Martin Luther und das Buch: Eine historische Studie zur Bedeutung des Buches im Handeln und Denkendes Reformators 3161465997, 9783161585654, 9783161465994

Das Buch war ein zentraler Gegenstand im Leben des Reformators. Der Autor untersucht den praktischen Umgang Luthers mit

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German Pages 385 [397]

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Table of contents :
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Titel
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Einleitung
Thematik und Forschungssituation
Entfaltung des Themas und methodische Überlegungen
1. Luthers Umgang mit dem Buch als Handlungsfeld
1.1. Lektüre bei Luther
1.2. Die Verfügung über Bücher bei Luther
1.3. Luthers Verhältnis zur Buchherstellung
1.3.1. Luthers geschäftliches Verhältnis zur Buchherstellung
1.3.2. Luthers Verhältnis zur Technik der Buchherstellung
1.3.3. Luthers Betätigung als Herausgeber und Redaktor
1.3.4. Luthers Verhältnis zur Buchherstellung am Beispiel seiner Bibelübersetzung
1.4. Zusammenfassende Interpretation der Ergebnisse und Folgerungen für den Fortgang der Untersuchung
2. Zum Begriff des Buches bei Luther
2.1. Allgemeine Merkmale des Buchbegriffes
2.2. Der Begriff des Buches in Wortverbindungen
2.2.1. Die Wortverbindung historisch-individueller Bestimmungen mit dem Buchbegriff
2.2.2. Die Wortverbindung genereller Bestimmungen mit dem Buchbegriff
2.2.3. Die Wahrheit als Unterscheidungsprinzip der Lutherschen Wortverbindungen mit dem Buchbegriff
2.3. Exkurs: Der Buchbegriff als Metapher
2.3.1. Buch des Lebens, Buch – Christus – Glaube
2.3.2. Buch – Herz
2.3.3. Buch – Gesetz
2.3.4. Buch – Gottesferne
2.3.5. Buch – Gottes Schöpfung – Auferstehung
2.3.6. Zusammenfassende Interpretation der Lutherschen Buchmetaphorik
3. Luthers Vorstellung vom Buch im Zusammenhang gesellschaftlicher Realität
3.1. Die Bildungsfunktion des Buches
3.1.1. Die Bildungsfunktion des Buches im allgemeinen
3.1.2. Der Bildungswert des Buches für das weltliche Regiment und die Welt insgesamt
3.1.3. Der Bildungswert des Buches für die Religion
3.1.3.1. Die Bibel als Buch des Lernens
3.1.3.2. Die Bedeutung nichtbiblischer Bücher für die religiöse Bildung
3.1.3.3. Die Bedeutung des Katechismus für die religiöse Bildung
3.1.3.4. Résumé: Die biblische Wahrheit als Maßstab des religiösen Bildungswertes des Buches
3.1.4. Buch und Bildung in sozialer Perspektive
3.2. Buch und Öffentlichkeit
3.2.1. Forschungssituation und Fragestellung
3.2.2. Die Konstitution von Öffentlichkeit im Sinne sozialer Allgemeinheit durch das Buch
3.2.3. Das Buch im Kontext der öffentlichen Auseinandersetzung um die Wahrheit
3.3. Freiheit und Begrenzung des Buches bei Luther
3.3.1. Luthers Buchkritik
3.3.2. Luthers Haltung gegenüber Eingriffen ins Buchwesen
3.3.2.1. Luthers Haltung zur Vernichtung von Büchern
3.3.2.2. Luthers Haltung zur Zensur
3.3.3. Résumé
4. Buch und Predigt: zum Stellenwert des geschriebenen und des mündlichen Wortes bei Luther
4.1. Die Komplementarität von Buch und Predigt
4.2. Der Vorrang des inneren Hörens vor der sinnlichen Rezeption des Wortes
4.3. Luthers buch- und predigtspezifische Rede in theologisch-hermeneutischer Perspektive
4.3.1. Die Wirkungsmacht des Wortes
4.3.2. Die Wirkungsmacht des Wortes im Anschluß an die systematischen Unterscheidungen Luthers in buch- und predigtspezifischer Rede
4.4. Zusammenfassung und Schlußfolgerungen zum Buch vor dem Hintergrund von Lutherinterpretationen zum geschriebenen und gepredigten Wort
5. Buch und Geschichte bei Martin Luther
5.1. Die historische Funktion des Buches
5.2. Die geschichtliche Existenz des Menschen als Zeit des Buches
5.2.1. Das Buch in der Geschichte als Zeit unter der Sünde
5.2.2. Der mundus originalis als buchloses Zeitalter
5.2.3. Das Buch als Ausdruck von Geschichte
5.3. Buch und historisches Geschehen
5.3.1. Der Beitrag von Büchern zum historischen Geschehen
5.3.2. Epochale Rekonstruktion von Geschichte im Spiegel der Bücher
Zum Ertrag der Untersuchung in systematischer Perspektive
Quellen- und Literaturverzeichnis
1. Quellen
2. Hilfsmittel
3. Literatur
Register
1. Register der historischen und biblischen Personen
2. Register der modernen Autoren
3. Register der Geographica und Sprachen
4. Sachregister
5. Register der Bibelstellen
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Martin Luther und das Buch: Eine historische Studie zur Bedeutung des Buches im Handeln und Denkendes Reformators
 3161465997, 9783161585654, 9783161465994

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Spätmittelalter und Reformation Neue Reihe herausgegeben von Heiko A. Oberman in Verbindung mit Kaspar Elm, Bernd Hamm, Jürgen Miethke und Heinz Schilling

8

Martin Luther und das Buch Eine historische Studie zur Bedeutung des Buches im Handeln und Denken des Reformators von

Holger Flachmann

J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) Tübingen

Die Deutsche Bibliothek Flachmann,

-

CIP-Einheitsaufnahme

Holger:

Martin Luther und das Buch : eine historische Studie zur Bedeutung des Buches im Handeln und Denken des Reformators / von Holger Flachmann. Tübingen : Mohr, 1996 (Spätmittelalter und Reformation ; N.R., 8) ISBN 3-16-146599-7 NE: GT 978-3-16-158565-4 Unveränderte eBook-Ausgabe 2019

© 1996 J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) Tübingen. Das Werk einschließlich aller seinerTeile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Computersatz Staiger in Pfäffingen aus der Bembo-Antiqua belichtet, auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier der Papierfabrik Niefern von GuideDruck in Tübingen gedruckt und von der Großbuchbinderei Heinrich Koch in Tübingen gebunden. ISSN 0937-5740

Dem Andenken meines Vaters, meiner Mutter und meiner Frau Doris

Vorwort Die hiermit im Buch vorgelegte Arbeit wurde im Sommersemester 1995 von der Fakultät für Geschichtswissenschaft und Philosophie der Universität Bielefeld als Dissertation angenommen. Die Anfänge der Studie gehen auf die Zeit nach meinem Bibliotheksreferendariat zurück, in der ich als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Bielefelder rechtshistorischen und -philosophischen Lehrstuhl von Herrn Prof. Dr. Wolfgang Schild tätig gewesen bin. Herrn Prof. Schild spreche ich an dieser Stelle für mannigfaltige Unterstützung, persönliche Begleitung und geistige Anregung bis ins Rigorosum meinen Dank aus. Durchgeführt wurde die Untersuchung in Münster, wo ich seit 1990 als Wissenschaftlicher Bibliothekar an der Westfälischen Wilhelms-Universität tätig bin. Hier bot sich mir, dem Fachreferenten für Theologie der Universitäts- und Landesbibliothek, ein akademisches und organisatorisches U m feld mit optimalen Möglichkeiten der Literatur- und Quellenbeschaffung, das ich mit Dankbarkeit habe nutzen dürfen. Danken möchte ich auch den anderen Bibliotheken und wissenschaftlichen Einrichtungen, ohne deren Dienstleistungen diese Untersuchung nicht hätte zustande kommen können. Besonders sei hier das Tübinger Institut für Spätmittelalter und R e f o r mation genannt, dessen Lutherregister eine unentbehrliche Hilfe darstellte. Die Dissertationsgutachten fertigten meine langjährigen Bielefelder historischen Lehrer Prof. Dr. Heinrich Rüthing und Prof. Dr. Klaus Schreiner an. Für die Betreuung der Doktorarbeit sei Ihnen gedankt und mit der Publikation des Werkes die gebührende Reverenz erwiesen. Dem Verleger Herrn Georg Siebeck und seinen Mitarbeitern habe ich zu danken, daß die Studie noch im Lutherjahr 1996 ,im Druck ausgehen' kann, um eine Wendung des Reformators zu gebrauchen. Für die Aufnahme des Titels in die R e i h e „Spätmittelalter und Reformation" beim Verlag Mohr Siebeck spreche ich den Herausgebern meinen Dank aus. Schließlich gilt meiner Bielefelder Kollegin Frau Oberbibliotheksrat Gabriele Crusius herzlicher Dank dafür, an der Arbeit mit kritischer Lektüre und mühevollem Korrekturlesen Anteil genommen zu haben. Münster in Westfalen, im Juni 1996

Holger Flachmann

So das Euangelion und allerley kunst soll bleyben, mus es yhe ynn buecher und schrifft verfasset und angebunden seyn. MARTIN LUTHER, An die Ratherren aller Städte deutschen Lands,

1524 ( W A 15,49,14F.)

Inhaltsverzeichnis Vorwort

III

Abkürzungsverzeichnis

IX

Einleitung

1

Thematik und Forschungssituation

1

Entfaltung des Themas und methodische Überlegungen

5

1.

Luthers U m g a n g mit dem Buch als Handlungsfeld

10

1.1. 1.2. 1.3. 1.3.1. 1.3.2. 1.3.3. 1.3.4.

Lektüre bei Luther Die Verfügung über Bücher bei Luther Luthers Verhältnis zur Buchherstellung Luthers geschäftliches Verhältnis zur Buchherstellung Luthers Verhältnis zur Technik der Buchherstellung Luthers Betätigung als Herausgeber und Redaktor Luthers Verhältnis zur Buchherstellung am Beispiel seiner Bibelübersetzung Zusammenfassende Interpretation der Ergebnisse und Folgerungen für den Fortgang der Untersuchung

12 30 35 36 43 45

2.

Z u m Begriff des Buches bei Luther

69

2.1. 2.2. 2.2.1.

Allgemeine Merkmale des BuchbegrifFes 70 Der Begriff des Buches in Wortverbindungen 79 Die Wortverbindung historisch-individueller Bestimmungen mit dem Buchbegriff 80 Die Wortverbindung genereller Bestimmungen mit dem Buchbegriff. . 85 Die Wahrheit als Unterscheidungsprinzip der Lutherschen Wortverbindungen mit dem Buchbegriff 88 Exkurs: Der Buchbegriff als Metapher 93 Buch des Lebens, Buch - Christus - Glaube 94 Buch-Herz 96 Buch - Gesetz 98 Buch - Gottesferne 100 Buch - Gottes Schöpfung - Auferstehung 103 Zusammenfassende Interpretation der Lutherschen Buchmetaphorik . . 112

1.4.

2.2.2. 2.2.3. 2.3. 2.3.1. 2.3.2. 2.3.3. 2.3.4. 2.3.5. 2.3.6.

55 63

VIII

3. 3.1. 3.1.1. 3.1.2. 3.1.3. 3.1.3.1. 3.1.3.2. 3.1.3.3. 3.1.3.4. 3.1.4. 3.2. 3.2.1. 3.2.2. 3.2.3. 3.3. 3.3.1. 3.3.2. 3.3.2.1. 3.3.2.2. 3.3.3.

4. 4.1. 4.2. 4.3. 4.3.1. 4.3.2. 4.4.

Inhaltsverzeichnis

Luthers Vorstellung vom Buch im Zusammenhang gesellschaftlicher Realität

119

D i e Bildungsfunktion des Buches D i e Bildungsfunktion des Buches im allgemeinen D e r Bildungswert des Buches für das weltliche R e g i m e n t

119 119

und die Welt insgesamt D e r Bildungswert des Buches für die Religion Die Bibel als B u c h des Lernens Die Bedeutung nichtbiblischer B ü c h e r für die religiöse Bildung Die Bedeutung des Katechismus für die religiöse Bildung R é s u m é : D i e biblische Wahrheit als Maßstab des religiösen Bildungswertes des Buches B u c h und Bildung in sozialer Perspektive B u c h und Öffentlichkeit Forschungssituation und Fragestellung Die Konstitution von Öffentlichkeit im Sinne sozialer Allgemeinheit durch das B u c h Das B u c h im Kontext der öffentlichen Auseinandersetzung um die Wahrheit Freiheit und Begrenzung des Buches bei Luther Luthers Buchkritik Luthers Haltung gegenüber Eingriffen ins Buchwesen Luthers Haltung zur Vernichtung von B ü c h e r n Luthers Haltung zur Zensur Résumé

124 135 137 145 155

183 191 193 200 202 211 220

Buch und Predigt: zum Stellenwert des geschriebenen und des mündlichen Wortes bei Luther

226

Die Komplementarität von B u c h und Predigt D e r Vorrang des inneren Hörens vor der sinnlichen Rezeption des Wortes Luthers b u c h - und predigtspezifische R e d e in theologisch-hermeneutischer Perspektive D i e Wirkungsmacht des Wortes Die Wirkungsmacht des Wortes im Anschluß an die systematischen Unterscheidungen Luthers in b u c h - und predigtspezifischer R e d e . . . .

166 169 174 174 179

226 238 246 246 253

Zusammenfassung und Schlußfolgerungen zum B u c h vor dem Hintergrund von Lutherinterpretationen zum geschriebenen und gepredigten Wort

260

5.

Buch und Geschichte bei Martin Luther

276

5.1.

D i e historische Funktion des Buches

276

5.2. 5.2.1. 5.2.2.

D i e geschichtliche Existenz des Menschen als Zeit des Buches Das B u c h in der Geschichte als Zeit unter der Sünde D e r mundus originalis als buchloses Zeitalter

280 281 287

Inhaltsverzeichnis

5.2.3. 5.3. 5.3.1. 5.3.2.

Das Buch als Ausdruck von Geschichte Buch und historisches Geschehen Der Beitrag von Büchern zum historischen Geschehen Epochale Rekonstruktion von Geschichte im Spiegel der Bücher . . . .

IX

296 306 306 313

Zum Ertrag der Untersuchung in systematischer Perspektive

326

Quellen- und Literaturverzeichnis

333

1. Quellen

333

2. Hilfsmittel

333

3. Literatur

334

Register

347

1. Register der historischen und biblischen Personen

348

2. Register der m o d e r n e n Autoren

351

3. Register der Geographica und Sprachen

353

4. Sachregister

355

5. Register der Bibelstellen

384

Abkürzungsverzeichnis D i e abgekürzte Zitierweise der biblischen Bücher erfolgt nach: Siegfried M . SCHWERTNER, I A T G (2). Internationales Abkürzungsverzeichnis für T h e o l o g i e und Grenzgebiete. Zeitschriften, Serien, Lexika, Quellenwerke mit bibliographischen Angaben. 2., Überarb. u. erw. Aufl. Berlin, N e w York 1992 CCL CSEL

CORPUS CHRISTIANORUM. S e r i e s L a t i n a . T u r n h o u t 1 9 5 3 ff. C O R P U S SCRIPTORUM ECCLESIASTICORUM LATINORUM. K a i s e r l i c h e A k a -

demie [1922ff.: Akademie] der Wissenschaften zu Wien [Hrsg.] Wien 1866 ff. EßELING,

EBELING, G E R H A R D : L u t h e r s t u d i e n . B d . 1 - 3 . T ü b i n g e n

Lutherstudien I—III

B d . 1 1971 [= Lutherstudien I ] . - B d . 2. Disputatio de homine.Teilbde. 1 - 3 [= Lutherstudien II]. — Teilbd. 2,1. Text und Traditionshintergrund. 1977. - Teilbd. 2,2. D i e philosophische Definition des Menschen. 1982. — Teilbd. 2,3. D i e theologische Definition des Menschen. 1989. — B d . 3. Begriffsuntersuchungen, Textinterpretationen, Wirkungsgeschichtliches. 1985 [= Lutherstudien III]

-

GESCHICHTLICHE GRUNDBEGRIFFE. H i s t o r i s c h e s L e x i k o n zur p o l i t i s c h -

GG

Leben und Werk

LuJ Luther MPL TRE VD

1977-1989.

sozialen Sprache in Deutschland. Hrsg. von O t t o Brunner, Werner C o n ze, Reinhart Koselleck. B d . 1 - 6 . Stuttgart 1 9 7 2 - 1 9 9 2 LEBEN und Werk Martin Luthers von 1526 bis 1546. Festgabe zu seinem 500. Geburtstag. Im Auftrag des Theologischen Arbeitskreises für R e f o r mationsgeschichtliche Forschung hrsg. von Helmar Junghans. 1. Aufl. Bd. 1 - 2 . [Text- u. Anmerkungsbd.] Göttingen 1983 LUTHERJAHRBUCH. Jahrbuch der Luthergesellschaft. J g . 1 ff. Leipzig 1919 ff. [jetzt Göttingen] LUTHER. Zeitschrift der Luthergesellschaft. J g . 1 ff. Berlin-Grunewald 1919 ff. [jetzt Göttingen] PATROLOGIAE CURSUS COMPLETUS. Series Prima: Series Latina. JacquesPaul M i g n e [Hrsg.] B d . 1 - 2 2 1 , Paris 1 8 4 4 - 1 8 6 5 THEOLOGISCHE REALENZYKLOPÄDIE. H r s g . v o n G e r h a r d K r a u s e u. G e r -

16

WA WA Br WATr WA D B ZThK

hard Müller. Berlin, N e w York 1976 ff. VERZEICHNIS der im deutschen Sprachbereich erschienenen D r u c k e des X V I . Jahrhunderts. V D 16. Hrsg. von d. Bayerischen Staatsbibliothek in M ü n c h e n in Verbindung mit d. Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel. Stuttgart 1983 ff. - [Abteilung 1], Verfasser, Körperschaften, Anonyma LUTHER, Martin: D. Martin Luthers Werke. Kritische Gesamtausgabe. Weimar 1883 ff. [Weimarer Ausgabe], - [Abteilung 1]. Schriften [Abteilung 2], Briefwechsel [Abteilung 3],Tischreden 1 5 3 1 - 1 5 4 6

[Abteilung 4], D i e Deutsche Bibel ZEITSCHRIFT

FÜR THEOLOGIE U N D

[jetzt Tübingen]

KIRCHE. J g .

1 ff. F r e i b u r g

1 8 9 1 ff.

Einleitung Thematik

und

Forschungssituation

»So das Euangelion und allerley kunst soll bleyben, mus es yhe ynn buecher und schrifft verfasset und angebunden seyn« 1 . Mit diesen Worten aus seiner 1524 veröffentlichten Schrift »An die Ratherren aller Städte deutschen Lands, daß sie christliche Schulen aufrichten und halten sollen« 2 nimmt Luther eine historische Einordnung vor, mit welcher er der schriftlichen Uberlieferung und insbesondere dem Buch eine herausragende B e deutung beimißt. Das Urteil des Reformators besagt nichts weniger, als daß sowohl die religiöse, nämlich die christliche Wahrheit für die Menschen 3 als auch die Erkenntnis und Gelehrsamkeit der Menschen 4 in ihrem Fortbestand auf Schrift und Buch angewiesen sind 5 . Zusätzliches Gewicht erlangt 1 W A 15,49,14 f. Luthers Schriften werden nach der Weimarer Ausgabe (WA) zitiert, und zwar wie vorstehend in der Form: Abteilung (gemäß Abkürzungsverzeichnis), Band, Seite, Zeile. Letztere werden nur bedarfsweise mit den Abkürzungen Bd., S., Z. bezeichnet. 2 Hier auch als »Ratsherrenschrift« bezeichnet. Soweit keine anderen Quellen benannt sind, werden die Sachtitel der Werke Luthers und ggf. weitere zugehörige Titelangaben nach KURT ALAND, Hilfsbuch zum Lutherstudium. Bearb. in Verbindung mit Ernst Otto Reichert u. Gerhard Jordan. 3., neubearb. u. erw. Aufl. Witten 1970, angeführt. 3 >Evangelium< wird hier als Synekdoche für die auf die Bibel gegründete christliche Glaubensbotschaft insgesamt verwandt. 4 Zur weiten Bedeutung des frühneuhochdeutschen >Kunst< vgl. ALFRED GÖTZE, Frühneuhochdeutsches Glossar. 7. Aufl. Berlin 1967 u. besonders auch mit einer R e i h e von Nachweisen für Luther den Artikel »Kunst« bei JACOB U.WILHELM GRIMM, Deutsches Wörterbuch. Bd. 1 - 3 3 . Leipzig 1854-1984; hier Bd. 5. 1873, Sp. 2666-2684. Im Kontext der Ratsherrenschrift hat Luther mit >Kunst< besonders geistige, sprachliche und wissenschaftliche Kenntnis, also Bildung und gelehrtes Wissen im Blick (vgl. ebd., Sp. 2668—2672). Er kann >Kunst< aber auch im künstlerischen oder im praktischen und angewandten Sinne wie dem von Fertigkeit und Handwerkskunst verwenden (vgl. ebd., Sp. 2675; 2678 i.V.m. 2683; 2681). 5 Daß es Luther um die Gesamtheit von Erkenntnis geht, zeigt die dichotomische R e d e von >Evangelium< und >allerlei Kunstweltlicher Kunst< (vgl. ebd., Sp. 2668) das menschliche Komplement zum Evangelium als Repräsentanten göttlicher Wahrheit darstellt. Von hierher versteht sich auch seine Verwendung von >allerleivorgenommenmit allem Fleiß< zu lesen bringt schließlich das ganze Leben in Ordnung, was Luther p o e tisch in den R e i m faßt: »Wie einer lieset in der Bibel, / So stehet am Hause sein Gibel.« 35 Auch vom konkreten Leseverfahren her war die Intensität der Lutherschen Lektüre durch das Verstehen als Maxime bestimmt. 1522 im »Sermon von d e m heiligen Kreuze« vertritt Luther die Auffassung, daß die oberflächliche und flüchtige BeschäFtigung mit der Bibel den Sinn des Textes verfehle. In Auseinandersetzung mit M t 22,37 begründet er dies mit der verallgemeinerbaren hermeneutischen Forderung: »Wer daz allain oben hin lyßet, der versteet es nit, wie der hye thut, man m u ß neyn geen u n d dynnen anse28 29 30 31 32

WA 32,65,1-3. WA 48,215,7. Vgl. WA 48,215,7-25, das Zitat Z. 19. WATr 4,433,9 f. (Nr. 4691). Vgl. WA 48,119,3. S.a. unten den Abschnitt »3.1.3.1. Die Bibel als Buch des Ler-

nens«. 33

WA 48, 119,10-13. Vgl. ebd., Z. 13 f. W A T r 6,366,7 f. (Nr. 7066) Unter dem LeitbegrifF der Bildung wird der Lebensbezug des Buches im Abschnitt »3.1. Die Bildungsfunktion des Buches« näher ausgeführt. 34

35

18

Luthers Umgang mit dem Buch

hen« 36 . Demzufolge ist das lesevermittelte Textverstehen für Luther das E r gebnis einer geistigen Aktivität, deren materiales Substrat er mit Begriffen des R a u m e s u n d der Zeit als Bewegung u n d damit als Handeln näher charakterisiert. Positiv verlangt Luther, in den Text hineinzugehen. Dieses Eindringen macht es erforderlich, den Text von innen her zu betrachten und zu entschlüsseln, wobei nicht »oben hin« zu lesen meint, sowohl denkend zu verweilen als auch gerade beim konkret vorfindlichen Text in seiner literalen Gestalt zu bleiben. Dies näher zu erläutern kann an dieser Stelle nicht bedeuten, die Luthersche H e r m e n e u t i k ausfuhrlicher zu entfalten 3 7 . Im Sinne der hier leitenden Perspektive des Lesens als Handeln sollen vielmehr bei Luther faßbare Aspekte des äußerlich wahrnehmbaren Lektüreverhaltens sowie des vom Leser intentional steuerbaren Umgangs mit dem Gelesenen skizziert werden. Beide M o m e n t e lassen sich als eine K o m m u n i k a tionsform im Verhältnis des Lesers zum Text rekonstruieren 3 8 . Einerseits war Luthers intensive Lektüre keineswegs darauf beschränkt, sich auf den Text nur visuell zu konzentrieren. In der »Vorrede zu Wenzeslaus Link, Das erst Teil des Alten Testaments« von 1543 betrachtet Luther Lektüre als einen Prozeß des Forschens u n d Lesens, für den es zusätzlich forderlich sei, eigene Gedanken beim Studieren >guter Bücher< u n d der Bibel schriftlich festzuhalten: »Nun kan sollich forschen und lesen nit gschehen, man m u ß mit der feder da sein u n d auffzeychnen, was j m under dem lesen und studieren sunderlich eyngeben ist, das ers mercken u n d behalten künde.« 39 In diesem Sinne hat Ernst Thiele bereits 1917 daraufhingewiesen, daß Luther »gern mit der Feder in der Hand« 4 0 las. Luther hat beim Lesen wertende Kommentare auf den R a n d der Bücher geschrieben; deren Einbanddeckel u n d Vorsatzblätter nutzte er für Notizen, die aus der Lektüre erwuchsen. N o c h näher mit dem eigentlichen Lesevorgang waren seine Anstreichungen und Unterstreichungen im Buch verbunden. Beide Verfahrensweisen erachtete er als vorbildhaft für das Textverstehen. Er formulierte 36

WA 10 111,338,14 f. Näheres hierzu s. im Kap. »4. Buch und Predigt: zum Stellenwert des geschriebenen und des mündlichen Wortes bei Luther«. 38 Die hermeneutisch umfassendere Analyse würde den Autorenbezug einbeziehen müssen. In dieser Hinsicht spricht die sprachwissenschaftliche Leseforschung von »Lesen als Kommunikationsform« oder von »Lesen als Kommunikation«, vgl. A N G E L A F R I T Z A L E X A N D R A S U E S S , Lesen. Bedeutung der Kulturtechnik Lesen fur den gesellschaftlichen Kommunikationsprozeß. Konstanz 1986 (= Schriften der Deutschen Gesellschaft fur C O M N E T . Bd. 6), 14-17 u. H U G O A U S T , Lesen. Überlegungen zum sprachlichen Verstehen.Tübingen 1983 (= Konzepte der Sprach- und Literaturwissenschaft. Bd. 31), 37

1-8. 39

WA 54,3,28-30. Die Originalhandschriften Luthers. In: Lutherstudien zur 4 . Jahrhundertfeier der Reformation. Veröffentlicht von d. Mitarbeitern d. Weimarer Lutherausgabe. Weimar 1917, 233—260; hier: S. 243. Thiele bezieht sich nicht auf das vorhergehende Zitat, sondern schöpft aus seiner Kenntnis der Lutherschen Bucheinzeichnungen. Für das Folgende vgl. Thiele, ebd. 40

E R N S T THIELE,

Lektüre bei Luther

19

sie in einem Band der Sentenzen des Petrus Lombardus, den er aus der E r furter Klosterbibliothek seines Ordens der Augustinereremiten entliehen hatte, als Ratschläge fiir die Buchlektüre der Studenten in seinen Vorlesungen: »>Unterstreichet, bitte! Notieret, bitte!Literaturbericht< versteht (vgl. den einleitenden Abschnitt »Zu diesem Buch«, 9 f.), der reichhaltiges bibliographisches Material anfuhrt und auswertet. Auch neuere Arbeiten zur Schriftforschung berücksichtigen die hier dargelegte Verbindung von Schriftlichkeit und Lektüre nicht, auch oder gerade wenn sie soziale Aspekte des Lesens einbeziehen, vgl. die diesbezüglich maßgebliche Untersuchung von HELMUT GLÜCK, Schrift und Schriftlichkeit. Eine sprach- und kulturwissenschaftliche Studie. Stuttgart 1987. HELGA HAJDU geht in ihrem querschnittartigen Überblick zum »Lesen und Schreiben im Spätmittelalter«. Pees (Fünfkirchen) 1931 (= Schriften aus dem Deutschen Institut [Pees], Bd. 29), gleichfalls nicht auf das Zusammenspiel von Lesen und Schreiben bei der Lektüre ein. 43

44

Vgl. W A 5 0 , 4 7 0 , 1 7 - 2 7 , auch für das Folgende.

20

Luthers Umgang mit dem Buch

der Stimme, wie Luther hinsichtlich des Umgangs mit den Zehn Geboten in seiner eigenen Frömmigkeitspraxis angibt: »Und ich selber, wie alt und gelert ich bin, teglich wie ein kind, die selben von wort zu wort spreche.«45 Laut zu sprechen empfiehlt Luther über die Gebote hinaus ausdrücklich auch für das Glaubensbekenntnis, die Psalmen und den Katechismus 46 . Wie umfassend er intensive Lektüre als ein Üben verstand, welches auch das Sprechen einbezog, wird deutlich, wenn er diese Verfahrensweise auf die »Apologia und andern unsern bucher« 47 ausdehnt. Dies weist darauf hin, daß Luther intensives Lesen mit dem Ziel, das Gelesene bei besonders zentralen Texten sogar auswendig zu beherrschen, als allgemeinen Lektüregrundsatz verstand. Die bislang angezogenen Zitate standen im Kontext theologischen Studiums und der religiösen Lebensführung. Es ist allerdings gerechtfertigt, Luthers Vorstellungen zum intensiven Lesen auch für nichtreligiöse Literatur zu reklamieren. Denn Luther beschränkte die durch intensive Lektüre gegründete Textkenntnis, in der Sprache der Tischreden »im Text wol gegründet und geübet« beziehungsweise »wol belesen und gegründet« zu sein, keineswegs allein darauf, »ein guter und fürtrefflicher Theologus« 48 zu sein. Dies gilt vielmehr »in allen guten Künsten und Facultäten« 49 : »Textuales in omni facultate sunt optimi« 50 . Besonders erwähnt er an dieser Stelle die j u ristische Wissenschaft. Für die Rechte wie auch für die Theologie gelte allerdings zuvörderst, Quellenkenntnis zu erwerben und dann erst Sekundärliteratur zu lesen, »Scribenten und Comment« 51 , »nam potius est videre propriis quam alienis oculis.«52 Das generelle Kriterium, welches nach Luther die Intensität der Lektüre erforderlich macht, ist die Güte der Bücher, welche sich nach dem Nutzen der Texte für die Lebenspraxis oder die Wissenschaft bemißt. Ein Beleg für die Allgemeingültigkeit dieser Sichtweise läßt sich aus der bereits genannten »Vorrede zu Wenzeslaus Link, Das erst Teil des Alten Testaments« von 1543 beibringen. Ausdrücklich weitet Luther die Forderung intensiver Lektüre aus, wenn er beim >Lesen< und >Studieren< mit dem Ziel des >Merkens< und >Behaltens< nicht nur auf die Bücher der Heiligen Schrift, sondern auf >gute Bücher< insgesamt abstellt: »Der guten buecher aber ist noch nie keyn mal zuvil gewesen und noch nit.« 53 45

WA 50,470,26 f. Vgl. M A R T I N N I C O L , Meditation bei Luther. 2., durchges. u. erg. Aufl. Göttingen 1991. Zugl.: Erlangen, Nürnberg, Univ., Diss., 1982/83, 76, mit Quellenangaben in Fußnote 94. 47 WA 50,470,22. 48 WA Tr 4,357,12 (Nr. 4512); WA Tr 4,433,6 (Nr. 4691); WA Tr 4,357,12 f. (Nr. 4512). 49 WA Tr 4,433,5 (Nr. 4691). 50 WA Tr 4,432,17 (Nr. 4691). 51 WA Tr 4,433,7 f. (Nr. 4691). 52 WA Tr 4,432,21 (Nr. 4691). 53 WA 54,3,25 f. 46

Lektüre bei Luther

21

Die vorgenannten Überlegungen zur intensiven Lektüre lassen sich durch Luthers Anschauungen zu einer besonderen Form der christlichen Spiritualität ergänzen, die der Reformator mit R ü c k g r i f f auf die Tradition >meditatio< nennt 5 4 . Das schon angeführte Zitat aus den »Dictata super psalterium« 5 5 macht bereits deutlich, daß »fixa et exercitata meditatio« nicht als spontaner hermeneutischer Akt zu begreifen ist, sondern als ein Prozeß, der auf ein vertieftes Verstehen gerichtet ist. Führt man in verschiedenen K o n texten ermittelte Einzelergebnisse Martin Nicols zusammen, so zeigt sich, daß die Meditation insbesondere der Heiligen Schrift, aber auch des Katechismus unterschiedlichen Zwecken dienen kann. Sie vermag Mittel der Schriftexegese zu sein, etwa bei der wissenschaftlichen Arbeit, der Predigtvorbereitung und im Gottesdienst selbst; sie hat ihren Platz im R a h m e n des kollektiven und individuellen Gebets 5 6 . Dabei bindet Luther sie in ein breites Feld gerade auch äußerlicher bzw. äußerlich identifizierbarer Handlungen undVerfahrensweisen ein: »Als wichtigste Gebärden und Körperhaltungen begegnen in Luthers eigener Praxis und in seinen Ratschlägen für andere das Knien und das Stehen. Dazu kommen das Erheben und Ausbreiten der Hände, das Erheben der Augen zum Himmel, das Kreuzeszeichen.« 57 Vom Verfahren und vom Inhalt her steht die Meditation bei Luther in enger Beziehung gerade auch zum Lesen 5 8 , welchem im Gottesdienst das Hören der Gemeinde korrespondiert. In einer R e i h e von Fällen löst sich die M e ditation von der Lektüre oder dem Hören dadurch, daß der Christ zentrale Texte wie den Katechismus oder den R ö m e r b r i e f wörtlich verinnerlicht hat und auswendig zu sprechen vermag 5 9 . Aus der Perspektive des Lesens ist es von Bedeutung, wie Luther mit der mittelalterlichen Tradition die meditatio von der cogitatio abgrenzt. Im Rückgang auf Luthers Definition »meditari est morose, profunde, diligenter cogitare« 60 sieht Nicol das unterscheidende M o m e n t ersterer gegenüber der letzteren in der »Beharrlichkeit und Zielgerichtetheit« 6 1 . Genauerhin heißt dies, daß das meditari ein Han5 4 NICOL, Meditation, hat Luthers Anschauung zur und Praxis der Meditation u m fassend, auch traditionsgeschichtlich-vergleichend dargestellt. Einschlägige Ergebnisse seiner Untersuchung werden nachfolgend durchgängig einbezogen. 5 5 S. oben S. 16 u. Fußnote 24. 5 6 Vgl. NICOL, Meditation, 1 6 7 - 1 7 5 , 1 5 0 - 1 6 7 , 6 4 - 6 7 , 96. 5 7 Ebd., 73. 5 8 Für die enge Verbindung von lectio und meditatio vgl. KLARA ERDEI, A u f dem Wege zu sich selbst. Die Meditation im 16. Jahrhundert. Eine funktionsanalytische Gattungsbeschreibung. Wiesbaden 1990 (= Wolfenbütteler Abhandlungen zur Renaissanceforschung. Bd. 8). Erdei sieht bei Luther eine Abkehr von der »jahrhundertealten Meditationspraxis«: »Statt der mittelalterlichen Abfolge von >lectio - meditatio — oratio/contemplatio< begann er mit der >oratiolectio< und >meditatiocontemplatio< die >tentatioWiederkäuen< des Textes, sich durch Tätigkeiten wie wiederholendes Lesen oder den Gebrauch der Stimme auszeichnet, zeigt N I C O L , Meditation, 5 5 - 6 0 , ausfuhrlich. 63

Lektüre bei Luther

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nungsformen. Luther nennt die Eigenlektüre, welche oftmaliger Wiederholung bedarf, das Hören des Vorgelesenen und damit indirekt auch das Verlesen der Schrift sowie die sprechende Wiedergabe des Gelesenen. Wahrnehmbare Handlungsvollzüge intensiven Lesens werden somit zu integralen Bestandteilen der Meditation und tragen damit dazu bei, daß zentrale christliche Texte wie die Heilige Schrift verstehend angeeignet werden. Mit der Bibel rückt auch die theologische Begründung dafür ins Blickfeld, Lektüre und Meditation in eins zu betrachten 66 . Die Schrift ist materialer Ausdruck der Weise, wie sich Gott dem Menschen offenbart. Sie kann an erster Stelle zu den göttlichen Gnadengaben und Mitteln gerechnet werden, von denen Luther in seiner »Genesis-Vorlesung« spricht. Diese sollen vom Menschen gebraucht werden, weil Gott mit ihnen seine Verheißungen erfüllen möchte 67 .Von hierher muß der Mensch »ein äußeres Wort nicht als Störung ablehnen« 68 , wie Rolf Schäfer formuliert hat. Im Gegenteil, er darf es als Geschenk annehmen und lesend empfangen. Das »verbum externum« gehört gerade deshalb als äußeres unabdingbar zur intensiven Lektüre hinzu, weil der Mensch »seine Substanz außerhalb seiner selbst in Gottes Wort« 69 hat. Im meditativen Lesen bzw. in der lesenden Meditation manifestiert sich damit die Polarität des Gottesverhältnisses in ihrer Vermittlung: In diesem Prozeß werden Gottes Wort und der Mensch so zusammengebracht, daß das verbum externum zum verbum internum zu werden vermag 70 . Für das meditative Lesen stellt sich zuletzt die Frage, ob es einen Sonderfall für christliche Grundtexte darstellte oder im Sinne Luthers auch für die intensive Lektüre im allgemeinen Geltung beanspruchen kann. Eine Antwort erscheint möglich, indem für Luthers Lektüre drei Ebenen unterschieden werden. In formaler Rücksicht, also von der Seite der hier näher verfolgten konkret beschreibbaren Handlungen beim Lesen her, ist das medita-

66

Vgl. N I C O L , Meditation, 92. Vgl. WA 43,605,28-606,7. Ausdrücklich formuliert Luther hier: »Imo debes uti datis et concessis divina benignitate« (605,34 f.); »Deus enim implet promissiones suas certis mediis.« (605,40) u. »Ipse finem promissionum suarum non vult implere immediate, sed per media.« (606,4 f.). 68 R O L F S C H Ä F E R . Oratio, meditatio, tentatio. Drei Hinweise Luthers auf den Gebrauch der Bibel. Friedrich Lang zum 65. Geburtstag am 6. September 1978. In: Ders., Gotteslehre und kirchliche Praxis. Ausgewählte Aufsätze. Hrsg. von Ulrich Köpf u. Reinhard Rittner. Tübingen 1991, 245-251; hier: S. 248. 69 B A Y E R , Oratio, 40 f. Diese theologisch-anthropologische Position letztlich aus der Perspektive der Gottesbeziehung des Menschen liefert auch die Begründung für Nicols Versuch, das Zusammenfallen von lectio und meditatio bei Luther zu deuten. Nach NICOL, Meditation, 92 »dürfte sich darin die Verwerfung einer Trennung von Buchstabe (lectio) und Geist (meditatio) ausdrücken.« 70 Im einzelnen hierzu s. unten Kapitel »4.3. Luthers buch- und predigtspezifische Rede in theologisch-hermeneutischer Perspektive«. 67

24

Luthers Umgang mit dem Buch

tive Lesen auch nichtreligiöser Texte denkbar. Das wiederholende Lesen u n d der Gebrauch der Stimme, also Luthers R e d e davon, man solle das »buchstabische wort im Buch j m e r treiben u n d reiben«, kann auch fiir das Verstehen und die Aneignung zentraler weltlicher Texte aus allen Lebensbereichen u n d wissenschaftlichen Disziplinen genauso von Bedeutung sein wie für die Beschäftigung mit der Heiligen Schrift und dem Katechismus. U m g e k e h r t liegt es nahe, daß die meditative Lektüre auf Verfahrensweisen zurückgreift, die hier als Zusammenhang von Lesen und Schreiben thematisiert worden sind. Auch für den meditativen U m g a n g mit dem Buch kann es sinnvoll sein, eigene Gedanken als Notizen festzuhalten oder Lektüre und Verstehen durch Unterstreichungen u n d andere schriftliche Zeichen zu strukturieren u n d zu erleichtern. In materialer Hinsicht, also vom Textgehalt her, ist es kein Zufall, daß Luther die meditatio im Zusammenhang des Bibel- und Katechismuslesens zum T h e m a macht. Dies findet seine B e g r ü n d u n g in der Sonderstellung, welche die Heilige Schrift und ihre Wahrheit von ihrem Ursprung u n d ihrer Bedeutung für das Leben des Menschen im Gegensatz zu allen anderen Büchern besitzen 71 . Diese prinzipielle Differenz leitet Luther, wenn er den aus der Meditation erwachsenden Erfahrungsgehalt der Heiligen Schrift weit über den religiöser Sekundärliteratur wie der Bücher der Kirchenväter oder der theologischen Gegner stellt. Im R ü c k g a n g auf seine eigenen Erfahrungen schreibt er 1539 in der Vorrede zum ersten Band der Wittenberger Ausgabe seiner Schriften: »Und wirst erfaren, wie schal und faul dir der Veter buecher schmecken werden. Wirst auch nicht allein der Widersacher Buecher verachten, sondern dir selbs beide, im schreiben und leren, j e lenger j e weniger gefallen.« 72 Demgegenüber kann die Lektüre der Heiligen Schrift von der Sache des Glaubens her meditatio werden, indem sie nicht >schaleanderen Büchernmit der Feder in der

WA 59,659,25 u. 11 f. EMANUEL HIRSCH, Luthers Predigtweise. In: Luther 2 4 . 1 9 5 3 , 1 - 2 3 ; hier: S. 2; vgl. für den Kontext ebd., 1 - 3 . 77 WA 9,604,31-34. 7 8 Vgl. HIRSCH, Predigtweise, 19. 75

76

26

Luthers Umgang mit dem Buch

Handheilsame< Wirkung können die Bücher nur entfalten, wenn die Prediger sie sich selbst lesend angeeignet haben. Luther spricht von der Lektüre geradezu als vom Ethos der Prediger. Sie entspricht nicht nur ihrer Amtspflicht. Vielmehr ist sie ihnen auch Tugend, nämlich Zeichen ihrer Frömmigkeit und Redlichkeit. Interessant ist überdies, daß Luther hier offenbar neben der Bibel und dem Katechismus auch die Lektüre von Sekundärliteratur als Hilfsmittel schriftgemäßer Verkündigung im Blick hat, wobei er etwa auch an seine als Postillen veröffentlichten Predigtsammlungen denkt 81 . Ein enges Verhältnis besteht für Luther schließlich zwischen Gebet und Lektüre. Hier lassen sich systematisch drei Formen voneinander unterscheiden. Zum einen ergibt sich von der Sache her, daß die durch Lektüre wie auch durch das Hören erworbenen christlichen Glaubenswahrheiten auswendig und spontan in das freie Gebet ohne Textvorlage eingebracht werden können. Zum zweiten kann die oratio in der Gestalt visueller stiller oder gesprochener Lektüre erfolgen. Wenn Luther etwa für den Gottesdienst Gebete auch »aus den traditionellen Missalen und Brevieren genommen« 82 hat, so sind doch diejenigen Texte von zentraler Bedeutung für ihn, die unmittelbar der Bibel entstammen. In seiner eigenen Gebetspraxis spielt hier der Psalter als Gebetbuch eine herausragende Rolle. Er nennt ihn sein tägliches Betbüchleinjetzt heilsamen Büchern< die »vorzeiten« bedeutsamen konfrontiert und hier die mittelalterliche Predigtsammlung »Dormi Secure« des Johannes von Werden erwähnt (vgl. WA 30 1,125,11 f.), liegt der Schluß nahe, daß er an seine eigenen Predigtsammlungen dachte. Für Luthers Postillen vgl. den kurzen Abriß auch zu deren Normativität bei E B E R H A R D W I N K L E R , Luther als Seelsorger und Prediger. In: Leben und Werk, 225-239; hier: S. 237-239. 82 V I L M O S VAJTA, Luther als Beter. In: Leben und Werk, 2 7 9 - 2 9 5 ; hier: S . 2 8 2 . 83 Vgl. ebd., 286-288. 80

Lektüre bei Luther

27

Luther bevorzugt zwar das frei aus dem Herzen entspringende Gebet und kann die Funktion des Buches auf vorgängige Lektüre zum Zweck der Unterweisung reduzieren 84 . Ausdrücklich bindet er jedoch das Gebet nicht an die äußere Form. Nach einer Passage in der Kirchenpostille von 1522 »wirt durch gebet auch vorstanden nit alleyn das mundlich gepett, ßondern alles, was die seel schafft ynn gottis wort, tzu hoeren, zu reden, tzu tichten, tzu betrachten etc.«85 Dieser nur beispielhaften Aufzählung läßt sich das Lesen etwa mit Blick auf den gerade erwähnten Psalter ohne Bedenken hinzufugen. Zusätzlich zu den Psalmen standen für Luther nebem dem Credo insbesondere Kernstellen der Heiligen Schrift im Mittelpunkt seines Betens, also Texte wie die Zehn Gebote, Christi Worte oder die des Apostels Paulus 86 . Zu beachten ist allerdings, daß Luther das routinemäßig ritualisierte, oberflächliche Gebet ablehnte 87 , die oratio als gesetzliches Werk. Zuletzt kann das Gebet dem Lesen vorangehen, indem es als Bitte um rechtes, geistliches Lesen verstanden wird. Insofern bildet das Gebet das spirituelle Fundament beim Verstehen der Heiligen Schrift innerhalb der Trias der drei didaktischen Regeln oratio, meditatio und tentatio 88 . Das Gebet ist in diesem Zusammenhang für Luther die Bitte, meditative Schriftlektüre nicht aus eigener menschlicher Kraft, nicht qua ratio, sondern aus der Kraft des von Gott geschenkten Heiligen Geistes zu vollziehen: In Anlehnung an Ps 119,26 f. und Verse 33—38 formuliert Luther beispielhaft: »>Lere mich, H E R R , unterweise mich, fure mich, zeige mir«Illa Apologia< bezieht sich auf die im vorhergehenden Satz genannte »Apologia absolutissima Erasmi adversus Fabrum Stapulensum«. 105 WA Br 2,260,11-15 (Nr. 375). 106 WA Br 10,387,11-14 (Nr. 3908). 107 S. oben den Abschnitt »1.1. Lektüre bei Luther«. Vgl. insbesondere die umfängli104

32

Luthers Umgang mit dem Buch

Ratschläge zur Einrichtung von Bibliotheken im letzten Teil der Ratsherrenschrift 1 0 8 von 1524 darauf schliessen, daß Luther mit vorreformatorischen Bibliotheken aus eigener Anschauung gut vertraut war. Besonders zeigt sich dies an verallgemeinernden, wertenden Tatsachenaussagen zu den ehemaligen Klosterbibliotheken. Anstelle rechtschaffener Bücher< hätten diese >tolleschädliche< und >unnütze< >Mönchs- und Sophistenbücher< be109 sessen . Direkte Hinweise darauf, daß Luther Bibliotheken nutzte, sind spärlich. Im Blick auf die 1512 eingerichtete Wittenberger Schloßbibliothek, zu deren Benutzern auch Studenten und Lehrer der 1502 gegründeten Wittenberger Universität gehörten 1 1 0 , konnte dies der Jenenser Bibliotheksdirektor Carl Georg Brandis in nur einem Fall sicher anhand der Lutherschen Randbemerkungen und der Einbandgestaltung des Werkes nachweisen 1 1 1 . Hierbei handelt es sich um eine Ausgabe des »Spiegel hochloblicher B r u derschaft des Rosenkrantz Marie ...« des Markus von Weida, die 1515 in Leipzig bei Melchior Lotther verlegt und gedruckt worden war. Etwaige Erwerbungsvorschläge Luthers flir die Wittenberger Bibliothek konnten bislang nicht nachgewiesen werden 1 1 2 . Den eigenen vereinzelten Angaben über seinen Umgang mit Bibliotheken zufolge hat Luther als junger Magister die Erfurter Universitätsbibliothek genutzt und ist hier bei der Bibellektüre auf die Irrtümer des Papsttums gestoßen: »Ita ex nudo textu bibliae mox vidi multos errores in papatu, sed illico mihi inciderunt eiusmodi cogitationes in bibliotheca Erphurdiensi.« 113 In besonderer Weise muß Luther mit der Bibliothek im Kloster seines O r dens der Augustineremiten in Erfurt vertraut gewesen sein. Offenbar nutzte er die Bibliothek in einem Sinne, für die der B u c h - und Bibliothekswissenschaftler Bernhard Fabian in der aktuellen Diskussion um die Adäquanz der Bibliotheken für die geisteswissenschaftliche Forschung die Begriffe »browsing« und »serendipity« verwendet 1 1 4 . Während ersterer als Ergänzung zur che Literatur in der Liste »Gelesene und beurteilte Bücher« in W A 58 I sowie die B i bliographie rezipierter historischer Quellenwerke bei SCHÄFER, Luther (s. oben F u ß n o ten 11 u. 13). 1 0 8 Vgl. den Bibliotheksabschnitt der Schrift W A 1 5 , 4 9 , 1 0 - 5 3 , 3 . 1 0 9 Vgl. z.B. W A 1 5 , 5 0 , 9 f. o . 5 1 , 1 6 ff. 1 1 0 Vgl. die maßgebliche Studie zur Principalis, Ducalis Bibliotheca oder Electoralis genannten Bibliothek von ERNST HILDEBRANDT, D i e kurfürstliche S c h l o ß - und U n i versitätsbibliothek zu Wittenberg. 1512—1547. Beiträge zu ihrer Geschichte. In: Z e i t schrift für B u c h k u n d e 2. 1925, 3 4 - 4 2 , 1 0 9 - 1 2 9 , 1 5 7 - 1 8 8 ; hier: S. 3 6 - 3 8 u. 178 f. 1 1 1 Philipp Melanchthons Benutzung ist durch die Quellen wesentlich intensiver b e legt. Vgl. CARL GEORG BRANDIS, Luther und Melanchthon als Benutzer der W i t t e n b e r ger Schloßbibliothek. In: Theologische Studien und Kritiken 90. 1917, 2 0 6 - 2 2 1 ; zu Luther S. 2 0 6 - 2 0 9 . Für das Folgende vgl. ebd., 2 0 7 . 1 1 2 Vgl. den entsprechenden Abschnitt bei HILDEBRANDT, S c h l o ß - und Universitätsbibliothek, 1 1 6 - 1 2 9 . 1 1 3 W A T r 3 , 4 3 9 , 4 - 6 (Nr. 3 5 9 3 ) . 1 1 4 Vgl. auch flir die diesbezüglich nachfolgenden Ausfuhrungen BERNHARD FA-

Die Verfügung über Bücher bei Luther

33

systematischen Lektüre< das Verfahren des >unsystematischen Gebrauchs< von Fachliteratur zur Stimulation des eigenen Denkens< meint, stellt letzterer auf das Ergebnis dieser >exploratorischen Literaturbenutzung< ab, den >glücklichen ZufallsfundBücher der Schwärmen charakterisiert: »Schwermerii libri n o n d u m hic videntur, recte ergo facies, si istos remiseris ad nos.« 123 Schließlich wird die Versorung von Freunden mit seinen Büchern auch im Brief vom 29. Dezember 1541 an Wenzeslaus Link in N ü r n b e r g greifbar. Wunschgemäß, so schreibt er, habe er zwei Freiexemplare »Bibliorum nouissimae nostrae editionis« für ihn u n d einen anderen N ü r n b e r g e r B ü r ger hinterlegt: »Accepi tarnen ad manus meas duo exemplaria pro te et pro ciue, hactenus satisfactum est voluntati meae.« 124 Betrachtet man die untersuchten Aktivitäten Luthers insgesamt, so ergibt sich ein vielfältiges, breit gefächertes Handlungsfeld, innerhalb dessen Luther über Bücher im gegenständlichen Sinne verfügte. Er kaufte Bücher u n d erhielt Buchgeschenke, mit deren Hilfe er seine eigene Büchersamm1,9

WA Br 10,328,7-10 (Nr. 3884). WA Br 10,332,124 f. (Nr. 3885). 121 V g l . W A B r 1,180,15-18 (Nr. 80). 122 WA Br 1,294,4f. (Nr. 131). Für das Folgende vgl. die kurze textkritische Einleitung zu diesem Brief, ebd., 294. 123 WA Br 4,312,15 f. (Nr. 1191) u. vgl. ebd., 312, Fußnote 7. 124 WA Br 9,564,3-5 (Nr. 3696). 120

Luthers Verhältnis zur

Buchherstellung

35

lung ausstattete, nutzte Bibliotheken, vermittelte Buchkontakte, verlieh und verschenkte eigene Bücher 125 . Luther kommunizierte somit zeit seines Lebens keineswegs nur über die Inhalte von Büchern, sondern auch im Blick auf diese selbst als Gegenstände. Diese Verfügung über Bücher stellt systematisch betrachtet gewissermaßen die materiale Basis eines übergeordneten Zusammenhanges dar, also ein Moment einer umfassenderen Kommunikations- und Bildungsstruktur. Deren beide weiteren Momente sind zum einen die Aneignungsprozesse von Wissen und Bildung, wie sie hier unter dem Aspekt der Lektüre bei Luther näher untersucht worden sind. Z u m anderen sind sowohl die Verfugung über Bücher als auch die Lektüre Luthers auf seine öffentliche oder institutionell begrenzte Wirksamkeit als Reformator, theologischer und religiöser Schriftsteller, Prediger und Hochschullehrer ausgerichtet. Die Besonderheit der Person Luthers besteht nun nicht darin, daß Luther in eine derartige Kommunikationsstruktur eingebunden war, sondern in dem Umstand, daß diese historisch greifbar wird. Die Verfugung über Bücher stellt einen Teilbereich seiner Buchpraxis dar, deren Rekonstruierbarkeit es erlaubt, schriftlich fixierte und überlieferte Inhalte auf ihren Entstehungsprozeß und ihre lebensweltliche Fundierung in konkreten Handlungsbezügen zu beziehen, anschaulich und vergleichbar zu machen.

1.3. Luthers Verhältnis zur

Buchherstellung

Das Handlungsfeld Buch bei Luther zu untersuchen heißt auch danach zu fragen, in welcher Weise der Reformator in den Entstehungsprozeß von Büchern einbezogen war und eingegriffen hat. Im Sinne der leitenden Perspektive, das Buch hier nicht inhaltlich, sondern als Gegenstand zu betrachten, soll dabei nur soweit es der Sachzusammenhang unumgänglich macht auf Luthers schriftstellerische Tätigkeit eingegangen werden, auf seine sachliche Stellungnahme und die ihr korrespondierende Verwendung bestimmter sprachlicher Mittel und literarischer Gattungen. Gegenstand der Darstellung sind damit die nichtliterarischen Aktivitäten und Arbeitsweisen Luthers im Bereich der Buchproduktion. Konkret sollen geschäftliche, technische sowie herausgeberische und redaktionelle Verfahrensweisen und Reflexionen in den Blick genommen werden, mittels derer Luther in den Prozeß der Buchherstellung einbezogen war.

125

Luthers Verkehr mit Büchern ließe sich um weitere Beispiele aus seinem Schriftverkehr vermehren. Hier seien nur WA Br 2 (Nr. 377); 2 (Nr. 408); 2 (Nr. 535); 7 (Nr. 2181); 8 (Nr. 3288) genannt.

36

Luthers Umgang mit dem Buch 1.3.1.

Luthers geschäftliches Verhältnis zur

Buchherstellung

W e n n Herbert W o l f »Luthers Verhältnis zum Buchdruck« als einen »planmäßigen und intensiven Einsatz dieses für seine Zeit noch j u n g e n K o m m u nikationsmediums« charakterisiert, so betrifft dies nicht nur die »sprachliche Wirkung« 1 2 6 . Es läßt sich auch zeigen, daß Luthers Handeln im K o n t e x t der Buchherstellung von organisatorisch-geschäftlichen Gesichtspunkten und hiermit verbundenen klaren Zielvorstellungen und Verfahrensgrundsätzen gekennzeichnet war. Seit den Anfangsjahren der R e f o r m a t i o n ist Luther darum bemüht, eine leistungsfähige drucktechnische Infrastruktur in W i t tenberg, der Stadt seines Wirkens, erst mitzubegründen und später zu erhalten. W i e in späterer Zeit hält Luther bereits im Jahre 1 5 1 6 , noch vor dem Durchbruch der R e f o r m a t i o n , den engen Kontakt zwischen Druckerei und Autor fiir notwendig. Oftmals war es notwendig, noch während des D r u k kes inhaltliche Nachträge, Veränderungen und Korrekturen vorzunehmen. So schrieb Luther 1 5 1 6 an Georg Spalatin mit B l i c k auf die beabsichtigte Publikation seiner noch nicht abgeschlossenen »Dictata super psalterium«: »Sed et ubi absoluta fuerint, non ita collecta, ut m e absente possint e x c u di.« 1 2 7 Hinsichtlich deren Drucklegung fuhrt Luther weiter aus, »ut nostri chalcographi cura imprimantur«. M i t >unserem D r u c k e n meint Luther hier Johannes R h a u - G r u n e n b e r g , dem zur damaligen Zeit einzigen ständigen Drucker in Wittenberg, der seine eng mit der 1 5 0 2 errichteten W i t t e n b e r ger Universität verbundene Werkstatt seit 1 5 0 8 betrieb 1 2 8 . M i t dem D u r c h bruch der R e f o r m a t i o n war R h a u - G r u n e n b e r g j e d o c h weder den qualitativen noch den extrem gestiegenen quantitativen Erfordernissen der U n i versität und insbesondere Luthers mehr allein gewachsen 1 2 9 . Von der Wartburg beklagt Luther 1521 gegenüber Spalatin die beständigen Unzulänglichkeiten der Grunenbergschen Druckerzeugnisse mit drastischen Worten WOLF, Martin Luther, 58. WA Br 1,56,9 f. (Nr. 21). Für das folgende Zitat ebd., 56,11. 128 Vgl. JOHANNES LUTHER, Der Wittenberger Buchdruck in seinem Ubergang zur Reformationspresse. In: Lutherstudien zur 4. Jahrhundertfeier der Reformation. Veröffentlicht von d. Mitarbeitern d. Weimarer Lutherausgabe. Weimar 1917, 261-282; hier: S. 262-267, besonders S. 262. 126 127

129

V g l . ebd., 2 6 7 ; OTTO CLEMEN, Luthers L o b der B u c h d r u c k e r k u n s t . Z u r

500-

Jahrfeier der Erfindung der Buchdruckerkunst. Zwickau (Sachsen) 1939, 16 f.; DERS., Die lutherische Reformation und der Buchdruck. Leipzig 1939 (= Schriften des Vereins für Reformationsgeschichte. Jg. 57, Heft 1, Nr. 167), 21 f.; HANS VOLZ, Martin Luthers Schriften und ihre Druckgeschichte. 8. reformationsgeschichtlicher Vortrag, gehalten bei der »Ebernburger-Stiftung« am Sonntag, dem 26. Mai, 14.30 Uhr auf der Ebernburg. In: Blätter für pfälzische Kirchengeschichte und religiöse Volkskunde 39. 1972, 112—133; hier: S. 126. — Für den enormen Anstieg der Buchproduktion im Gefolge der Reformation, insbesondere auch im Blick auf Luthers Anteil vgl. RICHARD CROFTS, Books, reform and the Reformation. In: Archiv für Reformationsgeschichte 71. 1980, 20-36, besonders S. 27 f., sowie die tabellarisch und graphisch dargestellten Daten zur Buchproduktion hier und besonders in DERS., Printing.

Luthers geschäftliches

Verhältnis zur

Buchherstellung

37

wie >schmutzignachlässig< und >wirrEigentümlichkeit< näher, so plazierte Luther religiöse Positionen seiner Widersacher so in der öffentlichen Diskussion, daß sie den eigenen, reformatorischen Absichten dienten. Diesen Publikationen kam die Funktion zu, der Allgemeinheit Mißstände zur Kenntnis zu geben und dem Gegner vor aller Welt im Lichte seiner eigenen Aussagen Irrtümer und Unzulänglichkeiten nachzuweisen. Hierbei verbanden sich die Motive, sich selbst zu verteidigen, die evangelische Position zu untermauern, die alte Kirche anzugreifen und die Öffentlichkeit aufzuklären, mit einer Reihe stilistischer Hilfsmittel. Dazu gehörte in einigen Fällen die Ubersetzung ins Deutsche. Grundsätzlich bediente sich Luther kommentierender Beigaben: Z u m einen veränderte er mit Vorrede und Nachwort den hermeneutischen R a h men des betreffenden Dokumentes und unterwarf es der Lesart der R e f o r mation; zum anderen widerlegten Randglossen den Gedankengang durchgängig oder Randnoten nur fallweise einzelne Aussagen des Textes. Einen Sonderfall herausgeberischer Aktivitäten, an denen Luther beteiligt war, stellt die Veröffentlichung seiner eigenen Werke als Sammel- bzw. Gesamtausgabe dar 1 8 1 . Nachdem 1528 und mit den entsprechenden Ergänzungen 1533 bereits ein »Catalogus oder Register aller Bücher und Schriften D. M. Luthers« erschienen war, scheiterte 1538 an letztlich nicht mehr feststellbaren Umständen die Straßburger Gesamtausgabe seiner Schriften. Diese war vom Leiter des evangelischen Kirchenwesens in Straßburg Wolfgang Capito und dem hier ansässigen Drucker Wendelin Rihel betrieben worden. Als Gründe für den Fehlschlag der mehrjährigen Planungen hält Eike Wolgast Luthers Mißtrauen gegen die Straßburger Theologie und die entgegenstehenden verlegerischen Interessen der Wittenberger Drucker für wahrscheinlich 182 . Zustande kam dann die seit 1537 entschieden vorangetriebene Wittenberger Gesamtausgabe. Deren erster Band der Deutschen ni, das ist, die Bulla vom Abendfressen [Abendmahl] des allerheiligsten Herrn, des Papstes, verdeutscht durch D.M.Luther. 1522« (WA 8,688-720), die »Duae episcopales bullae, prior pii posterior papistici pontificis, super doctrina Lutherana et Romana. Luthers Vorrede und Randglossen 1524« (WA 15,141—154), die »Bulla papae Pauli tertii de indulgentiis contra Turcam. Nachwort und Randglossen Luthers 1537« (WA 50,111-116) und »Eine welsche Lügenschrift von D.M. Luthers Tod, zu R o m ausgegangen. 1545« (WA 54,188-194). Zusätzlich können angeführt werden: »Ein Urteil der Theologen zu Paris über die Lehre D.M.Luthers. Ein Gegenurteil D.Luthers. Schutzrede Phil.Melanchthons wider dasselbe Parisische Urteil für D.Luther. 1521« (WA 8,255-312), »Hermann Rab: Exemplum theologiae et doctrinae papisticae. Luthers Vorrede, Randglossen und Kommentar. 1531« (WA 30 111,494-509), die »S.D.N. Pauli divina Providentia papae tertii bulla prorogationis sacrosancti generalis concilii. Vorrede und Randglossen L u t h e r s 1 5 3 7 « (WA 5 0 , 9 0 - 9 5 ) . 181 BRECHT, Martin Luther, Bd. 3, 144-148, hat das Bemühen um eine Luther-Gesamtausgabe schon zu Lebzeiten des Reformators in einem kurzen Abschnitt seiner Lutherbiographie geschildert. Für die nachfolgenden Sachverhaltsangaben vgl. ebd., soweit keine anderen Nachweise geführt werden. 1 8 2 Vgl. EIKE WOLGAST, Der Plan einer Straßburger Luther-Ausgabe (1536/38). In: Archiv für Geschichte des Buchwesens 7. 1967,1131-1140; hier: S. 1138.

50

Luthers

Umgang

mit dem

Buch

Schriften lag 1539 vor, der zweite erst nach Luthers Tod 1548; im Jahr vor Luthers Tod erschien 1545 der erste Band der Lateinischen Schriften. Betreut und herausgegeben wurde diese Gesamtausgabe von Caspar Cruciger und insbesondere von Georg Rörer, die zusammen mit Christoph Walther die drei verantwortlichen Korrektoren des Wittenberger Rates als Zensurbehörde waren 183 . Eine wichtige Grundlage der Wittenberger Ausgabe waren die Nachschriften der mündlichen Äußerungen Luthers wie seiner Predigten und Vorlesungen, die Rörer in seiner Funktion als Vertrauter und Mitarbeiter des Reformators in Kurzschrift festzuhalten versuchte. Für die Stellung Luthers zur Gesamtausgabe aber auch zu anderen Sammelschriften wie der Publikation seiner seit Beginn der Reformation verfaßten Thesen 1534 bzw. 1538, den »Propositiones«, ist es im Unterschied zur Herausgabe anderer Schriften charakteristisch, daß Luther der Veröffentlichung ausgesprochen skeptisch gegenüberstand. Martin Brecht fuhrt als Grund für den anfänglichen Widerstand Luthers gegenüber der Gesamtausgabe zu Recht dessen Sorge an, die viele Sekundärliteratur und somit auch seine eigenen Schriften könne in Konkurrenz zum eigentlichen theologischen Studium treten, zur intensiven Beschäftigung mit der Heiligen Schrift. Luther habe die Gesamtausgabe, auf die auch sein Landesherr Kurfürst Johann Friedrich immer energischer drängte, schließlich aber als Mittel »zur historischen Information«, »als historische Dokumentation« 184 des reformatorischen Geschehens akzeptiert. Im Ergebnis kann diesem Urteil Brechts zugestimmt werden. Allerdings sollen Luthers Skepsis und schließlich seine Zustimmung zu einer Gesamtausgabe seiner Werke erweitert und differenzierter rekonstruiert werden. Luthers Skepsis gegen die Herausgabe seiner Werke in Form umfangreicher Sammelwerke war nicht nur theologisch begründet. Eine Tischrede des Reformators von 1538 zeigt, daß er auch pragmatisch argumentierte: »Ich gehe itz mit vmb, das ich nicht für gut ansehe, das man meine Tomos zusamen drucke. Ursach ist die: Wenn man sie zusamen druckt, so komen sie nur in die bibliothecas, und ist nicht jedermans kauff. So werden sie nicht gelesen. ... und ob sie schon ein reicher aber etlich keuffen, die vnter vns sein, wie viel lesen sie? Es ist besser, man drucke sie entzeln, so bleibt es vnter dem gemeinen man.« 185 Luthers Bedenken gründen sich hier auf zwei miteinander zusammenhängende Argumente. Es kommt ihm darauf an, daß seine Bücher eine möglichst breite öffentliche Wirksamkeit entfalten. Auffällig ist, daß er hierbei in sozialer Hinsicht differenziert. Seine Bücher sollen insbesondere der Masse der Bevölkerung zur Verfügung stehen, dem 183

Vgl. B E R N H A R D KLAUS, Georg Rörer, ein bayerischer Mitarbeiter D . Martin Luthers. In: Zeitschrift für bayerische Kirchengeschichte 26. 1957, 113-145; hier: S. 122 f. Für das Folgende vgl. ebd., besonders S. 131. 184

BRECHT, M a r t i n L u t h e r , B d . 3 , 1 4 6 u . 1 4 7 .

185

WA 48,706,32-37 (Tischrede Nr. 7196).

Luthers Betätigung

als Herausgeber und

Redaktor

51

gemeinen Mann. Gerade dieses Erfordernis könne eine umfangreiche und teure Gesamtausgabe seiner Werke nicht erfüllen. Sie bliebe nach Auffassung des Reformators auf die fuhrenden sozialen Schichten beschränkt. Offenbar denkt Luther hier an den Adel, vermögende Bürger oder auch Gelehrte, die sich eine Gesamtausgabe leisten oder in einer Bibliothek nutzen konnten. In die von Brecht bezeichnete Richtung weisen Einwände Luthers, die er im Zusammenhang der Bemühungen um die Straßburger Gesamtausgabe gegenüber Capito im Juli 1537 formulierte: »De tomis meorum librorum disponendis ego frigidior sum et segnior, eo quod Saturnina fame percitus magis cuperem eos omnes devoratos. Nullum enim agnosco meum iustum librum, nisi forte de Servo arbitrio et Catechismum.« 186 Demzufolge maß Luther allein seinem katechetischen Schaffen und der Schrift >Vom unfreien Willen< aus dem Jahre 1525 eine zeitübergreifende Bedeutung zu. Seinen anderen Büchern, denen er selbst die >Vernichtung< wünschte, blieb bei einer Neuherausgabe folgerichtig lediglich noch eine historische Bedeutung, wie Luther bereits in der »Vorrede zum Catalogus oder Register aller Bücher und Schriften Luthers« von 1533 selbst ausdrücklich ausgeführt hatte: »Es were denn der nutz dran, das man die Historien und Geschieht draus lernen und fassen wolte, wie es mir, ja dem lieben wort Gottes gangen sey, was es hat muessen leiden von so vielen und grossen feinden jnn diesen funffzehen vergangen jaren, ehe es zu krefften ist komen, Und wie es zu genomen, und auch ich darin teglich und jerlich weiter und hoeher drinnen bin komen.« 187 Entscheidend ist nun, daß Luther die Herausgabe seiner früheren Schriften geradezu zur Historisierung zwang. Seinem eigenen Dafürhalten nach war eine Rechtfertigung notwendig, die von derjenigen in aktuellen Auseinandersetzungen grundsätzlich zu unterscheiden ist. Dies zeigt bereits sein Hinweis auf den eigenen Lernprozeß und wird durch Luthers Fortsetzung der Argumentation in der Vorrede des »Catalogus« offensichtlich: »Das wol zeugen die ersten buecher (darin ich dem Bapstum viel und fast alles nach lies und ehrete) gegen die letzten, welche Christum allein und rein handeln, dem Bapstum nicht nach gelassen.« Luther sah sich also bei einer neuerlichen Veröffentlichung seiner Schriften insbesondere aus den Anfangsjahren der Reformation mit der Situation konfrontiert, dem Leser seine theologische Entwicklung verständlich zu machen. Es galt zu erklären, daß er anfangs versucht hatte, seine neuen Einsichten in das Wesen des christlichen Glaubens noch innerhalb der Papstkirche zu vertreten, ehe er vom >solus Christus< her die monarchisch verfaßte Amtskirche mit dem Führungsanspruch des Stellvertreters Christi und seines Interpretationsmonopols von Schrift und Glaubenslehre als Widerspruch zur alleinigen Herrschaft Christi selbst erkannt hatte. 1538 rechtfertigte er seine 186 187

WA Br 8,99,5-8 (Nr. 3162). WA 38,134,5-10. Für das folgende Zitat ebd., 134,10-13.

52

Luthers Umgang mit dem Buch

vormalige Position mit der auf Unkenntnis beruhenden Ansicht, »Ecclesiam Papae pro vera Ecclesia colui«188. DieVorreden waren ihm im nachhinein mit Blick auf seine frühen Werke das gebotene literarische und herausgeberische Mittel, diese Schuld öffentlich einzugestehen: »Nam in his palam ostenditur mea ignominia, id est, infirmitas et ignorantia, quae me in principio coegerunt rem tentare, cum summo tremore et pavore.« Das Argument von der historischen Dokumentation als Zweck der Gesamtausgabe aber auch späterer Veröffentlichungen früherer Schriften im allgemeinen ist also dadurch zu ergänzen, daß sich Luther durch nachträgliche Publikationen veranlaßt sah, seinen eigenen theologischen Entwicklungsgang öffentlich zu verantworten. Luther selbst ließ sich für eine umfassende Gesamtausgabe noch zu seinen Lebzeiten insbesondere durch die hiermit gegebene Möglichkeit überzeugen, so noch Auslegungsirrtümern begegnen zu können, die nach seinem Tode bei einer Herausgabe durch Fremde unweigerlich zuhauf aufträten: »Si ego vivus non permitterem edi, tarnen post mortem meam essent certissime edituri ii, qui prorsus nescirent causas et tempora rerum gestarum, et ita ex una confusione fierent plurimae, vicit (inquam) eorum improbitas, ut edi permitterem.« 189 Er gestattete und unterstützte somit eine Gesamtausgabe seiner Werke noch zu seinen Lebzeiten, weil er sich in der Verantwortung sah dazu beizutragen, daß die offenbar unvermeidliche Diskussion um sein Werk und seine Person über sein Leben hinaus in größtmöglicher Unmißverständlichkeit und Klarheit über seine theologische Entwicklung und seine Motivationen stattfinden könne. Verfälschungen sollte so weit als möglich bereits im Vorfeld begegnet werden. Luthers Intention, mit der Zustimmung zur Herausgabe der Gesamtausgabe historisches Verstehen zu fördern, trug nicht nur den Momenten persönlicher Rechtfertigung und Klarheit für die Nachwelt Rechnung. Die von ihm selbst vorgenommene Historisierung seines Werkes durch die Vorreden zu seinen Schriften hing für ihn eng mit der Frage zusammen, welchen Stellenwert und welche Autorität seine Schriften im Grundsatz beanspruchen durften. Luther fordert 1539 in der Vorrede zum ersten Band der Wittenberger Ausgabe seiner Werke den Leser der Gesamtausgabe auf, mit seinen Schriften so zu verfahren, wie er mit dem päpstlichen Recht und den Werken der scholastischen Philosophie und Theologie verfahre: »Wer meine Buecher zu dieser zeit ia haben wil, der lasse sie j m bey leibe nicht sein ein hindernis, die Schrifft selbs zu studirn, sondern lege sie, wie ich des Babsts Drecket und Drecketal und der Sophisten buecher lege, das ist: Ob ich zu Zeiten sehen, was sie gemacht, oder auch die geschieht der zeit rechen wolle, Nicht das ich darinne studirn oder so eben darnach thun mueste, was sie gedaucht hat, Nicht viel anders thu ich mit der Veter und Concilien 188 189

WA 39 1,7,7. Für das folgende Zitat ebd., 6,6-8. WA 54,179,15-18.

Luthers Betätigung

als Herausgeber und

Redaktor

53

Buecher auch.« 190 Luther geht es darum, seine in der Vergangenheit verfaßten Schriften nicht im nachhinein als direkte Handlungsanweisungen flir die jeweilige Gegenwart und ihre veränderten Bedingungen zu verwenden. Er verwahrt sich gegen denVersuch, seine Schriften zu dogmatisieren, indem sie unabhängig von ihren Entstehungsbedingungen bruchlos für aktuelle Probleme in Brauch genommen wurden. Besonders wichtig ist ihm hierbei, daß vor allem die Heilige Schrift selbst studiert wird. Hiermit folgt er dem Beispiel des Augustinus, »der von aller Veter und Heiligen Buecher wil ungefangen allein der heiligen Schrifft unterworfen sein« und nicht »seinerVorfaren buecher« 191 . Für den Reformator war die Historisierung seiner Schriften somit eine konsequente Folge dessen, daß letztlich allein die Heilige Schrift für den Christen und die Kirche Autorität beanspruchen dürfe. Ihr gebührte die herausragende, ja einzigartige Beachtung. Aus dieser Perspektive stellt Luther seine Bücher trotz aller Kritik an der papstkirchlichen Theologie neben die Werke der Tradition. Betrachtet man Luthers Haltung zur nachträglichen Herausgabe seiner gesammelten Schriften insgesamt, so stimmte er letztlich trotz sozialer Bedenken einer Gesamtausgabe seiner Werke zu. Hierbei können zwei zentrale Aspekte festgehalten werden. Z u m einen verfolgte er mit seinen Vorreden die Absicht, einen Funktionswechsel bei der Rezeption seiner Werke hinsichtlich der Lektüre und der praktischen Verwertung zu bewirken. Das bedeutete für ihn, diese Arbeiten aus ihren geschichtlichen Kontexten heraus zu verstehen. Nur so sah Luther seine Werke vor Mißinterpretationen geschützt, welche seine biographische und die allgemeingeschichtliche Entwicklung außer acht ließen. Z u m anderen hielt Luther die Historisierung seiner Schriften für notwendig, um auch ihnen gegenüber die letztlich alleinige Autorität der Bibel zu betonen. Im Unterschied zu gesammelten Ausgaben seiner eigenen Werke mußte Luther bei der Publikation grundlegender religiöser Quellentexte nicht gedrängt werden, ehe er die entsprechenden Vorhaben unterstützte oder sich zu eigen machte. In besondererWeise trifft dies natürlich auf die Heilige Schrift zu. Wie im folgenden Abschnitt näher gezeigt werden soll, bestand das zentrale herausgeberische Projekt des Reformators, das er sich zur Lebensaufgabe gemacht hatte, darin, die biblischen Schriften der Öffentlichkeit in deutscher Sprache zugänglich zu machen. Doch Luther zeigte auch Interesse an der Publikation der religiösen Basistexte anderer Religionen. So nahm er in seinen letzten Lebensjahren lebhaften Anteil an der Herausgabe des Korans. Der allgemeine, von Luther theologisch interpretierte historische Hintergrund seiner diesbezüglichen Aktivitäten war die seit Beginn der 1540er Jahre real und psychologisch erheblich gesteigerte Türkengefahr, die das christliche Abendland existentiell gefährdete. Nach190 191

WA 50,658,14-20. Ebd., Z. 22-24.

54

Luthers Umgang mit dem Buch

dem das Osmanische Reich unter seinem Sultan und Kalifen Süleyman II. 1541 große Teile Ungarns einschließlich der politischen und wirtschaftlichen Zentren von Buda und Pest besetzt hatte, beschlossen die katholischen und protestantischen Stände des Heiligen Römischen Reiches auf dem Reichstag von Speyer im Februar 1542 einen Feldzug gegen die Osmanenherrschaft sowie eine zu dessen Finanzierung notwendige Reichssonderabgabe, die sog. Türkensteuer. Luther hielt eine rein militärische Auseinandersetzung allerdings für unzureichend. Ihm war es wichtig, die religiösen Wurzeln der Türkengefahr zu berücksichtigen. Den Kampf zwischen den Osmanen und den mitteleuropäischen Staaten betrachtete er auch als Konflikt zwischen Islam und Christentum und als Ergebnis göttlichen Eingreifens in die Geschichte 192 . Dieses öffentlich bewußt zu machen, sah sich Luther 1542 in der Lage. Seinen eigenen Angaben zufolge war ihm zur Fastnacht im Februar dieses Jahres erstmals eine lateinische Ubersetzung des Korans zu Händen gekommen. Hatte er bislang »nicht gleuben koennen, das vernuenfftige Menschen auff erden weren, die der Teufel solte bereden, solch schendlich ding zugleuben, Und jmer gedacht, es were von den Waischen Schreibern ertichtet« 193 , so sah er sich jetzt ermächtigt, »Mahmet« als »Feind Christiichs Glaubens« an Einzelaussagen des Korans gezielt anzugreifen. Zu diesem Zweck veröffentlichte Luther die ihm seit 1530 bekannte »Confutatio Alcorani seu legis Saracenorum, ex graeco nuper in latinum traducta«. Der Autor dieser >Widerlegung des Korans< war der im toskanischen Monte Croce geborenene Dominikanermönch Ricoldus aus dem Florentiner Kloster Santa Maria Novella. Nach Lehr- und Predigttätigkeit in Florenz und der ganzen Toskana war er zwischen 1280 und 1300 missionarisch im Orient tätig geworden. Er hatte die arabische Sprache erlernt und »sich im Verkehr mit den in den Koranschulen tätigen Lehrern eine gründliche Kenntnis des Korans«194 verschafft. Luther übertrug die >Confutatio< ins Deutsche 195 , schrieb ein Vorwort zu seiner Ausgabe und bot den lateinischen Text. Verlegt wurde die Schrift bei Hans Lufft in Wittenberg. Genauerhin ging es Luther darum, den Christen den Angriff des Islams auch als Folge eigener Schuld und Glaubensverfehlung verständlich zu machen. Es gehe darum, daß Gott die Christenheit » umb jrer suenden willen strafft und unterdruecken lesst«, »auff dass viel Merterer gen Himel komen« nach dem Bilde Christi, »da mit wir gesterckt werden in unserm Christli-

192 Vgl. auch für das Folgende WA 53,272—276, Luthers Vorrede zur »Verlegung des Alcoran Bruder Richardi, Prediger Ordens« von 1542. 193 Ebd., 272,4-7. Für das Folgende ebd., 272,14. 194 WA 53,262 (Einleitung zu »Verlegung des Alcoran Bruder Richardi Prediger Ordens.Verdeutscht und herausgegeben durch D.M.Luther. 1542«), 195 Hierbei benutzte Luther nicht das lateinische Original, sondern die »Rückübersetzung des Bartholomaeus de Monte Arduo aus der griechischen Ubersetzung des Demetrius Cydonius«, vgl. ebd., 267 und flir das Folgende ebd., 267.

Luther zur Buchherstellung am Beispiel der Bibelübersetzung

55

chen Glauben« 1 9 6 . Luthers Engangement als Übersetzer und Herausgeber der »Verlegung [Widerlegung] des Alcorans« zielte also nicht allein auf den Islam an sich, sondern auf Läuterung, B u ß e , Sinnesänderung, aufmetanoia. In diesem Sinne griff Luther auch 1 5 4 2 und 1 5 4 3 mit Nachdruck in die Veröffentlichung des Korans durch T h e o d o r Bibliander ein, den Nachfolger Zwingiis als Theologieprofessor in Zürich, einen >berühmten Sprachgelehrten und hervorragenden Kenner sämtlicher semitischer Dialekte< 1 9 7 . Durch ein eindringliches Schreiben an den R a t zu Basel vom 2 7 . O k t o b e r 1 5 4 2 erreichte es Luther, daß der R a t die bislang zurückgehaltene, von Johann O p o r i n in Basel bereits gedruckte Ausgabe des Koran freigab. Wichtiger als der Schutzgedanke, der den R a t zum Verbot des Buches veranlassen könnte, sei dessen Publikation, die öffentliche Desavouierung des Islam. D i e Aufgabe der Drucker bestehe darin, daß man sie »hierin zu helffern brauchen [könne, H.F.] wider solchen teuffels apostol und lere des schendlichen M a h mets« 1 9 8 . Zusätzlich zu diesem Einsatz für O p o r i n verfaßte Luther eine Vorrede zu Biblianders Koranausgabe 1 9 9 , seinem bereits bekannten Mittel der Empfehlung, Warnung und Lektüreweisung. D i e hier verwandten Argumente auf der Linie des Briefes an den Baseler R a t und in der Vorrede zur »Verlegung des Alcorán« machen deutlich, daß Luther die Veröffentlichung des Korantextes als sinnvolle Ergänzung seiner eigenen herausgeberischen und Ubersetzungsbemühungen im K a m p f gegen den Islam und zur U m kehr der Christenheit verstand. Í.3.4.

Luthers Verhältnis zur

am Beispiel

seiner

Buchherstellung

Bibelübersetzung

Das herausragende Beispiel, an dem Luthers Verhältnis zur Buchherstellung noch einmal umfassend und differenziert deutlich gemacht werden kann, ist sein editorisches Lebenswerk, die in die deutsche Sprache übersetzte B i b e l 2 0 0 . Seine Äußerungen im Zusammenhang der Herausgabe der biblischen Schriften veranschaulichen, wie gut Luther mit den geschäftlichen und technischen Bedingungen des Buchdrucks vertraut war. Im Jahr 1 5 2 2 , während des Druckes am Septembertestament, wußte er zu b e r i c h ten, daß im Juli »singulis diebus decies milia Chartarum sub tribus prelis WA 53, 274,15, 27 u. 273,32-274,1. Vgl. WA 53,562 der Einleitung zu »Theodor Biblianders Koranausgabe. Vorrede Luthers 1543«. 198 WA Br 10,162,54-56 (Nr. 3802). 199 WA 53, 569-572. 2 0 0 Zur theologischen Rechtfertigung der herausragenden Bedeutung der Ubersetzung der Bibel in die deutsche Volkssprache für Luther aus seinem Gedanken der Sprachenheiligung vgl. die Abschnitte »Heilige Sprache und Sprachenheiligung« bei PETER MEINHOLD, Luthers Sprachphilosophie. Berlin 1958, 17-20 u. »Heilige Sprachen und Sprachenheiligung« bei BEUTEL, Anfang, 280-288. 196 197

56

Luthers Umgang mit dem Buch

excudant« 201 und daß diese drei Druckerpressen voraussichtlich bis zum 21. September mit der Vervielfältigung beschäftigt sein würden. D r u c k technische Kenntnis und Information im Einzelfall offenbart Luther auch in einem Schreiben vom September 1539 an den kursächsischen Hofrat u n d ehemaligen Kanzler Gregor Brück. Zusätzlich beweist er hier Einblick in die geschäftlich-ökonomischen Zusammenhänge 2 0 2 . D e r Wittenberger Drucker Hans Lufft hatte ihn davon in Kenntnis gesetzt, die Bibel im Folioformat drucken zu wollen. Von dieser Ausgabe wünschten die Fürsten von Anhalt drei Exemplare in Pergament. Luther weiß sowohl u m den Bedarf an Werkstoffen als auch u m den Preis für jeweils eines dieser Exemplare Bescheid: »Wird ein exemplar (denn es werden 340 bogen und so viel kalbs feile sein) bei Lx fl kosten.« 203 Darüber hinaus ist er sich über den Zusammenhang von Auftragserteilung und Produktionsablauf im klaren: Sollten Sonderwünsche wie Pergamentbände berücksichtigt werden, »So must mans zeitlich bestellen u n d befelhen, denn wenns werck angefangen ist, kompts zu spat« 204 . Ökonomische Überlegungen stellte Luther auch im Anschluß an die Veröffentlichung des N e u e n Testaments von 1522 bei der geplanten Herausgabe des wesentlich umfangreicheren Alten Testaments an. Dieses sollte in drei selbständigen Teilen erscheinen; »sie enim partiri & paulatim emittere cogit ratio magnitudinis & precii librorum.« 2 0 5 Luther berücksichtigte also die Erfordernisse wirtschaftlicher Klugheit beim Absatz der Bücher. Durch die Unterteilung des Werkes wurde einer breiteren Ö f fentlichkeit größere Flexibilität beim Erwerb eingeräumt und der Kauf auch nur eines Teilbandes ermöglicht. U b e r ökonomische u n d technische Belange hinaus zeigt sich Luther bei der Arbeit an der deutschen Bibel auch als Herausgeber und R e d a k t o r versiert. U m eine bestmögliche Ubersetzung zu erzielen, setzte er souverän, mit Intensität, Ausdauer und Führungskraft die Mittel gemeinschaftlicher schriftstellerischer Produktion ein. Dabei war der hier interessierende Aspekt der kooperativen Texterstellung von Luthers Ubersetzungsprinzipien abhängig. Diese sind durch die Theologie und die Sprachwissenschaft aufgrund der Analyse von Luthers Ausfuhrungen zum >Dolmetschen< oder von Ubersetzungsbeispielen gut erforscht, wobei zunehmend Fragestellun-

201 WA Br 2,523,27 (Nr. 523). Für das Folgende vgl. ebd., 523,25-28 einschließlich der zugehörigen Fußnoten zur Zählung und Datierung. 202 WA Br 8,553-555 (Nr. 3387). 203 Ebd., 554,23 f. Im Vergleich zu den genannten 60 Gulden für die Pergamentausgabe kostete die von Hans Lufft 1534 gedruckte Bibel 2 Gulden 8 Groschen, vgl. WALT E R K R I E G , Materialien zu einer Entwicklungsgeschichte der Bücher-Preise und des Autoren-Honorars vom 15. bis zum 20. Jahrhundert. Nebst einem Anhange: Kleine N o tizen zur Auflagengeschichte der Bücher im 15. und 16. Jahrhundert. Wien, Bad Bocklet (Mainfranken), Zürich 1953; hier: S. 22. 204 WA Br 8,554,25 f. (Nr. 3387). 205 WA Br 2,614,20 f. (Nr. 546).

Luther zur Buchherstellung

am Beispiel der

Bibelübersetzung

57

gen und Differenzierungen der modernen Textlinguistik berücksichtigt werden 2 0 6 . Luther ging es nicht um eine eng an den Wörtern des Originaltextes haftende eher formale oder mechanische Übertragung ins Deutsche. Die Freiheit vom Buchstaben im Einzelfall bis hin zu Eingriffen in die Grammatik oder die Ergänzung von Wörtern rechtfertigte sich für ihn von Übertragungsgrundsätzen her, die Herbert Wolf als »Primat des Sinns« und »Berücksichtigung zielsprachlicher Eigenheiten« charakterisiert: Nicht der Textsinn habe dem Wort zu dienen, sondern der Wortgebrauch stehe im Dienste des auszudrückenden Sachverhalts. Zusätzlich seien die jeweiligen sprachlichen Denk- und Redeweisen zu berücksichtigen. Das veranlaßt Luther beispielsweise dazu, im Deutschen Adjektive oder Verbalkonstruktionen zu verwenden, um im Hebräischen übliche Substantivhäufungen oder Substantivierungen zu vermeiden. Nach dem von Birgit Stolt angeführten übersetzungswissenschaftlichen >Prinzip der dynamischen Aquivalenz< bedeutet für Luther Orientierung an der Sache nicht allein, die strukturellen Besonderheiten von Ausgangs- und Zielsprache zu berücksichtigen. >Dem gemeinen Mann aufs Maul zu schauen< hieß für Luther, im konkreten Einzelfall darauf acht zu haben, in welche pragmatischen Kontexte Sachverhalte und Situationen in der Bibel eingebunden sind. Nur so konnte Luther die beabsichtigte Textwirkung auch im Deutschen erzielen. Stolt verdeutlicht dies an der bewußt sakralsprachlichen Ubersetzung der Worte, mit denen Jesus in Mt 28,9 nach seiner Auferstehung Maria Magdalena und die nach Mt 28,1 sogenannte >andere< Maria begrüßt, die daraufhin in ehrfürchtiger Freude seine Füße umfassen und vor ihm niederfallen: Luther übersetzt das griechische chairete dem unerhörten Ereignis der Wiederkunft des Auferstandenen situationsangemessen mit »Seid gegrüßt« und nicht etwa alltagssprachlich mit »Guten Morgen«, wie in einer modernen schwedischen Übertragung 2 0 7 . Die genannten Grundsätze bei der Bibelübersetzung zu berücksichtigen verlangte nicht nur umfangreiche Kenntnisse der biblischen Sprachen und eine intensive intellektuelle Auseinandersetzung mit der eigenen, der deutschen Sprache; deren semantische und grammatikalische Strukturen wurden erst im Gefolge der Lutherschen Bibelübersetzung erschlossen. Erheblich war insbesondere auch der hier interessierende praktische, besonders 2 0 6 Vgl. auch für die nachgenannten Grundsätze Luthers die Zusammenfassung der Forschungsergebnisse und ihre systematische Präsentation mit abschnittsweise gebotener reichhhaltiger Literatur bei WOLF, Martin Luther, 101-111 und 139 f. Mit Originaltexten wie Luthers »Sendbrief vom Dolmetschen« weist Wolf die einschlägigen Quellentexte nach, die im Kontext neuerer Arbeiten durchgängig herangezogen werden, vgl. z.B. GELHAUS, Streit, Bd. 1, 135 f. Aspekte moderner Textlinguistik werden von der germanistischen Lutherforschung berücksichtigt, vgl. BIRGIT STOLT, Lieblichkeit und Zier, Ungestüm und Donner. Martin Luther im Spiegel seiner Sprache. In: Z T h K 86. 1989,

2 8 2 - 3 0 5 ; hier b e s o n d e r s : S. 2 9 1 - 2 9 5 . 207

V g l . STOLT, Lieblichkeit, 2 9 3 .

58

Luthers Umgang mit dem Buch

der organisatorische Aufwand der Bibelübersetzung. Luther war sich dessen bewußt, daß die gemeinschaftliche Arbeit mehrerer für die Ubersetzung von besonderem Nutzen sein konnte 2 0 8 . Nachdem er das Neue Testament auf der Wartburg allein aus dem Griechischen ins Deutsche übersetzt hatte, arbeitete er vor der Drucklegung bei der Korrektur und Durchsicht seiner Arbeit seit dem Frühjahr 1522 eng mit Philipp Melanchthon zusammen 209 . Brieflich griff er auch auf den R a t Spalatins zurück. Diese Kooperation bewährte sich im Verlauf der 1520er Jahre beim Fortgang der Bibelübersetzung insbesondere des Alten Testamentes. Aus diesen »ersten keimhaften, noch unmethodischen Ansätze[n]« 210 entwickelte sich eine »bibelverbessernde Körperschaft« mit festem Versammlungsort in Luthers Haus. Zuerst zur Bearbeitung des Psalters 1531 tagte die Bibelrevisionskommission bis zum Jahre 1544 insgesamt für fünf Sitzungsperioden. Deren längste und durch die Sitzungsprotokolle bestdokumentierte für die Neuausgabe der ersten Lutherschen Vollbibel von 1534 dauerte eineinhalb Jahre. Zwischen Juli 1539 und Februar 1541 sind etwa zwischen 60 bis 70 Zusammenkünfte dokumentiert 2 1 1 . 2 0 8 Vgl. die entsprechenden Quellennachweise bei OTTO REICHERT, Die Bibelrevisionen Luthers, ihre Entstehung und ihre Bedeutung. In: W A D B 4. 1923, X I - LVIII; hier: S. X I I f. u. GELHAUS, Streit, 135. 2 0 9 Die enge theologische und philologische Zusammenarbeit Luthers mit Melanchthon seit dessen Ankunft in Wittenberg im August 1 5 1 8 bezog auch Melanchthons Beteiligung an Luthers Publikationen ein, schon 1519 bei »der Durchsicht der ganzen Galatervorlesung und ihrer Herrichtung fiir den Druck« (ERWIN MÜLHAUPT, Luthers Testament. Z u m 4 5 0 . Jubiläum des Septembertestaments 1522. Witten, Berlin 1972, 33). 2 1 0 REICHERT, Bibelrevisionen, X I I I , das folgende Zitat ebd., XV. 2 1 1 Vgl. ebd., X V f. u. X X V I - X X X I . M i t den Bibelrevisionen hatte sich O t t o R e i chert bereits in seiner Breslauer Dissertation eingehender beschäftigt, vgl. DERS., Die Wittenberger Bibelrevisionskommissionen von 1531 bis 1541 und ihr Ertrag für die deutsche Lutherbibel. Liegnitz 1905. - Teildruck d. Breslauer Diss. von 1 9 0 5 u. DERS., D i e Wittenberger Bibelrevisionskommissionen von 1531 bis 1541 und ihr Ertrag für die deutsche Lutherbibel. Zugl.: Breslau, Univ., Diss., 1905. In: Die handschriftliche U b e r lieferung von Werken D. Martin Luthers. Kritische Untersuchungen. In Verbindung mit [Albert] Freitag, [Otto] R e i c h e r t u.a. hrsg. von [Gustav] Koffmane. Liegnitz 1907, 9 7 2 5 2 . Spätere Aussagen zur Revisionsarbeit an der Lutherbibel gehen hinsichtlich des Verfahrens der Kommission nicht über R e i c h e r t hinaus oder berühren diese Frage nur am Rande, vgl. etwa WILHELM WALTHER, Luthers Deutsche Bibel. Festschrift zur Jahrhundertfeier der R e f o r m a t i o n . 2. Aufl., 5. - 9 . T s d . , Unveränd. R e p r i n t d. Ausg. Berlin 1918. M ü n c h e n 1978, 7 7 - 8 5 ; HANS VOLZ, [Einleitung zu:] D. Martin Luther. Die gantze Heilige Schrifft Deudsch. Wittenberg 1545. Letzte zu Luthers Lebzeiten erschienene Ausgabe. Hrsg. von Hans Volz unter Mitarb. von Heinz Blanke. Textred. Friedrich Kur. B d . 1 - 2 , nebst Bd.: Anhang. Lizenzausg. der Ausg. M ü n c h e n 1 9 7 2 . Herrsching [o.J.], 3 3 * - 1 4 4 * , hier S. 8 3 * - 1 1 3 * ; HEIMO REINITZER, Biblia deutsch. Luthers Bibelübersetzung und ihre Tradition. Ausstellung in der Zeughaushalle der Herzog August Bibliothek, 7. Mai bis 13. Nov. 1 9 8 3 ; Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg, 21. Nov. 1 9 8 3 bis 2 5 . Febr. 1984.Wolfenbüttel 1 9 8 3 (= Ausstellungskataloge der Herzog-AugustBibliothek. B d . 40), 112 f.; STEPHAN STROHM, Ursprung der Biblia Deutsch von Martin Luther. Ausstellung in der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart, 2 1 . Sept. bis

Luther zur Buchherstellung

am Beispiel der

Bibelübersetzung

59

Die hier nicht im einzelnen zu analysierenden Begründungen Luthers dafür, die redaktionelle Arbeit der Bibelübersetzung gemeinschaftlich zu betreiben, hat H e r m a n n Gelhaus zusammengestellt 2 1 2 . Für Luther war der Gedanke zentral, jeder einzelne wäre mit seinen begrenzten Fähigkeiten bei einem so umfangreichen und schwierigen Werk bei weitem überfordert. Vielmehr bedürfe es sich gegenseitig ergänzender und korrigierender Kenntnisse der Gelehrten sowie der fachlichen Unterstützung von Spezialisten etwa im Falle der Ursprachen der Bibel wie des Hebräischen und Griechischen, ohne daß dem Menschen allerdings eine vollkommene Übersetzung in seine jeweilige Muttersprache möglich wäre.Theologisch interpretierte Luther diesen Sachverhalt, indem er allein Christus und d e m Heiligen Geist eine fehlerfreie Ubersetzung zugestand. Dabei sprach für eine kooperative Vorgehensweise M t 18,20: »Denn wo zwei oder drei versammelt sind in meinem N a m e n , da bin ich mitten unter ihnen.« Die hier zur R e d e stehende Praxis der Revisionskommission, also ihre Organisation und Vorgehensweise, finden in der Literatur mit Ausnahme der Untersuchungen von O t t o R e i c h e r t kaum eingehendere Beachtung. U n t e r der Uberschrift »Äußere Organisation der Bibelübersetzung« geht zwar auch Gelhaus auf die Tätigkeit der Bibelrevisionskommission ein 213 . Dabei berücksichtigt er allerdings nicht die konkrete Arbeitsweise des »gelehrten Ubersetzungs-Kollegiums«. Vielmehr referiert er Luthers B e g r ü n dungen für die gemeinschaftliche Vorgehensweise, die vom Bewußtsein getragen war, an die »kirchenamtliche Autorität« der Papstkirche nicht gebunden zu sein. Konkreter wird Gelhaus im Abschnitt über »>Kunst und Arbeit« 2 1 4 . Er verbindet hier seine eigene M e i n u n g und Erfahrung: »Bei einem solch gewaltigen Werk wie der Bibel ist es deshalb von Vorteil, wenn der Hauptverantwortliche Unterstützung in einem >Team< findet« mit einem Werturteil über des R e f o r m a t o r s historische Einsicht: »Schon früh hat Luther die Notwendigkeit undVorzüge der >Teamarbeit< erkannt.« Im Gefolge dessen berichtet Gelhaus dann von Luthers B e m ü h e n u m Anschaulichkeit bei der Bibelübersetzung, so seinem Weg in die Schatzkammer des Kurfürsten, u m sich und dem späteren Bibelleser größere Klarheit über die in Apk 21 genannten Edelsteine zu verschaffen. Angesichts der von Gelhaus verwandten Terminologie wäre es n o t w e n dig zu überprüfen, ob moderne, gegenwärtig-aktuelle Begrifflichkeiten wie >Team< und >Teamarbeit< der historischen Realität angemessen sind. Dies gilt u m so mehr, wenn sie in der gegenwärtig-aktuellen Diskussion analytisch u n d normativ hochgradig aggregiert sind u n d mit Konnotationen von

19. Nov. 1983. Katalog und Ausstellung: Stefan Strohm u. Eberhard Zwink. 1. Aufl. Stuttgart 1983, 71-77; B R E C H T , Martin Luther, Bd. 3, 108-113. 212 Vgl. mit Angabe der entsprechenden Belege G E L H A U S , Streit, 1 7 3 f. u. 1 7 1 . 213 Vgl. ebd., 173-175. Die beiden nachfolgenden Zitate ebd., 173 u. 175. 214 Vgl. ebd., 135 f. Für die nachfolgenden Zitate ebd., 135.

60

Luthers Umgang mit dem Buch

ökonomisch rechenbarer Leistungssteigerung und Arbeitseffizienz bis hin zu herrschaftsfreiem Diskurs oder demokratischem, partizipatorischem Führungsstil verbunden werden können. Vor einer Bewertung der R e v i sionsarbeit an der Bibel soll daher im folgenden zuerst die konkrete redaktionelle Tätigkeit der Revisionskommission zu analysieren versucht werden. Besonders kommt es dabei auf die R o l l e Luthers im Verhältnis zu den anderen Bearbeitern an, flir welche Gelhaus >Hauptverantwortlichkeit< und >Teamarbeit< postuliert. Als Quelle können die einschlägigen Passagen des ersten biographischen Werkes zu Luther herangezogen werden, die 17 Predigten über Luthers Leben, die der von Luther selbst ausgebildete und ordinierte Joachimsthaler R e k t o r und Pastor Johannes Mathesius 1562 bis 1564 hielt. Sie wurden 1566, im Jahr nach seinem Tode, in Nürnberg erstmals veröffentlicht 215 . In der 13. Predigt geht Mathesius dabei auf die Sitzungen der Bibelrevisionskommission ein 2 1 6 . Luthers Position wird deutlich erkennbar. Der R e f o r mator erscheint als Initiator der redaktionellen Arbeit; mit den Worten des Mathesius »nimmet Doctor die Biblien von anfang wider für sich / mit grossem ernst / fleyß unnd gebete / unnd ubersihet sie durchauß«. Nach Mathesius wird die Revisionskommission im Vertrauen auf M t 18,20 zur Tätigkeit des Reformators hinzugezogen, von ihm eingesetzt, »verordnet D. Luther gleich ein eygen Sanhedrim«. Diese hier in Anlehnung an den jüdischen Hohen R a t bezeichnete Institution tagt »wöchlich etlich stunden vor dem abendessen / inn Doctors Kloster«. Schon durch den Tagungsort besonders hervorgehoben, so betont Mathesius Luthers Stellung noch durch die assoziationsreiche Begriffswahl und Schilderung der Weise, in welcher

2 1 5 Zu Mathesius vgl. GEORG LOESCHE, [Artikel] Mathesius, Johannes. In: R e a l encyklopädie für protestantische T h e o l o g i e und Kirche. Begr. von J . J . Herzog. In 3., verb. u. verm. Aufl. hrsg. von Albert Hauck. B d . 12. Leipzig 1903, 4 2 5 - 4 2 8 . Zu M a t h e sius' Lutherpredigten insgesamt vgl. HANS VOLZ, Die Lutherpredigten des Johannes M a thesius. Kritische Untersuchungen zur Geschichtsschreibung im Zeitalter der R e f o r m a tion. Leipzig 1 9 3 0 (= Quellen und Forschungen zur Reformationsgeschichte. B d . 12). 2 1 6 Im folgenden wird Bezug genommen auf JOHANNES MATHESIUS, Ausgewählte Werke. Bd. 3. Luthers Leben in Predigten. Hrsg., erläutert u. eingeleitet von Georg L o e sche. Prag 1898, 315—318. A u f Einzelnachweise der Zitate wird angesichts dieses Textumfanges verzichtet. Die Ausfuhrungen des Mathesius können als verläßlich gelten. Z u m einen behandelt der 1 5 0 4 geborene Mathesius in dieser Predigt die Jahre 1539 bis 1541, die Zeit, in der er als Tischgenosse im Haus des Reformators selbst Einblick in Luthers und seiner Mitarbeiter Tätigkeit nehmen konnte. Hinsichtlich der Bibelrevision dieser Jahre stellt Volz fest, Mathesius war »über alles, was mit ihr zusammenhing, gut unterrichtet.« (VOLZ, Lutherpredigten, 190;Volz belegt diese Aussage durch die nachfolgenden Nachweise 190—197). Z u m anderen urteilt O t t o R e i c h e r t : »Mathesius hat eine Schilderung gegeben, die von unseren Quellen völlig bestätigt wird«. (REICHERT, B i b e l revisionen, X X X ) . Wenn die Schilderung des Bibelrevisionsverfahrens bei Mathesius auch zitiert oder erwähnt wird, so setzen sich weder REICHERT, Bibelrevisionen und REICHERT, Wittenberger Bibelrevisionskommissionen noch GELHAUS, Streit, 174, eigens damit auseinander.

Luther zur Buchherstellung

am Beispiel der

Bibelübersetzung

61

der Hausherr der Kommission begegnet: Luther geht in die Sitzungen hinein, wie ein Amtsträger in die ihn beratende Körperschaft: »Kam Doctor inn das Consistorium / .. .«.Was den Verlauf der Sitzungen anbelangt, so läßt Mathesius an Luthers zentraler Rolle keinen Zweifel, bezeichnet ihn als Präsidenten, der der Kommission vorsitzt und sie leitet. Aus dem fiir jede Sitzung vorbereiteten Text »proponirt diser President ein text / und ließ die stimm herumb gehen / und hoeret was ein jeder darzu zu reden hette«. Luther bestimmte somit jeweils über den konkreten Gegenstand während der Beratungen. Er hatte die Gesprächsführung in der Hand, regte die Diskussion an, steuerte sie auch. Dennoch wäre es angesichts solcher hierarchischer Elemente verfehlt, von einer streng zentralisierten, allein auf Luther bezogenen, von ihm dominierten Beratung zu sprechen. Luther verstand sich eher als Moderator, der das Gespräch koordinierte und zusammenhielt. Ausdrücklich kennzeichnet Mathesius den Sitzungsstil als Beratung, spricht von »rathschlagen«. Hierbei blieb durchaus R a u m für Beiträge, die nicht ständig über Luthers Person liefen: »Wunder schoene unnd lehrhafftige reden / sollen bey diser arbeyt gefallen sein / welcher M. Georg etlich auffgezeichnet«. Mathesius bezieht sich hier auf die Protokolle Georg Rörers, die in der Weimarer Ausgabe der Werke Luthers, Abteilung Deutsche Bibel veröffentlicht sind und Grundlage für Reicherts genannte Untersuchung der Bibelrevision sind. Daß die gemeinsame Ubersetzungsarbeit durch Kooperation und Diskussion gekennzeichnet war, entsprach sowohl dem Kreis der hier Versammelten, ihren unterschiedlichen Kompetenzen als auch ihrer konkreten Vorbereitung auf die Sitzungen. Es handelte sich um Luthers Kollegen, Mitarbeiter und Mitstreiter der Wittenberger Universität und Reformation, deren besonders altsprachliche Fähigkeiten für die Bibelrevision von Bedeutung waren. Neben Justus Jonas, dem Ubersetzer lateinischer Schriften Luthers und Melanchthons, und den Hebraisten Bernhard Ziegler j o h a n n Forster und Mattheus Aurogallus hebt Mathesius als inneren Kreis der Kommission Philipp Melanchthon für das Griechische, Kaspar Cruciger für das Hebräische und Chaldäische und »D. Pommer«, also Johann Bugenhagen, für das Lateinische hervor. Zwar wird auch hier die Sonderstellung Luthers betont, der neben seiner deutschen Bibelausgabe auch den lateinischen und hebräischen Text mit in die Sitzungen brachte. Doch allen gemeinsam war die Vorbereitung auf den für die jeweilige Sitzung vorgesehenen Text: »Zuuor hat sich ein jeder auffden text geruest / dauon man rathschlagen solte / Greckische vnnd Lateinische / neben den Juedischen außlegern vbersehen.« Für die Fragestellung, wie die Rollen Luthers und der anderen Kommissionsmitglieder bei der geschilderten Bibelrevisionsarbeit verteilt waren, scheint die folgende Charakterisierung angemessen. Die Teilnehmer der Diskussion hatten den Status von Experten, deren Wissen und gelehrter Rat für die redaktionellen Arbeiten benötigt und ernst genommen wurde. Sie sollten und hatten die Möglichkeit, ihre Ansichten nicht jeweils kleinschrit-

62

Luthers

Umgang

mit dem

Buch

tig durch Anfrage Luthers, sondern diskursiv in die Beratungen einzubringen. Luthers Funktion war dennoch deutlich hierüber hinausgehend. Er leitete u n d steuerte die Sitzungen, er zeichnete verantwortlich für die Ergebnisse der Tagungen, war Adressat der Beiträge. Angesichts der Tatsache, daß die deutsche Bibel unter seinem N a m e n erschien, erstaunt dies auch keineswegs. Luther war der Kommission somit sowohl integriert, nämlich als primus inter pares von der Sacharbeit her, als ihr auch enthoben. Von daher sollte mit einem Begriff wie >Teamarbeit< nicht assoziert werden, die Revisionsarbeit wäre eine Gemeinschaftsleistung letztlich gemeinsam Verantwortlicher gewesen, bei denen Luther lediglich die >Hauptverantwortung< getragen hätte. Die redaktionelle Verantwortung für den Text lag vielm e h r eindeutig bei Luther allein, unter dessen N a m e n die Bibel im D r u c k erschien. Bei der Kommission handelte es sich also u m ein Arbeitsgremium Luthers als verantwortlichen Herausgebers der Heiligen Schrift, innerhalb dessen die anderen Teilnehmer den Status vollwertiger Mitarbeiter besaßen. Diese Bestimmung des Verhältnisses zwischen Luther und den anderen Kommissionsmitgliedern zeigt sich auch an der jeweils konkreten Z u s a m mensetzung der Kommission bei einzelnen Sitzungen und im Entscheidungsverfahren über die Revision einzelner Textstellen 217 . So zeigt das Protokoll Georg Rörers, daß Luther bei allen Beratungen zugegen war, in ihm also die Kontinuität der Arbeit ruhte u n d gesichert war. Demgegenüber konnten einzelne, auch prominente Teilnehmer wie Philipp Melanchthon oder auch Kaspar Cruciger aus wichtigem G r u n d e verhindert sein, wobei dann ihre R ü c k k e h r zu den Beratungen eigens vermerkt wurde 2 1 8 . W i e ernst Luther das Urteil auch abwesender Mitarbeiter nahm, wie stark er also Beratung und Kooperation als integrale Bestandteile der Revisionstätigkeit betrachtete, zeigt sich bei der Beratung des achten Kapitels Daniel, wo es im Rörerschen Protokoll an einer Stelle heißt: »consulendus Philippus« 219 . Die letzte Entscheidung bei den Beratungen behielt sich dennoch Luther vor, wie bereits Reichert nachgewiesen hat 220 . Auch wenn dieser in anderem Zusammenhang urteilt, »Beherrschend über dem Ganzen steht Luthers Geist« 221 , so bestätigt dies die vorgetragene Verhältnisbestimmung Luthers zu den anderen Sitzungsteilnehmern. Auf derselben Linie liegt es, wenn 217 Hierüber macht Mathesius keine Angaben, da er bei den Arbeitsbesprechungen nicht selbst zugegen gewesen war. Dies ist aus seiner bereits angeführten Äußerung zu schließen, »wunder schoene vnnd lehrhafftige reden / sollen bey diser arbeyt [der Revisionskommission] gefallen sein«. 218 So ist am unteren Blattrand zur ersten Seite des Eintrages für den 3. Februar 1541 vermerkt: »1. februarii redierunt dominus philippus et doctor Cruciger e Wormaciensi conventu« (WA DB 4, 252, Fußnote); Cruciger und Melanchthon hatten also an der Sitzung mit der Datumsangabe »Ultimo Jannarii Anni 41« (ebd., 246) nicht teilgenommen. 219 Ebd., 200, Fußnote. 220

V g l . R E I C H E R T , W i t t e n b e r g e r B i b e l r e v i s i o n s k o m m i s s i o n e n , 3 3 f.

221

REICHERT, E i n l e i t u n g , X X X I .

