Lehrbuch der Chirurgie und Operationslehre: Band 4 [6. Ausg. Reprint 2019 ed.] 9783111721873, 9783111074733


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German Pages 971 [972] Year 1872

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Table of contents :
Inhalts-Verzeichniss des vierten Bandes
Zusätze und Berichtigungen
Einundzwanzigste Abtheilung. Krankheiten der Harnröhre
Anatomie
Erstes Capitel. Untersuchung der Harnröhre
Zweites Capitel. Verletzungen der Harnröhre
Drittes Capltel. Fremde Körper
Viertes Capitel. Neurosen der Harnröhre
Fünftes Capitel. Entzündungen der Harnröhre
Sechstes Capltel. Verengerung der Harnröhre. Strictura urethrae
Siebentes Capitel. Harninfiltration und Harnröhrenfisteln
Achtes Capitel. Missbildungen und Formfehler
Zweiundzwanzigste Abtheilung. Krankheiten der Prostata
Anatomie
Erstes Capitel. Verletzungen der Prostata
Zweites Capitel. Prostata-Steine. Calculi prostatici
Drittes Capitel. Entzündungen der Prostata
Viertee Capitel. Neubildungen der Prostata
Dreiundzwanzigste Abtheilung. Krankheiten der Harnblase
Anatomie
Erstes Capitel. Bildungsfehler
Zweites Capitel. Verletzungen
Drittes Capitel. Fremde Körper. — Blasensteine
Viertes Capitel. Neubildungen in der Blase. Blasengeschwülste
Fünftes Capitel. Entzündungen der Blase
Sechstes Capitel. Blasenfisteln
Siebentes Capitel. Neurosen der Harnblase
Vierundzwanzigste Abtheilung. Krankheiten der Nieren und Harnleiter
Anatomie
Erstes Capitel. Verletzungen
Zweites Capitel. Entzündung der Nieren und ihrer Umgebungen
Drittes Capltel. Neubildungen
Fünfundzwanzigste Abtheilung. Krankheiten der Samenbläschen und der Ductus ejaculatorii
Sechsundzwanzigste Abtheilung. Krankheiten des Hoden, des Samenstanges und ihrer Umhüllungen
Topographie
Erstes Capitel. Bildungsfehler
Zweites Capltel. Verletzungen
Drittes Capitel. Neuralgien des Hoden
Viertes Capitel. Entzündung des Hoden. Orchitis
Fünftes Capitel. Wasserbruch. Hydrocele
Sechstes Capitel. Krampfaderbruch. Varicocele
Siebentes Capitel. Neubildungen in und an Hoden und Hodensack
Siebenundzwanzigste Abtheilung. Krankheiten des Penis
Erstes Capitel. Missbildungen und Formfehler
Zweites Capitel. Verletzungen
Drittes Capltel. Fremde Körper
Viertes Capitel. Entzündliche Processe
Fünftes Capitel. Neubildungen
Achtundzwanzigste Abtheilung. Krankheiten der Vulva
Erstes Capitel. Missbildungen und Formfehler
Zweites Capitel. Verletzungen
Drittes Capitel. Entzündung, Verschwärung und Brand
Viertes Capilel. Neubildungen
Fünftes Capitel. Neuralgien
Neunundzwanzigste Abtheilung. Krankheiten der Vagina
Anatomie
Erstes Capitel. Untersuchung der Scheide
Zweites Capitel. Missbildungen und Formfehler
Drittes Capitel. Verletzungen und deren weitere Folgen
Viertes Capitel. Fremde Körper
Fünftes Kapitel. Prolapsus und Hernien
Sechstes Capitel. Entzündung
Siebentes Capitel. Neurosen
Achtes Capitel. Neubildungen
Dreissigste Abtheilung. Krankheiten des Uterus
Topographie
Erstes Capitel. Diagnostik
Zweites Capitel. Formfehler
Drittes Capitel. Lage-Veränderungen
Viertes Capltel. Verletzungen
Fünftes Capitel. Entzündung
Sechstes Capitel. Geschwüre
Siebentes Capitel. Neubildungen
Einunddreissigste Abtheilung. Krankheiten der Eierstöcke
Zweiunddreissigste Abtheilung. Krankheiten der Wirbelsäule
Erstes Capitel. Rückgratsspalte, Wirbelspalte, Spina bifida, Hydrorhachis
Zweites Capitel. Entzündung der Wirbel. Spondylitis
Drittes Capitel. Verkrümmungen der Wirbelsäule
Dreiunddreissigste Abtheilung. Krankheiten der Achselhöhle
Topographie
Erstes Capitel. Verletzungen
Zweites Capitel. Entzündungen und Entzündungs-Ausgänge
Drittes Capitel. Neubildungen
Vierunddreissigste Abtheilung. Krankheiten der Schenkelbeuge
Fünfunddreissigste Abtheilung. Amputationen und Resectionen
Erstes Capitel. Amputationen
Zweites Capitel. Resectionen
Sechsunddreissigste Abtheilung. Krankheiten der Schulter
Topographie
Erstes Capitel. Missbildungen und Formfehler
Zweites Capitel. Verletzungen
Drittes Capitel. Entzündungen
Viertes Capitel. Neubildungen
Fünftes Capitel. Operationen
Siebenunddreissigste Abtheilung. Krankheiten des Oberarms
Topographie
Erstes Capitel. Verletzungen und Erkrankungen
Zweites Capitel. Operationen
Achtunddreissigste Abtheilung. Krankheiten der Ellenbogengegend
Topographie
Erstes Capitel. Missbildungen und Formfehler
Zweites Capitel. Verletzungen
Drittes Capitel. Entzündungen
Viertes Capitel. Operationen
Neununddreissigste Abtheilung. Krankheiten des Vorderarms und des Handgelenks
Topographie
Erstes Capitel. Missbildungen und Formfehler
Zweites Capitel. Verletzungen
Drittes Capitel. Entzündungen
Viertes Capitel. Neubildungen
Fünftes Capitel. Operationen
Vierzigste Abtheilung. Krankheiten der Hand
Anatomische Uebersicht
Erstes Capitel. Verletzungen
Zweites Capitel. Entzündungen
Drittes Capitel. Neubildungen
Viertes Capitel. Missbildungen und Formfehler
Fünftes Capitel. Amputationen und Resectionen
Einundvierzigste Abtheilung. Krankheiten der Hüftgegend
Topographie
Erstes Capitel. Verletzungen
Zweites Capitel. Entzündungen
Drittes Capitel. Missbildungen und Formfehler
Viertes Capitel. Operationen
Zweiundvierzigste Abtheilung. Krankheiten des Oberschenkels
Dreiundvierzigste Abtheilung. Krankheiten des Kniegelenks und seiner Umgebungen
Topographie
Erstes Capitel. Verletzungen
Zweites Capitel. Entzündungen
Drittes Capitel. Neubildungen
Viertes Capitel. Missbildungen und Formfehler
Fünftes Capitel. Operationen
Vierundvierzigste Abtheilung. Krankheiten des Unterschenkels
Anatomische Uebersicht
Erstes Capitel. Verletzungen
Zweites Capitel. Entzündungen und Geschwüre
Drittes Capitel. Amputationen
Fünfundvierzigste Abtheilung. Krankheiten des Fusses
Topographie
Erstes Capitel. Missbildungen und Formfehler
Zweites Capitel. Verletzungen
Drittes Capitel. Entzündungen
Viertes Capitel. Amputationen und Resectionen am Fuss
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Lehrbuch der Chirurgie und Operationslehre: Band 4 [6. Ausg. Reprint 2019 ed.]
 9783111721873, 9783111074733

