gemacht wird […] daß 5000 Wispel Roggen, Berliner Maaßes, gegen baare Bezahlung von den Creyßen an die Königl. Magazins geliefert werden müssen. Daher die Hr. Stände auch darauf ihre Eintheilung zu machen, und in Ansehnung des Preißes, sich zu declarieren haben Dreßden, den 30. Aug. 1757 Königl. Feld-Krieges-Commissariat Zinnow, Albrecht, Flesch“214.
Die 5.000 Tonnen Mehl, die bei der Vermahlung entstanden, reichten für die 30–36.000 Mann von König Friedrichs Korps über 4 Monate, für alle Truppen in Sachsen dagegen nur 2 ½. Während die langfristige Versorgung der Truppen in Sachsen damit theoretisch gesichert war, gestaltete sich die Lage für die Truppen unter dem Kommando des Herzog von Bevern vorerst wesentlich schwieriger. Verblieben waren unter seinem Kommando und seinem Stellvertreter Generalleutnant von Winterfeldt zwar nur noch 36 Bataillone Infanterie, dafür aber der Mammutteil der Kavallerie mit 110 Eskadrons in der östlichen Oberlausitz, die allein schon 14.500 Berittene gezählt haben dürften. Hinzu kamen noch die 9 Bataillone unter dem Kommando des Generals von Rebentisch bei Bautzen, sodass die ganze Streitmacht selbst nach konservativen Angaben 45.000215, inklusive der Re kruten wahrscheinlich sogar 50.000 Mann umfasste. Während die Truppen bis zum 30. August größtenteils noch zwischen Bernstadt und der Neiße verweilten, wichen sie in den folgenden Tagen nach Görlitz zurück. Die Armee nahm eine Stellung ein, die sich von der Neiße zur Landeskrone und von dort wieder bis nach Girbersdorf erstreckte, wodurch die Stadt selbst abgeschirmt wurde. Dabei bot die Landeskrone den Preußen wie viele der anderen Hutberge in der Oberlausitz, von denen man die Umgebung auf 213 Zum gesamten Absatz siehe SächsHStA-DD, 10025 Geheimes Konsilium, Loc. 6482, Nr. 15, Blatt 318 Vorderseite bis 319 Vorderseite. 214 SächsStFilA-BZ, 62001 Neues Archiv, Nr. 196: Relationen über den Landtag in Dreßden 1757, Bd. 2. 215 Vgl. Jany, Curt, Geschichte der Königl. Preuß. Armee, Bd. 2, Seite 426.
IV.6. Zwischen operativem Stillstand und Fouragieren in der Oberlausitz 457
viele Kilometer überblickt, hervorragende Möglichkeiten für die Einrichtung von vorteilhaften Aufklärungsposten und Verteidigungsstellungen. Um Görlitz besser zu schützen, rückte am 31. August auch Generalleutnant von Winterfeldt mit seinem Korps von Ostritz und Klein-Radmeritz auf dem rechten Neißeufer näher an die Stadt216. Dort hatte Generalmajor von Retzow schon am 25. August den Aufbau von 30 Backöfen angeordnet, von denen jeder in der Lage sein musste, pro Backgang 250 6-PfundBrote herzustellen, wofür zusätzlich 2.000 Klafter Holz zu beschaffen waren217. Für die Übergangszeit ließ man erneut 50.000 4-pfündige Brote auf die Dörfer ausschreiben, die zwischen dem 26. und 28. August abgeliefert werden sollten. Am 29. August fehlten jedoch noch 89.281 Pfund, sprich 22.320 Brote oder 44.640 Portionen218. Allerdings hatte das Feldkriegskommissariat in Dresden den Dorfschaften des Meißener Kreises, die an die Oberlausitz grenzten, befohlen, 35.000 Brote zu 6 Pfund am 30. und 31. nach Bautzen zu liefern und sie zum Schutz vor Regen mit Stroh zu bedecken219. Zusammen sollten 300.000 Brotportionen mittels lokaler Ressourcen erzeugt und nach Bautzen gebracht werden. Derweil schrieb Generalmajor von Goltz am 1. September weitere 20.000 Portionen im Görlitzer Kreis aus220. Erforderlich war dieser Aufwand, weil sich die Mehltransporte aus Dresden und Schlesien verzögerten. Schlabrendorff hatte zwar durch die Entsendung von 500 Tonnen Mehl aus den Magazinen in Schlesien vorgesorgt, sodass ihm General von Winterfeldt sogar das Kompliment zuteilwerden ließ, er möge kommandierender Generalgouverneur dieser Provinz werden221. Das Problem war nun aber, dass die Streifzüge der Österreicher Anfang September so zugenommen hatten, dass der Minister nun massiv um die Sicherheit des Mehltransportes fürchtete, zumal an den Landstraßen und Ämtern von den Österreichern die preußischen Adler heruntergerissen wurden, während ihre leichten 216 Siehe Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 3: 1757, Teil 2, Seite 186 f. Einen guten Eindruck von dem kompakten preußischen Lager und den verleichsweise weit ausgedehnten Stellungen der Österreicher gegenüber vermittelt die Karte No. 40 in St. Paul, Horace, A Journal of the First Two Campaigns of the Seven Years War. 217 Siehe Staatsarchiv Breslau (A. P. we Wrocławiu), Landesständisches Archiv der Oberlausitz, Nr. 1273: Königl. preuss. Ordres wegen Fourage Lieferungen vor das Prinz Beversche Corps und darauf eingegangene Kreis Ausschreiben 1757, Seite 7 f. 218 Siehe SächsStFilA-BZ, 50001, Nr. 2711: Schreiben Kommissar Beggerows aus Budissin am 29. Aug. 1757. 219 Siehe SächsHStA-DD, 10025 Geheimes Konsilium, Loc. 6482, Nr. 15, Blatt 312 Rück-, 313 Vorderseite. 220 Siehe Staatsarchiv Breslau (A. P. we Wrocławiu), Landständisches Archiv der Oberlausitz, Nr. 1273: Königl. preuss. Ordres wegen Fourage Lieferungen vor das Prinz Beversche Corps und darauf eingegangene Kreis Ausschreiben 1757, Seite 39–44. 221 Siehe Acta Borussica, Behördenorganisation, Bd. 11, Nr. 182. Der Briefwechsel ist eigentlich datiert auf das Lager bei Mois am 3. August 1757. Offensichtlich liegt hierbei aber ein Fehler vor, denn Anfang August war die Gegend um Görlitz noch von den Österreichern besetzt. Darüber hinaus legt auch der wiedergegebene Inhalt in der Acta Borussica nahe, dass das Schreiben von Anfang September stammt, denn angeblich soll der König Winterfeldts Einschätzung zu Schlabrendorffs Fähigkeiten geteilt haben, und zwar in einer Besprechung bei Zittau, also vermutlich im Rahmen des Vormarsches zum Angriff dorthin Mitte August.
458
IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
Einheiten große Lieferungen ausschrieben und eintrieben222. Nachdem die gegnerischen Truppen bei Bunzlau 72 Ochsen erbeutet hatten, wollte man es nicht riskieren, den Mehlkonvoi mit seiner schwachen Bedeckung in der Nähe des Nadasdy’schen Korps auf dem rechten Neißeufer heranzuführen. Die Versorgungslage der Preußen bei Görlitz blieb somit weiterhin kritisch. Allerdings hatte Beverns Korps nicht nur mit Engpässen beim Mehl zu kämpfen, sondern auch mit der Verpflegung der Pferde. Daher forderte er von den Dörfern des Görlitzer Kreises insgesamt 26.000 Scheffel Hafer, Gerste und Roggen, 14.000 Zentner Heu, 1.000 Schock Stroh und 1.000 Klafter Holz223, was umgerechnet 2.158 Tonnen Hartfutter, 700 Tonnen Heu, 600 Tonnen Stroh und 1.000 Tonnen Holz entsprach. Erforderlich waren diese Mengen allemal, denn wahrscheinlich musste man inzwischen neben den 14.500 Kavalleriepferden auch wieder beträchtliche Mengen bei den 45 Bataillonen der Infanterie versorgen, die sich bis zu 5.400 Stück belaufen haben könnten224, wenn es gelungen war, die Ausfälle, die auf dem Rückzug aus Böhmen entstanden waren, zu ersetzen. Angesichts des beachtlichen Pferdepotentials225, das auch in der Oberlausitz vorhanden war, wäre dies aber durchaus möglich. Wenn dem so war, dann konsumierten diese knapp 20.000 Pferde mit ihren 22.000 Rationen pro Tag ca. 112 Tonnen Hartfutter, 90 Tonnen Heu sowie 110 Tonnen Stroh, sodass selbst die ausgeschriebenen Mengen eine Vollverpflegung nur für 7 Tage ermöglichten, obgleich das Hartfutter 20 Tage reichte. Zur Bedingung der Fouragierungsvermeidung machte der Oberkriegskommissar Korge in dieser Ausschreibung vom 29. August das Vorhandensein von 8.000 Scheffeln Hartfutter, 4.000 Zentnern Heu, 800 Schock Stroh und der gesamten Holzmenge bis zum 1. September226. Die ganze Lieferung sollte spätestens bis zum 10. September erfolgt sein. Obwohl bis zum 2. September erst 2.580 Scheffel Hafer, 2.580 Zentner Heu sowie 720 Schock Stroh abgeliefert waren, verlangte Generalmajor von der Goltz schon am 1. September die Ablieferung von weiteren 14.000 Scheffeln Hafer, 7.000 Zentnern Heu und 1.400 Schock Stroh bis zum 9. September. Allerdings trafen die Lieferungen bis zum 4. September wieder sehr schleppend ein, sodass von der Goltz erneut mit der Fouragierung drohte, wenn nicht unverzüglich beachtliche Mengen geliefert würden. Offenbar war Letzteres nicht machbar, sodass es doch zu gewaltsamen Eintreibungen kam, die zum Teil exzessive Ausmaße wie im Dorf Klingenwalda annahmen, wo am 7. September nicht weniger als 19 Tonnen Roggen, 178 Tonnen Gerste, 63 Tonnen Heu und 159 Ton222 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 82 P: Immediatsberichte Ernst Wilhelm von Schlabrendorff 1757, Blatt 89 Vorderseite. 223 Siehe Staatsarchiv Breslau (A. P. we Wrocławiu), Landständisches Archiv der Oberlausitz, Nr. 1273: Königl. preuss. Ordres wegen Fourage Lieferungen vor das Prinz Beversche Corps und darauf eingegangene Kreis Ausschreiben 1757, Seite 30. 224 Gerechnet wieder zu 120 Pferden pro Bataillon. 225 Zur Anzahl vgl. III. Teil 1.: Die logistisch relevanten Ressourcen in Schlesien, Sachsen, Böhmen und Mähren. 226 Siehe Staatsarchiv Breslau (A. P. we Wrocławiu), Landständisches Archiv der Oberlausitz Nr. 1273: Königl. preuss. Ordres wegen Fourage Lieferungen vor das Prinz Beversche Corps […] 1757, Seite 31.
IV.6. Zwischen operativem Stillstand und Fouragieren in der Oberlausitz 459
nen Stroh fouragiert wurden227. Ob derartige Mengen immer zu erlangen waren, dürfte äußerst fraglich sein. Wahrscheinlich handelte es sich hier um ein punktuell intensives Verfahren, das weniger flächendeckend war und in enger Verbindung mit dem avisierten Aufbruch der preußischen Truppen nach Schlesien stand. Die Zivilbevölkerung sah sich in jedem Fall erneut horrenden Belastungen ausgesetzt. An diesem Tag, sprich am 7. September, traf in Görlitz der Mehltransport, der am 3. September in Bautzen angekommen war, aus Dresden ein. Dessen Abmarsch hatte sich dort wegen des Durchmarsches von König Friedrichs Truppen verzögert. Vor allem konnte man wesentlich weniger Mehl als geplant mitnehmen, was damit zusammenhing, dass die Streifzüge Laudons in das rückwärtige Gebiet Mittelsachsens und die damit verbundenen Magazinverluste König Friedrich zwangen, beträchtliche Mengen der Dresdner Bestände für die Versorgung seines Korps in Beschlag zu nehmen228. Vermutlich trug aber auch der Wagenmangel zur verzögerten Abfahrt des Konvois in Richtung Bautzen bei, zumal das Feldkriegskommissariat am 26. August bei den Brotausschreibungen noch den Umstand erwähnt hatte, dass oft nicht einmal 1 Sechstel der geforderten Fuhrwerke eingetroffen waren229. Offensichtlich traf diesmal aber der Großteil der geforderten 800 Wagen ein, denn obwohl nur 344 Mehlwagen ankamen, bestand der ganze Konvoi laut einem österreichischen Kundschafter insgesamt aus 700 Wagen230. Eskortiert wurde dieser Konvoi bis Bautzen vom Regiment Geist und dem Freibataillon Chossignon. Letzteres hatte in Meißen, nachdem der Großteil des dortigen Magazins mit 13 Schiffen abtransportiert und der Rest an die Bürgerschaft verkauft worden war, gemäß dem Befehl des Königs vom 28. August die Brücke am 2. September verbrannt. Dabei griff das Feuer auf das gegenüberliegende Dorf Niederfehra und den Kapellenberg über, sodass innerhalb von 3 Stunden 25 Häuser völlig zerstört wurden. Offenbar rückte das Bataillon unmittelbar danach in Richtung Bautzen ab. Dort fiel ihm die Aufgabe zu, nach dem Aufbruch des Mehlkonvois und der Feldbäckerei am 5. September die Stadt so lange wie möglich gegen die Österreicher auf der Ortenburg zu verteidigen, wo man jede Menge an Naturalien, darunter Bier und Branntwein sowie 14 Ochsen und 60 Schafe, zusammengebracht hatte. Nachdem die Preußen an diesem Morgen alle Tore verbarrikadiert hatten, trafen die österreichischen Kroaten am Abend ein und verschafften sich durch das Laubaner Tor Zugang zur Stadt. Sie besetzten die Straßenzüge um die Ortenburg und beschossen diese von den Dachstühlen der angrenzenden Häuser. Am folgenden Tag ließ General Haddik die preußische Besatzung zur Kapitulation auffordern, die zunächst aber ausgeschlagen wurde. Nachdem jedoch um 10 Uhr einige 227 Siehe Staatsarchiv Breslau (A. P. we Wrocławiu), Landständisches Archiv der Oberlausitz, Nr. 1244: Dorf Klingenwalda, Caput VII. Das Dorf heißt heute Klingewalde und liegt unmittelbar nördlich von Görlitz. Die Originalmengen betrugen 228 Schock Korn, 861 Schock Gerste, 18 Schock Hafer, 1.254 Zentner Heu und 241 Schock Stroh. 228 Siehe Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 3: 1757, Teil 2, Seite 164. 229 Siehe SächsHStA-DD, 10025 Geheimes Konsilium, Loc. 6482, Nr. 15, Blatt 312 Rückseite, 312 Vorderseite. 230 Zur Gesamtanzahl der Wagen siehe OestKA, AFA, Nr. 608: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 IX (1–320), Faszikel 223.
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IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
12-pfündige Geschütze in Stellung gebracht worden waren, erbat die Besatzung gegen 1 Uhr nachmittags, abziehen zu dürfen, was ihnen aber verweigert wurde, sodass gegen 2 Uhr nachmittags die Kapitulation der Besatzung erfolgte231. Die preußische Feldbäckerei war inzwischen unter Generalmajor von Rebentisch Richtung Görlitz abgerückt. Der österreichische General Beck hatte bereits am 2. September trotz des dichten Nebels, der die Aufklärung erschwerte, durch Kundschafter in Erfahrung gebracht, dass an diesem Tag ca. 2.000 Mann Infanterie und 1.000 Mann Kavallerie nach Bautzen aufgebrochen waren, um von dort die Feldbäckerei abzuholen, und plante nun, die Preußen beim Rückmarsch mit 1.000 Mann Kavallerie in der Nähe von Wasserkretschen anzugreifen232. Der Konvoi, der sich jedoch am 5. September unter einer Bedeckung von nicht weniger als 9 Bataillonen in Marsch setzte233, wählte aber eine nördlichere Route über Baruth und Weigersdorf und konnte aufgrund dieser beiden Faktoren laut General Haddik nicht im offenen Gelände angegriffen werden234. Am 6. September rückte der Transport weiter bis nach Ullersdorf und traf in den nächsten 2 Tagen im Lager bei Görlitz ein, wenn auch nur mit 340 statt 700 Tonnen Mehl235. Die Versorgung von Beverns Truppen war damit aber zumindest 9 Tage gesichert. Der Transport selbst umfasste insgesamt sogar wieder 1.500 bis 2.000 Wagen, da man neben der Bäckerei auch weitere Utensilien heranführte236. Die folgende Karte zeigt noch einmal die Lage während des Abmarsches und das Vorrücken der leichten österreichischen Verbände unter Jahnus in Schlesien und Laudon in Mittelsachsen gegen die Magazine oder Verbindungslinien, woraus den Preußen in der Folge erhebliche logistische Probleme erwachsen sollten (siehe nächste Seite).
231 Zu den Vorgängen in Meißen siehe SächsHStA-DD, 10058 Kreisamt Meißen, Nr. 2337, Blatt 39 und 55 jeweils Vorder- und Rückseite. Zu den Vorgängen in Bautzen am 6. Sept. siehe Domstiftsarchiv Bautzen, A. I., Nr. 3415: Traurige Kriegesbegebenheiten sonderlich bey einem Hochwürdigen Domstift St. Petri zu Budissin 1756–1763, Seite 10. 232 Siehe OestKA, AFA, Nr. 608: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 IX (1–320), Faszikel 206. 233 Siehe Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 3: 1757, Teil 2, Seite 196. 234 Siehe OestKA, AFA, Nr. 608: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 IX (1–320), Faszikel 220. Haddiks Begründung erscheint auf den ersten Blick plausibel, allerdings ist sie vor dem Hintergrund der heutigen Geländeverhältnisse etwas merkwürdig, da die nördlichere Strecke wesentlich stärker durch Wälder und Seen geprägt ist als die südliche entlang der Straße über Wurschen und Reichenbach, wo die Österreicher ihre Truppen in Stellung gebracht hatten. 235 Siehe LASA, DE, Z44 Abt. Dessau, A 9b VII, Nr. 8g (Precis des Herzogs von BraunschweigBevern Aug.–Nov.1757), Blatt 6 Rückseite. 236 Siehe OestKA, AFA, Nr. 608: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 IX (1–320), Faszikel 223 und 262.
237 Karte
adaptiert nach: Der große illustrierte Weltatlas, Seite 117.
Abbildung 47: Operativ-logistische Gesamtlage in Sachsen und Schlesien Ende August 1757237
IV.6. Zwischen operativem Stillstand und Fouragieren in der Oberlausitz 461
462
IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
Nachdem es an diesem Tag bei Fouragierungen am rechten Neißeufer zu Scharmützeln gekommen war, entdeckte der Herzog von Bevern am nächsten Tag von der Landeskrone auf der gegenüberliegende Seite bei Deutsch-Ossig ein unbekanntes Korps des Gegners, das, wie man dann erfuhr, aus 22 Grenadierkompanien unter General Sprecher und leichten Truppen unter General Beck bestand238. Bevern hatte einige Tage zuvor seine Bedenken hinsichtlich der ausdehnten Stellung von Winterfeldts Korps und des angreifbaren Jäckelsbergs geäußert. Generalleutnant von Winterfeldt war jedoch der Ansicht, man müsse unter dem Schutz dieses Hügels zunächst noch 3 Dörfer ausfouragieren, und glaubte nicht, dass die Österreicher die Kühnheit besäßen, die Preußen dort anzugreifen239. Selbst als sich die Hinweise am 6. September auf eine österreichische Aktion rechts der Neiße verdichteten, zeigte sich Winterfeldt noch immer weitestgehend unbesorgt, obwohl er das Dorf Leipoldshayn an seiner linken Flanke besetzen wollte, was dann aber unterblieb240. Tatsächlich kam es am 7. September zum Gefecht bei Moys oder genauer gesagt am Jäckelsberg. Dieser Hügel, der einen Vorposten der Hauptstellung des Winterfeldt’schen Korps auf der rechten Neißeseite darstellte, war mit einem Holzverhack befestigt und von den beiden Grenadierbataillonen Beneckendorff und Diringshofen besetzt. Schon in den Tagen zuvor war es zwischen diesen und einigen Husaren des Nadasdy’schen Korps, die die vorgelagerten Büsche und die Orte Hermsdorff und Teilich besetzt hatten, zu kleineren Gefechten gekommen. Am 7. September begannen diese gegen 7 Uhr erneut. Durch den Bewuchs und den Nebel an diesem Morgen blieb den Preußen verborgen, dass die Österreicher sich mit mehreren Infanteriekolonnen und Geschützen näherten. Gegen 11 Uhr vormittags begann der Angriff der Österreicher mit nicht weniger als 42 Grenadierkompanien unter den Generälen Nadasdy und Ahremberg. Die preußischen Grenadierbataillone mit insgesamt 8 Kompanien waren im Verhältnis 5 zu 1 unterlegen, leisteten aber zunächst hartnäckigen Widerstand. Als dann noch 2 Bataillone Kroaten ihre rechte Flanke angriffen, zogen sie sich schließlich zurück. Da das preußische Korps auf dem rechten Neißeufer durch den Gefechtslärm alarmiert worden war, erhielten sie sofort Unterstützung durch die Regimenter Manteuffel und Tresckow unter Führung von Generalleutnant von Winterfeldt. Es gelang diesen zunächst auch wieder, die Österreicher bis an die eingenommenen Stellungen auf dem Jäckelsberg zurückzutreiben, allerdings wurde ihr Vormarsch von den nachrückenden gegnerischen Truppen gestoppt. Ein Missverständnis führte dann dazu, dass das preußische Grenadierbataillon von Manteuffel seine Stellung auf der rechten Flanke des vorgerückten Infanterieregiments von Tres ckow zu früh räumte, sodass dieses Regiment nun vom Husarenregiment Nadasdy unter General Palffy angegriffen wurde, in Unordnung geriet und sich zurückziehen musste. Im Rahmen des Rückzuges wurden Generalleutnant von Winterfeldt nun tödlich verwundet und viele aus dem Regiment gefangen genommen241. Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 3: 1757, Teil 2, Seite 198 f. ebd., Seite 191. Die Angreifbarkeit des Berges war dem Gebüsch und der daraus resultierenden Unübersichtlichkeit des Vorfeldes geschuldet. 240 Siehe Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 3: 1757, Teil 2, Seite 199. 238 Siehe 239 Siehe
IV.6. Zwischen operativem Stillstand und Fouragieren in der Oberlausitz 463
Insgesamt wurden bei den Preußen offenbar 707 Mann verwundet und 1.049 Mann getötet oder gefangen genommen242. Die Verluste der Österreicher waren etwas niedriger, denn sie hatten 1.577 Mann, darunter 87 Vermisste, 203 Tote und 1.354 Verwundete, zu beklagen243. Ungleich wichtiger war jedoch, dass das Winterfeldt’sche Korps im Großen und Ganzen völlig intakt geblieben war und nun sogar durch die 4 Bataillone des Bevern’schen Korps auf dem anderen Neißeufer Verstärkung erhielt. Die eingenommene Stellung hatte, wenn überhaupt, minimale Vorteile für die Österreicher zur Folge, sodass die Preußen im Wesentlichen mit ihren Vorbereitungen für den Aufbruch nach Schlesien fortfahren konnten. IV.6.9. Rekapitulation des Aufenthalts in der Oberlausitz Damit neigte sich der Aufenthalt der preußischen Truppen in der Oberlausitz dem Ende zu. Sie hatten die erste Hälfte des Monats August genutzt, um die Verpflegung ihrer Truppen mittels der Bäckerei in Bautzen und ersten Fouragierungen in den umliegenden Dörfern wieder in einen soliden Zustand zu versetzen. Obgleich die lokalen Ressourcen bei Bautzen und in der Oberlausitz in Form der Backkapazitäten, der Holzmengen und des Kavalleriefutters einen ganz wesentlichen Beitrag leisteten und gleichbedeutend mit enormen Belastungen für die Zivilbevölkerung waren, erwies sich für die Mehlzufuhr eine Menge von 3.200 vierspännigen Wagen und ein großes Magazin wie in Dresden als unverzichtbar. Die Tatsache, dass die erforderlichen Bestände vorhanden waren, weil sie per Schiff dorthin gelangten, verdeutlicht abermals, über welchen entscheidenden Vorteil die Preußen bei der Bereitstellung von konzentrierten Lebensmittelreserven im Operationsraum durch den Nachschub zu Wasser verfügten, zumal dieser auch für andere Verwendungen wie die schon erwähnte Geschützbeförderung, aber auch den Verwundetentransport in Frage kam. Besonders klar wurde dies, wenn man sich vergegenwärtigt, wie sehr die Österreicher mit der Deckung des Verpflegungsbedarfs und den daraus resultierenden Transportanforderungen in Gestalt Tausender Wagen zu kämpfen hatten, weil sie ihre Armee in der schon stark ausgebeuteten Region bei Zittau dauerhaft durch die Verlegung der Magazinbestände aus dem Hinterland versorgen mussten. Da sie wegen des quantitativ größeren Umfangs der Hartfuttermengen teilweise noch höheren Ansprüchen als die Preußen genügen mussten, gelang es Letzteren durch die damit verbundenen zeitlichen Verzögerungen, ihre eigene Versorgung zu reorganisieren und die strategische Initiative zum Teil wiederzugewinnen. Obwohl die Österreicher wegen der langen Verbindungslinien 241 Zum gesamten Absatz siehe Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 3: 1757, Teil 2, Seite 200 bis 204. Eine noch bessere Darstellung des Gefechts bietet die Relation des Hauptmanns Freund aus dem Ingenieurskorps, die in der Akte des Herzogs August Wilhelm von Bevern enthalten ist. Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 102 E: August Wilhelm von Braunschweig-Bevern 1757. 242 Siehe GStAPK, BPH, 57 / I Prinz Ferdinand, Nr. 29, Bd. III, Blatt 176 Rückseite. 243 Siehe OestKA, AFA, Nr. 608: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 IX (1–320), Faszikel ad 250.
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IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
und dem enormen Verbrauch an Pferdefutter zu umfangreichen Offensivaktionen kaum in der Lage waren, konnten sie durch ihre enormen Anstrengungen zumindest ihre Position bei Zittau behaupten. Vermutlich wären sie auch in der Lage gewesen, dort den geplanten Angriff der Preußen zurückzuschlagen, da vor allem die Verpflegung der Soldaten durch die Bestände des eroberten Magazins und die umfangreichen Backkapazitäten ausreichend zu bewältigen war. Der Angriff auf ihre Stellung unterblieb aber faktisch durch die Einflussnahme des Prinzen Heinrich und des Generalleutnants von Winterfeldt. Anschließend neutralisierten sich die Hauptkräfte beider Seiten weitestgehend in belauernden Stillstand bis Ende August. Zu diesem Zeitpunkt hatten vor allem die leichten Truppen der Österreicher begonnen, die Versorgungslinien der Preußen in Mittelsachsen und Niederschlesien zu bedrohen, sodass es gerade beim Abmarsch aus der Oberlausitz Richtung Westsachsen und Schlesien zu Versorgungsengpässen kam. Letztere waren auch eine Folge der österreichischen Störangriffe auf die Transportkonvois der Preußen, die den ganzen August hindurch angehalten hatten, sie so nach und nach zu Umwegen zwangen und dadurch höhere Belastungen erzeugten, was mittelfristig dazu führte, dass sich die Transportmittel der Preußen erschöpften. Gegen Ende des Monats hatte sich vor allem hinsichtlich der Pferdeverpflegung die Lage beider Seiten verbessert, sodass die Parteien die Verlegung ihrer Hauptkräfte nach Schlesien bzw. Sachsen planten, während die lokalen Ressourcen der Oberlausitz, wie bis dahin die Region um Zittau, derartig durch die Fouragierungen der Preußen strapaziert worden waren, so dass die Gegend einer ausgezehrten Versorgungswüste ähnelte, was selbst einem Bruchteil der nachrückenden österreichischen Hauptarmee in den nächsten Monaten zum Verhängnis wurde.
IV.7. Die Verteidigung Schlesiens und Westsachsens IV.7.1. Das Einrücken der Preußen und Österreicher nach Mittelschlesien Mit dem Gefecht bei Moys neigte sich der Aufenthalt der preußischen Armee in der Oberlausitz seinem Ende zu. Nachdem am 7. und 8. September die Wagen des Mehlkonvois aus Bautzen bei der Armee des Herzogs von Bevern angekommen waren, begann man mit der Brotherstellung. Allerdings konnte man in der Eile wahrscheinlich nur 180 Brote pro Backgang herstellen, sodass sich mit den 30 Öfen in Görlitz bei 5-maligem Backen pro Tag wohl nicht mehr als 27.500 Stück erzeugen ließen. In 2 bis 2 ½ Tagen produzierte man nicht viel mehr als 200.000 Portionen, womit die Armee nicht länger als 4 ½ Tage verpflegt war. Aufgrund dieser Knappheit sah man sich schleunigst zum Aufbruch Richtung Bunzlau genötigt, wo der Transport mit den 500 Tonnen Mehl aus den schlesischen Magazinen wartete1, der die Versorgung zumindest für die nächsten 15 Tage sicherstellen würde. Auch die Verpflegungssituation der Pferde gab Anlass zur Eile. Wenn 1 Siehe LASA, DE, Z44 Abt. Dessau, A 9b VII, Nr. 8g (Precis des Herzogs von BraunschweigBevern Aug.–Nov. 1757), Blatt 6 Rückseite.
IV.7. Die Verteidigung Schlesiens und Westsachsens465
man davon ausgeht, dass die fouragierten Vorräte aus dem Bautzener Kreis nach dem Abmarsch des Korps unter König Friedrich nach Dresden noch für 4 Tage im September reichten und man es tatsächlich geschafft hatte, die geforderten Mengen im Görlitzer Kreis aufzutreiben, dann waren die rund 14.500 Pferde der Kavallerie und die 12.000 Pferde des Fuhrwesens2, zu denen wohl auch die 5.400 Stück der Infanterie gehörten, bei nunmehr 29.150 Rationen und einem Bedarf von 149 Tonnen Hartfutter, 116 Tonnen Heu und 146 Tonnen Stroh maximal bis zum 9. September mit Futter vollversorgt. Da das Hartfutter selbst unter diesen Bedingungen aber über 14 Tage reichte, konnte man mit einem entsprechend höheren Anteil hiervon im Rationssatz bis zum 12. oder 13. September auskommen. Obwohl vorerst genug Brot und Fourage vorhanden waren, erhielten einige Regimenter wegen der chaotischen Zustände bei der Kommissariatsdirektion aber ihre Portionen für 4 Tage und ihre Rationen auf 3 Tage nicht vollständig3. Trotzdem brach am Morgen des 9. September eine Vorhut unter dem Generalmajor von Rebentisch bestehend aus 3 Bataillonen und 8 Eskadrons der Seydlitz-Husaren in Richtung Bunzlau auf. Zusammen mit der Wagenburg überschritten sie bei Penzig die Neiße und dann bei Klischdorf den Queis. Allerdings wurde der Konvoi bei Zodel von feindlichen Husaren attackiert, die zunächst auch einige Wagen eroberten, ihnen dann aber wieder abgenommen werden konnten. Der Rest der Armee setzte sich gegen Mitternacht in Marsch und überquerte auf 2 Brücken flussabwärts oder nördlich von Görlitz die Neiße. Infolge des starken Regens verzögerte sich der Abmarsch jedoch während der Nacht um mehrere Stunden. Auch Generalmajor von Ingersleben, der die Nachhut bestehend aus 4 Bataillonen kommandierte und sich eigentlich durch die Stadt zurückziehen sollte, traf irrtümlich an einer der Brücken nördlich von Görlitz ein, wo sich schon die anderen Kolonnen stauten. Gegen 4 Uhr früh ließ der Regen nach, sodass die Überquerung des Flusses weitestgehend noch in der Nacht abgeschlossen werden konnte. Trotzdem kam es gegen Morgen noch zu kleineren Nachhutgefechten zwischen 2 preußischen Bataillonen und den Truppen des Generals Beck. Die Kolonnen hingegen bewegten sich weiter durch Hennersdorf und Sora, bevor sie dann ein Lager bei Schützenhain bezogen. Am 11. September wurde eine Vorhut bestehend aus 15 Eskadrons, 7 Bataillonen, 10 Pontons sowie einem ansehnlichen Artilleriepark, der auch einige 12-Pfünder umfasste, Richtung Bunzlau vorausgeschickt, die bei Güntersdorf und Waldau auf einige hundert Kroaten und Husaren unter dem Kommando von General Kalnocky stieß, welche aber recht schnell zurückgetrieben wurden. Glücklicherweise fand man in der Gegend um Sygersdorf und Naumburg eine Furt und nicht weniger als 3 intakte Brücken, 2 aus Stein und 1 aus Holz, was für die Artillerie wichtig war, da die Armee beim Rückzug aus Böhmen ihre Pontons größtenteils verloren hatte. So aber gelang es den preußischen Truppen, auch mit ihren Geschützen den Queis ungehindert und schnell zu passieren, um anschließend zwischen Naumburg und Paritz zu lagern, während Generalmajor Reben2 Da die Bagage Anfang Oktober mit 3.000 Wagen bei Breslau eintraf, dürfte bei 4 Pferden pro Wagen diese Größenordnung vorhanden gewesen sein. 3 Siehe LASA, DE, Z44 Abt. Dessau, A 9b VII, Nr. 8g (Precis des Herzogs von BraunschweigBevern Aug.–Nov. 1757), Blatt 7 Vorderseite.
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IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
tisch bei Kitlizstreben mit der Bagage bereits den Bober überschritt. Am 12. September setzte die Armee ihren Marsch fort und erreichte über Bürckenbrück und Tillendorf bzw. Dobrau, Kronitz, Eichberg und Wiesau die Gegend von Bunzlau, wo sie zwischen dem Ratswerk und der Stadt ein Lager bezog. Sie umfasste inklusive des Korps von General von Grumbkow nun 108 Eskadrons Kavallerie und 49 Bataillone Infanterie. Eigentlich hatte Generalmajor von Goltz in dieser Gegend die Lieferung von 100.000 Brotportionen und Fourage angeordnet, da man aber nicht genau angegeben hatte, wohin diese zu liefern waren, trafen gar keine dieser Lebensmittel ein. Wahrscheinlich hing dies auch damit zusammen, dass die zivilen Verwaltungsbeamten in dieser Gegend inzwischen schon von den österreichischen Streifkommandos des Generals Jahnus verunsichert worden waren und somit niemand die erforderliche Organisation übernehmen konnte oder wollte. Lediglich der Mehlkonvoi war unter dem Schutz eines Bataillons des Regiments von Kurssell seit einigen Tagen bei Bunzlau eingetroffen, weshalb sich der Herzog von Bevern entschied, zunächst dort zu rasten, die Öfen aufzubauen, Brot herzustellen und die vorhandene Fourage verfüttern zu lassen4. Wegen des hohen Holzbedarfs beim Backen kam es den Preußen entgegen, dass die Bunzlauer Umgebung ein relativ waldreiches Gebiet darstellte5, sodass hieran wohl kein Mangel herrschte. Allerdings berichteten die österreichischen Aufklärungseinheiten unter Beck und Morocz, dass die Preußen nur 21 Backöfen, darunter abermals einige der mobilen eisernen Modelle bei Aslau hinter Bunzlau aufgebaut hatten6. Für die Versorgung der 45.000 Mann dürfte dies aber ausreichend gewesen sein, denn selbst wenn diese unter schwierigen Bedingungen pro Ofen in 24 Stunden nur 8–900 Brote produzierten, dann entsprach dies schon 50–56.000 Portionen, womit die Deckung des Tagesbedarfs allemal gewährleistet war. Die Österreicher folgten der preußischen Armee ihrerseits mit leichter Verzögerung und hatten zunächst am 11. September mit der Hauptarmee die Neiße passiert, während Nadasdys Truppen bis Lauban vorgerückt waren. In der Oberlausitz ließ man die beiden Korps von General Marschall und General Haddik zurück, wobei Ersteres 6 Infanterieund 6 Kavallerieregimenter mit 10.234 Mann umfasste und Letzteres rund 4.000 Mann stark war7. Die Hauptarmee rastete bis zum 13. September bei Lauban, bevor sie sich dann am nächsten Tag weiter Richtung Löwenberg bewegte und damit in etwa auf Höhe der preußischen Armee Stellung bezog8. Zu diesem Zeitpunkt zählte sie nach dem Loco-Stand zwar 72.377 Mann und 14.098 Pferde, einsatzfähig waren hiervon nur 64.094 Mann und 4 Zum gesamten Absatz siehe Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 3: 1757, Teil 2, Seite 210–217. 5 Siehe Staatsbibliothek zu Berlin, Kartenabteilung, N 15060-4, No. 35: Ein Theil Jauerschen Füstentums Buntzlauer und Löwenberger Creises. 6 Siehe OestKA, AFA, Nr. 609: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 IX (321–Ende), Faszikel 359 und 387. 7 Siehe OestKA, AFA, Nr. 618: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 XIII (23–218), Faszikel 214. 8 Siehe Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 3: 1757, Teil 2, Seite 219.
IV.7. Die Verteidigung Schlesiens und Westsachsens467
12.349 Reittiere, die aber von den 18.563 Mann und 6.356 Pferden von Nadasdys Korps sowie rund 5.800 Mann und 2.000 Pferden der Aufklärungskorps ergänzt wurden, sodass den Österreichern insgesamt ca. 20.800 Kavalleristen und rund 85.000 einsatzfähige Soldaten zur Verfügung standen9. Schon die Differenz zwischen dem Loco-Stand und dem dienstbaren Stand bei der Hauptarmee zeigt, dass sich die Einheiten nicht in bestem Zustand befanden. Auch die Liste der regulären Infanterie vom 13. September belegt, dass ca. 47.000 Mann einsatzfähig, aber gleichzeitig 7.704 Kranke zu verzeichnen waren10. Dieser Umstand und die Tatsache, dass die Versorgung der großen Truppenmenge wie schon bei Zittau Probleme bereitete, dürften die Gründe dafür gewesen sein, dass die Streitkräfte der Habsburger Mitte September nicht deutlich aggressiver gegen die numerisch unterlegenen Preußen vorgingen. Letztere näherten sich wegen der heiklen Verpflegungslage ihrer Kavallerie nun Liegnitz. Laut den Fuhrleuten, die von der österreichischen Aufklärung aufgegriffen wurden, war dort ein großer Vorrat an Mehl, Heu und Stroh zusammengebracht worden11. Zunächst wurden am 14. September 1 Bataillon Infanterie und 500 Husaren nach Liegnitz entsandt, um die dortigen 400 Mann des Mützschphal’schen Garnisonsregiments zu verstärken, bevor am 15. September noch weitere 5 Bataillone und 10 Eskadrons folgten, was dazu führte, dass Beverns Armee nur noch 43 Bataillone und 105 Eskadrons verblieben. Diese rückten am 18. September schließlich in 3 Kolonnen über Martinswalde, Kreyau und Haynau nach Liegnitz ab und lagerten zunächst bei Michelsdorf. Wenn seit März des Jahres nicht mehr als jene 500 Tonnen Mehl und 1.900 Wispel Hafer, die man nach Schweidnitz und zur Armee geschickt hatte12, an Abgang zu verzeichnen waren, dann dürften noch 1.337 Tonnen Mehl, 1.200 Tonnen Hafer, 4.313 Tonnen Heu und 3.870 Tonnen Stroh vorhanden gewesen sein. Da die Preußen laut der Einschätzung der französischen Volontäre bei der gegnerischen Hauptarmee über 40.000 bis 45.000 Mann in ihrem Lager bei Liegnitz verfügten13, wären die Truppen mit diesen Vorräten 36 Tage und die 26.500 Pferde mit ihren rund 29.150 Rationen zwischen 8 und 27 Tagen zu verpflegen gewesen, durchschnittlich 17 ½ Tage, wobei die Heumengen für 37 Tage reichten. Die Armee nahm eine Stellung hinter den sogenannten Würschenteichen ein, um sich dort auch aus den Magazinen in Glogau und Breslau zu versorgen und die österreichischen Truppen am Eindringen in die schlesische Tiefebene zu hindern. In dieser Stellung verharrte sie im Wesentlichen bis zum 25. September. Am 22. September befahl der Herzog von Bevern, dass insgesamt 34 Bataillone und 6 Eskadrons für den Schutz der Festungen abgestellt werden sollten, sodass der Feldarmee nur noch 40 Bataillone und 112 Eskadrons verblieben. Am selben Tag rückten ein Husarenregiment und Freibataillon dem 9 Siehe OestKA, AFA, Nr. 608: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 IX (1–320), Faszikel 21. 10 Siehe ebd., Faszikel 91. 11 Siehe OestKA, AFA, Nr. 609 Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 IX (321–Ende), Faszikel 337. 12 Vgl. IV. Teil 2.4. Das Korps der schlesischen Truppen unter Feldmarschall Schwerin. 13 Siehe SHD Vincennes, A1 Correspondance Générale, Nr. 3440, Schreiben Haumonts am 21. Sept. aus dem Hauptquartier in Jauer.
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IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
aus Breslau kommenden Mehl und Fouragetransport nach Neumarckt entgegen, denen noch ein Kürassierregiment und 2 Grenadierbataillone folgten, die mit General Fouqué und Ingenieursleutnant Embers zur Unterstützung nach Schweidnitz entsandt wurden14. Die Österreicher waren bis zum 17. September von Pilgramsdorf, Hohendorf sowie Kroitsch vorgerückt und nahmen am nächsten Tag eine Stellung ein, die sich bis Jauer erstreckte. In diesem Zusammenhang bewegte sich Oberst Jahnus mit seinem Korps aus dem Gebirge bei Landeshut nach Striegau vor, während sich der preußische Generalmajor von Grumbkow mit seinem Korps nach Schweidnitz zurückzog, um die dortige Besatzung zu verstärken. Am 20. September gelang es einigen Kroaten, in den Wäldern hinter Liegnitz 700 Brote und 50 Ochsen zu erbeuten. Allerdings wurden sie von den preußischen Husaren verfolgt, denen es aber nicht endgültig gelang, sie zu vertreiben, sodass die Routen Richtung Glogau in den nächsten Tagen unsicher blieben15.
Abbildung 48: Operativ-logistische Situation Mitte September 1757 auf dem Hauptkriegsschauplatz16
Die Karte zeigt wie sich die Lage bis Mitte September auch im Hinblick auf die Versorgungsrouten entwickelt hatte. Man sieht, dass König Friedrichs 30.000-Mann-Armee nach Westsachsen abmarschiert war, während die Korps unter Marschall und Had14 Zum gesamten Absatz siehe Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 3: 1757, Teil 2, Seite 221–224 und 228 f. 15 Siehe Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 3: 1757, Teil 2, Seite 222–227. 16 Karte adaptiert nach Duffy, Christopher, Friedrich der Große. Ein Soldatenleben, quasi Seite 512 f.
IV.7. Die Verteidigung Schlesiens und Westsachsens469
dik in der Oberlausitz verblieben, um die Magazine in Böhmen und die Versorgungslinien zu schützen. Die österreichische Hauptarmee hatte es geschafft, parallel zur preußischen Armee nach Schlesien einzudringen, kämpfte zunächst aber mit langen Versorgungswegen bis nach Mittelböhmen. Die Preußen profitierten dagegen von den sich verkürzenden Verbindungslinien zu ihren Hauptmagazinen wie dem in Liegnitz sowie jenen in Breslau und Glogau, aus denen zunächst das Mehl kam. Nachdem sich die Österreicher vom 21.–23. September bei Niclasstadt und Jauer gelagert hatten, nahmen sie nun eine neue Verbandsstruktur ein, die für die nächsten 2 Monate prägend sein sollte, nämlich die einer Hauptarmee, welche die weiteren Operationen gegen die Armee unter dem Herzog von Bevern leitete, während das Korps des Generals Nadasdy die Belagerung von Schweidnitz übernahm. Zu deren Durchführung bereitete man nun die Heranführung eines großen Artillerieparks vor. Allein aus Olmütz sollten für die Belagerung u. a. 30 24-Pfünder, 30 12-Pfünder und 6 12-pfündige Haubitzen, die zugehörigen Kugeln und 2.000 Zentner Pulver herangeschafft werden. Welchen immensen Transport- und Bespannungsaufwand schon dieser erste Teil des Belagerungsparks verursachte, zeigt die folgende Übersicht: „Entwurff daß zur Bespannung des in Ollmütz vorhandenen und zu einer Belagerung angetragenen Geschütz, und zugehörigen Munition und Requisiten an starcken Pferden alß auch Wägen gehörig 24lbige schwere Cartaunen auf ihren Sattelwägen a 8 Pf. 30 Sattelwägen 240 starcke Pferde 24lbigen schweren Lavetten zum Stücken a 4 Pferd 30 Sattelwägen 120 starcke Pferde 12lb schwere Stücke auf Bauernwägen a 4 Pferd 30 Bauernwägen 120 starcke Pferde 12lbige Lavetten zum Stücke a 2 Pferd. 30 60 starke Pferde 12lbige Haubitzen mit ihre Lavetten 6 18 starke Pferde […] An Stück Kugeln Der 24lb Stückkugeln a 20 lb 4200 Ct. 12000 Stück Der 12lb a 10 lb 4000 Ct. 40000 Stück Der 6lbig a 5 lb 960 Ct. 19200 Stück Der 12 lb Haubitz Grenaden a 18 lb 648 Ct. 3600 Stück An Bomben 100 lb. a 159 lb 954 Ct. 600 Stück a 96 lb 960 Ct. 1000 Stück 60 lb. 30lb. a 48 lb 1728 Ct. 3600 Stück 10 a 16 lb 576 Ct. 3600 Stück Den 3 lb. Hand Grenaden a 2 lb 600 Ct. 30000 Stück An Stück-Pulver 2000 Ct. 2000 Ct. 16626 Ct. a 30 Ct. auf 1 Wagen gerechnet a 4 Pf. 554 Wägen 2216 starke Pferde Lunten 170 Ct. A 30 Ct. auf 1 Wagen mit 4 Pferd 6 Wägen 24 Pferde Summa 3044 starcke Pferde“17.
17 OestKA,
AFA, Nr. 632: Siebenjähriger Krieg HKR 1757 VII–IX, Faszikel IX, 6b.
470
IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
Wie man sieht, war schon der Transport der schweren 12- und 24-Pfünder äußerst beschwerlich, obwohl mit Abstand die meisten Wagen und Pferde für die Munition benötigt wurden. Dabei konnte die Kalkulation noch als optimistisch gelten, da man mit einer recht hohen Transportkapazität von 30 Zentner, also mindestens 1,5 Tonnen pro vier spännigem Wagen plante. Einen noch größeren Aufwand verursachte der Transport des Artilleriematerials aus Wien. Von dort sollten weitere Geschütze kommen, darunter u. a. 12 leichte und 18 schwere 24-Pfünder, jeweils 12 leichte und schwere 12-Pfünder sowie 5 200-Pfund-, 2 150-Pfund-, 7 100-Pfund- und 10 60-Pfund-Mörser. Die zugehörige Munition wog schon für die 24-Pfünder und 12-Pfünder 14.388 Zentner, sodass mit den Bomben für die Mörser und dem Schanzzeug 1.058 vierspännige Wagen benötigt wurden, was inklusive der Geschützbespannung weitere 5.231 Pferde erforderlich machte18. Der Gesamtbedarf für den Transport des Belagerungsparks stieg somit wenigstens auf 8.275 Pferde19. Die Anteile aus Wien sollten über Wolckersdorf, Poysdorf, Bulitz, Brünn, Lettowitz, Leitomischl und Hohenmauth nach Königgrätz geschickt werden20. Da die Mobilisierung der schweren Artillerie maßgeblich von einer ausreichenden Pferdemenge und ihrer Verpflegung abhing, dürfte sich der Umstand, dass die Österreicher Ende August noch so beträchtliche Hartfuttermengen in den mährischen Magazinen zurückbehalten hatten, günstig ausgewirkt haben, obwohl die größten Vorräte in Iglau etwas abseits der Route lagerten. Die Tabelle spiegelt ihre genaue Verteilung wider: Tabelle 74 Magazinvorräte in Mähren Ende August 175721
Brünn
Mehl
Brot
Zentner
Portionen
18.967
Hafer
Gerste
niederöst. Metzen 25.506
Heu
Gerstenstroh
à 11 lb
à 14 lb
1.680
Grosmesertisch
6.102
Hradisch
17.765
9.780
3
11.099
13.063
Zwischensumme
36.732
35.286
1.683
17.201
13.063
18 Siehe
OestKA, AFA, Nr. 632: Siebenjähriger Krieg HKR 1757 VII–IX, Faszikel IX, 6d. die Rückeroberung der Festung durch die Preußen im Frühjahr 1758 sollte Oberst von Dieskau mit 10.606 Pferden einen ähnlich hohen Bedarf an Zugtieren veranschlagen. Vgl. Schöning, Curd, Historisch-biographische Nachrichten zur Geschichte der Brandenburgisch-Preußischen Artillerie, Bd. 2, Seite 382 f. 20 Siehe OestKA, AFA, Nr. 632: Siebenjähriger Krieg HKR 1757 VII–IX, Faszikel IX, 6e. 21 Zu sämtlichen Originalangaben in der Tabelle siehe OestHHStA, Kriegsakten, Nr. 346: Summarischer Vorrats Rapport Was in nachstehenden kayl. Königl. Proviant Magazinen vermög eingelangten und hiernach specificiter Rapporten an Natural- und Materialien sich wirklich voräthig befindet. Zittau 28. August 1757. Franz Eu. Zimmer. Nicht angegeben sind die Lagerstrohmengen sowie die Mengen der Fässer und Säcke. 19 Für
IV.7. Die Verteidigung Schlesiens und Westsachsens471 Mehl
Brot
Zentner
Portionen
Hafer
Gerste
Heu
Gerstenstroh
niederöst. Metzen
à 11 lb
à 14 lb
35.286
1.83
17.201
13.063
Zwischensumme
36.732
Iglau
31.087
54
30.178
113.691
5.150
Olmütz
25.707
9.437
2.497
616
258.636
Znaym
1.555
1.939
10
6.792
570
Summe
95.082
69.901
116.000
287.779
13.633
Summe in Tonnen
5.800
2.213
3.672
1.582
95
9.491
Klar war auch, dass man zusätzlich eine große Menge an starken Pferden aus der Steiermark und Oberösterreich benötigte, die zunächst bis Anfang Oktober nach Wien zu liefern waren, da schon viele Pferde für die anderen Fuhren der Armee im Operationsraum beschlagnahmt wurden22. Die Folgen dieses riesigen Transportaufwandes bekamen auch die bayrischen Hilfstruppen zu spüren, die sich Mitte September von Prag über Jungbunzlau und Trautenau den Österreichern in Schlesien näherten. Schon in Mittelböhmen mussten sie aus Mangel an weiterem Vorspann einen Großteil ihres Proviants auf den Rüstwagen mitführen und ab Trautenau permanent mit schlechten Wegen kämpfen, da sich bei nasser Witterung tausend andere Wagen ebenfalls auf dieser Route bewegten23. Dabei hatten sich die Anforderungen des Artillerietransports noch erhöht, denn gemäß dem von Karl von Lothringen gebilligten Angriffsaufsatz sollten u. a. 64 24-Pünder und 54 12-Pfünder mit je 1.000 Kugeln aufgeboten werden24. In der Summe entsprach dies mehr als dem Doppelten der Munitionsmenge, die die Preußen für die Belagerung Prags aufgeboten hatten. Bis zum 15. September waren zumindest 24 24-Pünder und 12 12-Pfünder mit etwas Munition aus Wien in Brünn eingetroffen, die nun weiter nach Königgrätz transportiert wurden25. Eigentlich waren noch weitere Geschütze aus Wien eingeplant, stattdessen ließ Artillerieoberst Anton von Feuerstein den Großteil aus dem nähergelegenen Olmütz heranführen26. Dies belegt, dass sich spätestens jetzt die Vorbereitung in Form der Verlegung der kleinen Munitionsmengen zu Beginn des Jahres bezahlt machte27. 22 Siehe
OestKA, AFA, Nr. 632: Siebenjähriger Krieg HKR 1757 VII–IX, Faszikel IX, 8. BayKA, Alter Bestand B 258: Antheil am Siebenjährigen Krieg 1757. Auxiliarcorps IV–XII, Schreiben des Feldkriegskommissarius Mayr aus Prag am 10. und aus Trauttenau am 21. September 1757. 24 Siehe OestKA, AFA, Nr. 632: Siebenjähriger Krieg HKR 1757 VII–IX, Faszikel IX, 23e. 25 Siehe ebd., Faszikel IX, 25. 26 Zum ursprünglichen Verteilungsplan siehe OestKA, AFA, Nr. 632: Siebenjähriger Krieg HKR 1757 VII–IX, Faszikel IX, 23e und zum neuen Plan Feuersteins ebd., Faszikel IX, 28. 27 Vgl. III. Teil 1.: Die logistisch relevanten Ressourcen in Schlesien, Sachsen, Böhmen und Mähren. 23 Siehe
472
IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
Während ein Teil der habsburgischen Streitkräfte mit den Belagerungsvorbereitungen beschäftigt war, kundschafteten die leichten Truppen der Hauptarmee unter ihren Kommandeuren Nadasdy, Beck und Morocz am 24. September die Stellungen der preußischen Armee bei Liegnitz aus. Als Reaktion darauf räumten die in Neumarckt verbliebenen Bataillone den Ort und zogen sich nach Breslau zurück. Bei der Armee des Herzogs von Bevern wurde Barschdorf im Zentrum des Lagers stärker von 2 Musketierbataillonen und einer Batterie besetzt sowie die Gräben vor der Front durch das Ablassen des Wassers aus den Würschenteichen geflutet, sodass die preußischen Stellungen gut gedeckt waren. Am 25. September erhielt man erneut von einem Konvoi Mehl aus Glogau, während die österreichischen Truppen einen Angriff auf das Lager zu planen schienen. Da sich die Verbindung mit Schweidnitz mittlerweile gar nicht mehr und mit Breslau kaum noch aufrechterhalten ließ und die Verpflegungsmöglichkeiten aus den dortigen Magazinen zunehmend gefährdet wurden, reifte auf preußischer Seite der Entschluss, Liegnitz mit den beachtlichen Stroh- und Heuvorräten aufzugeben. Geboten schien dies auch deshalb, weil die Armee durch die Vielzahl der entsandten Einheiten deutlich geschwächt war und zwischenzeitlich nur noch 32 Bataillone, 2 Freibataillone und 80 Eskadrons zählte28. Zur Vorbereitung wurde am 26. September die Bagage über den Fluss Katzbach geschickt und bei der Glogauer Kammer um die Bereitstellung von Schiffen für eine mögliche Oderüberquerung gebeten, falls die gegnerischen Bewegungen einen Marsch nach Breslau nur auf der rechten Oderseite zuließen. Obwohl die Stellung der Armee durch viele sumpfige Wiesen und angelegte Batterien in der Front gesichert war, kam es zwischen 3 Uhr und 5 Uhr morgens an diesem Tag zu einer heftigen Kanonade zwischen beiden Streitmächten, die sich vor allem gegen Barschdorf im Zentrum richtete. Der Herzog von Bevern ließ das Lager abbrechen und wollte am 27. September mit der Armee den Marsch Richtung Breslau antreten, was sich aber aufgrund der ausführlichen Beratungen über die weitere Vorgehensweise verzögerte. Den meisten Soldaten war wohl gar nicht bekannt, dass sie nach Breslau aufbrachen. Viele glaubten, man würde über Merschwitz und Parchwitz nach Glogau marschieren, stattdessen erfolgte der Marsch über Schönborn, Birckenmühle und Gugelwitz in Richtung Dieban. Nachdem auch die preußische Garnison Liegnitz an diesem Tag verließ, rückten dort die Österreicher ein. Sie erbeuteten 30 Tonnen Mehl, 120 Tonnen Salz, 30 Scheffel Hafer und 400.000 Heuportionen, wobei Letztere immerhin 2.200 Tonnen entsprachen. Neben diesem beachtlichen Vorrat, den man zurücklassen musste, fielen auch einige Fouragewagen in die Hände der Österreicher. Allerdings war es General von Zieten zu verdanken, dass der Großteil dieser Wagen unter dem Schutz einiger Husaren noch mitgenommen werden konnte, obwohl sie von den Kroaten unter General Morocz verfolgt wurden, die man bei Birkmühl durch die preußischen Husaren zurückschlug29. 28 Zum gesamten Absatz siehe Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 3: 1757, Teil 2, Seite 225 f. 29 Zum gesamten Absatz siehe Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 3: 1757, Teil 2, Seite 233–238.
IV.7. Die Verteidigung Schlesiens und Westsachsens473
Am 28. September brach die Armee in 3 Kolonnen nach Dieban auf. Gegen Mittag erreichten die Truppen die Gegend zwischen Aufhalt und Dieban, die sehr waldreich war30. Es wurde ein Lager hinter einer Anhöhe bei Grosendorf bezogen, sodass sich die Armee der visuellen Aufklärung durch die leichten österreichischen Truppen unter den Kommandeuren Beck und Morocz bei Meschwitz, Gugelwitz und Mühlräditz entzog. Da die Glogauer Kriegs- und Domänenkammer nur 3 Schiffe und einige Fähren nach Dieban geschickt hatte, musste man eine Pontonbrücke errichten, die bereits gegen Mittag fertig war. Auf ebenjener Brücke überquerten zuerst 2 Grenadierbataillone den Fluss, am Nachmittag folgten dann die Artillerie, die schwere Bagage und das Proviantfuhrwesen. Auch die Kavallerie musste die Brücken benutzen, da sie wegen des gestiegenen Wassers nicht mehr die Furten flussabwärts passieren konnte. Erst zu diesem Zeitpunkt sprach sich zusehends herum, dass der Marsch nach Breslau und nicht nach Glogau erfolgen würde. In der Nacht vom 28. zum 29. September überquerte der Großteil der Infanterie bei hellem Mondschein den Fluss, wobei hierzu auch die aus Glogau geschickten Schiffe und Prahmen, die man noch in der näheren Umgebung aufgetrieben hatte, genutzt wurden, sodass der komplette Übergang nicht mehr als 14 Stunden dauerte und von den Österreichern gänzlich unentdeckt blieb. Letztere ließen sich erst gegen Morgen bei Grosendorf sehen, wurden dann jedoch von den dort postierten Husaren abermals zurückgetrieben31. Während 400 Kommandierte des Regiments von Mützschephal dann zur Verstärkung der Besatzung nach Glogau abmarschierten, sammelte sich die Armee auf dem Schönaicher Feld und rückte in 3 Kolonnen nach Stuben ab. Am 30. September wurde der Ingenieur-Hauptmann Giese mit einigen Husaren über Auras und Protsch vorausgeschickt, um Übergänge am Fluss Weyda zu erkunden. Er erfuhr zunächst aber, dass einige Schiffe mit Hafer für die Armee nach Maltsch und Leubus von Breslau entsandt worden waren, die er bei Ransern anhalten und zurückbringen ließ, damit sie dem Gegner nicht in die Hände fielen. Die Armee selbst überquerte die Weyda ungehindert und bezog ein Lager bei Protsch. Alle Pontons wurden nach Breslau vorausgeschickt, um dort eine Brücke für eine schnellere Oderüberquerung zu errichten, was aber nicht nötig war, weil dies schon mit Hilfe von Schiffen auf Anordnung von Minister von Schlabrendorff geschah. So kam es, dass die Armee am 1. Oktober, nur 2 Tage, nachdem sie die Oder bei Dieban vom linken zum rechten Ufer überschritten hatte, diese nun in umgekehrter Richtung sehr schnell wieder bei Breslau überquerte. Sie zog durch die Stadt, wobei die erste Kolonne, die hauptsächlich aus der Kavallerie bestand, die Schiffsbrücke benutzte. Die zweite und dritte passierten mit dem Großteil der Infanterie wohl die schon vorhandenen massiveren Brücken in der Stadt. Die Wagenabteilungen folgten der Streitmacht geschützt von 3 Musketier- und 2 Freibataillonen über die Landstraße von Protsch nach Breslau, verblie-
30 Siehe Staatsbibliothek zu Berlin, Kartenabteilung, N 15060-5, No. 20: Ein Theil Wohlauer Fürstenthums, Wohlauer Creises. Die Gegend zwischen Dieban und Aufhalt war an beiden Ufern von Wald umgeben, während sich im Fluss mehrere kleine Inseln befanden. 31 Zum gesamten Absatz siehe Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 3: 1757, Teil 2, Seite 240–245.
474
IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
ben zunächst auf dem rechten Oderufer und wurden dann auf dem Schieß- und Bürgerwerder, einer kleinen Insel umgeben von 2 Oderarmen am Nordwestrand der Stadt, aufgefahren. Letzteres erfuhr offenbar auch der Bewohner Matthias Franz Peschke aus dem naheliegenden Dorf Neukirchen32: „Die Bagage, so von der Prinz Beverischen Armee nacher Breslau eingebracht worden, hat nach Versicherung eines gutten Freindes mehr denn 3000 Wagen außgemachet, und alle dieße seynd nach dem sogenannten Schuß oder Bürgerwerder zusammengeführet; so seynd da auch nicht weniger gegen 2000 Mann Marode, Krancke und Blessierte Feind alda eingelangt“33.
Die Armee, insbesondere aber die Pferde, hatten aufgrund des Fouragemangels und des schlechten Wetters während des Marsches stark gelitten. Deshalb ließ General von Zieten auch verlauten, er bevorzuge es im Falle eines Gefechts beim derzeitigen Zustand der Kavallerie, seinen Dienst in der Front eines Grenadierbataillons zu versehen34. Angesichts dieses schmählichen Urteils wollte man der Kavallerie Gelegenheit verschaffen, sich zu erholen, und auch den Infanterieregimentern nach Möglichkeit ebenfalls die Ruhe gönnen, um ihre Rekruten und Rekonvaleszierten heranzuziehen, was wie beim Regiment von Kalckstein 800 Mann umfasste und bis Ende Oktober dauern konnte35. Die anwesenden Truppen bezogen vor der Stadt ein Lager entlang des LoheFlusses, das aus 3 Treffen mit 29 Bataillonen und 70 Eskadrons bestand. Auf der rechten Oderseite verblieben 5 Musketier- und 2 Freibataillone in der Nähe des Weidabachs36. Die österreichische Armee hatte von diesen Vorgängen, d. h. vom Marsch der Preußen auf der rechten Oderseite, bis dahin keine Notiz genommen. Am 28. September, als sich die preußische Armee nach Dieban absetzte, veränderte sie ihr Lager nur geringfügig, weil man davon ausging, dass der Gegner nach Glogau abziehen würde. Für die nächsten 2 Tage bezogen die österreichischen Truppen bei Neumarkt zwischen Falkenhan und Kamese ein Lager und begannen erst am 1. Oktober sich dem Schweidnitzer Wasser zu nähern. Als sie am darauffolgenden Tag bei Lissa eintrafen, waren viele der Offiziere fassungslos, als sie sahen, dass sich die gesamte preußische Armee ihnen gegenüber vor Breslau in einem Lager zu verschanzen begann. Die Tatsache, dass die Österreicher sich in dieser Lage nun nicht unverzüglich zum Angriff entschlossen, ist wahrscheinlich darauf zurückzuführen, dass auch ihre Truppen sich nicht gerade in der besten Verfassung befanden, da nur 41.291 Mann der regulären Infanterie einsetzbar waren, während 8.324 Mann krankheitsbedingt ausfielen37. Inklusive der Kroaten verfügte die Hauptarmee
32 Zum
gesamten Absatz siehe ebd., Seite 245 f. Nr. 609: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 IX (321–Ende), Faszikel 653. 34 Siehe LASA, DE, Z44 Abt. Dessau, A 9b VII, Nr. 8g (Precis des Herzogs von BraunschweigBevern Aug.–Nov. 1757), Blatt 11 Rück- und 12 Vorderseite. 35 Siehe ebd., Blatt 12 Rückseite. 36 Siehe Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 3: 1757, Teil 2, Seite 247. 37 Siehe OestKA, AFA, Nr. 608: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 IX (1–320), Faszikel 143. 33 OestKA, AFA,
IV.7. Die Verteidigung Schlesiens und Westsachsens475
Ende September wohl über 51.764 dienstbare Infanteristen38. Vermutlich spielte auch die Stärke des preußischen Lagers mit der Vielzahl an schweren Geschützen, auf die gleich noch zu sprechen kommen sein wird, eine wichtige Rolle für das Ausbleiben eines schnellen Angriffs. Aufgrund der Annäherung der österreichischen Truppen erwogen die Preußen aber dennoch sich mit der Armee wieder über den Fluss zurückzuziehen, um sie nicht unnötigerweise einem Angriff überlegener Kräfte auszusetzen. Der Herzog von Bevern beschloss jedoch die Stellung vor Breslau zu halten und führte gegenüber seinen ihm unterstellten Befehlshabern folgende Argumente an, nämlich: 1. dass die Stadt von dort am besten zu decken sei, 2. man den Feind daran hindere, die Stadt zu bombardieren, sich auszubreiten und Zufuhren aus den Gebieten links der Oder auszuschreiben, 3. die Stadt und mit den dringend erforderlichen Magazinen und Lazaretten erhalten bliebe und 4. man immer noch am ehesten von dieser Position in der Lage wäre, die Verbindung zu den anderen Festungen wiederzugewinnen sowie den Feind bei einer günstigen Gelegenheit anzugreifen und womöglich sogar zu schlagen39. Die unterstellten Generalleutnante von Lestwitz, Kyau und Zieten waren jedoch gegen das Vorhaben, die Stadt zu decken und die Stellung auf dem linken Oderufer zu halten, weil sie befürchteten, die Österreicher würden die Oder unter- und oberhalb Breslaus mit ihren Truppen überschreiten, sodass man infolgedessen ohnehin zum Rückzug gezwungen wäre. Da die Generäle Pennavaire, Brandeis und Schultz sich aber der Meinung Beverns anschlossen, verblieb die preußische Armee auf dem linken Oderufer vor Breslau, wo alle Brücken über den Lohe-Fluss zerstört und zahlreiche Redouten mit jeweils 4 schweren Geschützen von den Truppen angelegt wurden. In Breslau selbst leitete man ebenfalls umfangreiche Verteidigungsarbeiten ein, darunter den Bau von Palisaden und Verhacken an bestimmten Orten, die Verteilung der Proviant- und Munitionsvorräte auf verschiedene Orte, die Erkundigung der Nahrungsvorräte bei den Bürgern und die Entsendung von kleineren Kontingenten zum Geschützexerzieren. Außerdem wurden 2 Eskadrons Husaren nach Auras entsandt, weil Gerüchte kursierten, die Österreicher würden dort bereits Brücken schlagen oder seien gar schon fertig damit. Die schlesischen Untertanen ließ der Herzog von Bevern nochmals ermahnen, den österreichischen Aufforderungen, die seit ca. 10 Tagen kursierten, nicht Folge zu leisten, sondern sich stattdessen auf ihre Treupflicht gegenüber dem König von Preußen zu besinnen. Am 6. Oktober wurden die Stellungen auf der linken Flanke zwischen dem Dorf Gräbischen und KleinMochber noch durch die Anlegung von Wolfsgruben verstärkt. Vor allem waren in den Verschanzungen inzwischen zahlreiche schwere Geschütze, darunter 40 12-Pfünder und
38 Siehe
ebd., Faszikel 25. gesamten Absatz siehe Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 3: 1757, Teil 2, Seite 250 f. 39 Zum
476
IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
8 24-Pfünder aufgefahren worden. Der Herzog von Bevern zog hierauf nun eine nüchterne Bilanz40: „Der Feind hat den Tag darauf wie wir allhier eingerücket, das Schweidnitzer Wasser passiret, und jenseits der Lohe gerade gegen uns über gelagert, so daß sein rechter Flügel über Strachwitz hinaus, und der linke auf Klein-Masselwitz und der Oder appuierte stehet. Unsere Vorposten stehen so nahe aneinander, daß sie zusammen sprechen können. Ich habe sowohl meine Fronte als Flanque mit Redouten fortificiern und alles best möglichst einrichten lassen, obwohl es noch nicht gänzlich perfectioniret. Indeßen da zu Occupierung des Terrains nur eine Linie Infanterie machen kann, welche die in schlechten Stand seyende Cavallerie soutenieren soll, und kaum drey schwache Grenadier Bataillons im zweyten Treffen an Reserve habe; so weiß nicht wann der Feind zu gleich auch der Fronte und linken Flanque etwas tentiren sollte, wo zu er force genug hat, wie es ohne Gottes sonderbahren Beystand gut für uns ablaufen könnte. Indeßen bin ich resolviret alles abzuwarten, weil sonst mit Breslau Magazin, Kranken und so viel Nothwendigkeiten für die Armee verlohren gehen und selbige am Ende zum Lande herausgejaget und vollends ruiniret seyn würde“41.
Es wird deutlich, wie sehr der Befehlshaber gerade aus logistischer Sicht die Notwendigkeit der Verteidigung Breslaus betonte, weil man so am besten zur Erhaltung der Armee beitrug, der auch seine Kritiker eine hohe Bedeutung beimaßen. Die Lage bei Breslau hatte sich Anfang Oktober leicht zugunsten der schlesischen Armee unter dem Herzog von Bevern verändert, weil die österreichische Hauptarmee 10.033 Mann an General Nadasdys Korps abtrat42. Hierdurch sank der Stand der vor Ort einsetzbaren Infanterie auf 41.627 Mann, da es vor Ort bereits 7.088 Undienstbare und 15.051 Kommandierte sowie 10.426 abwesend Kranke und „Marode“ gab43. Insgesamt verfügte die Hauptarmee noch über 51.745 Mann und 10.630 Pferde44. Die Preußen konnten im Feld wohl zwischen 37.000 und 40.000 Mann aufbieten45, während ca. 15.000 Soldaten die Festungen besetzt hielten46. Diesen maximal 55.000 Preußen standen in
40 Zum gesamten Absatz siehe ebd., Seite 251–257. Zur Anordnung des Herzogs von Bevern bezüglich der Treupflicht der schlesischen Untertanen gegenüber König Friedrich siehe OestKA, Zentralst., Generalkriegskommissariat, Akten, Nr. 54 Militärdirectoralia 1757 / IX / 101–XI / 140, Faszikel X / 216: Schreiben des August Wilhelm von Beverns aus dem Lager bei Breslau am 1. Oktober 1757. 41 GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 102 E: August Wilhelm von Braunschweig-Bevern 1757, Blatt 2 Rück- und Blatt 3 Vorderseite. 42 Siehe OestKA, AFA, Nr. 610: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 X (1–400), Faszikel 1. 43 Siehe ebd. 44 Siehe ebd., Faszikel 34. 45 König Friedrich veranschlagte die Stärke der Feldtruppen mit 37.000 etwas geringer. Siehe Friedrich II., Politische Correspondenz, Bd. 15, Nr. 9376. 46 Siehe OestKA, AFA, Hauptreihe Nr. 627: Reichsarmee 1757 X, Faszikel 29. Laut dem alten Generalstabswerk waren in den schlesischen Festungen Mitte / Ende September 35 Bataillone stationiert, wobei der Großteil mit 10 Stück auf Schweidnitz entfiel. Ansonsten standen in Neisse 6, Glatz 5, Glogau 4 sowie in Breslau, Brieg und Cosel jeweils nur 3 Bataillone. Vgl. Großer Generalstab, Geschichte des Siebenjährigen Krieges nach authentischen Quellen. Die Feldzüge von 1756 und 1757, Beilage F.
IV.7. Die Verteidigung Schlesiens und Westsachsens477
Schlesien mehr als 86.000 einsatzfähige Österreicher gegenüber47. Dabei bildete das Belagerungskorps unter General Nadasdy mit 30.108 Mann und 6.400 Pferden den zweitgrößten Verband, während sich weitere Einheiten auf die Aufklärungskorps unter den Generälen Morocz, Krottendorf und Beck verteilten, die größtenteils zur Unterstützung dieser beiden Verbände eingesetzt wurden. Der Effektivstand aller habsburgischen Streitkräfte, d. h. inklusive der Korps von Laudon in Westsachsen sowie des Korps von Marschall und Haddik in der Oberlausitz, belief sich auf über 167.000 Mann, von denen jedoch 54.116 Mann abkommandiert und weitere 13.711 Mann undienstbar waren, sodass insgesamt 99.850 einsatzfähige Soldaten mit 20.380 Pferden auf allen 3 Schauplätzen des zentralen Operationsraums verblieben48. Wie sich die Gesamtsituation bis Anfang Oktober auch in logistischer Hinicht entwickelt hatte, zeigt folgende Karte:
Abbildung 49: Operativ-logistische Lage in Böhmen, Sachsen und Schlesien Anfang Oktober 175749 47 Siehe OestKA, AFA, Nr. 610: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 X (1–400), Faszikel 34. 48 Siehe ebd. 49 Karte adaptiert nach Schwerin, Detlof, Feldmarschall Schwerin.
478
IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
Man sieht, dass sich die Österreicher inzwischen in 2 große Korps geteilt hatten und von den übernommenen Vorräten in Liegnitz profitierten. Allerdings waren sie gezwungen, für die große Gesamtmenge der in Schlesien versammelten Soldaten die Verpflegungsmittel im Land einzutreiben sowie ihren Nachschub und den großen Artilleriepark durch das Grenzgebirge zu schaffen, wofür im Wesentlichen nur eine einzige Route ab Trautenau zur Verfügung stand, die deswegen auch gegen die Preußen entsprechend gesichert werden musste. Letztere waren zwar personell stark unterlegen, verteilten sich aber auf ihre Festungen, wo neben Waffen und Munition auch Magazinvorräte sowie Backkapazitäten in ausreichendem Maße vorhanden gewesen sein dürften50. Beverns Korps, das die größte Truppenkonzentration darstellte, verfügte mit Breslau auch über die meisten Unterstützungseinrichtungen militärischer und ziviler Art. Tatsächlich sollten viele der Letzteren, darunter die Universität, aber auch einige Häuser in den Vorstädten, als Lazarette fungieren. Für den Großteil der Truppen waren aber primär die Magazinbestände von Bedeutung. Von den 3.568 Tonnen Mehl, die im Januar vorhanden waren51, verblieben in Anbetracht der Tatsache, dass hiervon zumindest 3 oder 4 Bataillone an Garnisonseinheiten versorgt werden mussten und auch ein Transport von 500 Tonnen an Beverns Korps gegangen war, wohl nicht viel mehr als 2.000 Tonnen. Hiervon ließ sich der gesamte Verband aber nur noch für 60 Tage versorgen. Für die Pferde müssten mindestens noch die Bestände vom Januar vorhanden gewesen sein, d. h. 4.373 Wispel Hafer, 16.649 Zentner Heu und 556 Schock Stroh. Mit diesen Mengen hätten sich die 26.500 Pferde mit ihren rund 29.000 Rationen 20 Tage mit Hafer versorgen lassen. Das Raufutter reichte hingegen nur etwas mehr als ein 1 / 4 oder 1 Drittel der Zeit. Möglicherweise waren diese Mengen aber nach der Ernte im Sommer noch einmal deutlich angewachsen, sodass die Verpflegungslage vielleicht noch größeren Anlass für eine erfolgreiche Verteidigung Schlesiens gab, auch wenn sich die Kräfteverhältnisse aus preußischer Sicht hierfür eher ungünstig darstellten. Insofern erscheint es nachvollziehbar, dass König Friedrich in seinem Schreiben vom 13. Oktober aus Naumburg ausdrücklich die bisherige Handlungsweise des Herzogs von Bevern billigte und die Verteidigung Breslaus befürwortete, obwohl er ihm noch einmal das Kriegsrathalten als vermeintliches Offensivhemmnis explizit untersagte52. IV.7.2. Die Lage im Westen und der Marsch der preußischen Armee nach Thüringen Zu diesem Zeitpunkt hatte die Armee des Königs schon seit geraumer Zeit ihr Lager bei Erfurt bezogen. Die Streitmacht war, wie erwähnt, Ende August mit dem Korps des Generals Moritz zu Anhalt-Dessau bei Dresden zusammengetroffen. Von dort hatte man zu50 Zur den Verbackungskapazitäten vgl. II. Teil 5.: Truppenverpflegung und zu den Munitionsmengen III. Teil 1.: Die logistisch relevanten Ressourcen in Schlesien, Sachsen, Böhmen und Mähren. 51 Vgl. IV. Teil 2.4.: Das Korps der schlesischen Truppen unter Feldmarschall Schwerin. 52 Siehe Friedrich II., Politische Correspondenz, Bd. 15, Nr. 9406 und 9414.
IV.7. Die Verteidigung Schlesiens und Westsachsens479
nächst am 29. August 10 Eskadrons mit je zur Hälfte Dragonern und Husaren unter Generalmajor Seydlitz Richtung Leipzig vorausgeschickt, da sich seit Längerem die Berichte des dortigen Stadtkommandanten Generalmajor von Hauss über die Annäherung von französischen Einheiten häuften53. 4 Tage zuvor hatte ein gemischtes Kommando aus Landeskindern und Sachsen zwar noch die leichten Truppen der Österreicher aus Borna vertrieben, die dort wie auch in Grimma und Wurzen die Magazinbestände verkauft hatten, nun erbat Hauss aber dringend Unterstützung gegen die Franzosen, die sich auch schon bei Lützen zeigten54. 2 Tage später gelang es, einige französische Husaren aus Lindenau bei Leipzig durch eine 100 Mann starke Abteilung seines Garnisonsregiments zurückzutreiben55. Hierbei handelte es sich wohl um eine kleine Vorhut der französischen Hauptarmee, die sich unter dem Herzog von Richelieu in Niedersachsen aufhielt. Sie hatte während des Frühsommers gegen die Observationsarmee in Kurhannover gekämpft. Letztere setzte sich aus rund 40.000 Briten, Hannoveranern, Hessen, Braun schweigern sowie Preußen zusammen und unterstand dem Befehl von William August von Cumberland, dem dritten Sohn des englischen Königs Georg II. Nach der gewonnenen Schlacht bei Hastenbeck und der anschließenden Neutralitätskonvention von Kloster Zeven, die die Observationsarmee der Briten vorübergehend von den Kampfhandlungen ausnahm, begannen die Franzosen weit nach Osten bis an die Ränder der preußischen Westprovinzen und die nordwestlichen Gebiete des sächsischen Kurfürstentums zu streifen. Die französische Hauptarmee am Niederrhein stand zunächst unter dem Kommando des Marschalls Graf d’Estrées, dessen Nachfolge dann der Marschall und Herzog von Richelieu als Kommandeur antrat. Ursprünglich sollte die Streitmacht aus 81.100 Mann Fußtruppen, 1.800 Mann Artillerie und 23.320 Kavalleristen bestehen, wobei sich unter den 120 Bataillonen der Infanterie auch 19 deutscher und 12 schweizerischer Herkunft befanden56. Nach Schätzung des preußischen Gesandten von Hellen in den Niederlanden waren aber aus Flandern nicht mehr als 79.290 Soldaten ins Feld aufgebrochen57. Danach hatte die Armee schon vor der Schlacht bei Hastenbeck mit der Desertion ihrer protestantischen Soldaten und Versorgungsschwierigkeiten zu kämpfen, weil sie aus Flandern gerade 100 dreispännige Wagen erhielt, obwohl man 2.000 gefordert hatte58. Der hohe Bedarf der französischen Armee war offensichtlich in erster Linie dem Um53 Siehe
ebd., Nr. 9294. GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 98 G: Immediatsberichte des Fürsten Printz Moritz zu Anhalt-Dessau 1757, Schreiben aus Leipzig am 25.08.1757. 55 Siehe Stadtarchiv Leipzig, Titularakten, LXI, Nr. 10: Burchhardis Tagebuch oder Nachrichten aus dem Siebenjährigen Krieg, Blatt 25 Rückseite. 56 Siehe OestKA, AFA, Nr. 629: Siebenjähriger Krieg 1757, Reichsarmee XIII, Französische Armee, Faszikel ad 1. 57 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 39 B: Preuß. Charge des affaires Hellen Mai–October 1757, Etat des Trouppes qui on passé par les Pais bas, pour se rendre sur le Bas Rhin, Anlage zum Schreiben vom 17. Mai. Laut diesem handelt es sich hierbei um eine Kopie der Liste des englischen Rendanten aus Brüssel. 58 Siehe ebd., Extrait des Avis recus de la Frontière le 12 Juillet und le 14 Juillet 1757. 54 Siehe
480
IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
stand geschuldet, dass sie ihren Nachschub fast ausschließlich per Wagen aus den Magazinen bei Köln und Wesel über Bielefeld, Paderborn, Minden und Hameln kommen ließ, wobei sie für jede Etappe 600 Mehlwagen sowie 480 Wagen für die Brotzufuhr benötigte59. Dennoch funktionierte die Verpflegung bis zur Schlacht bei Hastenbeck am 26. Juli noch recht gut, denn an diesem Tag traf eine Brotlieferung für 5 Tage ein60, sodass die Streitmacht zu diesem Zeitpunkt ausreichend versorgt war und wohl zuletzt deshalb in der Schlacht über die Observationsarmee siegte. Allerdings hatte sich die Versorgungslage Mitte August maßgeblich verschlechtert, denn Marschall Richelieu berichtete, dass die Armee zwar über genügend Backöfen verfügte, es ihr jedoch an Mehl mangelte61. Tatsächlich verteilten sich auf die rückwärtigen Stationen bei Hameln 2.808, bei Paderborn 6.626, bei Lippstadt 3.448, bei Hamm 4.906, bei Haltern 2.938 und bei Wesel 5.020 Säcke Mehl62. Darüber hinaus lagerten in den Magazinen im Elsass, in Flandern und in Roermonde noch weitere 68.000 Säcke, die zumindest bis Mitte September auf die Höhe von Wesel herangeführt sein sollten, während dieselbe Menge noch in Hessen und Hannover ausgeschrieben war63. Wie von Richelieu erwähnt, verfügte man in Hannover, Minden, Hameln und Braunschweig und Wolfenbüttel zusammen über 132 Öfen, fraglich war aber, ob man es schaffen würde, die Mehlreserven überhaupt heranzuführen, und wie lange diese Mengen reichten64. Auf den ersten Blick stellte sich die Lage am 10. August noch recht erträglich dar, denn immerhin hatte man es geschafft, von insgesamt 41.444 Säcken inzwischen 9.949 Säcke bis Hameln zu transportieren65. Allerdings verbrauchte die Armee pro Monat auch um die 30.000 Stück, sodass die Verpflegung höchstens für 1 ½ Monate gesichert war, während die vergleichsweise geringen Hafervorräte im Umfang von 12.208 Säcken schon zu diesem Zeitpunkt die Frage aufkommen ließen, wie lange man die Pferde der Kavallerie und die des Transportwesens versorgen konnte66. Man machte sich zwar gewisse Hoffnung, nun die Weser für den Nachschub nutzen zu können, wusste aber auch, dass die Briten noch einmal Verstärkung erhalten sollten, sodass sie stets eine ernst zu nehmende Gefahr für die französische Armee darstellten. Da Ende Juli tatsächlich rund 8.300 britische Soldaten eintrafen67, 59 Siehe SHD Vincennes, M1 Mémoires et Reconnaissances, Nr. 230: Mémoires Historiques [de Vivres d’Allemagne de 1757 à 1762], Blatt 22 Vorder- bis 25 Vorderseite, Blatt 169 Rückseite und Blatt 171 Vorderseite. 60 Siehe ebd., Blatt 26 Vorderseite. 61 Siehe Correspondance particulière et historique du maréchal duc de Richelieu en 1756, 1757 et 1758, avec M. Paris du Verney, Bd. 1, Seite 78. 62 Siehe SHD, Vincennes, M1 Mémoires et Reconnaissances, Nr. 230: Mémoires Historiques [de Vivres d’Allemagne de 1757 à 1762], Blatt 22 Vorder- bis 25 Vorderseite, Blatt 169 Rückseite und Blatt 176 Rück- und Blatt 177 Vorderseite. 63 Siehe ebd., Blatt 176 Rückseite. 64 Siehe ebd., Blatt 178 Rückseite. 65 Siehe ebd., Blatt 179 Rückseite. 66 Siehe ebd. 67 Vgl. Hayter, Tony, Die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Grundlagen Englands, Hannovers und Preußens der britischen Beteiligung an Operationen auf dem Kontinent während des Siebenjährigen Krieges, Seite 179.
IV.7. Die Verteidigung Schlesiens und Westsachsens481
empfahl der Versailler Staatsrat Verney dem Herzog von Richelieu daher am 18. August, das Herzogtum Magdeburg und das Fürstentum Halberstadt zu besetzen und durch das Korps Oberst Fischers weitere Lebensmittel und Fourage eintreiben zu lassen68. Tatsächlich tauchten dann am 23. August 300 Kavalleristen und 2.000 Infanteristen unter dessen Kommando in Eisleben auf. Obwohl einige Tage später auch 600 Husaren bei Merseburg eintrafen, rückten nur 200 unter dem Obristen Lancelot Turpin de Crisse in Halle ein. Dort forderten sie 5 Tage später von den umliegenden Dörfern neben 305 Dresdner Scheffel Hafer, auch 790 Zentner Heu und 72 Schock Stroh für ihre Verpflegung. Die weiteren 6.000 Rationen sollten aus 1 Dresdner Metze Hafer, 18 Pfund Heu und 15 Pfund Stroh bestehen. Dem Bürgermeister wurde unter Androhung härtester Strafe verboten, die 72 Wispel eingepacktes Magazinmehl abzutransportieren69. Noch Besorgnis erregender als diese Streifkommandos der französischen Hauptarmee war aus Sicht der Preußen der Anmarsch der französischen Hilfsarmee, über den der Landrat des Mansfelder Kreises, Carl Friedrich von Dachroeden, seit dem 18. August berichtete. Die Armee unter dem Kommando von Charles Rohan de Soubise bestand aus 31 Bataillonen und 22 Eskadrons sowie einem Artillerietrain von 600 Pferden und sollte bis Mitte September mit 27.411 Mann in Eisenach eintreffen70, um dann gemeinsam mit der Reichsarmee gegen die Preußen vorzugehen. Letztere umfasste maximal 24.292 Infanteristen und 2.280 Kavalleristen71, sodass sich bis zu 53.000 Mann dem thüringischen Raum näherten. Schon der Verpflegungs- und Transportbedarf der Franzosen war enorm, denn sie hatten auf den Dörfern um Gotha 74.418 Brote ausgeschrieben und allein für die Verlegung von Marksuhl nach Eisenach zusätzlich 798 Wagen, 1.798 Pferde und 897 Knechte gefordert. Dieselbe Menge verlangten sie noch einmal für den Vormarsch nach Wachterstädt. Die massiven Anforderungen führten zum Teil dazu, dass die ansässige Bevölkerung selbst gewaltsam gegen die Franzosen vorgehen wollte und nur mit Mühe von ihren Obrigkeiten davon abgehalten werden konnte. Ungeachtet dessen gestaltete sich das Fortkommen der Franzosen schwierig, weil die Gegend um Eisenach aus Engpässen und brüchigen Senken bestand, durch die sich die Truppen hindurchquälen mussten. Es wurden zwar allerlei Anstrengungen unternommen, um die Straßen und Brücken auszubessern, sodass auch schwere Artillerie herangeführt werden konnte. Da im Wesentlichen aber nur eine Landstraße zur Verfügung stand, führte dies dazu, dass die französische Hilfsarmee nur in kleinen Kolonnen immer hintereinander vorzurücken vermochte, was 68 Siehe Correspondance particulière et historique du maréchal duc de Richelieu en 1756, 1757 et 1758, avec M. Paris du Verney, Bd. 1, Seite 95 f. 69 Zum gesamten Absatz siehe GStAPK, II. HA., Abteilung 15 Magdeburg, CLXXIX, Invasions-Sachen, Nr. 1: Acta wegen der im magdeburgischen wieder den Einbruch der frantzösischen Truppen zu machenden Veranstaltungen 1757 / 1758, Bd. I, Blatt 126, 153, 154, 162 und 184 jeweils Vorderseite. 70 Siehe ebd., Blatt 88 Vorderseite. 71 Siehe OestKA, AFA, Nr. 629: Siebenjähriger Krieg 1757, Reichsarmee XIII, Französische Armee, Faszikel 23.
482
IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
den gesamten Aufmarsch um glatt 4 Wochen verzögerte. Außerdem berichteten die Kundschafter, dass sich die Straßen durch das Riet in einem so schlechten Zustand befanden, dass keine Armee von Eisenach nach Mansfeld gelangen konnte. Allerdings stand noch eine relativ ebene, passierbare Route, nämlich jene über Buttelstedt, Duderstadt, Kösen, Naumburg und Weißenfels, für einen Vormarsch in Richtung Leipzig zur Verfügung72. In jedem Fall mahnte diese Bedrohung die Preußen zur Eile, sodass sie Ende August ihren Abmarsch nach Westen vorbereiteten. Das Regiment Hessen-Darmstadt, das eigentlich zum Korps des Generals Moritz zu Anhalt-Dessau gehörte, blieb mit seinen 2 Bataillonen zur Verstärkung der Dresdener Garnison und zur Komplettierung seines Mannschaftsbestandes zurück, da es gemäß der Tagesliste vom 29. August nur über 1.200 Gemeine verfügte und damit im Vergleich zum Anfang des Monats 460 Mann weniger aufbieten konnte73. Der Rest der 24 Musketier- und 6 Grenadierbataillone sowie die verbliebenen 33 Eskadrons brachen am 31. August Richtung Westsachsen auf74. Vom Tag des Abmarsches stehen abermals Listen jener Einheiten zur Verfügung, die bisher unter Moritz’ Kommando gestanden hatten und zumindest einige Rückschlüsse auf die Stärke des sich formierenden Korps zulassen:
Tabelle 75 Infanterieeinheiten unter Moritz zu Anhalt-Dessau im Lager bei Dresden am 31. August 175775 Namen der Einheiten
SollStand
Kranke
Kommandierte
Ver Kriegs wundete gefangene
Mann
Mann
Mann
Mann
Ramin
754
105
18
Wedell
754
63
Billerbeck
754
Summe / Durchschnitt
2.262
IstStand
Anteil
Mann
Mann
In Prozent
24
34
576
76 %
19
31
38
610
81 %
100
18
40
604
80 %
264
55
95
1.793
79 %
Grenadierbataillone
72
72 Zum gesamten Absatz siehe GStAPK, II. HA., Abteilung 15 Magdeburg, CLXXIX, Invasions-Sachen, Nr. 1, Bd. I, Blatt 83 Vorderseite bis Blatt 93 Rückseite. 73 Siehe LASA, DE, Z44 Abt. Dessau, A 9b VIb, Nr. 10, Bd. V (Verschiedene Militaria aus des Fürsten Moritz von Anhalt in preußigen Jaare 1757), Blatt 203 Vorderseite. 74 Siehe Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 3: 1757, Teil 2, Seite 164–166. 75 Zu sämtlichen Zahlen in dieser Tabelle siehe LASA, DE, Z44 Abt. Dessau, A 9b VIb, Nr. 10, Bd. V (Verschiedene Militaria aus des Fürsten Moritz von Anhalt in preußigen Jaare 1757), Blatt 45 Vorderseite.
IV.7. Die Verteidigung Schlesiens und Westsachsens483 Namen der Einheiten
SollStand
Kranke
Kommandierte
Ver wundete
Kriegs gefangene
IstStand
Anteil
Greandierbataillone
Mann
Mann
Mann
Mann
Mann
Mann
In Prozent
2.262
264
55
95
72
1.793
79 %
Alt-Braunschweig
1.808
204
36
27
71
1.611
89 %
v. Forcade
1.808
158
43
109
57
1.658
92 %
v. Kleist
1.808
318
39
88
102
1.260
70 %
v. Goltz
1.808
249
44
56
119
1.535
85 %
Summe
7.232
882
163
280
349
6.064
84 %
Summa Summarum
9.494
1.146
218
375
421
7.857
83 %
Greandierbataillone Summe / Durchschnitt Infanterieregimenter
Wie man sieht, waren beträchtliche Abgänge im Bereich der Verwundeten und Kriegsgefangenen zu verzeichnen, wobei in dieser Übersicht der hohe Krankenstand am stärksten ins Auge fällt. Berücksichtigt man alle Ausfälle, dann hätte der Sollstand eigentlich bei 10.017 Mann liegen müssen, was zeigt, dass die Einheiten offenbar überkomplett waren, auch wenn dies nicht vermerkt wurde. Dieser Umstand trug dazu bei, dass die Iststärke der Grenadierbataillone um 20 % sank, weil ihre Sollstärke nur knapp überschritten wurde. Die Infanterieregimenter, die von der vorübergehenden Aufstockung am stärksten betroffen waren, büßten nur um 15 % ein, obwohl sie weitaus höher hätte ausfallen müssen. Durchschnittlich verfügten die Grenadiere über 600 und die Musketiere über 758 Mann pro Bataillon. Die Kavallerieeinheiten befanden sich in ähnlicher Verfassung. Tabelle 76 Schwere Kavallerie unter Moritz zu Anhalt im Lager bei Dresden am 31. August 175776 Namen der Regimenter
Soll-Stand
Kranken-Stand
Ist-Stand
Anteil
Mann
Pferde
Mann
Pferde
Mann
Pferde
Mann
Pferde
Leibregiment (5 Esk.)
989
932
110
32
751
731
76 %
78 %
von Driesen (5 Esk.)
989
932
69
14
742
730
75 %
78 %
Summe
1.978
1.864
179
46
1.493
1.461
75 %
78 %
76 Zu
sämtlichen Zahlen in dieser Tabelle siehe ebd., Blatt 40 Vorderseite.