Ergebnisse und Folgerungen

63

Mathesius in seinem Bericht über die Sitzungsverläufe Luthers »vorgehende Vermahnungen« einbezieht, erst in deren Gefolge die Beratungen stattfanden 222 . 1.4. Zusammenfassende

Interpretation der Ergebnisse

und Folgerungen für den Fortgang der Untersuchung Im Vorhergehenden wurde Luthers Beschäftigung mit dem Buch weitestgehend unabhängig von der inhaltlichen Auseinandersetzung des R e formators mit Texten darzustellen versucht. Diese methodische Beschränkung ermöglichte es, eine Vielfalt praktischer Aktivitäten in den Blick zu bekommen, die Luthers Umgang mit dem Buch im materialen oder gegenständlichen Sinne zusammenhängend deutlich werden lassen. Diese B e trachtungsweise will in keiner Weise leugnen, daß Luthers Umgang mit dem Buch durch geistige Motivationen bestimmt war und auf Inhalte zielte. Natürlich war dieser Umgang funktional für die ganze Bandbreite individueller und sozialer inhaltlicher Zwecke und Bezüge, in denen Luther lebte und auf die er einzuwirken suchte: Bildung, Studium, Forschung, Frömmigkeit, christliches Leben, Verkündigung und Predigt des Wortes Gottes, Auseinandersetzung mit Gegnern, Formierung der reformatorischen B e wegung. Der Gewinn der hier unternommenen formalen Betrachtung besteht nun darin, eine Antwort auf die Frage geben zu können, welche B e deutung dem Buch im praktischen Lebensvollzug des Reformators zukam. Hier erscheint nach der vorhergehenden Darstellung das Urteil gerechtfertigt, das Buch für Luther als ein alltägliches Mittel der Lebensbewältigung zu bezeichnen. Die intensive Lektüre bis hin zur Textmeditation diente der individuellen Frömmigkeit, das Zusammenspiel von extensivem und intensiven Lesen bis hin zu schriftverbundener Lektüre in der Form von An- und Unterstreichungen sowie Notizen dem individuellen Studium, dem professoralen und Predigtauftrag, der schriftstellerischen Arbeit. In seinen sozialen Beziehungen verfugte Luther über Bücher, indem er Buchgeschenke erhielt, selbst Bücher verschenkte, Bücher für seine Bibliothek und Arbeit erwarb, Bücher verlieh. Luther kommunizierte über Bücher, indem er Bücher empfahl, bekannt machte und im persönlichen Schriftverkehr Kontakte zum Erwerb von Büchern vermittelte. Schließlich war Luther mit einer Vielzahl von Ansprüchen und praktischen Erfordernissen der Buchherstellung konfrontiert. Im Vorfeld bzw. im Vollzug der literarischen Produktion erscheint er bei der Herausgabe der deutschen Bibel als Organisator und verantwortlicher Gesprächsleiter bei der Ubersetzungs- und Revisionsar2 2 2 Mathesius nennt als wichtige Leitlinien Luthers für die gemeinsame Arbeit die rechte christliche Haltung und das Gebet. Weiterhin möge man sich des Inhalts der Schrift als R e d e vom geistlichen und weltlichen R e g i m e n t Gottes prinzipiell bewußt sein und schließlich bei der Ubersetzung die Eigenheiten der Originalsprache berücksichtigen, der heiligen Sprache des Hebräischen.

64

Luthers Umgang mit dem Buch

beit. Darüber hinaus setzte er sich für das Erscheinen der Schriften Dritter ein, indem er Vorreden verfaßte, brieflich für die Herausgabe etwa des Koran eintrat oder selbst als Herausgeber nicht von ihm selbst verfaßter Schriften Sorge trug. In Konsequenz der literarischen Produktion griff der R e formator in geschäftliche, verfahrensmäßige und sogar technische Probleme der Buchherstellung ein. Hier m u ß t e er Entscheidungen über die D r u c k vergabe sowie über die Gestaltung und Ü b e r w a c h u n g des Drucks fällen. Luthers vielfältiges Handeln mit dem Buch läßt sich mit dem, was Leben und Werk seiner Person historisch ausmacht, in die engste, weil notwendige Beziehung setzen. In den einleitenden Kapiteln seiner Einführung in Luthers Denken charakterisiert Gerhard Ebeling Martin Luther und seine W i r k u n g allgemein, noch ohne im einzelnen auf seine Theologie einzugehen, durch die Begriffe »Sprachereignis«, »Wort« u n d »Tat«223. Letztere ist hierbei nicht nachgängige Verwirklichung, gewissermaßen Exekution des Wortes, sondern »die Wirklichkeit des reformatorischen Wortes selbst« 224 , insofern das reformatorische Handeln, die »reformatorische Tat«, auch in den reformatorischen Einzelereignissen mit Inhalt und Struktur des Wortes eins ist. Ebeling gibt dieser Einheit mit d e m Begriff »Tatwort« sprachliche Gestalt. Charakterisieren diese Begrifflichkeiten das Wesen des reformatorischen Handelns, so implizieren sie im Blick auf Luthers nicht nur geistiges, sondern gerade das korrespondierende konkrete, praktische Tun genau das hier Untersuchte: Luthers U m g a n g mit dem Buch in materialer Hinsicht. Luthers reformatorische Tat ist o h n e seine Beschäftigung mit dem Buch als Gegenstand nicht vorstellbar. Kennzeichnet man — noch einmal mit prägnanten Begrifflichkeiten Ebelings - Luthers reformatorisches Handeln mit den Bildern »Katheder«, »Kanzel«, »Feder« 225 , so steht außer Frage, daß nicht nur Luthers Wirken insgesamt, sondern auch die dieses Wirken konstituierenden täglichen Handlungs- und Arbeitsvollzüge weithin mit dem Buch einhergingen. Bücher beanspruchten einen Großteil der täglichen Zeit und Arbeitskraft Luthers. Mit und aus dem Buch erwuchs reformatorisches Handeln in vielfältiger Weise und fand seinen Niederschlag w i e d e r u m in der Form des Buches. Bei den untersuchten Betätigungen mit und u m das Buch fällt durchgängig Luthers reflektierter und methodischer U m g a n g auf. Dies zeigt sich etwa an den Verfahrensweisen der Lutherschen Lektüre. Luther kombinierte kursorische Lektüre zur Auswahl des Wesentlichen mit dessen intensiver Auswertung. Bei letzterer durchdrang er den Text u n d machte ihn sich mit Hilfe der genannten Formen schriftverbundener Lektüre zueigen. Aneignende Lektüre mit Konsequenzen für die Lebenspraxis nahm die menschli223 G E R H A R D E B E L I N G , Luther. Einführung in sein Denken. 4. Aufl. Tübingen 1981 (= Uni-Taschenbücher. Bd. 1090). 224 Ebd., 71, auch für die nachfolgenden BegrifFszitate. 225 Ebd., 52.

Ergebnisse und

Folgerungen

65

che Stimme zu Hilfe, las erneut und immer wieder, repetierte das Gelesene bis hin zum Auswendiglernen. Dies galt auch für die Meditation religiöser Texte, bei der alles Bemühen nicht zu einem Verstehen aus der dem Menschen eignenden Erkenntniskraft führen konnte, sondern auf die Zuwendung des Heiligen Geistes angewiesen war. Aus diesem Grunde bezog die meditative Lektüre das Gebet in ihren Handlungsvollzug ein. Sowohl die Ziele als auch die systematischen Verfahrensweisen rechtfertigen es, den lesenden Umgang Luthers mit dem Buch als intensive Lektüre zu charakterisieren. Methode und System kennzeichnen auch Luthers Verhältnis zur Buchherstellung. Luther beachtete bei der Vergabe von Druckaufträgen sowohl ökonomische Notwendigkeiten als auch hiermit verbundene Gerechtigkeitspostulate. Er bevorzugte die Wittenberger Drucker bei einträglichen kleineren Schriften in hohen Auflagen und suchte sie vor Nachdruck zu schützen, um auf diese Weise langfristige größere Projekte wie die Herausgabe seiner Kirchenpostille oder der Heiligen Schrift zu ermöglichen. Es kam ihm darauf an, das Auskommen der mit ihm zusammenarbeitenden Drucker zu sichern und das Geschäftsrisiko der Offizinen zu mindern, das aus hohen materiellen Vorleistungen, einem höheren Preis aufgrund besonderer qualitativer Ansprüche an den Druck und einem schwerer kalkulierbaren Absatz resultierte. In Kenntnis der Drucktechnik und des -Verfahrens bis hin zur Vorlage eines druckfertigen Manuskripts zeichneten sich auch die Überwachung des Druckes und dessen Organisation durch Rationalität und Professionalität aus. Luther entlastete sich durch den Einsatz von Korrektoren, wobei auch Freunde wie Melanchthon an der Korrektur mitbeteiligt waren. Die Drucker hielten sich an Qualitätsstandards, die in der ersten Hälfte der 1520er Jahre herausgebildet und von Luther verbindlich gemacht worden waren. Schließlich läßt sich auch die Herausgabe verbesserter deutscher Ubersetzungen der Heiligen Schrift mit Hilfe der Bibelrevisionskommission als rationale Form des Lutherschen Umganges mit dem Buch qualifizieren. Bereits die Einrichtung dieser Kommission gründete insofern in biblischer Uberzeugung und Reflexion, als sie in Konsequenz der Glaubenseinsicht aus Mt 18,20 erfolgt war, Christi Geist sei dort zugegen, wo man in seinem Namen versammelt ist. Darüber hinaus konnte gezeigt werden, daß die erfolgreiche Tätigkeit der Kommission von einer effizienten Arbeitsweise bestimmt wurde, die sich durch Kooperation und Kollegialität einerseits sowie Luthers Autorität, Verantwortlichkeit und Lenkung andererseits auszeichnete. Aus den bislang vorgetragenen Untersuchungsergebnissen läßt sich zeigen, inwieweit die Rede von einem eigenständigen Handlungsfeld des Umganges mit dem Buch bei Luther gerechtfertigt ist. Dieses Handlungsfeld besteht nicht allein in der Summe desjenigen, was hier als die Aktivitäten Luthers im Umgang mit dem Buch im einzelnen beschrieben worden ist. Diese Aktivitäten als Gesamtheit zu begreifen erfordert danach zu fra-

66

Luthers Umgang mit dem Buch

gen, worin das einheitsstiftende M o m e n t liegt, das die Vielfalt der Betätigungen Luthers mit dem B u c h als Gegenstand, als fertiges und durch die beschriebenen sozialen Handlungsvollzüge noch zu fertigendes Produkt, integriert und somit als Handlungsfeld eigener Art konstituiert. Hierbei kann einerseits auf Ebelings eingangs dieses Kapitels genannte grundsätzliche Charakterisierung der historischen Persönlichkeit Luthers abgestellt werden, die »Verflechtung von Leben und Lehre«. Diese inhaltliche, in Luthers Theologie gegründete Verflechtung, findet in Luthers Beschäftigung mit dem Buch im materialen Sinne ihre gegenständliche Entsprechung. Luthers Umgang mit dem Buch läßt sich als eines der Mittel und Verbindungsglieder begreifen, das die Ubereinstimmung von Leben und Lehre ermöglichte und herzustellen half. Andererseits, und dies folgert aus den hier näher untersuchten Einzelaspekten, ist es die Art und Weise, in der er sich mit dem Buch beschäftigte, welche es erlaubt, von einem eigenständigen Handlungsfeld bei Luther zu sprechen. Bei allen hier beschriebenen Aktivitäten zog Luther das Buch nicht fallweise, willkürlichen Eingebungen folgend und unsystematisch für seinen reformatorischen Auftrag und die Übung individueller Frömmigkeit heran. Vielmehr unterwarf Luther den Umgang mit dem Buch und damit den Weg zu lebensbedeutsamem Wissen bzw. dessen Publikation rationalen Verhaltensweisen in so zentralen Bereichen wie Lektüre, seinem Verhältnis zum Druck, der Bibelübersetzung bzw. -revisión. Diese Form mit dem Buch zu agieren, ist keineswegs als R a n d phänomen zur Kenntnis zu nehmen. Sie bestimmte wesentlich das Verhalten Luthers, seine alltägliche Arbeitsweise, und veranlaßte ihn auch wie im Fall des Lesens, sie aus der Sphäre individueller Eigenart in die allgemeiner Verbindlichkeit zu überführen, indem er sie öffentlich weiterempfahl. Auf dieser Linie reflektierten, allgemein nachvollziehbaren und verbindlichen Handelns liegt auch die öffentliche Rechtfertigung seiner Druckvergabepraxis mit ökonomischen und moralischen Argumenten. Luthers Umgang mit dem B u c h war überlegt, organisiert und konnte bzw. sollte von anderen in vergleichbaren Situationen nachvollzogen werden. Gerade die Tatsache, daß Luther methodisch und reflektiert und demgemäß auch normativ mit dem Buch agierte, macht es möglich, diese Betätigungen als Einheit zu erfassen. Diese Interpretation findet auch Rückhalt an Luthers eigener Begriffswahl und Bewertung. Der Reformator kann seine praktische Betätigung mit dem Buch auch durch den systematisches Handeln kennzeichnenden Begriff der Arbeit charakterisieren. In seiner öffentlichen Antwort auf Angriffe des streng katholischen, albertinischen Herzogs Georg von Sachsen äußert sich Luther 1533 über sein ehemaliges Dasein als M ö n c h mit den Worten: »Denn ich hette mich (wo es lenger geweret hette), zu tod gemartert mit wachen, beten, lesen und ander erbeit.« 226 U n d wie hier die Lektü226

WA 38,144,29 f.

Ergebnisse und

Folgerungen

67

re so hat Luther nach der Überlieferung der Tischreden den Einsatz für die Übertragung der Bibel ins Deutsche gleichfalls zusammenfassend als Arbeit in Erinnerung: »Es glaubt niemandt, was arbeitt uns gekostet hatt, denn die mitt umbgehen und hören wie Georg.« 227 In der Vorrede zum ersten Band seiner lateinischen Schriften warnt Luther 1545 die Leser davor, ohne den Einsatz von Arbeit u n d M ü h e ein F o r t k o m m e n erreichen zu können. Er selbst sei »non ex illis, qui de nihilo repetente fiunt summi, c u m nihil sint, neque operati, neque tentati, neque experti« 2 2 8 .Vielmehr rechne er sich zu »illis, qui (ut Augustinus de se scribit) scribendo et docendo profecerint«. D o c h am eindringlichsten und anschaulichsten qualifiziert Luther die geistige u n d praktische Beschäftigung mit dem Buch in seiner »Predigt, daß man Kinder zur Schule halten solle« von 1530 als Arbeit. Es sei wohl akzeptiert, »ym hämisch reiten hitz frost, staub, duerst vnd ander vngemach leiden, das sey eine erbeit« 229 . Aber Luther möchte »den reuter sehen, der mir kundte einen gantzen tag still sitzen vnd ynn ein buch sehen«, und man »frage einen Cantzel Schreiber, prediger vnd Redener, was schreiben vnd reden für erbeit sey«; hier seien es »gleich wol das beste stucke (als der kopff,) vnd das edleste gelied (als die zunge) vnd das höhest werck (als die rede) so am menschlichem leibe sind, die her halten vnd am meisten erbeiten, da sonst bey andern entweder, die fausst, fuß, rucken odder der gleichen glied allein erbeiten vnd k ö n n e n da neben frolich singen vnd frey schertzen, das ein Schreiber wol lassen mus, Drey finger thuns (sagt man von Schreibern) Aber gantz leib vnd seel erbeiten dran«. Für den systematischen U m g a n g mit dem Buch im Sinne von Arbeit ist zu betonen, daß dies für Luther eine Einheit der Betätigung von >Leib u n d Seele< darstellte. Eine rechte Auseinandersetzung mit dem Buch liegt nicht vor, wenn sie rein formal erfolgt, lediglich >leiblich< eine Regel erfüllt, wie aus Luthers Kritik des monastischen Stundengebets deutlich wird: »Und ist freilich war, wenn man das beten dahin richtet das man ein werck odder erbeit draus machet, dem leib auffgelegt soviel stunden an einander zu lesen odder singen, Das kein tagloner nicht lieber solt welen einen tag zu dreschen dann zwo odder drey stund an einander nur das maul zu regen odder stracks j n n ein buch zusehen« 230 . Die innere, geistig-geistliche und affektive Anteilnahme und Bewegung sind für Luther unumgänglich. D a n n verliert der praktische U m g a n g mit dem Buch auch den Charakter einer überschweren, weil unsinnigen Bürde und Last. Welche Folgerungen ergeben sich aus der Konstitution eines eigenständig beschreibbaren Handlungsfeldes Buch bei Luther für den Fortgang der

227 w A T r 5,58,26 f. (Nr. 5324). Mit Vornamen wird hier Georg Rörer angesprochen, der Protokollant der Revisionssitzungen der Lutherschen Bibelkommission. 228 WA 54,186,27 f. Für das folgende Zitat ebd., 186,26 f. 229 Dieses und das folgende Zitat aus WA 30 11,573,6-18-574,1-6. 230 WA 32,417,24-28.

68

Luthers Umgang mit dem Buch

Untersuchung? Wenn gezeigt werden konnte, daß Luthers Umgang mit dem Buch seine Lebenswirklichkeit maßgeblich mitbestimmt hat und durch methodisches Handeln gekennzeichnet war, so stellt sich die Frage, ob diese methodisch-systematische Praxis in inhaltlich-systematischen Vorstellungen vom Buch verankert ist. Luthers reflektierter Gebrauch des Buches legt es jedenfalls nahe, daß der Praxis eine systematisch rekonstruierbare Anschauung korrespondiert. Hierbei ist zu berücksichtigen, daß Luther sich mit dem Buch an sich, dem Begriff des Buches, nie eigens und ausdrücklich auseinandergesetzt hat. Hierin unterscheidet er sich nicht von anderen Schriftstellern und Gelehrten. Bei dieser Sachlage wäre es verfehlt, nach einer Theorie des Buches bei Luther zu suchen. Dies schließt allerdings nicht aus, daß Luther ein klares, in sich schlüssiges Verständnis vom Buch besaß, welches sich aus seiner Verwendung des Buchbegriffes nach Maßgabe der in der Einleitung dargelegten Gliederung entfalten läßt.

2. Z u m Begriff des Buches bei Luther In seinen Schriften verwendet Luther sowohl das deutsche Wort >Buch< als auch dessen lateinisches Äquivalent >liberBüchlein< u n d >libellusBuch< verknüpft. Dadurch kann der differenzierte Gebrauch des Buchbegriffs in der historischen Wirklichkeit deutlich werden, in welcher das P h ä n o m e n des Buches als Vielfalt verschiedener Bücher erscheint. Als Drittes soll die in der Literatur bislang unberücksichtigte metaphorische Verwendung des Buchbegriffes näher untersucht werden. Diese exkur1 Das Register zur Weimarer Lutherausgabe beim Institut fiir Spätmittelalter und Reformation der Universität Tübingen weist 1079 Nachweise fiir >Buchliber< aus. Für >Büchlein< sind es 123 Einträge, für >libellus< 91. Phonologische und orthographische Unterschiede bei den deutschen Wörtern >Buch< und >Büchlein< können hier außer Betracht bleiben, da sie deren Semantik nicht betreffen. Uberwiegend in Kleinschreibung findet sich die Form >buch< im Singular. Im Plural wird bis Mitte der 1520er Jahre regelmäßig >bucher< verwandt. Später lautet die Mehrzahl >buecherbucher< erscheint nur noch gelegentlich (vgl. etwa WA 41,202,12; 47,422,5; 54,172,36). Gegenüber dem stimmhaften Konsonanten >b< stellt der stimmlose Labialverschlußanlaut >p< bei »puch« (WA 30 11,255,23 u. 59,279,11), »pucher« (WA 6,583,10) und »puecher« (WA 7,848,23) die Ausnahme dar. Größeren Abweichungen unterliegt die deutsche Verkleinerungsform >Büchleinbuchlin< und >buechlin< benutzt. Daneben finden sich »buchle« (vgl. etwa WA 7,11,8; 8,711,33; 10 11,72,4), »buechle« (vgl. etwa WA 6,378,13; 10 11,131,23), »buechlein« (vgl. etwa WA 2,136,17; 35,476,1; 30 111,458,18), »B(b)uchlein« (vgl. etwa WA 6,480,7; 23,461,18; 41,415,8) und ausnahmsweise »Pueschlin« (WA 28,513,8).

70

Zum Begriff des Buches bei Luther

sorische Betrachtung verweist einerseits auf zentrale Aspekte der Haltung Luthers zum Buch als eines historisch realen Gegenstandes. Anderseits unterstreicht gerade die Fähigkeit des Buches, im Bild benutzt zu werden, daß Luther zwar über keine theoretisch ausgeführte, wohl aber über eine klar umrissene und damit erst zum Gleichnis geeignete Anschauung vom Buch verfügte.

2.1. Allgemeine

Merkmale

des

Buchbegriffes

Ausgangspunkt dafür, das Buch bei Luther in seiner elementaren begrifflichen Struktur zu erfassen, können die buch- und bibliothekswissenschaftlichen Versuche sein, das Phänomen des Buches definitorisch zu erfassen. Ihnen zufolge gilt der Sachverhalt als zentrales Kennzeichen, daß das Buch die Einheit eines einerseits materiellen und andererseits geistigen und von hier aus funktionalen Gegenstandes darstellt 2 . Von dieser materiell-geistigen Grundstruktur her soll gefragt werden, ob Luther beim Begriff des Buches stärker die physische oder die geistige Komponente denkt. Eine Antwort hierauf soll dadurch versucht werden, daß der Bedeutung der von Luther für das Buch verwandten beiden Bezeichnungen >Buch< und >Büchlein< nachgegangen wird. Das quantitativ keineswegs randständige Diminutiv >Büchlein< könnte darauf hinweisen, daß das Buch für Luther in besonderer Weise durch das 2 Vgl. den Abschnitt »Definitionsversuche des Buches« bei K R Z Y S Z T O F M I G O N , Das Buch als Gegenstand wissenschaftlicher Forschung. Buchwissenschaft und ihre Problematik. Mit e. Geleitwort von Alfred G. Swierk. Ubers, von Andreas Fleischer. Wiesbaden 1990 (= Buchwissenschaftliche Beiträge aus dem Deutschen Bucharchiv München. Bd. 32), 15-20. Auch für Migon selbst ist das Buch »ein materieller Gegenstand und Träger geistiger Inhalte« (ebd., 20); beim Buch verbinden sich »physische Eigenschaften« und »sein inhaltlicher und funktionaler Wert« (ebd.). Diese Doppelstruktur des Buches macht nach Auffassung von Wieland Schmidt und Hermann Tiemann das Wesen des Buches aus (vgl. W I E L A N D S C H M I D T , Vom Wesen des Buches. Ein Versuch. In: Ders., Kleine Schriften. Festgabe d. Universitätsbibliothek der Freien Universität Berlin für Wieland Schmidt zum 65. Geburtstag. Hrsg. von Konrad Kettig. Wiesbaden 1969, 1530; hier: S.29 u. H E R M A N N T I E M A N N , Vom Sein des Buches (1946). In: Ders., Essays, Vorträge und Aufsätze aus vier Jahrzehnten. Mit e. Vorwort von Fritz Schalk u. e. Verzeichnis d. wichtigsten Schriften d. Verfassers hrsg. von Christian Voigt für d. Maximilian-Gesellschaft in Hamburg. Frankfurt am Main 1974 (= Jahresgabe der MaximilianGesellschaft. 1973), 13-30; hier: S. 16 f.). Ausdrücklich weist M I G O N , Buch, 15 darauf hin, daß die Komplexität des Buches eine vollständige und präzise Begriffseingrenzung nicht zulasse, die es etwa eindeutig »von Erscheinungen wie Zeitung, Zeitschrift, Flugblatt, Broschüre, Plakat usw., also dem Druckerzeugnis überhaupt und jedem anderen Dokument« (ebd., 19) unterscheide. Dieser Umstand hat Robert Escarpit zu der These veranlaßt: »Wie alles Lebendige entzieht sich das Buch der Definition.« [ R O B E R T E S C A R P I T , Die Revolution des Buches. Aus d. Französ. übers, von Wolf Dieter Bach. Gütersloh 1967 (= Schriften zur Buchmarktforschung. Bd. 10), 12],

Allgemeine

Merkmale

des Buchbegriffes

71

materielle Moment bestimmt ist, hier in der Form des Buchumfangs. Betrachtet man Luthers Buchbezeichnungen jedoch genauer, so zeigt sich das genaue Gegenteil. Für sich betrachtet lassen die angeführten Buchbezeichnungen einen stark vom Inhalt her geprägten Buchbegriff zutage treten. Das wird besonders dann deutlich, wenn Luther in einem Gedankengang materiale Charakteristika des Buches mit dem Buchinhalt in Verbindung bringt. So heißt es in der Widmungsrede zu seiner Schrift »Eine Predigt, daß man Kinder zur Schule halten solle« von 1530: »Ich hab einen sermon gefasset an die Prediger, so hin und widder sind, das sie die leute vermanen, jhre kinder zur schulen zu halten, Und ist mir unter henden gewachsen und schier ein buch worden, wie wol ich mit gewallt hab müssen mich auffhalten, das nicht allzu gros wurde, so reich und vol ist solch Thema« 3 . Hier stellt Luther zwar auf den Umfang als Kennzeichen des Buches ab. Doch der Hinweis auf die Fülle des Themas zeigt, wie sehr es der geistige Gehalt ist, der den Umfang bestimmt und damit dem BuchbegrifF zugrunde liegt. Das bedeutet nicht, daß der Reformator das für das Buch konstitutive materielle Moment ganz außer Betracht ließe oder auch nur unbeachtet lassen könnte. Bereits die Ausführungen zu Luthers Umgang mit dem Buch ließen deutlich werden, daß er das Buch durchaus in physischer Hinsicht denkt, schon weil die materielle Form für die Verbreitung des Inhaltes unabdingbar ist4. Doch dem Begriff nach ist das Buch für Luther zuerst literarisches Werk. Das wird auch daran ersichtlich, daß er sich von der Bezeichnung des Buches löst, sobald er die physische Komponente des Buches betonen will. Wenn er etwa daraufhinweisen möchte, daß das Buch der Ö f fentlichkeit in gedruckter Weise zugänglich gemacht worden ist, konfrontiert er die Bezeichnung >Buch< oder >Büchlein< mit deijenigen des Druckes oder er spricht allein von >Druckgehe durch den Druck ausBuch< findet bei dieser nichtinhaltlichen Rede vom Buch keine 3 4 5 6

WA 30 11,517,6-11. S. oben im Kapitel »Luthers Umgang mit dem Buch als Handlungsfeld« S. 50 f. WA 18,384,4-7. Vgl. z.B. WA 18,291,15-18; 28,70,11 ff.; 50,609,14-16.

72

Zum Begriff des Buches bei Luther

Verwendung. Von hierher ist es nur folgerichtig, daß Luther die Bezeichnungen >Buch< und >Druck< einander unmittelbar gegenüberstellt. So schreibt er etwa, daß man »meine Buecher wil durch den druck ... itzt samlen« oder »Dis Buechlin moechte durch den druck ... komen« 7 . Die Bezeichnungen >Buch< und >Büchlein< einerseits, >Druck< andererseits stellen somit Momente eines Sinnzusämmenhanges dar, der sich von zwei Seiten her konstituiert. Die Bezeichnung >Druck< repräsentiert die physische Komponente, in welcher der Inhalt vorliegt. Das geistige oder inhaltliche Moment selbst wird durch >Buch< und >Büchlein< zum Ausdruck gebracht. Der stark vom Inhalt her geprägte Begriff des Buches bei Luther läßt sich an der Unterscheidung von >Buch< und >Büchlein< genauer fassen und differenzieren. Dabei ist die materielle Sinnkomponente beider Bezeichnungen Luther durchaus präsent, auch wenn sie gegenüber der inhaltlichen deutlich zurücktritt. Dies zeigt seine Vorrede zu »Die Epistel S. Pauli zu den Kolossern durch Phil. Melanchthon. Verdeutscht durch Justus Jonas« aus dem Jahre 1529. Melanchthons Werk sei »ein feines nuetzlichs buch ... darynn gar fein kurtz und doch deutlich und reichlich gefasset ist, was ein Christliche lere und leben sey, das wol dis buechlin ein gros buch und widderumb dis buch ein klein buechlein heissen mag«8. Durch die Verwendung der Adjektive >groß< und >klein< wird deutlich, daß Luther die am Umfang orientierte Differenzierung der Normalform >Buch< und des Diminutivs >Büchlein< als geläufig voraussetzt und mitdenkt. Er benutzt diesen materiellen Bedeutungsaspekt jedoch lediglich als stilistisches Mittel, um für das Werk vom Inhalt her Interesse zu wecken und es dem Leser zu empfehlen. Von dieser Präferenz der inhaltlichen Bedeutungsebene her erklärt es sich, daß Luther mit dem Diminutiv >Büchlein< keineswegs nur wenige Seiten umfassende Publikationen bezeichnet. >Büchlein< sind ihm nicht nur kleinere Streitbeiträge oder didaktisch-erbauliche Traktate wie »Ein kurz Unterricht den sterbenden Menschen ganz tröstlich und seliglich furzuhalten« des Thomas Venatorius 9 , von dem Luther 1529 in seiner Vorrede schreibt, er wolle »dis buchlin auff heben, das nicht umbkeme.« 10 Vielmehr spricht er regelmäßig von »diesem buechlin«, »hunc libellum«11 oder in ähnlichen Wendungen im Blick auf Werke auch mittleren Umfanges, welche beispielsweise 25,35,65, 76, 96 Seiten in der Weimarer Ausgabe zählen 12 . Darüber hinaus werden so 7

WA 50,657,31-658,1; 53,392,30 f. WA 30 11,68,2-7. 9 Je nach Format umfaßt dieses >Büchlein< 4-12 Bl. (vgl. die Eintragung unter dem deutschen Namen »Thomas Gechauf« des Venatorius inVD 16). 10 WA 30 11,79,5 f. 11 WA 30 111,446,24; 5,22,23. 12 Diesbezüglich gebraucht Luther den Begriff >Büchlein< in der Reihenfolge der dem Umfang nach angeführten Schriften in WA 30 111,446,24 u. 25 für »Wider den Meuchler zu Dresden« von 1531; 10 11,227,3 für »Contra Henricum regem Angliae« von 1522; 11,246,17 für »An den christlichen Adel deutscher Nation von des christlichen Standes Besserung« von 1520; 10 11,202,14 für »De captivitate Babylonica ecclesiae 8

Allgemeine Merkmale des Buchbegriffes

73

umfangreiche Schriften wie die gerade erwähnte, von Justus Jonas ins D e u t sche übersetzte Kolosserbriefauslegung Melanchthons mit 99 Blatt im Quartformat oder Johannes Bugenhagens »Commentarius in quattuor capita prioris Epistolae ad Corinthios«, 1530 bei Hans Lufft mit 2 0 4 Blatt im Oktavformat erschienen 1 3 , von Luther als >Büchlein< 14 bezeichnet. U n d selbst sein in der Weimarer Ausgabe mit mehr als 6 5 0 Seiten voluminöses exegetisches Werk »Operationes in psalmos« nennt Luther >libellusBuch< und >Büchlein< gefragt wird, so scheidet die Möglichkeit aus, bei der Bewertung der jeweils bezeichneten Texte anzusetzen. Dies läßt sich an Beispielen belegen, bei welchen Luther beide Bezeichnungen oder ihre lateinischen Äquivalente sowohl zustimmend als auch mit Kritik am Buchinhalt verwendet. Mit positivem Bezug zum Inhalt benutzt er >Büchleinich habe< »fast in allen meinen Buechlin nichts anders getrieben denn den Glauben und die Liebe« 1 6 oder wenn er seine >Büchlein< als Zeugnis für die von ihm vertretenen inhaltlichen Positionen in Anspruch nimmt 1 7 . Im selben Sinne, nämlich mit Zustimmung für die Werkaussage, wird auch die Bezeichnung >Buch< etwa im Fall der schon angeführten Kolosserbriefauslegung Philipp Melanchthons oder allgemeiner für eine R e i h e bedeutsamer und grundlegender reformatorischer Werke verwandt: »Ex nostra autem parte multi edebantur eruditissimi libri: postillae quas vocant, catechismi, enarrationes sacrarum literarum, item loci communes d. Philippi, demum nostra confessio Augustae coram Carolo Caesare et toto imperio publice recitata« 18 . Mit negativem Bezug zum Textinhalt verwendet Luther >BüchleinBuch< übt Luther Kritik. So wendet er sich zum Beispiel in einer in Crucigers Sommerpostille eingegangen Predigt aus d e m Jahr 1538 gegen die Literatur der mittelalterlichen Kirche, genauer des Dominikanerordens, und zwar mit der polemischen Bemerkung, daß »die Prediger M o e n c h e grosse Buecher vol schmiereten mit ertichten und erstuncken Luegen« 20 . Genauso mit kritischer Stoßrichtung bedient sich Luther der nichtdiminutiven N o r m a l f o r m in einer Predigt aus d e m Jahre 1545. Dabei kann aufgrund der für Luther charakteristischen Sprachmischung das Wort >Buch< sowohl in seiner lateinischen als auch in der deutschen Form innerhalb eines Gedankenganges gebraucht werden. D e r R e f o r m a t o r bestreitet den rechten geistlichen Erfahrungswert der Papstkirche, des Islam u n d des Judentums mit den Worten: »Ex libro papae, Turcarum n o n discitur. Nos canimus, praedicamus, pingimus et drauff getaufFt u n d sterben, quod cum eo resurrecturi secundum corpus, und bereit nach der seel. welchs nit in Turckei oder im rechten Bapsttumb geschieht, D e n n aus Turcken, Bapsts, Juden buch folgets und findets nicht« 21 . W e n n dieses Lutherwort unmittelbar mit der positiven Verwendung von >Buch< weitergeführt wird: »Aber in der Christen buch stehts«, so kann als Ergebnis dieses u n d der zuvor angeführten Textstellen festgehalten werden: Die sprachliche Unterscheidung der buchbegrifflichen Bezeichnungen >Buch< u n d >Büchlein< einschließlich ihrer lateinischen Entsprechungen ist für Luther neutral gegenüber inhaltlich als positiv bzw. negativ erachteten Schriften. Beide Bezeichnungen sind für Luther wertfrei verfügbar; ihr konkreter Wertbezug ergibt sich aus dem j e weiligen Gebrauchskontext. Auf der inhaltlichen Bedeutungsebene des Buchbegriffes ergeben sich j e d o c h deutliche Unterschiede der Verwendung von >Buch< und >BüchleinBüchlein< in einem m e h r individualisierenden, von >Buch< hingegen in einem stärker generalisierenden und abstrakten Sinne spricht.Wenn er eine konkrete einzelne Schrift vor Augen hat, gebraucht er überwiegend nicht die Bezeichnung >BuchBüchleininvictus libellusBüchlein< we20

WA 21,329,14 f. WA 49,763,5-7 u. 15-17, auch für das nachfolgende Zitat. 22 Vgl. WA 18,601,5 u. 18,601,6 f. 23 WA 11,246,17; 10 11,32,18-20. Luther meint seine beiden Schriften »An den christlichen Adel deutscher Nation von des christlichen Standes Besserung. 1520« und 21

Allgemeine Merkmale des Buchbegriffes

75

niger häufig auch in der Mehrzahl verwendet, dann löst er sich hier vom konkreten Einzelwerk. Dennoch bleibt der individuelle Charakter dadurch bestehen, daß die pluralische Verwendung überwiegend auf die Gesamtheit der Werke einzelner Autoren abstellt. So spricht Luther etwa von Ciceros Schriften als »libelli Ciceronis« 2 4 . Mit Blick auf seine eigenen Veröffentlichungen kann er feststellen, »meine buechlin sind am tage« 25 ; oder er beklagt sich: »So viel buechlin hab ich geschrieben, Und ist nicht einer funden, der mir auff die selbigen antworte« 26 . Selten nur bedient sich Luther der pluralischen Bezeichnung >BüchleinBüchlein< verdammt, wie Luther dem Leser seiner Verteidigungsschrift mit einer rhetorischen Frage verdeutlicht: »Finge, quaeso, me esse talem, qualem illa maledica et maledicta Bulla videri cupit, haereticum, erroneum, schismaticum, offensivum, scandalosum in aliquot libellis. Quid meruere libelli Catholici, Christiani, veri, edificatorii, pacifici?« 28 Im Vergleich zu >Büchlein< gebraucht Luther >Buch< nur in wenigen Fällen, um ein einzelnes Werk zu bezeichnen. Dabei schlössen sich beide B e nennungen nicht gegenseitig aus. So kann Luther für seine Schrift »De captivitate Babylonica ecclesiae praeludium« 29 oder für die ins Deutsche übertragene Kolosserbriefauslegung Melanchthons 3 0 nicht nur >BüchleinBuch< verwenden. Ansonsten heißt es in seiner Genesisvorlesung einmal, er könne nur »infirmiter« daran glauben, >daß der heilige Geist selbst und Gott, der Schöpfer aller Dingenennt sein Buch< auch »>ein Gesicht über Juda und Jerusalems, oder vom »Buch des Mahmets, dem Alcoran«, oder davon, »das das Newe Testament Gottes des Vaters Buch ist von seinem Son Jhesu Christo« 3 2 . Gelegentlich verwendet Luther auch Wortverbindungen »Von der Beichte, ob die der Papst Macht habe zu gebieten. Der 118. Psalm. 1521«. Insoweit Luther einzelne Werke im Blick hat, stimmt seine Verwendung von >Büchlein< mit einer allgemeinen Beobachtung bei GIESECKE, Buchdruck, 510 zusammen. Demnach habe man im 15. und 16. Jahrhundert Bücher, die dem heute verfügbaren Gattungsbegriff >Fachliteratur< oder >Sachprosa< zugerechnete werden, auch als >Büchlein< bezeichnet und damit »ihren >Nutzen< für den Käufer« betont. 2 4 WA 40 111,607,30. 2 5 WA 26,353,23. 2 6 26,532,2 f. 2 7 WA 40 11,475,19. 2 8 WA 6 , 6 0 4 , 5 - 8 . 2 9 >BüchleinBuchBuch< wie »der C h r i s t e n Buch« 3 3 u n d das K o m p o s i t u m >Hauptbuch< 34 als S y n o n y m f ü r die Heilige Schrift oder andere Komposita w i e >Menschenbuch< 35 u n d >Schandbuch< 36 . D e m g e g e n ü b e r u n d i m Vergleich zu >Büchlein< ist es f ü r Luthers G e b r a u c h des Wortes >Buch< charakteristisch, daß er es im Plural gebraucht. Einerseits finden sich auch hier p e r s o n e n b e z o g e n e Z u o r d n u n g e n w i e >meine Bücher< 37 , >die B ü c h e r des S. Augustinus, des S. H i e r o n y m u s , des M o s e bzw. Mosaische Bücher< 38 . A n dererseits klassifiziert er ganze T e x t g r u p p e n von der Sache her, w o r a n die spezifisch abstrakte Leistung der B e z e i c h n u n g >Buch< deutlich wird. Kategorial erschließend spricht er etwa von >der Juristen Bücher< 39 bzw. den >Rechtsbüchern< 4 0 , >der Väter Bücher< 41 , >den päpstlichen Büchern< bzw. >den B ü c h e r n des Papstsder H e i d e n u n d Philosophen Bücher< 43 , gelegentlich auch von c h r i s t l i c h e n Büchern< 4 4 , >weltlichen Büchern< 4 5 oder an einer Stelle von »der schebichten Barfusser u n d Prediger M ü n c h bucher« 4 6 . Charakteristisch f ü r diese U n t e r s c h e i d u n g der B ü c h e r nach ihrem Inhalt sind die festgefügten, sprachlich nach gleichen M u s t e r n konstruierten W o r t v e r b i n d u n g e n . N e b e n Komposita u n d Quasikomposita bzw. Substantiv-Substantivverbindungen wie den bereits g e n a n n t e n >Rechtsbüchern< u n d J u r i s t e n Büchern< gebraucht L u t h e r besonders Adjektiv-SubstantivVerbindungen wie >häretische Bücher< 47 u n d auch W e n d u n g e n w i e »des leb e n d i n g e n gottis bucher« 4 8 , bei d e n e n die B e z e i c h n u n g >Buch< durch m e h rere Attribute ergänzt wird. Derartige pluralische W o r t v e r b i n d u n g e n mit der B e z e i c h n u n g >Buch< stellen semantische Abstraktionen dar, die auch durch normative Vorgaben u n d Wertvorstellungen bestimmt sind. Eine n ä here Interpretation dieser generalisierenden R e d e v o m B u c h , die v o m einzelnen W e r k absieht, soll im nächsten Abschnitt erfolgen, in w e l c h e m L u thers differenzierender V e r w e n d u n g des Buchbegriffes zur U n t e r s c h e i d u n g der B ü c h e r systematisch nachgegangen wird. Aber auch mit der B e z e i c h n u n g >Büchlein< leistet der B u c h b e g r i f f bereits eine Abstraktion. Als Sammelbegriff erweist er sich besonderen Inhalten 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48

WA 49,763,17. Vgl. WA 10 111,176,11; 39 1,37,18. Vgl. WA 7,317,9; 45,188,3. Vgl. WA 9,715,1 u.3; 50,398,14. Vgl. WA 10 11,230,11 u. 13; ebd., 233,5. Vgl. WA 12,265,28; 46,770,2; 10 11,14 u. 18; 4,612,19; 4,618,6. Vgl.WA 47,493,30; 33,263,21 f.; 47,188,12. Vgl. WA 6,49,24. Vgl. WA 17 11,96,16. Vgl. WA 12,264,21; 32,350,17; 46,606,27; 46,624,9; 41,130,9; 47,113,22 u. 26. Vgl. WA 46,624,9; 33,73,42; 10 111,244,9; 43,33,7. Vgl. WA 31 1,453,3. Vgl.WA Br 10,692,20 (Nr. 4046). WA 30 111,312,9. Vgl. WA 2,662,8. WA 6,458,11 f.

Allgemeine

Merkmale

des

Buchbegriffes

11

gegenüber als offen. So unterrichten die für das Diminutivum beispielhaft angeführten Titel seelsorgerlich über existentielle Fragen wie das Sterben, sie streiten mit theologischen, kirchlichen und politischen Gegnern, mahnen zu rechtem Verhalten, legen die Heilige Schrift aus oder stellen wie im Falle von Melanchthons »Loci communes« die neue evangelische Theologie im Zusammenhang dar. Damit kennzeichnet der Buchbegriff Schriften unabhängig davon als geistige Werke, welcher literarischen Gattung sie zugehören oder in welchen kommunikativen Funktionszusammenhängen sie verwandt werden. Er ist diesen Differenzierungen gewissermaßen vorgelagert und repräsentiert keinen konkreten Inhalt, sondern die abstrakte Inhaltlichkeit des Buches, die dann durch bestimmte Inhalte und in verschiedenen Funktionszusammenhängen konkret wird. In dieser Allgemeinheit sperrt sich Luthers Buchbegriff auch gegen texttypologische Abgrenzungen, wie sie im Zusammenhang der Forschung über die Flugschriftenliteratur in der Reformationszeit versucht werden. Er repräsentiert das genaue Gegenteil von dem, was Hans-Joachim Köhler mit seiner Definition der Flugschrift beabsichtigt 49 . Köhler versucht gerade auch über die am Buchinhalt ansetzenden funktionalen Kriterien der B e einflussung des Handelns und der Uberzeugung, die Flugschrift gegenüber anderen Erscheinungsformen gedruckter Werke abzugrenzen 50 . Wenn er dabei fast durchgängig auf den Begriff des Buches verzichtet, so deshalb, weil er die Flugschrift nicht lediglich als eine Sonderform des Buches betrachten, sondern als einen gleichwertigen selbständigen Typ von Druckwerk neben dem Buch in Anschlag bringen möchte 5 1 . Demgegenüber betrachtet Luther auch Flugschriften als Bücher. Das zeigen oben angeführte, vornehmlich mit >Büchlein< bezeichnete Titel wie »An den christlichen Adel deutscher Nation« 52 . Genauso bezieht auch die abstraktere Form des 4 9 Vgl. die beiden für die kommunikationswissenschaftliche Flugschriftenerforschung grundlegenden Aufsätze HANS-JOACHIM KÖHLER, Die Flugschriften.Versuch der Präzisierung eines geläufigen Begriffs. In: Festgabe für Ernst Walter Zeeden. Z u m 60. Geburtstag am 14. Mai 1976. Hrsg. von Horst R a b e , Hansgeorg Molitor u. H a n s - C h r i stoph R u b l a c k . Münster 1976 (= Reformationsgeschichtliche Studien und Texte. Supplementbd. 2), 3 6 - 6 1 u. DERS., Fragestellungen und Methoden zur Interpretation frühneuzeitlicher Flugschriften. In: Flugschriften als Massenmedium der Reformationszeit. Beiträge zum Tübinger Symposion 1980. Hrsg. von Hans-Joachim Köhler. Stuttgart 1981 (= Spätmittelalter und Frühe Neuzeit. B d . 13), 1 - 2 7 . 5 0 Köhler definiert: »Eine Flugschrift ist eine aus mehr als einem Blatt bestehende, selbständige, nichtperiodische und nicht gebundene Druckschrift, die sich mit dem Ziel der Agitation (d.h. der Beeinflussung des Handelns) und/oder der Propaganda (d.h. der Beeinflussung der Uberzeugung) an die gesamte Öffentlichkeit wendet.« (KÖHLER, Flugschriften, 50). 51 Köhler hält die Aussage für unstrittig, »Flugschriften seien - mindestens im Vergleich zu B ü c h e r n — billige Druckerzeugnisse« (KÖHLER, Flugschriften, 49). U m den B e g r i f f >Buch< nicht verwenden zu müssen, spricht Köhler mit Blick auf die Flugschriften auch lediglich von >Texten< (vgl. ebd., 37 u. 38). 5 2 Auch die weiteren bahnbrechenden reformatorischen Flugschriften wie »Von der

78

Zum

Begriff des Buches bei Luther

BuchbegrifFes Flugschriften mit ein, etwa wenn Luther ausdrücklich sowohl seine Schriften wie auch die seiner altgläubigen oder der reformatorischen Bewegung zurechenbaren Gegner als >Bücher< bezeichnet 5 3 . Luthers BuchbegrifF ist nicht darauf angelegt, unter den Druckwerken zu differenzieren, sondern darauf, unterschiedliche Formen von Schriften zu integrieren. Dieser Allgemeinheit des Lutherischen BuchbegrifFes entspricht es, w e n n Bernd Moeller anders als Köhler die Flugschriften ausdrücklich als Bücher begreift 5 4 . Als »billige und ungebundene Bücher in handlichem Format« repräsentieren sie eine Sonderform des Buches, nämlich einen »literarischen Typ«, für den Moeller unbestrittene Definitionsmerkmale K ö h lers beibehalten kann, besonders die agitatorische u n d propagandistische Ausrichtung auf die gesamte Öffentlichkeit. Im Ergebnis bleibt festzuhalten, daß der Begriff des Buches seiner semantischen Grundstruktur nach für Luther in erster Linie durch den geistigen Gehalt geprägt ist. Demgegenüber tritt die materiale Bedeutungskomponente zurück, wie sich auch an der Verwendung der beiden Bezeichnungen >Buch< und >Büchlein< zeigen ließ. Dieses betont inhaltliche, gerade nicht durch äußerliche Merkmale geprägte Grundverständnis des Buches zeigt sich auch an einem anderen Befund und hilft ihn zu erklären. O b schon noch im U m b r u c h vom skriptographischen zum typographischen Zeitalter 55 , so fehlen in Luthers R e d e v o m Buch Hinweise auf die U n t e r scheidung von handschriftlichen und gedruckten Schriften. Wenn Luther auf die von der Herstellung und Verbreitung her gedachte physische E r scheinung des Buches abhebt, so spricht er jedenfalls v o m Druckwerk, wie deutlich geworden ist. Das besagt j e d o c h nicht, daß er Handschriften nicht für Bücher gehalten hätte. Gerade weil Luther am geistigen Gehalt, nicht an der physischen Form interessiert war, ist sein BuchbegrifF auch für h a n d schriftliche Werke offen. N u r in der Praxis spielten Handschriften für ihn keine oder nur eine marginale Rolle. Im Gegensatz zum gedruckten Buch waren sie für ihn kein geeignetes Mittel, an die Öffentlichkeit zu treten 5 6 . Z u d e m kam er bei seiner eigenen Lektüre wohl nur selten mit handschriftlichen Büchern in Kontakt. D a r a u f w e i s e n von der Lutherforschung beigebrachte Untersuchungen zu den geistigen Quellen des Reformators hin, wenn man sie danach befragt, in welcher physischen Form Luther die Uberlieferung zugänglich geworden ist. So haben sich Ernst Schäfer und in Freiheit eines Christenmenschen. 1520« oder »Von den guten Werken« sind für Luther >Büchlein< (vgl.WA 7,11,5.8 u.WA 6,378,13). 53 S. unten den nächsten Abschnitt »2.2.1. Die Wortverbindungen historisch-individueller Bestimmungen mit dem Buchbegriff«. 54 Vgl. mit ausführlichen Literaturangaben B E R N D M O E L L E R , [Artikel] Flugschriften der Reformationszeit. l n : T R £ 11. 1983, 240-246. Für die folgenden Zitate und Bezugnahmen ebd., 240. 55 Vgl. hierzu die erwähnte Studie G I E S E C K E , Buchdruck sowie in kürzerer Form DERS. , I n f o r m a t i o n s v e r a r b e i t u n g s p r o g r a m m e . 56

S. unten Abschnitt »3.2. Buch und Öffentlichkeit«.

Begriff des Buches in

Wortverbindungen

79

Fortführung seiner Arbeit Hans-Ulrich Delius mit den Quellen für Luthers historische Kenntnisse befaßt 5 7 . Beide gehen davon aus, daß Luther beinahe ausschließlich aufgedruckte Bücher zurückgegriffen hat 58 .Aus Handschriften schöpfte er — soweit überhaupt nachweisbar - nur im Einzelfall 59 oder lediglich aus zweiter Hand 6 0 .

2.2.

Der Begriff des Buches in

Wortverbindungen

Die wohl einzige systematische Gliederung von Büchern erfolgt bei Luther in seiner Schrift »An die Ratherren aller Städte deutschen Lands, daß sie christliche Schulen aufrichten und halten sollen« von 1524. Im letzten Abschnitt fordert der Reformator die städtischen Obrigkeiten dazu auf, im Dienste der notwendigen allgemeinen und breiten Bildungsbemühungen nicht nur Schulen, sondern auch Bibliotheken einzurichten. In diesem Z u sammenhang bietet er keine auf Vollständigkeit, sondern eine auf die B e dürfnisse gelehrter Bildung ausgerichtete inhaltliche Unterscheidung der Bücher 6 1 . An erster Stelle nennt er die Heilige Schrift auch in den Originalsprachen. Daneben solle man exegetische und solche Literatur zur Verfugung stellen, die dem Erlernen der alten Sprachen dient. Hierzu rechnet er die christliche und heidnische Dichtung und R h e t o r i k in lateinischer und griechischer Sprache. Darüber hinaus bedürfe es der »buecher von den freyen kuensten und sonst von allen kuensten« 62 , besonders auch der »Recht und Ertzeney buecher« 6 3 . Schließlich hebt er noch die »Chronicken und Historien« 6 4 in allen verfügbaren Sprachen hervor. Wenn Luther auch nur 5 7 SCHÄFER, Luther; DELIUS, ZU Luthers historischen Quellen. SCHÄFER, Luther, 1 1 4 - 1 1 6 , gliedert die Werke, die Luther benutzt hat, in die folgenden Sachgruppen: »1. Allgemeine Kirchengeschichte«; »2. Specielle Geschichte«; »3. Kirchenväter«; »4. L e genden«; »5. Juristisches«; »6.Varia«. 5 8 SCHÄFER, Luther, 117, verweist ausdrücklich auf die Schwierigkeit, angesichts der großen Zahl alter Drucke diejenigen herauszufinden, die von Luther benutzt worden sind. W i e auch Delius fuhrt er dann im Laufe der Darstellung durchgängig gedruckte Ausgaben an, die Luther zur Verfügung gestanden haben und von ihm gelesen worden sind. Auch aus der nicht nur auf historische Quellen beschränkten neueren Untersuchung von HANS-ULRICH DELIUS, D i e Quellen von Martin Luthers Genesisvorlesung. M ü n c h e n 1 9 9 2 (= Beiträge zur evangelischen Theologie. B d . 111), wird an einzelnen Stellen deutlich, daß Luther sich aufgedruckte B ü c h e r gestützt hat (vgl. S. 2 3 u. S. 50). 5 9 SCHÄFER, Luther, 50 f. hält es mangels einer nachweisbaren Druckausgabe für wahrscheinlich, daß Luther im Vorfeld der Leipziger Disputation von 1 5 1 9 die griechischen Kanones des Konzils von Nicäa in einer handschriftlichen Ausgabe gelesen hat. 6 0 Vgl. DELIUS, ZU Luthers historischen Quellen, 73. 6 1 Vgl. W A 1 5 , 5 1 , 2 3 - 5 2 , 2 4 . 6 2 Ebd., 5 2 , 8 . >Kunst< meint hier säkulares Wissen und Gelehrsamkeit im weiten Sinne. 6 3 Ebd., Z . 9. 6 4 Ebd., Z. 11.

80

Zum Begriff des Buches bei Luther

hier u n d lediglich aus der Perspektive von Schule u n d Bildung i m Z u s a m m e n h a n g u n d unterscheidend über B ü c h e r gehandelt hat, so besagt dies j e d o c h nicht, daß er ansonsten nicht systematisch u n d differenziert über B ü cher gedacht hätte. Das genaue Gegenteil ist der Fall, wie sich an e i n e m auffälligen P h ä n o m e n der Lutherschen R e d e v o m B u c h nachweisen läßt. G e m e i n t sind die geradezu f o r m e l h a f t e n W o r t v e r b i n d u n g e n , in d e n e n L u ther die pluralische F o r m des Buchbegriffes, genauer der gegenüber >Büchlein< abstrakteren B e z e i c h n u n g >Buch< häufig verwendet. Hierbei ist an b e reits genannte W e n d u n g e n gedacht wie das Q u a s i k o m p o s i t u m >der Juristen Bücher< oder die Adjektiv-Substantiv-Verbindung >päpstliche Bücher*. Was der W o r t s t r u k t u r nach als K o m p o s i t u m , Q u a s i k o m p o s i t u m bzw. SubstantivSubstantiv-Verbindung oder Adjektiv-Substantiv-Verbindung erscheint, f u h r t inhaltlich dazu, aus der Gesamtheit der B ü c h e r bestimmte S a c h g r u p p e n h e r v o r z u h e b e n . Eine derartige U n t e r s c h e i d u n g der B ü c h e r erfolgt fallweise, in k o n k r e t e n Gebrauchssituationen. Luther erhebt also nicht den A n s p r u c h einer theoretischen, etwa typisierenden B e t r a c h t u n g der Bücher. A u c h verfolgt er keinerlei definitorische Absichten. Z u d e m k ö n n e n die von i h m nach festem M u s t e r gebildeten B u c h p r ä d i k a t i o n e n nicht als abschließ e n d betrachtet werden. Vielmehr sagen sie etwas über die d e m inhaltlich systematischen D e n k e n entspringenden Interessen des R e f o r m a t o r s sowohl am B u c h wie auch an derjenigen historischen Wirklichkeit aus, die derart mit d e m B u c h b e g r i f f verknüpft wird. W e n n diese B u c h b e s t i m m u n g e n im folgenden näher dargestellt werden, so sollen in e i n e m ersten Schritt die Typen der von L u t h e r verwandten buchspezifischen W o r t v e r b i n d u n g e n vorgestellt werden. Hierbei lassen sich historisch-individuelle, also personale u n d soziokulturelle, von generellen B u c h b e s t i m m u n g e n unterscheiden. Aus G r ü n d e n der typologischen Erfassung sollen beide F o r m e n n a c h e i n a n der abgehandelt werden, auch w e n n sie in Luthers R e d e w e i s e oftmals i n nerhalb einer F o r m u l i e r u n g auftauchen. In e i n e m zweiten Schritt wird d a n n nach d e m Prinzip gefragt, das Luthers begrifflicher U n t e r s c h e i d u n g der B ü c h e r z u g r u n d e liegt. 2.2.1.

Die Wortverbindung

historisch-individueller

Bestimmungen

mit dem Buchbegriff In soziokultureller Hinsicht verwendet Luther den B u c h b e g r i f f z u m ein e n dann, w e n n er die Schriften einzelner historischer oder zeitgenössischer A u t o r e n i m Blick hat. Diese personale Differenzierung interessiert hier nicht von der Seite her, daß L u t h e r die Auseinandersetzung mit a n d e ren theologischen Ansätzen u n d geistigen Positionen durch B e z u g n a h m e auf die W e r k e bestimmter A u t o r e n f u h r t . Von B e d e u t u n g ist vielmehr, wie L u t h e r die Persönlichkeit u n d den B u c h b e g r i f f miteinander in Verbindung b r i n g e n kann. Für ihn repräsentiert der Begriff des Buches die Person u n d ihre G e d a n k e n . M e h r n o c h , die Person, ihr D e n k e n , ihre Position u n d L e h -

Begriff des Buches in

Wortverbindungen

81

re, aber auch Luthers Einstellung ihnen gegenüber, k ö n n e n mit ihren B ü chern in eins gesetzt werden. Für Luther selbst und die von ihm verfaßten Bücher zeigt sich diese personale Bestimmung des Buchbegriffes an Stellungnahmen, die er im Verlauf vielfältiger Streitigkeiten mit seinen theologischen u n d kirchlichen Gegnern abgegeben hat. So fuhrt er gegenüber Hieronymus Emser 1521 seine eigenen Bücher als Nachweis dafür an, wie unhaltbar der Vorwurf sei, er lehne die Keuschheit ab und rede der U n keuschheit das Wort: Emser »sihet und höret auch nit meyn bucher öffentlich vorhanden, darauß yhn auch eynn kynd zu eynem lugner und b o ß wicht machen kundt.« »Es seyn yhe meyne bucher furhandenn, da beruff ich mich auff.« 65 U n d 1531, am Schluß seiner öffentlichen Antwort auf die Vorwürfe eines seiner schärfsten Kritiker, Herzog Georgs von Sachsen, Luthers Lehre fördere Gewalt und Aufruhr, n i m m t der Buchbegriff Luthers inhaltliche Vorstellungen im Sinne ihrer Repräsentation vollständig in sich auf: »Das wil ich auff dis mal gesagt haben zur verteydigung meiner buecher wider diesen Meuchler [Herzog Georg] und bekennen, das er mich beleuget als ein boesewicht.« 66 Die Lehre und Anschauung anderer Autoren bezeichnet Luther mit Hilfe des Buchbegriffes und charakterisiert sie wertend etwa in Wendungen wie »des Muentzers auffruerissche buecher« 67 . In der gleichen Weise heißt es in der Ratsherrenschrift von 1524: Als Strafe für die menschliche Undankbarkeit ließ Gott »an stat der heyligen schrifft und gutter buecher den Aristotelem komen mit unzelichen schedlichen buechern, die uns nuer ymer weytter von der Byblien fureten.« 6 8 1528 kann Luther mit Hilfe des Buchbegriffes die einseitige Interpretation und Verfälschung von Lehrinhalten durch Zusätze zum Ausdruck bringen und an klassischen christlichen Autoren wie Hieronymus und Augustinus exemplifizieren: »Also ists auch S. Hieronimi und Augustini und viel andern buechern gangen.« 69 Im Falle des nach sein e m Geburtsort Karlstadt genannten Andreas Bodenstein werden Lehre und Bücher dieser im Kampf der Wittenberger R e f o r m a t i o n gegen die R ö m i s c h e Kirche problematischen Persönlichkeit für Luther zu aufeinander abbildbaren, austauschbaren Begriffen: W i e der Papst »nu D. Carlstad eben den selben weg gehet und unter so viel buechern nicht eyn mal leret, was glaube u n d liebe sey ... sondern auff eusserliche werck dringet und treybt« 70 . Die Gesamtheit seiner Bücher repräsentiert die Theologie Karlstadts, welche für Luther Ausweis dessen ist, »das er eynen verkereten geyst hat, der nicht denn mit gesetzen, sunden und wercken zu morden denckt.«

65 66 67 68 69 70

WA 7,625,14-16 u. 626, 2 f. WA 30 111,470,3 f. Ebd., 466,32. WA 15,50,23-25. WA 35,475,24 f. WA 18,64,18. Das folgende Zitat ebd., Z. 19 f.

82

Zum

Begriff des Buches bei Luther

N e b e n personalen verwendet Luther auch solche individualisierenden B e s t i m m u n g e n in Verbindung mit d e m BuchbegrifF, die gesellschaftliche G r u p p e n oder Institutionen k e n n z e i c h n e n . D a m i t stellt er die B ü c h e r in den K o n t e x t politischer, sozialer u n d kultureller B e z i e h u n g e n . A u f diese Weise unterscheidet u n d charakterisiert er die Schriften der geistigen M ä c h t e u n d Bildungsträger seiner Zeit. Insbesondere w e n d e t er sich in oft polemischer A r g u m e n t a t i o n gegen seine religiösen u n d kirchlich-theologischen Gegner, i n d e m er deren Literatur z u m Gegenstand der Kritik macht. Zeitlebens hat er das Schriftgut der mittelalterlichen, der R ö m i s c h e n K i r che im Auge. Dies zeigt sich an seiner R e d e von den päpstlichen B ü c h e r n . Hierbei ergibt sich die negative K o n n o t a t i o n der verwandten Begrifflichkeiten unmittelbar aus den mit ihrer Hilfe g e m a c h t e n Aussagen oder aus i h r e m Kontext: »Libri papistici sunt pleni mendacio.« 7 1 O d e r L u t h e r gibt der U b e r z e u g u n g Ausdruck, »das des Bapsts u n d aller Sophisten T h e o l o g e n b u c h e r m e h r e r teyls teuffels lere sein« 72 . Derartige W e r t u n g e n gebraucht Luther nicht o h n e nähere Erläuterung. Sie sind f ü r ihn i m Gegensatz der päpstlichen B ü c h e r gegen die Heilige Schrift b e g r ü n d e t , »die weyl sie mit stillem frid u n d allen ehren o n widdersprechen der weit eyngangen u n d h o h e r d e n n das heylig Evangelium geforchtet u n d gehalten sint.« 73 Kirchliche u n d theologische B ü c h e r d ü r f e n nicht über das Evangelium gestellt werden u n d i h m gegenüber G e l t u n g beanspruchen. D o c h auch dort, w o die mittelalterlichen T h e o l o g e n wie auch die Kirchenväter f ü r L u t h e r u n d die R e f o r m a t i o n unumstrittene, in den Bekenntnissen f o r m u l i e r t e Glaubenswahrheiten darlegen, eignet i h n e n n u r dann Klarheit, w e n n sie sich direkt auf die Aussagen der Heiligen Schrift stützen: »Der Vetter b u c h e r u n d der papisten lere seyn tzehenmal finsterer, was sie o n schrifft davon gesagt haben.« 7 4 Ein besonderer Angriffspunkt der buchspezifischen Lutherschen Polemik gegen die R ö m i s c h e Kirche sind deren R e c h t s s a m m l u n g e n . Das kanonische R e c h t , die >libri Canonistarum< 7 5 , stellen f ü r den R e f o r m a t o r geradezu das Paradigma falscher Lehre u n d evangeliumswidriger B ü c h e r dar: »Ir secht, das die geistlichen u n d m u e n c h e n ir Decrett, geistlich recht u n d andere b u e c h e r gutt u n d heilig n e n n e n u n d s e h e n d e n damit C r i s t u m : da rieht dich nach, dan es ist kein ander reich u n d geseez dan Cristi.« 7 6 D r a stisch äußert sich Luther in einer Predigt i m Frühjahr 1539 z u m »geistlic h e n recht« u n d n e n n t es ein »beschissen buch« 7 7 . U n d i m Brief an Kurfürst J o h a n n Friedrich spricht Luther mit Blick auf das kanonische E h e r e c h t ab-

71 72 73 74 75 76 77

WA 47,816,28. WA 7,281,18 f. WA 7,281,19-21. WA 8,237,2 f. Vgl. WA 43,294,16 f. WA 10 111,373,15-18. WA 47,687,2.

Begriff des Buches in

Wortverbindungen

83

w e r t e n d v o n »päpstischen Scartecken« u n d den »lausichten Scartecken der Juristen« 7 8 . D i e Kritik an der Papstkirche mit Hilfe buchbegrifflicher W e n d u n g e n trifft auch das M ö n c h t u m , dessen L e b e n s f o r m Luther, d e m ehemaligen A u gustinereremiten, aus eigener E r f a h r u n g in besonderer Weise vertraut war. E r wirft den M ö n c h e n vor, daß sie »nichts guts lereten, s o n d e r n n u r y m e r m e h r blinder u n d toller m a c h t e n u n d dafuer alle unser gutt fressen, u n d samleten n u r des drecks u n d mistes yhrer unfletigen gifftigen b u e c h e r alle kloester, ja alle winckel voll.« 79 Des >Bapsttums b u c h e n , »sonderlich was die M o e n c h e geschrieben haben« ist in Luthers Sicht »ein g e s c h w u e r m ... voll voll eitel w u n d e r z e i c h e n , das d o c h alles lauter lugen u n d bueberey ist gewesen.« 80 In der »Warnung an seine lieben Deutschen« aus d e m Jahr 1531 k o n kretisiert u n d steigert L u t h e r seine Polemik gegen das als >Mönchsbücher< deklarierte S c h r i f t t u m unter d e m E i n d r u c k möglicher K r i e g s m a ß n a h m e n des Kaisers gegen die Protestanten. E r kritisiert die B ü c h e r von Franziskan e r n , Karmeliten u n d D o m i n i k a n e r n als >Abgöttereieitel G ö t t e r n c »Sind nicht s o n derlich der schebichten Barfusser u n d Prediger M ü n c h b u c h e r f ü r handen, solcher abgotterey durch aus vol, als die Marialia, Stellaria, Rosaria, C o r o n a ria u n d gantz eitel Diabolaria u n d Satanaria?« 81 A u c h hier ist es wieder die Heilige Schrift, die das Urteil über die >Mönchsbücher< b e g r ü n d e t . D e n n den M ö n c h e n fehle gerade auch bei ehrlichem B e m ü h e n u m eine w a h r h a f te geistliche Existenz das rechte W o r t Gottes: »Der M u n c h e b u c h e r sindt voller geistlicher andacht gewesen u n d t da ist m a n c h e r betrogen w o r d e n durch solche andacht, den sie h a b e n nicht k ö n n e n unterscheiden n o c h schliessen, welche andacht recht oder welche u n r e c h t sei, dan sie haben das w o r t t gottes nicht gehabt.« 8 2 I m gleichen A t e m z u g mit den päpstlichen B ü c h e r n , insbesondere d e n kirchlichen R e c h t s b ü c h e r n , k a n n L u t h e r die Schriften anderer R e l i g i o n e n wie des J u d e n t u m s u n d des Islam mit d e m B u c h b e g r i f f kritisch in den Blick n e h m e n . A u c h hier ist es die Heilige Schrift, von welcher L u t h e r her den Gegensatz zu der »Turcken, Bapsts, J u d e n buch« 8 3 denkt. D i e Bibel handelt, so L u t h e r in einer Predigt zu 1 Kor 15,54 ff., v o n der »ausgiessung des h e i ligen Geistes« in Glaube, S ü n d e n v e r g e b u n g u n d Taufe; »In desTuercken Alcoran, Bapsts D e c r e t u n d der J u e d e n Talmud findet m a n nichts davon.« 8 4

78 79 80 81 82 83 84

WA Br 11,23,20 u. 25, Nr. 4070. WA 15,51,5-7. WA 32,525,4-6. Im Kontext von WA 30 111,312,1 ff. Z. 8-11. WA 33,275,30-37. WA 49,763,16 f. Ebd., Z. 33 u. 35 f. Vgl. auch WA 49,177,25 ff.

84

Zum Begriff des Buches bei Luther

Luther wendet sich mit dem Buchbegriff nicht nur gegen die mittelalterliche Papstkirche, Juden und Mohammedaner sowie ihr Schrifttum, sondern auch gegen weitere religiöse Gegner. So veranlassen ihn die innerprotestantischen Streitigkeiten um das rechte Verständnis des Abendmahls dazu, diejenigen Theologen, die zugunsten einer symbolischen Auffassung der neutestamentlichen Einsetzungsworte des Sakraments die reale Gegenwart Christi unter Wein und Brot in Frage stellten, als Schwärmer, Sakramentierer oder Rottengeister zu bezeichnen. Vor diesem Hintergrund spricht er von deren Schriften als der »schwermer bucher«, nennt sie »libros Sacramentariorum« oder »libros Rottarum« 85 . Luthers »Kurzes Bekenntnis vom heiligen Sakrament« von 1544 faßt noch einmal am Ende seines Lebens zusammen, daß er hierbei die Schriften des Täufertums Verdächtiger wie Kaspar Schwenckfeld, der Schweizer und Oberdeutschen Reformatoren, insbesondere Ulrich Zwingiis und Johannes Oekolampads sowie Karlstadts im Blick hat: »Werde ich gezwungen, keines Schwermers, er heisse Stenckefeld, Zwingel, Ecolampad, Carlstad, oder wer sie sind, Die Schwermer, Brotfresser und Weinseuffer, das ist, Christus lesterer und feinde, gemeinschafft anzunemen, sondern mus weder jre Brieve, Bucher, grus, segen, schrifft, namen noch gedechtnis, in meinem hertzen wissen, auch weder sehen noch hoeren.« 86 Auf dem Höhepunkt der Auseinandersetzung hatte Luther 1528 wiederum in buchspezifischer Begrifflichkeit den Schriften der Schwärmer die Bibel unmittelbar entgegengesetzt. Noch so viele Bücher könnten dem Buchstaben der Schrift, den Einsetzungsworten zum Abendmahl, welche für Luther klar die Realpräsenz Christi bezeugen, nichts anhaben: »Christus ist ym hymel und sein leib ist ym abendmal, so sollen uns die wort >das ist mein leib< bleiben, wie sie lauten, Denn ein buchstabe drynnen ist uns gewisser und besser denn aller schwermer bucher, wenn sie gleich die weit vol buecher schrieben.« 87 Weiterhin finden sich Buchbestimmungen, durch die Luther nichttheologische, zumindest nicht offenbarungstheologische, und philosophische Ansätze der Weltdeutung charakterisiert. Er verwendet hierzu Wendungen wie >der Heiden< und >heidnische Bücher< oder >omnium gentium libri< und >libri gentiliumlibri philosophorum< 9 4 . Des öfteren treten dem R e f o r m a t o r auch andere wissenschaftliche Disziplinen mit buchspezifischen Wortverbindungen ins Blickfeld, wenn er im Vergleich die Vorzüge der Heiligen Schrift betonen oder umgekehrt die Mängel gelehrter Bücher herausstellen möchte. So suche man in den Büchern menschlicher Weisheit vergeblich nach der Auferstehungsbotschaft. Diese finde man demgegenüber in der Bibel in I Kor 15: »Das ist nicht ein menschliche, jrdische spräche, Sondern ein Goettliche, himlische spräche, D e n n solchs findet man j n n keinen buechern aller gelerten und weisen auff erden, Liss alle Historien, Philosophen und Juristen buecher und schrifFt, so wirstu kein wort noch buchstaben des gemelds o d der der gleichen rede hoeren, das aus dem tod sol ein ander new, ewig leben werden« 95 . Hierbei stehen historische, philosophische und juristische B ü cher nur stellvertretend für die menschliche Gelehrsamkeit insgesamt. Betrachte man »alle bucher aller Faculteten auff erden« 96 , so ist ihnen ein D e fizit gemein: M a n kann aus ihnen »nicht wissen noch lernen, wo Adam, wo die Sunde und der todt hehr kerne, oder was die Sunde thue, dan dieses alleine lehret die heilige schrifft.« 2.2.2.

Die Wortverbindung

genereller

Bestimmungen

mit dem

Buchbegriff

Die vorgetragenen historisch-individuellen Buchprädikationen verweisen auf grundlegende qualitative Differenzierungen unter den Büchern. In dieser Absicht ordnet der R e f o r m a t o r dem Buchbegriff immer wieder auch eine R e i h e nichtindividualisierender, genereller Bestimmungen in adjektivischer F o r m zu. Dazu gehören auch die in die jeweilige historische Streitlage hineingesprochenen polemischen Begrifflichkeiten, mit deren Hilfe Luther die reformatorische Kritik besonders an der Papstkirche und ihren

91 92 93 94 95 96

WA 40 111,569,5 f. WA 45,647,19. Vgl. WA 51,249,38 f. Vgl. WA 45,92,28 f. WA 36,643,34-39. WA 47,603,25. Die nachfolgend zitierte Fortsetzung des Gedankens ebd., Z. 26 f.

86

Zum Begriff des Buches bei Luther

Schriften öfFentlichkeitswirksam in Szene setzt 97 . Gedacht ist hier an Formulierungen wie die vom geistlichen R e c h t als »beschissen buch«, dessen Urheber der Papst, »der Affe zu R o m « 9 8 ist, von den >unflätigen und gifftigen Büchern< der M ö n c h e 9 9 oder von schändlichen Lügenbüchern< 1 0 0 . Neben derartigen polemischen Wendungen gebraucht Luther AdjektivSubstantiv-Verbindungen, welche die Bücher positiv oder negativ qualifizieren. Damit sind sie Ausdruck eines Denkens, das mit Hilfe buchbegrifflicher Prädikationen unzweideutig Gegensätze zur Sprache bringt und Positionen voneinander abgrenzt. Luther differenziert zwischen einerseits guten 1 0 1 und andererseits bösen 1 0 2 Büchern, zwischen wahren, rechten sowie rechtschaffenen 1 0 3 und falschen 1 0 4 Büchern, zwischen nützlichen 1 0 5 und unnützen oder schädlichen 1 0 6 , sowie zwischen heilsamen 107 und heillosen 1 0 8 Büchern. Hierbei handelt es sich zwar um wertende, aber für sich noch abstrakte Bestimmungen, die erst aus dem jeweiligen Zusammenhang inhaltlich Kontur gewinnen. Luther gebraucht sie für nichtreligiöse wie auch für religiöse Schriften und ihre jeweiligen Zweckbestimmungen. So kann er mit Hilfe adjektivischer Buchprädikationen durchaus den Wert der Werke heidnischer Schriftsteller einräumen, etwa der Tischredenüberlieferung nach für »Homerus,Vergilius und dergleichen große, feine und nützliche Bücher« 1 0 9 . Diese Wertschätzung begründet sich daraus, daß in den >heidnischen< oder den >Büchern der Heiden< Wahres zum Ausdruck 9 7 Luthers Polemik war nicht derber, grober oder anstößiger, als die seiner religiösen Kontrahenten. Vgl. hierzu etwa die beiden historisch-vergleichenden Beiträge von WOLFGANG PFEIFER, Volkstümliche Metaphorik. In: Zur Literatursprache im Zeitalter der frühbürgerlichen Revolution. Untersuchungen zu ihrer Verwendung in der Agitationsliteratur. Autorenkollektiv unter d. Leitung von Gerhard Kettmann u. Joachim Schildt. Akademie der Wissenschaften der D D R / Zentralinstitut für Sprachwissenschaft. Berlin [Ost] 1978 (= Bausteine zur Sprachgeschichte des Neuhochdeutschen. Bd. 58),

87-217

u. FRANZJOSEF PENSELS, Z u r P e r s o n e n a b w e r t u n g , e b d . , 2 1 9 - 3 4 0 . I m B l i c k

auf

Luthers metaphorische Rede stellt PFEIFER, Metaphorik, 146 ausdrücklich fest, Luther verwende »anschauliche und eindringliche Bildlichkeit; überall meidet er Gemeines und Vulgäres.« 9 8 WA 47,686,20 u. 687,2. 9 9 Vgl. WA 15,51,6 f.; von giftigen oder von Büchern wie ein tödliches Gift< spricht Luther auch WA 23,27,10 und WA 7,296,10. 1 0 0 Vgl. WA 30 111,23 f. 1 0 1 Vgl. WA 15,49,18; 15,50,21; 15,52,31; 20,197,10; 30 11,80,10; 35,475,19; 53,218,4; 53,641,11; WA Br 1,89,25 (Nr. 34); W A T r 1,381,28 (Nr. 799). 1 0 2 Vgl. WA 8,212,18; 30 111,456,25. 1 0 3 Vgl.WA 51,250,33-35; 12,702,4-7; 31 11,76,11; 10 111,176,11;WA 15,50,9. 1 0 4 Vgl. WA 6,141,10-12; 53,217,33. 1 0 5 Vgl.WA 30 11,68,2; 30 11,79,11; 52,2,7;WATr 1,381,34 (Nr. 799). 106 Vgl. WA 7,264,26; 10 11,375,3; 15,50,9f.; 26,318,31; 30 11,70,13; WA Tr 4 , 7 5 , 3 1 35. 1 0 7 Vgl.WA 30 1,125,11. 108 vgl. WA 15,52,32; 50,408,23. 1 0 9 W A T r 1,381,34 (Nr. 799).

Begriff des Buches in

Wortverbindungen

87

kommt, nämlich ernstzunehmende Auseinandersetzung mit ethischen Fragen oder existentiellen Erfahrungen, wie Luther des öfteren bemerkt. So heißt es im Blick auf die menschliche Todeserfahrung, »Pleni sunt omnium gentium de hac re Libri« 1 1 0 , oder auf »laster oder schaden« der adulatio, der Schmeichelei, »die Heiden haben seer viel buecher davon gemacht, sonderlich Plutarchus.« 111 Wenig später sagt Luther im Zusammenhang der E r ö r terung von Falschheit und Lüge: »Aber wie gar eine gewisse warheit es sey, zeigen viel unzeliger exempel, der auch die Heidnissche buecher vol sind.« 112 Diese positive Einschätzung der heidnischen B ü c h e r ist nicht absolut zu verstehen. Im Vergleich mit christlicher Literatur relativiert Luther seine Bewertung. E r läßt keinen Zweifel daran, daß die heidnischen Schriften nur einen begrenzten Nutzen abwerfen. H o m e r und Vergil sind zwar »große, feine und nützliche Bücher« . . . , aber nichts gegen der (!) Bibel« 1 1 3 . D e n n nur diese ist Fundament derjenigen Güter, welche der geistlichen Existenz des M e n s c h e n unabdingbar sind, nämlich Sakrament und Predigt. Die heidnischen B ü c h e r mögen zwar auch über Rechtschaffenheit reden, die »wolthut, errettet, hilfft« 114 . D o c h fehlt ihnen die Eigentümlichkeit des christlichen Glaubens, nach Maßgabe der in Lk 6 , 3 6 reklamierten väterlichen Barmherzigkeit Gottes auch die Feinde einzubeziehen: »In libris gentilium nihil de ea invenies«. M i t B l i c k auf die im Christentum verwandte Literatur ordnet Luther dem B u c h b e g r i f f wertende Allgemeinbestimmungen zu, wenn er etwa von der biblischen Schrift des »Prediger Salomo« als von einem »nutzlich und notig buch« spricht, und zwar »für alle, die da sollen regieren und andern für stehen in eusserlichem, weltlichen regiment« 1 1 5 . Beispiele für >gute< B ü c h e r sind etwa die evangelischen Gesangbücher 1 1 6 , die »Postilla deutsch« des reformatorischen Schulmannes J o h a n n Spangenberg 1 1 7 oder »Ein kurz U n terricht den sterbenden Menschen gar tröstlich« 118 vonThomasVenatorius, des evangelischen Predigers und Leiters des Schulwesens in Nürnberg 1 1 9 . Von >bösen< B ü c h e r n spricht Luther demgegenüber zum Beispiel im K o n text seiner Auseinandersetzung mit der Papstkirche. 1521 beklagt er, daß man »mit laster schrifften und b o e ß e n buchern uns antasten« 120 wolle. In WA 40,111,762,27 f. WA 51,249,38 f.; Luther nennt die adulatio ausdrücklich ebd., 248,23. 112 Ebd., 250,33-35. »3 WATr 1,381,34 f. (Nr. 799), für das Folgende vgl. ebd. 114 Vgl. WA 37,100,5-19. Daraus auch dieses und das nachfolgende Zitat (Z. 11 u. 9). 115 WA 26,621,6-8. 116 WA 35,475,19. 117 Vgl. WA 53,218,4. 118 Vgl. WA 30 11,80,10. Die Titelfassung nach [Artikel] Thomas Venatorius. In: RO110 111

BERT STUPPERICH, R e f o r m a t o r e n l e x i k o n . Gütersloh 1 9 8 4 . 119 120

Zur Güte der Bücher s.a. oben S. 20. WA 8,212,18.

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Zum

Begriff des Buches bei Luther

Gegenüberstellung zu altgläubigen Werken verwendet Luther auch die W o r t v e r b i n d u n g der r e c h t s c h a f f e n e n Bücherrechten Bücher< hingewiesen. Luthers G e b r a u c h dieser B e g r i f f s v e r k n ü p f u n g zeigt, welche R i c h t u n g im folgenden ausgezogen w e r d e n m u ß , u m das Prinzip der von i h m zur U n t e r s c h e i d u n g der B ü c h e r verwandten buchspezifischen W o r t v e r b i n d u n g e n darzulegen. R e c h t e B ü cher sind für ihn nämlich die Heilige Schrift oder die in ihr enthaltenen Schriften. So w e r d e n die B ü c h e r M o s e als >recti libri Moysi< 122 bezeichnet u n d die Bibel selbst gilt d e m R e f o r m a t o r als das »rechte H a u p t b u c h ' 1 2 3 . 2.2.3. Die Wahrheit als Unterscheidungsprinzip der Lutherschen Wortverbindungen mit dem Buchbegriff Vergegenwärtigt m a n sich die Perspektive, aus welcher Luther die zuvor dargestellten buchbegrifflichen W o r t v e r b i n d u n g e n betrachtet, so fällt auf, daß seine B e s t i m m u n g e n i m m e r w i e d e r im G e g e n ü b e r zur Heiligen Schrift erfolgen. D i e U n t e r s c h e i d u n g u n d der W e r t der B ü c h e r bestimmt sich damit am M a ß der Bibel. Diese orientierende F u n k t i o n kann die Heilige Schrift aber n u r erfüllen, weil sie f ü r den R e f o r m a t o r das wertvollste u n d herausragende, das höchstrangige u n d einzigartige B u c h darstellt, das sich von allen anderen B ü c h e r n durch seine göttliche Autorität auszeichnet. Diese Sonderstellung der Bibel zeigt sich im hier zur R e d e stehenden Z u s a m m e n h a n g auch an W o r t v e r b i n d u n g e n des Buchbegriffes, die z u m B e griff der Bibel synonym sind. So bezeichnet Luther die Heilige Schrift mit W e n d u n g e n wie »recht h e u b t buch« 124 , »Buch des Euangelij u n d der gantzen Schrifft« 12 V>liber scripturae< 126 , »der C h r i s t e n Buch« 1 2 7 , »des l e b e n d i n gen gottis bucher« 1 2 8 , >liber< »Deus miserit coelitus [caelitus]« 129 , >canonici libri< 130 , >Dei scriptura< u n d >Dei liber< 131 . D i e anderen B ü c h e r sind d e m g e 121

WA 15,50,9 f. Vgl.WA 31 11,76,11. 123 Vgl.WA 10 111,176,11. 124 WA 10 111,176,11. 125 WA 22,43,26 f. 126 Vgl.WA 47,844,25. 127 WA 49,763,17 u. 38. 128 WA 6,458,11 f. 129 WA 47,845,26. 130 WA 2,626,37. Zuvor spricht Luther in Satzform von »eis libris, qui Canonici appellantur« (vgl. ebd. Z. 37). 131 Vgl.WATr 1,380,44 (Nr. 799). 122

Begriff des Buches in Wortverbindungen

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genüber im ausdrücklichen Gegensatz zu den kanonischen Büchern >caeteri libri< 132 , die >menschen buecher< 133 , »libri hominum« 1 3 4 , »Turcken, Bapsts, Juden buch«, »des Tuercken Alcoran, Bapsts Decret und der Juden Talmud« 1 3 5 , »Buch auff Erden« 1 3 6 . Den Gegensatz zur Bibel bestimmt Luther auch einmal abstrakt mit der Wendung vom »schnoedesten Buch, so auff Erden gemacht ist« 137 . Er zeigt sich auch in der Verbindung >libri prophani< 138 . Dieser Befund auf der buchbegrifflichen Ebene bedeutet inhaltlich nichts anderes, als daß Luther die biblische Wahrheit zum Maßstab der B ü cher macht. Indem die Bibel die christliche Wahrheit des Evangeliums und des Glaubens verkörpert, kann sie zum Regulativ werden, von dem her sich die von Luther immer wieder beklagte Menge der Bücher überblicken, bewerten und strukturieren läßt 1 3 9 . Wenn die Bibel Trägerin der Wahrheit ist, dann ist damit aber zugleich gesagt, daß Luthers dargelegte Bestimmung und Unterscheidung der Bücher nichts anderes als eine Explikation der christlichen Wahrheit im Sachzusammenhang und auf der begrifflichen Ebene des Buches darstellt. Im folgenden soll gezeigt werden, wie Luther den Wahrheitsbezug im Gegenüber der Heiligen Schrift zu den anderen Büchern zur Sprache bringt. Direkt geht er auf das Problem 1519 in seiner Verteidigungsschrift gegen den papsttreuen Ingolstädter Theologen Johannes Eck ein: »Ego solis eis libris, qui Canonici appellantur, hunc honorem deferre didici, ut nullum scriptorem eorum errasse firmissime credam: caeteros vero, quantalibet sanctitate doctrinaque praepolleant, ita lego, ut non ideo verum existimem, quia ipsi sie senserunt, sed si canonicorum librorum autoritate vel probabili ratione mihi persuadere potuerunt, hoc est quod beatus Paulus quoque dicit: Omnia probate quod bonum est tenete.« 1 4 0 Hier räumt Luther allein der Heiligen Schrift a priori Irrtumsfreiheit ein 1 4 1 . Zugleich fordert er unter Berufung auf den Apostel Paulus in I Thess 5,21, daß sich alle anderen B ü cher einer Prüfung unterziehen lassen müssen. Soweit sie den Anspruch auf Wahrheit erheben, müssen sie sich in besondererWeise rechtfertigen lassen. Vgl. WA 2 , 6 2 6 , 3 6 i.V.m. Z. 34. Vgl. WA 12,702,6; für >Menschenbuch< vgl. auch W A 7,317,9; 4 5 , 1 8 8 , 3 . 134 WA 5,293,23. 135 W A 4 9 , 7 6 3 , 1 6 f. u. ebd., Z. 35 f. 136 WA 21,514,11. 1 3 7 W A 5 3 , 6 2 1 , 1 1 . Hier in F N 7 erläutert die WA das Adjektiv >schnöde< mit >wertlosunnütz< und >schlechtniedrigsolus< in der Wendung, den kanonischen Büchern >allein< Ehre einzuräumen. Auch in einer Predigt aus dem Jahr 1545 findet sich ein derart f o r m u lierter Ausschließlichkeitsanspruch: »nullus liber praeter biblia« 142 . Hier gibt Luther gegenüber »Bapst,Tuercken,Jueden und Heiden« 1 4 3 sowie der »Vernunfft« auch an, welche Inhalte dieser pointierten W e n d u n g zugrunde liegen und damit die christliche Wahrheit kennzeichnen. In der Druckfassung der Predigt heißt es: »Denn wer hat derVernunfft davon gesagt, das sie wissen kuend, das Gottes Son darumb Mensch worden sey, das er die Suende tilge und vom Tode erloese, Kein Buch leret davon on allein die Bibel und heilige Schrifft, Gleich wie auch kein Buch leret, was Suend, Gesetz, Tod und Sieg wider Suend und Tod sey on allein die Bibel und heilige SchrifFt.« Schließlich sei auf eine Predigt aus Crucigers Sommerpostille von 1544 verwiesen, in welcher die biblische Wahrheit gleichfalls im Unterschied zur Vernunft und ihrer Reichweite ins Feld gefuhrt wird. Dabei stellt Luther ebenso auf die der Heiligen Schrift eigentümlichen Inhalte ab und gebraucht außerdem diejenige Bestimmung der christlichen Wahrheit, mit der zugleich der G r u n d ihrer Autorität ausgesagt wird, das Wort Gottes. D e r biblischen Wahrheit geht es im Gegensatz zur menschlichen Weisheit der Vernunft u m den Glauben, die Predigt des Evangeliums, den Gehorsam Christi, insgesamt darum, daß man »allein Gottes Wort die ehre der warheit gebe« 144 : »Denn wo mich sol die Vernunfft von diesen Sachen leren, Was darff man denn des Glaubens? U n d warumb werffe ich nicht balde das Buch des Euangelij und der gantzen Schrifft hinweg? W i r Christen (spricht S. Paulus) predigen etwas anders und hoehers, denn die Vernunfft verstehet, da der Welt Weisheit lauter torheit ist.« Wenn Luther hier auch die Wahrheit der Bibel über die >Weltweisheit< stellt, so bedeutet dies keine prinzipielle Abwertung derjenigen Bücher, die sich auf die Vernunft stützen. Das zeigt sich an seiner Haltung gegenüber den vernunftgegründeten Büchern der Juristen in einer Predigt v o m A u gust 1539: »Also regirt die Vernunfft in Juristen Bucher, in allen kunsten und handwercken, Gesetzen, Gerichten etc. Aber wir predigen auch nicht darvon, sondern gehört alles für die Vernunfft, und müssen die Juristen Stedte, Land und leuthe regiren.« 145 Allgemein gilt, daß die Vernunft im Bereich der Welt einen ihr eigenen, von Gott gewährten Zuständigkeitsbereich b e sitzt, wie Luther zuvor mit Blick auf die menschliche Herrschaft über die 142 143 144 145

WA 49,762,4. Ebd., Z. 21 f. u. für das nachfolgende Zitat ebd., Z. 22-27. WA 22,43,22 u. für das folgende Zitat ebd., Z. 25-29. WA 47,188,11-14.

Begriff des Buches in

Wortverbindungen

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Kreatur und die Regelung der sozialen Verhältnisse ausfuhrt. Er anerkennt die Leistungen der »Juristen, Ertzte oder sonst von einer andern kunst«, der »Poeten, Philossophi«, »den dieVernunfft hat sonst eine Herrschafft empfangen über fiessche, vogel und thier zu herrsschen, Genesis am ersten und andern Capittel, und wie ihrs da werdet machen, sols recht sein. Den euch und die Vernunfft setze ich hierüber zu Regenten und herrn, wens euch recht dunckt, das ein acker vier gülden geltte, und ein schoffel korn so viel geltte. Item wie theuer das Haus, Tuch, das gebe ich euch volmechtig heim.« 146 Sobald die Vernunft »regere vult conscientias« 147 , verläßt sie den ihr eigenen Herrschaftsbereich. Sie greift dann in den Glauben und damit in das Gottesverhältnis und das geistliche R e g i m e n t Gottes ein. Aus dem Blickwinkel der biblischen Wahrheit markiert Luther diesen Sachverhalt auf der Ebene des Buchbegriffes eigens mit dem Kompositum der >Menschenbücher< oder seinem lateinischen Äquivalent der >libri hominumrechte göttliche Wahrheit< 148 ist, gilt für die in Glaubensfragen angemaßte Wahrheit der Menschenbücher: »Die warheyt aber, die inn menschen buechern stehet, fuernemblich im geistlichen recht, ist falsch und erticht.« 149 Mit dem Kompositum der Menschenbücher und ihrer Bewertung ist also kein generelles Verdikt über die Bücher der M e n schen gefällt. >Menschenbücher< ist vielmehr einVerhältnisbegriff. Er nimmt die menschlichen Bücher von der für den Menschen lebensentscheidenden

1 4 6 Ebd., Z . 1 - 1 0 . V g l . auch in einer Predigt von Anfang der 1530er Jahre die positive Bewertung der B ü c h e r der Juristen und der menschlichen Gelehrsamkeit insgesamt, die Luther allerdings im Gegensatz zum göttlichen >Geist< als >Fleisch< bezeichnet: »Also seindt auch aller Juristen kunste undt bucher, welchs doch eine feine kunst ist, wie auch andere kunste undt Weisheit der hochgelartten D o c t o r n , heist alles frucht des fleisches welche kunste lernen das zeittliche zu regiren undt sindt eusserliche dieng, feine kunste undt gaben, wie man ein haus baue, auch wie man einen gesunden leib, hübsche, helle äugen haben moege, schoene kinder zeugen, keuffen, verkeuffen, pflantzen, aber es ist dennoch alles aus dem fleisch kommen.« (WA 33,263,21—33). Entsprechend heißt es in einer Predigt aus dem Jahre 1535 zu II K o r 3 , 6 mit Blick auf den Gegensatz der Wahrheit des Evangeliums und des weltlichen Regimentes, zu welchem Gott die Vernunft mit Hilfe des Gesetzes instand gesetzt hat: »Sol man denn Gottes Gesetz verachten oder nicht halten? Ist es nicht ein fein, schoen ding umb fromkeit, zuechtig und ehrlich leben? welches j a Gott in die Vernunfft gepflanzet und alle B u c h e r preisen, und die Welt mus damit regiert werden. . . . [Die Juden] haben das Gesetz empfangen von Gott, auff zwo steinern tafeln geschrieben, und des gleichen alle gelerte, heilige Gesetz Prediger, Juristen etc. rhuemen, das sie viel gethan, gelebt haben etc. Was ist das alles gegen der Predigt des Euangelij?« (WA 2 2 , 2 2 0 , 2 6 - 3 7 ) . 147 148 149

W A 4 5 , 1 8 7 , 2 f. Vgl.WA 12,702,8. Ebd., Z . 6 f.

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Zum

Begriff des Buches bei Luther

Relation >coram Deo< her in den Blick 150 , also auf der Ebene des Buches aus der Perspektive der Heiligen Schrift. Er ist damit Ausdruck der rechten »Unterscheidung von Göttlichem u n d Menschlichem« 1 5 1 . Diese wird nicht nur im Falle des gerade genannten Eingriffs in die Gottesbeziehung, sondern auch dann mißachtet, wenn die Menschen die Heilige Schrift vernachlässigen und >verwerfenBuch des Lebens< u n d der Vorstellung von C h r i stus als B u c h v e r w e n d e t L u t h e r sprachliche Bilder, welche die Lebenswirklichkeit des M e n s c h e n aus theologisch-anthropologischer u n d der hiermit v e r b u n d e n e n christologischen Perspektive z u m Ausdruck b r i n g e n . D i e M e t a p h e r v o m >Buch des Lebens< versinnbildlicht die geschichtsüberdaue r n d e G e b o r g e n h e i t des M e n s c h e n in Gott, wie an entsprechenden Ä u ß e r u n g e n über einzelne Personen deutlich wird. Luthers U b e r z e u g u n g nach ist ein Zeitgenosse, der sächsische H o f m a n n Wolf von Lindau, der 1530 als Begleiter des Kurfürsten w ä h r e n d des Augsburger Reichstages verstorben war, »schon von G o t t selbs j n n das b u c h des lebens geschrieben« 1 5 5 w o r d e n . Es ist die gottgefällige L e b e n s f ü h r u n g des Verstorbenen, welche diese Aussage b e g r ü n d e t : Luther n e n n t ihn »den f r u m e n Wolff von Lindaw«. Für den Eintrag des M o s e ins >Buch des Lebens< kann Luther in seinen Predigten auf Ex. 32,32 f. zurückgreifen. D e r Befreier des auserwählten Volkes aus ägyptischer Knechtschaft wird der G e m e i n d e als f r e u n d l i c h s t e r Mann< vorgestellt, den es j e in Israel gegeben habe, als Vorbild rechten christlichen Lebens bei der Fürbitte u n d der A n n a h m e des sündigen Nächsten. D u r c h Gottes Liebe selbst in das >Buch der Seligen< geschrieben, habe M o s e G o t t als S ü h n e a n geboten, ihn aus diesem >Buch des Lebens< zu tilgen u n d dafür das abgefallene Volk Israel zu verschonen, das sich d e m G o l d e n e n Kalb h i n g e g e b e n hatte 1 5 6 . Bei Luthers R e d e v o m B u c h des Lebens handelt es sich u m Einzelfälle. Das hängt damit zusammen, daß dieser M e t a p h e r der konkrete christologische u n d damit der Bezug z u m christlichen Glaubensleben fehlt. D e r >liber vitaeLesen< und >Lernen< als Glaube bezeichnet wurde. W i e im allgemeinen so denkt Luther auch in der Christus-Buch-Metapher die für ihn charakteristische Einheit Johanneischer und Paulinischer Christologie 1 6 5 . Ganz auf Christus ausgerichtet wird der Wille Gottes offenbar und der Weg zum Vater frei. 2.3.2.

Buch — Herz

N o c h in anderer Rücksicht ist die Passage aus der »Genesis-Vorlesung« für die Buchmetaphorik von Bedeutung. Denn Luther erwähnt hier auch die theologisch-anthropologische Stoßrichtung des Gotteswortes. Das Herz ist der Ort, an dem der Mensch mit Christus im Glauben verbunden ist. Mit der R e d e vom Herzen — statt dessen gebraucht er auch den Begriff des G e wissens — wendet sich der Reformator unter R ü c k g r i f f auf die biblische gegen die scholastische Anthropologie 1 6 6 . Deren philosophisch-psychologische Distinktionen betrachteten den Glauben nur als einen Teilaspekt des Christseins und verorteten ihn bei den intellektuellen Seelenpotenzen des Menschen. Demgegenüber ist der Glaube bei Luther »dem Menschsein selbst als ganzem zugeordnet, mag man es nun Herz oder Person oder G e wissen nennen.« 167 Aus christlicher Perspektive, vom Glauben her, repräsentiert das Herz das Wesen des Menschen. Für die Buchmetaphorik ist es nun kennzeichnend, daß Luther häufiger eine enge Verbindung von Herz und Buch herstellen kann, j a das Herz selbst Gewordensein ist, der als C h r i s t nie vollendet, sondern stets im Fortschreiten und W e r den ist, vgl. ALTHAUS, T h e o l o g i e , 2 1 2 f.; WILFRIED JOEST, O n t o l o g i e der Person bei Luther. G ö t t i n g e n 1 9 6 7 , 2 6 6 spricht mit B l i c k a u f dieses G e s c h e h e n von e i n e m »>veraxWerden< der Glaubenden«, das zuletzt im »erneuernden W i r k e n der G o t t e s g e r e c h t i g keit« wurzelt. WA 43,459,35-38. Vgl. ALTHAUS,Theologie, 1 6 2 . 1 6 6 Vgl. ebd., 5 6 sowie auch für das Folgende EBELING, Disputatio. B d . 3 , 4 5 3 - 4 5 5 im K o n t e x t des Abschnitts S. 4 5 3 - 4 7 1 . 164

165

167

EBELING, Disputatio. B d . 3, 4 5 5 .

Exkurs: Der Buchbegriff als

Metapher

97

im Bild des Buches erfaßt. In der von ihm autorisierten Fassung seiner von Caspar Cruciger in der Sommerpostille von 1544 herausgegebenen Predigten bezeichnet der Reformator in einer Kanzelrede aus dem Sommer 1535 die rechtfertigende Gnade vom »Wort des Euangelij« als »ein newe himlische krafFt des heiligen Geistes, der Christum mit seinen wercken ins hertz drueckt und machet ein recht buechlin daraus, das nicht buchstaben und blosse schrifFt, sondern warhafftig leben und that ist.«168 Im Herzen trägt der Mensch Christus, nicht aus sich selbst oder selbst gewirkt, sondern durch den Heiligen Geist empfangen. Auffällig ist die Abwertung des realen Buches gegenüber der Buchmetapher. Ersteres repräsentiert lediglich die Möglichkeit, die letztere demgegenüber die Wirklichkeit des Christseins. Das Herz ist insofern ein >rechtes< Buch, als der Mensch vom Glauben existentiell ergriffen und durchdrungen ist, Christus ihm nicht mehr wie ein Anderes, lediglich Geschriebenes, Gefordertes, als Gesetz gegenübersteht. Darüber hinaus meint >rechtes Büchlein< auch das gewandelte Herz, das vom Glauben ergriffene Gewissen. Darauf deutet nicht nur das Adjektiv >recht< hin, sondern auch Luthers Rede vom >Drücken< des Heiligen Geistes. Damit es ein >rechtes< werden kann, sind im Buch des Herzens Widerstände wie etwa der im Grunde kalte, intellektualistische Gottesbezug, >Buchstabe und blosse Schrifftrechte Büchlein< Herz ist Christi voll, als Mitte der Person Träger der Offenbarung des Gotteswortes von Jesus Christus. Dieses Buch ist Fundament eines wahrhaftigen Menschseins, eines lebendigen, tätigen Glaubens. Wiederum in einer Predigt und in buchmetaphorischer Rede vom Herzen verortet Luther den Glauben ausdrücklich im Herzen: »Cor ist unsers herr Gots buchlein, der glaube ist fein drinn gefasst.«169 Und bekenntnishaftdidaktisch in der Form einer katechetischen Summe, verkündigt Luther Kernwahrheiten dieses Glaubens als eines lebendigen Gottesverhältnisses anschaulich mit den sprachlichen Bildern von Buch, Brief und Schrift in der bereits angezogenen Predigt von 1535: »Also haben wir auch (spricht S. Paulus) durch unser Predigampt geschrieben ein buechlin oder brief in ewer hertzen, das jr gleubet an Gott den Vater, Son und heiligen Geist und wisset, das jr durch Christum erloeset und selig werdet etc. Das ist die schrifft, die in ewerm hertzen steckt, welche sind buchstaben, nicht mit tinten noch kreiten gemalet, sondern lebendige gedancken, flammen und bewegunge des hertzen.« 170 In der dieser Ausgabe in der Crucigerschen Sommerpostille zugrunde liegenden Rörerschen Nachschrift der auf den 5.9.1535 datierten Predigt zu II Kor 3,2 ff. geht Luther auf den metaphorischen Charakter der Rede von Buch und Herz und dessen Zusammenhang mit dem Predigtamt ge168 169 170

WA 22,223,4 f. u. 9-11. WA 41,419,17 f. WA 22,214,19-24.

98

Zum Begriff des Buches bei Luther

nauer ein. Mit gleichnishaft verwandten buchspezifischen Begriffen veranschaulicht und erläutert er die Paulinische Anrede der Korinther in II Kor 3,2 nach derVulgata, »Vos estis epistola nostra«: »Mirus sermo, quod Ecclesia C o r i n t h i o r u m est ein buechlein, in q u e m Paulus scripsit i.e. in ea praedicavit et scriptura hab bekliebet« 171 . Luther warnt davor, von bildlichen W e n dungen wie »cor vestrum est noster liber« 172 auf die Macht des Menschen zu schließen. Sie sei »ein wenig ebentheurlich gered« und stelle die dem Menschen, auch als Prediger, unverfiigbare glaubenswirkende Kraft allein des Heiligen Geistes nicht in Frage: »Ut si ego dicerem: Ego in cor vestrum scripsi Euangelium, m e u m verbum grifel, tincken ist nicht da zu komen, sed spiritus sanctus hats geben.« Damit begrenzt Luther die Reichweite seiner eigenen wie auch der Paulinischen Buchmetaphorik. N u r Gott allein kann in der Weise ins Buch des Herzens schreiben, daß daraus Glaube erwächst: »Sed quicquid audistis et credistis, ist von Gott. N o n credimus ex vestra, nostra krafft, sed dei, quicquid boni hic factum mit predigen, hoeren, est dei.« Die Autorenschaft am Buch des Herzens ist damit dem Menschen entzogen und liegt bei Gott. D e r Mensch liefert lediglich gewissermaßen den Beschreibstoff, das Papier, auf dem Gott durch den Heiligen Geist den Glauben schreibt 173 . Insofern wird die Metapher vom Buch des Herzens zum Gleichnis für die Heteronomie des Menschen, der unter der Souveränität Gottes steht. 2.3.3. Buch — Gesetz Metaphorisch äußert sich Luther auch im Zusammenhang der R e d e vom Herzen als dem Träger desjenigen Rechtes, welches nicht der Differenz von >natürlich< und >geoffenbart< unterliegt, weil es dem Herzen und der Vernunft von Gott als sein Wille >eingepflanzt< ist, des natürlichen Gesetzes 174 . In ausdrücklicher Gegenüberstellung zum realen Buch und seiner lehrhaften Vermittlung wird das natürliche Gesetz als des Menschen »buch ynn seynem hertzen« 175 bezeichnet. Mit Anspielung auf die Vorstellung vom Seelengrund als dem gottverbundenen Innersten des Menschen in der mittelalterlichen deutschen Mystik 1 7 6 faßt Luther das natürliche Gesetz als >le171

WA 41,416,28-30. F ü r dieses u n d die n a c h f o l g e n d e n Zitate W A 4 1 6 , 2 4 . 3 0 - 4 1 7 , 7 . 173 Z u r B e d e u t u n g des H e i l i g e n Geistes f ü r den G l a u b e n s.a. u n t e n Abschnitt »4.3.1. D i e W i r k u n g s m a c h t des Wortes«. 174 Vgl. PAUL ALTHAUS, D i e E t h i k M a r t i n Luthers. 1. Aufl. G ü t e r s l o h 1965, 32. 175 W A 17 11,102,20. 176 Vgl. MARTIN GRABMANN, D i e G e s c h i c h t e der katholischen T h e o l o g i e seit d e m Ausgang d e r Väterzeit. M i t B e n ü t z u n g v o n M . J. Scheebens G r u n d r i s s dargestellt. 2., u n veränd. Aufl., unveränd. fotomechan. N a c h d r u c k d. 1. Aufl. F r e i b u r g i m Br. 1933. D a r m stadt 1961, 128. PETER DINZELBACHER, C h r i s t l i c h e Mystik i m A b e n d l a n d . Ihre G e schichte v o n d e n A n f ä n g e n bis z u m E n d e des Mittelalters. P a d e r b o r n , M ü n c h e n , W i e n , Z ü r i c h 1 9 9 4 , 2 8 5 charakterisiert d e n S e e l e n g r u n d im Anschluß an d e n D o m i n i k a n e r g e 172

Exkurs: Der Buchbegriff als

Metapher

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bendiges Buch< ins Bild: »Da tragen sie eyn lebendig buch bey sich ym grund des hertzen, das wurde yhn alles reichlich gnug sagen, was sie thuen, lassen, urteylen, annehmen und verwerffen sollten.« 177 Das >eigen Buch< im Herzen, demgemäß der Mensch nach »eigen R e c h t und verstand« »der gerechtigkeit dienen« soll, ist ihm von Gott mit seiner Natur gegeben, unabhängig von der historischen Offenbarung des Wortes in Gesetz und Evangelium: »Das leret dich dein eigen Buch (in deinem hertzen geschrieben), wenn schon kein Gottes Wort were.« 178 Im Bild von Schrift und Buch fuhrt Luther auch aus, was er unter dem natürlichen Gesetz versteht. Hier bezieht sich die R e d e vom Herzensbuch nicht auf den Glauben, sondern auf die Liebe. Deren moralische Maximen, die Goldene Regel und selbst das Gebot der Feindesliebe, sind dem Menschen als Forderung stets präsent, offenkundig, >apertus liberc »Est scripta ista doctrina in corde. N o n est de fide, sed de charitate d i c t u m : . . . ut volo, ut mihi fiat ab aliis. Haec est Lex et prophetae. ... scivi, quod b o n u m debeo facere etiam inimicis, quia sie scriptum in corde meo, libro, quem scripsit Spiritus sanetus, und trage es stets mit mir, et apertus liber.« 179 Der Goldenen Regel als dem »buch j n n deinen eigen b o e sem [Busen] gelegt« 180 , k o m m t die Funktion eines Maßstabes für das moralische Urteil und Handeln zu. Ihre Klarheit ermöglicht es dem Menschen prinzipiell, das Gute zu erkennen. Dieses >Buch< befreit zum Verständnis Mose und des Gesetzes, macht von der Detailkenntnis vieler Einzelnormen, ihres komplizierten Verhältnisses zueinander u n d damit verbundener schwieriger Auslegungsfragen unabhängig, »Also das du selbs deine Bibel, meister, D o c t o r und prediger bist.« Mit der Forderung in M t 7,12 »Alles nun, was ihr wollt, daß euch die Leute tun sollen, das tut ihnen auch!« hat Christus den Menschen »kein ander exempel setztet denn uns selbs und also nahe legt, das ers nicht neher legen kund, ... Das niemand weit darnach lauffen darff noch viel m u e h e und kost drauff wenden und lassen.« Soweit der Mensch »werck, wort, gedanken, hertz, leib und seele« an diesem >Buch< orientiert, verleiht es ihm >Weisheit< und Gelehrsamkeit, die ihn von den Weisungen der Rechtsexperten befreit: »Richte dich nur darnach, so wirstu weise und gelert gnug sein über aller Juristen kunst und buecher.« U b e r der juristischen Kompetenz auf der Grundlage von Rechtstexten, realen B ü chern wie Gesetzen, Kommentaren, Auslegungen — Luther spricht hier von den >glosen< — steht die Einsicht zum rechten Tun, welche das >Buch< der Goldenen Regel als Inbegriff des natürlichen Gesetzes j e d e r m a n n unmittelbar eröffnet. Hiermit bietet Luther in der Form der Buchmetaphorik lehrten Meister Eckhart als das »überkreatürliche Analogon Gottes« im Menschen, als den »Ort der Anwesenheit Gottes in seiner gesamten Göttlichkeit«. 177 WA 17 11,102,12-14. 178 WA 22,112,26-32 u. 36-38. 179 WA 49,501,1-11. 180 WA 32,495,23. Für die nachfolgenden Zitate und Bezugnahmen vgl. den gesamten Predigtabschnitt ebd., Z. 15-28.

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Zum Begriff des Buches bei Luther

eine Analogie zwischen der Freiheit, die der Glauben gewährt u n d d e r j e n i gen, die den M e n s c h e n z u m sittlichen H a n d e l n befähigt. W i e d e m M e n schen mit d e m B u c h der Bibel das geoffenbarte W o r t Gottes mit d e m b e freienden Evangelium von Jesus Christus gegeben ist u n d i h m den p e r s ö n lichen Z u g a n g z u m Heil aus Glauben gewährt, so schenkt i h m G o t t mit seiner N a t u r das natürliche Gesetz u n d mit d e m B u c h der G o l d e n e n R e g e l eine Handlungsanleitung z u m eigenständigen Tun des G u t e n u n d R e c h t e n aus Liebe. W i e im Glauben zu Gott so steht der M e n s c h durch >sein eigen Buch< der G o l d e n e n R e g e l zu seinem H a n d e l n , nämlich unabhängig von menschlichen Autoritäten u n d ihrer Vermittlung. Diese mit Hilfe der B u c h m e t a p h e r vorgetragene moralische Einsichtsfähigkeit besteht in Luthers Sicht n u r d e m G r u n d e nach. Sie beschreibt nicht die tatsächliche sittliche Existenz des M e n s c h e n . Das B u c h im H e r z e n , n a türliches Gesetz u n d G o l d e n e R e g e l , sind zwar >hellesVernunftgebotIm Buch liegen< versinnbildlicht hier den Umstand, daß der Mensch Gottes Liebe nicht mit dem Herzen erfaßt und ergreift. >Buch< repräsentiert die Teilnahmslosigkeit, die Gleichgültigkeit,ja Mißachtung und Geringschätzung des Evangeliums: Der Mensch läßt die Worte Gottes »als geringe ding und gleich als werens menschen wort, furuber gehen«. Das Buch ist so Symbol der wirkungslosen, weil nicht angenommenen, auf dem Papier der Bibel niedergeschriebenen, aber nicht recht >gelesenen< Botschaft von der göttlichen Liebe zu den Menschen. Luther arbeitet mit dem BuchbegrifFzur Darstellung des gestörten G o t tesverhältnisses noch anschaulicher u n d eindringlicher in der Predigt zu II Kor 3,4—6, die er Ende August 1531 gehalten hat. Paulus gebraucht hier die berühmte W e n d u n g vom tötenden Buchstaben und vom lebendigmachenden Geist 185 . Luther legt diese Paulinische Gegenüberstellung auf die Predigt u n d ihre W i r k u n g beim Zuhörer hin aus. Letzterer bleibt solange u n b e troffen, als es der Ansprache an der Kraft des Heiligen Geistes mangelt und somit die Worte den Menschen nicht im Innersten, in seinem Herzen b e wegen: Zwar »docet [der Prediger] verbum dei etc. sed bleibt nicht mher da, denn das da geschrieben ist in libro, es ist buchstab et manet« 186 . Auffallend ist, daß Luther mit dem Begriff des Buches nicht als selbständiger Metapher operiert. >Buch< wird vielmehr in komplexer, mehrschichtiger Bedeutung 183 184

W A

20,229,24. Für die nachfolgenden Zitate ebd., Z. 19-27.