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Lehrbuch der

Chirurgie und Operationslehre mit freier Benutzung von Vidal's Traité de pathologie externe et de médecine opératoire,

besonders für das Bedfirfuiss der Stadlreudeu

bearbeitet von

Dr. Adolf Bardeleben.

Mit zahlreichen, in den Text gedruckten Holzschnitten.

Vierter Band. S e c h s t e

A u s g a b e .

B e r l i n . D r u c k und Verlag von G e o r g Reimer.

1872.

Lehrbuch der

Chirurgie und Operationslehre.

Vierter

Band.

Inhalts-Verzeichniss des vierten Bandes.

Seite

E l n a n i l i v a n z l f i t e Abtheilung. E r s t e s Capitel.

Krankheiten der Harnröhre

.

.

.

1—103

Untersuchung der Harnröhre

4

A.

Von den Katbetern und ihrer Einführung (Catheterismus) . . . . Einführung des Katheters beim Manne Einführung des weiblichen Katheters

12

B.

Von den Bougies und ihrer Einführung

13

Zweites Capitel.

5 8

Verletzungen der Harnröhre

Drittes Capitel.

Fremde Körper

Viertes Capitel.

Neurosen der Harnröhre

14 23 32

F ü n f t e s C a p i t e l . Entzündungen der Harnröhre 1. Acute Blennorrhoe, Tripper ll.

35 36

Chronische Blennorrhoe, Nachtripper

S e c h s t e s Capitel.

50

Verengerung der Harnröhre.

Strictura urethrae

.

.

Behandlang

71

1.

Allmälige Erweiterung

71

2. 3. 4. 5.

Plötzliche, gewaltsame Erweiterung. Cathétérisme forci . . . Kauterisation der Verengerung Innerer Harnröhrenschuitt, Incisio stricturae, Orethrotomia interna Spaltung von Aussen (Opération de la boutonnière), Urethrotomia externa Punction der Harnblase

72 75 77

6.

Vergleichende Beurtheilung der zur Beseitigung von Stricturen angewandten Operationen Siebentes Capitel. I. II. I. III.

HarninOItration und HarnröhrenAstela

Harn-Inflltration und -Abscess HarnröhrenOsteln

Achtes Capitel. II.

56

79 82 8G 88 88

_

Missbildungen und Formfehler

Vollständiges oder theilweises Fehlen der Harnröhre

91 96 96

Verschluss der Harnröhre, Atresia urethrae

98

Fehlerhafte Länge und Weite der Harnröhre

99

•yi

Inhalts-Verzeichnis* des vierten Bandes. Seite IV. V.

Doppelte Harnröhre

100

Verkrümmungen der Harnröhre

102

Swelundzwanzlfste Abthellung. Erstes

Capitel.

Krankheiten der Prostata

.

.

.

104—4—137

Verletzungen der Prostata

105

I.

Wunden im engeren Sinne

106

II.

Falsche Wege der Prostata

107

Zweites Capitel.

Prostata Steine.

Drittes Capitel.

Entzündungen der Prostata

I. II. III.

II. III.

109 113

Prostatitis blennorrhoica

114

Abscedirende Prostata-Entzündung.

Phlegmone prostatae

116

Chronische Prostatitis

Viertes Capitel. I.

Calculi prostatici

119

Neubildungen der Prostata

121

Hypertrophie der Prostata

121

Tuberkulose der Prostata

134

Krebs der Prostata

136

Anhang zn der zneiundzwanzigsten

Abtheilung.

Krankheiten der *

C o w p e r ' s c h e n Drüsen Drelundr.wmnci(ste Abtheilung. Erstes Capitel.

.

.

138——245 140

Verletzungen

Drittes Capitel. I.

Krankheiten der Harnblase .

Bildungsfehler

Zweites Capitel.

II.

137

143

Fremde Körper. — Bissensleine

146

Fremde Körper im engeren Sinne

146

Blasensteine, Calculi vesicales

148

Behandlung

.

166

1.

Chemische Auflösung

des Steines.

2.

Mechanische

3.

Steinschnitt, Lithotomia

Medicamenta

lithontriptica.

Litbolysis Zertrümmerung

167 des Steines,

Steinzertrüinmerung,

Lithotripsie, Lithotritie A.

169 181

Steinschnitt beim Manne I. II.

182

Harnröhrenschnilt

183

Prostatascbnitt

185

Linien langen biegsamen Fortsatz am Ende des Katheters darstellte. In manchen Fällen kann man durch E i n s p r i t z e n v o n F l ü s s i g k e i t einigen Anfschluss über krankhafte Verhältnisse der Harnröhre erhalten. Unter den s u b j e c t i v e n S y m p t o m e n nehmen die Beschwerden bei der Harnentleerung ( D y s u r i e ) , die Schinerzliaftigkeit derselben ( S t r a n g u r i e ) und die gänzliche Unmöglichkeit des Harnlassens ( I s c h u r i e , K e t e n t i o u r i n a c ) den ersten l'latz ein. Dieselben können aber ebensowohl von Erkrankungen der Prostata oder der Blase, auch von einer Compression der Harnröhre durch andere Organe (den dislocirten Uterus) oder Geschwülste, als von einer Krankheit der Harnröhre selbst herrühren. Zweites

Cnpitel.