484
IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
Da pro Eskadron 146 Berittene aufgeboten werden konnten, dürfte sich die Stärke der Kampftruppe gemäß den zuvor erwähnten Durchschnittsstärken der Infanterieeinheiten auf rund 22.000 Mann und 4.800 Kavalleristen, zusammen also 27.000 Soldaten, belaufen haben. Es ist aber möglich, dass die Regimenter vor dem Abmarsch wie Anfang August abermals durch Rekonvaleszierte oder erneut gelieferte Rekruten ergänzt wurden, sodass insgesamt eine Streitmacht von 30–32.000 Soldaten versammelt werden konnte, zumal die Vorkehrungen im Lager bei Dresden ja offensichtlich auf bis zu 36.000 Mann ausgelegt worden waren77, wobei dieser höhere Wert neben der Verpflegungskarenz auch damit zu erklären ist, dass ebenfalls die Artilleristen sowie das Personal des Proviantund Nachschubwesens zu versorgen waren. Den Plan für den Marsch nach Westen hatte Generalmajor von Retzow schon am 9. August im Lager bei Rothnaußlitz entworfen. Die Armee sollte in Dresden für 42.000 Mann Brot für 9 Tage empfangen. Dann würden die Truppen weiter über Döbeln und Grimma marschieren, wo jeweils ein 3-tägiger Brotnachschub bereitzustehen hatte. Die Mehl- und Holzmengen sowie die Öfen waren hierfür vorher anzuschaffen, sodass die Brote innerhalb von 3 Tagen hergestellt werden konnten. Außerdem sollten in Torgau oder Leipzig Brotreserven für 6 Tage produziert werden, was in der Messestadt nicht schwierig war, weil man in den umliegenden Dörfern ohne Gefährdung des dortigen Konsums 25.000 Brote pro Tag backen lassen konnte. Für den Transport waren sowohl in Torgau als auch in Leipzig jeweils 200 Korbwagen eingeplant, die den Truppen notfalls das Brot zuzuführen hätten. In Dresden würden ebenfalls 200 Wagen bereitstehen, die dann in Döbeln und Grimma durch 200 weitere abgelöst werden sollten. Dem Proviantfuhrwesen käme die Aufgabe zu, aus Dresden noch einmal Brot für 9 Tage mitzunehmen, sodass die Armee nach Retzows Rechnung mit 30 Tagessätzen verpflegt war, nämlich 2 Sätzen zu 9 Tagen aus Dresden, 2 Sätzen aus Grimma und Döbeln zu je 3 Tagen und einem Reservesatz zu 6 Tagen aus Torgau oder Leipzig. Während Retzow sich viele Gedanken über die Truppenversorgung gemacht hatte, war er merkwürdigerweise um die Pferdeverpflegung wenig besorgt, denn laut seinem Vorschlag sollte die Kavallerie für 2 Tage noch Hartfutter aus dem Magazin mitnehmen, das Raufutter aber ausschließlich vom Lande geliefert werden. Dies galt auch für die Pferde der Infanterie, wobei der General unmissverständlich klarmachte, dass bei Nichteintreffen der Lieferungen fouragiert werden würde. Möglicherweise kalkulierte er dieses Verfahren ohnehin zu einem großen Teil zur Bewerkstelligung der immensen Anforderungen mit ein. Die letzten Details des Plans sollten erst von Oberst Arnstedt und dem Finanzrat Zinnow geklärt werden78.
77 Vgl.
IV. Teil 6.7.: Die Vorbereitungen der Preußen zum Abmarsch aus der Oberlausitz. gesamten Absatz siehe LASA, DE, Z44 Abt. Dessau, A9b VIa, Nr. 77: Correspondenz des Fürsten Moritz mit Behörden, Magistraten, Landräthen und anderen Beamten meist milit. Inhalts 1745 / 57, Blatt 11 und 12 jeweils Vorder- und Rückseite. Eigentlich ergab es keinen Sinn, dass das Proviantfuhrwesen noch Brot für 9 Tage mitnahm, weil es danach verdarb. Entweder war hier der Mehlanteil für eine weitere 9-tägige Versorgung gemeint oder es wurde zur Überbrückung späterer Engpässe mit doppelten Portionen kalkuliert. 78 Zum
IV.7. Die Verteidigung Schlesiens und Westsachsens485
Allerdings hatten sich die Bedingungen, unter denen die Truppen nun nach Westsachsen verlegt wurden, völlig geändert. Einerseits war die Armee kleiner als ursprünglich geplant, vor allem aber hatten die Magazine bei Döbeln und Grimma maßgeblich unter den Streifzügen Laudons gelitten. Daher empfahlen die Kriegskommissare Albrecht, Deutsch, Zinnow und Flesch schon am 14. August die Orte künftig mit Garnisonen und die Transporte mit entsprechenden Eskorten zu versehen79. Weil man sich auf Döbeln und Grimma als Versorgungsstützpunkte nur noch bedingt verlassen konnte, empfingen die Truppen in Dresden ihre Brotvorräte, sodass sie bis zum 9. September versorgt waren80, auch wenn dafür nun jene Mehlmengen genutzt werden mussten, die eigentlich für die Truppen unter dem Herzog von Bevern bestimmt waren und diesen beim Abmarsch aus der Oberlausitz fehlten. In Torgau waren bereits seit dem 21. August die Bäcker eingetroffen, welche die 30.000 Brote backen sollten, während von den geforderten 200 Wagen für den Transport offensichtlich nur jene aus den unmittelbaren Amtsdörfern ankamen, sodass sich auch hier Probleme abzeichneten81. Dies hing offenbar damit zusammen, dass schon seit Beginn des Jahres so viele Vorspannfuhren vom Kurkreis geleistet worden waren, dass sich inzwischen viele Pferde einfach in einem matten Zustand befanden oder schlicht tot umfielen82. Für die Kavallerieverpflegung hatte das Feldkriegskommissariat am 28. August noch eine Lieferung ausgeschrieben, die 2-mal bis zum 30. August nach Wilsdruff und Kohren zu liefern war und bei Nichteintreffen durch Fouragierung eingetrieben werden sollte. Zu stellen waren an jedem der beiden Orte 823 Scheffel Hafer, 3.984 Scheffel Häcksel nach Dresdner Maß, 103 Schock Stroh, 1.498 Zentner Heu, 419 Schock Streuund Lagerstroh sowie andere Lebensmittel, darunter Branntwein, Grütze und Erbsen83. Diese Mengen entsprachen nicht weniger als jeweils 70 Tonnen Hafer, 330 Tonnen 79 Siehe LASA, DE, Z44 Abt. Dessau, A9b VIa, Nr. 77: Correspondenz des Fürsten Moritz mit Behörden Magistraten, Landräthen und anderen Beamten meist milit. Inhalts 1745 / 57, Blatt 10 Vorder- und Rückseite. Dieses Dokument wie auch Retzows Entwurf waren dem Generalstab ebenfalls bekannt. Wie diese Pläne vor dem Hintergrund der veränderten operativen Situation umgesetzt werden, hatte man offensichtlich nicht berücksichtigt, zumal man noch anmerkte, der Marsch sei auf diese Weise ausgeführt worden. Vgl. Großer Generalstab, Die Kriege Friedrichs des Großen. Dritter Theil, Bd. 4: Großjägersdorf und Breslau, Seite 237. 80 Siehe LASA, DE, Z44 Abt. Dessau, A 9b VIb, Nr. 10, Bd. V (Verschiedene Militaria aus des Fürsten Moritz von Anhalt in preußigen Jaare 1757), Blatt 45 Vorderseite. Vermerkt ist, dass alle Einheiten des Korps zu Moritz zu Anhalt-Dessau auf 9 Tage mit Brot und bis zum 2. September mit Fourage versorgt waren. 81 Siehe Bürger, Johann, Vorgänge in und um Torgau während des Siebenjährigen Krieges namentlich die Schlacht bei Süpitz, Seite 32 und Stadtarchiv Torgau, Nr. H 2673: Anweisungen an den Superintendenten Grulich 1757 / 1758. 82 Siehe Stadtarchiv Wittenberg, Nr. 1866: Die vom Feldkriegscommissariat und Directorio ausgeschriebenen Wagen, Blatt 45 Vorderseite. 83 Siehe SächsHStA-DD, 10025 Geheimes Konsilium, Loc. 6482, Num 15: Königl. Preuß. Seits gelieferte vom Lande geforderte Fourage, Pferde- und Vieh Lieferungen sämtl. Proviant Pferden und Knechten ingleichen […], Blatt 320 Vorderseite.
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IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
Häcksel, 618 Tonnen Stroh und 75 Tonnen Heu sowie 251 Tonnen Lagerstroh, denen wie üblich auch ein immenser Konsum gegenüberstand, denn neben den rund 4.800 Pferden der Kavallerie galt es auch noch die 3.600 Pferde, die sich bei den Infanterieeinheiten befanden, sowie das Proviantfuhrwesen und die Bespannung der Artillerie zu versorgen. Wie sich noch zeigen wird, kamen hierbei insgesamt um die 19.000 Rationen zusammen, was nach dem standardisierten Verpflegungssatz einem Tagesbedarf von 98 Tonnen Hafer, 76 Tonnen Heu und 95 Tonnen Heu entsprach. Da man auch stark den Häcksel nutzte, reichten die ausgeschriebenen Mengen, wenn sie denn eintrafen, für 3 bis 4 Tage, wobei die zu liefernden Heumengen nicht einmal den Tagesverbrauch deckten, sodass man wohl beabsichtigte diesen Anteil an den anderen Tagen durch Stroh zu kompensieren. Insofern war abzusehen, dass sich die Versorgungslage trotz der umfassenden Vorkehrungen, die Generalmajor von Retzow getroffen hatte, insgesamt als durchaus schwierig und unsicher darstellen würde. Zunächst setzte sich am 31. August nur die Vorhut bestehend aus 2 Grenadier- und 4 Musketierbataillonen, dem Freibataillon Mayr und 7 Husareneskadrons unter König Friedrich in Marsch und erreichte Rothschönberg und Trutschenbroda84. Das Gros der Armee, das von Feldmarschall Keith geführt wurde, sammelte sich im Lager zwischen Dresden und Wölfnitz und trat dann am 1. September in 2 Kolonnen über Wilsdruff den Marsch nach Rothschönberg an. Dieser sollte sich in den kommenden Tagen nicht nur wegen des Regenwetters durchaus mühsam gestalten. Der König war an diesem Tag mit der Vorhut nach Döbeln weitermarschiert, wo am 3. September auch der Großteil der Armee bis auf die Artillerie eintraf85. Dort hatte der Rat schon vor der Ankunft des Monarchen über 1.000 6-Pfund-Brote beschaffen müssen, was aber nichts daran änderte, dass die Scheunen ausfouragiert wurden, weil die erforderliche Futtermenge nicht in der Kürze der Zeit zusammengebracht werden konnte86. Dasselbe Schicksal ereilte dann auch Grimma, wohin der König mit den meisten Einheiten seiner Vorhut, die bei Polditz und den umliegenden Dörfern nordwestlich von Leißnig Quartier bezogen hatten, am nächsten Tag abrückte. Dort schlossen sich das Freibataillon Mayr und das 5. Husareneska dron ebenfalls der Abteilung von Generalmajor von Seydlitz an87. Feldmarschall Keith brach mit dem Rest der Armee bei Döbeln auf, schickte aber den Großteil der Versorgungswagen nach Torgau, da sie über die aufgeweichten Wege infolge des Regenwetters kaum voranzubringen waren88. Auch das Proviantfuhrwesen und die Pontons konnten mit den 5 Deckungsbataillonen der Armee nicht so schnell folgen89. Wie Keith 2 Tage später zu berichten wusste, hingen die Verzögerungen damit zusammen, dass sich die Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 3: 1757, Teil 2, Seite 169. ebd., Seite 170 f. 86 Siehe SächsHStA-DD, 10025 Geheimes Konsilium, Loc. 6482, Nr. 3: Acta Leipziger Creyß bey der Mense Sept. 1757 erfolgten Einrückung der königl. Preußischen Armee in und bey Döbeln und Marchierung über Grimma, Rötha, Pegau und Naumburg und weiter nach Erfurt, theils durch auferlegte unerschwingliche Lieferungen und Ausfouragierungen […], Blatt 82 Vorderseite. 87 Siehe Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 3: 1757, Teil 2, Seite 171. 88 Siehe ebd. 89 Siehe ebd., Seite 172. 84 Siehe
85 Siehe
IV.7. Die Verteidigung Schlesiens und Westsachsens487
Pferde, die unter diesen Bedingungen ausfielen, kaum ersetzen ließen, weil die Bauern diese entlang der Vormarschroute evakuiert hatten. „Le G. Itzenplitz m’avertie qu’il y a tant des cheveaux morts et hors d’etat de trainer, que sans un renfort il sera impossible que l’artillerie et les vivres puissent poursuivre leures marche, j’ai envoi de detachement de cavalerie pour enlever tous les cheveaux qu’on pourrait trouver, mais je crains fort que ce sera avec peu de succés, les paisans ayant retirés leurs cheveaux à une distance considerable de notre route“90.
Anstrengungen dieser Art beförderten in Kombination mit dem strammen Marschpensum offenbar auch die Desertion unter den sächsischen und ausländischen Soldaten91. Wie schon zuvor die Vorhut kantonierte nun auch der Großteil der Armee in einer Vielzahl von Dörfern um Polditz, bevor sie am 5. September in der Umgebung Grimma ankamen und dann am nächsten Tag rasteten. Entgegen den Befürchtungen von Feldmarschall Keith hatte man dort ebenfalls das Glück, 378 Remontepferde vorzufinden, die sofort auf die 4 Kürassierregimenter und das Dragonerregiment Meinicke verteilt wurden, das mit 120 Stück den größten Anteil erhielt, sodass 79 Pferde sogar noch übrig blieben92. Einen Rasttag legte an diesem Tag auch die Vorhut des Königs ein, die zuvor bis Rötha vorgerückt war, wo sich die Husaren-Dragonerabteilung und das Freibataillon Mayr unter Generalmajor von Seydlitz wieder anschlossen, nachdem sie zunächst über Wurzen und Grimma in die Gegend um Leipzig geritten waren und dort während der letzten 2 Tage gerastet hatten. In diesem Zusammenhang zeigte sich sehr deutlich, dass die Verpflegung der Kavallerie tatsächlich durch massive Ausbeutung der lokalen Ressourcen betrieben wurde, da beispielsweise das Dorf Machern vom 2. bis 5. September nicht weniger als 6 Wagen stellen musste, um den preußischen Husaren die Fourage nachzufahren, und tags darauf noch 180 Portionen Brot, 415 Kilogramm Hafer, 225 Kilogramm Heu und 360 Kilogramm Stroh lieferte93. Am 7. September marschierten die Truppen unter Feldmarschall Keiths Kommando nach Rötha, von wo offenbar ein Teil ihres Proviantfuhrwesens, bestehend aus 400 Wagen und 200 Bäckern, nach Leipzig geschickt wurde94. Währenddessen passierte die gesamte Vorhut bei Rötha die Pleiße und rückte gegen Pegau vor, von wo 200 Mann des 90 GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 87 N: Immediatsberichte Generalfeldmarschall Jakob Keith 1757, Blatt 108 Vorderseite. 91 Zur Desertion der Sachsen und Ausländer im Rahmen der forcierten Märsche siehe SächsHStA-DD, 10024 Geheimer Rat, Loc. 9336 / 1: Journal des Preußischen Krieges 1756–1757, Blatt 389 Vorderseite. 92 Siehe LASA, DE, Z44 Abt. Dessau, A 9b VIb, Nr. 4, Bd. V: Correspondenz des Fürsten Moritz mit Friedrich II., Blatt 208 Vorderseite. 93 Siehe SächsStA L, Loc. 20467 Rittergut Machern mit Zeititz, Nr. 152: Acta derer Preuß Troublen halber sich ereignenden Fälle, und verlangten auch prastirten Lieferung und was deme sonst anhängig, Blatt 56 Vorderseite. 94 Zur Anzahl der Wagen und der Bäcker, die in Leipzig eintrafen, siehe Stadtarchiv Leipzig, Titularakten, LXI, Nr. 10: Burchhardis Tagebuch oder Nachrichten aus dem Siebenjährigen Krieg, Blatt 26 Rückseite.
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Laudon’schen Korps vertrieben wurden, das mit weiteren 800 Mann in Zeitz vermutet wurde. Tatsächlich war Laudons Kontingent mit 250 Husaren und 2.000 Infanteristen sogar schon vor 2 Tagen in Weißenfels eingerückt, wo sie sich auch 2.789 Portionen Brot liefern ließen95, dann aber schnell wieder verschwanden, nachdem sie am 8. September bemerkt hatten, dass sich offenbar genau jene Husaren der Stadt näherten, die zur Vorhut der Armee von König Friedrich gehörten96. Am selben Tag begann die Vorhut in Richtung Naumburg vorzurücken, wo sie am 9. September eintraf und 2 gegnerische Husarenregimenter vertrieb, die sich über Bad Kösen und die Saale in das Thüringische Becken zurückzogen. Feldmarschall Keith rückte mit den Truppen erneut in 2 Kolonnen nach und bezog um Naumburg Quartier, während in Altenburg mit dem Bau einer Brücke für das Überschreiten der Saale gearbeitet wurde. Wahrscheinlich neigte sich an diesem Tag der Brotvorrat der Preußen dem Ende zu. Möglicherweise hatten sie aber jene 30.000 Brote erhalten, die die Bäcker in Leipzig seit dem 5. September herstellten97, zumal bis zum nächsten Tag sogar 90.000 Stück bereitstehen sollten98. Die Dörfer um Leipzig stellten zum 7. September weitere 15.000 6-pfündige Brote her, die nach Rötha oder Pegau zu liefern waren99. Mit diesen 105.000 Broten oder 315.000 Portionen konnte die Armee zumindest für die nächsten 10 Tage, d. h. bis zum 17. September, versorgt werden, wenn es gelang, sie zeitgerecht zur Armee zu transportieren. Falls dies zutraf, dann waren die Zulieferungen aus dem Leipziger Raum die einzige Maßnahme von Retzows ursprünglichem Verpflegungsplan, die in die Tat umgesetzt wurde, was zeigt, welche Lücke bisweilen zwischen Theorie und Praxis klaffte. Obwohl die Versorgungssituation angespannt war, die Armee teilweise unter der Desertion litt und sich eines Großteils ihrer Ausrüstung vorübergehend entledigte, traf immer noch bemerkenswert viel Personal und Material bei Naumburg an der Saale ein: „Heute den 10. Sept. vormittags 9 Uhr ohngefehr sei die völlige Preußische Armee, an Cavallerie und Infanterie, Geschüz und Wagens angekommen, welche man zusammen über 30.000 Man schäzen wolle; von dieser nachgekommenen Armee wäre keine mehrere Mannschaft, alß die gestrige in die Stadt einmarchiret, sondern sie hätte sich außen, vor solche gelagert und zwar 95 Siehe Stadtarchiv Weißenfels A. I., Nr. 2619: Rechnung über das von eintzigen Dorfschaften und hiesigen Besitzern den 6., 7. Sept., 7. Oct. und 1. Nov. 1757 gelieferte Brod theils an die Österr. theils an die Preuß. Trouppen mit annectirt Quittung. 96 Siehe Stadtarchiv Weißenfels, A. I., Nr. 735: Die den 5. 6. 7. und 8. in die Stadt Weissenfels eingerückten und innerhalb der Ringmauer einquartieren 250 Husaren und 2.000 Mann Infanterie von der österreichischen Armee betref. 97 Siehe Stadtarchiv Leipzig, Titularakten, LXI, Nr. 10: Burchhardis Tagebuch oder Nachrichten aus dem Siebenjährigen Krieg, Blatt 26 Vorderseite. 98 Siehe GStAPK, II. HA., Abteilung 15 Magdeburg, CLXXIX Invasions-Sachen, Nr. 1: Acta wegen der im magdeburgischen wieder den Einbruch der frantzösischen Truppen zu machenden Veranstaltungen. 1757 / 1758, Bd. II, Blatt 24 Vorderseite. 99 Siehe SächsHStA-DD, 10025 Geheimes Konsilium, Loc. 6482, Nr. 3: Acta Leipziger Creyß bey der Mense Sept. 1757 erfolgten Einrückung der königl. Preußischen Armee in und bey Döbeln und Marchierung über Grimma, Rötha, Pegau und Naumburg und weiter nach Erfurt, theils durch auferlegte unerschwingliche Lieferungen und Ausfouragierungen […], Blatt 5 Vorderseite.
IV.7. Die Verteidigung Schlesiens und Westsachsens489 gleich vor der Michaelis Gasse, nach dem Dorffe Altenburg zu, und eben lincker Hand, nach Fleumingen, und nach dem kalten Hügel; das ordentliche Geschütze stünde bey denen Regimentern, das schwehre hingegen sey noch nicht angekommen gewesen; die Armee hätte viel und starcke Bagagewagen, auch Pohlnische Ochsen, und anderes Landviehe mitgebracht; zu Altenburg, und Rossbach, fiengen sie an, von dem Floß-Holze Brücken über die Saale zumachen, daß die Infanterie darüber marchiren könne; und glaubte man, es würde die Armee nicht lange stehen“100.
Ein längerer Aufenthalt kam aus Sicht der Preußen schon aufgrund ihrer Versorgungslage kaum in Frage, denn die Soldaten waren nur noch 7 weitere Tage verpflegt und verfügten mit Ausnahme der Magazine in Zeitz und in Leipzig über keine nennenswerten Lebensmittelreserven mehr. Im Zeitzer Magazin lagerten noch 1.300 Zentner Mehl, 1.539 Scheffel Gerste, 2.772 Scheffel Hafer und 2.681 Zentner Heu und 50 Schock Stroh101. Mit diesen Mengen, die umgerechnet 65 Tonnen Mehl, 358 Tonnen Hartfutter und 134 Tonnen Heu entsprachen, ließen sich die Truppen gerade für 2 ½ Tage mit Brot und die rund 8.500 Pferde der Kavallerie und Infanterie für 4 Tage komplett versorgen. Folglich war die Verpflegung der Soldaten bis zum 21., die der Pferde aber maximal bis zum 14. September gesichert. Wie der Minister von Borck dem König am 6. September mitgeteilt hatte, waren auch in Leipzig nur 306 Tonnen Mehl vorhanden, die aber noch durch weitere 76 Tonnen aus Torgau ergänzt werden sollten, sodass die Verpflegung einer 30.000-Mann-Armee für weitere 15 Tage gewährleistet war102. Weitere Lieferungen waren vorerst nicht zu erwarten, zumal der Kurkreis trotz einer Strafgebühr von 10 Talern pro Wagen von 300 geforderten nur 124 gestellt hatte103. Deshalb behielt man als Strafmaßnahme einige der gestellten Wagen für 3 Wochen statt der angekündigten 5 Tage zurück104. Dafür kamen aber noch 84 Tonnen Mehl aus Halle nach Leipzig, das man dort vor den französischen Truppen unter dem Obristen Turpin de Crisse in Sicherheit gebracht hatte105, sodass sich allein mit dieser Gesamtmenge von 466 Tonnen in Leipzig die Versorgung aller preußischen Truppen in Westsachsen für rund 3 Wochen zusätzlich bewerkstelligen ließ. Offenbar wurden Teile dieser Mengen der Armee bei Naumburg schon am selben Tag über Weißenfels zugeführt. Das Proviantfuhrwesen, das dort eintraf, umfasste zu diesem Zeitpunkt nicht weniger als 1.600 Wagen mit 6.000 Pferden, 300 Offizieren, 40 Inspek100 SächsHStA-DD, 10025 Geheimes Konsilium, Loc. 6482, Nr. 12: Die Einrückung derer königl. Preußischen Trouppen in das Stift Naumburg, Zeitz und deren Verpflegungen und FourageLieferungen, Blatt 193 Vorderseite. 101 Siehe ebd., Blatt 93 Vorderseite. 102 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 425 Q: Immediatsberichte des Feldkriegscommissariat Juli–Dezember 1757, Schreiben vom 6. September aus Torgau. 103 Zum gesamten Absatz siehe LASA, DE, Z44 Abt. Dessau, A9b VIa, Nr. 77: Correspondenz des Fürsten Moritz mit Behörden, Magistraten, Landräthen und anderen Beamten meist milit. Inhalts 1745 / 57, Blatt 124 Vorderseite. 104 Siehe Stadtarchiv Wittenberg, Nr. 1866: Die vom Feldkriegscommissariat und Directorio ausgeschriebenen Wagen, Blatt 71 Vorderseite. 105 Siehe GStAPK, II. HA., Abteilung 15 Magdeburg, CLXXIX Invasions-Sachen, Nr. 1, Bd. II, Blatt 24 Vorderseite, Blatt 25 Rückseite.
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IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
toren und 875 Soldaten106. Von Letzteren gehörten 600 Mann wohl zum Garnisonsregiment Hauss, das die Eskorte stellte107. Die hohe Wagenzahl hing vermutlich damit zusammen, dass sich hierunter auch einige Proviantwagen befanden, die im Verlauf des Marsches nach Naumburg vorübergehend nach Leipzig und Torgau geschickt worden waren. Während die Soldaten durch das Nachschubwesen gut versorgt waren, veranlassten die knappen Futtermengen und der Zeitdruck, den Franzosen bei ihrem Eindringen in das Thüringer Becken und das dahinterliegende Leipziger Tiefland zuvorkommen zu müssen, die Preußen erneut zum schnellen Aufbruch. Wahrscheinlich versuchten sie den Großteil des Raumes um Erfurt, Buttstedt, Kösen und Naumburg zu besetzen, um so der französischen Armee den bequemen Weg in die nordsächsische Tiefebene um Leipzig zu versperren. Dies gelang auch, denn an ein schnelles Vorrücken seitens der französischen Hilfsarmee war gar nicht zu denken. Ihre Kavalleriepferde befanden sich laut Landrat von Dachroeden zwar in einem besseren Zustand als die der Infanterie, allerdings waren auch sie klein und gedrungen108. Außerdem mussten sie ihren Tross, der offenbar fast genauso groß war wie die Armee selbst, zurückschicken, wobei die maroden und kranken Soldaten beim Rückzug von Erfurt von ihren Kameraden gestützt wurden, damit sie die anrückende preußische Armee nicht gefangen nahm109. Letztere hatte am 11. September mit allen Einheiten in 3 Kolonnen den Übergang über die Saale vollzogen. Am nächsten Tag rückte sie weiter in Richtung Erfurt vor und bezog in der Umgebung von Eckartsberga Quartier, während Feldmarschall Keith mit dem Rest der Truppen bei Buttstädt lagerte, nachdem er 10 Kürassiereskadrons und 5 Bataillone bei Eckartsberga an der Saale zurückgelassen hatte, die demnächst unter Herzog Ferdinand von Braunschweig in Richtung Halberstadt aufbrechen würden. Am 13. September traf der König mit 17 Eskadrons, dem Freibataillon Mayr und einem Grenadierbataillon in Erfurt ein, wohin sich 2 Husarenregimenter der Reichsarmee zurückzogen110. Die preußischen Truppen hatten damit während der letzten 13 Tage von Dresden eine Strecke von ca. 280 km zurückgelegt, was abzüglich der beiden Rasttage in Grimma und bei Naumburg bzw. Kösen abermals einem Tagespensum von rund 25 km entsprach. Im thüringischen Raum verblieb der größte Teil der Armee mit 12 Bataillonen und 24 Eskadrons nun fast einen Monat, während General von Anhalt-Dessau mit 11 Bataillonen und 10 Eskadrons sich wieder auf den Rückweg in Richtung Torgau machte. 106 Siehe Stadtarchiv Weißenfels, A. I., Nr. 736: Die von 11. September 1757 biß den in die Stadt einquartierten Preußischen Trouppen betref. 107 Siehe Stadtarchiv Leipzig, Titularakten, LXI, Nr. 10: Burchhardis Tagebuch oder Nachrichten aus dem Siebenjährigen Krieg, Blatt 26 Rückseite. 108 Siehe GStAPK, II. HA., Abteilung 15 Magdeburg, CLXXIX Invasions-Sachen, Nr. 1, Bd. II, Blatt 45 Vorder- und Rückseite. 109 Siehe ebd., Blatt 67 Rückseite bis 68 Rückseite. 110 Zum gesamten Absatz siehe Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 3: 1757, Teil 2, Seite 176–179.
IV.7. Die Verteidigung Schlesiens und Westsachsens491
Obwohl den preußischen Soldaten nun durch die Nachschubkolonne beträchtliche Mengen an Brot zugeführt wurden, war die Versorgung bis zu deren Eintreffen bei sich leicht ausdehnenden Nachschubwegen nicht gerade einfach. Bei seiner Ankunft in Erfurt hatte Generalmajor von Seydlitz vor Ort noch 2.000 4-Pfund-Brote gefunden und meinte 3.000 weitere in 24 Stunden herstellen zu können, sodass zunächst 10.000 Portionen zur Verfügung standen111. Hiermit ließen sich die rund 15.000 Preußen nicht einmal 1 Tag komplett verpflegen. Daher traf Generalmajor von Retzow für die weitere Versorgung umfassende Vorkehrungen in Naumburg und veranlasste Ausschreibungen im Thüringer Kreis sowie den Stiften Naumburg, Merseburg und Zeitz. Seit dem 14. September forderte er von den beiden ersten Stiften täglich 9.000 bzw. 12.000 Brote zu 7 Pfund, wobei 1 Drittel in Mehl geliefert werden sollte, weil zusätzlich auch noch 30.000 Mauerziegel und 150 Fuder Lehm für die Errichtung einer Feldbäckerei zu liefern waren112. Die große Steinmenge deutet darauf hin, dass hier nicht die mobilen Backöfen der Preußen zum Einsatz kamen, sondern ähnlich wie in Bautzen und Görlitz extra Öfen mit Hilfe der lokal verfügbaren Ressourcen errichtet wurden. Es gelang auch, die erforderlichen Steine zu beschaffen, da die Naumburger Ratsziegelscheune 12.500, der Baumeister Licht 3.500 und das Amt Pforta 14.000 Stück beisteuerten113. Während die Truppenverpflegung aufgrund der Reserven in Leipzig weitestgehend unproblematisch war, stellte die Beschaffung des Pferdefutters wegen des hohen Bedarfs erneut eine große Herausforderung dar. Schon am 12. September hatte Generalmajor von Retzow für das Proviantfuhrwesen 4.000 Rationen gefordert, was in Naturalien 500 Dresdner Scheffel Hafer, 436 Zentner Heu und 33 Schock Stroh entsprach, zumal abweichend von der Norm pro Ration 2 Metzen Hafer nach Dresdner Maß, 12 Pfund Heu und 10 Pfund Stroh verlangt wurden114. Eigentlich sollten diese Mengen vom Thüringischen Kreis und den Stiften Naumburg, Zeitz und Merseburg geliefert werden. Weil sie aber kurzfristig nicht von den eigentlichen Adressaten zusammengebracht werden konnten, wurden in Naumburg selbst noch am selben Tag 355 Scheffel Hafer, 37 Scheffel Gerste, 310 Zentner Heu, 54 Schock Stroh und 95 Schock Hafer fouragiert, wobei als Ausdrusch für Letzteren 4 Scheffel verschlagt wurden, sodass zusätzlich wohl noch einmal 384 Scheffel Hafer zur Verfügung standen115. Mit dieser extremen Ausbeutung der lokalen Ressourcen konnte der Tagesbedarf des Fuhrwesens dann vorerst gedeckt werden. Die Versorgung der vorgerückten Kampftruppen bedurfte eines größeren Fouragierungsraums, der sich vermutlich im Thüringer Becken fand.
111 Siehe
GStAPK, IV. HA., Rep. 15 A, Nr. 635: Quellensammlung 8. Stadtarchiv Naumburg, Loc. 2001, XV, Nr. 13: Die Einrückung […] der Preußen […] in hiesige Stadt, Blatt 21 Vorderseite. 113 Siehe ebd., Blatt 11 Vorderseite und Blatt 36 Rückseite. 114 Siehe Stadtarchiv Naumburg, Loc. 2001, XV, Nr. 128: Acta Privata Die bey den löb Herren Ständen des Stifts Merseburg von hiesiger Stadt wegen der Einrückung Mense Sept. 1757 und Stille Lagers der königl. Preuß. Armee gethanenen Vorschuss haben Anforderung und was dem anhängig betref., Blatt 155 Vorderseite. 115 Siehe ebd., Blatt 147 Vorderseite. 112 Siehe
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IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
IV.7.3. Die Versorgungslage in Thüringen und der Zustand der gegnerischen Streitkräfte Für die mittel- und längerfristige Versorgung der nächsten 14 Tage verteilte man die Verpflegungsanforderungen der preußischen Truppen auf die Kreise und Stifte im thüringischen Raum, da insgesamt für bis zu 19.479 Pferde Fourage beschafft werden musste. Wie die enorme Menge in diesem Fall zustande kam, zeigt die nächste Tabelle. Tabelle 77 Rationsbedarf der preußischen Armee Mitte / Ende September 1757 in Thüringen116 Einheit / militärische Funktionsträger
Ration pro Einheit
König Generäle (FM, General d. Inf., GenLt., GenMaj.)
Gesamtrationen 513
(66, 45, 39, 28)
476
8 Infanterieregimenter
250
2.000
6 Grenadierbataillone
160
960
5 Kavallerieregimenter (schwere)
1.000
5.000
2 Husarenregimenter
900
1.800
Artillerie
1.800
Weitere Kavallerie und Infanterieabteilungen
2.758
Proviantfuhrwesen
4.000
Summe
19.479
Beim Proviantfuhrwesen hatte man die Rationskarenz hier offenbar sehr großzügig kalkuliert, denn das reguläre Fuhrwesen zählte wohl nur 2.380 Pferde, zu denen aber noch 250 für den Transport der Pontons, 153 für die Artilleriebespannung und 760 Pferde der Landfuhren kamen, was zusammen 3.543 Tiere ergab117. Da für jede dieser 19.479 Rationen 2 Metzen Hafer oder 1 ½ Metzen Gerste, 12 Pfund Heu und 10 Pfund Stroh gefordert wurden, waren für 14 Tage insgesamt 34.089 Scheffel Hafer oder 25.566 Scheffel Gerste nach Dresdner Maß sowie 29.750 Zentner Heu und 2.272 Schock Stroh zu liefern118. Umgerechnet entsprach dies 2.829 Tonnen Hafer, 1.488 Tonnen Heu und 116 Siehe Stadtarchiv Naumburg, Loc. 2001, XV, Nr. 8: Deputations-Acta Derer Stände des Thüringischen Creyßes wie auch derer Stifter Merseburg und Naumburg-Zeitz – Die ausgeschrieben Lieferung der Fourage, Brodt und Mehl wie auch derer Ziegel für die Königl. Preuß. Feld bäckerei betref, Blatt 13 Vorder- und Rückseite. 117 Siehe ebd., Blatt 8 Vorderseite. 118 Siehe ebd., Blatt 41 Vorderseite.
IV.7. Die Verteidigung Schlesiens und Westsachsens493
1.499 Tonnen Stroh. Fast 2 Drittel dieser Lieferung übernahm der Thüringer Kreis119. Zunächst gab man sich damit zufrieden, wenn bis zum 20. September rund 10 % der Fouragemengen und 2.000 Zentner Mehl in Naumburg eintrafen, drohte aber gleichzeitig die unausweichliche Fouragierung an, falls der Tribut ausblieb120. Die Tatsache, dass die Preußen weitestgehend ungehindert Zugriff auf die Ressourcen des Thüringer Kreises hatten, hing unmittelbar damit zusammen, dass sich nicht nur die französische Hilfs-, sondern auch die Reichsarmee in desolatem Zustand befand. Dabei waren es in erster Linie die Streitigkeiten um die Verpflegungs- und Unterbringungsmöglichkeiten in Eisenach, die die Gegner der Preußen paralysierten. So hatten die Franzosen vor den Wirtshäusern, Fleischern und Mehlverkäufern Wachen aufgestellt, die den Ankauf durch nichtfranzösische Soldaten verhinderten. Als Folge dessen entstanden regelrechte Schlägereien, bis man die Gassen bzw. Straßenzüge in Eisenach zwischen den Armeen aufteilte, wobei sich die Franzosen wohl nicht an die Vereinbarungen hielten121. Allerdings hemmten nicht nur diese Reibereien, sondern auch das völlig uneinheitliche Ad-hoc-Verpflegungssystem die Operationen der Reichsarmee. So besaß jedes Kontingent eigene Kommissare und Lieferanten, was dazu führte, dass keine gemeinsamen Magazine angelegt und die Lebensmittelpreise durch den gegenseitigen Konkurrenzkampf in die Höhe getrieben wurden. Außerdem verfügte die Reichsarmee über keine eigenen Bäcker und Backöfen, sodass die Brote oftmals bei den Bauern auf den Dörfern gebacken werden mussten. Daher erhielten die Soldaten durchweg Nahrung von unterschiedlicher Qualität und zu unterschiedlichen Zeiten. Ein Proviantfuhrwesen fehlte ebenso komplett wie die Wagen für die jeweiligen Regimenter. Daher sah man sich gezwungen, für die Transportorganisation gänzlich auf Landfuhren zurückzugreifen, die dann oftmals schlecht bespannt oder mit unnötiger Bagage beladen waren. Insgesamt führte dies dazu, dass man in der Regel weder Brot noch andere Utensilien nachführen konnte, was sich äußerst negativ auf den Gesundheitszustand der Truppen auswirkte122. Dies wurde noch forciert, weil sich die Zelte laut Generalfeldzeugmeister von Fürstenberg in so schlechtem Zustand befanden, dass man damit nicht mehr im September kampieren konnte, was eine beträchtliche Zahl an Kranken zur Folge hatte. Allerdings fehlten den Truppen auch Gewehre, und zwar in einer Größenordnung, dass man die Anzahl der guten Modelle bei der gesamten Reichsarmee auf maximal 6.000 Stück schätzte. Daher war nicht mehr als 1 Drittel der Infanteristen überhaupt angemessen bewaffnet. Viele Soldaten der kurbayrischen Truppen, die zu 2 Dritteln aus Rekruten 119 Siehe
ebd., Blatt 103 Vorder- und Rückseite. Stadtarchiv Naumburg, Loc. 2001, XV, Nr. 8: Deputations-Acta Derer Stände des Thüringischen Creyßes wie auch derer Stifter Merseburg und Naumburg-Zeitz – Die ausgeschrieben Lieferung der Fourage, Brodt und Mehl wie auch derer Ziegel für die Königl. Preuß. Feld bäckerei betref., Blatt 117 Vorderseite. 121 Siehe ebd., Faszikel 94. 122 Zum gesamten Absatz siehe OestHHStA, Ministerialkorrespondenz Widmann-Pergen, Nr. 20, Teil 1, Faszikel 18: Von den Prinz von Hildburghausen über den Gebrauch der Reichsarmee angesezte Puncta, Blatt 140 Vorder- bis 143 Rückseite. 120 Siehe
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IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
bestanden, waren völlig unzureichend ausgebildet, was sich besonders bei den berittenen Einheiten bemerkbar machte123. Aufgrund dieser schlechten Ausrüstungslage versuchte die Reichsarmee erst gar nicht weiter gegen die Preußen vorzurücken, zumal Unterstützung durch die französischen Verbündeten nicht zu erwarten stand, weil deren Zustand mindestens genauso miserabel war: „Die frantzösischen Trouppen so dieses Corps d’Armee ausmachen, sind die elendsten und schlechtesten und liederlichsten Leute, so nur gefunden werden können, schlecht exerciret und noch weit elender mondiret, dabey klein, daß viele das Gewehr zu regiren nicht im Stande sind […]“124.
Als sich die verbündeten Streitkräfte gegen Ende September dann doch in Richtung Friedrichswert bewegten, kam es erneut zu Zerwürfnissen mit den Franzosen, weil sie jene Dörfer ausfouragiert hatten, die eigentlich den Truppen der Reichsarmee zugewiesen worden waren125. Auch der Kommandeur, der Prinz von Hildburghausen, beklagte, dass es bei den Verpflegungsangelegenheiten nach wie vor zu Auseinandersetzungen mit den Franzosen kam, die den Truppen der Reichsarmee u. a. Brot verkauften, um es ihnen danach sofort gewaltsam wieder abzunehmen. Obwohl Hildburghausen sich mit dem Oberbefehlshaber der französischen Hilfsarmee persönlich gut verstand und deswegen auch zögerte offiziell Beschwerden vorzubringen, ließ er seinen Leuten angesichts dieser Ausschreitungen sogar mit dem Einverständnis des Prinzen Rohan de Soubise befehlen, dass sie den impertinenten Franzosen bei derartigen Vorfällen künftig das Bajonett in die Rippen zu stoßen hätten. In jedem Fall sah sich Hildburghausen, der die Stärke der Reichsarmee gerade auf einmal 12.000 Mann Infanterie und 1.800 Kavalleristen angab, außer Stande, den Preußen, die er auf 15.000 Mann schätzte, bei Erfurt entgegenzutreten, zumal die Franzosen ihm zufolge nicht mehr als 15.000 Mann für das Gefecht aufzubieten vermochten. Seine Geringschätzung für die eigenen Truppen ging so weit, dass er sich wünschte, nur 12.000 Preußen zur Verfügung zu haben, mit welchen man es allemal wagen konnte, eine Streitmacht wie die Reichsarmee anzugreifen126. IV.7.4. Die operative Situation und die Versorgungslage im sächsischen Hinterland Die Ausrüstungs- und Verpflegungsprobleme der Verbündeten verschafften der preußischen Armee vor Ort nicht nur die Zeit, ihre eigenen Verpflegungsangelegenheiten zu 123 Zum
gesamten Absatz siehe OestKA, AFA, Nr. 626: Reichsarmee 1757 IX, Faszikel 134. II. HA., Abteilung 15 Magdeburg, CLXXIX, Invasions-Sachen, Nr. 1: Acta wegen der im magdeburgischen wieder den Einbruch der frantzösischen Truppen zu machenden Veranstaltungen, 1757 / 1758, Bd. I, Blatt 84 Vorder- und Rückseite. 125 Siehe OestKA, AFA, Nr. 626: Reichsarmee 1757 IX, Faszikel 94. 126 Zum gesamten Absatz siehe ebd., Faszikel 169. Dieser Faszikel stellt ein umfassendes Memorandum Hildburghausens an den Reichsvizekanzler Graf von Colloredo dar. Die Stärke der französischen Infanterie betrug zum fraglichen Zeitpunkt tatsächlich 18.045 Mann. Vgl. ebd., Faszikel 168. 124 GStAPK,
IV.7. Die Verteidigung Schlesiens und Westsachsens495
organisieren, sondern erlaubten es auch, Kräfte wie das Korps von General Moritz zu Anhalt-Dessau und Prinz Ferdinand von Braunschweig zum Schutz des stark bedrohten Hinterlandes zu entsenden. Der General erhielt den Auftrag, mit 10 Bataillonen Infanterie, 2 Kürassierregimentern und 4 12-Pfündern Torgau zu decken und bei Bedarf auch Einfälle der Österreicher in die Kurmark zu verhindern127, zumal deren Streifkommandos begannen die Elb schifffahrt zu stören. Bereits am 8. September war es ihnen gelungen, 2 Schiffe mit Branntwein bei Meißen zu erbeuten, bevor sie einige Tage später bei Pretsch 5 weitere Schiffe, die mit Hafer und Geschützen beladen waren, ausraubten128. Heikel war die Lage im Hinterland auch deshalb, weil Torgau und Wittenberg neben Dresden mit insgesamt 6.000 Verwundeten das zweit- und drittgrößte Lazarett in Sachsen beherbergten. Anfang September hatte Minister von Borck dem König gemeldet, dass sich in Torgau bisweilen 2.500 Verwundete aufhielten. Dies führte einerseits dazu, dass die Stadt gänzlich überfüllt war, man sie andererseits aber kaum schützen konnte oder sich nicht im Stande sah, Kommandos für die Eintreibung der Fouragelieferungen zu stellen, da sich unter den Verwundeten nur 250 Dienstfähige befanden129. Als Abhilfe hierfür begann man am 10. September ein Lazarett für 2.000 Mann in Leipzig einzurichten, wofür neben einer ausreichenden Menge an medizinischem Personal, d. h. 1 Feldscher pro 50 Verwundeten und 1 Aufwärter pro 25 Verwundeten, auch genügend Verbandsmaterial sowie ein halbes Pfund Fleisch täglich bereitgestellt werden sollten130. In Torgau konnte man schon Anfang September von den 1.500 Verwundeten, die per Schiff ankamen, nur 500 Mann unterbringen, während der Rest zu Wasser weiter nach Wittenberg transportiert wurde131. Dort hatte man zu diesem Zeitpunkt ebenfalls ein neues Lazarett für nicht weniger als 3.000 Mann geschaffen. Zur Unterbringung dienten das Rathaus, das graue Kloster und dessen langes Gebäude sowie das Schloss, das Kommandantenhaus und das Waisenhaus vor dem Schlosstor132. Außerdem waren 50 bis 60 Wagen aufzutreiben, um die 50 bis 60 Schock Stroh für die Verwundeten zu beschaffen, die außerdem noch eine Vielzahl von Geschirr und Decken benötigten, welche nicht zuletzt von den umliegenden Orten Kem127 Siehe LASA, DE, Z44 Abt. Dessau, A 9b VIb, Nr. 4, Bd. V: Correspondenz des Fürsten Moritz mit Friedrich II., Blatt 311–312 Vorderseite. 128 Siehe OestKA, AFA, Nr. 608: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 IX (1–320), Faszikel 213 und Stadtarchiv Torgau, H 2673: Anweisungen an den Superintendenten Grulich 1757 / 1758. 129 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 425 Q: Immediatsberichte des Feldkriegscommissariat Juli–Dezember 1757, Schreiben vom 1. und vom 6. September aus Torgau. 130 Siehe OestKA, Zentralst., Generalkriegskommissariat, Nr. 55 Militärdirectoralia 1757 XI / 141–XII / 330, XI / 203: Schreiben des Feldkriegskommissariats Leipzig am 10. Sept. 1757 (offenbar Beutestück). 131 Siehe Stadtarchiv Torgau, H 2673: Anweisungen an den Superintendenten Grulich 1757 / 1758. 132 Siehe Stadtarchiv Wittenberg, Nr. 1877: Das preuß. Lazarett zu Wittenberg Unterbringung die Versorgung desselben, Blatt 3 Vorderseite.
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berg, Schmiedeberg, Zahna und Gräfenhainichen geliefert werden mussten133. Zusätzlich forderte man für die Verwundeten jeden zweiten Tag 3.000 Pfund Rindfleisch und pro Tag wenigstens 8 bis 10 Klafter Holz134. Angekommen waren vorerst 2.509 Mann, die sich auf 40 preußische Infanterieeinheiten verteilten und schon 1.048 gesunde Soldaten umfassten135. Gerade dieses Potential an erfahrenen Soldaten, das wie der Rest des Lazarettes nach Möglichkeit nicht von den Österreichern gefangen genommen werden durfte, rechtfertigte die Entsendung des Korps unter dem Kommando von Moritz zu Anhalt-Dessau in den Raum Torgau-Wittenberg allemal. Hinzu kam, dass Torgau als zweitgrößter Magazin ort und Sitz des Generalkriegsdirektoriums aus organisatorisch-logistischer Sicht fast noch wichtiger gewesen sein dürfte als Dresden. Das Korps marschierte von Naumburg bis zum 16. September in die Umgebung von Leipzig, wo die Regimenter in Engelsdorf, Mölckau, Sellernhausen, Kohlgärthen, Paunsdorf, Altnaundorf und die Leipziger Vorstadt einquartiert wurden136. Obwohl man in Leipzig laut dem Landessekretär Fiedler schon seit dem 11. September 96.000 Brote für das Korps gebacken hatte137, die die Verpflegung für 8 bis 9 Tage sicherten, wurden schon am nächsten Tag weitere Mengen gefordert. Bei Paunsdorf erging die Ausschreibung, dass pro Tag 12.000 Portionen Brot und 3.806 Rationen Pferdefutter zu liefern waren, was einer Menge von 163 Zentnern Mehl, 482 Scheffeln Hafer, 280 Zentnern Heu und 32 Schock Stroh entsprach138. Das Korps bezog seine Brote zunächst aus Leipzig und dann aus Wurzen und Torgau. Offenbar erleichterte die unmittelbare Präsenz der Truppen beim Durchmarsch auch die Eintreibung der Forderungen, sodass Wurzen vom 18. bis 20. September für die 2 Grenadierbataillone, 3 Infanterieregimenter und 2 Kavallerieregimenter pro Tag 6.787 Portionen lieferte139. In Torgau sollte man seit dem 17. September 16.000 Brote oder einen 7-Tagesvorrat bereitstellen, obwohl die Truppen erst am 20. September eintrafen140. Als es dann so weit war, lagerte die Infanterie größtenteils in den Vorstädten bei Schildau, während man die Kavallerie auf die Dörfer verteilte, sodass in Weidenhain, Wildenhain, Süpitz, Elsnig, 133 Siehe
ebd., Blatt 3 Vorder- und Rückseite. ebd. Blatt 29 Vorder- und Rückseite. 135 Siehe ebd., Blatt 26 Vorderseite. 136 Siehe Stadtarchiv Leipzig, Stadtarchiv Leipzig Tit. LXI 10: Burchhardis Tagebuch oder Nachrichten aus dem Siebenjährigen Krieg, Blatt 27 Vorderseite. 137 Siehe Stadtarchiv Torgau, Nr. H 2673: Anweisungen an den Superintendenten Grulich 1757 / 1758. 138 Siehe LASA, DE, Z44 Abt. Dessau, A 9b VIb, Nr. 4, Bd. V: Correspondenz des Fürsten Moritz mit Friedrich II., Blatt 218 Vorderseite. 139 Siehe Staatsarchiv Leipzig, Stadt Wurzen, Nr. 1305: Acta Liquidationis über den Betrag aller seit der zu Ende des Monats Augusti 1756 erfolgten Einrückung der königl. Preuß. Armee bei der Stadt Wurzen erlitten Schäden und Unkosten und Stadt Wurzen, Nr. 1315: Berechnung der in den Siebenjährigen Krieg Preußischerseits ausgeschriebenen und gelieferten Fourage. 140 Siehe Stadtarchiv Torgau, H 2673: Anweisungen an den Superintendenten Grulich 1757 / 1758. 134 Siehe
IV.7. Die Verteidigung Schlesiens und Westsachsens497
Mockritz und Döbern jedes Gut 50 Mann zur Einquartierung erhielt141. Während am 24. September eine große Ochsenmenge eintraf und die Truppenverpflegung gewährleistet war, ließ der preußische General seine Truppen am nächsten Tag in den Dörfern fouragieren, weil die geforderten Fouragelieferungen des Kurkreises noch immer nicht eingetroffen waren142. Laut den Ausschreibungen vom 14., 16. und 26. September beliefen sich diese auf der rechten Elbseite auf 7.500 Scheffel Hafer, 4.364 Zentner Heu und 500 Schock Stroh, die innerhalb von 8 Tagen nach Torgau oder Wittenberg zu liefern waren143. Die Dörfer links der Elbe sollten neben 200 Wispeln Mehl, je zu 24 Scheffeln und 150 Pfund, noch 20.000 Scheffel Hafer, 11.627 Zentner Heu und 1.334 Schock Stroh nach Leipzig liefern144. Währenddessen hatte der Leipziger Kreis gemäß den Ausschreibungen vom 19. und 21. September bis zum 4. Oktober ebenfalls 200 Wispel Mehl sowie 91.152 Scheffel Hafer nach Dresdner Maß, 66.293 Zentner Heu und 6.077 Schock Stroh zum Häcksel sowie 473 Schock Lagerstroh zu liefern145. Zusammen erwarteten die Preußen aus beiden Kreisen umgerechnet 800 Tonnen Mehl, 10.588 Tonnen Hartfutter, 4.112 Tonnen Heu und 4.446 Tonnen Stroh, wobei 10 % der Fourage nach Torgau und Wittenberg gestellt werden konnten, während der Rest und alle Mehlanteile nach Leipzig zu bringen waren. Wenn die Mengen eintrafen, dann war die Streitmacht in Westsachsen über 1 Monat mit Brot und bis zu 3 Monate mit Fourage versorgt. Neben den immensen Forderungen, die man dem Thüringer Kreis abverlangte, war es den Preußen bei Erfurt angeblich gelungen, auch noch 24.000 Zentner, sprich 1.464 Tonnen, abzufangen, die eigentlich für die Reichsarmee bestimmt waren146. Wenn dies den Tatsachen entsprach und vorerst nur 1 Drittel der von den Kreisen geforderten Mengen eintraf, dann war die Verpflegung aller preußischen Soldaten in Westsachsen, selbst ohne die bisherige Mehlreserve in Leipzig, insgesamt für über 1 Monat gesichert, d. h. bis 21. oder 22. Oktober. IV.7.5. Die Lage in den Fürstentümern Magdeburg und Halberstadt Deutlich schwieriger stellte sich die Lage für Herzog Ferdinand von Braunschweig dar, dem die Aufgabe zufiel, den Schutz des Raumes Halberstadt-Magdeburg zu übernehmen, 141 Siehe
ebd. ebd. 143 Siehe Stadtarchiv Wittenberg, Nr. 1899: Die nach Leipzig ausgeschriebene Fourage Lieferung betreffend, Blatt 6 Rück- und 7 Vorderseite. 144 Siehe ebd. 145 Siehe 10025 Geheimes Konsilium, Loc. 6482, Nr. 3: Acta Leipziger Creyß bey der Mense Sept. 1757 erfolgten Einrückung der königl. Preußischen Armee in und bey Döbeln und Marchierung über Grimma, Rötha, Pegau und Naumburg und weiter nach Erfurt, theils durch auferlegte unerschwingliche Lieferungen und Ausfouragierungen […], Blatt 13 Vorderseite und Blatt 26 Vorderseite. 146 Siehe LASA, DE, Z44 Abt. Dessau, A 9b VIb, Nr. 10, Bd. V (Verschiedene Militaria aus des Fürsten Moritz von Anhalt in preußigen Jaare 1757), Blatt 230 Vorderseite. 142 Siehe
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IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
von wo seit Ende August neben Halle über den Anmarsch der Franzosen berichtet wurde. Laut dem Landrat von Werthern aus Hohenstein hatten die Franzosen in den Grafschaften Hohnstein, Wernigerode und Derenburg die Untertanen mit Schlägen drangsaliert und 125.000 Säcke Roggen und Weizen, 150.000 Zentner Heu und 2.000.000 Rationen Hafer inklusive Vorspann gefordert147, was nicht weniger als 12.750 Tonnen Weizen und Roggen, 7.500 Tonnen Heu und 7.000 Tonnen Hafer entsprach. Angesichts dieser enormen Belastungen hatten der magdeburgische Regierungspräsident Voß und Kammerpräsident Blumenthal am 3. und 4. September nachdrücklich um militärische Unterstützung ersucht. Auf lokaler Ebene traf man offensichtlich Vorsichtsmaßnahmen für den Fall, dass diese sich verzögerte oder möglicherweise ganz ausblieb. So ließ der Magistrat von Schönebeck die stärksten Pferde, das Rindvieh und auch die kriegstüchtigen jungen Leute nicht nur nach Magdeburg, sondern sogar auf die andere Elbseite in Sicherheit bringen148. Damit handelte er genauso, wie der König es Herzog Ferdinand in seiner Eigenschaft als Gouverneur Magdeburgs empfohlen hatte149. Welche Gefahr in strategischer Hinsicht von der Annäherung an die Elbe ausging, hatte König Friedrich schon im Juni klar erkannt, als er konstatierte: „[W]o die Frantzosen gegen Magdeburg kommen ist es vorbey“150. Die dringend benötigten Verstärkungen unter Ferdinand von Braunschweig brachen jedoch erst am 14. September aus dem Lager bei Eckartsberga auf. Sie erreichten am selben Tag Freyburg an der Unstrut, am übernächsten Tag Querfurt und am 16. September Eisleben, wo der Herzog mit den Truppen rastete und eine umfassende Einschätzung der Lage vornahm151. Den Kern des kleinen Verbandes bildeten 6 Bataillone mit 4.115 Infanteristen und 2 Kavallerieregimenter inklusive 1.583 Reitern sowie 1.782 Pferden152. Laut Ferdinand konzentrierte sich der Großteil der französischen Truppen bei Osterwick, wo sich auch das Hauptquartier und ein Magazin befanden, während das Fischer’sche Korps mit seinen 1.800 Mann, bestehend aus Husaren, Grenadieren und Jägern, bei Straßfurt, Dittfort und Aschersleben herumstreifte, um Fourage und Brotgetreide einzutreiben153. Am nächsten Tag gelang es Oberstleutnant von Horn, der mit 1.000 Husaren, 200 Kavalleristen und 700 Mann Infanterie vorausgeeilt war, die Franzosen bei Egeln zu überfallen, wobei ca. 400 Mann gefangen genommen wurden, während die Preußen nur
147 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 87 H3: Invasionen der Franzosen, Oesterreicher und Russen, Blatt 14 Vorderseite. 148 Siehe Stadtarchiv Schönebeck, Große Saltze, III D, Nr. 7: Acta den March und Durchmarch der Regimenter in die Campagne, und was dieserhalb und währender derselben ergangen Betreffung, Schreiben vom 6. Sept. 1757. 149 Siehe Friedrich II., Instruction für des Prinzen Ferdinand von Braunschweig Liebden, als Gouverneur der Festung Magdeburg, Potsdam, den 1. November 1755. 150 LASA, DE, Z44 Abt. Dessau, A 9b VIb, Nr. 4, Bd. V: Correspondenz des Fürsten Moritz mit Friedrich II., Blatt 124 Vorderseite. 151 Siehe Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 4: 1757, Teil 3, Seite 28. 152 Siehe LASA, MD, Rep. A 13 Bistum und Fürstenthum Halberstadt, Nr. 697: Das Anrücken der Königlich Preußischen Armee, Blatt 10 und 11 jeweils Vorderseite. 153 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 100 T: Immediatsberichte Ferdinands von Braunschweig 1757, Schreiben vom 17. September aus Eisleben.
IV.7. Die Verteidigung Schlesiens und Westsachsens499
2 Verwundete zu beklagen hatten154. In der Nacht vom 19. zum 20. September konnte Herzog Ferdinand schon vermelden Halberstadt und Quedlinburg besetzt zu haben, wobei er fürchtete, dass neben den 6.000 Mann, die sich angeblich beiden Ortschaften näherten, die ganze Armee des Herzogs von Richelieu ins Halberstädtische einrücken würde155. Offenbar hatte Kammerpräsident von Blumenthal auch deswegen im Holzkreis viele Wagen nach Magdeburg in Sicherheit bringen lassen, um dem Gegner so die Transportmittel für zukünftige Proviant- und Fouragetransporte nach Braunschweig zu entziehen156. Die folgende Karte zeigt die Kräfteverhältnisse im westlichen Operationsraum und welche Bedrohung für die Elbe als wichtigster Nachschubroute von den französischen Armeen und der Ausdehnung ihrer Vorhut ausging:
Abbildung 50: Operative Situation auf dem westlichen Kriegsschauplatz Ende August / September 1757157 154 Siehe 155 Siehe
ebd., Schreiben vom 18. Sept. aus Arnstedt. ebd., Schreiben vom 19 aus Dittfurt dichte bei Quedlinburg zwischen 12 und 1 Uhr
nachts. 156 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 96, Nr. 81 Hh: Nachrichten der Magdeburgischen Cammer 1756 / 1757, Schreiben vom 19. September 1757. 157 Karte adaptiert nach Duffy, Christopher, Friedrich der Große. Ein Soldatenleben, quasi Seite 512.
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IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
Unterdessen erhielt das Korps unter Herzog Ferdinand von Braunschweig Verstärkung durch das Regiment von Salmuth und ein Bataillon des Regiments von Jungkern, die in Grüningen und Schwanebeck Quartier bezogen158. Die Einheiten gehörten zur ehemaligen preußischen Brigade, die sich im Umfang von 6 Bataillonen noch bis Ende Juli bei der alliierten Observationsarmee befunden hatte und nach der Schlacht von Hastenbeck zurück nach Magdeburg marschiert war. Da das Regiment Jungkern hierbei stark unter Desertion gelitten hatte, konnte man nicht die ganze Einheit zur Unterstützung entsenden159. Andere Verstärkungen standen für die Feldtruppen vorerst nicht zur Verfügung, weil das Regiment des Erbprinzen von Kassel wegen der noch zu bekleidenden und zu bewaffnenden Rekruten ebenfalls nicht einsatzbereit war160. Allerdings umfasste die Magdeburger Besatzung nach den Schätzungen der Franzosen neben den 3 Regimentern der ehemaligen alliierten Observationsarmee zu je 1.200 Mann 2.000 Invaliden, 1 übernommenes sächsisches Regiment sowie 10.000 ausgehobene, aber noch ungeübte und unbekleidete Rekruten161, also eine stattliche Reserve von über 15.000 Mann, selbst wenn Großteile nur zur Verteidigung eingesetzt werden konnten. Laut durchreisenden Zivilpersonen waren viele Häuser mit Soldaten belegt, die auch auf den Plätzen und Wällen lagerten und angeblich eher bereit waren, demnächst mit der preußischen Armee zu kämpfen, als sich in ihren eigenen Wänden von den Franzosen die Dächer über dem Kopf abbrennen zu lassen162. Während die Anzahl der Truppen in Magdeburg, vor allem aber ihre positive Einstellung zum Kampf verhaltenen Anlass zum Optimismus gaben, fiel es Herzog Ferdinand von Braunschweig in den folgenden Tagen, d. h. am 20. und 22. September, schwer, sich überhaupt ein Bild von der Stärke der gegnerischen Kräfte im Fürstentum Halberstadt zu verschaffen. Er schätzte die Streitmacht bei Osterwick zunächst auf rund 12.000 Mann163. Ein direkter Angriff auf diese kam laut Ferdinand jedoch keineswegs in Frage, „[…] da mein Plan bisher gewesen, das Land von Lieferungen zu befreyen, des Feindes detachierte Partheyen zu schlagen, und aufzuheben, und mich als ein ehrloser Mann zu wehren“164.
Bei Osterwick fand man auch gar keine Truppen vor und konnte daher in den nächsten Tagen die Reste des Magazins abführen. Allerdings hatte er in Erfahrung gebracht, dass die Franzosen in 2 Lagern bei Achem und Hornburg an der Grenze des Fürstentums Halberstadt sogar 25.560 Mann versammelt hatten165.
Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 4: 1757, Teil 3, Seite 29. GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 89 M1: Generalleutnant Ernst August de la Motte 1756–1758, Blatt 81 Vorderseite und 126 Vorderseite. 160 Siehe ebd., Blatt 81 Vorderseite und 126 Vorderseite. 161 Siehe OestKA, AFA, Nr. 629: Siebenjähriger Krieg 1757, Reichsarmee XIII, Französische Armee, Faszikel 53. 162 Siehe OestKA, AFA, Nr. 626: Siebenjähriger Krieg 1757, Reichsarmee IX, Faszikel 5a. 163 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 100 T: Immediatsberichte Ferdinands von Braunschweig 1757, Schreiben vom 20. und 22. Sept aus Halberstadt. 164 Ebd., Schreiben am 24. September 1757 aus Zilly. 165 Siehe ebd., Schreiben am 26. Sept. 1757 aus Halberstadt. 158 Siehe 159 Siehe
IV.7. Die Verteidigung Schlesiens und Westsachsens501
Darüber hinaus erhielt man weitere Hiobsbotschaften, wonach die Franzosen auch von der Altmark und der Prignitz Geld- und Fouragelieferungen forderten, welche sich offenbar in einer Größenordnung von je 1.000 Säcken Weizen, Roggen und Gerste, sprich je 100 Tonnen, bewegten, zu denen dann angeblich noch 1.000.000 Pferderationen kamen, die u. a. 15 Pfund Heu und 5 Pfund Stroh umfassten166. Dies hätte bedeutet, dass allein an Raufutter 10.000 Tonnen geliefert werden mussten. Der Herzog empfahl daher, 2 Bataillone der Landmiliz sowie einige sich remontierende Dragoner des Regiments von Meinicke zu entsenden, um den Streifereien auf diese Weise Einhalt zu gebieten167. Dies war wohl dringend erforderlich, denn zwischenzeitlich hatten Teile des Pollertzky’schen Husarenregiments die Elbe überschritten und bei Stavenow Quartier bezogen. Der Landesdirektor Grevenitz und altmärkische Landrat von Bülow wurden als Geiseln nach Zelle abgeführt und vom Gut Wolfshagen wurden 300 Säcke Roggen und 200 Säcke Hafer gefordert, sodass der Landrat der Prignitz Heinrich Adam Erdmann von Rohr den Untergang des Landes heraufziehen sah168. 2 Wochen später, als die Bedrohung noch immer nicht vorüber war, mussten sich die Prignitzer selber behelfen, indem sie die Fähren bei Lenzen und Schnackenburg auf die rechte Uferseite hinüberzogen und zusätzlich die beurlaubten Förster und Reiter des Kreises als Wachen an den Deichen aufstellten, um so den übrigen 600 französischen Husaren unter General Pollertzky in Uelzen die Elbüberquerung zu erschweren169. Wesentlich prekärer stellte sich zunächst noch die Lage bei Magdeburg dar, denn die französischen Truppen, von denen sich um Braunschweig insgesamt 42.920 Mann konzentrierten, rückten nun zu großen Teilen in das Fürstentum Halberstadt ein und besetzten die Ortschaften Gruningen, Heimersleben, Warschleben und Egeln. Ferdinand selbst zog sich deswegen am 28. September bis nach Wansleben zurück, wo er nun doch aus Magdeburg Verstärkungen für die geschwächten Regimenter von Hülsen und Anhalt in Gestalt von Rekruten erhielt, die zwar noch auszubilden waren, aber einen wesentlichen Zuwachs darstellten, zumal das Regiment Anhalt wieder 3 Bataillone formierte und somit über 2.000 Mann stark gewesen sein dürfte. Zusätzlich ergab sich die Gelegenheit, die kranken und maroden Pferde der Kürassierregimenter auszuwechseln, die man gegen die Landpferde austauschte, wobei den Eigentümern wegen des geringeren Wertes eine Ausgleichszahlung erstattet wurde. Zur Unterstützung der Truppenverpflegung legte man in Magdeburg noch 6 weitere Backöfen an, wodurch die Gesamtanzahl der für die Garnison bestimmten Öfen wohl auf 10 Stück stieg, da man schon im August 4 Öfen zusätzlich errichtet hatte170. Insgesamt ließen sich damit problemlos die Brotportionen für 27.000–30.000 Mann herstellen. 166 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 100 T: Immediatsberichte Ferdinands von Braunschweig 1757, Schreiben aus Zelle am 4. Okt. 167 Vgl. ebd., Schreiben vom 27. September 1757 aus Wansleben. 168 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 87 H3: Invasionen der Franzosen, Oesterreicher und Russen, Blatt 14 Vorderseite. 169 Siehe LASA, DE, Z44 Abt. Dessau, A9b VIa, Nr. 77: Correspondenz des Fürsten Moritz mit Behörden Magistraten, Landräthen und anderen Beamten meist milit. Inhalts 1745 / 57, Blatt 109 Rück- und 110 Vorderseite.
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IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
Herzog Ferdinand machte sich aber beträchtliche Sorgen um die Verteidigungsmöglichkeiten Magdeburgs im Falle einer Belagerung. König Friedrich hatte in seinen In struktionen für den Gouverneur angedeutet, dass 80.000 Mann zur Einschließung erforderlich seien und ein Entsatz wegen der Weitläufigkeit der Befestigungswerke171 nicht schwierig sei, wenn die Festungsstadt ausreichend mit Lebensmitteln versehen war und lange Zeit durchhielt172. Zu diesem Zweck hatten die Magdeburger schon seit geraumer Zeit ganz enorme Mengen mit ihren Schiffen aus Hamburg herangeführt. Insgesamt trafen 1757 53 Schuten, 21 Gellen, 37 Quacken und 87 Kähne ein, wobei die Schuten und Quacken überwiegend aus Magdeburg stammten, während sich die meisten Kähne und ein beträchtlicher Anteil der Gellen auf Tangermünde verteilten173. Unter den eingeführten Waren befanden sich u. a. 182 damalige Tonnen Käse, 138 damalige Tonnen Butter, 541 Zentner Klippfisch und 7.058 Zentner Reis, die dezidiert für den Belagerungsfall vorgesehen waren174. Der Großteil der eingeführten Güter scheint aber ohnehin in Magdeburg verblieben zu sein. Lediglich von den Flachfischen und vom Sirup wurden mit 1.112 bzw. 8.867 Zentner größere Mengen Richtung Dresden verschifft175. Es war in der Stadt wohl auch genügend Korn vorhanden, jedoch stand zu befürchten, dass dieses im Rahmen einer Belagerung durch die Bombardierungen in Brand geraten könnte oder durch eine Sperrung der Elbe nicht mehr zu vermahlen war, weil es außer den Schiffsmühlen nur 1 Pferdemühle in der Stadt gab176. Erschwerend kam hinzu, dass nur wenige Artillerieoffiziere, zu wenige Geschütze und nicht mehr als 6.000 Zentner Pulver vorhanden waren177, sodass man einem eventuellen Angriff durchaus sorgenvoll entgegensah.
170 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 100 T: Immediatsberichte Ferdinands von Braunschweig 1757, Schreiben vom 29. September 1757 und ebd., Abteilung 34, Gen-Rep. II, Nr. 218: Acta und Rechnung von Anlegung und Erweiterung einer Commiss-Bäckerey zu Magdeburg de Anno 1757 / 1760. 171 Sehr schöne Modellabbildungen und Übersichten zum Umfang der Magdeburger Befestigungswerke finden sich in: Asmus, Helmut, 1200 Jahre Magdeburg, Bd. 2, Seite 146–151. Eine sehr gute Karte ist auch enthalten in: Mai, Bernard, Das befestigte Magdeburg, Seite 499. 172 Vgl. Friedrich II., Instruction für des Prinzen Ferdinand von Braunschweig Liebden, als Gouverneur der Festung Magdeburg, Potsdam, den 1. November 1755. 173 Siehe GStAPK, II. HA, Abt. 15 Magdeburg, CLXXXI Manufaktur- und Commerciensachen, Nr. 4: Acta die Balance von denen in Magdeburg zu Wasser und Lande eingegangenen fremden und eigenen Waaren, 1757, 1758, 1759, Bd. II, Nr. 5: Specification aller zu Magdeburg in Anno 1757 von Hamburg beladen gekommenen, auch von da dorthin beladenden abgegangenen Schiffsgefäße (quasi Teil 1). Specification derer sämtlichen einländischen Schiffsgefäße so an hiesigen Quai zu Magdeburg in anno 1757 von Hamburg beschifft angekommen. 174 Siehe ebd., Bd. II, No. 1: Balance der Kaufmannsgüter auf dem Magdeburgischen Kaufhof von 1te Januar bis ultimo December 1757 […] die Elbe aufwärts angekommen. 175 Siehe ebd., Bd. II: Balance wie viel Kaufmannsgüther für Anno 1757 gegen voriges Jahr Anno 1756 mit sächsischen Schiffen und zu Wasser nach Dreßden abgegangen. 176 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 100 T: Immediatsberichte Ferdinands von Braunschweig 1757, frz. Schreiben vom 1. Oktober aus Wansleben. 177 Siehe ebd.
IV.7. Die Verteidigung Schlesiens und Westsachsens503
Allerdings wurde dieser nun immer unwahrscheinlicher, weil der Herzog von Richelieu Anfang Oktober 20 Bataillone und 18 Eskadrons an die Armee unter dem Herzog Rohan de Soubise entsenden musste178, was nach der Sollstärke knapp 14.000 Mann Infanterie und rund 2.000 Berittenen entsprach179. Für ihre Verpflegung sollten aus dem Amt Sangerhausen nach Nordhausen je 1.500 Säcke Weizen und Roggen zu je 204 Pfund sowie 40.000 Rationen Pferdefutter geliefert werden, wobei der Hartfutteranteil besonders hoch war180. Darüber hinaus benötigten die französischen Einheiten offensichtlich aber auch eine enorme Menge an Vorspannwagen181. Der Herzog von Hildburghausen beklagte einige Tage später, dass diese Truppen keine Proviantwagen, keine Munition und oftmals keine Schuhe besaßen, sodass man meinen könne, der Herzog von Richelieu habe sie ausgesucht, um nicht eingesetzt zu werden182. Tatsächlich räumte dieser auch ein, dass er der Reichsarmee lieber 50 statt nur 20 Bataillone geschickt hätte183. Auch Herzog Ferdinand meldete am 10. Oktober, dass sich die französischen Truppen schon nach Winterquartieren im Halberstädtischen umsahen, sodass eine Belagerung Magdeburgs unwahrscheinlicher wurde, obgleich man sich dessen nicht sicher sein konnte, da immer noch schwere Geschütze eintrafen. 2 Tage später gelangte er jedoch zu der Ansicht, dass die Franzosen angesichts der rauen Witterung und der wenigen Magazine nicht mehr im Stande sein dürften, diese durchzuführen. Vor dem Hintergrund der prekären Gesamtlage erhielt er jedoch von König Friedrich den Auftrag, mit dem Herzog von Richelieu Geheimverhandlungen anzustoßen, die eine vorübergehende Neutralität der französischen Truppen zum Gegenstand haben sollten184. Der Vorschlag, der wohl maßgeblich auf den halberstädtischen Kammerdirektor von Dietrich zurückging, lief darauf hinaus, dass von den Franzosen nicht mehr als die Abteilung des Obersts Fischer im Fürstentum Halberstadt verblieb und für 7 Bataillone die Kosten in den Winterquartieren übernommen wurden. Vor allem boten die Preußen an, bis Anfang April 125.000 Säcke Korn zu liefern und bis Ende April noch einmal 30.000 Säcke Weizen und 20.000 Säcke Roggen nach Braunschweig und Wolfenbüttel zu fah178 Zur genauen Zusammensetzung dieses Verbandes siehe OestKA, AFA, Nr. 627: Siebenjähriger Krieg 1757, Reichsarmee X, Faszikel 56 ad a. 179 Zu den Sollstärken der französischen Truppen siehe OestKA, AFA, Nr. 629: Siebenjähriger Krieg 1757, Reichsarmee XIII und französische Armee 1757, Faszikel ad 1. 180 Siehe SächsHStA-DD, 10025 Geheimes Konsilium, Loc. 6218, Nr. 76: Eingekommene Nachrichten von dem Anmarche Frantzösischer Trouppen zur Befreyung des Churfürstentums Sachsen Anno 1757 – Item Die starcke Lieferungen vor selbige, Blatt 50 Vorderseite. Falls es sich wirklich um 2 Drittel eines Dresdener Scheffels handelte, dann hätten die Franzosen allein 2.213 Tonnen an Hartfutter gefordert. 181 Siehe OestKA, AFA, Nr. 627: Siebenjähriger Krieg 1757, Reichsarmee X, Faszikel 77. 182 Siehe ebd., Faszikel 145. 183 Siehe Correspondance particulière et historique du maréchal duc de Richelieu en 1756, 1757 et 1758, avec M. Paris du Verney, Bd. 1, Seite 244. 184 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 100 T: Immediatsberichte Ferdinands von Braunschweig 1757, Schreiben vom 16. Oktober aus Wansleben.
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IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
ren, was insgesamt wohl über 17.500 Tonnen an Brotgetreide entsprach. Darüber hinaus sollten 700.000 Rationen Pferdefutter geliefert werden, in Naturalien wären dies nach dem französischen Rationssatz 2.380 Tonnen Hafer, 6.300 Tonnen Heu und 4.900 Tonnen Stroh gewesen. Um den Transport zu ermöglichen, forderte man die Franzosen auf, sämtliche Wagen, die sie aus dem Fürstentum Halberstadt und dem Herzogtum Magdeburg entwendet hatten, zurückgeben. Außerdem verlangte man den Neutralitätsstatus nicht nur für diese beiden Westprovinzen, sondern auch für die Altmark, die Prignitz und die Uckermark, zumal diese Teile der Kurmark ebenfalls einen Beitrag zu den Lieferungen leisten würden185. So war Ferdinand schon im Begriff, nach Berlin aufzubrechen, als Kammerpräsident Dietrich ihm am 23. Oktober mitteilte, dass die Ratifikation der Neutralitätskonvention von französischer Seite zwar noch nicht erfolgt sei, laut dem Herzog von Richelieu aber in Kürze damit zu rechnen war186. Die Franzosen gingen wohl auf das Angebot ein, weil sie dadurch ihre Armee weiter im Feld unterhalten, d. h. in erster Linie verpflegen konnten und zumindest die Aussicht auf eine erfolgreiche Gestaltung der zukünftigen Operationen gewahrt sahen187. Durch diese diplomatische Initiative bahnte sich für die kritische Gesamtlage in den westlichen Provinzen des preußischen Kernlandes eine erstaunlich elegante Lösung an. Mehr noch, Herzog Ferdinand sollte nun sogar mit verstärkten Infanterie- und Kavallerieregimentern wieder nach Sachsen zurückkehren. Dennoch war es durchaus problematisch, dass bei seinem Abmarsch die offizielle Ratifikation der Konvention, die König Friedrich eigentlich zur Bedingung seines Abrückens gemacht hatte188, seitens der Franzosen immer noch ausstand. Ferdinand glaubte die positive Bereitschaft hierzu aber aus dem umfassenden Abzug der französischen Truppen in die Winterquartiere herleiten zu können189. Wahrscheinlich konnte er es überhaupt auch nur deshalb verantworten, die bedrohte Provinz und Festungsstadt zurückzulassen. In jedem Fall schien man sich allein durch die Diskussion der Neutralitätskonvention im gegnerischen Lager genügend Zeit verschaffen zu können, um die Truppen vorübergehend in Westsachsen oder Thüringen einzusetzen und dadurch die angespannte Lage in Thüringen und Nordwestsachsen schrittweise zu verändern. Es kam zwar ab dem 10. November noch einmal zu erneuten Streifzügen der Franzosen im Halberstädtischen, sie konnten aber nach der Niederlage der verbündeten Armeen durch die dann frei gewordenen Kräfte der Preußen abermals schnell eingedämmt werden190. Um nun diese Lageänderung in Nordwestsachsen herbei185 Zum gesamten Absatz siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 100 T: Immediatsberichte Ferdinands von Braunschweig 1757, A Halberstadt le 17eme Octobre. 186 Siehe ebd., Schreiben aus Magdeburg am 23. Oktober 1757. 187 Siehe SHD Vincennes, M1 Mémoires et Reconnaissances, Nr. 230: Mémoires Historiques [de Vivres d’Allemagne de 1757 à 1762], Blatt 195 Rück- und 196 Vorderseite. 188 Siehe Friedrich II., Politische Correspondenz, Bd. 15, Nr. 9413. 189 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 100 T: Immediatsberichte Ferdinands von Braunschweig 1757, Schreiben aus Magdeburg am 23. Oktober nachmittags um 2 Uhr. 190 Siehe Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 4: 1757, Teil 3, Seite 208 f.
IV.7. Die Verteidigung Schlesiens und Westsachsens505
zuführen, zog Herzog Ferdinand am 24. November mit seinen Truppen in Richtung Leipzig und hoffte, in 2 Tagen bei Halle einzutreffen191. IV.7.6. Die Lageentwicklung in Thüringen und im preußischen Hinterland Währenddessen hatte sich die Lage im thüringischen Raum bis Mitte Oktober nur wenig geändert. Die französische Hilfsarmee umfasste allerdings höchstens 20.600 Mann, da schon die Infanterie Ende September nicht mehr als 18.000 Soldaten zählte192 und nur noch durch die 22 Eskadrons ergänzt wurden, die selbst nach der Sollstärke nicht mehr als 120 Mann betrugen. Durch das Eintreffen der 20 Bataillone und 18 Eskadrons von der französischen Hauptarmee unter dem Herzog von Broglie erhöhte sich nun die Anzahl theoretisch auf knapp 37.000 Soldaten. Inklusive 24.000 Mann der Reichsarmee193 hatte sich die Gesamtanzahl der Truppen von rund 53.000 Mann kaum erhöht. Etwas problematisch gestaltete sich jedoch der Zuwachs der 2.400 französischen Kavalleristen, zumal die Reichsarmee, die täglich u. a. 34.000 Pfund oder 170 Tonnen Heu benötigte, schon einen Mangel an Pferdefutter zu verzeichnen hatte. Zurückzuführen war dies nicht nur auf die Fouragierungen und Plünderungen der Franzosen, die dadurch die Landesbewohner gänzlich gegen sich aufbrachten und die Ressourcenknappheit weiter verschärften, sondern vor allem auf ihren immensen Heukonsum, da sie pro Tag wohl 12.000 Rationen zu 18 Pfund Heu verbrauchten und damit mehr als die Reichsarmee, obwohl deren Kavallerie zahlreicher war. Baron von Grechtler, der nun inzwischen bei der Reichsarmee weilte, versuchte die Verpflegungsangelegenheiten neu zu ordnen, musste aber feststellen, dass die Franzosen überall die Beschaffungsquellen ruinierten und schon anfingen Vorräte für den Winter zu horten. In Anbetracht dessen beklagten Generäle der Reichsarmee auch den massiven Mangel an gegenseitigem Vertrauen. Allerdings ließ auch der Zustand der Reichsarmee zu wünschen übrig, weil die Gewehre nach wie vor schlecht, die Rekruten ungeübt und die Geschütze gar nicht oder nur mit ausgemusterten Dragonerpferden bespannt waren, weil die Kommandeure nicht die Vollmacht besaßen, um aus ihren Heimatregionen angemessenen Ersatz anzufordern194. Den Preußen, die nach der Rückkehr des Korps unter Moritz zu Anhalt-Dessau Anfang Oktober wieder um die 22.000 Mann vor Ort gezählt haben dürften, ging es vergleichsweise gut. Sie hatten beträchtliche Brotmengen in Naumburg herstellen und auf die umliegenden Dörfer weitere Lieferungen ausschreiben lassen. Ein einzelnes Dorf wie Possenheim entrichtete am 13. Oktober 150 Scheffel Hafer und 600 Bund Stroh zu 191 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 100 T: Immediatsberichte Ferdinands von Braunschweig 1757, Schreiben aus Möckern am 24. zwischen 5 und 6 Uhr abends. 192 Siehe OestKA, AFA, Nr. 626: Reichsarmee 1757 IX, Faszikel 86. 193 Siehe OestKA, AFA, Nr. 627: Siebenjähriger Krieg 1757, Reichsarmee X, Faszikel 28a. 194 Zum gesamten Absatz vgl. ebd., Faszikel 28a.
506
IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
10 Pfund195. Von den 49 Dörfern bei Naumburg und Weißenfels wurden insgesamt ca. 15 ½ Tonnen Mehl, 228 Tonnen Hafer und 112 Zentner Heu gefordert196. Allerdings reichte dies für die oben erwähnte Anzahl an Soldaten nicht länger als 1 Tag und für die 17.500 verbliebenen Pferde nicht länger als 2 Tage, was wegen der zu erwartenden Lieferungen aber kein Problem war197. Als die Reichsarmee nun Anfang Oktober begann auf Erfurt vorzurücken, ließen sich die Preußen in Richtung Naumburg zurückfallen. Registriert wurde dies auch von Generalmajor von Laudon, der sich in Zeitz aufhielt, aber inzwischen nur noch über 664 Infanteristen und 360 Husaren verfügte198, weil die kroatischen Einheiten seit Ende September nach Hause entlassen wurden199. Zur Unterstützung seiner Truppen hatte König Friedrich das Korps des Generals von Anhalt-Dessau wieder in Richtung Naumburg beordert, wo es nach einem Rasttag bei Leipzig dann auch am 6. Oktober eingetroffen war200. Die Einheiten des Verbandes befanden sich zu diesem Zeitpunkt in keinem guten Zustand, obwohl die Verpflegungslage bei Torgau günstig gewesen sein dürfte. Wie die folgende Tabelle zeigt, war vor allem die Anzahl der Kranken und Verwundeten hoch: Tabelle 78 Stärke der preußischen Infanterie unter Moritz zu Anhalt-Dessau am 7. Oktober1757201 Einheit und Name
Soll-Stand
Kranke
Verwundete
Kriegs gefangene
Manquierend
Ist-Stand
Mann
Mann
Mann
Mann
Mann
Mann
Billerbeck
755
124
36
14
556
Ramin
754
107
99
33
29
561
Wedell
754
94
30
38
55
527
Finck
755
78
156
45
457
Grenadierbataillone
195 Siehe Stadtarchiv Naumburg, Loc. 2001, XV, Nr. 13: Die Einrückung […] der Preußen […] in hiesige Stadt, Blatt 249 Vorderseite. 196 Siehe ebd., Blatt 210 Rückseite bis 212 Vorderseite. 197 Siehe Ende Abschnitt IV.7.4: Die operative Situation und die Versorgungslage im sächsischen Hinterland. 198 Siehe OestKA, AFA, Nr. 610: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 X (1–400), Faszikel 10 und 324. 199 Siehe OestKA, AFA, Nr. 609: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 IX (321–Ende), Faszikel 345. 200 Siehe Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 4: 1757, Teil 3, Seite 15. 201 Zu sämtlichen Werten in der Tabelle siehe LASA, DE, Z44 Abt. Dessau, A 9b VIb, Nr. 10, Bd. V (Verschiedene Militaria aus des Fürsten Moritz von Anhalt in preußigen Jaare 1757), Blatt 47 Vorderseite.
IV.7. Die Verteidigung Schlesiens und Westsachsens507 Einheit und Name
Soll-Stand
Kranke
Verwundete
Kriegs gefangene
Manquierend
Ist-Stand
Mann
Mann
Mann
Mann
Mann
Mann
3.018
403
294
71
143
2.101
v. Winterfeldt
1.808
146
131
90
533
904
v. Meyerinck
1.808
224
40
5
154
1.327
v. Kleist
1.808
329
76
102
1 Btl. v. Goltz
904
232
24
52
3
607
Gesamtsumme
9.371
1.334
592
320
833
6.192
Summe Gren.btl. Infanterieregimenter
1.253
Ferner war für den geringen Ist-Stand vor allem Anteil der Manquierenden verantwortlich. Davon entfielen allein 533 Soldaten auf das Regiment von Winterfeldt, die wohl noch immer aus der Schlacht von Prag herrührten. Im Gesamtdurchschnitt verfügten alle Infanteriebataillone nur noch über 550 Mann. Die anderen hohen Ausfälle an Kranken könnten mit dem Umstand zusammengehangen haben, dass die Preußen ihren Regimentern die Winterkleidung, darunter ihre Tuchhosen, noch nicht hatten austeilen lassen, da diese Anfang Oktober noch in Magdeburg lagerten202. Dies sollte nun jedoch geschehen, denn am 15. Oktober hatte der König Herzog Ferdinand angewiesen, die Monturstücke für seine Regimenter aus Magdeburg mitzunehmen und die anderen per Schiff nach Torgau zu schicken203, wofür die Magdeburger Garnison die Deckungstruppen zu stellen hatte204. Um neben dem materiellen auch das personelle Defizit zu beheben, wies der König General Moritz zu Anhalt-Dessau an, im Kurkreis, im Leipziger und im Meißener Kreis Rekruten auszuheben, worauf dieser seinen Regimentern befahl, jeden brauchbaren Kerl, den sie finden könnten, einfach zu nehmen205. Personelle Reserven befanden sich zu diesem Zeitpunkt auch noch in Dresden. Neben der Garnison in der Residenzstadt im Umfang von 6.252 Mann, wozu auch die beiden Regimenter Rohr und Darmstadt in überkomplettem Zustand mit 1.843 bzw. 2.212 Mann zählten, waren weitere 2.000 Mann in der Neustadt stationiert und 6.000 Verwun202 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 98 G: Immediatsberichte des Fürsten Printz Moritz zu Anhalt-Dessau 1757, Schreiben aus Leipzig am 4. Oktober 1757 sowie Kurznotiz König Friedrichs dazu. 203 Siehe Friedrich II., Politische Correspondenz, Bd. 15, Nr. 9422. 204 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 100 T: Immediatsberichte Ferdinands von Braunschweig 1757, Schreiben vom 16. Oktober aus Wansleben. 205 Siehe GStAPK, Nr. I. HA., Rep. 96, Nr. 98 G: Immediatsberichte des Fürsten Printz Moritz zu Anhalt-Dessau 1757, Schreiben aus Wurzen vom 1. Oktober 1757.
508
IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
dete in den Lazaretten der anderen Vorstädte einquartiert206. Schwierig gestaltete sich vor allem die Holzbeschaffung für die Bäckereien und die großen Lazarette in der Neustadt, die schon im Sommer 60 bis 70 Klafter, sprich rund 65–80 Tonnen, verbrauchten, während die vielen kleineren Lazarette zusammen weitere 200 Klafter, d. h. 220 Tonnen, pro Woche benötigten207. Dieser Verbrauch stieg nun offenbar sogar noch, was dazu führte, dass die Kranken schon Anfang Oktober komplette Stubentüren aushoben und verbrannten, weil es aufgrund des unterbrochenen Handels mit Böhmen viel schwieriger war, den Holzbedarf zu decken. Verwunderlich ist dies sicherlich nicht, denn im Vorjahr hatten noch 4.000 Schragen, sprich 15–16.000 Tonnen böhmisches Scheitholz und über 30.000 Schock Gebundholz, d. h. wahrscheinlich zusätzlich rund 18.000 Tonnen, zum Verkauf gestanden208. Immens war auch der Bettenbedarf. Allein im September wurden noch einmal 700 Stück benötigt, die eigentlich von den umliegenden Dörfern zu liefern waren, jedoch in sehr geringer Anzahl eintrafen, obwohl man sie schon im letzten Winter bestellt hatte209. Die Versorgung der Verwundeten war zwar aufwendig, sie erwies sich aber als durchaus nützlich, denn die Rekonvaleszierten verstärkten die Dresdner Garnison inzwischen schon auf 9 Bataillone, von denen 3 aus den ehemals Kranken gebildet worden waren. Auch wenn sie nicht sofort zur Feldarmee in Westsachsen stießen, um die dezimierten Regimenter dort zu komplettieren, konnten sie dazu beitragen, die Österreicher in der Oberlausitz von einem Angriff auf Dresden abzuhalten oder sie an der Unterstützung der Reichsarmee und von Laudons Korps in Westsachsen zu hindern. Für seine Unterstützung und die damit verbundene Überquerung der Elbe hätte das Korps des Feldzeugmeisters Marschall in der Oberlausitz ohnehin eine passierbare Brücke benötigt, die man wegen der Garnisonen in Dresden und auf der Festung Sonnenstein aber nur oberhalb von Pirna errichten konnte. Selbst wenn es gelungen wäre, die dafür benötigten Pontons aus Prag heranzuführen, stellte sich aus österreichischer Sicht noch die Frage, wie die Versorgung gewährleistet werden konnte, zumal Generalfeldzeugmeister Marschall hierfür ausgerechnet die äußerst schlecht verpflegte Reichsarmee um Unterstützung bat210. Das Korps der Österreicher in der Oberlausitz litt schon seit dem Einmarsch unter permanenten Versorgungsproblemen, was nur bedingt erstaunlich ist, denn man benötigte pro
206 Siehe Stadtarchiv Dresden, 2.1 Ratsarchiv / Stadtverwaltung vor 1945, G XXXIII, Nr. 18c: Königl. Preuß. Feld Kriegs-Commissariats Verordnungen, Anzeigen und Promemorias etc. vom Juli bis Dec. 1757, Blatt 333 und 334 jeweils Vorderseite. 207 Siehe Stadtarchiv Dresden, 2.1 Ratsarchiv / Stadtverwaltung vor 1945, G XXXIII, Nr. 18c: Königl. Preuß. Feld Kriegs-Commissariats Verordnungen, Anzeigen und Promemorias etc. vom Juli bis Dec. 1757, Blatt 344 Vorderseite. 208 Siehe ebd., Blatt 338 Vorderseite. 209 Siehe Stadtarchiv Dresden, 2.1. Ratsarchiv / Stadtverwaltung vor 1945, G XXXIII, Nr. 18e: Die von Seiten einiger Dorfschaften des Meißnischen Kreises zum Bedürfnis der hiesigen Garnison im Winter 1756 abgelieferten Betten. 210 Siehe ebd., Faszikel 146 ad a.
IV.7. Die Verteidigung Schlesiens und Westsachsens509
Tag 20.000 Brotportionen und 8.000 Pferdeportionen an Futter211. Während unmittelbar nach der Einnahme Bautzens rund 8.800 Portionen Brot und am 18. September weitere 5.320 Portionen für Haddiks Korps nach Radeberg geliefert wurden, waren die darüber hinaus geforderten 3.000 Scheffel Hafer kaum noch aufzubringen212. Insbesondere die Dörfer Mickel, Lumßke, Luppa, Uhyst, Litten, Schönbrun, Taschendorf, Nieder- und Oberburckau sowie Rammenau, Frankenthal, Bretting und Haußwald hatten schon um den 14. und 15. September zu Protokoll gegeben, den Forderungen der Österreicher absolut nicht mehr nachkommen zu können, weil sie aufgrund der vorangegangenen Lieferungen oder Fouragierungen im August durch die Preußen völlig ausgezehrt waren213. General Haddik konnte seine Truppen zunächst noch dadurch verpflegen, dass er die Randgebiete der Oberlausitz bei Kamenz und Königsbrück zu seiner Versorgung nutzte, wo zum 1. Oktober 5.000 Brot- und 2.500 Pferdeportionen ausgeschrieben waren214. Insgesamt bestand sein Korps zu diesem Zeitpunkt wohl aus 7.721 Mann, darunter 3.272 Berittenen215, sodass diese Mengen nicht einmal für einen Tag reichten. Nicht zuletzt deshalb versuchte man auch die Ressourcen des Cottbuser Distrikts heranzuziehen. Dieser hatte bis 9. Oktober 12.000 Portionen Brot, 450 Scheffel Hafer, 6.000 Rationen Heu zu 11 Pfund und 50 Schock Stroh nach Elsterwerda zu liefern, während die Garnison in Senftenberg 440 Zentner Mehl, 2.200 Scheffel Hafer, 30.000 Rationen Heu und 200 Schock Lagerstroh erhalten sollte216. Obwohl Haddiks Truppen durch die nach Elsterwerda zu stellenden Mengen knapp 2 Tage versorgt waren, reichten die 182 Tonnen Hafer, 165 Tonnen Heu und 33 Tonnen Stroh bei einem Tagesverbrauch von 18 bis 19 Tonnen für die Pferde schon 9–11 Tage, das Mehl für die Infanterie hingegen nicht ganz 4 Tage. Insgesamt dürften seine Einheiten weitere 6 Tage komplett verpflegt gewesen sein. Trotzdem gestaltete sich die Versorgung wohl so schwierig, dass Haddik seit dem 7. Oktober den Einmarsch in die Kurmark mit 600 deutschen Reitern, 800 Husaren und einigen hundert Kroaten plante, während General Mittrowski mit 1.200 Kroaten und 200 Husaren zurückbleiben sollte217. Offenbar wurden unter seinem Kommando sogar 1.350 Infanteristen und 460 Kavalleristen entlang der Röder zwischen Elsterwerda und Großenhain verteilt, während 1.000 Kroaten und 300 Husa211 Siehe SächsHStA-DD, 13260 Generalkriegskommissariat, Nr. 239: Regulierung der Verpflegung der kayserl. königl. Truppen in der Oberlausitz, Blatt 54 Vorderseite. 212 Siehe SächsStFil BZ, 50001 Landstände der sächs. Oberlausitz, F XXV Siebenjähriger Krieg, Nr. 2712: Schreiben aus Budißin vom 13. Oktober 1757. 213 Siehe ebd., Nr. 2711: Schreiben des Landescommissariats am 14. September 1757 mit Insinuationslisten. 214 Siehe ebd., Nr. 2712: Schreiben am 26. September aus Radeburg. 215 Siehe OestKA, AFA, Nr. 610: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 X (1–400), Faszikel 34. 216 Siehe Stadtarchiv Cottbus, A. I. 14 Militaria, 14, Nr. 5: Acta und Nachrichten Die von dem kayserl. Königl. Rittmeister Forgatz auf Befehl des Feldmarschall Lieutnant von Haddik von den hiesigen Kreise geforderten Rationes und Portiones, Blatt 7 Vorder- und Rückseite. 217 Siehe OestKA, AFA, Nr. 610: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 X (1–400), Faszikel 301.