Bibelstellen in deutscher Sprache ohne nähere Nachweise werden zitiert nach: [ B I B L I A] D I E B I B E L oder die ganze Heilige Schrift des Alten und Neuen Testaments. Nach der deutschen Übersetzung Martin Luthers. 1956 u. 1964 vom Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland im Einvernehmen mit d. Verband der Evangelischen Bibelgesellschaften in Deutschland genehmigte Fassung d. revidierten Textes. Stuttgart 1971. 185 Für die hermeneutische Bedeutung der Unterscheidung von Buchstabe und Geist bei Luther s. unten ausfuhrlicher Abschnitt »4.3.2. Die Wirkungsmacht des Wortes im Anschluß an die systematischen Unterscheidungen Luthers in buch- und predigtspezifischer Rede«, besonders S. 256-258. 186 WA 34 II, 163,15-17. Die nachfolgenden Ausfuhrungen stützen sich auf beide von der WA gebotenen Uberlieferungen der Lutherschen Auslegung zu II Kor 3,6 ebd., 162—165. Die Zitate sind S. 163 f. entnommen.

102

Zum

Begriff des Buches bei Luther

verwandt. Einmal meint es den realen Gegenstand, der andererseits seine metaphorische Bedeutung aus der Verknüpfung mit >Buchstabe< gewinnt. Dabei verwendet Luther für die wirkungslose Predigt die bildhaften Analogien »buchstab, ut in libris«, »ut buchstab in libro«, »liber ... ligt ut mortua litera in corde«, »litera mortua, ins buch geschrieben«, »wort ym maul und buchstaben y m buche«, sie bleibe »nur ym buchstaben, yns buch brengts«. Er geht also von dem realen Sachverhalt aus, daß der Buchstabe im Buch schriftlich niedergelegt ist. Sinnbildlich wird seine R e d e erst dadurch, daß er die kraftlose Predigt mit dem im Buch fixierten Buchstaben identifiziert. Interessant ist es nun, wie Luther das Bild von der Predigt als des B u c h s t a ben wie im Buche< in seiner Wirkungslosigkeit auf den Menschen hin näher auslegt und verdeutlicht. Was auch immer und in welcher Länge es gepredigt wird, ohne den Geist »feylet des newen testaments, non diligit deum, n o n credit, non audit ... es ist buchstab et manet, bringts nicht yns wercke, manet [der Prediger] ein zorniger, neidischer mensch, ein dieb, schalk, affterreder, huerer. Das heist denn literam predigen, quae nicht m h e r lert, quam quod ego sol t h u n . T u m ego et praedicator nihil habemus quam literas.« Diese Passage verdeutlicht den zentralen Gedanken, der für Luther hier durch >Buch< und >Buchstabe< repräsentiert wird, die Abstraktheit. Die wirkungslose Predigt ist abstrakt, »bringts nicht yns werck«, »yns buch brengts, yns werk nicht«. Sie zeitigt keine Veränderung des Menschen, »est litera mortua, ins buch geschrieben«, »papyr, nihil promovet vitam«. Diese Predigt als >Buchstabe im Buch< wird zwar öffentlich, wird ausgesprochen, bleibt aber »wort ym maul«, weil sie Herz u n d Gewissen nur oberflächlich erreicht, nicht aber durchdringt und bewegt; sie ist »mortua litera in corde«, begründet keine Gottesbeziehung, wie Luther sie mit dem N e u e n Testament identifiziert. Sie ist zwar Lehre des göttlichen Wortes, aber nur im Sinne des Alten Testaments, der Gesetzespredigt, o h n e im Herzen Gottesliebe u n d Glauben entfachen zu können. Weil der Predigt die Kraft des Heiligen Geistes fehlt, kann sie nicht konkret werden und ihr eigentliches Ziel nicht erreichen, im Herzen den Glauben zu wirken. Mit dem Bild von Buch und Buchstabe assoziiert Luther Vorstellungen und Eigenschaften, die den M e n schen seiner sündhaften, von Gott getrennten Natur nach charakterisieren: >DiebSchalkzornigneidischungehorsameifersüchtigvoller Haßehebrecherisch< ist; in Luthers Worten »Manet inobediens erga parentes, Invidus, Odiosus, Adulter etc.« Buch und Buchstabe charakterisieren den geistlich toten, weil von der Liebe Gottes in Christus unberührten, insofern gottlosen M e n schen.

Exkurs: Der Buchbegriff als

2.3.5.

Buch — Gottes Schöpfung -

Metapher

103

Auferstehung

An einigen Stellen faßt Luther auch Gottes Schöpfungswerk und die Neuerschaffung des Menschen mit der Auferstehung in das Bild des B u ches. Gerade hier zeigt sich, wie geeignet die Buchmetapher ist, komplizierte Sachverhalte zur Sprache zu bringen und verständlich zu machen, o h n e für den Laien schwierige theologische Probleme und Zusammenhänge im einzelnen ausfuhren zu müssen. In einer lateinischen Bucheinzeichnung, welcher Luther den Paulinischen Text in R o m 1,20 zur Erkenntnis Gottes aus der von ihm erschaffenen Welt, aus seinem Schöpfungswerk vorangestellt hat, heißt es: »Creatura tota est pulcherrimus liber seu biblia, in quibus Deus sese descripsit et depinxit.« 187 Dieses Buch der Schöpfung kann von Luther nur im Superlativ als schönstes charakterisiert werden, als Bibel. D e n n hier offenbart sich Gott, hier hinein hat er sich selbst geschrieben und >abgemaltbiblia< zum Ausdruck, daß bei diesem Erkenntnisprozeß kein Anlaß gegeben ist, auf der Seite Gottes nach Verstehenshindernissen zu suchen. An sich betrachtet kann die Art und Weise Gottes, sich in der Natur zu offenbaren, für Luther nur klar und eindeutig, mithin das schönste und beste aller Bücher, Biblia, Heilige Schrift sein. Verständnisprobleme liegen notwendigerweise beim Menschen, wie der zweite Satz der Bucheinzeichnung dann auch folgerich-

187

WA 48,201,5 f. Für das nachfolgende Zitat ebd. Z. 6-10. Generell zur begrenzten Reichweite der Erkenntnis Gottes aus den Werken der Schöpfung bzw. der allgemeinen Gotteserkenntnis bei Luther vgl. A L T H A U S , Theologie, 27-30 u. E B E L I N G , Disputatio, Bd. 2, 415-422. 188

104

Zum Begriff des Buches bei Luther

tig ausfuhrt. Zwar ist der Mensch gefordert, Gottes Werke auszulegen, »si intelligas et oberseruas opera«. D o c h läßt er sich auf das rechte Verstehen des Buches der Schöpfung nicht ein und beachtet diese nicht als Gottes Werk. Eine nähere Begründung aus der sündigen Natur des Menschen gibt Luther hier nicht. Für weitere Ausführungen dieser Art ist die Bucheinzeichnung weder der rechte Ort, noch wäre dies für das Textverständnis erforderlich, da Luther vor dem historischen D e n k - und Erfahrungshorizont eines allgemeinen religiösen Bewußtseins schreibt, welches die Schuld des M e n schen gegenüber Gott kennt und akzeptiert. Wenn die Schöpfung dem gefallenen Menschen auch nicht als direkte Quelle rechter Gotteserkenntnis dienen kann, so in Form der Buchmetaphorik doch zur Veranschaulichung geoffenbarter christlicher Wahrheiten. Die von Gott geschaffene Welt ist im Bild des Buches für Luther dazu geeignet, das Verständnis des Glaubensartikels von der Auferstehung zu befördern. Dies läßt sich an zwei zeitlich länger auseinanderliegenden Auferstehungspredigten aus den Jahren 1531 und 1545 ausführlicher darlegen' 8 9 . In beiden Kanzelreden bedient sich der Reformator aus dem reichhaltigen Bildvorrat des Schöpfungswerkes der Natur, die sich der Mensch als Garten und Acker zunutze macht. Mehrfach fordert er auf, sich aus diesen naturverbundenen Tätigkeitsbereichen Anschauung für das der rationalen Erkenntnis entzogene Phänomen der Auferstehung der Verstorbenen von den Toten zu verschaffen: »Ideo quando vadis yhm garten, disce fidem«; »Gehe hin auff den acker vel hortum. Da sihe den Bawer et servo zu, Dominae, famulae«; »Ex horto tuo debes discere articulum resurrectionis« 190 . Luther ruft Assoziationen aus einer Lebenswelt wach, mit welcher die Menschen des Spätmittelalters und der Reformationszeit noch unmittelbar vertraut waren. Dabei versinnbildlichen buchspezifische Begriffe wie >lesenBibelEvangelium< oder >Buch< selbst sowohl die Natur als auch den zur R e d e stehenden Glaubensartikel. Vervollständigt lautet der bereits angeführte Aufruf aus der Predigt von 1545: »Ex horto tuo debes discere articulum resurrectionis mortuorum, si non esset Biblia. Quilibet hortus est Dei liber, ex quo videri potest miraculum, quod Deus quotidie operatur.« Die B u c h m e taphern rücken die natürliche Lebenswelt in die Position einer Quelle der Vergewisserung für den Glauben, hier konkret für das Schicksal nach dem Tod. So heißt es 1531: »Sic Rusticus ex suo agro posset ein solch bibel machen, ut Euangelium legeret in agro.« und 1545: »Quilibet homo in horto legit librum de resurrectione et testem et pignus resurrectionis.« 191 W i e ein

1 8 9 Die Predigt vom 19. August 1531 überTit 2,13 ff. findet sich WA 34 11,108-137, die vom 3. Mai 1545 über I Kor 15,35 ff. WA 4 9 , 7 2 3 - 7 2 5 . Die WA bietet für beide die Nachschriften Georg Rörers, für die jüngere auch die von Veit Dietrich zugerichtete Druckfassung. 1 9 0 WA 34 II,122,3; WA 49,724,37 f.; ebd., 725,18 f. 191 WA 34 II,124,4 f.; WA 49,727,9 f.

Exkurs

: Der Buchbegriff

als

Metapher

105

Buch bezeugen und beweisen Garten und Acker nicht nur dem Landmann, sondern jedwedem Menschen die Botschaft von der Auferstehung der Toten 192 . Wenn jeder beliebige Mensch das Buch der Auferstehung in jedem beliebigen Garten als Buch Gottes lesen kann, dann stellt sich die Frage, was Luther veranlaßt, gerade den Garten wie auch den Acker des Bauern als Bilder der Auferstehung zu verwenden. Welche der vielfältig mit Garten und Acker verbundenen Assoziationen sind geeignet, den jedweder empirischer Lebenserfahrung und Uberprüfbarkeit entzogenen Glaubenssatz von der Auferstehung anschaulich zu repräsentieren, und dann auch noch so, daß sie jedermann verständlich sind? Und aus welchem Grund vermag hierbei gerade das Bild vom Buch Verstehenshilfe zu leisten? Die Aufgabe, der sich Luther unterzieht, stellt sich ihm aus der Gewißheit der Auferstehung, wie sie der Apostel Paulus in I Kor 15 bezeugt. Näherhin geht es Luther darum, die schon Paulus entgegengebrachte Skepsis gegenüber dem Auferstehungsglauben auszuräumen, welche dieser in I Kor 15,35 auf die Frage zuspitzt: »Wie werden die Toten auferstehen, und mit welcherlei Leibe werden sie kommen?« Luthers bildnis- und gleichnishafte Auseinandersetzung mit dem Problem in den herangezogenen Texten 193 ist eine Auslegung der Paulinischen Gedanken. Sie orientiert sich an der nicht sogleich eingängigen, metaphorisch verdichteten Antwort des Apostels in I Kor 15,36 ff. Die bei Paulus verwandte Rede von Saat, Korn und Weizen sowie sein Hinweis auf andere Frucht wird durch Luthers Predigt von einer 192

Mit dieser nachfolgend im einzelnen belegten Position sperrt sich Luther für die Schlußfolgerung Blumenbergs, das Gewicht der in der Bibel niedergelegten historischen Gottesoffenbarung im Christentum lasse die Bedeutung der Natur so weit verblassen, daß es in ihr nichts zu lesen gebe (vgl. H A N S BLUMENBERG, Die Lesbarkeit der Welt. Frankfurt am Main 1986, 33 f.). Das Gegenteil ist der Fall. Gerade weil die Natur Gottes Schöpfung ist, kann in ihr bedenkenlos gelesen werden. Allerdings richtet sich die Naturlektüre nicht auf die Welt und das, was Blumenberg hier »Weltverständnis« (S. 33) oder auch zu Beginn seiner Reflexionen »Welterfahrung« (S. 12) nennt. Sie ist vielmehr durch den Glauben motiviert. 193 Luther hat sich mit der Frage des Auferstehungsleibes auch im Rahmen seiner Predigtreihe zu I Kor 15 in der Predigt vom 22. Dezember 1532, dem 4. Adventssonntag, auseinandergesetzt (vgl. WA 36,638—648). Die dort vorgetragene metaphorische Auslegung entspricht deijenigen in den bereits angeführten Predigten, ohne daß Luther allerdings von der Buchmetaphorik Gebrauch machte. Die Predigt vom 22. Dezember 1532 wird ausfuhrlicher unter der Fragestellung »Der Tod und die Glaubenssprache« bei G E R H A R D EBELING, Des Todes Tod. In: ZThK 84. 1987, 162-194; hier: S. 182-187 herangezogen und im Anhang des Artikels in heute lesbares Deutsch übertragen (ebd., 189— 194). Z u m Problem der Auferstehung bei Luther, auch mit Rekurs auf die Predigtreihe zu I Kor 15 von 1532/33, vgl. auch W E R N E R THIEDE, Luthers individuelle Eschatologie. In: LuJ 49. 1982, 7-49; hier: S. 33-41 u. DERS., Auferstehung der Toten - Hoffnung ohne Attraktivität? Grundstrukturen christlicher Heilserwartung und ihre verkannte religionspädagogische Relevanz. Göttingen 1991 (= Forschungen zur systematischen und ökumenischen Theologie. Bd. 65), 96-99, im größeren geistesgeschichtlichen Zusammenhang (ebd., 11-199).

106

Zum

Begriff des Buches bei Luther

E b e n e erklärungsbedürftiger Begrifflichkeit auf die verständlicher Bilder transponiert, deren erhellende Klarheit d e m Z u h ö r e r deutlich vor A u g e n ist 194 . In direkter Ansprache an den Z w e i f e l n d e n vergleicht L u t h e r Gottes Auferstehungshandeln an den Verstorbenen mit d e m k o n k r e t e n Werk der Ackerleute oder Gärtner. Zuerst stellt er deren G e w i ß h e i t vor A u g e n , daß aus d e m Saatgut neue, reiche Frucht k e i m e n u n d wachsen wird: »Gehe hin auff den acker vel h o r t u m . D a sihe den Bawer et servo zu, D o m i n a e , f a m u lae. Ibi n e m e n erbeis [Erbse], steckens in den acker u n d scharrens zu. N u m prudens vir? qui prius n o n vidisset, diceret: A n n o n frustra? C u r n o n edis vel das porcis? Was sols hie verfaulen? D a wird kein fraw so toll sein, quae n o n rideat huius stulti, quia habet hanc cogitationem: D i e erbeis, die ich dahin stecke. Horestu, weiser Narr? N o n facio, ut hic maneat erbeis, q u a n q u a m m a n e t et verweset. Sed revertere post 10 septimanas,... M u l i e r habet ex e x perientia, ... et n o n d u b i u m , q u o d verfaulet, sed h e r f u e r wachsen ein Stengel ex terra etc. ... Sic faciunt rustici c u m omnibus seminibus, quia u m b pfingsten sols anders sehen, ... q u o d post 8 septimanas schier w i d e r schotten. Si h o c potest D e u s facere quotidie. ... Si D e u s facit c u m sementibus, quae vorantur, u n d m a c h t quotannis seminibus ein s c h o n e n leib, wie er wil, Et stehet so lustig. Ibi vides, q u o d D e u s istis coecis h o m i n i b u s pingit e x e m p l u m fortissimum resurrectionis m o r t u o r u m . « 1 9 5 M i t der in die Erde eingebrachten Saaterbse, d e m sich verzehrenden Saatkorn, die aber zur n e u e n Frucht des Feldes vergehen u n d heranreifen, hat L u t h e r den Vergleichsp u n k t entwickelt, an d e m der M e n s c h das Auferstehungsproblem aus d e m N a t u r g e s c h e h e n heraus d e u t e n kann. Auf dieser Verstehensgrundlage fordert der Prediger den M e n s c h e n n u n m e h r geradezu heraus, seine individuelle Existenz bildhaft v o m Saatvorgang her zu begreifen: »Tales creaturae sollen uns reitzen: q u a n d o baptizatus sum, satus sum.« 1 9 6 Dabei sind Acker u n d Garten B u c h u n d Predigt Gottes, u m den Tod der leiblichen Existenz u n d die anschließende Verwesung des K ö r p e r s als Voraussetzung f ü r die A u f e r s t e h u n g im n e u e n , reicheren Leib d e u t e n zu k ö n n e n : »Sihe auff den Acker, Garten, q u a m mirabile opus hic fiat D e u m . In terra verfaulets, w e n n mans auffgrebt, n o n est g r a n u m . Sic n o b i s c u m erit. G o t gibt dir ein b u c h für. O m n i a grana et semina sunt tui contionatores: hast m i c h ante 6 menses verschorren u n d begraben. Iam stehe Stengel vivus. Sic D e u s n o b i s c u m l o quitor per o m n e s Creaturas.« 1 9 7 D e r M e n s c h , der weiß, »Si m a n e t in sacco, nihil fit.« 198 , fügt sich nicht zähneknirschend in sein Todesschicksal. Er b e 194 Auch die nachfolgend zitierte Predigtpassage von 1545 fugt sich Ebelings Urteil zur Predigt von 1532: »In Luthers Auslegung wird aus der einzelnen Metapher des winzigen Saatkorns wie unter einem Vergrößerungsglas ein Gemälde und aus dem Bild ein gewaltiges Drama.« (EBELING, Des Todes Tod, 183). 195 WA 49,724,37-725,17. 196 WA 34 11,123,2 f. 197 WA 49,725,34-39. 198 WA 49,724,37-725,18.

Exkurs: Der Buchbegriff ah

Metapher

107

kennt vielmehr: »las verwesen u n d sterben, es mus und sol sein ut cum korn etc. Sic expecto auff dem arbore fructum, quem non video. Sic m e a m vitam futuram expecto certius etc. sicut ein bonen, quae venire debet, quam quae est.« 199 Mit der Auferstehungsfrage wendet sich Luther einer Thematik zu, die für den christlichen Glauben genauso zentral wie fiir das menschliche Verstehen mit Fragen, Schwierigkeiten, Vorbehalten und Zweifeln befrachtet ist. In Luthers Predigten spiegeln sich sowohl die existentielle Tragweite der göttlichen Auferstehungszusage als auch das Ungeheuerliche und Faszinierende, das von der H o f f n u n g auf ein Leben nach dem Tod fiir das diesseitige Christsein ausgeht. Luthers Ausfuhrungen sind persönliche Ansprache, farbig und kräftig, wie die Wortwahl des gerade gebotenen längeren Predigtausschnittes belegt: >du Narrlustig stehem, >verfaulenverwesenBibel< für den Acker, bindet den Artikel von der Auferstehung in einen umfassenderen Sach- und Erfahrungshorizont ein. Die Zuhörer und Leser von Luthers Predigten werden geradezu selbstverständlich in einen größeren Verstehenszusammenhang hineingenommen. D e n n mit der Vorstellung vom Buch ist ihnen intuitiv präsent, daß Einzelaussagen ihren Sinn erst im R a h m e n des Ganzen entfalten 2 1 1 . Dieser Umstand entlastet den Auferstehungsartikel vom Verstehenshindernis, für sich und damit isoliert nur schwer akzeptiert werden zu können. Während die sachliche Aussage vom vorgängigen Glauben an die Auferstehung bei diesem einzelnen Glaubensartikel verbleibt, o h n e die umfassendere christliche Wahrheit in den Blick zu b e k o m m e n , appelliert die Buchmetapher durch die ihr innewohnende Repräsentation der Ganzheitlichkeit assoziativ an den Gesamtzusammenhang christlichen Glaubens.

210

Dieses und die nachfolgenden Zitate aus WA 49,727,9-12. Mit Rekurs auf Blumenberg wird mit der Buchmetapher »die kulturelle Idee des Buches« ( B L U M E N B E R G , Lesbarkeit, 1 0 ) mobilisiert, derzufolge das Buch »Erfahrung von Totalität« (ebd., 11) repräsentiert. 211

112

Zum

2.3.6.

Zusammenfassende

Begriff des Buches bei Luther

Interpretation

der Lutherschen

Buchmetaphorik

Fragt m a n grundsätzlich nach der B e d i n g u n g der Möglichkeit dafür, daß Luther den B u c h b e g r i f f in m e t a p h o r i s c h e r Weise verwendet, so ist Ernst R o b e r t Curtius zuzustimmen: »Nicht j e d e r Sachbereich nämlich läßt sich f ü r die bildliche R e d e v e r w e n d e n , s o n d e r n nur ein solcher, der w e r t b e t o n t ist.« 212 Diese Werthaftigkeit b e d e u t e t für Curtius im Sinne Goethes, daß die in der M e t a p h e r z u m Ausdruck gebrachte Sache einen »>Lebensbezug«< b e sitzen m u ß »oder >das Wechselleben der Weltgegenstände< durchscheinen läßt«. Diesem A n s p r u c h existentieller Bedeutsamkeit leisten die bei Luther e r h o b e n e n B u c h m e t a p h e r n G e n ü g e . Es ist deutlich geworden, daß die Vorstellung Christi als B u c h des Lebens, in das der M e n s c h geschrieben ist u n d aus d e m er lesen u n d l e r n e n soll, das G r u n d b e d ü r f n i s des M e n s c h e n nach einer sinnhaften Existenz repräsentiert: die B e w a h r u n g u n d Sicherung des menschlichen Lebens u n d seiner personalen Identität, auch ü b e r den Tod hinaus, die in der persönlichen B e z i e h u n g zu G o t t g e g r ü n d e t ist, sowie die Wegweisung f ü r das persönliche H a n d e l n , sowohl in Fragen des Glaubens als auch der daraus resultierenden sittlichen L e b e n s f ü h r u n g . Weiter k o n n t e gezeigt werden, daß dieser >Lebensbezug< auch der M e t a p h e r v o m H e r z e n als B u c h eignet: einmal als B u c h Gottes, in welches das W o r t des E v a n g e liums geschrieben ist u n d in d e m der Glaube lebt, ein anderes Mal das H e r z als eigenes B u c h des M e n s c h e n , in welches das natürliche Gesetz gefaßt ist, das i h m mit der G o l d e n e n R e g e l den Maßstab f ü r ein moralisch verantwortetes H a n d e l n e r m ö g l i c h e n will. U n d auch diejenigen Existentialien, die d e m entgegenstehenden, nämlich die Gottesferne u n d die Verlorenheit des M e n s c h e n , also die Sünde, drückt L u t h e r mit Hilfe der B u c h m e t a p h o r i k aus: z u m einen die kraftlose Predigt, die im B u c h bleibt, weil sie keinen Z u g a n g z u m H e r z e n findet, die toter Buchstabe ist, weil ihr die Hilfe des Heiligen Geistes fehlt, z u m anderen die Teilnahmslosigkeit des M e n s c h e n , der Gottes W o r t >im B u c h liegen läßtTreibensErmahnung< der Bauern ist darauf gerichtet, deren >Besserung< bewirken zu wollen 7 . Daß »der Christenheit« aus ihnen »besserung erwachszen«8 soll, sieht Luther als grundsätzlichen Nutzen und Bildungswert seiner und der reformatorischen Bücher. Luthers Sicht der Bedeutung des Buches für die Bildung ist von der in erster Linie mit Bildungsprozessen befaßten Forschung zu Pädagogik, U n terricht und Schule bei Luther bisher nicht im Zusammenhang erörtert worden. Lediglich die Katechismen des Reformators und hier insbesondere sein für das Lerngeschehen besonders zugerichteter Kleiner Katechismus haben ausfuhrlicher Beachtung gefunden. 9 Von den Untersuchungen zu Erziehung und Bildung bei Luther thematisieren einige das Buch überhaupt nicht 10 oder bringen allenfalls den Buchdruck als technische Bedingung für Luthers Bildungsbemühen zur Sprache 11 . Selbst ausführliche Studien zu Luthers Pädagogik wie die von Ivar Asheim behandeln das Thema Buch nur am Rande. Hier erfolgt lediglich der Hinweis darauf, daß die Reformation für die christliche Unterweisung auf biblische Texte, den Katechismus und neu angefertigte Schulbücher zurückgegriffen habe; ansonsten seien von Luther für die weltliche Bildung humanistische Stoffe und Lehrbücher beibehalten worden 12 . In der Regel setzen einschlägige Untersuchungen Bildungswert und -funktion des Buches voraus, indem sie etwa wie Wolfgang H. Strauß durchgängig auf die Lektüre im Sprachunterricht rekurrieren 13 , wie selbstverständlich Bücher als Ausweis von Bildung in Anspruch neh6 Für die begriffliche Verbindung von Buch, >Unterricht< und >Vermahnung< vgl. WA 30 111,518,7-14. 7 Vgl.WA 18,384,12. 8 WA 6,203,20 f. 9 S. unten Abschnitt »3.1.3.3. Die Bedeutung des Katechismus für die religiöse Bildung«. 10 Vgl. W E R N E R R E I N I N G H A U S , Elternstand, Obrigkeit und Schule bei Luther. Heidelberg 1969 (= Pädagogische Forschungen. Bd. 38). 11 Vgl. B E R N H A R D K L A U S , Kultur- und bildungspolitische Perspektiven im reformatorischen Anliegen Martin Luthers und ihre Verwirklichung in Nürnberg. In: Zeitschrift für bayerische Kirchengeschichte 54. 1985, 1—13; hier: S. 5 f. 12 Vgl. IVAR A S H E I M , Glaube und Erziehung bei Luther. Ein Beitrag zur Geschichte des Verhältnisses von Theologie und Pädagogik Heidelberg 1961 (= Pädagogische Forschungen. Bd. 17), 73-75. 13 Vgl. W O L P G A N G H. S T R A U S S , Luthers Ansichten zum Sprachunterricht. In: Luthers Sprachschaffen, gesellschaftliche Grundlagen, geschichtliche Wirkungen. Referate der internationalen sprachwissenschaftlichen Konferenz Eisenach 21. - 25. März 1983. Hrsg. von Joachim Schildt. Akademie der Wissenschaften der DDR/Zentralinstitut für Sprachwissenschaft. 1. Aufl. Bd. 1-3. Berlin [Ost] 1984 (= Linguistische Studien. Reihe A, Arbeitsberichte. Bd. 119, 1-3); hier: Bd. 1,273-280.

122

Die Bildungsfunktion

des

Buches

men 1 4 oder Bücher als Bildungsmittel und Gegenstand des Unterrichts nur beiläufig, oft auf den Katechismus beschränkt erwähnen oder knapp abhandeln 1 5 . Einige allgemeinere Aspekte zum Buch im R a h m e n des Unterrichts fuhrt Georg Mertz in seinem umfangreichen Werk zum reformatorischen Schulwesen des 16. Jahrhunderts an, w e n n auch ohne nähere Interpretation. Er erwähnt Luthers Forderung nach nur wenigen u n d den besten theologischen Büchern oder die von der R e f o r m a t i o n favorisierte komprimierte und einfache Form der Lehrbücher 1 6 . U m Bildung zu erwerben, hält Luther Bücher grundsätzlich für unverzichtbar. Dies wird etwa dort deutlich, wo er gegen die >fanatici< oder Schwärmer argumentiert. So wendet er sich in seiner Genesisvorlesung gegen die von ihnen behauptete Möglichkeit, unmittelbar aus Gottes Willen u n d Verheißung zu leben. Diese falsche Einstellung zum Bildungsgewinn bringt Luther dadurch zum Ausdruck, daß er sie pointiert und zugespitzt als v o m Gegner selbst formulierte, knappe These präsentiert: »Si sum futurus doctus: fiam etiam sine libris etc.« 17 . Luther sieht hierin einen Verstoß gegen die gottgewollte O r d n u n g der Schöpfung. D e r Mensch soll sich vielmehr der Bücher bedienen, u m die ihm gegebene Vernunft zu befördern, aber

14 Vgl. etwa FRANZ MACHILEK, Schulen und gelehrte Bildung, In: Martin Luther und die Reformation in Deutschland. Ausstellung zum 500. Geburtstag Martin Luthers. Veranstaltet vom Germanischen Nationalmuseum Nürnberg in Zusammenarb. mit d. Verein für Reformationsgeschichte. 25. Juni bis 25. Sept. 1983. l.Aufl. Frankfurt am Main 1983, 89-116. - Einschließt Katalogteil mit ausfuhrlichen Buchbeschreibungen. 15 Vgl. THOMAS NIPPERDEY, Luther und die Bildung der Deutschen, In: Luther und die Folgen. Beiträge zur sozialgeschichtlichen Bedeutung der lutherischen Reformation. Hrsg. von Hartmut Löwe u. Claus-Jürgen Roepke. München 1983, 13-27; hier: S. 15-17; KLAUS GOEBEL, Luther als Reformer der Schule. Seine Schrift »An die Ratsherren ...« und Äußerungen des Reformators zu Schule und Erziehung. In: Luther in der Schule. Beiträge zur Erziehungs- und Schulgeschichte, Pädagogik und Theologie. Hrsg. von Klaus Goebel. Bochum 1985 (= Dortmunder Arbeiten zur Schulgeschichte und zur historischen Didaktik. Bd. 6), 7-26; hier: S. 8 f.; YOSHIKAZU TOKUZEN, Pädago-

g i k b e i L u t h e r . I n : L e b e n u n d W e r k , 3 2 3 - 3 3 0 ; h i e r : S. 3 2 4 - 3 2 6 ; WILHELM STURM, L u -

thers Sicht von der Erziehung, In: Martin Luther. Eine Spiritualität und ihre Folgen. Vortragsreihe der Universität Regensburg zum Lutherjahr 1983. Hrsg. von Hans Bungert. Regensburg 1983 (= Schriftenreihe der Universität Regensburg. Bd. 9), 57-71; hier: S. 67 f.; KLAUS PETZOLD, Die Grundlagen der Erziehungslehre im Spätmittelalter und bei Luther. Heidelberg 1969 (= Pädagogische Forschungen. Bd. 42), 74: Für die ältere Forschung vgl. FRIEDRICH FALK, Luthers Schrift an die Ratsherren der deutschen Städte und ihre geschichtliche Wirkung auf die deutsche Schule. In: LuJ 19. 1937, 5 5 1 1 4 ; h i e r : S. 9 9 u n d 1 0 6 - 1 0 8 ; H O R S T KEPERSTEIN, [ E i n l e i t u n g z u ] : D r . M a r t i n L u t h e r s

pädagogische Schriften und Äußerungen. Aus seinen Werken gesammelt u. in e. Einleitung zusammenfassend charakterisiert u. dargestellt von Horst Keferstein. Langensalza 1888, LXVIII f. u. XC. 16 Vgl. GEORG MERTZ, Das Schulwesen der deutschen Reformation im 16. Jahrhundert. Heidelberg 1902, 360. 17 WA 43,605,43.

Die Bildungsfunktion

des Buches im

allgemeinen

123

auch u m deren Grenzen zu erfassen und u m der Sünde zu wehren 1 8 . Dies gelingt dann u m so mehr, wenn die Erkenntnis nicht auf bestimmte Gehalte und Traditionen beschränkt wird. Es kennzeichne das Christentum, aus der Fülle des Wissens u n d der Erfahrungen zu schöpfen, wie sie in den Büchern aller Völker und Kulturen überliefert wird: »Nos Christiani sumus scherfer in ratione quam omnesTurcae, Iudei et gentes, quia habemus o m n i u m gentium libros, glauben und kunst. Mea ratio ist gescherfft und erfarn.« »Immo Nos Christiani sumus prudentiores omnibus gentibus. Legimus ex variis scripturis, wyr haben eyne gescherffte vernunfft, wyr wissens wol und besser den sie.«19 Luthers Haltung zur Unverzichtbarkeit der Bücher weist bereits auf die korrespondierende Auffassung, daß der Bildungswert des Buches universal ist und sowohl die weltliche als auch die religiöse Bildung umfaßt. Besonders wird dies an der eingangs herangezogenen Predigt von 1529 deutlich. Hier scheidet Luther die >res temporales< von den >res spirituales< und wehrt mit den Worten »das lerne yn andern buchern« der Auffassung, mit dem Wort Gottes das weltliche R e g i m e n t ausüben zu können. Für beide Bereiche bedarf es der Bücher, wenn auch solcher verschiedenen Inhaltes. E n t scheidend ist hier, daß das Buch unabhängig vom j e bestimmten Inhalt nach Luther einen integralen Bestandteil aller Bildungszwecke und - b e m ü h u n gen darstellt. In diesem Sinne steht das Buch als ein Mittel der Qualifikation sowohl für Theologen als auch für weltliche Berufe zur Verfugung: »Hodie librorum infinitus est numerus in quibus instituunturTheologi, Iureconsulti, Medici.« 20 1530 bringt Luther zum Ausdruck, daß im Vergleich zur Vergangenheit schon das umfassendere Angebot an Büchern eine wesentliche Verbesserung der Voraussetzungen bietet, religiöse und weltliche Bildung zu vermitteln u n d zu erwerben: »Und sonderlich zu unsern Zeiten ists ja leicht solche personen zu erzihen, die das Euangelion u n d den Catechismus lernen muegen, weil jtzt nicht allein die heilige schrifft, sondern auch allerley kunst reichlich am tage ist mit so viel buechern, lesen, predigen (Gott lob), das man j n n dreien jaren mehr kan lernen denn vorhin j n n zwentzigen.« 21 Diese Universalität des Buches entspricht derjenigen der Erziehungskonzeption Luthers, wie sie in der einschlägigen Forschung an Luthers pädagogischen Schriften erhoben worden ist. Schule und Lehrer erfüllen ihre Funktion, indem sie sowohl weltliche als auch religiöse Kenntnisse und Fertigkeiten vermitteln; sie haben insofern an beiden R e g i m e n t e n Anteil, dem weltlichen wie dem geistlichen 22 .

18 Zur gegen die Sünde gerichteten Funktion des Buches s. unten Kapitel 5.2, besonders »5.2.1 Das Buch in der Geschichte als Zeit unter der Sünde«. 19 WA 34 11,149,4-6 u. ebd. Z. 20 f. für die Parallelfassung der Predigt. 20 WA 42,80,15 f. 21 WA 30 11,546,28-32. 22

V g l . REININGHAUS, E l t e r n s t a n d , 14 u . ASHEIM, G l a u b e , 7 2 ff.

124

Die Bildungsfunktion des Buches

3.1.2.

Der Bildungswert des Buches für das weltliche

Regiment

und die Welt insgesamt Auch wenn beide Aspekte bei Luther oft eng miteinander verbunden sind, läßt sich der Bildungswert des Buches systematisch näher nach der Unterscheidung von weltlichen und religiösen Zwecken entfalten. Luther thematisiert den weltlichen Gesichtspunkt im Blick auf Fragen der Sittlichkeit, des moralischen und politisch-herrschaftlichen Verhaltens und des Umgangs mit zeitlichen Gütern insgesamt. Die letztgenannte breiteste Perspektive eröffnet er in zwei seiner frühen und mittleren Predigten, die hier im Zusammenhang gelesen werden sollen. In der Weihnachtspostille von 1522 fordert er dazu auf: »Aristoteles, Bapst und aller menschen bucher soll man meyden oder alßo lesen, das wyr nit der seelen besserung darynnen suchen, ßondernn die tzeyt unnd diß leben damit übe, wie man eyn handwerck odder welltlich recht lernt.« 23 Ausfuhrlicher äußert er sich im April 1531 in den Wochenpredigten über Joh 6—8: »Also seindt auch aller Juristen kunste undt bucher, welchs doch eine feine kunst ist, wie auch andere kunste undt Weisheit der hochgelartten Doctorn, heist alles frucht des fleisches welche kunste lernen das zeittliche zu regiren undt sindt eusserliche dieng, feine kunste undt gaben, wie man ein haus baue, auch wie man einen gesunden leib, hübsche, helle äugen haben möge, schöne kinder zeugen, keuffen, verkeuffen, pflantzen, aber es ist dennoch alles aus dem fleisch kommen.« 24 Unabhängig vom theologischen Skopus machen die Predigtpassagen deutlich, daß der weltliche Bildungsgewinn durch das Buch für Luther keineswegs nur auf herrschaftliche, politisch-rechtliche Aufgaben des M e n schen beschränkt ist. Bücher können in allen Bereichen der weltlichen Existenz von Nutzen sein. Uber das politisch-rechtliche Regiment hinaus bezieht Luther in mannigfaltiger Weise Beispiele gesellschaftlichen Handelns auch aus dem Alltagsleben ein: die private und persönliche Sphäre, Gesundheit, technische Fertigkeiten, Beruf, Ackerbau, Wirtschaftsleben und Wissenschaft. Den Gesamtzusammenhang des Weltlichen, der durch die genannten Beispiele veranschaulicht wird, repräsentiert Luther durch Begriffe wie »die tzeyt«, »diß leben«, »das zeittliche« und »eusserliche dieng«. Der theologische Hintergrund, vor dem Luther den weltlichen Bildungsgewinn durch das Buch thematisiert, ergibt sich aus der Perspektive des Gottesverhältnisses. Luther bezieht das Buch auf die im Johannesevangelium verwandte Differenzierung von Geist und Fleisch. Von dieser j o hanneischen Fundamentalunterscheidung her ordnet Luther das Buch insoweit der Seite des Fleisches zu, als es keinen Beitrag zum geistlichen R e giment Gottes leistet. Infolgedessen ist der Bildungswert des Buches, das sich mit weltlichen Dingen befaßt, in Luthers Sprache als »frucht des flei23 24

WA 10 1/1,139,16-19. WA 33,263,21-33.

Der Bildungs wert des Buches für die Welt

125

sches« zu charakterisieren. Alles menschliche Wissen, >Kunst< und >WeisheitObrigkeitsschrift< bezeichnet. 31 WA 19,629,12 f. 32 Mit Blick auf das Buch als Gegenstand dieser Untersuchung s. unten Kapitel »3.3.2. Luthers Haltung gegenüber Eingriffen ins Buchwesen«, besonders den Abschnitt über die Zensur. 33 WA 30 11,557,29-31. 34 Ebd., 557,32f. 30

128

Die Bildungsfunktion

des

Buches

welltlichen reichs R e c h t und Weisheit ist.«35 Luther äußert sich auch dazu, welche Bücher für das weltliche Regiment von Nutzen sind. Er denkt an die juristische Literatur, das »buchrecht« 36 . In personalisierter Sicht ordnet Luther die Rechtsliteratur dem Stand der Rechtskundigen oder Juristen zu. Er spricht dann allgemein vom Juristen und seinem Buch: »Nu sihestu, was nutz ein frumer rechts kuendiger odder Jurist thun kan«: Er »erhellt .. und hilfft fordern mit seinem buch (durch Goettlich Ordnung) das gantz welltlich regiment, Keiser, Fürsten, Herrn, Stedt, Land und leute ... Denn solche alle muessen durch Weisheit und recht erhalten werden.« 37 Luthers nähere Differenzierung des Standes der Juristen zeigt, daß er das Buch als ein selbstverständliches Hilfsmittel für alle Bereiche der öffentlichen Ordnung erachtet, für Regierung,Verwaltung und Rechtsprechung: »Wenn ich aber von den Juristen sage, meine ich nicht allein die Doctores, sondern das gantze handwerck als Cantzler, Schreiber, Richter, Fürsprechen, Notarius und was zum rechte des regiments gehoeret, Auch die grossen Hansen, so man die R e t h e zu hofe nennet, Denn sie üben auch das werck der recht odder ampt der Juristen« 38 . In sachlicher Hinsicht differenziert Luther die für das weltliche Regiment notwendigen und förderlichen Bücher nicht im einzelnen. D o c h die personale Aufschlüsselung der Rechtskundigen läßt den Schluß zu, daß er nicht nur an das kodifizierte R e c h t selbst denkt, sondern an juristische Bücher im umfassenden Sinne, also auch Kommentare, Entscheidungssammlungen und Spezialliteratur. Mit seiner R e d e von >Kopf-< und >Buchrecht< ist für Luther zugleich eine Differenz gesetzt, welche den Bildungswert des Buches als das regelmäßige Hilfsmittel des gottgefälligen und gerechten Regiments betont. Es ist die Ausnahme, daß »ein Keiser, Fürst, H e r r selbst von natur so weise und klug ist, das er das recht auswendig treffen kan, wie Hertzog Fridrich zu Sachsen ... Auch umb der andern willen, die solchs von natur nicht vermuegen, ists besser j n n stettigem regiern das gemein buchrecht halten, so hats deste mehr ansehen und glimpff [Ehre] und darff keines Wunders noch sonders.« 39 Diese Auffassung Luthers vom Nutzen des Buches für das weltliche Regiment gründet in seiner Vorstellung vom Naturrecht 4 0 . Paul Althaus hat gezeigt, daß der Sündenfall in Luthers Verständnis auch das dem Menschen ins Herz geschriebene natürliche Gesetz Gottes »weithin verdunkelt und vergessen«41 gemacht hat. U m dieses zu erinnern und es gewissermaßen aus der 35

Ebd., 558,1-3. Ebd., 558,24. 37 Ebd., 559,28-560,19. 38 Ebd., 559,20-24. 39 Ebd., 558,4-10. 40 Dem Rechtsverständnis Luthers kann hier nicht im einzelnen nachgegangen werden. Im Rekurs auf die einschlägigen Forschungsergebnisse soll lediglich der Zusammenhang zum Buch deutlich werden. 41 ALTHAUS, Ethik, 34. Für das Folgende vgl. ebd., 34 f. Ausfuhrlich setzt sichJoHAN36

Der Bildungswert des Buches für die Welt

129

Dunkelheit und Tiefe des Herzens ans Licht zu bringen, hat das Gesetz Mose den göttlichen Rechtswillen für die historische Wirklichkeit des gefallenen Menschen erneuert und schriftlich fixiert 4 2 . In einer Predigt aus dem Jahre 1540 geht Luther auf diese Zusammenhänge ein und bringt hierbei auch die Rolle des Buches ins Spiel: »Got hat das hohe recht geben toti naturae humanae, ex quo non exemptus ullus homo, et ab eo gehen alle recht zu Lehen und müssen sich richten lassen nach den 10 geboten. Supra Mosen lex weltlich, heuser, Sted,Tochter, Mutter recht, ut dicitur.Thut dem Handwerck sein, so weit gehets herunter« 43 . Die bildungsbedeutsame Funktion des Buches für das natürliche R e c h t bestimmt Luther unter drei Aspekten. Z u m einen schöpft das Buch aus dem Herzen als Quelle des natürlichen Rechts, »ex quo fluit omnis sapientia in mundo, aller Juristen bucher.« Dabei übertrifft die Fülle des natürlichen Gesetzes im menschlichen Herzen bei weitem dasjenige, was später verschriftlicht und positives R e c h t werden kann: »Homo, qui habet omnia iura in capite et viel mehr, quam scribi potest, das ist vorhin in corde humano.« Dennoch und zum zweiten bedarf das R e c h t der Kodifizierung. Denn, und hier argumentiert Luther aus der Perspektive der Rechtsvergessenheit und -Verdunkelung durch die Sünde, es bedarf der Bewußtwerdung, der Erinnerung des Gesetzes, das Gott dem Menschen von Natur aus zugeeignet hat. Diese Aufgabe erfüllen die Bücher, wobei Luther sich ohne nähere Quellenangabe auf den heiligen Augustinus beruft: »Die bucher schetzet S. Augustinus, quod denckezeddel sind«. Die Bücher unterstützen somit das von der Sünde beeinträchtigte menschliche Gedächtnis. Auf das geschriebene R e c h t entfaltet auch die Heilige Schrift konkrete Wirkung. Denn das positive R e c h t muß sich an den Zehn Geboten messen oder wie Luther sagt »richten lassen«. Als Drittes bringt Luther schließlich zum Ausdruck, welche pädagogisch-anthropologischen Konsequenzen die Gedächtnishilfe durch die Bücher zeitigt. Die Bücher der Juristen und »illi libri philosophorum, poetarum werden uns das recht in cor brawen, das wasser mus aus dem brun quellen, non econtra.« Insgesamt beschreibt Luther also gewissermaßen einen theologisch-anthropologisch begründeten hermeneutischen Zirkel für die Rechtserkenntnis des von der Sünde bestimmten Menschen. Das menschliche Rechtsbuch schöpft aus der Quelle des Herzens, aktualisiert das gött-

NES HECKEL, Lex Charitatis. Eine juristische Untersuchung über das R e c h t in der T h e o l o g i e Martin Luthers. Hrsg. von Martin Heckel. 2., Überarb. u. erw. Aufl. Köln, W i e n 1 9 7 3 mit dem Naturrechtsverständnis Luthers auseinander, vgl. insbesondere ebd., 98-168. 4 2 Heckel zeigt, daß in Luthers Sicht die Zweite Tafel des Dekaloges die »bis heute vorbildliche Fassung« des »weltlichen Naturrechts< darstellt (HECKEL, Lex, 110). Als überpositives menschliches oder weltliches Naturrecht transformiert der Dekalog das göttliche Gesetz fiir die historische Wirklichkeit (vgl. ebd., 171 f.) und wird so zum Maßstab des positiven R e c h t s , der weltlichen Gesetze. 4 3 W A 4 9 , 6 , 1 4 - 1 8 . Das Nachfolgende ebd., Z . 1 8 - 2 3 .

130

Die Bildungsfunktion

des Buches

liehe Geschenk des natürlichen Gesetzes am Maßstab des Dekaloges zuerst in der Schriftform, um es zuletzt dem Herzen zu erhellen und in neuerlicher Klarheit >einzubrawenstetigen Regierens< durch das >gemeine Buchrecht< zurück, so ergibt sich eine nähere Bestimmung der Bedeutung des Buches für das obrigkeitliche Amt. Die Herrschaft, die sich am Buchrecht orientiert, hebt das potentiell stets vorhandene Naturrecht ins öffentliche Bewußtsein und bringt es durch die Rechtsanwendung in der gesellschaftlichen Praxis zur Geltung. Die Obrigkeit garantiert mit Hilfe des Buches die tatsächliche Wirksamkeit des natürlichen G e setzes; sie verschafft ihm Verbindlichkeit. Auch die positive Gesetzgebung ist im Grunde nichts anderes, als die Aktualisierung des natürlichen Rechtes, das im Herzen gründet und durch das Buch bewahrt und überliefert wird. Diese Wirksamkeit des natürlichen Rechtes, seine Transformation durch die Herrschaft und ihre Bindung an das Buch, bedarf in zweierlei Rücksicht einer genaueren Verhältnisbestimmung von Buch und obrigkeitlichem Amt. Zum einen ist die Kenntnis des natürlichen Rechtes bei den Fürsten wie bei jedem anderen Menschen durch die Sünde beeinträchtigt. Auch die Obrigkeiten müssen das durch die Sünde verdunkelte natürliche Gesetz erst wieder erinnern. Diese Kenntnis eignen sie sich durch Studium und Lektüre an. Neben dem R e c h t selbst spielt hierbei für Luther die antike Literatur eine wichtige Rolle, soweit sie für das weltliche Regiment, für Sitte und R e c h t , von Bedeutung ist. In seiner Auslegung von Ps 101, die in der Forschung als »Regentenspiegel« 44 bezeichnet wird, heißt es: »Wer im weltlichen R e g i m e n t wil lernen und klug werden, der mag die Heidnischen buecher und schrifften lesen. Die habens warlich gar schoen und reichlich ausgestrichen und gemalet, beide mit spruechen und bildern, mit leren und exempeln, Aus welchen auch die alten Keiserlichen rechte komen sind.« 45 Luther denkt den politischen Bildungserwerb durch das Buch jedoch nicht als einen zeitlich begrenzten Lernvorgang, gewissermaßen eine abgeschlossene Ausbildung, in deren Gefolge dann das in langjähriger Praxis ehemals Erlernte Anwendung findet. Vielmehr ist die lernende Auseinandersetzung mit dem B u c h für Luther ein kontinuierlicher Prozeß bei der Ausübung politischer Gewalt. Er bezeichnet die Obrigkeit als beständige Schüler der Bücher: >Fürsten, Herren und alle Regierendem müssen »sich behelffen aus den buchstaben oder buechern mit der Helden R e c h t , Sprueche und E x 4 4 MARTIN LUTHER, Ausgewählte Werke. Hrsg. von H. H. Borcherdt u. Georg Merz. 3. Aufl. Bd. 1 - 6 . München 1 9 4 8 - 1 9 5 8 ; hier: Bd. 5. 1952, 444. 4 5 WA 5 1 , 2 4 2 , 3 7 - 4 0 .

Der Bildungswert des Buches für die Welt

131

empel, und muessen also der stummen meister (das ist der buecher) schueler sein und bleiben« 4 6 . Der Fürst »soel alwegen gedencken das er zu dem geborn sey, das er betracht die anligung der armen und regir aus dem waren rechten, U n d soel die recht buecher also gebrauchen, das sie im ein exempel sein, darin er sehe, wie ettwan die keiser regirtt und geurteilt haben.« 47 Diese Aussagen Luthers binden die Obrigkeit in enger Weise an das Buch. Herrschaft erscheint geradezu als ein Buchphänomen. Regieren b e deutet aus dieser Perspektive nicht so sehr, sich punktueller Informationen aus den Rechtsbüchern zu bedienen. Diese sollen vielmehr im Zusammenhang fortwährenden Studiums der Rechtstradition und der historisch-politischen Erfahrung, wie sie durch das Buch überliefert sind, Wirkung im obrigkeitlichen Amt entfalten. Der Bindung an die Bücher einerseits entspricht jedoch andererseits auch Unabhängigkeit der obrigkeitlichen G e walt. Das vorgenannte Zitat aus der im Oktober 1522 gehaltenen Predigt »Von weltlicher Obrigkeit« steht im Zusammenhang des Lutherschen M i ß trauens gegenüber den fürstlichen Räten und Beamten. Selbst wenn »die amptleutt frum und gerecht [seien], so mag man in wol vertrawen, auch nit zu weit.« 48 Die Verpflichtung der Fürsten auf die Rechtsbücher geht einher mit der Forderung Luthers, die leitenden Beamten zu erproben und auszuwechseln. Das eigentliche Regiment liegt beim Fürsten, der kraft Geburt für das R e c h t und die Wohlfahrt seiner Untertanen Sorge trägt, besonders für »die anligung der armen«. Die Bücher befähigen den Fürsten, die ihm übertragene Verantwortung selbst wahrzunehmen und gegenüber seinen Beratern ein eigenständiges Urteil zu fällen. Diese Art des Regimentes mit Hilfe der Bücher reduziert fachlich-personale Abhängigkeit des Regenten und bedeutet insofern Freiheit der verantwortlichen Obrigkeit vom persönlichen Ehrgeiz seiner Beamten und anderer partikularer Interessen. G e gen deren willkürliche Herrschaft begründen Buch und R e c h t für Luther ein R e g i m e n t »aus dem geist gottes«, das sich an den Maximen von Wahrheit, Glaube und Gerechtigkeit orientiert 4 9 .

Ebd., 2 1 4 , 3 6 - 3 8 . WA 10 111,384,19-22. »Recht buecher« ist diesem und den zuvor angeführten Z i taten zufolge für Luther ein weiter Begriff, der über die dem heutigen Rechtsverständnis naheliegende engere Bedeutung des durch die einheitliche Staatsgewalt kodifizierten Gesetzesrechtes hinausgeht. E r ist vor dem Hintergrund der spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Rezeption des Römischen Rechtes zu deuten. Wenn Luther das R e giment der Kaiser anspricht, so rekurriert er auf das Corpus Juris Civilis. Dieses umfaßt zusätzlich zu den Gesetzen der römischen Kaiser rechtsverbindlich gemachte juristische Lehrmeinungen. Auch Luthers bereits angeführte R e d e vom >gemeinen Buchrecht< stellt auf das R ö m i s c h e R e c h t ab (s. oben S. 127 f., vgl. auch HECKEL, Lex, 123 f.). Darüber hinaus zeigt die zuvor angeführte Verbindung von heidnischen Büchern und Kaiserlichem R e c h t , daß sich Luther mit den Rechtsbüchern auf die antiken Schriftsteller insgesamt bezieht, soweit sie politisch-rechtliches Handeln beispielhaft überliefern. 46 47

48 49

W A 10 111,384,8-10. Vgl. ebd., Z. 1 2 - 1 6 .

132

Die Bildungsfunktion

des Buches

Die These von der Herrschaft als B u c h p h ä n o m e n bedarf zum anderen einer kritischen Analyse ihrer Reichweite. D e n n sie wirft die Frage auf, ob Luther die Obrigkeit dem Buch und der Tradition dadurch gewissermaßen ausliefert, daß geschichtliche Erfahrung u n d historisches R e c h t keinen E n t scheidungsspielraum für die Ansprüche der Gegenwart belassen. W i e ist es zu beurteilen, wenn Luther 1522 in einer Predigt sagt, »das Buch regirt mundum« 5 0 ? Sind politische und rechtliche Entscheidungen dem im Buch überlieferten oder in ihm rechtlich kodifizierten Wissen ohne Urteilsfreiheit unterworfen oder aber gewährt das Buch im Gegenteil gerade Freiheit u n d Ermessen in diesem Bereich? Schon die bislang angeführten Zitate lassen den Schluß zu, daß die für die Rechtsfindung heranzuziehenden B ü cher der historisch-politischen Tradition für Luther nicht im Sinne b e e n gender, absoluter D o g m e n zu verwenden sind, u m die Gegenwart unter die geschichtlich gewachsenen Gesetze und die Rechtssätze und -Vorstellungen der Vergangenheit zu beugen. Indem Luther die Fürsten auf die historischen Rechtsbücher als >Exempel< verweist, gestattet er diesen keine absolute, sondern eine vorbildhafte Geltung. Sie sind in Brauch zu n e h m e n , nur soweit sie für aktuelle Fragestellungen exemplarisch etwas auszutragen haben, wie im Fall der gerade genannten »anligung der armen«. Derartige aktuelle Probleme und W a h r n e h m u n g e n , nicht das geschichtliche R e c h t selbst, sind der Ausgangspunkt des öffentlichen Handelns. A r m u t und soziale N o t verpflichten Städte und Fürsten zu obrigkeitlicher Abhilfe. Bei der Entscheidungsfindung helfen die Historie und das überlieferte R e c h t , das Urteil der Obrigkeit zu schärfen und zu bilden. Buch und Buchrecht klären darüber auf, ob in der Vergangenheit tragfähige Lösungen für vergleichbare politische oder soziale Probleme zu finden sind. Insofern k o m m t den Büchern weniger eine regulative als eine didaktische Funktion zu. Diese didaktische Funktion läßt sich aus dem Schlußteil der Obrigkeitsschrift genauer rekonstruieren 5 1 . Hier scheint es, als erteile Luther den B ü chern für das obrigkeitliche Amt eine klare Absage. Ein gottgefälliges Urteil sei nicht möglich, »wenn du auch alle recht buecher u n d Juristen gefressen hettist, Sondern sie werden dich nur yrer machen, yhe mehr du yhn nach denckest. Eyn recht gut urteyl das m u ß u n d kan nicht auß buchern gesprochen werden. ... Auß den buechern k o m e n gespannen und wanckende urteyl.« Tatsächlich n i m m t Luther jedoch eine nähere Verhältnisbestimmung vor, welche die hier vorgetragene Interpretation des Buches im Kontext von Sünde und natürlichem R e c h t stützt u n d erweitert. Aus der Perspektive obrigkeitlicher Entscheidungen wird das Buch ins rechte Verhältnis innerhalb des Beziehungsgeflechtes von Naturrecht, Liebe, Herz und Vernunft gerückt. W i e oben nach »Eine Predigt, daß man Kinder zur Schule halten 50

WA 41,11,4. Vgl. WA 11,279,16-280,19. Die nachfolgenden Bezugnahmen und Zitate sind dieser Passage entnommen. 51

Der Bildungswert des Buches für die Welt

133

solle« gezeigt, sind Liebe und Naturrecht nur im Idealfall Maßstab politisch-rechtlichen Handelns; ihnen genügt der Fürst nicht regelmäßig, sondern nur im Ausnahmefall. Hier werden sie zu Maximen des obrigkeitlichen Amtes erklärt: » . . . das ymer die liebe unnd naturlich recht oben schwebe. Denn wo du der hebe noch urteylest, wirstu gar leycht alle Sachen scheyden und entrichten on alle recht buecher.« Zudem ist das rechte obrigkeitliche Urteil »auß freyer vernunfit über aller buecher recht gesprungen so feyn, das es yderman billichen muß und bey sich selb findet ym hertzen geschrieben, das also recht sey.« Der Fürst einerseits als >Schüler des BuchesSchülersein des Buches< als Voraussetzung in zweifacher Rücksicht geprägt. Lebensgeschichtlich sind die Amtsinhaber durch Erziehung, Studium und Selbststudium mit dem Gesetz Mose und dem positiven R e c h t vertraut, welche ihnen das natürliche R e c h t im Herzen erhellen. Dies gestattet es ihnen dann im konkreten Entscheidungsfall, auf die Situation bezogen die Rechtsbücher zu konsultieren, etwa das Römische R e c h t , und durch Lektüre in historischer Literatur wie den entsprechenden Teilen der Heiligen Schrift oder den >Heidenbüchern< nach gleichgelagerten Fällen, nach >Exempeln< zu forschen. Vor diesem Hintergrund stellt Luther in der Obrigkeitsschrift auf die Erfordernisse aktuellen herrschaftlichen Handlungsbedarfes ab. Die E n t scheidung im konkreten Fall ist ein freier Akt politisch-rechtlichen Urteilens. Hier müssen Vernunft und Liebe in Kenntnis des in den Büchern niedergelegten Rechts und der historischen Erfahrung selbständig, aus eigener Verantwortung tätig werden. Nur im als frei gedachten obrigkeitlichen U r teil ist das Buchwissen mit den jeweils gegenwärtigen Bedingungen der Lebenswirklichkeit vermittelt. Luther leugnet nicht die Notwendigkeit der Bücher schlechthin, sondern lediglich die Möglichkeit, deren Gehalt unmittelbar auf die historische Wirklichkeit anzuwenden, ohne die Besonder-

134

Die Bildungsfunktion

des Buches

heiten der jeweiligen sozialen Situation zu beachten. Zwischen das B u c h wissen einerseits, also die abstrakte Rechtsnorm sowie die historische E r fahrung, und andererseits die Lebenswirklichkeit, tritt das freie menschliche Urteilsvermögen. Dieses entscheidet, durch Studium und Lektüre hierzu befähigt, nach Maßgabe von Vernunft, Liebe und Naturrecht: »Aber solch frey urteyl gibt die liebe und naturlich recht, des alle vernunfft voll ist.« Wenn Luther also sagt, »eyn recht gut urteyl das muß und kan nicht auß buechern gesprochen werden«, so liegt die Betonung auf >aus Büchernc Aus ihnen zu deduzieren hieße, die aktuelle Gegenwart nicht zu berücksichtigen, sie zu vergewaltigen, hieße, die Vernunft lediglich zum Transformator historischer Normen zu degradieren, statt ihr den R a n g eines Vermittlers zwischen N o r m und Leben, Buch und Wirklichkeit zuzugestehen. Die Vernunft stellt sich nicht a priori gegen das Buch, sondern sie löst sich zugunsten der genannten Vermittlung vom Buch.Wohl wissend, daß Vernunft und >freier Sinn< sich am Buch gebildet haben und das Buchwissen somit für die Urteilsfähigkeit konstitutiv ist, formuliert Luther die Freiheit der Entscheidungssituation durch die Fiktion, >als wäre kein B u c h c »Eyn recht gut urteyl das muß und kan nicht auß buechern gesprochen werden, sondern aussz freyem synn daher, als were keyn buch.« Das Buchwissen bleibt in den E n t scheidungsprozeß einbezogen, ihm kommt allerdings keine Priorität gegenüber dem Urteilsvermögen selbst zu. »Grossen nutz ynn der weit schaffen«, >Lehre, R a t und Regiment^ so formuliert es Luther 1526 in seiner Auslegung des Propheten Jona, das resultiert nicht »alleyne aus den buechern odder Worten sondern aus dem geyst und eygen erfarunge« 52 . Die Vernunft bedarf des Buches, aber sie bedient sich seiner nach Maßgabe aktueller B e dürfnisse, sie steht in Luthers Worten über dem Buch: Ein freies Urteil »ist auß freyer vernunfft über aller buecher recht gesprungen«. »Darumb sollt man geschriebene recht unter der vernunfft hallten, darauß sie doch gequollen sind als auß dem rechts brunnen, und nit den brunn an seyne floßlin bynden und die vernunfft mitt buchstaben gefangen füren.« Im Extremfall bedeutet dies, daß die am Buch gebildete Vernunft sich ganz vom Buchwissen lösen muß. Dies gilt etwa dann, wenn das R e c h t und die historische Erfahrung die zur Entscheidung gestellte Problematik nicht bedacht und schriftlich niedergelegt haben, wenn also ein politisch-rechtliches Problem erstmalig zu lösen ist oder wenn Tugend und Moral eine besondere, situativ bedingte Entscheidung verlangen 53 . Das Buch bleibt insofern immer hinter der gesellschaftlichen Wirklichkeit zurück, es kann die Zukunft nur unvollständig antizipieren. In solchen Situationen orientiert sich die am Buchwissen gebildete Vernunft am Naturrecht, wie es in seiner ganzen Fülle im

WA 1 9 , 2 4 9 , 1 0 - 1 3 . Hierfür gibt Luther in der Obrigkeitsschrift ein Beispiel, vgl. WA 11, 2 7 9 , 3 5 280,11. 52

53

Der Bildungswert

des Buches für die

Religion

135

menschlichen H e r z e n geborgen ist 54 . Sie tritt in den bereits beschriebenen hermeneutischen Zirkel der Rechtserkenntnis im Spannungsfeld von Sünde, B u c h u n d natürlichem R e c h t ein. Die fehlende I n f o r m a t i o n im realen B u c h verweist, metaphorisch gewendet, auf das B u c h des Herzens zurück. D i e didaktische F u n k t i o n des Buches f ü r das weltliche R e g i m e n t läßt sich zusammenfassend als T h e s e formulieren: Erst das B u c h befähigt die O b r i g k e i t dazu, ihr A m t in rechterWeise auszuüben. Das B u c h , also B u c h recht u n d i m B u c h überlieferte historisch-politische Erfahrung, b e g e g n e n der Beeinträchtigung des sittlich-rechtlichen Urteilsvermögens durch die Sünde, welcher der Fürst u n d andere Inhaber herrschaftlicher Gewalt wie j e d e r andere M e n s c h unterliegen.Vernunft, Liebe u n d N a t u r r e c h t als M a x i m e n des Urteils w e r d e n erst durch das B u c h w i e d e r in ihr Leistungsvermögen eingesetzt. Das B u c h d e t e r m i n i e r t das rechtlich-politische H a n d e l n nicht, sondern verschafft i h m die Freiheit z u m prinzipiengeleiteten Urteil. Hierbei hat L u t h e r ein Doppeltes vor Augen, z u m einen die lebensgeschichtliche, pädagogische Sozialisation mit Hilfe des Buches, z u m anderen den R ü c k g r i f f auf das B u c h in k o n k r e t e n Entscheidungssituationen. Das B u c h ist somit M o m e n t im als dialektisch gedachten historisch-politischen Entscheidungsprozeß, der durch die g e n a n n t e n M a x i m e n , die normativen Vorgaben der R e c h t s b ü c h e r , die E x e m p e l der H i s t o r i e n b ü c h e r u n d die j e weiligen aktuellen Problemstellungen konstitutiert wird. 3.1.3.

Der Bildungswert

des Buches für die Religion

In e i n e m Abschnitt der Hauspostille von 1544 bringt L u t h e r in knapper F o r m R e l i g i o n , Bildung u n d B u c h miteinander in Verbindung. Diese Passage soll daher als Problemaufriß der nachfolgenden Ü b e r l e g u n g e n dienen. Bei der Auslegung von Gottes Wohlgefallen an der Barmherzigkeit in M t 9,13 heißt es: »Wenn der selbe an etwas einen wolgefallen hat, so m u ß die gantze Creatur u n n d alles, was n u r ist, auch einen wolgefallen dran haben. D a r u m b wer diser eyniger Spruch u b e r a u ß g n u g dazu, das wir Gottes willen k o e n d t e n lernen u n d b e d o e r f f t e n sonst keiner b u c h e r mer, D e n n hie stehets so r u n d u n d fein, das G o t t spricht: Das will ich, also bin ich gesinnet, das gefeit mir, ich hab lust u n d f r e w d e dran, das j r unter einander b a r m h e r tzig seyt.« 55 Dieser Passage läßt sich dreierlei e n t n e h m e n . Z u m einen f o r muliert L u t h e r den Inbegriff eines verantwortlichen christlichen Z u s a m menlebens dahingehend, daß sich der M e n s c h am Willen Gottes orientieren soll. Das b e d e u t e t im sozialen Miteinander, Barmherzigkeit zu ü b e n . D i e M e n s c h e n sollen einander in Liebe begegnen, so w i e Jesus Barmherzigkeit gegenüber d e m N ä c h s t e n gelebt hat. Z u m anderen ist der M e n s c h des g ö t t 54

S. oben S. 129 das bereits angezogene Zitat WA 49,6,22 f.: »Homo, qui habet omnia iura in capite et viel mehr, quam scribi potest, das ist vorhin in corde humano.« 55 WA 52,711,26-32.

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Die Bildungsfunktion

des Buches

liehen Willens nicht a priori inne. Er muß ihn lernen. Das göttliche Wohlgefallen gerade gegenüber dem sündigen Menschen, exemplifiziert an der Barmherzigkeit Jesu gegen Zöllner und Sünder in M t 9 , 9 f F . , ist hierbei Leitlinie des menschlichen Lernprozesses. Wenn Luther als Drittes ausfuhrt, für das Erlernen des Gotteswillens »wer diser eyniger Spruch [von Gottes Wohlgefallen an der Barmherzigkeit] uberauß gnug dazu«, weiterer Bücher bedürfe es nicht, so scheint dies eine Ablehnung buchgestützten Lernens zu implizieren. D e m ist allerdings nicht so. Luther spricht hier im Konjunktiv. Er beabsichtigt nicht, eine generelle Aussage über den Stellenwert des B u ches, sondern über den des Gotteswortes im Zusammenhang religiösen Lernens zu formulieren. Die Betonung liegt darauf, daß die menschlichen Bücher dann zurücktreten müssen, wenn das klare Gotteswort präsent ist. Luther setzt die Bücher also in ein Spannungsverhältnis zum Gotteswort, um dessen Bedeutung hervorzuheben. Der Konjunktiv deutet an, daß diese Konstellation zwar abstrakt denkbar ist und konstruiert werden kann, um die Einzigartigkeit des göttlichen Wortes herauszustreichen. Zugleich bringt er aber auch zum Ausdruck, daß diese Grenzsituation des offen zutage liegenden Gotteswortes nicht der historisch-anthropologischen W i r k lichkeit menschlichen Lernens entspricht. Schon die Postille selbst ist ein Beleg dafür, daß der Mensch auch der Bücher bedarf, um sich den Willen Gottes anzueignen. Implizit sind die nachfolgenden Ausführungen der Postille dann geradezu eine Begründung dafür, warum ein >einziger Spruch< nicht hinreicht, Gottes Willen zu lernen und es hierfür vielmehr zusätzlicher Mittel wie der Bücher bedarf. Luther legt dar, welchen Hindernissen das reine Gotteswort dadurch ausgesetzt ist, daß es in der Lebenswirklichkeit einem Menschen begegnet, der ihm nicht in ungebrochener Weise Verständnis entgegenbringt, sondern dessen Verstehen durch ihn selbst und durch die historische Situation in vielfältiger Weise beeinträchtigt und verdunkelt ist. Das klare Gotteswort muß vor Mißinterpretationen immer wieder bewahrt werden. So solle der Mensch nicht aus Interesse an seinem eigenen Seelenheil seinen Nächsten lieben und ihm dienlich sein, sondern weil dies Gottes Wille ist. In der christlichen Praxis bedeute das etwa die Abkehr von der Selbstheiligung des Klosterlebens. Außerdem bedürfe die Forderung gottgefälliger Zuwendung zum Nächsten der Veranschaulichung dessen, was Barmherzigkeit ist und wie sie gelebt werden kann. Hierüber weiter zu informieren, dieser Aufgabe widmet sich Luther dann im folgenden ausführlich, wiederum im Medium des Buches. In der Konfrontation des Gotteswortes mit der menschlichen Wirklichkeit liegt demzufolge der Ansatzpunkt, an dem für Luther die Bücher wie etwa seine eigenen Schriftauslegungen an Bedeutung gewinnen. Für den Fortgang der Untersuchung ergeben sich daher die folgenden Fragen: Kommt bei Luther der didaktische Wert des religiösen Buches, seine Bedeutung für das Lernen des göttlichen Willens und die religiöse Bildung explizit zur Sprache? U n d wie ist gegebenfalls zwischen den religiösen und theologischen Büchern zu difFe-

Die Bibel als Buch des Lernens

137

renzieren, damit der Mensch sich in rechterWeise auf den göttlichen Willen hin bestimmt und hieraus sein Leben in Glaube und Liebe gestaltet? 3.1.3.1.

Die Bibel als Buch des

Lernens

Wenn Luther das Buch als Gegenstand der religiösen Bildung thematisiert, so steht die Bibel im Zentrum seiner Überlegungen. Dies bedeutet nicht nur, daß die Theologie, die christliche Lehre und der Glaube in der Heiligen Schrift gründen, mit ihr übereinstimmen und sich an ihr ausweisen müssen. Luther kann diesen Zusammenhang vielmehr ganz praktisch, lebensnah und handlungsorientiert für das alltägliche Leben eines jeden Christen zur Sprache bringen: Die Bibel ist Buch des Lernens, wie er immer wieder in verschiedensten Formulierungen in seinen Schriften zum Ausdruck bringt 56 . Diese These soll hier weiter ausgearbeitet und differenziert werden. Eine Modifikation wird dadurch vorgenommen, daß die Bibel auch im Kontext der Bedeutung anderer religiöser Bücher für die religiöse Bildung betrachtet werden soll. Diese Ausweitung verspricht Aufschluß darüber zu geben, welchen Stellenwert Luther dem religiösen Buch im allgemeinen einräumt, also über die Heilige Schrift hinaus und in Relation zu ihr. Ausdrücklich geht es nicht darum, einen weiteren, gar Neues bietenden Beitrag zum grundsätzlichen Verständnis der Heiligen Schrift leisten zu wollen. Die theologische Bedeutung der Heiligen Schrift bei Luther steht in der reformatorischen Dogmatik und historisch-systematischen Lutherforschung außer Frage. In deren eingehenden Darstellungen ist allerdings der Zusammenhang von Bibel und Lernen gar nicht oder nur am Rande im Blick, wenn auch der Bildungswert der Heiligen Schrift selbstverständlich impliziert ist. Dies hängt mit deren andersgelagertem, inhaltlichen, auf Luthers Lehre bezogenen Erkenntisinteresse an der Bibel zusammen. Sie beschäftigen sich mit der Heiligen Schrift selbst und versuchen, die in der Sache liegenden hermeneutischen Probleme zu erhellen. Damit gehen sie allen Überlegungen zum Verhältnis von Bibel und Lernen voraus, stellen deren Grundlage dar. Luthers Theologie der Heiligen Schrift muß also bei seinen Äußerungen zum Zusammenhang von Bibel und Bildung immer mitgedacht werden und ist auch begrifflich vielfach präsent. Bevor dieses Verhältnis weiter verfolgt wird, soll daher ein knapper Überblick über das theologische Erkenntnisinteresse der Lutherforschung zur Heiligen Schrift und

56 Damit wird das komplementäre M o m e n t des vorausgesetzten Sachverhaltes ausgezogen, daß die Bibel für Luther das grundlegende Buch kirchlicher Lehre, also der zentralen christlichen Glaubensinhalte darstellt. Aus dieser Perspektive des Inhaltes ist sie ihm vollständiges >Lehrbuch< des Glaubens u n d der Christenheit, im Grunde für jeden Menschen u n d damit flir die Menschheit (vgl. A L B R E C H T BEUTEL, Erfahrene Bibel. Verständnis u n d Gebrauch des verbum dei scriptum bei Luther. In: Z T h K 89. 1992, 3 0 2 339; hier S. 317-319, mit Nachweisen bei Luther).

138

Die Bildungsfunktion

des Buches

über Luthers unstrittiges theologisches Verständnis der Bibel vorangestellt werden. Nach den Gesamtdarstellungen und einschlägigen Einzeluntersuchungen zur Theologie Luthers sind dogmatische Kategorien wie Glaube und Wahrheit, Wort und Geist die maßgeblichen Bestimmungsgrößen, um Luthers Verständnis der Bibel zu rekonstruieren. Für Julius Köstlin, Erich Seeberg, Paul Althaus, Lennart Pinomaa oder auch eine neuere, spezieller angelegte Studie von Werner Führer kommt es darauf an, eine rechte Bestimmung des Verhältnisses von Heiliger Schrift und Wort Gottes vorzunehmen 5 7 . Schon in der Gesamtanlage ihrer Bücher kommt dies bei den vier letztgenannten Autoren zum Ausdruck. Seeberg behandelt die T h e m e n »Wort und Geist« sowie »Wort Gottes und Bibel« unter der Uberschrift »Heiliger Geist und Wort Gottes« im Kapitel über »Wort und Sakrament«. Althaus läßt sein Kapitel »Die Erkenntnis Gottes. Das Wort Gottes und der Glaube« in einem eigenen Abschnitt über »Die Heilige Schrift« enden. Während Pinomaa Luthers Schriftverständnis ganz der Uberschrift »Wort und Geist« unterordnet, widmet Führer im Kapitel »Das Wort Gottes im Zusammenhang der reformatorischen Theologie« dem Thema »Wort G o t tes und Heilige Schrift« einen eigenen Abschnitt, dem ein gesonderter über »Wort und Geist« folgt. Zwar bestimmt auch Köstlin Luthers Auffassung von der Heiligen Schrift aus deren Differenz und Einheit mit dem Wort Gottes; entscheidend für sein »Viertes Buch. Luthers gesamte Lehre nach ihrem innern Zusammenhang« ist jedoch die lehrbegründende Funktion der Schrift im >Zweiten HauptstückEigenschrift< des Geistes [vgl. W A 59 60

7,638,30-33].«

Z u r Selbstauslegung der H e i l i g e n S c h r i f t vgl. a u c h WALTER

MOSTERT,

Scriptura sacra sui ipsius interpres. Bemerkungen zum Verständnis der Heiligen Schrift durch Luther, In: LuJ 46. 1 9 7 9 , 6 0 - 9 6 . 6

'

PINOMAA, S i e g , 1 2 7 .

Vgl. REGIN PRENTER, Spiritus Creator. Studien zu Luthers Theologie. M ü n c h e n 1954 ( = Forschungen zur Geschichte und Lehre des Protestantismus. R e i h e 10. Bd. 6), S. 116 f. Eine abweichende Interpretation bietet die neuere zusammenhängende A b handlung der Lutherschen T h e o l o g i e von Ulrich Asendorf. Sie stützt sich ganz auf die Predigten des Reformators. W i e die vorgenannten Autoren behandelt Asendorf die Heilige Schrift formal unter der Uberschrift »Die Autorität der Schrift« im Zusammenhang systematischer Überlegungen zum »Wort Gottes« (vgl. das Inhaltsverzeichnis zu ULRICH ASENDORF, D i e Theologie Martin Luthers nach seinen Predigten. Göttingen 1988). Sein R é s u m é zur Schriftautorität entspricht dem Untersuchungsgegenstand des Gesamtwerkes: »Schrift und Predigt sind sozusagen aufeinander angelegt und wechselseitig aufeinander bezogen.« (ebd., 358). Das bedeutet in der Konsequenz der Ü b e r l e gungen Asendorfs zum Wort Gottes bei Luther, daß die Predigt vermittelndes M o m e n t zwischen der Schrift und dem Wort Gottes ist. D o c h unterscheidet Asendorf nicht e x plizit zwischen der Schrift im Sinne des äußeren und inneren Wortes Gottes, obwohl seine Ergebnisse diese systematische Differenzierung notwendig machen. Einerseits heißt es bei Asendorf: »Die Schrift ist aber nicht einfach die Quantität des Überlieferten, sondern sie ist durch die Sündenvergebung auf Kreuz und Auferstehung konzentriert.« Andererseits setzt er fort: »In diesem Sinne ist Christus die Mitte der Schrift.« (Ebd.). Während die erste Aussage Schrift im Sinne des inneren Wortes meint, setzt die zweite das Verständnis der Schrift als B u c h , als äußeres Wort voraus. Da Asendorf nicht zwischen äußerem und inneren Wort unterscheidet, denkt er den christologisch zentrierten Umgang mit der Schrift auch nicht mit deren Selbstauslegung zusammen, sondern lehnt letztere ab: »Luther sagt also gerade nicht, daß die Schrift sich durch sich selbst auslegt«. (Ebd., 357). D e m stehen andere Aussagen Luthers entgegen, die, bei Paul Althaus g e b o ten, diesen zu der Interpretation veranlassen, Selbstauslegung der Schrift und Auslegung 62

140

Die Bildungsfunktion

des Buches

Das hier nach der Konzeption der Lutherforschung skizzierte dogmatische Verständnis der Schrift bietet die theologischen Voraussetzungen für die zu verfolgende praktische Perspektive der Bibel als Buch des Lernens. Die Auffassung, die Heilige Schrift lege sich selbst und durch den Heiligen Geist aus, hat zur Konsequenz, daß die Kirche als gegenüber der Schrift eigenberechtigte Interpretationsinstanz ihre beherrschende Position verliert. Wenn sich die Schrift selbst auslegt, besitzt zumindest potentiell jeder Christ die Fähigkeit, hat das R e c h t und die Verpflichtung, sich die biblische Wahrheit unvermittelt und selbständig durch eigene Lektüre anzueignen und sich ihrer zu vergewissern 63 . Dieser lernende Umgang mit der Bibel wird dem Christen auch dadurch möglich, daß sie als »per sese certissima, facillima, apertissima, sui ipsius interpres« 64 selbst ein klares inhaltliches Kriterium zum Studium und für die Lektüre beinhaltet. Denn, wie Pinomaa Luthers Ansicht formuliert, »durch den Heiligen Geist ist Christus im äußeren Wort gegenwärtig«, er ist »die Mitte der Schrift« und »die Mitte aller Dinge« 6 5 . Jesus Christus ist gewissermaßen der hermeneutische Schlüssel der Schrift 6 6 . Denn in ihm liegt ihre Klarheit begründet und ohne ihn verliert die Bibel Wesen und Kern 6 7 . Nach Sinn und Grundaussage zwar »stymmen alle rechtschaffene heylige bucher vber eyns, das sie alle sampt Christum predigen und treyben« 68 . Allerdings sah Luther auch, daß in der Bibel und zwischen ihren Büchern auslegungsbedürftige Unstimmigkeiten und Widersprüche bestehen. Diese erledigen sich j e d o c h dadurch, daß sie an Christus als Kriterium, ihrem »prufesteyn«, auf ihre Wahrheit und ihre Heilsbedeutsamkeit hin gemessen werden können. Vom solus Christus her demonstriert Luther Freiheit gegenüber dem geschriebenen Buch; das sola

durch den Heiligen Geist gehörten bei Luther zusammen. D i e Selbstauslegung der Schrift rekurriert darauf, daß deren christologische Zentrierung dem Menschen durch den Heiligen Geist einsichtig und gewiß wird. D e r Mensch »erfährt, daß die Schrift die Wahrheit seines eigenen Lebens spricht«, weil »die Schrift sich im Hörer selbst auslegt« (MOSTERT, Scriptura Sacra, 95), und zwar mit Hilfe des Geistes, wie ergänzt werden könnte. Gegenüber Asendorf bedeutet dies, daß der Heilige Geist als notwendig vermittelndes M o m e n t zwischen der Schrift als B u c h und dem Wort Gottes zu denken ist. E r ist auch Bedingung der Möglichkeit der Wirksamkeit der Predigt. D e r Geist ist daher systematisch gesehen die theologisch vorrangige Kategorie für die Predigt, welche bei Asendorf zu schnell in die vermittelnde Position gerät. 6 3 D e n n die Schrift ist insofern >unüberbietbare Autorität^ als sie »sich im Hörer selbst auslegt«, als sie »die Wahrheit seines eigenen Lebens spricht«, von »des Hörers ureigenster Sache spricht«. (MOSTERT, Scriptura sacra, 95). 64 WA 7,97,23. 65

PINOMAA, S i e g , 1 3 0 , 1 2 8 , 1 2 9 .

Mit den Worten ASENDORFS, Theologie, 3 2 5 ist Christus »hermeneutisches Prinzip der Schriftauslegung«. 6 7 Vgl. SEEBERG, Luthers Theologie, 141; Seeberg stützt sich hier auf Luthers »De servo arbitrio« von 1525, wo es heißt: »Tolle Christum e scripturis, quid amplius in illis invenies?« (WA 1 8 , 6 0 6 , 2 9 ) . 6 8 W A D B 7 , 3 8 4 , 2 5 f. Das nachfolgende Zitat ebd., Z . 2 6 - 3 2 . 66

Die Bibel als Buch des

Lernens

141

scriptum darf nicht als fundamentalistische Buchstabengläubigkeit der Bibel mißverstanden werden: »Auch ist das der rechte prufesteyn alle bucher zu taddelln, wenn man sihet, ob sie Christum treyben, odder nit, Syntemal alle schrifft Christum zeyget R o . 3 vnnd Paulus nichts denn Christum wissen will. 1. Cor.2. Was Christum nicht leret, das ist nicht Apostolisch, wens gleich Petrus odder Paulus leret, Widerumb, was Christum predigt, das ist Apostolisch, wens gleych Judas, Annas, Pilatus vnd Herodes thett.« Luthers theologisches Verständnis der Heiligen Schrift gründet zutiefst in den Erfahrungen, die er selbst im U m g a n g mit ihr erworben hatte. Hierbei handelte es sich, wie exemplarisch gezeigt werden soll, u m Lernerfahrungen, die er beim Studium, bei intensiver Lektüre und Meditation der Schrift gemacht hatte.Vom in eigener Erfahrung bewährten U m g a n g mit der Bibel her, so wird sich weiter zeigen, empfahl Luther anderen und forderte immer wieder, den Zugang zu religiöser Einsicht und theologischer Erkenntnis in lernender Auseinandersetzung mit der Bibel zu suchen. Luther hat die existenzielle Erfahrung gemacht, Glauben, Gewissensruhe und die Grundlage theologischer Reflexion und Unterscheidung gerade dann gewinnen zu können, wenn er die Heilige Schrift befragte und sich ihr vorbehaltlos mit allen ihren Verstehensschwierigkeiten aussetzte. Er akzeptierte sie deshalb als uneingeschränkte Glaubensautorität u n d Quelle beständigen Lernens, weil er das unverstellte Verhältnis des Menschen vor Gott als ihr eigentliches, vielfach variiertes T h e m a erkannte und erfuhr. Mit dieser in der Schrift bezeugten ursprünglichen ontologischen Gottesrelation des Menschen stand er im Gegensatz zur Auffassung, das Gottesverhältnis des Menschen müsse durch die Kirche und ihre Amtsträger vermittelt, also erst institutionell konstituiert werden 6 9 .Biographisch läßt sich Luthers Verhältnis zur Bibel als Buch des Lernens im Durchbruch der reformatorischen Erkenntnis in der Auseinandersetzung mit R o m 1,17 greifen. Gerhard Ebeling vergegenwärtigt diese originäre hermeneutische Begegnung mit der Bibel durch lebensgeschichtliche Bilder wie Luthers >anhaltend meditatives R i n g e n mit demText< und Luthers als des >in der Zelle über der Bibel grübelnden angefochtenen Mönches< 70 . Luther war durch die persönliche Erfahrung geprägt, nicht die Kirche u n d ihre Lehrmeinung, sondern die Heilige Schrift selbst gewissermaßen als Lehrmeisterin befragt und 69

Z u m Zusammenhang von Schriftverständnis und Gottesrelation vgl. MOSTERT, Scriptura sacra, 90—95. Mostert reklamiert sowohl das formalistische, nicht in der ursprünglichen Gotteserfahrung gegründete Autoritätsverständnis der Bibel wie auch das »Verständnis der Kirche oder Gruppe als Lehrer oder Führer« als »Grundelemente der Hermeneutik des sensus proprius« (90). Der individuell oder soziologisch-kirchlich vorgetragene sensus oder spiritus proprius steht insofern gegen die Selbstauslegung der Schrift, als er die Vermittlung des eigenen Geistes und des eigenen Denkens gegen den Geist der Schrift, ihre Sprache und ihr Wort in Anschlag bringt. (Vgl. ebd., 64—67). 70 Vgl. EBELING, Luther und die Bibel. In: Ders., Lutherstudien I, 286-307; hier: S. 2 8 7 f.

142

Die Bildungsfunktion

des Buches

schließlich aus ihrer Antwort die ganz neuartige Einsicht der dem M e n schen geschenkten Gerechtigkeit Gottes erhalten zu haben. Betrachtet man diese reformatorische Entdeckung Luthers nicht inhaltlich von der ihn überwältigenden neuen Einsicht, sondern formal von der Art undWeise der Beschäftigung mit der Heiligen Schrift her, so läßt sie sich als Ergebnis einer intensiven, von ihm im Nachherein geradezu als stürmisch begriffenen lernenden Auseinandersetzung begreifen. In der b e r ü h m t e n Vorrede zum ersten Band der Gesamtausgabe seiner lateinischen Schriften von 1545 schildert Luther diesen Lernvorgang rückblickend, und zwar zuerst als dramatisches R i n g e n u m das Verständnis von R o m 1,17: »Furebam ita saeva et pertubata conscientia, pulsabam tarnen importunus eo loco Paulum, ardentissime sitiens scire, quid S. Paulus vellet.« 71 Endlich, nachdem Luther »dies et noctes« über diese Schriftstelle nachgedacht und meditiert hatte, wurde ihm das bahnbrechende Verständnis zuteil: Des Paulus R e d e von der Gerechtigkeit Gottes meint nicht die Gott eignende, sondern die dem Menschen als iustitia passiva im Glauben zugeeignete, rechtfertigende Gerechtigkeit. Wichtig dafür, diese neugewonnene Erkenntnis als Lernvorgang zu interpretieren, ist nun, daß Luther hierin keineswegs nur eine punktuelle neue Einsicht gewonnen hatte, die ihn partiell überwältigte: »Hic me prorsus renatum esse sensi, et apertis portis in ipsam paradisum intrasse.« 72 Er erfuhr seine geistliche Wiedergeburt vielmehr als paradiesisches Tor< zu einem neuen Verständnis der Bibel insgesamt. Infolgedessen übertrug er seine gerade gewonnene neue Einsicht auf die Schrift insgesamt, u m es in pädagogisch-didaktischer Sprache zu formulieren, er leistete einen Lerntransfer: »Ibi continuo alia mihi facies totius scipturae apparuit. Discurrebam deinde per scripturas, ut habebat memoria, et colligebam etiam in aliis vocabulis analogiam, ut opus Dei, id est, quod operatur in nobis Deus, virtus Dei, qua nos potentes facit, sapientia Dei, qua nos sapientes facit, fortitudo Dei, salus Dei, gloria Dei.« W i e wichtig Luther der didaktische Gewinn der reformatorischen Erkenntnis war, zeigt sich gegen Ende seiner Vorrede von 1545. Das Vorbildhafte seines Umganges mit der Heiligen Schrift bestehe darin, so schärft er d e m >besten Leser< seiner Schriften ein, bereit zu sein, sich im Sinne intensiven Lernens mit der Bibel zu beschäftigen. Er selbst sei nur »scribendo et docendo« vorangekommen; nichts seien diejenigen, »neque operati, neque tentati, neque experti, sed ad u n u m intuitum scripturae totum spiritum eius exhauriunt.« 7 3 Dieser ausgesprochen didaktische Aspekt, die Kir71

WA 54,185,28-186,2. Für dieses und das nachfolgende Zitat ebd., 186,8—13. Die ausfuhrliche Forschungsdiskussion um den Zeitpunkt oder Zeitraum des Durchbruchs der reformatorischen Erkenntnis bei Luther kann hier unberücksichtigt bleiben. Im hiesigen Zusammenhang ist allein der Lernaspekt von Bedeutung, unabhängig davon, ob Luther in der Rückschau am Ende seines Lebens den reformatorischen Erkenntnisgewinn selbst und in seinen augenblicklichen Konsequenzen für die neue Bibelhermeneutik idealisierte. 73 WA 54,186,27-29. 72

Die Bibel als Buch des Lernens

143

che und alle ihre Glieder zur lernenden Auseinandersetzung mit der Bibel aufzufordern, dokumentiert sich zeitlebens in Luthers Schriften, wie nachfolgend belegt werden soll. In der Postille zu R o m 15,4—13 hält Luther dazu an, dem Apostel Paulus zu folgen und sich die christliche Lehre aus der Heiligen Schrift anzueignen: »Merck aber hie, was der Apostell für eyn buch den Christen tzu leßen unnd tzu studirn furlegt, nemlich alleyn die heyligen schrifft, und spricht, das unßer lere drynnen sey. Szo denn unßer lere ynn der schrifft, sollenn wyr sie billich anderßwo suchen, ßondernn alle Christen sollten ditz buch teglich ym brauch haben.« 74 Entgegen der überlieferten theologischen und lehramtlichen Auffassung der Papstkirche 75 und in der Tradition spätmittelalterlicher Ansätze zur Kirchenreform 7 6 spricht Luther hier tatsächlich alle Christen an. Er beschränkt die Lektüre der Schrift nicht auf Gelehrte und Theologen und widersetzt sich damit dem bis dahin herrschenden römischen Verständnis von der »Bibel als Buch des Klerus« 77 . Wenn er die Bibel nachfolgend »unßer lerebuch« nennt, so meint er über die »Doctores der heyligen schrifft« hinaus die Laien 7 8 . Auch in der Ratsherrenschrift von 1524 betont Luther diesen Aspekt. Es ist Gottes Wille, daß die Christen die verbreitete Unkenntnis der Bibel, ihres eigenen Buches, überwinden und sich in ihr üben: Alle Christen sind aufgerufen, »die heyligen schrifft zu üben alls yhr eygen eyniges buch, und eyn sunde und schände ist, das wyr unser eygen buch nicht wissen noch unsers Gottis sprach und wort nicht kennen«, da Gott »seyn buch gern wollt offen haben.« 79 Positiv vermerkt Luther 1528, daß »jtzt aber auch die Leien koennen beide, Episteln und Euangelia, reichlich verstehen, auch daheimen selbs lesen« 80 . Nach einer Predigt aus dem Jahr 1539 realisiert und erhält auch die Bibellektüre der als 7 4 W A 10 1 / 2 , 7 3 , 2 5 - 2 9 ; S. 7 4 , 2 6 - 2 8 betont Luther die Weisung des Apostels Paulus zur Bibellektüre nochmals. 7 5 Vgl. KLAUS SCHREINER, Laienbildung als Herausforderung fiir Kirche und Gesellschaft. Religiöse Vorbehalte und soziale Widerstände gegen die Verbreitung von Wissen im späten Mittelalter und in der Reformation. In: Zeitschrift für historische Forschung 11. 1984, 2 5 7 - 3 5 4 ; hier: S. 2 8 7 - 2 9 4 , sowie DERS., Grenzen literarischer Kommunikation. Bemerkungen zur religiösen und sozialen Dialektik der Laienbildung im Spätmittelalter und in der Reformation. In: Literatur und Laienbildung im Spätmittelalter und in der Reformationszeit. Symposion Wolfenbüttel 1981. Hrsg. von Ludger Grenzmann u. Karl Stackmann. Stuttgart 1984 (= Germanistische Symposien-Berichtsbände. Bd. 5), 1 - 2 0 ; hier: S . 5 - 7 . 76

Vgl. SCHREINER, Laienbildung, 2 9 4 - 3 9 4 .

KLAUS SCHREINER, Volkssprache als Element gesellschaftlicher Integration und Ursache sozialer Konflikte. Formen und Funktionen volkssprachlicher Wissensverbreitung um 1500. In: Europa 1500. Integrationsprozesse im Widerstreit: Staaten, R e g i o n e n , Personenverbände, Christenheit. Hrsg. von Ferdinand Seibt u.Winfried Eberhard. Stuttgart 1987, 4 6 8 - 4 9 5 ; hier: 491. 7 8 Vgl.WA 10 1 / 2 , 7 3 , 2 5 - 7 4 , 3 . 79 WA 15,41,16-22. 80 WA 21,201,18f. 77

144

Die BUdungsfunktion

des Buches

Bürger bezeichneten Laien die Kirche »wie sie bishehr bej den Pfarherrn und burgern, so die Bibeln in ihren Heusern gelesen haben, geblieben ist.« 81 Für Luther steht und fällt mit der Bibel die Identität der Kirche. Diese ist ihr aber nicht einfach gegeben, sondern sie muß aus der Heiligen Schrift im Sinne eines Lernprozesses immer erst angeeignet werden. Da kein anderes Buch als die Heilige Schrift der Kirche Aufschluß über sich selbst, das von ihr geforderte Handeln und Leiden, ihre Amter geben kann, endet für Luther die Kirche dort, »wo das Buch endet«: Der Papst und seine Anhänger »wissen wol (sage ich) mit uns, das man aus keinem Buche lernen kan, was Kirche oder Bischoff sey, vn aus der heiligen Schrifft. Des Bapsts Drecket, des Tuercken AlKoran, der Jueden Thalmud werdens uns nicht leren, konnens auch nicht thun. Die heilige Schrifft ist das Buch von Gott, dem heiligen Geist, seiner Kirchen gegeben, darin sie lernen mus,Was sie (die Kirche) sey, was sie thun, was sie leiden, wo sie bleiben solle. Wo das Buch endet, da endet die Kirche.« 82 Daß Luther klare lebenspraktische Vorstellungen davon hatte, die Bibel als das >Hauptbuch< der Christen zu lernen, sich in ihr zu üben, konnte bereits gezeigt werden und ergibt sich auch aus den gerade angeführten Zitaten. Der Christ soll die Bibel täglich in Brauch nehmen, soll sie im Sinne intensiver Lektüre immer wieder lesen und aneignen 83 . Luthers eigenes Leben und sein gesamtes Werk sind ein beredtes Beispiel, wie der Theologe sich mit der Bibel lernend auseinanderzusetzen habe: durch Exegese, U n terricht, Predigt und, so wird sich im übernächsten Abschnitt zeigen, auf der Grundlage katechetischer Grundbildung. Luthers Selbstbewußtsein war aufs engste mit der Heiligen Schrift verbunden. Seit 1524 legte er auch wieder darauf Wert, seine theologische Tätigkeit aus seinem Doktorat der Heiligen Schrift zu begründen, nachdem er diese akademische Bezeichnung »in den vorausgehenden Jahren als papistischen Titel mißachtet hatte.« 84 Das bedarf hier keiner näheren Erörterung. Es soll vielmehr unter dem leitenden buchspezifischen Interesse weiter danach gefragt werden, ob für Luther andere Bücher zusätzlich zur oder neben der Bibel einen Beitrag zur religiösen Bildung leisten können. U n d wenn dies der Fall ist, welche Bedeutung haben diese Bücher dann im Verhältnis zur Heiligen Schrift?

WA 47,575,34 f. WA 53,252,29-35. 83 S. oben Abschnitt »1.1. Lektüre bei Luther«, besonders auch die Hinweise zu Luthers eigener Bibellektüre. 8 4 KARL HOLL, Luthers Urteile über sich selbst (1903). In: Ders., Gesammelte Aufsätze zur Kirchengeschichte. Bd. 1-3 in je verschiedenen Aufl. u. Ausg. Tübingen u.a. 1921 ff., Bd. 1. Luther. 6., neu durchges. Aufl.Tübingen 1932, 381-419; hier: S. 393 mit Nachweisen. 81

82

Nichtbiblische

3.1.3.2.

Die Bedeutung

Bücher

nichtbiblischer

und religiöse

145

Bildung

Bücher für die religiöse

Bildung

M a n c h e Ä u ß e r u n g e n Luthers, welche den Stellenwert der Heiligen Schrift b e t o n e n , erwecken den E i n d r u c k , als schließe Luther Studium u n d Lektüre anderer B ü c h e r als der Bibel im R a h m e n der religiösen Bildung aus u n d spreche i h n e n gar die Existenzberechtigung ab. »Wo ist aber gottis wortt y n n allen b u c h e r n n außer der heyligen schrifft?« 85 Kein B u c h als allein die Bibel u n d die Heilige Schrift lehre davon, daß die M e n s c h w e r d u n g des Gottessohnes »die Suende tilge u n d v o m Tode erloese.« 86 »Diese heilsam e Lere u n d reichen Trost haben wir Christen aus der heiligen SchrifFt. H e i d e n u n d U n c h r i s t e n haben diesen Trost nicht, D e n n in j r e n B u e c h e r n finden sie nichts davon.« 8 7 Paulus zeige im R ö m e r b r i e f , »was für f r u c h t solch leßen bringe, u n n d spricht: durch gedult u n d trost der schrifft haben wyr h o f f n u n g , da laß aufftretten alle lerer, laß hertragen alle bucher, u n d sehen, ob sie ß o viel v o r m u g e n , das sie eyne seel trösten m u g e n y n n der aller geringsten anfechtungen?« 8 8 D i e Heilige Schrift ist das »trostbuch«, das d e m M e n s c h e n H o f f n u n g gibt u n d vor »trubsall« u n d >Verzagen< schützt 8 9 . A u c h in einer Predigt aus d e m Jahre 1521 bindet L u t h e r die lebenspraktischen W i r k u n g e n des Glaubens an die z u g r u n d e liegende Lehre, welche allen a n deren B ü c h e r n entgegen sich mit Ausschließlichkeit auf das Studium der Heiligen Schrift stützen müsse. Im N e u e n Testament habe der allmächtige G o t t befohlen, nichts als seinen lieben S o h n Jesus Christus zu predigen, »das m a n in im alle weyßheyt lerne, di do dineth zu der seligkeyt, u n d damith hat er uns zcugethan alle b u c h e r u n d alle lerh, das wir der keynnis nicht achten, Sonder allein in d e m b u c h studirn, das uns C h r i s t u m lernt« 9 0 . A u c h in der Bildung des T h e o l o g e n scheinen n e b e n der Bibel andere B ü c h e r keine E x i stenzberechtigung zu besitzen. N a c h der Tischredenüberlieferung rückt Luther die Heilige Schrift auch im Vergleich zu anderen theologischen W e r ken ganz ins Z e n t r u m : »Summa, wer mit Text wol gefasset, der ist ein rechter Pastor. U n d das ist auch m e i n bester u n d christlichster R a t h , daß m a n aus d e m B r o n n e oder Quelle Wasser schöpfe, das ist, die Bibel fleißig lese. D e n n wer im Text wol g e g r ü n d e t u n d geübet ist, der wird ein guter u n d furtrefflicher Theologus, sintemal ein Spruch u n d Text aus der Bibel m e h r gilt d e n n viel Scribenten u n d Glossen, welche nicht stark u n d r u n d sind, u n d sie halten d o c h d e n Stich auch nicht.« 9 ' N u r auf den ersten Blick k ö n n e n die hier a n g e f ü h r t e n Vorstellungen Luthers i m Sinne eines generellen Verdiktes gegen die Lektüre anderer reli85 86 87 88 89 90 91

WA 10 1/2,75,1 f. WA 49,762,24. Ebd., 771,23-25. WA 10 1/2,74,28-31. Vgl. ebd., 75,2-6. WA 9,649,23-26. WATr 4,357,10-15 (Nr. 4512).

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Die Bildungsfunktion

des Buches

giöser Literatur als der Schrift und damit als Ansatz einer biblisch begründeten Bücherfeindschaft interpretiert werden. Zum einen zeigen die Äußerungen, daß Luther aus der Perspektive des Theologen argumentiert, der durchaus mit anderen Büchern als der Heiligen Schrift vertraut ist. Gerade von daher gewinnt er seine Uberzeugung von der Überlegenheit des christlichen Glaubens in den existentiellen Anliegen des Lebens, bei denen es um die Suche nach Trost und Seligkeit geht, Fragen, bei denen es >den Stich auszuhalten< gilt. Zum zweiten behauptet Luther nicht mehr, als daß die christliche Existenz und Lehre ihrem Kern und Wesen nach auf das Studium und die Lektüre der Bibel zurückgehen müssen. »Scribenten und Glossen« sind nicht die Quelle der christlichen Lehre; Sekundärliteratur besitzt nicht dieselbe Autorität, die der Schrift zukommt, in der Gottes Wort originär niedergelegt ist. Zum dritten sind die Bücher der Heiden und U n c h r i sten, also anderer Religionen und der Philosophie, insofern >zugetanunter d e r B a n k
ans Licht g e b r a c h t habe94. D e r altkirchlichen Schriftvergessenheit

gegenüber

unterstreicht L u t h e r seine Schriftorientiertheit durch die biblisch-historis c h e P a r a l l e l e d e r W i e d e r a u f f i n d u n g des m o s a i s c h e n G e s e t z e s i n II R e g 2 2 . 9 3 Vgl. auch WA 10 1/2,73,30; W A 2 3 , 6 9 , 1 0 ; WA 3 0 I I , 3 0 0 , 1 8 f . ; W A 3 4 , 4 0 5 , 3 5 f . ; W A 45,2,11; W A 4 5 , 1 8 8 , 2 ; W A 48,31,11; W A 5 0 , 6 5 7 , 1 0 f.; WA 50,658,5 f. Auch von Thomas Müntzer ist diese Redeweise überliefert. U b e r Müntzers Predigten in Jüterbog berichtet der Franziskanerprediger P. Bernhard Dappe am 4. Mai 1519 an den Bischöflichen Vikar Gropper des Bistums Brandenburg: »Item dixit non semel sed sepius, quod Evangelium sanctum iacuit sub scamno annis plus quam quadringentis«. Zitiert nach: THOMAS MÜNTZER, Schriften und Briefe. Kritische Gesamtausgabe. Unter Mitarb. von Paul Kirn hrsg. von Günther Franz. Gütersloh 1968, 563,14—16. 9 4 Der Sache nach entspricht Luthers Wahrnehmung der Bibel dem tatsächlich zurückgegangenen direkten Einfluß der Heiligen Schrift in der spätmittelalterlichen G e sellschaft. Zwar entfaltete die Bibel nach wie vor Wirkung, wie schon HANS ROST, Die Bibel im Mittelalter. Beiträge zur Geschichte und Bibliographie der Bibel. Augsburg 1939 ausfuhrlich gezeigt hat. Doch nicht die Lektüre der Schrift selbst vermittelte biblische Inhalte, so die Antwort auf die mit dem Titel gestellte Frage bei GUY BEDOUELLE, »Que connâit-on de la Bible au début du X V I e siècle?«. In: Le temps des Réformes et la Bible. Sous la direction de Guy Bedouelle, Bernard Roussel. Paris 1989 (= Bible de tous les temps. Bd. 5), 2 1 - 3 8 . Die allgemeine Bibelkenntnis war bruchstückhaft und entstammte vielfältigen Quellen wie Stundenbüchern, Mysterienspielen, Predigten (vgl. ebd., 37). D e m entsprach auf der Ebene theologischer Gelehrsamkeit, daß die biblische Exegese zugunsten der mittelbaren Wirkung der Schrift durch die scholastische T h e o l o gie und das kanonische R e c h t zurücktrat (vgl. ALISTER MACGRATH, T h e intellectual origins o f the European Reformation. [1. Aufl. 1987]. Oxford 1993, 125). Für die Zeit nach 1340 konstatiert auch JACQUES VERGER, L'éxegèse de l'Université. In: Le moyen âge et la Bible. Sous la direction de Pierre R i c h é , Guy Lobrichon. Paris 1984 (= Bible de tous les temps. Bd. 4), 1 9 9 - 2 3 2 ; hier: S. 225 einen Niedergang der Exegese an den mittelalterlichen Universitäten, die mit der Kompilation der »Postilla litteralis super B i blia« des Nikolaus von Lyra 1 3 2 2 - 1 3 3 1 ihr letztes bedeutendes Werk gefunden hatte. Das Beispiel der Pariser Universität vermittelt den Eindruck einer »exégèse de plus en plus en quête d' autorités doctrinales et morales.« (Ebd., 227) Innerhalb der spätmittelalterlichen Theologie erlangte das Bibelstudium nicht den R a n g einer eigenständigen Disziplin (vgl. Béryl [M.] SMALLEY, T h e Bible in the médiéval schools. In: T h e C a m bridge History o f the Bible. Bd. 1 - 3 . Cambridge 1 9 6 3 - 1 9 7 0 , Bd. 2. T h e west from the Fathers to the Reformation. 1969, 1 9 7 - 2 2 0 ; hier: S. 219. Die grundlegende Arbeit BÉRYL [M] SMALLEY, T h e study o f the Bible in the middle ages. 3. Aufl., Reprint d.Ausg. 1983. Oxford 1984 befaßt sich mit den mittelalterlichen Bibelstudien lediglich bis um das Jahr 1300).

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Die Bildungsfunktion

des Buches

Insgesamt geht es i h m d a r u m , den Z u s a m m e n h a n g zwischen biblischer Bild u n g u n d theologischer Wahrheit aufzuzeigen: Das mangelnde, fehlende Studium der Heiligen Schrift hat den Verlust der >reinen Erkenntnis des göttlichen Wortes< zur Folge. Luthers skeptische B e u r t e i l u n g der Vergangenheit f u h r t zu e i n e m ersten Grundsatz, der das Verhältnis der Bibel u n d anderer Literatur fiir die religiöse Bildung bestimmt. D i e Heilige Schrift m u ß im Z e n t r u m des Studiums stehen. A n d e r e Literatur darf diese Position nicht antasten; sie leistet aber im Sinne historischer Erkenntnis einen eigenen, spezifischen Beitrag z u m religiösen u n d theologischen Lernen. Es k o n n t e bereits gezeigt werden, daß religiöse u n d theologische Schriften für zukünftige G e n e r a t i o n e n Zeugnis von den jeweiligen kirchengeschichtlichen Auseinandersetzungen geben, wie Luther im Blick auf seine eigenen Schriften ausführt 9 5 . A u ß e r d e m nutzt Luther die kirchliche Literatur des Mittelalters, u m den N i e d e r g a n g der in der Heiligen Schrift b e z e u g t e n christlichen Wahrheit zu belegen u n d die Auseinandersetzung mit der R ö m i s c h e n Kirche zu f ü h r e n . Generell sei »es nuetzlich u n d notig ..., das etlicher Veter u n d Concilien schrifft blieben sind als Z e u g e n u n d Historien.« 9 6 D o c h w a r n t er hier 1539 in seiner Vorrede z u m ersten Band der W i t t e n b e r g e r Ausgabe seiner Schriften ausdrücklich davor, diese historische Literatur gegen das S t u d i u m der Bibel oder ein an der Schrift orientiertes H a n d e l n ins R e c h t zu setzen 9 7 .Vielmehr sei d e m Beispiel des Heiligen Augustinus zu folgen, »der unter andern der erst u n d fast allein ist, der von aller Veter u n d Heiligen B u e c h e r wil u n g e f a n g e n allein der heiligen Schrifft u n t e r w o r f f e n sein.« 98 D i e Kirchengeschichte u n d die E n t w i c k l u n g der kirchlichen Literatur hätte einen anderen Verlauf g e n o m m e n , w e n n die mittelalterliche T h e o l o g i e sich an des Kirchenvaters P r i m a t der Heiligen Schrift orientiert u n d die religiös-theologische S e k u n därliteratur als gegenüber der Bibel nachrangig behandelt hätte: »Und hette m a n solchem E x e m p e l S. Augustini gefolget, der Bapst were kein Antichrist w o r d e n , u n d were das unzeliche unzifer, g e w u e r m u n d g e s c h w u e r m der B u e c h e r nicht in die Kirchen k o m e n u n d die Biblia wol auff der Cantzel blieben.« 9 9 D a r ü b e r hinaus müsse die Beschäftigung mit historischen B ü c h e r n u n d der Heiligen Schrift im rechten quantitativen u n d zeitlichen Verhältnis zueinander stehen. Das Studium der kirchlichen Tradition b e d ü r f e nicht der Masse des überlieferten Werke, k ö n n e sich also auf exemplarische Lektüre beschränken, so daß hierdurch das Schriftstudium nicht verdrängt werde. G e g e n ü b e r der Bibellektüre führe die extensive Auseinandersetzung mit der Kirchengeschichte u n d der theologischen Tradition nicht zu ver-

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S. oben S. 49-53. WA 50,657,12 f. Vgl. ebd., 658,13-20. Ebd., 658,21-23. Ebd., Z. 25-28.

Nichtbiblische

Bücher und religiöse

Bildung

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tiefter Einsicht: Es »sey nicht schade, das vieler Veter und Concilien buecher durch Gottes Gnade sind untergangen. D e n n wo sie alle hetten sollen bleiben, solte wol niemand weder ein noch ausgehen koennen für den B u e chern, und wuerdens doch nicht besser gemacht haben, denn mans in der heiligen Schrifft findet.« 1 0 0 Ein zweiter Grundsatz zum Zusammenhang von Bibel und anderer Literatur in der religiösen Bildung betrifft diejenigen Bücher, denen im Verhältnis zur Schrift eine abgeleitete Funktion zukommt. Luther befürwortet solche Bücher, die zur Auseinandersetzung mit der Heiligen Schrift überhaupt erst hinfuhren oder zu deren Verständnis einen unmittelbaren Beitrag leisten wollen. E r hat hier den breiten Bereich theologischer und religiöser Sekundärliteratur vor Augen. Hierzu rechnen etwa die Kommentare oder Postillen, welche die Heilige Schrift auslegen, oder solche Bücher, welche die in der Bibel gegründete christliche Wahrheit und den Glauben zum T h e m a haben und vermitteln. In diesem Kontext m ö c h t e er besonders auch seine eigenen Schriften verstanden wissen. Das bekundet er in einer Predigt aus dem Jahre 1 5 2 2 ausdrücklich als Leitlinie seines Buchschaffens: »Es sindt auch alle meine bücher da hin gericht und vol, den glaüben und liebe zutreyben.« 1 0 1 Infolgedessen bezeichnet er seine »buechlin« 1 5 2 8 als »zeugen« dafür, »das wir Gottes wort und die heilige schrifft frey haben moechten, die selbige zu leren und zu halten« 1 0 2 . Gegenüber der Heiligen Schrift macht er j e d o c h den vorläufigen und nachrangigen Charakter seiner Werke deutlich: »Ich hatte gehofft man sollt sich hynfurt an die heylige schrifft selb geben und meyne buecher faren lassen, nach dem sie nu auß gedienet unnd die hertzen ynn und zu der schrifft gefuret haben, wilchs meyn ursach war zu schreyben meyne buecher,Was ists, das mann viel buecher macht unnd doch ausser dem rechten heubt buch y m m e r bleybt?« 1 0 3 Diese beim ersten Lesen negative Äußerung Luthers zu seinen Schriften besitzt auch eine positive Bewertung. Sie kennzeichnet den Stellenwert, den Luther religiöser und theologischer als im Verhältnis zur Bibel sekundärer Literatur beimißt. Diese B ü c h e r haben durchaus ihre Berechtigung. Aber ihre Aufgabe ist begrenzt, vorläufig, ein Dienst an der und zur Heiligen Schrift. Sie sollen das Herz des M e n s c h e n zur Schrift führen, den M e n s c h e n also in der Ganzheit seiner Person und seines Wesens 1 0 4 , mit Vernunft und Verstand, Wille und Gefühl zu Studium und Lektüre der Bibel motivieren. Im Zusammenhang seiner Überlegungen zur Universitätsreform in der Schrift »An den christlichen Adel deutscher Nation« formuliert Luther diese auf die Schrift gerichtete Buchfunktion auch ausdrücklich mit B l i c k auf die Wissensvermittlung:

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Ebd., 657,14-17. WA 10 111,57,13 f. WA 26,570,19-21. WA 10 111,176,7-11.