Verletzungen der Harnröhre. Die Verletzungen der H a r n r ö h r e bieten mannigfaltige Verschiedenheiten d a r : j e nach der Entstehungsweise, der Beschaffenheit des verletzenden Körpers, der Art seiner Einwirkung, auch je nach der Ausdehnung, Richtung der W u n d e u n d j e nach der S t e l l e , an welcher die Urethra verletzt worden ist. Von grösster Bedeutung ist bei allen Verletzungen der Ilarnorganc die I n f i l t r a t i o n d e s U r i n s in die umgebenden Gewebe. Diese ist im Allgemeinen bei Verletzungen der H a r n r ö h r e weniger zu f ü r c h t e n , als bei Verletzungen a n d e r e r Thcile des Ilamleitungsapparates, weil aus letzteren ein continuirlicher Ausfluss stattfindet, w ä h r e n d aus ersterer der Harn sich n u r bei der willkürlichen Entl e e r u n g in die umgebenden Gewebe ergicsst, ferner weil die Gewebe, welche im letzteren Falle von der Ilarninfiltralion betroffen werden, in keiner Beziehung zum Bauchfell stehen, w ä h r e n d bei Verletzungen der Blase oder der Ureleren das Bauchfell entweder zugleich ver-

Verletzungen

der Harnröhre.

1",

letzt wird oder doch in Folge der in seiner unmittelbaren Nähe stattfindenden Infiltration alsbald erkrankt. Im Allgemeinen sind die Verletzungen der Ilarnwcge desto weniger gefährlich, j e näher sie dem Ende der Harnröhre liegen. Dies gilt auch fiir die Urethra selbst. Im Bereich der Pars spongiosa kommen eigentlich nur die Gefahren der B l u t u n g und des Zurückbleibens einer F i s t e l in Betracht, und an der Spitze der Pars cavernosa, in der Fossa navicularis, verschwinden auch diese. Weiterhin hat man ausserdem I n f i l t r a t i o n und nachträgliche V e r e n g e r u n g zu fürchten. — Bei Weitem am Häufigsten wird der im Damm liegende Theil der Urethra, also die Pars bulbosa und mcinbranacea, von Verletzungen getroffen. Beide können bei einem Fall auf's Perineum gequetscht und zerrissen werden. Die Pars bulbosa erleidet bei unvorsichtiger Handhabung des Katheters zuweilen eine Zerreissung von Innen her. Die Pars membranacea wird bei gewissen Operationen (Steinschnilt, BoutonnuVe) absichtlich, selten unabsichtlich (z. IJ. bei der Operation der Mastdarmfistcl) geöffnet. — Eine Verletzung kann blos einen Theil des Harnröhrenurnfanges treffen, bald mit, bald ohne Verletzung der äusseren Haut, oder sie kann sich auf den ganzen Umfang der Harnröhre erstrecken, wobei die umgebenden Theile nothwendig zugleich verletzt sein müssen. Ist in ersterem Falle die Haut unversehrt geblieben, so muss desto sicherer Ilarninfiltration erwartet werden. Im letzteren Falle bleibt Ilarninfiltration nur dann a u s , wenn der betreffende Theil des Harnröhrencanals vollständig amputirt ist. Solche Amputationen des Penis werden nicht blos von Aerzten zu einem Heilzweck, sondern auch von Wahnsinnigen, zuweilen auch von sonst verständigen Mcnschcn in einer augenblicklichen Aufregung ausgeführt oder versucht. (Vgl. Ablh. XXVII.) Alle Querwunden der Urethra hinterlassen, wegen der in der Richtung der Wunde eintretenden Narbenverkürzung, Neigung zur Verengerung. Bei Längswunden ist dies nur ausnahmsweise der Fall, wie namentlich durch die grosse Anzahl von Steinoperationen mit longitudinaler Spaltung der Pars membranacca erwiesen ist. Wunden mit Substanzvcrlust heilen niemals ohne zurückbleibende Verengerung. Die Wirkung der verletzenden Gewalt kann in der Richtung v o n Aussen n a c h I n n e n oder v o n I n n e n n a c h A u s s e n stattfinden. Im letzteren Falle bleibt die äussere Haut häufiger unversehrt. Das verletzende Instrument kann dann in den die Urethra umgebenden Geweben einen blind endigenden Wundcan.il bohren, welcher durch den eindringenden Urin in Verschwörung versetzt, somit vergrössert und endlich vielleicht zu einer Fistel umgestaltet wird. Die äussere Haut

16

Krankheiten der H a r n r ö h r e .

kann aber auch unverletzt bleiben, wenn die verletzende Gewalt in der Richtung von Aussen nach Innen eingewirkt hat. Endlich kann auch die Schleimhaut der Urethra eben so gut, wie die äussere Haut, Widerstand leisten und der Canal der Harnröhre doch vollständig verstopft werden, indem die durch die äussere Gewalt gequetschten Gewebe (vorzugsweise in Folge des dadurch bedingten Blutergusses) schnell bis zu einem solchen Grade anschwellen, dass die Urethra coniprimirt wird. Solche zugleich subcutane und submucöse Verletzung en unterscheiden sich von einer Quetschung, bei welcher die Schleimhaut zugleich zerrissen ist, nur dadurch, dass gleich nach der Verletzung kein Blut aus der Harnröhre ausfliesst. Beispiele von Z e r r e i s s u n g d e r H a r n r ö h r e in F o l g e ç i n e r Q u e t s c h u n g d e s D a m m e s sind keineswegs selten. Die Veranlassung ist am Häufigsten ein Fall, seltener ein Schlag oder ein Fussstoss auf diese Gegend. Je weniger voluminös der Gegenstand ist, auf welchen der fallende Körper mit dem Perineum aufschlägt, desto mehr beschränkt sich seine Wirkung gerade auf diesen Theil, desto intensiver wird sie sich aber auch gerade dort entwickeln. Daher kommen Zerreissungen der Harnröhre

häufig bei Malrosen

vor, die hei

einem F a l l v o m M a s t a u f e i n s t r a f f g e s p a n n t e s S e i l zu reiten k o m m e n .