510
IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
ren unter Lacy die Gegend von Dresden bis Schandau observierten, sodass zur besseren Umverteilung der Verpflegungslasten nur 3.400 Mann die Flucht nach vorn in Richtung Berlin antraten218. Haddiks Marsch ging am 11. Oktober von Elsterwerda über Doberlug, Luckau, Lübben und Wusterhausen, sodass seine Einheiten dann am 16. des Monats vor dem Schlesischen Tor in Berlin erschienen219. Die 1.400 Kroaten, Husaren und Infanteristen überrumpelten relativ schnell 300 Mann der Garnisonstruppen am gesperrten Tor220, drangen in die Stadt ein und überwältigten dann 2 weitere Bataillone mit einer schnellen Bajonett- und Säbelattacke, obwohl diese stark auf sie feuerten221. Aufgrund dessen entstand eine große Panik in der Stadt, sodass die 1.400 Gegner von der Berliner Bevölkerung für über 15.000 Mann gehalten wurden und sich das Gerücht bis weit über die Stadtgrenzen hinaus verbreitete222. Die scheinbar dramatische Lage trug dann auch dazu bei, dass es Haddik am 17. Oktober gelang, nun von der Berliner Bevölkerung eine Kontribution von 210.000 Reichstalern zu erpressen. Gefordert hatte er eigentlich 600.000, jedoch konnte man in der kurzen Zeit nicht mehr aufbringen, obwohl es auf den ersten Blick merkwürdig anmutet, dass überhaupt so viel gezahlt wurde, weil sich noch 1.500 Mann der Garnison in der Stadt befanden, die aber an diesem Nachmittag mit dem Kommandanten Generalmajor von Rochow Richtung Spandau ausmarschierten223. Dass die Garnison Berlin so schnell räumte, hing wohl damit zusammen, dass die Stadt aus preußischer Sicht zu diesem Zeitpunkt ohnehin nur noch geringen militärischen Wert besaß, denn der Staatsschatz, die königliche Familie und auch Teile der Behörden waren schon seit Anfang August nach Magdeburg evakuiert worden, während man den Großteil des Zeughausbestandes, darunter auch eine Vielzahl von Geschützen und Bomben mit 20 Schiffen, nach Stettin abtransportiert hatte224. Zurückgeblieben waren noch Teile des Familienschatzes, einige Minister des Generaldirektoriums und die Kriegskasse225. Insofern hatte man mit den zusätzlichen Transportkapazitäten zwar einen Teil, aber nicht alle der militärisch relevanten Ressourcen in Sicherheit bringen können.
218 Siehe
OestHHStA, Kriegsakten Nr. 357: Journal vom 20. Oktober 1757 aus Lissa. Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 4: 1757, Teil 3, Seite 20. 220 Siehe OestHHStA, Kriegsakten Nr. 357: Unterthänigste Relation Haddicks vom 19. Oktober. 221 Siehe OestKA, AFA, Nr. 611: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 X (401–Ende), Faszikel 465. 222 Siehe OestHHStA, Kriegsakten Nr. 357: Relation Haddiks vom 19. Oktober und Stadtarchiv Schönebeck, Abteilung Große Saltze III D, Nr. 8: Das während der Kampagne 1757 / 1758 ergangene betref, Blatt 29 Vorderseite. 223 Siehe LASA, DE, Z44 Abt. Dessau, A9b VIa, Nr. 77: Correspondenz des Fürsten Moritz mit Behörden Magistraten, Landräthen und anderen Beamten meist milit. Inhalts 1745 / 57, Blatt 14 Vorderseite. 224 Siehe SächsStA DD, 10026 Geheimes Kabinett, Loc. 3256, Nr. 4: Rapport de Sternickel à Berlin 1756–1763, Blatt 32 Vorderseite. 225 Siehe Friedrich II., Politische Correspondenz, Bd. 15, Nr. 9443. 219 Siehe
IV.7. Die Verteidigung Schlesiens und Westsachsens511
Auch anderenorts stellte sich die Lage zwar nicht völlig hoffnungslos, aber dennoch bedrohlich dar, obwohl man sich bemühte, kriegswichtigen Rüstungseinrichtungen Schutz zu bieten. So berichtete Kriegsrat von Linger, dass man versuchte die Plankammer und die Gewehrfabrik in Potsdam mit 2 bis 300 Mann und der Bürgerschaft gegen kleinere Kommandos zu decken, im Ernstfall gegen ganze Streifkorps aber wohl machtlos gewesen wäre226. Mit dem 17. Oktober erreichte die Gefährdungslage aus Sicht der Preußen gewissermaßen ihren Höhe- und Wendepunkt, denn inzwischen näherte sich das Korps des Generals Moritz zu Anhalt-Dessau von Süden Berlin, während die Neutralitätsverhandlungen mit den Franzosen im Halberstädtischen begannen. König Friedrich hatte dem General, der sich am 12. Oktober in Leipzig aufhielt, befohlen sich nach Berlin zu begeben, weil ihm Minister Borck aus Torgau gemeldet hatte, dass die Österreicher von Königsbrück in 2 Kolonnen in die Kurmark eingedrungen seien227. Daher bat Moritz auch um die Erlaubnis, in sein Korps von 7 Bataillonen und 800 Kavalleristen noch die 900 einsatzfähigen Rekonvaleszierten aus Torgau eingliedern zu dürfen, da 3 seiner unterstellten Bataillone für andere Aufgaben abkommandiert worden waren228. Bei einer Durchschnittsstärke von 550 Mann pro Bataillon zählte der Verband nicht viel mehr als 5.500 Mann. Zunächst begab er sich von Naumburg wieder in die Umgebung von Leipzig, wo er abermals von den Dörfern und der Stadt seine Verpflegung für den anstehenden Marsch bezog229. Am 15. Oktober erreichten die Truppen Torgau, wo die Bäckerei mit 90.000 Brotportionen und die Scheunen der Anwohner zwangsläufig einen Beitrag zur Verpflegung leisteten, da Letztere ausfouragiert wurden230. Aufgrund dieser recht guten Versorgungslage gelangte das Korps dann in schnellen Märschen über Jüterbog und Potsdam bis zum 18. Oktober nach Spandau. Allerdings zeigte sich relativ schnell, dass man nicht mehr in der Lage sein würde, Haddiks Truppen einzuholen. Diese zogen bereits ab und zerstörten auf dem Rückmarsch bei Schadow die Munitionsgießerei mit ihren Gusseisenöfen und den zugehörigen Maschinen, wobei rund 1.000 Bomben und Kugeln nach Lübben abtransportiert und 2.000 im Wasser versenkt wurden231. Anschließend gelangten sie über Lieberose, Beeskow und Storkow in die Oberlausitz und nutzen unterwegs für ihre Verpflegung erneut die lokalen Ressourcen der Stadt Cottbus. Dort hatte der sächsische Landeskommissar Koschin von Freudenthal angeordnet, 20.000 Brote, 1.000 Scheffel Hafer, 10.000 Portionen Heu, 50 Tonnen Branntwein und 30 Schlachtochsen bereitzu226 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 87 A2: Andreas Haddicks Expedition nach Berlin 1757, Schreiben Blumethals und Katts aus Berlin am 28. Okt. 1757. 227 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 98 G: Immediatsberichte des Fürsten Printz Moritz zu Anhalt-Dessau 1757, Schreiben aus Leipzig am 12. Oktober und Anlage von Borckes. 228 Siehe ebd. 229 Siehe Stadtarchiv Leipzig, Titularakten, LXI, Nr. 10: Burchhardis Tagebuch oder Nachrichten aus dem Siebenjährigen Krieg, Blatt 28 Vorderseite. 230 Siehe Stadtarchiv Torgau, H 2673: Anweisungen an den Superintendenten Grulich 1757 / 1758. 231 Siehe OestKA, AFA, Nr. 611: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 X (401–Ende), Faszikel 465.
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IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
halten, wovon die Stadt und die Dörfer 2 Tage später zumindest 13.714 Brotportionen lieferten232. General Moritz zu Anhalt-Dessau war unterdessen in Berlin eingetroffen und erhielt aus Oranienburg und dem Ruppiner Kreis 54 Wispel Roggen und 49 Wispel Hafer zur weiteren Verpflegung seiner Truppen233, die dadurch für 8 bis 9 Tage gewährleistet wurde. Gut versorgt, marschierte er am 22. und 23. Oktober über Baruth wieder zurück nach Torgau. In der dortigen Umgebung befanden sich inzwischen auch die Truppen des Königs, nachdem sie am 12. Oktober Naumburg ebenfalls wegen der Bedrohung des Hinterlandes verlassen hatten. An der Saale blieben unter Feldmarschall Keith nur noch 7 Bataillone und 6 Eskadrons Kavallerie zurück, um die Flusslinie zu halten234. Der König und sein Bruder Prinz Heinrich waren mit 9 Bataillonen und 2 Kavallerieregimentern in 2 Abteilungen über Weißenfels, Leipzig und Eilenburg nach Torgau marschiert, wo die Einheiten dann in den Städten und umliegenden Dörfern einquartiert wurden235. Die Brotversorgung scheint überwiegend mit Hilfe der dortigen Kapazitäten erfolgt zu sein, zumal es im Umland mit 27 Mühlen und 99 Mahlgängen ausreichende Kapazitäten für die Herstellung weiterer Mehlmengen gab236. Nicht zuletzt deswegen konnten zwischen Mitte August und Ende Dezember auch 576 Tonnen Mehl für das preußische Feldkriegskommissariat aus dem Kornvorrat des Leipziger Rates vermahlen werden237, sodass eine Reserve von bis zu 23 Tagen zur Verfügung stand, die von den dortigen Bäckern auch problemlos verbacken werden konnte, auch wenn bis zu diesem Zeitpunkt erst ein Teil der Menge zur Verfügung stand. In Leipzig schloss sich König Friedrichs Korps auch das neuformierte 1. Gardebataillon an, nachdem es zuvor seinen Mannschaftsersatz aus Potsdam erhalten und dann einige Zeit in Magdeburg und Halle gestanden hatte238. Nachdem die Truppen dann bis zum 18. Oktober nach Torgau marschiert waren, rückte der König zunächst mit 4 Bataillonen am selben Tag noch nach Jessen und Schweidnitz vor. Am nächsten Tag erfuhr man auf dem Weg nach Jüterbog 232 Siehe Stadtarchiv Cottbus, A. I. 14 Militaria 6, Nr. 1: Überlassung der vor das Haddiksche Korps bestimmten Brotsorten an das Bäckergewerk zum Verkauf 5. Nov. 1757 und A. I. 14 Militaria 14, Nr. 4: Acta und Nachrichten was die kayserl. Königl Truppen unterm Commando vom Feldmarschallieutnant Haddick an Portionen, Rationen und Exactiones von der Stadt Cottbus gezogen haben in ao. 1757, Blatt 16 Vorderseite. 233 Siehe BHLA, Rep. 23A Stände der Kurmark, Nr. 576: Acta die Lieferung von Pferden, Getreyde u. Fourage des Ruppinschen Kreises in den Jahren 1756 bis 1763, Designation von denjenigen Roggen und Hafer so der Ruppinsche Creyß vor das Fürst Moritz Durchlauchten Corps nach Oranienburg und Berlin geliefert. 234 Siehe Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 4: 1757, Teil 3, Seite 18. 235 Siehe ebd., Seite 18 f. 236 Siehe SächsStA L, Amt Leipzig, Nr. 5372: Verzeichnis der im Leipziger Amtsbezirke vorhandenen Mühlen und Mahlgänge. 237 Siehe Stadtarchiv Leipzig, Titularakten XXXI, A(F), 59, Blatt 19. Die Originalmenge betrug 11.359 Zentner. 238 Siehe Stadtarchiv Leipzig, Titularakten, LXI, Nr. 10: Burchhardis Tagebuch oder Nachrichten aus dem Siebenjährigen Krieg, Blatt 29 Rückseite.
IV.7. Die Verteidigung Schlesiens und Westsachsens513
vom Abmarsch der Österreicher aus Berlin, sodass der König nun über Annaburg nach Hertzberg marschierte, wo am 20. Oktober die Truppen unter Prinz Heinrich zu ihm stießen239. Während das 1. Gardebataillon das Schloss des Fürsten Brühl bei Groschwitz plünderte, wartete man auf das Korps von Moritz zu Anhalt-Dessau, weil König Friedrich plante endlich nach Schlesien zur Unterstützung der Armee des Herzogs von Bevern aufzubrechen. Die dabei vorauszusehenden Winteroperationen zur Befreiung dieser so wichtigen Provinz sollten ganz in der Tradition des Feldzuges von Turenne 1673 im Elsass stehen240. IV.7.7. Das Vorrücken der verbündeten Truppen und der Auftakt zur Schlacht bei Rossbach Inzwischen liefen von Feldmarschall Keith beunruhigende Nachrichten ein, wonach sich die Franzosen und die Reichsarmee der Saale näherten, was König Friedrich dazu veranlasste, seine Pläne zu ändern und sich mit seinen Truppen wieder dorthin zu begeben241. Am 23. Oktober traf General von Anhalt-Dessaus Korps aus Baruth kommend in Torgau ein und brachte 300 vier- und sechsspännige Wagen mit, die mit Mehlfässern beladen waren242. Der Großteil verblieb aber in Torgau, lediglich den Vorrat für 9 Tage transportierte man weiter243. In der Stadt Torgau selbst gestaltete sich zu diesem Zeitpunkt vor allem die Einquartierungslage schwierig, die durch Durchmärsche noch weiter verschärft wurde, zumal sich immer noch 3.000 Mann im Lazarett befanden, sodass 10–30 Menschen in einem Haus untergebracht waren und die Einwohner schon auf den Dachböden übernachteten244. Für eine gewisse Entlastung hatte vielleicht der Abzug der 900 Rekonvaleszierten gesorgt, die sich den Einheiten unter dem Kommando Moritz’ zu Anhalt-Dessau angeschlossen hatten. Offenbar erhielten die Preußen im Rahmen dieser Märsche beträchtliche Verstärkungen, da die Stärke des gesamten Garderegiments mit seinen 3 Bataillonen wieder auf ca. 2.000 Mann veranschlagt wurde245. Mit dem aufgestockten Regiment Anhalt-Bernburg, das nun mit dem Korps des Herzogs von Braunschweig anrückte, dürften der preußischen Armee in Sachsen gegen Ende Oktober rund 2.400 Mann an Rekruten und Rekonvaleszierten zugegangen sein, was aber gar nicht so viel war, wenn Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 4: 1757, Teil 3, Seite 22. Friedrich II., Politische Correspondenz, Bd. 15, Nr. 9423. 241 Siehe ebd., Nr. 9462 und Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 4: 1757, Teil 3, Seite 24. 242 Siehe Stadtarchiv Torgau, H 2673: Anweisungen an den Superintendenten Grulich 1757 / 1758. 243 Siehe Friedrich II., Politische Correspondenz, Bd. 15, Nr. 9467. 244 Siehe SächsHStA-DD, 10025 Geheimes Konsilium, Loc.6484, Nr. 84: Die preußischen Bedrückungen der Bürgerschaft zu Torgau durch Fortsetzung der Schantz Arbeit und Wegnehmung mehrer Häuser und Gärten, Schreiben des Rats zu Torgau am 27. Oktober 1757. 245 Siehe Stadtarchiv Torgau, H 2673: Anweisungen an den Superintendenten Grulich 1757 / 1758. 239 Siehe 240 Siehe
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IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
man berücksichtigt, dass Letztere zu diesem Zeitpunkt in Dresden schon 4 komplette Bataillone in einer Größenordnung von 3.600 Mann formierten246. Diese zusätzlichen Verstärkungen hätte man gerade in Westsachsen bzw. im thüringischen Raum durchaus gebrauchen können, nachdem sich die Reichsarmee und die Franzosen entschlossen hatten, doch noch gegen die Preußen vorzurücken, seit sich deren Einheiten zur Verlegung in Richtung Torgau gezwungen sahen. Dabei verzeichnete die Reichsarmee Mitte Oktober nicht nur einen Anstieg der Krankenzahl infolge ihrer schlechten Zelte, sondern befand sich um den 20. Oktober laut ihrem Kommandeur Feldmarschall von Sachsen-Hildburghausen wegen der Verpflegungsprobleme in der denkbar schlechtesten Verfassung247. Forciert wurde diese Lage nun im Rahmen des Vorrückens noch durch die Tatsache, dass die Franzosen den Reichstruppen die Pferde ausspannten und sie daran hinderten, diese zurückzuholen, während ihre eigenen Einheiten zum Teil schon oder immer noch in Quartieren lagen248. Offensichtlich gelang es ihnen aber durch diese perfiden Maßnahmen, den Vormarsch über Weißensee und Eckartsberga bis an die Unstrut und Naumburg voranzutreiben. Die dortige Gegend wurde laut Schätzungen der verbündeten Armeen von der Kösener Brücke bis nach Naumburg von 3.700 Mann Infanterie und 1.100 Kavalleristen mit 16 Geschützen unter dem Kommando Feldmarschall Keiths verteidigt249. Nachdem es der Reichsarmee am 22. Oktober gelungen war, bei Dornburg die Saale zu überschreiten und sich am nächsten Tag bei Höhenmölsen, Pegau und Borna mit den Einheiten Laudons zu vereinigen, zogen sich die Preußen zurück nach Leipzig250. Dort traf Keith schon am selben Tag mit der Vorhut ein und quartierte am nächsten Tag die 7 Bataillone, das Freibataillon Mayr, die Kavalleristen und Artillerie in die Vorstädte ein251. Als die österreichischen Husaren vor dem Leipziger Peterstor erschienen, ließ Keith dem Trompeter ausrichten, man werde sich bis zum letzten Mann verteidigen und beim Eintreffen feindlicher Artillerie und Infanterie die Vorstädte niederbrennen252. Zu diesem Zeitpunkt war König Friedrich in Torgau eingetroffen und erreichte über Eilenburg bis zum Abend des 26. Oktober mit einer Vorhut von 9.000 Mann Leipzig253, der dann General Moritz zu Anhalt-Dessau und seine unterstellten Einheiten folgten, 246 Siehe SächsHStA-DD, 10024, Geheimer Rat Loc. 9336 / 1: Journal des Preußischen Krieges 1756–1757, Blatt 427 Vorderseite. 247 Siehe OestKA, AFA, Nr. 627: Siebenjähriger Krieg 1757, Reichsarmee X Faszikel 145 und 152a. 248 Siehe ebd., Faszikel 152 und 152d. 249 Siehe ebd., Faszikel 145d. 250 Siehe Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 4: 1757, Teil 3, Seite 25. 251 Siehe SächsHStA-DD, 10025 Geheimes Konsilium, Loc. 6482, Nr. 3: Acta Leipziger Creyß bey der Mense Sept. 1757 erfolgten Einrückung der königl. Preußischen Armee in und bey Döbeln und Marchierung über Grimma, Rötha, Pegau und Naumburg und weiter nach Erfurt, theils durch auferlegte unerschwingliche Lieferungen und Ausfouragierungen […], Blatt 61 Rückseite. 252 Siehe SächsHStA-DD, 10026 Geheimes Kabinett, Loc. 3253, Nr. 8: Des Hofraths Just Militär Journal betref. 1756, 1757, 1758, Blatt 202 Vorderseite. 253 Siehe Staatsarchiv Leipzig, 20597 Stadt Belgern, Nr. 1992.
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während Ferdinand von Braunschweig aus dem Magdeburg-anhaltinischen Raum anrückte254. Laut Keiths eigenen Angaben standen ihm zu diesem Zeitpunkt in der Stadt nur 4.000 Mann zur Verfügung255. Dies könnte aber damit zusammengehangen haben, dass sich inzwischen bereits 800 Kranke in der Stadt befanden, was die Preußen veranlasste, vor dem Hintergrund der sich anbahnenden Konfrontation mit der Reichsarmee und den Franzosen im Amtshaus und der Kaufmannsbörse ein weiteres Lazarett für bis zu 2.000 Mann anzulegen256. Nachdem Ferdinand von Braunschweig mit seinen Truppen am 28. Oktober über Schkeuditz eingetroffen war, verfügten die Preußen bei Leipzig über 31 Bataillone und 45 Eskadrons, wobei der König Friedrich auch zusätzlich Pulver und Geschütze aus Torgau herangeführt hatte257. Welche Stärke sich daraus nun ergab, ist angesichts der vielen Märsche, Teilungen und Verstärkungen, die die preußischen Truppen erhalten hatten, nur noch sehr schwer zu ermitteln. Die Reichsarmee schätzte die Preußen auf nicht mehr als 25.000 Mann, wobei allein Herzog Ferdinands Korps mit 5.200 Mann zu niedrig veranschlagt wurde258, zumal es schon Mitte September beim Marsch nach Magdeburg mit 5.700 Soldaten stärker war und inzwischen zusätzlich Kräfte in der Größenordnung eines Infanteriebataillons heranführte, sodass die Truppen wahrscheinlich 6.500 Mann umfassten. Abgesehen davon ist es aber äußerst schwierig, die Stärke der Armee zu kalkulieren. Wenn man davon ausgeht, dass es mit Hilfe der rund 2.400 Mann an Rekonvaleszierten und Rekruten zumindest gelang, die Ausfälle der Kranken zu kompensieren, dann verfügten die preußischen Einheiten durchschnittlich über 684 Mann pro Bataillon, sodass die Infanterie rund 21.000 Soldaten umfasst haben dürfte. Für die Kavallerie kann man die Stärken der Kürassierregimeter Driesen und Leibregiment, die 725 bzw. 848 Berittene aufboten, zugrunde legen259, welche näherungsweise mit den Angaben des Dragonerregiments von Meinicke übereinstimmen, das bei seinem Einrücken in Leipzig Ende Oktober über 750 Mann verteilt auf 5 Eskadrons verfügte260. Demzufolge lag die durchschnittliche Eskadronsstärke der Kavallerieeinheiten zu diesem Zeitpunkt 254 Siehe 255 Siehe
Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 4: 1757, Teil 3, Seite 24. GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 87 N: Generalfeldmarschall Jakob Keith 1757, Blatt 121
Vorderseite. 256 Siehe SächsStA L, 20009 Amt Leipzig, Nr. 4792: Die Einrückung derer königl. Preuß. Trouppen in die Chursächßischen Lande insonderheit die königlichen Gebäude betref., Blatt 2 Vorderseite bis Blatt 3 Vorderseite. 257 Siehe Brabant, Arthur, Das Heilige Römische Reich im Kampf mit Friedrich dem Großen, Bd. 1, Seite 285. 258 Siehe OestKA, AFA, Nr. 629: Siebenjähriger Krieg 1757, Reichsarmee XIII und französische Armee 1757, Faszikel 50. 259 Siehe LASA, MD, Rep. A 13 Bistum und Fürstenthum Halberstadt, Nr. 697: Das Anrücken der Königlich Preußischen Armee, Blatt 11 Vorderseite. 260 Siehe SächsHStA-DD, 10025 Geheimes Konsilium, Loc. 6482, Nr. 3: Acta Leipziger Creyß bey der Mense Sept. 1757 erfolgten Einrückung der königl. Preußischen Armee in und bey Döbeln und Marchierung über Grimma, Rötha, Pegau und Naumburg und weiter nach Erfurt, theils durch auferlegte unerschwingliche Lieferungen und Ausfouragierungen […], Blatt 61 Rückseite.
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bei 154 Berittenen, sodass die gesamte Kavallerie 6.930 Mann stark gewesen sein dürfte und die Armee zusammen rund 28.000 voll einsatzfähige Kombattanten zählte. Weil Leipzig fast über die gleiche Anzahl von Einwohnern verfügte261, dürfte auch die Einquartierung verhältnismäßig geringe Schwierigkeiten bereitet haben. Da die Armee hinsichtlich ihrer Größe und Zusammensetzung der Streitmacht jener von Anfang September ähnelte, waren wahrscheinlich immer noch um die 19.000 Rationen aufzubringen, sodass pro Tag 98 Tonnen Hafer, 76 Tonnen Heu und 95 Tonnen Stroh beschafft werden mussten. Obwohl die in den Kreisen ausgeschriebenen Lieferungen zwischen 1 ½ und 5 Monaten reichten262, lösten die Preußen das akute Verpflegungsproblem für Mensch und Tier zunächst wieder durch eine Fouragierung, die in der Stadt und ihrem näheren Umkreis stattfand und den Zivilisten wie immer ungeheure Belastungen zumutete: „Unser Elend ist allhier über die maßen groß viele Haußbesizer sind in 4 Tagen am Bettelstaab gebracht worden. Bey den geringsten Mann sind, wenigstens 20 Mann in Quartier und nur die wenigsten darunter menschlich gewesen. Man hat solche einquartierten Soldaten und Knechte, nicht allein Speißen und Träncke sondern auch jeden Mann 2 gr. geben müssen. […] Am Bußtage war Generalfouragierung, ohne die Cavallerie zu rechnen sind allein 1500 Pack-Pferde mit Knechten und vielen 100 Weibern dabey gewesen welche dem ueber der Fourage, denen Bauern das Vieh, Früchte und was sie an Butter, Käser und anderen Dingen rauben können mitgegnommen. […] Die unausgedroschenen Garben wurden in die Stadt gebracht und ein Groß Theil davon, ist weder Menschen nach Vieh zu Nuzen gekommen, sondern auf der Gasse zertreten worden. […] Sie haben wie Barbaren gegen uns sich bezeigt, dergl. nicht leicht erlebt worden und nur Gott weiß es, was vor Unglück über uns noch beschlossen worden“263.
Nachdem sich die Armee in Leipzig gesammelt hatte, rückten am 29. Oktober 4 Grenadierbataillone, das Freibataillon Mayr und 2 Kavallerieregimenter über Markkranstädt bis Lützen vor, wo sie 2 gegnerische Husarenregimenter zurücktrieben. Der Großteil der Armee brach dann einen Tag später in Richtung Lützen auf, während das Garnisonsregiment von Hauss und das neuformierte 3. Bataillon des Regiments von Anhalt-Bernburg zusammen mit dem 2. Bataillon des Regiments von Hülsen in der Stadt verblieben, sodass deren Verteidigung riskanterweise nun überwiegend unerfahrenen Truppen oblag. Unter dem Kommando des Königs marschierten nun 11 Bataillone, 13 Eskadrons schwerer Kavallerie mit einem Geschützpark von 4 24-Pfündern und 4 Haubitzen nach Weißenfels, um die Nachhut der Reichsarmee anzugreifen, während General Moritz zu Anhalt-Dessau und Ferdinand von Braunschweig mit dem Rest der Truppen über Lützen nach Merseburg marschierten, wo die Franzosen die Stadt aber schon besetzt hatten, 261 Vgl. III. Teil 1.: Die logistisch relevanten Ressourcen in Schlesien, Sachsen, Böhmen und Mähren. 262 Vgl. Abschnitt 6.8.: Die Vorbereitungen der Preußen zum Abmarsch aus der Oberlausitz und 7.4.: Die operative Situation und die Versorgungslage im sächsischen Hinterland. 263 SächsHStA-DD, 10025 Geheimes Konsilium, Loc. 6482, Nr. 3: Acta Leipziger Creyß bey der Mense Sept. 1757 erfolgten Einrückung der königl. Preußischen Armee in und bey Döbeln und Marchierung über Grimma, Rötha, Pegau und Naumburg und weiter nach Erfurt, theils durch auferlegte unerschwingliche Lieferungen und Ausfouragierungen […], Blatt 66 Vorderseite.
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sodass ihre eigenen Einheiten nur die Vorstadt auf dem rechten Ufer in Beschlag nehmen konnten264. Weiter südlich befanden sich selbige seit dem 23. Oktober in Naumburg, wo der Prinz von Soubise hoffte, die Verpflegung seiner Truppen bis zum 30. Oktober gewährleisten zu können, während die Einheiten der Hauptarmee unter dem Kommando des Herzogs von Broglie aus Mühlhausen versorgt werden sollten265. Tatsächlich bewerkstelligten die Franzosen die Versorgung durch einen Zufall zunächst relativ gut. Die Preußen hatten nämlich 4.000 Scheffel Mehl, also rund 330 Tonnen, aus dem Schwarzenburgischen geordert, die aber erst 3 Tage nach ihrem Abmarsch am 25. Oktober eintrafen und dann glücklicher weise vom Gegner genutzt wurden, obwohl man statt der geforderten 20 Backöfen zunächst nur 15 errichtete und dafür sogar Teile der Ziegelscheune einriss, weil die vorhandenen Ziegel nicht ausreichten266. Für die Verpflegung der Kavallerie forderte der Intendant der französischen Truppen, François-Marie Gayot, die Lieferung von 20.000 Bund Stroh zu je 10 Pfund, sprich rund 100 Tonnen267. Der Bedarf der Franzosen und die Belastungen, die der Stadt Naumburg daraus erwuchsen, waren generell groß, da nicht weniger als 12.000 Pferde und Maultiere versorgt werden mussten268. Der französischen Armee erschien es offenbar nicht ratsam, sich länger bei Naumburg aufzuhalten, sodass sie am 30. Oktober in 14 Dörfern von Großkorbetha bis Tagwerben kampierte, bevor sie sich dann am nächsten Tag auf die Dörfer Lunstett, Braunsdorff sowie Groß- und Kleinkeyna verteilte269. Außerdem nahmen die Truppen in den Dörfern des Amtes Freyburg a. d. Unstrut umfassende Fouragierungen vor, deren Ausbeute aber bescheiden ausfiel. Die requirierten Brotmengen reichten nicht einmal, um den Tagesbedarf auf französischer Seite bei insgesamt 38.000 Mann und ca. 22.000 Mann seitens der Reichsarmee zu decken, denn die verbündeten Streitkräfte beschlagnahmten nur 19.501 Brotportionen270, womit sie völlig unterversorgt waren. Bei der Kavallerieverpflegung gab es ebenfalls nur äußerst geringe Reserven. Die französischen Truppen konfiszierten zwar 76 Tonnen Hartfutter, 98 Tonnen Heu und 81,5 Tonnen Stroh271, da aber mindes264 Zum gesamten Absatz siehe Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 3: 1757, Teil 2, Seite 32–34. 265 Siehe OestKA, AFA, Nr. 627: Siebenjähriger Krieg 1757, Reichsarmee X, Faszikel 145c. 266 Vgl. Köster, Die Stadt Naumburg a. d. Saale im Siebenjährigen Krieg, Seite 135. 267 Siehe Stadtarchiv Naumburg, Loc. 2001 XV, Nr. 111: Durchmarsch der Franzosen und anderen Kriegsvölker betreffend 1757, Schreiben vom 23. Oktober und Schreiben Gayots vom 27. Oktober 1757. 268 Vgl. Köster, Die Stadt Naumburg a. d. Saale im Siebenjährigen Krieg, Seite 135. 269 Siehe Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 4: 1757, Teil 3, Seite 34–37. 270 Der von den französischen Truppen requirierte Proviant belief sich laut Originalangaben auf 11.994 Pfund Brot, 7.612 Pfund Brot und 19.396 Pfund Brot. Siehe LASA, MD, D 14 Amt Freyburg, A VIII 9: Liquidationis betr. die durch die kaiserlich königlich und königlich Französischen und Reichs-Exekutions-Truppen (1757–1759), Blatt 4 Rück- und 5 Vorderseite, Blatt 14 Rückund 15 Vorderseite und Blatt 23 Rück- und 24 Vorderseite. 271 Die Originalmengen waren 1.345 Scheffel Hafer und 1.959 Zentner Heu und 136 Schock Stroh. Es wurden auch noch einige tausend Gaben Hafer fouragiert. Siehe LASA, MD, D 14 Amt
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tens 12.000 Pferde und Zugtiere zu versorgen waren, belief sich der Bedarf nach ihrem üblichen Rationssatz auf 20,5 Tonnen Hartfutter, 60 Tonnen Heu und 120 Tonnen Stroh täglich272, sodass die Versorgung nicht länger als 1 ½ Tage gewährleistet war. Insofern ist es nachvollziehbar, dass die verbündeten Truppen schon in den letzten Oktobertagen unter beträchtlichen Verpflegungsproblemen litten, weil das Land offenbar aufgrund der vorherigen Fouragierungen durch die Preußen schon stark ausgesogen war. Diese Ansicht teilte auch der Herzog von St. Germain, der sich am 28. Oktober mit einer kleinen Abteilung rechts der Saale in Pegau aufhielt: „[…I]l y a une chose certain, ce que ce pays est denué de la subsistance et toute espéce nous aurons bien de la peine à y vivre“273.
Insofern ist es nicht verwunderlich, dass die Husaren des französischen Regiments Fitzjames von der Stadt Halle am 31. Oktober 200.000 Brot- sowie 100.000 Pferderationen Hafer und Heu forderten274. Ob es ihnen jedoch gelang, die avisierten Mengen zu erhalten, dürfte mehr als fraglich sein, denn die Preußen gingen nun ihrerseits dazu über, die verbündeten Truppen wieder über die Saale zurückzudrängen. In diesem Zusammenhang rückten noch am selben Tag 14 Bataillone und wenigstens 23 Eskadrons Kavallerie gegen Weißenfels vor, wo zunächst noch 2 Infanterieregimenter der Reichsarmee standen, die sich aber über den Fluss zurückzogen, während die Preußen beim Schloss, das über der Stadt lag, ihre schwere Artillerie in Stellung brachten275. Nachdem die verbarrikadierten Tore gesprengt worden waren, drangen sie in die Stadt ein und nahmen rund 400 Mann gefangen. Allerdings konnten die preußischen Truppen nicht verhindern, dass die Brücke über die Saale von den gegnerischen Einheiten in Brand gesetzt wurde. Anschließend forderten sie für ihre Verpflegung 30.000 Brotportionen, 52 Rinder und 100 Schafe, wozu 2 Tage später auch noch 760 Scheffel Hafer, d. h. 63 Tonnen, kamen276, was fast genau dem Tagesbedarf der gesamten Streitmacht entsprach. In den nächsten Tagen trafen aus den umliegenden Ortschaften Leißling, Aupitz und Taucha jedoch nur 2.305 Portionen Brot, 6 Rinder und 21 Schafe ein, während an
Freyburg, A VIII 9: Liquidationis betr. die durch die kaiserlich königlich und königlich Französischen und Reichs-Exekutions-Truppen (1757–1759), Blatt 14 Rück- und 15 Vorderseite. 272 Der Bedarf ist mit 1 Metze Hafer, 10 Pfund Heu und 1 Bund Stroh angenommen (siehe GStAPK, II. HA., Abteilung 15 Magdeburg, CLXXIX, Invasions-Sachen, Nr. 1, Bd. 1, Blatt 91 Rückseite). Umgerechnet sind dies also 1,7 kg Hafer, 5 kg Heu und 20 Pfund oder 10 kg Stroh. 273 Siehe St. Germain, Claude-Louis, comte de, Correspondance particulière du Comte de Saint-Germain […] avec M. Paris du Verney, Bd.1, Seite 154. 274 Siehe GStAPK, II. HA., Abteilung 15 Magdeburg, CLXXIX Invasions-Sachen, Nr. 1: Acta wegen der im magdeburgischen wieder den Einbruch der frantzösischen Truppen zu machenden Veranstaltungen, 1757 / 1758, Bd. II, Blatt 187–189 Vorderseite. 275 Siehe Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 4: 1757, Teil 3, Seite 34. 276 Siehe Stadtarchiv Weißenfels, A. I., Nr. 730: Acta der Königl. Preuß. Armee Durchmarsch mense Oct 1757 dergleichen auch andere Miliz bref samt deren Einquartierung während und nach der Schlacht bei Rossbach, 31. Oct. und 2. Nov.
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Fourage 59 Scheffel Hafer und 23 Zentner Heu geliefert wurden277. Folglich waren die Preußen überwiegend auf den Nachschub aus Leipzig per Wagen angewiesen, der angesichts der geringen Entfernung und des flachen Geländes aber nicht allzu schwierig zu bewerkstelligen gewesen sein dürfte. In den folgenden 3 Tagen errichtete man eine neue Schiffsbrücke über die Saale. Da sich die Preußen nicht sicher waren, ob ihnen der Übergang bei Weißenfels gelingen würde, reparierten die Truppen unter General Moritz zu Anhalt-Dessau am 2. November bei Merseburg die dortige Brücke, während Feldmarschall Keith mit 5 Bataillonen und 3 Kavallerieregimentern nach Halle marschierte, um die dortige Floßbrücke instand setzen zu lassen, sodass zumindest die Reiterei übersetzen konnte. Am nächsten Tag gelang dann sogar allen 3 Abteilungen an besagten Orten der Übergang, wobei Keiths Infanterieeinheiten sich wieder nach Merseburg begaben, um die dortige Brücke zu benutzen. Die einzige Gegenwehr der Reichstruppen bei Weißenfels verpuffte buchstäblich, weil ihre Geschütze, die das Saaletor vom gegenüberliegenden Ufer unter Beschuss nahmen, den völlig falschen Ort beschossen und die Preußen ihre Brücke an einem ganz anderen Ort errichteten. Der Umstand, dass ihnen der Übergang über die Saale so reibungslos gelang, war rückblickend besonders für den Transport und späteren Einsatz der Artillerie wichtig, die in den kommenden Tagen eine so wichtige Rolle spielen sollte. Die preußischen Abteilungen rückten nun nach Bedra und Braunsdorf in der Nähe von Mücheln vor, um sich wiederzuvereinigen278. In der dortigen Gegend kam es zu diesem Zeitpunkt auf den Dörfern zu massiven Exzessen der französischen Truppen. Während einige Bauern offensichtlich schon mit ihren Kindern in die Wälder geflüchtet waren, drangen die französischen Soldaten in Häuser ein und erpressten mit vorgehaltenen Bajonetten und Gewehren Geld von den Bewohnern. Bei anderen wurden sämtliche Türen, Fensterläden, Schränke und Kommoden zerschlagen und bisweilen auch verbrannt sowie die Kleider geraubt und die Betten zerschnitten. Diejenigen, die Widerstand zu leisten versuchten, wurden entweder durch das bloße Schießen oder die Bajonettstiche eingeschüchtert oder wirklich getötet, wobei Letzteres eher selten vorkam. Merkwürdigerweise verunreinigten die Franzosen mit den Federn auch das so dringend benötigte Mehl und schossen die Schweine und Schafe der Bauern tot. An anderen Orten drangen sie in die Weinkeller ein, wo sie sämtliche Fässer zerschlugen und sogar die Pferde mit Wein tränkten. Darüber hinaus fielen die Franzosen auch durch ihre religiösen Verunglimpfungen auf, indem sie die Bewohner als verdammte Ketzer und lutherische Hunde beschimpften, in den Kirchen die Sakralgefäße raubten und die Altäre schändeten. Der Pfarrer Schön aus Weinschütz musste einem französischen Kavalleristen sogar als lebendiger Steigbock dienen, damit dieser sein Pferd erklimmen konnte, wobei er dem Pfarrer angeblich fast das Kreuz brach. Aller277 Siehe LASA, MD, A 49 Stände des Thüringischen Kreises und Kreisdeputation, Nr. 145: Bescheinigungen über die im Monats Octbr. und Nov. 1757 nach Weißenfels gelieferten Naturalien aus dem Amte Weißenfels, Blatt 109, 126, 127, 145, 147, 148 und 149 jeweils Vorderseite. 278 Zum gesamten Absatz siehe Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 4: 1757, Teil 3, Seite 36–38.
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dings waren nicht nur die Franzosen, sondern auch die Reichstruppen an den Plünderungen beteiligt, zumal man bei einem Soldaten aus Trier das Leichentuch des Ortes Branderode fand, das dann vom Feldmarschall Hildburghausen später an den Ort zurückgeschickt wurde, was aber unbedeutend gewesen sein dürfte, da die Reichsarmee den Ort am 3. November sogar 2-mal angezündet hatte279. IV.7.8. Die Schlacht bei Rossbach und ihre unmittelbaren Folgen Noch am selben Tag beklagte sich der Kommandeur der Reichsarmee in einem Brief an Kaiser Franz Stephan massiv über das mangelnde Durchsetzungsvermögen des Herzogs von Soubise, die Ausschreitungen der französischen Truppen und die verheerenden Konsequenzen, die dies für die Versorgungslage der Reichsarmee nach sich zog: „[…] Hiernächst allergnädigster müste ich so wahr Gott lobt, mit dero und der gantzen Reichsarmee Hunger crepiren, wann Ich bey diese Unmenschen verbleiben thäte. Denn nicht allein seynd auf viele Stunden im Umkreyß wo sich die frantzösische Armee befindet, die mindeste Lebensmittel nicht zu bekommen, weil gar kein Ordnung, Disciplin und Gehorsam unter diesen Trouppen ist um ihre Marodeurs die mit tausend und tausenden auslauffen, alles ausplündern und verderben […], wie denn eben de facto der Cassus existiret daß unsere Leuthe in vier Tagen kein Brod gesehen haben, worüber ich mich hier aber nicht extendire […]. Es stehen mir die Haare zu Berge wenn ich daran denke, wie es im Angesicht des Feindes ablauffen werde, denn wann nicht Gott ein besonderes Miracul in favor der allgemeinen Mathematice zu beweisen, daß wir ohnausbleiblich geschlagen werden müssen […]“280.
Um die Einsatzfähigkeit der verbündeten Truppen war es also extrem schlecht bestellt und so konnte der Testfall eines Gefechtes nur in einer Katastrophe enden. Die sich anbahnende Auseinandersetzung war für die verbündeten Truppen also verloren, noch bevor sie überhaupt begonnen hatte. Der schlechte Zustand der Reichsarmee machte sich auch schon personell bemerkbar, denn am 4. November verfügte sie lediglich über 13.153 einsatzfähige Soldaten281. Die französischen Truppen verteilten sich offenbar über einen relativ großen Raum und hatten beträchtliche Kontingente bei Schortau, am Galgenberg und an den Brücken der Unstrut stationiert, sodass unmittelbar bei Branderode wohl nicht mehr als 30.000 Mann zur Verfügung standen, sodass die Gesamtstärke der verbündeten Truppen auf rund 43.000 Mann herabsank282. Die Anzahl der Geschütze 279 Zum gesamten Absatz siehe LASA, MD, D 14 Amt Freyburg, A VIII 9, Nr. 29: Die von den Reichs- und französischen Truppen im Amt Freyburg verübten Exzesse und Plünderungen (1757), Blatt 23 Vorder- bis 24 Vorderseite und Wiltsch, Johann Elisier Theodor, Die Schlacht von und nicht bei Roßbach oder die Schlacht auf den Feldern vor und bey Reichartswerben den 5. Nov. 1757 u. was ihr vorangieng und nachfolgte, Seite 136–139. 280 OestKA, AFA, Nr. 628: Siebenjähriger Krieg 1757, Reichsarmee XI–XII, Faszikel 6. 281 Siehe OestKA, AFA, Nr. 629: Siebenjähriger Krieg 1757, Reichsarmee XIII, französische Armee, Faszikel 22. 282 Siehe Wiltsch, Die Schlacht bei Rossbach oder Reichardtswerben, Seite 132, Brabant, Arthur, Das Heilige Römische Reich im Kampf mit Friedrich dem Großen, Bd. 1, Seite 314 und
IV.7. Die Verteidigung Schlesiens und Westsachsens521
belief sich zusammen auf 109 Stück, darunter 40 mit schwerem Kaliber, wovon aber 30 Stück zur Reserve bei den Franzosen gehörten283. Die Stärke der Preußen belief sich zu diesem Zeitpunkt nur noch auf 27 Bataillone, da noch ein Bataillon des Regiments Anhalt bei Halle zurückgelassen worden war und mit dem anderen Bataillon Anhalt, Hülsen und dem 1. Gardebataillon 4 Bataillone fehlten, während von der Kavallerie alle Einheiten, die sich bei Leipzig versammelt hatten, nämlich 33 Eskadrons Dragoner und Kürassiere und 12 Eskarons Husaren, eingetroffen waren284. Demzufolge, dürften rund 16.500 Mann Infanterie und rund 6.900 Kavalleristen gefechtsbereit gewesen sein, sodass die Stärke der Armee rund 23.400 Mann betrug285. Insgesamt standen den verbündeten Truppen 72 Geschütze zur Verfügung, davon 18 schwere Kanonen286, sodass die preußische Armee theoretisch um die Hälfte unterlegen war. Die Verpflegung bezog sie noch immer aus Leipzig. Dabei gelang es den gegnerischen Einheiten sogar, einige Wagen des Nachschubkonvois zu erobern, obwohl er von 3 Infanterieregimentern eskortiert wurde, die Brotversorgung blieb aber offensichtlich dennoch weitestgehend intakt287. Trotz der personellen Unterlegenheit von rund 20.000 Mann plante König Friedrich am nächsten Tag einen Angriff auf die Streitmacht der Verbündeten. Deshalb ließ er am 4. November das Freibataillon Mayr die Höhe von Schortau vor dem Lager zwischen Braunsdorf und Rossbach besetzen, von wo es aber von einigen feindlichen Infanteristen wieder vertrieben wurde288.
Brodrück, Karl, Quellenstücke und Studien über den Feldzug der Reichsarmee 1757, Seite 343. Etwas höher, aber ungefähr in dieser Größenordnung mit 44.700 Mann hat auch Duffy jüngst die verbündeten Truppen taxiert: Duffy, Christopher, Prussias Glory, Rossbach and Leuthen 1757, Seite 64. Das Generalstabswerk gab die Stärke der verbündeten Streitmacht sogar mit 41.100 etwas niedriger an (vgl. Großer Generalstab, Die Kriege Friedrichs des Großen. Dritter Theil, Bd. 5: Hastenbeck und Rossbach, Seite 208 und 275 f.). Aufgrund der Vielzahl an vorangegangenen Publikationen zur Reichsarmee sah sich die kriegsgeschichtliche Abteilung des Großen Generalstabs offenbar gezwungen, weitestgehend den Darstellungen von Wiltsch und Brodrück zu folgen. 283 Vgl. Brodrück, Karl, Quellenstücke und Studien über den Feldzug der Reichsarmee von 1757, Seite 343. 284 Siehe Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 4: 1757, Teil 3, Seite 35–37. 285 Gänzlich anders Arthur Brabant, vgl. ders., Das Heilige Römische Reich im Kampf mit Friedrich dem Großen, Bd. 1, Seite 314. Besonders falsch in diesem Zusammenhang leider die Aufstellung Seite 318, der zufolge das Regiment Schwerin in Torgau detachiert gewesen sein soll, während sich das Regiment von Goltz bei der Armee befand. Tatsächlich handelt es sich um ein und dieselbe Einheit, denn das Regiment von Goltz war nach dem Tod Schwerins Regimentschef und Gouverneur von Frankfurt / Oder geworden. Auch Christopher Duffy (vgl. ders., Prussias Glory, Rossbach and Leuthen, Seite 64) veranschlagt die preußische Armee lediglich mit einer Stärke von rund 22.000 Mann. Diese Größenordnung folgt offenbar dem Generalstabswerk (vgl. Großer Generalstab, Die Kriege Friedrichs des Großen. Dritter Theil, Bd. 5: Hastenbeck und Rossbach, Seite 272). 286 Vgl. Schöningh, Curd Wolfgang, Historisch-biographische Nachrichten zur Geschichte der Brandenburgisch-Preußischen Artillerie, Theil 2, Seite 63. 287 Siehe OestKA, AFA, Nr. 628: Siebenjähriger Krieg 1757, Reichsarmee XI–XII, Faszikel 9. 288 Siehe Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 4: 1757, Teil 3, Seite 40.
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Am Vormittag des 5. November beobachteten die Preußen zunächst die Bewegungen der verbündeten Truppen, welche sowohl Gaudi, Oberstleutnant von Mayr und die Generäle Friedrich Wilhelm von Seydlitz sowie Ferdinand von Braunschweig schon früh als einen Umgehungsversuch des Gegners deuteten. Der Einzige, der zunächst an einen Rückzug glaubte, scheint König Friedrich gewesen zu sein. Gegen 2 Uhr nachmittags begriff endlich auch er, dass die Verbündeten beabsichtigen ihn anzugreifen, sodass sich die preußische Armee eine halbe Stunde später in Marsch zu setzen begann. Die Preußen bezogen auf ebenem, aber leicht welligem Gelände, das charakteristisch für die gesamte Umgebung ist, zwischen Lunstädt und Reichardtswerben Stellung, wobei sich die Kavallerie auf der linken Flanke hinter dem Ort befand. Am rechten Flügel der Armee erhob sich damals der flache Janushügel, auf dem die Preußen ihre schwere Artillerie, darunter vor allem 12 12-Pfünder, 4 24-Pfünder und 2 10-pfündige Haubitzen, positionierten. Erst gegen 15.30 Uhr begann das Kavalleriegefecht, das die preußische Reitertruppe mit 38 Eskadrons inklusive sämtlicher schwerer Einheiten geführt von Generalmajor von Seydlitz bestritt. Unter seinem Kommando griffen die Preußen in dichtgeschlossenen Reihen und vollem Galopp auf den letzten Metern an. Da sich die Reiter der Franzosen und der Reichsarmee noch nicht vollständig formiert hatten, wurden sie durch den frühzeitigen Ansturm der preußischen Kavallerie und die Wirkung des einsetzenden Geschützfeuers sehr schnell zurückgeworfen289: „[Die] Cavallerie hat sich durchgehends bey dieser Gelegenheit ganz ungemein distinguiret, und ohnerrichtet des Canonfeuers so sie einmahl ohne sonderl. Schaden aushalten müssen, die franz, u. oester. Cavallerie dergestalt renversiret, daß selbige sich nicht wieder recolligiren können […]“290.
Kurz darauf eröffnete auch die Artillerie den Beschuss der anrückenden französischen Infanterie. Während sich die Kavallerie neugruppierte und die französischen Einheiten tief in ihrer linken Flanke zwischen den beiden Dörfern Tagewerben und Reichardtswerben anzugreifen drohte, rückte nun auch die preußische Infanterie vor. Die Infanterie der Franzosen wurde sehr schnell geschlagen, zumal die preußischen Truppen kaum länger als eine 1 / 4 Stunde feuerten, höchstens 12 bis 15 Schuss pro Mann verbrauchten und nur 7 Bataillone an den Feind brachten291. Dennoch scheint ihr Feuer vor allem aus kurzer Entfernung verheerend gewesen zu sein, da eine komplette Grenadierkompanie der französischen Brigade Piemont, die sich den preußischen Linien bis auf 50 Schritt genähert hatte, mit einer einzigen Salve nahezu ausgelöscht wurde292. Dem Regiment 289 Zum gesamten Absatz siehe Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 4: 1757, Teil 3, Seite 42–47 und insbesondere zu den Geschütztypen Schöningh, Curd Wolfgang, Historisch-biographische Nachrichten zur Geschichte der Brandenburgisch-Preußischen Artillerie, Theil 2, Seite 63. Zu Seydlitz’ Angriff vgl. Wiltsch, Johann Elisier Theodor, Die Schlacht von und nicht bei Roßbach oder die Schlacht auf den Feldern vor und bey Reichartswerben den 5. Nov. 1757 u. was ihr vorangieng und nachfolgte, Seite 164 f. 290 SächsHStA-DD, 10025 Geheimes Konsilium, Loc. 6484, Nr. 79: Schlacht bey Rossbach, Blatt 18 Rückseite. 291 Siehe Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 4: 1757, Teil 3, Seite 50. 292 Siehe SHD, Vincennes, M1 Mémoires et Reconnaissances, Nr. 208: Campagne en Alle magne 1757 Armée de Soubise et L’Empire, Seite 428.
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Piemont erging es ähnlich, als es versuchte die Preußen mit aufgepflanztem Bajonett zu attackieren, worauf diese in Anschlag gingen und den Angriff aus einer Entfernung von 15 Schritt regelrecht niedermähten293. Oberstleutnant Oflanagan von der Reichsarmee berichtete 2 Tage nach der Schlacht, er müsse „[…] sonderlich dem Regiment Piemont die Justitz leisten, daß es recht de bonne grace avanciret und bis 50 Schritt am Feind angerücket ist; allein kaum fing derselbe aus grob- und kleinen Geschütz zu feuern, so ging alles über und über; es ware keine Möglichkeit einen Troupp mehr zu herstellen, und wann man meynte eine Eskadron oder Bataillon bey einander zu haben, durfte nur eine einzige Stück-Kugel darunter fahren, da lieffe alles, wie die Schaafe, davon […]“294.
Die nicht mehr zu stoppenden Fluchtbewegung der verbündeten Truppen hing auch damit zusammen, dass zumindest die Bataillone des linken preußischen Flügels sofort nach der ersten Salve die französischen Einheiten mit ihren Bajonetten attackierten, die dadurch in Panik gerieten, was noch zusätzlich durch das Eingreifen der preußischen Husaren forciert wurde295. Hinzu kam, dass die preußische Artillerie auf dem linken Flügel den französischen Truppen durch ihr Kartätschenfeuer hohe Verluste zufügte296. Offensichtlich hatten die Preußen inzwischen einen Teil ihrer Geschütze verlagert, sodass zu diesem Zeitpunkt 2 Batterien die Marschkolonnen der verbündeten Truppen ins Kreuzfeuer nahmen und dadurch der nächsten Kavallerieattacke unter General von Seydlitz den Weg bahnten297. Gerade die schwere Artillerie sorgte unter den französischen Einheiten erneut für hohe Verluste: „[… D]ie Anzahl der feindlichen Todten ist erschröcklich, sie haben auf dem Schlachtfelde zu 30 über einander gelegen. Moller hat recht barbarisch in sie gewütet, es scheffelt wenn man mit 12lbgen Canons gefüllte Colonnen a tempo beschießen kan […]“298.
Den heftigen Beschuss der verbündeten Truppen durch die Preußen konnte man wohl noch aus einiger Entfernung gut erkennen. Vom Schloss von Weißenfels wurde nämlich beobachtet, wie in der einsetzenden Dämmerung das Musketen- und Geschützfeuer, das zwischen den Dörfern Reichardtswerben und Tagewerben angeblich besonders heftig war, immer wieder aufblitzte und beide Orte hell erleuchtete, während die Eskadrons der preußischen Kavallerie begannen, die gegnerischen Einheiten über die offenen Felder hinweg zu verfolgen299. 293 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 39 B: Preuß. Charge des affaires Hellen Mai–October 1757, Relation de la Bataille du 5e Novembre près de Micheln entre l’armée combinée et cette du Roi du Prusse, ecrité à Duderstadt le 20. Nov. 1757. 294 OestKA, AFA, Nr. 628: Siebenjähriger Krieg 1757, Reichsarmee XI–XII, Faszikel 19. 295 Siehe ebd., Faszikel 23. 296 Siehe Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 4: 1757, Teil 3, Seite 51. 297 Vgl. Wiltsch, Johann Elisier Theodor, Die Schlacht von und nicht bei Roßbach oder die Schlacht auf den Feldern vor und bey Reichartswerben den 5. Nov. 1757 u. was ihr vorangieng und nachfolgte, Seite 170 f. und 340 f. 298 OestKA, AFA, Nr. 628: Reichsarmee 1757 XI–XII, Faszikel 23. Alternativ vgl. Schöning, Curd, Geschichte des Königl. Preußischen Regiments Garde du Corps zu seinem hundertjährigen Jubelfeste, Seite 97. 299 Siehe SächsHStA-DD, 10025 Geheimes Konsilium Loc. 6484, Nr. 79: Schlacht bey Rossbach, Blatt 5 Rückseite.
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Offenbar war es diese Verfolgung, die die hohen Verluste auf feindlicher Seite hervorrief, denn während die Preußen auf dem Schlachtfeld nur 6–700 Tote fanden, wurden zunächst zwischen 2 und 3.000 Verwundete oder Gefangene zusammengebracht, deren Anzahl sich in den nächsten Tagen noch deutlich erhöhte, sodass man bis zum 7. November insgesamt 241 Offiziere und 4.631 Gemeine zählte, was aber immer noch nicht die Endbilanz darstellte. Die Preußen selbst verloren wohl nur 362 Mann und 162 Offiziere, erbeuteten 67 Geschütze sowie eine große Menge an Zelten und Wagen300, da der Gegner „[…] Tages vorher seine große Bagage auf Naumburg gegen Erfurth zu geschickt auch auf dem Champ de Bataille lassen müssen“301.
Die klare Niederlage des verbündeten Heeres war in taktischer Hinsicht besonders durch das nahezu optimale Zusammenwirken der preußischen Waffengattungen zustande gekommen. Die Franzosen glaubten rückblickend selbst, dass sie besser abgeschnitten hätten, wenn sie in ihrem Lager verblieben wären. Der wichtigste Grund für den Ausgang der Schlacht war jedoch ein anderer, nämlich die außerordentlich schlechte Verpflegungs- und Ausrüstungslage der verbündeten Truppen. General von Laudon zufolge hatte die Reichsarmee bis zum Tag der Schlacht 4 oder 5 Tage kein Brot erhalten302. Hinzu kam die nicht vorhandene Zeltausrüstung, was wohl dazu geführt hatte, dass die Reichstruppen mehrere Nächte lang froren. Auch die Holzbeschaffung stellte in der einsetzenden Winterzeit ein großes Problem dar, was sich daran zeigte, dass selbst die preußischen Truppen noch auf dem Schlachtfeld die Gewehrschäfte der erbeuteten Waffen verbrannten303. Aber nicht nur die Infanterie der Verbündeten hatte weitestgehend versagt, auch die Pferde der Franzosen und der Reichstruppen befanden sich offenbar in entkräftetem Zustand304. Insofern war es kein Wunder, dass die preußische Armee trotz klarer numerischer Unterlegenheit den Sieg errang, zumal sie sich nicht nur personell verstärkt präsentierte, sondern in Gestalt ihrer neuen Kleidungsstücke, ihres Pferdeersatzes und intensiver Verpflegungsmaßnahmen auch deutlich besser versorgt und ausgerüstet war. Schon am nächsten Tag trafen die Preußen mit 14 Bataillonen und 25 Eskadrons in Freyburg a. d. Unstrut ein, wo sie den Fluss über eine Furt und eine angefangene Schiffsbrücke der Franzosen bei Ißmitz passierten305. Die französischen Truppen hatten im Rahmen des Rückzuges nur 20 Bataillone gesammelt, die an diesem 6. November bis in die Nacht marschierten, um vorerst bis nach Sachsenburg und am nächsten Tag bis Sangerhausen zu gelangen, wobei sie permanent vom preußischen Freibataillon von Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 4: 1757, Teil 3, Seite 51. 10025 Geheimes Konsilium Loc. 6484, Nr. 79: Schlacht bey Rossbach, Blatt 5 Rückseite. 302 Siehe OestKA, AFA, Nr. 612: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 XI (1–350), Faszikel 241. 303 Siehe Barsewisch, C. F. R., Meine Kriegserlebnisse während des Siebenjährigen Krieges: 1757–1763, Seite 6. 304 Siehe Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 4: 1757, Teil 3, Seite 53 f. 305 Siehe ebd., Seite 58. 300 Siehe
301 SächsHStA-DD,
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Mayr verfolgt wurden, gegen das sich die Nachhut unter General St. Germain einigermaßen erfolgreich zu Wehr setzte306. Neben dem Freibataillon Mayr waren an der Verfolgung auch die 12 Husareneskadrons beteiligt, die die Franzosen und die Reichsarmee über Buttstedt und Eckartsberga sowie in Richtung Weißensee bis an den Rand des Thüringer Beckens hinaustrieben und damit die Verfolgung äußerst erfolgreich zum Abschluss brachten. Unterdessen hatten 7 Bataillone der Preußen in Freyburg selbst sowie auf dem Schloss Quartier bezogen und dann begonnen zahlreiche Tiere für ihren Fleischbedarf zu schlachten, darunter 24 Rinder, 30 Schafe, 12 Ferkel, 2 Sauen, sämtliche Hühner, Gänse und Enten, zu denen noch eine Forderung von 5.000 Zentner Heu kam307. Generalmajor von Retzow trieb derweil die Brotbeschaffung voran, indem er von der Stadt Weißenfels 12.000 6-pfündige Brote verlangte308, wozu in Naumburg erst 11.000 und am nächsten Tag noch einmal 12.000 Stück kamen309. In Weißenfels gelang es aber innerhalb der nächsten 2 Tage selbst unter Ausnutzung der Backkapazitäten der Einwohner, nur 3.341 Pfund aufzubringen, die dann größtenteils an das Dragonerregiment Meinicke und das Grenadierbataillon Lubath verteilt wurden310. Offensichtlich organisierten die Preußen auch deswegen weiteren Nachschub aus Leipzig, von wo am 8. November ein Konvoi des Regiments von Hauss mit 100 Brotwagen mit bis zu 90.000 Portionen zur Armee aufbrach311. Zusätzlich forderte Generalmajor von Retzow vom Stift Naumburg mit seinen umliegenden Ortschaften Laucha, Schulpforta und Trachtenberg 18.000 Brote und 1.450 Rationen an Pferdefutter, die bis zum 11. November aufzubringen waren, weil neben dem Regiment von Goltz, das schon kurz nach der Schlacht in Naumburg eingerückt war, nun mit dem Freibataillon Mayr noch 4 weitere Bataillone sowie 5 Eskadrons Husaren zu versorgen waren312. Die Truppen des Königs rasteten am 8. November in Freyburg, bevor der Großteil in Richtung Leipzig aufbrach, wo König Friedrich bereits am nächsten Tag über Merseburg eintraf. Dort sammelte sich inzwischen der Großteil der Gefangenen und Verwundeten. 306 Siehe GStAPK, I. HA, Rep. 96, Nr. 39 B: Preuß. Charge des affaires Hellen Mai–October 1757. Relation de la Bataille du 5e Novembre près de Micheln entre l’armée combinée et cette du Roi du Prusse, écrité à Duderstadt le 20. Nov. 1757. 307 Siehe LASA, MD, A 14 Amt Freyburg, AVIII, Nr. 30: Den March der königl. franzößischen Trouppen durch das Churfürstenthum Sachßen und besonders das Amt Freyburg betref., Blatt 149 Rückseite. 308 Siehe Stadtarchiv Weißenfels, A. I., Nr. 730: Protokoll Einquartierung und Durchmarch der Preußen Okt., Nov. 1757, 7. Nov. 309 Siehe Stadtarchiv Naumburg, Loc. 2001, XV, Nr. 13: Die Einrückung […] der Preußen […] in hiesige Stadt, Blatt 218 und 224 jeweils Vorderseite. 310 Siehe Stadtarchiv Weißenfels, A. I., Nr. 2619: Rechnung was die hiesige Bürgerschaft auf des königl. Preuß General von Rezow befehl an Brode geliefert mit annectierten Quittungen. 311 Siehe Stadtarchiv Leipzig, Titularakten, LXI, Nr. 10: Burchhardis Tagebuch oder Nachrichten aus dem Siebenjährigen Krieg, Blatt 31 Vorderseite. 312 Siehe Stadtarchiv Naumburg, Loc. 2001, XV, Nr. 13: Die Einrückung […] der Preußen […] in hiesige Stadt, Blatt 249 Vorderseite und 251 Vorder- bis 252 Rückseite.
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Ihre Anzahl war inzwischen auf 6.000 bis 7.000 Mann angewachsen, sodass man jedes Haus in der Stadt und den Vorstädten stark belegt und in der Schlosskirche ein Lazarett eingerichtet hatte313. Der Altar fungierte gar als Behandlungstisch, sodass das Gebäude im Anschluss komplett renoviert werden musste314. Die Gefangenen wurden dann am 10. November in großer Menge nach Leipzig eskortiert, wo in den folgenden Tagen 1.500 von ihnen auf der Pleißenburg einquartiert wurden. Allerdings reichten die Versorgungskapazitäten in Leipzig nicht aus. Als sich die Franzosen wegen ihrer schlechten Verpflegung beschwerten, ordnete König Friedrich angeblich an, dass man sie alle krepieren lassen möge315. Vielleicht war dies dem Umstand geschuldet, dass in Leipzig die Unterbringungsmöglichkeiten knapp wurden, da seit dem 11. November jene Einheiten eintrafen, mit denen König Friedrich nach Schlesien zu marschieren beabsichtigte, weil die dortigen Truppen nun dringend Unterstützung benötigten. IV.7.9. Rekapitulation der Operationen im Herbst des Jahres 1757 Der Herzog von Bevern hatte es im September zumindest geschafft, die Armee nach Schlesien zu führen und sie dort aus den Konvois und dem Liegnitzer Magazin zu versorgen. Vor allem die Tatsache, dass es ihm gelungen war, trotz enormer starker zahlenmäßiger Unterlegenheit und einer äußerst schwierigen Ausgangslage mit der Armee Breslau zu erreichen und dort mittels ihrer logistischen Unterstützungseinrichtungen und dem befestigten Lager eine noch stärkere Stellung zu beziehen, zeugten auf Seiten des Befehlshabers von außerordentlichem Organisationsgeschick, großer Umsicht und mentaler Stärke. Begünstigt wurden die Preußen allerdings auch durch den Umstand, dass die Versorgungswege der Gegner beim Eindringen nach Schlesien lang waren und die gleichzeitige Heranführung der schweren Artillerie viele Ressourcen erforderte, sodass sich die Verpflegungssituation der Hauptarmee im Landesinneren zunächst schwierig gestaltete und ein schnelleres oder aggressiveres Vorgehen nicht zuließ, insbesondere nachdem sich die Preußen bis vor Breslau zurückgezogen und verschanzt hatten. Der Feldzug in Westsachsen war allen Vorzeichen zum Trotz aus Sicht der Preußen ungeheuer positiv verlaufen. Nicht nur dass sich die Verlegung von König Friedrichs Korps sehr viel schwieriger gestaltet hatte, als es zu erwarten gewesen wäre, auch stand ihm in Thüringen eine scheinbar erdrückende Übermacht seitens der kombinierten Armee und der französischen Hauptarmee in Ostniedersachsen gegenüber. Allerdings kam die eklatante numerische Überlegenheit, die zwischen den Feldarmeen wenigstens 4 : 1 gegenüber der Armee König Friedrichs betrug, kaum zur Geltung. Dies war vor allem den massiven Versorgungsproblemen der Franzosen und der Reichsarmee geschuldet, die einerseits mit dem unwegsamen Gelände in Thüringen, den Entfernungen zu den größe313 Vgl. Cuno, Merseburg und die Schlacht bei Rossbach, Seite 27 f., in: Das Merseburger Land, Zeitschrift des Merseburger Vereins für Heimatkunde in Merseburg, Heft 23. 314 Vgl. ebd. 315 Siehe OestKA, AFA, Nr. 628: Reichsarmee 1757 XI–XII, Faszikel 53.
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ren Magazinen in Niedersachsen oder beidem zusammenhingen. Es war vielleicht der deutlichste Beleg dafür, wie sehr sich die Logik der zahlenmäßigen Überlegenheit umkehren konnte und zur Schwächung der Streitkräfte beitrug, wenn diese nicht zureichend oder gar drastisch unterversorgt waren. Gerade dieser Nachteil ihrer Gegner verschaffte den Preußen von Anfang an so viel Freiraum, dass es ihnen sogar möglich war, Einheiten unter Ferdinand von Braunschweig zum Entsatz ihrer bedrohten Provinzen Halberstadt und Magdeburg zu entsenden, wo es auch gelang, die französische Vorhut schnell und effektiv zu bekämpfen. Auch in den folgenden Monaten zeigte sich, dass die zahlenmäßige Überlegenheit der Gegner verpuffte, wenn sie sich, wie in der Oberlausitz oder in Thüringen, in Gebieten aufhielten, die unmittelbar zuvor stark von den Preußen ausfouragiert worden waren, weil sie sich dann in einer regelrechten Ressourcenwüste bewegten. Den Preußen, die in erster Linie durch die Präsenz der gegnerischen Kräfte zur Verteilung ihrer Kräfte gezwungen wurden, erwuchsen daraus paradoxerweise sogar Vorteile, denn durch die zunehmende Zersplitterung der Truppenkörper in einem immer größer werdenden Raum konnten sie nicht nur ihre Verpflegungsanforderungen besser verteilen, sondern waren durch ihre stärkere Präsenz in Fläche in der Lage, den Lieferungsforderungen mehr Nachdruck zu verleihen. Hierbei wurden sie noch dadurch begünstigt, dass sie sich überwiegend in jenen 3 Kreisen des Kurfürstentums Sachsen aufhielten, die bisher am wenigsten unter den militärischen Operationen gelitten hatten und auch zu den ertragreichsten Regionen des Kurfürstentums zählten316. Allerdings leisteten, beginnend mit dem Anmarsch des preußischen Korps aus Dresden über die Durchmärsche der Einheiten unter Moritz zu Anhalt-Dessau bis zur Fouragierung bei Leipzig, sowohl die Ressourcen der Messestadt als auch Torgau mit seiner Umgebung einen besonderen Beitrag zur Lagerung und Herstellung der Lebensmittel. Zurückzuführen war dies einerseits auf die sehr gute agrarische und infrastrukturelle Ausstattung für die Broterzeugung sowie die hervorragenden Einquartierungsmöglichkeiten. Die schlechte Verpflegungs- und Ausrüstungslage der französischen Hilfs- und Reichsarmee und das große Ressourcenreservoir auf preußischer Seite, das sie trotz mancher Knappheit all ihre Versorgungsbelange gut bewältigen ließ, führten in Kombination mit der diplomatischen Initiative im Raum Magdeburg-Halberstadt dazu, dass die Operationen in Westsachsen auf strategischer Ebene zu Gunsten der Preußen entschieden wurden. Durch das Verhandlungsangebot der Preußen, das der französischen Armee angesichts ihrer angespannten Verpflegungslage gerade recht kam, gewannen sie vor allem aber die Zeit, um die Bedrohung durch die verbündeten Truppen in Thüringen auch auf operativtaktischer Ebene auszuschalten, weil diese ihnen leichtsinnigerweise sogar zum Kampf in offenem Gelände entgegenkamen, obwohl sich damit ihre Verpflegungsschwierigkeiten durch die sich ausdehnenden Versorgungswege weiter intensivierten. Erstere waren nun gar nicht mehr zu bewältigen, weil sie in den Gebieten operierten, die die Preußen zuvor schon weitestgehend ausfouragiert hatten. Hieraus resultierten nicht nur die ver316 Vgl. III. Teil 1.: Die logistisch relevanten Ressourcen in Schlesien, Sachsen, Böhmen und Mähren.
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zweifelten Plünderungen durch die Verbündeten, sondern auch ihre Niederlage in der Schlacht von Rossbach, die letztlich durch die materiellen und personellen Verstärkungen der Preußen und die daraus resultierenden Höchstleistungen an Beweglichkeit und Feuerkraft im Gefecht besiegelt wurde.
IV.8. Zwischen Sieg und Niederlage: Der Winterfeldzug in Schlesien und Ende des Kriegsjahres 1757 IV.8.1. Die Entwicklungen in Mittelschlesien bis zum Fall der Festung Schweidnitz Während sich die Situation in Sachsen seit der Schlacht von Rossbach stark geändert hatte, ergaben sich in Schlesien seit Mitte Oktober auf beiden Seiten kaum operative Entwicklungen. In den kommenden 4 bis 5 Wochen sollte der Sieg für die Österreicher in diesem Krieg durch den Fall von Schweidnitz und Breslau in greifbare Nähe rücken, bevor er ihnen nach der Schlacht bei Leuthen durch die Rückeroberung Breslaus und den völligen Zerfall ihrer Armee in Verfolgung auf dramatische Weise wieder entrissen wurde. Die Armee des Herzogs von Bevern stand Anfang / Mitte November mit 37–40.000 Mann noch immer der Hauptarmee der Österreicher gegenüber, die über ca. 53.000 Mann, darunter 10.623 Berittene, verfügte1. Der Großteil der österreichischen Generalität, darunter Feldmarschall Daun und Feldzeugmeister Kheul, war sich darüber einig, dass es in der gegenwärtigen Lage am ratsamsten sei, die Belagerung von Schweidnitz zu unterstützen, während man von der Einnahme Breslaus wegen der Vielzahl an feindlicher Artillerie absehen wollte, da man glaubte, die Einnahme der Stadt angesichts dessen nur bei Inkaufnahme eines hohen Blutzolls erreichen zu können2. Dies mag nicht unwesentlich damit zusammengehangen haben, dass die Österreicher bereits seit ihrem Eintreffen vor Breslau mit erheblichen Verpflegungsschwierigkeiten zu kämpfen hatten. Allerdings hoffte man selbst bei einem Tagesbedarf von 140.000 Brotportionen bis Mitte November auskommen zu können, während der Hafer bei 80.000 Pferdeportionen3 pro Tag gerade bis Mitte Oktober reichte4. Auch die Raufutterbeschaffung gestaltete sich relativ schwierig, obwohl es offensichtlich im Land genug Heu gab. Das Problem bestand laut Baron von Nettolitzky darin, dass die Dörfer in der näheren Umgebung durch die Pferde der Bagage ausfouragiert waren und die Regimenter sich 1 Siehe
20.
2 Siehe
OestKA, AFA, Nr. 610: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 X (1–400), Faszikel ad
ebd., Faszikel 262. Anzahl der Pferdeportionen ist bei den Streitkräften der Habsburger nicht zwangsläufig mit der Anzahl der Pferde gleichzusetzen, weil wie in diesem Fall bisweilen 1 ½ Portionssätze ausgegeben wurden, um durch den höheren Hartfutteranteil fehlende Raufuttermengen zu kompensieren. 4 Siehe OestKA, AFA, Nr. 610: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 X (1–400), Faszikel 216. 3 Die
IV.8. Der Winterfeldzug in Schlesien und Ende des Kriegesjahres 1757529
unfähig zeigten, Nachschub zu beschaffen, weil an den Orten, wo sich noch Bestände fanden, diese rasend schnell verbraucht wurden. Als Gegenmaßnahme wiesen die Österreicher nun sowohl den einzelnen Regimentern bestimmte Dörfer für ihre Versorgung zu als auch jedem Flügel der Armee zusätzlich 3 Fürstentümer bzw. Kreise an5. Baron von Nettolitzky hatte im Hirschberger, Lemberger, Goldberger, Neumarckter, Breslauer, Steinauer, Raudentzer, Libentzer und in anderen Kreisen insgesamt wohl 98.000 Scheffel Mehl und fast 129.000 Scheffel Hafer ausgeschrieben6. Nach dem Breslauer Scheffel hätte dies 5.782 Tonnen Mehl und 5.289 Tonnen Hafer entsprochen, was für die 97.000 Mann nach dem Loco-Stand 78 Tage und für die 18.600 Kavalleriepferde 71 Tage reichte7. Problematisch war nicht nur, dass sich die Landesbewohner bei der Ablieferung widerwillig zeigten, sondern auch viele Proviantwagen für den Transport von Kranken und Rekonvaleszierten genutzt wurden und viele der bedungenen Wagen bei immer schlechter werdenden Straßen ausfielen, was den zeitgleichen Transport der Belagerungsartillerie und der Munition fast unmöglich machte8. Deshalb versuchten die Österreicher nun auch die böhmischen Magazinbestände bei Kolin, Kuttenberg und Pardubitz, obwohl diese im Vergleich zu jenen in Mähren nicht übermäßig groß waren, durch die dortigen Landesfuhren über Trautenau bis nach Landeshut zu verlegen und von dort erst durch schlesische Fuhren abholen zu lassen9. Allerdings konnte dies das Problem auch nicht beheben, obwohl man zur Unterstützung des Proviantfuhrwesens und der Artillerietransporte sogar 1.200 Pferde aus der Steiermark und Oberösterreich heranführte10: „Nun seithe deme Landshutt ohne Gefahr ist, wird durch bedungene Wägen von Trauttenau zwar beständig beygeführet, das allzu grosse Consumo aber, und die weith entlegene Seith der Armee lasset den Vorrath nicht anwachßen, sondern es wird so zusagen, wie es beygebacht wird, ebenfalls, wie bey denen Landeslieferungen gleich wiederum aufgezäret“11.
Insofern war man sich auf österreichischer Seite völlig darüber im Klaren, dass man auf die Zulieferungen des Landes nicht verzichten konnte. Letzteres gestaltete sich aber aufgrund des Widerstandes der lutherischen Einwohner schwierig, während die katholischen Einwohner wenig beizutragen vermochten12. Wie der ausführliche Bericht des Oberproviantkommissars von Hauer zeigt, war dies aber bei Weitem nicht das einzige Problem, das die Erschließung der lokalen Ressourcen für die Österreicher erschwerte. Obwohl sie die Kavallerieeinheiten in die jeweiligen Dörfer zur Abholung des Futters entsandten, warfen 3 Garben Getreide in der Regel nicht genug Hafer und Stroh für eine 6-Pfund-Hartfutterportion und für 14 Pfund Rau5 Siehe 6 Siehe
ebd., Faszikel 327-5 und 327-6. OestKA, AFA, Nr. 610: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 X (1–400), Faszi-
kel 292. 7 Siehe ebd., Faszikel 34. 8 Siehe ebd., Faszikel 292. 9 Siehe ebd., Faszikel ad 350. 10 Siehe ebd., Faszikel 330. 11 Ebd., Faszikel 292. 12 Siehe ebd.
530
IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
futterportion ab. Hauer führte dies darauf zurück, dass die meisten Bauern zu preußischen Kriegsdiensten herangezogen wurden, sodass die Garben oft von ihren Frauen, Mägden und Kindern gebunden werden mussten. Bewusst war ihm auch, dass der Transport der Lebensmittel wegen des hohen Verbrauchs der dafür erforderlichen Wagenmengen sehr problematisch war. Hieran konnte auch der Umstand nichts ändern, dass man seit dem Einrücken in Schlesien den Nachschub aus den böhmischen Magazinen über die kürzere Route in Richtung Trautenau umgeleitet hatte, zumal auf demselben Weg nicht nur der große Belagerungspark samt Munition, sondern auch die württembergischen und bayrischen Hilfstruppen anrückten und dabei den gesamten Landesvorspann in Beschlag nahmen13. Dies verstärkte die Versorgungsprobleme aber dermaßen, dass einige Kommandeure wie General Esterhazy schon Anfang Oktober befürchteten, dass die Verpflegung der Truppen, aber auch die Holzversorgung angesichts der schlechten Witterung und Entfernung von den Magazinen nahezu unmöglich werden würde, sodass ein hoher Ausfall an Kranken in absehbarer Zukunft unausweichlich schien, zumal sich die Kavallerie schon in schlechtem Zustand befand14. Bei den vorgeschobenen Verbänden machte sich dies am deutlichsten bemerkbar. So berichtete General von Morocz, dass zwischen dem 9. und 15. Oktober 23 Pferde bei seinen Regimentern aufgrund von Fouragemangel krepiert seien15. Abgesehen davon gab es aber noch andere Faktoren, die zu einem beträchtlichen Abgang an Pferden führten, denn die Österreicher beluden diese oft zu sehr mit Fourage oder mit zu schweren Stämmen im Rahmen der Holzbeschaffung. Der wichtigste Grund für ihren zunehmenden Abgang war aber die Tatsache, dass sie im September stark unter dem Regenwetter und der danach eingetretenen Kälte gelitten hatten, obwohl die Österreicher glaubten, dass ihre Ausfälle vergleichsweise geringfügig ins Gewicht fielen, da die Preußen auf diese Weise angeblich 2.000 Stück verloren hätten16. Offensichtlich konnten die Preußen ihre Verluste aber kompensieren. So berichtete der Deserteur Isidorus, den die Österreicher aufgriffen hatten, dass der Vorrat an Hafer in Breslau und im Lager noch beachtlich sei und täglich Heu- und Strohmengen geliefert wurden, die auf dem Bürgerwerder und vor dem Odertor lagerten17. An Broten herrschte offensichtlich sogar ein Überfluss, denn ein polnischer Bäcker berichtete, dass er sein Schwarz- und Weißbrot in Breslau nicht hätte verkaufen dürfen, weil die dortigen Bäcker die Stadt und das Lager allein beliefern konnten, obwohl die Einfuhr aus Polen ansonsten, 13 Zum gesamten Absatz siehe OestKA, AFA, Nr. 611: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 X (401–Ende), Faszikel 407. 14 Siehe OestHHStA, Kriegsakten, Nr. 357: Schreiben General Esterhazys aus Marschwitz am 6. Oktober 1757. 15 Siehe OestKA, AFA, Nr. 611: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 X (401–Ende), Faszikel 451. 16 Siehe ebd. 17 Siehe OestKA, AFA, Nr. 610: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 X (1–400), Faszikel 351.
IV.8. Der Winterfeldzug in Schlesien und Ende des Kriegesjahres 1757531
insbesondere an Schlachtvieh, sehr stark war, weil König Friedrich auf sämtliche Lebensmittel die Akzise erlassen hatte18. Wahrscheinlich hingen die Absatzprobleme neben der Konkurrenz aber auch damit zusammen, dass ausreichende Backkapazitäten und genügend Bäckereipersonal zur Verfügung standen, denn in Breslau gab es mit 124 Bäckern bei Weitem genügend Backpersonal und -einrichtungen19, deren Kapazitäten noch durch die 17 eisernen Backöfen erhöht wurden, die in der Nähe des sogenannten Mäuseteiches errichtet worden waren20. Die lokalen Ressourcen der Stadt halfen auch bei der Versorgung der Kranken und Verwundeten, mit denen viele Schulen und andere große Gebäude belegt waren21, darunter auch die Hörsäle der Universität22. Die Unterbringungssituation in Breslau war weitestgehend unproblematisch, denn in der Stadt selbst lebten 36.194 und in den Vorstädten 18.466 Menschen23, sodass im Durchschnitt nicht einmal 1 einquartierter Soldat auf 1 Einwohner kam. Da es in der Stadt selbst 2.176 und inklusive der Vorstädte 3.227 Häuser gab24, betrug die Belegungsquote pro Haus selbst mit den Bevern’schen Truppen nicht mehr als 30 Mann im Durchschnitt. Allerdings verdichteten sich gegen Ende Oktober massiv die Hinweise darauf, dass die Preußen aus der Kurmark Brandenburg mehrere tausend Rekruten erhalten sollten, wovon angeblich 4.000 schon in den Dörfern entlang des Weidaflusses lagerten25, sodass sich der Gedrängefaktor erhöhte, aber vermutlich keine dramatischen Ausmaße annahm. Wesentlich schwieriger waren die Unterbringung und die Verpflegung der Pferde. Dabei bereitete die Einquartierung wohl noch die geringsten Probleme, denn wahrscheinlich standen in der Umgebung der Stadt insgesamt 750 Stallungen und über 18 Siehe
ebd., Faszikel 640. Staatsarchiv Breslau (A. P. we Wrocławiu), Magistrat Miasta Wrocławia, Nr. 3: Die Einrichtung und Einsendung der historischen Tabellen an Königl. Kriegs- und Domainencammer, betref a 1mo Februaris 1750 ad ult. Decembris 1767, Blatt 88 Rückseite. 20 Siehe Menzel, Karl Adolf, Topographische Chronik von Breslau, Seite 745. 21 Siehe OestKA, AFA, Nr. 611: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 X (401–Ende), Faszikel 432. 22 Vgl. Grünhagen, Colmar von, Schlesien unter Friedrich dem Großen, Bd. 2, Seite 498. 23 Siehe Staatsarchiv Breslau (A. P. we Wrocławiu), Magistrat Miasta Wrocławia, Nr. 3: Die Einrichtung und Einsendung der historischen Tabellen an Königl. Kriegs- und Domainencammer, betref. a 1mo Februaris 1750 ad ult. Decembris 1767, Blatt 98 Rückseite. 24 Laut dieser Aufstellung der Kriegs- und Domänenkammer verfügte Breslau inklusive der Vorstädte nur über 2.176 Häuser (siehe Staatsarchiv Breslau [A. P. we Wrocławiu], Magistrat Miasta Wrocławia, Nr. 3: Die Einrichtung und Einsendung der historischen Tabellen an Königl. Kriegs- und Domainencammer, betref a 1mo Februaris 1750 ad ult. Decembris 1767, Blatt 86 Rückseite). Wahrscheinlich ist hierbei aber nur der engste Kreis erfasst worden, denn die Kriegskarte von Schlesien, die zwischen 1747 und 1753 entstand, gibt die Häuseranzahl mit 3.227 Stück deutlich höher an (siehe Staatsbibliothek zu Berlin, Kartensammlung, N-15060, Bd. 5, Nr. 32: Ein Theil Breslauer und Oelsnsichen Fürstenthums, Breslauer, Oelsnischen und Trebnitzer Creises). 25 Siehe OestKA, AFA, Nr. 611: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 X (401–Ende), Faszikel 456 und 499. 19 Siehe
532
IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
220 Scheunen zur Verfügung26, sodass die 7–8.000 Pferde der Kavallerie problemlos untergebracht werden konnten. Da die Armee mit den anderen Pferden der Infanterie, Artillerie und des Fuhrwesens um die 20.400 Tiere umfasste, hing die Frage des gesamten Tagesbedarfs und auch der Einquartierungsproblematik davon ab, ob die 12.000 Pferde des Nachschubwesens ebenfalls mit zu versorgen waren oder ob man sich dieser zusätzlichen Konsumenten durch die Entlassung des Vorspanns und anderer Teile des Fuhrwesens entledigt hatte. Die Aufbringung der riesigen Futtermengen war aber so oder so problematisch. Laut dem österreichischen General Beck hatten die preußischen Husaren den Einwohnern der nahegelegenen Stadt Auras deswegen auch bei Henkersstrafe untersagt, den Österreichern Fourage zu liefern27. Offenbar erhielten die Preußen aber aus Polen und den schlesischen Fürstentümern Öls und Wohlau starke Fouragelieferungen, die beim Dohm aufgefahren wurden, während die preußischen Soldaten damit beschäftigt waren, permanent die Landstraßen auf der linken Oderseite zu patrouillieren28. Aus Polen erhielten sie, wie schon erwähnt, auch eine Vielzahl von Ochsen, weil 3 der wichtigsten Exportrouten von dort gen Westen in Schlesien endeten29. Die ausführlichen Berichte der österreichischen Aufklärung hierüber waren dem Umstand geschuldet, dass Becks leichte Truppen mindestens 2 Schiffsbrücken über die Oder bei Gloschke und bei Klein-Pogel errichtet hatten, die die Preußen aber nun zu zerstören drohten30. Hierfür zogen sie schon am 24. Oktober bei Wohlau angeblich 3.000 Mann und 2 Geschütze zusammen, nachdem sie bereits bei Lebus eine Schiffsbrücke in Brand gesetzt und anschließend den Ort mit einigen hundert Mann besetzt hatten31. Nicht weniger als 4.000 Mann waren offensichtlich in den Tagen zuvor schon beständig mit der Eskorte des Nachschubs aus Glogau beschäftigt32. Auch bei den Angriffen auf die Schiffsbrücken ging es den Preußen wohl nicht nur darum, die Österreicher über den Fluss zurückzudrängen, sondern die Verbindungswege über Land zu sichern und die
26 Im Jahr 1794 verfügte Breslau mit sämtlichen Vorstädten im größeren Umkreis bei 3.374 Häusern über 829 Stallungen und 228 Scheunen (siehe Zimmermann, Friedrich Albert, Beytraege zur Beschreibung Schlesiens, Bd. 11, Seite 65). Da die Häuseranzahl gegenüber den 3.227 Stück in den Jahren vor dem Siebenjährigen Krieg nur um 5 % zugenommen hatte, ist es wahrscheinlich, dass die Menge der Stallungen und Scheunen sich bis zum Ende des 18. Jahrhunderts ebenfalls nur leicht vermehrt hatte, sodass auch schon in der Mitte des Jahrhunderts mehr als 750 Stallungen und über 200 Scheunen existiert haben dürften. 27 Siehe OestKA, AFA, Nr. 611: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 X (401–Ende), Faszikel 416. 28 Siehe ebd., Faszikel 432. 29 Siehe ebd. und die Karte in Baszanowski, Jan, Ochsenzuchtgebiete und Ochsenausfuhr aus Polen vom 16. bis 18. Jahrhundert, Seite 135. 30 Siehe OestKA, AFA, Nr. 611: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 X (401–Ende), Faszikel 619. 31 Siehe ebd. 32 Siehe OestKA, AFA, Nr. 611: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 X (401–Ende), Faszikel 545.
IV.8. Der Winterfeldzug in Schlesien und Ende des Kriegesjahres 1757533
Oder freizukämpfen, damit ein Bagagetransport von 68 Schiffen nach Glogau geleitet werden konnte33. Von der Präsenz der Österreicher auf der rechten Oderseite berichtete auch Prinz Ferdinand von Preußen, der sich bei der Armee des Herzogs von Bevern vor Breslau aufhielt. Er bestätigte, dass 1.000 Infanteristen, das Husarenregiment von Puttkammer sowie ein weiteres Freibataillon versuchten Becks Einheiten zu vertreiben. Trotz der vielseitigen Bedrohung durch die gegnerischen Streitkräfte war die Lage der preußischen Armee nicht hoffnungslos. Sie verfügte gegen Ende Oktober zwar nur über 28.000 Mann, konnte sich auf ihr befestigtes Lager an der Lohe stützen, hatte kaum Abgänge durch Desertion und stattdessen Lebensmittel im Überfluss, zumal manche Einheiten mehrmals pro Woche Fleisch erhielten. Selbst die Pferde der Kavallerie befanden sich wohl wieder in gutem Zustand. Das einzige Problem war der Anstieg der Krankenzahl, der laut dem Herzog von Bevern mit der schlechten Bekleidung zusammenhing34: „Die Regimenter leyden sonst hier im Lager ungemein wegen der rauen und kalten Witterung, da die mehrsten ganz abgerissen und so übel als möglich bekleidet seynd. Ich habe, um die Leuthe so viel möglich zu conserviren, tuchern Hosen ihnen machen und darzu Geld aus der vacanter Casse vorschießen zu lassen mich genöthiget gesehen, da die mehrsten Regimenter solche nicht haben, noch jetzt wissen wo ihre Mundirung befindlich“35.
Knapp war vor Ort, wie in ganz Schlesien, auch das Geld, was dazu führte, dass zwar enorme Lieferungen vom Land gefordert wurden, diese aber nur durch Quittungen und nicht mit Bargeld bezahlt wurden, zumal die Kosten für die Beschaffung der Magazinvorräte um 1 Drittel von 4 auf 6 Millionen Taler im Vergleich zum Vorjahr gestiegen waren36. Angesichts dessen sah sich Minister von Schlabrendorff wohl zu schärferem Durchgreifen gezwungen. „Le Premier de l’etat civil gouverne cette Province avec sceptre de fer, il peut avec veritè dire […] que Schlabrendorff meritenit un perime de l’Impatrice, puisqu’il est causé que la Silesie desire [de] echouer le joug & esclavage prussien“37.