Zu diesem Verständnis von Herz vgl. EBELING, Disputatio, Bd. 3, 453—455.

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Die Bildungsfunktion

des Buches

»Die Theologische b u c h e r must m a n auch w e n i g e m u n d erleszen die b e sten, dan vil b u c h e r m a c h e n nit geleret, viel leszen auch nit, szondern gut ding u n n d offt leszenn, wie wenig sein ist, das m a c h t geleret in der schrifFt u n d f r u m datzu,Ja es solten aller heyligen vetter schrifFt nur ein zeyt lang w e r d e n geleszenn, da durch in die schrifFt k u m m e n . « 1 0 5 A u c h hier verbindet Luther w i e d e r Kritik mit A n e r k e n n u n g . Theologische B ü c h e r haben zwar durchaus ihren Wert, sollen aber quantitativ begrenzt werden. Das Beste k a n n d a n n u m so intensiver studiert werden. Entscheidend ist w i e d e r u m der Gesichtspunkt, daß das S t u d i u m dieser Sekundärliteratur, zu der Luther ausdrücklich auch die Kirchenväter zählt, zuletzt auF die Lektüre der Heiligen SchriFt abzielt u n d diese vorbereiten soll.Theologische Sekundärliteratur besitzt somit in Luthers Verständnis eine propädeutische F u n k t i o n für die selbständige A n e i g n u n g der Heiligen SchriFt. Aus d e m Grundsatz, auFdie Bibel h i n z u f ü h r e n u n d ihren Inhalt zu Treibern, Folgen f ü r Luther K o n s e q u e n z e n f ü r die Vermittlung der christlich-religiösen B i l d u n g u n d ihre individuelle Aneignung. I m Blick auFdie O r g a n i sation der universitären Lehre Fordert Luther, den A u f b a u des Studiums, seine literarischen G r u n d l a g e n u n d die LehrbeFugnis im u m g e k e h r t e n Verhältnis zur mittelalterlichen Tradition einzurichten. 1 0 6 N i c h t die BeschäFtigung mit den mittelalterlichen Sentenzen zur Heiligen SchriFt solle das Ziel der theologischen Ausbildung u n d der Lehrgegenstand der ausgewiesenen Theologielehrer, der doctores, sein. Das hätte vielmehr am AnFang zu stehen. Entsprechend dürfe das S t u d i u m der Bibel nicht mit d e m Bakkalaureat enden, sondern müsse z u n e h m e n d ins Z e n t r u m der theologischen Bildung treten u n d der originäre Lehrgegenstand der doctores sein. D i e biblisch-propädeutische F u n k t i o n von B ü c h e r n thematisiert L u t h e r auch hinsichtlich des Predigtamtes, so in der Vorrede zur »Postilla deutsch f ü r die j u n g e n Christen v o m Advent bis auF Ostern« des evangelischen T h e o l o g e n , SchriFtstellers u n d Pädagogen J o h a n n Spangenberg. H i e r äußert er sich sowohl zur B e d e u t u n g biblischer Auslegung, die in BuchForm veröFFentlicht ist, als auch zu deren Verhältnis zur Heiligen SchriFt. Grundsätzlich b e f ü r w o r t e t er B ü c h e r wie die Postillen. Sie zu verbreiten leistet nicht nur einen Beitrag dazu, die in der Bibel g e g r ü n d e t e Wahrheit, das W o r t von J e sus Christus zu verbreiten. Zusätzlich schützen sie diese BotschaFt vor a n d e ren, >Falschen Bücherngute Blichen entgegen ihrer Bestimmung gebrauchen. Vom Grundsatz des rechten Verhältnisses von Bibel und Sekundärliteratur zur Bibel her dürfen diese Bücher die Schriftlektüre nicht verdrängen 1 0 8 . Sie sollen nicht als Ersatz des gründlichen Studiums der Bibel selbst verwandt werden: »Aber gleichwol sind w i d e r u m b etliche faule Pfarrherr u n d Prediger auch nicht gut, die sich auff solche und ander mehr gute buecher verlassen, das sie eine predigt draus koennen nemen, Beten nicht, Studiren nicht, lesen nicht, trachten nichts j n n der SchrifFt, gerade als m u e ste man die Biblia darumb nicht lesen, brauchen solcher buecher, wie der Formular und Calender, jhre jerliche narung zuverdienen, U n d sind nichts denn Pfittich oder Dolen, die unverstendlich nach reden lernen, So doch unser und solcher Theologen meinung diese ist, sie damit j n n die SchrifFt zu weisen, u n d zu vermanen, das sie dencken sollen, auch selbs unsern Christlichen glauben nach unserm tode zu verteidigen widder den Teuffei, Welt und fleisch. D e n n wir werden nicht ewiglich an der spitzen stehen, wie wir jtzt stehen.« 109 Dieses Zitat zeigt noch einmal deutlich die inhaltliche u n d didaktische Verknüpfung von theologischen u n d religiösen Werken zur Bibel. N u r wenn die Sekundärliteratur mit der biblischen Wahrheit übereinstimmt und in deren Geist gebraucht wird, kann sie im geschichtlichen Streit u m die christliche Lehre den Glauben sichern helfen und verteidigen. Solche theologische u n d religiöse Schriften verfaßt zu haben, darin sieht Luther die Bedeutung seiner eigenen schriftstellerischen B e m ü h u n g e n u n d seine an die Schrift und somit das Wort Gottes gebundene A u t o n o m i e gegen >TeufelWelt< und >Fleischan der Spitze zu stehennachgeredet< werden, bleiben sie letztlich u n verständlich, von G r u n d und Quelle der von ihnen zur Sprache gebrachten Wahrheit getrennt. O h n e mit der Schrift selbst vertraut zu sein, nur mit Kenntnissen der theologischen Sekundärliteratur, kann der rechte christliche Glaube nicht erfolgversprechend verteidigt werden. Sobald religiöse u n d theologische Bücher im rechten Verhältnis zur H e i ligen Schrift stehen, verlieren sich Buchskepsis u n d -kritik bei Luther. D a n n 107

WA 53,217,31-36. Im Blick auf seine eigenen Schriften fordert Luther ausdrücklich: »Wer meine Buecher zu dieser zeit ia haben wil, der lasse sie j m bey leibe nicht sein ein hindernis, die SchrifFt selbs zu studirn« (WA 50,658,14f.). 109 WA 53,218,3-13. 108

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k a n n er im Gegenteil den Bildungswert dieser gewissermaßen u n b e d e n k l i c h e n B ü c h e r generell h e r v o r h e b e n , ihren N u t z e n für die Lebens- u n d Glaubenspraxis des C h r i s t e n u n d das theologische S t u d i u m b e t o n e n , sogar Lobesworte finden. H i e r b e i bleibt der rechte Schriftbezug grundsätzlich der h e r m e n e u t i s c h e Schlüssel u n d Interpretationsrahmen seines Verständnisses dieser Bücher. Er m u ß bei seinen allgemeinen Urteilen ü b e r die religiösen B ü c h e r entweder mitgedacht w e r d e n oder wird gelegentlich explizit v o n i h m zur Sprache gebracht. Da die >Bibel selbst am Tage istHauspredigt< in der Hauspostille von »Magistro Vito Dieterich« [Veit Dietrich] im Jahr 1544. W e n n auch mit d e m g e h ö r i g e n Abstand zur Schrift selbst zählt er sie zu den nützlichen B ü c h e r n u n d stellt sie unbedenklich n e b e n die Heilige Schrift. M e h r n o c h , derartig n u t z b r i n g e n d e B ü c h e r sind i h m im Verein mit der Bibel Ausweis dessen, daß das W o r t Gottes d e m Christen in Fülle präsent ist: »Aber w e m sie [seine Predigten] gefallen, d e m wil ich sie gern g o e n n e n , W i e die brosamen, brocken u n d g r u m p e n , so n o e t i g sind. Weil G o t t lob, die Biblia selb am tage ist, mit viler gelerter leutte reichen u n d nuetzlichen b ü c h e r n , darinn sich ein C h r i s t e n M e n s c h wol w e i d e n kan, D e n n ... Also sind wir yetz auch reichlich zu u n ser zeyt warlich mit reicher, voller weyde Goettliches worts versehen. G o t t gebe, das wirs danckbarlich brauchen, davon fett u n d starck werden, ee d e n n die duerre k o m m e u n d straffe unser undanckbarkeyt« 1 1 0 . A u c h i m Brief an C h r i s t o p h J ö r g e r empfiehlt er in ein u n d demselben Z u s a m m e n h a n g mit der Bibel Bücher, welche die biblische Sicht christlicher Lehre a u f n e h m e n u n d unterstützen. H i e r hebt er deren Bildungswert f ü r die Gewissensunterweisung hervor: »Solches v n n d des mehr, acht ich, werdet j h r aus der Schrifft v n d a n d e r n B ü c h e r n , welche das gewissen wol lehren v n d halten, gnugsam verstanden haben.« 1 1 1 L u t h e r b e t o n t den N u t z e n des religiösen Buches auch o h n e die Schrift eigens zu e r w ä h n e n , z u m Beispiel im Blick auf die rechte Gebetspraxis. D u r c h die R e f o r m a t i o n stünde n u n m e h r g e n ü gend einschlägige Literatur zur Verfügung: »Wie m a n aber b e t e n sol, ist durch viel B u e c h e r nu reichlich geleret« 1 1 2 .Bei der M a h n u n g z u m G e b e t in »Vom Kriege wider die Türken« von 1529 weist L u t h e r d a r a u f h i n , in seinen B ü c h e r n i m m e r wieder über den Wert u n d die Wirksamkeit des Gebetes u n t e r r i c h t e t zu haben: M a n soll die a r m e n Sünder »denn auch mit h o h e m vleis z u m gebet v e r m a n e n u n d anzeigen, wie G o t t solch gebet gefalle, wie ers geboten u n d e r h o e r u n g verheissen hat. U n d das ia n i e m a n d sein gebet verachte, o d d e r dran zweiffei, sondern mit festen glauben gewis sey der erh o e r u n g e , w i e das alles y n n vielen buechlin von uns ist dargegeben.« 1 1 3 D i e hier von L u t h e r verwandte Terminologie, die R e d e von Gott, G e b o t , g ö t t -

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WA 52,2,4-11. WA Br 10,485,24-26 (Nr. 3954). WA 51,604,35 f. WA 30 11,118,23-27.

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lichem Gefallen, Erhörung,Verheißung, ist ein klarer und unmißverständlicher Beleg dafür, welchem Werk seine eigenen, hier erwähnten Bücher verpflichtet sind: Ohne die Heilige Schrift zu erwähnen steht sie doch ganz im Mittelpunkt seiner Mahnung; ihr Gebetsverständnis ist auch das seiner >Büchleintreiben< beabsichtigen. Wenn Bücher diese Absicht verfolgen, kann er sogar dazu auffordern, sie in großer Zahl zu verfassen, nach Maßgabe rechter Lehre gerade auch über schwierige und mit der Römischen Kirche strittige Fragen: »Man sol viel bucher schreiben de bonis operibus« 114 . Allgemein gilt, daß das Wort Gottes auf vielfältige Weise >getrieben< werden kann, wie bereits in anderem Zusammenhang belegt, auch durch andere Bücher als die Schrift selbst, »man singts, trucks auff bucher, und treibts auffalle weise, das heist wacker.«115 Von hierher kann Luther schließlich am Ende seines Lebens lobend herausgehobene reformatorische Schriften als »eruditissimi libri« deklarieren. In seiner unvollendet gebliebenen Streitschrift »Contra asinos Parisiensis Lovaniensesque« von 1545/46 bezieht er hierbei auch kirchenpolitisch bedeutsame Schriften wie die Confessio Augustana ein: »Ex nostra parte multi edebantur eruditissimi libri: postillae quas vocant, catechismi, enarrationes sacrarum literarum, item loci communes d. Philippi, demum nostra confessio Augustae coram Carolo Caesare et toto imperio publice recitata«116. Die bisherigen Ausführungen haben gezeigt, daß sich das religiöse Buch für Luther aus seiner inhaltlichen Schriftgemäßheit und Schriftdienlichkeit rechtfertigt. Sein Bildungswert gründet in der Vermittlung der in der Heiligen Schrift bezeugten Wahrheit. Die Schrift ist insofern der materiale Maßstab, an dem Luther andere Bücher mißt. Entweder gilt, daß sich ein Buch »mit grund der schrifft beweysset«117 oder aber alle Bücher gelten nichts, wie Luther 1528 mit Blick auf die römische Theologie bekräftigt: »Denn die Papisten, ob sie tausend buechlein schreiben, so sinds doch ymer die alten, faulen merlin, die ich fuer sieben iaren verlegt [widerlegt] habe, und sehe noch nichts, das sie aus der schrifft da widder bringen« 118 . Der Kreis deijenigen Bücher, die Luther im Sinne religiöser Bildung durch die Schrift für gerechtfertigt und wünschenswert hält, ist jedoch keineswegs nur auf Schriften religiösen Inhaltes beschränkt. Analog dem Grundsatz, daß die Schrift sui ipsius interpres ist, bestimmt sich auch aus den Erfordernissen der Bibel selbst, welche weitere Literatur Bildungswert beanspruchen darf. Bildungsbedeutsam sind daher auch solche Bücher, welche diejenigen formalen Qualifikationen vermitteln, die zum Verständnis der Bibel und zur Verkündigung ihrer Wahrheit erforderlich sind. Zum einen denkt Luther hierbei an 114 1,5 116 117 118

WA WA WA WA WA

45,6,28 f. 45,337,26 f.; vgl. auch WA 31 1,453,1-5. 54,449,34 u. 450,18-20. 11,432,6. 26,564,2-4.

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Die Bildungsfunktion

des Buches

den sprachlichen Zugang zu den Originaltexten der Heiligen Schrift. 1524 drängt er die Ratsherren der deutschen Städte, »Gottis sprach«, also das H e bräische und Griechische, an den Schulen zu unterrichten. Die Kirchenväter wären über die Kenntnisse der biblischen Sprachen, wie sie der Gegenwart zur Verfugung stünden, froh gewesen; so hätten sie manche exegetische M i ß interpretationen vermeiden können 1 1 9 . Wenn Gott »seyn buch offen haben« möchte, dann tragen Sprachlehrbücher dazu bei, Gottes Wort in der historischen Ursprünglichkeit zu erschließen, wie es in der Heiligen Schrift überliefert ist: »Weyl denn nu den Christen gepuert, die heyligen schrifft zu üben alls yhr eygen eyniges buch, und eyn sunde und schände ist, das wyr unser eygen buch nicht wissen noch unsers Gottis sprach und wort nicht kennen, so ists noch viel mehr sunde und schaden, das wyr nicht sprachen leren, sonderlich so uns itzt Gott dar beut und gibt leute und buecher und allerley, was dazu dienet, und uns gleich dazu reitzt u n d seyn buch gern wollt offen haben.« Luthers Überlegungen sind hierbei mit der Absicht verbunden, das höhere Bildungswesen insgesamt auf eine breitere Grundlage zu stellen und insbesondere die Hochschulen einer gründlichen R e f o r m zu unterziehen, wie sich 1520 in der Schrift »An den christlichen Adel deutscher Nation« zeigt: »Daneben het man nu die sprachen latinisch, kriechisch und hebreisch, die mathematice disciplinen, historien, wilchs ich befilh vorstendigern, und sich selb wol geben wurd, szo man mit ernst nach einer reformation trachtet, und furwar viel dran gelegen ist, dan hie sol die christlich jugent und unszer edlist volck, darinnen die Christenheit bleybt, geleret und bereitet werden. Darumb ichs acht, das kein bepstlicher noch keyszerlicher werck mocht geschehenn, dan gutte reformation der universitetenn, widderumb kein t e u f l i scher, erger wesen, den unreformierte universiteten.« 120 Im Dienst religiöser Bildung befürwortet Luther zum anderen Bücher, mit deren Hilfe zukünftigen Predigern die geistigen, insbesondere auch rhetorischen Fähigkeiten vermittelt werden können, die zur schriftgemäßen Verkündigung notwendig sind. Als Studiengrundlage schlägt er vor, die für die formale Geistesbildung einschlägigen Werke des Aristoteles oder Ciceros zu verwenden. Die Bücher der Scholastik, welche diese klassischen Instrumentarien in Form von Kommentaren und dogmatischen Werken auf die biblische Lehre inhaltlich anwenden, lehnt er ausdrücklich ab: »Das m o c h t ich gerne leyden, das Aristoteles bucher von der Lógica, Rhetorica, Poética behalten, odder sie in ein andere kurtz f o r m bracht nutzlich geleszen wurden, j u n g e leut zuuben, wol reden und predigen, aber die C o m m e n t und secten musten abgethan, u n n d gleich wie Ciceronis R h e t o r i c a on C o m m e n t u n d secten, szo auch Aristoteles lógica einförmig, o n solch grosz c o m m e n t geleszen werden.« 121 1,9 120 121

Vgl. WA 15,41,9-27; hieraus auch das folgende Zitat. WA 6,458,32-40. Ebd., Z. 26-31.

Katechismus

3.1.3.3.

Die Bedeutung

und religiöse

des Katechismus

155

Bildung

für die religiöse

Bildung

Vom Z u s a m m e n h a n g der Bibel zu anderen der religiösen Bildung zweckdienlichen B ü c h e r n her stellen die Katechismen für L u t h e r eine g e sonderte G a t t u n g dar. In der Intensität des Bezuges stehen sie der Heiligen Schrift am nächsten. Insofern unterscheiden sie sich von den v o r g e n a n n t e n bibelpropädeutischen u n d d e n j e n i g e n B ü c h e r n , welche auf die formalen Qualifikationen biblisch-religiöser Bildung abstellen u n d n u r in sprachlichrhetorischer Hinsicht d e m Bibelstudium zuarbeiten sollen. D e m g e g e n ü b e r kann L u t h e r den Katechismus u n b e d e n k l i c h direkt n e b e n die Heilige Schrift stellen. In e i n e m Brief an Kurfürst J o h a n n setzt er 1530 die religiöse Bildung der J u g e n d i m K u r f ü r s t e n t u m Sachsen mit der Kenntnis des Katechismus u n d der Schrift gleich u n d lobt ihre praktischen Konsequenzen: »Es wächset j e t z t daher die zart J u g e n d von Knäblin u n d Maidlin, mit d e m C a techismo u n d Schrift so w o h l zugericht, daß mir's in m e i n e m H e r z e n sanft tut, daß ich sehen mag, w i e jetzt j u n g e Knäblin u n d Maidlin m e h r beten, glauben u n d reden k ö n n e n von Gott, von Christo, d e n n vorhin u n d n o c h alle Stift, Klöster u n d Schulen g e k ö n n t haben u n d n o c h können.« 1 2 2 Diese Kenntnis von Schrift u n d Katechismus ist seiner Auffassung nach auf den U n t e r r i c h t der Pfarrer u n d Prediger des Kurfürstentums z u r ü c k z u f ü h r e n , »die so treulich u n d rein lehren u n d so schönen Fried helfen halten.« 1 2 3 Im folgenden soll zu klären versucht werden, w o r a u f Luthers offensichtliche H o c h s c h ä t z u n g des Katechismus z u r ü c k z u f ü h r e n ist. Es liegt im W e sen der Katechese, daß dies mit d e m Bildungswert der Katechismen zu erklären ist. Hierbei stellt sich die Frage, wie die pädagogisch-didaktische Zielsetzung des Katechismus u n d sein inhaltlicher B e z u g zur Bibel in ein angemessenes Verhältnis zueinander gesetzt w e r d e n k ö n n e n . W i e denkt L u ther Inhaltlichkeit u n d katechetische F o r m im B u c h t y p Katechismus als ein Ganzes? Es läßt sich zeigen, daß L u t h e r den Katechismen eine besondere R o l l e im allgemeineren didaktischen K o n t e x t zuweist, mit Hilfe von B ü c h e r n die Wahrheit der Schrift, das W o r t Gottes zu treiben. Dabei wird die bereits nachgewiesene Ansicht Luthers, andere religiöse u n d theologische Literatur als die Bibel solle auf S t u d i u m u n d Lektüre der Schrift selbst h i n f u h r e n , i m Fall der Katechismen an einen G r e n z p u n k t g e f ü h r t . Luthers Katechismusverständnis läßt sich in F o r m dreier T h e s e n charakterisieren: D i e Katechism e n sind B ü c h e r des Lernens der biblischen Wahrheit. Gerade wegen der unbestrittenen materialen N ä h e , ja teilweise textlicher U b e r e i n s t i m m u n g mit der Schrift, ersetzt das L e r n e n des Katechismus die Lektüre der Schrift zwar nicht in ihrer Vielfalt, d o c h aber im Blick auf ihren zentralen Gehalt. Im pädagogischen Sinne sind die Katechismen f ü r Luther die auf ihren K e r n reduzierte u n d didaktisch zubereitete Bibel selbst. 122 123

WA Br 5,325,39-326,44 (Nr. 1572). Ebd., 325,38 f.

156

Die Bildungsfunktion

des Buches

Die Katechismen und hierbei besonders Luthers Kleinen und Großen Katechismus als Bücher des Lernens zu betrachten, erscheint auf den ersten Blick selbstverständlich. Die vorhandene umfangreiche Literatur 1 2 4 scheint diese These zwar zu stützen, sie allerdings auch bereits zur Genüge belegt und abgehandelt zu haben. Betrachtet man jedoch exemplarisch zwei Studien, die sich mit Luthers Katechismen bzw. seiner Erziehungskonzeption insgesamt befassen, so zeigt sich, daß mit der These ein Aspekt in den M i t telpunkt gerückt wird, den aus Luthers eigener Sicht der Dinge auszufuhren Desiderat ist. Hans-Jürgen Fraas hat in seiner Untersuchung zum Kleinen Katechismus und seiner Rezeption wesentliche Aspekte der Theologie des Kleinen Katechismus herausgearbeitet 125 . Kritische Rückfragen ergeben sich aus buchspezifischer Sicht nicht an diese theologischen Überlegungen, sondern aus den Charakterisierungen im Abschnitt über »Katechismus und Katechumenat«. Hier heißt es auch im Blick auf den Großen Katechismus, der Katechismus sei »Lebensbuch des Christen«. Präzisierend und abgrenzend formuliert Fraas wenig später, der Kleine Katechismus »ist kein Lehroder Schulbuch, sondern ein Haus- und Lebensbuch; er ist keine theoretische, sondern eine praktische Schrift.« 1 2 6 Die hier von Fraas betonte Lebensbedeutsamkeit des Katechismus steht mit der im R a h m e n dieser U n tersuchung verwandten Charakterisierung im Einklang, der Katechismus sei ein B u c h des Lernens 1 2 7 . Dies betrifft auch die von Fraas gemeinten 124 Für einen guten Überblick und neuere Literatur vgl. HANS-JÜRGEN FRAAS, [Artikel] Katechismus 1/1. I n : T R E 17. 1988, 7 1 0 - 7 2 2 . Besonders erwähnt seien GERALD STRAUSS, Luther's house o f learning. Indoctrination o f the young in the German R e f o r mation. Baltimore, London 1978, 1 5 1 - 1 7 5 , der aus einer Erlanger Habilitationsschrift hervorgegangene Titel von HANS-JÜRGEN FRAAS, Katechismustradition. Luthers Kleiner Katechismus in Kirche und Schule. Göttingen 1971 (= Arbeiten zur Pastoraltheologie. Bd. 7), der eine umfangreiche Bibliographie bietet, JOHANNES MEYER, Historischer Kommentar zu Luthers Kleinem Katechismus. Gütersloh 1929, sowie JOHANN MICHAEL REU, D. Martin Luthers Kleiner Katechismus. Die Geschichte seiner Entstehung, seiner Verbreitung und seines Gebrauchs. Eine Festgabe zu seinem vierhundertjährigen Jubiläum. München 1929. Im Ausgang von Luthers Kleinen Katechismus, aber über diesen hinausgehend, bezieht WOLFGANG GRÜNBERG, Bildung und Frömmigkeit. Zur G e schichte der Handbücher — unter besonderer Berücksichtigung von Luthers Enchiridion von 1529. In: Pastoraltheologie. Monatsschrift für Wissenschaft und Praxis in Kirche und Gesellschaft 73. 1984, 354—367, allgemeinere Aspekte der Funktion und Vermittlung von Buchwissen ein. Bei dem richtigen Hinweis auf die »zielgruppenorientierte Vermittlung< bewertet Grünberg den Unterricht mit Hilfe des Kleinen Katechismus von nicht näher reflektierten modernen didaktischen Prinzipien her: D e r Kleine Katechismus muß >geschluckt< werden, er wird >eingetrichtert< und >eingebläut< (357).

Vgl. FRAAS, Katechismustradition, 2 5 - 5 3 . Ebd. 19 u. 23. 1 2 7 Hier soll allerdings nicht einer Trennung von T h e o r i e und Praxis das Wort geredet werden, bei welcher Lehre und Schule dem Haus und dem Leben einander gleichgültig gegenüber stünden. Mit dem Begriff des Lernens soll vielmehr zum Ausdruck kommen, daß für Luther Lehre und Leben mit Hilfe des Katechismus vermittelt werden. Von daher fällt es auch Albrecht Peters nicht schwer, den Katechismus einerseits für »den 125 126

Katechismus

und

religiöse

Bildung

157

praktischen Implikationen der Rede vom Lebensbuch, welche bereits bei Ivar Asheim vorgezeichnet sind 128 . Beide interpretieren den Katechismus nicht isoliert von seinem sozialhistorischen Kontext. Sie betrachten die christliche Erziehung und den Katechismus vielmehr innerhalb ihres »Verwobenseins mit dem Leben der Gemeinde um Wort und Sakrament«, der Teilnahme am kirchlichen Leben 129 . Asheim zeigt, wie nach Luther Leben und Katechismus miteinander verschränkt sind 130 . »Katechismusunterricht« besteht darin, in den gemeindlichen Gottesdiensten über den Katechismus zu predigen. Darüber hinaus greift er in die häusliche Sphäre ein: Der Katechismus ist »abends und morgens Kindern und Gesinde in den Häusern vorzusagen oder vorzulesen, wobei zugesehen werden muß, daß der Inhalt auch wirklich verstanden und nicht allein der Wortlaut auswendig gelernt wird.« Dies ist mit Frage und Antwort zu überprüfen, wie sie aus dem Katechismus bekannt sind. Für Fraas ist das Haus der zentrale soziale Bezugsrahmen für den Katechismus als Lebensbuch. Er weist darauf hin, daß sich der Kleine Katechismus über die Pfarrer und Prediger insbesondere an die Hausväter richtet, was sich aus Luthers Berufsethik, der Aufhebung der Trennung von heiligem und profanen Handeln und der Aufwertung der Laien durch die Vorstellung vom allgemeinen Priestertum aller Gläubigen ergebe. Aus der Verpflichtung zur allgemeinen Kenntnis der Schrift folge, daß die Pfarrer die Hausväter als Inhaber des Hausregimentes in die Lage versetzen sollen, den Katechismus an die Mitglieder ihres Hauses weiterzuvermitteln 131 . Fraas sieht in diesem Modell, das den Kleinen Katechismus durch Rekurs auf historische Lebensverhältnisse zum Lebensbuch macht, die Gefahr einer soziologischen Relativierung. Offenbar stelle die Vermittlung des Katechismus auf die soziale Situation eines >gewissen Besitzes< ab und orientiere sich an der Vorstellung des >Hausvaters als wohlhabendem BauernChristlich< erziehen«, 271 ff. 129 A S H E I M , Glaube, 2 6 9 u. vgl. ebd., 2 7 0 f.; vgl. F R A A S , Katechismustradition, 1 9 . 130 pjj r p 0 j g e n ( j e V gi A S H E I M , Glaube, 276 mit Belegen an Luther. 131

V g l . F R A A S , K a t e c h i s m u s t r a d i t i o n , 2 0 f.

132

Vgl. ebd., 24 f.

158

Die Bildungsfunktion des Buches

W i e einsichtig Fraas'Argumentation auch ist, so wirft sie doch die Frage auf, wodurch es überhaupt möglich wird, den Katechismus als Lebensbuch auch unter veränderten sozialhistorischen Bedingungen zu verwenden. Die zeitübergreifende Bedeutung des Katechismus ergibt sich nun aus dem eingangs als These formulierten Sachverhalt, daß der Katechismus als ein Buch des Lernens zu charakterisieren ist. Damit sind hier nicht die Lerninhalte gemeint. D e n n von ihnen ist selbstverständlich zu fordern, daß sie den Menschen etwas zu sagen haben, was die Zeiten überdauert und was für die jeweiligen geschichtlichen Zeiten aktualisierbar ist. Entscheidend ist vielmehr, daß mit dem Begriff des Lernens notwendigerweise der einzelne Mensch in den Blick gerät. Indem der Katechismus zuletzt direkt das Subjekt als lernendes Individuum anspricht, löst er sich von den Institutionen u n d Unterrichtsvorstellungen, die dem historischen Wandel unterliegen. Von diesen Überlegungen her soll im folgenden der bislang lediglich als These formulierte Sachverhalt belegt werden, der Katechismus sei für Luther ein Buch des Lernens. Dazu sollen Luthers zum Teil definitorischen Beschreibungen des Katechismus u n d seine lernspezifischen Äußerungen zum Katechismus näher untersucht werden. Bei Asheim und Fraas fällt auf, daß sie bei ihren Untersuchungen zum Katechismus den Aspekt des Lernens u n d damit der Selbsttätigkeit nicht eigens zum Gegenstand der Überlegungen machen. Dies hängt auch damit zusammen, daß Luther den Kleinen Katechismus ausdrücklich den Pfarrern u n d Predigern widmet, diese auch in der Vorrede anspricht und hier den Aspekt des Lehrens, der Unterweisung und der Predigt stark in den Vordergrund rückt. Gerade diese Ansprache Luthers ist aber historisch bedingt. D e n n Luther war es darum zu tun, erst einmal die Multiplikatoren dafür zu gewinnen, den Katechismus als Lernbuch zu institutionalisieren. Er führt die Unkenntnis des >Gemeinen Mannes< »von der Christlichen lere, sonderlich auff den doerffern« 1 3 3 und die Tatsache, daß »der pobel leider ... allzu geringe achtet des Euangelij« 134 , auf die religiösen u n d pädagogischen Bildungsdefizite der Geistlichen zurück, darauf, daß »viel Pfarherr fast ungeschickt u n d untuechtig sind zu leren« 135 : » ... sie leben, wie sie unter dem Bapstumb gewonet. U n d wie wol sie alles was sie leren und predigen sollen, itzt so reichlich klar u n d leicht für sich haben ynn soviel heilsamen buechern ..., noch sind sie nicht so from u n d redlich, das sie solche buecher keufften, odder wenn sie die selbigen gleich haben, dennoch nicht ansehen noch lesen. Ach das sind zumal schendliche fresslinge und bauchdiener, die billicher sewhirten odder h u n d e knechte sein solten denn seelwarter und pfarher.« 136 Dieser Analyse aus derVorrede zum Großen Katechismus zufol133 134

Vorrede von 1531 zum Kleinen Katechismus WA 30 1,346,13. Vorrede von 1529 zum Deutschen [=Großen] Katechismus WA 30 1,125,25—

126,1. 135 136

WA 30 1,346,14. Ebd., 125,9-16.

Katechismus

und religiöse

Bitdung

159

ge sieht L u t h e r zuallererst die N o t w e n d i g k e i t , daß sich die Geistlichen die rechte christliche Lehre selbst aneignen, bevor sie die G e m e i n d e i m evangelischen Glauben unterweisen k ö n n e n . Z u diesem Z w e c k sollen sie sich i n tensiv mit d e m G r o ß e n Katechismus auseinandersetzen, wie L u t h e r in dessen Vorrede durchgängig ausfuhrt. Aus dieser Perspektive charakterisiert M a r t i n Brecht den G r o ß e n Katechismus »als eine theologische H a n d r e i c h u n g flir die Verkündigungspraxis der damaligen Pfarrer« 1 3 7 . Interessant ist es n u n aber, den G r o ß e n u n d den Kleinen Katechismus vergleichend v o m Gesichtspunkt des Lernens aus in den Blick zu n e h m e n . Hierbei treten nicht n u r die offensichtlichen U n t e r s c h i e d e beider B ü c h e r zutage, wie etwa die größere Ausführlichkeit u n d der h ö h e r e theologische A n s p r u c h des G r o ß e n Katechismus. U b e r r a s c h e n d sind vielmehr die strukturellen G e meinsamkeiten beider Werke, welche darüber hinaus auch mit den bereits erörterten F o r d e r u n g e n übereinstimmen, die L u t h e r hinsichtlich der Auseinandersetzung mit der Schrift selbst erhebt.Vom Lernen h e r verlangt L u ther einerseits die Katechismen in derselben Weise anzueignen, wie die Schrift selbst, nämlich durch intensive, tägliche Auseinandersetzung mit den Texten. Andererseits m a c h t er keinen prinzipiellen U n t e r s c h i e d zwischen den Geistlichen u n d Laien. In der Vorrede z u m G r o ß e n Katechismus heißt es: »Daruemb bitte ich abermal alle Christen [ H e r v o r h e b u n g H F ] , sonderlich die pfarher u n d prediger, sie w o l t e n nicht zu f r u e Doctores sein u n d alles wissen sich d u e n c k e n lassen ..., s o n d e r n sich teglich wol d r i n n e n ü b e n u n d y m e r t r e i b e n , . . . S o n d e r n stetig anhalten beide [ H e r v o r h e b u n g H F ] mit lesen, leren, lernen, d e n cken u n d tichten, U n d nicht ablassen bissolange sie erfaren u n d gewis w e r den, das sie den Teuffel tod geleret u n d gelerter w o r d e n sind d e n n Gott selber ist u n d alle seine heiligen.« 1 3 8 D i e A n e i n a n d e r r e i h u n g verschiedener Weisen, sich mit d e m Text geistig u n d lebensnah auseinanderzusetzen, war bereits bei Luthers Ratschlägen z u m U m g a n g mit der Bibel angeführt w o r den 1 3 9 . Sie veranschaulicht, i n w i e f e r n L u t h e r die Bibel wie den Katechismus als Lebensbuch begreift. Bibel u n d Katechismen sind Bücher, die durch beständige Beschäftigung mit d e m Text ins Leben gezogen werden sollen. Die Intensität dieser Auseinandersetzung k a n n nicht h o c h g e n u g veranschlagt werden. D e r Schlüsselbegriff ist hier das Lernen, ein Prozeß, der prinzipiell unabgeschlossen ist u n d lebenslänglich währt, in w e l c h e m die Christen »mit der zeit selbs fein b e k e n n e n sollen, das yhe lenger u n d m e h r sie den C a t e c h i s m o n treiben, yhe weniger sie davon wissen u n d yhe m e h r dran zu lernen haben.« Dabei darf das L e r n e n keineswegs als n u r intellektuelle Leistung begriffen werden. U b e r das Wissen hinaus soll es das D e n k e n u n d die E r f a h r u n g so d u r c h d r i n g e n , daß die C h r i s t e n eine G e w i ß h e i t e r 137

BRECHT, M a r t i n L u t h e r , B d . 2, 2 7 3 .

138

WA 30 1,128,31-129,8, auch für das nachfolgende Zitat. S. oben S. 16 f.

139

160

Die Bildungsfunktion

des Buches

langen, die sie, wie Luther anschaulich pointierend ausfuhrt, gelehrter macht als Gott u n d seine Heiligen und die den Teufel zu Tode lehrt. A u ß e r dem drängen >tägliches Lesen und Ü b e n mit Gedanken und Reden< auf das >Handeln< des Menschen 1 4 0 . Dies gilt besonders für die zweite Tafel der Gebote, welche Gottes Wort und Willen in den sozialen Beziehungen zur Geltung bringen sollen. Nicht von der Sache, aber von der sprachlichen Formulierung her überwiegt zwar im Kleinen Katechismus der Aspekt des Lehrens den des Lernens. Dies hängt damit zusammen, daß er ihn den Pfarrern u n d Predigern widmet und sich überdies an die Hausväter als die für die religiöse Bildung Verantwortlichen wendet. Allerdings bedingen Lehre und Lernen einander und es steht außer Frage, daß die Lernenden letztlich Adressat des Kleinen Katechismus sind, so daß das Lernen der zentralen christlichen Glaubensinhalte dessen eigentliches Ziel ausmacht. Dies zeigt schon die charakteristische, lernorientierte Strukturierung des Stoffes. Im Blick auf die Z e h n Gebote, das Glaubensbekenntnis und das Vaterunser wird zuerst jeweils eine faßliche Sinneinheit, ein Gebot, ein Glaubensartikel oder eine Bitte geboten. Danach formuliert Luther durchgängig die Frage »Was ist das?«. Sie leitet zur nachfolgenden Erklärung über, mit welcher Luther dem Lernenden den Sinn des zuvor gebotenen Textstückes verständlich machen möchte. In der Vorrede nennt Luther die mit dem Kleinen Katechismus verbundenen Lernziele. Ihm steht ein Lernprozeß vor Augen, der sich in einzelne Lernschritte gliedert, wobei Teillernziele von übergeordneten Lernzielen unterschieden sind. Das Ganze ist letztlich auf den Zweck hin angelegt, zwar nicht den Glauben erzwingen zu können, die Unterwiesenen aber doch dahingehend bilden zu können, daß »sie wissen, was recht u n d unrecht ist«141. Zuerst geht es darum, daß das >junge u n d einfältige Volk< den zur Vermeidung von Irritation stets in >einerlei Form< vorliegenden Text auswendig lernt 1 4 2 . Im zweiten Schritt, »Wenn sie den text nu wol koennen, So lere sie denn hernach auch den verstand, das sie wissen, was es gesagt« 143 . Wichtiger als die Reproduktionsleistung ist es Luther, daß das mechanisch Gelernte auch >wohl verstanden wird. N u r das aus der Lebenspraxis heraus Verstandene erfüllt das Leitlernziel, Kenntnis von R e c h t u n d Unrecht zu verschaffen, eine Kenntnis, die sich auch im Handeln niederschlägt, lebenswirksam wird, von der Person als Haltung angeeignet 140

Vgl.WA 30 1,127,1-4 u. 14f. Ebd., 349,18 f. 142 Vgl. ebd., 348,7-349,9. 143 Ebd., 349,23-350,1. Differenziert geht M E Y E R , Kommentar, 132-140 auf die einzelnen Lernschritte ein. Dabei unterscheidet er zwischen dem Lernen der katechetischen Hauptstücke und dem der Erklärungen. Meyer weist daraufhin, daß das Erlernen der Hauptstücke wie etwa des Vaterunsers oder der Zehn Gebote in Luthers Verständnis nicht Auswendiglernen noch sinnlosen Textes ist. Die an sich sinnhaften Texte wie etwa das Tötungsverbot oder das Verbot zu stehlen werden durch die weitere lernende Auseinandersetzung mit den Erklärungen dann auf die Lebenspraxis hin vertieft (vgl. ebd., 139). 141

Katechismus

und religiöse

Bildung

161

worden ist. Nur durch das mit eigener Lebenserfahrung vermittelte und beständige Lernen kann der Katechismus zum Lebensbuch werden. Dieser Lernprozeß weist über den Kleinen Katechismus hinaus. Für einen weiteren, fortgeschrittenen Durchgang empfiehlt Luther, die mit Hilfe des Kleinen Katechismus erworbenen Kenntnisse durch Unterricht und Lektüre des Großen Katechismus zu vertiefen. Für die Beschäftigung mit ihm gilt die gleiche lernorientierte, didaktische Zubereitung wie für den Kleinen Katechismus 144 . Der Lernprozeß besteht also in einem stetigen und wiederholenden, das einzelne dann jeweils vertiefenden Lernen der Hauptinhalte der biblischen oder biblisch gegründeten Lehrinhalte. Grundsätzlich ist der Große Katechismus dabei kein exklusives Buch, dessen anspruchsvollere und vertiefende Ausführungen den Geistlichen vorbehalten wären. In der ursprünglichen Vorrede fordert Luther Christen insgesamt auf, sie mögen den Große Katechismus >üben< und >treibengemeinen MannReformatorische Öffentlichkeit*. In: Literatur u n d Laienbildung im Spätmittelalter u n d in der Reformationszeit. Symposion Wolfenbüttel 1981. Hrsg. von Ludger Grenzmann u. Karl Stackmann. Stuttgart 1984 (= Germanistische Symposien-Berichtsbände. Bd. 5), 41—52. Wohlfeil spricht von reformatorischer Öffentlichkeit, u m den Unterschied z u m m o d e r nen Verständnis von Öffentlichkeit begrifflich zu fassen. Seine sozialgeschichtliche Interpretation der R e f o r m a t i o n sieht als gemeinsames Kennzeichen der reformatorischen mit der m o d e r n e n Öffentlichkeit, »daß mündliche, visuelle u n d literarische M e d i e n j e d e r m a n n zugänglich waren, bzw. von j e d e r m a n n benutzt oder zumindest zur Kenntnis g e n o m m e n werden konnten.« (WOHLFEIL, E i n f ü h r u n g , 123) I m Gegensatz z u m Spätmittelalter und seiner >lokalenregionalen< u n d >obrigkeitlichen< Öffentlichkeit überwand die reformatorische Öffentlichkeit diese Grenzen u n d bezog insbesondere auch den gem e i n e n M a n n in das Kommunikationssystem ein (vgl. WOHLFEIL, Öffentlichkeit, 48). Für Wohlfeil verbietet es sich j e d o c h , den von JÜRGEN HABERMAS in: Ders., Strukturwandel der Öffentlichkeit. U n t e r s u c h u n g e n zu einer Kategorie der bürgerlichen Gesellschaft. N e u w i e d am R h e i n , Berlin 1962 (= Politica. Bd. 4), geprägten Begriff der b ü r gerlichen Öffentlichkeit* auf die R e f o r m a t i o n zu übertragen. D e n n der reformatorischen Öffendichkeit fehlten sowohl das >politisch-emanzipatorische Bewußtsein*, das die öffentliche Gewalt unter den Legitimationszwang der öffentlichen M e i n u n g zu stellen trachtete, als auch Intention u n d Praxis, R e l i g i o n als Privatsache zu behandeln. D a r über hinaus lassen sich m o d e r n e s B ü r g e r t u m u n d das der Städte w ä h r e n d der R e f o r m a tionszeit nicht aufeinander abbilden. (Vgl. WOHLFEIL, E i n f u h r u n g , 129 f.) Insbesondere k ö n n e die reformatorische Öffentlichkeit nicht als »eine literarisch bestimmte Ö f f e n d i c h keit, also eine v o m Wesen her überregionale u n d damit >abstrakte< Kommunikation« (ebd., 129) verstanden werden.

Forschungssituation

und

Fragestellung

175

ginn dieser neuen kommunikativen Situation stand Martin Luther, der auch dauerhaft die herausragende Persönlichkeit darstellte. Als ein wesentliches Kennzeichen dieser Situation und als eine notwendige Bedingung für die öffentliche Wirksamkeit Luthers und der Reformation insgesamt wird schon seit dem 16. Jahrhundert der Buchdruck angesehen. Die ältere Forschung räumt ihm einen entscheidenden Anteil an der Breitenwirkung der Reformation ein 1 7 6 . Diese Auffassung wird nach wie vor auch in neuen historischen Darstellungen etwa durch Winfried Schulze vertreten 1 7 7 . E i n prägsam formuliert Bernd Moeller: »Ohne Buchdruck keine R e f o r m a tion« 1 7 8 . Diese Bewertung des Buches erfährt vor dem Hintergrund einer Differenzierung und Neuintegration der ursächlichen Momente des reformatorischen Offentlichkeitserfolges eine Modifikation. Zusätzlich zum Buch werden andere öffentlichkeitskonstitutive Medien und Kommunikationsformen untersucht. Das steht im Einklang mit der theologisch-kirchengeschichtlichen Forschung, wie etwa der Position Gerhard Ebelings 1 7 9 .

1 7 6 Vgl. CLEMEN, R e f o r m a t i o n . Clemen präsentiert hier ältere Auffassungen und schließt sich ihnen an. In der Einleitung bietet er historische Nachweise, die er mit einem Zitat der R e d e des Wolfenbütteler Bibliothekars Gustav Milchsack bei einer G u tenbergfeier im Jahre 1 9 0 0 beschließt: »>Luthers R e f o r m a t i o n wurde überhaupt erst durch Gutenbergs Erfindung m ö g l i c h . « (Ebd., 6). Als Schluß seiner Ausfuhrungen fuhrt Clemen Luthers bekannte Gedanken von der >Buchdruckerkunst als letzter und größter Gabe zur Verbreitung der wahren R e l i g i o n auf dem ganzen Erdkreis< (vgl. ebd., 43) an. Ganz auf das B u c h als Mittel der Breitenwirkung Luthers stellt auch ALEXANDER CENTGRAF, Martin Luther als Publizist. Geist und F o r m seiner Volksfiihrung. Frankfurt/M. 1940 ab. Diese ausgesprochen der Führerideologie verhaftete Studie hebt mit Blick auf Luthers publizistisches W i r k e n hervor, daß Luther »bewußt technisch sicher und organisatorisch planvoll... die j u n g e Buchdruckerkunst, die er als >letztes höchstes Geschenk Gottes für das Evangelium< und als >unauslöschliche Flamme< bezeichnet, einsetzte.« (ebd., 5). 1 7 7 »Der Erfolg der reformatorischen Bewegung wäre nicht möglich gewesen ohne die neuen Möglichkeiten, die der D r u c k mit beweglichen Lettern seit der zweiten Jahrhunderthälfte bot. D e r Buchdruck gehört zu j e n e n Beispielen technologischen Fortschritts, die direkt auf den Verlauf der Geschichte eingewirkt haben.« [WINFRIED SCHULZE, Deutsche Geschichte im 16. Jahrhundert. 1 5 0 0 - 1 6 1 8 . l . A u f l . , Erstausg. Frankfurt am Main 1987 ( = Edition Suhrkamp. Bd. 1 2 6 8 = N e u e Folge. B d . 2 6 8 : N e u e Historische Bibliothek), 121)]. 1 7 8 BERND MOELLER, Stadt und B u c h . Bemerkungen zur Struktur der reformatorischen Bewegung in Deutschland. In: Stadtbürgertum und Adel in der R e f o r m a t i o n . Studien zur Sozialgeschichte der R e f o r m a t i o n in England und Deutschland. Hrsg. von Wolfgang J . M o m m s e n in Verbindung mit Peter Alter u. R o b e r t W. Scribner. 1. Aufl. Stuttgart 1 9 7 9 ( = Veröffentlichungen des Deutschen Historischen Instituts London. Bd. 5), 25—39; hier: S. 3 0 . M i t »The German R e f o r m a t i o n was a book-event« (ebd.) b i e tet Moeller eine griffige Formulierung, wie er sagt einen >Dickensschen Satz< - als Parallele zum berühmt gewordenen Wort des englischen Historikers ARTHUR GEOFFREY DICKENS in seinem B u c h T h e German Nation and Martin Luther. London 1 9 7 4 , 182: »... the German R e f o r m a t i o n was an urban event.« 1 7 9 Vgl. GERHARD EBELING, Luther. Einfuhrung in sein Denken. 4., durchges. Aufl. Tübingen 1981, 55.

176

Buch und

Öffentlichkeit

Ebeling unterscheidet zwischen öffentlicher Wirksamkeit und deren Symptomen. D e m n a c h gelang es Luther, im Spätmittelalter virulente Probleme zu bündeln und »eine ganz einzigartige Resonanz« und »Publizität« zu finden, welche »plötzlich so etwas wie eine öffentliche Meinung, u n d zwar so intensiv u n d umfassend wie kaum je« konstituierte. D e r Buchdruck, »die Verbreitung von Luthers Schrifttum,« gilt Ebeling nicht als alleiniges Mittel »für diese einzigartige Resonanz«, aber immerhin als »objektives Symptom« hierfür. Die neue sozialgeschichtlich orientierte allgemeinhistorische Forschung R a i n e r Wohlfeils und die Überlegungen bei R o b e r t W. Scribner binden den Buchdruck dann ausdrücklich in die Gesamtheit der K o m m u nikationsformen des reformatorischen Mediensystems ein 180 . Problematisch bei dieser dem G r u n d e nach einsichtigen Konzeption ist allerdings, wie eine trennscharfe Unterscheidung zwischen öffentlicher und privater Kommunikation aufrechterhalten werden kann. Wohlfeils u n d Scribners Erwägungen erfordern ein Modell, wie sich aus nicht-öffentlicher K o m munikation Öffentlichkeit konstituiert u n d wie diese als ein überpersönliches und allgemeines gesellschaftliches System beschrieben werden kann. Von daher ist es einsichtig, wenn Heinz Schilling zwar einerseits neben das Buch nicht durch den D r u c k konstituierte, sektorale Kommunikationsbereiche stellt. Er nennt »die hochorganisierte und in sich differenzierte Klerikergesellschaft« und »das bis in entlegene Dörfer gespannte Netz humanistischer Freundeskreise«, welche als wichtige »Kommunikationsträger« zur Verbreitung der reformatorischen Vorstellungen Luthers beigetragen hätten. 181 Andererseits bleibt der Buchdruck für Schilling allerdings die entscheidende Größe, welche über diese begrenzten >klerikalen und h u m a n i stischen Personen- und Informationsnetze< hinausführte und somit den E r folg der von Luther ausgehenden Bewegung im Durchbruch zu allgemeiner Breitenwirkung, zur reformatorischen Öffentlichkeit garantierte 182 . Auf 180 R A I N E R W O H L P E I L , Einfuhrung, 131 spricht von einer Gesamtheit von Kommunikationsformen, welche durch ihre vielgestaltige Binnenstruktur die reformatorische Öffentlichkeit bildete: »Ergebnis der >Interaktion< aller Kommunikationsformen war die reformatorische Öffentlichkeit. Das komplexe Zusammenwirken von Sprechen, Hören, Schauen, Lesen, Diskussion und Aktion hat Robert W. Scribner treffend in der Metapher der >Partitur< erfaßt.« Scribner selbst wendet sich ausdrücklich gegen eine Fixierung auf den Buchdruck zugunsten insbesondere der mündlichen Kommunikation: »It is the argument of this article that we shall be unable to do so [Einbezug der »personal thoughts, emotions and values of ordinary people« auf »the diffusion of ideas«] if we concentrate only on the printed word and ignore such apparently trivial material as street-corner gossip or private conversation, the very stuff of daily life.« ( R O B E R T W S C R I B N E R , Oral culture and the transmission of Reformation ideas. In:The transmission of ideas in the Lutheran Reformation. Helga Robinson-Hammerstein (Ed.) Dublin 1989, 83-104; hier: S. 99). 181 Vgl. H E I N Z S C H I L L I N G , Aufbruch und Krise. Deutschland 1 5 1 7 - 1 6 4 8 . Berlin 1988 (= Das Reich und die Deutschen. Bd. 5) im Kapitel »Reformation und Öffentlichkeit. Wege und Medien der Kommunikation«, 121. 182 Vgl. ebd., 123 f.: »So wichtig das klerikale und humanistische Personen- und In-

Forschungssituation

und

Fragestellung

177

dieser Linie argumentiert auch Mark U. Edwards. Er bindet die mündlichen Kommunikationsformen der Predigt und des Gespräches an das gedruckte Wort zurück, indem er sie als dessen Multiplikatoren charakterisiert. 183 Die entscheidende Rolle des Buchdrucks begründet er zusätzlich damit, daß dieser »a relatively coherent message throughout the German-speaking lands«184 gewährleistet habe. Diese hervorgehobene Position des Buchdrucks wird durch die von einem informationstheoretischen Ansatz her erarbeiteten Untersuchungen Michael Gieseckes zum Umbruch von der skriptographischen zur typographischen Kultur gestützt und fundiert 185 . Giesecke legt umfassend dar, wie das neue Medium innerhalb eines Jahrhunderts seiner Nutzung die Kommunikationsstrukturen revolutionär veränderte 186 . Entscheidend war hierbei, daß die neue Technik nicht lediglich additiv zu den bisherigen Formen der handschriftlichen und mündlichen Kommunikation hinzutrat.Vielmehr mischte sich der Buchdruck in »nahezu alle relevanten Bereiche der traditionellen Informationsverarbeitung und Kommunikation« ein. Dabei bestand der »imperialistische Anspruch der typographischen Medien« darin, die traditionalen Kommunikationsformen formationsnetz auch war, ohne die erst knapp zwei Generationen alte Erfindung des Buchdrucks hätte die reformatorische Wende kaum den engen Kreis von Theologen und Religiösen durchbrochen, der sich von jeher mit theologischen Fragen befaßte, und wäre eine unter zahlreichen anderen mittelalterlichen Häresien geblieben. Gutenberg und Luther — ihr Werk zusammengenommen machte die Reformation erst zu einem welthistorischen Ereignis.« Etwas vorsichtiger formuliert die buchgeschichtliche Darstellung von R E I N H A R D W I T T M A N N , Geschichte des deutschen Buchhandels. Ein Uberblick. München 1991, 43: Das Buch »wurde zum Massenmedium in der Volkssprache. Vielleicht wäre es der Reformation ohne die mächtige Bundesgenossin der Druckerpresse ebenso ergangen wie noch hundert Jahre zuvor der hussitischen Bewegung«. 183 Vgl. EDWARDS, Printing, 1 7 2 184 Ebd. Am Beispiel des reformatorischen Umbruchs in Straßburg, den er auf der Grundlage protestantischer und katholischer Flugschriften zwischen 1518 und 1525 untersucht, wird deutlich, warum Edwards lediglich von >relativer Kohärenz< spricht. Er legt dar, daß zwischen Luthers eigentlichem theologischen Anliegen und der Rezeption seiner Schriften über Jahre hinweg eine deutliche Diskrepanz bestand. Aufgegriffen wurde zwar Luthers Sola-scriptura-Prinzip, nicht jedoch die damit unauflöslich verbundene Lehre von Gesetz und Evangelium sowie das neue Verständnis der Rechtfertigung allein aus dem Glauben und durch Gnade. Gerade auch die Anhänger des Reformators begriffen nur langsam, daß es diese reformatorischen Grunderkenntnisse ausschlössen, das Gesetz erfüllen zu wollen, und zwar nicht nur das menschliche Recht, sondern auch das biblische oder göttliche Gesetz (vgl. ebd., 98-108 u. 172 f.).Von dieser theologischen Position aus hielt Luther es entgegen verbreiteter sozialer Hoffnungen und altgläubiger Vorwürfe für theologisch unzulässig, Politik und gewaltsame politische Aktionen wie im Bauernkrieg mit dem Argument zu rechtfertigen, man handele im Namen biblischen Rechtes (vgl. ebd., 149). 185 Vgl. die bereits in der Einleitung genannten Werke GIESECKE, Buchdruck u. DERS., I n f o r m a t i o n s v e r a r b e i t u n g s p r o g r a m m e . 186

Vgl. GIESECKE, Buchdruck. Für das Folgende einschließlich der Zitate vgl. das Zwischenräume und die perspektivischen, später ausfuhrlich eingelösten Überlegungen ebd., 504 f.

178

Buch und

Öffentlichkeit

zwar weiterhin zu nutzen. Doch mußten sie im »Einflußbereich der Typographie« akzeptieren, daß Wissen und Information nur noch dann »kulturelle Geltung« erlangten, wenn sie in gedruckter Form produziert und verbreitet worden waren. Angesichts dieser Forschungslage sind Darstellungen zum Zusammenhang von Buch und öffentlicher Wirksamkeit Luthers keineswegs überflüssig geworden. Spezielle Untersuchungen wie die von Bernd Moeller belegen, wie ergiebig es ist, die literarische Uberlieferung etwa daraufhin zu befragen, inwiefern sie Aufschluß über »Das Berühmtwerden Luthers« zu geben vermag 1 8 7 . Obgleich Moeller die Beschränkung »auf die literarisch faßbaren Zeugnisse« und die schriftliche Form< ausdrücklich einräumt, kann er die These belegen, »Luthers Berühmtwerden ist in seiner ersten Phase im wesentlichen literarisch vermittelt worden; und es hat am Jahresende 1519 einen ersten Abschluß und eine Wende erreicht.« 188 Auf dieser Interpretationslinie zeigt Werner Lenk, daß Luther das Buch bewußt und gezielt als Mittel zur Durchsetzung seiner Theologie einsetzte. Lenk spricht von einer »Hinwendung zur Öffentlichkeit«, von einer mit »Energie und Zielstrebigkeit« betriebenen »Propagandaarbeit Luthers«, derzufolge sich der Reformator »als ein Stratege der Öffentlichkeitsarbeit« erwies 1 8 9 . Ausweis von »Luthers zielstrebigem R i n g e n um die Eroberung der Öffentlichkeit« 190 sind Lenk Luthers Predigten, die er selbst zur Veröffentlichung bestimmte, sowie ausdrücklich für den Druck vorgesehene und damit auf öffentliche Wirkung bedachte Briefe Luthers 191 . Vor diesem Hintergrund erscheint es sinnvoll, Luther selbst eingehend daraufhin zu befragen, wie er den Zusammenhang von Buch und Öffentlichkeit genauerhin dachte. Eine derartige Untersuchung soll nicht erneut darauf eingehen, daß es möglich ist, von »Luther's press strategy« zu sprechen und »to identify his strategy« 192 . Auch stehen nicht Kongruenzen zur »print mentality« 193 oder »typographie mentality« 1 9 4 zur Rede, die Robert 1 8 7 B E R N D M O E L L E R , Das Berühmtwerden Luthers. In: Zeitschrift für historische Forschung 1 5 . 1 9 8 8 , 6 5 - 9 2 . 188 Ebd., 66. 189 Vgl. W E R N E R LENK, Martin Luthers Kampf um die Öffentlichkeit. In: Martin Luther. Leben, Werk, Wirkung. Hrsg. von Günter Vogler in Zusammenarb. mit Siegfried Hoyer u.Adolf Laube, 2., durchges. Aufl. Berlin [Ost] 1986, 5 3 - 7 1 ; hier: S. 62. 190 Ebd., 64. 191 Vgl. ebd., 62 f. 192

R O B E R T GLEN S W A N S O N , T h e c h a n g i n g w o r d . A m e d i a a n a l y s i s o f t h e w r i t i n g s o f

Martin Luther. 1972. Pittsburgh (Pennsylvania), Univ., Diss., 1972, 95 u. 97. Swanson stützt sich bei der Identifikation dieser »press strategy« - w i e auch die vorgenannten Beiträge Moellers und Lenks - auf die Frühphase der Reformation. Den Kern dieser Strategie sieht er darin, daß »Luther understood the ability of the press to make private papal pressure a matter of public information.« (Ebd., 98). 193 Ebd., 123 u. 125. 194 Ebd., 147.

Die Konstitution von Öffentlichkeit

durch das Buch

179

Glen Swanson zu Luthers Verständnis vom Wort Gottes beobachtet: die Bindung des Wortes Gottes an das geschriebene Buch, die Bibel 1 9 5 , die damit einhergehende »visualist mentality«, »an increased sense o f the visual fostered by the printing press« 196 , und Luthers hierauf gegründeter »strengthened individualism«, ein »biblically-informed individualism«, der »heightened sense o f his own presence as an individual because o f his trust in the truth o f the Word in Scripture.« 197 Es geht vielmehr darum zu rekonstruieren, welches Verständnis Luther von der Öffentlichkeit besaß und wie seine Vorstellung vom Buch mit dieser Auffasung verbunden war. Dabei möchte die Untersuchung über eine funktionale Betrachtungsweise hinausgehen. Angesichts »an overwhelming religious conviction« and »aggressively aware o f the presence o f the press« war das B u c h für Luther mehr als eben nur das seiner Zeit angemessene Mittel im Sinne eines »deliberate and effective use o f the printing press« »as part o f his reform effort« 198 . Es soll die These belegt werden, daß das Buch aus der Sicht des Öffentlichkeitsbegriffes fur Luther nicht nur ein strategisches Mittel, sondern vielmehr ein konstitutiver und integrierender Bestandteil seines reformatorischen Denkens und Wirkens war. 3.2.2.

Die Konstitution

von

im Sinne sozialer Allgemeinheit

Öffentlichkeit durch das Buch

Buch und Öffentlichkeit werden von Luther sachlich und begrifflich eng aufeinander bezogen. Das Buch ist in der Lage und hat die Funktion, Ö f fentlichkeit herzustellen. Dabei ist >öffentlich< für Luther ein sozial qualifizierter Begriff, der allem >heimlichen< Wirken gegenübersteht. Dies zeigt sich etwa, wenn Luther die öffentliche Predigt< der >Winkelpredigt< und >heimlichen Zeremonien< entgegenstellt 199 . Auch die Semantik des Zusammenhanges von Buch und Öffentlichkeit bewegt sich im Rahmen der von Lucian Hölscher rekonstruierten zeitspezifischen Bedeutungsweite des Ö f fentlichkeitsbegriffes 200 . Das Buch kann mit dem Prädikat >öffentlich< chaVgl. ebd., 1 2 5 - 1 2 9 . Ebd., 134 u. 135. 1 9 7 Ebd., 135 u. 137. 1 9 8 Vgl. ebd., 95 u. 99. 1 9 9 Vgl. W A 31 1,210,9 f. Ebd., 2 1 1 , 9 konfrontiert Luther >heimlich< und »öffentlich einander direkt. 2 0 0 LUCIAN HÖLSCHER, Öffentlichkeit und Geheimnis. Eine begriffsgeschichtliche Untersuchung zur Entstehung der Öffentlichkeit in der frühen Neuzeit. Stuttgart 1979 (= Sprache und Geschichte. Bd. 4); vgl. auch: DERS., [Artikel] Öffentlichkeit. In: G G Bd. 4. 1978, 4 1 3 - 4 6 7 u. Ders., [Artikel] Öffentlichkeit. In: Historisches Wörterbuch der Philosophie. Bd. 6. Darmstadt 1 9 8 4 , 1 1 3 4 - 1 1 4 0 . Nach HÖLSCHER, Öffentlichkeit, 1978, 4 1 3 »enthielt das deutsche >öffentlich< .. stets neben dem politisch-sozialen auch einen visuell-intellektuellen Aspekt, der dem Wort eine eigentümliche Bedeutungsambivalenz gab.« Diese charakterisiert HÖLSCHER, Öffentlichkeit, 1984, Sp. 1135 wie folgt: »Das At195

196

180

Buch und

Öffentlichkeit

rakterisiert werden, weil es nach Luthers Vorstellungen Verborgenheit und Heimlichkeit überwindet. Zunächst sind Bücher ein Mittel, die göttliche Wahrheit aus ihrer geheimnisvollen Geborgenheit im Herzen zu heben, sprachlich zu machen und zu öffentlichem Bewußtsein zu bringen. In diesem Sinne stellt Luther in seiner Schrift »Vom Schern Hamphoras u n d vom Geschlecht Christi« von 1543 seiner metaphorischen Buchbegrifflichkeit das reale Buch, die >äußerliche rede< gegenüber: »Nu, von solcher lebendiger Schrifft, j n n das hertz geschrieben, wird man freilich muessen eusserlich reden und ein Buch schreiben, wie Moses von der Schrifft j n n den steinern Tafeln hat muessen ein Buch schreiben, D e n n es wird so wenig u n d viel weniger heimlich zugehen, was dis newe Testament oder Schrifft j n n den hertzen thun wuerde« 2 0 1 . Für die hier zur R e d e stehende realgeschichtliche Perspektive ist es entscheidend, daß das Buch Heimlichkeit im sozialen Sinne in Öffentlichkeit wandelt. Mit dem Buch ist für Luther auch die Ebene gesellschaftlicher Kommunikation angesprochen. Weil sie »unter die Leute komen« 2 0 2 , decken Bücher Geheimnisse auch im Sinne noch nicht allgemein bekannter Sachverhalte auf, machen diese offenbar. Im Gegensatz zum individuellen 2 0 3 , privaten oder vor der Allgemeinheit b e w u ß t abgeschlossenen Informationsaustausch richtet sich das Buch an einen generellen Adressatenkreis, potentiell an j e d e r m a n n . Es ist seiner Bestimmung nach darauf bezogen, Öffentlichkeit im Sinne einer abstrakten sozialen Allgemeinheit zu konstituieren.Wenn Luther den h o h e n Bekanntheitsgrad eines Sachverhaltes unterstreichen möchte, so verweist er auf dessen große öffentliche Verbreitung im Buch und die Möglichkeit, ihn lesend zur Kenntnis zu n e h m e n . Christi Wort, seine Lehre und Predigt, hält er in einer 1532 veröffentlichten Predigt für so »gemein .., das es j d e r m a n im buch geschrieben hat u n d teglich lesen kan« 204 . Durch das Buch k ö n n e n Informationen »frey öffentlichen durch den druck ans liecht« 205 gegeben werden. Mit ihm legt Luther »für Gott und aller wellt rechenschafft u n d antwortt«; hier sind »alle Christliche hertzen« 2 0 6 angesprochen. Durch den D r u c k »mein Bekentnis für aller weit oeffentlich am tage da stehet u n d meine buecher tribut , bis ins 16. Jh. noch vorwiegend adverbiell und erst seither zunehmend auch adjektivisch gebraucht, spielt in solchen Zusammenhängen zwischen der sozialen Bedeutung >vor jedermann< und der metaphorisch auf moralische Werte verweisenden visuellen Bedeutung >klar, deutlich, redlich< hin und her; zu ihm bildet noch nicht >privatheimlich/geheim< den semantischen Gegensatz«. 201 WA 53,619,12-16. 202 Ebd., 217,31. 203 Den individuellen Kontakt charakterisiert Luther als »heimlich«. Hierbei hat er ausdrücklich den handschriftlichen Brief im Auge (vgl. WA 30 11,397,20-26). Dies deutet darauf hin, daß der Aspekt der Privatheit im spätmittelalterlich-frühneuzeitlichen »heimlich« mitgedacht werden konnte. 204 WA 32,305,22 f. 205 Ebd., Z. 25. 206 WA 11,396,5-7.

Die Konstitution

von Öffentlichkeit

durch das Buch

181

gewaltiglich zeugen, mit welchem grossen ernst ich wider den jrthum gestritten habe 207 . Das Buch ist öffentlicher Dienst am Wort Gottes, denn »yhe mehr mans druckt, yhe weytter es leufft und zunympt.« 208 Die Bedeutung sachlicher Auseinandersetzungen und die Ernsthaftigkeit des reformatorischen Bemühens artikulieren sich fiir Luther gerade darin, daß sie mit dem Buch vor den Augen der Öffentlichkeit stattfinden. So kann sich Luther in der Auseinandersetzung um das rechte Abendmahlsverständnis gegen seine Gegner wie Karlstadt und Zwingli mit den Worten wenden: »Sie sind offt gnug, auch ernstlich gnug vermanet von mir und vielen andern, die Buecher sind am tage.«209 Luther ist darauf bedacht, die an die Öffentlichkeit gebrachten Informationen nach Motivation und Inhalt zu unterscheiden und zu bewerten: »Denn sie sind nicht alle rein, die jtzt schreiben, Und wil jderman im Laden feil stehen, nicht das er Christum oder sein geheymnis wolle offenbaren, Sondern sein eigen geheymnis und schoene gedancken, die er über Christi geheimnis helt«210. Die gegen Heimlichkeit und auf Öffentlichkeit gerichtete Aufgabe des Buches besteht somit darin, allgemeingültige, lebensbedeutsame Sachverhalte davor zu bewahren, verschwiegen zu werden oder dem Vergessen anheimzufallen. Dies findet Luther als Bibeltheologe bereits im Handeln des Mose im Alten Testament vorgezeichnet: »Siehe der Suende wil er nicht geschwiegen noch vergessen haben, schreibt sie ins Buch, das sie etlichmal i m j a r öffentlich lesen und hoeren musten« 211 . Das Buch bringt allgemeingültige Inhalte aber nicht nur entgegen aller Heimlichkeit zur Geltung. Es kann auch deren äußere Unverfälschtheit und Gleichförmigkeit garantieren und damit die Verläßlichkeit und Stabilität öffentlicher Kommunikation erhöhen. In Luthers Vorrede zum »Unterricht der Visitatoren an die Pfarrherrn im Kurfürstentum Sachsen« von 1528 heißt es: »So haben S.F.G. den selbigen Unterricht der Visitator an die Pfarherr, welcher im Kurfuerstenthum erstlich ausgangen umb einigkeit, gleichfoermigkeit willen der Lere auch mit den selbigen Worten zu anfang und erster pflantzung des Euangelij im Druck ausgehen lassen, darnach sich mit der Lere in jrem Predigtampt mit den Gottesdiensten und Ceremonien alle Pfarherr, Seelsorger, Diacon, Prediger, Kirchendiener zu richten haben.« 212 Insgesamt wird deutlich, daß die enge Verbindung von Buch und Öffentlichkeit für Luther nicht nur sekundär, sondern konstitutiv ist. Öffentlichkeit ist kein korrelatives, sondern ein zweckhaft integrierendes Moment des Buches, da Bücher prinzipiell auf Öffentlichkeit hin angelegt sind. Sie wol207 208 209 210 211 212

WA 30 111,564,24-27. WA 15,211,6 f. WA 54,141,24 f. Ebd., 217,33-36. WA 28,753,15 f. WA 26,199,9-14.

182

Buch und

Öffentlichkeit

len von vornherein eine überindividuelle, allgemeine Kommunikation bewirken, in welche prinzipiell jeder Interessierte oder Betroffene einbezogen ist. Für den Reformator ist Öffentlichkeit mit dem Buch begriffsnotwendig verbunden. Diesem Öffentlichkeitsverständnis trägt Luther bei seiner Publikationspraxis in besondererWeise Rechnung. Ihm ist bewußt, daß die Öffentlichkeit des Buches durch äußere und ökonomische Faktoren beeinträchtigt werden kann. Daher berücksichtigt er die Bedeutung von Form, Materialität, Gestalt und Warenwert für die Verbreitung des Buches. Luther hält es nicht für sinnvoll, daß seine Bücher in Form dickleibiger, teurer Folianten gedruckt werden: »Ich gehe itz mit vmb, das ich nicht für gut ansehe, das man meine Tomos zusamen drucke. Ursach ist die: Wenn man sie zusamen druckt, so komen sie nur in die bibliothecas, vnd ist nicht jedermans kauff So werden sie nicht gelesen, wie wol ich darnach nicht frage, wenn man sie gleich nicht lisst. Wer keufft itz Augustini opera, wer keufft Erasmi opera? In bibliothecis ligen sie, vnd ob sie schon ein reicher aber etlich keuffen, die vnter vns sein, wie viel lesen sie? Es ist besser, man drucke sie entzeln, so bleibt es vnter dem gemeinen man.« 2 1 3 Bücher, so zeigen diese Gedanken aus Luthers Tischreden, sollen ihre Wirksamkeit nicht nur unter Gelehrten und Gebildeten entfalten. Das Buch ist vielmehr in der Lage und soll dazu beitragen, über diese partiellen Kommunikationsgemeinschaften hinaus alle sozialen Schichten zu erreichen und damit auch den >gemeinen Mann< in einen gesamtgesellschaftlichen Kommunikationsprozeß einzubinden. Die Aufgabe des Buches, Öffentlichkeit zu konstituieren, entspricht damit der im Zusammenhang von B u c h und Bildung erhobenen Zielvorstellung einer allgemeinen Lesefähigkeit, die alle sozialen Gruppen umfaßt. Der auf soziale Allgemeinheit gerichtete Zweck des Buches und die allgemeine Rezeptionsfähigkeit in Form der Lektüre bilden die Struktur des Buches als öffentliches Medium, was Luther auch durch intentionale Hinweise zu seinem schriftstellerischen Schaffen in seinen Schriften selbst zum Ausdruck bringt: » ... wil jtzt erzelen, das jederman in Buechern lesen kan.« 2 1 4 Luthers Option für den Einbezug aller Schichten in die durch Bücher begründete Kommunikationsgemeinschaft läuft nicht auf die Forderung hinaus, daß jedes Buch gleichermaßen zur Lektüre auch für den gemeinen Mann bestimmt sein müsse. Demgegenüber berücksichtigt der Reformator vielmehr durchaus Bildungs- und Verstehensunterschiede. So sieht er etwa in der »Predigt, daß man Kinder zur Schule halten solle« für den >gemeinen Mann< die Lektüre deutscher Bücher vor, wie dargelegt worden ist. Außerdem veröffentlichte Luther nach dem Durchbruch der Reformation zu Beginn der 1520er Jahre weiterhin Werke in lateinischer Sprache oder stimmte ihrem Druck zu. Hierher gehören seine im engeren Sinne theolo213 214

WA 48,706,32-37. WA 50,411,27.

Buch, Öffentlichkeit

und

Wahrheit

183

gisch-fachwissenschaftlichen Arbeiten, etwa die Vorlesungen zu den biblischen Büchern wie zum Beispiel sein 1535 veröffentlichter Galaterkommentar. Die durch das Buch konstituierte Öffentlichkeit unterschied sich für Luther also durchaus im Sinne einer breiten, allgemeinen und einer jeweiligen Fachöffentlichkeit. Luthers nicht weiter differenzierte Rede, mit Büchern frei, öffentlich, vor aller Welt und für jedermann zu sprechen, berücksichtigt diese Unterschiede nicht. Wenn sie dennoch nicht widersprüchlich sein soll, muß sie sowohl die Fachöffentlichkeit als auch die den gemeinen Mann einbeziehende Öffentlichkeit aus einer übergeordneten Perspektive umfassen. Kohärent wird Luthers Verständnis des Zusammenhanges von Buch und Öffentlichkeit dadurch, daß mit dem Buch die institutionelle Begrenzung und Beschränkung des Wissens entfällt. Mit dem Buch werden Information und Wahrheit dem Lernen und der Beurteilung aller Einsichtsfähigen, aller Gläubigen, ihrem Wissen und Gewissen zugerechnet und zugänglich gemacht. Ein konzeptioneller Gegensatz zur Ö f fentlichkeit bestünde darin, Wissen als herrschaftliches Verfügungspotential zu betrachten; Zugang hierzu besäßen nur die weltliche oder religiöse O b rigkeit, das öffentlich legitimierte, das politische, kirchliche oder universitäre Amt. Das Buch richtet sich für Luther demgegenüber potentiell an jedermann. Es liegt in der Konsequenz dieses Ansatzes, daß Luther die Erkenntnisse, die er im theologischen Wissenschaftsbetrieb und in lateinischen Schriften einem Fachpublikum vortrug, in didaktisch reduzierter und zubereiteter Form an die breite Öffentlichkeit brachte. Hier sei neben einer Vielzahl von Luthers deutschen Schriften wiederum besonders auf die Katechismen und ihren theologischen Hintergrund der Rechtfertigungslehre verwiesen 215 . Auf diese Weise wird theologische Erkenntnis einem breiten öffentlichen Publikum zugänglich gemacht. 3.2.3.

Das Buch im Kontext

der öffentlichen

Auseinandersetzung

um die Wahrheit

Bislang konnte gezeigt werden, daß das Buch für Luther Öffentlichkeit im Sinne einer sozialen Kategorie konstituiert und daß es von ihm notwendig als öffentlich identifiziert wird. Mit dieser Sicht verbindet sich Luthers reformatorische Erfahrung, daß sich die evangelische Lehre und Wahrheit im Streit mit anderen religiösen und theologischen Auffassungen befindet. Dieser Streit wird öffentlich ausgetragen, und zwar maßgeblich im Medium des Buches. Die öffentliche Auseinandersetzung mit Hilfe des gedruckten Buches betrachtet der Reformator nicht nur als eine Tatsache, die wohl oder übel in Kauf zu nehmen ist. Vielmehr erachtet er es im Sinne historischer Wahrheit und aktueller Positionsbestimmung auch als nützlich, daß gegnerische Anschauungen durch das Buch in der Öffentlichkeit präsent 215

S. oben S. 162-164.

184

Buch und

Öffentlichkeit

sind. So läßt es sich verhindern, daß etwa die >Papisten< »jre vorige schände kundten zu decken und den Leuten das maul schmiren, als hetten sie nie kein wasser betruebt. Aber es wil u n d sol nicht helffen, Es sind zu viel B u e cher und andere warzeichen vorhanden, auch jre Eigen Decretales u n d Bullen, die lassen sich nicht schmuecken u n d decken« 216 . Gerade die Ö f f e n t lichkeit des Gegners in seinen Büchern bewahrt vor seinen unkontrollierbaren, heimlichen und insofern u m so gefährlicheren Einflußnahmen. Diese Auffassung kann Luther mit Beispielen aus der Kirchengeschichte in metaphorischer, dem Bereich von Gesundheit und Medizin entlehnter R e d e weise veranschaulichen: »Und wenn die heiligen veter der ketzer bucher nicht hetten öffentlich zu lesen bekomen, wie wolten sie yhrer heymlichen gifft, ynn den winckeln gepredigt, begegnet haben und die kirchen da für gewarnet und geschützt haben? M a n mus den schaden und w u n d e n offenen, sol mans heilen. Mit zudecken wirds erger und endlich verzweivelt unmuglich.« 2 1 7 Luther bedient sich dieser Argumentation als historischer Parallele im Brief vom 27. O k t o b e r 1542, mit welchem er den R a t von Basel zu bewegen sucht, das Verbot des Koran aufzuheben. W i e im Falle der von ihm veröffentlichten Schriften seiner altgläubigen Gegner 2 1 8 hält er es für notwendig, »den Christen zu gut, den Turcken zu schaden, d e m teuffel zu verdries, dis buch lassen frey gehen u n d nicht hindern.« 2 1 9 Die im Buch publizierte Lehre der M o h a m m e d a n e r verschafft den Christen die G e w i ß heit, »wie gar wider grewliche lugen des teuffels u n d wie gar für eine reine lere der Christen sie streiten und erbeiten musten«. An der Auseinandersetzung u m das Veröffentlichungsverbot des Koran wird deutlich, daß Luther die Verfügbarkeit gegnerischer Schriften als Aufklärung begreift, die Schutz vor Irrlehren bietet. Dies zeigt sich auch an Luthers grundsätzlicher Auseinandersetzung mit dem Islam im »Libellus de ritu et moribusTurcorum« von 1530. In der öffentlichen Gegenüberstellung von Christentum und M o hammedanismus sieht Luther ein pädagogisches M o m e n t , das der Profilier u n g des christlichen Glaubens dient: »Sed discant religionem Christi aliud esse quam caeremonias et mores Atque Fidem Christi prorsus nihil discernere, utrae caeremoniae, mores et leges sint meliores aut deteriores« 220 . Luther möchte in seiner Sicht >falsche< Bücher nicht durch >gute< in d e m Sinne verdrängen, daß ihre Kenntnisnahme verhindert wird 2 2 1 . Er beabsichtigt im 216

WA 50,361,20-23. WA Br 10,163,75-80 (Nr. 3802). 218 S. oben Abschnitt »1.3.3. Luthers Tätigkeit als Herausgeber und Redaktor«. 219 WA Br 10,162,49-51; das folgende Zitat ebd., Z. 44-46. 220 WA 30 11,207,27-29. 221 Vgl. WA 53,217,32 f. in Verbindung mit 218,4. Hier in Luthers Vorrede zu Johann Spangenbergs »Postilla deutsch für die jungen Christen« heißt es: »Dem nach ich wol gern sehe, das dis und dergleichen Buecher unter die Leute komen, nicht allein, solch geheymnis [... das Christus unser HErr sey ein Geheymnis, Mysterium«, ebd., 216,2f.] zu offenbaren, sondern auch zu verkomen ander mehr falscher Buecher«, ebd., 217,30— 33. WA erläutert Luthers »verkomen« als »verdrängen«. »Verkomen« ist allerdings eher im 217

Buch, Öffentlichkeit

und

Wahrheit

185

Gegenteil, mit vorgängiger publizierter Information wie mit d e m »Libellus« der falschen Lehre zuvorzukommen, hier dem »scandalum Mahometicum«: »Proinde hunc librum etiam hoc altera consilio edimus, ut scandalum M a h o m e t i c u m praeveniremus. C u m enim in vicino nuncTurcam et suam religionem habeamus, m o n e n d i sunt nostri, ne specie religionis illorum et facie m o r u m c o m m o t i aut vilitate nostrae fidei ac m o r u m diffbrmitate ofFensi negent Christum suum et M a h o m e t u m sequantur« 222 . Die öffentliche Warnung bietet den Christen Schutz, gerade weil sie die gegnerische Position zur Kenntnis n i m m t und ihre Irrtümer offenlegt. Die Öffentlichkeit und damit das Buch sind für Luther F o r u m der Wahrheit, auf welchem sich diese durchsetzen kann. Auf diesem Forum tritt die Wahrheit u m so klarer hervor, wenn sie mit dem Irrtum konfrontiert, ihm entgegengesetzt wird. M e h r noch, die Wahrheit wird dadurch gesichert, daß die als Irrtum zu enthüllende gegnerische Auffassung in aller Deutlichkeit ans Licht gebracht und w i derlegt wird. Vehement wehrt sich Luther im »Libellus« gegen das seiner Ansicht nach für die mittelalterlicher Kirche typische Verfahren, die Auseinandersetzung mit d e m Islam in unausgewogener Weise durch einseitige Auswahl der gegnerischen Argumente zu führen: »Quid enim facilius quam palam turpia et inhonesta (quae seipsa confutant) criminari?« 223 Wer der Wahrheit wirklich nützen möchte, dürfe nichts verheimlichen u n d nicht »ex odio, sed ex amore veritatis« schreiben: »Qui enim hostem vituperat tantum et solum turpia et absurda eius criminatur, honesta vero et laudabilia eius tacet, is magis nocet causae quam prosit.« Im Dienste der Wahrheit müsse die gegnerische Position auch in ihrem positiven Anliegen und vollständig mit der eigenen verglichen werden. Dann zeige sich aber sowohl gegenüber den Türken als auch der R ö m i s c h e n Kirche, daß »Christianam religionem longe aliud esse quam bonos mores seu bona opera.« 224 Es gehe nicht an, den Islam seiner Zeremonien und Sitten halber herabzuwürdigen, die Luther an sich u m ihrer »modestia et simplicitas« 225 willen sogar loben und über die der R ö m i s c h e n Kirche stellen kann.Vielmehr sei es n o t w e n dig, deren überlegenen Schein 2 2 6 zu überwinden, die Defizite der islamischen Religion und M o h a m m e d s Zweifel an den zentralen Glaubensaussagen des Christentums öffentlich aufzuzeigen: »Mahometh enim negat Christum esse filium Dei, Negat ipsum m o r t u u m pro nostris peccatis, N e gat ipsum resurrexisse ad vitam nostram, negat Fide in illum remitti peccata Sinne von >zuvorkommen< zu deuten, wie auch das nachfolgende Zitat von 1530 zeigt. Luther möchte sich der Auseinandersetzung mit dem Koran und seinen Lehren öffentlich stellen. >Verdrängen< träfe dann für die inhaltliche Überwindung des Islam zu, aber gerade in öffentlicher Kenntnis seiner Lehren. 222 WA 30 11,207,23-27. 223 Ebd., 205,25-28, auch für das nachfolgende Zitat. 224 Ebd., 206,31 f. im Kontext von ebd., Z. 23-34. 225 Ebd., 206,5 f. 226 Vgl. ebd., 206,12-14.

186

Buch und

Öffentlichkeit

et nos iustificari, Negat ipsum iudicem venturum super vivos et mortuos, licet resurrectionem m o r t u o r u m et diem iudicij credat, Negat Spiritum sanctum, Negat eius dona. His et similibus articulis est munienda conscientia contra caeremonias M a h o m e t h i . His machinis Alkoranus eius confutandus est.« 2 2 7 Im direkten Vergleich, unmittelbar und öffentlich mit der christlichen Wahrheit konfrontiert, im Lichte Jesu Christi und des trinitarischen Gottes, verblaßt die Gesetzesreligion und wird das Gewissen der Christen gestärkt. I m Ergebnis zeigt sich an der Haltung gegenüber dem Koran und dem Islam exemplarisch, daß Luthers Eintreten für das >gute< B u c h und damit für die Wahrheit ein vermitteltes ist. Es erfolgt im Angesicht des f a l schem Buches und sucht dessen der Wahrheit entgegenstehende Aussagen öffentlich zu überwinden. D i e Wahrheit bedarf zwar nicht u m ihrer selbst willen der durch das B u c h konstituierten Öffentlichkeit. Sie nimmt das B u c h aber in Brauch, damit der Irrtum vor aller Welt offenbar wird und sie sich im gesellschaftlichen Kontext Geltung verschaffen und durchsetzen kann. Vor diesem Hintergrund gelingt es Luther, auch die heftigsten und fortwährende Angriffe auf sich und sein reformatorisches Wirken theologisch sinnhaft und somit positiv zu deuten. Das B u c h ist für ihn nicht allein Mittel der Wahrheit. I m sozialen Kontext, vor der Öffentlichkeit, ist es vielmehr wesensmäßig mit der Wahrheit verbunden, weil es eine innere, logische Affinität zur Wahrheit besitzt. Entscheidend ist, daß der Gegner sich überhaupt erst auf die E b e n e des Buches einläßt. Damit setzt er sich unter B e g r ü n dungszwang und akzeptiert die öffentliche Diskussion. Dies zeigt sich zum Beispiel 1541 in Luthers Antwort »Wider Hans Worst« auf die Angriffe Herzog Heinrichs des Jüngeren von Braunschweig-Wolfenbüttel gegen sich selbst und seinen Landesherrn Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen. E i n leitend entgegnet Luther auf Heinrichs »lesterschrift«: »Für mich zwar zureden, hab ichs seer gerne, das solcher art buecher wider mich geschrieben werden, denn es thut mir nicht allein im hertzen, sondern auch in der k n i e kele und fersen sanfft, wenn ich mercke, das durch mich armen, elenden menschen G o t t der H e r r beide, die hellischen und weltlichen Fuersten, also erbittert und unsinnig macht, das sie für bosheit sich zureissen und zubersten wollen, U n d ich die weil unter des Glaubens undVater unsers schatten sitze und lache der Teuffei und seiner schupen in j r e m grossen zorn plerren und zerren, Damit sie doch nichts ausrichten on das sie j r e sache teglich erger und meine (das ist Gottes) sache fordern und besser machen. U n d wenn sie es koenten leiden oder verstehen, wolt ich j n e n dar für gedanckt haben und bitten, da sie on unterlas solche B u e c h e r wider mich schrieben, solch zerren und plerren trieben sampt allen Teuffein in der Hellen. W i e kuend ich sie besser plagen? denn davon werde ich j u n g und frisch, starck

227

Ebd., 207,40-208,4.

Buch, Öffentlichkeit

und

Wahrheit

187

und froelich.« 228 Hier wird deudich, daß sich Luther in den Büchern seiner Gegner persönlich und in seiner Theologie ernstgenommen sieht. Er betrachtet die gegen ihn gerichteten Angriffe als eine Herausforderung, die ihn in seinen Auffassungen bekräftigt und stärkt. Der Hintergrund, vor welchem Luther die gegnerischen Angriffe theologisch verrechnet, ist sein Geschichtsverständnis. Er zeichnet den im Medium des Buches ausgetragenen Konflikt zwischen dem altgläubigen Braunschweiger und sich selbst in die historische Auseinandersetzung zwischen Gott und Teufel ein. Der Kampf Satans gegen Gottes Regiment 2 2 9 läßt Luther den öffentlichen, den Bücherstreit als unausweichlich erachten. In den Büchern artikulieren sich sowohl der öffentliche Angriff auf Gott als auch dessen öffentliche Verteidigung. Anders als das Individuum und der menschliche Wille, die entweder Gottes oder des Teufels sind 230 , unterliegen die Bücher jedoch nur bedingt dieser Dichotomie. Denn sie stehen dem Grunde nach wie auch das Predigtamt nicht auf der Seite der Laster und des Teufels, sondern auf derjenigen der rechten Lehre und der Wahrheit. Der Teufel ist dem Buch und dem Predigtamt prinzipiell feindlich gesonnen, selbst unabhängig davon, ob sie ihm dienen oder den Glauben in rechterWeise verbreiten. Er lehnt Buch und Predigt grundsätzlich ab, weil beide die Gefahr bergen, eine Umkehr vom Bösen zum Guten zu bewirken: »Solchen [den Aposteln und jres ampts nacherben] ist der Teufel sonderlich feind, darumb das sie von ampts wegen müssen öffentlich die laster straffen ... Daher ist der Teuffei nicht allein den fromen Pfarrherrn und Predigern feind, sondern auch den boesen, Dazu allen, die studirn, oder, wie ers nennet, Schreiber werden, Denn er besorget, Ein Schreiber oder gelerter moecht prediger werden, und Ein boeser Pfarrher mochte der mal eins from werden, Der ist j m keins zu leiden jnn seinem reich. Ist auch kein wunder, Denn wo er eitel leyhen behalten mochte, das niemand studiret, so weis er, wie bald beide Pfarrher und bucher zu grund gehen wuerden. Darumb ist er allen gelerten und Schreibern feind, auch die j m nicht schaden, sondern seer mechtiglich dienen, Er mag auch villeicht allen feddern und gensen feind sein, umb der schreibfedder willen, die von den vogeln komen.« 231 Wenn Luther hier dem Buch die Rolle beimißt, dem Teufel und dem Bösen prinzipiell entgegenzustehen, so ergänzt dies den bereits dargestellten Zusammenhang von Buch und Bildung in fundamentaler Weise. Wie die Predigt ist das Buch nicht allein ein Bildungsmittel, welches positiv oder negativ eingesetzt werden kann. In Luthers Sicht ist es vielmehr genuin, das heißt noch unabhängig von jedem konkreten Inhalt, 228

WA 51,469,4 u . Z . 17-30. Vgl. H A N S WALTER KRUMWIEDE, Glaube und Geschichte in der Theologie Luthers. Zur Entstehung des geschichtlichen Denkens in Deutschland. Göttingen 1952 (= Forschungen zur Geschichte und Dogmengeschichte. Bd. 2), 75 f. 230 Vgl. die entsprechenden Passagen in »De servo arbitrio«, etwa WA 18,635 o. ebd., 670. 231 WA 51,406,31 u. 407,18-32. 229

188

Buch und

Öffentlichkeit

dem Bereich von Bildung und Aufklärung zuzurechnen. Dem Buch eignet seinem Wesen nach die Bestimmung zu Öffentlichkeit und zu Aufklärung, damit zu Wahrheit und rechter Lehre. Der Gebrauch des Buches zugunsten des Bösen und falscher Lehre stellt somit einen Mißbrauch dar, der dem Buch seiner grundsätzlichen Bestimmung nach entgegensteht und vom Teufel selbst, dem personifizierten Bösen, als Widerspruch seines Wirkens empfunden wird. Aus dieser geschichtstheologischen Perspektive ist das >böse< Buch Widerspruch seiner selbst. Diese notwendige Verbindung von Buch und Wahrheit in der sozialen Praxis ist für Luthers publizistisches reformatorisches Wirken Rechtfertigung und Verpflichtung. Das eigene schriftstellerische Werk und das der reformatorischen Theologen versteht Luther selbst ausdrücklich als Dienst an der Wahrheit. 1529 schreibt er in »Vom Krieg wider die Türken«, er wolle »mit diesem Buche ... meinen deudschen die warheit so viel mir bewust anzeigen und beide danckbarn und undanckbarn trewlich raten und dienen.« 232 Auch in seiner Vorrede zu Lazarus Spenglers Auszug aus den päpstlichen Rechten wird 1530 deutlich, daß das Buch für ihn öffentlicher Dienst an der Wahrheit ist: Spengler wolle mit seiner Schrift »die warheit ehren und mit solchem buch anzeigen« 233 . Dabei empfindet Luther die schriftstellerische Arbeit oftmals als Belastung, der er nicht aus Neigung, sondern aus Pflicht nachkommt. Auf die sich selbst aus der Perspektive des Lesers vorgelegte Frage: »Warumb lerestu denn mit deinen buechern ynn aller wellt, so du doch allein zu Wittemberg Prediger bist?« antwortet er 1530 mit dem Hinweis auf die Verpflichtung aus seinem theologischen Amt: »Ich habs nie gern gethan,Thu es auch noch nicht gern. Ich bin aber ynn solch ampt erstlich gezwungen und getrieben, da ich Doctor der heiligen schrifft werden muste on meinen danck.« 234 Die öffentliche Verantwortung für die Lehre und die Durchsetzung der Wahrheit im gesellschaftlichen Kontext sind für Luther untrennbar mit dem Buch verknüpft. Pflicht gegenüber und Dienst an der Wahrheit werden auch deutlich, wenn Luther Vorwürfen, mit seinen Schriften gegen Kaiserliches und Reichsrecht zu verstoßen, in einem Brief an seinen Landesherrn Friedrich den Weisen 1523 mit dem Argument der Notwehr begegnet. Die ständigen publizistischen Angriffe seiner altgläubigen Gegner, welche »die Evangelische warheyt verhyndern odder verdrücken« 235 wollten, machten die öffentliche Entgegnung mit Hilfe des Buches unumgänglich. »Ynn schrifftlicher veranttworttüng« müsse er sich seiner »unschuld« zugunsten »der gottlichen Euangelischen warheyt« begeben. Dabei sieht Luther die öffentliche Verteidigung der christlichen Wahrheit und Lehre in Analogie zu Christi Handeln 232 233 234 235

WA WA WA WA

30 30 31 Br

11,148,22-26. 11,219,25. 1,212,6-10. 3,77,99f. (Nr. 618) Für das Folgende vgl. ebd., Z. lOOf.

Buch, Öffentlichkeit

und

Wahrheit

189

gegenüber den Schriftgelehrten in Mt 9,1—8.Wie Christus seine Vollmacht, Sünden zu vergeben, durch die Heilung des Gichtbrüchigen demonstriert habe und insofern »defendit suam doctrinam miraculo. Sic nos, quando defendimus nostram doctrinam, scribimus libros et proponimus clare ob oculos«236. Diese Absicht verfolgt Luther gegenüber seinen theologischen Gegnern wie der Römischen Kirche oder den Zwinglianern mit dem Ziel, deren falsche Positionen zu erweisen und sie des Irrtums zu überfuhren: »Meine buechlin sind am tage, da durch man diesen luegen geist [Zwingli] wol kan uberzeugen« 237 . Historisches Vorbild ist ihm beim Kampf gegen den Irrtum durch das »nutzlich buch, des man nit emperen kan« der Kirchenvater Augustinus. Er habe gezeigt, wie man »die Manicheos niderwarff mit dem Buch ... Item Marcion ist mit dem buch auch nidergeschlagen, also mus mans auch haben wider Turcken und Bapst, der sich auffwirffi wider Christum.« 238 Gegenüber anderen Formen, die eigene Position öffentlich zu verteidigen und durchzusetzen, ist das Buch für Luther geradezu ein der evangelischen Wahrheit adäquater Kontrapunkt. In diesem Sinne stellt er in einer Predigt vom Dezember 1531 die geistliche Autorität des Buches auch der weltlichen Herrschaft und den Ausdrucksformen sozialer Geltung und Macht wie dem Kaiser und den Fürsten, Geld und militärischer Gewalt entgegen: »Quia ipsi haben Gelt, leuthe, buchsen, gewalt etc. Ich habe nicht meher den das buch, papyr und tynten. Summa: qui vult esse Christianus, der tröste sich uff die schrifft. Si quis se consulatus fuerit in Cesare, Principe, sapientia et amicis, szo wirts eyn tancz und hoen esse.« Vor seinen eigenen Werken geht es Luther um die Heilige Schrift, die nicht nur Gewissenstrost vermittelt, sondern von ihm auch als Mittel öffentlicher Verteidigung gegen die genannten Autoritäten vorgestellt wird: »Hunc librum: da mit sol ich mich wheren et nihil habeo aliud solatii quam istum librum papyraceum.« 239 Bei seinem Bemühen, der Wahrheit mit Hilfe des Buches öffentlich zu dienen, registrierte Luther durchaus, daß seine theologischen Gegner gleichfalls mit einer Fülle von Schriften für ihre Ansichten stritten. In der Auseinandersetzung etwa mit den Zwinglianern um das rechte evangelische Abendmahlsverständnis vertraut er jedoch darauf, daß sich seine, die wahre Position durchsetzt. Qualitative Mängel könnten durch Quantität nicht aufgewogen werden: »Fateor, si multos libros scribere est dogma tueri, nimirum illi triumphant etiam super totam Scripturam. Si autem dogma tueri est argumentis solidis pugnare et conscientias securas reddere, verum est, illos necdum unam

236

WA 34 11,333,1-3. WA 26,353,23 f. Vgl. auch WA 31 1,240,19 f. Z u m frühneuhochdeutschen Verständnis von >überzeugen< als >überfiihren, erweisen< vgl. GÖTZE, Frühneuhochdeutsches Glossar. 238 W A 49^49,23 u. ebd., Z. 24-27. 237

239

WA 34 11,486,18-21 u. ebd., 485,2 f.

190

Buch und

Öffentlichkeit

caepisse chartulam scribere.« 240 Verbindet man diesen Gedanken Luthers mit den vorstehenden Ausfuhrungen, so erweist sich, daß Luther den Buchbegriff aus der Perspektive des Zusammenhanges von Buch und Öffentlichkeit mehrschichtig denkt. Einerseits müssen Ideen, intellektuelle Inhalte, Lehre und Wahrheit sich des Buches bedienen, um Verbreitung zu finden. Mit dem Buch ist der Sachverhalt präsent, daß zwischen Norm und gesellschaftlicher Realität, konkret zwischen evangelischer Wahrheit im Verständnis Luthers und den tatsächlichen Ausprägungen von Glaube und Religion eine Differenz besteht. Diesem Defizit gegenüber ist das Buch für Luther das notwendig auf Öffentlichkeit hin angelegte Mittel, die Wahrheit durchzusetzen. Es vermittelt insofern zwischen der Wahrheit selbst und ihrer Akzeptanz durch Individuen und Gruppen. In Luthers Vorstellung spiegelt sich somit die gegenüber dem Mittelalter veränderte Situation, daß der Grundkonsens über die Wahrheit zerbrochen und einem Streit über deren rechtes Verständnis gewichen ist. Dies hat Bernd Moeller zu der These veranlaßt, die Reformatoren gebrauchten das Buch ganz dafür, »Meinungen, Uberzeugungen, die wahre Wahrheit gegen die gültige Wahrheit zu verbreiten.« 241 Andererseits wird dieser realgeschichtliche Umstand durch Luthers normative Vorstellungen vom B u c h modifiziert. Aus theologischer Perspektive steht nicht Wahrheit gegen Wahrheit, wahre gegen gültige Wahrheit, sondern die eine, evangelische, von der Schrift bezeugte und aus ihr erhobene Wahrheit gegen den Irrtum. Die evangelische Freiheit, gegründet in der Dialektik von Gesetz und Evangelium, unterscheidet sich fundamental von der Gesetzesreligion, welche sich für Luther etwa in der Römischen Kirche und ihren Rechtsbüchern, im Judentum sowie im Islam und seinem Koran konkretisiert. W i e nicht Wahrheit gegen Wahrheit stehen kann, so ist es aus Luthers Sicht der öffentlichen Auseinandersetzung auch nicht denkbar, die eigene Position lediglich als Uberzeugung und Meinung zu charakterisieren. Die eigene Auffassung ist ganz Wahrheit. Sie steht der Theologie der Gegner sachlich und mit dem Buch >vor aller Weltgut< und >böse< Geltung. Dieser normative Aspekt wird allerdings zum bestimmenden M o m e n t des Buches, wenn Luther den gegnerischen Schriften unabhängig von ihrer realen Präsenz den Buchcharakter abspricht, wie gerade am Einwand gegen das Schreiben vieler Bücher durch die Zwinglianer deutlich wurde. Hierbei handelt es sich keineswegs nur um eine polemische Einlassung. Luther trägt vielmehr den zuvor erhobenen grundsätzlichen Auffassungen Rechnung: Das B u c h konstituiert Öffent240

WA

241

MOELLER, Stadt, 3 1 .

19,4734-4.

Freiheit und Begrenzung

des Buches bei Luther

191

lichkeit als soziale Allgemeinheit und ist dabei wesensmäßig so eng mit der Wahrheit verbunden, daß das böse Buch einen Widerspruch in sich selbst darstellt. Böse, der Wahrheit entgegenstehende Schriften sind nicht nur ihr Papier nicht wert, sondern machen in Wahrheit überhaupt noch kein Buch: »Verum est, illos necdum unam caepisse chartulam scribere.« Bücher, denen es um die Wahrheit geht, sind nicht lediglich Medien, die Informationen über die Wahrheit transportieren, sich dieser selbst gegenüber aber neutral verhalten. Sie verkörpern vielmehr Wahrheit, indem sie die in der Heiligen Schrift selbst liegende Zweckbestimmung realisieren, öffentlich zu werden. In diesem Sinne heißt es in der Hauspostille von 1544, daß »die Biblia selb am tage ist, mit viler gelerter leutte reichen und nuetzlichen büchern.« 2 4 2

3.3. Freiheit und Begrenzung

des Buches bei Luther

Luthers im Vorhergehenden dargelegte Werturteile über das Buch und seine Bedeutung für die öffentliche Verbreitung der Wahrheit berühren aus der Sicht der Moderne und der Gegenwart grundsätzliche Prinzipien der öffentlichen Kommunikation. Es stellt sich die Frage nach Freiheit und Toleranz oder aber nach Beschränkung und Reglementierung bei der Publikation von Büchern in Luthers Sicht. In der gerade vorgetragenen R e d e vom bösen Buch, das im eigentlichen Sinne gar kein Buch zu nennen sei, deutet sich eine immanente Begrenzung des Mediums an, welche für die gesellschaftliche Realität eher auf eine Tendenz Luthers zu Eingriffen ins Buchwesen hinauslaufen könnte. D e n n in irgendeiner Weise, so steht zu vermuten, sollte den als böse erkannten und gekennzeichneten Büchern doch begegnet werden. Demgegenüber ist der Freiheitsbegriffnach wie vor konstitutiv für die Reformation und ihr heutiges Verständnis. So urteilt Heinz Schilling über die reformatorische Buchpraxis und ihren geistigen Hintergrund: »Luther und die anderen Reformatoren legten alle Scheu vor dem neuen Medium ab und machten es zum Instrument evangelischer Verkündigung — gemäß der Freiheit und dem allgemeinen Priestertum des Christenmenschen.« 2 4 3 Es ist zwar unbestreitbar, daß für Luther die christliche Freiheit ein unverzichtbares Element christlicher Existenz und Lehre gewesen ist. Bedeutet dies aber auch, daß der Reformator ein Anwalt der Publikationsfreiheit, des freien Meinungsstreites und der freien Meinungsäußerung mit Hilfe des Buches gewesen ist? Schon Luthers Lob der Buchdruckerkunst 2 4 4 zeigt, daß seine prinzipiell positive Auffassung vom Buchdruck die Begrenzung des Mediums nicht 242

WA 52,2,6 f. S C H I L L I N G , Aufbruch, 1 2 8 . 244 So der Titel der Schrift: O T T O C L E M E N , Luthers Lob der Buchdruckerkunst. Zur 500-Jahrfeier der Erfindung der Buchdruckerkunst. Zwickau (Sachsen) 1939. 243

192

Freiheit und Begrenzung

des Buches hei Luther

nur nicht ausschloß, sondern in sich trug 2 4 5 . Luther betrachtet den Buchdruck, die >typographia< oder >chalcographiawahren Religion 4 3 7 ; 2 f. (Nr. 4697).