Wie-

derholt ist Zerreissung der H a r n r ö h r e

oder

a u f e i n e l e e r e T o n u e , deren

heim

Fall a u f

eine

Deckel entweder fehlte oder u n t e r

einbrach, so dass er mit dem einen Bein in der Toiine, der Tonne sich befand, beobachtet worden. ausführlich beschrieben. durch

blutiger

am

Harn

Fallenden

mit dem anderen ausserhalb a b e r es

floss

nächsten Tage e n t s t a n d Retentio urinae. entleert.

Als man

Stunden auf den dringenden Wunsch des Verletzten dies nicht.

dem

C h o p a r t h a t einen solchen Fall bereits

Eine äussere W u n d e bestand n i c h t ,

die Harnröhre ab und

des Katheters wurde

Leitersprosse,

den Katheter

wieder

einführen

viel Blut Mit Hülfe

nach

einigen

wollte,

gelang

Mit grosser Mühe wurde der Patient wieder hergestellt, aber die entschie-

dene Neigung zu immer wiederkehrender Verengerung der H a r n r ö h r e in Folge der NarlienVerkürzung blieb zurück.

Aeliulicke Fälle sind von F r a n c

(Observations s u r les

rétrécissements de l'urètre p a r cause t r a u m a t i q u e , Montpellier, 1 8 4 0 ) zusammengestellt. Jeder beschäftigte W u n d a r z t wird aus seiner eigenen Erfahrung einige hinzufügen können. Ich habe deren bereits zehn beobachtet, von denen zwei genau geschichte h a t t e n , wie d e r Fall von

dieselbe Entstehungs-

Chopart.

Oft ist man überrascht, nach einer vei-hältnissmässig leichtcn Quetschung eine Fistel entstehen zu sehen. Dies erklärt sich aus der durch den cindt 'ingenden, stagnirenden und demnächst sich zersetzenden Harn alsbald veranlassten Verschwörung; denn zum Eindringen des Harns in die benachbarten Gewebe bedarf es nur einer sehr unbedeutenden Continuitätstrennung. Hierher gehören auch die Fistelbildungcn an der Urethra muliebris nach vorgängiger Quetschung durch den Kopf des Kindes oder durch geburtshilfliche Instrumente.

Verletzungen d e r

Harnröhre.

17

Zerreissungen der Urethra können durch äussere Gewalt vcrhältnissmässig leicht zu Stande kommen, wenn der Penis sich in Erection befindet. Gewaltsame Biegungen desselben, wie sie bei der sogen. Chorda venerea (vgl. Gonorrhoe) als Volksniittel noch häufig angewandt werden, können leicht zu dieser gefährlichen Verletzung führen. Wenn die Harnröhre bereits krank, namentlich in Folge einer anderweitigen Erkrankung verengert ist, so sind alle Verletzungen, namentlich auch Quetschungen, viel gefährlicher, wie dies gleichfalls von C h o p a r t bereits an einem Beispiele nachgewiesen ist. Bei beträchtlichen Verengerungen der Harnröhre kann durch das Andrängen des Urins oberhalb der verengten Stelle Zerreissung ohne Einwirkung einer äusseren Gewalt erfolgen. Verletzungen in der Richtung von I n n e n n a c h A u s s e n können in seltenen Fällen durch fremde Körper, welche von der Blase her in die Harnröhre eingedrungen sind, veranlasst werden. Gewöhnlich entstehen sie in Folge einer gewaltsamen oder anderweitig unzweckmässigen Handhabung der in die Urethra eingeführten Instrumente. Da in der Regel nicht blos die Urethralschleinihaut durchbrochen wird, sondern jene Instrumente zugleich n e b e n ihr, mithin auf einem von ihr abweichenden, falschen Wege, weiter in die benachbarten Gewebe eindringen, so hat man solche Verletzungen auch schlechtweg „ f a l s c h e W e g e ( f a u s s e s routes)" genannt. Sie entstehen desto leichter, je mehr die Harnröhre, sei es durch angeborene oder durch erworbene Fehler, von ihrer normalen Richtung und Weite abweicht. Falschc Wege können an jeder beliebigen Stelle der Urethra vorkommen (Monod erwähnt ein Beispiel, in welchem der falsche Weg an der Fossa navicularis anfing und sich bis in die Nähe des Afters fortsetzte), in der Regel aber finden sie sich am Ende der Pars bulbosa, da wo die zweite Krümmung beginnt, am Häufigsten in der Richtung nach Unten, zuweilen auch seitlich, selten nach Oben. Dieselbe Harnröhre kann auch an mehreren Stellen durchbohrt sein und die verschiedenen Canäle, die auf solche Weise entstehen, können nach mehr oder weniger langem Verlauf wieder in einen gemeinsamen Canal zusaminenstossen. Auch beim Ausziehen von Instrumenten können Zerreissungen in der Harnröhre zu Stande kommen. So z. B. durch einen biegsamen elastischen Katheter, den man, um die Blase leer zu halten, längere Zeit in der Harnröhre liegen Hess, und der an seinem Schnabel von Harnsalzen incrustirt und dadurch mit einer rauhen und unförmigen Spitze verschen wurde, ferner durch zangenfürmige Instrumente, die geschlossen eingeführt werden und, nachdem sie einen zu ent11 a r d e l e b e n , Chirurgie. 0. Aull. IV.

2

18

Krankbeilen der Harnröhre.