Die österreichischen Aufklärungsberichte von Ende Oktober / Anfang November 1757 bestätigten das von Prinz Ferdinand gezeichnete Bild einer sich bessernden Versorgungslage auf Seiten der Preußen, denn obwohl man täglich Kranke mit Wagen in die Vorstädte transportierte, so wurden sie doch permanent von den Rekonvaleszierten und neuen Rekruten ersetzt. Die Anzahl Letzterer belief sich laut einigen entlassenen Bauern 33 Siehe
ebd., Faszikel 536. gesamten Absatz siehe GStAPK, BPH, Rep. 57 / I Prinz Ferdinand von Preußen, J Nr. 29, Bd. III: Lettres du Pr. Ferdinand au Prince du Prusse dep – 1755 jusq. 1758, Blatt 180 Rückseite. 35 GStAPK, VI. HA., Nr. 4: Nachlass Herzog August Wilhelm von Braunschweig Bevern, Blatt 82 Vorderseite. 36 Siehe GStAPK, BPH, Rep. 57 / I Prinz Ferdinand von Preußen, J Nr. 29, Bd. III: Lettres du Pr. Ferdinand au Prince du Prusse dep – 1755 jusq. 1758, Blatt 184 Rückseite und 185 Vorderseite. 37 Ebd., Blatt 184 Rückseite. 34 Zum
534
IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
inzwischen auf 8.000 Mann. Die von den Spanndiensten zurückgekommenen Landwirte berichteten auch, dass ein polnischer Jude sehr viele Remontepferde nach Breslau geliefert habe. Dies war jedoch nicht die einzige Quelle des Pferdeersatzes, denn die Preußen beschafften aus den Dörfern unabhängig von Farbe und Größe viele Pferde und behielten zusätzlich manche Vorspannpferde ein, was angesichts des stattlichen Potentials von rund 24.000 Stück in den Regionen rechts der Oder nicht schwierig war. Durch diese 3 Maßnahmen, sprich Zulieferung, Konfiskation und Eintreibung, gelang es offenbar, die preußischen Kavallerieeinheiten wieder vollständig in den berittenen Stand zu versetzen. Die umfassenden Lieferungen von polnischer Seite und sämtlichen Kreisen der rechten Oderseite ermöglichten es auch, den Pferden eine doppelte Haferration zukommen zu lassen und sie dadurch einsatzbereit zu halten oder wieder zu machen. Probleme konnten lediglich daraus erwachsen, dass die Truppen auf der rechten Oderseite sehr schwach waren. Insofern durften sich die Preußen glücklich schätzen, dass die meisten Zufuhren ankamen, sodass durch das Ohlau’sche Tor und über den Dom bzw. die Dominsel sehr viel Nahrung für Mensch und Tier nach Breslau gelangte. Bemerkenswert war auch, dass man ein weiteres großes Magazin in Wohlau anlegen konnte38. Der dortige Landrat von Tschammer war Anfang und Mitte November ebenfalls damit beschäftigt, weitere Lieferungen nach Breslau voranzutreiben: „Auf königl. Special Befehl dd 1 huj sollen alle Tage aus dem Wohlauschen Creyße 600 Scheffl. Haaber, 250 Cent. Heu und 30 Schock Stroh nach Breßlau vor die königl. Preußisch Armée geliefert werden. Es sollen daherig die hier benennte Dominia und Bauernschaften auf den 12. Nov. fortfahren das ihnen zugetheilte Quantum an Haaber Heu und Stroh ohnausbl. abliefern ingleichen können sich die Bauern nicht mit denen Transportfuhren entschuldigen, die weil sie noch so viell Pferde in Reserve haben außern diese Liefferung zu bestreitten und sich also jedweder Außbleiblichkeit das gröste Unglück zuziehen wird. Dieses Circulare ist unterschrieben Dahse den 4. Nov. 1757 […] G. E. von Tschammer“39.
Die Versorgungslage der habsburgischen Streitkräfte blieb bis Ende Oktober schwierig. Wie die folgende Tabelle zeigt, war inzwischen aber ein Großteil der geforderten Lieferungen aus Schlesien eingetroffen, sodass sich die Lage etwas zu entspannen begann.
38 Zum gesamten Absatz siehe OestKA, AFA, Nr. 612: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 XI (1–350), Faszikel 176, 185 und ad 196. Zur ungefähren Anzahl der Pferde in den schlesischen Gebieten rechts der Oder siehe Staatsbibliothek zu Berlin, Kartenabteilung, N 15060-2 und 5. 39 OestKA, AFA, Nr. 613: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 XI (351–Ende), Faszikel 432 a.
IV.8. Der Winterfeldzug in Schlesien und Ende des Kriegesjahres 1757535 Tabelle 79 Vom Herzogtum Schlesien an die Österreicher gelieferte Naturalienmengen bis zum 31. Oktober 175740
Korn
Mehl
Brot
Hartfutter
Raufutter
Scheffel
Zentner
Portionen
niederöst. Metzen
Portion
Seit Einrückung bis 15. Oktober zur Hauptarmee
253 ⅓
29.690
497.387 ½
126.646 ⅜
991.901 ½
Vom 16. bis 31. Oktober zur Hauptarmee
378 ½
71.989
4.346
634.608
24.419
10.112
97.484
6.539
29.349
12.459
6.531
419
26.074
2.843
18.624
2.526
13.866
205.012
1.818.43741
42.786
3.828
6.485
10.001
42
38
An Nadasdys Korps
4.294
Jauer
3.064
Liegnitz
11.022
6.950 ½
Landeshut Neumarckt
2.389
Striegau
2.089
Summe Summe in Tonnen
631 4/5
52.559
54
3.206
3.733
604.479
Hafer in Garben
Lager stroh
Bund
42.786
3.630
19
Bis Ende Oktober hatte man ca. 1 Drittel der von Baron Nettolitzky geforderten Mehlmenge und über die Hälfte des Hafers erhalten. Hiervon wurde der Großteil mit 1.781 Tonnen Mehl, fast 500.000 Portionen Brot, 4.010 Tonnen Hafer und 5.455 Tonnen Heu schon bis zum 15. des Monats abgeliefert. Da man nicht nur die 97.000 Mann und die 18.600 Kavalleriepferde zu versorgen hatte, sondern insgesamt 117.000 Soldaten und mindestens 38.700 Tiere verpflegt werden mussten42, lag der Verbrauch pro Tag bei 87 Tonnen Mehl, 154 Tonnen Hafer und 212 Tonnen Heu. Folglich war der Bedarf mit den 40 Zu sämtlichen Zahlen in Originalzahlen in der Tabelle mit Ausnahme der Summe bei der Raufuttermenge siehe OestKA, Zentralst., Generalkriegskommissariat, Akten, Nr. 55 Militärdirectoralia 1757 XI / 141–XII / 330, Faszikel XI / 259: Summarischer Extract Was seith der Einrückung in das Herzogthum Schlesien bis inclusive 31ten Octobris zu Behuf der Armee Verpflegung an nachstehenden Naturalien durch dasselbe geliefert worden. 41 Im Original sind an dieser Stelle 1.248.438 Raufutterportionen angegeben, was offensichtlich auf einen einfachen Additionsfehler zurückzuführen ist. 42 Vgl. die Tabelle hier im IV. Teil 8.4.: Die Schlacht bei Breslau und der Rückzug des preußischen Korps.
536
IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
zur Hauptarmee gelieferten Mengen insgesamt nur 25 Tage zu decken. Da hieraus wohl schon die Versorgung im September bewerkstelligt werden musste, reichten die Vorräte faktisch nur bis zum 19. Oktober. Mit den zusätzlichen Pferdefutterbeständen bei Nadasdys Korps und in den anderen Magazinen ließen sich die Pferde für 16 weitere Tage versorgen, zusammen also bis zum 7. November. Auch für die Truppenverpflegung war es wichtig, die Vorräte aus Jauer, Liegnitz, Striegau und Landeshut heranzuführen, wo insgesamt noch 1.132 Tonnen Mehl lagerten, mit denen sich die Soldaten noch für 13 weitere Tage, also bis Ende Oktober, ernähren ließen. Daher zeigte sich Hauer am 18. Oktober zuversichtlich, die Armee noch bis zum Ende des Monats mit Brot versorgen zu können, während das Hartfutter für die Pferde 4 Tage früher auszugehen drohte, wenn für den Zeitraum nicht die entsprechende Menge aus Trautenau über Landeshut mit einer Vielzahl bedungener Wagen herangeführt wurde43. Baron von Nettolitzky hatte Hauer am 18. Oktober mitgeteilt, dass er beabsichtigte die Vorräte aus Pardubitz mit 4.200 vierspännigen Wagen nach Landeshut zu schaffen44. Er hegte aber Zweifel am Erfolg des Plans, weil sich die Straßen in schlechtem Zustand befanden. Deswegen wandte er sich an Graf Kollowrath und Kommissar von Sadlo, damit diese sie von den schlesischen Landesbewohnern ausbessern ließen, was angesichts ihrer bisherigen Widerwilligkeit aber nicht zu erwarten stand45. Am 21. Oktober war Hauer aber zuversichtlich, die Armee noch 5 Tage mit allem verpflegen zu können, wobei die Pferde der Infanterie in erster Linie Stroh als Raufutter erhielten, weil sie bisher am wenigsten gelitten hatten46. Um weiteres Raufutter vor Ort zu gewinnen, sollte das Gersten- und Haferstroh der ausgedroschenen Garben, das in den Ortschaften noch vorhanden war, abgeliefert werden47. Dies trug dazu bei, dass von den 3.490 Tonnen Stroh, die in der zweiten Oktoberhälfte eintrafen, sämtliche Pferde 20 weitere Tage, d. h. bis Mitte November, versorgt werden konnten. Die Karte zeigt die schwierige operative Lage der Österreicher in Schlesien aufgrund der Geländehindernisse und der Kräfteverteilung der Preußen:
43 Siehe kel 516. 44 Siehe 45 Siehe 46 Siehe kel 571. 47 Siehe
OestKA, AFA, Nr. 611: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 X (401–Ende), Fasziebd., Faszikel 511. ebd. OestKA, AFA, Nr. 611: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 X (401–Ende), Fasziebd., Faszikel 516.
48 Karte adaptiert nach http: / / www.breslau-wroclaw.de / de / breslau / geographic / maps / map_images / panoramakarte_1935.jpg (letzter Zugriff am 15.05.2017).
Abbildung 51: Operativ-logistische Lage in Schlesien vor dem Hintergrund der geographischen Bedingungen im Oktober und November 175748
IV.8. Der Winterfeldzug in Schlesien und Ende des Kriegesjahres 1757537
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IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
Zur Verbesserung der Versorgungslage beabsichtigte man zusätzlich aus Böhmen, Mähren und Niederösterreich noch einmal 100.000 Zentner Mehl und 200.000 Metzen Hafer, d. h. 6.100 bzw. 6.332 Tonnen, heranzuführen49. In Anbetracht der permanenten Knappheit befahl nun auch Maria Theresia den Lieferungsanordnungen mit höheren Geldstrafen und Gewaltanwendung mehr Nachdruck zu verleihen50. Vor allem aber riet sie ihren Generälen im Hinblick auf die Einrichtung der Winterquartiere dazu, möglichst bald Breslau einzunehmen oder, falls dies nicht möglich sei, sich Briegs als alternativem Stützpunkt an der Oder zu bemächtigen51. Bezeichnenderweise hatte auch sie erkannt, dass die Einnahme von Schweidnitz und die Entsendung der dort eingesetzten schweren Artillerie ebenfalls unverzichtbar für die Einnahme Breslaus waren52. Auch ihr Schwager Karl von Lothringen betonte am 25. Oktober, dass derzeitige Offensivaktionen der Hauptarmee nur geringe Aussicht auf Erfolg hatten, weil zwischenzeitlich nur 29.000 Infanteristen und ca. 8.000 Kavalleristen für einen Angriff zur Verfügung standen53, obwohl die Gesamtstärke der Truppe nach dem dienstbaren Stand 14 Tage später ohne die Rückkehr der kommandierten Abteilung vom Schweidnitzer Belagerungskorps eigentlich noch 10.000 Mann darüber lag54. Deutlich günstiger stellte sich inzwischen die Situation bei Schweidnitz dar, denn Kriegskommissar von Sadlo meldete einen Tag später, dass mittlerweile u. a. 30 24-Pfünder, 24 12-Pfünder sowie 6 30-pfündige, 10 60-pfündige Mörser und 6 60-pfündige Steinmörser eingetroffen waren55. Hinsichtlich der schweren Geschütze entsprach dies weitestgehend dem Plan, den der Brigadier Riverson aufgestellt hatte, lediglich bei der Munition war man laut Oberst Feuerstein mit 7.246 Kugeln bei den 24-Pfündern und 13.030 bei den 12-Pfündern im Rückstand56. Zurückzuführen war dies aber nicht zuletzt darauf, dass Karl von Lothringen für diese Artillerie jeweils 800 statt der ursprünglichen 558 bzw. 257 Schuss pro Geschütz gefordert hatte57. Vor Ort befanden sich nun 16.754 Kugeln für die 24-Pfünder, 6.150 für die 12-Pfünder, 2.000 Bomben für die 60-PfundMörser und 1.200 Bomben für die 30-Pfund-Mörser sowie 2.000 Zentner Pulver58. Als
49 Siehe OestKA, AFA, Nr. 611: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 X (401–Ende), Faszikel 516. 50 Siehe ebd., Faszikel 729. 51 Siehe ebd., Faszikel 747. 52 Siehe ebd. 53 Siehe OestHHStA, Kriegsakten, Nr. 357: Schreiben Carl von Lothringens aus Lissa am 25. Oktober 1757. 54 Siehe OestKA, AFA, Nr. 612: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 XI (1–350), Faszikel 9. 55 Siehe OestKA, Zentralst., Generalkriegskommissariat, Akten, Nr. 54 Militärdirectoralia 1757 IX / 101–XI / 140, Faszikel XI / 21: Extrakt des Schreibens Feldlager bei Bögendorff 26. October 1757 von dem Landeskommissar von Sadlo. 56 Siehe OestKA, AFA, Nr. 623: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 XIII (503–Ende), Faszikel 519 ½. 57 Siehe ebd. 58 Siehe ebd.
IV.8. Der Winterfeldzug in Schlesien und Ende des Kriegesjahres 1757539
er die Festung am 22. Oktober einschloss, kommandierte General Franz Graf von Nadasdy insgesamt 25.502 Mann deutsche Infanterie, 9.029 Kroaten sowie 3.244 Mann schwere Kavallerie und 2.796 Husaren59.
Abbildung 52: Festung Schweidnitz und Belagerungsverbände in zeitgenössischem Plan60
Wie die Karte zeigt, hatte Nadasdys Korps die Festung weiträumig abgeriegelt, die Laufgräben vorangetrieben und die Geschützstellungen eingerichtet, von denen die Österreicher dann in den folgenden Tagen die Festung massiv unter Beschuss nehmen 59 Siehe OestKA, AFA, Nr. 612: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 XI (1–350), Faszikel 1. 60 Karte adaptiert nach OestKA, Karten- und Plansammlung, Kriegskarten, H IIIe 1516.
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IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
würden. Ungünstig war jedoch, dass manche Verbände, wie das bayrische Kontingent, schon zu diesem Zeitpunkt aufgrund der Ausrüstungsmängel massiv unter dem schlechten Wetter litten: „Wie sehr sich unsere Mannschaft bey des hierorts eingedrungenen Gebürgs- und Schnee-Kälte zu leyden haben, [da] gar viele kein gutes Hembt, eine einzige schlechte Hosen, Strümpfe ohne Socken, Schuhe die ganz verbrannt, und zerissen, anbey weder warme Camaschen noch BrustFelcke oder Handschuhe haben: erfolglich nicht gewisses als die größten Krankheiten erwarten müssen […]. Wiezumahlen man nun dieses Sache untersuchet, und gefunden, daß durch das beständige Holzschlagen in denen Waldungen, und hereinschleppen, die Mondirungen erstaunlich abgerissen, durch die immerzu haben Feuer der Überrest vollends verbrannt, und zugrunde gerichtet werden muß“.61
Während der letzten Belagerungsvorbereitungen musste Nadasdy außerdem einige Husarenregimenter in Richtung Reichenbach entsenden, um dort den preußischen Streifereien Einhalt zu gebieten, zumal diese versuchten die Bevölkerung erneut durch die Verbreitung von Patenten von den Naturallieferungen an die Österreicher abzuhalten und sie zur Treue gegenüber dem König zu ermahnen62. Da fast alle deutschen Infanteristen, darunter auch die Bayern und Württemberger, seit dem 25. Oktober bis zu 6.000 Schanzkörbe und 60.000 Faschinen anfertigten, konnten schon 2 Tage später die ersten Arbeiten an den Laufgräben beginnen, um sich dem Bollwerk zu nähern63. Nachdem am 30. Oktober ein Ausbruchsversuch der Preußen unter Oberst Roebel gescheitert war, bei dem jedoch 221 Mann der Österreicher in Gefangenschaft gerieten64 und 341 Mann getötet wurden65, eröffneten die Österreicher einen Tag später mit einer ungeheuren Intensität das Feuer auf Schweidnitz. Aus den ersten 3 Batterien, die aus 6 24-Pfündern und 12 12-Pfündern bestanden, wurden in den ersten 19 Stunden 470 bzw. 920 Schuss abgefeuert, somit verschoss jeder 24-Pfünder und 12-Pfünder im Durchschnitt 4 Kugeln pro Stunde. Am folgenden Tag sank die Kadenz bei den 24-Pfündern auf rund 2 Schuss und 1,75 Schuss pro Stunde bei den 12-Pfündern. Allerdings stieg die Quote der 24-Pfünder in den nächsten 24 Stunden wieder auf rund 4 Schuss, während es die 12-Pfünder lediglich auf 2,7 Schuss brachten. Die 2 Bombenkessel, die aus 4 60-Pfund-Mörsern und 4 30-Pfund-Mörsern bestanden, warfen während der ersten 19 Stunden 110 und 150 Geschosse, d. h. knapp 1 ½ bis 2 Geschosse pro Stunde. Auch hier sank am nächsten Tag die Anzahl auf 52 bzw. 222 Geschosse, bevor sie sich danach wieder auf die Anfangsquote einpendelte. In den 61 BayKA, Alter Bestand B 258 Antheil am Siebenjährigen Krieg 1757. Auxiliarscorps IV– XIII: Schreiben des Feldkriegskommissarius’ Mayr aus dem Feldlager bei Schweidnitz am 29. Oktober 1757. 62 Siehe OestKA, Zentralst., Generalkriegskommissariat, Akten, Nr. 54 Militärdirectoralia 1757 IX / 101–XI / 140, Faszikel X / Faszikel 216: Patent des Generalleutnants August Wilhelm von Beverns aus dem Lager bei Breslau am 1. Oktober 1757. 63 Siehe ebd., Faszikel 503. 64 Siehe GStAPK, BPH, Rep. 57 / I Prinz Ferdinand von Preußen, J Nr. 29, Bd. III: Lettres du Pr. Ferdinand au Prince du Prusse dep.1755 jusq. 1758, Blatt 253 Rückseite. 65 Siehe OestHHStA, Kriegsakten, Nr. 357: Schreiben Feuersteins am 1. November aus dem Hauptquartier bei Lissa.
IV.8. Der Winterfeldzug in Schlesien und Ende des Kriegesjahres 1757541
nächsten Tagen erhöhte sich die Anzahl der schweren Geschütze noch einmal deutlich auf insgesamt 20 12-Pfünder und sogar 34 24-Pfünder. Während die 12-Pfünder aber in der Zeit eine ähnlich hohe Anzahl von Kugeln pro Stunde, nämlich zwischen 1,5 und 1,7 Schuss, verfeuerten, erreichten die 24-Pfünder bisweilen nicht einmal mehr 1 Schuss pro Stunde und fielen damit deutlich unter das Niveau der Anfangszeit, was aber kaum auf Munitionsmängel zurückzuführen war, da für die 24-Pfünder mehr als die doppelte Geschossmenge zur Verfügung stand66. Zur Vorbereitung des folgenden Sturmangriffs trug vor allem der Umstand bei, dass es den Österreichern gelang, vom 8. zum 9. November eine weit vorgeschobene Batterie von 12 24-Pfündern fertigzustellen67, die das gegnerische Feuer bekämpfen und die Stadtwälle selbst beschießen konnte. Die Geschütze schossen eine Bresche in die mittelalterliche Stadtmauer und hinderten durch ihr heftiges Feuer die preußische Festungsartillerie an einer effektiven Gegenwehr, die an diesem und am nächsten Tag wohl nur 6 Schuss auf die gegnerischen Belagerungsstellungen abgab68. Insgesamt verschossen die Österreicher während der Belagerung 11.400 24-Pfund-Kugeln, 15.079 12-Pfund-Kugeln sowie 3.500 10-pfündige Haubitzgranaten, 2.866 10-pfündige Bomben, 2.537 30-pfündige Bomben und 2.504 60-pfündige Bomben69. Umgerechnet entsprach dies 370 Tonnen Geschossgewicht, was noch nicht einmal viel war, wenn man bedenkt, dass die 3-fache Menge veranschlagt wurde und die Preußen 3- bis 4-mal so viel Munition bei Prag verschossen hatten70. Insgesamt zeigte sich aber, welche Durchschlagskraft die Belagerungsartillerie zu entfalten vermochte, wenn sie über eine ausreichende Menge an großen Geschützkalibern und genügend Munition für diese verfügte. Trotz der intensiven artilleristischen Vorbereitung dauerte es noch 2 Tage, bis sich die Österreicher zum Sturmangriff durchrangen. Als Vorbereitung feuerten sämtliche Geschütze noch einmal 3 Stunden auf die Festung. Laut dem preußischen Generalmajor von Grumbkow hatte die österreichische Artillerie aber schon während der letzten 2 Tage noch einmal eine so ungeheure Feuerkraft entfaltet, dass die beiden südlichen Forts kontinuierlich aus 18 Batterien mit 80 schweren Geschützen und Mörsern eingedeckt wurden, sodass zu Spitzenzeiten 18 Geschosse pro Minute niedergingen71.
66 Zum gesamten Absatz siehe OestKA, AFA, Nr. 623: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 XIII (503–Ende), Faszikel 538-b, 569-a und 569-b sowie 594 ½. 67 Siehe OestHHStA, Kriegsakten, Nr. 357: Schreiben Carl von Lothringens aus Lissa am 10. November 1757. Ein hervorragender Gesamtüberblick der Batterien, ihrer genauen Zusammensetzung und zeitlichen Fertigstellungen findet sich im Kartenteil bei Cogswell, Neil, From Lobositz to Leuthen, Plate 192. Für diese Batterie ist der 9. November veranschlagt. 68 Siehe OestHHStA, Kriegsakten, Nr. 357: Journal aus Hauptquartier Lissa am 10. November 1757. 69 Siehe OestKA, AFA, Nr. 623: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 XIII (503–Ende), Faszikel 538-b, 569-a und 569-b sowie 594 ½. 70 Vgl. IV. Teil 4.3.: Die Vorgänge während der Prager Belagerung. 71 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 86 V.4: Generalmajor Philipp Wilhelm von Grumbkow, 1757–1761, Blatt 19 Vorderseite.
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IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
Die folgende Karte vermittelt einen guten Eindruck von den Laufgräben und Geschützstellungen der Österreicher sowie ihren genauen Beschusszielen im Schweidnitzer Festungsgürtel:
Abbildung 53: Geschützstellungen und Geschossflugbahnen bei der Belagerung von Schweidnitz72
Schließlich attackierten die Österreicher am 11. November ab 21.30 Uhr das Gartenund Bögenfort sowie die dazwischenliegende Bastion jeweils mit 3 Kompanien, welche noch durch 3 Bataillonen der ungarischen Infanterie Unterstützung erhielten. Nachdem das Bögenfort kurz nach Beginn gefallen war, benötigte man für die Einnahme des Gartenforts noch die Unterstützung von 700 Arbeitern, die während der Nacht die Laufgräben weiter vorantrieben, sowie 1 zusätzliches Bataillon der Ungarn und die 2 Grenadierkompanien. Um 5 Uhr früh am 12. November 1757 ließen die Preußen die Kapitula tionsbedingungen erfragen73.
72 Karte adaptiert nach St. Paul, Horace, A Journal of the First Two Campaigns of the Seven Years War, No. 58. 73 Zum gesamten Absatz siehe OestKA, AFA, Nr. 623: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 XIII (503–Ende), Faszikel 503. Eine Karte zum groben Verlauf des Angriffs findet sich bei Cogswell, Neil, From Lobositz to Leuthen, Plate 193.
IV.8. Der Winterfeldzug in Schlesien und Ende des Kriegesjahres 1757543
Wie die Kommandeure von Seers, Grumbkow, Rebentisch und Embers darlegten, war die Lage der preußischen Besatzung inzwischen aussichtslos. Einerseits hatte der vorangegangene Beschuss der Österreicher das Bögen- und Garten-Fort sowie die Jauernicker Redoute so schwer beschädigt, dass die preußischen Soldaten auf den Wällen keinerlei Deckung mehr fanden74. Andererseits gab es kaum noch Arbeiter, die sich bereit erklärten, diese zu reparieren, und stattdessen desertierten, sodass die Ingenieure versuchten ohne die erforderlichen Kräfte die kritischen Stellen auszubessern75. Es reichte aber nicht mehr, sodass die Geschütze auf den Wehrgängen größtenteils schwer beschädigt wurden und in jedem Fort nur 2 Kanonen zur Verfügung standen, die aber wegen der unzureichenden Anzahl an Kanonieren kaum bedient werden konnten76. Dies führte dazu, dass Major Embers und General von Rebentisch zuletzt selbst auf den Wällen das Richten übernahmen und dann den Musketieren das Abfeuern der Geschütze überließen77. Auch die Situation in der Stadt selbst war untragbar geworden, denn es gab keine 40 Häuser, die von Bränden verschont worden waren, was nicht zuletzt damit zusammenhing, dass die Angreifer die Wasserleitungen in die Stadt gekappt hatten und die übrigen Brunnen durch die Feuersbrünste nach und nach verschüttet wurden. Dies führte auch dazu, dass die Brotherstellung zunehmend unmöglich wurde, zumal die Bäckerei durch den Beschuss einer Batterie zerstört worden war und die Öfen bei den Bürgern sowie das Brunnenwasser allmählich unbrauchbar wurden. Die massiven Gebäudezerstörungen bedingten ebenfalls, dass die Kranken und Verwundeten permanent umgelagert werden mussten. Hinzu kam, dass auch die Desertion beträchtlich zunahm und gegen Ende der Belagerung ein Abgang von 400 Mann zu verzeichnen war, wobei sich vor allem die Tatsache, dass der beste Mineurunteroffizier schon 2 Tage vor Beginn der Belagerung desertiert war, verheerend ausgewirkt hatte, weil er die Österreicher genau zu jenen Schwachstellen des Gartenforts führte, die nicht vermint waren. Als besonders unzuverlässig erwiesen sich vor allem die beiden Bataillone des Garnisonsregiments von Mützschephal und die sächsischen Bataillone von Goltz und Jung-Bevern, die ihre scharfen Patronen zerbrachen und wegwarfen. Insgesamt trug der Ausfall durch Desertion und Krankheit vor allem dazu bei, dass die Belastungen für die zuletzt 3.748 gesunden Kombattanten zu groß wurde, weil täglich 1.900 Mann exklusive der 3–400 Arbeiter für die Besetzung der Befestigungsanlagen erforderlich waren und man den Rest für die Bewachung der Magazine eingeteilt hatte. Dies wiederum hatte zur Folge, dass den Mannschaften während der 18-tägigen Belagerung so gut wie gar keine Ruhephasen gegönnt werden konnte. Wahrscheinlich war diese Überanstrengung auch der eigentli74 Siehe GStAPK, BPH, Rep. 57 / I Prinz Ferdinand, J Nr. 29, Bd. III: Lettres du Pr. Ferdinand au Prince du Prusse dep – 1755 jusq. 1758, Blatt 251 Vorderseite. 75 Siehe ebd. 76 Zum Mangel an Artilleristen während der Belagerung von Schweidnitz vgl. auch Malinowski, Louis / Bonin, Robert, Geschichte der brandenburgisch-preußischen Artillerie. Dritter Theil, Seite 210. 77 Siehe GStAPK, BPH, Rep. 57 / I Prinz Ferdinand von Preußen J Nr. 29, Bd. III: Lettres du Pr. Ferdinand au Prince du Prusse dep – 1755 jusq. 1758, Blatt 251 Vorderseite.
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IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
che Auslöser dafür, dass der Hauptmann von Königseck vom Kurssell’schen Infanterieregiment, der u. a. für die Verteidigung eines gedeckten Hohlweges zur sorgen hatte, dies wohl unterließ, wodurch der Fall des Gartenforts und der ganzen Festung besiegelt wurde78. Insgesamt gerieten somit 5.005 gemeine Soldaten, darunter auch 540 Mann des Husarenregiments Warnery, sowie 440 Unteroffiziere, 30 Hauptmänner, 20 Stabsoffiziere, 4 Generäle, aber auch 323 Mann des Backpersonals, 38 Feldschere und 32 Kanoniere in Gefangenschaft79. Ungleich schwerwiegender als der personelle Verlust stellten sich die materiellen Einbußen dar, wovon ein Großteil auf die Geschütze und die Kleinwaffenmunition entfiel, die sich im Zeughaus befanden und folglich nicht noch zusätzlich unter Einsatz größerer Mengen von Wagen und Zugtieren von den Österreichern nach Schlesien befördert werden mussten. Tabelle 80 Übersicht der im Schweidnitzer Zeughaus gefundenen Rüstungsgüter im November 175780 Bronze / Messing
Eisen
Bronze / Messing
Geschütze oder Mörser
65 3-pfündige
40 6-pfündige
22 30 21 14 12-pfündige 12-pfündige 24-pfündige 50-pfündige
Kugeln oder Bomben
54.000 3-pfündige
39.000 6-pfündige
50.000 12-pfündige
15.183 13.000 24-pfündige 50-pfündige
Patronen oder Pulver
Flintenpatronen 6.000.000 Stück
Karabinerpatronen 4.000.000 Stück
Pulver 4.500 Zentner
Zündsteine
Für Flinten 3.000.000 Stück
Für Karabiner 500.000 Stück
78 Zum gesamten Absatz siehe GStAPK, BPH, Rep. 57 / I Prinz Ferdinand von Preußen, J Nr. 29, Bd. III: Lettres du Pr. Ferdinand au Prince du Prusse dep – 1755 jusq. 1758, Blatt 251 Rück- bis 253 Rückseite. 79 Siehe OestKA, AFA, Nr. 623: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 XIII (503–Ende), Faszikel 584. 80 Zu den genauen Angaben in der Tabelle siehe OestKA, AFA, Nr. 623: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 XIII (503–Ende), Faszikel 579a und b. Es gibt zwischen beiden Aufstellungen hinsichtlich der Mengen an aufgefundenen 3-pfündigen Kugeln und der Pulvermenge Abweichungen um das 10-Fache, was vermutlich auf einen einfachen handschriftlichen Kopierfehler zurückzuführen ist. Die hier angegebenen Mengen sind das Ergebnis des nochmaligen Abgleichs mit dem Werk von Malinowski und Bonin. Vgl. Malinowski, Louis / Bonin, Robert, Geschichte der brandenburgisch-preußischen Artillerie. Dritter Theil, Seite 213.
IV.8. Der Winterfeldzug in Schlesien und Ende des Kriegesjahres 1757545
Außerdem erbeuteten die Streitkräfte der Habsburger 550 Husaren- und 43 Artilleriepferde81. Zusätzlich übernahmen sie von den gefangenen Preußen ca. 4.600 Gewehre, 3.400 Patronentaschen, 3.300 Bajonette und 1.550 Säbel82. Die bayrischen Hilfstruppen versuchten ihre erbärmliche Bekleidungs- und Ausrüstungssituation zu verbessern und sich aus der Stadt Ersatz beschaffen, fanden aber nur wenige Strümpfe, Schuhe und Gamaschen83. Dies war durchaus problematisch, denn der Transport mit den Montur stücken aus München ließ auf sich warten. Derweil fehlten den Regimentern auch die Winterdecken für die Zelte, die der österreichische Kommissar Romer gar nicht erhalten hatte, zumal selbst für die österreichischen Einheiten nur die Hälfte der Decken angekommen war84. Beträchtlich war auf preußischer Seite auch der Verlust an Geld, denn laut Minister Schlabrendorff hatte man in der Festung 300.500 Reichstaler an Verpflegungsgeldern für die Armee und weitere 33.161 Reichstaler für die Garnison deponiert85. Die österreichischen Kommissare von Weyerauch und Sadlo fanden in Schweidnitz aber nur noch 236.067 Reichstaler86. Schlabrendorff zufolge schlugen die verlorenen Naturalien mit einem Wert von fast 550.000 Reichstalern zu Buche, die seiner Ansicht ausreichend gewesen wären, um eine 80.000-Mann-Armee 2 Monate mit Brot zu verpflegen, während das Hartfutter bei einem Bedarf von 30.000 Rationen für 30 Tage und das Raufutter für 2 Monate gereicht hätte87. Demzufolge dürften sich in etwa 3.960 Tonnen Mehl oder entsprechend große vermahlungsfähige Mengen an Roggen sowie 7.000 Tonnen Hafer oder Gerste und 4.500 Tonnen Heu in der Stadt befunden haben. Laut dem österreichischen Kriegskommissar von Wieletz wiesen die preußischen Extrakte am 13. November aber ganz andere Naturalienmengen aus, die sich nach Breslauer und Berliner Maßen wie folgt umrechneten:
81 Siehe OestKA, AFA, Nr. 623: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 XIII (503–Ende), Faszikel 579a. 82 Siehe OestKA, AFA, Nr. 614: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 XII (1–227), Faszikel 112. 83 Siehe BayKA, Alter Bestand B 258 Antheil am Siebenjährigen Krieg 1757: Auxiliarscorps IV–XIII, Schreiben des Feldkriegskommissarius’ Mayr aus Schweidnitz am 15. November 1757. 84 Siehe ebd. 85 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 82 P: Etatsminister Schlabrendorff, Ernst Wilhelm, Immediatsberichte 1757, Seite 103 Rückseite. 86 Siehe OestKA, AFA, Nr. 623: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 XIII (503–Ende), Faszikel 580a und b. 87 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 82 P: Etatsminister Schlabrendorff, Ernst Wilhelm, Immediatsberichte 1757, Seite 103 Vorderseite.
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IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757 Tabelle 81 Mengen der in Schweidnitz gefundenen Verpflegungsgüter und ihre Umrechnung
Verpflegungsgut
Mengen im Originalmaß88
Menge in Tonnen nach Berliner Maß
nach Breslauer Maß
2.885 Tonnen = 12.982 Scheffel
539
779
Roggen
15.300 Scheffel
635
862
Graupen
90 Scheffel
3,7
5,2
1.700 Scheffel
71
98
Mehl
Gerste Zwieback
170 Fässer
Hafer
40.340 Scheffel
1.674
2.320
Heu
40.000 Zentner
2.000
2.000
Deutlich wird nach beiden Varianten, dass in den Tonnen oder Fässern, aber auch in Form des Roggens, den man hätte vermahlen können, sehr viel weniger Mehl vorhanden war, als es zu erwarten gewesen wäre. Auch die Hafer- und Heumengen fielen deutlich geringer aus. Möglicherweise gab es für diese Abweichung aber eine ganz einfache Erklärung. Der Bericht des Kommissars von Weyerauch vom 23. November belegte nämlich, dass die Gebäude der Geistlichkeit, sprich der Jesuiten, Dominikaner und Kapuzinerfrauen, stark beschädigt waren, wobei das Minoritenkloster und die zugehörige Kirche sogar bis auf die Grundmauern ausbrannten. Dies war äußerst ungünstig für die Österreicher, denn angeblich hatte allein in Letzterer die riesige Menge von 50.000 Malter Hafer gelagert, die umgerechnet 4.000 Tonnen entsprach. Aufgrund der komplizierten Gewölbe und der Zerstörung des Röhrensystems, das die Brunnen und Fontänen der Stadt mit Wasser versorgte, war es den Österreichern selbst 10 Tage nach der Übergabe noch nicht gelungen, den Brand zu löschen89. Die verlorenen Mengen hätten die Österreicher für die Verpflegung der Pferde gut gebrauchen können, denn schon am 14. November planten sie große Mengen an Geschützmaterial nach Breslau zu überführen. Obwohl Oberst Feuerstein schon knapp
88 25 Siehe OestKA, AFA, Nr. 623: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee XIII (503–Ende), Faszikel 580 oder AFA, Nr. 633: Siebenjähriger Krieg 1757 HKR X–XII, Faszikel XI, 11c. 89 Zum gesamten Absatz siehe OestKA, Zentralst., Generalkriegskommissariat, Akten, Nr. 55: Militärdirectoralia 1757 XI / 141–XII / 330, Faszikel XI / 429: Schreiben aus Schweidnitz am 23. November 1757, vermutlich von August Jo. von Weyerauch (Papier im Unterschriftsbereich verschimmelt und zerstört).
IV.8. Der Winterfeldzug in Schlesien und Ende des Kriegesjahres 1757547
2 Wochen vorher 21 24-Pfünder und 15 12-Pfünder hierfür vorgesehen hatte90, sollten mit dem ersten Transport zunächst 12 12-Pfünder, 6-24-Pfünder, 4 10-pfündige Haubitzen und sogar 10 Mörser verlegt werden91. Dies scheint aber nur die Spitze des Eisbergs gewesen zu sein, denn insgesamt wurden tatsächlich 20 24-Pfünder Richtung Breslau bewegt, wobei es sich um leichte Modelle des Kalibers handelte, zu denen noch 4.000 Schuss Munition gehörten92. Insofern wundert es nicht, dass General Nadasdy für den Transport der Belagerungsartillerie 463 angeschirrte Pferde und 1.400 Vorspannwagen verlangte93. Wenn es sich hierbei um vierspännige Fuhrwerke handelte, dann waren weitere 6.063 Pferde zu versorgen, die pro Tag rund 24 Tonnen Hafer zusätzlich benötigten. Mit der übrigen Kavallerie, die zu diesem Zeitpunkt immer noch 6.894 Berittene umfasste, stieg der Gesamtbedarf von Nadasdys Korps auf rund 65 Tonnen Hafer pro Tag. Allerdings ließ sich die Versorgung allein mit den eroberten Hartfuttermengen aus Schweidnitz immerhin noch 35 ½ Tage bewerkstelligen. Dennoch registrierte Kommissar von Sadlo schon einige Tage später, als Weyerauch von dem Verlust der Hafermenge in Schweidnitz berichtete, dass die Verlegung der Truppen und der Artillerie massive Probleme hervorrief – nicht nur weil das Nadasdy’sche Korps und Teile der Belagerungsartillerie noch mehr Transportwagen benötigten, sondern auch weil die württembergischen Truppen 25 vierspännige Wagen und 250 angeschirrte Pferde forderten, sprich insgesamt 350 Stück, für welche die Lebensmittel auch kaum aufzubringen waren, da man erst seit Kurzem die Kreise von Frankenstein und Münsterberg kontrollierte und in den Kreisen Breslau, Schweidnitz, Reichenbach und Strehlen offenbar schon große Mengen von den Österreichern selbst oder zuvor von den Preußen verbraucht worden waren94. Hinzu kam, dass Schweidnitz aufgrund der starken Zerstörung als Stützpunkt nunmehr sehr geringen Wert besaß. Insofern zeichnete sich bereits rund 1 Woche nach der Einnahme der Festung ab, dass die Österreicher einen bedeutenden Erfolg errungen hatten, der Nutzen mittel- und langfristig aber begrenzt ausfiel, weil zu viel Futter verloren gegangen und der Ersatz aus Schlesien und aus dem Hinterland mit zu großem Aufwand verbunden war.
90 Siehe OestHHStA, Kriegsakten, Nr. 357: Schreiben Oberst Feuersteins am 1. November aus dem Hauptquartier bei Lissa. 91 Siehe OestKA, AFA, Nr. 623: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee XIII (503–Ende), Faszikel 585. 92 Siehe OestKA, AFA, Nr. 612: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 XI (1–350), Faszikel 118. 93 Siehe OestKA, Zentralst., Generalkriegskommissariat, Akten, Nr. 55: Militärdirectoralia 1757 XI / 141–XII / 330, Faszikel XI / 392: Schreiben Kommissar von Sadlos aus Hauptquartier Bögendorff am 14. Nov. 1757. 94 Siehe OestKA, Zentralst., Generalkriegskommissariat, Akten, Nr. 55: Militärdirectoralia 1757 XI / 141–XII / 330, Faszikel XI / 392: Schreiben Kommissar von Sadlos aus Brettlern am 23. Nov. 1757.
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IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
IV.8.2. Feldmarschall Keiths Diversionsexpedition nach Böhmen Aber nicht nur in Schlesien, sondern auch aus Sachsen, von wo die Preußen ab dem 12. und 13. November nach Schlesien aufbrachen, zogen Probleme für die Österreicher herauf, zumal selbst die Stützpunkte der Österreicher in Böhmen von der nun beginnenden preußischen Offensive nicht verschont blieben. Während König Friedrich seine Streitmacht in Leipzig sammelte und das Regiment von Anhalt mit seinen 3 Bataillonen und 6 Eskadrons unter dem Kommando seines Bruders Prinz Heinrich an der Saale verblieb, bereitete Feldmarschall Keith erneut einen Vorstoß ins Territorium der Gegner vor95. Er plante mit 10 Bataillonen und 10 Eskadrons Kavallerie nach Böhmen einzurücken und hatte zu diesem Zweck in Naumburg an der Saale vom 11. bis 16. November 54.000 Portionen Brot herstellen lassen, womit sein Verband von 8.000 Mann 7 Tage versorgt war96. Am 16. November rückte Keiths Vorhut zunächst bis nach Altenburg, während der Großteil des Korps noch bei Zeitz und Frohburg Quartier bezog. In den 2 folgenden Tagen marschierten die Truppen nach Chemnitz. Am 20. November brachte man in Erfahrung, dass die Truppen unter dem Kommando des Generals von Laudon sich aus Freyburg zurückgezogen hatten, woraufhin Keiths Einheiten sukzessive über Marienberg bis nach Basberg in Böhmen eindrangen. 4 Tage später überfiel die Vorhut unter General von Itzenplitz, bestehend aus 2 Grenadierbataillonen, dem Freibataillon Meyer und den Husaren, das erste gegnerische Husarenkommando. Am 24. November rückte sie über Basberg bis Welmsschloß vor und überwältigte am nächsten Tag bei Brüx noch eine gegnerische Husareneinheit. Von dieser erfuhr man, dass sich Laudon mit seinen Einheiten in Richtung Prag zurückgezogen hatte. Unterdessen folgte Feldmarschall Keith mit dem Rest des Korps, das seine Bagagen und Kranken nebst einem Grenadierbataillon bei Chemnitz zurückließ, nach Basberg. Oberst von Arnstedt sorgte derweil von Marienberg aus für die weitere Versorgung des Korps, indem er u. a. der Stadt Schlan befahl, für 8.000 Mann Brot, Branntwein, Bier und Fourage innerhalb von 6 Tagen bereitzustellen97. Am 26. November gelang es der Vorhut, Leitmeritz in einem Handstreich zu nehmen, nachdem die Husaren eine gegnerische Kroatenabteilung überrascht und die Jäger des Freibataillons diese am Abbruch der Leitmeritzer Brücke gehindert hatten, sodass die Preußen in die Stadt eindrangen98. In Leitmeritz hatten die Österreicher seit geraumer Zeit enorme Magazinvorräte zusammengetragen, die eigentlich für die Einheiten in der Oberlausitz bestimmt waren. Laut der Aufstellung des Kommissars von Kurzrock benötigten General Marschalls Korps, die Truppen unter General Haddiks Kommando und die Besatzung von Zittau Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 4: 1757, Teil 3, Seite 61. Stadtarchiv Naumburg, Loc. 2001, XV, Nr. 13: Die Einrückung […] der Preußen […] in hiesige Stadt, Blatt 251 Vorder- und 252 Rückseite. 97 Siehe OestKA, AFA, Nr. 613: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 XI (351–Ende), Faszikel 538b. 98 Siehe Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 4: 1757, Teil 3, Seite 61–63. 95 Siehe 96 Siehe
IV.8. Der Winterfeldzug in Schlesien und Ende des Kriegesjahres 1757549 Tabelle 82 Im Leitmeritzer Magazin vorhandene und von den Preußen erbeutete Bestände99 Mehl in
Gerste
Hafer
Heu
Fässer
Zentner
niederöst. Metzen
Bestände
14.537
2.212
50.142
2.579
2.051
25.125
Verluste
6.487
1.546
7.696
1.458
1.052
10.831
Verluste in Tonnen
389
48
241
87
378
Zentner
Säcke Stück
zusammen rund 19.000 Portionen Brot und 9.000 Portionen Hartfutter, was für 6 Wochen einer Menge von 10.817 Zentner und 23.885 Metzen Hartfutter entsprach100. Insgesamt sollten bis Ende November 100.000 Zentner Mehl und 300.000 niederösterreichische Metzen Hafer abgeliefert werden101. Nach der Bedarfskalkulation Kurzrocks hätten diese unverhältnismäßig großen Mengen für die österreichischen Einheiten in der Oberlausitz über ein Jahr gereicht. Während die böhmischen Kreise den geforderten Mehlbeitrag weitestgehend stellten, wollten sie vom Hartfutter nur 171.428 Metzen aufbringen102. Im Leitmeritzer Magazin konnten bis zum 19. November also nur knapp 60 % des ursprünglichen Ansatzes eingehen, sodass die Beute schon deswegen geringer ausfallen musste103. Wie die folgende Übersicht zeigt, fiel den Preußen davon nur ein Bruchteil in die Hände, sodass die Eroberung nur einen mittelmäßigen Erfolg darstellte und für die Österreicher keine übermäßigen Verluste nach sich zog. Laut Feldmarschall Keith hatte die Vorhut unter Generalmajor von Itzenplitz aber zusätzlich einen Transport mit Munition und Montierungsstücken sowie 3.000 Fässern Mehl zunichtegemacht, die nach Schlesien transportiert werden sollten104. Da diese Generalmajor von Arnstedt zufolge die üblichen 6 bis 7 Zentner enthielten105, wurden zusätzlich noch einmal 1.170 Tonnen Mehl vernichtet. Allerdings zerstörten die Preußen 99 Zu den Beständen in Originalmaßen siehe Národní Archiv Prag, Gubernium České Militare, Kt. 62 Nr. C / 28 / 12–31: Pruský vpád do Čech, Schreiben Johann Bathyanys aus Leitmeritz am 19. November 1757 und zu den Verlusten an Naturalien siehe ebd., Schreiben Kommissar Sabinovs aus Prag am 20. April 1758. 100 Siehe Národní Archiv Prag, Gubernium České Militare, Kt. 62. C / 28 / 12-31: Pruský vpád do Čech, Aufstellung Kommissar von Kurzrocks Budissin am 19. Oktober 1757. 101 Siehe ebd., Schreiben der Repäsentation und Kammer aus Prag vom 31. Octob. 1757. 102 Siehe ebd. Repartition Johann Christ von Pachtas. 103 Siehe Národní Archiv Prag, Gubernium České Militare, Kt. 62. C / 28 / 12-31, Pruský vpád do Čech, Schreiben der Kayl. Königl. Reprasentation und Cammer am 31. Oktober 1757. 104 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 87 N: Generalfeldmarschall Jakob Keith 1757, Blatt 127 Vorderseite. 105 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 85 F1: Oberst Arnstedt, Ernst Lebrecht 1756–1760, Blatt 30 Vorderseite.
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IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
nicht nur die österreichischen Magazinbestände, sondern versuchten auch ihre in Berlin erlittenen Geldverluste zu kompensieren, indem sie selbst noch in Raudnitz 13.000 Gulden forderten106. Allerdings dürften diese Forderungen bald obsolet gewesen sein, da sich die Preußen seit dem 27. November schon wieder auf dem Rückzug befanden. Sie räumten Leitmeritz und brannten die dortige Brücke ab, weil sich von Nordosten die ersten Einheiten des Korps unter General von Marschall aus der Oberlausitz zu nähern begannen. In den nächsten 2 Tagen hielten sie sich noch in Böhmen bei Kommotau, Laun und Saatz auf, bevor die Truppen dann Anfang Dezember über Postelberg und Basberg nach Sachsen zurückkehrten, um ihre Winterquartiere zu beziehen. Dort wurde das Korps, das offensichtlich noch 5.500 Portionen und 1.850 Rationen benötigte, von den erzgebirgischen Ämtern Wolckenstein, Annaburg, Wiesenburg, Stollberg, Zwickau und Werda sowie von den schwarzenburgischen Herrschaften, dem Voigtländischen und Neustädter Kreis verpflegt, welche die Versorgungskosten nach der Hufenzahl unter sich aufteilten107. Keith rühmte sich, im Rahmen der Invasion nicht einen Mann durch Desertion oder feindliche Einwirkung verloren zu haben108. Angesichts der erbeuteten Naturalien und der minimalen Verluste konnte die Operation als voller Erfolg gelten, zumal Haddiks Einheiten und Marschalls Korps aus der Oberlausitz erst am 30. November bei Melnick ankamen und zu diesem Zeitpunkt nur noch über 3.000 Mann sowie 1.500–1.700 Berittene verfügten109, sodass sich ihre Schlagkraft sehr in Grenzen hielt. Der Streifzug nach Böhmen hatte die Österreicher so auch zum Abzug aus der Oberlausitz verleitet und damit dem Marsch König Friedrichs nach Schlesien den Weg geebnet. IV.8.3. Der Marsch des Korps unter Friedrich und Moritz zu Anhalt-Dessau nach Schlesien Der Marsch nach Schlesien sollte sich als eine der schwierigsten, aber auch als eine der erfolgreichsten Operationen des Kriegsjahres 1757 herausstellen. König Friedrich hatte die Truppen seit dem 11. November in Leipzig versammelt110. Das Korps bestand aus 18 Infanterieeinheiten, nämlich 14 Musketier- und 4 Grenadierbataillonen, sowie 29 106 Siehe OestKA, AFA, Nr. 614: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 XII (1–227), Faszikel 147b. 107 Siehe SächsHStA-DD, 10036 Finanzarchiv Loc. 35017, Rep. 54a, Nr. 199: Die von denen Beamten wegen derer Preußischen Kriegsunruhen erhaltenen Berichte 1757, Teil 3, Repartionsentwurf C. 108 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 87 N: Generalfeldmarschall Jakob Keith 1757, Blatt 127 Vorderseite. 109 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 73 D: Abgefangene Briefe 1757–1759, Stand- und Diensttabellen pro Mense 9bris für Haddiks Korps aus Melnick und Marschalls Korps aus GroßPesno jeweils am 30. November 1757. 110 Geplant war der Marsch schon seit über 3 Wochen. Vgl. Ende IV. Teil 7.6.
IV.8. Der Winterfeldzug in Schlesien und Ende des Kriegesjahres 1757551
Eskadrons Kavallerie111. Die Stärke lässt sich abermals nur indirekt ermitteln. Wenn man von der Durchschnittsgröße von 684 Mann pro Bataillon ausgeht, dann ergab sich eine Summe von ca. 12.300 Infanteristen. Die 29 Eskadrons dürften gemäß der Durchschnittsstärke von 154 Berittenen pro Eskadron 4.466 Kavalleristen umfasst haben. Inklusive der Rekonvaleszierten und abzüglich der geringfügigeren Verluste bei Rossbach standen höchstens noch 400 Mann zusätzlich zur Verfügung, sodass die Kampftruppe zunächst 16.500 Mann nicht überschritten zu haben scheint. Da auch das Proviantfuhrwesen und der Artilleriepark hinzukamen, der wohl auch 39 12-Pfünder und 14 24-Pfünder mitführte112, erhöhte sich die Mannschaft wohl noch einmal um 2.000 Mann, sodass die Gesamtstärke der Truppe bei knapp 18.500 Mann lag. Die Einquartierung in Leipzig scheint weiterhin unproblematisch gewesen sein, weil selbst mit den Garnisonstruppen nicht einmal 1 Soldat auf 1 Einwohner kam. Zur Vorbereitung des Marsches trugen wahrscheinlich auch die zahlreichen Handwerker der Stadt durch die Ausbesserung der Ausrüstung entscheidend bei113. Obwohl die Lebensmittelquellen der Stadt durch die Fouragierung vor dem Ausrücken gegen die gegnerischen Verbündeten arg strapaziert worden waren, dürften die Backkapazitäten im näheren Umfeld ausreichend gewesen sein, um bei einer Tagesproduktion von 22.000 Broten den erforderlichen Vorrat für die ersten 2 Etappen des Marsches an einem Tag herzustellen. Das Mehl hierfür bezog man wieder aus den Magazinen der Stadt, das man ihren Vertretern nach den jeweiligen Marktpreisen bezahlte114. Da die Anzahl der Pferde allein bei der Infanterie für die Proviant- und Rüstwagen, das Zeltmaterial und die Bataillonsgeschütze um die 2.300 Stück betragen haben dürfte115, waren mit der Artillerie- und Munitionsreserve mit ca. 1.800 Pferden, dem Proviantfuhrwesen mit rund 3–4.000 Stück und den Tieren der Kavallerie inklusive Karenz ca. 13.000 Rationen aufzubringen oder in Naturalien 184 Tonnen Hartund Raufutter pro Tag, die man vorerst wahrscheinlich durch die lange geforderten Lieferungen der dortigen Kreise erhielt. Die Planung der Marschrouten, Aufteilung der Kolonnen und Zuteilung der Quartiere, die nun vor dem Hintergrund des kalten Wetters sehr wichtig wurde, übernahm General Moritz zu Anhalt-Dessau. Die erste Etappe des Weges führte am 13. November von Leipzig nach Eilenburg, wo 6 Bataillone in die Stadt und 3 Bataillone sowie das Proviantfuhrwesen in die Vorstadt einquartiert wurden, während die restlichen 9 Bataillone die Dörfer Tobschitz, Baschwitz, Dalwitz, Sprottkau, Mensdorff und Mörtitz zugewiesen Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 4: 1757, Teil 3, Seite 61. Zusammensetzung des Geschützparks vgl. Kutzen, Joseph August, Vor hundert Jahren. Zweite Abteilung: Der Tag von Leuthen, Seite 256 (Schlachtbericht aus Feldmarschall Keiths Nachlass). Wie sich noch zeigen wird, erhielten die Preußen zusätzlich 10 schwere 12-Pfünder und einige Mörser aus Glogau. 113 Zur Anzahl der Handwerker bezogen auf 1756 siehe Leonhardi, Friedrich Gottlob, Erdbeschreibung der churfürstlich und Herzoglich-sächsischen Lande, Bd. 2, Seite 697 f. 114 Siehe Stadtarchiv Leipzig, Titularakten XXXI A(F) 6, B, Blatt 33 Vorder- und Rückseite. 115 Nach Standardsatz für 1 Musketierbataillon 135 Rationen, für 1 Grenadierbataillon 105 sowie 16 Pferde für die Bataillonsgeschütze pro Einheit. Die Proviantwagen der Kavallerie sind in der Rationskarenz enthalten. 111 Siehe 112 Zur
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IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
bekamen. Die Artillerie wurde nach Költschen verlegt. Die Kavallerie erhielt als Kantonierungsquartiere ebenfalls mehrere Dörfer, wobei die kleineren Einheiten, d. h. die Husaren und das Garde du Corps, jeweils auf 2 verteilt wurden und Regimenter zu 5 Eskadrons je 3 zugewiesen bekamen. Am nächsten Tag rückte das Korps weiter vor bis Torgau. Hier scheint die gesamte Infanterie in die Stadt und die Vorstädte zum Teil auch rechts der Elbe einquartiert worden zu sein, während man die Kavallerie ausschließlich in Ortschaften links des Flusses unterbrachte116. In der Stadt selbst traf man seit 3 Tagen Vorbereitungen für den Marsch des Königs. So hatten die Bäcker offenbar schon 30.000 Brote gebacken, während auf der Elbe Schiffe mit Kleidungsstücken aus Wittenberg angekommen waren, für deren Ausschiffung die Stadt 8 Mann zu stellen hatte117. Die österreichische Aufklärung unter General Haddik meinte in Erfahrung gebracht zu haben, dass nur 24.000 Brote bereitstanden, berichtete aber ebenfalls, dass seit einigen Tagen weitere Schiffe aus Wittenberg eintrafen, darunter manche beladen mit Munition und Artillerie, aber auch 50 andere, die Heu und Stroh heranführten118. Diese zusätzlichen Lieferungen waren wahrscheinlich erforderlich, weil insbesondere die Raufuttervorräte in Torgau inzwischen knapp wurden, zumal das Magazin laut Minister von Borcke am 3. November nur noch folgende Mengen enthielt: Tabelle 83 Magazinvorräte in Torgau am 3. November 1757119
Originalmenge
Menge in Tonnen
Mehl
Weizen
Roggen
Gerste
Hafer
Heu
Stroh
Wispel
Wispel
Wispel
Wispel
Wispel
Zentner
Schock
1.117
10
1.187
168
23
5.137
50
1.117
10
1.187
112
15
257
300
Während das Mehl und der Roggen für die 30.000 Mann in Westsachsen bis zu 3 Monate reichten, war die Versorgung der 1.784 Pferde, die sich zu diesem Zeitpunkt noch in Torgau befanden, mit Hart- und Raufutter nur für 3 bis 4 Wochen zu bewerkstelligen, weshalb man im Fürstentum Dessau auch 6.000 Zentner Heu, sprich rund 300 Tonnen, 116 Zum gesamten Absatz siehe LASA, DE, Z44 Abt. Dessau, A 9b VIb, Nr. 10, Bd. V (Verschiedene Militaria aus des Fürsten Moritz von Anhalt in preußigen Jaare 1757), Blatt 260 und Blatt 410 je Vorderseite. 117 Siehe Stadtarchiv Torgau, H 2673: Anweisungen an den Superintendenten Grulich 1757 / 1758. 118 Siehe OestKA, AFA, Nr. 612: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 XI (1–350), Faszikel 228, 262 und 279. 119 Zu den Originalmengen in dieser Tabelle siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 425 Q: Immediatsberichte des Feldkriegscommissariats Juli–Dezember 1757, Anlage zum Schreiben Borckes aus Torgau am 3. November.
IV.8. Der Winterfeldzug in Schlesien und Ende des Kriegesjahres 1757553
zusätzlich ankaufen und nach Torgau transportieren lassen wollte120. Wenn diese Mengen bis zum 11. November eingetroffen waren, dann verfügten die Preußen zwar noch über 527 Tonnen Heu, allerdings hatten die Pferde bis zu diesem Zeitpunkt selbst hiervon schon wieder 57 Tonnen verbraucht. Ähnlich stellte sich die Lage beim Hartfutter und beim Stroh dar, wo bis zum 14. November jeweils 95 Tonnen konsumiert worden sein müssten. Demzufolge dürften höchstens noch 91 Tonnen Hafer, 205 Tonnen Stroh und 470 Tonnen Heu im Magazin vorhanden gewesen sein, was gemessen am Bedarf sehr wenig war, denn die Armee des Königs benötigte pro Tag 65 Tonnen Hafer, 51 Tonnen Heu und 64 Tonnen Stroh, sodass die verbliebenen Mengen ohne den Hartfutteranteil nur für 3 bis 4 Tage gereicht hätten. Möglicherweise kam jedoch noch zusätzliches Hartfutter per Schiff an. Die erforderlichen Mengen könnten aber teilweise auch mit den Wagen des Proviantfuhrwesens aus Leipzig eingetroffen sein. Wenn sich das Fuhrwesen ähnlich wie Anfang September zusammensetzte121, dann dürften um die 785 Wagen vorhanden gewesen sein. Hiermit ließ sich der gesamte Futterbedarf nur für 4 ½ Tage transportieren. Mit Hilfe der Bestände in Torgau konnte man die Pferde zwar während der 2 Tage vor Ort und auf dem anstehenden Marsch bis zum 19. November versorgen, darüber hinaus war ihre Verpflegung aber äußerst ungewiss und konnte wegen der begrenzten Transportkapazität der Wagen maximal bis zum 21. des Monats gewährleistet werden. Offenbar musste nicht nur viel Futter mitgenommen werden, denn die Österreicher berichteten, dass die Preußen letztlich doch für 3 Tage Brot erhielten und einen weiteren Vorrat für 7 Tage auf die Wagen verluden122. Da sich der Bedarf bis zum Abmarsch auf 21–22.000 Portionen steigerte, dürften dies, ohne jene 22.000 im Gepäck der Soldaten, für 7 Tage weitere 51.500 Brote gewesen sein. Bei 300 Broten pro Wagen benötigte man hiervon also 172 Stück. Folglich musste zu den 125 Brot- und Proviantwagen, die die Regimenter, Bataillone und Eskadrons nach Standardsatz besaßen, noch eine Zusatzmenge von 47 Wagen beschafft werden, die wahrscheinlich von den Bewohnern des Kurkreises erpresst wurden. Nicht zuletzt wegen dieser Fuhrwerke ging es in Torgau, wo die Armee am 15. Rasttag hielt, reichlich chaotisch zu, denn es befand sich eine Unmenge von Wagen und Ochsen in den Vorstädten, die die Gassen verstopften, während die Knechte aus Mangel an Heizmaterial sämtliche Zäune niederrissen und alles verbrannten123. Um ihren Solda120 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 425 Q: Immediatsberichte des Feldkriegscommissariats Juli–Dezember 1757, Schreiben von Borcks aus Torgau am 3. November 1757. 121 Siehe Stadtarchiv Naumburg, Loc. 2001, XV, Nr. 8: Deputations-Acta Derer Stände des Thüringischen Creyßes wie auch derer Stifter Merseburg und Naumburg-Zeitz. Die ausgeschrieben Lieferung der Fourage, Brodt und Mehl wie auch derer Ziegel für die Königl. Preuß. Feldbäckerei betref., Blatt 8 Vorderseite. Das Proviantfuhrwesen verfügte über 2.380 Pferde, zu denen noch 760 Pferde der zusätzlichen Landesfuhren kamen. Sofern es sich durchweg um vierspännige Wagen handelte, standen 785 Stück zur Verfügung. 122 Siehe OestKA, AFA, Nr. 612: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 XI (1–350), Faszikel 348. 123 Siehe Bürger, Johann, Vorgänge in und um Torgau während des Siebenjährigen Krieges namentlich die Schlacht bei Süpitz, Seite 39.
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ten auch Fleisch zukommen zu lassen, schlachteten die Preußen auf dem Kirchhof jede Menge Vieh, selbst trächtige Kühe124. Währenddessen mussten die Dörfer der Kavallerie große Hafer- und Strohmengen liefern. Die Stadt selbst und die Vorstädte litten offenbar massiv unter der Einquartierung, da in manchem Haus 50, 80, 100 oder gar 140 Mann eingepfercht waren125. Vor diesem Hintergrund dürfte der Umstand, dass die Preußen nun alle Rekonvaleszierten aus Wittenberg heranzogen126, die Situation noch erheblich verschärft haben. Insgesamt könnten 2.500 Mann oder mehr mobilisiert worden sein, zumal die Sterberate im dortigen Lazarett extrem niedrig gewesen zu sein scheint127. Unter dem Vorwand des Rekonvalesziertentransports requirierten die Preußen dann offenbar auch zusätzliche Wagen für den Brottransport. So sollten beispielsweise aus dem Dorf Pratau 3 vierspännige Wagen zunächst die genesenen Soldaten nach Torgau bringen, wurden dann aber auf den Marsch nach Schlesien mitgenommen, von wo sie bis zum 6. Dezember noch nicht wieder zurückgekehrt waren. Dabei wurden die Fuhrleute nicht nur mit Stockschlägen gezwungen, weiter als ursprünglich geplant zu fahren, sondern mussten auch ihre Habseligkeiten, wie ihre Kleidung, verkaufen, um das fehlende Futter für die Zugtiere zu beschaffen, und kamen dann zu Hause gänzlich entblößt mit entkräfteten Pferden zurück, da die besten Tiere in der Regel entweder gewaltsam einbehalten oder gegen schlechtere ausgetauscht worden waren128. Nach der Eingliederung der Rekonvaleszierten aus Wittenberg zählten die Preußen wohl um die 21.000 Mann129, wovon 19.000 auf die Kampftruppe entfielen. Bevor das Korps nach Schlesien aufbrach, erhielt es wohl noch einmal komplett neue Kleidungsbzw. Montierungsstücke130. Die Durchführung des Marsches war entweder bis zuletzt fraglich oder wurde geschickt durch ein Täuschungsmanöver verschleiert, denn noch am 14. November traf in Dresden die Anordnung ein, dort für 10 Bataillone zu 921 Mann Winterquartiere vorzubereiten, die schon 3 Tage später verfügbar sein sollten131. 124 Siehe Stadtarchiv Torgau, H 2673: Anweisungen an den Superintendenten Grulich 1757 / 1758. 125 Siehe ebd. 126 Siehe OestKA, AFA, Nr. 613: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 XI (351–Ende), Faszikel 376. 127 Siehe Stadtarchiv Wittenberg, Nr. 1877: Das preuß. Lazarett zu Wittenberg Unterbringung die Versorgung desselben, Blatt 26 Vorder- und Rückseite sowie Blatt 68 Vorderseite. 128 Siehe SächsHStA-DD, 10036 Finanzarchiv Loc. 35017, Rep. 54a, Nr. 199: Die von denen Beamten wegen derer Preußischen Kriegsunruhen erhaltenen Berichte 1757, Teil 3: Schreiben Hases aus Wittenberg am 6. Dezember 1757. 129 Siehe OestKA, AFA, Nr. 612: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 XI (1–350), Faszikel 279 und 285. 130 Siehe OestKA, AFA, Nr. 612: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 XI (1–350), Faszikel 348. 131 Siehe Stadtarchiv Dresden, 2.1 Ratsarchiv / Stadtverwaltung vor 1945, G XXXIII 18 c: Königl. Preuß. Feld Kriegs-Commissariats Verordnungen, Anzeigen und Promemorias etc. vom Juli bis Dec. 1757, Vol. III, Blatt 423 Vorder- und Rückseite.
IV.8. Der Winterfeldzug in Schlesien und Ende des Kriegesjahres 1757555
Am 16. November marschierten die Preußen in Richtung Mühlberg, wobei die ersten Wagen wohl schon um 5 Uhr morgens Torgau verließen, denen dann die Dragoner und Husaren 1 Stunde später sowie das Infanteriekontingent gegen 7 Uhr folgten. Letzteres gliederte sich in 3 Bataillone an der Spitze, gefolgt von der Bagage, der sich dann jeweils immer 4 Bataillone und die zugehörigen Nachschubwagen anschlossen. Am Ende der Kolonne stand das Regiment von Winterfeldt, das Befehl hatte, zusätzliche Pontonund Vorratspferde sowie Schmiede und Radmacher aus der Stadt mitzunehmen. Die Nachhut bildeten die Kürassierregimenter Seydlitz, Gens d’Armes, Driesen und das Garde du Corps, die die Stadt zusammen mit ihrer Bagage und dem Proviantfuhrwesen erst gegen 9 Uhr verlassen sollten. Nachdem die Truppen an diesem Tag bei Mühlberg eingetroffen waren, bezogen 8 Bataillone in der Stadt Quartier. Die übrigen 10 Bataillone brachte man regimentsweise in den Dörfern Borgak, Wendisch-Barschitz, Burgsdorf, Fichtenberg und Köttlitz unter. Der Kavallerie wies man 11 Dörfer im Umkreis von Alt-Belgern und Coßdorf bis Saxdorf zu. Am nächsten Tag bewältigten die Truppen in 2 Kolonnen die Strecke bis nach Großenhain, wo dann 11 Bataillone in der Stadt einquartiert wurden, während die restlichen 7 Bataillone, das Proviantfuhrwesen und die Kavallerie sich auf 15 weitere Dörfer verteilten132. Unterwegs kam es offensichtlich bei Wildenhain und Kalckreith zu einem kurzen Gefecht mit den Einheiten unter Haddik133, die sich am nächsten Tag noch fortsetzten, als die preußischen Truppen nach Königsbrück vorrückten134. Haddiks Infanterie, die Anfang November um die 4.000 Mann umfasste, war aufgrund der in die Heimat entlassenen Kroaten auf ca. 2.000 im Feld geschrumpft135, sodass zur Mitte des Monats nach dienstbarem Stand nur noch 1.104 Infanteristen und 578 Kavalleristen vorhanden waren136. In Anbetracht der geringen Truppenstärke konnte er gegen die vorrückenden Preußen kaum Widerstand leisten, erlitt selbst aber auch nur geringe Verluste beim Rückzug137. Dieser verlief trotzdem sehr ungeordnet, da seine Einheiten die Bewohner der Oberlausitz ausplünderten und sie als ketzerische Hunde bezeichneten138. Den Marsch nach Königsbrück absolvierten die Preußen am 18. November und bezogen dann mit 6 Bataillonen in der Stadt selbst Quartier, während die restlichen 12 Batail132 Zum gesamten Absatz siehe LASA, DE, Z44 Abt. Dessau, A 9b VIb, Nr. 10, Bd. V (Verschiedene Militaria aus des Fürsten Moritz von Anhalt in preußigen Jaare 1757), Blatt 262 und Blatt 266 jeweils Vorderseite. 133 Siehe OestHHStA, Kriegsakten, Nr. 357: Schreiben General Haddiks aus Tschorne bei Königsbrug am 17. November, Nachtrag 4 Uhr nachmittags. 134 Siehe OestKA, AFA, Nr. 613: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 XI (351–Ende), Faszikel 392. 135 Siehe OestKA, AFA, Nr. 633: Siebenjähriger Krieg, HKR 1757 X–XII, Faszikel XI / 8b und XI / 9c. 136 Siehe OestKA, AFA, Nr. 612: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 XI (1–350), Faszikel 7. 137 Siehe OestKA, AFA, Nr. 613: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 XI (351–Ende), Faszikel 478. 138 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 98, Nr. 20: Immediatsberichte Okt.–Nov. 1757, Blatt 94 Vorderseite.
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IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
lone abermals zu 2 Bataillonen in den Dörfern untergebracht wurden und die berittenen Einheiten erneut 15 Dörfer in Beschlag nahmen139. Am selben Tag hatte Oberst Finck dem König aus Dresden mit einer Eskorte von 775 Rekonvaleszierten 30.167 Brote auf 40 Wagen, die er mit viel Mühe zusammengetrieben hatte, zukommen lassen140. Daher bat er den König, ihm diese auch baldmöglichst für die Holztransporte in der Winterzeit wieder zurückzusenden, zumal er schon 4 Tage zuvor vorgemeldet hatte, die Oberlausitz sei sehr ausgezehrt, sodass die Fourageaufbringung schwierig werden würde141. Während die Truppenverpflegung inklusive des Zuwachses durch die Rekonvaleszierten aus Dresden bei einem Tagesverbrauch von bis zu 24.000 Portionen für 4 weitere Tage, d. h. insgesamt bis zum 28. November, sichergestellt war, neigte sich die Pferdeverpflegung mit großer Wahrscheinlichkeit dem Ende zu. Nachdem die Truppen am 19. November bei Königsbrück gerastet hatten, marschierten sie am nächsten Tag abermals in 2 Kolonnen nach Kamenz, wo 12 Bataillone in der Stadt einquartiert wurden, während die übrigen Infanteristen und die Kavallerie sich auf die umliegenden Dörfer verteilten, wobei die Husaren und Dragoner der Vorhut schon weiter südöstlich in Elstra unterbracht waren142. Am nächsten Tag erreichte der Verband Bautzen. Seine Ankunft erweckte offenbar einen imposanten Eindruck, denn der Kanzleibote des Stifts St. Petri kam vom Turm des Doms und meldete, die Preußen seien im Anmarsch „wie eine blaue Wolke“143. Die gesamte Infanterie bezog in der Stadt Bautzen Quartier, allerdings befahl man den Einheiten ausdrücklich jene Häuser zu meiden, in denen zuvor die Kranken der Österreicher gelegen hatten144. Die Kavallerieeinheiten nahmen wieder mit den umliegenden Dorfschaften vorlieb, wobei der Umstand, dass allein dem Kürassierregiment Gens d’Armes 5 Dörfer zugewiesen wurden, andeutet, wie sehr die Region wohl immer noch durch die vorangegangenen Kriegslasten ausgezehrt war. Auch für die Stadt war die Einquartierungslast immens, denn wenn wirklich bis zu 16.000 Mann in der Stadt untergebracht wurden, dann fiel die Belegungsquote der Häuser mit 40, 60, 80 und sogar 100 Mann sehr hoch aus, zumal durch den Wegfall der kontaminierten Häuser das Potential an Unterbringungsmöglichkeiten schrumpfte145. Die Österreicher hatten die Stadt geräumt und den Preußen kaum Widerstand geleistet, weil General von Marschalls Korps inzwischen stark dezimiert war, was in erster Linie 139 Siehe LASA, DE, Z44 Abt. Dessau, A 9b VIb, Nr. 10, Bd. V (Verschiedene Militaria aus des Fürsten Moritz von Anhalt in preußigen Jaare 1757), Blatt 406 Vorderseite. 140 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 86 C: Oberst / Generalmajor Finck, Friedrich August, Blatt 178 Vorderseite und 179 Rückseite. 141 Siehe ebd., Blatt 113 Rückseite. 142 Siehe LASA, DE, Z44 Abt. Dessau, A 9b VIb, Nr. 10, Bd. IV (Verschiedene Militaria aus des Fürsten Moritz von Anhalt in preußigen Jaare 1756), Blatt 326 Vorderseite. 143 Domstiftsarchiv Bautzen, A. I., Nr. 3415: Traurige Krieges-Begebenheiten sonderlich bey einem Hochwürdigen Domstift St. Petri zu Budissin 1756–1763, Blatt 14 Vorderseite. 144 Siehe LASA, DE, Z44 Abt. Dessau, A 9b VIb, Nr. 10, Bd. V (Verschiedene Militaria aus des Fürsten Moritz von Anhalt in preußigen Jaare 1757), Blatt 269 Vorderseite. 145 Siehe Stadtarchiv Bautzen, 68001 Handschriftensammlung U III 126 Chronik Bautzen.
IV.8. Der Winterfeldzug in Schlesien und Ende des Kriegesjahres 1757557
mit dem hohen Krankenstand bei der Infanterie im Umfang von 2.750 Mann zusammenhing. Als einsetzbar galten nur 2.891 Infanteristen, allerdings bot die Kavallerie inklusive der Kommandierten noch mehr auf, nämlich 3.077 Mann, sodass insgesamt noch ca. 6.000 Mann zur Verfügung standen146. Dennoch ist es angesichts dieser Schwäche nachvollziehbar, dass Marschalls Korps schon am 18. November vor der 3-fach überlegenen Streitmacht der Preußen zurückwich und sich dann während der nächsten beiden Tage in Löbau aufhielt147. Offensichtlich ging er davon aus, dass die Preußen aus Dresden sogar 6.000 Mann Verstärkung erhalten würden. Hinzu kam, dass sein Korps während des Rückzuges mit massiven Transportproblemen zu kämpfen hatte, da es schwerfiel, nur 100 Wagen aufzutreiben, die aufgrund des Fouragemangels auch noch schlecht bespannt waren, während die Pferde der Kavallerie durch das schlechte Wetter ruiniert wurden, sodass die Truppen sich Marschalls Einschätzung zufolge per Fuß genauso schnell wie per Pferd bewegten148. Die Preußen profitierten vermutlich immens vom Rückzug der Österreicher aus Bautzen, denn vor dem Hintergrund der mangelhaften Fouragelieferungen Ende September / Anfang Oktober sowie den Schwierigkeiten bei der Truppenverpflegung hatten die Stände der Oberlausitz den Österreichern am 13. und 17. Oktober zusichern müssen, noch einmal 7.134 Scheffel Mehl und 16.000 Scheffel Hafer aufzubringen, was umgerechnet 593 bzw. 1.328 Tonnen entsprach149. Die Versorgung der Österreicher wäre gemäß der Bedarfskalkulation des Kriegskommissars von Kurzrock für 19.000 Mann und 9.000 Pferde für 40 Tage gesichert gewesen. Dabei sollte der Hafer von der Ober- und Niederlausitz in 4 gleichen Lieferungen jeweils zu 4.000 Scheffeln am 24. Oktober, am 2., am 10. und 18. November gestellt werden150. Wenn die letzte Lieferung planmäßig eintraf, dann könnten den Preußen bei ihrem Einmarsch in Bautzen nur 3 Tage später 220 Tonnen Hafer in die Hände gefallen sein, was für sie angesichts der extrem schwierigen Verpflegungssituation wie ein Geschenk des Himmels gewesen sein dürfte. Sofern man die Pferde nun hauptsächlich hiermit zu einem erhöhten Satz von 4 Metzen, sprich 7,8 Kilogramm ernährte, um Defizite unmittelbar zuvor auszugleichen, dann reichte diese Menge bei einem Tagesverbrauch von 99 Tonnen gerade für 2 Tage, sodass die Verpflegung kaum länger als bis zum 23. November sichergestellt war. Neben dem Pferdefutter requirierten die Preußen aber insbesondere in den Dörfern des Bautzener Domstifts St. Petri abermals in beträchtlichem Umfang Vorspannpferde und Wagen. So nahmen sie aus Saltzenforst 4 vierspännige und aus Nimschütz 1 vierspännigen Wagen für 8 Tage mit, zu denen noch je 5 Pferde und 2 Kühe kamen. Erstaunlich ist 146 Siehe OestKA, AFA, Nr. 612: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 XI (1–350), Faszikel 86. 147 Siehe OestHHStA, Kriegsakten, Nr. 357: Schreiben Marschalls aus Bautzen am 18. November 1757. 148 Siehe OestKA, AFA, Nr. 613: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 XI (351–Ende), Faszikel 408. 149 Siehe SächsStFilA, BZ, 50001 Landstände der sächs. Oberlausitz, F XXV Siebenjähriger Krieg, Nr. 2712: Protokoll vom 17. Oktober aus Budißin. 150 Siehe ebd., Protokoll vom 17. Oktober aus Budißin.
558
IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
dies insofern, weil es den Österreichern unter General Marschall so schwergefallen war, die erforderlichen Fuhrwerke aufzutreiben. Während der Bedarf hieran so groß ausfiel, hielten sich die Lebensmittelrequisitionen, wie auf dem Vorwerk Steindörfel, ziemlich in Grenzen151. Die Armee rückte am 22. November gegen 7 Uhr erneut in 2 Kolonnen aus, um nach Weißenberg zu gelangen, wo jedoch nur 4 Bataillone in der Stadt ihr Quartier bezogen, während die übrigen Infanterieeinheiten ebenfalls mit 7 Dörfern vorliebnehmen mussten und die Kavallerie diese ohnehin bevorzugte, wobei einige Einheiten wieder in der Nähe bei Nechern und Wurschen einquartiert wurden, wo sich schon im August das Lager befunden hatte152. Am nächsten Tag marschierte das Korps weiter nach Görlitz, wo das gesamte Infanteriekontingent die Stadt als Quartier zugewiesen bekam und die Kavallerie erneut in den umliegenden Dörfern lagerte, wobei die Husaren und die Dragoner in Moys und Leipoldshayn auf dem rechten Neißeufer kampierten, während die Kürassierregimenter in den Ortschaften auf dem linken Neißeufer verblieben153. Die Truppen sollten schon am nächsten Tag wieder so viel Brot empfangen, dass sie einschließlich bis zum 3. Dezember verpflegt waren. Wenn dies der Fall war, dann mussten am 24. November noch einmal 30.000 6-pfündige Brote hergestellt werden, was aber möglich war, wenn die 30 Backöfen, die die Preußen im August und September gebaut hatten, noch standen154. Das erforderliche Mehl im Umfang von 25 Tonnen hatten sie vermutlich schon in Bautzen von den Bewohnern der Stadt requiriert. Angesichts der prekären Versorgungslage der Kavallerie erging der Befehl an die Regimenter, sämtliche vorhandenen Wagen aus den Dörfern mitzunehmen und mit Fourage zu beladen. Dies führte in der Folge dazu, dass beispielsweise die Dörfer Kießlingswalda und Stolpenberg am 23. November 28 Scheffel Gerste und 182 Scheffel Hafer sowie 190 Zentner Heu und 89 Bund Stroh einbüßten155. Hiervon erhielt allein das Kürassierregiment von Driesen 123 Scheffel Hartfutter, 102 Zentner Heu und 36 Bund Stroh, was umgerechnet 10 Tonnen Hafer, 5 Tonnen Heu und 360 Kilogramm Stroh entsprach. Als die Truppen am 25. November wieder aus Görlitz aufbrachen, erhielten sie den Befehl, für 3 Tage Fourage zusätzlich mitzunehmen, sodass die Versorgung bis zum 28. November gesichert war. Außerdem sollte die Hälfte der sächsischen Wagen an der Grenze zu Schlesien zurückgeschickt werden, was vermutlich dazu beitrug, den täglichen Futterkonsum zu reduzieren. Das Korps bewegte sich in 2 Kolonnen von Görlitz nach Naumburg am Queis, wo die gesamte Infanterie in die beiden Dörfer KatholischHennersdorf sowie Ober- und Niedergersdorf einrückte, während die Kavallerie 8 weitere Dörfer im Umkreis zur Unterbringung zugewiesen bekam. Am nächsten Tag mar151 Zum gesamten Absatz siehe Domstiftsarchiv Bautzen, A. I., Nr. 3416a: Das Kriegsjahr 1756 / 1757 betref., Teil 1 und Nr. 3416 b: Das Kriegsjahr 1756 / 1757 betref., Teil 2. 152 Siehe LASA, DE, Z44 Abt. Dessau, A 9b VIb, Nr. 10, Bd. V (Verschiedene Militaria aus des Fürsten Moritz von Anhalt in preußigen Jaare 1757), Blatt 270 Vorder- und Rückseite. 153 Siehe ebd., Blatt 413 Vorderseite. 154 Vgl. IV. Teil 6.8: Die Vorbereitungen der Preußen zum Abmarsch aus der Oberlausitz. 155 Siehe Staatsarchiv Breslau (A. P. we Wrocławiu), Landständisches Archiv der Oberlausitz, Nr. 1245: Dörfer Kießlingswalda und Stolzenberg.
IV.8. Der Winterfeldzug in Schlesien und Ende des Kriegesjahres 1757559
schierten die Truppen weiter und lagerten dann um Deutmannsdorf, wo sie die sich anschließenden langgestreckten Dörfer wie Ludwigsdorf und Hartliebsdorf für die Unterbringung nutzten156. Am 27. November praktizierte man offensichtlich ein ähnliches Einquartierungsverfahren, da die Infanterie in Lobendau, Hellendorf und Gassendorf einrückte. Während sich die Unterbringung noch einigermaßen realisieren ließ, waren die Wege aufgrund der Witterung aber sehr schlecht, sodass infolge des straffen Marschtempos ca. 300 Mann völlig ermüdet zurückblieben, die dann von den österreichischen Husarenpatrouillen gefangen genommen wurden157. Vermutlich handelte es sich hierbei um die Einheit des Oberst Pelasti, der sich bei Goldberg aufhielt und die Stärke der anrückenden preußischen Armee ebenfalls auf über 20.000 Mann schätzte158. Allerdings gelang es dieser am 28. November, noch bis Parchwitz vorzurücken und in der Nähe das Kommando des österreichischen Obersts Gersdorf zu überfallen. Letzteres bestand aus 200 Kroaten, 20 Jägern sowie 300 schweren und leichten Reitern, die offensichtlich von den Preußen beim Pferdefüttern überrascht wurden und in der dann einsetzenden Verfolgung ihre gesamte Ausrüstung verloren159. Am Abend bezogen die Truppen des Königs ihr Lager bei Parchwitz, wo 9 Bataillone im Ort selbst und der restliche Teil des Korps in 6 weiteren Dörfern lagerten160. Alles in allem war der Marsch glücklich, aber sehr gut verlaufen, weil es offenbar auch gelang, die Pferde halbwegs gut zu verpflegen. In Parchwitz sollte das Korps nun 5 Tage lagern. Daher gab sich Minister Schlabrendorff auch die größte Mühe, die Versorgung der Truppen aus Glogau sicherzustellen, indem er am 27. November 24 Schiffe, inklusive verstärkter Besatzungen, mit 300 Wispeln bzw. Tonnen Mehl sowie Balken und anderen Brückenbaumaterialien entsandte, während weitere 400 Wagen für den Munitions- und Brottransport aufgetrieben und angesichts der österreichischen Streifkommandos ebenfalls unter dem Schutz des 1. Bataillons des Regimentes Kurssell sowie der beiden 2 Garnisonsbataillone von Düringshofen und Mützschephal der Armee zugeführt wurden161. Schon am nächsten Tag gelang es, die ersten 100 Wagen nach Parchwitz zu entsenden, wo diese noch vor den Schiffen eintrafen, weil die Fahrt stromaufwärts und die Windverhältnisse ein Eintreffen vor Ab156 Zum gesamten Absatz siehe LASA, DE, Z44 Abt. Dessau, A 9b VIb, Nr. 10, Bd. V (Verschiedene Militaria aus des Fürsten Moritz von Anhalt in preußigen Jaare 1757), Blatt 260 und Blatt 410 jeweils Vorderseite. Zu den langgestreckten Dörfern siehe Staatsbibliothek zu Berlin, Kartensammlung, N-15060, Bd. 1, Sekt. 10: Ein Theil Iauerischen Füstentums, Bunzlauer, und Löwenbergschen und Liegnitzschen Fürstenthums, Goldberger Creises. 157 Siehe Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 4: 1757, Teil 3, Seite 107. 158 Siehe OestKA, AFA, Nr. 613: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 XI (351–Ende), Faszikel 593. 159 Zum gesamten Absatz siehe OestKA, AFA, Nr. 613: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 XI (351–Ende), Faszikel 589. 160 Siehe Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 4: 1757, Teil 3, Seite 112. 161 Siehe GStAPK, Rep. 96, Nr. 82 P: Etatsminister Schlabrendorff, Ernst Wilhelm, Immediatsberichte 1757, Blatt 106 Vorder- und Rückseite sowie GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 87 Cc:Generalmajor Friedrich Adolf von Kurssell 1757–1758, Schreiben aus Glogau vom 26. Dez. 1757.
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IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
lauf von 2 Tagen keinesfalls ermöglichten und man davon ausging, dass sie für die 11 Meilen bis dort sogar 6 Tage benötigen würden162. Derweil forderte der Generaladjutant des Königs, Oberst von Wobersnow, der eigentlich das Detail von der Armee bzw. die Stärkelisten verwaltete163, am 28. November von den umliegenden Dörfern und Städten links der Oder die Ablieferung sämtlicher Fouragevorräte sowie der Brot- und Mehlreserven ein, um die Verpflegung in den nächsten Tagen zu bewältigen164. IV.8.4. Die Schlacht bei Breslau und der Rückzug des preußischen Korps Während König Friedrichs Korps in Schlesien angekommen war, verschlechterte sich die Lage bei Breslau erheblich, denn inzwischen hatten die Österreicher nicht nur eine Schlacht gegen die Truppen des Herzogs von Bevern gewonnen, sondern auch die befestigte Stadt selbst in ihre Gewalt gebracht. Seit der Kapitulation von Schweidnitz, sprich ab dem 12. November, entwickelte sich die Lage in Schlesien sukzessive zu Ungunsten der Preußen, was nur bedingt erstaunlich ist, da die Österreicher Mitte November noch über 91.500 Mann in Schlesien verfügten165, gegen die man inklusive der Festungsbesatzungen kaum mehr als 40.000 Mann aufbieten konnte. Die preußische Feldarmee unter dem Herzog von Bevern verfügte zu diesem Zeitpunkt noch über rund 30.000 Mann, denen zunächst sogar noch eine verhältnismäßig große Anzahl an Österreichern gegenüberstand, da die Hauptarmee am 12. November noch ca. 47.500 Mann zählte, worunter sich 9.292 Kavalleristen und 38.276 Infanteristen befanden166. Angesichts der numerischen Überlegenheit drang Maria Theresia abermals auf die Verlegung der schweren Artillerie, um eine Festung an der Oder zu erobern167. Nach dem Fall von Schweidnitz war nun auch eine ausreichende Menge an schweren Geschützen und Munition in Schlesien verfügbar. Hinzu kam, dass sich durch die beträchtlichen Lieferungen, die in der ersten November hälfte eintrafen, nun auch die Versorgungslage der Österreicher entspannte. Die Übersicht zeigt, welche Vorräte bei den beiden Großverbänden und in den Magazinen vorhanden waren: 162 Siehe GStAPK, Rep. 96, Nr. 82 P: Etatsminister Schlabrendorff, Ernst Wilhelm, Immediatsberichte 1757, Blatt 106 Rückseite und Blatt 108 Vorderseite sowie GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 87 Cc:Generalmajor Friedrich Adolf von Kurssell 1757–1758, Schreiben aus Glogau vom 26. Dez. 1757. 163 Vgl. Jany, Curt, Geschichte der Königlich Preußischen Armee bis zum Jahre 1807, Bd. 2, Seite 200 und 202. 164 Siehe OestKA, AFA, Nr. 613: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 XI (351–Ende), Faszikel 640. 165 Siehe OestKA, AFA, Nr. 612: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 XI (1–350), Faszikel 9. 166 Siehe ebd. 167 Siehe OestKA, AFA, Nr. 612: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 XI (1–350), Faszikel 274.
IV.8. Der Winterfeldzug in Schlesien und Ende des Kriegesjahres 1757561 Tabelle 84 Vom Herzogtum Schlesien an die Österreicher gelieferte Vorräte im November1757168 Korn
Mehl
Brot
Hartfutter
Raufutter
Scheffel
Zentner
Portionen
niederöst. Metzen
Portionen
Bis zum 15. November
100
35.149
273.147
145.482
1.083.251
Vom 16. bis 30. November
40
150.750
7.918
5.700
13.339
13.482
11.688
Bei Nadasdys Korps
11.492
Jauer
506
3.767
5.700
Liegnitz
4.019
12.003
11.688
572
6.161
Landeshut
622
Neumarckt
827
657
4.327
Strigau
164
3.044
13.529
Summe
140
52.157
438.461
364.453
1.124.656
Summe in Tonnen
11 ½
3.181
438
11.480
6.185
Wie sich der Bedarf der Truppen dazu verhielt, wird aus der nächsten Tabelle ersichtlich. Wiedergegeben ist vermutlich die Lage nach der Vereinigung beider Verbände vor Breslau: Tabelle 85 Durchschnittlicher Tageskonsum der österreichischen Streitkräfte in Schlesien in der Zeit vom 17. bis zum 24. November 1757 (8 Tage) in Portionen169 Gesamt (Inf., Kav., Art. Fuhrwesen, General. u. Gef.) Verband / Stationierungsort
Brot
Hafer
Heu
Hauptarmee
83.724
16.791
14.301
Nadasdys Korps
19.056
8.756
7.944
168 Zu sämtlichen Angaben in dieser Tabelle siehe OestKA, Zentralst., Generalkriegskommissariat, Akten, Nr. 55 Militärdirectoralia 1757 XI / 141–XII / 330, Faszikel XII / 273: Summarischer Extract Was seith der Einrückund durch Herzogthum Schlesien zu Behuf der Armee Verpflegung an Naturalien durch dasselbe geliefert worden. 169 Zu sämtlichen Angaben in dieser Tabelle, die im Original 8-mal so groß ist, siehe OestKA, Zentralst., Generalkriegskommissariat, Akten, Nr. 55 Militärdirectoralia 1757 XI / 141–XII / 330, Faszikel XII / 273: Achttägige Natural- Consumption Was bey denen kayl. Königl. Armeen, und nachstehen Proviant-Magazinen an Brod, Haaber und Heu Portionen würcklich genossen worden.
562
IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757 Gesamt (Inf., Kav., Art. Fuhrwesen, General. u. Gef.)
Verband / Stationierungsort Konsumzwischensumme der Korps Jauer
Brot
Hafer
Heu
102.780
25.547
22.245
357
888
595
Landeshut
4.002
7.598
736
Liegnitz
3.757
2.479
1.426
Neumarckt
4.353
768
1.117
Strigau
1.042
1.477
437
116.291
38.757
Gesamtumme
26.556
Legt man nun den Verbrauch gemäß der zweiten Tabelle zugrunde, so zeigt sich, dass die Hauptarmee mit den Mehl- und Brotmengen, die bis Ende November zur Verfügung standen, bei einem Tagesverbrauch von rund 63 Tonnen Mehl und inklusive der Brote 39 Tage verpflegt war. Für die Pferde reichten die Vorräte sogar bis zu 76 Tagen. Bei Nadasdys Korps stellte sich die Lage hinsichtlich der Truppenverpflegung ähnlich günstig dar. Die Pferde waren allerdings nur 14 Tage mit Hafer und 1 ½ Tage mit Heu zu versorgen. Insgesamt deckten die vorhandenen Mengen in Schlesien für 40 Tage den Brotbedarf aller Truppen und gewährleisteten die Ausfütterung sämtlicher Tiere für 74 Tage mit Hafer und 42 Tage mit Heu. Da offensichtlich aber deutlich weniger Heu als Haferrationen konsumiert wurde, ist es denkbar, dass die Österreicher die Haferrationen auf ca. 6 statt 4 Kilogramm aufgestockt hatten. Aber selbst dann versorgten die vorhandenen Mengen die Pferde noch für 49 Tage, sodass die Truppen in jedem Fall bis zum 10. Dezember und die Kavallerie bis zum 19. bzw. 12. November komplett unterhalten werden konnten. Ob es tatsächlich gelang, die Truppen so lange zu verpflegen, hing aber maßgeblich davon ab, ob man die Vorräte der Magazine richtig zu verteilen wusste. Offensichtlich war dies aber nicht wirklich der Fall, denn in Liegnitz lagerten am 19. November 6.860 Zentner Mehl, 4.054 Metzen Hafer und 14.144 Portionen Heu, womit man die dortige Garnison nach der Bedarfskalkulation des Kommandanten Materni für ca. 4 ½ Monate mit Brot, 3 Monate mit Hafer und sogar 8 Monate mit Heu hätte verpflegen können170. Wie sich Oberproviantkommissar Hauer später erinnerte, bereitete neben dem Verteilungsdefizit der Lebensmittel vor allem die Aufbringung des Holzes den österreichischen Truppen immense Probleme: „Man schrieb in Schlesien zwar aus, unterstützt die Ausschreibungen aber durch keine Exeku tionen, und Fouragieren ließe man, aus der Ursache nicht, weil man die Herzen der schlesischen Unterthanen durch Gelindigkeit gewinne zu können glaubt. Unterdeßen waren doch gewisse 170 Siehe OestKA, AFA, Nr. 613: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 XI (351–Ende), Faszikel 438a und b.
IV.8. Der Winterfeldzug in Schlesien und Ende des Kriegesjahres 1757563 Artükeln, in Anbetracht deren man das Land unmöglich schonen konnte. Ein derley ware besonders das Holz, und ich erinnere mich daß ein Wald der zwischen Marchwitz und Lissa ware, von der Armee zur unausweichlichen Nothdurft ausgehauen worden, daß man Mühe hatte die Merkmahle zu kennen, wo diese beträchtliche Waldung vorhero gewesen […]“171.