Luthers

Buchkritik

193

des Reformators mit Büchern verfahren werden soll, die gegen das Evangelium und die wahre christliche Religion gerichtet waren, letztlich also mit bösen, in Luthers Sicht dem Charakter des Buches widersprechenden Büchern. Die aufgeworfenen Fragen sollen im folgenden beantwortet werden, indem gezeigt wird, wodurch die Freiheit des Buches und des Buchdrucks bei Luther begrenzt ist. Diese Begrenzung soll in zwei Schritten dargestellt werden. Die notwendige Voraussetzung dafür, den Buchdruck trotz einer im Grunde positiven Haltung zum Medium überhaupt einschränken zu wollen, besteht in einer kritischen Haltung gegenüber bestimmten Erscheinungsformen des Buches. Zuerst wird daher die Luthersche Buchkritik näher in den Blick genommen. Im Anschluß hieran ist darzulegen, welche einschränkenden Konsequenzen Luthers Buchskepsis für seine Haltung gegenüber dem Druck und dem Buch in der gesellschaftlichen Praxis hat. 3.3. i. Luthers

Buchkritik

Luthers Buchkritik läßt sich unter einer Perspektive ausziehen, welche andere skeptische Aspekte gegenüber Büchern bündelt. Ein Problem, das von Luther immer wieder angesprochen wird, ist das der Menge der Bücher. Die Masse und Vielfalt der gedruckten Werke zeichnet seiner Ansicht nach die Gegenwart gegenüber der Vergangenheit aus. Noch 1539 hält er die gestiegene Buchproduktion mit den Worten für ein neuartiges Phänomen, es habe »angefangen zu schneien und zu regenen mit Buechern und Meistern« 249 . Nicht ohne Ironie verweist er zugleich auf die Konsequenzen dieserVeränderung:Von diesen >Büchern und Meistern< liegen bereits viele da »vergessen und verwesen, das man auch jrer Namen nicht mehr gedenckt, die doch freilich gehofft, sie wurden ewiglich auffdem Marckt veil sein und Kirchen meistern.« Der quantitative Aspekt wird für Luther zum Ansatz der Kritik, weil die große Menge von Büchern für ihn ein untrügliches Zeichen von Defiziten und Mängeln ist. Dabei bedient er sich gerne des Predigers Salomo als Gewährsmann. Dessen berühmte Warnung Koh 12,12, »faciendi plures libros nullus est finis«, »des vielen Büchermachens ist kein Ende«, ist Luther eine geläufige Wendung, um sein Unbehagen zu bekunden, immer neue Bücher zu veröffentlichen, auch seine eigenen 250 . An guten Büchern könne man eigentlich nicht genug haben, doch: »Der guten buecher aber ist noch nie keyn mal zuvil gewesen und noch nit.«251 Die hier zum Ausdruck gebrachte Zeitdiagnose ist eindeutig: Es fehlt an guten Büchern. Mehr noch, die wenigen guten Bücher sehen sich einer Flut schlech249

WA 50,658,8 f. und Z. 9-12 für das folgende Zitat. Vgl. WATr 4,477, 8 f. par. Z. 30 (Nr. 4763); WA Tr 5,661,25 (Nr. 6439); WA 2,576,20; 54,3,15 f. 251 WA 54,3,25 f. 250

194

Freiheit und Begrenzung

des Buches bei Luther

ter Literatur gegenüber. Diese negative Sicht der zeitgenössischen Buchproduktion vermittelt Luthers vergleichend-quantifizierende Einschätzung bei der Auslegung zu Koh 12,12 in seiner 1526 gehaltenen Vorlesung z u m Prediger Salomo, welche 1532 unter dem Sachtitel »Ecclesiastes Salomonis c u m annotationibus D.M.Lutheri« veröffentlicht wurde: »Fit enim, ut c u m unus bonus liber editur, edandur et decem alii mali, sicut et nobis contingit.« 252 Im einzelnen richtet sich Luthers Kritik an der Fülle schlechter Bücher gegen Mängel des Buchinhaltes oft in Verbindung mit charakterlicher Schwäche der Autoren. Wenn Luther von »unzeyttigen buechern« 2 5 3 spricht, n i m m t er seine eigenen Werke nicht aus. Ihnen fehle es an Gelehrsamkeit und Erfahrung 2 5 4 . Schlimmer noch sei allerdings die bereits angedeutete persönliche R u h m s u c h t vieler Autoren 2 5 5 . Sie gehe zu Lasten der Verantwortung für die kirchliche Lehre u n d die Heilige Schrift. Diese Verfasser »nit den n a m m e n des Herren (wie Mose), sunder jhren eygnen n a m m e n preisen woellen, nitt dahin sehen, wie die Kirch jhrer leer gebessert oder die schrifft verklaeret werde, sundern wie sy da moegen auff dem marckt feyl stehn unnd gerhuempt werden.« 256 D o c h , so setzt Luther hier 1543 nach langen Jahren der Erfahrung im U m g a n g mit Büchern fort, derartiger persönlicher Ehrgeiz zahle sich nicht aus: »Welchen es zuletst geht wie dem unzeyttigen obs, welches unter den b e ü m e n die sew fressen, ehe es halb reiffwirt, wie wir dise dreissig jar seer vil buecher gesehen, deren doch keins mehr inn gedaechtniß oder vorhanden ist.« Entschieden wendet sich Luther besonders gegen die große Zahl der Bücher, die von der rechten christlichen Lehre abweichen. Angesichts der durch ihn und die R e f o r m a t i o n ans Licht gebrachten Wahrheit der Heiligen Schrift u n d des Glaubens hat er hier altgläubige oder auch die Bücher der radikalen R e f o r m a t i o n , der Schwärmer oder der R e f o r m i e r t e n im Visier. Verärgert wirft er 1528 den papsttreuen Geistlichen vor, sie verführten die Gläubigen durch ihr zahlreiches Schrifttum, obwohl er schon seit Jahren die >Hauptartikel unseres Glaubens< bekanntgemacht habe: »Denn die Papisten, ob sie tausent buechlein schreiben, so sinds doch ymer die alten, faulen merlin, die ich fuer sieben iaren verlegt [widerlegt] habe, u n d sehe noch 252

WA 20,200,15-17. WA 54,3,17 f. 254 Vgl. ebd., Z. 18. In Formulierungen dieser Art wie auch in der Skepsis gegenüber der Veröffentlichung seiner Werke als Gesamtausgabe (s. oben S. 49-53) spiegelt sich der permanente Publikationsdruck, unter welchem Luther zeitlebens stand. Dieser nötigte ihn fallweise und situationsbezogen zu schreiben und zu veröffentlichen. Luther fand kaum die Zeit, Werke gewissermaßen aus einem Guß zu verfassen. Wenn dies wie bei »De servo arbitrio« oder bei seinen Katechismen gelang, so bewertete er sie auch entsprechend positiv (s. oben S. 51). 255 Vgl. WA Tr 4,432 f. (Nr. 4691) incl. der Parallelüberlieferung des Johannes Aurifaber nach der Ausgabe FB von Karl Eduard Förstemann u. Ernst Bindseil. 256 WA 54,3,18-25 auch für das folgende Zitat. 253

Luthers

Buchkritik

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nichts, das sie aus der schrifft da widder bringen, denn yhrer kirchen gewalt: da hust ich aufFund las sie faren« 257 . Es geht nach Luther nicht an, nach wie vor auf eine Lehre u n d auf Schriften zu setzen, die die Gewissen des Kirchenvolkes verwirren u n d den Glauben schwächen. In diesem Sinne mahnt er mit Blick auf die Beichte die 1530 auf dem Augsburger Reichstag versammelten romtreuen Theologen: »Da sind ewr buecher noch vorhanden, darinn j h r die Beicht gesetzt und geleret habt. Welche ich für der grossesten plagen eine rechne auff erden, damit j h r aller weit gewissen verwirret, so viel seelen verzweifeln gemacht und aller menschen glauben an Christo geschwecht u n d gedempfft habt, D e n n j h r habt uns gar nichts vom trost der absolution gesagt, welche das heubtstueck und das beste j n n der Beicht ist, die auch den glauben u n d vertrawen an Christo stercket.« 258 Ahnliche Vorbehalte hegte Luther gegen solches Schrifttum aus dem protestantischen Bereich, das abweichende Lehrmeinungen und damit in seinem Sinne Glaubensirrtümer verbreitete. Ganz unter dem Eindruck der im Verlauf des Bauernkrieges propagierten radikalreformatorischen Forderungen u n d Parolen klagt er in der vormittaglichen Predigt vom 24. Juni 1525: »Es rottet sich allenthalben und komen secten auff, das wort wird verunreynt u n d so gar verdunckelt, das wyrs kaum erkennen, so wenig ist yhr, die das wort recht behalten« 259 . Die Gefährdung des >reinen< Gotteswortes erscheint ihm bereits der Zahl nach greifbar: »Wieviel ist yhr wol, die ytzt alle woellen buecher schreyben, unter welchen kaum drey odder vier sind, die das Gottis wort reyne füren?« 260 An seiner innerprotestantischen Kritik läßt sich überdies verdeutlichen, daß Luther bei Gefahr für die reine evangelische Lehre das quantitative Argument dazu verwenden kann, gegnerische Schriften polemisch in Bausch und Bogen abzuqualifizieren. Im besonders erbittert geführten Streit u m das rechte Verständnis des Abendmahls in der zweiten Hälfte der 1520er Jahre wird die Quantität für Luther geradezu zum Charakteristikum eines Schrifttums, das in der Sache irrt. Dies zeigte sich bereits an Luthers ironischer Bemerkung im 1526 an den Straßburger Drucker und Verleger J o hannes Herwagen gerichteten Brief: Trotz ihrer vielen Bücher hätten die Zwinglianer inhaltlich betrachtet noch nicht begonnen, auch nur ein >Blättchen< zu schreiben 2 6 1 . Luther wirft den ironisch als >Schwärmern< oder >Schwarmgeistern< 262 bezeichneten Anhängern Zwingiis vor, sich seiner Argumentation überhaupt nicht zu stellen. Sie trachteten vielmehr danach, 257

WA 26,564,2-5. WA 30 11,287,23-29. 259 WA 17 1,288,27-29. 260 Ebd., Z. 25-27. 261 Vgl. WA 19,473,1-4 (s. Zitat oben S. 189 f. 262 Vgl. den Titel der Schrift aus dem Jahre 1527 »Daß diese Worte Christi (Das ist mein Leib etc) noch fest stehen wider die Schwarmgeister«, in welcher Luther auch den Begriff >Schwärmer< verwendet, vgl. z.B. WA 23,71,29. 258

196

Freiheit und Begrenzung

des Buches bei Luther

sich lediglich durch die M e n g e ihrer Publikationen gegen die von Luther vertretene wahre Auffassung vom Abendmahl durchzusetzen: »Und stellen yhr sachen nuer auffviel buecher schreiben und papyr beklicken [beklecksen].« 263 Ihr »unnuetz gepleuder« folge dem irrigen Verfahren, »viel speyen und unnuetze buecher schreiben sey recht antworten« 2 6 4 . Damit betrüge man die Gläubigen, Luther spricht von den »armen Leuten* 265 . Überdies verstießen die Anhänger der schweizerischen Abendmahlslehre mit dieser Haltung gegen die intellektuelle Redlichkeit u n d die Verantwortung des theologischen Autors gegen Gott: »Ah wehe und aber wehe allen unsern lerern u n d buchschreibern, die also sicher daher faren und speyen eraus alles, was yhn yns maul feilet, und sehen nicht zuvor einen gedancken zehen mal an, ob er auch recht sey für Gott« 266 . Luthers quantitative Buchskepsis richtet sich aber nicht nur direkt gegen die M e n g e derjenigen Bücher, die abweichende, irrige Lehrmeinungen vertritt u n d von daher für das Wort Gottes und schließlich für das Kirchenvolk eine Gefahr darstellt. Die Quantität der Bücher birgt für den R e f o r mator darüber hinaus ein noch schwerwiegenderes Problem. Die große A n zahl ist ihm ein Indiz für die weit verbreitete Distanz zur Heiligen Schrift: »Dan wo mher bucher, yh weiter von der scrifft.« 267 An dieser in den Scholien zur Genesis 1519—1521 bei der Exegese vorgetragenen Vorstellung orientiert sich Luther auch für seine Zeit. Im religiösen Bereich betrachtet er die M e n g e der Bücher als eine Konsequenz dessen, daß es den Menschen am Glauben mangelt, wie er 1519 mit Blick auf die Buße feststellt: »Wo aber der glaub nit ist, do ist keyn rew, beicht, gnugthuung gnugsam, und da her flissen ß o vill bucher und lere von der rew, beicht unnd gnugthuung« 2 6 8 . Eine analoge Argumentation Luthers findet sich auch für das weltliche Z u sammenleben. Besonders das wirtschaftliche Handeln erfordere »unzählig viele Bücherbegrabenprobare< deutet j e d o c h an, daß er nicht allein gewissermaßen von der Nachfrageseite aus denkt. Er scheint vielmehr andererseits auch die Angebotsseite im Blick zu haben u n d somit eine vorgängige Prüfung von Literatur nicht auszuschließen. Zieht man weitere Ä u ß e r u n gen heran, so zeigt sich, daß für Luther die quantitative Begrenzung religiö278

»... epiikian esse necessario adhibendam ad leges« (ebd., Z. 32f.). Vgl. ebd., Z. 25-28. 280 Vgl. ebd., Z. 31 f. 281 Die Vorstellung, daß die Vielfalt der Lebensverhältnisse dann, wenn die Menschen sich nicht am Liebesgebot orientieren, eine nicht abreißende Produktion von Gesetzen und Büchern nach sich ziehe, findet sich bereits im exegetischen Werk des jüngeren reformatorischen Luther. In der Schrift »In epistolam Pauli ad Galatas M. Lutheri commentarius« heißt es 1519 bei der Auslegung von Gal 5,14 »Omnis enim lex in uno sermone impletur: Diliges proximum tuum sicut te ipsum« (zitiert nach: WA 2,575,29 f.): »Nempe multa sunt, quae erga homines invicem fieri possunt tot sensibus, tot membris, tot obiectis, tot casibus, ita ut legum et librorum faciendorum non sit finis: quantis enim praeceptis sola indiget lingual quantis oculi! quantis aures! quantis manus! quantis gustus! quantis tactus! deinde, quantis res familiaris! quantis amici!« (Ebd., 576,18-22). 282 WA 10 1/1,627,16-21. 283 WA 43,94,8 f. u . Z . 13 f. 279

Luthers

Buchkritik

199

ser Literatur durch Selbst- und äußere Beschränkung ein vertrauter Gedanke war. Da das Studium theologischer Schriften letztlich nur von der Heiligen Schrift her Sinn macht und zu ihrer Lektüre fuhren soll, heißt es 1520 »An den christlichen Adel« unmißverständlich: »Die theologische bucher must man auch wenigem und erleszen die besten« 284 . Selbst- und äußere Beschränkung sind dem Reformator geradezu ein Denkmuster, das sich aus eigener historisch-politischer Anschauung und biblischer Exegese nährt und stabilisiert. Dies zeigt sich in der bereits herangezogenen Vorlesung zum Prediger Salomo. Bei der exegetischen Auseinandersetzung mit der vielzitierten Schriftstelle Koh 12,12 »Und über dem allen, mein Sohn, laß dich warnen; denn des vielen Büchermachens ist kein Ende, und viel Studieren macht den Leib müde« erhebt Luther die beständige Zunahme der Bücher als Problem und findet zugleich die Begrenzung als Lösung. In einer für ihn typischen Weise der Schriftauslegung scheinen Gegenwart und biblische Vergangenheit miteinander zu verschmelzen. Die zwinglischen Gegner im Abendmahlsstreit vor Augen geht Luthers aktuelle Warnung und Mahnung dahin, Studium und Lektüre selbst zu kontrollieren und zu konzentrieren: »Iste, inquam, est fructus horum librorum perturbare conscientias et vexare populos. Ideo persistendum est et manendum in dogmate unius doctoris. Uni adhaerendum est aut paucis, qui veram formam doctrinae habent. R e liquos cave, qui tantum hoc agunt, ut videantur aliquid novi attulisse et doctiores habeantur aliis, ut nunc Sacramentarii et similes.«285 Zugleich deutet er die alttestamentlichen Zeitverhältnisse, die im Schrifttext im einzelnen überhaupt nicht greifbar werden, im Sinne seiner eigenen zeitgenössischen Erfahrungen. Er projiziert die seit der Einführung des Buchdruckes gehandhabte und mit der Reformation zunehmend verschärfte obrigkeitliche Überwachung des Buchwesens 286 in die Auslegung des Predigers Salomo: »Et ex hoc loco coniicio fuisse aliquos ordinatos in isto populo, quorum officium erat relegere libros et veras historias, quas digererent in annales Haebraeorum, et reliquos in ordinem redigerent, ut sie facerent libris authoritatem et approbarent, qui digni essent lectu.« 287 Indem Luther hier auf 284

WA 6,461,1. WA 20,201,29-34. 286 Vgl. U L R I C H E I S E N H A R D T , Die kaiserliche Aufsicht über Buchdruck, Buchhandel und Presse im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation (1496—1806). Ein Beitrag zur Geschichte der Bücher- und Pressezensur. Karlsruhe 1970 (= Studien und Quellen zur Geschichte des deutschen Verfassungsrechts. Reihe A, Studien. Bd. 3), 4-6. Für die Zeit bis 1515 vgl. auch H E I N R I C H L A C K M A N N , Die kirchliche Bücherzensur nach geltendem kanonischem Recht. Unter Berücksichtigung ihrer geschichtlichen Entwicklung und der heutigen Reformgedanken. Köln 1962 (= Arbeiten aus dem BibliothekarLehrinstitut des Landes Nordrhein-Westfalen. Bd. 20), 13-15. Einen allgemeinen historischen Uberblick mit literaturgeschichtlichem Schwerpunkt bietet D I E T E R B R E U E R , Geschichte der literarischen Zensur in Deutschland. Heidelberg 1982 (= Uni-Taschenbücher. Bd. 1208). 287 WA 20,199,32-36. 285

200

Freiheit und Begrenzung

des Buches bei Luther

amtliche Buchaufsicht u n d - a p p r o b a t i o n abstellt, sind seine Ä u ß e r u n g e n mindestens so erhellend f ü r seine grundsätzliche Einstellung zur Kontrolle des Buchwesens wie f ü r das Verständnis von K o h 12,12. D e n n nicht n u r die D i k t i o n ist von Wohlwollen u n d Z u s t i m m u n g flir M a ß n a h m e n u n d Verfahrensweisen geprägt, solchen B ü c h e r n Autorität u n d Ansehen zu verleihen, >welche der Lektüre wert seieninfoelicitas h u m a n a e naturae< 291 wehrte. 3.3.2.

Luthers Haltung gegenüber Eingriffen ins Buchwesen

Die im folgenden thematisierte Frage nach Eingriffen ins B u c h w e s e n ist außerordentlich weit gefaßt. Dies entspricht der Vielfalt von Aussagen, mit d e n e n sich L u t h e r zu R e s t r i k t i o n e n im Z u s a m m e n h a n g mit B ü c h e r n g e äußert hat. Sowohl die Quellenlage als auch die bislang entwickelte P r o blemstellung lassen es allerdings als sinnvoll erscheinen, die U n t e r s u c h u n g exemplarisch auf die f ü r L u t h e r zentralen Aspekte zuzuspitzen. U m die Bandbreite des P h ä n o m e n s i m m e r h i n aufzuzeigen, seien zwei Gesichtsp u n k t e erwähnt, die an dieser Stelle nicht weiter verfolgt w e r d e n . N ä h e r eingegangen w u r d e bereits auf den N a c h d r u c k . 2 9 2 Prinzipiell stand L u t h e r diesem zeitüblichen Verfahren nicht negativ gegenüber, zumal es erheblich zur Verbreitung der R e f o r m a t i o n beitrug. Selbstbeschränkung u n d im A u s 288

Ebd., 199,28. S. a. unten Abschnitt »3.3.2.2. Luthers Haltung zur Zensur«. WA 43,93,39 f. In Anton Lauterbachs Tagebuch aus dem Jahr 1538 wird eine Tischrede Luthers sogar mit dem Satz überschrieben: »Multitudine librorum ecclesia obruitur.« [WATr 4,84,36 (Nr. 4025)]. 290 Terminologische Nachweise s. oben S. 86, Fußnote 106. 291 Vgl. WA 20,201,21. 292 S. oben S. 38-40. 289

Luthers

Haltung

gegenüber

Eingriffen

ins

Buchwesen

201

nahmefall Verbote verlangte er nur, wenn der vorschnelle Nachdruck in Fällen aufwendiger Buchproduktionen wie bei Ausgaben der Heiligen Schrift oder der Postillen den Originaldruckern die Möglichkeit entzog, ihre Bücher überhaupt noch abzusetzen. Luthers Haltung war also restriktiv, um hohe vorgängige Investitionen des Erstdrucks vor dem weit kostengünstigeren Nachdruck zu schützen. Diese sozialethische Begründung entwikkelte Luther nicht abstrakt und generell. Sie war für ihn vielmehr aus den historisch-praktischen Erfordernissen der Reformation erwachsen. Er mußte die Wittenberger Drucker vor ökonomischen Gefahren schützen, da er auf sie im Zuge der öffentlichen Auseinandersetzung mit der Römischen Kirche dringend angewiesen war. Im weiteren Sinne ließe sich auch mit Blick auf eine Form der Restriktion von Eingriffen ins Buchwesen sprechen, die 1543 in der härtesten von Luthers Judenschriften, in »Von den Juden und ihren Lügen« begegnet. Die einschränkenden Forderungen des alten Luther sind hier nur mittelbar auf die Bücher selbst oder den Buchdruck, primär auf den Besitz an Büchern gerichtet. Den Juden soll als einer unter den Christen lebenden, andersgläubigen Minderheit gezielt das religiöse Schrifttum entzogen werden: »Das man jnen alle jre Buecher neme, Betbuecher,Thalmudisten, auch die gantze Bibel, und nicht ein blat liesse, und verwaret auff die, so sich bekereten, Denn sie des alles brauchen zu lestern den Son Gottes, das ist: Gott selbs den Vater, Schepffer Himels und der Erden (wie gesagt ist) und Werdens nimer mehr anders brauchen.« 293 Bereits gedruckte und verbreitete Literatur und selbst die Heilige Schrift im nachhinein zu konfiszieren war ein für Luther außergewöhnliches Verlangen. Hier in seinen letzten Lebensjahren motivierte sich dies aus seiner endzeitlichen Sorge um das Evangelium 294 . Generell zeigt sich jedoch, daß religiöse Uberzeugungen und theologische Positionen erhebliche Konsequenzen für die Einstellung des Reformators zur Freiheit des Buches besaßen und auch scharfe Restriktionen nicht ausschlössen. Diese Problemlage bestätigt sich und wird fortgeführt, wenn im Gefolge der Untersuchungen zu Luthers Buchskepsis danach gefragt wird, welche Haltung Luther im allgemeinen gegenüber mißliebiger Literatur eingenommen hat, die bereits erschienen war, sich im Druck befand oder zur Veröffentlichung vorgesehen war. Als Ausgangspunkt bieten sich hier die Auseinandersetzungen der 1520er Jahre an. In diesem Jahrzehnt, in welchem sich die noch junge reformatorische Bewegung politisch und rechtlich erst zu formieren begann, war Luther mehrfach gezwungen, zu Fragen der Verbreitung von Schriften Position zu beziehen. Aus situativen Stellungnahmen läßt sich Aufschluß über seine grundsätzliche Einstellung zu Ein293

WA 53,536,29-33. Vgl. HEIKO A. OBERMAN, Luthers Beziehungen zu den Juden. Ahnen und Geahndete. In: Leben und Werk, 519-530; besonders 527-529. 294

202

Freiheit und Begrenzung des Buches bei Luther

griffen ins Buchwesen gewinnen, zumal wenn sie mit weiteren einzelnen Äußerungen auch aus späteren Jahren korreliert werden. Im Anschluß an diese Rekonstruktion wird es dann möglich sein, zur eingangs aufgeworfenen Problematik der Freiheit von Meinungsstreit und Meinungsäußerung bei Luther Stellung zu nehmen. B e i Luthers Auseinandersetzung mit mißliebiger Literatur treten zwei Formen der Restriktion deutlich zutage. Z u m einen finden sich bei ihm Äußerungen zur Vernichtung von Schriften. Zum anderen befürwortet er eine amtliche Kontrolle des Buchwesens. Mit Blick auf beide Phänomene ist nach den historisch-situativen Umständen und der Zeitgebundenheit, nach Beweggründen und Intentionen sowie nach der konkreten Ausgestaltung der jeweiligen Einrichtung und getroffenen Maßnahme zu fragen. 3.3.2.1.

Luthers

Haltung

zur Vernichtung

von

Büchern

Luthers Auffassung zur Vernichtung von Büchern wird aus der Haltung deutlich, die er gegenüber den gegen ihn gerichteten päpstlichen Zwangsmaßnahmen des Jahres 1520 einnahm. Weithin bekannt ist die Tatsache, daß er in diesem Zusammenhang persönlich an der Verbrennung von Büchern mitwirkte. Vorbereitet durch den Luthermitarbeiter und Universitätsdozenten Johann Agricola wurden am 10. Dezember vor dem Elstertor der Stadt Wittenberg lutherfeindliche und aus dem Geist der scholastischen Theologie verfaßte Werke in Anwesenheit von Lehrenden und Studenten der Universität Wittenberg auf den Scheiterhaufen geworfen 295 . Neben einigen Schriften der in vorderster Linie gegen die reformatorische Bewegung streitenden altgläubigen Theologen Hieronymus Emser und Johannes Eck handelte es sich insbesondere um das Kanonische R e c h t . Es sollten also diejenigen geistlichen Rechtsbücher getroffen werden, in welchen sich die Römische Kirche und ihr päpstliches R e g i m e n t manifestierten. Luther selbst übergab die hierauf gegründete, gegen ihn, den opponierenden Augustinermönch, ausgestellte Bannandrohungsbulle Papst Leos X . dem Feuer 2 9 6 . 2 9 5 Vgl. BRECHT, Martin Luther, Bd. 1, 4 0 3 - 4 0 6 . Grundlegend ist nach wie vor der Aufsatz von HEINRICH BOEHMER, Luther und der 10. Dezember 1520. In: LuJ 2/3. 1920/1921, 7—53; dieser kleinen Spezialuntersuchung ist weithin verpflichtet HANS BESCHORNER, Die sogenannte Bannbulle und ihre angebliche Verbrennung durch Luther am 10. Dezember 1520. In: Forschungen aus mitteldeutschen Archiven. Z u m 60. G e burtstag von Hellmuth Kretzschmar. Hrsg. von d. Staatlichen Archiwerwaltung im Staatssekretariat für Innere Angelegenheiten. 1. Aufl. Berlin [Ost] 1953 (= Schriftenreihe der Staatlichen Archivverwaltung im Staatssekretariat flir Innere Angelegenheiten, B e r lin [Ost]). Bd. 3), 3 1 5 - 3 2 7 . 2 9 6 Noch am 10. Dezember unterrichtet Luther seinen Freund, den Hofprediger und Berater Kurfürst Friedrich des Weisen, Georg Spalatin von der Verbrennung. In seinem B r i e f benennt er auch die verbrannten Schriften, vgl. W A B r 2,234,4—10 (Nr. 361). Bei der Bannandrohungsbulle handelte es sich nach BESCHORNER, Bannbulle, 3 2 3 u.

Luthers Haltung zur Vernichtung von Büchern

203

Die eigenhändige Verbrennung von Büchern stellte ein einmaliges Ereignis in Luthers Leben dar, das in einer Situation extremer kirchlich-politischer und persönlicher Spannungen stattfand. Dennoch läßt sich daraus auch mit Hilfe von Äußerungen aus späteren Jahren rekonstruieren, welche Einstellung der Reformator zur Vernichtung von Büchern im allgemeinen einnahm. Betrachtet man zunächst die situativen Aspekte, so sah sich Luther im Dezember 1520 individual- und sozialpsychologisch in eine Lage gedrängt, die ein weithin sichtbares öffentliches Zeichen der Selbstbehauptung und des Bekenntnisses zum Evangelium von ihm verlangte. Der auf wenige Sätze beschränkte, geradezu geschäftsmäßige Bericht Luthers im Schreiben an Spalatin vom 10. Dezember täuscht über die Anspannung hinweg, in der sich Luther befunden hatte. Dies zeigt ein B r i e f des R e f o r m a tors vom 14. Januar 1521 an den ihm vertrauten Johannes Staupitz, seinen ehemaligen Ordensvorgesetzten und Beichtvater. Hier offenbart Luther die seelische Erregung, in welcher er sich bei der Bücherverbrennung befunden hatte: »Exussi libros papae et bullam, primum trepidus et orans«; im nachhinein schlägt diese ins Gebet treibende Angst in das Hochgefühl um, einen entscheidenden Befreiungsschlag gefuhrt zu haben: Luther fährt fort: »sed nunc laetior, quam ullo alio totius vitae meae facto.« 297 Luthers psychologischer Zustand wird zum einen daraus verständlich, daß er mit dem Verbrennen des Kanonischen Rechts und der Papstbulle bewußt, vor aller Welt und damit endgültig, weil unumkehrbar, den Bruch mit den auch von ihm lange akzeptierten kirchlichen Autoritäten und Traditionen vollzog. Z u m anderen war er sich darüber im klaren, daß die rechtsförmige Drohung mit dem päpstlichen Bann mit Lebensgefahr für ihn verbunden war, zumal seine Bücher bereits in Löwen, Köln und Mainz verbrannt worden waren 2 9 8 . D i e se Vernichtung seiner Schriften nötigte ihn geradezu zu einer Gegenaktion, wie seine Rechtfertigungsschrift »Warum des Papstes und seiner Jünger Bücher von D.M.Luther verbrannt sind« 299 noch aus dem Dezember 1520 belegt. Ausdrücklich weist Luther daraufhin, daß nicht der unüberbrückbare religiöse Gegensatz und der öffentliche, publizistische Streit mit den v e r stocktem, >verhärteten< und unbelehrbaren Papisten Anlaß für das Wittenberger Autodafe gewesen sei. Ausschlaggebend seien vielmehr die Zwangsmaßnahmen nach Rechtsform und Konsequenzen gewesen, mit welchen die Papstkirche Luthers Wirken zu unterbinden trachtete: Man hatte begonnen, »die Evangelische lere« zu »vordamnen« und zu »vorprennen« 300 . Diese Aktionen des Papstes und der »Bepstischen vorfürer« 301 hatten nach 321 wohl um eines von vielleicht 5 0 0 0 bis 6 0 0 0 Exemplaren, die im Druck erschienen waren. 2 9 7 W A B r 2,245,17 f. (Nr. 366). 2 9 8 Vgl. ebd., Z. 13 f. u. ebd., 2 4 6 , 2 8 f. 299 WA 7,161-182. 3 0 0 Ebd., 163. 3 0 1 Ebd., 163,2.

204

Freiheit und Begrenzung

des Buches bei

Luther

Luthers Einschätzung verheerende Konsequenzen für die evangelische Wahrheit, weil sie offenbar Eindruck auf das einfache Volk machten: »Die weyll dann durch yhr solch buecher vorprennen der warheyt eyn groß nachteyl u n d bey dem schlechten [einfachen] gemeynenn volck eyn wahn da durch erfolgen mocht zu vieler seelen vorterbenn, Hab ich, durch anregen (wie ich hoff) des geystes, die selbenn zu sterckenn unnd erhaltenn, der widdersacher buecher w i d d e r u m b vorprennet, angesehenn yhr unhoeffliche besserunge.« 302 Bei der Wittenberger Verbrennung handelte es sich somit nicht einfach u m eine Vergeltungsmaßnahme, sondern u m einen öffentlichen, auf breite psychologische W i r k u n g bedachten Akt der N o t - und Gegenwehr zum Schutz der Wahrheit u n d zur R e t t u n g der Seelen. Selbst in H ä n d e n der Papstkirche, die sich eigentlich auf dem R ü c k z u g befand, hatte das Feuer gegen Luthers Bücher seine symbolträchtige W i r k u n g entfaltet, u n d zwar gegen die reformatorische Bewegung. Als sich Luther selbst seiner bediente, geriet ganz Deutschland gegen die R ö m i s c h e Kirche in hellen Aufruhr, wie der päpstliche Legat Hieronymus Aleander nach R o m meldete 3 0 3 . Durch den Bruch mit der alten Kirche, einem geradezu unerhörten Akt, demonstrierte Luther unter Einsatz seines Lebens eine Kampfesbereitschaft, die seine und seiner Lehre Glaubwürdigkeit auf breiter sozialer Basis garantierte. Das Verbrennen der päpstlichen Bücher hatte somit in einer konkreten historischen Situation zur Folge, die reformatorische Bewegung gegen die Papstkirche zu sammeln und »durch anregen des geystes« sozialpsychologisch zu integrieren. Für die Frage nach Luthers grundsätzlicher Einstellung zur Vernichtung von Büchern läßt sich bislang das eine festhalten: Wenn es u m den Bestand der rechten christlichen Lehre und u m die R e t t u n g der Seelen geht, ist eine derart extreme M a ß n a h m e gestattet. D o c h läßt sich Luthers Handeln nicht nur aus der außergewöhnlichen Situation begreifen, die nach einem außergewöhnlichen Mittel der Massenbeeinflussung verlangte. Luther hielt es auch im allgemeinen für zulässig, daß >irrige< Bücher zu verbrennen seien: »Libros erroneos exurendos esse consentio et probo« 304 . Dabei versteht er unter irrigen Büchern solche, die in Glaubensfragen schwerwiegende Irrtümer aufweisen. Das ergibt sich nicht nur nach Gegenstand u n d Charakter der hier zitierten Streitschrift gegen den Löwener Theologieprofessor Jacobus Latomus aus dem Jahr 1521, der >confutatio< oder >Widerlegung des Latomusveritaswilde< Aktionen darstellten, um einen modernen Begriff zu wählen. Demgegenüber war die Vernichtung von Literatur für ihn an besondere sachliche und verfahrensmäßige Bedingungen geknüpft. Insbesondere war es für ihn unabdingbar, daß die für die Verbrennung geltend gemachte Irrtümlichkeit des Buches nicht nur behauptet, sondern auch nachgewiesen wurde. So hält er es 1520 in seiner

WA 7,162,5-7. M i t der Ausweitung der Schriftenproduktion durch den B u c h d r u c k schritten die O b r i g k e i t e n verstärkt mit öffentlichen Bücherverbrennungen gegen unliebsames Schrifttum ein. Bullen aus den Jahren 1 4 8 7 , 1 5 0 1 und 1 5 1 5 machten Schriftenverbrennungen zum Gegenstand päpstlicher Forderungen und R e g e l u n g e n [vgl. H E R M A N N RAFETSEDER, Bücherverbrennungen. D i e öffentliche H i n r i c h t u n g von Schriften i m historischen Wandel. W i e n , K ö l n , Graz 1 9 8 8 (= Kulturstudien. B d . 12), 1 4 2 - 1 4 5 ] , 306 307

308 309 310

W A B r 2 , 2 7 0 , 1 4 f . (Nr. 3 7 8 ) . Vgl. BRECHT, Martin Luther, B d . 1 , 2 0 2 . W A B r 1 , 1 5 5 , 3 5 (Nr. 6 4 ) .

206

Freiheit und Begrenzung des Buches bei Luther

lateinischen Verteidigungsschrift gegen die Vorwürfe der Bannandrohungsbulle für leichtfertig und unverantwortlich, daß man in Löwen und K ö l n aufgrund theologischer Entscheidungen seine B ü c h e r verdammt und verbrannt hatte, ohne sie zuvor argumentativ widerlegt zu haben: »Nam ii prae caeteris habent zelum dei, sed non secundum scientiam. . . . Q u i d enim facilius est quam libros, quos redarguere non possis, exurere?« 3 1 1 Ahnlich äußert sich Luther am 10. D e z e m b e r 1 5 2 0 gegenüber Spalatin. M i t der W i t t e n b e r ger Verbrennungsaktion habe man den Papisten auch zeigen wollen, wie einfach es sei, Schriften zu vernichten, anstatt sie zu widerlegen: » . . . ut videant incendiarii Papistae non esse magnarum virium libros exurere, quos confutare non possunt.« 3 1 2 D e r Brand der päpstlichen B ü c h e r k ö n n e verdeutlichen, so Luther in seiner >Confutatio< gegen den Löwener Professor Jacobus Latomus an die päpstlichen T h e o l o g e n insgesamt gewandt, daß es weder Kunst noch Scharfsinn verlange, Papier zu vernichten: » . . . ut viderent Magistri nostri, non esse artis neque ingenii, papyrum exurere.« D e n n für sich k o m m t dem Feuer keine Kraft als Beweismittel zu: »Ignis .. non solvit argumenta.« 3 1 3 D i e Verbrennung kann lediglich die Konsequenz einer vorhergehenden inhaltlichen Widerlegung sein, welche die B ü c h e r am Maßstab der Wahrheit verworfen hat 3 1 4 . I m Gegensatz zum Vorgehen gegen seine Schriften stand für Luther außer Frage, daß er sachlich berechtigt gewesen war, die päpstlichen und antireformatorischen B ü c h e r vor den Toren Wittenbergs zu verbrennen. A u ß e r d e m sei der Irrtum der päpstlichen und scholastischen T h e o l o g i e durch ihn in hinreichender Weise bewiesen worden, nämlich besonders durch seine Publikationen. D e m g e g e n ü b e r k ö n n t e n sich seine G e g n e r nicht auf Unwissenheit berufen und seien verstockt. Seiner rechtfertigenden Schrift v o m D e z e m b e r 1 5 2 0 zufolge stand für ihn fest, »das der Pabst und die Bepstischen vorfurer nit alleyn yrreten und vorfureten, sondern nach vielen vorgebenß von myr geschehenen unterrichtungenn ynn yhrem unchristlichen y r t h u m und seel vorterbenn alßo gar vorstockt und vorharttet seynn, das sie nit alleyn nit wollen sich weysen n o c h leren lassen, sondern blind hynn mit vorstopfften oren und äugen die Evangelische lere vordamnen und vorprennen, yhr Endchristische teufHische lere zu bestetigen und erhalten.« 3 1 5 Diese Passage wirft die Frage auf, inwieweit Luther ein bestimmtes Verfahren für notwendig hielt, u m Schriften des Irrtums zu überführen und sie dann zu verbrennen. In seinem Fall, bei der Wittenberger Bücherverbrennung von 1520, hielt er offenbar den Irrtum der päpstlich-scholastischen

311 312 313 3,4 315

WA 7,94,24-27. WA Br 2,234,8-10 (Nr. 361). WA 8,52,13-15. Vgl. ebd., Z. 15 f. WA 7,163,2-8.

Luthers Haltung

zur Vernichtung von

Büchern

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Theologie dadurch für nachgewiesen, daß er ihr öffentlich in Disputationen und besonders mit seinen überall bekannten populären wie gelehrten theologischen Schriften entgegengetreten war. Ein rechtlich geregeltes, verwaltungs- und gerichtsförmiges Verfahren konnte gegen die römische T h e o logie und das Kanonische R e c h t natürlich nicht geführt werden; dazu hätte die mittelalterliche kirchliche Rechtsordnung Mittel bereitstellen müssen, sich selbst grundsätzlich in Frage zu stellen. Abgesehen von dieser Ausnahmekonstellation hielt Luther M a ß n a h m e n zur Vernichtung von Büchern aber nur dann für zulässig, wenn sie auf geordnetem Wege zustande kamen. Als zentrales rechtliches Argument fuhrt er gegen die Verbrennung der Tetzelschen Thesen durch die Wittenberger Studenten ins Feld, sie habe ohne Wissen »Principe, Senatu, Rectore, denique omnibus nobis« 316 stattgefunden. Offenbar mangelte es den Studenten unabhängig von der sachlichen Kompetenz an der notwendigen akademischen und institutionellen Legitimation. Dies zeigen auch andere Ä u ß e r u n g e n Luthers. Er selbst rechtfertigt die Wittenberger Verbrennung von 1520 damit, nicht nur ein getaufter Christ zu sein, sondern »Datzu eyn geschworner Doctor der heyligen schrifft, Ubir das ein teglicher prediger, dem seynis namenß, stands, eydiß und ampts halben gepurt, falsch vorfurische, unchristliche lere zuvortilgen odder yhe wehren.« 317 Diese aus seiner amtlichen Stellung folgende Aufgabe, gegen falsche Lehre vorzugehen, betrachtet Luther ausdrücklich als »pflicht« 318 . In derselben Schrift bezweifelt Luther, daß sich die ihm feindlich gesonnenen Altgläubigen, insbesondere die Kölner und Löwener Theologen, auf einen Befehl des Papstes oder des Kaisers berufen konnten, seine Schriften zu verbrennen 3 1 9 . Auch hier wird deutlich: Ganz unabhängig davon, ob Papst und Kaiser sachlich richtig entschieden hätten und ob Luther dieses Urteil über seine Schriften theologisch hätte akzeptieren können: O h n e obrigkeitliche Autorität und Legitimität war ein gewaltsames Vorgehen gegen Bücher für Luther nicht denkbar. Seiner Ansicht nach war die Stellung der Obrigkeit allerdings so auszugestalten, daß im konkreten Fall ein an R e c h t und Gerechtigkeit orientiertes Urteil zustande k o m m e n konnte. Das wird an den Vorstellungen deutlich, die Luther 1521 gegenüber seinem Landesherrn Friedrich dem Weisen mit Blick darauf geltend machte, wie der Kaiser seine, die Luthersache behandeln solle. Die bisherige Verbrennung seiner Schriften hielt er schon deshalb für nicht rechtens, weil er bislang »unverhört u n d unuberwunden« 3 2 0 geblieben sei. Luther forderte somit ein rechtsförmiges Verfahren, in welchem dem B e schuldigten die Gelegenheit eingeräumt werden mußte, die eigene Position argumentativ frei darlegen zu können. Z u diesen Gerechtigkeitserfordernis316 317 318 319 320

WA Br 1,155,33 f. (Nr. 64). WA 7,162,8-11. Ebd., Z. 12. Vgl. ebd., 163,9-164,2. WA Br 2,254,36 (Nr. 371).

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Freiheit und Begrenzung

des Buches bei

Luther

sen gehörte es auch, daß Luther ein >Verhör< verlangte, das o h n e Ansehung der Person allein an der Sache orientiert war. Er verlangte, daß seine Sache »frommen u n d gelehrten, verständigen, unverdächtigen und christlichen Männern, geistlichen und weltlichen, die in der Biblien wohl gegründet und Verstand und Unterscheid der gottlichen und menschlichen Gesetze u n d Gebote haben und wissen, zusampt mir mit Fleiß zu verhören, b e f o h len werd« 321 . Auch wenn sich aus Luthers fallweisen Ä u ß e r u n g e n nicht alle Details über die Organisation, das Vorgehen und die Zuständigkeiten ermitteln lassen, so bleibt dennoch generell festzuhalten: Bücher zu vernichten oder zu >vertilgen< war für Luther nicht als ein spontaner Akt im politischkirchlichen K a m p f u n d im täglichen Streit der M e i n u n g e n denkbar. Gegen Willkür setzte er auf Rechtsförmigkeit und die Autorität der Heiligen Schrift, die ein gerechtes und inhaltlich richtiges Urteil verbürgen sollten. In der Praxis maß er hierbei den Universitäten und der biblisch begründeten Theologie eine bedeutsame Rolle zu. Es gibt keine Anzeichen dafür, daß Luther diese seine grundsätzliche P o sition aus den frühen Jahren der R e f o r m a t i o n später geändert hätte. Ende der 1530er Jahre finden sich noch einmal einzelne Äußerungen zu B ü c h e r verbrennungen, aus denen sich aber keine abweichenden generellen Aussagen über Gegenstand und Verfahren bei Büchervernichtungen ableiten lassen. Sie richten sich wie in den frühen 1520er Jahren gegen den Papst oder gegen Bücher, die der Sache des Papstes nützten. A u f g r u n d der veränderten historischen Bedingungen ist Luthers Haltung aber nicht mehr durch eine Situation der N o t w e h r und das B e m ü h e n gekennzeichnet, die Vernichtung päpstlicher Literatur zu rechtfertigen. Vielmehr greift er jetzt frontal an und fordert in scharfer Polemik, der Papst solle »alle seine Bullen, Decret, B u e cher vom Ablas, vom Fegfeur, Kloesterey, Heiligendienst, Walfarten sampt allen unzeligen luegen u n d Abgoettereyen verdamnen und verbrennen« 3 2 2 ; sie stünden dem Glauben an Christus entgegen. Diese aggressive, kämpferische Forderung in »Von den Konziliis und Kirchen« 323 von 1539 ist Ausdruck einer mit dieser Schrift endgültigen Position gegenüber dem Papsttum. Sie hatte sich bei Luther im Verlauf der Auseinandersetzungen u m ein gemeinkirchliches Konzil in den 1530er Jahren herausgebildet. In einer derartigen Kirchenversammlung sah Luther nur dann noch Nutzen, wenn sie die päpstlichen Gesetze abschaffte. Zugleich blieb in der von der G e meinde her konzipierten Kirche für das Papsttum und sein R e g i m e n t kein Platz mehr 3 2 4 . Schon in den >Schmalkaldischen Artikeln< hatte Luther 1536 321

Ebd., Z. 27-30. WA 50,621,25-27. Ähnlich, mit dem Papst aber wieder als Objekt, heißt es in einer Predigt aus dem Frühjahr 1538: »Man solte alle bucher des Bapsts zu aschen verbrennen, Denn sie haben nicht gottes gebot darinnen, sondern menschen tandt« (WA 46,279,25 f.; vgl. auch ebd., 279,6). 323 WA 50,509-653. 324 Vgl. BRECHT, Martin Luther, Bd. 3, 196-198. 322

Luthers Haltung zur Vernichtung von Büchern

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vor dem Papst als >Endchrist< oder >Widerchrist< gewarnt, insofern dieser das Seelenheil der Gläubigen mit der Frage verband, daß ihm das R e g i m e n t in der Kirche zustehe. Nach den »Konziliis und Kirchen« hatte sich der Papst schließlich selbst aus der Kirche ausgeschlossen 325 . Von dieser Haltung her wird es verständlich, daß Luthers Polemik auch vor der Person des Papstes nicht Halt machte. In zwei Predigten aus den Jahren 1538 und 1539 wünscht er nicht nur die päpstlichen Bücher, sondern auch den Papst selbst ins Feuer. 1538 heißt es: »Drumb sollen alle Juristen die Decretal und O b servantz, wie es heist, verbrennen mit dem Bapst, den es stehen nur gebot wider gott darinne, das er auch sagt, er hab gewalt über Gottes wort.« 3 2 6 Und am 23. März 1539 verlangt er mit Bezug auf die päpstliche R e c h t s sammlung der Dekretalen: »Man sol Buch, Bapst und Schueler mit fewer verbrennen.« 327 In diesen Äußerungen wird man kein generelles Plädoyer Luthers dafür sehen können, über Bücher hinaus auch Menschen zu verbrennen. Seine beiden in der mündlichen Ansprache gefallenen Worte, vor dem Hintergrund des durch den Papst immer wieder herausgeschobenen Konzils 3 2 8 gesprochen, blieben vielmehr auf den Papst beschränkt; und den Papst zu verwünschen bedeutete für Luther zu diesem Zeitpunkt, eben nicht nur jemanden zu treffen, der nicht mehr Mitglied der Christenheit war, sondern denjenigen Usurpator kirchlicher Gewalt, der auf der Seite des Teufels stand und Satans Sache gegen die Kirche und ihr alleiniges Haupt Christus betrieb 3 2 9 . Blickt man aufsein eigenes Handeln und seine Argumente zurück, durch die er Bücherverbrennungen legitimiert sah, so stellt sich abschließend die Frage, welchen Sinn Luther darin sah, Schriften nicht nur für irrig zu erklären, sondern zu vernichten, dem Feuer zu überantworten. Ganz allgemein verband er mit der Verbrennung von Büchern die Vorstellung, auf diese Weise dem religiösen Irrtum in besondererWeise begegnen zu können. Im einzelnen bedient sich Luther hierbei zwar auch magischer Sprache; diese tritt j e d o c h im Ganzen gegenüber konventionellen und insbesondere gegenüber rationalen Motivationen zurück. Magische R e d e und konventionelle Vorstellungen verbinden sich, wenn Luther auch mit Blick auf Act 19,19 auf den Brauch rekurriert, >vergiftete< und >böse< Schriften verbrennen zu wollen. Der Begrifflichkeit nach tritt hier die Vorstellung zutage, das Feuer könne eine gewissermaßen reinigende Wirkung entfalten. In dieselbe Richtung weist die Begründung vom Dezember 1520, mit dem Feuer f a l sche, unchristliche und verführerische Lehre vertilgen< zu wollen. B e i näherem Zusehen sind derartige Formulierungen für Luther jedoch nicht von 3 2 5 Vgl. HUBERT KIRCHNER, Luther und das Papsttum. In: Leben und Werk, 4 4 1 456; hier: S. 4 5 3 f.

326 327 328 329

W

A 47,455,36-38.

W A 4 7 , 6 9 1 , 2 f. Vgl. auch für Luthers Reaktionen BRECHT, Martin Luther, Bd. 3, 1 8 9 - 1 9 4 . Vgl. KIRCHNER, Luther, 453 f.

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Freiheit und Begrenzung

des Buches bei Luther

der Vorstellung bestimmt, es bestehe eine gewissermaßen umgreifende Seinssphäre zwischen den verbrannten Büchern und ihren Inhalten, die der Mensch rituell beeinflussen könne. Er glaubte nicht, in irgendeinem substantiellen Sinne durch das Feuer die irrige und angegriffene Lehre selbst zu treffen. Luthers Position ist hier durch eine auffällige Distanz gekennzeichnet. Ausdrücklich betrachtet er die Bücherverbrennung lediglich als einen >alten, hergekommenen Brauchgemeine Volk< hatte. Gerade weil das Volk der Magie des Feuers offenbar erlegen war, bediente er sich dann selbst dieses Mittels, und zwar mit erheblichem Erfolg. Er handelte somit 1520 aus sozialpsychologischer Rationalität. Ihm ging es u m die öffentliche Wirkung, den demonstrativen Akt, darum, Verteidigungs- und Kampfesbereitschaft sowie letzten Einsatzwillen vor der Öffentlichkeit zu beweisen. Aus Einsicht in die psychologische Wirkung, welche die papstkirchlichen Verbrennungen seiner Schriften hatten, folgerte Luther, einen gleichen Akt dagegen setzen zu müssen. Auf diese Weise sollten die altgläubigen Angriffe abgewehrt und die eigenen R e i h e n mobilisiert und integriert werden. Luthers grundsätzliche Einstellung geht also dahin, mit der Verbrennung von Büchern nicht die Sache direkt, sondern vermittelt durch die Vorstellungen anderer treffen zu können. Diese zweckrationale Haltung unterscheidet streng zwischen den in den Büchern artikulierten Inhalten und den Büchern selbst. In diesem Sinne verwendet Luther die oben erwähnte Wendung: >ignis n o n solvit argumentaSubstituten< und »Verordnetem [vgl. Edikt Karls V. gegen Luther und seine Anhänger, Worms, 8. Mai 1521. In: DEUTSCHE REICHSTAGSAKTEN unter Kaiser KarlV. Bearb. von Adolf Wrede. Gotha 1896 (= Deutsche Reichstagsakten. Jüngere R e i h e . Bd. 2), 6 4 0 - 6 5 9 , hier: S. 658, Z. 1 - 1 3 ] , 3 3 6 W A 12,65,19—21. Die Wittenberger Universität hatte 1522 eine Zensurkommission eingesetzt, ohne deren Zustimmung die städtischen Drucker keine Druckwerke ausgehen lassen durften (vgl. »Schreiben der Universität an Kurfürst Friedrich. 1522, 27. April«. In: HERMANN BARGE, Andreas Bodenstein von Karlstadt. Bd. 1 - 2 . Leipzig 1905; hier: Bd. 2. Karlstadt als Vorkämpfer des laienchristlichen Puritanismus, 562 f. Vgl. auch den kleinen Beitrag von OTTO CLEMEN, Einführung der Zensur in Wittenberg 1522. Nachdruck aus: Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel (1905). In: Otto Clemen, Kleine Schriften zur Reformationsgeschichte ( 1 8 9 7 - 1 9 4 4 ) . Hrsg. von Ernst Koch. R e print aus Exemplaren u. Sonderdrucken d. Ratsschulbibliothek Zwickau u. anderer B i bliotheken. Bd. 1 - 9 . Leipzig 1 9 8 2 - 1 9 8 8 , Bd. 8 . 1 9 8 7 , 1 7 f. 337

WA 12,65,24-26.

Luthers Haltung zur Zensur

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zu leisten: »Am end soll yderman auff eyn mal wissen, das alles, was mit meynem wissen und willen aus gehet, das solchs zuvor durch die, so sich gepuert, besichtigt ist, wie nicht alleyn Keyserlichs, sondern auch unser Universitet befelh und Ordnung ynnhellt.« 338 Einen positiven Nebeneffekt der Zensur sieht Luther im abschließenden Satz darin, sich nunmehr gewissermaßen amtlich beglaubigt von Veröffentlichungen distanzieren zu k ö n nen, die ohne sein Wissen in seinem Namen herausgegeben worden sind: »Was aber hynder myr anderswo ausgehet, soll myr billich nicht zue gerechnet werden.« Luther unterwarf sich aber nicht nur selbst der Zensur. Darüber hinaus erkannte er die Vorzensur schon in den frühen Jahren der Reformation als ein Mittel, die evangelische Lehre auch gegen abweichende Auffassungen im protestantischen Lager zu verteidigen. Das wird an der Auseinandersetzung mit seinem widerspenstigen Kollegen Andreas Bodenstein von Karlstadt deutlich. Der von der Wittenberger Universität verdrängte Karlstadt hatte im Sommer 1523 im thüringischen Orlamünde eine Anstellung als Pfarrvikar gefunden 3 3 9 . Seine theologischen Ansichten, in denen Luther einen »Rückfall in alttestamentliche, mittelalterliche Werkgerechtigkeit sah« 340 , veröffentlichte er im nahegelegenen Jena. Hier hatte der Erfurter Drucker Michael Buchführer eine neue Presse eingerichtet 3 4 1 . Mit zwei Briefen vom 14. Januar 1524 versuchte Luther darauf hinzuwirken, daß der Kurfürst das Zensurgebot gegenüber Karlstadt anwandte. Zu diesem Zweck setzte er zum einen den mit den theologischen Streitigkeiten vertrauten Hoftheologen und Berater des Kurfürsten Georg Spalatin von Karlstadts publizistischen Vorhaben in Kenntnis: »Carlstadius non cessat more suo: institutis novis typis Ihene edidit & adhuc 18 libros edet, vt dicitur.« 342 Zum anderen bezeichnete er es gegenüber dem kurfürstlich-sächsischen Kanzler Gregor Brück als eine Schande für die Fürsten und die Universität, daß sich Karlstadt trotz des kaiserlichen Ediktes der Zensur entzogen habe. Daher sollten die Fürsten Karlstadt zur vorherigen Beurteilung seiner Schriften veranlassen: »Agant ergo principes, ut sua, quae edere volet, sub iudicium prius mittat, quorum principes voluerint, aut desistat, ne principes et nos omnes male audiamus et laesae fidei datae arguamur.« 343 Auch nach dem reformatorischen Umbruch in der ersten Hälfte der 1520er Jahre hat sich Luthers zustimmende Haltung zur amtlichen Vorzensur im Grundsatz nicht verändert. Ohne noch zum Problem an sich Stellung zu nehmen, wandte er seine prinzipielle Auffassung ganz selbstverständlich in unterschiedlichen Kontexten und Situationen an. Dies belegen 338 339 340 341 342 343

WA 12,142,8-12, auch für das nachfolgende Zitat. Vgl. BARGE, Andreas Bodenstein von Karlstadt, Bd. 2, 97 ff. Vgl. ebd., 104. Vgl. ebd., 100f. WA Br 3,234,5 f. (Nr. 705). Ebd., 2 3 3 , 2 5 - 2 8 (Nr. 703).

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Freiheit und Begrenzung des Buches hei Luther

Beispiele aus seiner Korrespondenz. So zeigt er sich in einem B r i e f vom September 1529 darüber verwundert, daß in Hessen ein >Büchlein< habe >ausgegeben< werden können, mit welchem nicht nur er und Philipp M e lanchthon »aufs höhest beschweret« 3 4 4 , sondern auch der Römische König und österreichische Erzherzog sowie der Schwäbische Bund aufs heftigste attackiert worden seien 3 4 5 . Im selben Jahr fordert Luther Herzog Heinrich V. von Mecklenburg auf, er möge den Brüdern vom gemeinsamen Leben verbieten, sein Neues Testament sächsischer Sprache in der Ausgabe seines altgläubigen Gegners Hieronymus Emser mit dessen >giftigen Zusätzen, Glossen und Annotationen in R o s t o c k zu drucken 3 4 6 . Schon wenige Tage vorher, am 23. November 1529, hatte Luther zusätzlich seinen Landesherrn Kurfürst Johann den Beständigen ersucht, den mecklenburgischen Fürsten zu dieser Zensurmaßnahme zu bewegen 3 4 7 . Nachdem sich die Reformation konsolidiert hatte, zeigen sich Änderungen in Luthers Haltung zur Zensur lediglich insofern, als er den gewandelten historisch-politischen Verhältnissen R e c h n u n g trägt. Anfang der 1520er Jahre kam es Luther wie dargestellt darauf an, die Zensur unabhängig von der noch durchgängig papsttreuen Amtskirche zu organisieren. Anders kann er sich 1542 äußern, nachdem sich im ernestinischen Kurfürstentum Sachsen die Reformation vollständig durchgesetzt hatte. Nunmehr steht es für ihn außer Frage, daß in Zensurangelegenheiten die Kirche und damit er selbst zu R a t e gezogen werden soll 3 4 8 . Denn in Wittenberg, der frühzeitig vom alten Glauben abgerückten kursächsischen Haupt- und Universitätsstadt, war wie in vielen anderen deutschen Städten und Territorien inzwischen ein protestantisches Kirchenwesen entstanden. Hier hatte Luther selbst maßgeblichen Anteil an der Handhabung der Zensur gewonnen. Mit der Autorität des Reformators und aufgrund seines theologischen Amtes als Universitätsprofessor griff er unmittelbar in die amtliche Buchaufsicht ein. A u f der Rückseite des Titels einer bei Hans Lufft 1524 gedruckten Schrift findet sich ein gedruckter Zensurvermerk mit seinen Initialen: »Dis buchlin ist durch die verordenten zu Wittemberg besehen, vnd zu drucken zugelassen. M.L.« 3 4 9 Der Bucheintrag weist Luther als Zensor aus. Er zeichnete für die gelehrten Verordneten, die zur Vorzensur für das Druckwesen in Wittenberg bestellt worden waren. Dies ging auf eine Entscheidung des Senates der dortigen Universität aus dem Jahre 1522 zurück. Im bereits erwähnten WA Br 5,147,16 (Nr.l473/A). Vgl. ebd., 1 4 7 - 1 5 0 (Nr. 1473/B) Luthers Entwurf eines Rechtfertigungsschreibens, das der der Fürstenbeleidigung beschuldigte, 1529 in Eisleben tätige lutherische Theologe Johannes Agricola an seinen Landesherrn Graf Albrecht von Mansfeld senden sollte. 3 4 6 Vgl.WA Br 5 , 1 8 7 - 1 8 9 (Nr. 1499). 3 4 7 Vgl. ebd., 1 8 3 - 1 8 5 (Nr. 1497). 3 4 8 Vgl. WA 5 3 , 2 0 0 , 1 1 - 1 6 u. Z. 3 0 - 3 4 par. 3 4 9 WA 12,261. 344

345

Luthers Haltung zur Zensur

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Schreiben der Universität an Friedrich den Weisen hieß es, »in vorsammelung gemeynerVniuersitet« habe man »beslossen, hinfurt nichts, so zuuorn vom Rector vnd den vier facultetn dechantn oder sunst verstendign vom Rector dozu verordent nicht besichtiget vnd approbirt, ausgehn zu lassen, dasselb den druckern, ßo alhy, der massen ernstlich bey straff vnd pen gebotten.« 350 Die von der Universität eingeführte Wittenberger Zensur wurde von Luther auch in späteren Jahren ausgeübt. Gemäß dem Senatsbeschluß kam ihm die Literaturüberwachung seit 1535 kraft seines Amtes als Dekan der Theologischen Fakultät zu 3 5 1 . Zwei Zensurfälle vom Ende der 1530er Jahre zeigen, daß Luther dieses obrigkeitliche Instrument entschieden in den Dienst der Reformation stellte. Im Juni 1538 ließ er im nachhinein die noch nicht verkauften Exemplare eines Gedichtbändchens des Studenten und humanistisch gesonnenen Poeten Simon Lemnius aus der Druckerei des Nikolaus Schirlentz im Namen des Senates beschlagnahmen; Nickel Schirlentz selbst wurde ins Gefängnis verbracht 352 . In der in Wittenberg verbreiteten Flugschrift gegen Lemnius bezeichnete Luther die Epigramme als »ein recht ertz, schand, schmach und luegen buch« 3 5 3 , weil sie seiner Auffassung nach einzelne ehrenwerte Wittenberger Bürger beleidigten. Der tiefere Grund für dieses zornige und wütende Vorgehen ist allerdings darin zu sehen, daß Lemnius seine Gedichte einem der namhaftesten Widersacher Luthers und der Reformation gewidmet hatte, dem altgläubigen Kardinalerzbischof und Reichskanzler des Heiligen Römischen Reiches Albrecht von Brandenburg 3 5 4 . Luther hält es für unverzeihlich, daß Lemnius, der »schand Poetaster«, »Bisschopff Albrecht lobet und einen Heiligen aus dem Teuffei machet«, obwohl doch eigentlich »der selbige Scheisbisschoff ein 3 5 0 »Schreiben der Universität an Kurfürst Friedrich. 1522, 27. April«. In: BARGE, Andreas Bodenstein von Karlstadt, Bd. 2, 562. 3 5 1 Nach 1515, 1517, 1518 und 1520 war Luther durchgängig von 1535 bis 1546 Dekan der Theologischen Fakultät (vgl. WALTER ZÖLLNER, Luther als Hochschullehrer an der Universität Wittenberg. In: Martin Luther. Leben, Werk, Wirkung. Hrsg. von Günter Vogler in Zusammenarb. mit Siegfried Hoyer u. Adolf Laube, 2., durchges. Aufl. Berlin [Ost] 1986, 3 1 - 4 3 ; hier: S. 38). 3 5 2 Vgl. die Einfuhrung zur »Erklärung gegen Simon Lemnius« [= nach ALAND, Hilfsbuch: »D.M.Luther allen Brüdern und Schwestern unserer Kirche allhier zu Wittenberg ... 16.Juni 1538 (Einblattdruck gegen Simon Lemnius)«],WA 50,348. 3 5 3 WA 50,350,5. 3 5 4 Mit Verbindungen zum Humanismus war Albrecht zwar gegenüber R e f o r m e n innerhalb der alten Kirche aufgeschlossen und förderte sie auch. Er verweigerte sich aber Luthers zuerst brieflicher und 1526 veröffentlichter Mahnung [vgl. Luthers Brief an Albrecht vom 2.(?) Juni 1525 WA Br 3,521 Nr. (882) = WA 18,408-411;], seine bedeutenden geistlichen Fürstbistümer zu verweltlichen, den geistlichen Stand aufzugeben und in den Ehestand zu treten, also zur Reformation überzugehen. Für Albrechts Verhältnis zu Reformation und katholischer R e f o r m vgl. FRIEDHELM JÜRGENSMEIER, Kardinal Albrecht von Brandenburg (1490—1545). Kurfürst, Erzbischof von Mainz und Magdeburg, Administrator von Halberstadt. In: Albrecht von Brandenburg. Kurfürst, Erzkanzler, Kardinal. 1490-1545. Z u m 500. Geburtstag eines deutschen Renaissancefursten. Hrsg. von Berthold Roland. Mainz 1990, 2 2 - 4 1 ; hier: S. 30 ff.

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falscher, verlogener man ist und doch uns pflegt zu nennen die Lutherischen buben« 3 5 5 . Für Luther ist somit der Zensurfall eingetreten, wenn das Ansehen und die Glaubwürdigkeit der Reformation auf dem Spiel stehen: In »Kirchen, Schule und Stad« Wittenberg könne man nicht einen »heilosen Pfaffen« loben und rühmen, »der uns alle gerne tod hette« 3 5 6 . Mit Hilfe der Zensur ging es darum, solche Publikationen zu verhindern, die geeignet waren, dem Erscheinungs- und Vorbild Wittenbergs als reformatorischem Hauptort Schaden zuzufügen. Ein Jahr später waren es nicht derartige kirchlich-politische Beweggründe, die Luther ins Wittenberger Druckwesen eingreifen ließen.Vielmehr sah sich der Reformator durch innerprotestantische Lehrgegensätze veranlaßt, von seinem Zensurrecht rigoros Gebrauch zu machen. Hintergrund war der sogenannte antinomistische Streit 3 5 7 , in welchem Luther einschärfte, daß neben dem befreienden Evangelium das Gesetz im Gottesverhältnis des Menschen fortgelte. Daher müsse die Kirche auch notwendigerweise an der Gesetzespredigt festhalten. Luther führte die Auseinandersetzung nicht nur in Disputationen oder mit der für die breitere Öffentlichkeit bestimmten Schrift »Wider die Antinomer« von 1539. Zusätzlich ging er polizeilich gegen den an der Wittenberger Universität lehrenden Johann Agricola vor. Dieser vertrat mit Blick auf die für die evangelische Theologie zentrale Dialektik von Gesetz und Evangelium eine gegen die Notwendigkeit des G e setzes gerichtete Position, obwohl er ansonsten der lutherischen R e f o r m a tion anhing. Als Luther davon Kenntnis erhielt, daß Agricola seine antinomistische Haltung in einer Postille unter dem Titel »Summarien über die Evangelien« zu publizieren beabsichtigte, ließ er die noch bei Hans Lufft im Druck befindliche Schrift seines ehemaligen Schülers und Mitarbeiters konfiszieren und verbot den weiteren Druck 3 5 8 . Für die weiteren theologischen Verhandlungen mit Agricola und für den sächsischen Kurfürsten, der auch mit dem Fall Agricola befaßt war, versah Luther einen der beschlagnahmten fragmentarischen Abzüge mit Randbemerkungen, welche die theologisch bedenklichen Stellen kennzeichneten 3 5 9 . In diesem Zusammenhang wird deutlich, wie unumstritten und selbstverständlich Luther mit der theologischen Autorität des Reformators in die Wittenberger Zensur eingebunden war. Der Kurfürst selbst ließ über seinen Kanzler Brück nachfragen, ob Agricola bei Luther die Erlaubnis eingeholt habe, die »Summarien« in den Druck geben zu dürfen 3 6 0 .

WA 50,351,7 u. 8 f. u. 1 0 - 1 2 . Ebd., Z. 18 u. 20 f. 3 5 7 Zu Luthers Haltung im antinomistischen Streit vgl. BRECHT, Martin Luther, Bd. 3, 158-173. 3 5 8 Vgl. ebd., 162 u. Einleitung zu »Wider die Antinomer« (WA 50,461-466). 3 5 9 Vgl. WA 50,674 f. 3 6 0 Vgl. ebd., WA 50,463. 355 356

Luthers Haltung

zur

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Luthers Einstellung zur Z e n s u r u n d seine eigene H a n d h a b u n g dieses I n strumentes amtlicher Buchkontrolle b e d e u t e t e n nicht, daß er der O b r i g k e i t ein d e m G r u n d e nach unumschränktes Z e n s u r r e c h t zugestand. Vielmehr findet die Z e n s u r für ihn nach Inhalt u n d Praxis ihre Grenze am W o r t G o t tes u n d an der rechten christlichen Wahrheit. U n t e r B e r u f u n g auf das kaiserliche M a n d a t v o m 6. März 1523 k ö n n e es nicht verboten sein, die Heilige Schrift zu drucken, zu verkaufen oder auch zu übersetzen. D e n n »das lautter w o r t t gottis, das m u ß u n d soll u n g e p u n d e n seyn.« 361 Z w a r akzeptiert Luther im ausfuhrlichen Schreiben v o m 29. Mai 1523 an seinen Landesh e r r n Kurfürst Friedrich den Weisen die obrigkeitliche Sonderregelung des kaiserlichen Mandates, mit w e l c h e m insonderheit i h m u n d seinen A n h ä n g e r n untersagt w o r d e n war, neue Schriften zu veröffentlichen. D e m kaiserlichen Verbot sei er allerdings d e n n o c h genötigt zuwiderzuhandeln, weil die gegnerische papsttreue T h e o l o g i e — konkret n e n n t er hier J o h a n n e s Faber u n d H i e r o n y m u s Emser — »eyn deutsch b u c h nach d e m a n d e r n w i d d e r mich, wie wol nicht fast nutzlich n o c h myr schedlich, lesst ausgehen, mit manchfeltiger lesterung nicht alleyn meyns Christlichen namens, sondern auch des heyligen Euangeli«; er dürfe nicht »solche Gottis meyns h e r r n lesterung erdulden.« 3 6 2 L u t h e r f u h r t das Evangelium u n d damit die Wahrheit allerdings nicht leichtfertig gegen die obrigkeitliche Z e n s u r ins Feld. Im Gegenteil, er empfindet einen N o r m e n k o n f l i k t , bei w e l c h e m er selbst dann, w e n n er sich auf die evangelische Wahrheit b e r u f e n kann, nach weltlichem R e c h t Schuld auf sich lädt 3 6 3 . B e i m Verstoß gegen das Publikationsverbot sah Luther sich in einer Notsituation, die ihn z u m »widderschreyben« 3 6 4 nötigte. Gerade i n d e m er sich somit auf eine Zwangslage u n d auf höheres R e c h t berief u n d seine Publikationstätigkeit trotz Verbotes ausführlich b e gründete, gab er j e d o c h zu erkennen, daß er der obrigkeitlichen Z e n s u r prinzipiell zustimmte. Luthers differenzierte Sicht, die obrigkeitliche Z e n s u r zwar im allgemeinen zu akzeptieren, sie aber im besonderen durch die h ö h e r r a n g i g e n G ü t e r des Gotteswortes u n d der evangelischen Wahrheit begrenzt zu sehen, e n t sprach seiner generellen Auffassung v o m weltlichen R e g i m e n t . Diese hatte er seit der zweiten Jahreshälfte 1522 überdacht u n d A n f a n g März 1523 mit seiner Schrift »Von weltlicher Oberkeit, wie weit m a n ihr G e h o r s a m schuldig sei« an die Öffentlichkeit gegeben 3 6 5 . Im zweiten Teil des Werkes hat er die Schranken der obrigkeitlichen Gewalt aufgezeigt, die dann in der w e n i g später verfaßten Schrift z u m kaiserlichen M a n d a t auf die aktuelle historisch-politische Frage der Z e n s u r angewandt werden. Luther b e r u f t sich in der Obrigkeitsschrift auf die W o r t e des Apostels Petrus Act 5,29 »>Man m u ß 361 362 363 364 365

Vgl. WA 12,65, 21 f.; Zitat ebd., Z. 26. WA Br 3,77,87-92 (Nr. 618). Vgl. ebd., Z. 100-103. Ebd., Z. 94. Vgl. WA 11,229 f.

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Freiheit und Begrenzung des Buches bei Luther

Gott mehr gehorchen denn den menschen«< und folgert daraus für das obrigkeitliche Amt: »Da mit er yhe auch klerlich der welltliche gewalt eyn zill [Grenze, Schranke] steckt.« 3 6 6 Ihre Grenze findet die weltliche Gewalt am geistlichen bzw. R e g i m e n t Gottes. Fürsten und weltliche Herren besitzen kein R e c h t , die Gläubigen an die Papstkirche zu binden, ihnen ihren Glauben vorzuschreiben und ihnen zu gebieten, ihre Bücher abzuliefern. Hiermit meint Luther die Heilige Schrift, konkret das Neue Testament, das in der von ihm übersetzten deutschen Fassung seit September 1522 erstmals einer breiteren Öffentlichkeit im Druck vorlag. Entschlossen wendet er sich gegen das Verbot des Neuen Testaments durch die altgläubigen Obrigkeiten in Meissen, Bayern und der Mark Brandenburg sowie deren Anordnung an die Bürger, bereits erworbene Ausgaben abzuliefern 367 . Den Gläubigen kommt das R e c h t , j a die Pflicht zu, derartige Forderungen im konkreten Fall gegenüber der Obrigkeit bei Anerkenntnis des Gehorsams in weltlichen Dingen als unrechtmäßigen Eingriff in den Glauben zu erklären 368 und sich solchen Weisungen »der Tyrannen« zu verweigern: »Heysst yhr [die Obrigkeit] aber mich glewben unnd buecher von myr thun, so will ich nicht gehorchen. Denn da seyt yhr eyn tyrann unnd greyfft zu hoch, gepietet, da yhr widder recht noch macht habt ... Nicht eyn blettlin, nicht eyn buchstaben sollen sie [die »unterthan«] uberanttwortten bey Verlust yhrer seligkeyt. Denn wer es thutt, der ubergibt Christum dem Herodes ynn die hende, Denn sie handeln als Christmoerder wie Herodes.« 3 6 9 Dieser Pflicht der Untertanen, in der beschriebenen Weise passiven Widerstand zu leisten, wenn mit den Büchern der Glaube zur Disposition steht, entspricht auf Seiten Luthers die aktive Verpflichtung, aufgrund des theologischen Amtes als >Doktor der Heiligen Schrift< mit Buchveröffentlichungen entgegen den Zensurbestimmungen des kaiserlichen Mandates die evangelische Wahrheit zu verteidigen 3 7 0 . Im Vergleich mit der zeitgenössischen Situation zeigt Luthers Haltung zur Zensur sowohl Ubereinstimmungen als auch charakteristische Abweichungen. Es ist keine in Amt und Person des Reformators gegründete B e sonderheit darin zu erblicken, daß für ihn kirchliche und theologische Fragen das Hauptinteresse an der amtlichen Buchaufsicht bestimmten. Dies ist vielmehr Ausdruck einer allgemeinen Lebenssituation, die weithin von Kirche und Glaube geprägt war. D e r Schutz und die Sicherheit der Ordnung und des inneren Friedens bestimmten sich für Luther wie fiir seine Zeitgenossen wesentlich durch die R e l i g i o n . So fällt es Luther 1523 nicht schwer, die Offentlichkeitsbeschränkungen des kaiserlichen MandaWA 11,266,33-35. Vgl. ebd., 267, 1—3 u. Z. 14-17 nebst den in Anm. 1 nachgewiesenen Verboten. 3 6 8 Vgl. ebd., Z. 1 - 5 . 3 6 9 Ebd., Z. 5 - 8 u. Z. 17-20. 3 7 0 Für Luthers Auffassung von seiner Amtspflicht zur Veröffentlichung von Büchern vgl. WA 31 1,212,6-29 u. s.a. oben S. 188 f. 366 367

Luthers Haltung zur Zensur

219

tes beinahe wörtlich aufzugreifen und im einzelnen zu akzeptieren. Er wolle nichts »schreyben odder leren odder predigen, das zu bewegung vngehorsam, vneynickeyt vnd auffrur ym heyl. Reich odder die Christen menschen ynn yrrung zufuren vrsach geben muge, da widder ich auch offtmals hart geschrieben vnd gepredigt habe« 371 . Die enge Verbindung von Religion und Friedenssicherung zeigt sich auch in der Zensurpolitik eines Territoriums wie Bayern. Bis in die Jahrzehnte nach der Reformation blieb die konfessionelle Frage — hier zugunsten des Katholizismus — fast das ausschließliche Ziel der staatlichen Zensur 3 7 2 . Selbst bei zunehmender Differenzierung der Lebensbereiche machte das religiöse Schrifttum auf Reichsebene bis weit in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts den Hauptgegenstand der Zensur aus 373 . Auf dieser gemeinsamen Grundlage der Religion unterschied sich Luther jedoch auch gegenüber der Auffassung von Kaiser und Reich. Indem er das Wort Gottes und die Heilige Schrift prinzipiell von der Zensur ausnahm, begründete er eine neue, die protestantische Position. Das wird deutlich, wenn man Luthers gerade zitierten Brief an Kurfürst Friedrich den Weisen vom 29. Mai 1523 wiederum unmittelbar mit dem kaiserlichen Mandat konfrontiert. Dem Kaiser zufolge unterliegt auch die Heilige Schrift der amtlichen, und zwar der kirchlichen Buchaufsicht, da »das heilig evangelium nach auslegung der Schriften von der heiligen christenlichen kirchen approbirt und angenomen« 374 werden muß. Genau diese Formulierung greift Luther nicht auf, sondern ersetzt sie in grundsätzlich anderer, eigenständiger Weise durch Hinweis auf das Gotteswort, die Ehre Gottes und den Glauben 375 . Die Heilige Schrift, das Wort Gottes und der Glaube sind frei und unterliegen prinzipiell nicht der Approbation durch die Kirche.

3 7 1 WA Br 3 , 7 6 , 6 2 - 6 5 (Nr. 618). Vgl. Mandat des Reichsregiments vom 6. März 1523. In: DEUTSCHE REICHSTAGSAKTEN. Jüngere Reihe. Bd. 3, S. 450,4 f. 3 7 2 Vgl. HELMUT NEUMANN, Staatliche Bücherzensur und -aufsieht in Bayern von der Reformation bis zum Ausgang des 17. Jahrhunderts. l.Aufl. Heidelberg 1977 (= Studien und Quellen zur Geschichte des deutschen Verfassungsrechts. Reihe A, Studien. Bd. 9), 13. Für ein protestantisches Territorium während der Frühen Neuzeit vgl. GUNTHER FRANZ, Bücherzensur und Irenik. Die theologische Zensur im Herzogtum Württemberg in der Konkurrenz von Universität und Regierung. In: Theologen und Theologie an der Universität Tübingen. Beiträge zur Geschichte der Evangelisch-Theologischen Fakultät. Hrsg. von Martin Brecht. Tübingen 1977 (= Contubernium. Bd. 15), 123-194. 3 7 3 Vgl. EISENHARDT, Aufsicht, 19 ff. u. 5 5 - 6 2 . 374

Mandat des R e i c h s r e g i m e n t s v o m 6 . M ä r z 1 5 2 3 . In: DEUTSCHE REICHSTAGSAK-

TEN. Jüngere Reihe. Bd. 3, S. 4 5 0 , 6 - 8 . 3 7 5 V g L W A B r 3,76,65-71 (Nr. 618).

220 3.3.3.

Freiheit und Begrenzung

des Buches bei Luther

Résumé

Auf die eingangs aufgeworfenen Fragen zur Freiheit und Begrenzung des Buches kann n u n m e h r eine Antwort gegeben werden. Die Einzeluntersuchungen haben gezeigt, daß Luther kein Anwalt der Publikationsfreiheit, des freien Meinungsstreites u n d der freien Meinungsäußerung gewesen ist. Auch weitgehende reglementierende obrigkeitliche Eingriffe ins B u c h w e sen waren für ihn eine Selbstverständlichkeit. D e m steht auch nicht entgegen, daß er für sich und für die reformatorische Lehre die Freiheit in A n spruch nahm, notfalls auch gegen geschriebenes R e c h t wie im Fall des kaiserlichen Zensurmandates von 1523 zu publizieren. Dies rechtfertigte er nicht mit Hinweis auf ein höherrangiges überpositives R e c h t , demzufolge es grundsätzlich j e d e m Individuum zustehe, die eigene M e i n u n g auch im D r u c k öffentlich ausgehen zu lassen. Das regulative Prinzip, welches Publikationen untersagte oder aber auch gegen obrigkeitliche Vorschriften erlaubte, sogar gebot, orientierte sich nicht am Individuum. Es gründete vielm e h r in unverrückbaren Fundamenten der christlichen Religion, die als überindividuelle, gewissermaßen objektive theologische Größen Anhalt für den U m g a n g mit Büchern lieferten. Es sollte keiner Einschränkung unterliegen, die Heilige Schrift zu verbreiten u n d öffentlich auszulegen. Auch konnte es nicht verboten sein, das Evangelium und die ihm verpflichtete reformatorische Lehre gegen öffentliche Angriffe im D r u c k zu verteidigen. Das fügt sich in die vorangegangenen Untersuchungen, denen zufolge das Buch als öffentliches Mittel, als Forum der Wahrheit, ja der Wahrheit sogar wesensmäßig verwandt erwiesen werden konnte 3 7 6 . Das Wort Gottes und die evangelische Wahrheit waren Luther Maßstab dessen, ob ein Buch erscheinen durfte oder nicht. Die Frage der Freiheit des Buches war der Wahrheit nachgeordnet u n d von dieser bestimmt. Aus der Auffassung, das Buch sei seiner Bestimmung nach auf die Wahrheit verpflichtet, konnte Luther demgemäß nicht nur die Freiheit ableiten, im Dienste der Wahrheit zu publizieren. Sobald Schriften gegen die Wahrheit verstießen, hatte dies Begrenzungen zur Folge. Konsequenterweise befürwortete Luther die amtliche Vorzensur, die er auch selbst in Wittenberg ausübte. Im Ausnahmefall konnte es auch geboten sein, Schriften zu vernichten. So ließ sich Luthers Verbrennung der päpstlichen Schriften 1520 als Mittel erweisen, die Wahrheit in der Weise öffentlich zu schützen, wie es der zeitspezifischen sozialpsychologischen Bewußtseinslage entsprach. Eingriffe ins Buchwesen, insbesondere die regelmäßige Einrichtung der amtlichen Vorzensur, dürfen j e d o c h nicht als Instrumente interpretiert werden, mit welchen Luther beabsichtigte, von der evangelischen Wahrheit abweichende Lehrauffassungen möglichst stillschweigend niederzuhalten, 376 S. o b e n Abschnitt »3.2.3. Das B u c h i m K o n t e x t der ö f f e n t l i c h e n A u s e i n a n d e r s e t z u n g u m die Wahrheit«.

Résumé

221

mithin ohne öffentliches Aufsehen zu unterdrücken. An die Stelle der scholastischen Theologie und des päpstlichen Rechtes wollte er nicht lediglich die reformatorische Lehre setzen, die dann statt mit Hilfe der geistlichen Gewalt durch die weltliche Obrigkeit effizient und bürokratisch gesichert werden sollte. Verbindet man Luthers Ansichten zur Zensur mit den zuvor erhobenen zur Öffentlichkeit und Wahrheit, so ergibt sich ein differenzierteres Bild. Zwar suchte der Reformator im eigenen Territorium die H o m o genität der evangelischen Lehre auch mit Hilfe der Zensur zu wahren, wie sich an der Auseinandersetzung mit Johann Agricolas antinomistischer Theologie und der Konfiskation seiner »Summarien« zeigen ließ. Zugleich sah er jedoch auch den Nutzen oder unterstützte es sogar, daß abweichende theologische und religiöse Anschauungen im Buch verfügbar waren oder an die Öffentlichkeit gelangten, wie mit Blick auf die päpstlichen Schriften und den Koran gezeigt werden konnte 3 7 7 . In einer R e i h e von Fällen gab er sogar selbst Schriften seiner altkirchlichen Gegner heraus, denen er durch kommentierende Bemerkungen in Vor- und Nachrede sowie durch Glossen und Randnotizen seine reformatorische Auffassung entgegenstellen konnte 3 7 8 . Ihm ging es hierbei um breite Aufklärung über die vom theologischen Gegner vertretene, der biblischen Wahrheit entgegenstehende Lehre. Die größte Gefahr bestand darin, daß der Irrtum als schleichendes Gift wirkte. Wenn Luther somit für die Öffentlichkeit gegnerischer, letztlich der Wahrheit entgegenstehender Positionen eintrat, so nicht um derentwillen. Er tolerierte sie nicht als eigenständig, sondern in ihrer Funktion für die rechte Lehre. Hierbei folgte er Zweckmäßigkeitsüberlegungen. Auch die veröffentlichte irrige Meinung stand im Dienst der Wahrheit. Der Irrtum sollte an den Tag kommen. Denn er war erst dann überwunden, wenn die christliche Wahrheit ihre Überlegenheit öffentlich, das heißt in Kenntnis des Irrtums erwiesen hatte. Öffentlich, dessen war sich Luther gewiß, würde sich die evangelische Wahrheit durchsetzen. Hier vertraute er ganz auf die sachliche Überlegenheit des Evangeliums und die Überzeugungskraft des Heiligen Geistes. Mit seiner Haltung nimmt Luther eine mittlere Position zwischen dem von Michael Giesecke aufgezeigten >alten und neuen Modell über M e i nungsstreit und gesellschaftliche Willensbildung< ein 3 7 9 . Anders als bei Giesecke kann Luther nicht gegen das mittelalterliche Approbationsprinzip in Anschlag gebracht werden 3 8 0 . Denn auch für den Reformator unterlagen Veröffentlichungen einer Approbation in dem Sinne, daß zuvor »die kirchliche oder weltliche Obrigkeit zu prüfen [hat], ob eine solche Verbreitung sinnvoll ist oder nicht.« 3 8 1 Zudem muß auch Luthers Haltung dahin inter377 378

S. ebd. S. oben Abschnitt »1.3.3. Luthers Betätigung als Herausgeber und Redaktor«.

379

V g l . GIESECKE, B u c h d r u c k , 4 7 6 .

380

Vgl. ebd., 478. Ebd., 4 7 6 f.

381

222

Freiheit und Begrenzung

des Buches bei Luther

pretiert werden, daß es ihm bei der Publikation von Schriften im Dienste der unverrückbaren evangelischen Wahrheit um eine »Verstärkung«382 des zuvor Approbierten ging. Das bedeutete für Luther aber gerade nicht, strittige und irrige Meinungen vor einer breiten Öffentlichkeit zu verschweigen. Sie sollten nicht auf die begrenzte Öffentlichkeit von Theologen und kirchlichen Amtsträgern beschränkt bleiben. Im Vertrauen auf die Wahrheit mutete Luther der breiten Öffentlichkeit vielmehr auch den Irrtum zu. Hiermit setzte Luther Wahrheit und Irrtum dem Urteil prinzipiell aller Gläubigen aus, wobei ihm die Überlegenheit der Wahrheit gewiß war. Mit der >typographischen Verbreitung< von approbierter Wahrheit und Irrtum leistete Luther somit einen Beitrag zu dem, was Giesecke die Schaffung öffentlicher Meinung< nennt 383 . Im Ergebnis schlössen sich somit für Luther Zensur und öffentliche Meinungsbildung nicht gegenseitig aus; sie konnten vielmehr durchaus zusammengehen. Wenn mit Blick auf Luther nicht nur von Begrenzungen, sondern auch von der Freiheit des Buches gesprochen werden kann, so ist zu berücksichtigen, in welcher Hinsicht Freiheit hier in Anschlag gebracht wird. Rein sachlich betrachtet wurde natürlich ein Stück Publikationsfreiheit verwirklicht und Meinungsvielfalt berücksichtigt, wenn Luther die Heilige Schrift dem obrigkeitlichen Zugriff entzog sowie auf abweichende Meinungen einging und sie öffentlich machte. Hierbei sind aber Luthers ganz anders gelagerte Motive zu berücksichtigen. Der Reformator war in seiner Haltung gegenüber dem Buchdruck nicht von der Vorstellung moderner Grundfreiheiten durchdrungen. Aus seiner Sicht der Dinge hatte das Buch nicht die Aufgabe, Medium dafür abzugeben, divergierende Meinungen um ihrer selbst willen und aus Gründen der Toleranz und Meinungsvielfalt öffentlich zu machen. Es sollte kein breiter Wettstreit um Positionen stattfinden, bei welchem die beste Auffassung obsiegte oder im Wege des Kompromisses ein weithin akzeptierter Konsens in der durch den Druck angesprochenen Öffentlichkeit erzielt werden konnte. Indem Luther Gott, der christlichen Wahrheit und der rechten theologischen Lehre Priorität einräumte und den Weg zu bahnen beabsichtigte, dachte er nicht vom Menschen her, dem als autonomes Individuum Grundrechte zustünden wie die der Freiheit oder des Schutzes der eigenen Meinung. Folgerichtig empfand Luther keine Bedenken gegen Eingriffe ins Buchwesen wie die Zensur, wenn sie der christlichen Wahrheit dienten und nur das Wort Gottes nicht hinderten, frei im Druck ausgehen zu können.Vom Standpunkt der Lutherschen Prämissen trifft es entgegen Otto Clemen nicht zu und »wird nicht immer befremdlich bleiben, daß Luther ... das freie Wort in seiner Umgebung unterdrückte.« 384 Aus der Leitperspektive der evangelischen Wahrheit 382 383 384

Ebd., 478. Vgl. e b d . CLEMEN, Einführung,

17.

Résumé

223

stellte es eben keinen Widerspruch dar, sich einerseits mit der Verbrennung der päpstlichen Bücher von der alten Kirche freizusagen sowie sich gegenüber Kaiser und Reich in Worms auf die Freiheit des Gewissens zu berufen, und andererseits selbst aktiv an der amtlichen Zensur von Druckwerken beteiligt zu sein. Nicht erst für die protestantischen Territorien der Frühen Neuzeit, sondern schon für Luther selbst führte seine Idee der Freiheit eines Christenmenschen nicht zu einem »Recht auf freie theologische Meinungsäußerung oder zur Toleranz.«385 Gerade auch dort, wo Luther der weltlichen Aufsicht über Bücher Grenzen setzt, zeigt sich, wie grundverschieden seine Position gegenüber deijenigen der modernen Grundrechte ist. Wie dargelegt spricht Luther den Fürsten in der Schrift >Von weltlicher Obrigkeit< das Recht ab, ihren Untertanen den Glauben und die Heilige Schrift zu nehmen. Er argumentiert aber nicht etwa damit, dies beeinträchtige die Rechte der Gläubigen.Vielmehr betont er, hierbei handele es sich um einen Eingriff in Gottes Regiment. Ausdrücklich betont Luther: »Uber die seele kan und will Gott niemant lassen regirn denn sich selbs alleyne.«386 Gewissen, Herz, Seele und Glauben stehen unter Gottes und seines Heiligen Geistes Herrschaft. Daher verletzt die Obrigkeit mit dem Gebot, Bücher abzuliefern, nicht des Menschen, sondern Gottes Recht und Freiheit. Es sei eine Vermessenheit der Fürsten, sich »ynn Gottis stuel zu setzen und die gewissen und glawben zu meystern und nach yhrem tollen gehyrn den heyligen geyst zur schulen füren.« 387 Da Luthers Absage an die Obrigkeit, die Heilige Schrift konfiszieren zu dürfen und so in den Glauben einzugreifen, um der Herrschaft Gottes willen erfolgt, befindet sich der Mensch in einer besonderen Position. Er wird zwar begünstigt, nicht aber aufgrund eines ihm zustehenden Rechtes, sondern aus Gottes Recht heraus. Das Buch der Heiligen Schrift als Quelle des göttlichen Wortes ist freies Geschenk, das dem Christen aus der Freiheit Gottes gewährt wird. Nicht für den Willen des Menschen, sondern damit Gottes Gnadenwille wirken kann, wird ein weltlicher Freiraum gefordert, welchen die legitime Obrigkeit nicht antasten darf und der die Zensur beschränkt. Hier vermag die Heilige Schrift ohne Beeinträchtigung durch das weltliche Regiment dem Heil des Menschen zu dienen, derjenigen Freiheit des Gewissens, welche die christliche ist und von Luther als Freiheit eines Christenmenschen auf den Begriff gebracht worden ist. Bei ihr handelt es sich nicht um das neuzeitliche Menschenrecht religiöser Freiheit als Selbstbestimmung, nicht um eine dem Individuum als Recht zukommende Ge385

FRANZ, Bücherzensur, 123-194; hier: S. 124. Franz äußert sich hier in dem Sinne, daß sich weder Luthers freiheitliche Kirchenordnung noch die Freiheit eines Christenmenschen in den protestantischen deutschen Territorien durchgesetzt habe. 386 WA 11,262,9 f. 387 Ebd., 246,29 f.

224

Freiheit und Begrenzung

des Buches hei Luther

Wissensfreiheit 388 . Denn nicht der Mensch ist Herr seiner Seele und seines Gewissens, sondern Gott. Statt moderner Grundfreiheiten stehen die Freiheit von Sünde und Tod zur R e d e und damit die »Befreiung des Gewissens aus Gefangenschaft und Anklage zu dem guten Gewissen, das allein der Glaube selbst ist.« 389 Die freie Verbreitung des Buches der Heiligen Schrift gründet damit in Gottes Willen zum befreienden Handeln am Menschen. Hierauf hat der Mensch zwar keinen Anspruch. D o c h darf die Obrigkeit diese göttliche Absicht durch Verbot des christlichen Hauptbuches auch nicht beschränken. Im Ergebnis finden die Freiheit Gottes und die des Christenmenschen nach Luthers Auffassung in zweierlei Rücksicht ihre Entsprechung in der gesellschaftlichen Realität des Buches. Zum einen erfordert es das freie Wort Gottes, welches die Gläubigen erreichen soll, daß die Heilige Schrift frei publiziert werden darf. Das andere Korrelat sind Eingriffe ins Buchwesen wie die Vorzensur, die Konfiskation oder in Extremfällen sogar die Vernichtung von Schriften. Sie stehen Gottes und der christlichen Freiheit nicht entgegen, sondern befördern sie vielmehr, wenn sie die rechte theologische Lehre schützen, welche sich lediglich der evangelischen Wahrheit verpflichtet weiß und allein in der Heiligen Schrift gründet. Im weltlichen Bereich mit Blick auf Druck und Publikation konkretisieren sich Gottes Freiheit und die Freiheit des Christenmenschen nach Luther somit sowohl als Freiheit wie auch als Begrenzung. Betrachtet man abschließend die aufeinander bezogenen Elemente von Freiheit und Begrenzung vom letzteren Moment dieses Zusammenhanges her, so treten auffällige Verbindungslinien zu den Untersuchungsergebnissen der vorhergehenden Abschnitte und Kapitel zutage. Aus der Perspektive der Begrenzung ergibt sich eine Konsistenz der Lutherschen Anschauungen, derzufolge die Begrenzung geradezu als Denkmuster interpretiert werden darf. Schon bei Luthers eigenem Leseverhalten spielt sie in Form der Konzentration auf die Heilige Schrift eine besondere R o l l e 3 9 0 . Das bedeutete für ihn keineswegs, andere Lektüre nicht zur Kenntnis zu nehmen. Luther waren wichtige antike Autoren bekannt; er hatte sich mit den Kirchenvätern und der scholastischen Theologie auseinandergesetzt 391 ; zeitlebens verfolgte er die Publikationen seiner theologischen Gegner in der Papstkirche und im Umfeld der Reformation; zudem ließ er sich beispielsweise mit dem Koran auf nichtchristliches religiöses Gedankengut ein. Dennoch, in die alltägliche christliche Lebenspraxis intensiver Lektüre gehörten für ihn 3 8 8 Vgl. GERHARD EBELING, D e r kontroverse Grund der Freiheit. In: Ders., Lutherstudien III, 3 6 6 - 3 9 4 ; hier besonders: S. 3 8 7 - 3 8 9 u. DERS., Disputatio, B d . 3 , 1 5 0 f. 3 8 9 GERHARD EBELING, Das Gewissen in Luthers Verständnis. Leitsätze. In: Ders., Lutherstudien III, 1 0 8 - 1 2 5 ; hier: S. 114. 3 9 0 S. oben Abschnitte »1.1. Lektüre bei Luther« u. »3.1.3.1. D i e Bibel als B u c h des Lernens«. 3 9 1 S. oben Abschnitt »1.1. Lektüre bei Luther«.

Résumé

225

nicht gelehrte theologische Abhandlungen und kirchengeschichtliche Darstellungen, sondern lediglich die Bibel und der Katechismus als ihr >kurzer Auszug und Abschrift^ 392 . Bei aller Belesenheit waren ihm Bibel und Katechismus Bücher des Lernens, die er auch für die breiten Schichten aller Christen zur regelmäßigen, täglichen Lektüre vorsah. Von der Heiligen Schrift her wurde weiterhin die theologische Ausbildung begrenzt, indem sie anders als in der Scholastik im Studium der Bibel Ziel und Mitte fand 3 9 3 . W i e sehr die Konzentration auf die Bibel einschränkende Konsequenzen auf den Druck und die Verbreitung anderer Literatur entfalten konnte, zeigte sich auch an Luthers zuerst ablehnender und zögerlicher Haltung, seine eigenen Schriften als Sammelausgabe veröffentlichen zu lassen 394 . Der Ausgangspunkt der Begrenzung im Sinne von Konzentration und Beschränkung liegt in der Bedeutung der Wahrheit für das Buch. An diesem Bewertungs- und Unterscheidungskriterium findet die Auswahl der Lektüre die geistige Bedingung ihrer Möglichkeit. Mit der Wahrheit besitzt Luther einen Maßstab, welcher ihm Bücher so zu bewerten erlaubt, daß er lesenswerte von weniger oder nicht wertvollen Schriften zu scheiden weiß 3 9 5 . Handhabbar wird das Wahrheitskriterium dadurch, daß Luther es in B u c h prädikationen wie gut und böse, wahr und falsch, nützlich und schädlich konkretisiert 3 9 6 . Diese Differenzierungen leiten dann auch die hier erhobene Buchkritik Luthers. Sie begründen seine Skepsis gegenüber der Masse insbesondere schlechter und unnützer Bücher. Die konstatierte Flut religiösen Schrifttums ist für den Reformator Ausweis der weit verbreiteten D i stanz gegenüber der Heiligen Schrift wie auch des theologischen Irrtums. Ihm zu wehren und der evangelischen Wahrheit zu dienen äußert sich schließlich in der historischen Praxis in Beschränkungen, die das Buchwesen rechtlich, bürokratisch und durch politisch-öffentliche Aktion begrenzen: Präventiv handelt es sich hierbei um die amtliche Vorzensur; als im nachhinein angewandte Eingriffe gehören die Konfiskation von Druckwerken oder das Ausnahmemittel der Büchervernichtung hierher. Schließlich fugt sich auch die Beschränkung der obrigkeitlichen Gewalt, die der freien Verbreitung der Heiligen Schrift keine Grenzen setzen darf, dem Denkmuster der Begrenzung als Bindung des Buches an die evangelische Wahrheit.

3 9 2 Z u m Katechismus s. oben Abschnitt »3.1.3.3. Die Bedeutung des Katechismus für die religiöse Bildung«. 3 9 3 S. oben Abschnitt »3.1.3.2. Die Bedeutung anderer Bücher als der Bibel für die religiöse Bildung«. 3 9 4 S. oben den Abschnitt »1.3.3. Luthers Betätigung als Herausgeber und R e d a k tor«. 3 9 5 S. oben Abschnitt »2.2.3. Die Wahrheit als Unterscheidungsprinzip der Lutherschen Wortverbindungen mit dem Buchbegriff«. 3 9 6 S. oben Abschnitt »2.2.2. Die Wortverbindung genereller Bestimmungen mit dem Buchbegriff«.

4. Buch und Predigt: Zum Stellenwert des geschriebenen und des mündlichen Wortes bei Luther Die Breitenwirkung der Reformation läßt sich nicht allein durch den Buchdruck erklären. Neben das Buch tritt im Bereich mündlicher K o m munikation die Predigt als charakteristisches Medium der reformatorischen Bewegung und Öffentlichkeit hinzu. Für Rainer Wohlfeil spielt die Predigt hier eine »herausragende Rolle«. Allgemein konstatiert er »die eröffnende und fuhrende, wesentliche und sogar entscheidende Bedeutung des M e diums Predigt im volkssprachlichen reformatorischen Kommunikationsprozeß.« 1 Für Luther waren die Predigt wie das B u c h gemeinsam zentrale Medien, durch welche das Wort und die evangelische Wahrheit zur Geltung gebracht wurden. Das zeigt sich etwa daran, daß in seiner R e d e das Buch und der lesende Umgang mit dem geschriebenen Wort immer wieder in einem Zusammenhang mit der Predigt und dem mündlich verkündigten Wort erwähnt werden. Ausgehend von dieser Zusammenschau Luthers sollen Buch und Predigt im folgenden vergleichend in den Blick genommen werden. Dies erscheint sinnvoll, um die Bedeutung des Buches und damit des geschriebenen Wortes bei Luther noch präziser fassen zu können. Dabei sind sowohl Besonderheiten als auch Gemeinsamkeiten oder die Komplementarität beider Formen zu erfassen, in denen das Wort für Luther präsent ist. Insgesamt wird sich zeigen, daß das Buch im Verhältnis zur Predigt nur zureichend bewertet werden kann, wenn theologische und soziale R a h menbedingungen als Voraussetzungen beider Formen der Gegenwärtigkeit des Wortes berücksichtigt werden.

4.1. Die Komplementarität

von Buch und

Predigt

Luther kann unterschiedliche Kommunikationsformen als zusammengehörige Wege betrachten, durch welche das Wort wirksam wird. Diese elementare Gemeinsamkeit von Buch und Predigt, schriftlichem und mündlichen Wort läßt sich an einfachen Verbindungen oder Reihungen buch- und 1

WOHLFEIL, Einfuhrung, 125 u. 131.

Die Komplementarität

von Buch und Predigt

227

redespezifischer Begrifflichkeit in den Ä u ß e r u n g e n des Reformators belegen. So heißt es etwa im Blick auf die »Oeconomia Christiana« des Justus Menius u n d die dort genannten christlichen Anforderungen an die Ehe: »Solch gepot mus man mit predigen u n d solchen buchern treiben« 2 . Auf den Rezeptionsvorgang bezogen sagt Luther in seiner Schrift »Wider die himmlischen Propheten, von den Bildern und Sakrament«: »So weys ich auch gewiss, das Gott wil haben, man solle seyne werck hoeren und lesen, sonderlich das leyden Christi.« 3 Anschaulicher sind Äußerungen, in denen Luther verschiedene Artikulations- und Rezeptionsformen aneinanderreiht, wenn er etwa darauf hinweist, »das wir tag und nacht an dem Glauben so viel zu thun haben mit lesen, dencken, schreiben, leren, vermanen, troesten« 4 . Ähnlich verfährt Luther, wenn er fordert, den von der mittelalterlichen Kirche als Ketzer ausgegrenzten Johannes Hus ins öffentliche B e wußtsein zu heben: »Er mus ynn meinem m u n d e seyn, ynn deinem munde, ynn allen buechern, ynn allen oren.« 5 U n d in einer Predigt aus dem Jahr 1532 heißt es: »Ergo cavete, lasset euch verbum dei gefallen, horets, lesets, redt gern davon, so thut j r Gott den höchsten dienst und euch den besten nutz.« 6 Diese Beobachtungen zeigen, daß Luther das Buch und buchspezifische Aktivitäten wie das Lesen u n d Schreiben sowie mündliche Formen, sich mit d e m Wort Gottes auseinanderzusetzen, ganz selbstverständlich in einem u n d demselben Zusammenhang erwähnen kann. Eine abgestufte Wertschätzung oder Hierarchie zwischen dem gesprochenen und dem geschriebenen Wort wird nicht deutlich. Luthers Perspektive ist hier dadurch bestimmt, daß das geschriebene und das mündliche Wort einander im Leben und bei der Verbreitung des Glaubens ergänzen. Ein anderes Bild bietet sich, sobald Luther die verschiedenen Wirkweisen des Wortes nicht in ihrer Zusammengehörigkeit betrachtet, sondern in ihrer Differenz unterscheiden möchte. Entsprechende Äußerungen erwecken oft den Eindruck massiver Vorbehalte und Kritik gegenüber dem geschriebenen Wort. In diese R i c h t u n g weist seine R e d e von den >toten Wörtern< der Bücher, welchen er die >lebendigen< der mündlichen R e d e gegenüberstellt. In der Schrift »Von den letzten Worten Davids« heißt es 1543: »Es lernet ein j d e r m a n gar viel besser Deudsch oder ander sprachen aus der mundlichen rede, im Hause, auff dem marckt und in der Predigt, denn aus den Buechern, Die buchstaben sind todte woerter, die mundliche rede sind lebendige woerter« 7 . Insbesondere auf seinem eigentlichen Terrain als Theologe bringt Luther die lebendige Stimme< immer wieder gegen das geschriebene Wort in Anschlag. Es fällt auf, daß er derartige Gegenüberstellungen in Texten

2

WA WA dire«. 4 WA 5 WA 3

30 11,61,13 f. 18,83,6 f. Vgl. ebd., 22,31-33; WA 3,342,27 f: »verba scripture legere et au50,517,5 f. 19,328,32-34.

228

Buch und Predigt

verwendet, die flir die mündliche R e d e bestimmt sind und eng mit seiner eigenen Vorlesungs- und besonders Predigttätigkeit verbunden sind. In der Postille zu M t 21,1—9 für den 1. Advent spricht er etwa davon, daß »die kirch eyn mundhawß, nit eyn fedderhawß« 8 sei. D e m korrespondiert eine Ä u ß e r u n g aus der Vorrede zur »Epistel S. Petri gepredigt und ausgelegt« von 1523: Das Evangelium »ist eygentlich nicht das, das ynn buechern stehet und ynn buchstaben verfasset wirtt, sondern mehr eyn mundliche predigt u n d lebendig wortt, u n d eyn stym, die da ynn die gantz wellt erschallet und öffentlich wirt außgeschryen, das mans uberal hoeret« 9 . Eine ähnliche Formulierung in »Ein Sermon an unseres H e r r n Himmelfahrtstage« zum 14.5.1523 lautet: »Das Euangelion eygentlich sey nit das geschriben ist ynn buechern, ß o n d e r n eyn leybliche predig, die da erschallen sol und gehoert werden ynn aller wellt und ßo frey auß geruffen werden für allen creaturen, das sie es alle hoeren mochten, wenn sie oeren hetten, das ist, man sol es ßo öffentlich predigen, das es nicht kund öffentlicher gepredigt werden.« 10 In der »Zweiten Psalmenvorlesung« heißt es, daß das Wort Gottes »positum est non in literis et libris, sed in manifesta et vivae vocis confessione.... >Ex ore< non ex calamo >infantium perfecisti virtutemherrlichenVerheißungen< bedacht: »DAs ist eine herliche verheissung dem, der g e r n e lieset, j n n der Biblia studiret v n d auch vleis d a r i n n e n thut: N e m l i c h er sol gluecklich sein u n d weislich faren koennen.« 2 0 M e h r n o c h , Glaube, ewiges Leben u n d Gotteserkenntnis sind Früchte intensiver Bibellektüre: I Petr 1,25 erläutert er mit den W o r t e n : »Folget hieraus Das w i r auch ewig bleiben werden. So wir an dasselbige ewige w o r t gleuben v n d bleiben. D a r u m b mus solch w o r t , gewislich von vns n e m e n Tod sunde v n d helle etc. Derhalben, Sol m a n billich D i e Heilige Schrifft (die Gottes w o r t ist) g e r n e vnd vleissig Lesen.« 21 I m Blick auf J o h 5,39 heißt es: »Das heyst,Wer G o t t e r k e n n e n v n d das ewige Leben h a b e n wil, der sol dis B u c h mit vleis lesen, v n d von Christo Gottes Son Zeugnis d r i n n e n suchen.« 2 2 Es wird deutlich, sobald sich Luther ausdrücklich an den Leser w e n d e t , traut er

16 17 18 19 20 21 22

WA 48,185,8-10.Vgl. auch ebd., 148,14-16. Ebd., 185,2 f. Ebd., 31,19 f. Ebd., 31,9 f. Ebd., 6,2-5. Ebd., 220,5-221,9. Ebd., 146,3-5.

Die Komplementarität

von Buch und Predigt

231

dem Buch dieselbe lebendige W i r k u n g zu, die er im sozialen Kontext der Predigt mit dem gesprochenen Wort verbindet 2 3 . Aus der gegenüber der Predigt veränderten kommunikativen Situation des Lesens ergibt sich ein weiteres für Luthers buchkritische Äußerungen. Seine Buchskepsis betrifft das hermeneutische Problem der Rezeption des Wortes überhaupt nicht.Wenn er in den angeführten Zitaten die mündliche R e d e dem Buch vorzieht und die >toten W o r t e n des Buches der l e b e n d i gen Stimme< und leiblichen Predigt* konfrontiert, so liegen Buch und Predigt nicht auf derselben kommunikativen Ebene. Genauerhin betrachtet Luther das Buch in solchen Ä u ß e r u n g e n rein als Gegenstand. Es steht hier noch vor der Schwelle kommunikativen Handelns, weil es o h n e den R e z i pienten gedacht wird, der durch die Lektüre in geistigen Austausch mit dem Buchinhalt tritt. Demgegenüber ist das Wort mit der Artikulationsform des Predigens für Luther bereits unmittelbar Teil lebendiger Kommunikation. Dies wird deutlich, wenn er in der Adventspostille von 1522 den Satz erläutert, daß »die kirch eyn mundhawß, nit ein fedderhawß« sei: »Denn sint Christus tzukunfft ist das Euangelium mundlich predigt, das tzuvor s c h r i f t lich ynn den buchern verporgen lag. Auch ß o ist des newen testaments u n d Euangeli artt, das es mundlich mit lebendiger stym soll gepredigt und getrieben werden. Auch Christus selbs nichts geschrieben, auch nitt befolhen hatt tzu schreyben, ß o n d e r n mundlich tzu predigen. Alßo sind die Apostelln nit gesand, biß das Christus k o m e n ist gen mundhawß, das ist: biß das es zeytt was, mundlich tzu predigen, und das Euangelium auß der todte schrifft und feddern ynn die lebendige stym unnd m u n d bracht worde.« 24 Buch und Schrift erscheinen hier als Chiffren des noch nicht öffentlich gewordenen, verborgenen Evangeliums. Sie werden aber keineswegs grundsätzlich abgewertet. Luthers Skepsis gegenüber Buch u n d Schrift richtet sich nicht gegen das gelesene, sondern gegen das lediglich niedergeschriebene, nicht rezipierte Wort, welches den Adressaten nicht erreicht, also nur »ynn b u e chern stehet und ynn buchstaben verfasset wirtt« 25 . Sobald das Buch gelesen wird, ist es für Luther Teil des Kommunikationsprozesses und kann dieselben Leistungen erbringen wie die mündliche R e d e . Wenn die R e z e p t i o n von Buch u n d Predigt auch zu denselben Ergebnissen führen kann, so hat Luther doch eine klare Vorstellung von der unterschiedlichen kommunikativen Situation, in denen sich dies ereignet. Das führt in seiner Maleachivorlesung dazu, für das mündliche gegenüber dem geschriebenen Wort den Begriff >öffentlich< zu reklamieren: »Libri privatim servant legem, labia autem publice, et labia aperta n o n clausa servant ipsum 23

Die geistliche Wirkung der Lektüre darf nicht als Eigenleistung des Menschen mißverstanden werden, s. hierzu unten Abschnitt »4.3.1. Die Wirkungsmacht des Wortes«. 24 WA 10 1/2,48,5-13. 25 WA 12,259,11.

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Buch und Predigt

i.e. quando praedicant.« 26 Buchrezeption und Predigt werden hier idealtypisch gegeneinander abgegrenzt. Das Buch wird auf die Seite des Privaten gestellt. Luther hat hier einen Leser vor Augen, der das Buch individuell rezipiert, dem es also nicht vorgelesen wird. Außerdem vollzieht sich die Lektüre still, ohne Einsatz der Lippen oder der Stimme. Demgegenüber wird das mündliche Wort der Predigt hörend und in Gemeinschaft empfangen. Anders als bei der individuellen Lektüre wird bei der Predigt als einer Form direkter, nämlich mündlicher Kommunikation Kirche präsent und öffentlich: »Labia sunt receptacula publica ecclesiae«. Dies entspricht Luthers bereits angeführter R e d e von der Kirche als >MundFederhausans Licht< gebracht u n d >amTageauditus< seu >auditio«< im Anschluß an die Exegese der Schriftstelle Ps 18,45, die Luther nach der Vulgata mit »In auditu auris obedivit [sc. populus] mihi, Filii alieni mentiti sunt mihi« 33 wiedergibt. Zu Beginn des letzten Absatzes der Auslegung von Vers 45a weist Luther darauf hin, »in Ecclesia non satis esse libros scribi et legi, sed necessarium esse dici et audiri.« Mit Rücksicht auf Ps 19,4 f. stellt Luther den >Schall< der lebendigen Stimme< und die >Rede< gegenüber dem Buch und der Buchlektüre heraus: »Ita cum posset ps. 18 dicere: In omnem terram exivit liber eorum, potius dixit >Exivit sonus eorumEt in fines Orbis terrae< non scriptura, sed >verba eorumNon sunt loquelae neque sermones, quorum non audiantur voces eorumaudiantur voces eorumdeus l o cutus est in sancto suoNachkommen der Apostel< v o n n ö t e n , u m die religiöse E r z i e h u n g zu gewährleisten u n d die Defizite fehlender B i l d u n g auszugleichen: »Sonst duerffte m a n des Predigstuls u n d gantzen eusserlichen Kirchen regiments nicht, d e n n es k u e n d es ein jglicher fuer sich in der Schrifft lesen, Aber u m b des hauffens willen u n d des j u n g e n Volcks, so n o c h daher wechset, mus er solch oefFentlich Zeugnis o d e r Predigampt treiben, auff das sie auch Gottes 34 35

Ebd., 537,10-21. S. oben S. 145 u. 189.

Die Komplementarität

von Buch und Predigt

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Gnade, so er durch Christum uns geschenckt u n d erzeigt, erkennen lernen« 36 . W i e schon bei der Behandlung des Zusammenhanges von Buch und Bildung 3 7 erscheint die individuelle Lektüre hier geradezu als Ideal, bei welchem zu berücksichtigen ist, daß der Mensch nach Lebensalter und sozial bedingter pädagogischer Sozialisation noch oder zeitlebens nicht in der Lage ist zu lesen. Im Blick auf die Unterweisung deklariert Luther die individuelle Lektüre sogar zur Voraussetzung: »Man sol vnd mus die heilige SchrifFt imer vnd imer lesen, D e n n sie noetig vnd nutz, dazu sonst kein andere Schrifft nutze ist, noch helffen kan, nemlich vnd erstlich, zu leren.« 38 Hier hat Luther Prediger und Lehrer vor Augen, also diejenigen, die zu intensiver Lektüre befähigt sind. N i m m t man eine andere Aussage Luthers hinzu, so kann die Wirkkraft des gelesenen im Verhältnis zum gehörten Wort deutlich werden. In der Vorrede zum ersten Band der Wittenberger Ausgabe seiner Schriften sagt Luther 1539 mit Blick auf die Lektüre der Heiligen Schrift: »Zum andern soltu meditirn, das ist: Nicht allein im hertzen, sondern auch eusserlich die muendliche rede und buchstabische wort im Buch j m e r treiben und reiben, lesen und widerlesen, mit vleissigem auffmercken u n d nachdencken, was der heilige Geist damit meinet.« 3 9 Immer dann, so kann verallgemeinert werden, wenn die Rezipienten des Wortes zu eigenständiger Lektüre in der Lage sind, kann das Lesen dieselbe Kraft entfalten wie das H ö r e n und darüber hinaus die Aneignung des Wortes sogar vertiefen. W i e wichtig es ist, den historischen und sozialen H i n t e r g r u n d zu b e rücksichtigen, vor dem Luther das Wort des Buches dem der Stimme entgegenstellt, wird an einer Passage aus der Kirchenpostille von 1522 deutlich. Bei der Auseinandersetzung mit der Rolle des Predigers im Zuge der Auslegung v o n j o h 1,23 heißt es in der Postille am vierten Sonntag des Advent: »Deinde vox clamantis esse debet, idest, adeo instare secundum Apostolum a d T i m o t h e u m oportune, importune, arguendo, obsecrando, increpando, ut hominibus n o n nisi vox esse iudicetur. N a m longe alia debet esse praedicatio Euangelii quam legis. Lex in tabulis scribebatur et erat scriptura mortua, limitibus tabulae clausa, ideo parum efficax. At Euangelium vivae et liberrimae voci in auras effusae committitur, ideo plus energiae habet ad convertendum. U n d e Christus ipse nihil scripsit, sed omnia vocaliter dixit. Apostoli parum scripserunt, plurimum autem locuti sunt, et crevit successu temporis, ut faciendi libros nullus sit finis, donec eo venerit res, ut qui optime doceant hodie in Ecclesia tantum scribant: vox rarissime sonat Episcoporum in vulgum n o n Seminare mysteria nostra et (ut vocant) secreta Ecclesiae, quod n o n capiantur a vulgo, scilicet quasi spiritus sanctus ignorarit, cum praedica36 37 38 39

WA 21,284,12 f. u . Z . 15-20. S. oben besonders Abschnitt »3.1.4. Buch und Bildung in sozialer Perspektive«. WA 48,215,7-9. WA 50,659,22-25.

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Buch und Predigt

re praeciperet, vulgum non capturum, aut quasi nostrae virtutis sit capere quae praedicantur.« 40 In einzelnen Aspekten wird dieser Predigtabschnitt gerne dafür in Anspruch genommen 4 1 , generell den Vorrang des mündlichen vor dem schriftlichen Wort bei Luther zu belegen. Es ist nicht abzustreiten, daß Luther hier dem mündlichen Wort, der Predigt eine besondere Rolle einräumt. Die Stimme trägt das Evangelium nicht nur frei und lebendig durch die Luft. Für das mündliche Wort scheint auch zu sprechen, daß Christus selbst nichts und die Apostel im Verhältnis zu ihrem Predigtamt nur wenig geschrieben haben. Doch muß beachtet werden, daß Luther hier keineswegs die Absicht verfolgt, eine verallgemeinernde Aussage zur Wirkkraft der Predigt im Vergleich zum Buch zu machen. Die Einzelaussagen zur mündlichen R e d e im Verhältnis zum Buch besitzen im Kontext des in sich geschlossenen Predigtabschnittes einen ganz anderen Sinn und Stellenwert. Das letzte Drittel des Text zeigt, daß Luther die seiner Ansicht nach bedenkliche Situation des Predigtwesens seiner Zeit im Blick hat. Maßstab sind ihm dabei die im ersten Satz der Passage genannten Anforderungen an den Prediger, wie sie der Apostel Paulus in 2 T i m 4,2 stellt: »Praedica verbum / insta oportune inportune / argue obsecra increpa / in omni patientia et doctrina«. 42 In diesem Sinne soll der Prediger eine Stimme für die M e n schen sein. Doch die Gegenwart sieht ganz anders aus: D e m Volk, >vulgovieles< könne mündlich wirksamer behandelt werden. Das läßt R a u m für die spezifische Wirksamkeit des gelesenen Wortes, wie etwa die vertiefende Auseinandersetzung mit den Hauptinhalten der christlichen Wahrheit beim katechetischen Lernen 46 . Luthers einschränkende Formulierungen bestätigen somit das hier durchgeführte Unternehmen, die in den Luthertexten zwar oft implizit vorhandene, aber nicht explizit thematisierte positive Sicht von Buch und Lektüre zur Sprache zu bringen.

4.2. Der Vorrang des inneren vor der sinnlichen Rezeption

Hörens

des Wortes

Das entscheidende Argument dagegen, das gehörte gegen das gelesene Wort auszuspielen, ergibt sich daraus, daß Luther dem jeweiligen Medium und den jeweiligen sinnlichen Vermittlungsformen der Artikulation und Rezeption keine ausschlaggebende Rolle für die Wirkung des Wortes zuspricht. Seine Auffassung ist vielmehr insofern differenzierter, als er Reden und Hören weder allein als kommunikatives Handeln versteht, das sich in sozialen Bezügen realisiert, noch lediglich als sinnliche oder akustische Akte. In einer seiner letzten Predigten am 26. Januar 1546 wird vielmehr ein ganz anderes Verständnis deutlich: »Denn wenn ich inn der Kirchen predig hoere, so hoere ich Petrum und Paulum, ja wenn ich inn meinem stublin oder kemerlin lese, was sie geschrieben und geleret haben, da hoere ich sie noch alle tage predigen und mit mir reden. Denn sie nichts anders 46 S. oben Abschnitt »3.1.3.3. Die Bedeutung des Katechismus für die religiöse Bildung«.