fernendcn Stein gefasst h a b e n , ein so beträchtliches Volumen erreichen, dass sie die Harnröhre nicht mehr ohne Verletzung passiren können. Jedoch bedingt die blosse Verletzung der Schleimhaut noch nicht die Entstehung des falschen Weges. So lange das den Schleimhautcanal umfassende fibröse (resp. musculöse) Blatt unversehrt ist, erfolgt keine Harninfiltration und somit auch nicht die Bildung eines falschen Weges durch Vcrschwiirung. Der falsche Weg kann verschiedene R i c h t u n g e n einschlagen. 1) E r k e h r t in d i e H a r n r ö h r e z u r ü c k . Der Schnabel des Katheters findet an einer verengerten Stelle unüberwindlichen Widerstand; bei Anwendung grösserer Gewalt gleitet er von der Stelle der Verengerung gegen die benachbarte gesunde Schleimhaut, durchbohrt diese, wird dann in dem umgebenden Gewebe ausserhalb der Urethra weiter fortgeschoben, kehrt a b e r , wenn er genau der Richtung der Harnröhre folgt, nachdcm er an der Stelle der Verengerung vorUber ist, mit Hülfe einer neuen Durchbohrung in den Canal der Harnröhre zurück. Ein solcher falscher Weg ist verhältnissmässig wenig gefährlich; er kann sich mit einer derben Pseudomembran überziehen und auf die Dauer die Stelle des normalen Canals vertreten, sofern man ihn nur durch häufiges Einführen eines Katheters offen erhält. 2) D e r f a l s c h e W e g f ü h r t a u s d e r U r e t h r a in d i e ß l a s e , indem er von der Harnröhre aus, gewöhnlich unterhalb der Prostata oder zur Seite oder aber durch die Substanz dieser Drüse h i n d u r c h , in die Blase eindringt. Solche Fälle sind besonders gefährlich, da der Ilarn aus der Blase f o r t d a u e r n d in die zerrissenen Gewebe eindringt. Verläuft der falsche Weg durch die Substanz der Prostata, so ist die Gefahr verhältnissmässig geringer, weil das Gewebe dieser Driise nicht leicht vom Harn iniiltrirt wird. 3) D e r f a l s c h e W e g f ü h r t v o n d e r U r e t h r a in d e n M a s t d a r m . Verletzungen der Art sind zuweilen vorgekommen, wenn man mit grosser Gewalt den Katheter durch eine verengte Stelle hindurchführen wollte. 4) Unter denselben Verhältnissen kann der Schnabel des gekrümmten Katheters auch a u s d e r U r e t h r a in d e n M a s t d a r m u n d , n a c h d e m e r e i n e k u r z e S t r e c k e in d i e s e m a u f w ä r t s g e f ü h r t i s t , a u s d e m M a s t d a r m w i e d e r in d i e B l a s e geslosscn werden. Solche Doppelverletzungcn, deren grosse Gefahr von selbst einleuchtet, hat G i v i a l e mehrmals gesehen. 5) Die grosse M e h r z a h l der falschen Wege verhält sich analog einer incompletcn Fistel; man nennt sie deshalb auch u n v o l l k o m m e n e f a l s c h e W e g e ; sie stellen blind endigende Canäle in dem die Harnröhre umgebenden Gewebe dar, bedingen also nicht durch Eröffnung eines anderen Organs, sondern

Verletzungen der Harnröhre. ausschliesslich

durch

die Harninfiltration Gefahr.

lung der falschen W e g e Arten

kommen

festen

und

wenig

Bei

der

Die einen sind

quetschenden

mittelst eines

Körpers,

z.

Bougie, die anderen mittelst eines gewaltsam eingepressten Katheters b e i g e b r a c h t ,

noch

kung

von Actzmitteln

und stellen

einen

flachen

andere

entstehen daher

B.

einer

metallenen

in F o l g e der Einwir-

weniger einen C a n a l ,

als

Sinus dar.

Die D i a g n o s e Empfindungen dungen

Beurtei-

aber ausserdem die verschiedenen

ihrer Entstehung in Betracht.

nur mässig

19

der

falschen

des Kranken

des Operateurs

sind

Wege

ist

oft

unzuverlässig.

beim Einführen des

schwierig.

Die

Auch die Empfin-

Instrumentes

gewähren

keine Sicherheit, ebensowenig die Blutung, die aus der Urethra leicht erfolgt,

w e n n die Schleimhaut

andererseits

bei

auch

nicht durchbohrt ist,

der Entstehung eines falschen W e g e s

und die

fehlen

kann.

Oft g e n u g wird mit einer Bougie die Urethra durchbohrt, ohne dass der Kranke

und

Bedeutung

ist

Richtung,

d. h.

des Schnabels Urethra

der Arzt

es

gewahr

die A b w e i c h u n g von

ist

in

der Medianebene solchen

Füllen

nach R c c h t s ,

wichen sein u. s. f.

so

rntiss

Von

entschiedener

von seiner

des Körpers.

des aus

der

Dreht

sich

entgegengesetzt.

der Schnabel

normalen

Die Richtung

der A b w e i c h u n g

hervorragenden Katheterslacks

das letztere

werden.

des Katheters

nach Links

abge-

Verläuft aber der falsche W e g , wie dies häufig

der Fall ist, ganz parallel mit der Urethra, so lässt sich eine A b l e n kung des Katheters

in keiner Weise w a h r n e h m e n ;

man kann daher

leicht irren, wenn man auf dies Symptom einen zu grossen Werth legt. Die Gewalt

Erscheinungen bewirkten

je nachdem erstoren Falle

die

der

durch

Einwirkung

Ilarnröhrenv erletz ungen

äussere Haut zugleich

(liesst

Harn

durch

die

sind

äusserer verschieden,

verletzt ist oder nicht. äussere W u n d e ,

Kranke seine Blase zu entleeren versucht.

sobald

Im der

Dabei entsteht dann bren-

nender Schmerz in der Wunde, zuweilen auch im Verlauf der Harnröhre.

Ist die Haut unversehrt,

so empfindet der Verletzte bei dem

Versuche, Harn zu lassen, mindestens ebenso heftige Schmerzen. nachdem durch

durch Blutcrguss

in

entzündliche S c h w e l l u n g

dem

umgebenden Bindegewebe

die Harnröhre

bereits

verengert ist,

erfolgt das Harnlassen schwierig oder wird ganz unmöglich. die Schleimhaut in irgend erheblichem Grade verletzt ist, aus der Harnröhre.