Offenbar hatte genau dieser Holzmangel zur Folge, dass die österreichische Hauptarmee schon am 17. November nur noch über 23.306 dienstbare Infanteristen und 9.008 Kavalleristen verfügte172. Damit hatte die Infanterie der Hauptarmee innerhalb von 5 Tagen einen krankheitsbedingten Ausfall von fast 15.000 Mann zu verzeichnen, also 3.000 Mann mehr als in der bis dahin größten und verlustreichsten Schlacht vor Prag173! Etwas nachvollziehbarer wird dieser enorme Abgang vielleicht, wenn man sich vergegenwärtigt, dass für die 47.500 Soldaten der Hauptarmee nach dem Brennholzsatz, den die Preußen für ihre Dresdner Garnison veranschlagt hatten174, pro Monat über 30.000 Tonnen an Heizmaterial zu beschaffen waren, was aber selbst mit dem gesamten Potential an vierspännigen Wagen in Schlesien nicht zu bewältigen gewesen sein dürfte. Offenbar drangen wegen der massiven Holzdefizite auch die bayrischen Truppen, die mit General Nadasdy von Schweidnitz anrückten, angesichts des kalten Wetters darauf, den Feldzug schnell zu beenden175. Allerdings befand sich nicht nur die Infanterie in schlechter Verfassung, denn auch die 20 Regimenter der Kavallerie zählten inzwischen keine 8.000 Pferde mehr176. Wahrscheinlich begannen die Österreicher auch deshalb schon für ihre schwere Reiterei u. a. beim Lieferanten Johann Prizzen in Böhmen 1.000 Kürassier- und 1.000 Dragonerpferde zu ordern, wovon jedes Regiment zwischen 50 und 70 Stück erhalten sollte177. Allerdings gestaltete es sich schwierig, die Remonten den Truppen in Schlesien aus Böhmen zuzuführen. So hatte Major Panatsch schon am 4. November aus Königgrätz über den dortigen Mangel an Stallungen zur Unterbringung der ankommenden 856 Remontepferde aus Pilsen berichtet, da sich in den Vorstädten nur 250 Stück einquartieren ließen, was aber ohnehin nicht ratsam war, weil dort im Gegensatz zu den Dörfern kein Stroh und schlechteres Futter vorhanden war, sodass die Pferde den weiteren Weg zur Truppe unausweichlich in minderwertigem Zustand antreten würden178.
171 OestKA,
AFA, Nr. 670 CA: Kampagne gegen Preußen 1758 (VIII–XIII), Faszikel XIII / 12. OestKA, AFA, Nr. 612: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 XI (1–350), Faszikel 79, 80 und 81. 173 Vgl. IV. Teil 3.3.: Der Vormarsch nach und die Schlacht bei Prag. 174 Vgl. III. Teil 1.: Die logistisch relevanten Ressourcen in Schlesien, Sachsen, Böhmen und Mähren. 175 Siehe BayKA, Alter Bestand B 258 Antheil am Siebenjährigen Krieg 1757. Auxiliarscorps IV–XIII: Schreiben des Generals Seyssel de Aise aus Klettendorf bei Breslau am 20. November. 176 Siehe OestKA, AFA, Nr. 622: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 XIII (399–502), Faszikel 453a. 177 Siehe OestKA, AFA, Nr. 613: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 XI (351–Ende), Faszikel 440a. 178 Siehe OestKA, AFA, Nr. 612: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 XI (1–350), Faszikel 203. 172 Siehe
564
IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
Aber nicht nur die Heranführung der Pferde über die Hauptnachschubroute bereitete Probleme, denn 8 Tage später gab Panatsch zu Protokoll, dass auch der Nachschub an Kleidungsstücken stockte, weil die 52 Wagen, die hierfür erforderlich waren, aus Futtermangel nicht aufgebracht werden konnten179. Trotz oder vielleicht gerade auch wegen der Probleme, die aus einer völlig unzureichenden Winterausstattung der Truppen resultierten, entschlossen sich die Österreicher 10 Tage nach der Übergabe von Schweidnitz zum Angriff auf Breslau. Das dortige Lager der Preußen glich laut einem anonymen österreichischen Offizier einige Tage vor der Schlacht einem Halbzirkel, der sich von der Oder entlang des Loheflusses erstreckte und dann bei Klein-Mochber zurückbog, wo er sich auf dem linken Flügel an die Breslauer Vorstadt Siebenhüben anschloss, denen noch die Vorstädte Grabitz und Gräbischen vorgelagert waren. Die Front war an vielen Stellen mit Schanzen bzw. Redouten versehen, die vielfach mit schwerer Artillerie bestückt waren und verhindern sollten, dass es den Österreichern gelang, den Lohefluss zu überqueren, der an manchen Stellen bis zu 30 Fuß, sprich rund 10 Meter, breit war. Gegenüber standen sich ihm zufolge 24.000 Preußen und ca. 50.000 Österreicher180. Die genauen Truppenstärken in der Schlacht sind auf beiden Seiten schwierig zu ermitteln, weil nicht genau bekannt ist, in welchem Umfang das Korps Nadasdys zur Verstärkung der Hauptarmee vor Breslau beitrug, und auf preußischer Seite strittig ist, in welcher Größenordnung sich die preußische Kavallerie bewegte. Zumindest scheinen die zuletzt genannten Zahlen des österreichischen Offiziers nicht mehr ganz die tatsächlichen Verhältnisse widerzuspiegeln. Da Oberproviantkommissar Hauer die Stärke der österreichischen Truppen aber mit ungefähr 65.000 Mann angeben sollte, könnte die Zusammensetzung in etwa folgende gewesen sein: Die Hauptarmee verfügte, nachdem die rund 9.500 Kommandierten aus Schweidnitz am 18. November wieder eintrafen, über 31.759 einsetzbare Infanteristen, zu denen noch ca. 8.700 Kavalleristen kamen, zusammen also rund 40.000 Mann181. Nadasdys Korps stieß nun vermutlich mit der regulären Infanterie und den Kavallerieeinheiten, abzüglich der Schweidnitzer Besatzung im Umfang von 3.700 Mann182, mit 24.700 Soldaten zur Hauptarmee183, sodass sich zusammen tatsächlich 64.700 Mann vor Ort befanden, was der von Hauer angegebenen Größenordnung fast genau entsprechen würde184.
179 Siehe
ebd., Faszikel 305. gesamten Absatz siehe LASA, DE, Z44 Abt. Dessau, A 9b VIb, Nr. 10, Bd. V (Verschiedene Militaria aus des Fürsten Moritz von Anhalt in preußigen Jaare 1757), Blatt 387 Vorderund Rückseite. 181 Siehe OestKA, AFA, Nr. 612: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 XI (1–350), Faszikel 83 und 93. 182 Siehe OestKA, AFA, Nr. 614: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 XII (1–227), Faszikel 4. 183 Siehe OestKA, AFA, Nr. 612: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 XI (1–350), Faszikel 1. Die deutschen Truppen, d. h. die Infanterie, darunter auch die Württemberger und Bayern, sowie die Kavallerie inklusive der sächsischen Chevaulegers zählten ganz genau 28.403 Mann. 180 Zum
IV.8. Der Winterfeldzug in Schlesien und Ende des Kriegesjahres 1757565
Die Kalkulation der Stärke der preußischen Armee ist noch schwieriger. Ihre Infanterie scheint in der Tat stark geschwächt gewesen zu sein. Denn sie betrug am 19. November inklusive des Regimentsstabes, d. h. mit den Spiel- und Zimmerleuten, gerade noch 17.500 Mann, zu denen noch 1.364 Kommandierte kamen, während rund 4.500 Mann krank waren185. Nicht mitgerechnet waren wohl die rund 3.000 Mann auf der rechten Oderseite. Die Kavallerie befand sich dagegen wieder in passablem Zustand, denn laut dem Bericht eines preußischen Deserteurs vom Kürassierregiment Kyau waren die preußischen Regimenter schon Anfang November vielfach mit neuen Remontepferden versehen worden und verfügten in der Regel über 650 Mann pro Regiment186, was bei den üblichen 5 Eskadrons auf eine durchschnittliche Größe von 130 Mann pro Eskadron hindeutet. Da 102 Eskadrons zur Verfügung standen, dürfte die Stärke des Kavalleriekontingents bei 13.200 Berittenen gelegen haben. Zusammen mit der Infanterie müssten demzufolge 30.700 Mann auf der linken Oderseite vorhanden gewesen sein187. An Nahrungsmitteln herrschte offenbar auch jetzt noch Überfluss, da der Breslauer Bevölkerung sogar 86.000 Brote kostenlos angeboten wurden188. Probleme ergaben sich aus der geringen Truppenstärke der Infanterie, denn ein Zimmermann des Asseburg’schen Regiments berichtete, es habe so große Lücken in der preußischen Front gegeben, dass bis zu 4 Regimenter links und rechts neben seiner Einheit Platz gehabt hätten189. Laut dem Herzog von Bevern war die Armee aber gezwungen, sich in weitem Bogen bis Klein-Mochber an die Lohe auszudehnen und dort dem Gegner möglichst lange den Übergang zu verwehren, weil dadurch die Höhe vor Grabnitz und Gräbsichen gedeckt wurde, von der man ansonsten diese Vorstädte Breslaus hätte unter Beschuss nehmen können190, in denen zum Teil jedoch auch die preußischen Verwundeten lagen. Insgesamt stand einer kleinen, aber gut verpflegten und besser ausgestatteten preußischen Armee eine doppelt so starke Streitmacht der Österreicher gegenüber, die zunehmend unter Ausrüstungsmängeln litt und politisch unter Druck geriet.
184 Um 7.000 oder sogar 18.000 Mann höher veranschlagte das Generalstabswerk die Stärke der österreichischen Truppen. Vgl. Großer Generalstab, Die Kriege Friedrichs des Großen. Dritter Theil, Bd. 4: Groß-Jägersdorf und Breslau, Seite 194. 185 Siehe GStAPK, IV. HA., Rep. 15 A, Nr. 655: Quellensammlung 30, Blatt 254 Vorderseite. 186 Siehe OestHHStA, Kriegsakten, Nr. 357: Schreiben Lothringens am 6. November 1757 aus dem Hauptquartier in Lissa. 187 Im Gegensatz dazu hatte das Generalstabswerk die Stärke der preußischen Truppen um fast 3.000 Mann geringer veranschlagt, bei höchstens 27.880 Mann, was vor allem mit der deutlich geringeren Kavallerieanzahl zusammenhängt. Vgl. Großer Generalstab, Die Kriege Friedrichs des Großen. Dritter Theil, Bd. 4: Groß-Jägersdorf und Breslau, Seite 246. Ein noch niedrigerer Wert findet sich bei Schröter, Philipp von, Kriegsgeschichte der Preußen 1655–1763, Seite 236. 188 Siehe Menzel, Karl Adolf, Topographische Chronik von Breslau, Seite 745. 189 OestKA, AFA, Nr. 613: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 XI (351–Ende), Faszikel 475. 190 Siehe OestKA, AFA, Nr. 623: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 XIII (503–Ende), Faszikel 651.
566
IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
Allerdings gelang es den Österreichern, mit der Heranführung der Belagerungsartil lerie einen wichtigen Trumpf auszuspielen. Bis zum 18. November verfügten sie über 30 12-Pfünder, 6 24-Pfünder und 21 7-Pfund-Haubitzen vor Ort, wobei sich im Reser veartilleriepark schon die aus Schweidnitz abgeschickten 12- und 24-Pfünder befanden.191 Offenbar trafen am 21. November aber nicht nur 129 Kürassier- und 239 Dragonerpferde ein, sondern auch noch weitere schwere Geschütze192. Laut dem Plan des Artilleriegenerals Anton von Feuerstein waren darunter 20 leichte 24-Pfünder, 6 10-pfündige Haubitzen und 6 30-Pfund-Mörser, die mit jeweils 200 Schuss bzw. 150 Würfen an Munition versehen sein sollten, während für die schon vorhandenen 12-Pfünder 12.000 Kugeln herangeführt worden waren193.Insgesamt wurden nun 9 Batterien, die mit 16 24- Pfündern, 30 12-Pündern sowie 4 Mörsern, 2 Haubitzen und 8 Feldkanonen bestückt waren, formiert und von denen sich 4 um das Dorf Pillnitz, 2 um das Dorf Neukirch und 3 um das Dorf Großmochber konzentrierten194. Nachdem man auch die neu eingetroffenen Geschütze in der Nacht in Stellung gebracht hatte, eröffneten sie am Morgen des 22. November das Feuer auf die preußischen Redouten, die wegen des Nebels noch nicht klar erkennbar waren, aber seitens der Österreicher zunächst aus 4 Batterien mit 20 24-Pfündern und der gleichen Anzahl an 12-Pfündern von 9 bis 12 Uhr beschossen wurden195. Der Geschosshagel dieser 40 schweren Geschütze führte zur Beschädigung einiger gegnerischer Kanonen in den Feldbefestigungen und stiftete Verwirrung unter den preußischen Truppen, sodass es den Pionieren der habsburgischen Streitkräfte gelang, an mehreren Stellen Brücken über den Lohefluss zu schlagen196. Dies geschah zwar unter massiver Gegenwehr, sodass ab 1 Uhr mittags beide Seiten für ca. eine halbe Stunde ein intensives Infanteriefeuergefecht führten, was jedoch das Vordringen der Österreicher nicht verhindern konnte197. Zuächst gelang es dann ihren Husaren und Kroaten bei Klettendorf, an der äußersten rechten Flanke die Lohe zu überqueren und Kleinburg zu besetzen. Allerdings wurden 191 Siehe OestKA, AFA, Nr. 616: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 XIII, Faszikel ad pag. 190. 192 Siehe OestKA, AFA, Nr. 613: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 XI (351–Ende), Faszikel 464. 193 Siehe OestHHStA, Kriegsakten, Nr. 357: Schreiben Feuersteins aus Lissa am 14. November 1757. 194 Siehe St. Paul, Horace, A Journal of the First Two Campaigns of the Seven Years War, Seite 383. 195 Siehe OestKA, AFA, Nr. 613: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 XI (351–Ende), Faszikel 464. Die 4 24-Pfünder, die gemäß der zuvor erwähnten Batteriezusammensetzung fehlen, dürften 24-pfündige Feldkanonen gewesen sein. 196 Siehe LASA, DE, Z44 Abt. Dessau, A 9b VII, Nr. 8g: Precis des Herzogs von BraunschweigBevern Aug.–Nov. 1757, Blatt 21 Rückseite. 197 Siehe OestKA, AFA, Nr. 613: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 XI (351–Ende), Faszikel 464.
IV.8. Der Winterfeldzug in Schlesien und Ende des Kriegesjahres 1757567
die Einheiten durch den Gegenangriff des Freibataillons Angelelli und von 15 Eskadrons der preußischen Kavallerie zurückgetrieben und für die Dauer des weiteren Kampfgeschehens zur Untätigkeit gezwungen. Die Österreicher begannen dann bei Pillnitz sowie zwischen Schmiedefeld und Groß-Mochber in größerer Anzahl die Lohe zu überschreiten198. Gegen 3 Uhr nachmittags griffen sie die Dörfer Schmiedefeld und Höfichen mit ihren Verschanzungen frontal an. Anschließend tobte der Kampf zwischen Gräbischen und Klein-Mochber auf ganzer Front, da dieser Bereich nicht mehr von den preußischen Feldbefestigungen geschützt wurde, was anscheinend damit zusammenhing, dass man ursprünglich die Verteidigung einer kleineren Stellung geplant hatte, was angesichts der numerischen Unterlegenheit völlig nachvollziehbar erscheint. Im Frontabschnitt zwischen Klein-Mocher und Gräbischen leisteten auf preußischer Seite vor allem Generalmajor von Schultz und Prinz Ferdinand mit ihren Regimentern erbitterten Widerstand. Sie konnten aber das Vordringen der Österreicher nicht verhindern, zumal eine geplante Gegenattacke unterblieb, weil sie sich angesichts der Schanzen und Verhaue sowie des österreichischen Artilleriefeuers als zu schwierig erwies199. „Es wurden auch Feuerkugeln geworffen, als wenn eine Stadt bombardiert würde, daß endlich unsere Redouten ruiniret worden: die Grenadiers von unß zogen ab und der Feind passierte die Schiffsbrücke: hier wollte unser Regiment sich zeigen und den oft erworbenen Ruhm erneuern, marchierte mit klingendem Spiel gerade auf sie loß, kehren unß an nichts obschon hier und da ein Kopf oder Bein weg, biß wir endlich so nah kommen, da sie ihr Geschüz mit Cardetschen gelatten, wo denn immer auf einen Schuß 140 kleine Kugeln schoßen, und die grausame Menge, daß in einer guten viertel Stunde das Regiment 1500 Mann starck die andere Viertel Stund 2 ½ hundert Mann starck […]“200.
Die folgende Karte (siehe nächste Seite) zeigt die Stellungen der Österreicher und Preußen sowie die Orte um Breslau, die Lohe, die Befestigungen der Preußen, den Beschuss derselben während des Gefechts sowie die Höhe bei Gräbischen und den Ort Kleinburg auf der rechten Flanke, wo der Kavalleriekampf stattfand.
Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 4: 1757, Teil 3, Seite 97. LASA, DE, Z44 Abt. Dessau, A 9b VII, Nr. 8g: Precis des Herzogs von BraunschweigBevern Aug.–Nov. 1757, Blatt 21 Rückseite und Blatt 22 Vorderseite. 200 OestKA, AFA, Nr. 613: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 XI (351–Ende), Faszikel 464. 198 Siehe 199 Siehe
201
Karte adaptiert nach OestKA, Karten- und Plansammlung, Kriegskarten, H IIIe, Nr. 1388.
Abbildung 54: Plan der Schlacht bei Breslau am 22. November 1757201
568 IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
IV.8. Der Winterfeldzug in Schlesien und Ende des Kriegesjahres 1757569
Prinz Ferdinand von Preußen berichtete ebenfalls, dass sein Regiment stark durch das Geschützfeuer der Österreicher gelitten und 1.000 Mann verloren hatte202. Abgesehen davon waren diese inzwischen aber auch schon an einigen weiteren Stellen über dieLohe gelangt, sodass selbst die Regimenter auf dem rechten Flügel bei Pillnitz in heftige Kämpfe verwickelt wurden, bei denen einige in der Tat hohe Verluste erlitten. Dennoch gelang es den Preußen nach Aussagen der Österreicher, dort bis 6 Uhr abends den Widerstand aufrechtzuerhalten203. Wegen der dann einsetzenden Dunkelheit kam auch General von Nadasdys Korps gegen die preußische Kavallerie kaum zum Einsatz, die zuvor zwischen Kleinburg und Dürgan aufmarschiert war. Sie hatte sich hinter eine Batterieschanze auf der Höhe bei Kleinburg zurückgezogen und zündete den Ort nun im Rahmen des Rückzuges an204. Die Preußen ließen sich zunächst zum Stadtrand von Breslau zurückfallen und planten eigentlich eine Gegenoffensive, die dann aber ausblieb205. Die Österreicher wussten, dass die Schlacht aus ihrer Perspektive glücklich verlaufen war, vor allem weil die Verluste laut Hofrat Hauer viel höher hätten ausfallen können: „Es ist gewiß eine ganz ausserordentliche Fügung Gottes daß es nicht dreymahl mehr Blut gekostet den Feind aus einem Lager zu delogiren, welches von der Natur mit einer Menge Graben und Abschnitten, mit einem vorbey einander Fluss, und mit viellerley Pfüzen, Morasten und Teichen versehen, ausserdeme aber durch eine Arbeith an welcher bey 8 Wochen zugebracht worden, ich glaube mit mehr als 13 Haubt Batterien und Redouten, mit Wolffsgruben, Verhakh, und Retranchementern, auch Spanischen Reuthern dergestalten bevestiget ware, daß man hätte glauben sollen 40000 Mann, so starkh dörften die Feinde gewesen seyn, wurden sich ein halb Monath auch gegen 150000 Mann währen, und dennochen werden die Unsrigen nicht viell über 65000 Mann ausgemachet haben, welche die so vortheilhaft postirt geweste Feinde herausgeschlagen […]“206.
Trotz des Erfolges verloren die habsburgischen Streitkräfte 5.800 Mann sowie 369 Pferde im Rahmen dieser Schlacht. Allerdings waren auch die Verluste der Preußen beträchtlich. Die folgende Tabelle zeigt die Verluste beider Seiten im Überblick.
202 Vgl. Siehe GStAPK, BPH, Rep. 57 / I Prinz Ferdinand von Preußen J: 27 Briefe des Prinzen Ferdinand an seinen Bruder Prinzen Heinrich, Blatt 1 Vorderseite. 203 OestKA, AFA, Nr. 613: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 XI (351–Ende), Faszikel 464. 204 Siehe ebd. 205 Siehe LASA, DE, Z44 Abt. Dessau, A 9b VII, Nr. 8g: Precis des Herzogs von BraunschweigBevern Aug.–Nov. 1757, Blatt 22 Rückseite und 23 Vorderseite. 206 OestKA, AFA, Nr. 613: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 XI (351–Ende), Faszikel 467.
570
IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757 Tabelle 86 Preußische und österreichische Verluste an Soldaten infolge der Schlacht bei Breslau
Kriegspartei
Tot oder Vermißt
Verwundet
Gefangen oder desertiert
Gesamtverluste
Österreicher207
668
4.695
437
5.800
Preußen208
2.660
1.589
600 + 3.876
8.725
Von den genannten Verlusten der Österreicher entfielen gerade einmal 658 Infanteristen und 228 Kavalleristen auf das Korps von General Nadasdy. Auch sie veranschlagten die Verluste der Preußen inklusive der immens hohen Anzahl an Desertierten nicht höher als 9.000 Mann, und eroberten von ihnen u. a. 20 Bataillonsgeschütze, 10 12-Pfünder, 1 24-Pfünder, 2 12-pfündige Haubitzen sowie 4 Munitionswagen und 9 Munitionskarren209. Der Herzog von Bevern hatte nun eigentlich Befehl, Breslau unbedingt zu verteidigen. Eine entschlossene Gegenwehr konnte aber nicht stattfinden, weil es aufgrund der Desertion zu hohen Verlusten unter den 10 Bataillonen der Besatzung kam, die nach dem Einmarsch noch aus 3.629 Mann bestand, in den folgenden Tagen aber auf 316 Mann zusammenschrumpfte210. Es standen aber auch zu wenige Artilleristen zur Verfügung, sodass es nicht möglich war, die 88 Geschütze, die sich auf den Wällen befanden, mit den 18 Artilleristen und 90 Handlagern zu besetzen, zumal 30 Mann hiervon in den letzten Tagen bei der Armee gedient hatten, während andere zusammen mit den Sachsen und Schlesiern desertiert waren211. An Munition bestand kein Mangel, denn Ende Oktober waren in Breslau 2.700 Zentner Pulver vorhanden, mit denen sich neben 44.000 Schuss für die unterschiedlichen Geschütze auch 2 Millionen Flintenpatronen und diverse Minenarten herstellen ließen212. Insofern sahen sich die kommandierenden Generalleutnante von Katte und Lestwitz in erster Linie aufgrund von Personalmangel gezwungen, Breslau den Österreichern am 24. November zu übergeben. Gemäß der Kapitulationsvereinbarung konnten die Einwohner ihre konfessionelle Zugehörigkeit und die preußischen Offiziere ihre Bagage behalten, sämtliche Archive, Naturalienbestände sowie die Munition und Geschütze waren jedoch den österreichischen Befehlshabern und Kommissaren auszuhändigen213. 207 Siehe OestKA, AFA, Nr. 613: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 XI (351–Ende), Faszikel 464. 208 Zu den Gefangenen und Desrtierten siehe ebd., Faszikel 464 und zu den Anteilen der Toten und Verwundeten vgl. Henckel zu Donnersmarck, Victor Amadäus Graf von, Militärischer Nachlaß des Königlich Preußischen Generallieutenants Gouverneurs von Königsberg und General-Inspekteurs des ostpreußischen Infanterie, Seite 394. 209 Siehe OestKA, AFA, Nr. 613: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 XI (351–Ende), Faszikel 460. 210 Vgl. Schöning, Curd, Historisch-biographische Nachrichten zur Geschichte der Brandenburgisch-Preußischen Artillerie, Bd. 2, Seite 360. 211 Vgl. ebd., Seite 361. 212 Vgl. ebd., Seite 352.
IV.8. Der Winterfeldzug in Schlesien und Ende des Kriegesjahres 1757571
Als Folge dieser Übernahme fielen den Österreichern enorme Mengen an Naturalien, Geschützen, Munition und Geschützfabrikationsmaterial in die Hände, da Breslau neben Berlin der wichtigste Herstellungsort für Geschütze im Königreich Preußen war. Die Österreicher fanden im Breslauer Zeughaus neben den Geschützen auf den Wällen 80 Kanonen, wovon die 23 12-Pfünder und 6 bronzenen 24-Pfünder mit Abstand die wertvollste Beute gewesen sein dürften. An Munition waren nicht weniger als 70.000 Kugeln für die 3-Pfünder, 5.300 für die 6-Pfünder, 60.000 für die 12-Pfünder und 8.000 für die 24-Pfünder vorhanden, die insgesamt um die 575 Tonnen gewogen haben dürften. Hinzu kamen mehrere tausend unkalibermäßige Kanonenkugeln. Außerdem fielen ihnen eine Unmenge an Lavetten und Protzenmaterial für sämtliche gängigen Geschützkaliber, d. h. für 3-, 6-, 12- und 24-Pfünder, sowie eine Vielzahl Zubehör wie Radfelgen, Naben und Speichen, mehr als 300 Ladestanden und Richtkeilklötzer sowie 280 Hebebäume in die Hände. Vorhanden waren auch 190 Munitionswagen und ‑karren sowie die dazugehörigen Mengen an Verschleißmaterial. Zusätzlich fand man 2.200 Zentner Pulver, an die 1,5 Millionen scharfe Flintenpatronen, 300.000 Karabinerpatronen, 700.000 Flintensteine, an die 900.000 Kugeln für Flinten und Karabiner sowie 17.000 Karabiner und 60.000 Pistolen214. Noch bedeutender als die Bestände im Zeughaus waren die erbeuteten Naturalien in den Breslauer Magazinen. Die folgende Tabelle zeigt, welche Bestände die Österreicher bei ihren beiden Revisionen am 24. November und 26. / 27. November in Breslau feststellten. Tabelle 87 Naturalienbestände in den Breslauer Magazinen am 24. und 26. / 27. November 1757 Festgestellt am 24. November215
Festgestellt am 26. / 27. November 1757216
in niederöst. Metzen
in Wispel
in Tonnen
in niederöst. Metzen
in Breslauer Scheffel
in Tonnen
Weizen
1.264
60
65
1.307
1.000
41
Roggen
54.365
2.588
2.795
56.250
45.000
1.771
Gerste
5.733
277
184
5.875
4.700
188
Hafer
29.000
1.381
920
31.250
24.000
984
Mehl
16.512
1.155
1.155
16.867
1.028
213 Siehe Staatsarchiv Breslau (A. P. we Wrocławiu), Magistrat Miasta Wrocławia, Nr. 1605: Acta Betreffend was bei Einnahme der Stadt Breslau 1757 vorgefallen, Blatt 6 und 7 jeweils Vorder- und Rückseite. 214 Zum gesamten Absatz siehe OestKA, AFA, Nr. 613: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 XI (351–Ende), Faszikel 474. 215 Zu den Originalangaben für den 24. November siehe OestKA, AFA, Nr. 613: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 XI (351–Ende), Faszikel 471a und 471b. 216 Zu den Originalangaben für den 26. und 27. November siehe OestKA, AFA, Nr. 613: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 XI (351–Ende), Faszikel 471 und 475a.
572
IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757 Festgestellt am 24. November in niederöst. Metzen
in Wispel
in Tonnen
Festgestellt am 26. / 27. November 1757 in niederöst. Metzen
in Breslauer Scheffel
in Tonnen
Heu
16.000
218.000 Port. 7–8 Pf.
738–872
Stroh
2.000
1.200– 1.320 Stück
Brotportionen
60.000
Fässer voll
4.510
60.000
60
Wie die detaillierte Aufstellung der Bestände vom 24. November zeigt, konzentrierten sich die meisten Naturalienmengen auf die Magazingebäude auf dem Burgfeld und auf dem Sand, die Ehrenpforte sowie auf die Gebäude der Geistlichkeit, darunter das Vinzenzkloster sowie das Katharinen- und Jesuitenkolleg217. Während die Österreicher ihre Beute sondierten, zogen sich die Preußen in Richtung Glogau zurück. Die Gesamtverluste scheinen inklusive der 3.313 Deserteure aus Breslau und Ausfällen in der Schlacht, die sich mit Toten, Verwundeten, Kriegsgefangenen und Desertierten auf 8.401 Mann beliefen, nicht mehr als 11.714 Mann betragen zu haben, wovon 7.789 auf die Deserteure und Kriegsgefangenen entfielen. Da die Österreicher bis Anfang Dezember aber nur 4.513 Deserteure und 649 Kriegsgefangene aufgriffen, von denen gerade einmal 32 Mann in ihre Dienste wechselten218, waren die Einbußen vielleicht auch nur mit 9.087 Mann zu beziffern, zumal auch die preußischen Offiziere die Verluste nicht höher als 10.000 Mann schätzten219. Somit verblieben dem Bevern’schen Korps immer noch um die 20.000 Mann. Obwohl nach der Schlacht auf preußischer Seite Verwirrung herrschte, waren die Truppen wohl nicht in hoffnungsloser Auflösung begriffen. Während einige Breslauer Bürger gegenüber den Husaren das Gerücht verbreiteten, die Preußen seien völlig am Ende, marschierten in der Nacht viele Bataillone geordnet durch die Stadt, darunter auch die märkischen Einheiten, die sich am bereitwilligsten zeigten220. Die Deserteure, die der General Beck am 23. November auf der linken Oderseite bei Ransern aufgriff, berichteten zudem, dass die Preußen sich auf dem Rückzug nach Glogau befanden und versuch217 Siehe zikel 471b. 218 Siehe kel 73. 219 Siehe ber 1757. 220 Siehe
OestKA, AFA, Nr. 613: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 XI (351–Ende), FasOestKA, AFA, Nr. 614: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 XII (1–227), FasziOestHHStA, Kriegsakten, Nr. 357: Journal aus Hauptquartier Breslau am 27. NovemLogan-Logeius, Jakob Friedrich Anton, Und setzet ihr nicht das Leben ein, Seite 200.
IV.8. Der Winterfeldzug in Schlesien und Ende des Kriegesjahres 1757573
ten alle Verwundeten aus der Stadt zu evakuieren221. Ein preußischer Husar sagte aus, die Truppen hätten die Erlaubnis erhalten, aus dem Magazin alles an Montur und Fourage zu holen, bevor man es dem Feind überließ222. Nur 3 Tage später, als sich die preußischen Truppen schon bei Stroppen befanden und beabsichtigten, am nächsten Tag über Herrenstadt und Guhrau nach Glogau zu marschieren, brachte Beck in Erfahrung, dass die Desertion unter den schlesischen Einheiten immer noch sehr groß war, sodass Gerüchte kursierten, wonach die Preußen keinen Schlesier von diesen außer Landes brächten223. Allerdings scheint die schlesische Zivilbevölkerung die Desertion ihrer Landesleute keineswegs durchweg unterstützt zu haben, denn der Schulze des Dorfes Prschibor brachte 2 preußische Deserteure wieder nach Glogau, was ihm nicht zuletzt auch die Aufmerksamkeit der Österreicher unter General Beck sicherte, der ihn deswegen bei Nacht gefangen nehmen lassen wollte224. Stattdessen war der Herzog von Bevern selbst am 24. November während eines Erkundungsrittes in Gefangenschaft geraten, weil er an der Leipe rechts der Oder nicht mehr 100 oder 150 preußische Husaren, sondern einen Posten der Panduren bzw. kroatischen Grenztruppen antraf225. Wie Bevern im österreichischen Hauptquartier einräumte, schien die Verpflegung seines Korps bedrohlich zu werden, weil man in Breslau viele Brote zurückgelassen hatte, obwohl es noch Mehlvorräte in Protsch und Weyda gab226. Die Situation war aber denkbar schwierig und geriet teils nur deswegen nicht gänzlich außer Kontrolle, weil Generalleutnant von Zieten den flüchtenden Truppen während des Rückzuges einen Rasttag verordnete und Minister von Schlabrendorff sich eifrig bemühte, den Truppen in ausreichender Menge Brote zukommen zu lassen. Laut Generalmajor von Goltz hatte das Korps sogar 120.000 Portionen Brot, d. h. einen Vorrat für rund 6 Tage, in Breslau zurückgelassen, schaffte es aber dennoch, am 26. November bis nach Hünern und am Tag darauf bis Groß-Osten in der Nähe von Guhrau zu marschieren227. Durch Schlabrendorffs Bemühungen bekamen die Truppen schon an diesem Tag 50.000 Portionen für 2 Tage auf allen kurzfristig verfügbaren Wagen geliefert228. Bereits am 28. November traf das Korps dann unter dem Kommando des Generalleutnants von Zieten in Glogau ein. Schlabrendorff war zwar besorgt, ob es gelingen 221 Siehe OestKA, AFA, Nr. 613: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 XI (351–Ende), Faszikel ad 489. 222 Siehe ebd. 223 Siehe ebd., Faszikel 548. 224 Siehe OestKA, AFA, Nr. 614: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 XII (1–227), Faszikel 197. 225 Siehe OestKA, AFA, Nr. 623: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 XIII (503–Ende), Faszikel 651. 226 Siehe OestHHStA, Kriegsakten, Nr. 357: Schreiben aus Stabelwitz am 26. November 1757. 227 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 82 P: Etatsminister Schlabrendorff, Ernst Wilhelm, Immediatsberichte 1757, Blatt 105 Vorderseite. 228 Siehe ebd., Blatt 106 Vorderseite.
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IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
würde, für die Truppen in ausreichendem Maße Brot bereitzustellen, weil es seiner Ansicht nach sowohl an Öfen als auch an Bäckereipersonal mangelte, zumal er zur selben Zeit auch die Vorkehrungen für die Einrichtung der Bäckerei in Parchwitz traf229. Während genug Mehl vorhanden war, weil in Glogau zu diesem Zeitpunkt noch 2.456 Tonnen sowie weitere 2.200 Wispel Roggen in den Magazinen lagerten, die in 4 Monaten kaum vermahlen werden konnten230, gestaltete sich die Verbackung schwierig. Am 29. November traf dann aber schon die Feldbäckerei der schlesischen Truppen ein, denen an diesem Tag doch noch 90.000 Portionen ausgehändigt wurden231. Innerhalb von 24 Stunden konnten nun jedoch nicht mehr als 20.000 weitere Brote gebacken werden232, was aber für das geschrumpfte Korps ausreichte, zumal damit gleich 3 Tagesportionen geliefert werden konnten. Zusätzlich bemühte sich Schlabrendorff mit Hilfe der Garnison auch in den umliegenden Dörfern weitere Brote aufzutreiben. Folglich dürfte das Korps, das vielleicht auch nur 19.000 oder 18.000 Mann umfasste233, für die nächsten 7 bis 9 Tage gut versorgt gewesen sein. Wahrscheinlich erhielten die Truppen auch neue Kleidung, denn schon Ende Oktober, als Haddiks Korps noch durch die Niederlausitz und die Kurmark streifte, lagen bei Frankfurt an der Oder 5 Kähne mit Montierungsstücken fest, die nach Glogau fahren sollten234. Wenn sie inzwischen dort angekommen waren, könnten die Soldaten zu großen Teilen gut mit neuen Kleidungsstücken versorgt gewesen sein. Problematisch war dagegen, dass sich unter Zietens Truppen nicht weniger als 4.000 Kranke befanden, die in den 600 Häusern von Glogau kaum unterzubringen und zu versorgen waren, weshalb der Generalchirurg von Schmucker empfahl, sie per Schiff nach Krossen und Frankfurt an der Oder zu transportieren235. Hinzu kam, dass die Festungsbesatzung angesichts der zahlreichen Gerüchte über die gegnerischen Streifparteien massiv zungunsten der Eskorte für die Schiffstransporte zur Armee des Königs geschwächt worden war, sodass nur noch 500 Mann des Langischen Garnisonsbataillons verblieben, das nicht nur zur Hälfte aus unzuverlässigen oberschlesischen Rekruten bestand, sondern mit der Verteidigung von Magazin und Festung überfordert war, weil auch für die Bedienung oder die entsprechenden Handlagerdienste bei den 129 Geschütze und 13 Mörser viel zu wenig Personal zur Verfügung 229 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 82 P: Etatsminister Schlabrendorff, Ernst Wilhelm, Immediatsberichte 1757, Blatt 111 Vorderseite. 230 Siehe ebd., Blatt 111 Rückseite. 231 Siehe ebd., Blatt 115 Vorderseite. 232 Siehe ebd., Blatt 114 Vorderseite und 115 Vorderseite. 233 Diese Kalkulation ergibt sich daraus, dass der König die Stärke der Armee bei Parchwitz mit 39.000 Mann angibt. Siehe Friedrich II., Politische Correspondenz, Bd. 16, Nr. 9557. Da er selbst offenbar 21–22.000 Mann heranführte, dürfte sich die Stärke dieses Korps bei rund 17–18.000 Mann bewegt haben. 234 Siehe LASA, DE, Z44 Abt. Dessau, A 9b VIa, Nr. 77: Correspondenz des Fürsten Moritz mit Behörden, Magistraten, Landräthen und anderen Beamten meist milit. Inhalts (1745–1757), Blatt 125 Vorderseite. 235 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 82 P: Etatsminister Schlabrendorff, Ernst Wilhelm, Immediatsberichte 1757, Blatt 113 Vorderseite.
IV.8. Der Winterfeldzug in Schlesien und Ende des Kriegesjahres 1757575
stand, und zwar selbst dann wenn die Reste der Breslauer Garnison mit kaum 400 Mann noch eintrafen236. Günstig war jedoch, dass man in Glogau auf recht große Munitionsmengen zurückgreifen konnte, denn im Oktober des Jahres lagerten dort immer noch jene 2.600 Zentner237 oder 135 Tonnen, die dort schon seit Juni aufbewahrt wurden238. Insofern ist es wahrscheinlich, dass auch die anderen Bestände ebenfalls noch verfügbar waren, darunter vor allem die 117.000 scharfen Flintenpatronen, die 39.000 Karabinerpatronen und die über 2 Millionen Flintenkugeln239. Diese Mengen reichten aus, um das rund 25.000 Mann starke Infanteriekontingent der Armee, die sich nun bei Parchwitz formieren sollte, mit einem kompletten Munitionssatz von 60 Schuss pro Mann zu versorgen, wobei es zwar genug Pulver für 2 komplette Sätze, aber nur genügend Kugeln und fertige Patronen für 1 ½ gab240. Obwohl auch 48 24-Pfünder und 38 12-Pfünder vorhanden waren, nahm Zietens Korps letztlich nur 10 12-pfündige Batteriegeschütze, 1.000 Kugeln und Kartuschen sowie 4 Mörser und 36 Zentner Pulver mit241. In Anbetracht dessen war die Streitmacht trotz der vielen Verluste bei Breslau wieder gut ausgestattet und konnte hinsichtlich der Bewaffnung allemal als gefechtsbereit gelten. Während für die Munitionsmengen wohl nicht mehr als 20 vierspännige Wagen benötigt wurden, erforderte der Transport der Brote deutlich mehr Fuhrwerke, von denen die ersten 100, wie schon erwähnt, am Morgen des 28. November nach Parchwitz entsandt worden waren242. Darüber hinaus hatten Beverns Truppen wohl mindestens 16 der 17 Feldbacköfen aus Breslau evakuieren können, sodass Schlabrendorff diese zusammen mit dem Bäckereipersonal, das er aus den umliegenden kleinen Städten versammelte, ebenfalls nach Parchwitz zur Armee des Königs entsandte243. Auf diese Weise konnten dort dann pro Tag wenigstens 12.800 Brote oder 38.400 Portionen hergestellt werden, sodass der Großteil der Truppen auch mittelfristig gut zu verpflegen war, obwohl auch die lokalen Ressourcen in erheblichem Ausmaß für die Versorgung der vereinigten Armee genutzt werden mussten, zumal sie durch die Verstärkung aus Glogau nun deutlich anwuchs.
236 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 87 Cc:Generalmajor Friedrich Adolf von Kurssell 1757–1758, Schreiben aus Glogau, vom 26. und 29. Dez. 1757. 237 Vgl. Schöning, Curd, Historisch-biographische Nachrichten zur Geschichte der Brandenburgisch-Preußischen Artillerie, Bd. 2, Seite 350. 238 Vgl. III. Teil 1.: Die logistisch relevanten Ressourcen in Schlesien, Sachsen, Böhmen und Mähren. 239 Vgl. ebd. 240 Für einen Munitionssatz à 60 Schuss benötigte man bei rund 25.000 Infanteristen 1,5 Millionen Kugeln und 27 Tonnen Pulver. 241 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 92 A1: Generallieutenant Hans Joachim von Zieten 1756–1758, Blatt 79 Vorderseite. 242 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 82 P: Etatsminister Schlabrendorff, Ernst Wilhelm, Immediatsberichte 1757, Blatt 106 Vorderseite und Blatt 110 Vorderseite. 243 Siehe ebd., Blatt 106 Vorderseite und Blatt 109 Vorderseite.
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IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
IV.8.5. Die Schlacht bei Leuthen Als am 1. Dezember die Vorhut des Zieten’schen Korps, bestehend aus 3 Husarenregimentern, zwischen Parchwitz und Heidau eintraf, begann die Bildung der neuen Armee244. Der Rest des Korps traf erst am nächsten Tag ein, zumal man am 30. November noch in Glogau einen Tag gerastet hatte und dann die nächsten 2 Tage unterwegs war, weil auch die 10 12-pfündigen Geschütze und 7 Mörser herangeführt werden mussten245. Den Rest des Geschützparks, der aus 39 weiteren 12-Pfündern und 14 leichten 24-Pfündern bestand246, hatte, wie schon erwähnt, offenbar das Korps des Königs aus Sachsen herangeführt. Nach der Ankunft von Zietens Korps gaben der König und sein Sekretär Eichel die Stärke der Armee nun schon auf 39–40.000 Mann an, obwohl sie kurz zuvor noch mit 3–4.000 Mann weniger kalkuliert hatten247. Insgesamt befanden sich inzwischen 45 Bataillone und immerhin 130 Eskadrons Kavallerie vor Ort, wovon allein 101 Eskadrons und 27 Bataillone auf das Korps des Generals von Zieten entfielen248. Legt man für die 101 Eskadrons abermals die Durchschnittsgröße von 130 Berittenen pro Eskadron zugrunde und berücksichtigt einen möglichen Verlust von 1.000 Kavalleristen im Rahmen der Schlacht von Breslau, so ergibt sich in etwa eine Größenordnung von rund 12.300 Berittenen, die zum Korps des Königs gestoßen sein könnten. Abzüglich der Kavalleristen entfielen also nur noch 6.700 Mann auf die Infanterie, sodass dies bei 27 Bataillonen eine durchschnittliche Bataillonsgröße von lediglich 250 Mann implizieren würde, was mit dem Restbestand des zuvor erwähnten Regiments Asseburg auffallend übereinstimmt und in der Tat für starke gefechts- und desertionsbedingte Ausfälle während und nach der Schlacht bei Breslau spräche. Die Brotversorgung der Armee war das geringste Problem, da Schlabrendorff in Form der mobilen Öfen sowie der Brot- und Mehltransporte vorgesorgt hatte. Wahrscheinlich konnte man angesichts der begrenzten Ofenkapazitäten aber kaum größere Vorräte anhäufen, wenn hierfür nicht zusätzlich noch lokale Kapazitäten intensiv genutzt wurden. Womöglich trug aber der Umstand, dass Zietens Korps auf 4 bis 5 Tage versorgt war und Schlabrendorff auch am 28. November für König Friedrichs Korps mit den 100 Wagen der Munition auch noch einen Brotvorrat für 3 Tage herangeführt hatte, dazu bei, dass die Truppenverpflegung wenigstens bis zum 5. oder 6. Dezember gewährleistet werden konnte. Zusätzlich waren aus dem Goldberger Kreis noch weitere
Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 4: 1757, Teil 3, Seite 113. ebd. 246 Zur Zusammensetzung des Geschützparks vgl. Kutzen, Joseph August, Vor hundert Jahren. Zweite Abteilung: Der Tag von Leuthen, Seite 255 (Schlachtbericht aus Feldmarschall Keiths Nachlass). 247 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 98, Nr. 20: Kabinettsministerium Immediatsberichte Okt.–Nov. 1757, Blatt 197 Vorderseite und Kutzen, Joseph August, Vor hundert Jahren. Zweite Abteilung: Der Tag von Leuthen, Seite 223 f. 248 Siehe Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 4: 1757, Teil 3, Seite 262 f. 244 Siehe 245 Siehe
IV.8. Der Winterfeldzug in Schlesien und Ende des Kriegesjahres 1757577
Lebensmittel wie Graupen, Gemüse oder Tabak gegen bare Bezahlung an die Truppen zu liefern249. Ungleich schwieriger gestaltete sich indessen die Kavallerieversorgung. Mit den 12.300 Mann Kavallerie und den 4.500 Kavalleriepferden aus König Friedrichs Korps sowie den restlichen Pferden der Infanterie, Artillerie und des Proviantfuhrwesens dürfte die Anzahl auf rund 23.300 Pferde angewachsen sein. Ob und in welchem Umfang sowohl die Infanterie- und Kavallerieeinheiten aus Zietens Korps noch über ihre Ausrüstungs- und Proviantwagen verfügten, ist gänzlich unklar. In jedem Fall waren aber auch die 1.600 Pferde der 400 Wagen, die Schlabrendorff mit Brot und Munition nach Glogau entsandt hatte, in diesen Tagen und vermutlich noch einige Zeit darüber hinaus zu versorgen. Demzufolge musste man mit Zietens Korps insgesamt 25.000, vielleicht sogar 26.000 Pferde versorgen, was eine immense Herausforderung darstellte, zumal diese pro Tag 132 Tonnen Hafer, 104 Tonnen Heu und 130 Tonnen Stroh benötigten. Zur Bewältigung dieser exorbitanten Anforderungen ergingen Ausschreibungen in sämtliche Ortschaften. Die österreichischen Vorposten, die sich in der Nähe von Steinau aufhielten, berichteten auch, dass dort Fourage ausgeschrieben wurde und aus dem Trachenberg’schen Fürstentum nicht weniger als 200 leere Wagen nach Glogau zu stellen waren250. Obwohl bei den Preußen wild übertriebene Gerüchte kusierten, wonach die Österrreicher gar mit 12.000 Mann unter General von Nadasdy rechts der Oder umherstreiften251, standen zumindest in Wohlau zusätzlich 2.000 Brote und Fourage bereit, während die Geistlichkeit der Umgebung 20 Tonnen Bier nach Parchwitz lieferte252. Vielleicht trugen teilweise auch jene 24 Schiffe, die Schlabrendorff entsandt hatte, in einem geringen Maße zur Versorgung bei. Da die gesamte Ladekapazität bei durchschnittlich 17 Tonnen pro Oderkahn zwar 400 Tonnen betrug, aber 300 Tonnen für die Heranführung des Mehls verplant waren253, dürfte mit der Restkapazität dieses Schiffkonvois jedoch kaum die Heumenge für einen Tag transportiert worden sein. Möglicherweise kamen aus Glogau aber noch weitere Schiffe mit Lebensmitteln und aus Dyhrenfurt mit Ausrüstungsgegenständen an, die laut den observierenden Kroatenoder Husarenkommandos der Österreicher neben ausreichende Deckungsmannschaften und über sogar schwere Geschütze verfügten254. Insofern scheint es mittels einer
249 Siehe OestHHStA, Kriegsakten, Nr. 343: Schreiben an den Landrat Packisch am 28. November 1757 aus Glogau. 250 Siehe OestKA, AFA, Nr. 614: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 XII (1–227), Faszikel 213 und ad 213. 251 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 87 Cc:Generalmajor Friedrich Adolf von Kurssell 1757–1758, Schreiben aus Glogau vom 30. Dez. 1757. 252 Siehe Faszikel 189a und Faszikel 197. 253 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 82 P: Etatsminister Schlabrendorff, Ernst Wilhelm, Immediatsberichte 1757, Blatt 106 Vorderseite. 254 Siehe OestKA, AFA, Nr. 614: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 XII (1–227), Faszikel 190, 196 und 211.
578
IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
Kombination aus lokaler Ressourcennutzung und Schiffstransporten gelungen zu sein, selbst die aufwendige Pferdeverpflegung zumindest für wenige Tage zu bewerkstelligen. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund dieser Knappheit war sich der König der schwierigen Aufgabe, die er seinen Truppen zumutete, bewusst und schwor die höheren Offiziere am 3. Dezember bei Parchwitz auf den entscheidenden Kampf ein. Dabei wurde dem letzten Drittel dieser Rede, die vielleicht zur berühmtesten Ansprache eines Monarchen in der preußischen Geschichte avancierte, mit ihrem streng mahnenden Unterton oft nur geringe Aufmerksamkeit entgegengebracht: „Meine Herrn: Ich habe Sie hierher kommen lassen um ihnen ernstlich für die treuen Dienste, die sie seither dem Vaterlande und mir geleistet haben, zu danken. Ich erkenne sie mit dem gerührtesten Gefühl. Es ist beinahe keiner unter ihnen, der sich nicht durch eine große ehrebringende Handlung ausgezeichnet hätte. Mich auf ihren Muth und Erfahrung verlassend, habe ich den Plan zur Bataille gemacht, die ich morgen liefern werde und liefern muß. Ich werde gegen alle Regeln der Kunst einen beinahe zweimal stärkeren, auf Anhöhen verschanzt stehenden Feind angreifen. Ich muß es thun, oder alles ist verloren. Wir müssen den Feind schlagen oder uns vor ihren Batterien alle begraben lassen. So denk ich, so werde ich auch handeln. Ist einer unter Ihnen der nicht auch so denkt, der fordere hier auf der Stelle seinen Abschied. Ich werde ihm selbigen ohne den geringsten Vorwurf geben.[Pause] Ich habe vermuthet, dass mich keiner von Ihnen verlassen würde. Ich rechne nun ganz auf ihre treue Hülfe und den gewissen Sieg. Sollt ich bleiben und sie nicht für das was sie morgen thun werden belohnen können, so wird es unser Vaterland thun. Gehen sie nun ins Lager und sagen sie das, was ich ihnen gesagt habe ihren Regimentern; und versichern Sie ihnen dabei, ich würde ein jedes genau bemerken. Das Cavallerie-Regiment, was nicht gleich, wenn es befohlen wird, sich a corps perdu in den Feind hineinstürzt, laß ich gleich nach der Bataille absitzen und mach es zu einem GarnisonRegiment. Das Bataillon Infanterie, was, es treffe auch worauf es wolle, nur zu stocken anfängt, verliert die Fahnen und die Säbel und ich laß ihm die Borten von der Mondierung schneiden. Nun leben Sie wohl meine Herrn; morgen um diese Zeit haben wir den Feind geschlagen, oder wir sehen uns nie wieder“255.
Deutlich wird, dass König Friedrich eine doppelpolige Motivationsstrategie verfolgte, denn während die Generäle und Stabsoffiziere ermutigt wurden, ihre Verdienste zu vergrößern, drohte er den unteren Rängen massive Strafen bei unstatthaftem Verhalten an.
255 Koser, Reinhold, Vor und nach Leuthen. Die Parchwitzer Rede und der Abend im Lissaer Schloß, in: Forschungen zur Brandenburgisch-Preußischen Geschichte, Bd. 1, Seite 283–286. Es sind 3 Versionen der Rede überliefert, die beiden längeren von Kaltenborn und Retzow enthalten auch den mahnenden Teil, der in der Überlieferung von Tempelhoff fehlt. Die hiesige Darstellung folgt der etwas kürzeren und griffigeren Version nach Kaltenborn.
IV.8. Der Winterfeldzug in Schlesien und Ende des Kriegesjahres 1757579
Ungleich wichtiger als die mentale Vorbereitung auf Seiten der Preußen war für die bevorstehende Schlacht, dass ihre Gegner sowohl personell als auch materiell zusehends in eine äußerst kritische Verfassung gerieten. Wie die folgende Gesamtübersicht der Magazinbestände von Ende November / Anfang Dezember zeigt, war dies gar nicht in erster Linie den Verpflegungsverhältnissen geschuldet. Anhand der folgenden Aufstellung lässt sich aber dennoch nachvollziehen, dass die Österreicher wie schon in den vorangegangenen Wochen und Monaten der Offensivoperationen enorme Probleme bei der Mobilisierung ihrer Ressourcen aus dem strategischen Hinterland hatten, da immer noch große Mengen, die für die Hauptarmee bestimmt waren, in Böhmen und Mähren lagerten. Wie man in der folgenden Tabelle sieht, stellte die Verpflegung der Soldaten kein Problem dar, weil im Feldmagazin und bei Breslau über 280.000 Portionen Brot und 16.500 Zentner, d. h. 990 Tonnen Mehl vorhanden waren. Für die rund 60.000 Mann, die nach den Verlusten der Schlacht bei Breslau noch verblieben waren, hätten diese Mengen bei einem Verbrauch von 45 Tonnen Mehl pro Tag noch für 22 und inklusive der Brotportionen für etwas mehr als 26 Tage genügt, sodass die Armee fast einen Monat bis zum 27. Dezember versorgt war. Unsinnig erscheint in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass in Liegnitz so große Mengen lagerten, was wohl damit zusammenhing, dass die Österreicher sich im Rahmen ihres Vormarsches von dort aus zu verpflegen gedachten. Die Versorgung der Pferde gestaltete sich etwas schwieriger. Die Heumenge genügte mit ca. 120.000 Portionen nur für 9 Tage und die Strohmenge nicht einmal für 1 Tag. Vor dem Hintergrund der vorherigen Engpässe ist es möglich, dass die übliche Hartfutterration wie so oft von 4 auf 6 Kilogramm heraufgesetzt wurde, um den Raufuttermangel zu kompensieren. Allerdings reichten selbst bei einer erhöhten Ration zu 6 Kilogramm die 1.157 Tonnen Hartfutter im Feldmagazin und in Breslau für die 13.000 vor Ort anwesenden Kavalleriepferde noch 15 Tage. Somit war die österreichische Kavallerie auch dann bis Mitte Dezember verpflegt.
Datum
Magazine
Korn
1.972
Jauer
Schweidnitz
Landeshut
Striegau
Trauttenau
Pardubitz
Königgrätz
Kolin
Hohenmauth
Leithomischl
Budweis
Iglau
29. Nov.
30. Nov.
29. Nov.
30. Nov.
26. Nov.
27. Nov.
27. Nov.
26. Nov.
25. Nov.
23. Nov.
28. Nov.
1.307
24.266
Liegnitz
30. Nov.
4.288
70.290
570
13.440
8.588
140.792
6.257
20.410
19.068
4.803
11.968
9.717
18.980
4.721
1.837
30. Nov.
16.204
Neumarck
28. Nov.
56.250
Breslau
1.Dec.
1.307
Zentner
Mehl
Feldmagazin
29
Niederöst. Metzen
Weizen
1 Dec.
Gesamtmenge in Tonnen
Summe
Mähren
Böhmen
Schlesien
Zur Unterstützung der Hauptarmee
Länder
698.497
746
5.249
869
690
2.007
104.458
6.262
91.930
1.524
155.752
46.693
60.413
221.606
Portionen
Brot Gerste
11.961
377.793
81.732
5.891
13.969
95.886
17.452
1.918
65.810
32.093
532
1.207
21.187
292
8.759
457
29.425
1.137
2.292
72.409
8.266
1.613
640
1.002
2.870
44.198
1.495
387
4.427
1.345
5.875
300
Niederöst. Metzen
Hafer
Hartfutter
1.921
349.230
18.433
1.202
7.211
982
2.140
3.986
189.664
436
4.860
176
119.454
706
à 11 lb.
Heu
77
10.995
460
5.185
4.748
à 14 lb.
Stroh
Raufutter
165.110
39.443
1.192
2.448
3.542
118.435
Lager
Tabelle 88 Gesamtübersicht der Magazinbestände für die österreichische Hauptarmee und das Marschall’sche Korps in der Oberlausitz Ende November / Anfang Dezember 1757256
21.698
819
2.524
2.463
711
245
3.302
1.678
2.506
2.723
302
185
4.570
voll
Fässer
8.057
1.366
375
755
1.360
345
16
58
153
88
117
424
3.000
leer
580 IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
367
Zittau
Gabel
Leitmeritz
Niemes
20. Nov.
20. Nov.
24. Nov.
15. Nov. 52.172
143
4.181
15.682
3.690
2.876
1.424
44.995
23
39.778
1.750
3.444
676
2.137
599
2.122
15
58
10.567
599
7.961
2.007
1.415
86
1.299
20
10
327
8
319
256 Zu sämtlichen Originalzahlen in der Tabelle mit Ausnahme der Summe bei der Raufuttermenge siehe OestKA, Zentralst., Generalkriegskommissariat, Akten, Nr. 55 Militärdirectoralia 1757 XI / 141–XII / 330, Faszikel XII / 273: Summarischer Rapport Was in den nachstehenden kayl. königl. Proviant-Magazinen vermög letzt eingelangt, und nach specificirten Rapporten an Natural- und Materialien sich würcklich vorräthig befindet, und zu waß für eine Verpflegung sothane Vorräthe gereichnet seynd. Nichtberücksichtigt bzw. bewusst ausgeklammert sind hier die immensen Mengen, die für die Garnisonstruppen in Böhmen und Mähren lagerten.
646
10.599
715
9.416
75
Görlitz
20. Nov.
24
Feldmagazin
20. Nov.
Gesamtmenge in Tonnen
Summe
Böhmen
Lausitz
Zur Unterstützung des Marschall’schen Korps in der Lausitz
IV.8. Der Winterfeldzug in Schlesien und Ende des Kriegesjahres 1757581
582
IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
Während die Verpflegung von Mensch und Tier also kaum Probleme bereitete, nahmen der Holzmangel für die ohnehin schon geschwächte Hauptarmee in diesen Tagen und damit wohl auch die krankheitsbedingten Ausfälle weiter zu257. Seit dem 25. November standen der österreichischen Hauptarmee nur noch 26.759 einsetzbare Infanteristen zur Verfügung258. Neben den fast 11.000 Männern, die sich in den Hospitälern befanden, hielten sich noch 3.857 Kranke und Verwundete aus der Zeit vor der Schlacht bei Breslau sowie 1.553 Mann als Folge derselben bei der österreichischen Hauptarmee auf259. Die personellen Defizite waren bei der österreichischen Infanterie im November und Dezember exorbitant groß, denn zu den 15.800 Kranken in den Lazaretten kamen noch 19.000 Kommandierte, wovon 13.000 aber zumindest noch in Schlesien stationiert waren und sich schwerpunktmäßig auf Schweidnitz, Liegnitz und nun Breslau verteilten260. Dennoch verblieben der Hauptarmee am 3. Dezember vor Ort nicht viel mehr als 24.000 reguläre Infanteristen, obwohl sich der Effektivstand an Soldaten zu diesem Zeitpunkt auf über 67.000 Mann belief261. Der quantitative Rückgang beim Personal war nur ein Menetekel des qualitativen Zerfalls, den Karl von Lothringen der Hauptarmee angesichts der widrigen Witterungsbedingungen bescheinigte, die dazu führten, dass sich seine Streitmacht schon 2 Tage vor der heraufziehenden Konfrontation fast vollkommen außer Stande sah, den Preußen entgegenzutreten. „Die Strassen zum Transport der schwären Artillerie und Requisiten seynd bey dem beständigen Regenwetter und hiesigem hetem Erdreich fast impracticables; ausser deme Euer Kayl. Königl. Majt. Armée, welche nach Abzug der Garnisonen von Schweidnitz, Lignitz, und Breslau, dann nach Abrechnung der sehr grossen Anzahl Kranken, Blessirten, und Commandirten, kaum auf 50000 Mann gerechnet werden kann, und wobey zerschiedene Infanterie-Regimenter mit gar keinen Staabs- ander aber mit sehr wenigen Oberofficieren versehen seynd, einige CavallerieRegimenter auch kaum 3 Esquadronen formieren, zu einer Theilung folgsam zu mehrerley Operationen, so im Angesicht des Feindes unternommen werden müssen, zu schwach, dahingegen der König von Preußen, so mit Zustoßung der Bevernischen Trouppen auf 40000 Mann anwachset, bey Parchwitz steht, und Lignitz bedroht als ein determinirter Feind alle Aufmerksamkeit erheischt, und viel zu starck ist, um ihn, wann eine Detachierung vor Belagerungs Trouppen geschehen sollte, noch Widerstand leisten zu können“262. 257 Siehe OestHHStA, Kriegsakten, Nr. 357: Schreiben Carl von Lothringens aus dem Hauptquartier Lissa am 28. November 1757. 258 Siehe OestKA, AFA, Nr. 612: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 XI (1–350), Faszikel 88. 259 Siehe ebd. 260 Siehe OestKA, AFA, Nr. 614: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 XII (1–227), Faszikel 148. 261 Siehe ebd., Faszikel 70 und 148. 262 OestHHStA, Kriegsakten, Nr. 357: Schreiben Carl von Lothringens aus dem Hauptquartier Lissa am 3. Dezember 1757. Im Gegensatz hierzu ging der Große Generalstab von einer Anzahl um die 65.000 Mann aus. Vgl. Großer Generalstab, Die Kriege Friedrichs des Großen. Dritter Theil, Bd. 6: Leuthen, Seite 17. Eine wesentlich größere Armee nimmt auch Gerber an, weil er fälschlicherweise davon ausgeht, dass es sich bei den 50.000 Mann nur um die regulären Truppen handelte, die noch von
IV.8. Der Winterfeldzug in Schlesien und Ende des Kriegesjahres 1757583
Aufgrund des politischen Drucks, der im Schreiben Maria Theresias vom 28. November zum Ausdruck kam, sah sich ihr Schwager Karl von Lothringen, nachdem er den Brief am 3. Dezember erhalten hatte, nun genötigt, in Richtung Liegnitz vorzurücken, um gemäß den Wünschen der Kaiserin die dortige Besatzung zu unterstützen und den Preußen nicht die Winterquartiere in Niederschlesien zwischen der Lausitz und der Oder zu überlassen263. Als Folge dessen überquerte die Armee das Schweidnitzer Wasser bzw. die Weistritz, wobei insbesondere die Artillerie mit den zu passierenden Brücken, aber auch dem einsetzenden Regenwetter zu kämpfen hatte, was Lothringen erstaunlicherweise aber nicht am Erfolg seiner Truppen für den Fall einer kommenden Schlacht zweifeln ließ264. Die preußische Armee rückte an diesem 4. Dezember Richtung Breslau vor, wobei der ursprüngliche Plan darin bestand, ebenfalls das Schweidnitzer Wasser zu überqueren und die Österreicher in ihren befestigten Stellungen jenseits des Flusses mit Hilfe der schweren Artillerie anzugreifen265. Als sich die Vorhut der Armee der Stadt Neumarckt näherte, erfuhren die Husaren offenbar durch Leute auf der Landstraße, die auf dem Weg zum Gottesdienst waren, dass die Österreicher in der Stadt beträchtliche Mehlvorräte gesammelt und eine Feldbäckerei eingerichtet hatten, was König Friedrich zu der Schlussfolgerung veranlasste, dass sich der Gegner in unmittelbarer Nähe befand266. Weil ihm eine Höhe östlich der Stadt wichtig erschien, entschlossen sich die Preußen nun zum Angriff, 16.000 Mann an leichten Truppen verstärkt worden wären. Vgl. Gerber, Paul, Die Schlacht bei Leuthen, Seite 27 f. Wie der Brief von Minister Schlabrendorff am 6. Dezember 1757 aus Glogau zeigt (vgl. Kutzen, Joseph August, Vor hundert Jahren. Zweite Abteilung: Der Tag von Leuthen, Seite 240), war die Überschätzung der Stärke der österreichischen Armee auf bis zu 80.000 Mann schon ein Phänomen der damaligen Zeit. Die Tatsache, dass ein Minister mit so viel organisatorischem Sachverstand wie Schlabrendorff zu solch einem falschen Urteil gelangte, verdankte sich wahrscheinlich dem Umstand, dass er seinen Bericht doch in zu großer Entfernung von den Ereignissen verfasst und dass sich die Stärke der gegnerischen Streitkräfte bis zur Schlacht und der dann folgenden Kapitulation von Breslau noch anders dargestellt hatte. Seine Einschätzung konnte gerade vor dem Hintergrund des Zuwachses, den die österreichische Hauptarmee durch die Verstärkung von Nadasdys Korps aus Schweidnitz erfahren hatte, durchaus als plausibel gelten, auch wenn sie mit der historischen Realität nicht übereinstimmte. Zu einer ähnlichen, aber letztlich ebenso falschen Tendenz vgl. Schröter, Philipp von, Kriegsgeschichte der Preußen 1655–1763, Seite 242. Bezüglich der Stärke der österreichischen Feldarmee kam die Einschätzung König Friedrichs mit 39.000 Mann den realen Verhältnissen noch am nächsten. Er ging auch richtigerweise davon aus, dass die Österreicher seit der letzten Schlacht immense Verluste erlitten haben mussten, obwohl er sich über das genaue Zustandekommen und das Ausmaß im Hinblick auf das gesamte gegnerische Heer in Schlesien leicht täuschte. Siehe Friedrich II., Politische Correspondenz, Bd. 16, Nr. 9553. 263 Siehe OestKA, AFA, Nr. 613: Hauptarmee 1757 XI (351–Ende), Faszikel 571. Maria Theresia hatte zu diesem Zeitpunkt von der erfolgreichen Schlacht am 22. November vor Breslau erfahren und das Vorrücken auf Liegnitz als Alternative zur Belagerung von Brieg vorgeschlagen. 264 Siehe OestHHStA, Kriegsakten, Nr. 357: Schreiben Carl von Lothringens am 4. November 1757 aus Lissa. 265 Siehe Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 4: 1757, Teil 3, Seite 116. 266 Siehe Logan-Logeius, Jakob Friedrich Anton, Und setzet ihr nicht das Leben ein, Seite 208 f.
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IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
der durch einige abgesessene Husaren erfolgte, weil die Grenadiereinheiten noch zu weit zurücklagen und die Tore der Stadt verbarrikadiert worden waren. Nachdem man sich in einem nahegelegenen Dorf Äxte besorgt hatte, gelang es den Preußen, die Stadt zu stürmen, in der sich die kroatischen Einheiten verbissen wehrten, aber schließlich doch niedergemetzelt wurden267. Die Preußen hatten offenbar 300 Mann getötet und weitere 100 Mann gefangen genommen268. Ihnen fielen dadurch nicht nur die Mehlvorräte, sondern sogar 80.000 Portionen Brot in die Hände, sodass die Armee in jedem Fall für die nächsten 2 Tage, vermutlich aber sogar bis zum 8. Dezember versorgt war269. Merkwürdigerweise hatten die österreichischen Aufklärungseinheiten unter General Beck, die sich zu diesem Zeitpunkt bei Mühnitz an der Oder aufhielten, bis zu diesem Zeitpunkt offenbar gar keine Kenntnis von diesen Vorgängen, da sie noch um 4 Uhr nachmittags desselben Tages meldeten, der König befinde sich mit seinen Truppen bei Parchwitz und warte dort das Eintreffen schwerer Artillerie ab270. Mit der Einnahme von Neumarckt ergaben sich für die Preußen auch beträchtliche Einquartierungsmöglichkeiten, obgleich insgesamt nur 10 Bataillone in der Stadt untergebracht wurden, während der Großteil der Truppen entweder dahinter kampierte oder wie die Vorhut in weiteren Dörfern lagerte271. Darunter befand sich auch der Freikorporal Barsewisch vom Regiment Meyerinck, dessen Teileinheiten bei einer Schäferei in Kammendorf einquartiert waren, wo sich die Soldaten nicht nur ausreichend durch die Hammel zu verköstigen wussten, sondern entweder in kleinen Kammern, den Scheunen oder am Lagerfeuer die Nacht verbrachten272. König Friedrich erfuhr am Abend, dass die österreichische Hauptarmee das Schweidnitzer Wasser überquert hatte, aber aufgrund des Regenwetters wohl nur wenige schwere Geschütze und wenig Bagage mit sich führte273. Die Hauptarmee der Österreicher war, wie gesagt, zu Kampfhandlungen im Grunde kaum noch fähig, denn die Infanterie befand sich mit den 24.444 Mann in sehr schlechtem Zustand274. Auch die Kavallerie hatte inzwischen enorme Ausfälle zu verzeichnen, denn die 4 Kavallerieregimenter des linken Flügels im ersten Treffen zählten am 4. Dezember gerade einmal 1.861 Berittene, sodass jedes Regiment im Durchschnitt nicht
267 Siehe
ebd., Seite 209 f. LASA, DE, Z44 Abt. Dessau, A 9b VIb, Nr. 10, Bd. V (Verschiedene Militaria aus des Fürsten Moritz von Anhalt in preußigen Jaare 1757), Blatt 283 Vorderseite. 269 Siehe Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 4: 1757, Teil 3, Seite 117. 270 Siehe OestKA, AFA, Nr. 614: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 XII (1–227), Faszikel 77. 271 Siehe Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 4: 1757, Teil 3, Seite 116. 272 Siehe Barsewisch, C. F. R., Meine Kriegserlebnisse während des Siebenjährigen Krieges: 1757–1763, Seite 26 f. 273 Siehe Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 4: 1757, Teil 3, Seite 116. 274 Siehe OestKA, AFA, Nr. 612: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 XI (1–350), Faszikel 94. 268 Siehe
IV.8. Der Winterfeldzug in Schlesien und Ende des Kriegesjahres 1757585
mehr als 465 einsatzfähige Reiter aufbot275. Die Lage bei den Kavallerieregimentern des zweiten Treffens stellte sich unwesentlich besser dar, denn diese Einheiten verfügten im Durchschnitt zwar über 504 Berittene276, waren aber nur bis zu diesem Tag mit Hafer versorgt, während das erste Treffen bis zum 5. Dezember seine Rationen erhalten hatte. Insgesamt boten die Österreicher wohl nicht mehr als 8.000 Mann an schwerer Kavallerie auf, sodass die Stärke der gesamten Armee kaum über 32.000 Mann hinausging. Allerdings wurde sie von General Nadasdys Korps verstärkt, dessen Größe gerade hinsichtlich der bayrischen und württembergischen Truppen aber nicht genau überliefert ist. Da der Verband im Rahmen der Schlacht um Breslau nur äußerst geringe Verluste zu verzeichnen hatte, ist es möglich, dass das Korps immer noch um die 24.000 Mann zählte und fast die Hälfte der gesamten Armee stellte277, die demzufolge insgesamt ca. 56.000 Mann umfasst hätte, was ungefähr der durch Karl von Lothringen bezifferten Größenordnung entspricht. Tatsächlich hatte die österreichische Hauptarmee entlang der Landstraße nach Liegnitz Stellung bezogen, wobei sich der linke Flügel an das Dorf Leuthen anlehnte, das Zen trum sich im Dorf Frobelwitz befand, wo auch die Straße verlief, und der rechte Flügel sich bis Nippern erstreckte. Die folgende Karte (siehe nächste Seite) zeigt noch einmal die Verlegung von Nadasdys Korps aus der Reservestellung im dritten Treffen auf den linken Flügel der Hauptarmee, den die Preußen dann angriffen. Jedes dieser Dörfer war mit Grenadiereinheiten besetzt und Barrikaden versehen, während ein Vorposten bestehend aus 2 Husarenregimentern und einigen sächsischen Chevaulegers vor dem rechten Flügel eingesetzt war und General Nadasdys Korps ein komplettes drittes Treffen formierte. Damit hatten die Österreicher auf dem offenen, leicht erhöhten Gelände, das sich am westlichen Ausgang von Leuthen nach Norden Richtung Frobelwitz ausdehnt, eine tief gestaffelte nach Westen ausgerichtete Verteidigungsstellung bezogen. Allerdings wurde diese Stellung am Morgen des 5. Dezember dadurch stark verändert, dass General Nadasdy seine Truppen an den linken Flügel der Kavallerie bei Leuthen anlehnte und somit die Aufstellung der Armee bis zu einem südöstlich gelegenen Hügel verlängerte, was sich nun jedoch als schwerer Fehler herausstellen sollte.
275 Siehe OestKA, AFA, Nr. 614: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 XII (1–227), Faszikel 76. 276 Siehe ebd., Faszikel 75. 277 Welchen immensen Raum das Korps daher wohl in der Schlachtordnung einnahm, deutet auch die Karte (Plate) 205 an in: Cogswell, Neil, From Lobositz to Leuthen.
OestKA,
Karten- und Plansammlung, Kriegskarten, H IIIe, Nr. 1447.
Abbildung 55: Ursprünglicher Aufmarsch der Österreicher vor und Angriff der Preußen in der Schlacht bei Leuthen278
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IV.8. Der Winterfeldzug in Schlesien und Ende des Kriegesjahres 1757587
Dass sich die österreichische Hauptarmee zu diesem Zeitpunkt überhaupt jenseits des Schweidnitzer Wassers aufhielt, galt rückblickend als schwerwiegender Fehler. Allerdings forderte Maria Theresia ihren Schwager Karl von Lothringen an diesem Tag noch einmal auf, gegen den Feind vorzurücken, um diesem Liegnitz wegen der Winterquartiere zwischen der Lausitz und Glogau auf keinen Fall zu überlassen, dafür gegebe nenfalls aber sogar eine blutige Hauptaktion zu riskieren, weil sie der Ansicht war, dieFolgen könnten nicht schlimmer sein als im Winter dauerhaft Krieg führen zu müssen279. Obwohl dieses Schreiben Karl von Lothringen nicht mehr vor der Schlacht erreichte, zeigt es doch, wie sehr Maria Theresias Kenntnisstand von der operativen Situation vor Ort abwich und unter welchem Druck der Oberbefehlshaber offensichtlich stand. Die Preußen hatten während der Nacht größtenteils bei und südöstlich von Neumarckt gelagert. Am Morgen des 5. Dezember formierte sich die Armee bei Kammendorf in einer Schlachtordnung von 2 Treffen und rückte dann in 4 Kolonnen bis Lampersdorf vor, wobei sämtliche Husaren und 9 Bataillone zunächst die Vorhut stellten, um bei Borne die Vorhut der Österreicher erfolgreich zurückzudrängen. Das Wetter war an diesem Tag zwar trübe und neblig, aber offenbar konnten die Preußen erkennen, dass die Stellung der Österreicher von Nordwesten her völlig unangreifbar war280. Als König Friedrich jedoch nach einer halben Stunde von einer weithin sichtbaren Anhöhe zurückkam, begann die Armee nach rechts abzumarschieren281. Vermutlich handelte es sich bei dieser Anhöhe um den sogenannten Wachberg, der sich südlich des Dorfes Lobetintz befindet und von dem man die gesamte südwestliche Umgebung von Leuthen mit ihrem überwiegend offenen und flachen Terrain überblickt282. Möglicherweise hatte der König von dort die verlängerte Flanke, die nun Nadasdys Korps formierte, gesichtet und sich nun zum Angriff auf diese entschlossen. Etwa bis Mittag dauerte die Umgehung der feindlichen Stellung, bevor die Preußen bei Lobetintz, Kertschütz und Schriegwitz aufmarschierten, was den Österreichern offen279 Siehe OestKA, AFA, Nr. 634: Siebenjähriger Krieg CA Kampagne gegen Preußen 1757, Faszikel 12 / 1 und ad 12 / 1. Gänzlich im Widerspruch diesbezüglich Arneth, Alfred, Ritter von, Geschichte Maria Theresias, Bd. 5: Maria Theresia und der Siebenjährige Krieg, Bd. 1: 1756– 1758, Seite 262. Arneth behauptet, es gebe gar kein anderes Schreiben als jenes vom 28. November, was nur teilweise stimmt, da eines vom 5. Dezember existiert, obwohl selbiges Karl von Lothringen vor der Schlacht nicht mehr erreichte. Maria Theresias Informationslage hatte sich bis zum 5. Dezember in Wien kaum verändert, sodass sie ihre Entscheidung im Wesentlichen auf derselben Basis wie am 28. November getroffen haben dürfte. 280 Siehe Logan-Logeius, Jakob Friedrich Anton, Und setzet ihr nicht das Leben ein, Seite 214. 281 Siehe ebd. Einen durchaus angemessenen Eindruck von den Geländeverhältnissen vermitteln auch die Zeichnungen bei Cogswell, Neil, From Lobositz to Leuthen, Plate 213 und 214. Fraglich bleibt aber, wie sich die Ausblicke vor dem Hintergrund der trüben Witterungsbedingungen am Tag der Schlacht für die Preußen und auch die Österreicher darstellten. 282 Es handelt sich hierbei um eine persönliche Einschätzung des Autors aufgrund der heutigen Geländeverhältnisse. Sofern dieser Punkt damals ähnlich markant war und eine entsprechende Aussicht bot, wäre dies ein Aspekt, der selten erwähnt wurde. Eine Ausnahme bildet Stadlinger, Leo, Geschichte des württembergischen Kriegswesens von der frühesten bis zur neuesten Zeit, Seite 420. Am Tag der Schlacht könnte auch hier die Sicht witterungsbedingt eingeschränkt gewesen sein.
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bar auch nicht völlig entging283. Wahrscheinlich trug aber der dichte Nebel, der an diesem Vormittag wohl herrschte284, in Kombination mit der nach Süden dichter werdenden Waldfront, der dadurch eingeschränkten Sicht nach Süden und der Weiträumigkeit der Umgehung dazu bei, dass es den Preußen gelang, ihren Aufmarsch weitestgehend zu verschleiern und den Gegner zu überraschen. Zunächst nahmen sie bei Kertschütz und Schriegwitz eine leicht schräge Formation ein. Diese war entgegen den traditionellen Darstellungen weniger taktischen Erwägungen geschuldet, sondern stellte eher eine Anpassung an die dortigen Gelände- und Vegetationsverhältnisse sowie den operativen Umstand dar, dass der Angriff zunächst vom rechten Flügel ausging. Diese schiefe Ausrichtung nach rechts änderte sich wohl bald nach Gefechtsbeginn, sodass sich wie in der vorangegangenen Karte angedeutet eher ein schiefer oder bogenhafter Frontverlauf zum linken Flügel entwickelte. Die anfängliche Schwerpunktbildung auf dem rechten Flügel hing u. a. damit zusammen, dass die Österreicher ihre Stellung bis nach Klein-Gohlau am Schweidnitzer Wasser ausgedehnt hatten, sodass einige Grenadierbataillone als Flankendeckung gegen diese Einheiten am Sagschützer Wasser eingesetzt werden mussten, während der Großteil der Vorhut von Wedells für den frontalen Vorstoß auf Sagschütz verblieb285. Um 1 Uhr nachmittags griffen die Preußen schließlich die Stellungen der Österreicher an. Entscheidend war in dieser ersten Phase der Schlacht, dass es der preußischen Infanterie gelang, die Truppen von General Nadasdy aus dem Büschen und Wäldern südlich von Sagschütz zu vertreiben, sodass die Kavallerie des rechten Flügels das vor ihr liegende Busch-und Teichgelände passieren oder umgehen konnte, um sich danach auf den offenen Feldern zwischen Sagschütz, Groß-Gohlau und Leuthen zu entfalten. Da hierfür Nadasdys Truppen gewissermaßen durch einen Frontalangriff nach vorn und zur Seite gedrückt werden mussten, schien sich für die preußische Vorhut ein außerordentlicher Kraftakt anzubahnen. Dennoch gelang es er Vorhut der preußischen Armee relativ schnell die württembergischen und bayrischen Truppen aus dem Fichtenbusch und von der Sagschützer Höhe zu vertreiben286. Insbesondere die Württemberger leisteten kaum nennenswerten Widerstand, denn der sächsische Prinz Christian Friedrich berichtete, dass sie nicht einen Schuss aus ihren Gewehren abgefeuert und sich beim ersten Kanonenschuss der Preußen zurückgezogen hätten287. Möglicherweise machte sich hierbei der Umstand bemerkbar, dass die Österreicher viel Bagage zurückgelassen hatten und die Munitionswagen der 283 Siehe
OestKA, AFA, Nr. 617: Siebenjähriger Krieg, Hauptarmee XIII (20–22), Faszikel 20e. den Wetterbedindungen an den beiden Tagen vor und am Tag der Schlacht selbst vgl. Großer Generalstab, Die Kriege Friedrichs des Großen. Dritter Theil, Bd. 6: Leuthen, Seite 20. 285 Siehe LASA, DE, Z44 Abt. Dessau, A 9b VIb, Nr. 10, Bd. V (Verschiedene Militaria aus des Fürsten Moritz von Anhalt in preußigen Jaare 1757), Blatt 283 Rückseite. 286 Siehe Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 4: 1757, Teil 3, Seite 123. 287 Siehe SächsHStA-DD, 12527: Fürstennachlass Friedrich Christian (1722–1763), Nr. 27, Blatt 127 Vorderseite und BayKA, Alter Bestand B 258: Antheil am Siebenjährigen Krieg 1757. Auxiliarscorps IV–XIII, Schreiben des Feldkriegskommissarius’ Mayr aus d. Feldlager von Schweidnitz am 9. Dezember 1757. 284 Zu
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Württemberger wegen der Verpflegungsprobleme nach der Eroberung von Schweidnitz nicht eingetroffen waren288. Auch die bayrischen Truppen litten unter massiven Ausrüstungsproblemen, da sie ihre Zelte beim Vormarsch von Breslau zurückgelassen hatten289. Unmittelbar bei Sagschütz machte sich aber vor allem der Umstand negativ bemerkbar, dass nicht genügend Grenadiere und Geschütze zur Verfügung standen, um die Stellungen ausreichend zu besetzen, dagegen fiel das preußische Artilleriefeuer so heftig aus, dass ganze Glieder zu Boden fielen und die zurückweichenden Württemberger unter den bayrischen Truppen Verwirrung stifteten290 und beide Kontingente etwa 2.750 Mann einbüßten291. Auch Karl von Lothringen bestätigte, dass die Württemberger und Bayern nur wenig oder gar keinen Widerstand geleistet hatten, da manche angeblich die Gewehre wegwarfen, sogar zum Feind überliefen oder zumindest flohen und damit andere Regimenter in Unordnung brachten292. Im nun einsetzenden Infanteriegefecht offenbarte sich neben der überlegenen Bewaffnung punktuell auch die effizientere Taktik. General von Wedells Vorhut sollte den Feind eigentlich sofort mit dem Bajonett angreifen. Stattdessen entwickelte sich aber ein intensiver Feuerkampf, bei dem die Preußen zunächst recht hohe Verluste durch die gegnerischen Bataillonsgeschütze erlitten. Allerdings konnten sie diese recht zügig auszuschalten oder zu erobern, zumal das Feuer der gegnerischen Infanterie aufgrund der schlechteren Munition oder wegen des zu niedrigen Anschlagens aus der Grabenstellung heraus weitestgehend wirkungslos blieb. Die Preußen hingegen töteten wohl schon mit ihrer ersten Salve viele Württemberger, obwohl sich ihre Grenadiere letztlich nur durch eine entschlossene Bajonettattacke aus den Verschanzungen vertreiben ließen. Allerdings wurden während ihres Rückzuges viele der Flüchtenden durch eine weitere Salve der Preußen getroffen, die dermaßen effektiv war, dass die Toten an bestimmten Engpässen zu 10 bis 12 Mann übereinander lagen. Die 10 schweren 12-Pfünder kamen jetzt erneut zum Einsatz, indem sie das zweite Treffen der Österreicher unter starken Beschuss nahmen293. Der Erfolg der Preußen in dieser Phase der Schlacht war also maßgeblich auf die Ausrüstungsmängel ihrer Gegner und das überlegene Kaliber der eigenen Geschütze zurückzuführen. 288 Ein möglicher Munitionsmangel wäre umso wahrscheinlicher, wenn seitens der kaiserlichköniglichen Truppen auf Regimentsebene tatsächlich eine häufige Versorgungslücke durch fehlende Wagen bestand. 289 Siehe BayKA, Alter Bestand B 258: Antheil am Siebenjährigen Krieg 1757. Auxiliarscorps IV–XIII, Schreiben des Generals Seyssel d’Aise aus dem Feldlager von Schweidnitz am 9. Dezember 1757. 290 Siehe ebenda. 291 Zu den Verlusten, die sich bei den Bayern auf 934 Mann beliefen, vgl. Staudinger, Karl, Geschichte des kurbayrischen Heeres unter Kurfürst Karl Albrecht Kaiser und Kurfürst Max III. Joseph 1726–1777, Bd. 3.2, Seite 991. Zu den Verlusten der Württemberger im Umfang von 1.827 Mann vgl. Stadlinger, Leo, Geschichte des württembergischen Kriegswesens von der frühesten bis in die neueste Zeit, Seite 421. 292 Siehe OestHHStA, Kriegsakten, Nr. 357: Sept.–Dez. 1757. Belagerung Schweidnitz und Breslau, Schreiben Carl von Lothringens am 9 und 10. Dezember aus Bögendorff. 293 Zum gesamten Absatz siehe Barsewisch, C. F. R., Meine Kriegserlebnisse während des Siebenjährigen Krieges: 1757–1763, Seite 34 f.
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Abbildung 56: Aufmarsch und erste Phase der Schlacht bei Leuthen294
Die Karte zeigt die Kampflinie des Nasdadyschen Korps auf dem südwestlichen Gefechtsfeld, den Angriff der Vorhut unter General Wedell und die Unterstützung durch die schwere 12-Pfünderbatterie auf dem sogenannten Glanzberg.
294 Siehe LASA, DE, Z44 Abt. Dessau, A 9b VIb, Nr. 10, Bd. V (Verschiedene Militaria aus des Fürsten Moritz von Anhalt in preußigen Jaare 1757) Blatt 306 Vorderseite. Karte adaptiert: Gefechtslinie der Österreicher und Aufmarschformation der preußischen Armee hinzugefügt.
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Nachdem die preußischen Truppen eine Batterie von 14 Geschützen, die sich auf einer Höhe hinter Sagschütz befand, erobert hatten, begann die Kavallerie des rechten Flügels durch das schwierige Terrain des Fichtenbusches vorzurücken295. Mit welch brutalen Mitteln die schweren Kavallerieeinheiten vorwärtsgetrieben wurden, zeigt sich daran, dass die Husaren des Regiments von Zieten im Reservetreffen Befehl hatten, auf zurückweichende Berittene zu schießen296. Der erste Angriff scheiterte wegen des zerfurchten Geländes und der zwischenzeitlichen Wirkung des feindlichen Artilleriefeuers. Der zweite Versuch war erfolgreich, da die schwere Reiterei Unterstützung durch die Husaren aus dem Reservetreffen erhielt297. So gelang es, die Österreicher aus der Umgebung um Sagschütz zu vertreiben und sie im offenen Terrain dahinter weiterzuverfolgen, über das sie ungeordnet zurückfluteten. In der nächsten Phase der Schlacht sahen sich die Preußen gezwungen, gegen das Dorf Leuthen vorzurücken, das leicht erhöht im Gelände lag und sich mit seiner länglichen Ost-West-Ausdehnung hervorragend als Widerstandszentrum der Österreicher gegen die von Süden angreifenden Preußen eignete298. Günstig war aus deren Sicht aber, dass neben den 10 schweren 12-Pfündern weitere 39 12-Pfünder sowie 14 leichte 24-Pfünder und 8 Haubitzen zur Verfügung standen299, während die Österreicher fast gar keine schweren Geschütze aufboten300. Dennoch fügten sie den Preußen zunächst mit ihren 3 Batterien erhebliche Verluste zu301, als diese begannen Leuthen mit ihrer Infanterie zu attackieren. Dieser erhebliche Widerstand wurde dann aber durch das Zusammenwirken des massiven Artillerie- und Infanteriefeuers gebrochen, zumal es er preußischen Armee gelang, auch die schweren 12-Pfünder zu verlegen und dann entsprechend wirkungsvoll gegen das Dorf einzusetzen302. Letzteres scheint wie bei Rossbach von einer hohen Artilleriemobilität zu zeugen, die offenbar auf einer guten Pferdeverpflegung
Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 4: 1757, Teil 3, Seite 124. SächsHStA-DD, 10025 Geheimes Konsilium, Loc. 6484 Breslau und Leuthen, Blatt 3 Vorderseite und Kutzen, Joseph August, Vor hundert Jahren. Zweite Abteilung: Der Tag von Leuthen, Seite 256. 297 Siehe Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 4: 1757, Teil 3, Seite 125 f. 298 Die Lagebeurteilung Leuthens beruht ebenfalls auf einer Einschätzung der lokalen Gegebenheiten durch den Autor. 299 Vgl. Kutzen, Joseph August, Vor hundert Jahren. Zweite Abteilung: Der Tag von Leuthen, Seite 255 (Schlachtbericht aus dem Nachlass Feldmarschall Keiths). 300 Vgl. Duffy, Christopher, Sieben Jahre Krieg – 1756–1763. Die Armee Maria Theresias, Seite 456. Dass die Österreicher artilleristisch stark unterlegen gewesen sein dürften, deutet auch die Verlustliste der Geschütze an, denn von 66 an die Preußen verlorenen Geschützen waren nur 3 über 7 Pfund schwer. Siehe hierzu OestKA, AFA, Nr. 619: Siebenjähriger Krieg, Hauptarmee XIII (217–243), Faszikel 217. Im Gegensatz dazu suggerieren die Ausführungen des Großen Generalstabs, dass die Österreicher wenigstens 65 schwere Geschütze aufboten. Vgl. Großer Generalstab, Die Kriege Friedrichs des Großen. Dritter Theil, Bd. 6: Leuthen, Seite 17 und 142. 301 Vgl. Barsewisch, C. F. R., Meine Kriegserlebnisse während des Siebenjährigen Krieges: 1757–1763, Seite 39. 302 Vgl. Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 4: 1757, Teil 3, Seite 127. 295 Siehe 296 Siehe
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beruhte, sodass die Preußen in der Lage waren, im Zentrum 20 schweren Geschütze und 10 Haubitzen aufzufahren, die den Angriff der Infanterie unterstützten303. Um den Widerstand bei Leuthen endgültig zu brechen, entfachten sie abermals ein enormes Geschützfeuer. Hierzu setzten sie auch einige unberittene Kavalleristen als Artilleriehandlager ein304, während es den Österreichern an Hilfspersonal und somit ausreichender Bedienung mangelte305. Auch die geringere Durchschlagskraft der österreichischen Infanteriemunition hatte in dieser zweiten Phase der Schlacht, wie schon zuvor bei der Einnahme der Stellungen um Sagschütz und Gohlau, wesentlich zum Erfolg der Preußen beigetragen, da ihre Kugeln laut Oberstleutnant Rebain kaum Verwundungen oder tödliche Verletzungen hervorriefen und stattdessen oft eher Prellungen verursachten306. Allerdings wirkte sich nicht nur die Qualität der Munition, sondern vor allem die ausreichende Menge an Nachschub entscheidend aus, zumal einigen preußischen Einheiten schon bei Sagschütz vorübergehend die Patronen ausgegangen waren307. Auch dies hatte sich offenbar bei der Einnahme Leuthens wiederholt, da laut General Moritz zu Anhalt-Dessau insbesondere auf dem rechten Flügel 10 bis 12 Bataillone fast ununterbrochen gefeuert hatten und dringend Ersatz benötigten308. „Hätten S.M. nicht die Praecaution gebraucht, hinter alle Brigaden Munitionswagen zu haben, so wäre die Bataille mit viel größerer Beschwerde gewonnen worden, weil bey einige Bat. der Mann über 180 Patronen soll verschossen haben […]“309.
Die folgende Karte zeigt den Verlauf der Schlacht vom Aufmarsch der Preußen am Wachberg, bei Kertschütz und Schriegwitz (versehentlich auf der Karte vertauscht), die Batterien im Zentrum und die preußische Frontlinie zum Ende der Schlacht, die abermals eine Schrägstellung mit einem vorgezogenen linken Flügel andeutet, was damit zusammengehangen haben könnte, dass sich die Preußen das leicht erhöhte Gelände westlich des Ortes zunutze gemacht hatten, um die Stellung der Österreicher von dort aufzurollen310. 303 Vgl. Barsewisch, C. F. R., Meine Kriegserlebnisse während des Siebenjährigen Krieges: 1757–1763, Seite 38. 304 Siehe Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 4: 1757, Teil 3, Seite 123. 305 Siehe Cogniazzo, Freymüthiger Beytrag zur Geschichte des österreichischen Militärdienstes veranlaßt durch die Schrift über den ersten Feldzug des vierten preußischen Krieges, Seite 82. 306 Siehe OestKA, AFA, Nr. 669 CA: Kampagne gegen Preußen 1758, Faszikel III / 1b. 307 Siehe Barsewisch, C. F. R., Meine Kriegserlebnisse während des Siebenjährigen Krieges: 1757–1763, Seite 37. 308 Siehe LASA, DE, Z44 Abt. Dessau, A 9b VIb, Nr. 10, Bd. V (Verschiedene Militaria aus des Fürsten Moritz von Anhalt in preußigen Jaare 1757), Blatt 284 Vorderseite und Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 4: 1757, Teil 3, Seite 127. 309 LASA, DE, Z44 Abt. Dessau, A 9b VIb, Nr. 10, Bd. V (Verschiedene Militaria aus des Fürsten Moritz von Anhalt in preußigen Jaare 1757), Blatt 284 Vorderseite. 310 Der Autor hat das Gelände besichtigt und festgestellt, dass diese Karte vor allem die Erhebungen im Gelände noch am besten widerspiegelt, obwohl das Plateau mit dem Dorf Leuthen und dessen Abfall nach Süden übertrieben sind. Etwas verzerrt sind auch die Proportionen des Schlachtfeldes im Hinblick auf Länge und Breite.
311 OestKA,
AFA, Nr. 620: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 XIII (244–252), Faszikel 244.