Der Vorrang des inneren Hörens des Wortes

239

geleret u n d gepredigt denn eben das, das sie auch geschrieben haben.« 47 H ö r e n kann sich demzufolge sowohl sinnlich-akustisch mit Hilfe des Ohres während der Predigt als auch vermittelt durch das Auge beim Lesen ereignen. In dieser Bedeutung ist H ö r e n nicht ein sinnlich-psychologisches, ein akustisches, sondern ein geistliches Geschehen. Mit dem akustischen H ö r e n und dem visuellen Akt des Lesens hat es verschiedene Formen sinnlicher W a h r n e h m u n g zum Ausgang. Entscheidend für das so verstandene H ö r e n ist seine Ausrichtung auf das Innere des Menschen. Als geistlicher Akt ereignet sich dieses H ö r e n des Wortes Gottes im Personzentrum, für welches Luther die Ausdrücke Herz und Gewissen, aber auch Gehör verwendet. Dementsprechend heißt es 1538 in einer Predigt zu Joh 3,19: »Das wortt Gottes u n d dein gewissen oder gehoer lassen sich nicht scheiden.« 48 Das geistliche H ö r e n bedeutet >vernehmenVernehmenschreibt< u n d >druckthören< sei. H i e r a u f w e i s t er ausdrücklich auch 1545 hin: »Wer Gott wil hoeren reden, der lese die heilige Schrifft.« 53 Wann das Wort größere W i r k u n g entfaltet und inneres, geistliches H ö r e n wird, mit dem Buch und beim Lesen oder bei der Kanzelrede und beim akustischen H ö ren, ist letztlich eine Entscheidung, die allein bei Gott selbst liegt. U n m i ß verständlich macht Luther dies etwa 1524 in »Ein Sermon ... und H a u p t stück, unsern Glauben betreffend« deutlich: »On alle meyn bereytten und zuthon kompt mir gottis wort. Das mag ich thon, das ich hin gee u n n d höre es oder lese oder predig, das er mir also yns hertz gehet: das ist die recht bereyttung, die steet nicht ynn menschen krefften u n d vermugen, sunder ynn Gottis krafft.« 54 Aufs Ganze gesehen ist der wesentliche Gesichtspunkt bei der Frage nach der Wirkkraft des Wortes für Luther nicht, ob das Wort mündlich oder schriftlich vermittelt und hörend oder lesend v e r n o m m e n wird. Entscheidend ist vielmehr, daß es im Herzen wirksam wird. In diesem Sinne kann sich der Mensch Gottes Wort nicht selbst bereiten. Wenn j e d o c h Gottes Kraft zu den beiden Vermittlungs- und Rezeptionsformen hinzutritt, dann entfaltet das Wort die Wirkkraft, die es zum Wort des Glaubens macht. Die Lektüre ist dann wie auch das H ö r e n dem Glaubenshandeln zuzurechnen, von welchem Luther in der bereits angeführten Exegese von Ps 18,45 in den »Operationes in psalmos« spricht 5 5 . W i e schon der oben angezogene zweite, so liest sich auch der erste zentrale Abschnitt zu Vers 45a dem ersten Anschein nach als Votum für das gehörte Wort, welchem gegenüber das Lesen nur als nachrangig erscheinen kann. Bei genauerem Zusehen stimmen Luthers exegetische Ausführungen j e d o c h zu seinen Äußerungen über das innere Hören. M e h r noch, sie präzisieren die bislang vorgetragenen Vorstellungen zum geistlichen H ö r e n und bieten zusätzlichen Anhalt, die Lektüre dem inneren H ö r e n zuzurechnen. Daher soll dieser Abschnitt hier zusammenhängend geboten werden: »>Auditus< seu >auditio< tropo linguae proprie utitur spiritus pro ipso verbo vocis, ut Isaiae 53. >Domine, quis credidit auditui nostro?< idest verbo, quod nos praedicamus audiendum. Abacuc 1. >Domine, audivi auditionem tuam (idest verbum t u u m audibile) et timuiactum credendiNisi credideritis, n o n permanebitisCaptivat o m n e m intellectum in o b s e q u i u m ChristiSermo meus n o n capit in vobisAuditu auris audivit mihiauditioperiphrasis divinaHören des Ohres< ist nicht w o r t wörtlich zu n e h m e n , sondern als »göttliche Umschreibung< für das Glaubensgeschehen, welches Luther als »actus credendi< bezeichnet. D i e BegrifFlichkeiten Luthers, besser des Psalmisten, die sich auf das H ö r e n beziehen, sind also v o m Glauben, von Gottes W i r k e n i m M e n s c h e n , nicht von der menschlichen Sinneskraft her zu d e u t e n . W e n n L u t h e r aber G e h ö r u n d O h r im ü b e r t r a g e n e n Sinne v o m Glauben her versteht, dann m e i n t er nichts anderes als dasjenige H ö r e n , das in der o b e n vorgetragenen Interpretation als inneres oder geistliches H ö r e n charakterisiert w o r d e n ist. U n d damit u m f a ß t es auch die Lektüre. Das >igitur< in der W e n d u n g »actum igitur credendi« m a c h t deutlich, daß Luthers Ansicht v o m H ö r e n als Periphrase des Glaubenshandelns das R e s u 56

Ebd., 536,26-537,9.

242

Buch und Predigt

m é der vorhergehenden Auslegungen von Ps 18,45a darstellt. Diese lassen sich folglich daraufhin befragen, inwiefern sie Luthers R e d e v o m H ö r e n als Glaubenshandeln bzw. als inneres oder geistliches H ö r e n präzisieren und verständlich machen. Außerdem k ö n n e n sie zusätzlich näheren Aufschluß darüber geben, inwiefern das Lesen mit diesem H ö r e n vereinbar ist. Für Luther steht es außer Frage, daß das verbum Dei letztlich nicht sinnlich, sondern »omnibus sensibus clausibus« empfangen werden muß. Angesichts dieser ausschließenden Formulierung ist das >Gehör< im Fortgang des Satzes aus der Perspektive des Glaubens, nicht der des menschlichen Sinnesvermögens zu deuten: »... solo auditu percipias et ei credas«. Anders j e d o c h als die übrigen Sinnesvermögen ist das Gehör geeignet zu versinnbildlichen, wie das Wort Gottes im Glauben erfaßt wird. Dies wird gerade in der Konfrontation mit dem Gesichtssinn deutlich. Das Sehen steht der Repräsentation des Glaubensgeschehens entgegen, weil die von ihm übermittelten Sinneseindrücke der dem Menschen eigenen Verstandeserkenntnis dienen. Das R e g i m e n t des Auges bedeutet Vertrauen des Menschen auf sich selbst, sein geistiges Leistungsvermögen, die eigene Stärke u n d Urteilskraft, wie auch »in scripturis de populo Iudaico« geklagt werde. Außerdem richtet sich der Gesichtssinn auf die äußere Realität, die Dingwelt. Demgegenüber kann mit dem H ö r e n zum Ausdruck gebracht werden, daß sich der Mensch ganz auf Dinge ausrichtet, die sich der empirischen Uberprüfbarkeit entziehen. Das H ö r e n ist dasjenige Sinnesvermögen, das im Zusammenhang der K o m munikation damit konfrontiert sein kann, das Erfaßte nicht unmittelbar erfahren zu haben. Der H ö r e n d e verläßt sich unter Umständen auf das Gesagte, indem er von eigener Vernunft- oder Verstandeserkenntnis absieht. H ö ren ist dann gegen das eigene Wissen Vertrauen auf das übermittelte Wort. Damit wird die Sinneskraft des Hörens für Luther geeignet, das geistliche Geschehen des Glaubens zu repräsentieren. Auch der Glaube verläßt sich auf das Wort, nämlich auf das bei der Exegese von Ps 18,45a immer wieder genannte Wort Gottes. Das verbum Dei, »solo auditu percipias et ei credas«, beugt die Vernunft unter den Gehorsam gegen Christus — »captivat o m n e m intellectum in obsequium Christi«. Das Wort Gottes u n d der Glaube stehen der Herrschaft der menschlichen Vernunft und dem ihr in Luthers Sicht korrespondierenden Sinnesvermögen des Sehens entgegen: »Stultificat enim et excaecat verbum dei«. Es gehört für Luther zusammen, daß das Wort Gottes einerseits >töricht macht< — »stultificat« — u n d die Vernunft u n ter den Gehorsam gegen Christus beugt. Andererseits und dementsprechend >blendet< — »excaecat« — das Wort Gottes und richtet sich damit gegen die Herrschaft des Auges. Diese Frontstellung des inneren Hörens als Glaubensgeschehen, der >periphrasis divina< »>Auditu auris audivit mihigöttliche Umschreibung< für das Glaubensgeschehen fällt auch die Lektüre, soweit G o t t unter ihr Glauben wirkt. M e h r noch, es gibt von hierher keinen H i n d e r u n g s g r u n d , die Lektüre auch dann in A n schlag zu bringen, w e n n Luther v o m >verbum vocis< oder v o m >verbum vocale dei< spricht, wie bei der Auslegung von Ps 18,45a. I h m geht es nicht u m die Vermittlungsform, sondern einzig darum, daß sich das Wort als göttliche Predigt i m H e r z e n des M e n s c h e n ereignet, daß der Mensch »simpliciter haeret verbo et ductilem sese praebet auditui divino«. W i e sehr es Luther darauf a n k o m m t , den Glauben nur sinnbildlich an das H ö r e n zu binden bzw. zwischen akustischem u n d innerem H ö r e n zu differenzieren, zeigt sich an einer in zwei Fassungen überlieferten Predigt aus d e m April 1544. Mit Blick auf das Werk Christi, das v o m Tod befreit, formuliert er: »Etsi n o n vides s e c u n d u m vaccae aures, tarnen secundum auditum«. Die parallele Uberlieferung dieser Predigtstelle lautet: »... obs schon nit sihest, soltus doch sehen mit d e m gehoer.« 5 7 I n d e m Luther hier zwischen den >Ohren< u n d d e m >Gehör< unterscheidet, erhält das >Gehör< eine n e u e Qualität. Es wird gewissermaßen zu einem O r g a n sui generis, einer geistlichen Kraft, durch welche der Mensch Gottes W o r t zu v e r n e h m e n vermag. Im Gegensatz z u m akustischen als einem sinnlichen V e r m ö gen des Menschen, ist das G e h ö r wie der Glaube oder das W o r t Gottes als Wort des Glaubens der menschlichen Verfügung entzogen. Im G e h ö r ist nicht der Mensch, sondern Gott der Tätige 5 8 . Hier hört der Mensch G o t 57 WA 49,360,13 (Überlieferung R = Fassung Rörer) u. ebd., Z. 28 f. (Überlieferung S = Fassung Stoltz). 58 Vgl. »Die Zirkulardisputation de veste nuptiali. 15. Juni 1537«,WA 39 1,332,11-13

244

Buch und Predigt

tes Wort nicht mit den Sinnen, sondern im übertragenen Verstand, innerlich, als Glaubensgeschehen. Wie sehr Luther sich hier auf einer gegenüber dem sinnlichen Hören neuen und eigenständigen Ebene bewegt, belegt seine R e d e vom »sehen mit dem gehoer«, »secundum auditum«. Begriffe der menschlichen Sinneskräfte interessieren Luther letztlich nicht ihrer tatsächlichen Bedeutung nach. Sie dienen ihm vielmehr dazu, das eigentlich wesentliche Glaubensgeschehen zu veranschaulichen. Das »sehen mit dem gehoer« stellt eine Metapher dar, welche das Gehör, das selbst ein bildhafter Begriff ist, um das Glaubensgeschehen zu verdeutlichen, noch einmal auf einer höheren Ebene metaphorisiert. Dabei erfüllt diese doppelte Metaphorik des Sehens die Funktion, die Uberzeugungskraft des inneren Hörens anschaulich zu machen. Die Evidenz dieses Hörens nicht mit dem Ohr, sondern mit dem Gehör ist für Luther mit der Klarheit vergleichbar, welche das Auge bei der Verstandeserkenntnis der Dingwelt stiftet. Indem Luther die Lektüre und die Predigt unter den entscheidenden Vorbehalt des inneren Hörens stellt, unterscheidet er einerseits zwischen der Artikulation des Wortes und seiner sinnlich-psychchologischen R e zeption und andererseits der je individuellen Antwort des Menschen als Adressaten des Wortes. Hier liegt der tiefere Grund dafür, daß er, wie eingangs gezeigt, Buch und Predigt, Lesen und Hören immer wieder in einem Zusammenhang anführen kann. Die Perspektive des antwortenden Subjektes, des inneren Hörens, der Wirksamkeit des Wortes beim Individuum, gibt ihm die Freiheit und Flexibilität, situationsbezogen und nach Maßgabe sozialer Kriterien wie dem Bildungsstand das Lesen oder das Hören oder beide in Anschlag zu bringen.Vom antwortenden Subjekt her sind Buchlektüre und Predigt je zu bedenkende und komplementäre Artikulations- und Rezeptionsformen, durch welche das äußere Wort als inneres wirksam werden kann. Die Unterscheidung von Innen und Außen ermöglicht es Luther, die Vielfalt der Artikulationsformen des Wortes zustimmend zu erfassen und auf der Kanzel mit positiver Würdigung zur Kenntnis zu bringen und bewußt zu machen. Das läßt sich an einer Predigt aus dem Jahr 1531 demonstrieren, in welcher er sich mit der Frage auseinandersetzt, wie man mit dem Wort als Gottes geistlichem Schwert dem Teufel wehren könne: »Das geschieht nu furnemlich, wenn man das Wort treibt oeffentlich auff dem predigstul, darnach auch ein j glicher Christ bey j m selbs odder mit andern mit hoeren, lesen, singen, reden, betrachten, Denn die krafft hat es, wo mans lauter und rein predigt und handlet, mit vleis lernet und mit ernst dran dencket, da kan der Satan noch u. ebd., Z. 28-30: »Verbum est causa fidei, hoc est certum.Verbum non est opus nostrum, sed regnum Dei efficax et potens in cordibus nostris. Auditus autem est passio et materia iustificationis.« Vgl. auch WA 34 11,351,28 f.: »Hören ist nicht eyn werk, nihil faeimus, sed audiendo aeeipimus.« sowie einige Zeilen später ebd., 351,32 u.352,18: »...ut primo audiamus et fidem aeeipiamus absque omnibus operibus«.

Der Vorrang des inneren Hörens des Wortes

245

kein Teuffei bleiben« 59 . Hier wird deutlich, daß sich die Wirksamkeit des Wortes für Luther nicht lediglich im verkündigenden Handeln des Predigers erschöpft, so wichtig dieses ist. Die öffentliche Predigt — u n d das läßt sich auf die Lektüre übertragen — stellt n o c h nicht die notwendige A n t w o r t des Individuums auf das äußere Wort dar. Gleichzeitig zeigt sich, mit welcher Vielfalt innerer Akte das Individuum das äußere Wort psychologisch rezipiert u n d geistlich beantwortet. M e h r noch, Luther verweist auch darauf, wie das innerlich wirksame Wort sich mit >SingenReden< u n d > Handeln< gewissermaßen in die Lebenspraxis, ins individuelle u n d subjektiv vermittelte soziale Handeln u n d Gemeinschaftsleben des C h r i sten fortsetzt. Betrachtet man dabei das Verhältnis von Predigt u n d Lektüre, so ergeben sich weitere Aspekte der Komplementarität beider Artikulationsformen des Wortes, die bereits im Abschnitt z u m »Bildungswert des Buches für die Religion« zur Sprache g e k o m m e n ist. D o r t konnte gezeigt werden, daß die Katechismuspredigt die Hausväter motivieren sollte, mit Hilfe des Buches gegenüber ihren Schutzbefohlenen selbständig Katechese zu betreiben. Hier verallgemeinert Luther die initiierende Funktion der Predigt. Aus der Sicht der vorgängigen Predigt wird die Lektüre für Luther eine F o r m der Antwort, die zugleich als neuerliche Artikulation des Wortes begriffen werden kann. Sie erfüllt die Funktion, das Wort ü b e r die Impulse der Predigt hinaus individuell anzueignen u n d damit wirklich werden zu lassen. Sie wird zu einer F o r m des Lebens des zuvor gehörten Predigtwortes. Sie integriert das gehörte Predigtwort auf einer höheren Stufe verinnerlichender u n d vertiefender, selbständiger u n d individuell unvertretbarer Aneignung. Kommunikatives religiöses Handeln erweist sich damit für Luther als eine Vielfalt sprachlicher Akte, deren Elemente sich situationsangemessen gegenseitig ergänzen. M ü n d l i c h e u n d schriftliche Artikulation, hörende u n d lesende R e z e p t i o n sowie erneute Artikulation des Wortes stellen zentrale Aspekte einer als Prozeß vorzustellenden Einheit sprachlich-religiöser Existenz dar 60 .

59

WA 34 11,405,16-20. Unter den strukturierenden Momenten von Artikulation und Rezeption lassen sich weitere Elemente auch bereits genannter buch- und predigtspezifischer Momente der sprachlich-religiösen Existenz des Menschen integrieren, etwa Meditation, Gebet und Katechese. Der Gottesdienst insgesamt und auch die Seelsorge ließen sich aus dieser Perspektive darstellen. 60

246

Buch und Predigt

4.3. Luthers

buch- und predigtspezifische

in theologisch-hermeneutischer 4.3.1. Die Wirkungsmacht

Rede

Perspektive

des Wortes

Nachfolgend soll dargelegt werden, daß Luthers komplementäre Sicht von geschriebenem u n d gesprochenem, von gelesenem u n d g e h ö r t e m Wort, zuletzt in einer differenzierten theologischen H e r m e n e u t i k der W i r k u n g s m a c h t des Wortes gründet. Die Wirksamkeit des Wortes erfordert nicht nur spezifische F o r m e n der öffentlichen Ansprache, wie sie durch das Buch u n d die Predigt erfolgt. Sie bedarf auch nicht allein der subjektiven R e z e p t i o n , die sich durch das Subjekt entweder im kollektiven, nichtsdestotrotz aber j e individuellen H ö r e n oder in individuellen Akten wie d e m Lesen ereignet. Zusätzlich ist es n o t w e n d i g zu klären, w o d u r c h das Subjekt motiviert wird, sich gegenüber den vermittelten u n d rezipierten Inhalten der christlichen Wahrheit auch positiv zu verhalten. Es ist zu fragen, wie durch H ö r e n u n d Lesen in Luthers Sicht das Vertrauen des Individuums auf Gottes Wort zustande k o m m t , das heißt wie aus Information u n d Wissen Glaube wird. D e n n nur die persönliche Haltung der Subjekte, die Tatsache, daß sie das G e h ö r t e u n d Gelesene für wahr halten u n d als Christen auch von innen her als Grundlage der eigen e n Existenz akzeptieren, f ü h r t zu individueller u n d öffentlicher W i r k samkeit von B u c h u n d Predigt. B u c h u n d Predigt verweisen damit auf eine grundlegende hermeneutische Dimension. Es geht nicht n u r darum, daß das unterschiedlich materialisierte W o r t qua sinnlicher R e z e p t i o n i m M e n s c h e n wirksam werden m u ß . Die Problemstellung ist vielmehr in h e r m e n e u tischer Perspektive mit der Frage fortzufuhren u n d zu erweitern, wie das W o r t inhaltlich im M e n s c h e n wirklich wird. Erst mit der A n t w o r t hieraufist der Gesamtzusammenhang der Wirksamkeit von B u c h u n d Predigt transparent, vor welchem j e unterschiedliche G e w i c h t u n g e n der psychischen Aneignung als relativ u n d sekundär erwiesen werden. Diese Problematik ist in Luthers R e d e , in der er die W i r k u n g des Buches und der Predigt anspricht, stets implizit präsent, k o m m t häufiger direkt zur Sprache und wird gelegentlich auch systematischer reflektiert. Die W i r kungsmacht des geschriebenen und gesprochenen Wortes läßt sich bei Luther als Antwort auf die Frage nach Ziel und Ergebnis des individuellen Rezeptionsaktes rekonstruieren. In einer Fülle von Äußerungen stellt Luther die sinnliche, die lesende oder hörende R e z e p t i o n des Wortes unter den Vorbehalt dieses Ergebnisses. Ein erster Schritt, das hermeneutische Ziel zu formulieren, konnte bereits getan werden. Luther k o m m t es darauf an, daß sinnlich-psychologische Akte wie H ö r e n und Lesen zum >inneren H ö ren< werden. Genauer bezeichnet Luther seine Zielperspektive theologisch mit Hilfe erkenntnismäßiger, anthropologischer, u n d dogmatisch-existentieller Kategorien, mit denen vorgestellt werden kann, wie sich die Inhalte

Die Wirkungsmacht

des Wortes

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der christlichen Glaubenswahrheiten im Menschen konstituieren. Das sinnlich rezipierte Wort Gottes wird für Luther erst im Verstehen wirklich, ein e m Verstehen, das der Heilige Geist wirkt u n d welches sich im Herzen, Gewissen oder Gehör des Menschen ereignet. Das heißt aber nichts anderes, als daß das Wort Gottes im Glauben zur existentiell eigenständigen Lebensmacht und -Wirklichkeit wird. Diese unverbrüchliche Gewißheit und dieses Vertrauen bestimmen sich inhaltlich durch Gottes gegen Sünde und Tod gerichtetes lebens- u n d heilschaffendes Handeln in Jesus Christus. In verschiedenen kommunikativen Kontexten und mit Bezug auf unterschiedliche Inhalte der christlichen Wahrheit bringt Luther diese hermeneutische Perspektive der Wirklichkeit des Wortes gerade gegenüber den nur sekundären Verkörperungen u n d Rezeptionsformen des Wortes zur Sprache. Bei der Auslegung von Ps 37,31a, »Das Gesetz seines [des Gerechten] Gottes ist in seinem Herzen«, weist er über das Buch, das H ö r e n und Sprechen auf die hermeneutische Dimension: »Darumb redet er [der Gerechte] recht und tichtet Weisheit, das Gottes gesetz nicht ynn dem buch, nicht ynn den o h ren, nicht auff der Zungen, sondern ynn seinem herzten ist. Gottes gesetz mag niemand recht verstehen, es sey y h m denn y m hertzen, das ers lieb habe u n d lebe darnach, wilchs thut der glaub ynn Gott.« 61 In einer Predigt aus d e m Jahre 1544 bringt Luther den Glauben an Jesus Christus, das Wissen und Verstehen des Glaubensartikels von Jesus Christus, welcher dem M e n schen zu Herzen gehen muß, dagegen in Anschlag, dieses Bekenntnis sowohl bloß zu lesen als auch zu hören: » ... wir gleuben, das Jhesus Christus unser HErr, beide, warer Gott u n d Mensch, ist,Welches ist der einige G r u n d der gantzen Christlichen lere und unser Seligkeit, darinnen alles hanget und ligt, was von Gott, Engeln, Himel, Helle, Tod und Leben gesagt wird. Das, wer diesen Artikel nicht gleubt oder j m lesst zu hertzen gehen, dem ist auch nichts beholffen, was er von Gott und Goettlichen Sachen hoeret oder lieset. U n d sol hievon nichts wissen noch verstehen, ob er gleich auch die Bibel lieset« 62 Ausdrücklich heißt es 1523: »Man muss das wortt Gottis nicht alleyn lesen und hoeren, sondern yns hertz fassen.« 63 Die R e z e p t i o n des W o r tes durch sinnlich-psychologische Akte ist für Luther aus der Perspektive des Glaubens äußerlich. Das demgegenüber im Glauben verinnerlichte Wort kann Luther auch als Erfahrung vorstellen: Z u m rechten Jünger des Wortes werde der Mensch erst dann, so spricht Luther 1531 die Gemeinde 61

WA 19,566,19-22. WA 49,571,22-29. 63 WA 12,296,16 f. Der Fortgang der Predigt, Z. 17-22, zeigt deutlich, daß Buch und Predigt zwar nicht das Ziel, doch aber unabdingbare Voraussetzung von Glaube und Verstehen sind: »Drumb ist es nicht gnug, das man ein mal das Evangelium predige odder hoere, Sondern man muss ymmer nach drucken und fort faren. Denn solche gnade hat das wortt: yhe mehr mans handelt, yhe süsser es wirtt. Wie wol es ymmer dar eynerley lere ist vom glawben, so kan mans doch nicht zu viel hoeren, wo nicht freche und rohe hertzen sind.« 62

248

Buch und Predigt

an, wenn »du solches nicht allein wisest, lernest, lissest, hörest, sondern du hast es auch erfharenn.« 64 Es ist Luther ein zentrales Anliegen, die nur äußerlichen Artikulationsund Rezeptionsformen des Wortes als menschliche Aktivitäten zu charakterisieren und demgegenüber das Glaubensverstehen auf Gottes Handeln am Menschen zurückzuführen. Diese Sicht deutet sich bereits in Äußerungen an, in denen Luther die Defizite des lediglich äußeren Umgangs mit dem Wort zur Sprache bringt: »... ob wir gleich die Biblia gehabt und gelesen, doch nichts davon verstanden« 65 . Das Wort nicht zu verstehen und damit das eigentliche Ziel zu verfehlen kann Luther auch in der Unterscheidung reformulieren, daß das >Reden< noch kein wirkliches >Tun< ist, daß >Wort< und >Leben< noch nicht zur Einheit geworden sind, »das die zwey, R e d e n und thun,Wort und leben, noch weit von einander sind, Predigen, reden schreiben, singen, lesen kan ichs wol, Aber da feilets, das es nicht wil jnns hertz mit solchem starcken, lebendigen glauben und bruenstiger liebe.« 66 Für Luther artikulieren sich darin, daß das Wort Gottes nur äußerlich gehandelt wird, die Selbstbezogenheit und die >falsche Geistlichkeit des Menschen. Es ruft Gottes Zorn und Strafe hervor, »das wir teglich das Vater unser und den Glauben geplappert, gesungen und gelesen on verstand, glauben und hertz und nicht allein von Christo, sondern auch von Gottes gesetz nichts gehalten haben, Sondern allein unser eigen ding und falsche geistligkeit, beide, über und wider die Gnade und Gebot, auffgeworffen und für Gott getragen, j n damit zuversonen und den himel abe zuverdienen.« 67 Das Wort nur äußerlich und unverständig nachzuvollziehen und zu reproduzieren ist der Versuch, sich selbst mit Gott zu versöhnen und zu erlösen. Der Mensch verläßt sich dabei nicht auf den gottgeschenkten Glauben, sondern auf seine eigenen Werke. Ihm fehlt das Wissen um die vorgängige Aktivität Gottes, welche sich darin offenbart, daß Gott seinen Sohn Jesus Christus >aus Gnade und Barmherzigkeit gesandt hat. In seiner Predigt und Auslegung von J o h 14 und 15 spitzt Luther diesen Aspekt der Werkgerechtigkeit beim nur äußerlichen Umgang mit dem Wort noch zu. Er verweist auf die Folgen, wenn >Hören, Lesen, Singen und Sagen< des Gotteswortes nur Menschenwerk sind. Das als Gesetz und Evangelium an den Menschen gerichtete Wort Gottes bleibt zur Gänze nur Gesetz, so daß der Mensch in der GesetzlichWA 33,653,11-13. WA 46,61,29. 66 WA 36,420,22-25. 6 7 W A 4 6 , 3 4 7 , 2 4 - 2 9 Vgl. auch die Predigt aus dem Jahre 1 5 2 3 W A 12,558,12-19: »Das gehoert darzu, das ich es [das Evangelium] glaeube, denn ich kan es sonst anders nit fassen. Wenn du es ynn eyn buch schreybest, ßo ist es niemant nutz; ya das du auch vil gedancken davon machest, item das du davon predigst und redest odder hoerest, hilfft auch nichts, ßonder du must es glauben und dich ungezweyffelt darauf verlassen, es sey alßo, wie das Euangelion sagt, das nit deyne werck, ßonder des herren Christi werck, sterben und auffersteung deyn sundt und todt hynweg nimpt; darzu kanstu nicht k u m men denn durch den glawben.« 64

65

Die Wirkungsmacht

des Wortes

249

keit verharrt und damit verloren, dem Untergang preisgegeben ist: »Die andern alle, ob sie gleich ewig von Gott hoeren, lesen, singen und sagen, so kennen sie j n nimer mehr, Denn sie wissen nicht, was sein meinung, rat, wille und hertz ist, nemlich, das er den Son gesand hat, auff das uns geholffen wuerde Johan. am dritten cap. Bleiben allein bey der Gesetz lere (wo sie am besten leren und leben) von Gott dem allmechtigen da wissen sie nichts von, ja sie koennen solche lere weder hoeren noch leiden, wollens alles fuer Gott durch sich selbs und mit jren wercken ausrichten, so lang bis sie anlauffen und untergehen muessen.«68 Wie ereignet sich nun aber Gottes Wort so am Menschen, daß dieses nicht äußerlich bleibt, daß es ihm nicht zum Untergang, nicht zum Unheil, sondern zum Heil gereicht? Wie ändern sich der von Luther festgestellte Mangel und das Mißverhältnis, daß über den Glauben »steht ynn buchern gnug geschrieben. Ja es ist aber noch nicht alles ynn die hertzen getrieben«69? Ausdrücklich verbleibt Luther dabei, daß das äußerliche Wort, daß Hören und Lesen unverzichtbar sind: »Das wort ist auch ein eusserliches ding, das man mit den ohren fassen und mit den äugen lesen kan. Gleych wie die Christen auch leibliche menschen sind. Das mans aber gering halten und darumb verachten wolt, das taug in keinen weg.«70 Doch wird das äußerliche Wort nur dadurch wirklich und wirksam, »das wyr nicht alleyne das lauter wort Gottes haben, hoeren und lesen, und auch an vielen orten, wie die helle sonne, sehen auffgehen, Sondern auch den geyst Gottes daneben fuelen und spueren mit krefftigen und mechtigen thatten, solchs seyn wort, wie er von anbegyn gepflegt, beweysen und bestettigen.« 71 Entscheidend ist hier, wie Luther Außeres und Inneres verschränkt zur Sprache bringt, miteinander verbindet und die Geistigkeit des Menschen in sich differenziert. Ohne Zweifel sind auch Hören und Lesen innere Akte des Menschen. Als psychische Aktivitäten liefern sie Sinnesdaten, die im menschlichen Geist als Vorstellungen zu Uberzeugung und Erkenntnis fuhren, Luther spricht von >VerstandrechtenVerstand< des Wortes, den Glauben nennt: »Wo der vorstandt ist, ßo ist ein Mensch in der wuesten, und stehet im glau68 WA 45,718,13-21. Ähnlich äußert sich Luther in »Das 16. (und 17.) Kapitel S.Johannes gepredigt und ausgelegt. 1538«, WA 46,24,13-19. Der den Papisten eigene nur äußere Umgang mit dem Wort wird von ihm als rein gewohnheitsmäßiges Handeln charakterisiert, vergleichbar der Trunkenheit des Schlafenden oder dem Tiefschlaf: »Denn was sie davon [von Lehre und Glauben] wissen, lesen, reden oder predigen, haben sie aus lauter gewonheit, eben als ein trunckener im schlaff redet, da er nicht weis, was er thuet oder wie j m ist, Also wissen sie gar nichts, was sie lesen, singen oder sagen, sind gar als im tieffen schlaff, ersoffen jnn andern gedancken, on das jnen die wort durch den mund gehen des glaubens, Vater unser und der gantzen Schrifft, so sie von den lieben Vetern empfangen haben.« 69 WA 19,78,23 f. 70 WA 52,185,17-20. 71 WA 18,224,12-15.

250

Buch und Predigt

ben, ßo ist Christus da ... Da sihet Christus den menschen ffreintlich ann, u n d ßo bald kumbt der h. geist, bringet mitt sich ein rechten vorstandt der ganzen schriefft. Es wird nimandt gelerhet mitt viell lesßen, gedencken etc.« 72 Luther wendet sich nicht prinzipiell gegen die psychische R e z e p t i o n des Wortes; er möchte es auch keineswegs prinzipiell diskreditieren, daß der Mensch das im Buch niedergelegte Wort wiederholt u n d intensiv liest; das stünde auch im Widerspruch zu den hier bereits erhobenen Ergebnissen. Worauf es ihm ankommt ist, daß all diese Aktivitäten des Menschen vergeblich sind, wenn nicht Gottes Handeln durch den Heiligen Geist hinzutritt. Dies ist j e d o c h nicht additiv zu verstehen; es betrifft das Wort und den Menschen vielmehr in seiner Gesamtheit. Das Wort wird inneres, wirksames Geschehen, Glaube. Es verwandelt den Menschen, macht ihn zum >neuen MenschenKetzer< »die selbige SchrifFt gelesen, so wir haben.« 74 Entscheidend dafür, daß das Wort inneres wird, sind die rechte R e z e p t i o n u n d das rechte Verständnis, welche an ein und demselben Wort durch die >rechte Auslegung< und >Offenbarung< des Heiligen Geistes im Individuum gewirkt werden: »Darumb ist die Schrifft ein solch Buch, dazu gehoeret nicht allein lesen und predigen, sondern auch der rechte Ausleger, nemlich die Offenbarung des Heiligen Geistes«. Die Wirksamkeit und Intensität des äußeren Wortes, das durch den Geist im Herzen zur Geltung gebracht wurde, also des inneren Wortes, kann Luther mit Begriffen beschreiben, welche er dem seelischen Bereich gefühlsmäßigen Erlebens entlehnt 7 5 . Der Mensch gewinnt »lust zu gottis gepotten«, 72

WA 9,610,23-30. WA 7,654,6-8. 74 Auch für das nachfolgende Zitat WA 21 1,230,21-28. 75 H E L M U T R I E D L I N G E R , Erwägungen zum hermeneutischen Wirken des Heiligen Geistes nach der Magnificat-Auslegung Martin Luthers. In: Ecclesia militans. Studien zur Konzilien- und Reformationsgeschichte. Remigius Bäumer zum 70. Geburtstag gewidmet. Bd. 1-2. Paderborn, München, Wien, Zürich 1988, Bd. 2. Zur Reformationsgeschichte, 87-108; hier: S. 102 spricht in diesem Zusammenhang von der >Gewißheit des rechten Verstehens Gottesintimus affectus< werden das Buch, die Predigt, ihre Rezeption und ihre Verarbeitung in der cogitatio gegenüber dem cor als äußerlich charakterisiert. Ohne das Wirken des Heiligen Geistes bleiben das Wort äußerlich und der Mensch der alte, der selbst um R e c h t fertigung bemühte, aber gerade in diesem Bestreben unerlöste Sünder, dem die Gnade Gottes fehlt. Luther wäre allerdings gründlich mißverstanden, wenn das Wirken des Heiligen Geistes als ontologische Wandlung des Menschen begriffen würde. Der Mensch, »der den heiligen Geist hat«, wird nicht substantiell ein anderer, nämlich »so bald schon gar volkomen, das er nicht fuele vom Gesetz und mit den B e g r i f f e n Gefühl und Erfahrung. S o heißt es: G o t t werde »durch seine w e r c k ynn unsz erzeygt, gefuelet unnd erfaren: . . . da geht das hertz über für freudenn, hupfft und springet für grossem wolgefallen, den es y n n got empfangen. U n n d da ist denn der heilig geyst, der hat solch u b e r s c h w e n c k l i c h kunst und lust y n n e i n e m augenblick ynn der erfarung geleret.« ( W A 7 , 5 4 8 , 5 - 1 1 ) . M i t »gotlicher sussickeit und geyst durchgossen werden« b e d e u t e t den M e n s c h e n m e h r »fuelen, denn sie sagen k u n d e n n . D e n n es ist kein m e n s c h e n w e r c k , got mit frewden l o b e n n . Es ist m e h r ein frolich leyden und allein ein gottis w e r c k , das sich mit Worten nit leren, szondernn nur durch eigen erfarung k e n nen lessit.« (ebd., 550,7—11). A u c h Eilert H e r m s bietet B e l e g e dafür, daß nach L u t h e r die »Wahrheit des Evangeliums« und die »Wahrheit des W o r t e s Gottes« i m H e r z e n >gefühlt< und >erfahren< werden (vgl. HERMS, Evangelium, 3 3 ) . 76 WA 1 2 , 5 7 2 , 9 f. Vgl. die gleichlautende Parallelstelle zu diesem Predigttext in »Crucigers Sommerpostille«, W A 2 1 , 4 4 1 , 3 4 f. H i e r verwendet L u t h e r m e h r f a c h den B e g r i f f des Fühlens, u m die W i r k u n g des Heiligen Geistes a u f den G l a u b e n d e n zu b e schreiben. I m Gegensatz zu den U n g l ä u b i g e n , d e n j e n i g e n , die nicht v o m Heiligen Geist gelehrt werden, fühle er das Gesetz u n d die Sünde, fühle er seine S ü n d e und das E r schrecken v o r d e m Tod, vgl. ebd., 4 4 2 , 1 4 f. i.V.m. Z . 23—29. 77

W A 1 4 , 6 1 0 , 3 2 - 3 5 . Das folgende Zitat ebd., Z . 8 f.

252

Buch und

Predigt

von der Suende und sey aller ding rein.« Das Wort wird vielmehr im M e n schen in der Weise durch den Heiligen Geist wirksam, daß es den M e n schen, der in seiner ontologischen Verfassung Sünder verbleibt, in einem beständigen, lebenslangen Prozeß durch den Glauben von der erkannten u n d in ihren W i r k u n g e n e m p f u n d e n e n Sünde freispricht und immer erneut zur Liebe treibt. D e r Mensch ist Sünder und Gerechter zugleich, weil der Heilige Geist das Werk der Erlösung erst >angefangen< hat u n d damit beständig >im Schwange gehtc »Denn wir predigen nicht also v o m heiligen Geist und seinem Ampt, als hab ers schon gar ausgericht und volbracht, sondern also, das er es habe angefangen u n d jtzt j m e r im schwang gehe, da ers j e m e h r und m e h r treibet und nicht auffhoeret. D a r u m b wirstu keiner solchen Menschen finden, der on suende und on betruebnis, vol gerechtigkeit und vol freude sey u n d j e d e r m a n frey diene. D e n n die Schrifft erzelet wol, was der heilige Geist thu, nemlich, das sein A m p t sey, von suende u n d schrecken erloesen, aber damit ist es noch nicht gantz ausgericht.« 78 Weil das Wirken des Heiligen Geistes am Menschen ein permanentes ist, mit welchem das äußere immer wieder z u m inneren Wort und somit der Glaube dem Menschen von Gott immer erneut zugeeignet wird, spricht Gerhard Ebeling von einem a n h a l t e n d e n Kommunikationsgeschehen< 7 9 . Die Kommunikation ereignet sich in der Relation Gottes zum Menschen. Bezieht man dies auf die hier insgesamt verfolgte Perspektive der Wirksamkeit von Buch und Predigt, so läßt sich eine kommunikative und h e r m e neutische Doppelstruktur ausmachen. D e r Mensch bedient sich des äußeren, des geschriebenen und gesprochenen Wortes, er rezipiert es lesend und hörend u n d kann es im Denken auch aus geistlicher und theologischer Sicht in einem äußerlichen Sinne verstehen. In die kommunikative R e l a tion von Mensch zu Mensch, von Autor zu Leser, von Prediger zu Hörer, kann Gott als weiterer Kommunikationspartner bei der Lektüre und Predigt hinzutreten. Hierbei konstituiert sich nun nicht eine vollkommen eigenständige, v o m äußeren Wort getrennte Kommunikation, sondern ein vermitteltes Verhältnis. Gottes in seiner W i r k u n g unverfügbarer Heiliger Geist bedient sich des äußeren, des geschriebenen u n d gepredigten, des gelesenen u n d gehörten Wortes. Er führt die äußere Kommunikation auf eine neue Ebene inneren Hörens. D e m Menschen wird der rechte Verstand des äußeren Wortes so zugeeignet, daß er es im Herzen als inneres Wort u n d Glaube empfängt. Zwischen äußerem und inneren Wort besteht somit kein Korrespondenzverhältnis der Art, daß zwei getrennte Formen der K o m m u nikation miteinander koordiniert würden. Vielmehr überlagern sich das kommunikative Geschehen von Mensch zu Mensch u n d zwischen Gott u n d dem Menschen. Es handelt sich also u m ein dialektisches Verhältnis, in welchem beide Relationen in der Einheit gottmenschlicher u n d mensch78

WA 21,442,13-22.

79

V g l . EBELING, D i s p u t a t i o , B d . 2 , 4 4 7 .

Die Wirkungsmacht

253

des Wortes

menschlicher Kommunikation aufgehoben sind. Die Wirkkraft des Wortes in der menschlichen Kommunikation wird in die Wirkungsmacht des Wortes in der Kommunikation Gottes mit dem Menschen überfuhrt. Der Heilige Geist enthebt das äußere Wort, das unter dem Vorbehalt des Glaubensverstehens steht, seiner Äußerlichkeit. Er wandelt das Wort in einem nicht abgeschlossenen Prozeß immer wieder von Gott her erneuerten Verstehens zur lebensbestimmenden, lebendigen, gottgewirkten Kraft des Glaubens aus dem Herzen als Zentrum des Personseins. 4.3.2.

Die Wirkungsmacht

Unterscheidungen

Luthers

des Wortes im Anschluß

an die

in buch- und predigtspezifischer

systematischen Rede

Den Gesamtzusammenhang, innerhalb dessen Buch und Predigt ihre Wirkung entfalten, hat Luther gelegentlich systematisch zur Sprache gebracht und als hermeneutischen Prozeß beschrieben. Seine Differenzierungen sind geeignet, aus der für ihn entscheidenden theologischen Sicht den Stellenwert von Buch und Predigt präziser zu erfassen. Luther unterscheidet drei Weisen, in denen das Wort kommuniziert wird, und drei Formen, in denen es präsent ist. In zwei früheren exegetischen Äußerungen zu Mt 23,34 kommt er zu allgemeineren systematischen Aussagen, indem er sich mit den dort genannten »tria genera hominum verbo eruditorum« 80 der Propheten,Weisen und Schriftgelehrten auseinandersetzt. In der Predigt am zweiten Weihnachtstag 1514 heißt es: »Igitur sicut triplex est verbum, scilicet cogitatum et mentale, dictum seu vocale, scriptum seu scriptile, ita sunt triplices eruditi, Prophetae qui corde, Sapientes qui aure, Scribae qui oculo doctrinam percipiunt, et vivacior est eruditio sicut cogitatione quam voce, ita voce quam scripto. Quia litera est vox mortua, vox autem est litera viva, sed tarnen est adhuc cogitatio mortua, vox autem est litera viva, sed tarnen est adhuc cogitatio mortua, Cogitatio vero digito Dei scripta est vita vocis et literae. Quia magis movet vox quam litera, sed plus cogitatio quam vox, imo Deus scribit in cordibus et facit Prophetas, homo scribit in auribus et libris voce et litera.« Diese dreifachen Unterscheidungen des Wortes greift Luther in der Kirchenpostille von 1522 auf und charakterisiert sie als O f fenbarungsweisen der Wahrheit und Lehre, denen er je ein spezifisches Medium zuordnet: »Das sind nu die drey weyße, darynn die warheyt mag offenbar« werdenn: schrifft, wortt, gedanckenn; schrifft durch die buchernn, wortt durch den mund, gedancken durch das hertz. Man kan ßonst mit nichts mehr fassen die lere, denn mit hertz, mund und schrifft.« 81 Betrachtet man zuerst die Kommunikationsweisen des Wortes, so fällt auf, daß Luther Wort, Wahrheit und Lehre innerhalb eines komplexen Z u sammenhanges schriftlicher, mündlicher und geistlicher Kommunikation 80 81

WA 1,30,7. Das folgende Zitat ebd., Z. 18-28. WA 10 1/1,272,17-21.

254

Buch und Predigt

systematisiert. Auf der schriftlichen Ebene spricht er v o m Wort als Schrift, geschriebenem Buchstaben u n d Buch. Die Kommunikation mit dem Text erfolgt mit Hilfe des Auges durch das Lesen 82 . Die Ebene mündlicher K o m munikation kennzeichnen für Luther der M u n d , das gesprochene Wort und die Stimme. Hier hat er das Predigtgeschehen vor Augen, bei welchem das mündlich verkündigte Wort von der Gemeinde hörend rezipiert wird. Auf der geistlichen Ebene n i m m t er mit Begriffen wie Herz, cogitatio und Gedanke auf den inneren Menschen Rekurs. Hier steht der Mensch in K o m munikation mit Gott, der durch den Heiligen Geist »scribit in cordibus«. Durch die Unterscheidung nach der Gegenwart und Präsenz des Wortes erschließt sich die von Luther verwandte Begrifflichkeit gleichsam quer zu diesen drei Kommunikationsweisen. Das Wort wird aus dieser Perspektive durch die Aspekte des Mediums, der Artikulation und Rezeption sowie der W i r k u n g systematisiert und geordnet.Vom M e d i u m her gesehen präsentiert sich das schriftliche Wort in Buch, Buchstabe, Schrift und Auge, das m ü n d liche in M u n d , Stimme und O h r sowie das geistliche in Herz und Gedanke. Mit Blick auf die Artikulations- und Rezeptionsformen ist das schriftliche Wort im Lesen präsent, das mündliche in der Predigt und das geistliche »cogitatum et mentale« im Gedanken.Von der W i r k u n g her, welche das Wort j e nach M e d i u m u n d Artikulation beim Menschen bewirkt, k o m m t Luther zu einer zweifachen Differenzierung. Das schriftliche und das mündliche Wort erlangen nicht die Verinnerlichung des geistlichen Wortes. Luther charakterisiert sie von daher als tot, sie sind nur äußerlich, treffen letztlich nur den äußeren Menschen. D e r innere Mensch hat demgegenüber durch Gottes Wirken das Wort geistlich verinnerlicht, was Luther als Leben oder Lebendigkeit charakterisiert. Luthers Unterscheidungen der Kommunikation und Präsenz des Wortes lassen sich — soweit sie bislang entwickelt werden konnten — im auf der nächsten Seite folgenden Schema darstellen. Hierbei ist für Luther die Ebene geistlicher Kommunikation entscheidend. Ihre Kategorien beschreiben das Ziel des Verstehensprozesses, welches das gläubige Individuum in der Auseinandersetzung mit dem Wort nur durch die Hilfe des Heiligen Geistes erreicht. Von hierher werden die j e dreifachen Differenzierungen der Kommunikation u n d der Gegenwart des Wortes der Dichotomie von gott-menschlicher und nur menschlicher Kommunikation unterworfen. Die spätere Unterscheidung von sinnlichem und inneren H ö r e n läßt sich in dieses Modell einzeichnen. Das sinnliche H ö r e n durch die Lektüre und die Predigt verbleibt im Bereich der menschlichen Kommunikation, während sich das innere H ö r e n nur in der gottge82

Hinfuhrend auf die zitierte verallgemeinernde Passage aus der Predigt vom 26. Dezember 1514 geht Luther deutlicher auf die Lektüre ein. Er charakterisiert die scribae aus Mt 23,34: »... ex lectione scripturae, scilicet qui legendo et meditando sese exercent ad cognitionem veritatis, facti potentes interpretari scripturas et scribere legenda.« (WA 1,30,16-18).

Die Wirkungsmacht

255

des Wortes

Kommunikation Mit Gott, geistlich

Herz

Gedanke

Leben, geistliche Verinnerlichung, innerer Mensch

Menschlich, mündlich

Mund, Stimme, Ohr

Predigt

Tod, menschliche Verinnerlichung, äußerer Mensch

Menschlich, schriftlich

Buch, Buchstabe, Schrift, Auge

Lesen

Tod, menschliche Verinnerlichung, äußerer Mensch

Gegenwart, Präsenz des Wortes

Medium

Artikulation, Rezeption

Ergebnis Wirkung

wirkten lebendigen Beziehung des Menschen mit Gott ereignen kann. Da Luther später mit seiner Vorstellung vom inneren H ö r e n d e m gelesenen Wort prinzipiell dieselbe Kraft zutraut wie dem akustisch gehörten, ist der Prozeß der fortschreitenden Verlebendigung des Wortes über die littera und die vox hin zur cogitatio in der Predigt von 1514 nicht als absolut und allgemeingültig zu n e h m e n . Er könnte analog der Auffassung vom inneren Hören dahingehend modifiziert werden, daß das Wort dem Menschen auch bei der durch den Heiligen Geist begleiteten Lektüre als innere Stimme begegnet. Aus den bisherigen Überlegungen zu Luthers systematischen Differenzierungen ergeben sich allerdings Probleme, die anzeigen, daß die eigentliche Tiefendimension des Wortes mit der Unterscheidung dreier K o m m u n i kationsweisen und dreier Formen der Präsenz des Wortes noch nicht ausgelotet ist. Folgte man der bislang entwickelten Unterscheidung von gottmenschlicher und allein menschlicher Kommunikation formal, so ergäbe sich daraus zweierlei. Einmal wären Herz und Gedanke für Luther a priori Kategorien, welche den Menschen in seiner positiven Beziehung zu Gott charakterisierten. D e r innere Mensch würde von vornherein als im christlich-religiösen Sinne lebendig, als gläubig gedacht. Ein anderes Mal repräsentierten schriftliche und mündliche Kommunikation, ihre mediale Präsenz u n d ihre Artikulation durch Lektüre u n d Predigt genauso unumstößlich das im theologischen Verstände tote Wort, den äußeren Menschen. Das Buch und das mündliche Wort blieben von Glaube u n d rechtem, geistlichen Verstehen getrennt. D e r Heilige Geist erschiene bei dieser Betrachtungsweise als ein substantieller Automatismus, der zum gelesenen und gehörten

256

Buch und Predigt

Wort hinzugerechnet, gleichsam addiert werden muß, damit schließlich Glaube und geistliches Verstehen bewerkstelligt werden. Buch und Lesen, mündliches Wort und Predigt verblieben gewissermaßen definitorisch im Soll. Diesen Mangel trüge erst der äußerlich hinzutretende Geist ab und führte die Kommunikation schließlich auf die Habenseite des Glaubens. Diese oder eine ähnlich formale, schematische Sicht ist nicht die Luthers. Schon die bisherige R e d e vom inneren Hören oder von der inneren Stimme deutet darauf hin, daß nicht nur das geistliche Verstehen als Ergebnis, sondern auch das Lesen, Hören und Sprechen jeweils für sich in Verbindung mit dem Geist betrachtet werden müssen. Sie stehen keineswegs generell und ausschließlich auf der Seite des Todes, des äußerlichen Menschen und Wortes, der Gottesferne und des Unglaubens. Der Mensch, welcher dem Wort begegnet, tritt diesem nicht bis zu einem bestimmten Punkt in menschlicher Kommunikation gegenüber, von welchem an schließlich die Kraft des Geistes erst zu wirken beginnt, so daß dann von gott-menschlicher Kommunikation die R e d e sein kann. Charakteristisch für Luthers Auffassung vom Wort und seine Hermeneutik ist vielmehr, daß er die G e samtheit der Kommunikation, der Gegenwart des Wortes und des Verstehensprozesses sowie deren jeweilige Differenzierungen aus der Perspektive des Heiligen Geistes betrachtet. Das Wort in seinen hier genannten Unterscheidungen begegnet entweder demjenigen Menschen, dessen Existenz in seiner Beziehung zu Gott gründet, der also coram D e o steht. Oder es trifft auf den Menschen, der nur auf sich selbst und die Welt bezogen ist, dessen Existenzverständis coram homine bzw. coram mundo selbst- bzw. weltbezüglich ist. Von diesen Relationen her denkt Luther das Wort in allen seinen Erscheinungsformen nach der Paulinischen Differenzierung aus II Kor 3,6 vom Buchstaben, der tötet, oder vom Geist, der lebendig macht 8 3 . Aufgrund der Unterscheidung von Buchstabe und Geist lassen sich die Kommunikation und die Präsenz des Wortes als gott-menschlich oder allein menschlich im nebenstehenden Schema veranschaulichen, in welches Luthers systematisierende Begriffe eingezeichnet sind. Die Unterscheidung von Buchstabe und Geist kennzeichnet hier sowohl die mediale als auch die artikulativ-rezeptive Gegenwart des Wortes. Im einen Fall mangelt es allen Kommunikationsweisen und Formen der Präsenz des Wortes am Geist. O h n e den Geist, die göttlichen Verheißungen des Evangeliums und des Neuen Testaments, das freie Geschenk Gottes seiner selbst in Jesus Christus bleibt das Wort ohne Glauben, erscheint als Forderung zu einem bestimmten Tun des Menschen und trägt damit den Charakter des Gesetzes. Luther beschreibt diesen Sachverhalt mit Hilfe der Begriffe 8 3 Die beiden Relationen »coram Deo« und »coram mundo« sollen hier für Luthers buchspezifische R e d e im Vergleich von Buch und Predigt nutzbar gemacht werden. Für die Unterscheidungen selbst vgl. GERHARD EBELING, Die Anfänge von Luthers H e r m e neutik. In: Ders., Lutherstudien I, 1 - 6 8 , besonders S. 36 u. 4 0 f.

Die Wirkungsmacht

257

des Wortes

Kommunikation

Mit Gott, geistlich, lebendig - oder Menschlich, Buchstabe, tot

Innerlich, im Personzentrum und im Verstehen

Herz

Gedanke

Mündlich

Mund, Stimme, Ohr

Predigt

Schriftlich

Buch, Buchstabe, Schrift, Auge

Lesen

Gegenwart, Präsenz des Wortes

Medium

Artikulation, Rezeption

>Buchstabe< bzw. >literaBuchstabe< unabhängig von der sinnlichen Artikulation und Rezeption des Wortes ist. Das auf der Zunge >schwebendeOhr< und >Zunge< werden auch hier wieder ganz eindeutig das gesprochene und das akustisch gehörte Wort nicht anders als das Wort im Buch unter den Vorbehalt des r e c h ten VerstehensHerz auf andere Gedanken gerichtet< ist. Vom Inhalt her beginnt dies bereits bei einer Lehre, die nicht von Christi Gnadenwerk am Menschen handelt: »Das heist den literam predigen, quae nicht mher lert, quam quod ego sol t h u n . T u m ego et praedicator nihil habemus quam literas. Liber hat so viel da von ut nos, ligt ut mortua litera in corde, sed neme michs nicht an, est litera mortua, ins buch geschrieben.« 91 Es bleibt festzuhalten: Luther kennzeichnet in buchspezifischer R e d e , konkret mit den W ö r t e r n Buch, Buchstabe oder toter Buchstabe, den religiösen Sachverhalt der Geistlosigkeit und seine theologischen Implikationen. Dazu benutzt er diese buchspezifischen Begrifflichkeiten nicht im ei86

WA 30,339,9-13. WA 22,219,38 u. Z. 28-31. Auch in der Predigt vom 5.9.1535 gebraucht Luther >Buchstabe< und schriftlichen Sinn< mit Rekurs auf den Apostel Paulus synonym: »Das heist Paulus einen buchstaben vel schrifftlichen synn ...« (WA 41,420,16 f.). 88 WA 22,226,10-16. 89 WA 30 11,507,16-18. 90 WA 53,432,21 f. 91 WA WA 34 11,163,18-164,4. 87

Die Wirkungsmacht

des Wortes

259

gentlichen, sondern im übertragenen Sinne. Das entspricht der oben dargestellten metaphorischen Bedeutungsvariante des Buchbegriffes bei Luther, welche die Gottesferne des Menschen symbolisiert. 92 In diesem bildhaften Verständnis charakterisiert die buchspezifische R e d e Luthers sowohl t h e o logisch-anthropologisch das Existenzverhältnis des Menschen coram m u n do als auch das Wort, das am Menschen nur äußerlich bleibt, und schließlich als Konsequenz diejenige Kommunikation, die allein menschlich ist. Die schriftliche und mündliche Kommunikation u n d damit sowohl Buch und Lektüre als auch Predigt und das Verstehen sind damit für Luther insgesamt äußerlich, toter Buchstabe, soweit unter ihnen nicht Gottes Handeln am Menschen erfahren wird. Das Wort ist in allen seinen Formen solange t ö tender Buchstabe, als unter dem verbum externum nicht durch die Kraft des Heiligen Geistes gewiß wird, daß es zugleich Gottes heilschaffendes, befreiendes, frei zugeeignetes Geschenk ist, somit Gnade. Buch, Lektüre, Predigt und Verstehen bleiben menschliche Werke, v o m Menschen gewirkte Forderungen u n d damit Gesetz, ohne die Glaubenserkenntnis, daß Gott durch sie und unter ihnen wirkt. Genau umgekehrt verhält es sich aus der Perspektive des Geistes. Luther spricht hier von der »administratio novi testamenti in spiritu«: »Spiritus ist, wenn ich predige, das der mann Christus k o m m e n sey vnd hab vor mich gethan, was ich solt gethan haben, habe durch j n vorgebung der sunde, ewiges leben. Das heist administratio novi testamenti in spiritu.« 93 Hier überwindet der Mensch in allen seinen Lebensvollzügen den falschen Gottesdienst, der nur »yhn selb und dem teuffeil« dient, welcher nur in »eußerlichen wercken unnd gesetztenn, das doch allis glawbloß ding ist, nur auff die werck gesetzt und on gottis befelh, eyttel menschentandt« 9 4 besteht. Der Mensch, der nicht coram homine, m u n d o oder auch diabolo, sondern coram D e o steht, wird vom Herzen her »aus dem Tod und angst der Hellen« gerissen, so daß sein Leben insgesamt mit »des Geists krafft und werck« 95 eine andere R i c h t u n g b e k o m m t . In dieses Existenzverhältnis des Menschen coram Deo, dessen Herz vom Heiligen Geist ergriffen ist, zeichnet Luther seine b u c h - und predigtspezifische R e d e ein: »Ideo est praedicatio spiritus, qui bringt den geist mit. Ideo spiritualis praedicatio, quia n o n de nostro facere, sed quid deus pro nobis fecerit in filio, qui est natus etc. Ego non natus ex virgine, mortuus etc. ista n o n sunt mea opera, sed Christi. Et verba spiritus, quia c u m et per istam praedicationem venit spiritus sanctus et scribit in cor und macht ein buchlein draus, quod est cor vel h o m o fidelis. Ubi illa praedicatio de Christo, n o n est praedicatio de litera.« 96 Das vom Heiligen

92 93 94 95 96

S. oben Abschnitt »2.3.4. »Buch — Gottesferne«. WA 48,339,13-16. WA 10 1/1,274,10-13. Die Zitate aus WA 22,228,26-31. WA 41,420,24-30.

260

Buch und Predigt

Geist gewandelte Herz ist in Luthers buchmetaphorischer Sprache >Büchleinmündlichem Wort< und lebendiger Verkündigung< einher, weil das Lesen als eine besondere und eigenständige Weise der Verlebendigung des niedergeschriebenen Wortes nicht in den Blick gerät. Selbst Abhandlungen, die ausdrücklich die positive Bedeutung des Buches in reformatorischer und in Luthers Sicht herausstellen und Mut zum Lesen machen möchten, sind von dieser Form der Buchskepsis nicht frei. Angesichts der eingängigen und augenfälligen Verbindung von mündlicher Verkündigung und Predigt verliert das Lesen in ihrem Urteil an Dynamik und rückt in die Nähe des lediglich niedergeschriebenen Wortes. So spricht Georg Kretschmar wie selbstverständlich davon, für Luther seien eigentlich nur das Alte Testament und das Gesetz unaufhebbar Schrift und Buch. Demgegenüber bleibe das Evangelium »dem Ansatz nach mündliche Rede« 1 0 2 . D e m entspricht die mit einem Hinweis auf R o m 10,17 versehene, allgemeingültig formulierte 1 0 0 Dies trifft auch flir andere Themenbereiche zu. Als eines der prominentesten B e i spiele sei hier auf die sog. Zweireichelehre hingewiesen, welche sich Luther nicht selbständig zum Thema gemacht und systematisch abgehandelt hat, ja deren Begriff er nicht einmal verwandte. 1 0 1 Vgl. auch fiir das Folgende LOHSE, Luthers Theologie, 207 1 0 2 GEORG KRETSCHMAR, Die Reformation und das Buch. Evangelische Erfahrungen. In: Offenbarung durch Bücher? Impulse zu einer »Theologie des Lesens«. Hrsg. von Walter Seidel. Orig.-Ausg. Freiburg im Breisgau 1987, 34—61; hier S. 46. — Es wäre eine reizvolle Aufgabe, in der reformatorischen Dogmen- und Kirchengeschichte einmal dem Spannungsverhältnis zwischen Buchskepsis und positiver Bewertung des Buches nachzugehen. Dieses schlägt sich im Urteil zur Heiligen Schrift einerseits und andererseits darin nieder, daß der Buchdruck etwa durch publizierte Predigten oder die Katechismen gezielt eingesetzt wurde, um den evangelischen Glauben zu verbreiten und zu lehren.

262

Buch

und

Predigt

Ü b e r z e u g u n g , bei aller Unverzichtbarkeit der Bibel gelte: »Der Glaube k o m m t letztlich nicht aus d e m Lesen, s o n d e r n aus d e m Hören« 1 0 3 . Ahnlich u n d auf das b e i m R e f o r m a t o r feststellbare Spannungsverhältnis seiner Aussagen z u m m ü n d l i c h e n u n d schriftlichen W o r t bezogen, votiert auch Siegfried Bräuer f ü r das gesprochene u n d gegen das geschriebene W o r t . Luther habe im g e d r u c k t e n B u c h zwar die Möglichkeit erblickt, der ganzen Welt das R e i c h Gottes zu verkündigen. D o c h »letztlich k o n n t e nach seiner A u f fassung das B u c h nicht mit der m ü n d l i c h e n Verkündigung konkurrieren«, d e n n das lebendige, glaubensschaffende W o r t werde »letztlich nicht durch B ü c h e r weitergegeben, sondern durch die Predigt.« 1 0 4 In einigen Werken der n e u e r e n u n d neuesten L u t h e r f o r s c h u n g tritt die f ü r L u t h e r reklamierte theologische Buchskepsis ausführlich u n d eingehend b e g r ü n d e t zutage. Lennart P i n o m a a h e b t zwar hervor, daß beide, »gesprochenes u n d geschriebenes W o r t ... Mittel der O f f e n b a r u n g u n d Werkzeuge des Geistes« 105 sind. D e n n o c h rückt er das B u c h generell in die N ä h e der Werkgerechtigkeit u n d Selbstrechtfertigung des M e n s c h e n , da »das geschriebene W o r t zu einer Frömmigkeit anleiten kann, deren K e n n z e i c h e n das Gesetz u n d die eigenen Werke des M e n s c h e n sind, seine eigenen W ü n sche u n d seine eigene Wertschätzung« 1 0 6 . D e m g e g e n ü b e r k o m m e der g e schenkhafte Charakter des Wortes mit d e m >verbum vocale< zur Geltung. »Nur das gesprochene W o r t ist wirkliches Evangelium.« N i c h t so drastisch f o r m u l i e r t R e g i n Prenter, weil er Luthers einschränkendes >eigentlich< berücksichtigt, w o n a c h »das Evangelium ... eigentlich nicht Schrift, sondern ein mündliches Wort« 1 0 7 sei. Das läßt ihn eine Ä u ß e r u n g beibringen, die für die hier vorgetragene Interpretation nützlich ist. A u c h das schriftliche W o r t kann Evangelium werden, w e n n »es sozusagen die F o r m des lebendigen Wortes leiht u n d von d e m , der es liest, als ein W o r t v e r n o m m e n wird, das der Auferstandene selbst von den Blättern der Bibel aus i h m persönlich sagt.« D e n n o c h bleibt es auch bei Prenter dabei, daß Luthers R e d e v o m lebendigen W o r t d e m G r u n d e nach die akustisch-mediale Präsenz des Wortes in der m ü n d l i c h e n R e d e meint. D e n n »als E v a n g e lium« findet das W o r t »die i h m g e m ä ß e F o r m in d e m lebendigen, m ü n d lichen W o r t , das jetzt in der Kirche verkündigt wird.« Diese Interpretation findet sich auch 1991 in der eindrucksvollen Studie »In d e m A n f a n g war das Wort« bei Albrecht Beutel, der sie im Sinne einer

103

Ebd., 55.

S I E G F R I E D B R Ä U E R , Zur Stellung des Buches in der Theologie. Eindrücke und Beobachtungen. In: Jedes Wort kann ein Anfang sein. Von den Wirkungen des gedruckten Wortes. Hrsg. von Johannes Hanselmann u. Peter Heibich. Wuppertal 1982, 26-37; hier: S. 27. 105 P I N O M A A , Sieg, 133. 106 Ebd., 132. Das folgende Zitat ebd. 107 P R E N T E R , Spiritus, 1 2 6 . Die nachfolgenden Zitate ebd.Vgl. auch ebd., 1 1 8 . 104

Zusammenfassung

und Schlußfolgerungen

zum

Buch

263

»WesensdifFerenz« 108 von geschriebenem und gesprochenen Wort gesteigert hat. In Beutels Sicht ist »die Kategorie der Mündlichkeit ... für Luthers Verständnis des Evangeliums schlechthin konstitutiv. ... Die Mündlichkeit des Evangeliums ist für Luther Ausdruck dessen, daß es überhaupt erst im strengen Sinn als Wort — nämlich als Wort Gottes — laut werden kann. Weil das Wort Gottes darin sein Wesen hat, auf eine ihm entsprechende Weise gehört und also geglaubt zu werden ... ist das Evangelium >eygentlich< allein in mündlicher Gestalt, was es ist: ein Wort, das den Menschen aus der gleichsam neutralen Rolle eines Interpreten von — wenn auch heiligen — Texten herausnötigt und, ihn anregend, selbst zum H ö r e r macht und damit zu einer Antwort auf das Wort, das er gehört hat, herausgefordert sein läßt.« W i e für Prenter so ist es auch für Beutel charakteristisch, daß er seine These von der »Prävalenz des Sprechens« 109 bei Luther im Blick auf das gelesene Wort abschwächt. Er betont zwar »die prinzipielle Subsidiarität der Schriftlichkeit des Evangeliums« 110 : »DemWesen des Evangeliums kann nach wie vor nur die mündliche Predigt von Christus entsprechen.« D e n n o c h kann er auf das Lesen gerichtet zugleich zurückhaltender werten u n d modifizieren: »Dieses Wesen des Evangeliums m u ß durch schriftliche Fixierung allein noch nicht verlorengehen.« Es werde allerdings verschüttet, wenn man es »auf ein bloßes Lesewort reduziert«. Auch hier zeigt sich, daß die Einschätzung des gelesenen Wortes Schwierigkeiten bereitet. D e n n zum einen handelt es sich beim Lesen ohne Zweifel um eine Auseinandersetzung mit dem geschriebenen Wort, ohne daß aber ohne weitere systematische Reflexion der Vorwurf erhoben werden könnte, das gelesene Wort sei lediglich Papier oder toter Buchstabe. Z u m anderen ist das Lesen aber nicht R e z e p t i o n des gesprochenen Wortes, also kein H ö r e n im akustischen Sinne. A m Lesen wird deshalb deutlich, wie problematisch es ist, Luthers Betonung des lebendigen Wortes von der akustischen Gegenwart des Wortes in M u n d u n d Stimme her zu deuten 1 1 1 . Anfang, 239. Das nachfolgende Zitat ebd. Martin Luther. München 1991 (= Beck sehe Reihe. Bd. 621 : Autorenbücher), 118. 110 B E U T E L , Anfang, 241. Die nachfolgenden Zitate ebd., 241 f. 111 Von daher wird es auch verständlich, daß Beutel gegen das gelesene Wort das gelebte in Anschlag bringt, vgl. ebd., 242. Interessant ist nur, daß er dafür die auch bei der hier vorgelegten Interpretation herangezogene Passage WA 50,659,22 ff. zitiert, in welcher Luther die Lektüre nicht nur ausgesprochen positiv bewertet. Darüber hinaus wird das Lesen hier gerade nicht als lebensfern, sondern als Lebenshaltung qualifiziert. Luther spricht davon, daß man das äußere Wort, nämlich die »muendliche rede«, wie auch das »buchstabische wort im Buch jmer treiben und reiben, lesen und widerlesen« soll. Im übrigen ließ sich zeigen, daß für Luther auch das gepredigte Wort totes Wort sein kann (s. oben S. 256—259). Demnach vermag das mündlich gepredigte genau wie das gelesene Wort im Gegensatz zum Leben stehen. - Im Beitrag »Erfahrene Bibel« von 1992 revidiert Beutel seine Auffassung offensichtlich (vgl. den Abschnitt »Die Schriftlichkeit der Schrift«, S. 238-243, besonders S. 240 ff., in der 1991 veröffentlichten Dissertation von 1989 mit dem gleich überschriebenen Abschnitt S. 309-313, besonders S. 311 f., im Ar108

BEUTEL,

109

ALBRECHT BEUTEL,

264

Buch und Predigt

In seiner Auseinandersetzung mit Luthers theologischer Verstehenslehre im Aufsatz »Die Anfänge von Luthers Hermeneutik« 1 1 2 formuliert Gerhard Ebeling eine Einsicht zur Grundstruktur des Verstehens bei Luther, die eine Wertentscheidung zwischen Buch und Predigt, geschriebenem und gesprochenem, gelesenem oder gehörtem Wort d e m G r u n d e nach obsolet werden läßt. Er deutet die Luthersche Auffassung des Verstehens konsequent von den fundamentalen Unterscheidungen coram D e o und coram m u n d o sowie spiritus und littera her 1 1 3 . Vor diesem Hintergrund ist für Luther die psychologische oder sinnliche Frage überhaupt nicht ausschlaggebend für die »efficacitas verbi«: »Luther ist es nicht zu tun u m das psychologische Problem, wie überhaupt ein mit den Sinnen wahrgenommenes, gelesenes oder gehörtes Wort ins Herz eindringen kann. In formalem Sinn vermag jedes Wort lebendige Buchstaben im Herzen zu erzeugen, cum nihil in viv u m subiectum recipi possit, nisi vivum.« 114 Die von Ebeling herausgestellte Psychologieskepsis des Reformators ließ sich auch hier für Luthers b u c h - und predigtspezifische R e d e nachweisen und näher ausarbeiten. Es wurde dargelegt, daß Lesen und H ö r e n bei Luther mißgedeutet werden, wenn man sie primär als sinnlich-psychologische Begriffe betrachtet. Bei der sinnlichen W a h r n e h m u n g anzusetzen verfehlt Luther, weil diese für ihn sekundär ist. Mit ihr wird menschliche Verfaßtheit zum Ausgang der Auslegung des Wortes gemacht. Demgegenüber bietet eine Interpretation, welche für die Artikulation u n d Rezeption des Wortes Luthers grundlegende hermeneutische Differenzierungen im Auge hat, die Möglichkeit, die dargestellten Schwierigkeiten der Lutherdeutungen zum geschriebenen u n d gesprochenen Wort zu überwinden. Im R ü c k b e z u g insbesondere auf die Fundamentalunterscheidung von Buchstabe und Geist wurde es möglich, die unterschiedlichen Einzelaussagen Luthers zur G e genwart des Wortes komplementär zu betrachten u n d das Buch gegenüber der Predigt, das geschriebene und das gelesene gegenüber dem gepredigten u n d akustisch gehörten Wort ins R e c h t zu setzen.

tikel von 1992). Denn nunmehr weist er daraufhin, daß »die Leküre der Bibel für Luther durchaus gleichberechtigt neben ihrer homiletischen Verlautbarung« ( B E U T E L , Bibel, 312) steht. Der Grund für diesen Positionswechsel ist der Umstand, daß Beutel mit der Erfahrung die innere Dimension der Wirkung des Schriftwortes in den Blick bekommt (vgl. besonders ebd., 336 f.). Konsequenterweise müßte das aber dazu fuhren, die nach wie vor für Luther behauptete Priorität der Mündlichkeit (vgl. ebd., 309 f.) aufzugeben und wie in der hier vorgelegten Untersuchung das jeweilige Medium und die jeweilige sinnliche Vermittlungsform des Wortes bei Luther als dem Grunde nach gleichrangig zu begreifen. 112 Vgl. E B E L I N G , Anfänge. 113 Die zentrale Bedeutung unterscheidenden Denkens und Urteilens bei Luther hat Gerhard Ebeling 1990 noch einmal zusammenhängend dargestellt, vgl. E B E L I N G , Unterscheiden. 114 E B E L I N G , Lutherstudien I, 3 5 f.

Zusammenfassung

und Schlußfolgerungen

zum

Buch

265

Der Gang der Untersuchung war allerdings nicht dadurch bestimmt, Buchstabe und Geist deduktiv, also vorgängig als Interpretationsrahmen für Luthers buch- und predigtspezifische Rede zu nehmen. Aus der Vermutung, daß sich auch in Luthers Einzelaussagen Anhalt für eine tieferliegende ausgeglichene und komplementäre Sicht zu Buch und Predigt finden läßt, schien es sinnvoll und fruchtbringend, induktiv vorzugehen. Das bedeutete, Luthers Einzelaussagen zu Buch und Predigt miteinander zu vergleichen und in Beziehung zueinander zu setzen. An solchen Äußerungen, die gerne für Luthers Buchskepsis in Anschlag gebracht werden, ließ sich Schritt für Schritt darlegen, daß sie keine Allgemeinverbindlichkeit für das Luthersche Buchverständnis in Anspruch nehmen können. Gerechtfertigt erschien diese Vorgehensweise durch die in der vorausgegangenen Untersuchung vielfach beigebrachten positiven Äußerungen Luthers zum Buch, etwa bei der Behandlung des Zusammenhanges von Buch und Bildung. Insbesondere auch Luthers Umgang mit und Bemühen um das Buch sowie seine lebensgeschichtliche Erfahrung des Buch- besonders des Bibelstudiums sowie seine Lehrtätigkeit als Doktor der Heiligen Schrift rechtfertigen es, seine vielfältigen Einzelaussagen ausdrücklich von der Frage eines Ausgleichs entgegengesetzter Urteile zu Buch und Predigt her gelesen zu haben. In einem ersten Schritt wurde deutlich, daß Luther zwar einprägsame buchkritische Äußerungen verwenden kann, wenn er das mündliche und das schriftliche Wort einander konfrontiert. Diese Einzelaussagen dürfen aber keineswegs für sich beanspruchen, die generelle Haltung des R e f o r mators zu Buch und Predigt angemessen wiederzugeben. Darauf weist schon der Umstand hin, daß Luther die Leistungen des Buches oftmals ganz selbstverständlich mit denen des mündlich verkündigten Wortes in einem Atemzuge erwähnen kann. Deutlich wird dies insbesondere, wenn er wie etwa bei seinen Bucheinzeichnungen den Blick unmittelbar auf das Buch richtet. Hier traut er dem schriftlichen Wort dieselbe Leistung wie dem gepredigten Wort zu. Die Verheißungen des christlichen Glaubens können für Luther durchaus auch die Frucht intensiver Lektüre sein. Weiter ist zu berücksichtigen, daß Luther dann, wenn er etwa im Blick auf das Katechismuslernen die Lektürekompetenz voraussetzt, das Buch durch die Möglichkeit charakterisiert, den christlichen Glauben komplementär zum gehörten Wort zu festigen und zu vertiefen. Dennoch soll nicht bestritten werden, daß Luther der unmittelbaren Wirkung des gesprochenen Wortes eine starke Stellung einräumt. N u r relativiert sich dies von daher, daß derartige Äußerungen gerade in Predigten verwandt werden. Hier orientiert sich Luther an dem gegenüber der Lektüre ganz andersartigen sozialen Kontext direkter Kommunikation. U n d hier hatte er zu berücksichtigen, daß der Großteil der Gemeinde oft eben gerade zu intensiver Lektüre nicht befähigt war. Überdies ist darauf zu achten, ob Luther seine buchskeptischen Äußerungen überhaupt im Kontext von Kommunikation verwendet. Denn er

266

Buch und

Predigt

kann das Buch rein gegenständlich, geradezu als Gegenstück zur K o m m u nikation betrachten. Er nutzt dabei den Sachverhalt, daß das W o r t im Buch in materialisierter F o r m vorliegt, unabhängig von seiner Artikulation u n d R e z e p t i o n . In diesem Sinne spricht er von toten W ö r t e r n u n d Buchstaben des Buches. Buchstabe u n d Buch veranschaulichen hier in metaphorischer Redeweise das nicht lebendig gewordene, das nicht rezipierte, also sowohl das nicht akustisch v e r n o m m e n e , als auch das nicht gelesene Wort. Das mündliche W o r t u n d die Predigt sind für diese Analogie in uneigentlicher R e d e ungeeignet. D e n n sie charakterisieren das W o r t i m Vollzug, als P r o zeß, als Sprechen, w e n n auch nicht a priori seine geistliche, die innere oder Glaubenswirklichkeit. Somit verfehlt es Luther, aus d e m bildhaften semantischen Ü b e r s c h u ß des Buchbegriffes Unterschiede der Wirkkraft des gelesenen u n d akustisch gehörten Wortes abzuleiten. Eine derartige Argumentation läßt die grundlegende Differenz zwischen Luthers R e d e v o m B u c h als M e t a p h e r der Nichtrezeption u n d als Gegenstand der K o m munikation außer acht. Auf der Sachebene wird das B u c h durch die Lektüre z u m lebendigen Wort u n d damit gegenüber der Predigt ins R e c h t gesetzt. D i e Wirklichkeit des gelesenen wie des akustisch gehörten Wortes stehen hierbei für Luther gemeinsam unter d e m Vorbehalt, daß G o t t unter beiderlei sinnlicher Gestalt des Wortes inneres H ö r e n durch den Heiligen Geist wirkt. Im zweiten Schritt wurden die Eigenleistung des Buches und seine Komplementarität zum u n d Gleichwertigkeit mit dem Predigtwort in drei Argumentationsgängen aus Luthers eigenen Überlegungen gerechtfertigt. Dabei bildeten die systematischen b u c h - u n d predigtspezifischen Ä u ß e r u n gen Luthers zu Buchstabe u n d Geist den Zielpunkt, der sich bereits in den ersten beiden Untersuchungsschritten abzeichnete. Das erste Argument zur Rechtfertigung des Buches bestand darin, die ihm spezifische Artikulationsund Rezeptionsform des Lesens als dem H ö r e n gleichwertig zu erweisen. Es wurde gezeigt, daß Luthers R e d e vom H ö r e n nicht auf das akustische H ö r e n reduziert werden kann. Geistliches H ö r e n , auch im Sinne des H ö rens von Predigt, ereignet sich für Luther auch bei der Lektüre. Die sinnliche R e z e p t i o n des Wortes ist für Luther sekundär und nachrangig. Christus und die Apostel sprechen auch, wenn man die Heilige Schrift liest und meditiert. Es bestehen keine Hinderungsgründe, diese Auffassung des inneren oder geistlichen Hörens auch auf die Lektüre anderer christlich-religiöser Bücher zu übertragen. Dies ist etwa durch Luthers Einschätzung des Katechismus gedeckt, wie sie im Zusammenhang von Buch und Bildung dargelegt wurde: D e r Kleine Katechismus wird ausdrücklich als Laienbibel charakterisiert. Luther hält immer wieder zum Lernen u n d zur Lektüre des Katechismus an, den er auch selbst täglich in Brauch hatte. Auch exegetische und Predigtliteratur wie die von Luther veröffentlichten bzw. zur Veröffentlichung gutgeheißenen Postillen k ö n n e n im Sinne inneren Hörens ihre W i r k u n g entfalten. D e n n das innere H ö r e n als ein antwortendes Verhalten

Zusammenfassung und Schlußfolgerungen zum Buch

267

des Individuums auf das geschriebene oder gelesene äußere Wort ist keine Eigenleistung des Menschen. Dies zeigte der nächste Argumentationskomplex von der Wirkungsmacht des Wortes. Das geistliche Verstehen des äußeren, sinnlich wahrgenommenen Wortes, das auch durch die Lektüre von Büchern zuteil wird, vermag der Mensch nicht aktiv zu erwirken. Es muß sich vielmehr vermittels der unverfügbaren Gotteskraft des Heiligen Geistes durch und unter dem äußeren Wort an ihm ereignen. Das innere Hören vollzieht sich passiv, von außen, von Gott her am Menschen. Es trifft dessen Innerstes, das Herz, und kann von Luther hier sowohl als Gefühl wie auch als Verstehen, in seinen systematischen Reflexionen auch als Gedanke beschrieben werden. Im dritten Argumentationsgang wurde Luthers buch- und predigtspezifische R e d e auf seine systematische Differenzierung von Buchstabe und Geist rückbezogen, welche der weiteren Fundamentalunterscheidung der Relationen coram mundo und coram D e o entspricht. Es wurde deutlich, daß nicht nur das gelesene Wort toter Buchstabe bleiben kann. Auch die menschliche Stimme und das Hören sind als tot zu qualifizieren, wenn sie nicht durch die Kraft des Heiligen Geistes ins Herz getrieben werden. Ja selbst im Herzen und Gewissen bleibt das Wort ohne die verlebendigende Kraft des Geistes toter Buchstabe. Von daher schien es angemessenen, die Präsenz des Gotteswortes in allen medialen und Artikulations- bzw. R e z e p tionsformen theologisch entweder als littera oder als spiritus, als tot oder lebendig zu deuten. Die Stimme als vox humana kann hier gegenüber der Buchlektüre nicht in Anspruch nehmen, a priori vox viva zu sein. Daraus folgt, daß das Wort, um lebendige R e d e zu sein, weder nur inhaltlich einerseits Gesetz, das den Menschen der Sünde überführt, und andererseits Evangelium ist, welches artikuliert, daß der Mensch ganz ohne sein Zutun durch Jesu Christi Heilshandeln von Sünde und Tod befreit ist. Es reicht auch nicht hin und kann gegenüber dem Lesen ins Feld gefuhrt werden, daß dieses Wort in menschlicher Stimme akustisch laut wird. Lebendig werden das schriftliche und das mündliche Wort erst dann, wenn die Predigt wie auch das Lesen Ansprache des Heiligen Geistes unter dem äußeren Wort im menschlichen Herzen werden. Gott muß sich dem Menschen im Glauben durch das äußere Wort in Schrift und Sprache im inneren Hören schenken. Und umgekehrt muß der Mensch durch den Augen- und Gehörsinn hindurch und vermittelt durch Gottes Geist befähigt werden, dieses Geschenk Gottes empfangen zu können, also innerlich zu hören. Die entscheidende Hürde zum Glaubensverstehen ist nicht die menschliche Artikulationsweise des Wortes, sondern Gottes Wille, das Wort wirksam werden zu lassen. In der Konsequenz kann keineswegs nur das gelesene Wort Gott verfehlen; genauso kann das akustisch gehörte Wort vor Gott scheitern, wohingegen das gelesene Wort Frucht zu tragen vermag. Das Wesen des Wortes liegt darin, die Beziehung des Menschen zu Gott zu knüpfen. Dies geschieht dadurch, daß die dritte Person derTrinität, daß der Heilige Geist das Wort als Gottes Wort

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Buch und Predigt

wirklich werden läßt. Da dieses wesentliche Wort auch beim Lesen vernommen werden kann, besteht zwischen der Lektüre des geschriebenen Wortes und dem akustischen Hören des gesprochenen Wortes kein essentieller, sondern nur ein akzidenteller, sekundärer Unterschied. Diese Wesensbestimmung des Wortes, welche das Nur-Sinnliche als das Menschliche und damit Gottlose betrachtet, eröffnet Freiheit. Luther kann ohne in Widerspruch zu geraten sowohl für das gelesene wie auch fiir das akustisch gehörte Wort oder auch fiir beide zusammen j e die ganze W i r kungsmacht des Wortes und die Verheißungen des Evangeliums in Anschlag bringen. Die Freiheit vom prinzipiellen Vorrang einer Artikulationsweise und damit zum Wort selbst verschafft ihm die Möglichkeit, in jeweils unterschiedlichen kommunikativen Situationen und im Blick auf sozial unterschiedliche Rezipienten entweder die Predigt oder das Buch in den Vordergrund zu rücken. Von hierher ist es gerechtfertigt, überhaupt erst nach der Angemessenheit der Präsenzformen des Buches zu fragen. Dabei steht es fiir Luther außer Frage, daß das Buch und die Lektüre höhere Bildungsanforderungen an die Wirksamkeit des Wortes stellen als die mündliche R e d e . Es muß jedoch festgehalten werden, daß das gepredigte und gehörte Wort einer Vertiefung bedarf, einer Festigung, die es immer stärker mit der menschlichen Existenz verknüpft und ihr innerlich macht. Gerade hierin sieht Luther eine Leistung der Lektüre, explizit sowohl der Schriftlektüre als auch der des Katechismus. Bei dieser vertiefenden Lektüre zeigt er sich dann wieder frei, den j e individuellen, sozialhistorisch bedingten Bildungsstand der Rezipienten zu berücksichtigen. Als Gesamtergebnis läßt sich formulieren, daß weder theologische noch sekundär durch sie ins R e c h t gesetzte historische und historisch-anthropologische Gesichtspunkte es rechtfertigen, der Predigt prinzipiell den Vorzug vor dem Buch zu geben. Im Einzelfall, unter Berücksichtigung des Heranwachsens oder soziokultureller Bildungsdefizite wie verbreitetem Analphabetismus, versteht sich der Vorrang des gehörten Wortes aus der historischen Situation heraus. Die fehlende Lektürekompetenz berücksichtigt Luther auch immer wieder, weil sie die gesamtgesellschaftliche Realität und den Erfahrungshintergrund für sein Wirken darstellte. Es ist um so bemerkenswerter, daß er der Lektüre für sich oder komplementär zum Predigtwort einen so hohen Stellenwert beimißt. Dies weist im Grunde auf eine Gesellschaft allgemeiner Lektürefähigkeit voraus, die zu begründen Luther mit seinen Schul- und Erziehungsschriften einen Beitrag leisten wollte. Im Grundsatz interessieren ihn weder das Wort an sich noch das sinnliche Wort. Die Option für die Predigt und das gehörte Wort gegen das B u c h und das gelesene Wort ist eine Scheinalternative. Im Gegensatz zum abstrakten Wort geht es um dasjenige Wort, das im Lebensvollzug wirklich wird. Mit diesem lebenswirksamen Wort hat Luther die Einheit von Wort und Leben vor Augen. Diese Einheit wird für ihn als Theologen im Glauben wirklich. Aus dieser Perspektive sind Lesen und akustisches Hören Momente des Lebens,

Zusammenfassung

und Schlußfolgerungen

zum

Buch

269

die daraufgerichtet sind, daß das Wort im Glauben wirklich und angeeignet oder besser durch Gott selbst zugeeignet wird. Sie sind insofern Vermittlungsformen, von denen keine für sich beanspruchen kann, bereits die Wirklichkeit zu sein, die zu bewirken sie notwendigen Anteil haben. D e r Heilige Geist bestimmt darüber, ob der Glaube zustande kommt und welchen Weg derVerstehensprozeß z u m Glauben hin nimmt. Entweder werden die sinnliche Wahrnehmung beim Hören und Lesen sowie das Herz v o m Heiligen Geist zum geistlichen Verstehen bewegt oder sie bleiben ohne Glauben und in diesem Sinne tot. Sowohl das mündliche und das gehörte als auch das geschriebene und gelesene Wort bleiben Buchstabe, wenn ihnen nicht Gott selbst durch seinen Heiligen Geist Leben schenkt, das heißt die gläubige Annahme im Herzen, Gewissen oder Gehör gewährt. Eine WesensdifFerenz besteht deshalb nicht zwischen schriftlichem und mündlichem, sondern zwischen wirksamem und nicht wirksamem Wort. Luther denkt das Wesen des Wortes nicht von der akustischen Artikulation und R e z e p t i o n her. Entscheidend ist, daß das äußere Wort, welches entweder akustisch gehört oder gelesen werden kann, z u m lebendigen inneren Wort wird. Vom Ziel des lebendigen Wortes her, welches sich im inneren Hören und geistlichen Verstehen als Glaube verwirklicht, sind Luthers Äußerungen zum Lesen und Hören frei gegenüber der Frage nach der Priorität einer der sinnlichen Wahrnehmungsformen.Von daher ist es problematisch, wenn E i lert Herms die Ansicht vertritt, das Evangelium sei für Luther »seinem Wesen nach nicht Schrift, sondern leibliche Predigt«*; »das Lautwerden des Evangeliums« als »das eigentliche Telos des gesamten Christusgeschehens« erfolge durch die »>mündliche Predigtmündlich< s.a. die nachfolgende Auseinandersetzung mit Walter Mostert. 117 HELMAR JUNGHANS, Das Wort Gottes bei Luther während seiner ersten Psalmenvorlesung. In:Theologische Literaturzeitung 100. 1975, Sp. 162-174; hier: Sp. 168. 116

270

Buch und Predigt

Schauen« 1 1 8 nicht aufgehoben. Denn auch beim Lesen und hier mit dem Auge ist der Mensch nicht in der dinglichen Welt, nicht bei den res, sondern ganz beim Wort, so daß weiterhin gilt: »Gottes Wort kann >non nisi auditu< ergriffen werden« 119 . Da Gehör und Hören fiir Luther ihrem Wesen nach nicht psychologische, sondern theologische Begriffe sind, gilt auch für das gelesene Wort die Wesensbestimmung aus der Ersten Psalmenvorlesung: »Natura enim verbi est audiri.« 120 Als Konsequenz dieses theologischen Verständnisses von Hören ist es Luther möglich, das B u c h und die Predigt, das geschriebene und das gesprochene Wort pragmatisch in Dienst zu nehmen, also soziohistorische Bedingungen und Erfordernisse in Rechnung zu stellen. Mit der theologischen Position des inneren Hörens, der Rezeption des Wortes als geistliches Geschehen, wird ein Gegensatz zwischen dem mündlichen bzw. gehörten und dem geschriebenen bzw. gelesenen Wort, zwischen Predigt und Lektüre ausgeräumt. Dieses Ergebnis zum Verhältnis von Buch und Predigt bei Luther soll zum Schluß noch einmal explizit auf die moderne Lutherinterpretation und schließlich in knapper Form auf die theologische Tradition vor Luther rückbezogen werden. Bei der neueren Auseinandersetzung mit Luther sollen drei Ansätze in den Blick genommen werden, die das Spannungsverhältnis von mündlichem und gelesenen Wort implizit oder explizit in charakteristischer und unterschiedlicher Weise profilieren. Walter Mostert sieht in der Mündlichkeit der Schrift ein Charakteristikum des Lutherschen Schriftverständnisses 121 . Eine derartige Auffassung kann durchaus mit Luthers geistlichem Leseverständnis in Einklang gebracht werden. Denn im Grunde hat Mostert die innere Ansprache und das innere Hören an den Menschen im Blick, wenn er von der Mündlichkeit der Schrift spricht. Er deutet Mündlichkeit keineswegs mit Prädikaten, welche sie auf den akustischen Sachverhalt gesprochener Sprache festlegen. Vielmehr versteht er Mündlichkeit im Sinne von »Worthaftigkeit, Sprachlichkeit des Gegenstandes der Schrift«, durch welche diese ihre »Wirkungsmächtigkeit« oder »Wirkmächtigkeit am M e n schen« erweist. Unter diese Auffassung von Mündlichkeit kann auch das gelesene Wort subsumiert werden. Entscheidend ist nicht die sinnliche R e -

1 , 8 Ebd., 169. Luther setzt sich bei der Auslegung von Ps 84,8f. [85,8 f.] mit der Differenz zwischen diesseitiger und jenseitiger Gotteserkenntnis auseinander. »Nunc enim ostenditur nobis per fidem, tunc autem per speciem. Ideo hic per auditum, ibi per claram visionem: fides enim ex auditu est.« (WA 4,8,32-34). Für das irdische Leben gilt: »Ita deus pater locutus est nobis, id est filium verbum suum ostendit nobis in auditu fidei.« (ebd., 9,22 f.). »Sed tunc idem habebimus per speciem in re.« (ebd., 8,35 f.). 1 1 9 JUNGHANS, Wort Gottes, 168 f. Bei Luther heißt es in der Ersten Psalmenvorlesung [Dictata super psalterium 1513-1516]: »Verbum dei non nisi auditu percipitur«

(WA 4,9,18). 120 121

WA 4,9,18 f. Nachfolgend wird auf MOSTERT, Scriptura sacra, 67 f. Bezug genommen.

Zusammenfassung

und Schlußfolgerungen

zum

Buch

271

zeption des Wortes, sondern der geistliche Sachverhalt, daß die Schrift ihre Heilskraft in »Glaube« u n d »Vernommenwerden« entfaltet. D e r letztere Begriff Mosterts ist genau derjenige, mit welchem Luther selbst die hier als inneres H ö r e n gedeutete Wirkkraft des gelesenen und akustisch gehörten Wortes charakterisiert, wie sich zeigte. Mit Mostert kann auch festgehalten werden, daß >Erleuchtung und Einsieht, also Glaube, »eine prinzipielle Verwandlung unseres Geistes zum Hören« bedeuten. Es m u ß nur das klar ausgesprochen werden, was Mostert impliziert. Natürlich kann das akustische H ö r e n hier Ausgang der Rezeption des Wortes sein. D o c h dem Wesen nach handelt es sich beim hier gemeinten >Hören< u m ein theologisch-geistliches Vernehmen, nicht im eigentlichen Wortverständnis u m eine Sinneswahrnehmung 1 2 2 . Auch für das in diesem Sinne lesend aufgenommene Wort gilt: »Als Wort ist die Schrift gerade dem Zugriff" des Denkens, des spiritus proprius« und damit dem Eigensinn u n d der Vernunft des Menschen entgegengesetzt. Die Lektüre ist gleichfalls inbegriffen, wenn Mostert das H ö r e n dem Denken zeitlich voranstellt. Das Lesen kann insofern als vorgängiges Empfangen, ja als >empfangendestrifftzu mir gesagt< wird.« 128 Oestergaard-Nielsen ist zwar insoweit R e c h t zu geben, als das Schriftwort solange unwirksam bleibt, wie es mir oder uns gegenübersteht und nicht als an uns oder mich gerichtet verstanden wird. Uneinsichtig bleibt allerdings, warum sich der Mensch nur dann selbst als Adressat von »Jesu Wort« oder »Jesu 122 Daher ist es problematisch, Mündlichkeit nicht eindeutig nur im übertragenen, also theologisch-geistlichen Sinne gegen das Schriftstudium in Anschlag zu bringen. 123 Vgl. H A R A L D O E S T E R G A A R D - N I E L S E N , Scriptura sacra et viva vox. Eine Lutherstudie. München 1957 (= Forschungen zur Geschichte und Lehre des Protestantismus. Reihe 10. Bd. 10). Die nachfolgenden Ausfuhrungen beziehen sich auf den in sich geschlossenen Gedankengang am Schluß der Untersuchung S. 210-215. 124 Ebd., 212 f. u. öfter. 125 Ebd., 211. 126 Ebd., 212. 127 Ebd., 214. 128 Ebd., 215.

272

Buch und Predigt

Stimme« 1 2 9 betrachten kann, wenn ihm dieses Wort mündlich in der kirchlichen Gemeinschaft zugesprochen wird. Warum sollen sich dieser Zuspruch und »die Gemeinschaft mit dem Auferstandenen« nicht auch bei der Lektüre der Schrift ereignen können? Dies steht für Luther außer Frage, wie er an herausgehobener Stelle in dem der Kirchenpostille von 1522 beigegebenen >Kleinen Unterricht, was man in den Evangelien suchen und erwarten soll< deutlich gemacht hat. Im oben beigebrachten Zitat heißt es ausdrücklich, daß auch bei der Lektüre des Heilshandelns Christi im >Evangelienbuch< Predigt und Evangelium vernommen werden, durch welche Christus >zu dir kommt oder du zu ihm gebracht wirstWer das Wort Gottes liest, mit denen redet auch der Heilige Geistnoch alle Tage predigen und mit mir reden< 131 . Herbert Vorgrimler hat einen Aufsatz vorgelegt, in welchem er die Wirkkraft des gelesenen Wortes ausdrücklich der des mündlichen und gehörten Wortes gleichstellt 132 . Dieser Beitrag ist für die hier vorgelegte Lutherinterpretation in zweifacher Rücksicht von Interesse. Z u m einen formuliert er eine hermeneutische Position, welche den nachgewiesenen Vorstellungen Luthers zum inneren Hören nahe kommt. In Auseinandersetzung mit R o m 10,14—17 deutet Vorgrimler >VerkündigenPredigt< und >Hören< nicht als »einen notwendigerweise akustischen Vorgang« 133 . Bei diesen Begriffen sei zu berücksichtigen, daß es sich um >sehr zeitbedingte und praxisbedingte Ebd., 213. S. oben S. 239. 1 3 1 S. ebd. 1 3 2 HERBERT VORGRIMLER, Lesen durch die »Augen des Herzens«. Ü b e r l e g u n g e n aus systematischer T h e o l o g i e und Spiritualität. In: Glauben durch Lesen? Für eine christliche Lesekultur. Hrsg. von Adel T h e o d o r K h o u r y u. L u d w i g M u t h . Freiburg, B a sel, W i e n 1990 ( = Q u a e s t i o n e s disputatae. B d . 128), 8 2 - 9 7 . 1 3 3 E b d . , 87. Diese Auffassung findet sich in der Vorgrimler vorausliegenden katholischen T h e o l o g i e in anderem B e g r ü n d u n g s z u s a m m e n h a n g und mit anderer wertender Akzentuierung bereits bei KARL RAHNER, Z u r T h e o l o g i e des Buches. In: S e n d u n g und Gnade. Beiträge zu Pastoraltheologie. 4. u. 5. Tsd. Innsbruck, Wien, M ü n c h e n 1959, 4 6 9 - 4 8 9 ; hier: vgl. S. 476 f. Dabei argumentiert R a h n e r i m Gegensatz zu Vorgrimler nicht von der Schrift und v o m Glauben, sondern von der systematischen Differenzier u n g zwischen der Kirche und d e m einzelnen her. Wenn d e m gelesenen B u c h demnach auch nicht die »liturgische Eigentümlichkeit des mündlichen Wortes in der Kirche« (ebd., 477) als »heilige Gemeinde« (ebd., 476) und leibhaftige G e m e i n s c h a f t (ebd.) beik o m m t , so können d o c h »auch die einsam gelesenen, auslegenden und vermittelnden B ü c h e r durchaus das Ereignis des Hörens des Wortes Gottes bedeuten u n d d a r u m auch diese B ü c h e r wie die Predigt an der W ü r d e der Leibhaftigkeit des Wortes Gottes partizipieren.« (Ebd., 477). 129 130

Zusammenfassung

und Schlußfolgerungen zum Buch

273

Formulierungen der Heiligen Schrift handele. D e m Apostel Paulus komme es »auf die >Ohren des Herzens< an, die sich dem Evangelium öffnen oder aber verschließen können.« 1 3 4 Mit der Wendung von den »Ohren des Herzens« ist Luthers Haltung zur Frage der Wirkkraft des Wortes adäquat erfaßt. Denn das Herz, das Gewissen oder das Gehör sind der Ort, an denen das geistliche Verstehen des Wortes, an denen der Glaube gewirkt wird. Dazu bedarf es nach Luther allerdings der Kraft des Heiligen Geistes, wie gezeigt werden konnte.Von sich aus, so wie es die FormulierungVorgrimlers nahelegt, kann sich der Mensch dem Evangelium nicht öffnen oder verschließen. Am Schluß seiner Überlegungen zur Frage »Kommt der Glaube vom H ö ren?« 135 bietet Vorgrimler nochmals eine für Luther zutreffende Formulierung: »Der Glaube kann auch aus dem Lesen kommen« 1 3 6 . Diese These darf als prägnantes, schlagwortartiges Résumé der hier vorgetragenen Untersuchung zum Verhältnis von Buch und Predigt bei Luther in Anspruch genommen werden. Zum anderen ist Vorgrimlers These deshalb von Interesse, weil sie seiner eigenen Einschätzung nach gerade auf Luther nicht zutrifft. Vorgrimler teilt damit die Buchskepsis, wie sie an den eben skizzierten evangelisch-theologischen Beiträgen deutlich geworden ist 137 . Luther wird beiVorgrimler zum historischen Ausgangspunkt für die »Uberbetonung des gepredigten Wortes« 138 in der reformatorischen Theologie. Diese Auffassung kennzeichne auch noch R u d o l f Bultmanns Theologie. Luther habe im Kontrast zu seinem Prinzip des sola scriptura »das Gewicht so spürbar .. auf die Predigt, das mündlich verkündete Wort Gottes hin« 139 verschoben. Die damit behauptete Widersprüchlichkeit in Luthers Theologie ist mit den hier entfalteten Vorstellungen vom geistgewirkten inneren Hören ausgeräumt. Denn die These, »der Glaube kann auch aus dem Lesen kommen«, gilt deshalb auch für Luther, weil der Reformator die Begriffe Predigt, Hören und Verkündigen wie Vorgrimler selbst nicht sinnlich-psychologisch festgelegt verwendet. Mit Formulierungen wie denen, bei der Lektüre höre man die Apostel und vernehme das Evangelium, bestätigt Luther Vorgrimlers Interpretation von R o m 10,14—17. Zusätzlich bietet Luthers Werk den hier dargelegten systematischen Hintergrund, vor welchem Buch und Lektüre der mündlichen Predigt und dem akustischen Hören gleichgestellt werden können: Die Fundamentalunterscheidung von Buchstabe und Geist ermöglicht es

VORGRIMLER, Lesen, 87. Ebd., 83. 136 Ebd., 88. 137 Vorgrimler bringt für seine Ansicht keine Belege bei. Dies zeigt, wie verbreitet die Ansicht ist, in Luthers Sicht stehe das Buch gegenüber der Predigt hintan. 138 VORGRIMLER, Lesen, 87. 1 3 9 Ebd., 86. Als namhaften modernen Exponenten dieser einseitigen und irrtümlichen Position benennt Vorgrimler neben Bultmann aufseiten der katholischen T h e o l o gie Eugen Biser (vgl. ebd., 87 f.). 134

135

274

Buch und

Predigt

Luther, auch das gelesene Wort als lebendiges, geistlich gehörtes Wort des Glaubens zu betrachten. Eine kurze abschließende Einordnung der hier vorgetragenen Ergebnisse in die kirchliche Tradition soll aus der Perspektive der Bewertung von sinnlicher und geistlicher Rezeption des Wortes vorgenommen werden. M ö g lich wird dies durch die umfangreiche Untersuchung von G u d r u n Schleusener-Eichholz zum Auge im Mittelalter 140 . Die Studie weist nach, daß dem Mittelalter Auge und O h r als die hervorgehobenen Sinnesorgane galten 141 . D e r Antike verpflichtet räumten viele Autoren des Mittelalters generell dem Auge die erste Position unter den Sinnen ein. In Glaubensfragen wird j e d o c h auch oft dem H ö r e n der Vorzug gegeben. Für diese Auffassung stehen der Zisterzienserabt Bernhard von Clairvaux u n d der Dominikaner Meister Eckhart. Letzterer bevorzugt das O h r als passives Organ gegenüber dem aktiven, sündigen Auge 1 4 2 . Nach H u g o von Sankt Viktor gebührt d e m gegenüber in Dingen des Glaubens dem Auge der Vorrang. Für den scholastischen Theologen und Augustiner-Chorherren ist das O h r Rezeptionsorgan für das menschliche Wort. Hingegen werde das Wort Gottes kontemplativ mit dem Auge aufgenommen 1 4 3 , also gelesen. Luther kann keiner dieser mittelalterlichen Positionen zugerechnet werden. D e n n das Problem des Vorzugs eines der Sinnesorgane trifft letztlich nicht die für den R e f o r m a t o r entscheidende Frage: Wird das sinnlich und psychologisch Rezipierte auch innerlich gehört, geistlich verstanden, geglaubt? Von hierher ist der Vorrang von Buch oder Predigt, Lesen oder H ö ren, Auge oder O h r für Luther kein prinzipielles, sondern ein pragmatisches Problem. Seine Vorstellungen von der R e z e p t i o n des Wortes erweisen sich vielmehr der Position Augustins verwandt 1 4 4 . D e r Kirchenvater spielt das gehörte Wort genausowenig gegen das gelesene aus wie der R e f o r m a t o r . Augustinus differenziert wie Luther zwischen unterschiedlichen Formen der Rezeption 1 4 5 . Ausdrücklich berücksichtigt er hierbei auch das geschrie140 GUDRUN SCHLEUSENER-EICHHOLZ, Das Auge im Mittelalter. Bd. 1-2. München 1985 (= Münstersche Mittelalter-Schriften. Bd. 35). Zugl.: Münster (Westfalen), Univ., Diss., 1975.Vgl. besonders den Abschnitt »Auge und Ohr«, Bd. 2, 228-237. 141 Vgl. ebd., 228. 142 Vgl. ebd., 233 f. Eine Parallele zu Luther besteht in Meister Eckharts Unterscheidung von innen und außen. Im Gegensatz zu Luther ist es dem Mystiker jedoch nicht um das innere Hören und geistliche Gehör zu tun, sondern um das >zur Gottesschau fähige innere Auge< (vgl. ebd., 234). 143 Vgl. ebd., 230. 144 Vgl. ebd., 232. 145 Vgl. AUGUSTINUS, De videndo Dei = Epistula 147, besonders Kap. 111,8—IV, 11, CSEL 44,281-284 par. MPL 32,600 f. Augustin unterscheidet hier etwa zwischen körperlichem und geistigem Sehen (vgl. bereits [Einleitung] 3, CSEL 44,276 f. par. MPL 32,597 f; CSEL 44,276,15f. par. MPL 32,597: >videre< »vel per oculos corporis ... vel mentis obtutu«) oder zwischen dem Menschen einerseits als Zeugen, >testishomo interior< (CCL 36,186,16 f. par. M P L 34,1542). 151 Ebd., C C L 36,186,26-28 par. MPL 34,1542.

5. Buch und Geschichte bei Martin Luther Geschichte ist für Luther aufs engste, ja notwendig mit dem Buch verbunden. Z u m einen betrifft dies die historische Funktion des Buches. Das Buch bewahrt und überliefert die Geschichte für die jeweilige Gegenwart und die Zukunft des Menschen. Z u m anderen besteht für Luther ein elementares inneres Verhältnis zwischen Buch und Geschichte, bei welchem sich beide gegenseitig grundlegen und bedingen. Das zeigt sich an der Vorstellung des Reformators, daß die historische Existenz des Menschen das Buch erforderlich macht. Umgekehrt trägt aber auch das Buch zur Konstitution von Geschichte bei und wird zu deren Ausdruck. Luther bestimmt das Buch allerdings nicht nur in seiner Funktion für die Geschichte und als deren charakteristisches Merkmal. Als Drittes bezieht er das Buch konkret auf den geschichtlichen Prozeß. Er ist der Auffassung, daß Bücher selbst am historischen Geschehen beteiligt sind und den Verlauf von Geschichte beeinflussen. D e m entspricht es, daß er Geschichte im Spiegel des Buches rekonstruiert, indem er einzelne historische Epochen von ihrer jeweiligen Stellung zum Buch her deutet. Die folgende Darstellung orientiert sich am Leitfaden der drei genannten Gesichtspunkte.

5.1. Die historische Funktion

des Buches

In der Ratsherrenschrift unterscheidet Luther 1524 im Blick auf das Buch zwischen dessen Gebrauch und seiner grundlegenden Funktion, das im Verlauf des historischen Prozesses gewonnene Wissen auch im physischen Sinne zu überliefern. Das Evangelium und »allerley kunst« seien ins Buch und in die Schriftform gefaßt »nicht alleyne darumb, das die yenigen, so uns geystlich und welltlich fuerstehen sollen, zu lesen und studirn haben, sondern das auch die guten buecher behallten und nicht verloren werden sampt der kunst und sprachen, so wyr itzt von Gottis gnaden haben« 1 . U m die geistige Uberlieferung für alle Menschen zu bewahren, ist das Buch unentbehrlich. Denn die Dauerhaftigkeit des Wissens ist prinzipiell auf die schriftliche Aufzeichnung angewiesen: »So das Euangelion und allerley kunst soll bleyben, mus es yhe ynn buecher und schrifft verfasset und ange1

WA 15,49,17-20.

Die historische Funktion

des Buches

277

bunden sein.« 2 Bekräftigend verweist Luther hierbei auf das Vorbild der Propheten und Apostel, insbesondere auf Paulus, der seinen Begleiter und Schüler Timotheus in I T i m 4,13 zur Lektüre anhält und in II T i m 4,13 bittet, ihm Bücher und Pergamente mitzubringen. Soweit im Verlauf der G e schichte Wissen wie die Kenntnis der biblischen Sprachen verloren gegangen ist, kann es nur aus den noch erhaltenen Büchern rekonstruiert und geborgen, »aus ettlichen brocken und stucken allter buecher aus dem staub und wuermern widder erfuer bracht« 3 werden. In Büchern artikuliert sich für Luther das zeitübergreifende menschliche »gedechtnis« 4 . In der >dritten Disputation gegen die Antinomer< von 1538 reklamiert er die Notwendigkeit der Bücher gegen das Argument, es sei überflüssig, das Gesetz zu lehren, da dieses von Natur aus bekannt sei. Als Begründung verweist er auf die menschliche memoria. Die Unzulänglichkeit des Gedächtnisses und der Erinnerung erfordere eine kulturelle K o m pensation, die sich handlungsorientiert als Studium, Lernen, Lektüre darstellt und material an das Buch rückgebunden ist: »Quia memoria est labilis et optimis artificibus exercitis, necesse est doctissimos recurrere ad ipsos libros et discere.« 5 Das Gesetz ist dem Menschen nicht in der Weise verfügbar, daß auf Lehre und Lernen verzichtet werden könne: »Deinde neque lex Dei ita nota est, ut non sit opus de ea doceri aut moneri« 6 . Die anthropologisch begründete Gedächtnisfunktion des Buches konkretisiert sich für Luther in der historischen Uberlieferung. B u c h und Lektüre eröffnen dem Menschen Kenntnis von seiner Vergangenheit. Darauf verweist Luther etwa in der ihm zugeschriebenen Vorrede zum zweiten Band der Wittenberger Gesamtausgabe seiner deutschen Schriften von 1548. Hier hat er genauerhin das Verständnis der christlichen Geschichte im Blick. »Wer vleissig Ecclesia: vnd Tripart: Historiam, der heiligen Veter buecher, vnd sonderlich die Biblien lieset, der sihet vnd kan wol verstehen die Historien von anfang der Kirchen« 7 . Das besondere Interesse Luthers an der buchvermittelten historischen Uberlieferung richtet sich allerdings nicht auf die Geschichte um ihrer selbst willen, sondern auf ihre Bedeutung für die Gegenwart. Das zeigt sich schon, wenn Luther wie eben zitiert betont, Gesetz und Evangelium sowie >allerlei kunstheidnische Bücher< geben dem Volk historische Beispiele rechten Verhaltens, »Exempel«, die anschaulicher sind als R e c h t s n o r m e n und Lehrsätze. Was durch die »Historien« »fürgebildet« ist, beeinflußt das Verhalten in nachhaltiger Weise, weil die M e n schen »durch sie herter bewegt werden, denn so man sie schlecht mit blossen Worten des rechts oder Lere abhelt u n d j n e n weret,Wie wir denn lesen nicht allein j n n der heiligen Schrifft, Sondern auch j n n den Heidnischen büchern, wie sie einfüren u n d fürhalten derVorfaren Exempel, wort und werck, w o sie etwas erheben wollen bey dem volck oder wenn sie fürhaben zu leren, ermanen, warnen, abschrecken.« 12 Hier in der Vorrede zur deutschen Ubersetzung der »Historia Galeatii Capellae« von 1538, in welcher 8

W A 10 111,244,8-10. WA 53,392,6-8. 10 D i e zeugnishafte F u n k t i o n des B u c h e s k a n n v o n L u t h e r auch o h n e diese h i s t o r i sche Perspektive in Anschlag gebracht w e r d e n . Dies ist etwa der Fall, w e n n er sich i n haltlich auf eigene, bereits publizierte S c h r i f t e n b e z i e h t u n d sie als Ausweis u n d B e l e g seiner t h e o l o g i s c h e n Position a n f u h r t : »Davon w i r j n n u n s e r n b ü c h e r n a n d e r s w o r e i c h lich gezeugt haben« (WA 3 8 , 2 8 , 2 9 f.). 11 W A 5 0 , 6 5 7 , 1 2 f. 12 W A 5 0 , 3 8 4 , 8 - 1 4 . D i e Anschaulichkeit historischer B ü c h e r steigert die M o t i v a t i o n nicht nur, weil sie mit d e m P e r s o n z e n t r u m des H e r z e n s a u c h das G e f ü h l des M e n schen trifft. Beispiele fördern auch das Verstehen u n d das B e h a l t e n abstrakter Lehre (vgl. ebd., 3 8 3 , 2 - 1 6 ) . 9

Die historische Funktion

des Buches

279

Luther den N u t z e n der Geschichte zum T h e m a macht, wird deutlich, daß es ihm im Gegensatz zu Melanchthon nicht u m die Geschichte des Menschen als Gattung geht, sondern u m »die einzelne Persönlichkeit«, »das Individuu m selbst und kein leeres Etwas.« 13 Dabei soll das Zeugnis- und beispielgebende Buch historisches Geschehen nicht gewissermaßen wertfrei und in Distanz oder gar losgelöst von aktuellen Problemstellungen vermitteln. Auch sieht Luther seine historische Funktion nicht darin, Quelle und Träger der N o r m rechter christlicher Lebensführung zu sein. Die Uberlieferung durch das Buch ist vielmehr Ausweis eines rechten oder verfehlten Umganges mit ebendieser N o r m u n d damit Zeugnis des historischen H a n delns für die Gegenwart. Luther nutzt den zeugnishaften Charakter der Bücher, Vergangenes für die Gegenwart zu überliefern, in besondererWeise dazu, sich mit der R ö mischen Kirche u m die wahre christliche Lehre und Praxis auseinanderzusetzen. Er wird im Sinne einer historisch gegründeten systematischen Beweisführung zum Mittel der aktuellen theologischen Argumentation. Ausdrücklich weist Luther zum Beispiel im Blick auf das Abendmahlsverständnis im R a h m e n der Messe darauf hin, daß päpstliche »lere und bücher ausweisen« »ein verkerete unordnung u n d Jarmarckt des heiligen Sacraments« 14 . O d e r er wirft der katholischen Beichtpraxis und den Priestern mit Hinblick auf die zeugnisgebende Funktion der Bücher vor, »Sie wissen nicht (wie alle jre bücher zeigen), ob sie schuld odder pein vergeben« 15 . Die geschichtliche Aufgabe des Buches bezieht sich für Luther allerdings nicht nur darauf, historisches Geschehen im R a h m e n und zum Zweck aktueller Probleme zu bezeugen, also die Vergangenheit für die Gegenwart in Brauch zu nehmen. Luther möchte mit Hilfe des Buches auch einen Beitrag dazu leisten, Gegenwärtiges wie die Mißstände der alten Kirche für die Nachwelt zu überliefern. Er trägt insofern b e w u ß t u n d gezielt zum historischen »gedechtnis« bei, für das er sich verantwortlich fühlt. Dies zeigt sich etwa an der Vorrede zur »Legatio Adriani papae VI. ad conventum N u r e m bergensem anno 1522 missa«, in welcher Luther auch den Wert historischer Uberlieferung verallgemeinert, indem er ausdrücklich über diese Publikation hinausweist: »Igitur (ut dixi) h u n c librum et similes servari et propagari in posteros utile et salutare fuerit, n o n solum Germaniae, sed universo orbi contra m o n t e m istum R o m a n a e Babylonis pestilentisimum, qui totam terram corrumpit.« 1 6 Die auf die Z u k u n f t gerichtete Uberlieferungsfunktion des Buches war für Luther auch in der Absicht von Bedeutung, sein eigenes Handeln u n d seine eigene schriftstellerische und theologische Position vor zukünftiger K R U M W I E D E , Glaube, 76. WA 38,266,27 f. 15 WA 38,243,37 f. Als weitere Beispiele vgl. WA 26,530,25 ff., besonders 531,2; vgl. auch WA 31 1,244,21-25. 16 WA 50,356,31-33. 13

14

280

Buch und Geschichte

bei Martin

Luther

Mißdeutung zu bewahren und aus den jeweiligen historischen Umständen heraus zu rechtfertigen. Dies wurde hier bereits mit Blick auf die B e m ü hungen der Mitarbeiter und Freunde Luthers deutlich, schon zu seinen Lebzeiten Sammel- und Gesamtausgaben seiner Schriften zu publizieren. Luther befürwortete diese Projekte nur widerstrebend, weil er dem Studium seiner Werke nicht zu Lasten der von ihm für wichtiger erachteten Auseinandersetzung mit der Heiligen Schrift Vorschub leisten wollte 1 7 . Wenn er dennoch seine Zustimmung gab, so bestätigt dies die hier vorgetragene Einsicht in die Bedeutung der Uberlieferung durch das Buch. Aus theologischer Perspektive kann Luther die Wirksamkeit historischer Buchüberlieferung auch einschränken. Bei der Bewahrung der rechten christlichen Lehre und Praxis kommt dem Buch zwar eine wichtige R o l l e zu, die aber nicht verabsolutiert werden darf. Es muß beachtet werden, wie weit menschliches Handeln im allgemeinen und durch das Buch im besonderen reicht, und wo dessen Wirksamkeit trotz allen Bemühens von Gottes unverfugbarem und somit letztlich entscheidendem Handeln abhängig bleibt. Dies wird in einer Predigt Luthers zu J o h 6,53 deutlich. Hier hebt er hervor, daß rechtes Vertrauen auf Christus und das Altarsakrament nicht durch menschliche Leistung garantiert werden kann: » ... last vernunfft undt werck sein vernunfft und werck« 18 . W i e Luther hier besonders im Blick auf seine eigenen Schriften ausführt, sind von dieser Beschränkung auch die kirchliche Verkündigung und die Bücher nicht ausgenommen: »Dan so es S. Ioannes nicht erhalten hat mit seinem herrlichen Euangelio, so werdens unsere bucher viel weniger erhalten. Den es ist ja der Text dieses Euangelij in allen kirchen gesungen undt gelesen wordenn.« »Wen du Christum ergreiffest als dein heubt undt theur undt hoch helst sein fleisch undt blutt undt ihm die ehre gibst, ... so hastu den recht das heubtstucke deines Christlichen glaubens«. Der alles entscheidende Glaube ist zwar ein Akt des Menschen, aber ein solcher, den weder er selbst noch eine andere irdische Autorität wirken können 1 9 , nicht die Kirche und nicht die Bücher.