Sobald

fliesst

Blut

Ein Thcil des Blutes bleibt schliesslich im Canal

der Harnröhre zurück ständig ausfüllenden

Je oder

und bildet daselbst einen, und

verstopfenden

Verletzung der äusseren Ilaut k a n n ,

Pfropf.

namentlich

sie zuweilen vollBei

gleichzeitiger

w e n n letztere nicht 2*

20

Krankheiten der Harnrühre.

beträchtlich ist, ein Thcil des Harns doch seinen Weg durch das ^ ordere Stück der Harnröhre nehmen. Einige Zeit nach der Verletzung kann sogar bei solchen Wunden, durch welche Anfangs der Harn vollständig abfloss, wegen der Schwellung ihrer Umgebungen eine Absperrung eintreten, so dass (1er Harn dann ausschliesslich auf normalem Wege entleert wird. Bei Wunden mit Substanzverlust zeigt sich ein Vorgang dieser Art niemals. Die Entzündungs-Erscheinungen in Folge der Harninfiltration sind bei letzteren gewöhnlich bedeutender, weil sie überhaupt eine grössere Wundfläche darbieten. Im Uebngen hängt die Helligkeit der Entzündungs-Erscheinungen auch wesentlich von der Art der Verletzung, namentlich von dem Grade der Quetschung ab. Selbst auf geringfügige Verletzungen folgt jedoch oft eine lebhafte, von Fieber begleitete und namentlich durch F r o s t a n f ä l l e ausgezeichnete Réaction, — Fièvre urétrale, nach Pétréquin. Solche Frostanfällc sind von den beim Catheterismus erwähnten wohl zu unterscheiden. Sie treten gewöhnlich erst nach 2 4 Stunden in Folge der Harnmliltration auf, sind viel heftiger und wiederholen sich oft, namentlich nach jedem Versuch, Harn zu entleeren. In seltenen Fällen sah man Coma mit schnell tödtlichem Ausgange auf relativ unbedeutende Verletzungen der Harnröhre folgen,

wahrscheinlich durch Urämie, — Fièvre urétrale pernicieuse.

Zu entscheiden, ob eine Harnröhren- oder eine Blasenwunde bestehe, kann bei frischen Verletzungen und übrigens normaler Harnröhre niemals Schwierigkeiten darbieten. Aus der ßlasenwunde iiiesst ununterbrochen Harn a b , aus der Hai•nröhrenwunde nur, wenn der Verletzte ihn willkürlich entleert. Eine Ausnahme hiervon findet sich, wenn zugleich Lähmung des Sphincter vesicae besteht. Die P r o g n o s e ist abhängig von der Ausdehnung, der Richtung, dein Sitz und der Beschaffenheit der Verletzung; vgl. pag. 14 u. f. In localcr Beziehung ist sie desto übler, j e näher der Blase die Wunde sitzt. Querwunden heilen schwieriger als Längswunden; noch schwieriger Wunden mit Substanzverlust oder mit beträchtlicher Quetschung. Je langwieriger die Heilung ist, j e mehr also die Continuität des Canals durch Narbengewebe wieder hergestellt wird, desto wahrscheinlicher ist eine bleibende Verengerung. Ausserdem sind alle etwa bestehenden Compliealionen mit in Anschlag zu bringen. Behandlung. Wir müssen: 1) die Harnmliltration verhüten, 2) die Harnverhaltung beseitigen, 3) der Entwiekclung von Verengerungen vorbeugen, 4) die Vereinigung der Wunde herbeiführen und 5) die in den umgebenden Thcilen auftretende Entzündung massigen. Die dringendsten Indicationen können durch das Einführen eines Katheters

Verletzungen der H a r n r ö h r e .

21

erfüllt werden. Wird er unmittelbar nach der Verletzung eingeführt, und seine Einführung in regelmässigen Intervallen wiederholt, so erfolgt keine Infiltration des Urins, obgleich häufig das Durchsickern einiger Tropfen zwischen dem Katheter und der Ilarnröhrenwand selbst bei Anwendung eines Instrumentes von beträchtlichem Kaliber nicht ganz vermieden werden kann. Dies tritt noch stärker hervos, wenn man den Katheter liegen lässt. Durch seine Anwesenheit und durch den Druck, welchen er auf die umgebenden Theile ausübt, kann der liegcn-bleibende Katheter überdies die Entzündung steigern; aber die Compression ist, namentlich bei gequetschten Wunden, anderer Seits günstig. Unter ihrem Einfluss verdichten sich die angeschwollenen Gewebe schneller und werden daher desto eher der Infiltration unzugängig. Man hat Wunden mit bedeutendem Substanzverlust durch blosses Einlegen des Katheters in auffallend regelmässiger Weise heilen sehen. Lässt sich der llarninfiltration nicht vorbeugen, so muss man in die infiltrirtcn Gewebe so früh als möglich tiefe Einschnitte machen, um der ergossenen Flüssigkeit Abfluss zu verschaffen und somit der sonst unvermeidlichen gangränösen Zerstörung des Bindegewebes, welche gewöhnlich schnell eine grosse Ausdehnung gewinnt und in der Regel zur Pyämie führt, vorzubeugen. Beschränkt sich die Infiltration ausnahmsweise auf einen kleinen Raum, und wird die Ilarnröhrenwunde, und somit auch der weitere Zufluss von Harn in das infiltrirte Gewebe, bald abgesperrt, so kann sich ein abgekapselter Abscess entwickeln, der ohne besonderen Schaden nach Aussen aufbricht. Unter ähnlichen Verhältnissen sieht man zuweilen Blindsäcke entstehen, die bei jeder Harnentleerung wieder gefüllt und demnächst durch Compression vorn Damm aus wieder entleert werden. Auch diese können aber ohne besonders nachweisbare Veranlassung in Ulceration übergehen, so dass abermals Infiltration und in Folge davon weiter um sich greifende brandige Zerstörung folgt. Die Vorschrift, dass man bei jeder Harnröhrenverletzung sofort den Katheter einführen solle, ist häufig nicht so ganz leicht zu befolgen. Kommt man erst einige Zeit nach der Verletzung, namentlich nach der Bildung eines falschen Weges, zu dem Kranken, so ist die Einführung des Katheters oft schwierig. Man muss dann mit grösster Vorsicht und ohne alle Gewalt einen möglichst dicken Katheter anwenden und wenn man mit diesem auf Hindernisse stösst, dieselben durch Einführen von Bougies und genaue Untersuchung vom Perineum und per anum möglichst genau zu ergründen suchen. Gerade wegen dieser Schwierigkeiten räth man, bei Harnröhrenverletzungen sogleich einen elastischen Katheter einzuführen und diesen liegen zu

22

Krankheiten der Harnröhre.