Abbildung 57: Zeitgenössischer Plan des Verlaufs der Schlacht bei Leuthen311
IV.8. Der Winterfeldzug in Schlesien und Ende des Kriegesjahres 1757593
594
IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
Die Schlacht endete schließlich gegen 4 Uhr, als die Preußen den letzten Gegenangriff der österreichischen Kavallerie unter General Lucchesi auf dem linken Flügel unter General von Driesen zurückschlugen, was angesichts des flachen Geländes sowie der numerischen Unterlegenheit und der daraus resultierenden taktischen Nachteile seitens der Regimenter auf dem rechten Flügel der österreichischen Hauptarmee nicht verwunderlich war. Als Folge dessen setzte nun die Flucht der gegnerischen Armee ein, bei der es den preußischen Dragonern gelang, 2 Regimenter fast komplett gefangen zu nehmen, da sie versucht hatten noch einmal Widerstand zu leisten, was laut einem anonymen österreichischen Offizier aber zu diesem Zeitpunkt nunmehr völlig aussichtslos war: „Alles retirirte sich ietzo, außer 1 Capitain 1 Commerad von mich und 2 Fähnriche, wir hatten 2 Fahnen von uns und ohngeähr 50 Mann. Theils von unsern, theils vin andern Regimentern bey. Das starcke Canonenfeuer des Feindes aber und die schon eingerissene Furcht bey den gemeinen Mann machte alle unsere Bemühungen fruchtlos endlich erblickte man rechts und lincks hinter uns die feindl. Cavallerie und Husaren, welche schon einhieben zu guten Glück hatten wir nicht weit ein Dorf in welchen uns mit noch 2 übrigen Canonen sezen wollten. Ich hatte aber das Unglück über einen Graben zu stürtzen, wo ich ½ Stunde sinnlos liegen blieb Endlich erhohlte mich wieder, und suchte so gut als möglich fortzukommen nachts halb 12 Uhr ginge wieder über die Schweidnitz, und früh 4 Uhr kam zum Regiment im alten Lager bey Breßlau. […] Ich tröste mich, daß weder ich, noch ein ander mir reproche wegen meines Verhaltens machen kann, indem alle Officiers mir das Zeugnüß geben, daß ich der letzte aus der Bataille gewesen, und sogar alle brave Leute mich ausgelachet, daß ich mit etlich 20 Mann mich bemühet dem uns verfolgenden Preuß. Regiment tete zu machen“312.
Oberbefehlshaber Karl von Lothringen konnte am Abend des 5. Dezember nur berichten, dass die Schlacht unglücklich verlaufen sei313. Noch 4 oder 5 Tage später war er der Ansicht, dass der Verlust der Österreicher nicht größer als 8.000 oder 10.000 Mann sei, obgleich er wegen der unvollständigen Zahlen vorerst keine sicheren Angaben machen konnte314. Das ganze Ausmaß des Desasters offenbarte sich erst ab dem 13. Dezember315. Insgesamt hatte die Hauptarmee einen Verlust von 19.917 Mann und 2.216 Pferden zu verzeichnen316. Besonders groß war der Anteil der Gefangenen oder Vermissten, was sich auch anhand der Einheiten widerspiegelte, da bei den Infanterieregimentern Durlach und Wallis, die mit 1.026 bzw. 789 Mann die höchsten Ausfälle registrierten, fast alle auf diese Kategorie entfielen317. Wie sich die Verluste insgesamt verteilten, zeigt noch einmal die folgende Tabelle:
312 OestKA, 313 Siehe
AFA, Nr. 614: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 XII, Faszikel 223 ½a. OestKA, AFA, Nr. 614: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 XII (1–227), Faszi-
kel 227. 314 Siehe OestHHStA, Kriegsakten, Nr. 357, Sept.–Dez. 1757: Belagerung Schweidnitz und Breslau, Schreiben Carl von Lothringens am 9. und 10. Dezember aus Bögendorff. 315 Siehe ebd., Schreiben Carl von Lothringens am 13. Dezember aus Freyburg. 316 Siehe OestKA, AFA, Nr. 614: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 XII (1–227), Faszikel 222. 317 Siehe ebd.
IV.8. Der Winterfeldzug in Schlesien und Ende des Kriegesjahres 1757595 Tabelle 89 Verluste österreichischer und preußischer Soldaten als Folge der Schlacht bei Leuthen Kriegspartei
Österreicher318
Tote
Summe
Gefangene oder Verlorene
Inf.
Kav.
Art.
Inf.
Kav.
Art.
Inf.
Kav.
Art.
1.741
150
92
4.027
396
168
11.666
1.519
158
Summe Preußen319
Verwundete
1.983 888
104 992
4.591 4.767
175 4.942
13.343 127
4 131
Wie man sieht, war die Anzahl der Toten und Verwundeten zusammen fast gleich groß. Dabei hatten auf preußischer Seite die Infanterieregimenter Marggraf Carl und Pannewitz mit 705 bzw. 726 Mann am stärksten gelitten, zumal sie jeweils über 600 zu den Verwundeten zählten320 Ein enormer Unterschied trat natürlich bei den Gefangenen oder Verlorenen zu Tage, denn hier hatten die Österreicher glatt das 100-Fache eingebüßt. Ein deutliches Ungleichgewicht zeigte sich aber auch bei den Pferdeverlusten, denn während die Österreicher 2.216 einbüßten, verloren die Preußen insgesamt nur 470 Stück321. Obwohl der Einsatz der preußischen Kavallerie auf dem linken Flügel die Schlacht endgültig entschied, verloren die Österreicher vor allem aufgrund der schlechteren materiellen Gesamtausstattung, wobei sich die quantitative Überlegenheit der Infanteriemunition und an schweren Geschützen stark zu Gunsten der Preußen ausgewirkt hatte. Das artilleristische Defizit auf Seiten der Österreicher spiegelte sich auch darin wider, dass sich unter den 66 eroberten Kanonen nur 1 12-Pfünder befand und der Rest auf leichtere Kaliber, vor allem 3-Pfünder, entfiel322. Laut Prinz Ferdinand von Preußen waren die 318 Zu den Verlusten der Österreicher siehe OestKA, AFA, Nr. 614: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 XII (1–227), Faszikel 222. Die Zahlen des preußischen Generalstabs mit 3.000 Toten bzw. 7.000 Verwundeten sind selbst unter Berücksichtigung der 2.760 Bayern und Württemberger zu hoch veranschlagt. Vgl. Großer Generalstab, Die Kriege Friedrichs des Großen. Dritter Theil, Bd. 6: Leuthen, Seite 41. 319 Zu den Verlusten der Preußen siehe GStAPK, BPH, Rep. 57 / I Prinz Ferdinand von Preußen, J Nr. 29, Bd. III: Lettres du Pr. Ferdinand au Prince du Prusse dep. 1755 jusq. 1758, Blatt 198 Vorder- und Rückseite. Von etwas höheren Verlustzahlen ging Gerber aus. Vgl. ders., Paul, Die Schlacht bei Leuthen, Seite 83. 320 Siehe GStAPK, BPH, Rep. 47 König Friedrich II., Nr. 656: Miscellanea zur Geschichte des Siebenjährigen Krieges, Blatt 66 Vorderseite. 321 Siehe OestKA, AFA, Nr. 614: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 XII (1–227), Faszikel 222 und GStAPK, BPH, Rep. 57 / I Prinz Ferdinand von Preußen, J Nr. 29, Bd. III: Lettres du Pr. Ferdinand au Prince du Prusse dep. 1755 jusq. 1758, Blatt 198 Vorder- und Rückseite. 322 Siehe OestKA, AFA, Nr. 619: Siebenjähriger Krieg, Hauptarmee XIII (217–243), Faszikel 217.
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IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
geringe Gegenwehr und der hohe Anteil an Gefangenen auf österreichischer Seite aber vor allem darauf zurückzuführen, dass der Ausrüstungszustand der gegnerischen Infanterieregimenter aus Nadasdys Korps extrem schlecht war und sie seit mehreren Tagen völlig unzureichend verpflegt wurden: „Leur Infanterie est sans tentes, sans haversacs, sans marmites, 5 jours de suite ils ont eté sans pain, l’armée autriechienne a campé près de Schweidnitz sans la belle étoile […]“323.
Den bayrischen Truppen, denen man nach der Eroberung von Breslau 2.055 Hemden, 815 Paar Strümpfe und 1.459 Paar Schuhe ausgegeben hatte, gingen diese in den Tornistern zusammen mit anderen Ausrüstungsteilen wie Zeltstangen, Kesseln und Feldflaschen verloren324. Hinzu kam, dass ihr Bekleidungstransport, der nun endlich aus München ankam, von den Preußen im Rahmen der Verfolgung auch noch abgefangen wurde325. Auch Karl von Lothringen räumte ein, dass ein Großteil seiner Truppen die Kessel und anderen Bagageteile zurückgelassen hatte, um zunächst leichter kämpfen zu können, die dann aber im Rahmen der Verfolgung von den Preußen erobert wurden326. Letztere waren am Abend der Schlacht noch bis Lissa vorgerückt, wo der König sein Nachtquartier im dortigen Schloss bezog, während die Truppen auf dem westlich dahinter liegenden Schlachtfeld an den Lagerfeuern kampierten327. Andere setzten ihren Marsch Richtung Lissa fort und sangen dabei wohl den bekannten Choral „Nun danket alle Gott“328. Am nächsten Morgen bedeckte schon Schnee das Schlachtfeld, sodass die Gefallenen nur noch als kleine Schneehaufen zu erkennen waren. Bestattet wurden sie dann in Massengräbern, wobei die Bauern und Packknechte die Soldaten entkleideten und ausplünderten, um die Toten anschließend mit Hilfe von Pferden zu den Gräbern zu schleifen329. Auf dem Schlachtfeld wurden insgesamt rund 6.000 Mann mit Hilfe der Bauern aus Leuthen, Gohlau und Lissa begraben330. Von den österreichischen Gefangenen, die
323 GStAPK, BPH, Rep. 57 / I Prinz Ferdinand von Preußen, J Nr. 29, Bd. III: Lettres du Pr. Ferdinand au Prince du Prusse dep. 1755 jusq. 1758, Blatt 194 Rückseite. 324 Siehe BayKA, Alter Bestand B 258 Antheil am Siebenjährigen Krieg 1757. Auxiliarscorps IV–XIII, Schreiben des Feldkriegskommissarius’ Mayr aus dem Feldlager von Plaßdorf am 23. Dezember 1757. 325 Siehe ebd., Schreiben des Feldkriegskommissarius’ Mayr aus dem Feldlager von Schweidnitz am 9. Dezember 1757. 326 Siehe OestHHStA, Kriegsakten, Nr. 357: Schreiben Carl von Lothringens aus Bögendorff am 11. Dezember 1757. 327 Siehe Logan-Logeius, Jakob Friedrich Anton, Und setzet ihr nicht das Leben ein, Seite 217. 328 Vgl. Kutzen, Joseph August, Vor hundert Jahren. Zweite Abteilung: Der Tag von Leuthen, Seite 125. 329 Siehe Logan-Logeius, Jakob Friedrich Anton, Und setzet ihr nicht das Leben ein, Seite 219 und 221. 330 Siehe GStAPK, VI. HA., Nachlass Prinz Heinrich, A I., Nr. 1: Briefwechsel des Prinzen Heinrich mit Friedrich dem Großen 1757, Blatt 119 Vorderseite.
IV.8. Der Winterfeldzug in Schlesien und Ende des Kriegesjahres 1757597
die Preußen auf dem Schlachtfeld gemacht hatten, führte man 8.000 nach Neumarckt ab331. Dorthin brachten die Preußen auch ihre knapp 5.000 Verwundeten. Der daraus resultierende Platzmangel führte wohl dazu, dass Generalchirurg Schmucker rund 2 Wochen später darauf drang, sie allmählich zu verteilen, weil er unter diesen Umständen die Ausbreitung von ansteckenden Fiebern befürchtete332. Es fehlte zwar nicht an Material, da wenige Tage später 9 Wagen mit Essig, Weinspiritus, Medikamenten sowie Leinwand und Laken für Bandagen aus Frankfurt an der Oder eintrafen, man benötigte aber dringend Personal, weshalb das Feldkriegskommissariat aus Berlin 60 Feldschere kommen und für die Österreicher die ortsansässigen Feldschere aus Reichenbach und Strehlen nach Neumarckt schicken ließ333. Wahrscheinlich konnte man damit die Versorgung der Kranken relativ gut bewältigen, denn rund 1 Monat nach der Schlacht befanden sich u. a. noch 2.958 preußische Infanteristen vor Ort, von denen gerade einmal 100 Mann gestorben waren, während 116 Mann schon wieder zu ihren Regimentern zurückkehrten334. IV.8.6. Die Verfolgung der österreichischen Hauptarmee Die Anzahl der österreichischen Gefangenen stieg in den Tagen nach der Schlacht immer weiter an. Die preußische Vorhut, die aus 9 Bataillonen sowie 55 Eskadrons Husaren und 25 Eskadrons Dragonern bestand, sprich den Kavallerieeinheiten des zweiten Treffens und den Freibataillonen aus dem dritten Treffen, überschritt am 6. Dezember das Schweidnitzer Wasser und ging am nächsten Tag zur Verfolgung der Österreicher über335. Unter Führung des Generals von Zieten nahm sie in den Breslauer Vorstädten weitere 3.000 Mann gefangen und erbeutete außerdem 400 Brot- und Bagagewagen336. Offensichtlich hatten es die österreichischen Offiziere hierbei versäumt, die dienstfähigen Soldaten in die Festung oder zur Hauptarmee zu entsenden337. Laut König Friedrich erbeuteten die Preußen bis zum 9. Dezember schon 3.000 Fuhrwerke338, sodass sich die verlorene Schlacht 331 Vgl. Kutzen, Joseph August, Friedrich der Große und sein Heer in den Tagen der Schlacht von Leuthen, Seite 196. Gaudi gibt die Anzahl der Gefangenen auf dem Schlachtfeld mit 12.000 und in den Breslauer Vorstädten mit 3.000 an, was insgesamt aber viel zu hoch ist, da nach den österreichischen Angaben insgesamt nur etwas über 13.400 Mann gefangen genommen wurden. Vgl. Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 4: 1757, Teil 3, Seite 130 f. 332 Siehe LASA, DE, Z44 Abt. Dessau, A 9b VIa, Nr. 76: Correspondenz des Fürsten Moritz verschiedenen militärischen Inhalts (1744–1759), Blatt 223 Vorderseite. 333 Vgl. ebd., Blatt 223 Vorder- und Rückseite. 334 Vgl. ebd., Blatt 232 Vorderseite. 335 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 87 Ji: Relationen aus der Zeit des Siebenjährigen Krieges, Seite 73. 336 Siehe Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 4: 1757, Teil 3, Seite 131. 337 Siehe OestKA, AFA, Nr. 614: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 XII (1–227), Faszikel 378. 338 Vgl. Kutzen, Joseph August, Vor hundert Jahren. Zweite Abteilung: Der Tag von Leuthen, Seite 233.
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aus Sicht der Österreicher nun auch zu einer handfesten logistischen Katastrophe auswuchs, zumal sie selbst ihre Verluste später sogar mit 2.400 Armee- und 1.000 Bauernwagen angaben339. Darüber hinaus beklagten sie, dass nicht nur viele Wagenmeister, Bäcker und Proviantknechte ihre Pferde, Wagen und Kleidungsstücke verloren hatten, sondern ein Großteil der Gefangenen von den Preußen auch sofort zwangsrekrutiert wurde, was sich u. a. daran zeigte, dass ein desertierter Proviantknecht sogar schon die preußische Husaren unterkleidung trug, als er sich wieder bei den Österreichern einfand340. Der Zustand der österreichischen Hauptarmee verschlechterte sich nun noch weiter. Während die Truppen unter König Friedrich mit der Belagerung von Breslau begannen, verfolgte General von Zieten den Großteil des Gegners. Offensichtlich hatte er seinen Truppen am 9. Dezember noch einen Rasttag verordnet, bevor die Einheiten dann ausrückten. Der König trieb ihn harsch voran, weil er glaubte, dass sich das Abdrängen des Feindes in das Grenzgebirge mittel- und langfristig äußerst günstig auf die Operationen auswirken würde. „Ich recommendiere Euch also sehr den Feind bei Leibe nicht stille stehen, noch Zeit zulassen, sich zu recolligiren; und Ich zwar wohl, glaube, dass Eure Leute müde und wieder fatiguiret seind, so kann es dennoch gegenwärtig nicht anders seind, und müsset Ihr bedenken, dass der Feind noch weit müder und fatiuirter sein muss, daher Ihr ihn dann nicht eher ruhen und verlassen lassen, vielmehr immer poussiren und verfolgen müsset, bis dass Ihr solchen in den Gebirgen und Bergen sehet. […] Ein Tag Fatigue in diesen Umständen, mein lieber Zieten, bringet uns in der Folge 100 Ruhetage. Nur immer dem Feind in die Hessen gesessen! […] Ihr müsset hierbei überlegen, dass je weiter wir den Feind auf seiner Retraite nach dem Gebirge und in das Gebirge treiben, je mehr wir solchem dieses Jahr Abbruch thun und schwächen, so dass er dadurch allemahl geschwächet und verdorben wird, es mögen sich als dann die Sachen zum weitern Kriege oder zum Frieden lenken“341.
Somit marschierten Zietens Einheiten in den nächsten 4–5 Tagen vor allem in Richtung Reichenbach und Nimptsch, während Generalmajor von Meier sich mit 15 Eska drons links der Weistritz bzw. des Schweidnitzer Wassers in Richtung Striegau und Freyburg bewegte342. Der Zobtenberg und Schweidnitz blieben bei diesem zangenartigen Manöver genau im Zentrum. Als General von Zieten am 11. Dezember bei Langenseiffersdorf eintraf, war seine Versorgungslage schwierig, da die umliegenden Gegenden teilweise schon von den Österreichern ausgesogen worden waren und die Ausschreibungen entlang der Vorstoßachse bei Reichenbach und Nimtsch wegen der schlechten Wege inzwischen wenig Aussicht auf Erfolg hatten343. Allerdings berichtete Generalmajor von 339 Siehe OestHHStA; Kriegsakten, Nr. 346: Etat des Exicgens extraordinaires qu’on fait après la Catastrophe du 5 Decembre 1757 pour remettre les Armées de Sa Majesté l’Impatrice Reine en état d’opérer l’année 1758. 340 Siehe OestKA, Zentralst., Generalkriegskommissariat, Akten, Nr. 55 Militärdirectoralia 1757 XI / 141–XII / 330, Faszikel XII / 273: Schreiben am 15. Dezember aus Landshut (vermutlich von Oberkommissar Hauer). 341 Friedrich II., Politische Correspondenz, Bd. 16, Nr. 9573 f. 342 Siehe Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 4: 1757, Teil 3, Seite 134 f. 343 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 92 A1: Generallieutenant Hans Joachim von Zieten 1756–1758, Blatt 86 Rückseite.
IV.8. Der Winterfeldzug in Schlesien und Ende des Kriegesjahres 1757599
Meier am nächsten Tag, er würde Zieten entgegenrücken und habe dem Feind bei Conradswalde durch ein gemischtes Dragoner-Husarenkommando von rund 200 Mann 89 Brotwagen abnehmen lassen344. Während hiervon 71.000 Brotportionen König Friedrichs Truppen erhalten sollten, weil bei ihnen vermutlich schon seit 3 Tagen Mangel herrschte, wenn sie nicht weiteren Nachschub aus Parchwitz erhalten hatten, verblieb der Rest für die Verfolgungseinheiten. Insgesamt waren weitere 64.000 Portionen und 10 Wagen mit Mehl vor Ort, das aber nicht verbacken werden konnte, weil man 10 Backöfen schon eingerissen hatte. Die Anzahl der Mehlwagen erhöhte sich anscheinend noch, da ein anderes Kommando von Meiers Truppen weitere 20 Wagen bei Jauernick erbeutete345. Vermutlich trugen die 64.000 Brotportionen maßgeblich zur Verpflegung bei, da das Korps unter Zieten selbst wohl nur aus rund 8.000 Mann bestand und mit Meiers Einheiten allerhöchstens 12.000 Soldaten zählte346, sodass man für 5 ½ Tage versorgt war. Da schon die Truppenverpflegung Probleme bereitete, dürfte die Unterhaltung der Pferde äußerst schwierig gewesen sein. Möglicherweise hatten die Verfolgungseinheiten aber auf den erbeuteten Bauernwagen vor Breslau die erforderlichen Naturalien gefunden. Aber selbst wenn die Verpflegung funktionierte, so waren die Husaren dennoch durch die Kälte ungeheuer großen Strapazen ausgesetzt, da sie nachts auf den Feldern bei Schnee und Frost umherstreiften, während die Infanteristen in den Dörfern Unterschlupf fanden347. König Friedrich forderte trotzdem von Zieten die Verfolgung des Gegners stärker zu forcieren und seine Aktivitäten mehr in Richtung Striegau und Freyburg zu verlagern348. Dort, d. h. in Freyburg, schätzte Karl von Lothringen die Stärke der Armee schon am 13. Dezember ohne die Husaren nur noch auf 25–26.000 Mann349. Feldzeugmeister Arisosti räumte am nächsten Tag ein, dass die Witterung es nicht mehr gestattete, die Armee im Feld zu lassen350. 2 Tage später überfiel der preußische Generalmajor von Meier eine Patrouille von etwas mehr als 100 Dragonern und Husaren, von denen er 28 Mann gefangen nahm und den Rest bis nach Schweidnitz zurücktrieb351. Laut dem österreichischen General von Buccow waren diese Rückschläge vor allem auf den schlechten Zustand der Pferde zurückzuführen:
344 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 89 G1: Generalmajor Carl Friedrich von Meier, Blatt 1 Vorderseite. 345 Siehe ebd., Blatt 1 Rückseite. 346 Siehe OestKA, AFA, Nr. 615: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 XII (228–Ende), Faszikel 434. 347 Siehe Logan-Logeius, Jakob Friedrich Anton, Und setzet ihr nicht das Leben ein, Seite 223 f. 348 Siehe Friedrich II., Politische Correspondenz, Bd. 16, Nr. 9589 f. und 9601. 349 Siehe OestHHStA, Kriegsakten, Nr. 357: Schreiben Carl von Lothringens aus Freyburg am 13. Dezember. 350 Siehe OestKA, AFA, Nr. 615: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 XII (228–Ende), Faszikel ad 232. 351 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 89 G 1: Generalmajor Carl Friedrich von Meier, Blatt 3 Vorderseite.
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„Die Pferde derer Husaren sowohl, als der Cavallerie seyn ohndies so entkräftet, und würde durch öfters solche Ausrückungen noch mehreres abgemattet, daß sie es in länger nicht dauern könten, besonders bey diesem rauen und kalten Wetter, da sie den gantzen Tag im Feld stehen müssen; Eben die Mattigkeit und Schwäche dieser Pferdt seynd Ursach, daß die 2 Mann vor der Patrouille abgefangen worden, weilen einer mit dem Pferdt wegen Mattigkeit gefallen, der andere aber diesentwegen auch nicht mehr fortkommen können konnte […]“352.
Wegen der schlechten Kleidung und des Schneewetters nahm die Anzahl der einsatzfähigen Österreicher in den nächsten Tagen weiter ab353. Die Hauptarmee befand sich inzwischen schon bei Grüssau und verfügte laut der Schlachtordnung vom 19. Dezember an regulären Truppen nur noch über rund 24.000 Mann, wobei die beiden Infanterietreffen jeweils um die 8.000 Mann aufwiesen und die beiden Kavallerietreffen 3.334 bzw. 4.473 Berittene umfassten354. Nur 2 Kavallerieregimenter zählten noch über 400 Reiter, während der Durchschnitt bei 355 Soldaten pro Regiment lag und der Zustand der Infanterie sich ähnlich trostlos darstellte, da die Einheiten durchschnittlich nur 360 Mann pro Einheit stark waren355. Die bayrischen Truppen präsentierten sich ähnlich schlecht, denn obwohl sie in der Schlacht bei Leuthen nur 630 Mann verloren hatten, war der Verlust durch die Verfolgung schon wenige Tage später auf 900 Mann gestiegen, weil die Truppen ihre Ausrüstung verloren hatten und 5 Tage hintereinander kein Brot mehr erhielten356. Der Großteil der Österreicher hatte am 17. und 18. Dezember aber noch für 4 Tage Brot aus Landeshut erhalten. Von dort versuchten sie auch unter der Leitung von Oberkommissar Hauer, ihre Vorräte nach Böhmen und Schweidnitz zu retten. Obwohl noch 160.000 Portionen Brot in Schweidnitz vorhanden waren, planten die Österreicher über 4.000 Zentner Mehl dorthin abzuführen, sodass die Verpflegung der Garnison bis Anfang Mai nächsten Jahres gesichert war. Allerdings fehlten für den Transport nicht weniger als 554 Wagen, die die Preußen offenbar erbeutet hatten, denn angeblich verkauften sie 2 Drittel des schweren bedungenen Fuhrwesens, was ca. 530–540 Wagen entsprochen haben dürfte, an die Bauern357. 352 Siehe OestKA, AFA, Nr. 615: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 XII (228–Ende), Faszikel 345. 353 Siehe ebd., Faszikel 434. 354 Siehe ebd., Faszikel 49 und OestHHStA, Kriegsakten, Nr. 357: Schreiben Carl von Lothringens aus Gryssau am 19. Dezember 1757. 355 Siehe OestKA, AFA, Nr. 615: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 XII (228–Ende), Faszikel 49. 356 Siehe BayKA, Alter Bestand B 258: Antheil am Siebenjährigen Krieg 1757. Auxiliarscorps IV–XIII, Schreiben des Feldkriegskommissarius’ Mayr aus dem Feldlager von Schweidnitz am 9. Dezember 1757. 357 Zum gesamten Absatz siehe OestKA, Zentralst., Generalkriegskommissariat, Akten, Nr. 55 Militärdirectoralia 1757 XI / 141–XII / 330, Faszikel XII / 273: Schreiben aus dem Haubtquartier in Landshut am 16. Deczember 1757 (vermutlich Hauer). Zum Umfang des vorgesehenen bedungenen Fuhrwesens für 1757 siehe OestKA, Manuskripte, Kriegsgeschichte, Nr. 54: Historische Nachrichten: Fortsetzung des Siebenjährigen Krieges 1757, Aufsatz der zu den Kriegs-Herren für den Feldzug 1757, angetragenen eignen, und gedungenen Proviant-Fuhrwesen, und auf wie viel Täge gerechnet würde, durch solcher der Armee die Erforderniß nachführen zu können.
IV.8. Der Winterfeldzug in Schlesien und Ende des Kriegesjahres 1757601
Die preußischen Truppen waren inzwischen bis Giesmannsdorf vorgerückt, wo sie die Österreicher über Hartmannsdorf weiter in das Grenzgebirge verfolgten und nun noch Verstärkung durch 2 Bataillone und 2 Husareneskadrons aus Glatz unter dem Kommando von Generalleutnant Heinrich de la Motte Fouqué erhielten, der am 21. Dezember das Oberkommando über sämtliche Truppen in den schlesischen Gebirgen übernahm358. Schon einen Tag später konnte er dem König melden, die Truppen des österreichischen Generals Jahnus bei Landeshut angegriffen und aus ihren Verhacken vertrieben zu haben359. Dort fanden die Preußen noch 1.200 große Fässer Mehl und 2.000 Scheffel Gerste und Hafer360. Da das gesamte Infanteriekontingent wohl nur aus 4.000 Mann bestand und das Korps zusammen 12.000 Mann zählte361, dürften die verbliebenen 8.000 Kavalleristen mit dieser Hafer- und Gerstenmenge, die umgerechnet 55 Tonnen entsprach, kaum länger als einen Tag zu verpflegen gewesen sein. Somit blieb die Verpflegungslage der preußischen Kavallerie auch in den nächsten Tagen sehr heikel, während die Versorgung der Soldaten aufgrund der eroberten Mehlmengen deutlich einfacher gewesen sein dürfte. Vielleicht ließ König Friedrich gerade deshalb die Verfolgung der Österreicher weiter vorantreiben, weil er unerbittlich auf die Eroberung der Schatzlarer Stellung und des Magazins von Trautenau drang362. General de la Motte Fouqué musste ihn aber darauf hinweisen, dass die Eroberung des Magazins nahezu unmöglich war, weil der Großteil der österreichischen Truppen es schützte und die Wege dorthin bei tiefem Schnee dermaßen schlecht wurden, dass keinerlei Aussicht bestand, die Orte mit den Truppen in halbwegs passablem Zustand zu erreichen363. Auch der Kommissar der bayrischen Truppen berichtete, dass sich die Bekleidungssituation etwas gebessert hatte, es inzwischen aber so kalt war, dass die Truppen die Häuser nicht mehr verlassen konnten364. Der Schnee hatte auch schon zum Abbruch der Verfolgung in anderen Gebirgsregionen geführt. Die folgende Karte zeigt den Verlauf der Verfolgungsoperationen von Leuthen bis an die Hochgebirgsgrenzen, wo sie witterungsbedingt zum Erliegen kamen. Oberst Werner sollte eigentlich mit seinem Regiment, dem Grenadierbataillon Heyden und dem Freibataillon Kalben die Österreicher nach Braunau verfolgen. Allerdings kam er bis zum 20. Dezember nicht weiter als bis Silberberg voran. In den letzten 48 Stunden war der Schnee enorm stark gefallen und machte die Wege völlig unpassierbar, sodass es auch unmöglich war, den Einheiten des Obersts Simbschön Richtung Jägerndorf und Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 4: 1757, Teil 3, Seite 135 f. GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 86 G: Generallieutenant Heinrich August de la Motte Fouqué 1756–1758, Blatt 69 Vorderseite. 360 Siehe ebd., Blatt 93 Vorderseite. 361 Zur Stärke der preußischen Infanterie siehe ebd. Blatt 107 Vorderseite. 362 Siehe Friedrich II., Politische Correspondenz, Bd. 16, Nr. 9632–9634. 363 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 86 G: Generallieutenant Heinrich August de la Motte Fouqué 1756–1758, Blatt 93 Vorderseite. 364 Siehe BayKA, Alter Bestand B 258: Antheil am Siebenjährigen Krieg 1757. Auxiliarscorps IV–XIII, Schreiben des Feldkriegskommissarius’ Mayr aus Plaßdorf in Böhmen am 22. und 23. Dezember 1757. 358 Siehe 359 Siehe
365 Karte adaptiert nach http: / / www.breslau-wroclaw.de / de / breslau / geographic / maps / map_images / panoramakarte_1935.jpg (letzter Zugriff am 13.05.2017).
Abbildung 58: Operationen der gegnerischen Streitkräfte in Schlesien nach der Schlacht bei Leuthen im Dezember 1757365
602 IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
IV.8. Der Winterfeldzug in Schlesien und Ende des Kriegesjahres 1757603
Troppau zuvorzukommen366. Im Schreiben vom 23. Dezember an General von Zieten zeigt sich der König schließlich zufrieden mit den bisher erzielten Fortschritten bei der Verdrängung der Österreicher aus Mittelschlesien367. Vermutlich war dies auch dem Umstand geschuldet, dass inzwischen Breslau kapituliert hatte, womit sich die wichtigste Stadt und Operationsbasis in Schlesien nun wieder in preußischer Hand befand. IV.8.7. Die Belagerung und Rückeroberung Breslaus und das Ende des Feldzuges Die dortige Belagerung hatte bereits am 7. Dezember begonnen. Nachdem die Truppen des Königs, bestehend aus 32 Bataillonen und 68 Eskadrons schwerer Kavallerie, die Stadt erreicht hatten, waren sie in den nächsten 3 Tagen damit beschäftigt, Brücken über die Oder zu schlagen, um die Stadt von allen Seiten einzuschließen368. Man begann sofort mit der Arbeit an den Schanzkörben und Faschinen. Von diesen Bündeln wurden allein für den Bau der Batterien 67.000 Stück benötigt369. Ungünstig war, dass vor Ort kaum schwere Geschütze und Mörser zur Verfügung standen. Oberst Dieskau plante zwar aus Neisse mit 2 Transporten beträchtliche Verstärkungen heranzuführen, aber bis zum 13. Dezember waren nicht mehr als 13 12-Pfünder, 5 24-Pfünder, 5 Haubitzen sowie 9 50-Pfund- und 2 75-Pfund-Mörser eingetroffen370. Auch das artilleristische Fachpersonal war knapp, denn man konnte nur 317 gesunde Kanoniere für die Bedienung des schweren Geschützes aufbieten, sodass Dieskau Unterstützung von den Regimentern anforderte und einige rekonvaleszierte Artilleristen aus Glogau heranzuziehen versuchte371. Die Preußen lösten das Problem aber vor allem, indem sie ihre spärlichen Ressourcen auf die neuralgischsten Punkte der Festungswerke konzentrierten. Schon am 11. Dezember hatte man die ersten Laufgräben gegen die Stadt vorangetrieben und Geschütz- und Mörserbatterien in der Ohlauer Vorstadt angelegt, sodass noch an diesem Tag der Beschuss begann. Am nächsten Tag wurde er weiter forciert, nachdem die Preußen eine weitere Batterie von 10 schweren Geschützen und 7 Mörsern in Stellung gebracht hatten, während man auf dem rechten Oderufer noch damit beschäftigt war, die Stadt vollkommen abzuriegeln. Am 14. Dezember brach im Laboratorium ein Feuer aus, das schließlich zu einer Explosion führte und dabei gleichzeitig die Sandbastion und das Sandtor an der Oder stark beschädigte, was neben einer Bresche, die entstand, auch den Tod von 30 bis 40 Artilleristen und Handlangern zur Folge hatte. Am 366 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 91 F: Oberst, Generalmajor, Generallieutnant Johann Paul Werner, Blatt 3 Vorder- bis 4 Rückseite. 367 Siehe Friedrich II., Politische Correspondenz, Bd. 16, Nr. 9526. 368 Siehe OestKA, AFA, Nr. 623: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 XIII (503–Ende), Faszikel 595. 369 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 85 L.l.1: Dieskau, Carl Wilhelm, Obristlieutenant d. Artillerie 1756–1757, Blatt 92 Vorderseite. 370 Siehe ebd., Blatt 91 Vorderseite. 371 Siehe ebd.
604
IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
darauffolgenden Tag waren die Geschütze der preußischen Hauptbatterie gegenüber der Taschenbastion offenbar durch das Gegenfeuer der Österreicher beschädigt worden. Daher fuhren die Preußen 10 weitere Geschütze auf, die zum Teil vielleicht schon mit dem ersten Transport aus Neisse angekommen waren, um damit das gegnerische Geschützfeuer einzudämmen372. Schon am 16. Dezember gelang es den Preußen, gegen 4 Uhr nachmittags entweder den Pulverturm selbst mit 300 Fässern, die linke Lüftungskehle oder beide zur Explosion zu bringen, sodass eine weitere Bresche neben der Taschenbastion an der Südseite der Befestigungsanlagen entstand. Tags darauf errichteten die Preußen eine weitere Batterie mit 6 Geschützen und 3 Mörsern gegenüber dieser Bresche und begannen sie ins Kreuzfeuer zu nehmen, sodass die österreichische Besatzung schon über einen Ausfall nachdachte, weil sie erfahren hatte, dass sich der Rest der Hauptarmee nach Böhmen abzusetzen begann, und die Aussicht auf Entsatz mehr und mehr schwand. Da insgesamt nur rund 6.900 Mann an deutschen Truppen und 3.300 Kroaten zur Verfügung standen und seit dem 18. Dezember trotz gegenteiliger Bemühungen die Stadtgräben zufroren, zeichnete sich zudem an den entstandenen Breschen die Gefahr von Sturmangriffen ab. Daher traten die Österreicher am selben Tag in Kapitulationsverhandlungen ein. Allerdings weigerten sich die Preußen der gegnerischen Besatzung den freien Abzug zu gewähren373. Der folgende Plan (siehe nächste Seite) zeigt noch einmal die Laufgräben und Geschützstellungen der Preußen, die Explosion des Laboratoriums, den Beschuss des Oh lauer Tors und der Taschenbastion, erst durch 1 und dann durch 2 Batterien. Aufgrund des nicht gewährten, freien Abzugs seitens der Preußen schlug nun der österreichische General Beck einen Ausbruchsversuch auf der linken Oderseite vor, indem man die Pferde der Kroaten für die Bespannung von 1.200 Proviantwagen einsetzte, um sie damit für 5 Tage mit Brot sowie mit Fleisch und Geld bis Ende Januar zu versorgen. Die Truppen sollten sich auf der linken Oderseite zur polnischen Grenze und nach Oberschlesien zurückziehen. Offenbar war Beck aber der einzige General, der hartnäckig auf der Option bestand, denn die anderen Generäle, darunter auch der Kommandeur Generalfeldmarschallleutenant Salomon Sprecher von Bernegg, sprachen sich am 19. Dezember erneut für die Kapitulation aus, hielten aber an der Bedingung des freien Abzugs fest. Die Preußen reagierten nun zunehmend ungehalten und ließen den Österreichern mitteilen, dass die Offiziere ihre Bagage verlieren würden, wenn sie nicht unverzüglich aufgaben. Letztlich kapitulierten die Streitkräfte der Habsburger dann auch nahezu bedingungslos, weil sie General Becks Plan für undurchführbar hielten. Sie begründeten 372 Zum gesamten Absatz siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 87 Ji: Relationen aus der Zeit des Siebenjährigen Krieges, Blatt 74 Vorder- bis 76 Vorderseite, OestKA, AFA, Nr. 623: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 XIII (503–Ende), Faszikel 595. 373 Zum gesamten Absatz siehe OestKA, AFA, Nr. 623: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 XIII (503–Ende), Faszikel 595 und Karten- und Plansammlung, Kriegskarten, H IIIe Nr. 1504 (inklusive Beschreibung). Für den Beschuss der Taschenbastion und die dabei verwendete Anzahl der Geschütze siehe Staatsbibliothek Berlin, S Kart. Db 1.514 f: Belagerung von Breslau 1757.
IV.8. Der Winterfeldzug in Schlesien und Ende des Kriegesjahres 1757605
Abbildung 59: Belagerung von Breslau Mitte Dezember 1757374
dies mit den 4.000 Kranken und Verwundeten, die man hätte zurücklassen müssen, und den Ausrüstungsmängeln, denn angesichts der fehlenden Schuhe und der großen Kälte wurde ein enormer Anstieg der Desertion erwartet. Außerdem war man der Ansicht, die Garnison könne die weitläufigen Befestigungswerke wegen der vielen Breschen nur noch zur Hälfte besetzen. Obwohl man schon gegen 10 Uhr abends am 19. Dezember die Kapitulation Breslaus vereinbarte, erfolgte die offizielle Übernahme der Festungsstadt erst einen Tag später nach der Ratifikation durch den preußischen General von Forcade. Danach marschierten die österreichischen Soldaten aus der Stadt, legten ihre Waffen ab und rückten dann zur Unterbringung wieder in diese ein, während die Preußen ihre Offiziere nach Frankfurt an der Oder zum Arrest abführten375. Die Folgen waren für die Österreicher verheerend, denn neben den 15.856 Kombattanten gerieten auch über 1.500 Mann an Feuerwerkern, Kommissariatspersonal, Fuhrwesenbediensteten, Bäckern und Knechten in Gefangenschaft, sodass sich der personelle Verlust schließlich auf 17.635 Mann belief. Hierunter befanden sich auch so erfahrene 374 Karte
adaptiert nach OestKA, Karten- und Plansammlung, Kriegskarten, H IIIe Nr. 1504. gesamten Absatz siehe OestKA, AFA, Nr. 623: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 XIII (503–Ende), Faszikel 595. 375 Zum
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IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
Persönlichkeiten wie Feldzeugmeister Kheul und Oberstleutnant Rebain, die maßgeblich vor 6 Monaten zur erfolgreichen Verteidigung von Prag beigetragen hatten. Zusätzlich eroberten die Preußen neben einer Vielzahl von leichten Modellen auch 33 preußische und 32 österreichische schwere Festungsgeschütze des 24-pfündigen Kalibers. Komplettiert wurde die Beute durch 1.034 Proviantpferde und weitere 220 Wagen376. Der personelle Gesamtverlust der Österreicher belief sich nach den Angaben des Königs gegenüber Herzog Ferdinand von Braunschweig, Feldmarschall Keith und seinen Bruder Prinz Heinrich inzwischen auf 42–47.500 Mann377. In seinem Schreiben an Heinrich legte der König dar, dass die Österreicher neben den 19.000 Mann als Folge der Schlacht bei Leuthen seiner Meinung nach mehr als 5.400 Mann an Versprengten zu beklagen hätten, die nach Polen flüchteten, während weitere 1.600 Mann Richtung Trautenau desertiert seien, sodass sich die personellen Ausfälle schon vor der Kapitulation Breslaus auf 31.400 Mann belaufen hätten378. Plausibel wäre diese Größenordnung allemal, denn auch der inzwischen zum Generalmajor beförderte Generaladjutant von Wobersnow bestätigte, dass die Anzahl der Gefangenen bereits am 12. Dezember bei über 20.000 lag379, als die Österreicher sie noch auf rund 13.000 Mann schätzten. Mit den Gefangenen aus Breslau, zu denen der König wohl nur die Kombattanten rechnete, konnte der Gesamtverlust theoretisch um die 47.700 Mann betragen380. Allerdings räumte der König später gegenüber Feldmarschall Keith ein, dass die Anzahl der Gefangenen ca. 10.000 Mann geringer zu veranschlagen war381, was die Ausfälle wieder auf rund 37.700 gesenkt hätte und weitestgehend der Summe entsprach, die durch die Schlachten von Leuthen und Breslau belegt sind. Der preußische Sieg hatte so oder so verblüffende Dimensionen angenommen, denn fast die Hälfte des österreichischen Heeres382, das noch Mitte November 91.000 Mann in Schlesien zählte, war gefangen oder versprengt worden. Obwohl dies schon ein großer Erfolg für die Preußen war, bestand das eigentliche Wunder darin, dass man fast sämtliche verlorenen Naturalien aus dem Magazin in Bres376 Zum gesamten Absatz siehe OestKA, AFA, Nr. 615: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 XII (228–Ende), Faszikel 377 und Diarium der Belagerung von Breslau; und Capitulations-Puncte von der Uebergabe an Se. Königl. Majestät in Preussen. 377 Siehe Friedrich II., Politische Correspondenz, Bd. 16, Nr. 9616, 9619 und 9622. 378 Siehe GStAPK, VI. HA., Nachlass Prinz Heinrich, A I, Nr. 1: Briefwechsel des Prinzen Heinrich mit Friedrich dem Großen 1757, Blatt 113 Vorderseite. 379 Siehe OestKA, AFA, Nr. 614: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 XII (1–227), Faszikel 223. 380 Vgl. Friedrich II., Politische Correspondenz, Bd. 16, Nr. 9622. Eine wesentlich höhere Gefangenenanzahl, die aber schon wegen der überhöhten Menge am Tag der Schlacht falsch sein dürfte, nimmt Gerber an. Vgl. ders., Die Schlacht bei Leuthen, Seite 97. Außerdem berechnet er die Verluste von Schweidnitz aus dem nächsten Jahr und geht von einer sehr hohen Zahl zusätz licher Deserteure aus. 381 Siehe Friedrich II., Politische Correspondenz, Bd. 16, Nr. 9642. 382 Auch die Österreicher gingen von mindestens 40.000 Verlusten im Bereich der Kombattanten aus. Siehe Khevenhüller-Metsch, Rudolf / Schlitter, Hans, Tagebuch des Fürsten Johann Josef Khevenhüller-Metsch, 1756–1757, Seite 140 und 143.
IV.8. Der Winterfeldzug in Schlesien und Ende des Kriegesjahres 1757607
lau zurückerlangte, obgleich der Umfang nicht mehr ganz eindeutig zu bestimmen ist, weil die Österreicher schon bei ihrer Übernahme unterschiedliche Bestände festgestellt hatten. Die folgende Tabelle zeigt die übernommenen Magazinbestände, ihre Umrechnung in Tonnen und die möglichen Einbußen, welche demzufolge zu verzeichnen waren. Tabelle 90 Vergleich der verlorenen und zurückeroberten Naturalien in Breslau im November und Dezember 1757 Naturalienbestände bei der Übergabe an die Österreicher Wispel383 Tonnen Laut 24. November
Niederöst.384
Wiedergewinn Tonnen Wispel385 Tonnen
Laut 26. November
Differenz Tonnen
Am 20. Dezember Zum 24. Zum 26.
Mehl
1.155
1.155
16.867 Zentner
1.029
1.025
1.025
–130
–4
Roggen
2.588
2.588
56.250 Metzen
1.771
2.507
2.507
–81
–164
Weizen
60
60
1.307 Metzen
41
60
60
0
0
Gerste
277
184
5.875 Metzen
188
277
184
0
0
Hafer
1.381
911
31.250 Metzen
984
777
518
–393
–466
2.000 Schock
120
1.500 Schock
900
Stroh
–780
In beiden Fällen zeigt sich, dass die Verluste im Bereich des Roggens, des Hafers und des Strohs noch am größten waren, während sie bei den Mehlmengen, wenn man die zweite und damit die wahrscheinlichere Aufstellung zugrunde legt, gering ausfielen und beim Weizen und bei der Gerste überhaupt nicht auftraten. Das Mehl reichte für die Preußen zwischen 32 und 37 Tage, je nachdem ob die knapp 5.000 Verwundeten mitversorgt werden mussten. Da aber auch die österreichischen Gefangenen und somit die doppelte Menschenmenge zu ernähren waren, reichten die Vorräte entsprechend nur noch für die Hälfte der Zeit. Ähnlich stellte sich die Situation hinsichtlich der Pferdeverpflegung dar, denn es waren nicht nur die 7.000 Berittenen der Belagerungsarmee zu versorgen, sondern auch die Pferde des Proviantfuhrwesens, des Artillerieparks, der Regimenter, der erbeuteten Wagen, die der 8.000 Kavalleristen unter den Generälen Zieten und Meier, sodass insgesamt bis zu 32.500 Pferde zu verpflegen gewesen sein könnten. Hierfür reichten die wiedergewonnenen Bestände in Breslau nur 6 Tage, aber wahr383 Siehe OestKA, AFA, Nr. 613: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 XI (351–Ende), Faszikel 471b. 384 Siehe ebd., Faszikel 475a. 385 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 425 Cc: Immediatsberichte des schlesischen Feldkriegskommissariats 1756–63, Blatt 9 Vorderseite.
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IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
scheinlich konnte man inzwischen auch wieder die anderen schlesischen Festungsmagazine wie in Brieg, Cosel oder Neisse nutzen, aus denen sich auch die Soldaten und Gefangenen wahrscheinlich noch um einiges länger versorgen ließen. Die Anzahl Letzterer erhöhte sich nicht weiter, obwohl unter Leitung des Generals Moritz zu Anhalt-Dessau, der inzwischen zum Feldmarschall befördert worden war386, und Oberst Mollers am 25. Dezember die Belagerung von Liegnitz begann. Letztlich boten die Österreicher schon nach 4 Tagen die Kapitulation der Stadt an, jedoch unter der Bedingung, dass der Besatzung der freie Abzug bis nach Böhmen gewährt wurde. Die Preußen gingen offensichtlich auf dieses Angebot ein, weil es inzwischen so kalt geworden war, dass die Truppen in den Vorstädten kaum mehr zu unterhalten waren. Als die Stadt dann von den Österreichern übergeben wurde, liefen auch 400 Mann zu den Preußen über, darunter offensichtlich auch 40 zuvor desertierte Preußen387. Allerdings fanden die Preußen viel weniger schwere Artillerie als erwartet, nicht mehr als 100 Zentner Pulver und 200.000 Flintenpatronen. Auch die Naturalienbestände waren mit 613 Tonnen Mehl, knapp 4.000 Portionen Brot, 437 Wispeln Hafer und 1.756 Zentner Heu nicht besonders groß388. König Friedrich witterte aber durch den Abzug der Garnison auch die Chance, sich doch noch der Stellung bei Schatzlar und des Magazins in Trautenau zu bemächtigen, indem General von Zieten der Eskorte der Liegnitzer Besatzung folgte und herausfand, ob das Magazin noch vorhanden war, da es seiner Meinung nach darüber entschied, ob die Österreicher im kommenden Winter ein Korps im Gebirge unterhalten konnten, das möglicherweise die Rückeroberung von Schweidnitz behindern würde389. Diese gelang den Preußen im nächsten Jahr aber, sodass weitere 1.300 Mann in Gefangenschaft gerieten390. Im nun anbrechenden Winter bezogen die preußischen Truppen ihre Quartiere zunächst in den Ortschaften von Naumburg bis Landeshut, wo sie vermutlich auch aus lokalen Quellen verpflegt wurden. Die Eckpfeiler des Kordons an der niederschlesischen Gebirgsgrenze bildeten die Städte Greiffenberg, Schmiedeberg, Hirschberg, Landeshut und Grüssow, wo jeweils 2 Bataillone stationiert waren, während sich die Kavallerieregimenter Puttkammer, Seydlitz und Ansbach-Bayreuth dazwischen zumeist mit 1 Eska dron pro Dorf verteilten391. In Sachsen bemühte man sich schon, neue Nahrungsmittel für die dortige Armee zu beschaffen, deren Größe inzwischen wieder beträchtlich angewachsen war: 386 Vgl. Kutzen, Joseph August, Vor hundert Jahren. Zweite Abteilung: Der Tag von Leuthen, Seite 127 f. 387 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 98 G: Immediatsberichte des Fürsten Printz Moritz zu Anhalt-Dessau 1757, Schreiben vom 29. Dezember aus Liegnitz. 388 Siehe ebd., Summarischer Extract Derjenigen Naturalien, welche in dem Magazin zu Liegnitz gefunden worden. 389 Siehe Friedrich II., Politische Correspondenz, Bd. 16, Nr. 9643. 390 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 87 Ji. 1: Relationen aus der Zeit des Siebenjährigen Krieges, Seite 138. 391 Siehe LASA, DE, Z44 Abt. Dessau, A 9b VIa, Nr. 75, Blatt 75 Vorderseite.
IV.8. Der Winterfeldzug in Schlesien und Ende des Kriegesjahres 1757609 „Was für die jetzt in Sachßen stehende königl. preuß. Armée monatlich an Mehl und Fourage erfordert werde Fourage Portiones Mehl Rationes Hafer Heu Stroh Centner Schock Wispels Wispel zu Dresden 7000 175 2200 257 4800 1100 175 2200 234 4363 1000 zu Leipzig 7000 zu Torgau 2000 50 1800 210 3927 900 für das Keith 10000 250 4600 539 10036 2300 sche Corps zu Wittenberg 1200 30 600 70 1309 300 Sa auf einen Monath 27200 680 11200 1312 24436 5600“392.
Zur Versorgung dieser Truppen hatte das Feldkriegskommissariat schon beim Abmarsch des Königs aus Torgau am 14. November eine große Lieferung aus den anhaltischen Fürstentümern von 2.700 Wispeln Mehl, 9.900 Wispeln Hafer, 91.309 Zentnern Heu und 10.463 Schock Stroh ausgeschrieben, die zu 1 Drittel nach Wittenberg und zu 2 Dritteln nach Torgau geliefert werden sollten393. Mit diesen Mengen hätte man die Streitmacht für 2 Monate komplett verpflegen können, wobei das Mehl sogar für 4 und der Hafer für mehr als 7 ½ Monate ausreichten. Fürst Dietrich von Anhalt stufte jedoch bereits 1 Drittel dieser Lieferung als völlig unerschwinglich ein und so verwundert es nicht, dass bis zum Juni des nächsten Jahres die avisierten Mengen noch nicht eingetroffen waren394. Es zeigt aber, wie umfassend und vorausschauend die Preußen auch für das nächste Jahr die Verpflegung ihrer Truppen und wohl auch die Mobilisierung der anderen militärischen Ressourcen vorbereiteten. IV.8.8. Rekapitulation der Operationen während des schlesischen Winterfeldzuges Das Kriegsjahr 1757 neigte sich nun endgültig dem Ende zu. Der Feldzug hatte aus preußischer Sicht ein überaus glückliches Ende genommen. Innerhalb eines Monats eroberten die Preußen 2 wichtige Festungen in Niederschlesien wieder zurück, erbeuteten dabei beachtliche Waffen-, Munitions- und Naturalienvorräte, versprengten einen Großteil der österreichischen Truppen und nahmen viele von ihnen gefangen. Außerdem hat392 Siehe SächsHStA-DD, 10025 Geheimes Konsilium, Loc. 6484 Num. 142: Die königl. preußischer Seits mit den härtesten Bedrohungen mense Septembr. 1758 theils ausgeschrieben enorme Fouragelieferungen, theils unternommen Fouragierung, theils die zu deren Transport auch sonst erforderlich Vorspann, Beytreibung eins 1757 herrührenden Holzfuhrrest […], Blatt 173 Vorderseite. 393 Siehe LASA, DE, Z44 Abt. Dessau, C 16c 4, Nr. 7: Die von Seiner Majestät in Preußen verlangten Lieferungen von Mehl, Fourage, Rekruten, Pferden und dem Anhängiges, 1757–58, Blatt 8 Vorder- und Rückseite. 394 Siehe ebd., Blatt 21 und 41 jeweils Vorderseite.
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IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
ten sie eine große und eine kleine befestigte Stadt wiedererobert, wobei die Eroberung Breslaus wegen der Wiederherstellung der Oderverbindung, der Rückgewinnung der großen Natural- und Materialmengen kombiniert mit den Fabrikations- und Reparaturmöglichkeiten mit Abstand der wichtigste Erfolg war. Lediglich Schweidnitz, wo sich noch ca. 6.000 Österreicher aufhielten395, bildete aus preußischer Sicht mehr oder weniger einen Stachel im Fleisch, der König Friedrich offensichtlich besonders quälte. Tatsächlich hatte man die eigenen operativen Zielsetzungen, nämlich Schlesien und Sachsen vom Feind freizuhalten, gegen Ende des Jahres weitestgehend erfüllt396, obwohl man sie rund 1 Monat zuvor um Längen zu verfehlen schien. Mitte November hatten die Österreicher nach einer 11-tägigen Kanonade die Festung Schweidnitz eingenommen, wobei sich besonders die monatelange Heranführung der schweren Artillerie in Form einer intensiven Beschussvorbereitung auszahlte. Gegen Ende des Monats war ihnen auch Breslau in die Hände gefallen, wo sie wie zuvor in Schweidnitz große Bestände an Geschützen und Naturalien erbeuteten und damit mehr erreichten, als ihre Generäle zu hoffen gewagt hatten. Andererseits deuteten sich mit den verlorenen Haferbeständen in der Schweidnitzer Minoritenkirche, dem schlechten Abschneiden der österreichischen Kavallerie in der Schlacht bei Breslau und den beträchtlichen personellen Verlusten vor der Schlacht schon massive Probleme an. Erstaunlicherweise war dabei die Beschaffung ausreichender Futtermengen für die Pferde u. a. auch aus Böhmen noch nicht das größte Problem. Entscheidender war, dass die Österreicher im Gegensatz zu den Preußen wenig Pferdeersatz erhielten und aufgrund mangelnder Holzmengen sowie unzureichender Quartiere angesichts der rauen Witterung im Lager vor Breslau stark unter der Kälte litten und so speziell seit Mitte November enorm hohe krankheitsbedingte Ausfälle zu verzeichnen hatten. Sie wurden personell noch weiter durch die Kontingente zur Sicherung der Festungen und Städte geschwächt. Hinzu kam, dass es bei dem sich verschlechternden Wetter immer mühseliger wurde, den Nachschub aus Böhmen und den Gebirgsgegenden zur Armee zu transportieren. Insofern hatten die Festungslandschaft und das natürliche Terrain, sprich die Gebirge, in Kombination mit dem Wetter zur starken Zersplitterung der Kräfte geführt. Die Preußen hatten trotz des Verlustes von Breslau noch über die Hälfte ihrer Armee, darunter einen Großteil der neuremontierten Kavallerie, nach Glogau gerettet und sich dann mit den Truppen des Königs wiedervereinigt. Dessen Einheiten waren nicht nur mit erfahrenen Soldaten aus den Lazaretten in Sachsen ergänzt und neu eingekleidet worden, sondern auch in einem schnellen und glücklichen Marsch nach Schlesien gelangt. Hierbei konnte die Truppenverpflegung durch die optimale Nutzung der weiteren Produktionsund Zulieferkapazitäten aus Dresden theoretisch 12–13 Tage ununterbrochen sichergestellt werden, was eine organisatorische Spitzenleistung darstellte. In der Praxis trug wahrscheinlich die Nutzung der vorhandenen Backkapazitäten in Görlitz wesentlich zum Erfolg bei. Die Gewährleistung der Kavallerieversorgung konnte dagegen nur durch die glückliche Eroberung der feindlichen Hartfutterbestände in der Oberlausitz gelingen. Bei 395 Siehe 396 Vgl.
OestKA, AFA, Nr. 635: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1758 I, Faszikel ad 16. IV. Teil 1.2.: Die Operationsplanungen der Preußen.
IV.8. Der Winterfeldzug in Schlesien und Ende des Kriegesjahres 1757611
Parchwitz wurde nicht nur die Ernährung der Soldaten, sondern auch die der Pferde durch das organisatorische Geschick Ministers von Schlabrendorff, die Nutzung der Oderschiffe und die Lokalressourcen ermöglicht. Gerade Letztere trugen dann als Reit- und Zugtiere der Kavallerie sowie der schweren Artillerie maßgeblich zum Schlachterfolg bei Leuthen bei. Insgesamt war die Tatsache, dass sich die Preußen als fähig erwiesen, erneut eine einsatzfähige und numerisch hinlänglich große Armee auf dem schlesischen Kriegsschauplatz ins Feld zu stellen, die wichtigste Voraussetzung, um aus dem schlechten Versorgungszustand der Österreicher Kapital zu schlagen, die sich ohne das Eingreifen ihres Gegners in den Winterquartieren bei Breslau vielleicht erholt hätten397. Abgesehen davon wurden die Preußen operativ stark durch den politischen Druck auf österreichischer Seite und das Vorrücken der gegnerischen Hauptarmee in Richtung Liegnitz begünstigt, da sich diese hierdurch in eine viel angreifbarere Situation als hinter dem Schweidnitzer Wasser manövrierte. Die Tatsache, dass vor allem die Sicherung weiterer Räume für die Winterquartiere bei diesen Erwägungen im Vordergrund stand398, weist darauf hin, dass Maria Theresia sich über die enorme Bedeutung der Eroberung von Breslau, u. a. für die Unterbringung der Truppen, nicht hinlänglich im Klaren war, denn ansonsten hätte sie vermutlich mit viel mehr Nachdruck auf der Sicherung der Stadt bestanden. Überhaupt scheinen die Österreicher immer noch so überrascht von ihrem zwischenzeitlichen Erfolg gewesen zu sein, dass sie die logistischen und strategischen Folgen, die sich daraus ergaben, einfach noch nicht in vollem Umfang realisiert hatten. In der Schlacht selbst entschieden in erster Linie die bessere materielle Ausstattung der jeweiligen Waffengattungen, ihr Zusammenwirken und die größere Beweglichkeit, die offenbar der besseren Verpflegung von Mensch und Tier geschuldet war, den Kampf zu Gunsten der Preußen. Die überlegene Ausstattung in Gestalt der besseren Kleidung machte sich auch bei der Verfolgung bemerkbar, denn die Ausführungen von Rittermeister Logan-Logeius deuten stark darauf hin, dass die Preußen unter spätherbstlichen oder winterlichen Witterungsbedingungen deutlich effektiver operierten als ihre Gegner399. Darüber hinaus waren es einige schwerwiegende Fehler seitens der Österreicher wie die Verlängerung der linken Flanke durch General Nadasdy auf dem Leuthener Schlachtfeld,
397 Hier zeigt sich, dass in der Tat mehrere Faktoren auf beiden Seiten im Vorfeld der Schlacht bei Leuthen zum Ausgang derselben beitrugen. Die landsmannschaftliche Geschlossenheit scheint entgegen der traditionellen Auffassung bei den Preußen kaum eine Rolle gespielt zu haben. Insofern ist es bemerkenswert, dass die hier genannten Erklärungsansätze von der Sekundärliteratur bisher nicht berücksichtigt wurden, obwohl sie explizit hervorhob, wie wichtig eine plausible Erklärung für den Verlauf dieses denkwürdigen Feldzuges sei. Vgl. Kunisch, Johannes, Friedrich der Große. Der König und seine Zeit, Seite 383. 398 Dies bestätigte auch General Beck nach seiner Gefangennahme infolge der Kapitulation bei Breslau, als er dem König die Gründe für das schlechte Abschneiden der österreichischen Armee erläuterte. Vgl. Cogniazzo, Geständnisse eines Oestreichischen Veterans in politisch-militärischer Hinsicht auf die interessantesten Verhältnisse zwischen Oestreich und Preußen, während der Regierung des Großen Königs der Preußen Friedrichs des Zweyten. Zweyter Theil, Seite 425. 399 Auf mögliche strukturelle Ursachen hierfür ist hingewiesen worden. Vgl. II. Teil 7.: Die weiteren Versorgungsgüter – Waffen, Munition und Bekleidung.
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IV. Teil: Fallstudie(n): Der Feldzug/die Feldzüge des Jahres 1757
das Verbleiben großer Mengen von versprengten Soldaten in den Breslauer Vorstädten und die mangelnde Entschlossenheit der Österreicher bei der Verteidigung Breslaus, die die großen Erfolge der Preußen in der Schlacht und danach bei der Belagerung Breslaus ermöglichten. Obgleich nun General von Sprechers Handlungsmöglichkeiten angesichts der schwierigen Situation durch die entstandenen Breschen und die zufrierenden Gräben begrenzt waren, bleibt es angesichts der Abzuges der Liegnitzer Garnison fraglich, ob sich die Lage bei der Belagerung Breslaus nicht in wenigen Tagen zu Ungunsten der Preußen hätte verändern können, sodass günstigere Kapitulationsbedingungen zu erwirken gewesen wären. Dies weist auf einen weiteren Fehler hin, der sich wahrscheinlich ebenfalls günstig für die Preußen auswirkte, nämlich dass man bis auf Kleinburg die Breslauer Vorstädte nicht abgebrannt hatte und somit den Preußen während der Belagerung in einer Zeit, wo die kalte Witterung die Einsatzfähigkeit der militärischen Einheiten so nachteilig beeinflusste, gute Unterbringungsmöglichkeiten überließ. Allerdings hatten auch die Preußen bei ihrem Rückzug nach der Schlacht von Breslau die Vorstädte nicht in Brand gesetzt, obwohl sie dies ursprünglich erwogen. Vermutlich waren diese Säumnisse auf beiden Seiten einfach den Umständen, d. h. vor allem dem Zeitdruck, im Rahmen der Rückzüge geschuldet. Hinzu kam, dass die beiden gegnerischen Armeen jeweils zuvor die Vorstädte in recht umfangreicher Weise als Lazarett mitgenutzt hatten und ihre Kameraden offenbar nicht dem Flammentod überlassen wollten. Am schwersten wog insgesamt mit Abstand die Tatsache, dass sich die Hauptarmee der Österreicher in den Tagen vor der Schlacht von Leuthen und während ihres Rückzuges danach aufgrund der vielen logistischen Probleme völlig selbst zersetzte. Merkwürdig ist, dass man hiergegen scheinbar nichts unternehmen konnte. Dies hing wahrscheinlich damit zusammen, dass sich die Versorgungsschwierigkeiten zwar schon monatelang angedeutet hatten, aber eindeutige Defizite und endgültige Ausfälle im Feld erst relativ kurzfristig in Erscheinung traten, dann jedoch unter feindlicher Einwirkung plötzlich nicht mehr korrigierbar waren und die denkbar verheerendsten Folgen nach sich zogen.
V. Teil
Das Feldzugsjahr im Rückblick: Der Einfluss der Logistik und anderer Faktoren auf die Kriegsführung V.1. Der Einfluss der Logistik auf die Gefechte und die Waffengattungen V.1.1. Die allgemeine Bedeutung der Logistik bzw. der Verpflegung Obwohl die Logistik, d. h. vor allem die Verpflegung, niemals der einzige Faktor war, der die Operationen und den Ausgang der Gefechte bestimmte, dominierte sie das militärische Alltagsgeschäft völlig, weil sie die materielle Grundlage für die Beweglichkeit der Soldaten, der Pferde und letztlich der Geschütze darstellte. Dabei wirkte sich in der Regel vor allem die Unterversorgung extrem negativ auf die Einsatzfähigkeit der Verbände aus. Sie musste aber im Rahmen eines Gefechtes vom jeweiligen Kontrahenten ausgenutzt werden, sodass man die Schwäche des Gegners durch das Zufügen von personellen oder materiellen Verlusten in dauerhaften, quantifizierbaren Erfolg verwandelte1. Insofern scheint sich das Motto „Good logistics alone can’t win a war. Bad lo gistics alone can lose it“2 zu bewahrheiten. V.1.2. Die Bedeutung der personellen und materiellen Überlegenheit in den Schlachten Die Schlachten des Jahres 1757 wurden zumeist durch 2 völlig einfache Faktoren entschieden, nämlich die quantitative Überlegenheit in personeller oder materieller Hinsicht, d. h. entweder durch die Größe der Armeen oder ihren Ausstattungszustand oder beides. Dabei hatte man für die Schlacht bei Prag, wo mit 85.000 Mann auf preußischer Seite und etwas mehr als 70.000 Mann auf österreichischer wohl die größte Schlacht des Siebenjährigen Krieges ausgefochten wurde, die Verbandsgrößen traditio1 Am deutlichsten zeigte sich dies sicherlich bei Rossbach und Leuthen, wo das offensive orgehen der preußischen Armee die Schwächung der gegnerischen Streitkräfte in eine handfeste V Niederlage verwandelte. Vgl. IV. Teil 7.8.: Die Schlacht bei Rossbach und ihre unmittelbaren F olgen und IV. Teil 8.8.: Rekapitulation der Operationen während des schlesischen Winterfeldzuges. 2 Das Zitat stammt vom Chef der Nachschubdienste des Heeres der Vereinigten Staaten von Amerika im Zweiten Weltkrieg, General Brehon B. Somervell. Vgl. http: / / www.almc.army.mil / alog / issues / NovDec03 / Logistics_of_Invasion.htm (letzter Zugriff am 15.05.2017).
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V. Teil: Das Feldzugsjahr im Rückblick
nell völlig unterschätzt3. Gerade diese Schlacht kann als klares Beispiel dafür dienen, dass beide Seiten versuchten den Sieg durch ein möglichst großes Aufgebot an Soldaten zu erzwingen, was unspektakulär wäre, wenn tendenziell nicht das glatte Gegenteil behauptet worden wäre. Die numerische Überlegenheit der Preußen entschied bei Prag trotz der hohen Verluste in der Anfangsphase in Kombination mit dem Einsatz der Kavallerie das Gefecht, wobei Letztere auf dem südlichen Kampfplatz den Erfolg davontrug, weil die Pferde ihrer Kontrahenten sich aufgrund von mangelhaftem Futter oder unzureichenden Einquartierungsbedingungen in den Winterquartieren in schlechterem Zustand befanden4. Bei Kolin war es ebenfalls die zahlenmäßige Überlegenheit der Österreicher, die sich eigentlich schon vor der Schlacht abzeichnete und in der Schlacht selbst in Kombination mit dem Gelände- bzw. Stellungsvorteil den Ausschlag zu Gunsten der Streitkräfte der Habsburger gab5. Bei Rossbach wirkte sich die unzureichende Truppenverpflegung und die allgemein schlechte Versorgungslage der verbündeten Armeen verheerend gegenüber den Preußen aus, deren Kavallerie und Artillerie sich beweglicher präsentierten und im nahezu optimalen Zusammenspiel ein sehr schnelles Auseinanderbrechen der gegnerischen Schlachtformationen herbeiführten, was dann das Zufügen weiterer personeller Verluste auf gegnerischer Seite im Rahmen der Verfolgung ermöglichte6. Bei Breslau triumphierten die Österreicher über die Preußen, weil sie nach der Verstärkung durch Nadasdys Korps zahlenmäßig deutlich überlegen waren und es ihnen gelang, Teile ihrer schweren Belagerungsartillerie von Schweidnitz heranzuführen, mit denen sie die Geschütze der Preußen in den Verschanzungen ausschalteten und somit den Angriff überhaupt erst ermöglichten7. Vor dem Hintergrund der sich verschlechternden Verfassung der Österreicher durch die witterungsbedingten Krankenstände und Nachschubdefizite in Kombination mit einer überhöhten politischen Erwartungshaltung seitens Maria Theresias trugen dann bei Leuthen auch die bessere Munitionsausstattung der Infanterie, die größere Anzahl an schweren Geschützen und die ausgewechselten Pferde der stärkeren Kavallerieeinheiten zum Sieg der Preußen bei8. V.1.3. Die Bedeutung der Logistik und Taktik für die Effizienz der Infanterie Anhand der Schlachten von Prag, Kolin oder Leuthen zeigte sich auch, dass der Erfolg im Gefecht sehr stark davon abhängig war, in welchem Umfang die personellen oder materiellen Verstärkungen, d. h. einsatzbereite Truppen oder Munition, ausblieben 3 Vgl.
IV. Teil 3.3.: Der Vormarsch nach und die Schlacht bei Prag. III. Teil 1.: Die logistisch relevanten Ressourcen in Schlesien, Sachsen, Böhmen und Mähren und IV. Teil 4.2.: Die Operationen des Herzogs von Bevern gegen die Armee des Feldmarschalls Daun. 5 Vgl. IV. Teil 4.6.: Rekapitulation des Feldzugsverlaufs und der Schlacht bei Kolin. 6 Vgl. IV. Teil 7.8.: Die Schlacht bei Rossbach und ihre unmittelbaren Folgen. 7 Vgl. IV. Teil 8.4.: Die Schlacht bei Breslau und der Rückzug des preußischen Korps. 8 Vgl. IV. Teil 8.5.: Die Schlacht bei Leuthen und 8.8.: Rekapitulation der Operationen während des schlesischen Winterfeldzuges. 4 Vgl.
V.1. Der Einfluss der Logistik auf die Gefechte615
oder eintrafen9. Gerade im Hinblick auf Letzteres bestätigte sich, dass die Österreicher im Gegensatz zu den Preußen oftmals unter Versorgungsproblemen litten, die vermutlich auf die unterschiedliche Wagenausstattung auf Regimentsebene zurückzuführen war10. Es war ein deutlicher Beleg dafür, dass man das taktische System der Zeit sehr viel stärker durch eine Überlegenheit in logistischer Hinsicht beeinflussen konnte als durch taktische Finessen, die in begrenztem Ausmaß optimierbar waren11. In der Regel beherrschten die Preußen diese auch besser als ihre Kontrahenten, da sie wie bei Rossbach aus kürzester Distanz auf ihre Gegner feuerten und infolge des niedrigen Anschlagens eine bessere Trefferausbeute gegenüber den verschanzten Truppen bei Leuthen erzielten12. Möglicherweise spielte aber auch dort schon in der ersten Phase der Schlacht nicht nur der von Rebain erwähnte Umstand der größeren Durschlagskraft der preußischen Munition eine wesentliche Rolle, sondern auch ihre größere Reichweite, die sowohl dort wie auch später in der Schlacht bei Liegnitz auffiel13. Trotzdem spielte die taktische Feinabstimmung bei der Infanterie im Vergleich mit den anderen Waffengattungen noch die größte Rolle. Die österreichische Infanterie erwies sich den Preußen bei Prag und Kolin in der Verteidigung aber durchaus als ebenbürtig, wo sie durch ihre Ausdauer und akkurates Anschlagen ebenfalls einen effizienten Feuerkampf führte14. Dennoch kamen die Preußen dem taktischen Optimum in der Kombination von Musketenfeuer und Bajonetteinsatz noch am nächsten, indem sie erst aus einer Distanz von 15 Metern eine niedrige bis mittelhohe Salve auf den Gegner abfeuerten und diesen dann mit dem Bajonett attackierten15. In gewisser Weise fungierte die bajonettbewährte Muskete damit wie eine besonders lange Lanze oder Pike, mit der man immer wieder zustach. Das Beispiel der Schlacht von Großjägersdorf Ende August 1757 in Ostpreußen deutet darauf hin, dass sich die Preußen hierbei äußerst geschickt verhielten, weil sich die Soldaten während des Gefechts vor- und zurückbewegten16, wahrscheinlich um selbst in eine effektive Schussreichweite zu gelangen und sich umge9 Vgl. IV. Teil 3.3.: Der Vormarsch nach und die Schlacht bei Prag, 4.5.: Die Schlacht bei Kolin und 8.5.: Die Schlacht bei Leuthen. 10 Vgl. II. Teil 8.: Das Transportwesen- die Kapazitäten und Verwendung von Wagen und Schiffen sowie Zwischenfazit. 11 Vgl. I. Teil 3.: Die Bedeutung der Taktik und der Logistik für die Kriegsführung in der Sicht der Zeitgenossen. 12 Vgl. IV. Teil 7.8.: Die Schlacht bei Rossbach und ihre unmittelbaren Folgen und 8.5.: Die Schlacht bei Leuthen. Der Umstand, dass sich das Feuer aus kurzer Distanz als besonders effektiv erwies, bestätigten auch die jüngsten Forschungen zur Taktik der britischen Infanterie in der Mitte des 18. Jahrhunderts, die entsprechende Salven aus 10 bis 40 Yards abgab. Vgl. Brumwell, Stephen, Redcoats, Seite 249. 13 Siehe Barsewisch, C. F. R., Meine Kriegserlebnisse während des Siebenjährigen Krieges: 1757–1763, Seite 117. 14 Vgl. IV. Teil 3.3.: Der Vormarsch nach und die Schlacht bei Prag und 4.5.: Die Schlacht bei Kolin. 15 Vgl. IV. Teil 7.8.: Die Schlacht bei Rossbach und ihre unmittelbaren Folgen. 16 Siehe Bolotow, Andrej, Leben und Abenteuer des Andrej Bolotow von ihm selbst für seine Nachkommen aufgeschrieben. Erster Bd.: 1738–1762, Seite 238.
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V. Teil: Das Feldzugsjahr im Rückblick
kehrt der Wirkung der gegnerischen Waffen in der Todeszone 30 bis 15 Meter vor den feindlichen Linien zu entziehen17. Für die Realisierung eines so komplizierten Verfahrens dürfte schon innerhalb eines Bataillons auf der Ebene der Kompanien und Züge ein hohes Maß an Kontrolle erforderlich gewesen sein. Gewährleistet wurde dies offenbar, indem die Unteroffiziere mit ihren Spontons und Piken eine Barriere unter dem letzten Glied der Linie bildeten und die Soldaten auf diese Weise einigermaßen gerade vorwärtsschoben und ebenso geordnet wieder zurückweichen ließen18. Obwohl die Salven der preußischen Soldaten in der Praxis sehr tief gerichtet waren, schätzten Zeitgenossen wie der österreichische Veteran Cogniazzo diese Anschlagsart dennoch als relativ effektiv ein. Der Tiefschuss war in der Regel nämlich selbst dann noch nützlich, wenn er zu niedrig einschlug, weil er den Infanteristen oft an den Beinen verwundete19. Vor dem Hintergrund der schlechten damaligen Wundversorgung konnte auch dies den Infanteristen mittel- oder langfristig außer Gefecht setzen. Die größten taktischen Vorteile erwuchsen den Preußen aber aus der höheren Reichweite und der größeren Präzision der Waffen ihrer Jägereinheiten. „[…] Es fügen die Preußischen Jäger sowohl in Bataillen als sonstigen Actionen mit ihrem scharf, und weit tragenden Gewöhr, oder gezohenen Röhren, mittels welchen sie von einer ungemein weiten Distanz schüssen unseren Officiers um so grösseren Schaden zu, als sie auf alles, was zu Pferd sizet schüssen, folgt andurch wann sie vornehme Officiers erschüssen, oder blessieren Verwirrung unter der Trouppen verursachen […]“20.
Dabei war es offenbar nicht ein technisches, sondern eher ein organisatorisches Defizit der Österreicher, das dazu beitrug, dass es ihnen nicht gelang, ihr eigenes Potential an Jägertruppen in Böhmen in ausreichendem Umfang zu aktivieren21. V.1.4. Die Bedeutung der Logistik für die Überlegenheit der Kavallerie Erstaunlicherweise erwies sich die preußische Armee ihren Kontrahenten bei allen großen Gefechten des Kriegsjahres 1757 in kavalleristischer Hinsicht als überlegen. Am deutlichsten trat dies im Zusammenhang mit den Schlachten von Rossbach und Leuthen zu Tage22, wo sich die preußische Kavallerie durchweg besser verpflegt und numerisch 17 Ein Deserteur der russischen Armee Johann Pfau aus dem liefländischen Reval bzw. estländischem Tallinn, berichtete 1758 nach seinem Übertritt in die preußische Armee, dass 2 russische Grenadierregimenter in dieser Schlacht stark unter dem Feuer der Preußen gelitten hatten. Siehe GStAPK, I.HA. Rep. 96, Nr. 89 U1 Generalmajor und -lieutenant Platen, Dubislav Friedrich von, 1758–1760, Blatt 20 Vorderseite. 18 Siehe OestKA, AFA, Nr. 669 CA: Kampagne gegen Preußen 1758, Faszikel III / 1b. 19 Siehe Cogniazzo, Freymüthiger Beytrag zur Geschichte des österreichischen Militärdienstes veranlaßt durch die Schrift über den ersten Feldzug des vierten preußischen Krieges, Seite 35. 20 OestKA, AFA, Nr. 603: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 VI (366–Ende), Faszikel 457 b. 21 Vgl. IV. Teil 5.2.: Der Rückzug der Armee unter dem Kommando des Prinzen August Wilhelm. 22 Vgl. IV. Teil 7.8.: Die Schlacht bei Rossbach und ihre unmittelbaren Folgen und 8.5.: Die Schlacht bei Leuthen.
V.1. Der Einfluss der Logistik auf die Gefechte617
überlegen präsentierte. Allerdings waren auch Prag und Breslau Belege dafür23, dass die Kampfkraft der Kavallerie vor allem von der Einsatzfähigkeit ihrer Pferde abhing, ohne die diese Waffengattung komplett ausfiel. Zwar verfügten die Preußen in Form ihrer längeren Pallasche auch über minimale Ausrüstungsvorteile, doch in der Regel war wohl ausschlaggebend, ob es gelang, die Reiter und Pferde in möglichst großer Zahl sowie ausreichend verpflegt und ausgerüstet auf das Schlachtfeld zu führen. Dies scheint den Preußen selbst bei Kolin, wo sie so ungeheuer hohe Infanterieverluste erlitten, noch einigermaßen gelungen zu sein, zumal ihre Kavallerie das Schlachtfeld im Rahmen des Rückzuges lange behauptete und auch deutlich geringere Verluste als die österreichischen Kontrahenten zu verzeichnen hatte24. V.1.5. Die Überlegenheit der schweren Artillerie im Gefecht und die Bedeutung der Logistik Entgegen der herkömmlichen Auffassung erwies sich die Überlegenheit der Preußen im Bereich der Artillerie als ebenso frappierend wie bei der Kavallerie. Das klarste Beispiel auf dem Schlachtfeld lieferte sicherlich der Einsatz der Geschütze unter Oberst Moller bei Rossbach, da die preußische Armee sie sogar während des Gefechts verlegen und somit auch effektiver einsetzen konnte25. Allerdings zeigten sich die Preußen auch bei Prag, Kolin und Leuthen quantitativ kaum unterlegen, während sie in Gestalt der schweren Artillerie immer im Vorteil waren. Umgekehrt verliefen jene Operationen, bei denen sich die Österreicher den Preußen an schwerer Artillerie als überlegen erwiesen26, klar zu ihren Gunsten und bezeugten den entscheidenden Einfluss dieser Waffen, egal für welche Seite. Zu erklären ist dies wohl in erster Linie mit der Reichweite und Durchschlagskraft dieser Kaliber auch gegenüber starken Mauern und Feldbefestigungen. Insofern dürfte es ein gravierender Nachteil gewesen sein, dass die Österreicher in diesem Segment materiell so unterlegen waren27. Ihre Stärke bestand aber darin, dass sie durch ihr Artilleristenkorps in der Regel über ausreichendes Personal zur Bedienung verfügten28, was bei den Preußen im Rahmen der Belagerungen von Schweidnitz und Breslau ein Problem darstellte. In jedem Fall waren die schweren Geschütze das beste Beispiel dafür, wie sich eine taktische Anforderung, nämlich ihre Bereitstellung mit zugehöriger Munition am Einsatzort, unmittelbar in ein logistisches Problem übersetzte, d. h. die Aufbringung einer ausreichenden Zahl an Transportmitteln sowie ihrer Eigenversorgung.
23 Vgl. IV. Teil 3.3.: Der Vormarsch nach und die Schlacht bei Prag und IV. Teil 8.4.: Die Schlacht bei Breslau und der Rückzug des preußischen Korps. 24 Vgl. IV. Teil 4.5.: Die Schlacht bei Kolin. 25 Vgl. IV. Teil 7.8.: Die Schlacht bei Rossbach und ihre unmittelbaren Folgen. 26 Vgl. IV. Teil 8.4.: Die Schlacht bei Breslau und der Rückzug des preußischen Korps. 27 Vgl. II. Teil 7.: Die weiteren Versorgungsgüter – Waffen, Munition und Bekleidung und III. Teil 1.: Die logistisch relevanten Ressourcen in Schlesien, Sachsen, Böhmen und Mähren. 28 Vgl. Duffy, Sieben Jahre Krieg – Die Armee Maria Theresias 1756–1763, Seite 315.
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V. Teil: Das Feldzugsjahr im Rückblick
V.1.6. Der Transport und Einsatz der schweren Artillerie während der Belagerungen Besonders deutlich zeigte sich dieser Zusammenhang anhand der Belagerungen des Jahres 1757, denn gerade für die Heranführung der schweren Geschütze, der zugehörigen Munition und der Utensilien benötigte man immer große Mengen an Wagen und Zugtieren, die selbst auch versorgt werden mussten. Obwohl die Preußen sogar über den Vorteil verfügten, die schweren Belagerungsgeschütze bis nach Leitmeritz per Schiff transportieren zu können, war man für den letzten Teil des Weges nach Prag auf den Transport über Land angewiesen. Dies führte in Kombination mit dem vorerst unzureichenden Potential an Zugtieren zu erheblichen Verzögerungen, sodass der Großteil der Artillerie erst 2 ½ Wochen nach dem Einschluss der Stadt eintraf29. Die Österreicher benötigten sogar fast 2 Monate für die Zusammenstellung und die Verlegung ihres Belagerungsparks nach Schweidnitz. Auch hier zeigte sich, welch ungeheure Menge an Zugtieren erforderlich war, um die schweren Geschütze sowie die zugehörige Munition he ranzuführen und wie günstig sich die Magazinbestände in der Nähe der Transportroute auf deren Verpflegung auswirkten30. Deutlich wurde aber auch, wie sehr Geländehindernisse wie das Grenzgebirge zwischen Schlesien und Böhmen das Vorankommen zusätzlich erschwerten. Bei der Rückeroberung von Breslau gelang es den Preußen zwar nur, eine recht begrenzte Menge an schweren Geschützen und Mörsern in Stellung zu bringen. Sie konnten diesen Nachteil aber durch eine äußerst effektive Konzentration ihrer artilleristischen Ressourcen ausgleichen, sodass die verursachten Schäden in Kombination mit anderen Faktoren wie Frostwetter und der mangelhaften Verpflegung seitens der feindlichen Garnison den Fall der befestigten Stadt bewirkten31. V.1.7. Der Abtransport und die Wiedereinsetzung der Kranken- und Verwundeten / personeller Ersatz Die Fähigkeit zum Abtransport der Verwundeten und Kranken stellte eine besondere Stärke der preußischen Armee dar, was damit zusammenhing, dass sie im Gegensatz zu den Österreichern über größere Reserven im Bereich der Transportmittel verfügte. Damit war es ihnen möglich, die großen Soldatenmengen besser umzuverteilen und diese kleineren Kontingente dann an mehreren Standorten besser zu versorgen. Hinzu kam, dass sich die Wege zu den eigenen Lazarettstandorten verkürzten, weil sich die Preußen im Rahmen ihres Rückzugs wieder ihren Hauptstützpunkten näherten, wo sich diese befanden32. Beide Faktoren, sprich Verlegung der Soldaten per Schiff bei sich verkürzenden Wegen, ermöglichten dann offenbar auch eine schnellere Wiedereinsetzung der genesenen Soldaten. Am eklatantesten zeigte sich dieser Vorteil während des Marsches 29 Vgl.
IV. Teil 4.3.: Die Vorgänge während der Prager Belagerung. IV. Teil 7.1.: Das Einrücken der Preußen und Österreicher nach Mittelschlesien. 31 Vgl. IV. Teil 8.7.: Die Belagerung und Rückeroberung Breslaus und das Ende des Feldzuges. 32 Vgl. IV. Teil 5.3.: Der Rückzug der Armee unter dem Kommando König Friedrichs. 30 Vgl.
V.2. Das Versorgungssystem im operativen Kontext619
des königlichen Korps nach Schlesien, als knapp 3.500 preußische Soldaten wiedereingesetzt wurden33, während auf Seiten der Österreicher im November 16.000 bis 20.000 Mann krankheitsbedingt ausfielen34. V.1.8. Die Bedeutung der Desertion, Kranken, Verwundeten und Kommandierten Ein weiterer Faktor, der sich auf die Stärkeentwicklung der Streitkräfte auswirkte, war die Desertion, deren Einfluss quantitativ gesehen aber deutlich geringer ausfiel als der Verlust durch Kranke, Verwundete oder Kommandierte. Am stärksten waren die desertionsbedingten Ausfälle noch unter den sächsischen Einheiten, als zu Beginn des Feldzuges 3 Bataillone in Scharen nach Polen desertierten. Auch entfiel in Böhmen der Großteil der Deserteure auf die Sachsen35. Allerdings erwies sich das Regiment Hauss in Leipzig im späteren Verlauf des Feldzugs als wesentlich verlässlicher36. Die meisten Ausfälle traten auf preußischer Seite offenbar während der Versorgungsengpässe beim Rückzug aus Böhmen und im Rahmen der scheinbar aussichtslosen Lage nach der Schlacht von Breslau auf37, was darauf hindeutet, dass die Bereitschaft zur Desertion sowohl von der Verpflegungssituation als auch von der operativen Lage abhängig war. Bisweilen spielten auch wetterbedingte Strapazen wie beim Marsch der Preußen nach Westsachsen und Thüringen eine erhebliche Rolle38. Insgesamt trug die Logistik bei allen Waffengattungen dazu bei, eine möglichst große Anzahl an Soldaten, Pferden und sonstigem Material in einsatzbereitem Zustand für die Gefechte bereitzustellen. Dies reichte in der Regel schon aus, um den Sieg zu erringen.
V.2. Das Versorgungssystem im operativen Kontext V.2.1. Die Verpflegung der Soldaten und die Größe der Truppenkörper als Grundproblem Die Truppenverpflegung stellte sich im Allgemeinen recht unproblematisch dar. Gerade zu Beginn des Kriegsjahres 1757 zeigte sich sehr klar, dass die Lebensmittel der Soldaten unter günstigen logistischen Bedingungen, d. h. wenn sie in der Nähe der Flüsse 33 Vgl.
IV. Teil 8.3.: Der Marsch nach Schlesien. OestKA, AFA, Nr. 614: Siebenjähriger Krieg, Hauptarmee 1757 XII (1–227), Faszi-
34 Siehe
kel 142. 35 Vgl. IV. Teil 1.4.: Die Verteilung der Verbände vor dem Beginn der Operationen Ende März / Mitte April. 36 Vgl. IV. Teil 7.2.: Die Lage im Westen und der Marsch der preußischen Armee nach Thüringen. 37 Vgl. IV. Teil 8.7.: Die Belagerung und Rückeroberung Breslaus und das Ende des Feldzuges. 38 Vgl. IV. Teil 7.2.: Die Lage im Westen und der Marsch der preußischen Armee nach Thüringen.
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V. Teil: Das Feldzugsjahr im Rückblick
oder der großen Operationsbasen versorgt wurden, sich bei Weitem nicht nur auf Brot beschränkten, sondern ein reichhaltiges Sortiment umfassten1. Bei der Herstellung des Brotes griffen die Preußen stärker auf ihre mobilen Öfen zurück, in deren Besitz die Österreicher anscheinend erst im Rahmen des Rückzuges der Preußen aus Böhmen in Form von Beutestücken gelangten. Obwohl sich im Detail zeigte, dass es bisweilen auch nicht einfach war, die erforderlichen Ziegelsteine hierfür aufzutreiben, hielt sich dieses Problem meistens in Grenzen. Abgesehen davon nutzen beide Seiten in intensiver Weise die lokalen Ressourcen zur Brotherstellung, die vor allem in der Nähe der großen Städte völlig unproblematisch war, zumal dort auch genügend Personal zur Verfügung stand, um die erforderlichen Verpflegungsgüter dauerhaft in ausreichendem Umfang herzustellen2. Die zivilen Hilfskräfte scheinen sich auch im Bereich der Fleischversorgung positiv bemerkbar gemacht haben, zumal die Beschaffung der Schlachttiere meistens auf der Grundlage der regionalen und lokalen Ressourcen erfolgte3, auch wenn den Streitkräften bisweilen ganze Tierherden hinterhergetrieben wurden4. Die Verpflegung der großen Truppenmengen wurde meist dann schwierig, wenn sie ihren Nachschub zum Teil aus entlegenen Magazinen beziehen mussten wie die Preußen bei Prag oder die Österreicher bei Breslau5. Aus österreichischer Sicht war die ausreichende Versorgung großer Truppenmassen einer der trügerischsten Aspekte überhaupt, denn es zeigte sich, dass den Verbänden, die versuchten die Preußen durch ihre numerische Überlegenheit zu überwältigen, ihr gesteigerter Bedarf bei unzureichender Versorgung immer mehr zum Verhängnis wurde und sie sich immer schneller selbst zersetzten. Zum Teil hatten sie das Problem schon selbst erkannt6 und gingen dazu über, die Größe ihrer Armeen im weiteren Verlauf des Krieges zu reduzieren. Nie wieder führten sie so eine massive Truppenkonzentration ins Feld wie im Jahr 1757. In den späteren Kriegsjahren waren die Hauptarmeen nicht nur kleiner, auch die anderen Streitkräfte verteilten sich mehr, was absolut sinnvoll und richtig war. Wie die folgende Tabelle belegt, blieb die Differenz zwischen dem effektiven und dienstbaren Stand bei den Streitkräften der Habsburger aber gerade bei zunehmender Entfernung von den eigenen Magazinen während des gesamten Krieges groß.
1 Vgl.
IV. Teil 2.2.: Das Korps unter König Friedrich bei Dresden. IV. Teil 7.1.: Das Einrücken der Preußen und Österreicher nach Mittelschlesien und 7.2.: Die Lage im Westen und der Marsch der preußischen Armee nach Thüringen. 3 Vgl. IV. Teil 6.2.: Die Organisation der Truppenverpflegung bei Bautzen und die ersten Fouragierungen. 4 Vgl. IV. Teil 7.1.: Das Einrücken der Preußen und Österreicher nach Mittelschlesien. 5 Vgl. IV. Teil 4.3.: Die Vorgänge während der Prager Belagerung und 8.1.: Die Entwicklungen in Mittelschlesien bis zum Fall der Festung Schweidnitz. 6 Siehe OestKA, AFA, 634 CA: Kampagne gegen Preußen, Faszikel 13 / 13. 2 Vgl.
V.2. Das Versorgungssystem im operativen Kontext621 Tabelle 91 Truppenstärken der österreichischen Armeen im weiteren Verlauf des Siebenjährigen Krieges7 Jahr, Monat, Truppe und Provinz
Effektiver Stand Mann
Pferd
Locostand Mann
Pferd
Dienstbarer Stand Mann
Pferd
1757 im Febr. unter Commando des Grafen Daun, in Böhmen nebst dem Corps von Serbelloni
124.702 27.555 122.255 26.395 112.258
23.027
1757 im Monat September, Haupt armee unter dem Commando des Prinzen Carl von Lothringen
166.318 36.982 126.952 26.305 114.131
23.027
1759 im Febr. unter Commando des F. z. M. Harsch, in Böhmen
132.859 30.850 117.653 27.236 102.113
23.806
1760 im Jänner unter Commando des F. M. Grafen von Daun, bey Dresden
113.709 28.899
20.568 69.358
13.483
1761 Monat May, in Sachsen bey Friedrichstadt unter Commando des F. M. Grafen von Daun
72.934 18.290 62.780 15.333 55.925
13.747
1761 Monat May, F. ZM. Laudon, Hauptmannsdorf in Schlesien
99.663 24.300 83.431 22.631 74.461
18.882
1762 im Monat April bey Dresden, die Armee in Sachsen
77.925 20.640 69.634 18.660 62.242
16.519
77.958
Allerdings deuteten schon die Operationen der preußischen Truppen in Nordwestsachsen und Thüringen im Herbst 1757darauf hin, dass nicht nur die Reduzierung der Größe per se die Lösung des Bedarfsproblems darstellte, denn um einen Verband ausschließlich aus lokalen Ressourcen zu versorgen, durfte dieser eine Größe von 5.000 bis 6.000 Mann kaum überschreiten. Für die Armeen stellte mittel- und längerfristig eher eine geschickte Verteilung der Truppen auf mehrere mittelgroße Städte und die damit einhergehende Lastenumlagerung ein Mittel zur Bewältigung der Versorgungsprobleme dar8. Die Verpflegung kleinerer Korps von 20.000 bis 30.000 war in der Regel nämlich sehr viel un7 Zu sämtlichen Angaben in dieser Tabelle siehe OestKA, Zentralst., Militärhofkommission Nostitz-Rieneck, Kt. 16, Nr. 17: Ausweiß des effectiven, completten, Loco- und dienstbahren Standes der kaiserl. Königl. Armeen, in nachstehenden Jahre und Monat. Der komplette Stand ist nicht berücksichtigt, weil es wie schon erwähnt in der Regel eine völlig theoretische Größe darstellte. Von den Jahren 1756 bis 1760 sind alle Daten wiedergegeben, auch wenn das Jahr 1758 im Original ganz fehlte. Für die Jahre 1761 / 1762 ist eine Auswahl der vermutlich interessantesten Werte getroffen. 8 IV. Teil 7.9.: Rekapitulation der Operationen im Herbst des Jahres 1757.