5.2. Die geschichtliche Existenz des Menschen als Zeit des Buches Befragt man Luthers Äußerungen zum Buch daraufhin, welcher innere Zusammenhang zwischen Buch und Geschichte besteht, so sind systematische und historische Überlegungen miteinander zu verbinden. Der im folgenden zuerst dargestellte systematische Ausgangspunkt dieses Zusammenhanges ist für Luther die Sünde. In den beiden danach folgenden AbschnitS. o b e n S. 4 9 - 5 3 . W A 3 3 , 2 1 9 , 5 f.; die Gesamtkontextes. 17

18

19

folgenden

Vgl. ALTHAUS,Theologie, 5 1 .

Zitate S. 2 1 8 , 1 4 - 2 0 u. 2 1 9 , 1 3 - 2 2 innerhalb des

Die geschichtliche Existenz

des Menschen

als Zeit des Buches

281

ten soll dann untersucht werden, wie sich der Zusammenhang von Buch und Geschichte nach dem Verlust der urständlichen Gerechtigkeit darstellt. Dabei ist zu beachten, daß für den Reformator als Bibeltheologen, besonders als Exegeten des Ersten Buches Mose, mit dem Sündenfall die Sünde in ihren Auswirkungen auf das menschliche Zusammenleben selbst dem historischen Prozeß unterworfen ist. Dies hat Konsequenzen für Luthers Vorstellung der Entwicklung von Geschichte überhaupt und äußert sich darin, wie er das Buch zu dieser Entwicklung in Beziehung setzt. In einem ersten Schritt soll gezeigt werden, wie sich der Einfluß der Sünde in der Gliederung des historischen Prozesses niederschlägt: Dem durch Bücher gekennzeichneten weiteren Geschichtsverlauf schaltet Luther die originale Welt als eines buchlosen Zeitalters vor. In einem zweiten Schritt ist darzulegen, wie das Buch angesichts dieser Periodisierung als Ausdruck von Geschichte begriffen werden kann: Das buchlose Zeitalter ist für Luther eine Periode der Konstitution von Geschichte, die erst mit der Notwendigkeit des Buches vollständig entfaltet ist. 5.2.1.

Das Buch in der Geschichte als Zeit unter der Sünde

Luthers Vorstellung der historischen Existenz des Menschen ist von seiner theologischen Anthropologie bestimmt. Wie bereits Martin Schmidt mit Blick auf »Luthers Schau der Geschichte« festgestellt hat, ist »die Sünde die bestimmende Grundwirklichkeit des Lebens«20. Die Sünde treibt den historischen Prozeß voran und ist in dessen Verlauf auch Bedingung dafür, daß der Mensch der Bücher bedarf. Das zeigen die Ausführungen in der umfangreichen »Genesis-Vorlesung«, dem >monumentalen Dokument von Luthers Alterstheologieecclesia< und >oeconomiakurze Predigt< aus Gen. 2,16 f. »Und Gott der H E R R gebot dem Menschen und sprach: D u darfst essen von allen Bäumen im Garten, aber von dem Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen sollst du nicht essen« als ihre »Biblia« gründen können: »Totum Studium sapientiae haec brevis concio absolvisset, ac ostendisset nobis tanquam in tabula pictam b o nitatem Dei« 24 . Anschaulich verlängert Luther diesen Zustand urständlicher Gerechtigkeit in einen fiktiven Zeitverlauf. Adam hätte »hoc unicum praeceptum« seinen Nachfahren weitergegeben, was diese als »optimi Theologi, doctissimi Iureconsulti et expertissimi Medici« 25 qualifiziert hätte. D o c h nur wenn Adam und damit die Menschheit in der »innocentia«, im Stand der Unschuld verblieben wäre, »haec enim concio« Gen. 2,16 f. »fuisset tanquam Biblia, nec opus habuissemus papyro, atramento, calamis et illa infinita multitudine librorum, qua hodie indigemus, nec tarnen millesimam partem eius sapientiae consequimur, quam Adam habuit in Paradiso.« 26 D e m n a c h sind Papier,Tinte, Schreibfeder und eine U n m e n g e von Büchern Charakteristika der verlorenen Unschuld des Menschen u n d des Sündenstandes. Sie grenzen die Zeit des Paradieses von der unter der Sünde ab, in welche Luther wie hier auch seine Gegenwart einbezieht. Dabei stellen Schriftlichkeit und das Buch nur einen schwachen, unvollkommenen Ersatz für den Verlust der urständlichen Erkenntnis dar, wie Luther mit dem Hinweis auf der Zweireichelehre. 2., verb. Aufl. Stuttgart 1983 (= Forschungen und Berichte der Evangelischen Studiengemeinschaft. Bd. 25), 495-512. Aufgrund der »noch weithin familienhaften ... >eigentlich< gesellschaftlichen Beziehungen der Menschen während der Reformationszeit« hat Luther den »ordo oeconomicus« - dieser Begriff weicht am stärksten vom heutigen BegrifFsverständnis ab - nach J Ü R G E N K Ü P P E R S , Luthers Dreihierarchienlehre als Kritik an der mittelalterlichen Gesellschaftsauffassung. In: Evangelische Theologie 19. 1959, 361—374; hier: S. 373 als »Ineinander von Ehestand, Hausstand und Nährstand« begriffen. Zu den drei Ständen s.a. unten S. 305 u. dort Fußnote 143. 23 W A 42,79,8. W O L F G A N G S T Ü R N E R , Peccatum und potestas. Der Sündenfall und die Entstehung der herrscherlichen Gewalt im mittelalterlichen Staatsdenken. Sigmaringen 1987 (= Beiträge zur Geschichte und Quellenkunde des Mittelalters. Bd. 11), 260263, legt dar, daß Luther in deijenigen patristischen und mittelalterlichen politischtheologischen Tradition steht, welche die herrschaftliche Gewalt nicht als Sündenstrafe interpretiert, sondern als der Sünde entgegentretende, lebenserhaltende Einrichtung göttlicher Zuwendung, Hilfe und Fürsorge, als »Gottes gnädiges Geschenk an die sündigen Menschen« (ebd., 262). 24 Ebd., 80,7-9. 25 Ebd., Z. 13 f. 26 Ebd., Z. 3-7.

Die geschichtliche

Existenz

des Menschen

als Zeit

des

Buches

283

nicht ein Tausendstel der Weisheit z u m Ausdruck bringt, die A d a m im Paradies besaß. Ausdrücklich bezieht er dies n o c h ein weiteres Mal auf das Wissen seiner Zeit. Es lasse sich im Vergleich mit der paradiesischen Weisheit trotz ungezählter B ü c h e r der Wissenschaften >vix faeces< n e n n e n , also k a u m den Bodensatz: »Hodie librorum infinitus est numerus, in quibus i n stituuntur T h e o l o g i , Iureconsulti, Medici. Sed quicquid adiuti libris discimus, vix feces m e r e n t u r dici comparatione illius sapientiae, q u a m ex h o c unico verbo [Gen. 2, 16 f.] hausit A d a m . Sic o m n i a per p e c c a t u m originis sunt corrupta.« 2 7 D i e B ü c h e r sind aber nicht nur v o m U m f a n g des Wissens h e r lediglich ein schwacher Abglanz der Weisheit paradiesischer Zeit. Zusätzlich charakterisieren sie historische Zeit dadurch, daß sie Kennzeichen auch des E r kenntnisprozesses sind, welcher sich u n t e r den B e d i n g u n g e n der von der E r b s ü n d e zerstörten urständlichen Weisheit vollzieht. W i e Luther mit Blick auf die Naturerkenntnis ausfuhrt, sind die B ü c h e r ein Ausdruck der N o t wendigkeit, sich mühevoll u n d zeitaufwendig Erfahrungswissen aneignen zu müssen. D e m ist Adams u n g e t r ü b t e unmittelbare Einsicht in die N a t u r p h ä n o m e n e diametral entgegengesetzt: »Extant varii libri, qui plantarum et bestiarum naturas describunt. Sed q u a n t o tempore, q u a m longa observatione opus fuit, d u m haec per experientiam ita colligerentur. Aliud in A d a m o l u m e n fuit, qui statim, ut inspexit animal, totam eius naturam et vires habuit cognitas, ac longe melius q u a m nos, etiam c u m t o t a m vitam ad inquisition e m h a r u m r e r u m conferimus.« 2 8 In den B ü c h e r n findet gewissermaßen eine K u m u l a t i o n der N a t u r b e o b a c h t u n g statt. Sie sind damit M o m e n t eines Prozesses der N a t u r e r f o r s c h u n g , bei d e m der N a t u r Stück f ü r Stück E r kenntnis a b g e r u n g e n wird. D i e Unzulänglichkeiten der Einsicht u n d des Erkenntnisvermögens unter der Sünde setzen somit eine zeitliche B e w e g u n g auf Erkenntnisgewinn hin in Gang, welche im Urständ mit Adams unmittelbarer, ganzheitlicher u n d damit auch geschichtsloser Einsicht ü b e r haupt nicht v o n n ö t e n war. Setzt m a n dies mit der o b e n e r h o b e n e n G e d ä c h t n i s f u n k t i o n des Buches in Beziehung, so ergibt sich eine umfassendere B e d e u t u n g des Buches a n gesichts der menschlichen Geisteskräfte unter der Sünde. W i e das B u c h mit Blick auf die Historie im allgemeinen die Unzulänglichkeit der menschlichen m e m o r i a auszugleichen sucht 2 9 , so tritt es in den einzelnen G e g e n standsbereichen menschlicher Erkenntnis d e m b r u c h s t ü c k h a f t e n Charakter des Wissens u n d des Wissenserwerbes entgegen. In historischer Zeit, angesichts des Mangels sündloser Weisheit, also der stets präsenten u n d vollständigen urständlichen Einsicht, b e w a h r t das B u c h Vergangenheit u n d Wissen, sammelt neu hinzutretende Erkenntnisse u n d fügt sie zu e i n e m umfassen27 28 29

Ebd., Z. 15-18. WA 42,90,27-31. S. oben S. 277.

284

Buch und Geschichte bei Martin

Luther

deren Ganzen der Erfahrung. Geschichte läßt sich insofern auch als eine Zeit charakterisieren, in der es anders als im Urständ notwendig ist, Erkenntnis erst noch zu gewinnen und Erfahrungen zu sichern. Da hierfür das Buch einen wesentlichen Beitrag zu leisten vermag, ist Geschichte als Zeit fragmentarischer Erkenntnis und der Sorge u m Wissen und Erfahrung zugleich auch Zeit des Buches. Im Zusammenhang von Erkenntnis u n d Sünde liegt denn auch der systematische Ansatzpunkt, von welchem her die politia wie erwähnt als C h a rakteristikum historischer gegenüber der urständlichen Zeit einsichtig wird und sich ihrerseits als für Luther unauflöslich mit dem Buch verknüpft erweist. Für die geschichtliche Existenz des Menschen gilt, daß »keyn mensch von natur Christen odder f r u m ist, sondern altzumal sunder und boese sind« 30 , wie Luther 1523 in seiner Schrift >Von weltlicher Obrigkeit< betont. Das politische R e g i m e n t , so konnte bereits ausführlich bei der Behandlung der Bildungsfunktion des Buches dargestellt werden, bedient sich des B u ches gerade deshalb, u m den Sündenfolgen im Bereich der gesellschaftlichen Realität zu wehren. Erst der Verlust der urständlichen Gerechtigkeit macht es in historischer Zeit notwendig, daß die Obrigkeit das in B ü c h e r n niedergelegte R e c h t handhabt, weil die n u n m e h r lebensbestimmende Sünde die natürliche, aus dem Herzen fließende Rechtserkenntnis des M e n schen aufs Schwerste beeinträchtigt hat 31 . Analog der Naturerkenntnis ist auch die Rechtserkenntnis unvollkommen und fragmentarisch. Das >natürliche Gesetzböse Lust und Liebe verfinstert 3 2 . >Außerlichegeistlichen< oder >heiligen< Sinn und Brauch« des Gesetzes (220) .Vgl. ausführlich auch das Kapitel »Der Zweifache Gebrauch des Gesetzes« bei EBELING, Luther, 136-156 u. GERHARD EBELING, Dogmatik des christlichen Glaubens. 2., durchges. Aufl. Bd. 1—S.Tübingen 1982; hier: Bd. 3. S. 270—288. D o r t benutzt Ebeling die lateinische Terminologie des 31

Die geschichtliche Existenz

des Menschen als Zeit des Buches

285

sen in der Welt mit äußerlichen Mitteln im Bereich des Ethischen, in Recht und Politik, ja mit Blick auf das kulturelle Handeln überhaupt 36 entgegentritt. Das Gesetz wird in der Geschichte »durch alle lerer und bucher trieben«, damit es den nunmehr unter der Gewalt der Sünde lebenden Menschen zumindest »eußerlich frum macht« 37 . ImVorfeld der politisch-praktischen Handhabung des Gesetzes gegen die Sünde ist schließlich ein weiterer, bereits ausführlicher bedachter Aspekt zu berücksichtigen, der das Buch zum Merkmal historischer Zeit als Zeit der Sünde macht. Die Obrigkeit, die das Gesetz in Form der Rechtsbücher zur Ausübung ihres Regimentes in Brauch nimmt, gewinnt aus der Vergangenheit, die wiederum durch die Bücher vermittelt wird, Einsicht in die Strukturen der Welt. Die politia wird um so besser regiert, je mehr sich die kluge Obrigkeit, deren Einsicht ja selbst durch die Sünde getrübt ist, durch historische Exempel guten Regimentes bildet und belehren läßt. Damit kennzeichnet das Buch historische Zeit auch insofern, als die Geschichte mit Hilfe ihrer eigenen Exempla dafür in Brauch genommen wird, deijenigen fundamentalen theologischen Wirklichkeit entgegenzutreten, die Bedingung ihrer selbst ist, nämlich der Sünde und ihren bösen Folgen in der Welt. Das Buch wird nun aber nicht nur dadurch zum Charakteristikum von Geschichte, daß es sich auf die Sünde und ihre Folgen in äußerlicherWeise bezieht. Es kennzeichnet historische Zeit auch insofern, als es dazu beitragen möchte, der Sünde von ihren Ursprüngen im Innern des Menschen her zu wehren. Das ist in einem weiten Sinne dann der Fall, wenn das Buch die christliche Wahrheit und Lehre verbreitet und so hilft, den Glauben zu treiben. Nähere Ausführungen hierzu erübrigen sich an dieser Stelle, weil dies mit der Darstellung zum Bildungswert des Buches für die Religion bereits ausfuhrlich zum Thema geworden ist.38 Es soll nur eigens auf den Aspekt hingewiesen werden, daß Luther das Buch auch im Blick hat, wenn er dem Gesetz als Inbegriff der gerade angeführten äußeren Mittel gegen die Sünde gerade auch eine ihr entgegengerichtete theologische Aufgabe zuspricht. In diesem Sinne heißt es in der eben beigebrachten Passage aus der Obrigkeitsschrift, nachdem Luther zuvor von den Büchern des Rechts und des Gesetzes gesprochen hat 39 : »Datzu gibt S. Paulus dem gesetz noch eyn ampt R o : .7. unnd Gal: .2. das es die sund erkennen leret, damit es den menschen demuetigt zur gnad unnd zum glawben Christi.« 40 Konkret bedeutet das, daß Luther das Buch in den usus theologicus legis einbezieht. Mit Hilfe der usus politicus bzw. theologicus legis auch für die Gliederung des Gedankenganges (S. 282-288). 36 Für diese Weite des usus politicus legis vgl. E B E L I N G , Dogmatik, Bd. 3, 288 im Gesamtkontext der Gesetzesexplikation S. 261—295, besonders i.V.m. S. 268 f. 37 WA 10 1/1,467,23 f. 38 S. oben Abschnitt »3.1.3. Der Bildungswert des Buches für die Religion«. 39 Vgl. WA 11,250,16-17. 40 Ebd., Z. 29-31.

286

Buch und Geschichte

bei Martin

Luther

Bücher wehrt das Gesetz der Sünde und dem Bösen als fundamentalen Charakteristika der Geschichte des Menschen nicht nur äußerlich.Vielmehr bringen Bücher und Lehre das Gesetz in theologischer Absicht dadurch zur Geltung, daß sie die Sünde bewußt machen und so von der Sündenerkenntnis her auf die Gnade und den Glauben vorbereiten. Den Menschen zur Gnade und zum Glauben zu >demütigen< heißt dabei, die Sünde innerlich groß zu machen 4 1 , damit im Sinne von R o m 7,13 »durchs gesetz die sund ubir die maß boß wirt«. Denn »das gesetz, wenn es eußerlich frum macht, ßo mehret es die sund ynnwendig und legt ynnwendig ßo viel auff durch den haß und Unwillen, ßo viel es außwendig ablegt an den wercken«. Luther hat hier in der Kirchenpostille von 1522 eine vertiefte, von heftiger Aversion begleitete Einsicht in die Sünde vor Augen. Ihr wird die Unerfüllbarkeit des fordernden und insofern ständig anklagenden Gesetzes als »zuchtmeyster« 42 bewußt, Gottes Willen vollständig, das heißt nicht nur durch äußerliches Tun, sondern reinen Herzens, aus Liebe und Gottesfurcht gehorsam zu sein 43 . Diese für geschichtliche Zeit charakteristische, durch Buch und Lehre dokumentierte und mitgeteilte Erkenntnis der unerbittlichen Macht der Sünde macht aber zugleich bereit, auf das Evangelium zu hören, die Gnade und die Vergebung der Sünde im Glauben zu empfangen. Doch erwartet Luther von den Büchern nicht nur mit Blick auf die aktuellen Forderungen des Gesetzes, sondern auch von der Kenntnis des historischen Umgangs mit dem Gesetz als Gottes Willen Einsicht in die Sünde und damit innere Vorbereitung auf die Gnade. W i e man »mag zur gnade komen« 4 4 , so predigt Luther am 19. Dezember 1529, das zeige das auch für die Gegenwart nützliche Beispiel, auf welche Weise Mose mit dem u n g e horsamem und widerspenstigem Verhalten der Juden nach ihrem Auszug aus Ägypten und mit ihrer >Abgötterei< des Goldenen Kalbes umgegangen ist: »Siehe der Suende wil er nicht geschwiegen noch vergessen haben, schreibt sie ins Buch, das sie [die Juden] etlichmal im jar öffentlich lesen und hoeren musten, treibet auch eben die wort: Gedenckes und vergis nicht etc. Das sie es j e nicht hintersich werffen und unter die banck legen noch aus der acht lassen, als habe es Gott vergessen, sondern j m e r fuer den ohren klingen lassen und nichts denn jre suende und schände hoeren.« 4 5 Dieser spezielle Fall öffentlicher Lektüre verdeutlicht, wie das Buch für den Zweck verwandt werden kann, die Geschichte nicht nur zu bewahren, sondern Vgl. W A 10 1 / 1 , 4 6 8 , 1 - 8 . D o r t auch die nachfolgenden Zitate. W A 10 1 / 1 , 4 6 6 , 6 u.auch ebd., Z . 8, 1 0 , 2 2 sowie ebd., 4 6 7 , 2 1 . 4 3 Vgl. ALTHAUS, Theologie, 221 mit Nachweisen aus Luthers drei Disputationen gegen die Antinomer von 1537 und 1538. In der hier angezogenen Passage der Kirchenpostille zentriert Luther die Forderung des Gesetzes mit den Worten: »Denn das gesetz foddert eynen freyen, frolichen, lustigen willen, den haben sie [die Menschen unter dem Gesetz] nit und mugen yhn nit auß yhn selb haben« (WA 10 1/1,466,16—18). 4 4 WA 2 8 , 7 5 4 , 2 6 (Predigten über das 5. B u c h Mose. 1529). 4 5 Ebd., Z . 1 5 - 2 0 . 41

42

Die geschichtliche Existenz

des Menschen als Zeit des Buches

287

auch in theologischer Absicht zu aktualisieren u n d anzueignen. W i e bereits b e i m usus politicus legis wird die Historie damit auch hier, obgleich mit anderer Zielrichtung, mittels ihrer eigenen Exempla gegen ihre sündhafte G r u n d s t r u k t u r in Anschlag gebracht. Betrachtet m a n das Beziehungsgeflecht von B u c h , Sünde u n d Geschichte zusammenfassend, so kann das K o n z e p t des duplex usus legis die t e r m i nologische Vorlage liefern. Analog ließe sich v o m duplex usus libri sprechen. D e r primus usus libri entspricht d e m primus usus legis, i n d e m das B u c h als Träger von R e c h t u n d Gesetz der O b r i g k e i t in der politia dazu dient, der Sünde in der Welt zu w e h r e n . H i e r z u tragen B ü c h e r auch dadurch bei, daß sie den I n h a b e r n obrigkeitlicher Gewalt historische Beispiele guten R e g i m e n t e s vor A u g e n fuhren. Vergleichbar d e m secundus usus legis wird das B u c h im Sinne des secundus usus libri in theologischer Absicht in Brauch g e n o m m e n . Es f u h r t d e m M e n s c h e n durch aktuelle F o r d e r u n g e n u n d historische Exempla des Gesetzes vor A u g e n , daß er u n t e r der M a c h t der Sünde lebt u n d damit ganz auf die vergebende G n a d e Gottes a n g e w i e sen ist. Weil das aber K e n n z e i c h e n der Geschichte als Zeit unter der Sünde im Gegensatz z u m Urständ ist, wird auch das B u c h , nach beiderlei Brauch, z u m charakteristischen M e r k m a l historischer Zeit. 5.2.2.

Der mundus originalis als buchloses

Zeitalter

N a c h den bisherigen A u s f u h r u n g e n stünde zu erwarten, daß f ü r den R e f o r m a t o r mit d e m Verlust des Urstandes u n d der Vertreibung aus d e m Paradies das Zeitalter des Buches b e g ö n n e . D e n n , so ließe sich schlußfolgern, der gefallene M e n s c h hätte des Buches bedurft, u m der Sünde als Grundwirklichkeit der historischen Existenz entgegenzutreten. D o c h L u ther geht davon aus, daß der Zeit des Buches ein einzigartiges, Paradies u n d Urständ n o c h nahestehendes Zeitalter vorausging, in w e l c h e m es keiner B ü c h e r bedurfte. Diese Auffassung gewinnt der Bibeltheologe L u t h e r aus seiner Exegese des Ersten Buches Mose 4 6 . D e m z u f o l g e setzte erst i m G e f o l ge der u n h i n t e r g e h b a r e n Zäsur der Sintflut das bis auf die G e g e n w a r t f o r t d a u e r n d e Zeitalter ein, als eines deren charakteristischen M e r k m a l e L u t h e r das B u c h a n f u h r t . D e r geschichtswendende Einschnitt des D i l u v i u m ist b e reits 1952 von Hans Walter K r u m w i e d e aufgezeigt w o r d e n , o h n e allerdings

46 Diese bereits in der ersten Hälfte der 1520er Jahre vertretene Auffassung befindet sich mit derjenigen des älteren Luther im Einklang und kennzeichnet somit die Kontinuität und Einheitlichkeit seiner Position. Beleg dafür sind die im Rahmen der folgenden Ausfuhrungen herangezogenen Lutherwerke »Uber das 1. Buch Mose. Predigten M.Luthers samt einem Unterricht, wie Moses zu lehren ist. 1527 22. März 1523 bis 18. September 1524« [Nachschriften Georg Rörers und Stephan Roths sowie Druckausgabe], die »[1. Mose] Genesis-Vorlesung. 3. Juni 1535-17. November 1545; erschienen in vier Teilen 1544-1554« und die »Supputatio annorum mundi. 1541 1545«.

288

Buch und Geschichte bei Martin

Luther

im einzelnen ausgeführt zu werden 4 7 . K r u m w i e d e stützt sich hierfür auf diejenige Passage der Genesisvorlesung, in welcher sich Luther mit der Frage auseinandersetzt, wo das Paradies geographisch anzusiedeln sei. Die Antwort lautet: »Ociosam esse questionem de re, quae amplius n o n est. N a m Moses scribit res gestas ante peccatum et diluvium. N o s autem cogimur de rebus loqui, sicut sunt post peccatum et post diluvium.« 48 Hier wird deutlich, daß mit der Katastrophe der Sintflut ein radikaler Wandel der äußeren, natürlichen R a h m e n b e d i n g u n g e n der Geschichte stattgefunden hatte, so daß eine historische Auseinandersetzung mit den vorhergehenden Ereignissen nicht m e h r möglich ist. Anders als Mose, der seine Bücher als Werkzeug des Heiligen Geistes niederschrieb 4 9 , k ö n n e n wir nur von Dingen reden, wie sie sich nach der Sintflut darstellen. Damit meint Luther nicht, n u n mehr von denselben Dingen nur auf andere Weise sprechen zu können. D e n n die Sache, u m die es vor dem Diluvium geht, »amplius non est«. H i e r bei ist Luther nicht in d e m Sinne zu verstehen, daß das Paradies und die Zeit vor der Sintflut ebenso vergangen sind wie andere historische Epochen oder Zeitabschnitte. Auch andere Stellen zeigen, daß Luther in einem ganz fundamentalen Sinne eine Scheidelinie zwischen der Zeit vor und nach dem Diluvium zieht. Das Paradies ist vollständig vernichtet, »per diluvium postea dissipatus et abolitus« 5 0 .Mehr noch, der Verlust betrifft das Weltganze, denn »originalis mundus et Paradisus perierunt« 5 1 , die originale, die u r sprüngliche oder Erste Welt 52 und das Paradies sind verloren, verschwunden, nicht nur einfach vergangen 5 3 . In seinem Z o r n über die Bosheit der M e n schen hat Gott die ganze Erste Welt durch die Sintflut >ersäuft< und >ver47

Vgl. K R U M W I E D E , Glaube, 5 8 . WA 42,67,11-14. 49 Vgl. WA 42,2,5. 50 WA 42,68,22 f. 51 Ebd., 34. 52 In den Predigten über das Erste Buch Mose ist 1523/1524 von einer >schönen, feinen Welt< bis zur Sintflut' die Rede: »schone feyne weit« (WA 14,180,4) u. parallel »feine weit« (ebd., Z. 22) sowie in den gedruckten Fassungen »feine, schoene weit« (WA 24,155,13) u. parallel in der lateinischen Veröffentlichung »optimus mundus« (ebd., 154,7 f.). Diese Welt ist >primum saeculum< (WA 14,181,13). Die Jahre bis zur Sintflut sind »foelicissima illa secula« (WA 24,155,2). Die seit 1535 gehaltene Genesisvorlesung thematisiert dann diese Vorstellung zweier Zeitalter, indem sie die »seculorum differentia« (WA 42,260,34) durch die Unterscheidung zweier Welten begrifflich faßt (WA 42,260,34-261,8). Hierbei steht »nostrum seculum« (260,40), nämlich »secundum Mundum« (261,11), »primo et originali mundo« (261,10 f.) gegenüber. Weiterhin bleibt auch die Erste Welt ein Zeitalter; sie wird als >primum saeculum< (154,14) oder in der Verknüpfung von saeculum und originalis mundus als >istud saeculum originalis Mundi« (251,20) bezeichnet. Im Vergleich zur Zweiten Welt »prior Mundus« (260,42) bzw. »mundus originalis est optimus et sanctissismus« (260,34f.). Weitere Beispiele für die Rede von der Ersten Welt in der Genesisvorlesung finden sich etwa WA 42,251 (mehrfach); S. 264 (mehrfach); S. 266,12.28; S. 68,34; S. 284,27. 53 So auch WA 42,67,19—21: »Cum igitur mundus per diluvium una cum hominibus et pecudibus aboleretur, hic tarn nobilis hortus etiam est abolitus et periit.« 48

Die geschichtliche Existenz

des Menschen als Zeit des Buches

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tilgtErzväter< umfaßt, die >zehn Patriarchen< von Adam bis Noah 5 6 . An verschiedenen Stellen macht Luther darauf aufmerksam, daß zu Zeiten dieser Patriarchen, denen sich »insignes et magni viri« nach dem Diluvium, nämlich »Patriarchae, Reges, Prophetae«57 nicht vergleichen konnten, an Büchern kein Bedarf bestand. In den Predigten über das Erste Buch Mose wird das besonders anschaulich. »Primo saeculo profuit libros non habere.«58 Die Patriarchen »libros non habuerunt, und ist feyn gewest.«59 Geradezu mit Uberschwang, bei dem aber Begründungen mitgeboten werden, heißt es in den Nachschriften der Predigt weiter 60 : »O das muß ein feine weit sein geweßen, das ist der lentz, dye blutth [Blüte] geweßen mundi, do sein ihr ane zweifFel vil geweßen, die ein rechten warhafftigen geist gehabt haben. Die edle frucht des glaubens, die keuscheit wirt hie angezceigt. Dehn fortel haben sie gehabtt, quod libros non haberent, Semper dederunt vivam responsionem viva voce an alle schrifft.«61 Gegenüber diesem Vorzug im mundus originalis empfindet sich Luther zu seiner Zeit im Nachteil: »Nunc libros habemus, darauß musßen wirs saugen.« Diese Argumentation findet sich auch in der im Druck veröffentlichten Fassung der Predigten über das Erste Buch Mose 62 . Betrachtet man sie im 54

Vgl.WA 24,199,25 u. ebd., 246,35-37. WA 24,199,25-200,7. 56 Vgl. WA 24,152,25-33. Vgl. auch ebd., 152-156 im Zusammenhang sowie WA 14,178-181. Hier datiert Luther die Sintflut auf das Jahr 1656 seit Bestehen der Welt (WA 14,180,5 u. parallel ebd., Z. 21 sowie WA 24,155,14). Zur Genealogie der Ersten Welt vgl. auch die Stammbäume in Luthers tabellarischer Geschichtstafel »Supputatio annorum mundi« (WA 53,36 f.) und den Eintrag »DILUVIUM anno / Noah .600.«, also das Jahr der Sintflut im 600. Lebensjahr Noahs, beim Jahr 1656 auf der Zeitleiste der »Supputatio« (WA 53,46). 57 WA 42,260,36. 58 WA 14,181,13. 59 Ebd., 180,8f. 60 Die von der WA parallel gebotenen Nachschriften Georg Rörers (jeweils oben auf der Seite) und Stephan Roths (jeweils unten) sind zwar nicht in den Einzelformulierungen, wohl aber von den Argumenten her deckungsgleich. 61 WA 14,180,22-27 einschließlich des folgenden Zitates. 62 Vgl. WA 24,155,18-28. 55

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Buch und Geschichte hei Martin

Luther

einzelnen u n d im Zusammenhang weiterer Charakterisierungen der Zeit zwischen Paradies und Sintflut, so wird verständlich, w a r u m Luther Bücher im Zeitalter nach dem Urständ nicht für notwendig hält. Angesichts des im vorhergehenden Abschnitt erläuterten Zusammenhanges zwischen Buch und Sünde stellt sich hierbei das Problem, wie er die Zeit nach der Vertreibung aus dem Paradies im mundus originalis, die ja bereits Zeit der Sünde ist, dennoch so denken kann, daß es noch keiner Bücher bedarf, u m der Sünde zu wehren. Luthers Antwort erfolgt aus zwei R i c h t u n g e n . D e m einen Argument zufolge sind im mundus originalis trotz der Sünde deshalb noch keine Bücher notwendig, weil die Patriarchen des mundus originalis im Vergleich zur Zweiten Welt ein Leben in viel größerer Nähe zu Gott und von daher mit besonderer religiöser Intensität führten. W i e das gerade beigebrachte Zitat aus den Genesispredigten zeigt, zeichnete sich diese Existenz durch eine besondere, nämlich >rechte wahrhaftige< Geistbegabtheit u n d einen Glauben aus, den Luther als mit lebendiger Stimme vorgetragene lebendige Antwort versteht. Dementsprechend heißt es in der Parallelnachschrift Rörers »Et mundus rectus fuit vivo verbo dei« 63 u n d in den gedruckten Predigten, daß die »lieben veter« untereinander »ynn grossem geist« 64 lebten. Auch an hervorgehobener Stelle, nämlich in seiner »Supputatio a n n o r u m mundi«, kennzeichnet Luther die außergewöhnliche religiöse D i mension der Zeit der Erzväter durch den Gegensatz von lebendiger Geistlichkeit und Buch. D e m Eintrag in der B e r e c h n u n g der Jahre der Welt< k o m m t deshalb besonderes Gewicht zu, weil hier der Gattung entsprechend keine längeren Ausführungen, sondern nur wesentliche Aspekte eingezeichnet werden können, u m die jeweiligen Ereignisse oder Epochen zu charakterisieren. Auf die Erzväter bezogen notiert Luther in seiner Zeittafel: » Q u o r u m Conciones non in libris, sed in coelo scriptae sunt, unde vocatur tempus liin [tohu] vacuum. Quia n o n lex, nec libri, Sed vivi fuerunt sermones per patres in posteros traditi.« 65 W e n n hier der im vorhergehenden Abschnitt näher dargestellte Zusammenhang von Buch und Gesetz zutage tritt, so darf dies nicht zu falschen Schlußfolgerungen fuhren. Nicht erst in der Zweiten Welt standen mit Buch und Gesetz Mittel zur Verfügung, sich mit der Sünde auseinanderzusetzen oder sie im Sinne von R o m 7,7 ff. überhaupt erst zu erkennen. Im Gegenteil, da mit Ausnahme von N o a h die Patriarchen der Ersten Welt mit d e m 930 Jahre alt gewordenen Urvater Adam zusammenlebten, hatten sie ein direkteres Verhältnis zur Sünde und ihrem Ursprung, das n o c h nicht wie später auf die Vermittlung von Buch u n d Gesetz angewiesen war. Sie partizipierten nämlich an Adams elementarer Sündenerfahrung und konnten ihre eigenen »tentationes« darauf zu-

63 64 65

WA 14,180,9 f. WA 24,155,18 f. WA 53,36,Textspalte 2.

Die geschichtliche

Existenz

des Menschen als Zeit des Buches

291

rückbeziehen 6 6 . Demzufolge handelten auch ihre lebendigen, in den H i m mel geschriebenen Predigten< von der an sie natürlicherweise und in lebendiger Gemeinschaft durch Adam weitergegebenen Sünde und ihren Folgen, nicht von >NichtigkeitenGoldene Zeitalter< unserer >nichtswürdigen< Welt entgegenzustellen: »Vere igitur aureum illud seculum fuit, ad quod nostra aetas vix lutea dici meretur, siquidem novem Patriarchae cum sua posteritate simul vixerunt consentientes in promissionem Seminis benedicti.« 7 0 Das Leben im Glauben an die göttliche Verheißung und G e rechtigkeit ist für Luther das der mündlich kommunizierten und tradierten Sündenerfahrung korrespondierende Moment. Dieser lebendige Glaube aus >rechtem und wahrhaftigem Geist entkräftet die ohne Buch und Gesetz erkannte Sünde. Die Menschen im mundus originialis »post peccatum renovati et regenerati iterum sunt per fidem in promissum Semen. Itaque etiam peccatum per fidem Seminis infirmatum est.«71 Doch nicht nur die besondere religiöse Intensität erklärt, warum es im mundus originalis trotz der Sünde keiner Bücher bedurfte. Das andere Argument stellt darauf ab, daß die Erzväter ein um das Vielfache längeres Leben führten als die Menschen der bis auf die Gegenwart andauernden Zweiten Welt. Das hatte Konsequenzen für die Bildung, in Luthers Worten für den >Verstand< bzw. die >verstendige< Existenz der >lieben Väter< 72 : »Ytzt muessen wir uns mit buechern behelffen«. Demgegenüber »haben sie weil sie so lange gelebt haben, gar viel ding kuennen lernen und erfaren: vom gestirn am hymel, von kreutern und thieren und allerley aufF erden, Das sie hoch verstendig sind worden ynn allen Creaturen, davon wir gar wenig erlangen muegen, Es ist uns zu bald entpfallen, ehe wir recht zu krefften körnen, muessen wir sterben. Item, Dargegen werden sie auch unzelich viel 6 6 Vgl. W A 5 3 , 3 6 Sp. 1. Hier verwendet Luther den B e g r i f f tentatio, der in diesem Zusammenhang als Versuchung oder Anfechtung aufgrund der Sünde verstanden werden kann. 6 7 W A 5 3 , 3 6 Sp. 1. 68

V g l . KRUMWIEDE, G l a u b e , 5 8 .

W A 5 3 , 4 6 Sp. 1. Luther notiert diese Gesamtcharakterisierung der Zeit zwischen Urständ und Sintflut unmittelbar vor dem Jahr 1656 seit der Schöpfung mit dem E i n trag » D I L U V I U M « in seiner »Supputatio«. 70 WA 4 2 , 2 5 1 , 3 9 - 4 1 . 7 1 Ebd., 2 5 0 , 2 5 - 2 7 . 7 2 Vgl. W A 2 4 , 1 5 5 , 1 8 f. u . Z . 2 5 , 30. 69

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Buch und Geschichte bei Martin

Luther

boeser stueck gesehen h a b e n von den weit leuten, sonderlich a u f f j h e n e r Seiten, weil wir ytzt, w e n n wir dreissig jar erleben, so m a n c h e boese that sehen, das sunde u n d schände ist, wiewol die weit dazumal nicht so boese sein k u n d , als sie ytzt ist, u n d sie das vorteyl hatten, das unter so viel Patriarc h e n Gottes w o r t y m schwang gieng.« 7 3 Z u r Naturerkenntnis m a c h t dieser Abschnitt aus den Genesispredigten deutlich, daß im saeculum a u r e u m zwar die o b e n e r h o b e n e unmittelbare adamitische Einsicht durch die Sünde verloren gegangen ist. Anders als A d a m m u ß t e n die Patriarchen im U m g a n g mit den N a t u r d i n g e n erst E r f a h r u n g e n sammeln u n d lernen, sich in der kreatürlichen Welt zu orientieren. D e n n o c h b e d u r f t e es im m u n d u s originalis im Gegensatz z u m secundus m u n d u s n o c h keiner Bücher, weil die lange Lebensdauer der Patriarchen verhinderte, daß das e r w o r b e n e Wissen durch einen frühzeitigen Tod w i e d e r verloren ging. D i e Erzväter starben nicht gerade dann, w e n n sie wie die M e n s c h e n im secundus m u n d u s »recht zu krefften« g e k o m m e n waren. An diesem P u n k t k o n n t e n sie ihren L e r n prozeß vielmehr fortsetzen u n d >hoch verstendig< werden, so daß ihre geistigen Kräfte u n d ihr Wissen k u m u l i e r t e n u n d die N o t w e n d i g k e i t von B ü c h e r n kompensierten. U b e r die Kenntnis der N a t u r hinaus eröffnete i h n e n das lange Leben auch eine vertiefte Einsicht in den Bereich des sittlichen Lebens, besonders in die Z u s a m m e n h ä n g e menschlicher Bosheit, von >böser TatSünde< u n d >SchandeGottes W o r t im Schwange< war, so b e d e u t e t dies vor d e m H i n t e r g r u n d der e b e n allgemeiner dargestellten Sündenerkenntnis, daß in der Ersten Welt auch für das Z u s a m m e n l e b e n der M e n s c h e n B ü c h e r nicht v o n n ö t e n waren, u m der S ü n d e u n d ihren Folgen zu begegnen. Betrachtet m a n die hier aus analytischen G r ü n d e n aufeinander folgende Darstellung zur Glaubens- u n d zur Weltexistenz in der Zeit der Erzväter im Z u s a m m e n h a n g , so hebt sich die Zeit des m u n d u s originalis aus der Perspektive der B ü c h e r deutlich von der der Z w e i t e n Welt ab. Letztere ist g e kennzeichnet durch das »gros zeichen der gebrechlichkeit u n d boeses Verstands u n d gedechtnis der natur, das wir muessen b u e c h e r haben.« 7 5 D e m g e g e n ü b e r war der m u n d u s originalis eine Epoche, »da ist m a n zu den vet e r n gangen, hat gefraget nach allen Sachen u n d sie geantwort aus d e m geist, ist fein regirt durch lebendige stym o n alle schrifft« 7 6 . Anstatt durch B ü c h e r h a b e n die Erzväter »ynn grossem geist, Weisheit u n d verstand die weit regiret« 77 . D i e Sünde, >Gebrechlichkeit< u n d >böserVerstandcognitio< und >sapientia< Adams zwar durch den Sündenfall erheblich beeinträchtigt worden sind. D o c h trotz der Sünde wirkten sie bei ihm und durch ihn vermittelt über ihn hinaus fort. Erst bei den Nachfahren des Urvaters verdunkelten sie, um schließlich vollständig zugrunde zu gehen. Dieser endgültige Verlust urständlicher Erkenntnis und Weisheit ist die Geburtsstunde der litterae, also der Wissenschaften als der durch Schrift und Belesenheit gekennzeichneten Gelehrsamkeit, und damit des Buchzeitalters. Es ist lohnenswert, bei Luther nach weiteren Merkmalen zu fragen, die das die Bücher entbehrlich machende Grundcharakteristikum des mundus originalis ergänzen, die fortwirkende urständliche Erkenntnis und Weisheit. Hieraus ergibt sich dann ein Bild der Ersten Welt, das den Gedanken der Buchlosigkeit von verschiedenen Lebensbereichen her erfaßt und deutet. Es bietet sich an, die Darstellung zuerst im kritischen Gespräch mit John M . Headley zu entfalten, der sich eingehend mit Luthers Periodisierung befaßt hat und der Zeit der Patriarchen als erster Epoche in Luthers Konzept einen eigenen Abschnitt seines Buches einräumt 8 0 . Problematisch erscheint es allerdings, daß er Luthers Vorstellung der Lebensverhältnisse im mundus originalis unter den leitenden Begriff des »primitivism« bis hin zu »an indication o f a cultural primitivism« zu subsumieren versucht 81 . Dies betrifft auch die näheren Bestimmungen wie »frugality, simplicity, moderation«, mit denen Headley die Weise charakterisiert, in der Luther in seiner Genesisvorlesung und in der »Supputatio« den äußerlichen Umgang der Väter mit der

Vgl. WA 4 2 , 6 8 , 1 9 - 2 5 . WA 42,90,39-91,4. 8 0 Vgl. JOHN M . HEADLEY, Luther's view o f church history. N e w Haven, London 1963 ( = Yale Publications in religion. Bd. 6), 1 2 8 - 1 2 4 . 8 1 Vgl. ebd., 121 f. auch für nachfolgende Bezugnahmen. 78

79

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Buch und Geschichte bei Martin

Luther

Natur und die Lebensgestaltung im Goldenen Zeitalter beschreibt 82 . Einverständnis besteht mit Headley darüber, daß Luther das lange Leben der Patriarchen durch die Naturbedingungen im mundus originalis begünstigt sieht. D e r R e f o r m a t o r stimmt der Auffassung zu, »meliores t u m fuisse c o m plexiones et salubriora omnia, quibus ad victum utebantur.« 83 Daher kamen die Väter bei ihrer N a h r u n g ohne Fleisch 84 , Fisch u n d Wein aus 85 . D e n n der durch die Sintflut noch nicht versalzene u n d in Fäulnis geratene Erdboden brachte noch unverdorbene Früchte hervor 8 6 und ermöglichte so, sich »cibo fructibus arborum, stirpibus et radicibus« 87 zu ernähren 8 8 . Indem Luther hier aber ausdrücklich von >Speisen< der Früchte von Bäumen, Sträuchern u n d Wurzeln spricht, istVorsicht bei Begriffen geboten, die ausdrücklich die Einfachheit der Lebensverhältnisse betonen wie >frugality< und >simplicitysein BuchBuches, das uns Gottes Wort lehrtDeutschen< oder >Großen Katechismus< von 1 5 2 9 erstmals 1530 beigegebenen längeren Vorrede. Diese seien trotz >so vieler heilsamer Bücher< noch »nicht so from und redlich, das sie solche buecher keufften, odder wenn sie die selbigen gleich haben, dennoch nicht ansehen noch lesen.« (WA 3 0 1 , 1 2 5 , 1 3 - 1 5 ) »Und diese zarte, ekele gesellen woellen mit einem uberlesen flugs D o c t o r über alle D o c t o r sein, alles koennen und nichts mehr bedurffen. Wolan solchs ist auch ein gewis anzeigen, das sie beide yhr ampt und des volcks seelen, ia dazu Gott und sein wort verachten«, (ebd., 126,21—24). 230

Buch und historisches

323

Geschehen

niederschmetterndes Zeugnis aus: »Noch ist die Welt Toll vnd unsynnig, achtet dieses Buchs nichts, Verfolget vnd lesterts als were es des Teüffels Buch, für welchem Hauffen vns Gott behüte« 2 3 1 . Da die Bibel für ihn der Maßstab anderer Schriften ist 232 , nimmt es nicht wunder, daß Luther seine Gegenwart auch aus der Perspektive der Bücher insgesamt als »schwierige Zeiten« 2 3 3 deutet, wie in einem B r i e f wohl vom Dezember 1537. Im Jahr zuvor lautet sein geradezu vernichtendes Urteil auf >perditissimum saeculumrechte Hauptbuch< der Bibel. Von der aus der Sünde resultierenden Ambivalenz her lassen sich auch Luthers Vorstellungen von der sozialen Bedeutung des Buches interpretieren. Positive Wirkung entfaltet das Buch dadurch, daß es in der gesellschaftlichen Realität der von der Sünde beeinträchtigten geistigen Verfassung des Menschen entgegentritt. Dabei läßt es in der Gegenwart dasjenige Wissen wirksam werden, das es seiner dargestellten historischen Funktion zufolge bewahrt und überliefert hat. Dieser positive Einfluß des Buches in der geschichtlichen Wirklichkeit konnte unter dem Leitbegriff der Bildung dargestellt werden. Als Theologe und Seelsorger schenkte Luther dabei der religiösen Bildung seine besondere Aufmerksamkeit. Im Zentrum der Vermittlung der christlichen Wahrheit steht für ihn die Bibel, die er im Gegensatz zur Auffassung der spätmittelalterlichen Papstkirche nicht nur für Geistliche und Gelehrte, sondern für alle Christen bestimmt sieht. So ist die Heilige Schrift selbst Gegenstand beständigen Einübens ins Christsein. Dazu bildet sie die Grundlage des Katechismus und eines auf den Kern der

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Zum Ertrag der Untersuchung

in systematischer

Perspektive

biblischen Wahrheit katechetisch reduzierten Lernens. Dieses soll ein Grundwissen vermitteln, das die Gläubigen w i e d e r u m auch zu selbständiger Bibellektüre befähigt. Z u d e m stellt sie den Maßstab anderer religiöser u n d theologischer Literatur dar. Gegen die Sünde richtet sich das Buch allerdings nicht nur mit Blick auf den Glauben und das Gottesverhältnis des Menschen. Zusätzlich tritt es den Folgen der Sünde im weltlichen R e g i ment entgegen. Hierbei wird einerseits religiöse Bildung wirksam, etwa durch die katechetisch vermittelten Gebote oder indirekt dadurch, daß der geistliche Mensch die innere, seelische Kraft besitzt, sich weltlicher Verantw o r t u n g zu stellen. Andererseits hat das Buch am weltlichen R e g i m e n t Anteil, indem es Inhalte vermittelt, die der Vernunft und der menschlichen Weisheit unterliegen. Besonders hat Luther hier die Ausübung der öffentlichen Gewalt im Blick. Seiner Auffassung nach sollen sich die Obrigkeiten der Rechtsbücher wie auch beispielgebender historischer Werke bedienen, u m angesichts ihres beschränkten menschlichen Urteilsvermögens zu gerechten, vernunftgeleiteten politischen u n d rechtlichen Entscheidungen zu finden. Dieser Zweckbestimmung zufolge ließ sich Herrschaft bei Luther als ein B u c h p h ä n o m e n charakterisieren. Luther vermag dem Buch einen gegen die Sünde gerichteten gesamtgesellschaftlichen Bildungswert zuzusprechen, weil er sich der grundsätzlichen kommunikativen Bedeutung gedruckter Werke bewußt ist. Seiner Auffassung nach wendet sich das Buch prinzipiell an j e d e r m a n n u n d ist deshalb seinem Wesen nach auf Öffentlichkeit hin angelegt. Damit wird es zum adäquaten M e d i u m , die für alle Menschen bestimmte Wahrheit ans Licht zu bringen und in alle Welt zu verbreiten. Diese zweckhafte Ubereinstimmung von Buch und Wahrheit geht mit einer diskursiv-logischen Wesensverwandtschaft beider einher. D e n n mit der Öffentlichkeit nötigt das Buch den Gegner, in der geistigen Auseinandersetzung zur Wahrheit Stellung zu beziehen und unterwirft ihn so d e m Zwang zu Argumentation u n d Begründung. Zugleich räumt es ihm durch diese Reflexion die Chance ein, sich vom Irrtum oder — wie Luther auch sagen kann — vom Bösen und dem Teufel abzukehren. Trotz aller positiven Zweckbestimmungen und seiner Affinität zur Wahrheit gerät das Buch im Handeln des sündigen Menschen selbst unter die Macht der Sünde. Das Geschichtskapitel hat gezeigt, daß dies auch u n d gerade für das Hauptbuch der Christen zutrifft, die Heilige Schrift. Luther betrachtet das gesamte Mittelalter als eine Epoche des Niederganges, in welcher die Bibel zuletzt ein äußerliches Dasein fristete, weil die R ö m i s c h e Kirche und das Papsttum sie weder im Sinne rechter Lehre noch des Glaubens nutzten. Auch für die eigene Gegenwart diagnostiziert er nicht nur reformatorische Erfolge, sondern zugleich erhebliche negative W i r k u n g e n durch den Buchdruck. Schon die große M e n g e immer neuer Schriften ist für ihn eine Konsequenz geistlicher Irrtümer und ein Indikator der Distanz gegenüber der Heiligen Schrift. Dabei lassen sich sowohl das papstkirchli-

Zum Ertrag der Untersuchung

in systematischer Perspektive

329

che als auch das Schrifttum seiner innerprotestantischen Gegner als Mißbrauch der Freiheit des Gotteswortes und als Bedrohung derjenigen Bücher interpretieren, die in dessen Dienst stehen. Als Folge hieraus erfordern es der Schutz der biblischen Wahrheit und der rechten evangelischen Lehre in den Augen des Reformators, im Sinne der christlichen Freiheit die willkürliche Freiheit des Buchdruckes zu begrenzen. Das angemessene Mittel hierzu ist seiner Auffassung nach ein rechtlich und administrativ geregeltes Verfahren, die amtliche Vorzensur, an deren Ausübung er in Wittenberg auch selbst beteiligt war. Doch auch der obrigkeitlichen Beschränkung des Buches gegenüber zeigt Luther eine aus den Wirkungen der Sünde resultierende ambivalente Haltung. Das Vorgehen von Kaiser und Reich gegen seine Schriften und sogar gegen die Heilige Schrift macht ihm deutlich, daß die öffentliche Gewalt selbst der Macht der Sünde unterliegt und ihre Herrschaft auch mißbräuchlich gegen das Wort Gottes und die ihm dienlichen Bücher zu wenden vermag. In solchen Grenzsituationen kann es daher die Freiheit des Gotteswortes — nicht eine als Menschenrecht verstandene Publikationsfreiheit — erforderlich machen, sich obrigkeitlichen Eingriffen ins Buchwesen entgegenzustellen. Diese Auffassung konkretisiert sich für Luther als praktisches historisches Handeln besonders in den Anfangsjahren der Reformation, als diese reichsrechtlich nicht einmal geduldet war und territorial noch keine feste Gestalt gewonnen hatte. Hierzu zählt genauso die 1523 an den einzelnen Christen gerichtete Forderung in seiner Schrift »Von weltlicher Oberkeit«, sich einer Konfiskation seines gerade ins Deutsche übersetzten Neuen Testaments zu verweigern, wie die nichtautorisierte Veröffentlichung seiner Schriften entgegen den Bestimmungen des Wormser Edikts. Allerdings lassen sich nicht nur diese und spätere öffentliche Stellungnahmen in den reformatorischen Auseinandersetzungen der Zeit, ja Luthers Publikationen überhaupt, als historisches Handeln begreifen, welches das Buch in Brauch nahm, um der Sünde im Dienste der evangelischen Wahrheit entgegenzuwirken. In einem spezifischeren Sinne gilt das auch für diejenigen Aktivitäten Luthers mit dem Buch, die sich im Vorfeld der öffentlichen Wirkung abspielten. Dabei handelt es sich zugleich um solche konkreten Handlungsformen im Umgang mit dem Buch als Gegenstand, welche die Bedingung der Möglichkeit dafür abgeben, daß Bücher die ihnen von Luther zugesprochene Bildungsfunktion in der gesellschaftlichen Realität überhaupt entfalten können. Diese Tätigkeiten konnten im ersten Kapitel der Studie als ein bedeutsames, eigenständiges Handlungsfeld im Lebensvollzug des Reformators rekonstruiert werden. Insbesondere ließ sich zeigen, daß Luther reflektiert und methodisch mit dem Buch umging. So folgte er bei der Buchherstellung ökonomischen Grundsätzen wie auch sittlichen Maximen der Gerechtigkeit.Vertraut war er zudem mit drucktechnischen Fragen sowie den ihnen entsprechenden Verfahrensabläufen bis hin zur Druckkorrektur. Außerdem verstand er es, eine effiziente herausgeberi-

330

Zum

Ertrag der Untersuchung

in systematischer

Perspektive

sehe Tätigkeit zu organisieren, wie beispielhaft an der von ihm geleiteten redaktionellen Kooperation bei der Ubersetzung der Bibel ins Deutsche deutlich geworden ist. Zusätzlich verallgemeinerte er seine Erfahrungen dort in F o r m normativer Aussagen, wo die Bildungswirkung des Buches zur R e d e stand, nämlich im Fall intensiver Lektüre. Betrachtet man diesen U m g a n g Luthers mit dem Buch insgesamt, so repräsentiert er im konkreten Lebens vollzug eine spezifische Antwort auf den durch die Sünde verursachten Verlust der paradiesisch unmittelbaren Gottes- und Welterkenntnis, wie sie im Geschichtskapitel dargelegt worden ist.Jedoch kann seine Buchpraxis darüber hinaus auch als exemplarische Form, als Vorbild einer christlichen Lebensführung überhaupt verstanden werden, die den Folgen der Sünde in der historischen Realität entschlossen entgegentritt. Dies gilt nicht nur für die Beschäftigung mit dem Buch selbst, konkret für den täglichen U m g a n g eines j e d e n Christen mit Katechismus u n d Heiliger Schrift. Abstrahiert man vielmehr vom Buch, so zeichnet sich die Lebensform des R e f o r m a t o r s durch ein an Vernunft und christlicher Wahrheit orientiertes Handeln aus, das sich reflektiert, methodisch geleitet u n d planmäßig, intensiv und diszipliniert vollzieht, ein systematisches Handeln, das Luther selbst mit dem Begriff der Arbeit charakterisiert, wie sich zeigen ließ. Aus der hier leitenden Perspektive der Sünde m u ß j e d o c h bedacht werden, daß dieser aktiven Lebensführung des Christen im allgemeinen wie auch im besonderen beim U m g a n g mit dem Buch in Luthers Sicht weder gesellschaftlich, noch individuell aus ihrer eigenen Dynamik Erfolg b e schieden ist. Einerseits vermag sich die R e f o r m a t i o n nur dann als ein breitenwirksames soziales P h ä n o m e n zu ereignen, wenn dies dem Willen Gottes als des H e r r n der Geschichte entspricht. So ließ sich im Geschichtskapitel zeigen, daß für Luther Bücher und ihr Gebrauch ein Mittel darstellen, mit dem Gott sich den Menschen zu- oder von ihnen abwendet. D e m n a c h sind die mittelalterliche Bibelvergessenheit und die in Luthers Augen damit einhergehende, ihm verhaßte Herrschaft der päpstlichen Bücher in der Kirche die Folge des Zornes und der Strafe Gottes in der Geschichte. Ebenso erwiesen sich der Buchdruck und das mit ihm und der R e f o r m a t i o n ans Licht gekommene Evangelium in geschichtstheologischer D e u t u n g nicht zuerst als menschliche Leistungen. Bei ihnen handelt es sich vielmehr u m epochemachende Geschenke Gottes, derer er sich im universalhistorischen Kampf gegen Sünde und Teufel auch durch die Mitwirkung von Schriftstellern u n d Theologen wie zuerst den R e f o r m a t o r selbst bedient. Andererseits erlangt auch die systematische und methodische individuelle christliche Lebensführung nur dann die Weite christlicher Existenz, wenn des Menschen Einsatz u n d Energie in Gottes vorgängigem Handeln gegründet sind. So bleibt im Anschluß an die Überlegungen zu »Buch und Predigt« festzuhalten, daß der unter der Sünde lebende Mensch entgegen allem theologischen u n d publizistischen Aufwand, allem katechetischen und biblischen Lernen, allem Studium und aller Lektüre, aller Predigt und

Zum

Ertrag der Untersuchung

in systematischer

Perspektive

331

Bücher Glauben und Rechtfertigung nicht aus eigener Kraft zu erlangen vermag. Mit Hilfe des Begriffes vom inneren H ö r e n konnte Luther vielmehr dahingehend interpretiert werden, daß rechtes geistliches Verstehen nur dort statthat, wo Gottes äußeres Wort durch die Vollmacht des Heiligen Geistes zur das Herz wandelnden Glaubensgewißheit als inneres Wort wird. Diese theologisch-anthropologische H e r m e n e u t i k schlägt sich auch in Luthers Buchmetaphorik nieder u n d begründet ihre Ambivalenz. So repräsentiert das Buch einmal als toter Buchstabe das wirkungslose Wort und die Gottesferne des Menschen. Das andere Mal sind Buch und Büchlein M e t a phern des Herzens, in welches Gott sein Wort mit dem Griffel des Heiligen Geistes in lebendigen Buchstaben des Glaubens eingeschrieben hat. Der Vorrang des inneren Hörens vor der sinnlichen R e z e p t i o n des W o r tes hat erhebliche Konsequenzen für das reformatorische kommunikative Handeln und dessen begründende Reflexion bei Luther. Gerade weil das innere Wort der Entscheidung Gottes unterliegt, stellt es für den R e f o r m a tor keine Prinzipienfrage dar, mit welchem M e d i u m das Evangelium u n d die R e f o r m a t i o n vorangetrieben werden. Im Gegenteil, hier sind Offenheit, Freiheit u n d Flexibilität geradezu geboten. Luther läßt sich nicht für eine Position vereinnahmen, die dogmatisch dem mündlichen Wort den Vorrang vor dem geschriebenen einzuräumen versucht. Bei aller H o c h a c h t u n g vor der evangelischen Predigt käme dies einem Eingriff in Gottes Entscheidungsfreiheit gleich. Folgt man Luther, so kann sich der Glaube grundsätzlich beim Lesen des geschriebenen genauso wie beim H ö r e n des gepredigten Wortes ereignen. Dementsprechend konnten Buch und Predigt nach Luthers Auffassung als komplementäre kommunikative Formen im Dienste ein und derselben Sache des Wortes Gottes erwiesen werden. Die prinzipielle theologische Gleichwertigkeit von Buch u n d Predigt schlug sich in Luthers kommunikativer Praxis für die R e f o r m a t i o n darin nieder, daß er zeitlebens ebenso einen umfänglich dokumentierten Predigtdienst versah wie auch Bücher veröffentlichte, welche eine weit größere Verbreitung fanden als die eines j e d e n anderen Autors der Zeit. Gleichwertigkeit u n d K o m plementarität werden besonders an dem Sachverhalt augenfällig, daß Luther die Veröffentlichung seiner Predigten befürwortete und unterstützte. Mit den Postillenwerken entstanden umfangreiche, als Predigthilfen oder zu Andacht und Erbauung verwandte Sammlungen, die etwa im Fall der von Veit Dietrich bearbeiteten Hauspostille über Generationen im Leben der Gemeinde rezipiert worden sind 1 . Die Veröffentlichung der Predigten in B u c h f o r m macht zugleich deutlich, daß Luthers Vorstellung der prinzipiellen theologischen Gleichrangigkeit von mündlichem u n d schriftlichem Wort mit einer differenzierten Sicht der Wirkweise von Predigt u n d Buch in der sozialen Realität einherging. W ä h r e n d die Unmittelbarkeit der Kommunikation für die Predigt zu 1

Vgl. WINKLER, Luther,

238.

332

Zum Ertrag der Untersuchung in systematischer Perspektive

Buche schlug, so erfaßte der R e f o r m a t o r gleichfalls die Vorzüge des gegenständlichen Mediums, welches seine kommunikative Funktion erst durch die voraussetzungsreiche Vermittlung des Lesens erfüllen konnte. Das gedruckte Werk war wiederholt verfügbar u n d eignete sich damit zum vertiefenden u n d lernenden U m g a n g mit der christlichen Wahrheit. Z u d e m , so zeigte sich, schätzte Luther die gegenüber der Predigt größere Reichweite des Buches. Diese in seiner eigenen Erfahrung gegründete differenzierte Haltung Luthers entspricht dem abwägenden Urteil, das in der aktuellen geschichtswissenschaftlichen Debatte u m die Bedeutung und den Anteil unterschiedlicher Medien u n d Kommunikationsformen für die R e f o r m a tion vertreten wird 2 . O h n e die Predigt und andere Formen mündlicher Kommunikation aus den Augen zu verlieren, schuf doch erst das Buch eine reformatorische Öffentlichkeit, welche die Ebene räumlich u n d sektoral partieller Kommunikation überwand u n d der R e f o r m a t i o n als gesamtgesellschaftlicher Bewegung zum D u r c h b r u c h verhalf. Luthers Praxis und Anschauung des Buches, der Gegenstand der hier vorgelegten Studie, lassen sich dabei in geschichtstheoretischer Perspektive als B e m ü h u n g e n interpretieren, die Möglichkeiten des Buches gemäß seiner gegen die Sünde gerichteten geschichtlichen Zweckbestimmung in der gesellschaftlichen Realität überhaupt erst voll auszuschöpfen. Für das reformatorische Anliegen b e deutete dies besonders, breiten sozialen Schichten und damit auch dem gemeinen M a n n mit Hilfe des Buches Zugang zum Wort Gottes zu verschaffen. Hierher gehört etwa die Forderung an die Obrigkeiten, durch mehr Schulen die Alphabetisierung mit dem Ziel einer allgemeinen Lesefähigkeit voranzutreiben. Ganz konkrete Beiträge leistete Luther mit Büchern selbst, etwa mit den gerade genannten Predigtsammlungen, mit der Ubersetzung der Heiligen Schrift und mit der katechetischen Z u r i c h t u n g der biblischen Wahrheit oder aber auch mit der von ihm propagierten und zudem vorgelebten Form intensiver Lektüre des Christen.

2

S. oben S. 1 7 5 - 1 7 8 .

Quellen- und Literaturverzeichnis der in der Untersuchung angeführten Werke

1. Quellen [BIBLIA] Die BIBEL oder die ganze Heilige Schrift des Alten und N e u e n Testaments. Nach der deutschen Ubersetzung Martin Luthers. 1956 u. 1964 vom R a t der Evangelischen Kirche in Deutschland im Einvernehmen mit d.Verband der Evangelischen Bibelgesellschaften in Deutschland genehmigte Fassung d. revidierten Textes. Stuttgart 1971. [BIBLIA] BIBLIA SACRA. Iuxta Vulgatam versionem. Adiuvantibus Bonifatio Fischer O S B , Iohanne Gribomont O S B , H . F. D. Sparks, W. Thiele recensuit et brevi apparatu instruxit R o b e r t u s W e b e r O S B . Unveränd. Nachdruck d. 3., verbess. Aufl. von 1983. Bd. 1 - 2 . Stuttgart 1985. CORPUS CHRISTIANORUM. Series Latina.Turnhout 1953ff. [Abk.: C C L ] , CORPUS

SCRIPTORUM

ECCLESIASTICORUM

LATINORUM. K a i s e r l i c h e A k a d e m i e

[1922

ff.:

Akademie] der Wissenschaften zu Wien [Hrsg.] Wien 1866 ff. [Abk.: C S E L ] , DEUTSCHE REICHSTAGSAKTEN. Jüngere Reihe. Hrsg. von der Bayerischen [früher: Königlichen] Akademie der Wissenschaften. Gotha 1893 ff. KANT, IMMANUEL: Kritik der reinen Vernunft. 2. Aufl. Bd. 1 - 2 . Frankfurt am Main 1976.

LUTHER, MARTIN: Dr. Martin Luthers sämmtliche Werke. Erlangen 1826ff. - [Abteilung] Dr. Martin Luthers Briefwechsel. Bearb. u. mit Erläuterungen versehen von Emil Ludwig Enders. Bd. 1 - 1 9 . Frankfurt am Main, später Calw, Stuttgart, Leipzig 1884-1932. - : Dr. Martin Luthers sämtliche Schriften. Hrsg. von Johann Georg Walch. Nachdruck d. 2., Überarb. Aufl., St. Louis, Missouri, U S A 1880-1910. Bd. 1 - 2 3 . Groß-Oesingen 1986-1987. —: D. Martin Luthers Werke. Kritische Gesamtausgabe. Weimar 1883 ff. [Weimarer Ausgabe (Abk.: WA)]. - : Ausgewählte Werke. Hrsg. von H. H . Borcherdt u. Georg Merz. 3. Aufl. Bd. 1 - 6 . [Grundwerk] München 1948—1958. - Vereinzelte Nachdrucke ; zusätzl. 7 Ergänzungsbde. [Münchener Lutherausgabe]. MATHESIUS, JOHANNES: Ausgewählte Werke. In Auswahl hrsg., erläutert u. eingeleitet von Georg Loesche. Bd. 1—4. Prag, Wien, Leipzig 1896-1904. PATROLOGIAE CURSUS COMPLETUS. Series Prima: Series Latina. Jacques-Paul Migne [Hrsg.] Bd. 1 - 2 2 1 . Paris 1844-1865 [Abk.: MPL], MÜNTZER, THOMAS: Schriften und Briefe. Kritische Gesamtausgabe. Unter Mitarb. von Paul Kirn hrsg. von Günther Franz. Gütersloh 1968.

2.

Hilfsmittel

ALAND, KURT: Hilfsbuch zum Lutherstudium. Bearb. in Verbindung mit Ernst Otto R e i chert u. Gerhard Jordan. 3., neubearb. u. erw. Aufl. Witten 1970.

334 BENZING, JOSEF -

QuellenCLAUS, H E L M U T :

und

Literaturverzeichnis

Lutherbibliographie. Verzeichnis

der

gedruckten

Schriften Martin Luthers bis zu dessen Tod. Bd. 1 - 2 . Baden-Baden 1 9 8 9 - 1 9 9 4 ( = B i bliotheca Bibliographica Aureliana 10 ; 143). - Bd. 1. Nachdruck von »Josef Benzing, Lutherbibliographie. Baden-Baden 1966«. FRÜHNEUHOCHDEUTSCHES WÖRTERBUCH. Hrsg. von R o b e r t R . Anderson, Ulrich Goebel, Oskar R e i c h m a n n . Berlin, N e w York 1 9 8 9 ff. GESCHICHTLICHE GRUNDBEGRIFFE. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland. Hrsg. von O t t o Brunner, Werner Conze, R e i n h a r t Koselleck. B d . 1 - 6 . Stuttgart 1 9 7 2 - 1 9 9 2 [Abk.: G G ] , GÖTZE, ALFRED: Frühneuhochdeutsches Glossar. 7. Aufl. Berlin 1967. GRIMM, JACOB U. WILHELM: Deutsches W ö r t e r b u c h . Bd. 1 - 3 3 . Leipzig 1 8 5 4 - 1 9 8 4 . —: Deutsches W ö r t e r b u c h . Neubearb. Leipzig 1 9 8 3 ff. HISTORISCHES WÖRTERBUCH DER PHILOSOPHIE. Völlig neubearb. Ausg. d. »Wörterbuchs der Philosophischen Begriffe« von R u d o l f Eisler. Hrsg. von J o a c h i m R i t t e r u. Karlfried Gründer. Darmstadt 1971 ff. LUTHERBIBLIOGRAPHIE. I n : L u J 8 f f . 1 9 2 6 f f . REALENCYKLOPÄDIE FÜR PROTESTANTISCHE T H E O L O G I E UND K I R C H E B e g r . v o n J . J . H e r z o g .

In 3., verb. u. verm. Aufl. hrsg. von Albert Hauck. Bd. 1 - 2 4 . Leipzig 1 8 9 6 - 1 9 2 4 . SCHWERTNER, SIEGFRIED M.: I A T G (2). Internationales Abkürzungsverzeichnis für T h e o l o g i e und Grenzgebiete. Zeitschriften, Serien, Lexika, Quellenwerke mit bibliographischen Angaben. 2., Überarb. u. erw. Aufl. Berlin, N e w York 1992. STUPPERICH, ROBERT: Reformatorenlexikon. Gütersloh 1 9 8 4 . THEOLOGISCHE REALENZYKLOPÄDIE. Hrsg. von Gerhard Krause u. Gerhard Müller. Berlin, N e w York 1976 ff. [ A b k . : T R E ] , VERZEICHNIS der im deutschen Sprachbereich erschienenen Drucke des X V I . Jahrhunderts. V D 16. Hrsg. von d. Bayerischen Staatsbibliothek in M ü n c h e n in Verbindung mit d. Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel. Stuttgart 1 9 8 3 ff. - [Abteilung 1], Verfasser, Körperschaften, Anonyma [ A b k . : V D 16]. VERZEICHNIS DER LUTHER-BILDNISSE. Deutsche Staatsbibliothek, Handschriftenabteilung/Literaturarchiv. Bearb. von Irmgard Strahl. Berlin [Ost] 1982.

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Register Vorbemerkung

Die Stich- und Schlagworteinträge des Sachregisters erfolgen in der Regel in deutscher Sprache, wobei Luthers Terminologie möglichst modernisiert ist. Nichtsubstantive werden ggf. unter dem entsprechenden Hauptwort verzeichnet. Mit »s.a.« (siehe auch) wird einerseits auf verwandte Begriffe verwiesen, zum B e i spiel: »Epoche s.a. Zeitalter«, andererseits auf Ober- und Unterbegriffe, zum Beispiel: »Prediger s.a. Geistlicher«; der Oberbegriff »Geistlicher« bietet dann Unterbegriffe wie »Geistlicher s.a. Pfarrer«. Bei untergliederten Artikeln ist die wegverwiesene Bezeichnung in den Untereinträgen des verwiesenen Eintrages aufzusuchen, zum Beispiel: »Glaube s.a. Hören«; unter »Hören« findet sich dann der Eintrag »- Hören als Glaubenshandeln«. In Klammern nach der Eintragung folgen entweder ggf. der lateinische oder deutsche Aquivalenzbegriff, zum Beispiel: »Buch (liber)« — und/oder ein den Eintrag erläuternder Zusatzbegriff, zum Beispiel: »Lehre (doctrina) (Lehrinhalt)« im Unterschied von »Lehre (Unterricht)« oder hinter »auch« Synonyme bzw. Quasisynonyme, zum Beispiel: »Leben (auch: Existenz; Lebensführung; ...)« oder nicht eigens ausgeworfene Stichwörter, zum Beispiel: »Dichtung (auch: Dichter; ...)«. Bei den Einträgen und Verweisungen stehen nicht konkordanzartige Vollständigkeit und ein vollständiges Verweisungssystem im Vordergrund, sondern pragmatisch der Zugriff auf interessierende Textstellen und weitere Texteinstiege. Verweisungen unterbleiben besonders zwischen Registereinträgen, die unmittelbar aufeinander folgen. Wird von einem Teilregister in ein anderes verwiesen, so ist der verwiesenen B e zeichnung die Nummer des aufzusuchenden Teilregisters vorangestellt, zum Beispiel: Verweis vom Personen- zum Sachregister: »Jesus Christus s.a. 4: Christologie; ...«.

i. Register der historischen und biblischen Personen

Adam 282f., 290f., 293-295, 297, 299 s.a. 4: Erkenntnis Agricola, Johann 202, 214, 216, 221, 324 Alberus, Erasmus 14 Albrecht von Brandenburg (Mainz, Erzbischof) 73, 215 Albrecht von Mansfeld 214 Aleander, Hieronymus 204 Amsdorf, Nikolaus 27,39 Annas (Hannas) 141 Aristoteles 25, 81, 85, 124, 154, 308, 310, 320 August von Sachsen 30 Augustinus, Aurelius 15, 46, 52, 67, 76, 81, 129, 148, 182, 189, 274 f., 310, 316 Aurifaber, Johannes 192, 194 Aurogallus, Mattheus 61 Bartholomaeus de Monte Arduo 54 Bernhard von Clairvaux 274 Bernhardt, Bartholomäus 37 Bibliander, Theodor 55 Brenz, Johannes 47 Brück, Gregor 56,213,216 Buchfuhrer, Michael 213 Bugenhagen, Johannes 6 1 , 7 3 , 3 2 4 Burckhart, Petrus 37 Cajetan,Thomas 41 Campanus, Johannes 309 Capito, Wolfgang Fabricius (Köpfel, Wolfgang) 3 1 , 4 9 , 5 1 Carion, Johannes 297 f. Cassiodor 277 Cicero, Marcus Tullius 75, 127, 154 Clemens VII. (Papst) 48 Cranach, Lucas 3, 42 Cruciger, Caspar 50, 61 f., 73, 90, 97, 324 Cyrill von Jerusalem 316 Dappe, Bernhard 147 David (Israel, König) 127 Demetrius Cydonius 54

Demosthenes 127 Dietrich, Veit 34, 104, 152, 192, 315, 331 Döring, Christian 42 Duns Scotus, Johannes 318 Eck,Johannes 1 5 , 4 1 , 8 9 , 2 0 2 , 3 1 9 Eckhart (Meister Eckhart) 99, 274 Emser, Hieronymus 41, 81, 202, 214, 217 Erasmus von Rotterdam 74, 81 Eusebios von Caesarea 277 Eva 297 Faber, Johannes 212 Forster, Johann 61 Friedrich III. (der Weise) von Sachsen 37, 128, 188, 202, 207, 215, 219 Froben, Johann 37, 44 Froschauer, Christoph 31 Galilei, Galileo 93 Gansfort, Wessel s. Wessel, Johan Gechauf, Thomas s. Venatorius, Thomas Georg (der Bärtige, der Reiche) von Sachsen 66, 81 Goethe, Johann Wolfgang von 93,112, 118 Gropp er, Jakob 147 Gutenberg, Johannes 175, 177 Heinrich V. (der Friedfertige) von Mecklenburg-Schwerin 214 Heinrich der Jüngere von BraunschweigWolfenbüttel 125, 186 Herkules 127 Herodes I. (der Große) von Juda 126, 141,218 Herwagen, Johannes 195 Hieronymus, Sophronius Eusebius 76, 81 Hilarius von Poitiers 316 Homer 86 f. Hugo von Sankt Viktor 274 Hus, Johannes 3 3 , 2 2 7 , 3 1 9 s.a. 4: Bewegung (Gesellschaft) Hutten, Ulrich von 15, 30

Personen Jakob (Erzvater) 314 Jeremia 316 Jesaja 314 Jesus Christus s.a. 4: Christologie; Christus allein; Geist; Gesetz; Glaube; Handeln; Herrschaft; Lehre (1); Predigt; Reich Christi; Religion; Sünde; Werk; Wort; Wort Gottes; Zeitalter - Auferstehung Christi 108 - Barmherzigkeit Jesu 135 f. - Christus als Haupt der Kirche 209 - Christus als Prediger, nicht als Schreiber 228, 231, 235 f., 315 - Christus als inneres Wort 139 - Christus als Mitte der Schrift 139 f., 162, 164, 167 - Christus im Abendmahl 84 - Christus im Herzen 251 - Christus und Buchmetaphorik 94—96, 112-117 - Christus und Islam 1 8 4 - 1 8 6 - Christusmörder 218 - Geheimnis Christi 151, 181 - Gnade Christi 235, 258 - Gottes Offenbarung in Christus 111 - Heil in Christus 146 - Kenntnis von Christus 155 - Kreuz Christi 95 f., 139 - Leiden Christi 227 - Sohn Gottes 75, 101, 111, 145, 185, 248 - Tod Christi 311 - Vertrauen auf Christus 280 Jörger, Christoph 152 Johann der Beständige von Sachsen 155, 214, 320 Johann Friedrich I. von Sachsen 33, 50, 82, 125, 186 Johannes (Evangelist) 96, 280 Johannes Januensis 88 Johannes von Werden 26, 88 Jonas, Justus 3 4 , 6 1 , 7 3 Joseph (Altes Testament) 314 Judas Ischarioth 126, 141 Kain 292, 294 f. Kant, Immanuel 113 Karl V. (Heiliges Römisches Reich, Kaiser) 73, 153, 211 Karlstadt, Andreas 37, 43, 81, 8 4 , 1 8 1 , 213, 309, 317 Klug, Joseph 37

349

Köpfel, Wolfgang s. Capito, Wolfgang Fabricius Korn, Gallus 46 Lang, Johannes 31 Latomus, Jacobus 2 0 4 , 2 0 6 Lauterbach, Anton 200 Lemnius, Simon 215 Leo X . (Papst) 73, 75, 202 Leymbach, Conrad 33 Lindau, Wolf von 94 Link, Wenzeslaus 1 3 , 1 8 , 3 4 , 4 2 Lotther, Melchior (der Ältere) 32, 37, 44, 73 Lotther, Melchior (der Jüngere) 37, 39, 43 f. Lotther, Michael 39 Lufft, Hans 37, 45, 54, 56, 73, 216 Luther, Martin s.a. 4: Amt; Autorität; Buch (3); Bücher (2); Erziehung; Ethik; Gegner Luthers; Glaube; Katechismus; Lektüre; Lutherbild; Luthers Werke; Obrigkeit; Öffentlichkeit; Papst; Prediger; Predigt; Professor; Reformation; Schrift (Heilige Schrift); Schrift (Schriftlichkeit); Stand bei Luther; Theologe; Theologie; Unschuld;Verstehen; Vorlesung; Wort; Wort Gottes; Zensur - Person Luthers 2, 12, 29, 35, 40, 52, 61, 64, 66, 175, 218 - Aussagen Luthers über sich selbst 1 3 17, 20, 31, 33, 39 f., 44, 47 f., 51 f., 66 f., 71, 73, 8 1 , 8 4 , 144, 149, 151, 161, 168, 1 8 0 - 1 8 2 , 1 8 6 , 188 f., 194f., 204, 207, 212, 219, 307, 309, 317 Luther, Paul 30 Marcion 189 Maria Magdalena 57 Markus von Weida 32 Mathesius, Johannes 60 f., 63 Medier, Nikolaus 192 Melanchthon, Philipp 32, 34, 37, 43, 58, 61 f., 65, 7 2 - 7 5 , 77, 112, 153, 214, 297f., 307, 324 Mohammed 54f., 75, 185 s.a. 4: Buch (3) Morus, Thomas Mose 76, 94, 129, 169, 180 f., 194, 258, 286, 288, 297 f., 314f., 324 s.a. 4: Bücher (2); Gesetz; Heiliger Geist; Mose (Bücher) Müntzer,Thomas 81, 147, 309, 311

350

Register

Noah 289f., 2 9 9 f . Nero (Römisches Reich, Kaiser) 126 Nikolaus von Lyra 147 Obsopoeus,Vinzenz 323 Oekolampad, Johannes 34, 84 Paracelsus 30 Paulus (Apostel) 2 , 1 6 , 2 7 , 8 9 f . , 95 f., 98, 101, 105, 107-109, 111, 113, 117, 141-143, 145, 205, 228, 233, 236, 238, 240f., 275, 277, 285f., 316 Petrus (Apostel) 31, 141, 217, 238, 240 Petrus Lombardus 19 Philipp (der Großmütige) von Hessen 125, 324 Pilatus, Pontius 141 Pistorius, Friedrich 322 Plutarch 8 5 , 8 7 Prierias, Silvester 3 4 , 4 1 , 4 8 Pythagoras 103 Rahel 314 Reuchlin, Johannes 15 Rhau, Georg 37 Rhau-Grunenberg, Johannes 36, 38, 44 Ricoldus 54 Rihel, Wendelin 49 Rörer, Georg 50, 61 f., 67, 97, 104, 108, 192, 287, 289, 305 Roth, Stephan 165, 287, 289, 294

Salomo (Israel, König) 125, 315 Schirlentz, Nikolaus 3 7 , 2 1 5 Schwenckfeld, Kaspar 84 Servet, Michael 309 Shakespeare, William 93 Spalatin, Georg 31, 34, 3 6 - 3 8 , 4 3 f . , 46, 58, 202 f., 206, 213 Spangenberg,Johann 87, 150, 184 Spengler, Lazarus 47, 188 Staupitz, Johannes 203 Süleyman II. Kanuni (Osmanisches Reich, Sultan) 54 Tauler, Johannes 46 Tetzel,Johann 2 0 5 , 2 0 7 Thomas von Aquin 318 Timon von Athen 127 Timotheus 277, 315 Valla, Laurentius 15 Venatorius,Thomas (Gechauf, Thomas) 46 f., 72, 87 Vergil 86 f. Walther, Christoph 45, 50 Wessel, Johan (Gansfort,Wessel) 14 Wilhelm von Ockham 318 Ziegler, Bernhard 61 Zwingli, Ulrich 34, 55, 84, 181, 195, 323

2. Register der modernen

Aland, Kurt 1 , 1 3 , 4 7 , 7 3 , 2 1 5 , 3 2 4 Althaus, Paul 95 f., 98,103, 110,128, 138 f., 280, 284,286, 301 Asendorf, Ulrich 139 f., 305 Asheim, Ivar 121, 157 f. Aust, Hugo 18 f. Barge, Hermann 212 f., 215 Bayer, Oswald 22 f., 27 Bedouelle, Guy 147 Benzing, Josef 11 Beschorner, Hans 202 Beutel, Albrecht 4, 55, 137, 236, 2 6 2 264 Biser, Eugen 273 Blumenberg, Hans 105, 111 Boehmer, Heinrich 19, 202, 204 Bornkamm, Heinrich 10 Bräuer, Siegfried 262 Brandis, Carl Georg 32 Brecht, Martin 10, 12, 42,46, 49-51, 59, 159, 192, 202,205, 208 f., 211, 216 Breuer, Dieter 199 Buchwald-Rochlitz, Georg 13 f. Bultmann, Rudolf 273 Centgraf, Alexander 175 Chartier, Roger 29 Claus, Helmut 11 Clemen, Otto 36, 175, 191 f., 212, 222 Crofts, Richard 2, 36 Curtius, Ernst Robert 93, 112, 118 Dannenbauer, Heinz 10 Delius, Hans-Ulrich 11, 14, 79 Dickens, Arthur Geoffrey 175 Dinzelbacher, Peter 98 Duchrow, Ulrich 281,305 Ebeling, Gerhard 6, 40, 64, 66, 92, 95 f., 103, 105 f., 108,110,141,149, 175 f., 224, 252, 256, 264, 284 f. Edwards, Mark U. 5, 177 Eisenhardt, Ulrich 199,219 Engelsing, Rolf 27-29

Autoren

Erdei, Klara 21 Escarpit, Robert 70 Fabian, Bernhard 32 f. Falk, Friedrich 122 Fläschendräger, Werner 15 Fraas, Hans-Jürgen 156-158, 162, 164 Franke, Carl 45 Franz, Gunther 219, 223 Fritz, Angela 18 f. Führer, Werner 138 Gelhaus, Hermann 10, 57-60 Giesecke, Michael 4, 75, 78, 177, 221 Glück, Helmut 19 Goebel, Klaus 122 Götze, Alfred 1,189 Grabmann, Martin 98 Grimm, Jacob u. Wilhelm 2 Grünberg, Wolfgang 156 Günther, Horst 298 Habermas, Jürgen 174 Hahn, Sönke 10 Hajdu, Helga 19 Haug, Karl Herbert 39 f. Headley, John M. 293-295, 302-305 Heckel,Johannes 128f., 300, 302 Herms, Eilert 236,251,269 Hesse, Hermann 30 Hildebrandt, Ernst 32 f. Hirsch, Emanuel 25 Hölscher, Lucian 179 Holl, Karl 144, 168 Jäger, Georg 27 f. Joest, Wilfried 96 Jüngel, Eberhard 114 Jürgensmeier, Friedhelm 215 Junghans, Helmar 269 f. Kapp, Johann Erhard 73 Kattermann, Gerhard 30 Keferstein, Horst 122 Kirchner, Hubert 209 Klaus, Bernhard 121

352

Register

Köhler, Hans-Joachim 77 f. Köstlin, Julius 138 Koselleck, Reinhart 298 Kramm, Heinrich 30 Kretschmar, Georg 261 Krieg, Walter 56 Krumwiede, Hans Walter 187, 279, 288, 291, 2 9 6 f . , 302 f., 306 Küppers, Jürgen 2 8 2 Lackmann, Heinrich 199 Lauch, Erhard 192 Lenk, Werner 178 Lilje, Hanns 297, 303, 307, 311 Loesche, Georg 60 Lohse, Bernhard 6 f . , 138, 261 Lorentz, Paul 9 3 , 1 1 3 Luther, Johannes 36 MacGrath, Alister 147 Machilek, Franz 122 Mau, R u d o l f 311 Maurer, Wilhelm 2 8 1 , 3 0 5 Meinhold, Peter 55 Mertz, Georg 122, 166, 170 Meyer, Johannes 156, 160 Migon, Krzysztof 70 Milchsack, Gustav 175 Moeller, Bernd 2, 78, 175, 178, 190 M o s t e « , Walter 1 3 9 - 1 4 1 , 2 6 9 - 2 7 1 Mülhaupt, Erwin 58 Müller, Nikolaus 322 Nagl, Manfred 28 f. Neumann, Helmut 219 Nicol, Martin 2 0 - 2 3 Nipperdey, Thomas 122 Oberman, Heiko A. 201 Oestergaard-Nielsen, Harald 271 Penseis, Franzjosef 86 Peters, Albrecht 156 f. Petzold, Klaus 122 Pfeifer, Wolfgang 86, 93 Pinomaa, Lennart 1 3 8 - 1 4 0 , 262 Prenter, R e g i n 139, 262 f. Preuss, Hans 3, 93, 112 f. Raabe, Paul 27 Raeder, Siegfried 15 Rafetseder, Hermann 205, 2 1 0 Rahner, Karl 2 7 2 Reichert, Otto 48, 5 8 - 6 2 Reininghaus, Werner 121, 123 Reinitzer, Heimo 58

R e u , Johann Michael 156 Ricoeur, Paul 114 Riedlinger, Helmut 250 Röhring, Hans-Helmut 42 Rogge, Joachim 3 Rost, Hans 147 Saarinen, Risto 114 Schäfer, Ernst 1 4 f . , 33, 78 f. Schäfer, R o l f 23 Schilling, Heinz 176, 191 Schleusener-Eichholz, Gudrun 2 7 4 f. Schmidt, Heinrich Richard 3 2 3 Schmidt, Martin 2 8 1 , 3 0 3 , 3 0 7 , 3 1 1 , 319 Schmidt, Wieland 70 Schreiner, Klaus 143, 165 Schulze, Winfried 175 Schwarz, Reinhard 281, 297 f., 304, 319 Scribner, R o b e r t W. 176 Seeberg, Erich 1 3 8 - 1 4 0 Setz, Wolfram 15 Smalley, Beryl M . 147 Steinlein, Hermann 9 3 , 1 1 3 Stolt, Birgit 57 Strauss, Gerald 156 Strauß, Wolfgang H. 121 Strohm, Stephan 58 Stürner, Wolfgang 282 Stupperich, R o b e r t 87 Sturm, Wilhelm 122 Suess, Alexandra 18 Suhrkamp, Peter 29 Swanson, R o b e r t Glen 178 f. Thiede, Werner 105, 107 Thiele, Ernst 1 8 f . , 30 Tiemann, Hermann 70 Tokuzen, Yoshikazu 122 Vajta,Vilmos 26 f. Verger, Jacques 147 Volz, Hans 36 f., 3 9 f . , 43 f., 58, 60 Vorgrimler, Herbert 272 f. Walther, Wilhelm 58 Widmann, Hans 192 Winkler, Eberhard 2 6 , 3 3 1 Wittmann, Reinhard 177 Wohlfeil, Rainer 174, 176, 226 Wolf, Herbert 3 6 , 5 7 Wolgast, Eike 49 Zahrnt, Heinz 319 Zöllner, Walter 215 Zur Mühlen, Karl-Heinz 281

3. Register der Geographica

und

Sprachen

Abendland 14, 53, 93, 311, 3 1 3 Ägypten 94, 286, 3 1 5 Arabisch 54 Augsburg s. 4: Bekenntnis; Confessio Augustana; Reichtstag

Hebräisch 57, 59, 61, 63, 154, 171 Heiliges Römisches R e i c h 2, 4 0 f . , 5 4 , 73, 153, 211, 219, 329 s.a. 4: R e c h t / Reichsrecht Hessen 2 1 4

Basel 31, 37, 55, 184 Bayern 2 1 8 f. B ö h m e n 31, 47 Böhmisch 31 Brandenburg (Bistum) 147 Brandenburg (Markgrafschaft) 2 1 8 Braunschweig-Wolfenbüttel (Herzogtum) 125, 186 Budapest 5 4

Ingolstadt 8 9 Israel 9 4 , 3 2 5 s.a. 4: Hebräer; Israel (Volk); Juden Italien 34 Italienisch 2

Chaldäisch 61 Coburg - Veste C o b u r g 3 2 0 Dänisch 2 Deutsch 4 8 f . , 5 4 f . , 5 7 f . , 65, 6 7 , 7 5 , 172, 2 1 7 , 2 2 7 , 3 1 0 , 3 2 9 f. Deutschland 2, 127, 2 0 4 , 279, 311, 3 1 9 Eisenach - Wartburg 3 6 , 5 8 Eisleben 2 1 4 Englisch 2 Erfurt 2 1 3 - Kloster der Augustineremiten 3 3 - Klosterbibliothek der Augustinereremiten 19, 32 - Universität 12

Jena 3 2 , 2 1 3 Jerusalem 7 5 Joachimsthal 60 Juda 7 5 , 146 Jüterbog 147 Köln 4 3 , 2 0 3 , 2 0 6 f. Konstantinopel 311 Konstanz s. 4: Konzil Latein 2, 50, 54, 61, 67, 79, 154, 171, 182 f. Leipzig 32, 37, 3 9 s.a. 4: Leipziger Disputation Löwen 43, 2 0 3 f., 2 0 6 f. Magdeburg 3 9 Mainz 2 0 3 Meissen 2 1 8 Monte Croce 54

Finnisch 2 Florenz 54 Frankfurt (Main) s. 4: Frankfurter Messe Frankfurt (Oder) - Universität 2 0 5 Französisch 2

Nicäa s. 4: Konzil Niederländisch 2 Nürnberg 13, 34, 4 2 , 46 f., 60, 8 7 , 1 7 1 , 211 f., 3 2 3 s.a. 4: Reichstag - Obrigkeit 3 8 - Schottenkloster zu Sankt Egidien 3 2 2 - Stadtrat 4 0

Gomorra 299 Griechisch 37, 58 f., 6 1 , 79, 154, 171

Oberdeutschland 84 O r i e n t 14, 5 4

354 Orlamünde 213 Paris - Universität 147 Polnisch 2 R o m 73, 86, 146, 192, 204 Rostock 214 Sachsen 31, 33, 45, 56, 94, 155, 186, 213 f., 320 Sächsisch 214 Schwedisch 2 Schweiz 84 Sinai (Berg) 315 Sodom 299, 308 Spanisch 2 Speyer s. 4: Reichstag Straßburg 49, 177, 195 s.a. 4: Theologie Toskana 54 Tschechisch 2

Register

Tübingen 69 Türkei 74 Ungarn 54,311 Venedig 34 Wartburg s. Eisenach Wittenberg 2, 36, 47, 188, 214, 216, 309, 329 s.a. 4: Reformation - Bücherverbrennung 202—207 - Druckwesen 37, 39, 41 f., 44f., 49, 54, 56, 65, 201, 216 - Schloßbibliothek 33 - Universität 1 2 , 3 2 , 3 7 , 4 0 , 6 1 , 2 0 2 , 212-216

- Zensur 50, 215 f., 220 Worms 62 s.a. 4: Reichstag; Wormser Edikt Zürich 31, 55

4. Abendmahl 84, 163, 170, 181, 189, 195 f., 279, 323 s.a. Eucharistie; 1: Jesus Christus; Streit Abgötterei 8 3 , 2 0 8 , 2 7 8 , 2 8 6 , 3 1 5 Ablaß 4 8 , 7 3 , 2 0 8 , 2 7 8 s.a. Bücher (2) Ackerleute 172 s.a. Bauer actus credendi s. Glaubensgeschehen Adel 51, 74, 169, 312 Affekt s. Gefühl Agitation 77 f. Aktion 176 - politische Aktion 177 Altertum 14 Altes Testament 5 6 , 9 3 , 1 0 2 , 1 7 1 , 1 8 1 , 199, 261, 297 s.a. Zeitalter Amt (officium) s.a. Beamter - Amt des Gesetzes (s.a. Gesetz / usus legis) 284 f. - Amt des Heiligen Geistes 251 f. - Amt in der Familie 126 - Apostelamt 187 - geistliches Amt 167 - kirchliches Amt (s.a. Obrigkeit) 17, 144, 183, 322 - Luthers Amt 188 f., 207, 218 - obrigkeitliches Amt (s.a. Erziehung; Studium; Vernunft) 130 f., 133, 135, 173, 218 - öffentliches Amt 1 2 6 , 1 7 1 , 1 8 3 - politisches Amt 183 - Predigtamt 9 7 , 1 5 0 , 1 7 2 f „ 187, 234, 236, 322 - theologisches Amt 1 7 , 1 8 8 , 2 1 4 , 218 - universitäres Amt 183 Analphabetismus 268 s.a. Illiteralität; Lesefähigkeit Andacht 83, 317 s.a. Buch (2)

Sachregister Anfechtung (tentatio) 21, 27, 108, 110, 145, 2 9 0 f . , 305 Anmerkung 19 Annalen (annales) 199 Anschaulichkeit 59, 86, 113, 117, 278 Anschauung 115 Anstreichung s. Unterstreichung Anthropologie (Theologie) 9 4 - 9 8 , 275 Antichrist 325 s.a. Papst; R e g i m e n t Antike s. Literatur; R e l i g i o n Antinomer 324 s.a. Streit Apostel 187, 228f., 231, 234-237, 269, 2 7 2 , 2 7 7 , 314f., 324 s.a. Amt; Lesen; Zeitalter Apostelgeschichte 210 Approbation (von Büchern) 199f., 211, 215, 221, 315 s.a. Zensur Arbeit 15 f., 16, 21, 39, 66 f. 184,188, 330 s.a. Lehre (2); Öffentlichkeitsarbeit Arbeiter 312 Armut 132 - Arme 131 f. Arzt s. Medizin Auferstehung 7 4 , 8 5 , 9 5 , 103-111, 115, 117, 139, 185 f. s.a. Buch (3); Gewißheit; 1: Jesus Christus; Predigt Aufklärung (Epoche) 93 Aufklärung (Klarheit verschaffen) 184, 188, 221 Aufruhr 8 1 , 2 1 9 , 3 0 9 s.a. Bücher (2) Auge (oculus) 95, 239, 241-244, 248, 2 5 3 - 2 5 5 , 257, 269f., 274f. s.a. Gesichtssinn Augsburger Bekenntnis 73, 82 Augustinereremiten 12 f., 19, 32, 83, 318 s.a. M ö n c h t u m Autonomie 151, 222 s.a. Freiheit

356

Register

Autor 18, 194, 315 s.a. Heiliger Geist Autor - Adressat 109, 115, 2 5 2 Autorität - Autorität der Bibel 5 2 f . , 9 0 , 1 3 9 - 1 4 1 , 146, 2 0 8 - Autorität der Lutherschriften 52 f., 149 - Autorität des Buches 1 7 2 , 1 8 9 , 1 9 9 ,

200

-

Autorität neben der Bibel 3 1 6 irdische Autorität 2 8 0 kirchliche Autorität 2 0 3 menschliche Autorität 301 obrigkeitliche Autorität 2 0 7 , 301 theologische Autorität 2 1 6

Bann 203 Bannandrohungsbulle s. Bulle Barmherzigkeit 87 s.a. 1: Jesus Christus Bauer 71, 121, 157, 161, 170, 3 1 2 s.a. Ackerleute Bauernkrieg 177, 195, 3 0 9 , 3 2 3 B a u m der Erkenntnis 282, 3 0 5 Beamter 131, 169 Bekenntnis 2 0 3 , 2 4 7 s.a. B u c h (2) Belehrung 109, 120, 170, 172 s.a. Lehre (2) Besserung 17, 121, 1 2 4 , 3 1 1 Bewegung (Gesellschaft) - evangelische Bewegung 3 2 3 - hussitische Bewegung 177 - Ketzerbewegung 3 1 0 , 3 1 3 - R e f o r m a t i o n als Volksbewegung 3 2 3 - reformatorische Bewegung 42, 4 7 , 63, 78, 175, 201, 204, 226, 310, 319, 332 Beichte 7 4 , 170, 195 f., 2 7 9 Benediktiner 3 2 2 s.a. M ö n c h t u m Bibel (auch: Heilige Schrift) s.a. Autorität; B u c h (2); Erfahrung; Freiheit; Gegenwart; Gesetz; Glaube; Handeln; Heiliger Geist; 1: Jesus Christus; Katechismus; Kirche; Leben, schriftgerechtes; Lehre ( 1 - 2 ) ; Predigt; R e c h t ; R e f o r m a t i o n ; Schrift (Heilige Schrift); Sprache; Sünde;Theologe; Theologie; Vernunft; Verstand; Verstehen; Wahrheit; Wissen; Wort Gottes; Zeitalter - B e t e n der Bibel 27

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Bibel als B u c h des Lernens 137—144, 225 Bibel als Hauptbuch s. B u c h (3) Bibel als historischer Faktor 3 0 9 - 3 1 3 Bibel als Ketzerbuch 3 1 0 , 3 1 7 Bibel als Maßstab anderer B ü c h e r 8 2 85, 8 7 - 9 0 , 9 2 , 1 4 5 - 1 5 4 , 199, 2 1 0 Bibel als Ziel anderer B ü c h e r 197 f. Bibel für alle Christen 3 2 7 Bibel im Mittelalter 3 1 6 f. 3 2 8 , 3 3 0 Bibel und Bibliothek 7 9 Bibel und Lutherbild 3 - 5 Bibel und Papst 51, 144, 3 1 6 , 3 2 8 Bibel und R e c h t 129, 133 Bibel und religiöser Streit 3 0 9 f. Bibel und Scholastik 3 1 8 Bibel und weltliches R e g i m e n t 126 f. Bibel unter der Bank (s.a. Evangelium;Wort Gottes) 1 4 6 f . , 309 Bibelausgabe 15, 3 4 Bibelauslegung (s.a. Exegese; Literatur, exegetische) 7 7 , 2 2 0 Bibelbesitz 1 7 2 , 2 0 1 , 3 1 7 Bibeldruck 3 7 , 4 1 , 2 1 7 Bibelkenntnis 1 3 , 1 6 f., 1 4 3 , 1 4 7 , 155, 157 Bibelrevision (s.a. Wissen) 58—63, 65-67 Bibelstudium (Schriftstudium) (s.a. Glaube;Theologe) 1 6 , 1 8 , 2 5 , 140 f., 1 4 5 - 1 5 1 , 1 5 5 , 1 6 1 , 167, 2 2 5 , 230, 237, 265, 271, 2 8 0 Bibelübersetzung (s.a. Heiliger Geist) 10, 12, 31, 43, 5 5 - 6 3 , 6 5 - 6 7 , 217, 330, 3 3 2 Bibelvergessenheit 147 deutschsprachige Bibel 53, 63, 65, 67 Distanz zur Bibel 81 freie Verbreitung der Bibel 2 2 0 , 2 2 4 Heilskraft der Schrift 271 historische Exempel in der B i b e l 278 Lebenswirksamkeit der Bibel 2 3 0 Lernen der Bibel 12, 1 6 f . , 146, 3 2 1 , 327 f., 3 3 0 Lesen der Bibel 1 2 - 3 0 , 3 2 , 1 4 0 f . , 1 4 3 - 1 4 7 , 1 4 9 , 1 5 1 , 155, 1 6 1 , 1 6 5 f., 171, 197, 2 3 0 , 2 3 4 f. 254, 2 6 4 , 2 6 6 , 268, 272, 277, 328 Meditation der Bibel 2 1 , 2 5 Metaphorik des Bibelbegriffs 103, 104, 1 0 9 - 1 1 1 Mündlichkeit der Schrift 2 7 0

357

Sachen -

obrigkeitlicher Dienst an der Bibel 3 1 2 f. - Öffentlichkeit der Bibel 53 - ans Licht gebrachte Bibel 147, 194, 307, 316, 324 - Bibel ist am Tage 123, 152 f., 191, 320 - Umgang mit der Bibel 1 6 , 3 2 2 , 3 3 0 - Verachtung der Bibel 316 f., 322, 324 - Verdrängung der Bibel 316 f. - Verkauf der Bibel 217 - Veröffentlichung der Bibel 46 - Verstehen der Bibel s. Verstehen - Vorgehen gegen die Bibel 329 - Wahrheit und Bibel 1 1 9 , 1 6 6 - 1 6 9 - Zensurfreiheit der Bibel 219, 222 Bibliothek 7, 12, 3 0 - 3 5 , 50 f., 63, 79, 146, 182 s.a. Bibel - Bibliotheksbenutzung 3 2 f . , 35 Biblisches R e c h t s. R e c h t Bildung s.a. Druck; Kunst (Kenntnis); Prediger; Predigt; Wahrheit; Wissen; Wissenschaft - Bildung der Erzväter 291 - Bildung in der Lebenswirklichkeit 321 - Bildung und Lesen 12, 35 - Bildungsfortschritt 320 - Bildungsfunktion des Buches 8 f., 63, 1 1 9 - 1 7 4 , 187 f., 265, 284, 3 2 9 , 3 3 0 - Bildungsstand 234 - Bildungsunterschied 182 - Bildungswesen (s.a. Schule) 154, 173 - Breitenbildung s. Predigt; R e f o r mation - Elementarbildung 1 7 0 f . , 1 7 3 f . , 174 - fehlende Bildung 234 - Gebildeter 182 - gelehrte Bildung 79, 171 - höhere Bildung 171 - katechetische Bildung 174 - Massenbildung 166 - religiöse Bildung (s.a. Geschichte; Katechismus) 1 3 5 - 1 6 9 , 1 7 1 - 1 7 3 , 2 8 5 , 327 f. - ungebildeter Christ 2 3 4 - weltliche Bildung 173 Billigkeit 198 Bischof 17, 144, 212, 320 s.a. Stimme; Zensur Böhmische Brüder 47 Böse, das 187 f., 278, 2 8 4 - 2 8 6 , 302, 3 2 8

Bosheit 125, 284, 288, 292 - s.a. Bücher (2); R e c h t Brauch 205, 210 B r i e f 17, 95, 97 f., 100, 178, 180 Briefe (Neues Testament) (auch: Episteln) 38, 143 browsing 32 f. Brüder vom gemeinsamen Leben 214 Buch (1) s.a. Bildung; Buchmetaphorik; Bücher (1—3); Epoche; Erkenntnis; Evangelium; Freiheit; Gegenwart; Geschichte; Gesetz; Glaube; Herrschaft; Kirche; Kommunikation; Leben; Lehre (1); Obrigkeit; Öffentlichkeit; Predigt; R e c h t ; Reformation; Studium; Sünde; Teufel; Theologe; Verhalten; Vernunft; Wahrheit; Wissen; Zeitalter; Zensur - Begrenzung des Buches 1 9 1 - 2 2 5 , 3 2 9 - Buch (Begriff) (s.a. Streit; Wahrheit) 7 f., 6 8 - 1 1 8 - Buch - Büchlein 7 0 - 7 8 - Buch als Medium des Wortes 2 5 5 -

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260

Buch des Lernens (s.a. Bibel; Katechismus) 1 3 7 - 1 4 4 , 155 f., 158, 163 f., 1 6 7 , 2 2 5 Buch und Lutherbild 3 Buchablieferung 218, 223 Buchaufsicht s. Zensur Buchbesitz (s.a. Lesen) 10, 12, 30, 201 Buchbewertung 225 Buchdefinition 7 0 Buchdruck s. Druck Bucheinband 18, 32, 56 Bucheinzeichnung 12, 18, 2 2 9 f . , 265 Buchempfehlung 34, 55, 63 Bucherwerb (auch: Literaturerwerb) 12, 3 0 - 3 3 , 46, 56, 63, 162, 236 Buchgeschenk 31, 34, 63 Buchherstellung 6, 3 5 - 6 5 , 3 2 9 Buchkauf 31, 34, 50, 56, 182, 217 Buchkonfiskation 2 0 1 , 2 1 6 , 2 2 1 , 2 2 4 , 329 Buchkritik (s.a. Buchskepsis; Bücherfeindschaft; Glaube) 7, 151, 1 9 3 - 2 0 0 , 225, 229, 231, 265, 321 Buchleihe 34 buchloses Zeitalter s. Zeitalter Buchmarkt 2, 56 Buchmesse s. Frankfurter Messe Buchprädikation 69, 7 9 - 9 3 , 225

358 -

Register

Buchproduktion 1 9 3 , 2 0 1 Buchskepsis (s.a. Buchkritik; Bücherfeindschaft) 7, 146, 151, 196, 201, 229, 231, 261 f., 265, 273, 315 - Buchumfang 71 f. - Buchverkehr 12, 3 0 - 3 5 , 63 - Buchversorgung 320 - Buchzeitalter s. Zeitalter - Buchzeugnis 30, 5 1 , 7 3 , 1 4 1 , 1 4 8 f . , 181, 2 7 8 f., 306, 3 1 9 - duplex usus libri 287 - Eingriff ins Buchwesen 2 0 0 - 2 2 0 , 2 2 2 , 224, 329 - Gedächtnisfunktion des Buches 283 - Handlungsfeld Buch 6, 1 0 - 6 8 , 329 - Reichweite des Buches 232, 3 3 2 - soziale Bedeutung des Buches 119, 1 6 9 - 1 7 4 , 1 7 9 - 1 8 3 , 327 - Verfügbarkeit des Buches 332 Buch (2) (Typ) s.a. Bibel; Chronik; Buch / Historie; Entscheidungssammlung; Flugschrift; Kommentar (Buch); Postille; Sammelwerk; Traktat - Andachtsbuch 28 - Bekenntnisbuch 157 - Gebetbuch 2 8 , 3 7 , 1 5 7 , 2 0 1 - Gesangbuch 28, 37, 87 - Handbuch 164 - Hausbuch 156 - Lebensbuch 1 5 6 - 1 5 9 , 1 6 1 - Lehrbuch 121 f., 137, 143, 1 5 6 f . - Schulbuch 121, 156 - Stundenbuch 147 Buch (3) (liber) (Luthers Terminologie) - beschissen Buch 86 - Buch der Auferstehung (liber de resurrectione) 104, 110 - Buch der Natur 109 - Buch der Seligen 94 - Buch des Evangeliums und der ganzen Schrift 8 8 , 9 0 - Buch des Lebens (liber vitae) 94—96, 112, 115, 117 - Buch des Mohammed 75 - Buch des Teufels 3 2 3 - Buch Gottes (Dei liber) 88, 104, 109, 112, 1 1 5 - 1 1 8 , 143 f., 154 - der Christen Buch 74, 76, 88 - Gottes des Vaters Buch 75 - gutes Buch 308, 315 - Hauptbuch (Bibel) 8 , 7 6 , 8 8 , 1 4 4 , 1 4 9 , 1 6 8 , 1 9 7 , 309, 317, 327 f. - Historie (historia) (Historienbuch)