lassen, bis die Heilung erfolgt ist oder bis die Befürchtung, dass lncrustationen an der Spitze desselben in der Blase entstanden sein möchten, zur Entfernung auffordert. Gelingt es aber leicht, den Katheter einzuführen, so muss die bei jedem Bediirfniss zum Harnlassen immer wiederholte Einführung bevorzugt werden, weil der in der Harnröhre zurückgelassene Katheter auf diese sowohl als auf die Blase einen n a c h t e i l i g e n Reiz ausübt und weil neben ihm doch gewöhnlich etwas Harn in die umgebenden Gewebe hindurchsickert. Jedenfalls ist es daher, wenn es ausreicht, besser, den Katheter blos bis an die Pars prostatica einzuführen und nur beim Drange zum Harnlassen in die Blase zu schieben. Kalle, in denen die Einführung des Katheters durch eine verletzte Harnröhre seihst geschickten Händen durchaus nicht gelang, sind nicht ganz selten. Einer der merkwürdigsten ist der von C h o p a r t (Traitc d. malad, uriu. T. 11. pag. 39) erzählte. Elastische Katheter, welche man dauernd in der Blase lassen will [Höndes a demeure) müssen, wegen der Incrustutionen, mit denen sie sich alsbald überziehen, doch m i n d e s t e n s alle 10 Tage gewechselt werden. Dabei kann das Einführen des neuen Katheters Schwierigkeiten machen, vielleicht ganz unmöglich werden. Allerdings reicht es in den meisten fallen aus, wenn man für die neuen Katheter immer wieder den alten Mandrin (oder einen genau ebenso gestalteten) benutzt; aber es sind doch auch sehr geschickten Chirurgen Fälle vorgekommen, die eine anderweitige Hülfe wünschenswerth machten. \V. D u s c h hat zu diesem Behuf (auf der Naturforscberversammlung zu Bonn, 1857) Katheter empfohlen, welche an beiden Enden olTcn sind, mit ihrem vorderen conischen Ende aber sehr genau auf einen den Katheter um mehr als das Doppelte an Länge übertreffenden silbernen Mandrin passen. Soll nun ein Wechsel eintreten, so schiebt man in den alten, noch in der Harnröhre belindlichen Katheter zunächst den Mandrin bis zu der die Länge des Katheters angebenden Marke, zieht den alten Katheter aus, indem man ihn über den Mandrin emporstreift und schiebt über den unverrückt liegen bleibenden Mandrin den neuen Katheter leicht ein, worauf dann der Mandrin entfernt wird. Vgl. L a n g e n b e c k ' s Archiv. IV. 1.

Gelingt e s , den Harn von der Wunde abzuhalten, so heilt sie gewöhnlich mit überraschender Schnelligkeit. In Fällen, wo man vergeblich hiernach strebte, hat man auch versucht, dem Harn wenigstens seine Schärfe zu nehmen. Dies gelingt allerdings, wenn man den Kranken reichlich Wasser, namentlich alkalische Wässer (sogen. Säuerlinge, Sodawasser, Kalkwasser) in grossen Mengen trinken lässt. Dabei stellt sich aber der Ucbelstand heraus, dass der Kranke n u n desto häufiger Drang zum Harnlassen bekommt und die W u n d e daher desto häufiger mit Harn benetzt wird. Jedoch möchte dies Verfahren doch überwiegende Vortheile darbieten. Die Naht ist, wo sie sich überhaupt zur Vereinigung einer Harnröhrenwunde anwenden lässt, gewiss nicht zu vernachlässigen. Man muss aber die Nadel bis dicht an die Schleimhaut f ü h r e n , um die ganze Dicke der W u n d r ä n d e r in genaue Berührung zu setzen. Das-

Verletzungen der Harnröhre.

23

selbe gilt von plastischen Operationen, die man unmittelbar nach der Verletzung unternommen hat ( D e l p e c h ) . Heilt eine Harnröhrenwunde nicht, so bleibt eine F i s t e l zurück, indem entweder die Harnröhrenschleimliaut in Folge der Narbenverkilrzung mit der äusseren Haut verwächst (lippenförmige Fistel), oder ein längerer Fistelgang sich entwickelt.

Vgl. Cap. VI.

Drittes Capltel. F r e m d e Die fremden Körper,

K ö r p e r .

welche sich in d e r H a r n r ö h r e

finden,

kommen entweder von Aussen oder aus der Blase oder bilden sich erst in der Harnröhre selbst.

Die von Aussen kommenden werden

als fremde Körper im engeren Sinne des Wortes bezeichnet; die aus der Blase herrührenden oder in der Urethra entstandenen Concremente nennt man auch schlechtweg Harnröhrensteine. In diesem Sinne kommen f r e m d e K ö r p e r ,

namentlich Nadeln

aller Art, vorzugsweise in der w e i b l i c h e n Harnröhre vor. In dem oben cilirlen Buche von C h o p a r t findet man allein acht Falle verzeichnet, in «reichen Nadeln verschiedener Art in die Harnröhre eingebracht waren. Schon M o r g a g n i erzählt von dem muthwilligen Einbringen knöcherner Nadeln in die Urethra bei jungen Mädchen. Nicht selten wird in solchen Fällen nachher behauptet, die Nadel sei zufällig verschluckt worden und auf weiten Umwegen endlich in die Blase und aus dieser in die Harnröhre gewandert. Wanderungen der Art kommen aber, so häufig auch auf anderen Wegen solche beobachtet werden, gerade vom Schlund zur Blase nur höchst ausnahmsweise und immer mit beträchtlichen Störungen, namentlich Erscheinungen von Peritonitis beim Uebcrtritt des fremden Körpers aus dem Darmcanal in die Blase zur Beobachtung. Vgl. „Fremde Körper in der Blase". Abgebrochene Stücke von Kathetern und Bougies sind gleichfalls häufig in der Harnröhre gefunden worden. Instmmente ist aber immer oder eine unvorsichtige,

An dem Zerbrechen dieser

eine schlechte Beschaffenheit derselben

namentlich gewaltsame Handhabung Schuld.

Das abgebrochene Stück kann entweder in der Harnröhre selbst oder in einem falschen W e g e stecken bleiben. Alle zerbrechlichen Instrumente sollten zur Einführung in die Harnröhre gar nicht benutzt werden; so namentlich Katheter aus Guttapercha, aus Zinn oder brüchigen Metallcompositionen. Mehrmals hat man Bruchstücke von bleiernen Kathetern, die vorbei unzweckmässiger Weise mit grauer Quecksilbersalbe bestrichen und dadurch brücbg geworden waren, in der Harnröhre gefunden. Auch das löffeiförmige Ende der zir Aetzung der Harnröhre bestimmten Instrumente ( B u c a m p ) ist abgebrochen in dei Harnröhre gefunden worden. Dabei kam dann nicht blos die mechanische Wirking, sondern auch die chemische des in dem Löffelchen befindlichen Höllensteins wesealich in Betracht.