622
V. Teil: Das Feldzugsjahr im Rückblick
problematischer, wenn nicht gerade schnelle Märsche wie nach Westsachsen oder Schlesien zu absolvieren waren, was aber auch durch die Vorbereitung von Brotvorräten mittels der Backkapazitäten in den größeren Städten und die konsequente Nutzung des Nachschubapparates zu bewältigen war9. V.2.2. Die Bedeutung der Pferdeverpflegung, Pferdebewirtschaftung und des Pferdeersatzes Die Verpflegung der Pferde war während des gesamten Kriegsjahres das größte logistische Problem, weil nicht nur die Reittiere der kämpfenden Einheiten, sondern auch die enorme Menge an Zugtieren im Nachschubapparat versorgt werden mussten. Die Österreicher hatten hierbei schon zu Beginn des Feldzuges mit recht großen Problemen zu kämpfen, weil ihre Pferde unzureichend verpflegt aus den Winterquartieren kamen10, was dazu führte, dass sie während der Schlacht bei Prag nur bedingt einsatzfähig waren, sodass ihre Niederlage vor allem auf die Schwäche der Kavallerie zurückzuführen war11. In der Folge verbesserte sich dann die Verpflegungslage für beide Seiten, weil die Futterbeschaffung durch die zusätzliche Nutzung des Grases im Frühjahr und im Frühsommer der Tendenz nach deutlich einfacher wurde. Allerdings war diese wegen der Umgewöhnungsphase der Pferde nicht gänzlich unproblematisch, sodass manche Einheiten vermutlich ganz auf die Umstellung verzichteten, wenn ausreichende Magazinbestände genug Trockenfutter enthielten. Vor allem die Österreicher bezogen den Großteil ihrer Pferdeverpflegung aus den Magazinen und machten sich wenig Gedanken darüber, wie man mittel- und langfristig eine Entlastung durch die Nutzung der lokalen Ressourcen schaffen konnte. Dabei ließ sich gerade hiermit die generelle Aufbringung und der Ersatz des Raufutters relativ effektiv organisieren. Gerade am Beispiel der Fouragierungen in der Oberlausitz zeigte sich, wie wertvoll die intensive Ausnutzung der landwirtschaftlichen Ressourcen einer Region für die Verpflegung einer materiell geschwächten, aber großen Armee sein konnte. Die stockenden Operationen der Österreicher und ihr enormer Bedarf an Transportmitteln im Hochsommer belegten dagegen, wie problematisch sich die Versorgungslage entwickelte, wenn eine Region wie bei Zittau aufgrund der vorangegangenen Nutzung durch eine andere Armee hierzu kaum einen Beitrag zu leisten vermochte und sich die Versorgungswege im Rahmen der Offensivoperationen zu sehr ausdehnten. Zu diesen operativ bedingten Problemen kam, dass die Österreicher ihre Reitpferde oftmals zu schwer mit Hartfutter beluden, wodurch diese dann ausfielen. Diese Schwierigkeiten wurden noch weiter forciert, denn „[…] diese Pferde bleiben oft lange Zeit bevor sie an die Regimenter abgegeben werden, unter der schlechten Obsorg derer Pferdknechten, und müssen als Sattel und Zeugfertig seind der 9 Vgl. IV. Teil 7.2.: Die Lage im Westen und der Marsch der preußischen Armee nach Thüringen und 8.3.: Der Marsch nach Schlesien. 10 Vgl. IV. Teil 4.2.: Die Operationen des Herzogs von Bevern gegen die Armee des Feldmarschalls Daun. 11 Vgl. IV. Teil 3.3.: Der Vormarsch nach und die Schlacht bei Prag.
V.2. Das Versorgungssystem im operativen Kontext623 Armée nachgeführet werden, dahero wann solche zu den Regmentern kommen, sie nicht mehr im Stande sind, eine stärckere Fatigue auszustehen, weilen denen selben um sich zu erholen zwischen der Zeit der Abgebung an die Regimenter und der Anfang der Dienstleistung kein Zwischenraum gelassen wird. […] Ingleich wird für die erkrankten Pferde die behörige Obsorge nicht getragen, massen selben so bald Mann einen Schwachheit an ihnen verspühret, nicht auf die Seite in eine gute Warttung verschafft, sondern denen Regmtern nachgeführet werden, wo sie dann immer schwächer werden, und endlich gar drauf gehen“12.
Die Preußen bewirtschafteten ihr Pferdepotential offenbar nicht nur besser, sondern waren auch in ihren Ansprüchen moderater, indem sie marode Pferde wie bei Magdeburg oder Breslau zügig austauschten, auch wenn dies zur Folge hatte, dass man auch Bauernpferde für die Kavallerie nutzte13. Im Rahmen ihrer Defensivoperationen in Schlesien rückten sie auch weiter in die Nähe der Ersatzrouten für Pferde der leichten Kavallerie, während sich die Österreicher weiter von Ungarn entfernten, was für die Pferde wegen der langen Transportwege und der schlechten Unterbringungsmöglichkeiten in Böhmen sehr problematisch war14. V.2.3. Die Magazine und Bedeutung ihrer Bestände Die Magazinbestände waren in der Praxis ungleich bedeutender als in der Theorie, was vor allem mit dem hohen Bedarf an Pferdefutter zusammenhing, der traditionell völlig ignoriert wurde15. Gerade wegen der großen Futtermengen waren beide Seiten häufig auf die zusätzliche Nutzung geistlicher Gebäude wie Kirchen und Klöster angewiesen16, die man wahrscheinlich wegen ihrer massiven und geräumigen Bauweise auswählte. Schon zu Beginn des Jahres organisierten die Kriegsparteien für die Pferde oder sonstige Zugtiere umfangreiche Bestände in Sachsen, Schlesien und Böhmen. Dabei leisteten auf preußischer Seite der Geheime Rat Schimmelmann in Sachsen und Minister von Schlabrendorff in Schlesien sowie der Repräsentationspräsident von Böhmen von Nettolitzky bei den Österreichern ihren jeweiligen Streitkräften unschätzbare Dienste17. Die Magazine spielten auch für den Rest des Jahres 1757, d. h. sowohl während des Feldzugs in Böhmen als auch bei den sich dann anschließenden Operationen in Sachsen und Schlesien, eine große Rolle, zumal die Österreicher diese noch stärker nutzten als die Preußen, die auch bedingt durch die operative Situation eher auf Zulieferungen und Fouragierungen in den besetzten Gebieten zurückgriffen. Auch wenn diese wie im 12 OestKA,
AFA, 634 CA: Kampagne gegen Preußen, Faszikel 13 / 13. IV. Teil 7.5.: Die Lage in den Fürstentümern Magdeburg und Halberstadt. 14 Vgl. IV. Teil 8.1.: Die Entwicklungen in Mittelschlesien bis zum Fall der Festung Schweidnitz. 15 Vgl. IV. Teil 2.5.: Die Verpflegungsbevorratung und die Transportmittelbeschaffung der Österreicher. 16 Vgl. IV. Teil 5.2.: Der Rückzug der Armee unter dem Kommando des Prinzen August Wilhelm und 6.5.: Die operativ-logistische Entwicklung in Schlesien und Mittelsachsen. 17 Vgl. IV. Teil 2.2.: Das Korps unter König Friedrich bei Dresden, 2.4.: Das Korps der schlesischen Truppen unter Feldmarschall Schwerin und 2.5.: Die Verpflegungsbevorratung und die Transportmittelbeschaffung der Österreicher. 13 Vgl.
624
V. Teil: Das Feldzugsjahr im Rückblick
Juli / August stark zunahmen, blieb die Bedeutung der Magazine auch für die Versorgung des Nachschubapparates groß, denn wenn umfangreiche Lebensmittelreserven in der Nähe vorhanden waren, verschaffte dies selbst großen Truppenkonzentrationen mit ihrem enormen Bedarf einen gewissen operativen Spielraum, den die Befehlshaber nutzen konnten, um den Verlauf des Krieges schrittweise zu ändern. Geschuldet war dies dem Umstand, dass die Unmengen an Transportmitteln für die Zusammenführung oder Verlegung der Nähr- und Futtermittel sowie alle damit einhergehenden Komplikationen für eine gewisse Zeit entfielen. V.2.4. Die Magazineroberungen als folgenreichste logistisch-operative Weichenstellungen Dies erklärt auch, warum die Magazineroberungen eine so wichtige Rolle im Operationsverlauf spielten, denn sie waren neben den Schlachten und Belagerungen eine der wichtigsten Gelegenheiten, um dem Gegner in größerem Umfang materielle Verluste zuzufügen, die langfristig den Feldzugs- und Kriegsverlauf entscheiden konnten. Vor allem die Eroberung der Magazine von Jungbunzlau und Zittau beeinflusste den Ablauf der Operationen im Jahr 1757 so nachhaltig wie kaum eine Schlacht oder Belagerung. Die erste Eroberung ermöglichte den umfassenden Einmarsch der Preußen nach Böhmen18, während die zweite Einnahme den Österreichern den Rückzug nach Böhmen ersparte und das Eindringen parallel zu den Truppen des Herzogs von Bevern nach Niederschlesien erleichterte19. Die Eroberung der Schweidnitzer Magazinbestände half den Österreichern dagegen nur bedingt, denn obwohl viele Geschütze und große Munitionsmengen in ihre Hände fielen, hielt sich der Fouragegewinn in Grenzen20. Am kuriosesten war sicherlich, dass die Eroberung bzw. die Rückeroberung der Magazinbestände in Breslau einen so geringen Einfluss ausübten, weil sie den Österreichern nach der Niederlage zu schnell wieder verlorengingen, obwohl die Naturalien die Versorgung der Hauptarmee über mehrere Wochen ermöglicht hätten21. Für die Preußen stellte der Rückgewinn grundsätzlich eine wertvolle Beute dar, aber er kam zu spät, weil man sie nicht vor Ende Dezember beschlagnahmte, als die Operationen schon witterungsbedingt zum Erliegen kamen22.
18 Vgl. 19 Vgl.
IV. Teil 3.3.: Der Vormarsch nach und die Schlacht bei Prag. IV. Teil 6.6.: Die Planungen der Österreicher und ihre Versorgungssituation gegen Ende
August. 20 Vgl. IV. Teil 8.1.: Die Entwicklungen in Mittelschlesien bis zum Fall der Festung Schweidnitz. 21 Vgl. IV. Teil 8.4.: Die Schlacht bei Breslau und der Rückzug des preußischen Korps. 22 Vgl. IV. Teil 8.7.: Die Belagerung und Rückeroberung Breslaus und das Ende des Feld zuges.
Brot
83
31.477
Heu
11.222
5.733 97.156
29.000
48.842
39
210
1821
82.430
17.440
40.000
24.308
25
657
19
231.300
220.000
10.200
500
600
Bund à 12 lb
Lagerstroh
29 ¼
27
2 ¼
Klafter
Holz
2.176
1.498
44
54
510
110
Säcke Stück
7.441
1.943
70
36
4.809
100
20
350
113
Fässer
23 Zu den Angaben für Schweidnitz siehe OestKA, AFA, Nr. 623: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee XIII (503–Ende), Faszikel 580. Mit Ausnahme des Heus basiert die Zurückrechnung in österreichische Maße auf den Originalwerten in Scheffeln nach Breslauer Maß. Für die eroberten Mengen in Breslau siehe OestKA, AFA, Nr. 613: Hauptarmee 1757 XI (351–Ende), Faszikel 471a. Für sämtliche anderen Angaben in dieser Tabelle siehe OestHHStA, Kriegsakten, Nr. 346: Consignation Uber die vornjähriger 1757 Campagne bey nachstehende Proviant Magazinen und Postierungs-Stationen vermög der Schluß-Extracten und bereits angelangten Rechnungen dem Feind zurückgelassenen von dessen hin wiederum überkommenden Naturalien und Materialien.
50.916
Summe
83
16.512
Breslau
1.338 2.085
237
11.128
Liegnitz
Schweidnitz
616
Tetschen und Stolpen
5.100
259
Landshutt
1.241
167
Bautzen
1.325
246
Görlitz
124
13
17.793
Zittau
490 16
21.000
7.500
7.900
Gabel
St. Margaretha
260
2.976
320
Neuhoff
2.798 2.700
982
Hafer
Nied.öster. Metzen Zentner
Gerste
Sedlitz
Kuttenberg
Mehl
Zentner Zentner Portion
Reis
Tabelle 92 Liste sämtlicher von den Österreichern eroberter Magazinbestände im Kriegsjahr 175723 V.2. Das Versorgungssystem im operativen Kontext625
Mehl
16
1.975
Niemes
Starckstadt
3.374
Brandeys
85
9.196
Jungbunzlau
Trauttenau
4.294
Gerste
Hafer
Heu
7.569
1.864
15.575
18.692
11.597
936
Budin et Karwatez
50
2.233
10.242
1.091
520
Leitmeritz
7.483
Eger
1.527
4.375
319
715
56
25
1166
536
3.781
14.898
4.565
1.351
298
Aussig
1.067
126
218
33
92
155
944
65.715
4.127
Laun
265
Töplitz
236
416
2.145
108
575
113
Dux
2.935
524
1.165
529
38.659
1
62.687
Saatz
108
Königshoff
Eybeth
Swatowez
Brot
Futterstroh
Lagerstroh
388
752
585
11.390
177
2.251
Zentner Zentner Portion Niederöster. Metzen Zentner Zentner Bd. 12 Pfund
Reis
Reichenberg
Magazine
47 ⅛
10 ¼
16 ½
Hart
24 ½
648 1.811
993
287
818
2.022
884
924
1.150
Fässer
1.584
2.633
Säcke
75 ⅜ 14.261
8 ¼
Weich
Holz in Klafter
Tabelle 93 Liste sämtlicher von den Preußen eroberter Magazinbestände im Kriegsjahr 175724 626 V. Teil: Das Feldzugsjahr im Rückblick
Mehl
Brot
Gerste
4.192
Heu
Futterstroh
Lagerstroh
75.527
Summe
212.237
31.831
5.875 189.842
16.357
65
14.602
19.642
21.233
6.828
7.563
12.199
903
59.608
299
26
671
5.005
87
3
9
22.263
19.800
344
388
4
34.329
15.797
349
3.365
107
5
11 ¼
6
6 ½
5 ¼
Hart
138
10 ¾
½
5
13 ¾
Weich
Holz in Klafter
38.562
28
2.761
3.491
3.761
1.280
4.939
645
Säcke
8.752
401
209
44
323
1.411
Fässer
24 Zu den Angaben für die Postierungstationen Dux, Töplitz, Aussig, Eger, Saatz und Laun siehe OestKA, Zentralst., Generalkriegskommissariat, Akten, Nr. 52 Militärdirectoralia, IV–V, Faszikel V / 10: Summarischer Extract über die in nachbenannten Stationen unterm 15. Aprilis hujus Anni verbliebene Natural und Material Vorräthe. Zu den Angaben für Breslau siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 425 Cc: Immediatsberichte des schlesischen Feldkriegskommissariats 1756–63, Blatt 9 Vorderseite. Die preußischen Originalangaben in Wispeln sind hier in die jeweiligen österreichischen Maße umgerechnet. Zu allen übrigen Angaben in dieser Liste siehe OestHHStA, Kriegsakten, Nr. 346: Consignation Uber die vornjähriger 1757 Campagne bey nachstehende Proviant Magazinen und Postierungs-Stationen vermög der SchlußExtracten und bereits angelangten Rechnungen dem Feind zurückgelassenen von dessen hin wiederum überkommenden Naturalien und Materialien.
14.642
Breslau
Henschupfen
Maleschau
162
3.513
Neuhoff
3.453
3.640
Kloster Sedliz
75.004
1.275
732
20
1.728
1.587
623
9.190
5.988
Kuttenberg
378
318
6.137
8.044
Blalin
Hafer
Zentner Zentner Portion Niederöster. Metzen Zentner Zentner Bd. 12 Pfund
Reis
Suchtol
Neu Kollin
Pilsen
Sabieliz bei Prag
Welwarn
Magazine
V.2. Das Versorgungssystem im operativen Kontext627
628
V. Teil: Das Feldzugsjahr im Rückblick
Letztlich schnitten die Preußen vor allem quantitativ deutlich besser ab als die Österreicher, denn wie die beiden folgenden Tabellen zeigen, erbeuteten sie das 7-Fache an Brot, das 3-Fache an Gerste und die doppelte Menge an Hafer. Die Tatsache, dass die Kriegsparteien bisweilen Probleme hatten, selbst kleine eroberte Magazinbestände wie bei Nossen und Roßwein abzutransportieren25, zeigt aber, dass ihr Nutzen sowohl von der Entfernung zum Verbraucher als auch von der Verfügbarkeit der Transportmittel abhing. V.2.5. Die Transportmittel und ihre Rolle bei der Mobilisierung der Ressourcen aus dem Hinterland Die Verlegung der Magazinbestände spielte also eine große Rolle, unabhängig davon, ob man sie nun durch Eroberungen vom Feind oder durch eigene Bemühungen erworben hatte. Hierbei verfügten die Preußen von Anfang an über einen enormen Vorteil aufgrund ihrer Schiffskapazitäten, sodass es ihnen nicht nur auf eigenem Territorium wie in Schlesien, sondern auch auf fremdem Territorium wie in Sachsen gelang, große Vorräte für den Feldzug zusammenzubringen26. Dabei führten sie nicht nur große Mengen heran, sondern stellten auch dazu ein recht vielfältiges Lebensmittelsortiment bereit, das nicht selten hohe Eiweiß- oder Kalorienanteile aufwies und sehr nahrhaft war27. Andererseits zeigte sich gerade am Beispiel des Einmarsches und des Aufenthalts in Böhmen, dass die Preußen wie ihre Gegner, wenn sie nicht ausschließlich an Flüssen wie der Elbe ebenfalls operierten, auf immense Wagenmengen zum Transsport ihrer Versorgungsgüter angewiesen waren. Oft musste der Nachschub aber sogar mit mehreren tausend Wagen bewerkstelligt werden und konnte im Extremfall sogar über 10.000 Stück umfassen28. Umso dramatischer war vor diesem Hintergrund der Verlust so vieler Wagen bei der Schlesischen Armee während ihres Rückzuges aus Böhmen in die Oberlausitz29. Dies war jedoch eine Ausnahme, denn in der Regel sorgten die Preußen durch Eskorten der Armee, die Verteilung der Wagen auf das Ende der Marschkolonnen und zurückgelassene Kommandos geradezu pedantisch für deren Schutz. Auch die Österreicher kämpften beim Vormarsch aus Böhmen und Mähren mit dem Transportaufwand und mussten beim Aufenthalt in der Oberlausitz ihr Wagenpotential für die Verlegung der Magazine aufgrund der vorherigen Besetzung großer Landesteile extrem strapazieren30.
25 Vgl. 26 Vgl.
fung.
27 Vgl.
IV. Teil 6.5.: Die operativ-logistische Entwicklung in Schlesien und Mittelsachsen. IV. Teil 2.: Logistische Vorbereitungen – Verpflegungslage und Transportmittelbeschaf-
IV. Teil 2.2.: Das Korps unter König Friedrich bei Dresden. IV. Teil 2.4.: Das Korps der schlesischen Truppen unter Feldmarschall Schwerin und 5.2.: Der Rückzug der Armee unter dem Kommando des Prinzen August Wilhelm. 29 Vgl. ebd. 30 Vgl. IV. Teil 6.3.: Die Versorgungslage und die Nachschuborganisation der Österreicher. 28 Vgl.
V.2. Das Versorgungssystem im operativen Kontext629
Gerade die Selbstversorgungsproblematik der Nachschubkolonnen führte dazu31, dass man so viele Gespanne benötigte, dass bestimmte Kreise in Böhmen völlig überlastet wurden32. Im Vergleich dazu schufen die Flussschiffe natürlich eine enorme Entlastung, von der die Truppen unter König Friedrich so sehr bei ihrem Rückzug aus Böhmen profitierten33. Vor allem der Umstand, dass der Eigenbedarf durch den Wind, die Strömung oder die wenigen Pferde bei vergleichsweise großen Kapazitäten so gering war, machte die Schiffe zu besonders effizienten Transportmitteln34. Dabei zeigte sich im Rahmen des Artillerietransports, dass selbst große Schiffe wie die Hamburger Schuten bis Leitmeritz gelangen konnten, wenn es die konkreten Bedingungen, d. h. der Wasserstand und die Ortskenntnis, zuließen35. Ansonsten setzten die Preußen auf dem Oberlauf der Elbe überwiegend wohl doch die kleineren, aber eben auch weniger anfälligen Breslauer Kähne im großen Umfang ein36, während die größeren Schiffstypen entweder für den Artillerietransport oder zur Aufstockung der Magazine auf dem Unter- und Mittellauf des Flusses als strategische Reserve Verwendung fanden37. Dies ermöglichte es ihnen, befestigte Stützpunkte wie Magdeburg mit zusätzlichen Nahrungsmitteln für eventuelle Belagerungen oder zusätzliche Bedarfsanforderungen auszustatten38. Letztlich blieben die Transportkapazitäten der Schiffe mit Abstand der größte Trumpf der Preußen, weil sie nicht nur den Nachschub für die Feldarmee wesentlich erleichterten, sondern auch die Selbstversorgung der Wagenkolonnen aus den Magazinen im Operationsraum unterstützten. Dies zeigte sich besonders deutlich anhand der zahlreichen Mehltransporte in die Oberlausitz, für deren Eigenversorgung in Dresden offensichtlich immer genügend Hartfuttervorräte zur Verfügung standen, die über den Wasserweg angeliefert wurden39. Den Österreichern fiel es aufgrund ihrer Abhängigkeit von der großen Anzahl der Landtransporte deutlich schwerer, ihre Vorräte für die Feldarmeen und den Nachschubapparat über Mittelböhmen hinaus nach Sachsen oder Schlesien zu verlagern. Dies 31 Diese Anforderungen in zweiter Instanz sind in der Literatur auch als Zweitanforderungen charakterisiert worden und beziehen sich auf den Eigenbedarf des Logistikapparates. Vgl. Huston, James A., The Sinews of War: Army Logistics 1775–1953, Seite 658. 32 Vgl. IV. Teil 5.2.: Der Rückzug der Armee unter dem Kommando des Prinzen August Wilhelm. 33 Vgl. IV. Teil 5.3.: Der Rückzug der Armee unter dem Kommando König Friedrichs. 34 Auch knapp ein Jahrhundert später waren Schiffe selbst im Vergleich zu den frühen Eisenbahnen noch immer unglaublich effizient. So konnte beispielsweise ein Dampfboot, das auf dem Ohio River verkehrte, während des Nordamerikanischen Bürgerkrieges die Lademengen von 5 Zügen zu 10 Wagons kompensieren und damit eine Armee von 40.000 Mann und 18.000 Pferden 2 Tage lang versorgen. Vgl. Huston, James A., The Sinews of War: Army Logistics 1775–1953, Seite 211. 35 Vgl. IV. Teil 4.3.: Die Vorgänge während der Prager Belagerung. 36 Vgl. IV. Teil 5.3.: Der Rückzug der Armee unter dem Kommando König Friedrichs und 6.5.: Die operativ-logistische Entwicklung in Schlesien und Mittelsachsen. 37 Vgl. IV. Teil 7.5.: Die Lage in den Fürstentümern Magdeburg und Halberstadt. 38 Vgl. ebd. 39 Vgl. IV. Teil 6.5.: Die operativ-logistische Entwicklung in Schlesien und Mittelsachsen.
630
V. Teil: Das Feldzugsjahr im Rückblick
zeigte sich immer wieder anhand der großen Magazinvorräte im Hinterland, d. h. in Südböhmen und Mähren, gegen Ende August, Ende November und Anfang Dezember40. Die Verstärkung dieses Phänomens im letzten Viertel des Kriegsjahres 1757 war darauf zurückzuführen, dass sowohl die Verpflegungsgüter als auch der Belagerungspark sowie der Pferde- und Bekleidungsnachschub durch das schlesische Grenzgebirge und über die einzige Route bei sich verschlechternden Straßenverhältnissen bewegt werden mussten. V.2.6. Die Zweckentfremdung der Transportmittel Die Österreicher hatten aber nicht nur große Probleme bei der Mobilisierung ihrer Ressourcen aus dem Hinterland, denn darüber hinaus traten offenbar auch häufiger Zweckentfremdungen der Bagage auf41. Das bedeutete, dass die Regimenter zu viel Zubehör mit ins Feld nahmen und die Proviantwagen der Armee missbrauchten, was dazu führte, dass auch die Landwagen hierfür stärker beansprucht wurden und sich auf diese Weise die ohnehin schon prekäre Selbstversorgungsproblematik noch weiter intensivierte42. V.2.7. Die Bedeutung der lokalen Ressourcen und ihre organisatorische Erschließung Grundsätzlich spielte die Beherrschung der lokalen Ressourcen für die erfolgreiche Gestaltung eines Feldzuges eine genauso wichtige Rolle wie eine ausreichende Versorgung der Truppen aus den Magazinen. Neben der Beschaffung der Futtermittel, der Transportwagen sowie der Zug- und Schlachttiere waren im Winter auch die lokal verfügbaren Holzquellen sowie die Unterbringungsmöglichkeiten äußerst bedeutsam. Im Rahmen der Verpflegung kamen lokale Ressourcen immer dann besonders zur Geltung, wenn es über einen längeren Zeitraum schwierig war, den Nachschub aus den Magazinen heranzuführen, sei es nun, weil diese sehr entlegen oder die verfügbaren Transportmittel knapp waren43. Insofern entschied immer die operative Situation darüber, ob diese Form der dezentralen Beschaffung eher dominierte oder ob eher die genannten Elemente der zentralen Organisation in den Vordergrund traten. Zu keiner Zeit des Feldzuges konnte man auf eine der beiden Beschaffungsarten völlig verzichten, sodass das Versorgungssystem mit seinen zentralen und dezentralen Aspekten einen dezidiert hybriden Charakter besaß. 40 Vgl. IV. Teil 6.6.: Die Planungen der Österreicher und ihre Versorgungssituation gegen Ende August und 8.1.: Die Entwicklungen in Mittelschlesien bis zum Fall der Festung Schweidnitz. 41 Vgl. IV. Teil 7.1.: Das Einrücken der Preußen und Österreicher nach Mittelschlesien. 42 Siehe OestKA, AFA, Nr. 634: Siebenjähriger Krieg CA Kampagne gegen Preußen, Faszikel 13 / 13. 43 Vgl. Abschnitt IV. Teil 6.3.: Die Versorgungslage und die Nachschuborganisation der Österreicher.
V.2. Das Versorgungssystem im operativen Kontext631
Um den Bedarf mit Hilfe der regionalen und lokalen Ressourcen decken zu können, war es erforderlich zu wissen, in welchem Umfang die bestimmten Güter, Kapazitäten oder Einrichtungen genau vorhanden waren. Offensichtlich hatten die Preußen in dieser Hinsicht gerade in Schlesien mit den extrem genauen Karten von Wredes ein äußerst fortschrittliches Erfassungswerk geschaffen, zumal die Österreicher mit der Josephinischen Landesaufnahme das Muster, nach dem verzeichnet worden war, nahezu komplett übernahmen44. In Sachsen leisteten die Karten und die statistischen Erfassungen Adam Zürners ebenfalls einen wertvollen Beitrag, obwohl sie thematisch etwas mehr gewerblich orientiert waren und nicht ganz die Detailtiefe besaßen wie die Werke des preußischen und später des österreichischen Ingenieurskorps. Jedoch ist es durchaus wahrscheinlich, dass auch die anderen Materialien, die die Preußen im sächsischen Archiv in Dresden erbeuteten, einen weiteren Beitrag zur Erschließung der landwirtschaftlichen Ressourcen leisteten. Für die Mobilisierung der Ressourcen spielte auf regionaler Ebene mittel- und längerfristig die Bewirtschaftung durch die Zivilbehörden eine wichtige Rolle. Darüber hinaus war aber die unmittelbare Präsenz der Truppen entscheidend, denn durch ihre Anwesenheit vor Ort konnten sie wie die Preußen in Böhmen, der Oberlausitz und in Westsachsen oder die Österreicher in Mittelschlesien ihren Forderungen gewaltsam Nachdruck verleihen. Wie koordiniert die Beschaffung verlief, war vor allem abhängig vom zur Verfügung stehenden Zeitfenster. Hoher Druck in dieser Hinsicht führte üblicherweise dazu, dass die lokalen Ressourcen extrem strapaziert und Zwangsmittel zur Erschließung eingesetzt wurden. In diesen Situationen zeigte sich am deutlichsten, in welch riesigem Ausmaß die Kriegslasten auf die Zivilbevölkerung umverteilt wurden, egal ob durch die Lieferungen von Brot, Mehl oder Fourage, Rekruten, Wagen und Zugtieren oder die Beschlagnahmung von Gebäuden. V.2.8. Der Einfluss der konfessionellen Sympathien auf die Ressourcenmobilisierung45 Auch die Sympathien der Bevölkerung in konfessioneller Hinsicht beeinflussten die Beschaffung der Lebensmittel zuweilen erheblich, wobei sich der Widerstand der Bevölkerung in Schlesien am stärksten zu Ungunsten der Österreicher auswirkte. „Ausser etwelchen Catholischen können die übrigen Schlesier ihren Widerwillen nicht bergen: Es kann zwar seyen, daß viele durch Forcht abgehalten werden sich zu entschlüssen und zu declarieren, doch ist gewiß, daß die acatholische eine gleichsam eingepflanzte Abneigung für
44 Diese allgemeine Schlussfolgerung ergibt sich durch den Vergleich nahezu aller Sektionen der Wrede’schen Kriegskarte und der Josephinischen Landesaufnahme. 45 Im Grunde deutet sich hier nur an, wie bedeutsam dieser Aspekt vermutlich war. In jedem Fall dürfte es ein klares Indiz dafür sein, dass nahezu keine historische Betrachtung der Frühen Neuzeit die Konfessionsfrage ignorieren kann, weil es der einflussreichste gesellschaftspolitische Faktor war, den es zu berücksichtigen gilt.
632
V. Teil: Das Feldzugsjahr im Rückblick
die Österreicher tragen, die Mann unter Preußischer Regierung ihnen durch die Pastores eingeflösset haben mus, und die allein die Zeit und ein gutes Betragen auslöschen kann […]“46.
Dieser Unwille der Schlesier erschwerte bzw. verzögerte die Lieferungen an die Streitkräfte der Österreicher in Schlesien47. Inwiefern die Preußen auf Dauer mit dem Unmut der böhmischen Bevölkerung zu kämpfen hatten, bleibt unklar. Die Situation in Sachsen war komplex, denn obwohl eigentlich keine der beiden Kriegsparteien willkommen war, scheinen sich die konfessionellen Gemeinsamkeiten eher zu Gunsten der Preußen ausgewirkt zu haben. Hinzu kam, dass die Reichsarmee, die Franzosen und auch die leichten Truppen der Österreicher durch ihre religiösen Verunglimpfungen die Sachsen gegen Ende des Kriegsjahres 1757 zusehends gegen sich aufbrachten48. Dies hing offenbar auch damit zusammen, dass ihre Lebensmittelforderungen gerade in den Gebieten wie in Thüringen oder in der Oberlausitz, die zuvor von den Preußen ausgezehrt worden waren, noch als eine viel größere Zumutung empfunden wurden49. V.2.9. Ausreichendes Personal für die Ressourcenbewirtschaftung Länger- und mittelfristig war die Bewirtschaftung der erforderlichen Versorgungsgüter eine Frage der Organisation und des hierzu erforderlichen Personals. Auch die Österreicher hatten nach dem Kriegsjahr 1757 erkannt, dass sie einen militärischen Bevollmächtigten für die Koordination der logistischen Fragen benötigen würden, wie ihn die Preußen schon seit 10 Jahren in Gestalt des Armeeintendanten besaßen50. Auch am Beispiel der Feldkriegskommissariate und der Quartiermeister zeigte sich, dass die Preußen einen wesentlich stärkeren Personalschlüssel zur Bewältigung dieser Aufgaben aufboten. Die Österreicher verfügten mit Hofrat Hauer und Baron von Grechtler zwar auch über Proviantkommissare bei den Armeen sowie andere Proviantbedienstete im Hinterland. Es gab aber niemanden, der wie der preußische Armeeintendant die Ausschreibungen überwachte und sie gegebenenfalls forcierte. Auch für die Marschvorbereitungen scheint niemand zuständig gewesen zu sein. Daher sahen die Österreicher selbst ein, dass sie ebenfalls einen Bevollmächtigten für die Koordination der Transporte benötigten, der auch die Befehlsgewalt über die zivilen Amtsträger hatte und diese kontrollierte: „[Dieser] solle auch die Marche-Routen aussezen, welche die in Anzug begriffenen Partheyen zu nehmen haben, besonders wann sie auf eine Diestanz von 15 bis 20 Meyllen der Armée sich nähern dann es ist unglaublich was für Unordnungen und Beschwehrungen aus denen zerschiedenen Dispositionen bey denen Marchen deren Transporten entstehen: Es ist mit denen Landpferden nicht auszulangen da nicht einmal, besonders in denen Gebürgsorten fortzukommen. 46 OestKA,
13.
47 Vgl.
nitz.
AFA, Nr. 634: Siebenjähriger Krieg CA Kampagne gegen Preußen, Faszikel 13 /
IV. Teil 8.1.: Die Entwicklungen in Mittelschlesien bis zum Fall der Festung Schweid-
48 Vgl. IV. Teil 7.7.: Das Vorrücken der verbündeten Truppen und der Auftakt zur Schlacht bei Rossbach. 49 Vgl. ebd. und IV. Teil 8.3.: Der Marsch nach Schlesien. 50 Vgl. II. Teil 1.: Die Organisation und Verwaltung des Versorgungswesens.
V.3. Der Einfluss weiterer Faktoren auf die Kriegsführung633 Die Transports mit denen Krancken müssen öfters bey übelsten Wetter auf offener Strassen anhalten und nöthigste Transports wegen minders nöthigen zurückbleiben. Leuth und Vieh werden lange Zeit aufgehalten und müssen aus Mangel der Subsistenz verschmachten. All diesen Unwesen ist nicht anders alß durch Anstellung eines einzigen Chef abzuhelfen, welcher allein von dem commandierenden Generalen die Befehl zu empfangen du hinwider an alle und jede, die den Nahmen eines Commissary führen, zu ertheillen hätte […]“51.
Insbesondere der letztgenannte Aspekt der Krankentransporte weist schon auf ein weiteres Problemfeld hin, von dem die Österreicher erkannt hatten, dass es die Schlagkraft ihrer Verbände stark beeinträchtigte, nämlich die große Anzahl der Kranken und Verwundeten.
V.3. Der Einfluss weiterer Faktoren auf die Kriegsführung V.3.1. Der Einfluss des natürlichen und künstlichen Terrains auf die Kräftemobilisierung Es gab 2 Faktoren, die auf die Mobilisierung der Ressourcen und den wirksamen Einsatz der militärischen Kräfte einen wichtigen Einfluss ausgeübt hatten, nämlich das Relief und die Festungen sowie die räumliche Entfernung. Während die Beschaffenheit der Gebirge und der Straßen bestimmten, in welchem Ausmaß es gelang, die Nachschubgüter den Truppen zuzuführen, entschieden die Lage und die Größe der Festungen darüber, wie viele Kräfte man aufwenden musste, um die entsprechenden Nachschublinien gegen feindliche Übergriffe zu schützen. Am deutlichsten zeigte sich dies in Gestalt von Tetschen und dem Schreckenstein, die die Preußen zunächst erobern und dann später verteidigen mussten, um die Elblinie zu sichern1. Auch anhand der Festung Schweidnitz, die von den Österreichern auch umstellt und belagert wurde, um dauerhaft die Nachschubverbindung aus Böhmen zu decken, wurde dieser Aspekt sehr deutlich, zumal es wie in Mittel- und Niederschlesien auch zu einer ganz bedeutsamen Zersplitterung der Kräfte kommen konnte, wenn man gezwungen war, noch weitere Festungen wie Glatz abzuschirmen oder weitere Städte zu besetzen, um auf diese Weise ungestörten Zugriff auf die lokalen Ressourcen des Landes zu erlangen2. Der Fall von Schweidnitz belegte natürlich auch, dass es bei ausreichender Vorbereitung, die vor allem die Bereitstellung ausreichender Geschütz- und Munitionsreserven implizierte, möglich war, jede noch so moderne Festung einzunehmen. Allerdings musste der jeweilige Gegner für die Belagerung selbst und ihre Vorbereitung enorm viel Zeit aufwenden, die ihm dann unter Umständen im Verlauf der weiteren Operationen fehlte. Zeit konnte man natürlich auch 51 OestKA,
13.
AFA, Nr. 634: Siebenjähriger Krieg CA Kampagne gegen Preußen, Faszikel 13 /
1 Vgl. IV. Teil 3.2.: Die Operationen auf der linken Elbseite und die Bildung der Armee unter König Friedrichs Kommando und 5.3.: Der Rückzug der Armee unter dem Kommando König Friedrichs. 2 Vgl. IV. Teil 8.1.: Die Entwicklungen in Mittelschlesien bis zum Fall der Festung Schweidnitz.
634
V. Teil: Das Feldzugsjahr im Rückblick
einbüßen, wenn man wie die Preußen während des Herbstes in Westsachsen und Thüringen Truppen entsenden musste, wodurch dem Gegner theoretisch der Vorteil der Diversion, also der Teilung der Kräfte durch die Nutzung des Raumes, erwuchs. Praktisch zeigte sich aber gerade am Beispiel der dortigen Operationen, dass auch die französischen Verbündeten in Gestalt der langen Versorgungswege oder der Geländehindernisse in den Mittelgebirgen mit den geographischen Tücken zu kämpfen hatten, sodass die Einsatzfähigkeit ihrer Streitkräfte von Anfang an äußerst gering war3. Den Preußen nutzte die größere räumliche Ausdehnung sogar, weil sie dadurch eine größere Requisitionsbasis für ihre Truppen erschlossen, was ihre Versorgung erleichterte und ihre Schlagkraft begünstigte. V.3.2. Der Einfluss der Jahreszeiten auf die Logistik und die Operationen – insbesondere die Winterfeldzüge Darüber hinaus gab es noch einen weiteren Aspekt, der einen wesentlichen Einfluss auf die Logistik und den Verlauf der militärischen Operationen im Jahr 1757 ausübte, nämlich die Jahreszeiten. Das Frühjahr und der Frühsommer scheinen sich besonders für Offensivaktionen angeboten zu haben, weil es möglich war, bei den höheren Wasserständen der Flüsse nach dem Abschmelzen der Schneemengen große Mehlmengen in den Wassermühlen herzustellen, was eine stärkere Bevorratung für die Verpflegung der Truppen ermöglichte4. Für die Kavallerie gingen nach dem langen Winter zwar die Trockenfutterreserven zur Neige, dafür bestand aber die Aussicht, die Pferde in Kürze für geraume Zeit vorratsunabhängig mit Grünfutter versorgen zu können. Der Hochsommer Ende Juli / Anfang August scheint hingegen eine etwas schwierige Phase gewesen zu sein, da es wohl zunehmend weniger Grünfutter gab und insbesondere das Korn der Sommerernte noch nicht eingebracht oder ausgedroschen war. Der September erwies sich in diesem Feldzugsjahr als ausgesprochen ungünstiger Monat, da einerseits regnerisches Wetter vorherrschte und sich die Verbände nach dem Stillstand im August wieder sehr viel bewegten, sodass Menschen und vor allem Tiere gezwungen waren, sich diesen Umständen auszusetzen, die sich vor allem für die Pferde äußerst negativ bemerkbar machten. Allerdings konnte dies theoretisch auch auf einen anderen Herbstmonat zutreffen, während sich die gesamte Jahreszeit wegen der großen Futtervorräte, die unmittelbar nach der Erntephase vorhanden waren, ideal für die Versorgung und die Operationen der Streitkräfte eignete. Tatsächlich war es beiden Seiten im Oktober und November auch gelungen, den Krieg in die bisher nur marginal betroffenen Gegenden Westsachsen und Mittelschlesien zu tragen, wo sie dann offenbar von den guten Ernteerträgen des Jahres profitierten. Ab Mitte November wurde die Kriegsführung durch das kältere Regenwetter und die sich verschlechternden Wegverhältnisse zunehmend problematischer. Aller3 Vgl. IV. Teil 7.2.: Die Lage im Westen und der Marsch der preußischen Armee nach Thüringen und 7.9.: Rekapitulation der Operationen im Herbst des Jahres 1757. 4 Vgl. II. Teil 5.: Die Truppenverpflegung – Mehlgewinnung, Brotherstellung und andere Nahrungsmittel.
V.3. Der Einfluss weiterer Faktoren auf die Kriegsführung635
dings scheinen die Österreicher in Schlesien hiervon stärker betroffen gewesen zu sein als die Preußen, was zweifelsohne damit zusammenhing, dass ihre Hauptnachschubroute durch das schwer passierbare Grenzgebirge verlief. Obwohl die Preußen nun von den schlechten Wegverhältnissen insbesondere gegen Ende November nicht gänzlich verschont blieben, entwickelte sich der Zustand der Streitkräfte bei sich verschärfendem Winterwetter komplett unterschiedlich. Die Österreicher litten vor Breslau wohl unter dem Holzmangel und den unzureichenden Einquartierungsmöglichkeiten, während ihre Gegner mit Breslau und den Vorstädten diesbezüglich über hervorragende Bedingungen verfügten5. Hinzu kam, dass die Preußen durch ihre neuen Kleidungsstücke den Marsch nach Parchwitz, den Anmarsch nach und die Schlacht bei Leuthen sowie die Belagerung Breslaus und die Verfolgung der Österreicher bei einsetzendem Schneewetter einigermaßen verkrafteten, während die österreichischen Streitkräfte durch die witterungsbedingten Zusatzbelastungen während des Rückzuges nahezu vollständig zerfielen6. Wie der König in seinen Instruktionen zu den Winterfeldzügen prophezeit hatte7, war es den Preußen tatsächlich gelungen, mit Nieder- und Mittelschlesien innerhalb kurzer Zeit viel Raum zurückzugewinnen, obwohl sich die Belagerung Breslaus zum Stolperstein hätte entwickeln können. V.3.3. Die Fehler der politischen Führung und die Vorteile der strategischen Defensive Kaum ein Aspekt prägte die Operationen neben der Versorgung so nachhaltig wie die Fehler der politischen Führung, wovon sich König Friedrich in diesem Kriegsjahr mindestens 7 leistete: 1. Der Knebelbefehl an Feldmarschall Schwerin, mit dem er ihn zwang, während des Einmarsches nach Böhmen von Jungbunzlau zur Unterstützung nach Melnik vorzurücken und damit eine flexible Gestaltung der Operationen nicht zuzulassen8 2. Die übereilte Eröffnung bzw. das zu frühe Angreifen der Armee in der Schlacht bei Prag trotz der Verpflegungsprobleme und Bedenken seitens Feldmarschalls Schwerin und Generals Winterfeldt9 3. Das offensive Vorgehen gegen die Armee unter dem Kommando Feldmarschalls Daun seit dem 10. Juni und das Vorrücken gegen diese über das Defilee bei Planian trotz Feststellung ihrer deutlichen numerischen Überlegenheit10
5 Vgl.
IV. Teil 8.4.: Die Schlacht bei Breslau und der Rückzug des preußischen Korps. IV. Teil 8.6.: Die Verfolgung der österreichischen Hauptarmee. 7 Vgl. I. Teil 3.: Die Bedeutung der Taktik und der Logistik für die Kriegsführung in der Sicht der Zeitgenossen. 8 Vgl. IV. Teil 1.5.: Rekapitulation der Planungsphase. 9 Vgl. IV. Teil 3.3.: Der Vormarsch nach und die Schlacht bei Prag. 10 Vgl. IV. Teil 4.4.: Die Lage bei Prag und die Vorbereitungen auf die Schlacht bei Kolin. 6 Vgl.
636
V. Teil: Das Feldzugsjahr im Rückblick
4. Das Festhalten an der eigenen Angriffsabsicht nach dem Bekanntwerden des österreichischen Offensivdrucks unmittelbar vor der Schlacht bei Kolin11 5. Das Ändern des ursprünglichen Aufmarschplans für die Schlacht trotz des massiven Protests durch General Moritz zu Anhalt-Dessau12 6. Das Untersagen des frühzeitigen Rückzuges der Armee von Jungbunzlau nach Zittau und die Absetzung Moritz von Anhalt-Dessaus als Kommandeur derselben13 7. Die Einsetzung seines unerfahrenen Bruders August Wilhelm als Kommandeur der Jungbunzlauer Armee, in schwierigster Lage mit unpräzisen Operationsrichtlinien.14 Eine derart folgenschwere Fehlentscheidung ließ sich Maria Theresia in diesem Feldzug nur ein einziges Mal zu Schulden kommen, indem sie ihre militärischen Befehlshaber aufforderte, zu viele Festungen und Stützpunkte in Schlesien zu erobern oder zu besetzen, womit sie die Kräfte ihrer Truppen angesichts der ohnehin schon langen und schwierigen Versorgungswege aus Böhmen überstrapazierte15. Diese Entwicklung gipfelte letztlich in ihrer Anordnung, die stark geschwächte Hauptarmee in den ersten Dezembertagen des Jahres 1757 zur Unterstützung der Stadt Liegnitz zu entsenden16, womit sie nicht nur die Armee, sondern auch die eroberte Provinzhauptstadt Breslau und alle anderen operativen Fortschritte, die die Österreicher dort während der Herbstmonate erzielt hatten, mit der Niederlage bei Leuthen der Revision preisgab17. Charakteristischerweise häuften sich die Fehlentscheidungen der politischen Führung auf beiden Seiten, wenn sich die Streitkräfte in der Offensive befanden. Die Schlachten von Prag und Kolin dienten aus preußischer Sicht im Rahmen des Offensivfeldzuges in Böhmen dazu, die Belagerung der böhmischen Hauptstadt einzuleiten und aufrechtzuerhalten, um somit letztlich die gegnerischen Kräfte gefangen zu nehmen, die Stadt als wichtigsten Versorgungsstützpunkt der Provinz zu erobern und somit den Krieg möglicherweise zu gewinnen. Da die Preußen zu diesem Zeitpunkt noch die strategische Initiative innehatten und operativ offensiv agierten, hätten sie beide Schlachten nicht ausfechten müssen und sich enorme personelle Verluste ersparen können, zumal Feldmarschall Daun bei Kolin durch die zur Neige gehenden Vorräte in Prag und die entsprechende Befehlslage aus Wien unter Angriffsdruck stand18. Die Österreicher waren ihrerseits gezwungen, den Fall der Hauptstadt Böhmens zu verhindern und sich sowohl 11 Vgl.
IV. Teil 4.5.: Die Schlacht bei Kolin. ebd. 13 Vgl. IV. Teil 5.2.: Der Rückzug der Armee unter dem Kommando des Prinzen August Wilhelm. 14 Vgl. IV. Teil 5.4.: Rekapitulation der Entscheidungen und Operationen während des Rückzuges. 15 Vgl. IV. Teil 8.1.: Die Entwicklungen in Mittelschlesien bis zum Fall der Festung Schweidnitz. 16 Vgl. IV. Teil 8.5.: Die Schlacht bei Leuthen. 17 Vgl. IV. Teil 8.8.: Rekapitulation der Operationen während des schlesischen Winterfeldzuges. 18 Vgl. IV. Teil 4.5.: Die Schlacht bei Kolin. 12 Vgl.
V.3. Der Einfluss weiterer Faktoren auf die Kriegsführung637
dort vor Ort als auch im Kampf gegen das Observationskorps des Herzogs von Bevern auf dieses Ziel zu fixieren19. Ganz anders gestaltete sich die Situation, als sie in Schlesien in die Offensive gingen. Obwohl man zunächst nur die Eroberung von Schweidnitz avisiert hatte, bestand Aussicht auf die Eroberung Breslaus, nachdem man es geschafft hatte, mit der Hauptarmee bis nach Mittelschlesien vorzudringen. Während die Eroberung von Schweidnitz erwartungsgemäß gelang, war jene von Breslau eher überraschend. Für die Preußen hingegen hatte in Schlesien während der letzten 3 Monate des Jahres der Schutz und später dann die Rückgewinnung Breslaus oberste Priorität. Daher ging es aus ihrer Sicht darum, den Stützpunkt unbedingt wieder zu entsetzen, was vor allem durch die Mobilisierung der Lebensmittel- und Munitionsbestände im Glogauer Magazin, die zu einem beträchtlichen Teil durch die Oderschiffe erfolgte, erreicht wurde. Obwohl die Feldherren in der Offensive also die größeren Handlungsspielräume besaßen, war es durchaus schwierig, diese Vielzahl an Möglichkeiten entscheidend zu nutzen. Allerdings belegten die geplante Eroberung des Magazins von Jungbunzlau, die Eroberung der Festung Schweidnitz und die Schlacht bei Breslau klar, dass es bisweilen auch gelingen konnte. Etwas schwieriger ist die Bewertung der fehlgeschlagenen Belagerung Prags und die gelungene Einnahme Breslaus, bei denen sich eher Fehler der Preußen offenbarten als gelungene Umsetzungen der österreichischen Pläne. Natürlich begingen auch diese Fehler in der Offensive, wobei der Zeitverlust durch das Vorrücken in Richtung Liegnitz und der mangelhafte Schutz Breslaus nach der Einnahme am klarsten hervorstachen. In der Defensive leisteten sich die Kontrahenten, vom Verlust Breslaus abgesehen, kaum Fehler, weil das wichtigste strategische Ziel in Gestalt der Verteidigung der Provinzhauptstadt in Böhmen und dann in Schlesien als wichtigster Versorgungsstützpunkt klare Priorität besaß. Obwohl der Handlungsspielraum beider Seiten sich in der Defensive sehr in Grenzen hielt, verfügten die Preußen hier, bedingt durch die beiden Kriegsschauplätze, über mehr Optionen. Sie verstanden es auch, diese gut zu nutzen, indem sie nicht schon Ende Oktober, sondern erst Mitte November nach Schlesien abrückten, wodurch es ihnen gelang, zunächst Leipzig für längere Zeit zu sichern und sich durch die Versprengung der verbündeten Armeen bei und nach Rossbach in eine komfortablere psychologische Position zu bringen, da nun die akute Bedrohung für die strategische Westflanke weitestgehend beseitigt war. Somit lässt sich feststellen, dass in der Regel derjenige, der sich strategisch in der Defensive befand, in logistischer und überlegungsökonomischer Hinsicht Vorteile genoss, weil sich Wege zu den eigenen Magazinen verkürzten, die operativen Zielsetzungen wesentlich überschaubarer wurden und sich häufig zu einer sehr überschaubaren Menge von Notwendigkeiten verdichteten, während man in der Offensive mit längeren Versorgungswegen und dem kognitiven Problem zu kämpfen hatte, sich in der Vielzahl an möglichen Alternativen zu verzetteln.
19 Vgl.
IV. Teil 4.4.: Die Lage bei Prag und die Vorbereitungen auf die Schlacht bei Kolin.
638
V. Teil: Das Feldzugsjahr im Rückblick
V.3.4. Die Komplexität der logistischen Faktoren als Problem und Lösungsansatz für eine erfolgreiche Kriegsführung Alles in allem zeigt sich, dass es eine enorme Bandbreite von Faktoren gab, die die Kriegsführung auf logistischer und operativer Ebene beeinflussten. Sie war sogar noch vielfältiger als im Bereich der Taktik, obwohl diese auch stark von der Logistik abhing, weil eine bessere materielle Ausstattung eine effizientere Realisierung der üblichen Kampfpraktiken bewirkte. Außerdem erstreckten sich die materiellen Vorteile auf jede Form des militärischen Alltags, darunter Verpflegung, Bewaffnung und Bekleidung, und hatten zumeist weitreichende Folgen für die Einsatzfähigkeit der Truppen. Wie schon angedeutet, war es eine enorm schwierige Aufgabe, der Vielzahl von Einflussfaktoren gerecht zu werden, weil nicht nur die Magazinverpflegung und die damit zusammenhängende Mobilisierung der Ressourcen aus dem Hinterland bestimmten Abhängigkeiten unterlagen, sondern es auch darauf ankam, die lokalen Ressourcen in ausreichendem Maße zu mobilisieren, zu organisieren und dabei noch solche Details wie den Einfluss des Wetters oder der Jahreszeiten hierbei angemessen zu berücksichtigen. Offenbar sahen die Preußen in dieser enormen Palette an Einflussfaktoren auch Chancen, um Vorteile gegenüber dem Gegner zu gewinnen, die man durch umfassende Vorbereitungen bewältigen konnte. Vielleicht waren sie, darunter selbst König Friedrich, spätestens nach dem Zweiten Schlesischen Krieg zu der Einsicht gelangt, dass es der Tendenz nach nur ein Mittel gegen die unzähligen Friktionen und Missgeschicke gab, die im Krieg lauerten, nämlich die Schaffung von Reserven und das Ergreifen präventiver Maßnahmen auf allen Ebenen, egal ob in taktischer, logistischer oder diplomatisch-strategischer Hinsicht. In dieser Zwischenkriegszeit verschafften sich die Preußen vor allem mit den Kartenwerken eigener und fremder Herkunft und der umfassenden Magazinverwaltung einen organisatorischen Vorsprung von fast einer halben Generation gegenüber den Österreichern bei der Erschließung, Verwaltung und Mobilisierung ihrer Ressourcen20. Offenbar waren sie aber auch in ihren Planungen realistischer als ihre Kontrahenten, insbesondere was die Naturalienkalkulationen für die Kampftruppe und den zusätzlichen Nachschubapparat anbelangt21. Außerdem gingen sie bei der Nutzung der Ressourcen des Raumes durchweg radikaler als die Österreicher zu Werke, indem sie beispielsweise die besten Winterquartiere in Sachsen forderten, während die Österreicher mit den Zuweisungen der böhmischen Herrschaften leben mussten22 und mit einer unzureichenden Wagenmenge den Feldzug begannen, während die Preußen riesige Mengen in Sachsen und Schlesien mobilisierten23. 20 Vgl.
II. Teil 1.: Die Organisation und Verwaltung des Versorgungswesens. II. Teil 2.: Der Versorgungsbedarf der Streitkräfte in quantitativer Hinsicht und IV. Teil 2.5.: Die Verpflegungsbevorratung und die Transportmittelbeschaffung der Österreicher. 22 Vgl. III. Teil 1.: Die logistisch relevanten Ressourcen in Schlesien, Sachsen, Böhmen und Mähren. 23 Vgl. besonders IV. Teil 1.2.: Die Operationsplanungen der Preußen, 2.2.: Das Korps unter König Friedrich bei Dresden und Teil 2.4.: Das Korps der schlesischen Truppen unter Feldmarschall Schwerin. 21 Vgl.
V.4. Kommunikation, Geheimhaltung und persönliches Engagement639
V.4. Kommunikation, Geheimhaltung und persönliches Engagement – Friedrichs Rolle als Feldherr und Staatsmann Auch die Kommunikation hatte einen entscheidenden Einfluss auf den Verlauf des Kriegsjahres 1757 ausgeübt. Die meisten Informationen wurden im 18. Jahrhundert durch den Briefwechsel zwischen den einzelnen militärischen Befehlshabern, den gekrönten Häuptern sowie den beiden zuvor genannten Gruppen übermittelt. Aufgrund der Unmenge an Korrespondenz, die gerade die gekrönten Häupter zu erledigen hatten, ließen sie ihre Briefe entweder wie die Kaiserin Maria Theresia von Kanzlisten in einem sehr offiziellen Stil oder wie König Friedrich von persönlichen Kopisten ausfertigen. Maria Theresia erhielt in der Regel vorgefertigte Schriftstücke von Friedrich Binder von Kriegelstein aus der Staatskanzlei1, die sie selbst dann nur noch unterzeichnete und in einigen seltenen Fällen auch mit Zusatzkommentaren versah2. Das geheime Kabinett des Königs, das ihn auch ins Feld begleitete, bestand im Jahr 1757 aus dem Sekretär Waschersleben, dem Kriegsrat Coeper, dem Geheimen Sekretär Laspeyres und dem Geheimen Kabinettsrat Eichel3. Die beiden letztgenannten Mitglieder waren die wichtigsten, denn sie verfassten fast die komplette französische und deutsche Korrespondenz des Königs. Während Eichel sich dem Großteil des deutschen Briefwechsels widmete, fertigte Laspeyres offensichtlich die meisten französischen Schriftstücke aus, die wesentlich schwieriger zuzuordnen sind, weil er sie im Gegensatz zu Eichel wohl nie selbst signierte. Die Briefe der persönlichen Kopisten, die vor allem für Friedrich viele seiner Briefe schrieben, sind durchaus problematisch, weil ihr inhaltlicher Stil zum Teil dem des Königs sehr ähnelte, sodass es schwerfällt zu bestimmen, welche Passagen von ihm eigenhändig verfasst wurden. Obwohl eine Unterschrift oder ein Siegel einem Brief eine sehr persönliche Note und entsprechend der gesellschaftlichen Stellung des Autors einen sehr offiziellen Charakter verlieh, konnte man hieraus nicht zwangsläufig ersehen, wer den Brief wirklich verfasst hatte, weil die Unterschriften in der Regel mitkopiert wurden. Letztlich deuten nur bestimmte Details an, wer den Brief oder Teile von diesem eigentlich verfasste. Eichels Schriftstücke sind aber an einer weitestgehend korrekten Orthographie, einem merkwürdig krakligen Schreibstil und Zusammenziehungen bestimmter Wörter erkennbar, wodurch das Lesen gewöhnungsbedürftig und tendenziell anstrengend ist. Seine Anreden waren zumeist in einem sehr freundlichen, aber deutlich formelleren Stil gehalten. Als Abschlussphrasen verwendete er im Namen des Königs häufig „ich bin“ oder „ich bin Euer wohlaffectionirter König“. Bisweilen folgten noch ein paar persönliche 1 Vgl. Duffy, Christopher, Sieben Jahre Krieg 1756–1763 – Die Armee Maria Theresias, Seite 28. 2 Als Beispiel für einen solchen Zusatzkommentar siehe OestKA, AFA, Nr. 610: Siebenjähriger Krieg, Hauptarmee 1757 X (1–400), Faszikel 205. 3 Vgl. Großer Generalstab, Die Kriege Friedrichs des Großen. Dritter Theil, Bd. 3: Kolin, Anhang 1.
640
V. Teil: Das Feldzugsjahr im Rückblick
Schlussworte, die auf das persönliche Verhältnis des Königs zum Adressaten hinwiesen. Lediglich die Unterschrift scheint Friedrich II. fast immer selbst daruntergesetzt zu haben, obgleich dies schwierig einzuschätzen ist. Ein typisches Beispiel eines solchen Briefes, der auch einen eigenhändigen Nachtrag enthält, ist folgender aus dem Briefwechsel mit dem Herzog August Wilhelm von Braunschweig-Bevern: (Ausfertigung Eichel; Unterschrift mit Kürzel und Nachtrag Friedrichs II. eigenhändig) „Durchlauchtigster Fürst, Freundlich geliebter Vetter, Es ist mir ein wahres Vergnügen gewesen aus Eur. Liebden Bericht von gestirgen Dato zu ersehen, daß deroselbe die formierte Entreprise auf das vorhin bey der Johanniscapelle und sonst auf den vortheilhafften Anhöhen bey Kanck gestandene Corps leichter Truppen, nach Wunsch reussiret ist, und das solche aus diesen vortheilhafften Posten glücklich und noch dazu mit wenigen Verlust delogiret und verjaget worden seynd. Ich glaube auch nicht, dass der Leopold Daun dorten wird stehen bleiben, und da Eur Liebden nunmehro näher au den stehen so werden dieselbe und sie zugleich Meister von denen Anhöhen den um so besser recognosciren lassen wie er stehet, Ich werde Eur Lbden Bericht erwarten, um noch zu determiniren, wie ich die Wagens und Bagage von denen Schlesischen Regimentern nebst der Augmentation hierher kommen lassen kann. Ich bin Eur Liebden Freundwilliger Vetter F. (Eigenhändiger Nachtrag) Hier ist in 4 Tagen kein Mensch aus der Stadt gekommen, so das man nicht das geringste erfahren kann was darin passiret, ich hoffe aber doch baldt bewisse Nachricht zu kriegen von ihren Magazin da mihr das meiste daran gelegen ist. F.“4
Jene Briefe oder Abschnitte, die König Friedrich komplett eigenhändig verfasste, sind besonders im Deutschen von einer sehr eigenwilligen und wohl auch für die damalige Zeit falschen Orthographie geprägt, da bestimmte Worte wie die Präposition wie vor mit „h“, also „vohr“, oder das Personalpronomen wir als „wihr“ geschrieben werden. Obwohl diese fehlerhafte Orthographie das wichtigste Erkennungsmerkmal der eigenhändigen Abfassung durch den König sein dürfte, wurde es bei der Edition der politischen Korrespondenz entweder völlig vernachlässigt oder aus unbekannten Motiven bewusst an den späteren Standard der Rechtschreibung angeglichen. Darüber hinaus gibt es auch weitere Hinweise, die erahnen lassen, ob es sich um Friedrichs eigenhändige Abfassung oder eine seiner Kopisten handelt. Friedrich beendete seine Briefe sehr häufig mit den Ausdrücken „Adieu“, „Adieu, Gott bewahre“ oder „Ich ambrassiere Ihnen / Sie“ bzw. entsprechend im Französischen mit „je vous embrasse“. Abgesehen davon bleibt festzustellen, dass es sich bei Friedrichs eigenhändigen Bemerkungen in der Regel um Zusätze, Nachträge oder kurze Anweisungen zu den Ausfertigungen seiner Kopisten handelte, zuweilen mit einem sehr schroffen Tonfall. Die Korrespondenz des Kriegsjahres 1757 belegt, wie sehr König Friedrich in das militärische Alltagsgeschäft integriert war und somit für bestimmte Problemfelder zwangsläu4 GStAPK, IV. HA.: Nachlass August Wilhelm von Braunschweig-Bevern, Nr. 4, Blatt 11, Vorder- und Rückseite.
V.4. Kommunikation, Geheimhaltung und persönliches Engagement641
fig sensibilisiert wurde5. Der König kommunizierte nämlich nicht nur mit seinen Kabinettsministern wie Podewils und Finckenstein, sondern auch mit dem dirigierenden Minister in Schlesien Schlabrendorff, dem Staatsminister und Leiter des Feldkriegsdirektoriums von Borck und sehr vielen der militärischen Befehlshaber. Im Jahr 1757 waren dies neben seinen Brüdern Prinz August Wilhelm und Prinz Heinrich vor allem die Feldmarschälle Curt Christoph von Schwerin, Jakob Keith und Hans von Lehwaldt, General Fürst Moritz zu Anhalt-Dessau sowie die Generalleutnante Ferdinand von Braunschweig, August Wilhelm von Braunschweig-Bevern und Hans-Karl von Winterfeldt, die alle als Kommandeure größerer Verbände, d. h. der Korps, in Erscheinung traten. Maria Theresia hingegen trat in der Regel nur mit ihren hohen Kabinettsministern, darunter Anton-Wenzel zu Kaunitz-Rittberg, Johann Graf Chotek oder Friedrich Wilhelm von Haugwitz, sowie mit den Oberbefehlshabern der Armeen in Verbindung. Im Jahr 1757 gehörten dazu Feldmarschall Brown, ihr Schwager Prinz Karl von Lothringen sowie Feldmarschall Graf Leopold von Daun. Die Meldungen der unterstellten Kommandeure aus dem Feld zirkulierten in der Regel nur intern zwischen den jeweiligen militärischen Befehlsebenen. So gab es beispielsweise häufigen Schriftverkehr zwischen dem General der Kavallerie Graf Franz von Nadasdy und seinen untergeordneten Befehlshabern wie z. B. den Feldmarschallleutnanten Haddik, Beck und Morocz oder zwischen Nadasdy und Prinz Carl von Lothringen. Dass die Briefe der 3 zuvor genannten Generäle Carl von Lothringen selbst erreichten, geschweige denn Maria Theresia selbst, scheint aber eher die Ausnahme gewesen zu sein. Dies deutet darauf hin, dass König Friedrich in seiner Rolle als Befehlshaber eines Verbandes sehr viel häufiger und unmittelbarer von den militärischen Vorgängen Kenntnis erhielt als seine kaiserliche Gegenspielerin in Wien. Auch auf einen anderen Aspekt wirkte sich König Friedrichs persönliche Anwesenheit im Feld günstig aus, nämlich die Verkürzung der Übermittlungszeiten im Schriftverkehr. Sehr schöne Beispiele hierfür sind die Briefwechsel mit Herzog von Bevern in der Zeit vor der Schlacht von Kolin, als der König sich im Lager bei Prag und der Herzog sich etwas weiter südlich und östlich in der Gegend zwischen Brandeis, Nimburg und Kuttenberg aufhielt und die Übermittlungszeit normalerweise nur 1 bis 1½ Tage betrug6. Ein anderes Beispiel wäre der Schriftwechsel mit Ferdinand von Braunschweig im September und Oktober, als sich der König in Thüringen aufhielt und Erstgenannter zur Bekämpfung der Franzosen in die Gegend um Halberstadt entsandt worden war, da die Post selten länger als 2 Tage benötigte7. Aus derselben Zeit lag interessanterweise mit dem Schriftverkehr zwischen dem Herzog von Braunschweig-Bevern auch ein Gegenbeispiel vor. Während der König in Thüringen weilte, befand sich dieser zu jener Zeit in Schlesien bzw. unmittelbar vor Breslau. Von dort benötigten die Briefe, nicht zuletzt 5 Politische
Correspondenz, Brief Nr. 9270. hierzu die vielen Briefe aus der Politischen Correspondenz, Nr. 8998, 9008, 9009, 9021, 9028, 9029, 9036, 9043. 7 Siehe ebenfalls die zahlreichen Briefe aus der Politischen Correspondenz, Nr. 9342, 9352, 9353, 9355, 9363, 9371, 9374, 9383, 9390, 9397, 9402, 9407, 9430, 9445, 9458 und 9459. 6 Siehe
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V. Teil: Das Feldzugsjahr im Rückblick
auch weil der direkte Weg durch die besetzte Oberlausitz unterbrochen war, 6 oder 7 Tage8. Dies hatte natürlich zur Folge, dass der König als Oberbefehlshaber auf schnelle Lageveränderungen nicht mehr angemessen reagieren konnte, weil die Ereignisse der Berichterstattung zeitlich zu weit voraus waren, insbesondere die Kommunikation bisweilen auch 14 Tage unterbrochen war9. Die Kaiserin Maria Theresia hatte mit dem Problem der langen Kommunikationswege quasi permanent zu kämpfen, denn ihre Briefe aus Wien benötigten ins Operationsgebiet nach Böhmen immer zwischen 3 bis 4 Tagen. Wenn die Truppen in die Oberlausitz bzw. nach Nieder- und Mittelschlesien einrückten, verlängerte sich die Übermittlungszeit auf 5 bis 7 Tage. Kein Ereignis verdeutlicht dieses Übermittlungszeitenproblem so sehr wie die Tatsache, dass Maria Theresia noch am Tag der Schlacht von Leuthen, dem 5. Dezember, ein Schriftstück an den Oberkommandierenden der Truppen in Schlesien Karl von Lothringen aus Wien absandte, in dem sie sich vor allem für die Maßnahmen zur Behauptung von Liegnitz und eine baldige Verteilung der Armee in die Winterquartiere aussprach10. Ihr Kenntnisstand bezüglich der operativen Situation vor Ort entsprach dabei dem 29. November, also von 6 Tagen zuvor. Bezeichnenderweise erreichte ihre Antwort auf diesen Brief Karl von Lothringen am 11. Dezember, als dieser sich schon langsam über das volle Ausmaß der Verluste bei Leuthen bewusst wurde11. Da die Übermittlung militärischer Entscheidungen durch die politische Führung bei den Österreichern derart lange dauerte, dürften die Preußen immer dann sehr im Vorteil gewesen sein, wenn sich die Situation im Operationsgebiet schnell änderte, weil der König mit geringerem zeitlichem Abstand der Tendenz nach immer angemessener auf die neue Lage vor Ort reagieren konnte. Neben der persönlichen Nähe zum militärischen Alltagsgeschäft und den geringen Übermittlungszeiten infolge der unmittelbaren Präsenz des Souveräns im Kriegsgebiet stellten die Geheimhaltungsbemühungen einen wichtigen Aspekt der Kommunikation dar. Sofern man überhaupt bereit war, bestimmte Dinge in schriftlicher Form zu übermitteln, konnte man die Information vor dem Gegner nur durch einen Chiffrier- und Dechiffrierschlüssel schützen, der zwar für die Preußen, jedoch nicht für die Österreicher nachweisbar ist12. Er bestand in einer umfassenden Auflistung festgelegter vierstelliger 8 Auch hier können 3 Briefe aus der Politischen Correspondenzals als gute Beispiele gelten. Der erste Brief, Nr. 9373, stammt aus Buttelstädt vom 29. September und nimmt Bezug auf ein Schreiben des Herzogs vom 23. des Monats. Der zweite, Nr. 9414, ist vom 13. Oktober aus Naumburg an der Saale und Friedrich bezieht sich auf ein Schreiben des Herzogs vom 6. Der dritte Brief, Nr. 9455, datiert vom 21. Oktober aus Groschwitz und bezieht sich auf 2 Schreiben des Herzogs vom 13. und 16. Oktober, die zu diesem Zeitpunkt eingegangen waren. 9 Einschlägig hierfür ebenfalls einer der Briefe aus der Politischen Correspondenz, Nr. 9406. Er stammt vom 10. Oktober. Darin betonte Friedrich, seit dem 26. des letzten Monats keine Nachrichten mehr erhalten zu haben. 10 Siehe OestKA, AFA, Nr. 634: Siebenjähriger Krieg CA Kampagne gegen Preußen 1757, Faszikel 12 / 1. 11 Siehe ebd. 12 Für die Zahlencodes des schlesischen Gouvernements zur Ver- und Entschlüsselung siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 91 L: Hans Carl von Winterfeldt Immediatskorrespondenz 1757, Blatt 120 Vorderseite bis Blatt 130 Rückseite.
V.4. Kommunikation, Geheimhaltung und persönliches Engagement643
Zahlenkombinationen für bestimmte Wörter und wies für die Korps der einzelnen Kriegsschauplätze wohl leichte Unterschiede auf13. Wie der folgende Briefausschnitt des Königs vom 6. August 1757 belegt, bestand einer der wichtigsten Grundsätze der Geheimhaltung aber darin, besonders heikle Informationen gar nicht erst schriftlich zu fixieren und stattdessen nur mündlich zu übermitteln: „[…I]ch lasse Winterfeldt hier kommen der gehet morgen wieder zurück, und wirdt ihm von hier Ordre de Bataille und alle Dispositiones die ich nicht der Feder anvertraue mitbringen. Adieu. F.“14.
Auch vor diesem Hintergrund erwuchsen den Preußen aus der Anwesenheit des Königs im Operationsgebiet ungeheure Vorteile. Insofern waren es eher die zeitliche Relevanz und die inhaltliche Tiefe der Informationen, die König Friedrich in seiner Rolle als Feldherr und Monarch in einer Person begünstigten und nicht wie von seinen französischen Kontrahenten vermutet eine spezifische Konzentration von Herrschaftsautorität15. Gerade in dieser Hinsicht waren seine Kommandeure gegenüber den Zivilbehörden nicht benachteiligt, denn als der Herzog von Bevern Ende August das Kommando über die Armee zum Schutz Schlesiens erhielt, wurde er mit genau den gleichen Vollmachten ausgestattet wie der König selbst, denn er befahl explizit, dass „Seinen ordres […] so strickte, vohrnehmlich von die Civilisten, sol nach gelebet werden, als die Meinigen […]“16.
Maria Theresia und Friedrich führten ihren Staat und ihre Armeen ähnlich bürokratisch. Dem König erwuchsen aus seinem Engagement im Feld jedoch praktische Vorteile, die im strategisch-diplomatischen und nicht, wie traditionell angenommen, im taktischoperativen Bereich zur Geltung kamen. Dies zeigt, warum die Preußen aus den Schlesischen Kriegen immer wieder als Sieger hervorgingen, obwohl sie auch zahlreiche Niederlagen in den Gefechten und Schlachten erlitten, nämlich weil sich die Einflussfaktoren von größerer Tragweite, wie im Bereich der Logistik und Strategie, in der Regel zu ihren Gunsten auswirkten.
13 Siehe ebd. Der Code, der sich in den Akten des preußischen Generals von Winterfeldt erhalten hat, ist ausdrücklich für die Befehlshaber und Festungskommandanten in Schlesien vorgesehen. 14 GStAPK, VI. HA., Nachlass August Wilhelm von Braunschweig-Bevern, Nr. 4, Blatt 29 Vorderseite. 15 Vgl. Kunisch, Johannes, Friedrich der Große. Der König und seine Zeit, Seite 434. 16 GStAPK, VI. HA., Nachlass August Wilhelm von Braunschweig-Bevern, Nr. 4, Blatt 48 Vorderseite.
VI. Teil
Schluss: Die Charakteristik der friderizianischen Kriegsführung im Siebenjährigen Krieg Das Feldzugsjahr 1757 hatte deutlich gezeigt, dass die friderizianische Kriegsführung sehr stark durch logistische Faktoren geprägt wurde, die noch komplexer waren, als es sich in struktureller Hinsicht andeutete. Trotzdem kristallisierten sich 2 entscheidende Tendenzen heraus. Einerseits galt es, die Ressourcen des eigenen Herrschaftsraums bzw. des besetzten Gebietes für die Versorgung der Truppen so gut wie nur irgend möglich zu mobilisieren und zu sichern, um so die eigenen Kräfte optimal zur Geltung zu bringen. Andererseits musste man versuchen die Vorräte und Ressourcen des Gegners zu beschlagnahmen, ihn auf diese Weise zu schwächen und die Folgen im Gefecht auszunutzen. Unklar ist sowohl, ob König Friedrich der Urheber dieser dezidierten Strategie war oder ob es sich um ein Konglomerat von Ad-hoc-Vorgehensweisen handelte, die sich als effizient erwiesen hatten und auch von anderen, nicht zuletzt Prinz Heinrich, entwickelt wurden. Klar scheint aber zu sein, dass die Diskussion um die Frage, ob der friderizianischen Kriegsführung in ihrer Charakteristik eher eine Vernichtungs- oder Ermattungskonzeption zugrunde lag, ein wenig quer zur historischen Realität verlief. König Friedrich praktizierte am ehesten im Anschluss an Montecuccoli und Turenne eine Art indirekter Strategie1, bei der es darum ging, die Unterstützungsmittel der gegnerischen Streitkräfte zu untergraben und gleichzeitig die eigenen zu erhalten. Da sich die Vernichtungsstrategie eher durch schnelle Aktionen und eine hohe Belastung der Truppen auszeichnete2 und diese Vorgehensweise eher Zeit in Anspruch nahm, überwog wohl der Ermattungsaspekt3. Dies hing auch damit zusammen, dass es in den späteren Jahren des Siebenjährigen Krieges primär darum ging, die eigenen Streitkräfte so lange wie möglich einsatzfähig zu halten, um so Zeit für die politisch-strategische Auflösung des Konfliktes zu gewinnen. Trotzdem dokumentierten Schlachten wie Torgau oder Liegnitz 1760 auch die Absicht der Preußen, die Schwächung des Gegners durch die Vernichtung von bestimm1 Zu Turenne vgl. Berenger, Jean, Turenne, Seite 521 und zu Montecuccoli vgl. Kaufman, Harms, Raimondo di Montecuccoli, 1608–1680. Kaiserlicher Feldmarschall, Militärtheoretiker und Staatsmann, Seite 64 f. 2 Zu den Merkmalen der Ermattungs- und Vernichtungsstrategie vgl. insbesondere Zacharias, Lars, in: Birk, Eberhard / Loch, Thorsten / Popp, Peter Andreas, Wie Friedrich „der Große“ wurde, Eine kleine Geschichte des Siebenjährigen Krieges, Seite 183. 3 Im Gegensatz dazu Johannes Kunisch, laut dem die Ermattung wegen der vermeintlich geringeren Ressourcen Preußens nicht in Frage kam. Vgl. ders., Friedrich der Große. Der König und seine Zeit, Seite 434.
VI. Teil: Schluss: Die Charakteristik der friderizianischen Kriegsführung645
ten Teilkontingenten zu besiegeln. Schließlich konnte man die Österreicher so auch psychologisch verunsichern und gegen Ende des Krieges harte Fakten für Verhandlungen schaffen, zumal sie die Wahrscheinlichkeit für die Beendigung des Krieges erhöhten, wenn es wie 1762 gelang, die Österreicher wieder ganz hinter die Gebirgsbarriere zurückzudrängen. Im Rahmen des strategischen Ressourcenmanagements war es über einen längeren Zeitraum am wichtigsten, die fruchtbarsten Gebiete in Sachsen und Mittelschlesien sowie die großen Städte und viele Festungen möglichst lange zu behaupten, weil sich dort die bedeutendsten Agrarressourcen und die logistisch relevanten Lager-, Weiterverarbeitungs- und Herstellungskapazitäten befanden. Dabei waren nicht nur Sachsen und Schlesien von der Ausbeutung durch die preußische Armee betroffen. Nachdem die Provinz Preußen oder Ostpreußen schon im Herbst 1757 verloren gegangen war und sich das Korps des Feldmarschalls von Lehwald mit seinen rund 28.500 Mann zum Schutz Pommerns vor den Schweden in Richtung Stettin zurückzog4, rückte in den nächsten Jahren auch Mecklenburg in die Nähe der militärischen Operationen und in den Fokus der intensiven Ressourcennutzung. Schon Ende 1757 hieß es, „[…] Mecklenburg ist wie Sachsen en depot genommen, der Herzog von Holstein ist Depositarius. Sie sollen 400000 Tal. Contrib. 4000 Recruten 1500 Remonte-Pferde und eine große Menge an Getreide liefern und bezahlen […]“5.
Im März des folgenden Jahres sollten 3.000 Artilleriepferde aus dem Mecklenburgischen über Berlin nach Schlesien geschickt werden, während in Wittstock 3.000 Rekruten von dort versammelt wurden6. Bis zum August des Jahres 1758 mussten angeblich 2,5 Millionen Reichstaler, 4.368 Wispel Mehl, 9.282 Wispel Roggen, 8.220 Wispel Hafer oder weitere 8.450 Wispel Roggen sowie 202.380 Zentner Heu und 23.616 Schock Stroh geliefert werden7. Auch in den nächsten Kriegsjahren wurden tausende von Rekruten aufgebracht, wobei von der Gesamtlieferung der 9.900 Mann 1760 nicht weniger als 1.795 aus Mecklenburg stammten, die auch an so prestigeträchtige Einheiten wie das Garderegiment gingen8. Von den weiteren Rekruten kamen 5.475 Mann aus den Kantonen, während ganz Sachsen mit nur knapp 1.200 Mann einen vergleichsweise geringen Beitrag leistete9. 4 Zur genauen Stärke von Lehwalds Korps siehe LASA, DE, A 9b VIa, Nr. 77, Blatt 16 Vorderseite. 5 GStAPK, IV. HA., Rep. 15 A, Nr. 681: Kriegs-Geschichte und Kriegssachen, Blatt 59 Vorderseite. 6 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 425 A: Immediatsberichte des Generaldirectoriums in Sonderheit der Etats minister v. Katt und v. Wedell in Militärverwaltungssachen 1744–1762, Blatt 18 Vorderseite. 7 Siehe GSTAPK, I. HA, Rep. 41 Geheimer Rat Beziehungen zu Kursachsen, Nr. 852 Originale und Abschriften von durch Preußen abgefangenen kursächsischen Briefen. 3. Aug. 1758– Dec. 1758: Nachricht aus Regensburg am 11. September. 8 Siehe GSTAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 87 I.2: Instructions, Ordres, Avancements Sammlung aus dem Cabinet, Blatt 28 und 29 jeweils Rückseite. 9 Siehe ebd., Blatt 29 Vorderseite.
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VI. Teil: Schluss: Die Charakteristik der friderizianischen Kriegsführung
Allerdings war das Kurfürstentum Sachsen weiterhin stark von den Rekruten- und Pferdelieferungen an die preußische Armee betroffen. So wurden fast alle Kreise im Sommer des Jahres 1761 herangezogen, als für das Korps des Generals von Platen 4.000 Rekruten zu stellen waren, während man für die Armee des Prinzen Heinrich 5.476 Rekruten verlangte10. Dabei nutzte man für die erste Lieferung den Meißener und Leipziger Kreis sowie die anhaltinischen Fürstentümer, während man die zweite Forderung auf die westlichen und südlichen Kreise Sachsens verteilte. Neben den Soldaten waren für die Artillerie und das Proviantfuhrwesen des Platen’schen Korps 3.500 Pferde zu beschaffen und weitere 2.000 Stück nach Breslau zu schicken, sodass fast alle Gebiete in Kursachsen links der Elbe bis nach Thüringen und Querfurt dazu beitragen mussten11. Auch die riesigen Naturalienforderungen setzten sich unvermindert fort. 1759 sollte das ganze Land 13.981 Wispel Roggen, 60.479 Wispel Hafer, 468.917 Zentner Heu und 58.791 Schock Stroh liefern12. Seit 1758 litt nahezu das ganze preußische Territorium, d. h. nicht nur Schlesien und Ostpreußen, sondern die Kurmark Brandenburg und Pommern, unter den Folgen des Krieges. Allein der Kurmark gingen ca. 24.400 Pferde, 17.100 Ochsen, 20.900 Kühe, 34.900 Schweine und 121.400 Hammel verloren13. Zwar schenkte der König den Untertanen 1759 und 1761 960 bzw. 950 Tonnen Roggen und Mehl, 2.000 Ochsen aus Mecklenburg und 6.000 Schafe zur Behebung der Schäden14, dies entsprach aber nur einem Bruchteil der Verluste, sodass sie den Großteil ihrer Einbußen selbst zu kompensieren hatten. Dies galt besonders für die Pferde, von denen 1763 nur 1.800 Stück aus den Beständen des Fuhrwesens verteilt wurden15, während im Juni desselben Jahres allein bei der Artillerie noch 14.363 Stück im Dienst standen16. Trotz der Einbußen blieb die Landwirtschaft der Kurmark so weit intakt, dass die Provinz auch 1762 in der Lage war, die Magazinlieferungen im Umfang von 4.900 Wispel Roggen, 3.000 Wispel Gerste und 3.070 Wispel Hafer fast vollständig aufzutreiben17. Neben den Lieferungen an Rekruten, Vorspannpferden und Getreidemengen gewann in den späteren Jahren gerade in Sachsen auch der finanzielle Faktor, d. h. die Mobilisierung der Geldquellen, an Bedeutung. Dabei belief sich der gesamte Betrag, der durch die 10 Siehe
ebd., Blatt 33 Vorder- und Rückseite. ebd., Blatt 34 Vorderseite. 12 Siehe SächsHStA-DD, 13269 Kreiskommissariat des Oberlausitzer Kreises, Nr. 3, Blatt 50 Vorderseite. 13 Siehe GStAPK, VI. HA, FA von Borcke, Nr. 57: Miscellanea, betref. Das Generaldirectorium in Berlin 1757–1763, Summarische Nachweisung von der Churmark Wie viel Pferde, Ochsen, Kühe, Schafe und Hammel auch Schweine, von Anno 1757 bis 1760 incl. Von denen Feinden geraubt und dagegen von seiner königlichen Majestät geschenkt worden. 14 Siehe ebd. 15 Siehe ebd. 16 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 94 IV, Lc Nr. 16: Bestand aller Geschütze und Ammunition so sich in seiner Königl. Majestät Vestungen befinden, 1763, Blatt 4 Rück- und Blatt 5 Vorderseite. 17 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 91 D: Wedell, Carl Heinrich von, Generalmajor, Generalieutenant, später Kriegsminister 1758–1763, Blatt 174 Vorderseite. 11 Siehe
VI. Teil: Schluss: Die Charakteristik der friderizianischen Kriegsführung647
preußischen Kontributionen und die Schäden während des Siebenjährigen Krieges bis 1761 entstand, auf über 49 Millionen Reichstaler18. Die Übersicht der sächsischen Einnahmen, die dem Leiter des Generalkriegsdirektoriums Minister von Borck vorlag, belegt, dass dies mehr als dem 7-Fachen der normalen Jahreseinkünfte in Höhe von rund 6,4 Millionen Reichstaler entsprach19. Bemerkenswert war vor allem, dass allein Leipzig während des gesamten Krieges 10,7 Millionen Reichstaler bezahlte, was 1 Fünftel des zuvor erwähnten Gesamtbetrages entsprach20. Wie schon erwähnt, war Leipzig nicht nur in der Lage, viel Geld zu beschaffen, sondern es als Handelsstadt auch in großem Maße in Umlauf zu bringen. Bedeutsam war dies, weil die Preußen ab 1759 verstärkt das schlechte Geld, sprich die Ephraimiten, die bisweilen auch als Neu-Kurant bezeichnet wurden, ausgaben. Wie die folgende Tabelle (siehe nächste Seite) zeigt, war dies erforderlich, um die gleichbleibend hohen Gesamtkosten überhaupt bestreiten zu können: Wie man sieht, verursachten von den verschiedenen Bereichen, auf die sich die Ausgaben verteilten, die Verpflegung der Truppen, die Magazinvorräte, die Pferdeankäufe und die Kleidungsbeschaffung kontinuierlich die größten Kosten. Allerdings war der Haushalt der Preußen insgesamt halbwegs gut aufgestellt. Selbst 1761, als die Streitkräfte ca. 9,7 Millionen Reichstaler an Unterhalt verschlangen, beliefen sich die Einkünfte der Generalkriegskasse auf 8,7 Millionen und die der Domänenkasse auf über 3,7 Millionen Reichstaler21. Folglich ließ sich dieser Kostenpunkt schon mit den Geldquellen aus den preußischen Provinzen decken, sodass die sächsischen Einnahmen und die englischen Subsidien im Durchschnitt mit 12,5 Millionen Reichstalern gänzlich zum Bestreiten der Zusatzkosten zur Verfügung standen. Dies deutet darauf hin, dass nicht mehr als ein Viertel durch die Verschlechterung des Geldes wettgemacht werden musste. Wie schon durch die Nachweisung angedeutet, stand die finanzielle Ressourcenmobilisierung gänzlich im Dienst der materiellen Grundlagenbeschaffung. So sollte Minister von Schlabrendorff in Schlesien auch im April 1759 aus den bedrohten Ortschaften längs der böhmischen Grenze sämtliche Fourage in die Magazine abliefern lassen, damit sie nicht dem Gegner in die Hände fiel, wofür die Untertanen im Gegenzug Geld oder zunächst die entsprechenden Quittungen erhielten22. Dies zeigte, dass die Sicherung der Lebensmittel Vorrang hatte, weil sie die Aufrechterhaltung der Streitkräfte und des logistischen Apparates viel direkter als Geld garantierte.
18 Siehe SächsHStA-DD, Loc. 10025 Geheimes Konsilium, Loc. 6505: Berechnung der von den preußischen Truppen erhobenen Contributionen und verursachten Schäden 1756–1761. 19 Siehe GStAPK, VI. HA, FA von Borcke, Nr. 51: Generalia die Errichtung des Generalfeldkriegsdirektorii betref., Die Hauptadministration Landes, Generelle Marsch-, Lieferungs und Fouragesachen 1756–1757, Ohngefehrlicher Etat von denen sämtlichen Revenus des Dresdenschen Hoff und daraus zu bestreitenden Ausgaben. 20 Vgl. Wustmann, Gustav, Quellen zur Geschichte der Stadt Leipzig, Bd. 2, Seite 495. 21 Siehe OestHHStA, Nachlass Lacy, Kt. 1, Teil II, Faszikel 21, Blatt 148 Vorderseite und 182 und 183 Rückseite. 22 Siehe GStAPK, I. HA, Rep. 96, Nr. 82 Q1–2: Etatsminister Schlabrendorff, Ernst Wilhelm Immediatsberichte 1758 / 59, Blatt 164 Vorderseite.
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VI. Teil: Schluss: Die Charakteristik der friderizianischen Kriegsführung
Abbildung 60: Generalnachweise aller Kriegskosten23
Die möglichst optimale Nutzung sämtlicher Ressourcen im Operationsraum umfasste nach wie vor auch die Ausnutzung der geographischen Gegebenheiten, sprich der Gebirge und der Flüsse. Ein großes Problem bestand natürlich darin, dass gerade in der Bedrohung der Flussverbindungen durch die Flügelmächte Frankreich und Russland die größte strategische Schwäche Preußens lag. Die Gefahr der Westflanke marginalisierte sich zusehends, weil Herzog Ferdinand von Braunschweig-Lüneburg das Kommando über die von der britischen Krone finanzierten Truppen übernahm und die Franzosen 23 Niemeyer, Joachim, Die Bewaffnung und Ausrüstung der Armee Friedrichs des Großen, Seite 83. Zur genauen Aufschlüsselung siehe GStAPK, I. HA., Rep. 94 IV Lc, Nr. 7: Nachweisung der Kriegskosten 1756–1760.
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immer weiter nach Westen verdrängte24. Dagegen war sie für die strategische Ostflanke durch die Russen von 1758 bis 1761 durchweg präsent. Letzteres wirkt sich vor allem deswegen ungünstig aus, weil damit die Verbindung zu den Nachschubwegen aus dem Ausland über die Ostsee sowie den Mittel- und Unterlauf der Oder gefährdet wurden, zumal der Zugang durch die Operationen der Schweden bei Demmin und Anklam in Vorpommern ohnehin unsicher war. Allerdings verfügten die Preußen mit der Elblinie immer noch über den deutlich besseren Zugang zum internationalen Handel als die Österreicher mit Triest im Mittelmeer, sodass sich wichtige Importgüter wie Schießpulver oder zusätzliches Getreide leichter beschaffen und in das Operationsgebiet nach Sachsen und Schlesien transportieren ließen. Allein für die Vorbereitung der Belagerung von Schweidnitz 1758 sollten 4.000 Zentner Pulver aus Berlin und Magdeburg in 24 Kähnen nach Schlesien transportiert werden, um den Abgang aus den dortigen Festungen zu ersetzen25. Im Mai desselben Jahres waren 300 Kähne der Kurmark für den Transport des Magazingetreides von Küstrin nach Schlesien eingeplant26. 1759 wurden über die Elbe nicht nur erneut große Mengen Schießpulver aus den Niederlanden über Hamburg herangeführt, sondern auch die schweren Geschütze, die man 1757 aus der Festung Wesel dorthin gerettet hatte27. Mit Hilfe der Flüsse und der Verbindungskanäle in Brandenburg gelang es nicht nur, immer wieder Rüstungsgüter angemessen zu verteilen, sondern auch wertvolles Material in Sicherheit zu bringen. 1760 rettete man den kompletten Bestand des Berliner Zeughauses mit 39 Kähnen nach Spandau und Magdeburg vor dem Zugriff der Russen28. Die Österreicher investierten in den späteren Jahren des Siebenjährigen Krieges zwar mehr in den Transportsektor, aber selbst mit den zusätzlichen 5.586 bedungenen und 2.070 regulären Wagen, die sie 1759 aufbrachten, erreichten sie noch nicht einmal das Niveau der Preußen bei ihrem Einmarsch nach und ihrem Rückzug aus Böhmen 1757. Die Fähigkeit zur Mobilisierung der strategischen Ressourcen durch die größeren Transportkapazitäten der Schiffe blieb der alles überragende und letztlich auch entscheidende Trumpf der Preußen in diesem Konflikt. Während man auf diese Weise von den Flüssen und Kanälen profitierte, bot sich das natürliche und künstliche Terrain in Gestalt der Gebirge und Festungen immer wieder an, um die Operationen der gegnerischen Kräfte zu hemmen. Am stärksten wirkte sich dies während des Winters aus, weil die Österreicher darauf angewiesen waren, größere Posten in Sachsen oder Schlesien zu erobern, um zusätzliche Vorräte aus den Magazinen zu erhalten und die Truppen in den größeren Städten einzuquartieren, während die Witterungsbedingungen zusehends die Verbindungslinien durch das Gebirge nach Böhmen 24 Zu den ausführlichen Darstellungen der Operationen der Observationsarmee bzw. der alliierten Truppen vgl. Mediger, Walther / Klingebiel, Thomas, Herzog Ferdinand von BraunschweigLüneburg und die alliierte Armee im Siebenjährigen Krieg (1757–1762). 25 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 85 Ll.2: Oberst Dieskau, Carl Wilhelm 1758, Blatt 102 Vorder- und Rückseite und 109 Vorderseite. 26 Siehe Friedrich II., Politische Correspondenz, Bd. 17, Nr. 10020 und 10021. 27 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 85 Ll.3: Oberst Dieskau, Carl Wilhelm 1759, Blatt 52 Vorderseite. 28 Vgl. Müller, Heinrich, Das Berliner Zeughaus. Vom Arsenal zum Museum, Seite 40.