(s.a. Buch (2); Literatur, historische) 28, 79, 8 5 , 1 3 5 , 199, 277 f. - Judenbuch 74, 83, 89 - Ketzerbuch 3 1 0 , 3 1 7 - lebendiges Buch 9 9 - liber scripturae 88 - Menschenbuch 76, 89, 125 - nützliches Buch 126, 189 - Papstbuch 7 4 , 8 3 , 8 9 - Schandbuch 76 - Schand-, Schmach- und Lügenbuch 215 - schnödestetes Buch 89 - Trostbuch 145, 157 - Türkenbuch 7 4 , 8 3 , 8 9 - ursprüngliches Buch (Bibel) 168 Buchführer 31 Buchhändler (bibliopola) 42 Buchmetaphorik 8 , 6 9 f . , 9 3 - 1 1 8 , 2 5 9 f . , 266, 284, 331 s.a. Erfahrung; Gewissen; Glaube; Gott; Handeln Gottes; Heiliger Geist; Herz; Leben; Metaphorik; Predigt; Sünde; Theologie; Verstehen; Wahrheit; Wissen Buchstabe (littera) s.a. Glaube; Predigt - Buchstabe als Medium des Wortes 2 5 5 - 2 6 0 - Buchstabe der Heiligen Schrift 84 - Buchstabe gegen freie Vernunft 134 - Buchstabe gegen lebendiges Wort 97, 102, 139, 227, 231, 253, 255, 2 6 9 - buchstabisches Wort 2 2 , 2 4 , 2 3 5 - tötender Buchstabe 101 - toter Buchstabe (littera mortua) 102, 112, 2 5 7 - 2 5 9 , 261 f., 2 6 6 f . , 3 1 5 , 331 Buchstabe - Geist (spiritus — littera) 23, 101 f., 1 1 8 , 2 5 6 , 2 6 1 , 2 6 4 - 2 6 7 , 2 7 3 Bücher (1) s.a. Buch (1-2); Erfahrung; Studium; Verdammung; Wissen - antireformatorische Bücher 206 - Bücher des Lernens 155 f., 162, 166, 225 - Bücherfeindschaft (s.a. Buchkritik; Buchskepsis) 146 - das Büchermachen hat kein Ende (s.a. 5: Koh 12,12; Bücher (1) / M e n g e . . . ) 125, 193, 198 f., 2 3 5 - Bücherverbrennung (s.a. Obrigkeit; Öffentlichkeit; Papst; Wahrheit) 2 0 2 206, 2 0 8 - 2 1 0 , 2 2 3

Sachen -

Büchervernichtung (s.a. Wahrheit) 5 1 , 2 0 2 - 2 1 1 , 2 2 0 , 224 f. - gegen das Evangelium gerichtete Bücher 193 - Menge der Bücher (s.a. Büchermachen; 5: Koh 12,12) 89, 123, 125, 146, 152, 168, 1 8 4 , 1 8 9 , 1 9 3 - 2 0 0 , 225, 282 f., 308, 310, 314, 3 1 6 - 3 1 8 , 3 2 0 - 3 2 3 , 325, 328 - nichtbiblische Bücher (s.a. Wahrheit) 1 4 5 - 1 5 4 , 168 Bücher (2) (libri) (Luthers Terminologie) - Arzneibücher 79 - aufrührerische Bücher 81 - böse Bücher 86 f. 1 8 8 , 1 9 0 f., 193, 325, 327 - Bücher aller Fakultäten 85 - Bücher aller Gelehrten 85 - Bücher der Heiligen 52, 148 - Bücher der Juristen (Juristenbücher) 76, 80, 85, 90 f., 99, 124, 129 - Bücher der Kanonisten (libri Canonistarum) 82 - Bücher der Konzilien 52, 149 - Bücher der Pfaffen 3 1 8 - Bücher der Philosophen (libri philosophorum) 76, 85 - Bücher der Schwärmer 34, 84 - Bücher der Unchristen 145 f. - Bücher der Väter (Kirchenväter) 24, 52, 76, 82, 148 f., 277 - Bücher der Vorfahren 52 - Bücher des lebendigen Gottes 76, 88 - Bücher neben der Heiligen Schrift 198 - Bücher vom Ablaß, Fegefeuer, Klösterei, Heiligendienst, Wallfahrt 208 - Bücher von den Künsten 79 - christliche Bücher 76 - deutsche Bücher 217, 321 - eruditissimi libri 73, 153 - falsche Bücher 86, 150, 184, 186 - feine Bücher 87 - fromme Bücher (pii libri) 323 - giftige Bücher 86 - große Bücher 42, 74, 87 - gute Bücher 18, 20, 81, 86 f., 151, 186, 190, 193 f., 277, 322, 325, 327 - häretische Bücher 76 - heidnische Bücher 86 f., 2 7 8 — Bücher der Heiden

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359 (s.a. Wahrheit) 76, 85, 133, 145 f., 3 1 0 - libri gentilium 84, 87 - omnes gentium libri 84 heilige Bücher 16, 53, 140 heillose Bücher 86, 322 heilsame Bücher 26, 86, 158, 322 irrige Bücher (libri erronei) 204 kanonische (biblische) Bücher (canonici libri) 8 8 - 9 0 , 315 köstliche Bücher 316 libri prophani 89 libri Rottarum 84 libri Sacramentariorum 84 Menschenbücher (libri hominum) 89, 91 f. 124, 169 menschliche Bücher (s.a. Erfahrung; Wissen) 125 f., 136 Mönchsbücher (s.a. Wort Gottes / Mangel ...) 32, 76, 83, 88, 308, 318, 327 Mosaische Bücher 76 nichtchristliche Bücher 146 nützliche Bücher 86 f., 152, 191, 324 f., 327 päpstliche Bücher (auch: Bücher des Papsts, des Papsttums; libri papae; libri papistici) 7 3 , 7 6 , 80, 82 f., 9 2 f . , 2 0 3 f . , 206, 2 0 8 f . , 222, 279, 327, 3 3 0 pestilentes et blasphemi libri 323 rechte Bücher 86, 88 Rechtsbücher 76, 79, 83, 125, 129, 1 3 1 - 1 3 3 , 135, 190, 196, 198, 285, 308, 328 rechtschaffene Bücher 3 2 , 8 6 , 8 8 , 1 4 0 , 318 recti libri 88 reiche Bücher 191 schädliche Bücher 47, 81, 86, 200, 3 0 8 , 3 1 0 , 3 2 4 f . , 327 schändliche Lügenbücher 86 schlechte Bücher (mali libri) (s.a. Streit) 1 9 4 , 2 0 0 , 2 2 5 , 3 1 5 , 3 2 4 Sophistenbücher 32, 52, 82, 318 stürmische und kriegerische Bücher 307 theologische Bücher 1 5 0 , 3 0 8 unflätige Bücher 86 unflätige giftige Bücher 83 unnütze Bücher 47, 86, 196, 200, 225, 310 unzeitige Bücher 194 wahre Bücher 86 weltliche Bücher 76 wichtige Bücher 38, 40

360

Register

Büchlein s. Buch (1) / Buch (Begriff) Bürger 51, 144, 169, 312 Bürgertum 174 Bulle 48, 184, 205, 208, 309, 240 - Bannandrohungsbulle 75, 202f., 206 Buße 55, 196, 311 f. Christenheit 39, 54 f., 9 2 , 1 2 1 , 1 3 7 , 1 5 4 , 164, 209, 310 f., 318, 320 s.a. Vernunft;Verstand Christentum 54, 87, 105, 123, 150, 184 f. Christliche Literatur s. Literatur Christliches Leben s. Leben Christologie 9 4 - 9 6 , 139 f. s.a. 1: Jesus Christus Christsein s. Leben Christus allein (solus Christus) 51, 140, 164 s.a. 1: Jesus Christus Chronik 79, 319 s.a. Buch (2) Confessio Augustana 7 3 , 1 5 3 coram Deo s. Gottesbeziehung coram diabolo 259 coram homine 256, 259 coram mundo 256, 259, 264, 266 Daniel (Buch) 34 Dekalog s. Gebot Dekretalen s. Recht Denken (cogitare, cogitatio) 21 f., 33, 1 1 3 , 1 2 0 , 141, 159, 252, 254 f., 258, 271, 327 s.a. Gedanke;Wirtschaft - Reflexion 12 Deutsche 188 s.a. 3: Deutsch; Deutschland Dichtung (auch: Dichter; Poet; Poetik) 27 f., 79, 9 1 , 1 2 0 , 1 2 6 , 1 2 9 , 154, 291 Didaktik 155 f., 160,162, 164 f., 173, 183 s.a. Erziehung; Pädagogik; Schule; Unterricht; Unterweisung Diluvium s. Sintflut Diskussion 176 s.a. Gespräch Disputation 41, 207, 216 s.a. Leipziger Disputation Dogma 316 Dogmatik 34, 137, 154 Dominikaner (auch: Predigermönche) 74, 76, 83 s.a. Mönchtum

Dorf 158, 176 Dreieinigkeit s. Trinität Druck (Buchdruck, chalcographia, typographia) 4 3 - 4 5 s.a. Bibeldruck; Evangelium; Katechismus; Papst; Predigt; Reformation; Wissen; Zeitalter, typographisches; Zensur - Buchdruck als Geschäft 3 6 - 4 2 , 55 f. - Buchdruck als Gottesgeschenk 175, 192, 307, 319, 321, 324, 330 - Buchdruck als Zeichen der Endzeit 319 f. - Buchdruck gegen Gott 324 f. - Buchdruck und Bildung 120 f. - Buchdruck und Geltung von Wissen 178 - Buchdruck und Kommunikation 4, 176 f., 181 - Buchdruck und Lutherbild 5, 10, 175 - Buchdruck und Öffentlichkeit 178, 180 - Buchdruck und vermehrtes Schrifttum 205 - Druck (Begriff) 72 - Druckablauf 43 - Druckauftrag (auch: Druckvergabe) (s.a. Gerechtigkeit; Obrigkeit) 37, 40-43, 64-66 - Druckkorrektur 3 6 , 4 5 , 5 8 , 6 5 , 3 2 9 - Druckkosten 38 f., 41 - Druck- (auch: typographische) Mentalität 178 f. - Druckqualität 3 6 - 3 8 , 43 f. - Drucktechnik 3 6 , 4 3 - 4 5 , 5 6 , 6 5 , 3 2 9 - Drucktype 31, 4 3 f . , 213 - Drucküberwachung 45, 64 f. - Druckwerk (auch: Druckerzeugnis) 36, 38, 40, 42, 7 7 - 7 9 , 197 - Erstdruck 201 - Lob des Buchdrucks 7, 191 - Nachdruck 3 8 - 4 0 , 65, 200 f. - Typographie 178 - typographische Kultur 177 Drucker (typographus) 3 7 - 3 9 , 42, 49, 55, 65, 201, 215 s.a. Gott - Nachdrucker 39 f. - Originaldrucker 39 f., 201 Druckerei (auch: Druckerwerkstatt; Offizin; Presse) 3 6 - 3 8 , 4 0 - 4 5 , 6 5 , 1 7 7 , 213, 215 ecclesia s. Stand bei Luther

Sachen Eltern 1 6 1 , 1 7 0 , 2 9 5 s.a. Gewalt (Einfluß) Empfinden s. Gefühl Endzeit s. Druck; Evangelium; Gegenwart; Reformation Entscheidungssammlung 128 s.a. Buch (2) Epoche 276, 288, 293, 306 s.a. Geschichte; Zeitalter - Epochengliederung und Buch 3 1 3 325 Erfahrung s.a. Glaube - Buchwissen und Erfahrung 134 - Erfahrung der Erzväter 291 - Erfahrung des Gesetzes 251 - Erfahrung des Gotteswortes 247, 264 - Erfahrung im mundus originalis 296 - Erfahrung in Büchern 87, 123, 125 f., 194 - Erfahrung und Buchmetaphorik 108, 114 f. - Erfahrung und Lernen 159 - Erfahrung und Lesen 2 4 , 1 4 1 , 3 3 0 - Erfahrungen der Bibel 125 - Erfahrungen in menschlichen Büchern 126 - Ganzheit der Erfahrung 284 - geschichtliche (auch: historische) Erfahrung 132-135 - Gotteserfahrung 141, 251 - Lebenserfahrung (s.a. Wissen) 105, 278 - Sündenerfahrung 252, 290 f. - zeitgenössische Erfahrung und alttestamentliche Zeit 199 Erkenntnis s.a. Baum der Erkenntnis; Glaube - Buch und Erkenntnis 1 , 7 , 9 2 , 1 2 3 , 326 - Erkenntnis Adams 293 - Erkenntnis der Wahrheit (cognitio veritatis) 254 - Erkenntnis der Weltdinge 113 - Erkenntnis des göttlichen Wortes 146 - Erkenntnis durch Hören und Lesen 249 - Erkenntnis im Sündenstand 283 - Erkenntnisvermögen 65 - fragmentarische Erkenntnis 284 - Glaubenserkenntnis 259 - Gotteserkenntnis 96, 103 f., 138, 230, 270, 330 - historische Erkenntnis 148, 297

-

361

moralische Erkenntnis 99 f. Naturerkenntnis 283 f., 292 philosophisch-spekulative Erkenntnis 15 - rationale Erkenntnis 104 - Rechtserkenntnis 1 2 9 , 1 3 3 , 1 3 5 , 2 8 4 - reformatorische Erkenntnis 2, 141 f., 237 - Sündenerkenntnis (s.a. Evangelium; Glaube) 285 f., 291 f. - theologische Erkenntnis 141, 183 - urständliche Erkenntnis (s.a. Schrift) 282 f., 292 f., 296, 299, 314 - Vernunfterkenntnis 242 - Verstandeserkenntnis 2 4 2 - 2 4 4 - Welterkenntnis 330 Erziehung s.a. Didaktik; Pädagogik; Schule; Unterricht; Unterweisung - christliche Erziehung 157 - Erziehung fürs obrigkeitliche Amt 133 - Erziehung im mundus originalis 295 f., 301 - Erziehung in der Reformationszeit 123, 320 f. - Erziehungskonzeption Luthers 123, 156 - K i n d e r - u n d Jugenderziehung 165 - religiöse Erziehung 234 - schulische Erziehung 120 Erzväter 289-297, 301, 304, 314 s.a. Bildung; Erfahrung; 1: Jakob; Lernen; Patriarchen; Predigt; R e g i ment; Verstand; Wissen Ethik s.a. Moral; Sittlichkeit - Luthers Berufsethik 157 Eucharistie 317 s.a. Abendmahl Evangelien 38, 111, 143 Evangelisten 229 Evangelium s.a. Buch (3); Bücher (1); Druck; Gegenwart; Gesetz und Evangelium; Reformation; Verdammung - Abkehr vom Evangelium 308 - Bekenntnis zum Evangelium 203 - Bewahrung des Evangeliums 314 - Dienst am Evangelium 327 - Evangelium als Gottesgeschenk 330 - Evangelium als mündliches Wort 228, 231, 234, 261-263, 269

362 — — — — — — — — — — — — — — — —

Register

Evangelium als schriftliches Wort 2 6 3 Evangelium im Herzen 9 8 , 1 1 2 , 2 5 1 Evangelium in der Endzeit 201 Evangelium und B u c h 1, 100, 2 7 6 f . , 326 Evangelium und Buchdruck 175, 192 Evangelium und religiöse Literatur 82 Evangelium und Sündenerkenntnis 2 8 6 Evangelium unter der Bank (s.a. Bibel; W o r t Gottes) 147 Geringschätzung des Evangeliums 101, 158, 217 im B u c h verborgenes Evangelium 231 Lernen des Evangeliums 123, 3 2 0 Lesen des Evangeliums 2 3 7 letzte Offenbarung des Evangeliums 3 1 9 metaphorische Erkenntnis des Evangeliums 1 0 4 , 1 0 9 - 1 1 1 Predigt des Evangeliums 9 0 f., 2 1 1 , 239, 3 0 8 Verteidigung des Evangeliums 2 1 7 ,

220

— vorenthaltenes (auch:verheimlichtes) Evangelium 2 3 6 — Wahrheit des Evangelium 91 Evangelium und Gesetz s. Gesetz und Evangelium Ewiges Leben 85, 9 4 , 230, 2 5 9 Exegese 1 5 , 2 1 , 2 5 , 3 4 , 1 3 6 , 1 4 4 , 1 4 7 , 199 s.a. Bibelauslegung; Heiliger Geist; Literatur Existenz s. Leben Fabel 3 1 8 Fachliteratur s. Literatur Familie 126, 172 f. s.a. Amt Fegefeuer 2 7 8 Feuer (ignis) 2 0 2 , 2 0 4 , 2 0 6 , 2 0 8 , 2 1 0 Feuerprobe 2 1 0 Fleisch 91, 124, 151 Fleisch - Geist s. Geist - Fleisch Flugschrift 77 f., 177 s.a. B u c h (2); Öffentlichkeit Forschung s. Wissenschaft Fortschritt — technologischer Fortschritt 175 Frankfurter Messe 31 Franziskaner (auch: Barfüßer) 76, 8 3 s.a. M ö n c h t u m Frau 1 6 6 , 3 2 0

Freiheit s.a. Autonomie; Gott; Grundrecht; Reformation - evangelische Freiheit 190 - Freiheit des Buches 1 9 1 - 2 2 5 - Freiheit des Gotteswortes 1 4 9 , 2 1 7 , 222, 224, 3 2 9 - Freiheit eines Christenmenschen 2 2 3 f. - christliche Freiheit 2 2 4 , 3 2 9 - Freiheit gegenüber dem B u c h 140 - Freiheit gegenüber der Obrigkeit 2 2 3 - Freiheit im Glauben 100 - Freiheit von Sünde und Tod 2 2 4 , 2 6 7 - Freiheit zum Wort Gottes 2 6 8 - Gewissensfreiheit 2 2 3 f. - Glaubensfreiheit 2 2 3 - Meinungsfreiheit 2 2 0 , 2 2 2 - Publikationsfreiheit 1 9 1 , 2 2 0 , 2 2 2 , 224, 3 2 9 - willkürliche Freiheit 3 2 9 - Zensurfreiheit s. Bibel; Wort Gottes Friede 1 0 0 , 1 2 7 , 1 5 5 , 2 1 1 , 2 1 8 Frömmigkeit 12, 2 0 , 24, 2 6 , 2 9 , 6 3 , 6 6 , 173, 2 6 2 s.a. Gesetz Fürst 1 7 , 1 0 0 , 126, 1 2 8 , 1 3 0 - 1 3 3 , 135, 166, 169, 186, 189, 218, 223, 3 1 2 s.a. Herr (Herrschaft) Galaterbrief 2 3 8 Gebet 16, 21, 2 5 - 2 7 , 63, 6 5 - 6 7 , 1 5 1 153, 155, 2 3 7 , 2 4 5 , 311 f. s.a. Bibel; B u c h (2); Gott Gebot - äußerliches G e b o t 100, 2 8 4 - Gebot der Nächstenliebe 196 - G e b o t im Urständ 2 8 2 - göttliches Gebot 152, 2 0 8 , 248, 2 5 0 , 278 - menschliches Gebot 2 0 8 - päpstliches G e b o t 2 0 9 - Vernunftgebot 100 - Z e h n G e b o t e (Dekalog) (s.a. Obrigkeit) 1 9 f . , 27, 1 2 9 f . , 1 6 0 f . , 163 f., 169 f., 1 7 3 , 3 2 8 Gedächtnis (memoria) 129, 142, 2 7 7 , 279 s.a. B u c h (1); Lernen; Lesen; Studium Gedanke 1 8 f . , 2 4 , 2 9 , 80, 9 7 , 9 9 , 113, 115, 150, 160, 181, 196, 253, 267, 3 1 9 s.a. Denken - Gedanke als Artikulationsform des Wortes 2 5 5 - 2 6 0

Sachen Gefühl (auch: Affekt; Empfinden) 2 2 , 8 4 , 120, 149, 2 5 0 f. 2 6 7 , 2 7 8 Gegenwart 53, 119, 132, 134, 167, 191, 277, 279, 301, 327 s.a. Geschichte - Luthers Gegenwart - als Endzeit 3 1 9 , 3 2 4 f. - als perditissimum saeculum 3 2 3 - als Zeitabschnitt der Zweiten Welt 2 8 7 , 2 9 1 , 2 9 9 - in Distanz zu B i b e l und Evangelium 236, 3 1 7 , 3 2 8 - Sprachenkenntnis 154, 2 7 6 - und biblische Vergangenheit 199 - und das B u c h 3 1 4 , 3 2 0 - 3 2 4 Gegner Luthers 1 4 , 2 4 , 4 1 , 4 7 , 4 9 , 6 3 , 73, 77 f., 81 f., 84, 1 2 2 , 1 8 1 , 1 8 3 - 1 9 0 , 199, 2 0 5 f., 2 1 0 , 2 1 2 , 2 1 4 , 2 1 7 , 2 2 1 , 2 2 4 , 3 0 9 , 3 2 4 , 3 2 8 f. s.a. Literatur; T h e o l o g e Geheimnis 150, 180 f., 184 G e h ö r (auditus) 2 3 9 - 2 4 4 , 2 4 7 , 2 6 9 f., 2 7 3 f. s.a. Verstehen; Wort Gottes Gehorsam 90, 2 4 2 , 2 8 6 , 3 0 5 Geist s.a. Buchstabe - Geist; Heiliger Geist; Leben - Buchwissen und Geist 134 - Geist Christi 6 5 - Geist Gottes (auch: göttlicher Geist) 91, 131, 249, 2 5 1 , 267 - Geist im Herzen 2 5 8 - Geistesbegabtheit 2 9 6 - Geistlosigkeit 2 5 8 - lebendigmachender Geist 101 - menschlicher Geist 19, 141, 249, 271 - verkehrter Geist 81 Geist - Fleisch 124 Geisteswissenschaft 32 s.a. Wissenschaft Geistlicher 82, 1 5 8 - 1 6 0 , 194, 327 s.a. Klerus; Pastor; Pfaffe; Pfarrer; Prediger; Priester Geld 48, 189 Gelehrsamkeit 1, 17, 61, 68, 85, 91, 99, 113, 143, 147, 150, 166, 194, 248, 278, 293 s.a. Wissen Gelehrter 25, 51, 59, 1 4 3 , 1 5 2 , 1 8 2 , 191, 208, 211, 321, 327 s.a. B ü c h e r (2); Professor Gemeinde 159, 2 0 8 , 2 3 4 s.a. Leben

363

Gemeiner Mann 50, 57, 158, 161, 1 6 9 172, 174, 1 8 2 f . , 2 3 6 f . , 3 3 2 s.a. Volk - gemeiner Christenmensch 163 Gemeinwesen 126 Gerechtigkeit s.a. Gott; Herrschaft; R e g i m e n t - Dienst an der Gerechtigkeit 99 - Gerechtigkeit bei Publikation und Druckvergabe 39 f., 42, 65, 3 2 9 - Gerechtigkeit des Urstandes 281 f., 284, 301 - Gerechtigkeit durch den Heiligen Geist 2 5 2 - iustitia civilis 197 - Werkgerechtigkeit (s.a. Selbstheiligung; Selbstrechtfertigung) 2 1 3 , 2 4 8 f., 2 6 2 , 3 1 7 Gesamtausgabe der Werke Luthers s. Luthers Werke Gesang s. Singen Geschichte (Historie) s.a. Bibel; B u c h (3) / Historie; E p o c h e ; Erfahrung; Erkenntnis; Gegenwart; Gewissen; Glaube; Gott; Handeln; Literatur, historische; M o d e r n e ; Papst; R e c h t , historisches; Streit, historischer; Sünde; Teufel; Vergangenheit; Wahrheit; Welt / mundus originalis; Welt / secundus mundus; Wort Gottes; Zeitalter; Zeitlichkeit - B u c h und Geschichte 8 f., 2 7 6 - 3 2 5 - B u c h und historisches Geschehen 3 0 6 - 3 2 5 - historische Funktion des Buches 2 7 6 - 2 8 1 , 3 2 7 - Einheit der Geschichte 297 f., 3 0 2 f., 3 0 5 f. - Geschichte (Begriff) 2 9 8 f. - Geschichte als Studienfach 154 - Geschichte als Zeit unter der Sünde 2 8 1 - 2 8 7 , 3 2 5 - Geschichte und religiöse Bildung 166, 169 - geschichtliche Existenz des Menschen 2 8 0 - 3 0 6 , 3 1 4 - Geschichtsdeutung 3 2 6 - Geschichtsentwicklung (auch: historische Entwicklung) 2 8 1 , 2 8 9 , 299, 3 0 2 - Geschichtsprozeß (auch: Geschichtsverlauf; historischer Prozeß) 9, 2 7 6 , 2 8 1 , 2 9 7 f., 301 f., 3 0 6 , 3 0 9 , 3 2 4 , 3 2 6 f .

364 -

Register

G e s c h i c h t s t h e o l o g i e 188 Geschichtsverständnis 187 G l i e d e r u n g der G e s c h i c h t e 2 9 7 Heilsgeschichte 3 0 3 historischer N i e d e r g a n g 2 9 9 f . , 3 1 6 , 328 - historisches G e s c h e h e n 2 7 6 , 2 7 9 , 3 1 4 , 326 - historisches G e s c h e h e n u n d Buch 306-325 - Kirchengeschichte (s.a. Literatur) 1 3 f . , 28, 79, 148, 167, 184, 277, 3 0 3 - Konstitution von Geschichte 2 8 1 - 2 8 7 - Offenbarungsgeschichte 303 - P e r i o d i s i e r u n g v o n G e s c h i c h t e 281, 293 - U r t e i l s b i l d u n g m i t Hilfe der H i s t o r i e 132 - Weltgeschichte 3 0 3 - 3 0 6 Gesetz s.a. A m t ; E r f a h r u n g ; Gesetz u n d E v a n g e l i u m ; Lehre (1); Liebe; Religion; Wort Gottes - biblisches Gesetz 177 - B u c h u n d Gesetz 9 8 - 1 0 0 , 2 3 1 , 2 7 7 , 2 8 4 - 2 8 6 , 290 - E r f ü l l u n g des Gesetzes 177 - Gesetz — G l a u b e u n d Liebe 81 - Gesetz als Schrift 261 - Gesetz Christi 82 - Gesetz i m H e r z e n 128, 130, 2 4 7 - Gesetz i m weltlichen R e g i m e n t 90 f., 126 - Gesetz M o s e 129, 133, 147, 3 0 2 - Gesetz u n d F r ö m m i g k e i t 262, 285 f. - Gesetz u n d G l a u b e 184 - Gesetz u n d historische Zeitalter 297 - göttliches (auch: Gottes) Gesetz 177, 208, 247 f., 2 5 7 - lex Christi 3 0 2 - lex scripta (s.a. Zeitalter) 3 0 2 - Mangelhaftigkeit d e r Gesetze 197 - M e n g e d e r Gesetze (auch: R e c h t s v o r schriften) 125, 1 9 6 - 1 9 8 - menschliches Gesetz 208 - natürliches Gesetz (s.a. V e r n u n f t ; Verstand) 9 8 - 1 0 0 , 1 1 2 , 1 1 6 f „ 128, 130, 284 - göttliches N a t u r g e s e t z 169 - päpstliches Gesetz 2 0 8 - U n e r f ü l l b a r k e i t des Gesetzes 2 8 6 - usus legis 2 8 6 - d u p l e x usus legis 284, 2 8 7

— usus politicus legis (erster B r a u c h des Gesetzes; p r i m u s usus legis) 2 8 4 f . , 287 — usus t h e o l o g i c u s legis (secundus usus legis) 285, 287 Gesetz u n d E v a n g e l i u m 99, 139, 177, 190, 216, 248, 267 Gesetzesreligion s. R e l i g i o n Gesichtssinn 2 4 2 s.a. Auge;Verstand Gesinde 157, 161, 170, 172, 312 Gespräch 177 s.a. Diskussion; S p r e c h e n Gewalt (Einfluß) s.a. G o t t ; R e g i m e n t - elterliche G e w a l t 301 - geistliche G e w a l t 221 - Gewalt ü b e r L e b e n u n d Tod 300 - herrschaftliche Gewalt 135, 2 8 2 - kirchliche G e w a l t 46, 195, 2 0 9 - militärische Gewalt 189 - obrigkeitliche G e w a l t 1 0 0 , 1 1 8 , 1 2 7 , 217, 225, 284, 287, 3 0 0 - 3 0 2 , 304 - öffentliche G e w a l t 282, 328 f. - politische G e w a l t (s.a. L e r n e n ) 130, 311 - R e c h t s g e w a l t 100 - Schwertgewalt 1 0 0 , 2 8 1 , 2 8 4 , 3 0 0 302 — S c h w e r t - u n d Todesgewalt 3 0 4 - Staatsgewalt 131 - Strafgewalt 301 - weltliche G e w a l t 2 1 8 , 3 0 1 G e w a l t (Gewaltsamkeit) 81, 114, 2 0 7 Gewissen (conscientia) s.a. Freiheit; G o t t ; U n t e r w e i s u n g ; Wort Gottes - Gewissen (Begrifi) 9 6 - Gewissen als historischer Faktor 311 - Gewissen als P e r s o n z e n t r u m (s.a. Herz) 2 3 9 - Gewissen als Ziel der Predigt 102 - Gewissen u n d B u c h m e t a p h o r i k 97 - Gewissen u n d intensive L e k t ü r e 19 - Gewissen u n d V e r n u n f t 91 - Gewissen u n d Verstehen 1 4 2 , 2 4 7 , 269, 2 7 3 - Gewissen u n t e r G o t t e s H e r r s c h a f t 2 2 3 - gutes Gewissen 224 - S t ä r k u n g des Gewissens 186 - V e r w i r r u n g d e r Gewissen 195, 199 - Z e r s t ö r u n g des Gewissens 3 2 3 f. G e w i ß h e i t 27, 159, 1 8 4 , 2 5 0 - G e w i ß h e i t d e r A u f e r s t e h u n g 105

Sachen - Glaubensgewißheit 85, 247 - Heilsgewißheit 95 Gläubiger (Glaube) 95, 171, 183, 196, 209, 218, 222 f., 238, 2 5 1 , 3 2 8 s.a. Priestertum aller Gläubigen - Altgläubige 207 Glaube s.a. Erkenntnis; Freiheit; Gesetz; Gewißheit; Heiliger Geist; Hören; Leben; Lehre (1); Lesen; Predigt; Sünde; Vernunft; Verstehen; Wahrheit; Wissen; Wort Gottes - alter (vorreformatorischer) Glaube 214 - Buchstabengläubigkeit 141 - Eingriff in den Glauben 218 - evangelischer Glaube 159 - Glaube als Akt des Menschen 280 - Glaube als Erfahrung 95 - Glaube als geistliches Geschehen 242 f. - Glaube als gutes Gewissen 224 - Glaube als Hören und Empfangen 244 - Glaube als rechter Verstand des Wortes 249 - Glaube als Vertrauen 246 f. - Glaube als Werk Gottes 241 - Glaube an Christus 162, 184, 195, 208, 280, 285 - Glaube der Heiden 310 - Glaube im Herzen 239, 249, 251 - Glaube im Mittelalter 317 - Glaube im mundus originalis 293 - Glaube in der Reformationszeit 155, 194, 320 - Glaube und Bibel 83 f., 90, 146, 328 - Glaube und Bibelstudium (auch -lektüre) 1 4 5 , 2 3 0 , 2 5 6 - Glaube und Bibelverständnis 138 - Glaube und Buch 7, 73, 81, 87, 149, 187, 204 - Glaube und Buchkritik 195 - Glaube und Buchmetaphorik 94—96, 104 f., 108-117 - Glaube und Erkenntnis 243 - Glaube und Geschichte 303 - Glaube als historischer Faktor 311 - Glaube und Katechese (auch: Katechismus) 160, 162, 1 6 4 - 1 6 6 , 170 - Glaube und Lesen 5, 24 - Glaube und Öffentlichkeit 184, 190 - Glaube und sinnliche Wahrnehmung 275

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365

Glaube und Sündenerkenntnis 286 Glaube und weltliches Regiment 131 Glaubensfeind 54 Glaubensgeschehen (actus credendi) 2 4 0 f . , 244 - lebendiger Glaube 97, 248, 290 - mangelnder Glaube 196 - Rezeption des Lutherschen Glaubensverständnisses 177 - Zerstörung des Glaubens 323 f. Glaubensbekenntnis 20, 27, 47, 160 f., 163 f., 170 Gnade 23, 9 7 , 1 4 9 , 177, 235, 248, 2 5 0 f „ 2 5 9 , 2 7 6 , 285 f. s.a. Gott / Wille Gottes; 1: Jesus Christus Götter 83 Goldene Regel 99f., 112, 196 s.a. Herz Gott s.a. Buch (3); Bücher (2); Erfahrung; Erkenntnis; Gebot; Geist; Gesetz; Gottesbeziehung; Handeln; 1: Jesus Christus; Liebe; Mensch; Obrigkeit; Recht; Regiment; Sprache; Teufel; Trinitat; Wort Gottes - Freiheit Gottes 224, 331 - Gerechtigkeit Gottes 2, 96, 142, 281 - Geschenk Gottes (s.a. Druck; Evangelium;Wort Gottes) 175, 192, 256, 259, 267, 282, 307, 330 - Gewalt Gottes (potestas Dei) 300 - göttliche Natur 305 - Gott - Mensch (s.a. Handeln; Kommunikation) 103 - Gott als Drucker 93 - Gott als Herr der Geschichte 330 - Gott als Herr von Seele und Gewissen 224 - Gott als Redner 233, 239, 240 - Gott der Schöpfer 75, 201 - Gott der Vater 7 5 , 8 7 , 95 f. - Gott und Buchmetaphorik 94, 97 f., 103-111, 114-116 - Gott und Gebet 152 - Güte Gottes (bonitas Dei) 282 - Herrschaft Gottes (s.a. Herz) 223 - Kenntnis von Gott 155 - Menschwerdung Gottes 90 - Nähe zu Gott 290 - Schöpfer - Geschöpf 103 - Sprache Gottes 154 - Strafe Gottes 54, 248, 299 f., 308, 330 - Verborgenheit Gottes 311

366

Register

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vox domini 241 Werk Gottes (s.a. Glaube; Hören; Lesen; Predigt) 2 5 0 f., 2 5 9 , 3 0 3 - Wille Gottes (s.a. Lernen) 2 6 , 9 5 f. 98, 116, 122, 1 3 5 - 1 3 7 , 160, 169, 224, 249, 267, 286, 313, 3 3 0 - göttlicher Rechtswille 129, 169 - Gottes Gnadenwille 2 2 3 - Z o r n Gottes (s.a. Papst) 2 4 8 , 3 0 7 f. Gottesbeziehung (auch: Gottesverhältnis) 2 3 , 9 2 , 9 7 , 1 0 0 - 1 0 2 , 1 1 2 , 1 1 5 f., 1 2 4 f . , 141, 170, 2 3 3 , 2 5 2 , 2 5 5 , 2 6 7 , 289 s.a. Gott; Kirche; Kommunikation - coram D e o 92, 2 5 6 , 259, 2 6 4 , 2 6 6 Gottesdienst 21, 26, 157, 181, 2 2 7 , 2 4 5 Gottesferne 1 0 0 - 1 0 2 , 1 1 2 , 1 1 6 - 1 1 8 , 2 5 6 , 259, 331 Gottesfurcht 2 8 6 , 2 9 9 Gotteslästerung 2 0 1 , 2 1 7 , 3 2 0 Gottesverhältnis s. Gottesbeziehung Gottesverständnis 8 5 Gotteswort s. Wort Gottes Gottlosigkeit 4 8 , 102, 2 5 7 Graf 312 s.a. Herr (Herrschaft) Grundrecht (auch: Grundfreiheit; Menschenrecht) 2 2 2 f. s.a. Freiheit; R e c h t Gute, das 9 9 f., 187 s.a. Moral; Sittlichkeit Händler 161, 170 Häresie 4 1 , 7 6 , 177 s.a. B ü c h e r (2); Ketzerei Handbuch s. B u c h (2) Handeln s.a. B u c h (1) / Handlungsfeld B u c h ; Lesen - äußerliches Tun 2 8 6 - Beeinflussung des Handelns 77 - christliches Handeln (auch: christliche Praxis) 1 3 6 , 2 2 4 , 2 7 9 f. - Handeln Christi 1 8 8 , 2 6 7 , 2 7 1 - Handeln Gottes - Gottes vorgängiges Handeln 3 3 0 - Handeln Gottes am Menschen 2 4 8 , 2 5 9 f., 2 7 2 - Handeln Gottes durch den Heiligen Geist 25, 250, 2 5 4 , 2 6 6 - Handeln Gottes in der Geschichte 3 0 5 - 3 0 7 , 3 1 3 , 321 - Handeln Gottes in Jesus Christus 109, 2 4 7

-

Handeln Gottes und B u c h m e t a phorik 116 - Handeln Gottes unter dem Gegenteil 3 1 1 - heiliges Handeln 157 - herrschaftliches Handeln 311 - historisches Handeln 2 7 9 , 3 0 6 , 3 0 9 , 313, 3 2 9 - juristisches (auch: rechtliches) H a n deln 131, 133, 169 - kommunikatives Handeln 1 7 4 , 2 3 1 , 238, 245, 331 - Meditation als Handeln 21 f. - menschliches Handeln 116, 160, 327 f. - menschliches Handeln — Handeln Gottes 2 5 9 , 2 8 0 - persönliches Handeln 112 - politisches Handeln 124, 131, 133, 169, 311 - profanes (auch: weltliches) Handeln 157, 169 - reformatorisches Handeln 6 4 - schriftorientiertes Handeln 148 - sittliches (auch: moralisches) Handeln 6 6 , 9 9 f., 112, 124 f. - soziales Handeln 119 f., 129, 2 4 5 - wirtschaftliches Handeln 4 2 , 6 6 , 1 8 2 , 196 Handlungsfeld B u c h s. B u c h (1) Handschrift 7 8 f. Handwerker 161, 1 7 0 , 3 1 2 Haus (Hauswesen) 126, 1 5 6 f . , 1 7 1 - 1 7 3 s.a. B u c h (2); R e g i m e n t Hausvater 157, 160, 1 7 2 f . , 2 4 5 Hebräer (Hebraei) 199, 3 1 5 s.a. Israel; Juden Heiden 76, 79, 8 4 - 8 7 , 90, 167 s.a. B ü c h e r (2); Glaube Heil 9 4 f . , 1 0 0 , 1 0 9 f . , 1 4 0 , 1 4 6 , 1 7 3 , 2 4 8 , 311 s.a. Bibel; B ü c h e r (2); Gewißheit; 1: Jesus Christus; Seelenheil Heilige Schrift s. Bibel Heiliger 8 3 , 9 4 , 1 5 9 f „ 164 s.a. B ü c h e r (2) Heiliger Geist s.a. Amt; Geist; Gerechtigkeit; Handeln Gottes; Lesen; Prediger; Predigt; Studium; Verstand; Wort Gottes - Bestreitung des Heiligen Geistes 186 - Heiliger Geist als Automatismus 2 5 5 - Heiliger Geist als Autor 7 5 , 164 - Heiliger Geist als Bibelübersetzer 5 9

Sachen -

Heiliger Geist als Lehrer 251 Heiliger Geist und Bibel 8 3 Heiliger Geist und Bibelverständnis 138 - Heiliger Geist und B u c h m e t a phorik 9 8 f., 112 - Heiliger Geist und Glaube 97, 2 6 9 , 331 - Heiliger Geist und Meditation 22, 2 4 f . , 27 - Heiliger Geist und Schriftauslegung 139 f., 2 5 0 - Heiliger Geist undVerstehen 2 3 5 , 247, 2 5 4 - 2 6 0 , 2 6 9 - Herrschaft des Heiligen Geistes 223 - Kraft des Heiligen Geistes 9 8 , 2 2 1 , 256, 259, 267, 2 7 3 - M o s e als Werkzeug des Heiligen Geistes 2 8 8 - R e d e des Heiligen Geistes 2 3 9 Heilsgeschichte s. Geschichte Heimlichkeit 1 7 9 - 1 8 1 , 1 8 4 s.a. Öffentlichkeit Heranwachsender 163, 2 3 4 s.a. Jugend Herausgeber (Tätigkeit als) 12, 4 5 - 5 5 , 63 s.a. R e f o r m a t i o n und Luthers Editionspraxis Hermeneutik s. Verstehen Herr (Herrschaft) 48, 128, 2 1 8 , 312 s.a. Gewalt (Einfluß); Gott; Graf; Fürst; Herrschaft; Kaiser; König; Mensch; Obrigkeit; R e g e n t ; Regiment Herrschaft s.a. Gewalt (Einfluß); Gott; Handeln; Herr (Herrschaft); Obrigkeit; Regiment - dominium 3 0 5 - gerechte Herrschaft 169 - Herrschaft als Buchphänomen 131 f., 328 - Herrschaft Christi 51 - Herrschaft des Menschen über die Erde 3 0 5 - Herrschaft des Menschen über die Kreatur 9 0 f., 3 0 5 - obrigkeitliche Herrschaft 130, 133, 302, 329 - päpstliche Herrschaft 192, 3 2 4 - weltliche Herrschaft 1 2 6 f . , 189 - Willkürherrschaft 131

367

Herz s.a. Evangelium; Geist; Gesetz; Glaube; Lehre (1); Lesen; Schrift;Verstehen; Wahrheit; Wort Gottes - an Goldener R e g e l orientiertes Herz 9 9 - Herz als M e d i u m des Wortes 255-260 - Herz als Personzentrum (s.a. Gewissen) 2 2 , 2 3 9 , 2 5 0 , 2 7 5 , 278 - Herz als Rechtsquelle 1 2 9 , 1 3 3 - 1 3 5 - Herz und Buchmetaphorik 9 6 - 9 8 , 1 0 0 - 1 0 2 , 108, 112, 1 1 5 - 1 1 8 , 331 - Herz und Lesen 19 - Herz unter Gottes Herrschaft 2 2 3 - Wandel des Herzens 2 6 0 , 3 3 1 Heteronomie 9 8 H i m m e l 2 9 0 f. Historie (Historienbuch) s. B u c h (3) / Historie Hochschule 154 s.a. H o h e Schule; Universität Hölle 1 1 4 , 2 3 0 , 2 5 9 Hören s.a. Erkenntnis; Gehör; Glaube; Lesenhören; Predigt - akustisches (sinnliches) Hören 2 3 9 , 241, 243f., 254, 264, 266, 268, 2 7 1 273 - geistliches Hören 2 3 9 - 2 4 2 , 2 5 7 , 2 6 6 - Hören als Glaubenshandeln 2 4 0 - 2 4 2 - Hören als Kommunikationsform 176 - Hören als psychische Aktivität 2 4 9 - Hören als Werk Gottes 98, 2 4 4 - Hören der Wahrheit 166 - Hören des Gotteswortes 27, 238—245 - Hören und Lesen 19, 21, 172, 2 2 6 275 - Hören und Meditation 22 f. - Hören und Sehen 2 7 4 f. - inneres Hören 2 3 8 - 2 4 6 , 2 5 2 , 2 5 4 2 5 7 , 2 6 6 f . , 2 6 9 - 2 7 5 , 331 - öffentliches Hören 181 - Wirkkraft des Hörens 2 3 2 - 2 3 8 , 271 Hörer 1 0 1 , 1 0 6 , 1 4 0 , 2 2 9 , 2 6 3 Hoffnung 84, 145 H o h e Schule 146, 3 2 0 f. s.a. Hochschule; Universität Humanismus 121, 167, 176 Idee 190 Illiteralität 1 7 1 - 1 7 3 , 2 3 6 f . , 3 3 2 s.a. Analphabetismus; Lesefähigkeit

368

Register

Individuum 1 5 8 , 1 6 7 , 1 8 7 , 220, 222 f., 244-246, 267, 278, 310 s.a. Person; Subjekt Information 4 , 1 2 0 , 1 3 1 , 1 7 8 , 181, 183, 185, 191, 246 - Informationsaustausch 172, 180 - Informationsverarbeitung 177 Irrglaube 310 Irrlehre 1 8 4 , 2 1 0 Irrtum 1 7 , 3 1 f . , 4 9 , 181, 185 f., 189f., 195, 205 f., 209 f., 221 f., 225, 228, 308, 320, 324, 328 s.a. Bücher (2); Meinung; Papst - Irrtumsfreiheit 89 Islam 54 f., 74, 83, 184-186, 190 s.a. Mohammedanismus Israel (Volk) (auch: Israeliten) 94, 200, 241 f., 314 f. s.a. Hebräer; Juden; Sünde Johannesevangelium 124, 280 Jona (Buch) 134 Journalismus 28 Juden (auch: Judentum, jüdisches Volk) 74, 83 f., 8 9 - 9 1 , 1 2 3 , 1 4 4 , 171, 190, 201, 258, 286 s.a. Buch (3); Hebräer; Israel; Synagoge; Talmud Jüngster Tag 319 Jugend 1 7 , 1 5 4 f . , 160, 165, 234, 320 s.a. Erziehung; Heranwachsender; Kind Jurist 83, 128, 169, 209, 312 s.a. Bücher (2); Recht - iureconsultus 123, 282 f. Juristische Literatur s. Literatur Kaiser 100, 127 f., 169, 189, 207, 213, 329 - s.a. Herr (Herrschaft); Recht Kanonisches Recht s. Recht Karmeliten 83 s.a. Mönchtum Katechese (auch: katechetische Bildung, katechetische Unterweisung) 121, 144, 155, 172, 245 s.a. Glaube; Lehre (2) Katechismus s.a. Bildung; Glaube; Lehre (2); Obrigkeit; Prediger; Recht; Theologie; Verstehen; Wissen - Druck der Katechismen 37 - Funktionen des Katechismus 173 - Katechismus als Buch des Lernens 155 f., 225

-

Katechismus als Laienbibel 162 f., 266, 313 - Katechismus für das ganze Volk (auch: für alle Stände) 170, 312 - Katechismus in der Reformationszeit 123, 155, 320 - Katechismus in Luthers Urteil 51, 73, 153, 194 - Katechismus und Bibel 155-167 - Katechismus und religiöse Bildung 155-166, 168 f., 173 - Katechismus und Wort Gottes 155 - Lernen des Katechismus (s.a. Leben) 123, 1 5 5 - 1 6 6 , 1 7 0 , 2 3 8 , 2 6 5 f., 320, 328, 330 - Lesen des Katechismus 2 6 , 2 8 , 1 6 1 , 266, 268 - Meditation des Katechismus 21, 24 - Predigt des Katechismus 157f., 161, 170 - Sprechen des Katechismus 20 - Umgang mit dem Katechismus 330 Kaufleute 170 Ketzer(ei) 17, 41, 48, 227 f., 250, 310 f. s.a. Bewegung (Gesellschaft); Buch (3); Häresie Kind 2 0 , 1 2 3 , 1 5 7 , 1 6 1 , 1 6 6 , 1 7 0 , 295f., 321 s.a. Erziehung; Predigt Kirche s.a. Amt; Gewalt (Einfluß); 1: Jesus Christus; Leben; Lehre (1); Literatur; Mündlichkeit; Obrigkeit; Regiment; Synagoge; Teufel; Volk - alte (vorreformatorische) Kirche 49, 215, 279 - evangelische Kirche 49 - Kirche als Zensurbehörde 214 - Kirche im mundus originalis 305 - Kirche im Paradies 281 - Kirche im Urständ 305 - Kirche und Bibel 5 3 , 1 4 0 , 1 4 2 - 1 4 4 - Kirche und Buch 146, 200, 238 - Kirche und Gottesverhältnis 141 - lateinische Kirche 125 - mittelalterliche Kirche (s.a. Literatur) 74, 82, 147, 185, 197, 227, 308 - Niedergang der Kirche 316 f. - Ostkirche 14 - Papstkirche (s.a. Literatur) 5 1 - 5 3 , 5 9 , 74, 8 3 - 8 5 , 87, 143, 146, 192, 203 f., 210, 2 1 4 , 2 1 8 , 3 1 6 f „ 327 - reformatorisches (auch: protestantisches) Kirchenwesen 173, 214

Sachen

- Römische Kirche (s.a. Zeitalter) 14, 16, 28, 41, 48, 81 f., 148,153, 185, 189f., 204, 212, 279,303, 310, 317 f., 323, 328 Kirchengeschichte s. Geschichte Kirchenlehrer 236 Kirchenreform 143 Kirchenväter 13-15,46, 52, 76, 79, 82, 146f., 150, 224, 229, 309,316 s.a. Bücher (2); Literatur; Prediger Klarheit der Schrift s. Schrift (Heilige Schrift) Klerus (auch: klerikal; Kleriker) 143, 173, 176 s.a. Geistlicher Kloster 146, 155, 173, 320 f. s.a. 3: Erfurt; Leben; Mönchtum; 3: Nürnberg König (rex) 289 s.a. Herr (Herrschaft) - Römischer König 214 Kohelet (Prediger Salomo; Ecclesiastes) 47,87, 126,193,199f., 211 Kolosserbrief 73, 307 Kommentar (Buch) 20,99,128,149, 154, 197 s.a. Buch (2) Kommunikation s.a. Druck; Handeln; Wort; Wort Gottes - direkte Kommunikation 265 - gesellschaftliche Kommunikation 4, 180 - Kommunikation Gott — Mensch 252-256 - Kommunikation Mensch — Mensch (menschliche Kommunikation) 2 5 2 256, 259 - Kommunikation und Buch 8, 35, 265 f. - Kommunikation und Öffentlichkeit 174-183 - Kommunikation und Sinneserfahrung 242 - Kommunikationsbedingungen 40, 237 - Kommunikationsform (s.a. Hören; Lesen) 18, 119 f., 175-177, 226, 332 - Kommunikationsgemeinschaft 182 - Kommunikationsprozeß 182,226, 231 f. - lebendige Kommunikation 231 - mündliche Kommunikation

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(s.a. Stimme) 172, 226, 232,254 f., 259, 296, 301 f. - öffentliche Kommunikation 176, 181 f., 191 - private Kommunikation 176, 231 f. - schrifdiche Kommunikation 40, 238, 255, 259 Konstantinische Schenkung 14 f. Konzil 3 1 , 4 1 , 5 2 , 146f., 208 f., 316 s.a. Bücher (2); Literatur - Konzil von Konstanz 319 - Konzil von Nicäa 79 Koran 46, 53-55, 64, 75, 83, 89, 144, 184-186, 190, 221, 224 - s.a. Buch (3) / Buch des Mohammed Kreatur (creatura) 91, 103, 106, 109, 111, 135,228, 291 f., 294, 305 s.a. Herrschaft Krieg 320 s.a. Bauernkrieg; Bücher (2) Kunst (ars) (Kenntnis) 1, 20, 79, 90 f., 123-125, 276f., 314, 320-322, 326 s.a. Bildung; Bücher (2);Wissen; Wissenschaft Laie 103, 143, 157, 159, 165, 167, 171, 187, 310 s.a. Katechismus; Theologe Leben (auch: Existenz; Lebensführung; -praxis; -Vollzug) s.a. Bibel; Buch (3); Erfahrung; Ewiges Leben; Geschichte; Lesen; Predigt; Schrift; Sünde, existenzbestimmende; Wahrheit; Wissen; Wort - christliche Lebensführung 330 - christliches Leben 72, 94, 135, 137, 146, 191, 224, 279, 330 - Christsein 95-97, 107, 327 - diszipliniertes Leben 295 - Einheit von Leben und Wort 248 - Existenz unter der Sünde 302f., 326 - geistliches Leben 83, 87 - Gemeindeleben 157 - Glaubensleben (auch: Glaubenspraxis) 94-96, 120, 125, 152, 227, 292 - kirchliches Leben 157 - Klosterleben (s.a. Kloster) 136 - Leben des inneren Menschen 255 - Leben im Geist 290 - Leben im mundus originalis 293—296 - Leben und Buch 120, 152, 166 - Leben und Buchmetaphorik 112, 115 f. - Leben und Glaube 145f., 295

370 -

Register

Leben und Katechismuslernen 160, 163 - Leben und Lehre 6, 8, 66, 156 - Leben und Lesen 12, 19 f., 124 - Leben und Vernunft 2 7 8 , 3 2 9 - Lebenspraxis und inneres Wort 245 - Lebensvollzug 6 3 , 2 6 8 , 2 7 7 , 3 3 0 - Lebenswelt 104 - Lebenswirklichkeit (s.a. Bildung) 68, 94, 133, 136, 321 - maßvolle Lebensweise 296 - religiöses Leben 318 - schriftgerechtes Leben 313 - sittliche Lebensführung 112 - sittliches Leben 100, 292 - sprachlich-religiöse Existenz 245 - tägliches Leben 120, 137 - Wahrheit des Lebens 140 - weltliche Existenz 292 Legende 79, 318 Legitimität (auch: Legitimation) 169, 183, 205, 207 Lehrbuch s. Buch (2) Lehre (1) (doctrina) (Lehrinhalt) s.a. Buch (2); Leben; Meinung; Sprache; Streit; Teufel - Anschaulichkeit abstrakter Lehre 278 - Christi Lehre 180, 189, 191 - christliche Lehre 1 6 , 7 2 , 1 3 7 , 1 4 3 , 146, 151, 159, 162, 184, 188, 204, 228, 279 f., 285, 321 - endchristliche teuflische Lehre 206 - evangelische Lehre (s.a. Verdammung) 1 8 3 , 1 9 5 , 2 0 3 , 206, 213, 221, 329 - falsche Lehre 1 7 , 8 2 , 1 8 5 , 1 8 8 , 2 0 7 , 209 f., 310 - falsche verführerische unchristliche Lehre 2 0 7 , 2 0 9 - Glaubenslehre 51 - heilsame Lehre 145 - kirchliche Lehre 194 - lästerliche Lehre 31 - Lehre der Bibel (auch: Heiligen Schrift) 16, 85, 145, 152, 154 - Lehre der Mohammedaner 184 - Lehre des Gesetzes 249, 277 - Lehre im Herzen 99 - Lehre in der Reformationszeit 320 - Lehre und Buch 120, 190 - Lehre von Christus 1 4 1 , 3 0 8 - OfFenbarungsweisen der Lehre 253 - päpstliche Lehre 279 - rechte Lehre 153, 187 f., 200, 204, 328

-

reformatorische Lehre 3 7 , 4 0 , 1 7 3 , 220 f. - Teufelslehre (auch: teuflische Lehre) 8 2 , 2 0 6 - theologische Lehre 147, 222, 224 - verwirrende Lehre 195 Lehre (2) (Unterricht) s.a. Belehrung - katechetische Lehre 158—160,163, 169 f. - Lehre als Arbeit 67 - Lehre der Bibel 235 - Lehre der Prediger 172 - Lehre gegen den Teufel 159 f. - Lehre gegen Zwinglianer 31 - Lehre mit Schriften statt mündlicher Lehre 229 - Mangel an Lehre 235 - universitäre Lehre 150 Lehrer 17, 123, 2 3 4 f . , 285 s.a. Heiliger Geist; Professor Leipziger Disputation 15, 79 Lektüre s. Lesen Lernen s.a. Bibel; Buch; Bücher (1); Erfahrung; Evangelium; Katechismus; Sprache; Schule; Studium; Universität; Wahrheit - Auswendiglernen 20 f., 26, 6 5 , 1 5 7 , 160, 167 - intensives Lernen 142 - Lernen als Gedächtnishilfe 277 - Lernen als Metapher 95 f., 112 - Lernen der Erzväter 291 - Lernen des Gotteswillens 135 f. - Lernen in der Reformationszeit 123, 320 - Lernen und Öffentlichkeit 183 - Lernen und politische Gewalt 130 - Lernprozeß 130, 160 f. - sittliches Lernen 170 - Sprachenlernen durch Sprechen 227 Lesefähigkeit (auch: Lektürekompetenz) 165, 167, 170-174, 237, 264, 268 s.a. Analphabetismus; Illiteralität Lesen (auch: Lektüre) s.a. Bibel; Erfahrung; Erkenntnis; Evangelium; Glaube; Herz; Hören; Katechismus; Leben; Lesenhören; Notiz; Prediger; Predigt; Randbemerkung; Schrift; Theologe; Unterstreichung; Vorlesen; Wahrheit; Wort Gottes

Sachen

- aneignende Lektüre 315 - Aufschwung des Lesens in der Reformationszeit 123, 320 - Dynamik des 261 - exemplarische Lektüre 148 - extensives Lesen 28 f. - individuelle Lektüre 232, 234 f., 238, 240 - intensive Lektüre (s.a. Gewissen) 15-30, 63, 144, 224, 235, 237, 265, 330, 332 - Konzentration der Lektüre 198 f. - lautes, sprechendes Lesen 26, 29, 65 f. - Lektüre bei Luther 5 f., 10, 12-30, 35, 6 4 - 66, 78, 118, 224 - Lektüre der Obrigkeit 130,133f., 276 - Lektüre und Heiliger Geist 330 f. - Lektüreauswahl 225 - Lektürehinweis 47, 53, 55 - Lesen als Artikulationsform 255—260, 263, 266 - Lesen als Gedächtnishilfe 277 - Lesen als Glaubenshandeln 240 - Lesen als Gotteslob 120 - Lesen als Handeln 18 - Lesen als Kommunikationsform 176 - Lesen als Lebenshaltung 263 - Lesen als Metapher 95 f., 100, 103 f., 110-112, 116 - Lesen als psychische Aktivität 249 - Lesen als Verlebendigung des Wortes 261 - Lesen der Apostel 315 f. - Lesen der Werke Gottes 227 - Lesen, nicht nur Besitz von Büchern 50, 182 - Lesen ohne Herz und Verstand 316 - Lesen und Meditation (auch: meditative Lektüre) 21-25, 27, 65 - öffendiches Lesen 181, 286, 315 - private Lektüre 172 - selbständige Lektüre 170 - tägliches Lesen 144, 160, 180, 224 f. - vertiefende Lektüre 268 - wertvolle Lektüre 200 - wiederholtes, oftmaliges Lesen 22, 144, 150, 159 - Wirkkraft des Lesens 232-238, 271 Lesenhören 172 s.a. Hören; Lesen;Vorlesen Leser 46, 59, 72, 188, 229 f., 232 Liebe 73, 81, 84, 99f., 133, 135, 149, 197 s.a. Gesetz; Sünde

371

-

Feindesliebe 99 Gesetz der Liebe 115 Liebe Gottes 101 f., 251 Nächstenliebe (s.a. Gebot) 133, 135 f., 196 Literatur s.a. Zensur - Literaturbedarf 31, 33 f. - Literaturbenutzung 33 Literatur (auch: Bücher, Schrift, Werk im literarischen Sinne; Schrifttum) s.a. Luthers Werke; Prediger - altkirchliche (vorreformatorische) Werke 321 - antike Literatur 13, 130, 224 - christliche Literatur 87 - deutsche Literatur 171, 182 - exegetische Literatur 151,266 - Fachliteratur 33, 75 - fremdsprachiges Schrifttum 171 - historische Literatur (auch: Geschichtsbuch) (s.a. Buch (3) 13, 126, 133, 148, 167, 169, 328 - juristische Literatur 128, 202 - Rechtsliteratur 128 - kirchengeschichdiche Literatur 225 - kirchliche Literatur 82, 148 - lateinische Werke 182 f. - Literatur der mittelalterlichen Kirche 74, 82, 148 - Literatur der Papstkirche 224 - Literatur theologischer Gegner 195, 224, 329 - mißliebige Literatur 202 - nichtchristliches Schrifttum 13 - nichtreligiöse Literatur 20 - päpstliche Literatur 124, 208, 221, 328 f. - philosophische Literatur 85 - Predigtliteratur (s.a. Postille) 266 - reformatorische Literatur 224, 322 - religiöse Literatur (s.a. Evangelium; Theologe) 119, 145 f., 151-153,155, 165, 197-201, 219, 225, 328 - schlechte Literatur 193 f. - schöne Literatur 13 - scholastische Literatur 154, 308, 318 - Schriften der Konzilien 278 - Schriften der Väter (Kirchenväter) 278 - Sekundärliteratur (s.a. Studium) 14, 20, 24, 26, 50, 146,149-151, 167 f., 197 - Spezialliteratur 28, 128 W

372

Register

-

theologische Literatur (s.a. Bücher (2) 13, 82, 119, 146, 151, 155, 197, 207, 225, 328 - unliebsame Literatur 205 - Unterhaltungsliteratur 28 - verbotene und verdammte Werke 318 - Volksliteratur 318 - wissenschaftliche Literatur 283 Logik 1 5 4 , 1 6 7 s.a. Wissenschaft Lutherbild s. Bibel; Buch; Druck; Predigt; Sprache; Wort Gottes Luthers Werke 2 8 0 , 3 2 9 s.a. Autorität - Gesamtausgabe der Werke Luthers 2, 46, 49-53, 146, 148, 194, 225, 277, 280, 310 - Sammelausgabe von Luthers Werken 49, 280, 331 f. Märtyrer 54 Magie 209 Manuskript 38, 46, 65 Massenmedium s. Medium Mathematik 154 s.a. Wissenschaft Meditation 12, 16, 2 1 - 2 5 , 27, 63, 65, 141 f., 191, 235, 237, 245, 254, 266 s.a. Bibel; Handeln; Heiliger Geist; Hören; Katechismus; Lesen;Verstehen Medium 4, 23, 40, 172-177, 182, 191, 226, 331 f. s.a. Reformation Medizin - Arznei (s.a. Bücher (2) 79 - Arzt (medicus) 9 1 , 1 2 3 , 282 f. Meinung s.a. Freiheit; Öffentlichkeit; Streit - irrige Meinung 221 f. - Lehrmeinung 141, 195 f., 220 f. - Meinungsäußerung 1 9 1 , 2 0 2 , 2 2 0 , 2 2 3 - Meinungsvielfalt 222 - öffentliche Meinung 41, 174, 176, 222 - Verbreitung von Meinungen 190 Mensch s.a. Amt; Buch (3); Bücher (2); Gebot; Geist; Gott; Gottesbeziehung; Handeln; Herrschaft; Kommunikation; Recht; Sprache; Verhalten; Verstand; Wort; Wort Gottes - äußerer Mensch 2 5 4 - 2 5 6 , 275 - geistlicher Mensch 328 - gottabgewandter Mensch 102

-

innerer Mensch (s.a. Leben) 22, 98, 125, 239, 254f., 275, 311 - Mensch als Herr über die Erde 289 - Mensch als imago Dei 305 - Natur des Menschen (humana natura) 9 9 f . , 102, 129, 133, 200, 284, 299 - natura corrupta 282 - neuer Mensch 250 - Substanz des Menschen 23 - Sünder (auch: gefallener, sündiger Mensch) 129, 136,152, 284 f., 294, 299, 327 f., 330 - Sünder und Gerechter zugleich 252 - Wesen des Menschen 96 Menschwerdung s. Gott Mentalität - Druckmentalität s. Druck Messe (Liturgie) 279, 317 Meßopfer 278 Metaphorik 86, 184 s.a. Bibel; Buchmetaphorik; Evangelium; Lernen; Lesen; Schrift; Theologie; Verstehen; Wort Gottes Moderne 191 s.a. Geschichte Mönchtum 82 f., 141, 318, 322 s.a. Augustinereremiten; Benediktiner; Bücher (2); Dominikaner; Franziskaner; Karmeliten; Kloster; Theologe Mohammedaner 84, 184 - s.a. Lehre (1) Mohammedanismus 184 f. s.a. Islam Moral 121 s.a. Erkenntnis; Ethik; Gute, das; Handeln; Leben; Lernen; Pflicht; Sittlichkeit; Tugend Mose (Bücher) 76, 88 - Erstes Buch Mose 2 8 1 , 2 8 7 , 2 8 9 , 2 9 2 , 301, 3 0 3 - 3 0 5 , 326 - Fünftes Buch Mose 1 4 6 , 2 5 1 Mündlichkeit 1 7 2 - 1 7 4 , 1 7 6 , 2 2 8 , 231 f., 263 f., 2 7 0 f . s.a. Bibel; Evangelium; Kommunikation; Rede; Wort Mund 253-255, 257, 263, 269 Mysterienspiel 147 Mystik 46, 98 Nachdruck s. Druck Nachwort (auch: Nachrede) 4 8 f . , 221

Sachen Natur 1 0 3 - 1 0 5 , 1 0 7 , 1 0 9 f . , 115-117, 292, 294 s.a. Buch (3); Erkenntnis; Gott; Mensch; Natur Neues Testament 55 f., 58, 75, 9 3 , 1 0 2 , 113, 145, 180, 214, 218, 231, 234, 258, 310, 329 s.a. Predigt; Zeitalter Notiz 18 f. s.a. Lesen Obrigkeit s.a. Amt; Autorität; Bibel; Gewalt (Einfluß); Herr (Herrschaft); Herrschaft; Lesen; Prediger; Recht; Regiment; Widerstand; Zeitalter; Zensur - altgläubige Obrigkeit 4 8 , 2 1 8 , 3 1 0 - Bücherverbrennung der Obrigkeit 205 - Einrichtung der Obrigkeit durch Gott 300 f. - Entwicklung zur Obrigkeit 304, 306 - Ermahnung der Obrigkeit 170 - Grenze der Obrigkeit 223 - kirchliche Obrigkeit 221 - magistratus 3 0 0 f . , 303 - Obrigkeit und Buch 126 f., 130-132, 276, 2 8 4 f . , 287, 302, 328 - Obrigkeit und Katechismus 161 - Obrigkeit und Luthers Druckvergabe 41 - obrigkeitliche Orientierung am Dekalog 169 - obrigkeitlicher Eingriff ins geistliche Amt 312 - religiöse Obrigkeit 183 - städtische Obrigkeit 79, 166 - väterliche Obrigkeit 304 - weltliche Obrigkeit 183, 221 oeconomia s. Stand bei Luther Öffentliche Meinung s. Meinung Öffendichkeit s.a. Bibel; Druck; Glaube; Heimlichkeit; Hören; Kommunikation; Lernen; Lesen; Meinung; Predigt; Publikation; Publikum; Publizität; Reformation; Streit; Veröffentlichung; Wahrheit - breite Öffentlichkeit 46, 50, 56, 77 f., 216, 218 - bürgerliche Öffentlichkeit 174 - Fachöffentlichkeit 183 - Luthers öffentliches Wirken 4 8 - 5 0 , 229

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-

Öffentlichkeit gegnerischer Meinung 221 - Öffendichkeit und Buch 8 , 7 1 , 1 7 4 191, 232, 328 - Öffendichkeit und Bücherverbrennung 210 - Öffendichkeit und Flugschrift 77 f. - Öffentlichkeit und persönlicher Lebenskreis 172 - Öffentlichkeit und Zensur 221 - reformatorische Öffentlichkeit 174, 176, 226, 332 - (sozial) begrenzte (auch: sektorale) Öffentlichkeit 176, 222, 332 Öffentlichkeitsarbeit 178 Offenbarung 2 3 f . , 8 4 , 9 7 , 9 9 , 1 0 3 f . , 110f., 115, 150, 303, 306 s.a. Evangelium; Geschichte; Lehre (1); Wahrheit Ohr (auris) 2 3 8 f . , 241, 243 f., 248, 253, 255, 257, 269, 273-275 Ordnung 125, 127 f., 218 Osmanen 54 s.a. Türken

Pädagogik 121 s.a. Didaktik; Erziehung; Schule; Unterricht; Unterweisung; Wissenschaft Papier 39, 43 f., 98, 101 f., 189, 282 Papisten 46, 1 5 3 , 1 8 4 , 194, 203, 205 f., 249, 258, 309 Papst (auch: Papsttum) s.a. Bibel; Buch (3); Bücher (2); Gebot; Gesetz; Herrschaft; Kirche; Lehre (1); Literatur; R e c h t ; Regiment; Theologe; Theologie; Zeitalter - Irrtümer des Papsttums 32 - K a m p f gegen das Papsttum 1 8 9 , 3 1 9 , 321 - Luthers Verhalten gegenüber dem Papst 4 1 , 5 1 - Papst als Antichrist (auch: Endchrist; Widerchrist) 148, 209, 310, 3 1 9 f . , 324 - Papst als Statthalter Christi 320 - Papst als Werkzeug des Teufels (auch: Satans) 309 - Papst auf der Seite des Teufels 209 - Papst und Buchdruck 192 - Papst und Bücherverbrennung 207 - Papstgeschichte 14, 28, 30 f. - Papsttum und Zorn Gottes 308 - religiöse Kenntnisse des Papsttums 321

374

Register

Papstkirche s. Kirche Paradies 2 8 1 - 2 8 3 , 287 f., 290, 293, 299, 304 s.a. Kirche Pastor 145 s.a. Geistlicher Patriarchen 2 8 9 - 2 9 2 , 294 f., 299, 301, 304 s.a. Erzväter Pergament 56, 277 Person (auch: Persönlichkeit, Personalität) 1 2 , 7 6 , 80, 96 f. 100, 112, 114 f., 160, 250f., 279, 314 s.a. Individuum; 1: Luther, Martin; Subjekt - Personzentrum s. Gewissen; Herz Pfaffe 216, 312, 318 s.a. Bücher (2); Geistlicher Pfarrer 17, 33, 1 4 4 , 1 5 1 , 1 5 5 , 1 5 7 - 1 6 0 , 169f., 172 f., 181, 187, 234, 312, 322 s.a. Geistlicher Pflicht 127, 131, 140, 157, 188, 207 s.a. Moral; Sittlichkeit - Amtspflicht 26 - soziale Pflicht 170 Pharisäer 241 Philosophie (auch: Philosoph) 12, 25, 52, 76, 84f., 91, 96, 129, 146 s.a. Bücher (2); Erkenntnis; Literatur; Wissenschaft Polemik 8 6 , 2 0 9 politia s. Stand bei Luther Politik 28, 125, 127, 130, 132, 177 s.a. Aktion; Amt; Gesetz; Gewalt; Handeln; Regiment Postille 26, 37 f., 41, 44, 7 3 , 1 4 9 - 1 5 1 , 153, 201, 266, 331 s.a. Buch (2); Literatur / Predigtliteratur Prädestination 95 Prediger s.a. Geistlicher; 1: Jesus Christus; Lehre (2); Teufel - Anforderungen an den Prediger 170, 236 - Bildung der Prediger 173 - Ermahnung der Prediger 26, 169 - faule Prediger 151 - Kirchenväter als Prediger 229 - Lesen der Prediger 235 - Literatur für Prediger 154 - Luthers Kritik an Predigern 322 - obrigkeitliche Behinderung der Prediger 312

-

Prediger als Diener 233, 260 Prediger und Heiliger Geist 98 Prediger und Katechismus 155, 1 5 7 -

160

- Prediger und Schreiber 234 - Prediger und Teufel 187 Predigt s.a. Amt; Evangelium; Katechismus; Literatur; Öffentlichkeit; Reformation; Sermon; Verkündigung - Aufschwung der Predigt in der Reformationszeit 123, 320 f. - Buch und Predigt 9, 63, 2 2 6 - 2 7 5 , 330 - Komplementarität von Buch und Predigt 2 2 6 - 2 3 8 , 265 f. 331 - Christi Predigt 1 8 0 , 2 2 9 , 2 3 7 - Druck von Lutherpredigten 178 - evangelische Predigt 331 - existentielle Notwendigkeit der Predigt 87 - geistliche Predigt 259 - Glaubenspredigt 258 - gute Predigt 308 - Hören der Predigt 238 - Kinderpredigt 161, 163 - lebendige Predigt der Erzväter 290 f. - leibliche Predigt 2 2 8 , 2 3 1 , 2 6 1 , 2 6 9 - Luthers Predigt 12 f., 50, 228 f., 331 - Niedergang der Predigt 237 - Öffentlichkeit der Predigt 231 f. - Predigt als akustischer Vorgang 272 f. - Predigt als Artikulationsform 255—260 - Predigt als Gotteslob 120 - Predigt als Vorstufe des Lesens 174 - Predigt als Werk Gottes 98 - Predigt der Auferstehung 74 - Predigt des Buchstabens 102, 258 f. - Predigt ist neutestamentlich 315 - Predigt und Bibel - lebendige mündliche Predigt der Heiligen Schrift 25 - Predigt der Bibel 1 6 , 1 4 4 , 1 6 5 - Predigt und Schrift 139 - Predigt und Breitenbildung 172 f. - Predigt und Buchmetaphorik 106, 109, 112, 118 - Predigt und gedrucktes Wort 177 - Predigt und Heiliger Geist 330 f. - Predigt und Lutherbild 3 - Predigt von Christus 1 4 1 , 2 6 3 - Predigtvorbereitung 21 - thematische Predigt 25 - Unmittelbarkeit der Predigt 237, 331 - Volkspredigt 1 7 2 , 2 3 6

Sachen -

Winkelpredigt 179, 184 Wirkung der Predigt 101 f., 140, 2 3 2 238 Priester 279 s.a. Geistlicher - Priestertum aller Gläubigen 157, 191 Privatheit 180 s.a. Kommunikation; Lesen Professor (auch: Hochschul-, Universitätslehrer) 32 f., 202, 317 s.a. Gelehrter - Luther als Professor 2, 12, 16 f., 19, 28, 35, 63, 214 - theologischer Lehrer 92, 145 f., 150, 196, 228, 236, 312 Propaganda 77 f., 178 Prophet 253, 277, 289, 314f., 324 Prophetische Bücher (Bibel) 314 Psalmen (auch: Psalter) 15, 20, 26 f., 161, 164 Psychologie 9 6 , 2 6 4 s.a. Wissenschaft Publikation 33, 3 6 - 3 8 , 4 0 - 4 2 , 45 f., 4 8 50, 52f., 55, 58, 66, 72, 182, 191, 206, 212, 216, 222, 232 s.a. Freiheit; Gerechtigkeit; Öffentlichkeit; Veröffentlichung; Zensur - Publikationsdruck 194 Publikum 42, 47, 183 s.a. Öffentlichkeit Publizität 176 s.a. Öffentlichkeit Quellenwerk 14, 20, 28, 30, 33, 46, 53 Randbemerkung (am Text) 32, 221 s.a. Lesen Recht s.a. Bibel; Bücher (2); Erkenntnis; Gewalt (Einfluß); Gott / Wille Gottes; Grundrecht; Handeln; Herz; Jurist; Literaturjuristische; Regiment; Sünde - biblisches Recht 177 - Buchrecht (auch: Recht im Buch) 128, 130f., 169, 284 - gegen die Bosheit gerichtetes R e c h t 125 - geistliches Recht 48, 82, 86, 91 - Gottes Recht 129, 223 - historisches Recht 132 - höheres (auch: überpositives) Recht 217, 220 - kaiserliches Recht 127, 188

-

375

kanonisches Recht 82, 147, 192, 2 0 2 f „ 207, 3 1 0 , 3 1 6 - Corpus Iuris Canonici 308 - katechetische Vermittlung von Recht und Unrecht 160 - kodifiziertes (auch: geschriebenes) Recht 128f., 134, 169, 2 2 0 , 3 0 0 , 302, 306 - menschliches Recht 177 - Naturrecht (auch: natürliches Recht) 126, 1 2 8 - 1 3 0 , 1 3 2 f., 135, 302 - Notwendigkeit rechtlicher Regelungen 1 9 6 - 1 9 8 - päpstliches Recht 47 f., 52, 8 3 , 1 8 8 , 208, 220, 240 - Dekret 30, 48, 52, 82 f., 89, 144, 208, 308 - Dekretalen 52, 184, 308 - positives Recht 133 - Recht als Leitlinie von Regierung und Obrigkeit 1 3 1 , 2 0 7 - Rechtsnorm 1 3 4 , 2 7 8 - Rechtsordnung 207 - Reichsrecht 188 - Römisches Recht 127, 131, 133 - weltliches Recht (s.a. Vernunft) 197, 217, 300 Rechtfertigung 97, 125, 142, 162, 164, 177, 183, 186, 331 Rechtswissenschaft 20 s.a. Wissenschaft Redaktion (als Tätigkeit) 12, 46, 56, 5 8 63, 65, 330 Rede 22, 6 7 , 1 6 0 , 227, 233, 235 f., 238, 240, 262 s.a. Gespräch; Heiliger Geist; Sprechen; Stimme; Teufel; Wort Gottes Reformation s.a. Bewegung (Gesellschaft); Bücher (1); Erkenntnis; Erziehung; Handeln; Katechismus; Kirche; Lehre (1); Lesen; Literatur; Öffentlichkeit; Theologe; Theologie; Wort Gottes; Zeitalter - Breitenwirkung der Reformation 175, 200, 226, 330 - historische Dokumentation der Reformation 50 - lutherische Reformation 216 - Luthers Beitrag zur Reformation 64 - radikale Reformation 194 f. - Reformation als Endzeit 319 f. - Reformation und Bibel 3, 147, 165, 307, 309, 313

376 -

-

Register

Reformation und biblische Wahrheit 194 Reformation und Breitenbildung 165 f., 173 Reformation und Buch 4 , 8 , 1 5 2 , 1 7 5 , 261, 319, 327, 332 Reformation und Buchdruck 4 f., 36, 175, 177, 191 f., 321, 3 2 3 , 326, 3 2 8 Reformation und Evangelium 330 Reformation und Freiheit 191 Reformation und Luthers Editionspraxis (s.a. Herausgeber) 47, 4 9 Reformation und Medienvielfalt 331 f. Reformation und Öffentlichkeit 174— 178 Reformation und Predigt 226, 2 7 3 Reformation und theologische Tradition 82 Reformation und Wittenberger Buchdruck 3 6 - 4 2 Reformation und Zensur 1 9 9 , 2 1 1 -

216

- Wittenberger Reformation 81 Reformierte 1 9 4 , 3 2 3 R e g e n t 91, 131, 171 f. s.a. Herr (Herrschaft) Regiment s.a. Gewalt (Einfluß); Herr (Herrschaft); Herrschaft; Obrigkeit; R e g e n t - antichristliches R e g i m e n t des Papstes 319, 324 - geistliches R e g i m e n t Gottes 6 3 , 9 1 , 123 f., 1 7 1 , 2 1 8 , 2 2 3 , 3 2 3 - gerechtes R e g i m e n t 127 f., 131 - Gottes R e g i m e n t 1 8 7 , 3 1 1 - gottgefälliges R e g i m e n t 128 - gutes R e g i m e n t 285, 287 - Hausregiment 126, 157 - kirchliches R e g i m e n t 2 0 9 , 234 - obrigkeitliches R e g i m e n t (s.a. Verstand) 1 2 7 , 2 1 1 , 2 8 5 - öffentliches R e g i m e n t 172 - päpstliches R e g i m e n t 202; 2 0 8 - politisches R e g i m e n t 126, 284 - politisch-rechtliches R e g i m e n t 124 - rechtliches R e g i m e n t 131 - R e g i m e n t der Erzväter 302 - weltliches R e g i m e n t (s.a. Bibel; Gesetz; Glaube; Wahrheit; Wort Gottes) 8, 28, 63, 87, 91, 100, 118, 1 2 3 - 1 3 5 , 169, 171, 217, 223, 3 0 0 - 3 0 6 , 323, 327 R e i c h Christi 82

R e i c h Gottes 125, 244, 262 Reichstag - Augsburg 1530 94, 1 9 5 , 3 2 0 - Nürnberg 1 5 2 2 / 2 3 — Zensurmandat 2 1 1 - 2 1 3 , 2 1 7 - 2 2 0 - Speyer 1542 54 - Worms 1521 2 2 3 Religion 53, 83, 146, 1 7 4 f . , 185, 190, 219 s.a. Erziehung; Leben; Literatur; Streit; Wissen - antike Religion 85 - Gesetzesreligion 186, 190 - religio Christi 184 - wahre Religion (vera religio) 192 f. R h e t o r i k 79, 154, 167 s.a. Wissenschaft R ö m e r b r i e f 2 , 2 1 , 3 4 , 145 Sachprosa 75 Sakrament 87, 138 Sakramentierer (Sacramentarii) 199, 323 Sammelwerk (auch: Sammelschrift) 14, 46, 49 f. s.a. Buch (2); Luthers Werke Satan 187, 209, 244, 299, 308 s.a. Papst;Teufel Schmalkaldischer Bund 125 Schöne Literatur s. Literatur Schöpfer s. Gott Schöpfung 9, 1 0 3 - 1 1 1 , 116, 122, 291, 299 Schöpfungsgeschichte 2 8 9 Scholastik 12, 15, 25, 52, 147, 225 s.a. Bibel; Literatur;Theologe; Theologie Schreiben 13, 16, 18, 67, 99, 120, 142, 1 6 8 , 1 7 0 , 180 f., 189 f., 1 9 5 , 2 3 4 - 2 3 6 , 315 s.a. Schrift Schreiber (auch: Skribent) 15, 47, 187, 196, 229, 234 s.a. : Jesus Christus; Prediger Schreibfeder (calamus) 18, 25, 282 Schrift (Heilige Schrift) s.a. Bibel; sola scriptura - Klarheit der Schrift 140 - Schriftstudium s. Bibel / Bibelstudium - Schriftverständnis 1 1 7 , 1 4 9 - Luthers Schriftverständnis 4, 1 3 7 141, 270 - Selbstauslegung der Schrift 139 f. Schrift (Literarisches Werk) s. Literatur

Sachen

Schrift (Schriftlichkeit) s.a. Gesetz; Schreiben; Wort; Wort Gottes; Zeitalter, skriptographisches - Leben ohne Schrift 289, 292 - Reichweite der Schrift 232 - Schrift als Bewahrerin der Uberlieferung 1 - Schrift als Medium des Wortes 2 5 5 260 - Schrift als Metapher 97-99 - Schrift als Waffe des Teufels 309, 322 - Schrift im Herzen 180 - Schriftlichkeit als Ersatz urständlicher Erkenntnis 282 - Schriftlichkeit als Wirklichkeitsbewältigung 92 - Schriftlichkeit in biblischer Zeit 314 - Schriftlichkeit und Lesen 19 - Schriftlichkeit und Wirksamkeit Luthers 178 - skriptographische Kultur 177 - Schriftkultur 302 - tote Schrift (scriptura mortua) 231, 235 Schriftgelehrter (scriba) 189, 229, 253 f. Schriftsteller 10,12f., 39, 56, 58, 63, 68, 86, 188, 330 Schulbuch s. Buch (2) Schule (auch: Schulwesen) 7, 79, 120— 123, 155 f., 161, 166, 170, 173, 312, 318, 320, 332 s.a. Bildung / Bildungswesen; Buch (2); Didaktik; Erziehung; Hochschule: Hohe Schule; Lernen; Pädagogik; Universität; Unterricht; Unterweisung Schwäbischer Bund 214 Schwärmer 34, 84, 122, 194f., 323 s.a. Bücher (2) scientia 206 s.a. Wissen;Wissenschaft Seele 99, 124 f., 195, 223 f., 294, 322 s.a. Gott;Volk - Seelengrund 98 - Seelenheil (s.a. Heil) 136, 209 - Seelenpotenz 96 Sehen 27, 95, 179, 242, 244, 274 f. s.a. Hören - Schauen 176 Sekte 154, 195, 311 Sekundärliteratur s. Literatur Selbstheiligung 136 s.a. Gerechtigkeit / Werkgerechtigkeit Selbstrechtfertigung 262 s.a. Gerechtigkeit / Werkgerechtigkeit

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Seligkeit 145 f., 162-165, 310 s.a. Wissen serendipity 32 f. Sermon 33, 38, 42 s.a. Predigt Singen 19,67,74,120, 153, 244f., 248f., 280, 316 s.a. Buch (2) / Gesangbuch Sinneswahrnehmung s. Wahrnehmung Sintflut (auch: Diluvium) 287-291, 293 f., 296-299, 301, 303-305, 314, 326 Sittlichkeit 19,121, 124,126, 135, 170, 173 s.a. Ethik; Gute, das; Handeln; Leben; Lernen; Moral; Pflicht; Tugend — Sitte (auch: mores) 130, 184 f. sola scriptura 3, 90, 138, 140 f., 177, 273 s.a. Bibel; Schrift (Heilige Schrift) solus Christus s. Christus allein Sophisten 316, 322 s.a. Bücher (2); Theologe Spezialliteratur s. Literatur Sprache s.a. Gott; Lernen — alle Sprachen der Welt 171 — alte Sprachen 61, 79 — Ausgangs- und Zielsprache 57 — biblische Sprachen 57, 154, 167, 277 — göttliche, himmlische Sprache 85 — heilige Sprache 63 — Landessprache 2 f. — lebendige Sprache 261 — Lehre von Sprachen 154 — Lernen von Sprachen 227 — menschliche, irdische Sprache 85 — Muttersprache 59 — Originalsprache der Bibel 63, 79, 167 — semitische Sprachen 55 — Sprache (Sprechen) 267, 270 — Sprache und Lutherbild 3 — Sprachenkenntnis 154, 276 f. — Ursprachen der Bibel 59, 171 — Volkssprache 2 , 5 5 , 1 7 7 — Wissenschaftssprache 2 Sprachwissenschaft 18 f., 56 s.a. Wissenschaft Sprechen 20, 23, 26 f., 176, 234, 256 s.a. Gespräch; Katechismus; Lernen; Rede; Stimme; Wort; Wort Gottes Staatsgewalt s. Gewalt (Einfluß) Stadt 7, 79, 90, 128, 132,166, 169, 174 f., 212, 214 s.a. Obrigkeit

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Register

Stand (Stände) bei Luther 295, 304 f., 312 f. s.a. Sündenstand, Urständ - Dreiständelehre 282 - ecclesia 281, 295, 304 f. - oeconomia 2 8 1 , 2 9 5 , 3 0 4 - ordo oeconomicus 282 - politia 281 f., 284 f., 287, 295, 301, 303 f. - katholische und protestantische Stände 54 - Reichsstände 211 Sterben 74, 77, 107 s.a. Tod Stift 146, 155, 320 f. s.a. Kloster Stimme s.a. Gespräch; Gott / vox domini; Rede; Sprechen - Gebrauch der Stimme 24, 26, 29, 65 f. - innere Stimme 256 - lebendige Stimme (viva vox) 227, 229, 231, 233-236, 253, 261, 267, 289, 290, 292 - leibliche Stimme 228 - Stimme als Kennzeichen mündlicher Komunikation 254 - Stimme als M e d i u m des Wortes 2 5 5 260 - Stimme der Bischöfe 235 f. - Stimme u n d Wort 2 5 3 , 2 5 5 , 2 6 3 - tote Stimme (mortua vox) 253, 267 Strafe s. Gott; Sünde - Strafgewalt s. Gewalt (Einfluß) Streit s.a. Bibel; Wahrheit, öffentliche Auseinandersetzung - Abendmahlsstreit 84, 195, 199 - antinomistischer Streit 216 - historischer Streit und Buchbegriff 85 - Lehrstreit 183 - Meinungsstreit 191, 202, 208, 220 f. - öffentlicher Streit 41, 187, 203 - religiöserStreit 211-213, 309 f. - Streit für die christliche Lehre 151, 184 - Streit gegen schlechte Bücher 200 - Streit mit päpstlichen Theologen 15 - theologische Streitigkeit 8 1 , 2 1 3 Streitschrift 38, 72, 125, 153, 204 Student (studiosus) 19, 32, 46, 202, 205, 207 Studium s.a. Bibel; Geschichte; Lernen - Bücherstudium 15, 18, 29

-

Studium als Gedächtnishilfe 277 Studium des schriftlichen Wortes 237 Studium fürs obrigkeitliche Amt 130, 133 - Studium religiöser Texte 25 - Studium sapientiae 282 - Studium und Buch 63 - Studium und Heiliger Geist 330 f. - Studium u n d Teufel 187 - Studium u n d Urteilsvermögen 134 - Studium von Sekundärliteratur zur Bibel 150 - theologisches Studium 148,150, 152, 172, 199 Stundenbuch s. Buch (2) Subjekt 148, 169, 244, 246 s.a. Individuum; Person Sünde s.a. Erfahrung; Erkenntnis; Freiheit; Geschichte; Leben; Mensch; Theologe - Erbsünde (peccatum originis) 283, 297 - existenzbestimmende Sünde 300 - geschichtliche Dynamik der Sünde 327 - Macht der Sünde 100 - soziale Bedeutung der Sünde 312 - Sünde - Glaube u n d Liebe 81 - Sünde bei den Israeliten 314 f. - Sünde und Bibel 85, 90, 145, 230 - Sünde und Buch 8 , 1 8 1 , 2 8 1 - 2 8 7 , 290, 302, 324, 326-332 - Sünde und Buchmetaphorik 112,116 - Sünde und R e c h t 129f., 132f., 135 - Sündenfall 128f., 281 f., 288, 293, 299, 305, 314 - Sündenfolgen 291, 301, 326-330 - Sündenstand 282 - Sündenstrafe 282, 301 - Sündenvergebung 8 3 , 1 3 9 , 2 5 9 , 2 7 9 , 286 f. - Sündenwehr 1 2 3 , 2 9 0 , 2 9 5 , 3 0 0 , 3 0 2 , 304, 306, 312-314, 327-330, 332 - U b e r w i n d u n g der Sünde 325 - Christi U b e r w i n d u n g der Sünde 9 5 , 1 8 5 - Zeit der Sünde (s.a. Geschichte) 281, 285, 290 Sündlosigkeit 281 Synagoge - Synagoge - Kirche 234 Täufer (auch: Wiedertäufer) 8 4 , 3 0 9 , 3 1 1 , 324

Sachen Talmud 83, 89, 144, 201 Taufe 74, 83, 94,101, 106, 163,170, 233, 318 Territorium (des Heiligen Römischen Reiches) 212, 214 - protestantisches Territorium 223 Teufel s.a. Buch (3); Lehre (1-2); Papst; Prediger; Satan; Schrift; Studium; Theologe; Wort - Abkehr vom Teufel 328 - Angriffe des Teufels 309 - Entmachtung des Teufels 114 - Handeln des Teufels in der Geschichte 313 - Kampf gegen den Teufel 244 f., 330 - Lehre gegen den Teufel 159 f. - Lügen des Teufels 184 - R e d e des Teufels 240 - T e u f e l - G o t t 186 f., 307 f. - Teufel als Feind der Prediger 187 - Teufel in der Kirche 316 - Teufel und Buch 188 - Überwindung des Teufels 325 - Verteidigung gegen den Teufel 151 Theologe - buchgebildete Theologen 123,283 - Luther als Bibeltheologe 9 2 , 1 8 1 , 2 8 1 , 287 - Mönchstheologen 318 - päpstliche Theologen (s.a. Streit) 15, 82, 206 f. - protestantische Theologen als Luthergegner 84 - reformatorische Theologen 188 - romtreue Theologen 195 - scholastische Theologen 318 - sophistische Theologen 82 - Theologe im Urständ 282 - Theologe und Bibel 167 - Theologe und Lektüre (auch: Studium) der Bibel 17, 20, 143-145, 237 - Theologe und religiöse Literatur 172 - Theologen gegen Sünde und Teufel 330 - Theologen und Laien 310 Theologie s.a. Amt; Autorität; Bücher (2); Erkenntnis; Lehre (1); Literatur; Professor; Scholastik; Streit; Studium; Theologe; Wissenschaft - altgläubige Theologie 207 - evangelische Theologie 77

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- gegnerische Theologie 190 - Luthers Theologie 1 0 , 1 2 , 4 0 , 4 7 , 6 6 , 178, 183, 187, 261, 273 - mittelalterliche Theologie 148,197 - päpstliche Theologie 53, 206 f., 217 - reformatorische Theologie 93, 273 - römische Theologie 2 8 , 1 5 3 - scholastische Theologie 202, 206 f., 221,224, 316f. - Straßburger Theologie 49 - Theologie des Kleinen Katechismus 156 - Theologie und Bibel 137 - biblisch begründete Theologie 208 - Theologie und (Buch-) Metaphorik 93, 114 Tinte (atramentum) 44, 97 f., 189, 282 Tod 85, 87, 90, 94f., 106,145, 230, 243, 255 f., 259, 292 s.a. Freiheit; 1: Jesus Christus; Sterben Toleranz 191, 222 f. Tradition 93, 120, 131 f., 148, 150, 171, 203, 205, 270, 274, 282 s.a. Reformation; Uberlieferung Traktat 4 2 , 7 2 s.a. Buch (2) Trinität (auch: Dreieinigkeit) 114, 186, 309, 316 Trost 145 f., 189, 195, 234 s.a. Buch (3) Türken 74, 83, 89 f., 123, 144, 185, 189, 311, 313 s.a. Osmanen Türkengefahr 5 3 f . ; 3 1 1 f . Tugend 84, 100,295 s.a. Moral; Sittlichkeit Typographie s. Druck (Buchdruck); Zeitalter Tyrannei 218, 299 Überlieferung 1, 119, 126, 147, 163, 169, 276-280, 306, 326 f. s.a. Schrift; Tradition Überzeugung 8, 77, 190, 201, 249 Unchristen s. Bücher (2) Ungerechtigkeit 299 Ungläubige 2 5 1 , 3 1 1 Unglaube 256 Universität 147, 154, 208, 317 f. s.a. 3: Erfurt; Frankfurt (Oder); Paris; Wittenberg s.a. Amt; Hochschule; Hohe Schule; Lehre (2); Lernen - Universitätsreform 149, 154

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Register

Unrecht 83, 160, 205, 299, 310 Unschuld 282 - Luthers Unschuld beim Publizieren 188 - Stand der Unschuld 282 Unterhaltungsliteratur s. Literatur Unterricht 17,77, 121 f., 144, 155 f., 158, 161, 163, 170, 173, 206 s.a. Didaktik; Erziehung; Schule; Pädagogik; Unterweisung Unterstreichung 18 f. s.a. Lesen Untertan 131,171,223 Unterweisung 27,121, 158 f., 163,165, 173, 235, 295 s.a. Didaktik; Erziehung; Pädagogik; Schule; Unterricht - Gewissensunterweisung (auch: -schärfung,-unterrichtung) 120, 152, 167 Urständ 281 f., 284, 287, 290, 293f., 297, 304 f. s.a. Erkenntnis; Gebot; Gerechtigkeit; Kirche; Theologe Urteilsvermögen 134 f., 328 s.a. Studium Vaterunser 160f., 163f., 248f. Verbrennung von Büchern s. Bücher (1) Verdammung - Verdammung der evangelischen Lehre 203,206 - Verdammung des Evangeliums 319 - Verdammung von Büchern 75, 319 Vergangenheit 53, 123, 132, 146, 148, 199, 279, 283, 285, 327 s.a. Geschichte Verhalten - Buch stabilisiert menschliches Verhalten 278 Verheißung 23, 122,153, 230, 256, 265, 268, 291, 295 Verkündigung 25 f., 63,109,153, 159, 191,245, 261 f., 269, 272f. s.a. Predigt Vernichtung von Büchern s. Bücher (1) Vernunft (ratio) s.a. Buchstabe; Erkenntnis; Gebot; Gewissen; Leben;Verstand - Dinge der Vernunft 84 - freie Vernunft 134 - Reichweite der Vernunft 242, 280 - Vernunft als Maßstab der Buchbeurteilung 89, 119

-

Vernunft in der Christenheit 320 Vernunft und Buch 122 f. Vernunft und Glaube 91, 123 Vernunft und Heilige Schrift 16,24, 149, 271 - Vernunft und Heiliger Geist 24 f., 27 - Vernunft und natürliches Gesetz 98, 100 - Vernunft und obrigkeitliches Amt 127, 133, 135 - Vernunft und weltliches Recht 197 f., 328 Veröffentlichung 41, 46, 49-52, 54-56, 71, 75, 178, 182, 201, 213, 218 s.a. Bibel; Öffentlichkeit; Publikation; Zensur - Erstveröffentlichung 40, 46 VeröfFentlichungsverbot s. Zensur Verstand s.a. Erkenntnis; Lesen; Vernunft - böser Verstand 292 - rechter Verstand 249 f., 252 - Verstand als menschliches Vermögen 249 - Verstand der Erzväter 291 f. - Verstand im mundus originalis 293 - Verstand in der Christenheit 320 - Verstand und Gesichtssinn 242 - Verstand und Heilige Schrift 149, 168 - Verstand und Heiliger Geist 25 - Verstand und natürliches Gesetz 99 - Verstand und obrigkeitliches Regiment 127 Verstehen (auch: Hermeneutik) s.a. Gewissen; Heiliger Geist; Schrift (Heilige Schrift) - beeinträchtigtes Verstehen 136 - geistliches Verstehen 255 f., 259,266, 269, 273 f., 331 - Glaubensverstehen 248, 253, 260, 267 - Luthers Hermeneutik 256, 264 - rechtes Verstehen 257,259 - Textverstehen 18 - Verstehen der Bibel 17, 27, 103, 248 - Verstehen der biblischen Wahrheit 167 - Verstehen des Gotteswortes 9, 247 f., 254 - Verstehen des Katechismus 157,160, 170 - Verstehen im Gehör 247 - Verstehen im Herzen 247, 269, 273 - Verstehen und Meditation 21-24, 65

Sachen

- Verstehen und Metaphorik 113 - Verstehen mit Hilfe von Buchmetaphorik 105-111,117 Volk (populus) 113, 154,163, 169f„ 172 f., 199, 204, 210, 228, 236, 278 s.a. Gemeiner Mann; Literatur; Predigt; Sprache - Kirchenvolk 195 f. - Seele des Volkes 322 - vulgus 235 f. Vorlesen 157, 171-173, 232, 275 s.a. Lesen; Lesenhören Vorlesung 109 - Luthers Vorlesungen 12,50,183, 228 f. Vorwort (auch:Vorrede) 47-49, 52 f., 221 Vorzensur s. Zensur Wahrnehmung (auch: Sinneswahrnehmung) 2 3 9 , 2 6 4 , 2 6 9 , 2 7 1 , 2 7 5 s.a. Glaube Wahrheit s.a. Bibel; Bücher (2); Erkenntnis; Evangelium; Hören; Leben - biblische Wahrheit (s.a. Verstehen) 24, 90f., 140,155,163 f., 194, 221, 328 f., 332 - christliche Wahrheit 19,90,119,125, 221, 229, 246 f., 285, 310, 316, 326 - evangelische Wahrheit 183,188-190, 204, 217 f., 220-222, 225 f., 232, 329 - Glaubenswahrheit 82, 327 - historische Wahrheit 183 - Lernen der Wahrheit 332 - Lesen der Wahrheit 166 - Maßstab der Wahrheit 243 - öffentliche Auseinandersetzung um die Wahrheit (s.a. Streit) 183-191, 221 f. - Offenbarungsweisen der Wahrheit 253 - wahre Wahrheit - gültige Wahrheit 190 - Wahres in heidnischen Büchern 86 - Wahrheit als Kriterium der Buchbewertung 225 - Wahrheit des Lebens in der Schrift 140 - Wahrheit im Herzen 180, 239 - Wahrheit und Bibelverständnis 138 - Wahrheit und Bildung 8, 148 - Wahrheit und Buch 8,183-191,220, 225, 328, 332 - Wahrheit und Buchbegriff 88-93

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- Wahrheit und Buchmetaphorik 104, 113 - Wahrheit und Bücherverbrennung 204, 206, 210 - Wahrheit und Büchervernichtung 210 f. - Wahrheit und nichtbiblische Bücher 146, 149-151, 153, 166-169 - Wahrheit und Öffentlichkeit 180 - Wahrheit und weltliches Regiment 131 - Wahrheit und Zensur 217, 222 Weiser 253 Weisheit (sapientia) s.a. Studium - urständliche Weisheit 283,293,296, 299, 301, 314 - Weisheit Adams 293 - Weisheit der Erzväter 292 - Weisheit des Gerechten 257 - Weisheit des Menschen 85, 90f., 99 f., 125, 127 f., 282f., 328 - Weisheit ohne Bücher 314 - Weisheit zur Seligkeit 145 Welt 29, 82, 9 0 , 1 0 5 , 1 2 4 - 1 3 5 , 1 5 1 , 1 7 0 , 192, 195, 285, 292, 296, 299, 319, 325 s.a. coram mundo; Erkenntnis - mundus originalis (auch: primus mundus; Erste Welt; originale Welt) (s.a. Erfahrung; Erziehung; Glaube; Kirche; Leben;Verstand; Wort Gottes; Zeitalter/ primum saeculum) 281, 287-296, 297-299, 302-306, 314, 326 - secundus mundus (auch: Zweite Welt) (s.a. Gegenwart) 288-292, 295 f., 298-302, 305 f., 314, 326 Weltdeutung 84 Weltgeschichte s. Geschichte Weltverständnis 85 Werk - äußerliches Werk 81 - gute Werke (opera bona) 153, 185 - Werk Christi 94, 96, 243, 248, 259 - Werk des Menschen 99,110,244, 248, 251, 259, 262, 280, 286, 317, 330 - Werk des Teufels 322 - Werk Gottes s. Gott Werk (Literatur) s. Literatur Werkgerechtigkeit s. Gerechtigkeit Widerstand (gegen die Obrigkeit) 218, 310 Wille 22, 149, 187,223,286 s.a. Gott - gesellschaftliche Willensbildung 221

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Register

Willkür 37, 66, 131, 205, 2 0 8 s.a. Freiheit; Herrschaft Wirtschaft - Wirtschaftliches Denken 41 f., 56, 65, 329 — Wirtschaftliches Handeln s. Handeln Wissen s.a. Bildung; Druck; Kunst (Kenntnis); scientia — Aneignung von Wissen (auch: Wissenserwerb) 27, 35, 116, 133 — Begrenzung des Wissens 183 — Bewahrung des Wissens 1 1 9 , 1 6 6 , 2 7 6 , 327 — Buchwissen (s.a. Erfahrung; Geist) 120, 134, 156 — Erfahrungswissen 283 — Expertenwissen bei der Bibelrevision 61 - gelehrtes Wissen 278 — Geltung von Wissen und B u c h druck 178 — Glaubenswissen 165, 246 - Katechismuswissen (auch: katechetisches Wissen) 1 7 0 , 1 7 3 — lebensbedeutsames Wissen 66 - religiöses Wissen 1 2 0 , 1 7 2 - Verlust von Wissen 277 - weltliches (auch: säkulares) Wissen 79, 120, 169, 172 - Wissen der Bibel 125 - Wissen der Erzväter 292 - Wissen in menschlichen Büchern 126 - Wissen ohne Bücher 294 - Wissen und Lebenserfahrung 2 7 8 - Wissen zur Seligkeit 162 f. — Wissenstransfer 174 Wissenschaft (auch: Forschung) 14 f., 18, 2 0 f . , 24, 28, 63, 92, 293 s.a. Bildung; Geisteswissenschaft; Kunst (Kenntnis); Literatur; Logik; Mathematik; Pädagogik; Philosophie; Psychologie; Rechtswissenschaft; Rhetorik; scientia; Sprache; Sprachwissenschaft; Theologie Wohlfahrt 131 Wormser Edikt 211 f., 329 Wort s.a. Buchstabe; Herz; Leben; Lesen; Stimme; Wort Gottes — äußeres Wort (verbum externum) 23, 139 f., 2 4 4 f., 2 4 9 - 2 5 3 , 2 5 9 f., 263, 267, 269, 331

-

Artikulation des (Gottes-) Wortes 229, 238, 244, 254, 264, 266, 2 6 9 - Artikulationsform des (Gottes-) Wortes (s.a. Gedanke; Lesen; Predigt) 227, 2 3 1 , 2 4 5 , 2 4 8 , 2 5 5 - 2 6 0 , 267 - Gegenwart und Präsenz des Wortes 2 5 4 - 2 6 0 , 2 6 4 - geistliches Wort 254 f. - gesprochenes Wort 254 - inneres Wort (s.a. Leben) 23, 139, 2 4 4 f . , 2 5 0 , 252, 260, 269, 331 - Kommunikation des Wortes (geistliche, mündliche, schriftliche) 2 5 4 - 2 6 0 - Kommunikationsweisen des Wortes 2 5 3 f. - lebendiges Wort 227 f., 262 f., 267, 269, 271, 273 - lebenswirksames Wort 2 6 8 - Medium des Wortes (s.a. Buch; Buchstabe; Herz; Schrift; Stimme) 2 5 4 f., 2 5 7 , 264 - mündliches Wort (s.a. Evangelium) 7, 9, 2 2 6 - 2 7 5 , 331 - natura verbi 270 - Rezeption des (Gottes-) Wortes 229, 231 f., 234, 2 3 8 - 2 4 5 , 246 f., 2 5 0 , 254, 264, 266, 2 6 9 - 2 7 1 , 274, 331 - Rezeptionsform des (Gottes-) Wortes 227, 230, 248, 255, 2 5 7 , 2 6 7 , 2 7 4 f. - schriftliches Wort (Gottes) (s.a. Evangelium; Studium) 7 , 9 , 1 7 9 , 2 2 6 - 2 7 5 , 331 - Präsenz des schriftlichen Wortes 254 f. - totes Wort 2 2 7 , 2 3 1 , 2 5 5 , 2 6 6 - Wirkkraft des Wortes 2 4 0 , 2 5 3 , 2 7 1 273 - wirksames Wort 2 6 9 - Wirkung des Wortes 254 f., 2 6 5 - Wort als Waffe des Teufels 3 0 9 - Wort Christi 27, 57, 180 - Wort des Menschen 99, 2 7 4 - Wort in der Gemeinschaft 232, 271 f. - Wort in der Lutherinterpretation 2 6 0 - 2 7 4 Wort Gottes s.a. Erfahrung; Erkenntnis; Freiheit; Hören; Katechismus; Verstehen; Wort - Adressat des Gotteswortes 229, 2 3 4 - Dienst am Wort Gottes 1 8 1 , 3 1 2 - Entfremdung vom Wort Gottes 3 2 4 - Gefährdung des Gotteswortes 195 f.

383

Sachen geschriebenes, gelesenes - gesprochenes, mündliches, gepredigtes, verkündigtes, gehörtes Wort Gottes 226—275 Kommunikationsformen des Gotteswortes 119 f., 153 lebendiges Wort Gottes 290 Lesen des Wortes Gottes 16, 239 Luthers Kritik am geschriebenen Gotteswort 227 f. Mangel am Gotteswort in Mönchsbüchern 83 Mißbrauch des Gotteswortes 329 Nichtbeachtung des Gotteswortes 101, 116 Substanz des Menschen im Gotteswort 23 Unkenntnis des Gotteswortes 143 Verachtung des Gotteswortes 249, 322 Vertrauen aufs Wort Gottes 246 Widerstand gegen das Wort Gottes 312 Wirkkraft des Gotteswortes 232—238 Wirkungsmacht des Gotteswortes 2 4 6 - 2 6 0 , 267 f. Wort Gottes als geistliches Schwert 244 Wort Gottes als Gesetz 256 Wort Gottes als Gottesgeschenk 16, 259, 307 Wort Gottes als historischer Faktor 311 Wort Gottes, Gewissen und Gehör 239 Wort Gottes im Herzen 97, 118, 240, 242, 244, 247 Wort Gottes im mundus originalis 292, 294 Wort Gottes in der Reformationszeit 152, 319 Wort Gottes und Bibel 9 0 , 1 4 1 , 1 4 5 f., 167, 179 Wort Gottes und Bibelverständnis 138 Wort Gottes und Glaube 95, 244, 249 Wort Gottes und Heiliger Geist 138 f., 230, 256, 267 Wort Gottes und Lutherbild 3 Wort Gottes und Metaphorik 113 Wort Gottes und Papst 209 Wort Gottes und weltliches R e g i ment 123 Wort Gottes unter der Bank (s.a. Bibel; Evangelium) 147, 286, 316 Wort Gottes von Jesus Christus 97, 100, 150 Zensurfreiheit des Gotteswortes 219 Zugang zum Wort Gottes 332

-

Zuspruch des Gotteswortes 234

Zehn Gebote s. Gebot Zeitalter s.a. Epoche; Geschichte; Gesetz - biblische Zeit 325 - buchloses Zeitalter 2 8 1 , 2 8 7 - 2 9 6 , 2 9 9 , 302, 306, 314 - Buchzeitalter 237, 293, 297, 302, 314 - Goldenes Zeitalter (aureum saeculum) 2 9 1 - 2 9 5 , 2 9 8 , 3 0 1 - perditissimum saeculum 323 - primum saeculum (s.a. Welt / mundus originalis) 288 f., 299, 314 - saeculum (Begriff) 298 - skriptographisches Zeitalter 78 - typographisches Zeitalter 78 - Weltzeitalter 297 f. - Zeitalter Christi 237, 297 - Zeitalter der Apostel 237 - Zeitalter der lex scripta 302 - Zeitalter der Obrigkeit 302 - Zeitalter der Reformation 318—324 - Zeitalter der Römischen Kirche 237 - Zeitalter des Alten Testamentes 314 f. - Zeitalter des Neuen Testamentes 236, 314-316 - Zeitalter des Papsttums 3 1 6 - 3 1 8 Zeitlichkeit 2 9 6 - 2 9 9 , 303 s.a. Geschichte Zensur 5, 8, 40, 211-219, 221-223, 321 s.a. Approbation; Bibel; Buch (1) / Buchkonfiskation; Kirche; Öffentlichkeit; Reformation; Wahrheit; 3: Wittenberg; Wort Gottes - bischöfliche Zensur 17, 212 - Buchaufsicht 200, 214, 218 f., 223 - Druckverbot 216 - Kontrolle des Buchwesens (auch: Buchkontrolle) 202, 211 f., 216 - Literaturüberwachung 215 - Luther als Zensor 214 - Publikationsverbot (auch: Veröffentlichungsverbot) 184, 217 - Überwachung des Buchwesens 199 - Vorzensur 2 1 1 - 2 1 4 , 220, 224f., 329 - Zensurrecht der Obrigkeit 2 1 1 , 2 1 7 - Zensurvermerk 214 Zeremonie 179, 1 8 4 - 1 8 6 Zeugnis s. Buchzeugnis Zukunft 276, 279, 321 Zweireichelehre 261 Zwinglianer 31, 189f., 195, 1 9 9 , 3 1 1 , 3 2 4 s.a. Lehre (2)

5. Register der Bibelstellen

Altes

Testament

Genesis (Gen) (1. Buch Mose) 1 1,26 1-2 2,15 2,16 f. 2,20 5 9,6 19,24

305 305 91 305 282 f. 293 289 300 299

Jesaja (Jes) 7 53

241 240

Daniel (Dan) 7,13 8

114 62

Habakuk (Hab) Hab 1

240

Exodus (Ex) (2. Buch Mose) 32,32 f.

94

D e u t e r o n o m i u m (Dtn) (5. Buch Mose) 6,5 251 9 315 Josua (Jos) 1,8

230

2. R e g u m (II Reg) (2. Buch der Könige) 22 Psalmen (Ps) 18,45 19,4 37,31 45,7 103,12 119,26 f. 119,33-38

147

Neues

Matthäusevangelium (Mt) 3,17 6,21 7.12 9,1-8 9,9 ff. 9.13 18.19 18.20 22,37 23,34 28,1

28,9 233, 237, 240, 242 233 247 197 16 27 27

Kohelet (Koh) (Prediger Salomo) 12,12 193 f., 199 f., 2 1 1 , 3 1 5 s.a. 4: Bücher (1) / Büchermachen; Bücher (1) / Menge ...

Testament

101 251 99, 196 189 136 135 233 59 f. 65 17 253 f. 57 57

Lukasevangelium (Lk) 6,36

87

Johannesevangelium (Joh) 1,23 3 3,19 5,39 6-8 6,53 14-15

235 249 239 230 124 280 248

385

Bibelstellen

Acta Apostolorum (Act) (Apostelgeschichte) 217 205, 209 204

5,29 19 19,19

3,4—11 3,6 4

257 f. 91, 256 316

Galaterbrief (Gal) 4.20

233

Römerbrief (Rom) 1 1,17 1,20 3 6 7 7,7 ff. 7,13 10,14-17 10,17 15,4 15,4-13

234 2,141 f. 103 141 324 42 290 286 272 f. 261 16 143

1. Korintherbrief (I Kor) 2 7 12 15 15.35 15.36 15,54

ff. ff.

141 42 324 105, 115 105 105, 107 83

2. Korintherbrief (II Kor) 3,2 ff. 97 f. 3,4-6 101

l.Thessalonicherbrief (I Thess) 5.21

89

1. Timotheusbrief (I Tim) 4,13

277

2.Timotheusbrief (II Tim) 4,2 4,13

236 277

Titusbrief (Tit) 1

17

1. Petrusbrief (I Petr) 1,25

230

1. Johannesbrief (I Joh) 5,4-12

234

Johannes-Apokalypse (Apk) (Offenbarung des Johannes) 16 308 21 59