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unpassierbar machten. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass die Preußen häufig wie 1758 mit dem Entsatzmarsch nach Neisse, bei dem das dazu parallel durch Böhmen marschierende Korps unter General Harsch nicht folgen konnte29, im Spätherbst Offensiven starteten, um diese Schwäche ihrer Gegner auszunutzen. Ein großes Problem blieb die vermeintliche personelle Unterlegenheit der Preußen. Allerdings war das Heer bei Weitem nicht so schwach, wie es traditionellerweise die Kräfteverhältnisse in der Schlacht von Kunersdorf mit 49.000 Mann auf preußischer und 79.000 Mann auf russisch-österreichischer Seite suggerieren30. So zählte das gesamte Heer in diesem Jahr noch 206–215.000 Mann, wobei der Anteil der Garnisons- und Landmilizregimenter sowie der Freibataillone bereits sehr hoch war31. Selbst 1761 sollte die preußische Streitmacht mit 3 Korps in Schlesien, Sachsen und Pommern laut dem Portions- und Rationsetat noch immer 185.000 Mann und 89.400 Pferde umfassen32. Da ca. 162.000 Mann und 78.000 Pferde auf die Korps in Sachsen und Schlesien entfielen33, konnte man den Österreichern durchaus mit Aussicht auf Erfolg entgegentreten, auch wenn die reale Stärke durch die Karenzen mindestens 5 bis 10 % geringer ausfiel. Nach dem Ausscheiden der Russen aus der gegnerischen Kriegskoalition im Jahr 1762 boten die Preußen in Sachsen über 82.000 Mann und ca. 41.000 Pferde auf 34, sodass sie Feldmarschall Dauns Streitkräften klar überlegen waren35. Zunächst hatte die preußische Armee aber noch ihre Struktur von 1761 beibehalten, wobei der Blick auf die Verteilung der Fuhrwesen andeutet, dass es nicht nur 3, sondern 4 Korps gab, nämlich zusätzlich noch das des Königs36. Interessant ist dabei besonders, dass man in diesem Anschlag kein Korps mit mehr als 40.000 Mann einkalkulierte, wobei dies eben auch auf das schlesische und sächsische Korps zutraf, während das Korps in Pommern mit 24.000 Mann sogar noch kleiner war, sodass sich ihre Versorgungsanforderungen wohl einigermaßen bewältigen ließen. Damit deutet sich allerdings an, dass die Preußen eine Struktur mittelgroßer Korps eingenommen hatten, wobei der Verband des Königs in der Regel als strategische Reserve fungierte, um jene Provinz zu verstärken, wo der Feind in das Hinterland oder die strategische Ressourcenbasis längerfristig einzudringen drohte. Die beiden Karten zeigen, wie sich die strategische Lage unter Berücksichtigung der gleich noch zu thematisierenden Magazinvernichtungen ungefähr Anfang und Mitte 1759 darstellte. Gaudi, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 5: 1758, Seite 401–405. Großer Generalstab, Die Kriege Friedrichs des Großen. Dritter Theil, Bd. 10: Kuners dorf, Seite 227. 31 Vgl. Sammlung ungedruckter Nachrichten so die Geschichte der Feldzüge der Preußen von 1740 bis 1779 erläutern. Fünfter Theil, Seite 456 und OestHHStA, Nachlass Lacy, Kt. 1, Teil II, Faszikel 20. 32 Siehe OestHHStA, Nachlass Lacy, Kt. 1, Teil II, Faszikel 21, Blatt 120 Vorderseite. 33 Siehe ebd., Blatt 118 Rückseite. 34 Siehe OestHHStA, Nachlass Lacy, Kt. 1, Teil II, Faszikel 21, Blatt 137 Vorderseite. 35 Vgl. IV. Teil 2.: Das Versorgungssystem im operativen Kontext (Tabelle zur Stärkeentwicklung der österreichischen Armee). 36 Siehe OestHHStA, Nachlass Lacy, Kt. 1, Teil II, Faszikel 21, Blatt 146 Vorderseite. 29 Siehe 30 Vgl.
37 Karte adaptiert nach Duffy, Christopher, Friedrich der Große. Ein Soldatenleben, quasi Seite 512 f. (Innenbandseiten am Ende des Buches).
Abbildung 61: Strategische Lage im Frühjahr 175937
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38 Karte adaptiert nach Duffy, Christopher, Friedrich der Große. Ein Soldatenleben, quasi Seite 512 f. (Innenbandseiten am Ende des Buches).
Abbildung 62: Strategische Lage im Sommer 175938
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Grundsätzlich gerieten die Preußen in den Jahren 1758–1761 durch das Zusammenwirken der russisch-österreichischen Streitkräfte sehr stark unter Druck, weil sie dadurch gezwungen wurden, ihre Truppen teilweise von der Gebirgsbarriere abzuziehen und sie zum Schutz der für die Versorgung so wichtigen Oderlinie und der dortigen Festungen einzusetzen. Die zunehmende Streuung der preußischen Kräfte erleichterte es den Österreichern natürlich erheblich, das aus logistischer Sicht so folgenschwere Hindernis zu überwinden und in Westsachsen, der Oberlausitz und Schlesien in großer Zahl einzudringen. Angesichts der starken Beanspruchung der Kräfte an diesen 2 Fronten gab es für die Preußen nur die Möglichkeit, den Vormarsch bzw. das Eindringen ihrer Gegner zu verzögern. Schon die erste Karte weist darauf hin, dass man versuchte den Gegner vor allem aber mit einer Maßnahme zu schwächen, die sich schon im Feldzug von 1757 als äußerst effektiv erwiesen hatte, nämlich die Eroberung oder Vernichtung seiner Magazine. Auf diese Weise konnte man nämlich mit einigen 100 oder 1.000 Mann mehrere 10.000 Mann zumindest für einen gewissen Zeitraum neutralisieren, wenn es gelang, große Lebensmittelmengen zu beschlagnahmen oder zu zerstören. In der Umsetzung dieser Strategie taten sich 2 Kommandeure besonders hervor, nämlich Prinz Heinrich, der vor allem gegen die Reichsarmee und die Österreicher von Westsachsen aus gegen Böhmen operierte, während Generalmajor Franz Moritz Kasimir von Wobersnow aus Niederschlesien oder der Kurmark gegen die Russen in Polen vorging. 1759 hatte Minister von Schlabrendorff beispielsweise schon Mitte Januar gemeldet, dass an der neumärkischen Grenze und bei Posen 30.000 Scheffel Mehl, 18.000 Scheffel Gerste, 10.000 Scheffel Hafer und 6.000 Scheffel Grütze in unbewachten Gebäuden lagerten39. Hiervon gelang es Wobersnow am 4. März bei Posen, ein Mehlmagazin für 50.000 Mann auf 54 Tage zu vernichten40, was darauf schließen lässt, dass es sich insgesamt um mehr als 52.000 Scheffel gehandelt haben dürfte. Zusätzlich führte Oberst Platen mit dem Zieten’schen Husarenregiment einen weiteren Streifzug durch, bei dem viele kleinere Magazine der Russen vernichtet wurden, die sich in der Nähe befanden41. Die Preußen drangen hierbei, wie Feldmarschall Keith bei seinem Einfall in Böhmen im November 1757, schnell mit den überwiegend berittenen Einheiten tief ins gegnerische Gebiet ein42, um dort die verteilten Magazinvorräte und Produktionskapazitäten, wie die Mühlen, schnell zu zerstören und auf diese Weise die weiteren Operationen der gegnerischen Streitkräfte zu verzögern. Vor allem durch dieses logistisch-strategische Gegengewicht gewannen die Preußen dann die Zeit, um ihre eigenen Verbände an anderen bedrohten Kriegsschauplätzen einzusetzen. Besonders erfolgreich war in diesem Kontext auch Prinz Heinrich von Preußen. Er rückte Mitte April 1759 in 2 Abteilungen von Dresden und Marienberg schnell nach 39 Siehe GStAPK, I. HA, Rep. 96, Nr. 82 Q1–2: Etatsminister Schlabrendorff, Ernst Wilhelm Immediatsberichte 1758 / 59, Blatt 141 Rückseite. 40 Siehe GSTAPK, I. HA, Rep. 96, Nr. 91 M1: Generalmajor Moritz Franz Casimir von Wobersnow 1759, Blatt 66 Vorder- und Rückseite. 41 Siehe ebd., Blatt 98 Vorder- und Rückseite. 42 Siehe Abschnitt IV.8.2: Feldmarschall Keiths Diversionsexpedition nach Böhmen.
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Böhmen vor, um dort nach und nach zahlreiche Magazine zu zerstören43. Dabei gelang Oberstleutnant von Belling die Eroberung des österreichischen Hauptmagazins Saatz, während Oberstleutnant Wunsch die Vorräte in und um Leitmeritz vernichtete und die Backöfen zerstörte, bevor er sich weiterer Naturalien bei Budin bemächtigte44. Zusätzlich konnten 150 Schiffe und alle Brücken über die Eger zerstört werden45. Die Bilanz der gegnerischen Magazinverluste stellte sich insgesamt wie folgt dar: Tabelle 94 Eroberte Magazine während der Expedition des Prinzen Heinrich nach Böhmen 175946 Maßeinheit
Mehl
Brot
Tonneaux
Portionen zu 4 Pfund
Summe
35.486
73.400
136.820
86.300
Summe in Tonnen
5.323
147
3.785
345
Originalmaß
Hafer
Heu
Scheffel Berl. Maß Ration zu 8 Pfund
Ungewöhnlicherweise ist die Menge an Brot hier in Tonnen angegeben. Die Anzahl der normalen Brotportionen betrug eigentlich 146.800 Stück. Insgesamt reichten die Vorräte, um eine 50.000 Mann starke Truppe ca. 1 halbes Jahr zu versorgen. Auch König Friedrich meinte Ende April, dass die Österreicher damit über längere Zeit zu weiteren Operationen gegen Sachsen nicht in der Lage seien. Allerdings forderte er nun von seinem Bruder, die gewonnene Handlungsfreiheit unbedingt zu nutzen und den Erfolg auszubauen, da man sonst dem koordinierten Angriff der überlegenen feindlichen Kräfte erliegen würde: „[…] Si nous ne epargons pas tout ce qui humainement possible pour nous debarasser à present que nous en avons le tems, d’un des enemies qu’nous avons vis à vis de nous, nous nous trouverons vaincus par leur nombre, s’ils commencent leur operations toutes à la fois. Il n’y a donc, pour nous d’autre salut que de lenter tous ce qui possible pour deranger à present leur concert […]“47.
43 Siehe Gaudi, Journal des Siebenjährigen Krieges, Bd. 6: 1759, Seite 59–62. Generalmajor von Meinicke hatte schon am Einfall in Böhmen 1757 unter Feldmarschall Keith teilgenommen und Generalmajor von Grabow kannte das Land ebenfalls vom Feldzug im Frühjahr und Sommer 1757. 44 Siehe Gaudi, Journal des Siebenjährigen Krieges, Bd. 6: 1759, Seite 63–65. 45 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 105 Ff: Printz Heinrich von Preußen April–Mai 1759, Blatt 11 Vorderseite. 46 Zu den Originalangaben in der Tabelle siehe ebd., Blatt 13 Vorderseite. 47 GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 105 Ff: Printz Heinrich von Preußen April–Mai 1759, Blatt 11 Vorderseite.
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Vor allem riet er Heinrich dazu, gegen die Reichsarmee an der Schwelle zum Thüringischen Becken vorzugehen. Tatsächlich brach der Prinz dann im Mai auf, um weitere Magazine in Franken und entlang des Mains zu zerstören. Zunächst konnte er dem König am 18. Mai aus Heyendorf berichten, dass er dort 10.000 Rationen Hafer und Mehl für 400.000 Brotportionen erbeutet hatte48. Er meldete auch, dass sich die weiteren Magazine des Feindes bei Bamberg und entlang des Mains bei Schweinfurt und Würzburg befanden49. Da die preußischen Einheiten zu diesem Zeitpunkt aber auch nicht länger als 3 Tage verpflegt waren, kam vor allem die Eroberung des Bamberger Magazins sehr gelegen50. Am 24. Mai verkündete Prinz Heinrich den erfolgreichen Abschluss seiner Operationen gegen die Reichsarmee: „[…] Toute cette Armee ne peut point agir du este la Thuringe et en passant le pais de Bayreuth par Hoff avant la recolte; Le Magasin de Bamberg a eté si important, qu nous y avons trouvé dequoi nous nourrir en pain et en fourages une Armee de 40000 hommes pendant quinze jours. L’ennemi a brulé et detruit au dela du double de ce qu’il nous a laissé. Les autres Magazins du cote de Wurtzbourg et le long du Mein très considerable sont detruits en partie […]“51.
Derweil plante Wobersnow im Juli des Jahres 1759 weitere Störaktionen gegen die Russen, um ihre zerstreuten Kräfte entweder durch Gefechte zu schwächen oder weitere Magazine zu vernichten52. Allerdings war schon die Versorgungslage der eigenen Truppen äußerst kritisch, weil General von Dohnas Korps, dem Wobersnow zugeteilt war, durch das Fuhrwesen nicht länger als 6 Tage mit Brot versorgt werden konnte53. Die großen Magazine der Russen wiederum hatte man bis an die Weichsel zurückverlegt, was den Zugriff für die Preußen durch die Weite des Raumes erschwerte54. Bei Posen hatten sie viele Geschütze herangeführt, sodass sie sich in gute Verteidigungsstellungen mit starker artilleristischer Unterstützung zurückfallen lassen konnten, selbst wenn es den preußischen Einheiten gelang, ihre Vorhuteinheiten in einem überraschenden Gefecht zu überwältigen55. Dieser Umstand, aber auch das sumpfige Gelände, das die russischen Stellungen umgab, erschwerte den Überfallversuch von Wobersnow ganz erheblich, sodass er schließlich davon ablassen musste56. Nur Oberst Hordt gelang es, mit einem Regiment Freiwilliger und 200 Husaren in Richtung Weichsel vorzustoßen und in der Region um Bromberg einige Magazine zu erobern57, sodass sich der Schaden für die Russen erneut 48 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 105 Ff: Printz Heinrich von Preußen April–Mai 1759, Blatt 38 Rückseite. 49 Siehe ebd., Blatt 39 Vorder- und Rückseite. 50 Siehe ebd., Blatt 39 Rückseite. 51 GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 105 Ff: Printz Heinrich von Preußen April–Mai 1759, Blatt 11, Blatt 43 Vorderseite. 52 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 91 M1: Generalmajor Moritz Franz Casimir von Wobersnow, Blatt 106 Vorder- und Rückseite. 53 Siehe ebd., Blatt 109 Vorder- und Rückseite. 54 Siehe ebd., Blatt 106 Rückseite. 55 Siehe ebd., Blatt 118 Vorder- und Rückseite. 56 Siehe ebd., Blatt 119 Vorderseite. 57 Siehe Gaudi, Journal des Siebenjährigen Krieges, Bd. 6: 1759, Seite 167.
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auf 61.000 Scheffel Getreide belief, darunter 24.000 Scheffel Roggen und 7.500 Scheffel Hartfutter für die Pferde, sprich nach Berliner Maß 996 bzw. 207 Tonnen58. Dennoch war der Umfang der zerstörten Magazine wohl zu gering, um den Vormarsch der russischen Truppen zu verzögern, sodass die Preußen rund 2 Wochen später bei Züllichau bzw. Kay in ein Gefecht verwickelt wurden, weil die Russen sie ihrerseits von den Magazinen in Crossen und Frankfurt abzuschneiden drohten59. Schließlich führten die desertionsbedingten Personalausfälle durch die mangelhafte Verpflegung auf preußischer Seite zur Niederlage und zum Tode Generals von Wobersnow60. Dies bedeutete einen herben Rückschlag für die Preußen, die so einen der wichtigsten Protagonisten jener Strategie der operativen Verzögerung durch gegnerische Magazinvernichtungen verloren. Für General von Wedell, der kurz zuvor das Korps übernommen hatte, wäre es vermutlich ratsam gewesen, sich zur Oder zurückzuziehen, um dann flankierend gegen die sich ausdehnenden Versorgungslinien der Russen vorzustoßen. Jedoch hatten er und Wobersnow vom König explizit den Befehl erhalten, direkt gegen den Feind vorzugehen61. Sein Eingreifen erwies sich abermals als äußerst destruktiv und machte einen anderen Ausgang des Gefechtes nahezu unmöglich. Im August desselben Jahres erlitten die Preußen bei Kunersdorf ihre wohl größte Niederlage, nachdem es dem Laudon’schen Korps gelungen war, sich mit den Russen zu vereinigen. Geschuldet war dieser Rückschlag nicht zuletzt dem Umstand, dass die preußische Kavallerie durch die vorangegangenen Märsche extrem gelitten hatte und es der Infanterie an Munition mangelte62. Der Sieg der Russen und Österreicher blieb aber vermutlich ohne größere strategische Konsequenzen, weil durch die zahlreichen vorangegangenen Magazinvernichtungen seitens der Preußen kaum Reserven in den Randgebieten der Vorstoßachse verblieben. Die Russen wären nämlich auch ohne das Zustandekommen der Schlacht einige Tage später gezwungen gewesen, sich aus Hungersnot zurückzuziehen, wenn König Friedrich sie mit der halben Armee von ihren Magazinen abgeschnitten hätte, anstatt sie in ungünstigstem Gelände zu attackieren63. Letztlich sahen sich die Russen zumindest Mitte / Ende September 1759 aufgrund von Versorgungsmängeln gezwungen, den Rückzug anzutreten64. Unterdessen versuchte Prinz Heinrich, wie auf der zweiten Karte ersichtlich, den verbündeten Österreichern ebenfalls den Nachschub abzuschneiden65. Die starke Verschiebung der preußischen Korps nach Osten 58 Siehe OestKA, Alte Feldakten, Nr. 694: Siebenjähriger Krieg Korps Laudon, Russische Armee 1759, Faszikel VII / 1. 59 Vgl. Kollo, Willi, Der Krieg geht morgen weiter oder die Kunst zu überleben, Seite 348. 60 Siehe Gaudi, Journal des Siebenjährigen Krieges, Bd. 6: 1759, Seite 175–180. 61 Siehe ebd., Seite 181 f. 62 Siehe OestKA, Alte Feldakten, Nr. 679: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1759, Faszikel ad 190. 63 Vgl. Kollo, Willi, Der Krieg geht morgen weiter oder die Kunst zu überleben, Seite 369. 64 Vgl. Keep, John, Feeding the Troops: Russian Army Supply Policies during the Seven Years War, Seite 36 f. 65 Siehe GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 106 C: Prinz Heinrich von Preußen August–September 1759, Blatt 14 Vorderseite.
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führte aber in der Folge zur kurzzeitigen Eroberung Torgaus und zur Räumung Dresdens durch General von Schmettau, da sich sowohl die Reichsarmee als auch Feldmarschall Dauns Hauptarmee dort konzentrierten. Der dritte Vertreter dieser Verzögerungsstrategie durch Magazineroberungen war der Intendant der schlesischen Truppen, Generalmajor von der Goltz. Auch er verstarb vor Ende des Krieges 1761 in Glogau, als er einen Streifzug gegen die Magazine der Russen bei Wronka, Obra und Posen vorbereitete, sodass auch Generalleutnant von Zieten nicht mehr in die Geheimnisse des Planes eingeweiht werden konnte66. Die Zusammensetzung der Truppen zeigt, dass derartige Streifkorps meistens nicht größer als 10.000 Mann waren und neben 8 bis 10 Bataillonen meistens noch 3 bis 4 Kavallerieregimenter umfassten, wozu in diesem Fall die ehemals in Ostpreußen stationierten Husarenregimenter Ruesch und Malachowski zählten67. Die Beispiele der Kommandeure von Wobersnow und von der Goltz zeigen, dass es den Preußen durchaus nicht immer gelang, die Aktionen ihrer Gegner durch die Eroberung und Vernichtung ihrer Magazine zu hemmen. Dennoch blieben die Lebensmittel einbußen auf gegnerischer Seite und der daraus resultierende Hunger bei Mensch und Tier die stärkste Waffe der Preußen im Kampf gegen eine feindliche Übermacht, selbst wenn man wie nach Kunersdorf nur Zeit gewann, um die eigenen Kräfte zu sammeln und neu zu organisieren. Die Tatsache, dass den Preußen hieraus so große Vorteile erwuchsen, war vor allem dem Umstand geschuldet, dass die Zusammenarbeit der Russen und Österreicher sowohl auf politischer, diplomatischer, strategischer, aber eben auch auf militärfachlich-logistischer Ebene über einen Großteil der Zeit völlig unzureichend blieb68. Die vitalen Interessen beider Seiten blieben letztlich aber zu unterschiedlich, während die logistische Infrastruktur sowie die Vorbereitung für eine Vereinigung und Zusammenarbeit einfach zu schlecht waren69. Damit kristallisiert sich insgesamt heraus, dass die Erklärung des preußischen Erfolges in diesem Krieg mindestens auf 3 Eckpfeilern beruhte, nämlich: 1. Einem organisatorischen Vorsprung und einer hohen Effizienz im strategischen Transportsektor, die eine überlegene Mobilisierung der eigenen materiellen, personellen und finanziellen Ressourcen ermöglichte und den preußischen Streitkräften im operativen Bereich in der Regel eine unübertroffene Beweglichkeit und Feuerkraft verlieh, die sich am deutlichsten anhand der Waffengattung der Artillerie manifestierten 2. Die beträchtlichen Interessendivergenzen der gegnerischen Koalition auf politischdiplomatischem Gebiet, gepaart mit organisatorischen Fehlern im logistischen Bereich Korge, Von den Verpflegungen der Armeen, Seite 25. GStAPK, I. HA., Rep. 96, Nr. 86 R: Generallieutenant von der Goltz, Carl Christoph 1761, Blatt 192 Vorderseite. 68 Vgl. Bangert, Dieter Ernst, Die russisch-österreichische militärische Zusammenarbeit im Siebenjährigen Krieg in den Jahren 1758–1759, Seite 368–375. 69 Vgl. Keep, John, Feeding the Troops: Russian Army Supply Policies during the Seven Years War, Seite 38. 66 Siehe 67 Siehe
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sowie schlechter Vorbereitung seitens aller 3 Hauptpartner (Frankreich, Österreich und Russland), die bisweilen noch durch eine ungünstige Verteilung der Ressourcen und geographische Hindernisse (Gebirge & große Entfernungen) verstärkt wurden 3. Die Ausnutzung und Verstärkung dieser Defizite durch die Magazinvernichtungen und die systematische Ausbeutung der besetzten Gebiete seitens der Preußen, die die Einsatzfähigkeit ihrer Streitkräfte unterstützten, während sie die gegnerische Kriegskoalition entweder direkt schwächten oder ihr indirekt schadeten, indem sie dieser die Zeit für die Durchführung von Offensivoperationen raubten. Hinzu kam, dass durch die sich ausdehnenden Versorgungswege, die im Rahmen der gegnerischen Offensiven zunahmen, für die Preußen weitere Möglichkeiten entstanden, um die Schwächen ihrer Feinde zu nutzen. Durch die Nähe zu den eigenen Magazinen und die kurzen Transportwege stieg die Wahrscheinlichkeit, dass es gelang, die eigenen Truppen dem Gegner möglichst gut versorgt entgegenzustellen und Siege auf dem Schlachtfeld durch eine weitreichende Verfolgung und das damit einhergehende Zufügen personeller oder materieller Verluste entscheidend zu nutzen. Dabei kamen die logistischen Vorteile taktisch gesehen wohl immer am stärksten bei der Artillerie zur Geltung, weil ihre Einsatzfähigkeit am meisten von der materiellen Grundlage abhing. Dies zeigte sich auch in der letzten großen Feldschlacht des Siebenjährigen Krieges bei Torgau am 3. November 1760, wo die Preußen neben 148 Bataillonskanonen auch 172 Parkgeschütze, darunter 76 schwere 12-Pfünder, zum Einsatz brachten70. Damit erwiesen sie sich den Österreichern mit maximal 58 schweren und 237 leichteren Geschützen im Bereich der großen Kaliber erneut als klar überlegen71, was aufgrund der Reichweite und Durchschlagskraft dieser Waffen beim Angriff auf Dörfer oder befestigte Höhenstellungen, wie jenen bei Süpitz, entscheidend sein konnte. Darüber hinaus erwies sich die preußische Artillerie im Gefecht aber auch als beweglicher und litt im Gegensatz zu ihren österreichischen Kontrahenten zum Ende der Schlacht offenbar nicht unter Muni tionsmangel72. Wenn dem so war, dann kristallisierten sich an diesem Beispiel noch einmal die charakteristischen Stärken der Preußen und Schwächen der Österreicher heraus sowie die typische Verzerrung der grundlegendsten Fakten, die auch den meisten traditionellen Geschichtsbildern bezüglich dieser Schlacht zugrundeliegt73. 70 Siehe Großer Generalstab, Die Schlacht bei Torgau am 3. November 1760. Nach archivalischen Quellen bearbeitet, Seite 8–11, Seite 43 und Beilage No. II und V. 71 Die Anzahl der Geschütze findet sich bei Duffy, Christopher, By Force of Arms, Seite 284. Üblicherweise wurde die Anzahl auf Seiten der Österreicher jedoch deutlich höher angegeben, nämlich mitunter auf 240 schwere und 120 leichte Geschütze (vgl. Großer Generalstab, Die Schlacht bei Torgau am 3. November 1760. Nach archivalischen Quellen bearbeitet Seite 24). 72 Vgl. ebd. und siehe OestKA, AFA, Nr. 711 Siebenjähriger Krieg Hauptarmee I 1760 XI, Fazsikel 54 und 57 f. 73 Dies gilt nicht zuletzt auch im Hinblick auf die Truppenstärke der Österreicher. Während im älteren Publikationen zuweilen eine Größenordnung von bis zu 80.000 Mann angenommen wurde (vgl. Großer Generalstab, Die Schlacht bei Torgau am 3. November 1760. Nach archivalischen Quellen bearbeitet Seite 23), kann auf der Basis der neueren Forschung (vgl. Duffy, Christopher, By Force of Arms, Seite 284) und dem Archivmaterial (siehe OestKA, AFA, Nr. 711 Siebenjähri-
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Obwohl die logistischen Leistungen maßgeblich zur allgemeinen Einsatzfähigkeit und taktischen Schlagkraft der preußischen Armee bis zum Ende des Krieges beitrugen, konnten sie das Ende des Konfliktes selbst nicht aktiv herbeiführen. Sie verschafften ihr aber die Zeit, um so lange durchzuhalten, bis sich mit dem Ausscheiden Russlands aus der gegnerischen Koalition eine diplomatisch-politische Lösung anbahnte und der Krieg schließlich endete. FINIS
ger Krieg Hauptarmee I 1760 XI, Faszikel 30) als gesichert gelten, dass die vor Ort einsatzfähigen Kräfte die Anzahl von 60.000 Mann, wenn überhaupt, dann nur knapp überschritten.
Literaturverzeichnis 1. Quellen a) Archivalien / handschriftlich oder handgezeichnetes Quellenmaterial Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz (GStAPK) I. Hauptabteilung Rep. 63 Geheimer Rat, Kriegssachen Nr. 1087 Acta Krieg gegen die Österreicher 1757 März–Juli Nr. 1090 Berichte, Briefe und Schriftwechsel über die Kriegsoperationen und im Gebiet um Erfurt Rep. 94 Kleine Erwerbungen II Provinzen – Brandenburg-Preußen, M Heer Nr. 23 Schriftwechsel des Oberproviantmeisters Arndt in Breslau v. a. mit dem Proviantamt und der Kriegs- und Domänenkammer in Breslau über Bauten und Reparaturen an Magazingebäuden in Breslau 1742–1760 IV Regenten – Lc König Friedrich II. 1756–1763 Nr. 7 Nachweisung der Kriegskosten 1756–1760 (Abschrift eines im Geh. Archiv des Kriegsministeriums [?] Aktenbundes aus Ribbentrops Nachlaß) Nr. 16 Bestand von allen Geschütze und Ammunition so in Seiner Königl. Majestät Vestungen zur Defension vorhanden sind, 1. Juni 1763. Rep. 96 Geheimes Zivilkabinett (ältere Periode), König Friedrich II. Nr. 39 B
Preuß. Charge de affaires Hellen
Nr. 73 D
Abgefangene Briefe
1757–1759
Nr. 81 Hh
Nachrichten der Magdeburgischen Cammer
1756–57
Nr. 82 P
Etatsminister Schlabrendorff, Ernst Wilhelm Immediatsberichte
1757
Mai–October 1757
Nr. 82 Q1–2 Etatsminister Schlabrendorff, Ernst Wilhelm Immediatsberichte
1758 / 59
Nr. 83 Xx2
Generalmajor d. Artillerie von Linger, Christian
1743–1745
Nr. 84 Nn
Ranglisten Verpflegungsetats (insb. Nn6)
1743–1744
Nr. 85 F1
Oberst Ernst Lebrecht von Arnstedt
1756–1760
Nr. 85 Ll 1
Obristlieutenant d. Artillerie Carl Wilhelm von Dieskau
1756–1757
Nr. 85 Ll.2
Oberst der Artillerie Carl Wilhelm von Dieskau
1758
Nr. 85 Ll.3
Oberst der Artillerie Carl Wilhelm von Dieskau
1759
Nr. 85 V1
Generalmajor Bornstedt
1757–1759
Literaturverzeichnis661 Nr. 85 W 1 Generalmajor bzw. Generallieutnant Johann Christian Brandes Immediatsberichte 1757–1758 Nr. 86 C Oberst / Generalmajor Finck, Friedrich August 1757 Nr. 86 G Generallieutenant Heinrich August de la Motte Fouqué 1756–1758 Nr. 86 R Generallieutnant von der Goltz, Carl Christoph 1761 Generalmajor Philipp Wilhelm von Grumbkow 1757–1761 Nr. 86 V 4 Nr. 87 B Oberst Joachim Wilhelm von Hertzberg 1756–1757 1756–1759 Nr. 87 C 10 Oberst d. Artillerie Ernst Friedrich Holtzmann Nr. 87 C 11 Major der Artillerie Johann Heinrich Holtzmann 1758–1759 Generalmajor von Kurssell, Friedrich Adolf 1757–1758 Nr. 87 Cc Nr. 87 F1 Generalmajor Johann Dietrich Hülsen 1756–1759 Nr. 87 H3 Feindliche Invasion der Frantzosen, Russen und Oesterreicher bes. die Occupation von Berlin und Potsdam 1757–1759 Nr. 87 I.1 Instructions, Ordres, Avancements Sammlung aus dem Cabinet 1756–1763 Nr. 87 I.2 Instructions, Ordres, Avancements Sammlung aus dem Cabinet 1756–1763 Generalfeldmarschall Jakob Keith 1757 Nr. 87 N Nr. 89 Cc1 Major, Obristlieutenant, Oberst, Generalmajor Ramin, 1757–1763 Friedrich Heinrich Obristlieutenant Mayr, Johann 1756–1757 Nr. 89 F Generalmajor Carl Friedrich Meier 1757–1763 Nr. 89 G 1 Nr. 89 Ji I Relationen aus der Zeit des Siebenjährigen Krieges 1756–1762 Obristlieutenant und Obrister Karl Friedrich von Moller 1757–1761 Nr. 89 K 4 1756–1758 Nr. 89 Kk 2 Generalmajor und -lieutenant Wolf Friedrich von Retzow Nr. 89 S1 Oberstlieutenant Victor Wilhelm von Oertzen 1757 Nr. 89 U1 Generalmajor- und -lieutnant Platen, Dubislav Friedrich von 1758–1760 Generallieutnant Carl Christoph zu Schmettau 1758–1759 Nr. 90 G Nr. 90 L.1 Generalfeldmarschall Curt Christoph Graf v. Schwerin Immediatsberichte Jul.–Sept. 1756 Nr. 90 L.3 Generalfeldmarschall Graf Curt Christoph von Schwerin Jan.–Feb. 1757 Generalfeldmarschall Graf Curt Christoph von Schwerin März 1757 Nr. 90 L 4 Nr. 90 M Generalfeldmarschall Graf Curt Christoph von Schwerin 1757 Nr. 91 D Wedell, Carl Heinrich von, Generalmajor, 1758–1763 Generallieutenant, später Kriegsminister Nr. 91 F Oberst, Generalmajor, Generallieutenant Johann Paul von Werner 1757–1761 Militärberichte an und von dem Generallieutnant von Winterfeldt 1756 Nr. 91 J Nr. 91 K Generallieutenant Hans Carl von Winterfeldt Immediatskorrespondenz 1756–1757 Nr. 91 L Generallieutenant Hans Carl von Winterfeldt Immediatskorrespondenz 1757 Nr. 91 M1 Generalmajor Moritz Franz Casimir von Wobersnow 1759 Nr. 92 A1 Generallieutnant Hans Joachim von Zieten 1756–1758
662 Literaturverzeichnis Nr. 92 B 6 Varia Militaria aus der Zeit des Siebenjährigen Krieges 1756–1763 um 1761 Nr. 92 B 10 Quartier-, Stamm- und Abgangsliste Nr. 93 B Ingenieurmajor de Daries 1764 Nr. 97 H Leopold Maximilian von Anhalt Immediatsberichte 1742–1744 Nr. 98 G Immediatsberichte des Fürsten Printz Moritz zu Anhalt-Dessau 1757 Nr. 100 T Immediatsberichte Ferdinands von Braunschweig 1757 August Wilhelm von Braunschweig-Bevern 1757 Nr. 102 D Nr. 102 E August Wilhelm von Braunschweig-Bevern 1757 Nr. 105 Bb Prinz Heinrich von Preußen 1756–1757 Prinz Heinrich von Preußen Apr.–Mai 1759 Nr. 105 Ff Nr. 106 C Prinz Heinrich von Preußen Aug.–Sept. 1759 Prinz August Wilhelm von Preußen 1756–1758 Nr. 116 G Nr. 425 A Immediatsberichte des Generaldirectoriums in MilitärVerwaltungssachen 1744–1762 Nr. 425 Bb Immediatsberichte des Generaldirectoriums in Sonderheit der Etatsminister v. Katt und v. Wedell in Militärverwaltungssachen 1744–1762 Nr. 425 Cc Immediatsberichte des schlesischen Feldkriegskommissariats 1756–1763 Nr. 425 P Immediatsberichte des Generalfeldkriegsdirektoriums Jan.–Juli 1757 Nr. 425 Q Immediatsberichte Feldkriegscommissariat Juli–Dez. 1757 Nr. 429 C Etatsminister Schlabrendorffs Immediatsberichte die in Schlesien zu errichtenden Magazine betreffend 1755–1757 Nr. 601 E Schriftenwechsel mit dem General-Major, Generallieutenant von Winterfeldt, Bd. III 1754 Schriftenwechsel mit dem General-Major, Generallieutenant Nr. 601 G von Winterfeldt, Bd. V 1756 Rüstungen des Jahres 1756 im Allgemeinen 1756 Nr. 606 B Nr. 612 Artillerie, Train, Pontons, Waffen und Pulver, Bd. VI 1756 Nr. 614 D Bekleidung, Bewaffnung, Besoldung, Remontierung und 1755–1756 Fahnen des Heeres Nr. 614 E Magazine, Proviantwesen, Feldbäckerei 1749–1756 Nr. 616 B Schlesische Festungen, Bd. IV 1751–1752 Rep. 96 B (Geheimes Zivilkabinett Königs Friedrich II. – Minüten, Extrakte, Remissionsjournale) Nr. 66 Abschriften von Kabinettsordres, Fragmente 1757, 1758, 1759 Rep. 98 Kabinettsministerium Nr. 19 Immediatkorrespondenz Juli–Sept. 1757 Nr. 20 Immediatkorrespondenz Okt.–Dez. 1757
Literaturverzeichnis663 II. Hauptabteilung (Generaldirektorium) Abteilung 14 Kurmark (Abt. 14) CCLXI Schiffer-Sachen: Nr. 8 Die wegen Erbauung neuer Schiffsgefäße accordirten Beneficia ergangenen Ordres, Vol. I (1761 / 1762) Die wegen Erbauung neuer Schiffsgefäße accordirten Beneficia ergangenen Ordres, Vol. II (1763 / 1772) Abteilung 15 Magdeburg (Abt. 15) CLXXIX Invasions-Sachen: Nr. 1 Acta wegen der im Magdeburgischen wieder den Einbruch der frantzösischen Truppen zu machenden Veranstaltungen. 1757 / 1758, Bd. 1 Nr. 1 Acta wegen der im Magdeburgischen wieder den Einbruch der frantzösischen Truppen zu machenden Veranstaltungen. 1757 / 1758, Bd. 2 CLXXXI Manufactur und Commerciensachen: Bd. I: Acta betreffend den Success des Magdeburgischen Commerci wegen der zu Nr. 4 Verbeßerung des Elb-Commerci vorgeschlagenen Geränke Bd. II: Acta die Balance von denen in Magdeburg zu Wasser und Lande eingegangenen fremden und eigenen Waaren Abteilung 32 Salzdepartement Tit. XI Verschiffung Nr. 3 Bd. II Verschiedene Nachrichtungen und Ausrechnungen wegen Administrierung der Salzschiffahrt 1748 / 49 Abteilung 34 Militärdepartement, Generaldepartment II (Abt. 34, Gen-Rep. II.) Nr. 207 Acta wegen Erbauung einer Mehl-Remise zu Magdeburg 1753–1754 Nr. 208 Acta und Rechnung von dem neu erbauten Proviant-Waagen Schoppen Nr. 209 Acta wegen Erbauung einer Mehl-Remise zu Magdeburg 1755–1756 Nr. 218 Acta und Rechnung von Anlegung und Erweiterung einer Commiss-Bäckerey zu Magdeburg de Anno 1757 Nr. 241 Acta wegen Anleg einer Commiss-Bäckerey von 8 Backofen zu Stettin in Ansehung einer daselbst fürfallenden starcken Brodtverpflegung 1757, 1758, 1759, 1760 IV. Hauptabteilung Rep. 15 A Archiv des Großen Generalstabs, Kriegsgeschichtliche Abteilung II Nr. 614 Etatsmäßige Stärke der preußischen Armee Nr. 618 Vorarbeit 32 Ereignisse in der Lausitz und in Schlesien im Feldzug Nr. 621 Vorarbeit 32 A (Vorarbeit Hauptmann Kurlbaum) Nr. 622 Vorarbeit 32 B (Anlage Zur Vorarbeit des Hauptmann Kurlbaum) Nr. 635 Quellensammlung 8 (1757 Gruppe I Thüringen) Nr. 650 Erkundungsberichte aus Sachsen Archiv Zerbst
1757 1757
664 Literaturverzeichnis Nr. 654 Quellensammlung 26 (Tageslisten und Rapporte Jan.–Jul. 1757) Nr. 655 Quellensammlung 30 (Gruppe II. Bevern D Lager und Schlacht bei Breslau, Capitulation von Breslau) Nr. 681 Kriegs-Geschichte und Kriegssachen Nr. 812 Berichte über den Besuch in fremden Archiven Rep. 15 B Archiv des Großen Generalstabs. Kriegsgeschichtliche Abteilung Nr. 198 Sammlung einiger Nachrichten und Dispositions aus dem letzten Kriege von 1756 bis 1763 Rep. 16 Militärvorschriften Nr. 140 Reglement über die Ablieferung des ausgeschrieben Mehls und Fourage in den angewiesenen Magazinen 17. Jan 1762 VI. Hauptabteilung (Familienarchive und Personennachlässe) Familienarchiv (FA) von Borcke Generalia die Haupt Errichtung des Generalfeldkriegsdirektorii betref., Die HauptNr. 51 administration Landes-, Generelle Marsch-, Lieferungs und Fouragesachen 1756–1757 Nr. 121 Berichte über die Schlachten von Prag und Kollin Nr. 184 Sammlung von allerlei Schriftstücken über Militaria Nachlass Herzog August Wilhelm von Braunschweig-Bevern Nr. 3
Apr.–Mai 1757
Nr. 4
Juni–Dez. 1757
Nachlass Hans Carl von Winterfeldt Nr. 5
Militärberichte 1757 (eigentlich 1756 nach Findbuch)
Nr. 6
Militärberichte 1756 (eigentlich 1757 nach Findbuch)
Nr. 7 Militärische Correspondenz Winterfeldts mit dem Könige, dem Obersten Gellhorn etc. Über die Stärke der Oesterreichischen Armee etc. Nachlass Podewils Nr. 6, Bd. II Nachlass Prinz Heinrich A I., Nr. 1 Briefwechsel des Prinzen Heinrich mit Friedrich dem Großen 1757 BPH (Brandenburg-Preußisches Hausarchiv) Rep. 47 König Friedrich II. Nr. 656 Miscellanea zur Geschichte des Siebenjährigen Krieges
Literaturverzeichnis665 Nr. 665 Varia zur Geschichte des Siebenjährigen Krieges Nr. 666 Lettres servant de pieces justifications a la Relation precedente, Enthaltend die Correspondenz des Königs Friedrich II. mit seinem Bruder August Wilhelm vom 1.–25. Juli 1757 (zitiert als Correspondenz des Königs Friedrich II. mit seinem Bruder August Wilhelm vom 1.– 25. Juli 1757) Rep. 56 / I Prinz August Wilhelm von Preußen J Nr. 22 Briefe an den Generallieutenant Grafen von Schmettau Rep. 57 / I Prinz Ferdinand von Preußen J. Nr. 27 Briefe an Heinrich 1756–1776 J. Nr. 29 Bd. III: Lettres du Pr. Ferdinand au Prince du Prusse
1755–1758
Staatsbibliothek zu Berlin, Preußischer Kulturbesitz (SBB) Kartensammlung N-15060 (Wredesche Kriegskarte) Kart. N-15060-1 (Bd. 1) Kriegescarte längst der Schlesischen-böhmischen Grentze von Lausnitz bis nach Mähren Kart. N-15060-2 (Bd. 2) Kriegescarte des Opplenschen und Ratiborschen Füstenthums jenseits der Oder bis an die Pohlnischen Grentze und von der Stoberau bis an die Teschensche Grentze Kart. N-15060-3 (Bd. 3) Kriegescarte des Theils von Oberschlesien diesseits der Oder, von Brieg bis Oderberg, fern längst der Oesterreichischen Grentze über Troppau und Jägerndorff bis Patschkau und so forthan über Münsterberg nach Brieg Kart. N-15060-4 (Bd. 4) Kriegescarte eines Theils von Nieder-Schlesien von der Gegend Naumburg am Queis längsten der Lausnitz bis Crossen und längst der Oder nach Gross-Glogau von dar zurück über Polckwitz, Haynau bis Goldberg und ferner über Graditzberg der Gegend Naumburg am Queis Kart. N-15060-5 (Bd. 5) Kriegescarte Der Gegend von Breslau bis an die Pohlnische Grentze und von Creutzberg bis nach Züllichau. S Kart. X 251707 / 1
Plan von der Vestung Glatz.
S Kart. X 251707 / 6
Glatz / Detailzeichnung für die Festung und die Garnison 1747–1756.
S Kart. Db 1.514 f.
Belagerung von Breslau 1757
Bayerisches Hauptstaatsarchiv, IV. Abteilung Kriegsarchiv (BayKA) Alter Bestand B 258, Antheil am Siebenjährigen Krieg 1757. Auxiliarscorps IV–XIII
666 Literaturverzeichnis
Brandenburgisches Landeshauptarchiv (BLHA), Potsdam Rep. 2 Kurmärkische Kriegs- und Domänenkammer, D-2 Nr. 367 Betreffend die in einigen Aemtern anzulegenden kleinen Kornmagazine Rep. 19 Steuerrat Potsdam, A.7.1.6 Schiffahrts-Sachen Nr. 693 Acta wegen der Schiffe so zu Kriegssachen und anderen Bedürfnüssen gebraucht werden 1756–1757 Nr. 694 Acta Generalia wegen Kähne so zum Getreidetransport nach Berlin begehen soll 1758– 1759 Rep. 23A Stände der Kurmark Nr. 576 Acta die Lieferung von Pferden, Getreyde u. Fourage des Ruppinschen Kreises in den Jahren 1756 bis 1763
Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt, Magdeburg (LASA, MD) Rep. A 7 Kriegs- und Domänenkammer zu Magdeburg, Präsidialregistratur Nr. 1 Beschlagnahme von Kähnen und Schiffen auf der Elbe für einen Salztransport nach Ostfriesland sowie einen Mehl- und Artillerietransport 1744 Rep. A 9a VI Kriegs- und Domänenkammer zu Magdeburg, Specialia, Städtesachen des Holzkreises, Altstadt Magdeburg Nr. 223 Der Alten Stadt Magdeburg Stapelgerechtigkeit betref. (1730–1765), Bd. III Rep. A 13 Bistum und Fürstenthum Halberstadt Nr. 697 betref. Das Anrücken der Preußischen königl. Armee
Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt, Wernigerode (LASA, MD) A 49, 02 Thüringische Kreisdeputation in Naumburg (1722–1839) Nr. 126 Den Transport der königl. Preuß. Magazinvorräthe in Zeitz betreff. Nr. 145 Bescheinigungen über die im Monats Octbr. und Nov. 1757 nach Weißenfels gelieferten Naturalien aus dem Amte Weißenfels D 14 Amt Freyburg, A VIII 9 Militär- und Kriegssachen (1588–1817) Nr. 25 Liquidationis betr. die durch die kaiserlich königlich und königlich Französischen und Reichs-Exekutions-Truppen (1757–1759) Nr. 29 Die von den Reichs- und französischen Truppen im Amt Freyburg verübten Exzesse und Plünderungen (1757) Nr. 30 Den March der königl. franzößischen Trouppen durch das Churfürstethum Sachßen und besonders das Amt Freyburg D 49 Amt Torgau, Nachtrag Amt Torgau, Schiffsmühlen und Fähren (1710–1819) Nr. 221 Das Handwerk der Elbschiffmüller allhier zu Torgau wieder Johann Andreas Müller auch Elbschiffmüller allhier 1751–1752
Literaturverzeichnis667 D 54 Kreisamt Wittenberg, Nachtrag C I Nr. 11 Consignatio Derer bey dem Chur-Creyß Deputation seit dem ultimo Augusti 1756 beschehenen Einmarch derer königl. Preuß. Trouppen in die Sächß Lande, gehaltenen Acten, gefertigten Schäden Designationen, auch sonst gesammten Nachrichtungen, ingleichen verschiedener Original Decrete, Contracte und Quittungen
Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt, Dessau (LASA, DE) Z44 Abteilung Dessau A 9b IV Fürst Dietrich A 9b IVb Fürst Dietrich-AuswärtigeMilitärdienste (1715–1769) Zum Feldkommissariat gehörige Sachen (1744–1746) Nr. 9 Bd. I: Acta zum Feldcommissariat gehörige Sachen den 14. Sept. 1744 anfahrend Bd. II: Acta wegen Commissariats Sachen betreffendt die Campagne in Sachsen 1745 A 9b VI Fürst Moritz A 9b VIa Fürst Moritz-Korrespondenz 1708–1760 A 9b VIa, Nr. 44 Correspondenz des Fürsten Moritz u. a mit Finck, Finckenstein Forcade, Freund und Flemming (1747–1758) Correspondenz u. a. mit von Zastrow und von Zieten (1743–1759) A 9b VIa, Nr. 75 Correspondenz des Fürsten Moritz verschiedenen militärischen Inhalts A 9b VIa, Nr. 76 (1744–1759) A 9b VIa, Nr. 77 Correspondenz des Fürsten Moritz mit Behörden Magistraten, Landräthen und anderen Beamten meist milit. Inhalts (1745–1757) A 9b VIb Fürst Moritz-Kriegsdienst im preußischen Heere 1718–1777 A 9b VIb, Nr. 4, Bd. V Correspondenz des Fürsten Moritz mit Friedrich II. A 9b VIb, Nr. 4, Bd. VIII Gesammelte Briefe des Fürsten Moritz aus den Jahren 1757–1759 A 9b VIb, Nr. 8, Bd. I Die dem Fürsten Moritz aufgetragene Umformung der Kriegs gefangenen sächßischen Regimenter und was dem anhängig 1756 A 9b VIb, Nr. 10, Bd. IV (Verschiedene Militaria aus des Fürsten Moritz von Anhalt in preußigen Jaare 1756) A 9b VIb, Nr. 10, Bd. V (Verschiedene Militaria aus des Fürsten Moritz von Anhalt in preußigen Jaare 1757) A 9b VIb, Nr. 15 Betr. das dem Fürsten Moritz verliehen Borckesche Regiment zu Fuß 1757 / 1760 A 9b VII Fürst Leopold Friedrich Franz und Hans Jürgen, der Erbprintz Friedrich und dessen Söhne (1631–1828) A 9b VIIb, Nr. 8g Precis! Von demjenigen, so seit dem 25ten August 1757 biß 23 November dicti anni bey dem königl. Preuß. Corps d’Armee in der Ober-Lausitz und Schlesien, unter dem Commando des Hertzog Braunschweig-Bevern vorgefallen ist (zitiert als Precis des Herzogs von Braunschweig-Bevern Aug.–Nov.1757)
668 Literaturverzeichnis C Innere Landesangelegenheiten (1465–1922), 16c 4: Die Kriege von (1742–1789) Nr. 7 Die von Seiner Majestät in Preußen verlangten Lieferungen von Mehl, Fourage, Rekruten, Pferden und dem Anhängiges, 1757–58, Bd. I
Landeshauptarchiv Schleswig-Holstein (LASH) Abt. 127.3 Schimmelmann Nr. 9
Korrespondenz mit dem preußischen Feldkriegskommissariat
1756–1757
Nr. 12 Fourageakten 1756–1758, Bd. I Fourageakten 1756–1758, Bd. II Fourageakten 1756–1758, Bd. III Nr. 13 Schifferfrachten 1756–1758 Nr. 14 Mehlgelder 1757 16.1 Schatzmeister-Korrespondenz 1757–1778 Nr.
Österreichisches Staatsarchiv, Kriegsarchiv (OestKA) Alte Feldakten (AFA) Hauptreihe, Akten (Hauptarmee) Nr. 599 Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 I–IV Nr. 600 Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 V
(1–308)
Nr. 601 Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 V
(309–Ende)
Nr. 602 Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 VI
(1–365)
Nr. 603 Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 VI
(366–Ende)
Nr. 604 Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 VII
(1–450)
Nr. 605 Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 VII
(451–Ende)
Nr. 606 Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 VIII
(1–400)
Nr. 607 Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 VIII
(401–Ende)
Nr. 608 Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 IX
(1–320)
Nr. 609 Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 IX
(321–Ende)
Nr. 610 Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 X
(1–400)
Nr. 611 Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 X
(401–Ende)
Nr. 612 Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 XI
(1–350)
Nr. 613 Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 XI
(351–Ende)
Nr. 614 Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 XII
(1–227)
Nr. 615 Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 XII
(228–Ende)
Nr. 616 Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 XIII
(1–19)
Nr. 617 Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 XIII
(20–22)
Nr. 618 Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 XIII
(23–216)
Literaturverzeichnis669 Nr. 619 Nr. 620 Nr. 621 Nr. 622 Nr. 623 Nr. 635 Nr. 679 Nr. 694 Nr. 711
Siebenjähriger Siebenjähriger Siebenjähriger Siebenjähriger Siebenjähriger Siebenjähriger Siebenjähriger Siebenjähriger Siebenjähriger
Krieg Krieg Krieg Krieg Krieg Krieg Krieg Krieg Krieg
Hauptarmee 1757 XIII (217–243) Hauptarmee 1757 XIII (244–252) Hauptarmee 1757 XIII (253–398) Hauptarmee 1757 XIII (399–502) Hauptarmee 1757 XIII (503–Ende) Hauptarmee 1758 I Hauptarmee 1759 VIII (1–250) Korps Laudon, russische Armee 1759 Hauptarmee I 1760 XI
(Reichsarmee) Nr. 626 Siebenjähriger Nr. 627 Siebenjähriger Nr. 628 Siebenjähriger Nr. 629 Siebenjähriger
Krieg Krieg Krieg Krieg
Reichsarmee Reichsarmee Reichsarmee Reichsarmee
(Hofkriegsrat) Nr. 630 Siebenjähriger Nr. 631 Siebenjähriger Nr. 632 Siebenjähriger Nr. 633 Siebenjähriger
Krieg Krieg Krieg Krieg
1757 1757 1757 1757
HKR HKR HKR HKR
1757 1757 1757 1757
IX X XI und XII XIII und Französische Armee 1757
I–IV V–VI VII–IX X–XII
(Kabinettsakten) Nr. 634 Siebenjähriger Krieg CA Kampagne gegen Preußen 1757 Nr. 669 Siebenjähriger Krieg CA Kampagne gegen Preußen 1758 (I–VII) Nr. 670 Siebenjähriger Krieg CA Kampagne gegen Preußen 1758 (VIII–XIII) Kriegswissenschaftliche Mémoires II Kriege gegen Preußen Nr. 15 Anmerkungen über die Schlacht bei Kolin Nr. 32 Über das Preußische Defensiv-System für Schlesien VIII Truppenverfassung in ökonomischer Hinsicht Nr. 137 Pro Memoria es anreichet Ihro königl. Majt. zu nicht wenigen Nachtheyl daß das Proviantamt mit so unerhörter mönge Verwalters, Officiers und Assistenten überhäufet wurden XVIII Verschiedene Heere Nr. 25 Etat der gesamten Preußischen Armee im Jahr 1757 Nr. 1128 Einrichtung des Generalkriegskommissariats 1753
670 Literaturverzeichnis Manuskripte zur Kriegs- und Feldzugsgeschichte Nr. 54 Historische Nachrichten: Fortsetzung des Siebenjährigen Krieges 1757. Die Begebenheiten bei der k. k. Armee unter Feldmarschall Broune, später Carl von Lothringen, vom Generalmajor von Zehentner Nr. 57 Geschichte des Feldzuges 1757 des Siebenjährigen Krieges der Hauptarmee in Böhmen und Schlesien in 4 Abschnitten verfasst durch Hauptmann von Heller Karten und Plansammlung (KPS) B Europa IXa92 (Josephinische Landesaufnahme, Böhmen) Sektionen 4, 10, 18, 19, 26, 39, 55, 56, 58, 59, 73, 75, 90, 91, 109, 127 H IIIe Kriegskarten – Siebenjähriger Krieg Nr. 1388 Nr. 1447 Nr. 1504 K II f Landesbeschreibungen, Preußen 0-3 Beschreibung derer Landstraßen, Wege und Fußsteige so aus der Laußnitz in der Gegend von Weißkirchen bis Hirschenstein wie auch von denen Communicationswegen K VII c Landesbeschreibungen, Böhmen Nr. 11 Wege zwischen Peterswalde und Aussig. Bericht über Verschiedene Wege, so zwischen den Dresdener Landstraßen von Aussig über Peterswaldt und der Leipziger von Commotau nach Marienberg, durch das Gräntzgebürge aus Böhmen nach Sachsen gehen Nr. 13 E Summarium deren in den Königreich Böhmen und in dessen Kreyßen befindlichen Orthschaften und was darinnen an Mannschaft untergebracht werden kann nach der Aufnahm von dem daran benennten Jahren Zentralstellen Generalkriegskommissariat (GKK), Akten Nr. 51 Militärdirectoralia 1756 IX–1757 III Nr. 52 Militärdirectoralia 1757 IV–V Nr. 53 Militärdirectoralia 1757 VI–IX 100 Nr. 54 Militärdirectoralia 1757 IX 101–XI 140 Nr. 55 Militärdirectoralia 1757 XI 141–XII 330 Militärhofkommission Nostitz-Rieneck Karton 4, Vorträge und Protokolle Karton 10, Armeeorganisation 18. Jahrhundert Karton 16, Armeefuhrwesen 1756–1792 Karton 17, Armeefuhrwesen 1793–1796 Karton 20, Monturwesen 1748–1795
Literaturverzeichnis671
Österreichisches Staatsarchiv, Allgemeines Verwaltungsarchiv (OestAVA) Inneres Hofkanzelei, Allgemeine Reihe, Akten Nr. 497 Politische Konskription, Häusernummern
Österreichisches Staatsarchiv, Haus-, Hof- und Staatsarchiv (OestHHStA) Diplomatie und Außenpolitik vor 1848 Kriegsakten: Nr. 334 Nr. 343 Nr. 346 Nr. 347 Nr. 350 Nr. 353 Nr. 358 Staatskanzlei Vorträge: Nr. 80
Konferenzprotokolle 1757 I–VI
Nr. 81
Konferenzprotokolle 1757 VII–XII
Kabinettsarchiv, Staatsrat Nachlass Franz Moritz Graf von Lacy Karton 1 (Kt. 1), Teil II
Sächsisches Staatsarchiv, Hauptstaatsarchiv Dresden (SächsHStA-DD) 10016 Landeshauptdeputation Loc. 41524, Nr. 3 Die königl. Preuß. Seits von Chursächßs. Und incorporierten Landen geforderte Lieferung an Rind und Schaaf Vieh samt was dem anhängig betref. Loc. 41524, Nr. 11 Die von könig. Preuß. Seits geforderte andere Recroutierung 10024 Geheimer Rat Loc. 9336 / 1
Journal des Preußischen Krieges 1756 / 1757
10025 Geheimes Konsilium Loc. 6218 Num. 76
Eingekommene Nachrichten von dem Anmarche Frantzösischer Trouppen zur Befreyung des Churfürstentums Sachsen Anno 1757, Item Die starcke Lieferungen vor selbige
672 Literaturverzeichnis Loc. 6482 Num. 2
Die in den Leipziger Kreis eingerückten königl. preuß. Trouppen und zwar in die Stadt Leipzig Anno 1756 / 1757
Loc. 6482 Num. 3
Acta Leipziger Creyß bey der Mense Sept. 1757 erfolgten Einrückung der königl. Preußischen Armee in und bey Döbeln und Marchierung über Grimma, Rötha, Pegau und Naumburg und weiter nach Erfurt, theils durch auferlegte unerschwingliche Lieferungen und Ausfouragierungen, theils durch entzogendes Zugvieh und Geschirre, unaufhörliche Vorspannungen und Gelderpreßungen
(zitiert als Acta Leipziger Creyß bey der Mense Sept. 1757 erfolgten Einrückung der königl. Preußischen Armee in und bey Döbeln und Marchierung über Grimma, Rötha, Pegau und Naumburg und weiter nach Erfurt, theils durch auferlegte unerschwingliche Lieferungen und Ausfouragierungen)
Loc. 6482 Num. 6
Die in den Chur-Creyß eingerückten Preußischen Trouppen und zwar in die Stadt Wittenberg, Belzig und Seyda und was bey sothanen Einmarch und sonst nachher vorgegangen
Loc. 6482 Num. 12
Die Einrückung derer königl. Preußischen Trouppen in das Stift Naumburg, Zeitz, und deren Verpflegungen und Fourage-Lieferungen
Loc. 6482 Num. 15
Königl. Preuß. Seits gelieferte vom Lande geforderte Fourage, Pferde- und Vieh Lieferungen sämtl. Proviant Pferden und Knechten ingleichen […] beträchtliche Anzahl Fuhren und zwar vierspännig mit gehörigen Knechten und Fütterung auff 12 bis 14 Tage geforderte Anno 1756 nichtminder Anno 1757 wie das Preußische Vorspann zu großer Belästigung der Unterthanen beständig fortgegangen. Vol. 1 (zitiert als Königl. Preuß. Seits gelieferte vom Lande geforderte Fourage, Pferde- und Vieh Lieferungen sämtl. Proviant Pferden und Knechten ingleichen […])
Loc. 6484 Num. 79
Schlacht bey Rossbach
Loc. 6484 Num. 80
Breslau und Leuthen
Loc. 6484 Num. 84
Bedrückungen der Torgauer Bürger 1757
Loc. 6484 Num. 142 Die königl. preußischer Seits mit den härtesten Bedrohungen mense Septembr. 1758 theils ausgeschrieben enorme Fouragelieferungen, theils unternommen Fouragierunge, theils die zu deren Transport auch sonst erforderlich Vorspann, Beytreibung eins 1757 herrührenden Holzfuhrrest Loc. 6501
Tabellen über die Kriegs-Schäden und Unkosten in den Niederlausitzschen Ortschaften
Loc. 6505
Berechnung der von den preußischen Truppen erhobenen Contributionen und verursachten Schäden 1756–1761
10026 Geheimes Kabinett Loc. 1086 / 8
Das Hauptzeughauß in Dresden und darinn befindlich Gewehr, Munition und Schantzzeug
Loc. 30146 / 9
Beylagen und Acta 79 Vol. 1: Vom Sept. 1756–13. May 1757
Loc. 3253 / 8
Des Hofraths Just Militär Journal betref. 1756, 1757, 1758
Literaturverzeichnis673 Loc. 3265 / 3
Listes de Canons et de Nomes de l’Arsenal de Dresdeet des autres endroits l’Année 1756 enleves
Loc. 3265 / 7
Getreide, Bernnholtz und andere dergl. Lieferung so das Landt auf Preußische Verordnung abzugeben hat
Loc. 3296 / 29
Preußische Invasion Sachen 1756–1757
10036 Finanzarchiv Loc. 31859
Lit G, Nr. 26
Loc. 34796, Rep. 41, Nr. 0016a
Die Ausbesserung der Land- und Poststraßen in der Oberlausitz 1740–1756
Loc. 35016, Rep. 54a, Nr. 197
Kriegs Unruhen durch Preußen betreffend 1757, Teil 1
Loc. 35865, Rep. 8, Nr. 460
Militär Magazin Gebäude zu Freyberg, Torgau, Wittenberg, Spremberg, Weissenfels, Bautzen, Zwickau
Loc. 36080, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 663 Die Salpeter-wercke auch einige Privilegia betreff. 1691– 1747 Loc. 36173, Rep. 9, Nr. 2856
Canzeley Acta die Errichtung eines Salpeter-Wercks betreffend 1744
10058 Kreisamt Meißen Nr. 2337 Einrückung Major Chossignon 1757 10078 Landesökonomie, Manufaktur- und Kommerziendeputation Nr. 305 Eheschließungen, Geburten, Todesfälle in den Erblanden 1753–1755, Aussaat und Ernteerträge in den Erblanden und der Lausitz 1755 10741 Statistisches Landesamt Nr. 1 11237 Geheimes Kriegsratskollegium Nr. 2643 Hauptverzeichniß aller in der Residentz Dresden befindlichen Häuser wie solche nach ergangenen allergnädigsten Befehl mit Ausgang des Jahres 1747 und Anfang des Jahres 1748 consigniret worden Nr. 2646 Consignation aller Häuser und derer Vorstädten zu Dresden welcher weder gänzlich noch gegen Entrichtung eines Aequivalents von Einrichtung befreyet worden, sondern damit würklich beleget sind. Zu Anfang des Jahres 1748 Nr. 3192 Die von dem Oberbeckermeister Zacharias intendierte Errichtung eines Ma schinen backofens und daher gesuchte Schenkung eines Platzes am Walle beym Schwartzen Thore, zu Erbauung eines Wohnhauses, ingl. derselben gehabte Differenz mit dem Mühleninspector Böhmen, wegen Vermahlung in auswärtigen Mühlen nicht weniger die Beckerey zum Campement ao. 1753 Nr. 3677 Die Aptierung des Schlosses in Zeitz zu einem Magazinhauße sämmtl. Reparaturen betreffn. Anno 1753, 1754, 1756
674 Literaturverzeichnis 13260 Generalkriegskommissariat Nr. 239 Verpflegung k. u. k. Truppen in der Oberlausitz 1757 11269 Hauptzeughaus Nr. 570
Geschütz Bestand 1763–70
Nr. 2437 Extract das beym hiesigen Hauptzeughauße und der Vestung Königstein daro vorräthigen metallen Geschützes Pulvers und anderer Munition Loc. 14572 / 11 Feindlicher Verlust beym heisigen Zeughauße welcher durch den königl. Preußischen Einfall de anno 1756 nach und nach erlitten worden 11293 Oberproviantamt Die Becker Innung wie auch das Brodt und Backwesen in Dreßden betref. 11373 Karten des Kriegsarchivs Fach XI, 36a Fach XI, 50, Nr. 57 und 58 12527 Fürstennachlass Friedrich Christian (1722–1763) Nr. 27, Briefwechsel des Kurprinzen Friedrich Christian von Sachsen mit seinem Bruder Prinz Xaver
Sächsisches Staatsarchiv, Leipzig (SächsStA L) 20443, Rittergut Königsfeld Nr. 1471 Nr. 1472 20467 Rittergut Machern mit Zeititz Nr. 152, Acta derer Preuß Troublen halber sich ereignenden Fälle, und verlangten auch prastirten Lieferung und was deme sonst anhängig 20597 Stadt Belgern Nr. 1992
Archivverbund Oberlausitz – Staatsfilialarchiv / Stadtarchiv Bautzen Bestände des Sächsischen Staatsfilialarchivs Bautzen (SächsStFilA, BZ) 50001, Landstände der Sächsischen Oberlausitz, F XXV – Siebenjähriger Krieg Nr. 2709 Nr. 2710 Nr. 2711 Nr. 2712 50009, Oberamt des Marggraftums Oberlausitz Nr. 126 Einsendung derer Feuerstädte in den Sechsstädten betreffend 1715
Literaturverzeichnis675 Bestände des Stadtarchivs Bautzen 62000, Altes Archiv, VII K (Kriegssachen) Nr. 62 Wagenlieferungen an die preussische Armee 1757 Nr. 65 / I Kriegsprästationen im Jahre 1757 und derselbigen Berechnungen Nr. 69 / I Die von denen Raths-Dorffschaften eingegebenen Liquidations von den Preussischen Trouppen während des gehaltenen Campements 1757 Nr. 74 / 1 Lieferung und Anfuhre von Back-, Bau- und Brennholtz nach Budissin, Görlitz und Lauban 1757 Nr. 75 Die Anlegung von 10 Backofen auf dem Schloße alhier vor die königl. Preuß. Trouppen ergangene Ordre dergl. Materialien und Arbeiter und diesfalls gethane Vorstellung mense Julii 1757 Nr. 148 Militärsachen 1756–1759 62001 Neues Archiv, Allgemeines Nr. 277 Statistik des Budissinschen Kreises von 1748 62007 Neues Archiv, VIIo. Militär- und Schützensachen Nr. 21 68001 Handschriftensammlung U III 126 Chronik Bautzen U III 180 Chronik Bautzen
Staatsarchiv Breslau (A[rchivum] P[aństwowe] we Wrocławiu) Landständisches Archiv der Oberlausitz – Archiwum Stanów Krajowych Górnych Łużyc Nr. 1243 Liquidationes über durch preuss. Truppen erlittener Schaden und Unkosten, 1756–1763, Vol. 1: A–E Nr. 1244 Liquidationes über durch preuss. Truppen erlittener Schaden und Unkosten, 1756–1763, Vol. 2: F–G Nr. 1245 Liquidationes über durch preuss. Truppen erlittener Schaden und Unkosten, 1756–1763, Vol. 3: I–M Nr. 1247 Liquidationes über durch preuss. Truppen erlittener Schaden und Unkosten, 1756–1763, Vol. 5: T–Z Nr. 1250 Rekruten Gestellung im Görlitzschen Kreise betr. Missiven Monotoria und Reparationes 1756–1759 Nr. 1260 Korespondenz militaire betr. 1756–1757 Nr. 1273 Königl. preuss. Ordres wegen Fourage Lieferungen vor das Prinz Beversche Corps und darauf eingegangene Kreis Ausschreiben 1757 Magistrat Miasta Wrocławia Nr. 3 Die Einrichtung und Einsendung der historischen Tabellen an Königl. Kriegs- und Domainencammer, betref. a 1mo Februaris 1750 ad ult. Decembris 1767
676 Literaturverzeichnis Nr. 1605 Acta Betreffend was bei Einnahme der Stadt Breslau 1757 vorgefallen Akta miasta Wrocławia Nr. 399 Historische Tabellen 1787
Národní Archiv Prag Repräsentationskammer von Böhmen in militärischer Hinsicht (Gubernium České MilitareCG Mil) Karton, Nr. 52 Karton, Nr. 53 Karton, Nr. 62
Service Historique de la Défense, Château des Vincennes, Paris-Vincennes (SHD, Vincennes) A1 Correspondance Générale Nr. 3440 M1 Mémoires et Reconnaissances Nr. 208 Campagne en Allemagne 1757 Armée de Soubise et L’Empire Nr. 230 Mémoires Historiques de Vivres d’Allemagne de 1757 à 1762
Stadtarchiv Cottbus A. I. 14 Militaria, 6 Nr. 1 Überlassung der vor das Haddische Korps bestimmten Brotsorten an das Bäckergewerk zum Verkauf 5. Nov. 1757 A. I. 14 Militaria, 14 Nr. 4 Acta und Nachrichten was die kayserl. Königl Truppen unterm Commando vom Feldmarschallieutnant Haddik an Portionen, Rationen und Exactiones von der Stadt Cottbus gezogen haben in ao. 1757 Nr. 5 Acta und Nachrichten Die von dem kayserl. Königl. Rittmeister Forgatz auf Befehl des Feldmarschall Lieutnant von Haddik von den hiesigen Kreise geforderten Rationes und Portiones
Stadtarchiv Dresden 2.1 Ratsarchiv / Stadtverwaltung vor 1945 GXXXII
Kriegstroublen und feindliche Einfälle, den siebenjährigen Krieg, auch Contributionen, Fourage- und Proviantlieferungen, Kriegschäden, Aufruhr und militärische Ereignisse 1849 betref.
G XXXII, Nr. 22
Protocollum über das hochlöblichen Cammer-Collegio sowohl denen hiesigen Weiß-Beckern als auch der königl. Preuß. Feldbeckeri im Jägerhofe […]
Literaturverzeichnis677 C XXXII, Nr. 26 C XXXII, Nr. 28 G XXXII, Nr. 125t
G XXXII, Nr. 125u G XXXIII G XXXIII, Nr. 18c G XXXIII, Nr. 18e
Verordnung zur Abwendung der Theurung des Getreydes de annis 1756 / 1757 Die zeithero eingerißende metzfreye Mehl- und Brodeinfuhre in hiesige Stadt betref. 1760 Die auf allergnädigsten Befehl Wegen der von dem königl. preuß. FeldKrieges-Commissariat verlangte Anzahl Schiffe zu Beschleunigung derer Magazintransports von Torgau bis Magdeburg, bey denen hiesigen Schiffsbesitzern eingezogene Erkundigung, und was dem anhängig Collectanea den siebenjährigen Krieg betreffen 1756 / 1757 Ferner den 7-jährigen Krieg insbes. die Verhandlungen der Landeshaupt deputation mit dem Preuß. Feldkriegsdirectroium betref. Königl. Preuß. Feld Kriegs-Commissariats Verordnungen, Anzeigen und Promemorias etc. vom Juli bis Dec. 1757 Die von Seiten einiger Dorfschaften des Meißnischen Kreises zum Bedürfnis der hiesigen Garnison im Winter 1756 abgelieferten Betten
A.II. Ratsprotokolle Nr. 100p Innungen, Beckerinnung Nr. 27 Beckerinnung über den Mühlen-Inspectorem wegen derer ihnen bey enstandener Kälte und Forst versagten Freyzeddel, geführte Beschwerde
Stadtarchiv Leipzig Titularakten XXXI, A(F) Nr. 6 Nr. 18 Nr. 59 Titularakten, LXI Nr. 10 Burchhardis Tagebuch oder Nachrichten aus dem Siebenjährigen Krieg
Stadtarchiv Löbau A. I., Rep. II Nr. 745 Anschlag über die Kriegslasten 1756 / 57
Stadtarchiv Magdeburg A. I. (Altes Archiv), S (u. a. Schiffe, Schifffahrtssachen etc.) Nr. 295 Schiffsbeschlag wegen einiger nach Berlin erforderten Schiffsgefäße 1740 Nr. 326 Bd. I: Schiffsbeschlag nach Berlin und Glogau betreffend 1745 Nr. 350 Schiffsgefäße so auf der Elbe gehen und deren Beschaffenheit betreffend 1751
678 Literaturverzeichnis
Stadtarchiv Naumburg Loc. 2001, XV, Nr. 8
Deputations-Acta Derer Stände des Thüringischen Creyßes wie auch derer Stifter Merseburg und Naumburg-Zeitz- Die ausgeschrieben Lieferung der Fourage, Brodt und Mehl wie auch derer Ziegel für die Königl. Preuß. Feldbäckerei betref.
Loc. 2001, XV, Nr. 13
Die Einrückung […] der Preußen […] in hiesige
Loc. 2001, XV, Nr. 111 Durchmarsch der Franzosen und anderen Kriegsvölker betreffend 1757 Loc. 2001, XV, Nr. 128 Acta Privata Die bey den löb Herren Ständen des Stifts Merseburg von hiesiger Stadt wegen der Einrückung Mense Sept. 1757 und Stille Lagers der königl. Preuß. Armee gethanenen Vorschuss haben Anforde rung und was dem anhängig betref.
Stadtarchiv Schönebeck Abt. Große Saltze, III D Nr. 7
Acta den March und Durchmarch der Regimenter in die Campagne
Nr. 8
Das während der Kampagne 1757 / 1758 ergangene betref.
Stadtarchiv Torgau Nr. H 2673
Anweisungen an den Superintendenten Grulich 1757 / 1758
Stadtarchiv Weißenfels A. I., Nr. 730 Protokoll Einquartierung und Durchmarch der Preußen Okt.–Nov. 1757 A. I., Nr. 735 Die den 5., 6., 7 und 8. Sept. in die Stadt Weissenfels eingerückten und innerhalb der Ringmauer einquartieren 250 Husaren und 2.000 Mann Infanterie von der österreichischen Armee betref. A. I., Nr. 736 Die von 11. September 1757 biß den in die Stadt einquartierten Preußischen Trouppen betref. A. I., Nr. 2619 Rechnung was die hiesige Bürgerschaft auf des königl. Preuß General von Rezow befehl an Brode geliefert mit annectierten Quittungen
Stadtarchiv Wittenberg Nr. 1153
Getreideumschippen auf Kornboden und Instruktion dazu 1747
Nr. 1856
Das zu Wittenberg aufgeschüttete Proviant Getreyde und Fourage 1756 / 1757
Nr. 1866
Die vom Feldkriegscommissariat und Directorio ausgeschriebenen Wagen
Nr. 1877
Das preuß. Lazarett zu Wittenberg Unterbringung die Versorgung desselben
Nr. 1899
Die nach Leipzig ausgeschriebene Fourage Lieferung betreffend
Domstiftsarchiv Bautzen (heute Diözesanarchiv Meißen-Bautzen) A. I., Nr. 1518 Monatsberechnungen über Getreide 1757 A. I., Nr. 3217 Das Kriegsjahr 1757 betref. A. I., Nr. 3415 Traurige Krieges-Begebenheiten sonderlich bey einem Hochwürdigen Domstift St. Petri zu Budissin 1756–1763
Literaturverzeichnis679 A. I., Nr. 3416a Das Kriegsjahr 1756 / 1757 betref. Teil 1 A. I., Nr. 3416b Das Kriegsjahr 1756 / 1757 betref. Teil 2 A. I., Nr. 3425 Anzeigen sämtlicher an Königl. Preuß. Trouppen entrichtete Contributionen und Lieferungen 1756–1763 A. I., Nr. 3428 Specification der durch Königl. Preuß. Trouppen erlittenen Kriegsschäden
b) Edierte oder gedruckte Quellen Barsewisch, C. F. R., Meine Kriegserlebnisse während des Siebenjährigen Krieges: 1757–1763, wortgetreuer Abdruck aus dem Tagebuche des Kgl. Preuß. General-Quartiermeister-Lieutenants C. F. R. von Barsewisch, Warnstorff, Berlin 1863. Bolotow, Andrej, Leben und Abenteuer des Andrej Bolotow von ihm selbst für seine Nachkommen aufgeschrieben. Erster Bd. 1738–1762, Insel Verlag, Leipzig 1989. Bräker, Ulrich, Der arme Mann im Tockenburg, L. Stachmann Verlag, Leipzig 1950. Bürger, Johann Christian August, Die Vorgänge in und um Torgau während des Siebenjährigen Krieges, namentlich die Schlacht bei Süpitz am 3. November 1760, Wienbrack, Torgau 1860. Cancrin, Georg, Üeber die Militärökonomie im Krieg und Frieden und ihr Wechselverhältnis zu den Operationen, Bd. I, St. Petersburg 1820. Clausewitz, Carl von, Vom Kriege, Weltbild Verlag, Augsburg 1998, erstmals Berlin 1832 (ungekürzte Ausgabe). – Vom Kriege, Rowohlt Verlag Berlin, Reinbek 1963, erstmals Berlin 1832 (gekürzte Ausgabe). – Der Feldzug von 1812 in Rußland und die Befreiungskriege von 1813–1815, Ferdinand Dümmerls Verlagsbuchhandlung, Berlin 1906. Cogniazzo, Freymüthiger Beytrag zur Geschichte des österreichischen Militärdienstes veranlaßt durch die Schrift über den ersten Feldzug des vierten preußischen Krieges, Frankfurt, Leipzig 1780. – Geständnisse eines Oestreichischen Veterans in politisch-militärischer Hinsicht auf die interessantesten Verhältnisse zwischen Oestreich und Preußen, während der Regierung des Großen Königs der Preußen Friedrichs des Zweyten. Zweyter Theil, bey Gottfried Löwe, Breslau 1789. Cogswell, Neil, From Lobositz to Leuthen, Hoarce St. Paul and the Campaigns of the Austrian Army in the Seven Years War 1756–1757, Helion & Company, Translated and edited by Neil Cogswell with additionl materials, Solihull, West Midlands, England 2017. DeLuca, Ignaz, Geographisches Handbuch von dem Österreichischen Staate. Dritter Bd., enthaltend Böhmen, Mähren und Schlesien, bey J. B. von Degen, Wien 1791. Dreyhaupt Johann Christoph von, Ausführliche diplomatisch-historische Beschreibung des zum ehemaligen Primat und Ertz-Stift, nunmehr aber durch den westphälischen Friedens-Schluß secularisiserten Herzogtum Magdeburg gehörgien Saal-Creyse und allerdarinnen befindlichen Städte, Schlössern, Aemter, Rittergüter, adelichen Familien, Kirchen, Pfarren und Dörffer […]. Erster Theil, Emanuel Schneider, Halle 1749. Friedrich II., Disposition für die sämmtlichen Regimenter Infanterie, wie solche sich bei dem vorfallenden Marsche gegen den Feind und bei der darauf folgenden Bataille zu verhalten haben, Selowitz, den 25. März 1742, in: Œuvres de Frédéric le Grand Tome 30, Œuvres militaires de Frédéric II roi de Prusse, T. 3, hrsg. v. Johann David Preuss, Decker, Berlin 1856.
680 Literaturverzeichnis – Disposition, wie es bei vorgehender Bataille bei Seiner Königlichen Majestät in Preussen Armee unveränderlich soll gehalten werden, wornach sich auch sowohl die Generalität, als andere commandirende Officiere stricte zu achten und solches zu observiren haben, Schweidinitz 1. Juni 1745, in: Œuvres de Frédéric le Grand Tome 30, Œuvres militaires de Frédéric II roi de Prusse, T. 3, hrsg. v. Johann David Preuss, Decker, Berlin, 1856. – Die Generalprinzipien des Krieges und ihre Anwendung auf die Taktik und Disziplin der preußischen Truppen (1748), in: Die Werke Friedrichs des Großen, Bd. 6: Militärische Schriften, hrsg. v. Gustav Berthold Volz und Friedrich von Oppeln Bronikowski, Verlag Weimar Hobbing, Berlin 1913. – Das politische Testament von 1752, in: Die Werke Friedrichs des Großen, Bd. 7: Antimachiavel und Testamente, hrsg. v. Gustav Berthold Volz und Friedrich von Oppeln Bronikowski, Verlag Weimar Hobbing, Berlin 1913. – Die Gründe meines militärischen Verhaltens (Juli 1757), in: Die Werke Friedrichs des Großen, Bd. 3: Die Geschichte des Siebenjährigen Krieges, hrsg. v. Gustav Berthold Volz und Friedrich von Oppeln Bronikowski, Verlag Weimar Hobbing, Berlin 1913. – Gedanken und allgemeine Regeln für den Krieg (1755), in: Die Werke Friedrichs des Großen, Bd. 6: Militärische Schriften, hrsg. v. Gustav Berthold Volz und Friedrich von Oppeln Broni kowski, Verlag Weimar Hobbing, Berlin 1913. – Instruction für des Prinzen Ferdinand von Braunschweig Liebden, als Gouverneur der Festung Magdeburg, Potsdam, den 1. November 1755, in: Œuvres de Frédéric le Grand Tome 30 (Bd. 30), Œuvres militaires de Frédéric II roi de Prusse, T. 3, hrsg. v. Johann David Preuss, Decker, Berlin 1856. – Instruktion Friedrichs des Großen für seine Generale von 1747, hrsg. v. Richard Fester, Schriften des Reichsinstituts für Geschichte des Neuen Deutschlands, Berlin, 1936. – Politische Correspondenz Friedrichs des Grossen, Bd. 14 (November 1756–April 1757), red. von Albert Naudé, Duncker, Berlin 1886. – Politische Correspondenz Friedrichs des Grossen, Bd. 15 (Mai–Oktober 1757), red. v. Albert Naudé, Duncker, Berlin 1887. – Politische Correspondenz Friedrichs des Grossen, Bd. 16 (November 1757–April 1758), red. v. Albert Naudé, Duncker, Berlin 1888. – Politische Correspondenz Friedrichs des Grossen, Bd. 18 (1759), red. v. Albert Naudé, Duncker, Berlin 1891. Gaudi, Friedrich Wilhelm Ernst Freiherr von, Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 2: 1757, Teil 1, bearb. von Werner Schmidtsdorff, hrsg. v. Jürgen Ziechmann, LTR-Verlag, Buchholz 2009. – Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 3: 1757, Teil 2, bearb. v. Rainer Piel, hrsg. v. Jürgen Ziechmann, LTR-Verlag, Buchholz 2011. – Journal vom Siebenjährigen Kriege, Bd. 4: 1757, Teil 3, bearb. v. Manfred Löffelholz, hrsg. v. Jürgen Ziechmann, LTR-Verlag, Buchholz 2001. – Journal des Siebenjährigen Krieges, Bd. 5: 1758, bearb. v. Manfred Löffelholz, LTR-Verlag, Buchholz 2003. – Journal des Siebenjährigen Krieges, Bd. 6: 1759, bearb. v. Patrick Neuhaus, LTR-Verlag, Buchholz 2009.
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Abbildungsnachweise Abbildung 1: Struktur der preußischen Ressourcenmobilisierung und Magazinverwaltung in der Zeit des Siebenjährigen Krieges (Autor) Abbildung 2: Magazinbäckerei zu Glatz (Staatsbibliothek zu Berlin, Kartensammlung, 1, S Kart. X 251707/6, Glatz/Detailzeichnung für die Festung und die Garnison 1747– 1756, Blatt 44: Plan, Profil et Elevation d’une Boulangerie batie a Glatz l’an 1756) Abbildung 3: Ausschnitt aus Canaletto: Pirna von der Postaer Höhe in: Schmidt, Werner, Canaletto in Pirna und auf der Festung Königstein, Canaletto Forum Pirna, Pirna, 2000, Seite 75. Abbildung 4: Heutige Zille (http://de.wikipedia.org/wiki/Zille_(Bootstyp)#mediaviewer/File:Fischer zille_L%C3 %BCA_10_m_Donau_bei_Greifenstein_Nieder %C3 %B6sterreich.jpg [letzter Zugriff am 02.05.2017]) Abbildung 5: Große Zille – damals auch bekannt als Ulmer Schachtel (http://www.schule-bw/ faecher-und-schularten/gesellschaftswissenschaftliche-und-philosophische-faecher/ landeskunde-landesgeschichte/module/epochen/neuzeit/migration/donauschwaben/ b2.jpg [letzter Zugriff am 29.01.2018]) Abbildung 6: Rekonstruktion historische Plätte (http://www.lobensommer.com/historisches [letzter Zugriff am 29.01.2018]) Abbildung 7: Die Regionen Sachsens mit ihren Bodenwerten (http://www.umwelt.sachsen.de/ umwelt/download/boden/gemdat_bobew.jpg [letzter Zugriff am 02.05.2017]) Abbildung 8: Speichergebäude in Frankfurt an der Oder (Privatarchiv Joachim Schneider) Abbildung 9: Speichergebäude in Breslau am Burgfeld (Magazin am Burgfeld in Breslau, Herder Institut e. V., Bildarchiv, Inventarnr. 130009) Abbildung 10: Getreidespeicher in Schweidnitz (Schweidnitz, Kornspeicheraufnahme, Brandenburgisches Landesamt für Denkmalpflege und Archäologisches Landesmuseum, Neg.-Nr.: 62 L7/4264.1) Abbildung 11: Ansicht des Militärproviantmagazingebäudes in Wittenberg (ebd.) Abbildung 12: Stadt und Neustadt Dresden mit Festung (Deutsche Fotothek Nr. 70400075, Seutter, Matth[äus]: Dresda ad Albim, […] Dresden an der Elb) Abbildung 13: Kornhaus in Lauban (http://www.atrakcjetechniki.karr.pl/de/seiten/1102.html [letzter Zugriff am 02.05.2017]) Abbildung 14: Salzhaus in Zittau (Fotoaufnahme des Autors) Abbildung 15: Übersichtskarte zum Operationsraum (Karte adaptiert nach Duffy, Christopher, Friedrich der Große. Ein Soldatenleben, quasi Seite 512 f. [Innenbandseiten am Ende des Buches])
694 Abbildungsnachweise Abbildung 16 Operationsentwürfe Frühjahr 1757 (Karte adaptiert nach Schwerin, Detlof Graf von, Feldmarschall Schwerin) Abbildung 17: Operationen zur Einnahme Jungbunzlaus (Karte adaptiert nach OestKA, Kartenund Plansammlung, B IX a 92, Sekt 58) Abbildung 18: Zeitgenössische Karte zur Schlacht bei Prag (siehe OestKA, Karten- und Plansammlung, Kriegskarten, H IIIe, Nr. 1464) Abbildung 19: Operationsverlauf bis Schlacht bei Prag (Karte adaptiert nach Duffy, Christopher, Friedrich der Große. Ein Soldatenleben, Karte 14) Abbildung 20: Kontrollanteile an den Kreisen Böhmens (Karte adaptiert nach http://commons. wikimedia.org/wiki/File:Josephinische_Landaufnahme_Boemia.jpg [letzter Zugriff am 30.05.2017]) Abbildung 21: Operativ-logistische Lage Mitte Mai 1757 (Karte adaptiert nach Schwerin, Detlof, Feldmarschall Schwerin) Abbildung 22: Einteilung der Belagerungsarmee vor Prag (Karte adaptiert nach Großer Generalstab, Die Kriege Friedrichs des Großen. Dritter Theil, Bd. 3: Kolin, Anhang 3) Abbildung 23: Operativ-logistische Lage Ende Mai 1757 (Karte adaptiert nach Schwerin, Detlof, Feldmarschall Schwerin) Abbildung 24: Operativ-logistische Situation Mitte Juni 1757 (Karte adaptiert nach Schwerin, Detlof, Feldmarschall Schwerin) Abbildung 25: Operative Lage unmittelbar bei Kolin (Karte adaptiert nach: OestKA, AFA, Nr. 620: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 XIII, Faszikel 244, Nr. 15) Abbildung 26: Blick Richtung Wirtshaus Goldene Sonne (Fotoaufnahme des Autors) Abbildung 27: Blick Richtung Höhe von Koller (Fotoaufnahme des Autors) Abbildung 28: Geänderter Aufmarschplan der Schlacht bei Kolin (Karte urspürnglich enthalten in Grundzüge der deutschen Militärgeschichte, Bd. 2, Seite 78, adaptiert auf Grundlage der überarbeiteten Version nach freundlicher Bereitstellung durch die Kartenstelle des ZMSBw Potsdam) Abbildung 29: Rückzug von Prag und Kolin Mitte Juni (Karte adaptiert nach Ziebura, Eva, Prinz August Wilhelm von Preußen, Seite 213) Abbildung 30: Logistische Situation Anfang Juni 1757 (Karte adaptiert nach Schwerin, Dettlof Graf von, Feldmarschall Schwerin) Abbildung 31: Umgebung v. Neuschloss und Böhmisch-Leipa Karte adaptiert nach OestKA, Plan- und Kartenabteilung, B IXa92, Sekt. 18) Abbildung 32: Österreichische Hauptarmee im Isertal (Karte adaptiert nach OestKA, AFA, Nr. 620: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 XIII, Faszikel 244, Karte 2) Abbildung 33: Überblickskarte zum Rückzug der Armee des Prinzen August Wilhelm von Preußen (Karte adaptiert nach Ziebura, Eva, Prinz August Wilhelm von Preußen, Seite 213) Abbildung 34: Rückzugsroute über Böhmisch-Kamnitz (Karte adaptiert nach OestKA, Plan- und Kartenabteilung, B IXa92, Sekt. 18) Abbildung 35: Heutiges Gelände in den Pässen des böhmisch-sächsischen Grenzgebirges (Fotoaufnahme des Autors)
Abbildungsnachweise695 Abbildung 36: Rückzugsroute der Armee am 18. Juli 1757 (Karte adaptiert nach OestKA, Planund Kartenabteilung, B IXa92, Sekt. 10) Abbildung 37: Logistisch-operative Gesamtlage in Böhmen im Juli 1757 (Karte adaptiert nach http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Josephinische_Landaufnahme_Boemia. jpg [letzter Zugriff am 09.05.2017]) Abbildung 38: Logistische Situation im Operationsraum Ende Juli 1757 (Karte adaptiert nach Duffy, Christopher, Friedrich der Große. Ein Soldatenleben, quasi Seite 512 f.) Abbildung 39: Rückzugs- und Sicherungsgefechte entlang der Elblinie Mitte–Ende Juli 1757 (Karte adaptiert nach OestKA, Plan- und Kartenabteilung, B IXa92 Sekt. 26 und Sekt. 39) Abbildung 40: Operative Lage im Operationsgebiet Anfang August 1757 (Karte adaptiert nach: Der große illustrierte Weltatlas, Seite 117) Abbildung 41: Heutiger Blick von Bautzen auf die Landschaft der östlichen Oberlausitz (Autor) Abbildung 42: Zeitgenössischer Plan des befestigten Bautzen mit Bäckereistandorten (Bild adaptiert nach: http://www.deutschefotothek.de/documents/obj/70302189/df_dk_0000 74 [letzter Zugriff am 09.05.2017]) Abbildung 43: Operativ-logistische Situation in der Oberlausitz Mitte August 1757 (Karte adaptiert nach: Der große illustrierte Weltatlas, Seite 117) Abbildung 44: Versorgungslage der Österreicher Ende Juli–Mitte August 1757 (Karte adaptiert nach: http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Josephinische_Landaufnahme_Boe mia.jpg [letzter Zugriff am 11.05.2017]) Abbildung 45: Vereinigung der preußischen Korps in der Oberlausitz Mitte August 1757 (Karte adaptiert nach: Der große illustrierte Weltatlas, Seite 117) Abbildung 46: Logistische Situation in der 2. Augusthälfte 1757 (Karte adaptiert nach: Der große illustrierte Weltatlas, Seite 117) Abbildung 47: Operativ-logistische Gesamtlage in Sachsen und Schlesien Ende August 1757 (Karte adaptiert nach: Der große illustrierte Weltatlas, Seite 117) Abbildung 48: Operativ-logistische Situation Mitte September 1757 auf dem Hauptkriegsschauplatz (Karte adaptiert nach: Duffy, Christopher, Friedrich der Große. Ein Soldatenleben, quasi Seite 512 f.) Abbildung 49: Operativ-logistische Lage in Böhmen, Sachsen und Schlesien Anfang Oktober 1757 (Karte adaptiert nach: Schwerin, Detlof, Feldmarschall Schwerin) Abbildung 50: Operative Situation auf dem westliche Kriegsschauplatz Ende August/September1757 (Karte adaptiert nach: Duffy, Christopher, Friedrich der Große. Ein Soldatenleben, quasi Seite 512) Abbildung 51: Operativ-logistische Lage in Schlesien vor dem Hintergrund der geographischen Bedingungen im Oktober und November 1757 (Karte adaptiert nach: http://www. breslau-wroclaw.de/de/breslau/geographic/maps/map_images/panoramakarte_1935. jpg [letzter Zugriff am 15.05.2017]) Abbildung 52: Festung Schweidnitz und Belagerungsverbände in zeitgenössischem Plan Karte adaptiert nach: OestKA, Karten- und Plansammlung, Kriegskarten, H IIIe 1516) Abbildung 53: Geschützstellungen und Geschossflugbahnen bei der Belagerung von Schweidnitz (Karte adaptiert nach: St. Paul, Horace, A Journal of the First Two Campaigns of the Seven Years War, No. 58
696 Abbildungsnachweise Abbildung 54: Plan der Schlacht bei Breslau am 22. November 1757 (Karte adaptiert nach: OestKA, Karten- und Plansammlung, Kriegskarten, H IIIe, Nr. 1388) Abbildung 55: Ursprünglicher Aufmarsch der Österreicher vor und Angriff in der Schlacht bei Leuthen (Karte adaptiert nach: OestKA, Karten- und Plansammlung, Kriegskarten, H IIIe, Nr. 1447) Abbildung 56: Aufmarsch und erste Phase der Schlacht bei Leuthen (Karte adaptiert nach: Gefechtslinie der Österreicher, Aufmarschformation der preußischen Armee hinzugefügt) Abbildung 57: Zeitgenössischer Plan des Verlaufs der Schlacht bei Leuthen (siehe OestKA, AFA, Nr. 620: Siebenjähriger Krieg Hauptarmee 1757 XIII [244–252], Faszikel 244) Abbildung 58: Operationen der gegnerischen Streitkräfte in Schlesien nach der Schlacht bei Leuthen im Dezember 1757 (Karte adaptiert nach: http://www.breslau-wroclaw.de/de/ breslau/geographic/maps/map_images/panoramakarte_1935.jpg [letzter Zugriff am 13.05.2017]) Abbildung 59: Belagerung von Breslau Mitte Dezember 1757 (Karte adaptiert nach: OestKA, Karten- und Plansammlung, Kriegskarten, H IIIe Nr. 1504) Abbildung 60: Generalnachweise aller Kriegskosten (Niemeyer, Joachim, Die Bewaffnung und Ausrüstung der Armee Friedrichs des Großen, Seite 83. Zur genauen Aufschlüsselung siehe GStAPK, I. HA., Rep. 94 IV Lc, Nr. 7: Nachweisung der Kriegskosten 1756–1760) Abbildung 61: Strategische Lage im Frühjahr 1759 (Karte adaptiert nach: Duffy, Christopher, Friedrich der Große. Ein Soldatenleben, quasi Seite 512 f. [Innenbandseiten am Ende des Buches]) Abbildung 62: Strategische Lage im Sommer 1759 (Karte adaptiert nach: Duffy, Christopher, Friedrich der Große. Ein Soldatenleben, quasi Seite 512 f. [Innenbandseiten am Ende des Buches])