24

Krankbeilen der Harnröhre.

Ein abgelöster Knochensplitter kann, zumal bei Schussverletzungen des Schoossbeins, in die Urethra eingetrieben werden und daselbst als fremder Körper zurückbleiben. Auch ein abgelöster Sequester kann die Urethralwand durchbohren und in die Harnröhre eindringen. W e i t e r e s V e r h a l t e n d e r f r e m d e n K ö r p e r in d e r H a r n röhre. Alle von Aussen in die Harnröhre eingedrungenen Körper haben die Neigung, ihren Weg in die Blase zu nehmen. Für die Mehrzahl der Fälle lässt sich diese Wciterbewcgung daraus erklären, dass es sich gewöhnlich um Nadeln handelt, die mit ihrem Kopf oder dem stumpfen Ende voran in die Harnröhre eingebracht werden. Das runde glatte Ende bewegt sich leicht vorwärts, während eine Bewegung in der Richtung der Spitze ganz unmöglich ist, da diese sofort in die Schleimhaut eindringt. Diese Erklärung wird durch das Verhalten von Kornähren, welche man auch in der Harnröhre vorgefundeu h a t , bestätigt. Waren diese, wie gewöhnlich, mit ihrem spitzen glatten Ende voran in die Harnröhre eingeführt, so rückten sie auch stetig weiter gegen die Blase fort; waren sie dagegen in umgekehrter Richtung eingebracht, so wurde ein weiteres Vorrücken gegen die Blase an ihnen nicht beobachtet. Ist der fremde Körper so gross, dass er im Canal der Harnröhre sofort eingeklemmt w i r d , so kann er weder vor- noch rückwärts sich bewegen; jedoch hat man auch glatte und ziemlich voluminöse Gegenstände in der Richtung gegen die Blase vorrücken sehen. Man muss daher ohne allen Zeitverlust die Extraction vornehmen, und wenn dies nicht sogleich möglich ist, wenigstens durch Compression, nöthigenfalls vom Mastdarm h e r , dem weiteren Zurückweichen des fremden Körpers vorbeugen. Sogar ein gewöhnlicher

elastischer

Katheter

seinem äusseren Ende nicht mit einem hinreichend

kann,

stark

wenn e r

kurz und an

hervorragenden

llaudc

ver-

sehen i s t , so tief hinein gleiten, dass zu seiner E n t f e r n u n g der Sleinschnitt notbwendig wird.

V i d a l f ü h r t aus eigener Erfahrung einen Kall a n , in welchem ein Pariser Arzt

einen gewöhnlichen elastischen Katheter eingeführt hatte und sich vum (lett des Kranken n u r entfernte, um zum Behuf der Befestigung desselben Fäden und Heftpflaster herbeizuholen.

Als er z u r ü c k k e h r t e , fand er zu seinem

nicht m e h r ausserhalb der H a r n r ö h r e .

grossen Erstaunen das Kathetcrendc

Die E n t f e r n u n g gelang erst durch den

s c h n i t t , welcher von H o u x a u s g e f ü h r t wurde. —

de med. etc. 1 8 6 2 No. 3 4 ) f ü r das H i n e i n g l e i t e n folgende E r k l ä r u n g .

Am BlasenhaUe b e s t e h t ,

S p h i n c t e r , s o n d e r n ein O b t u r a t o r ,

vonBougies

nach

Mercier,

und kein

Kathetern kreisförmiger

welcher in der Weise w i r k t , dass er die hintere

(Wand des Blasenhalses gegen die vordere empordrängt.

Sobald

biegsamen) I n s t r u m e n t e s in die Blase gerathen i s t , ziehen sich

nun

die Spitze des

die Muskelfasern des

Blasenhalses z u s a m m e n , drängen dessen hintere Wand nach Vorn und heben Gestalt die Spitze des I n s t r u m e n t e s

Stein-

M e r c i e r giebt (Gaz. h e b d o m a d a i r e

empor.

Mit j e d e r H e b u n g a b e r rückt

zwischen zwei W a l z e n , weiter in die Blase hinein.

solcher es,

wie

25

Fremde Körper.

H a r n r ö h r e n s t e i n e kommen gewöhnlich aus der Blase.

Es han-

delt sich um StUcke von Blasensteinen oder um kleine Blasensteine, die durch den Strom der Flüssigkeit oder beim Zurückziehen der in die Blase eingerührten Instrumente

in die Harnröhre gelangt sind.

Seit man

Blase zertrümmern gelernt hat,

sind

die Steine innerhalb der

Harnröhrensteine

viel häufiger.

Nur

höchst

selten

entstehen

Steine in der Harnröhre selbst, wenn nicht etwa eine Verengerung derselben vorhanden ist oder ein fremder Körper sie versperrt.

Wird

in der einen oder anderen Weise eine Stagnation des Harns in der Urethra

veranlasst,

so bilden sich

Hamröhrenschleim, der gerade an abgesondert wird, leicht Deposita von

aus den Harnsalzen

und

dem

der verengten Stelle reichlicher

Concretionen, die sich dann

Harnsalzen vergrössern.

Die B i l d u n g

durch von

neue Harn-

r ö h r e n s t e i n e n u m f r e m d e K ö r p e r beobachtet man vorzugsweise an denjenigen

Stellen, wo die Harnröhre Biegungen oder Erweite-

rungen besitzt, also namentlich in der Fossa navicularis, in der Pars bulbosa,

an der Umlegungsstelle der Pars inembranacea, endlich

innerhalb der Prostata.

An diesen Stellen

längere Zeit zu verweilen. kupfernen Bing

pflegen fremde

Körper

Auf solche Weise hat man Nadeln, einen

(Liston),

Stücke

Kern von Steinen werden sehen.

von Kathetern u. dgl. m. zum

Harnröhrensteine haben, ganz im

Gegensatz zu der Mehrzahl der anderen fremden Körper, welche in diesem Canale vorkommen, die Neigung gegen die Fossa navicularis weiter vorzurücken.

Der Harnstrom treibt sie in

dieser Bichtung

vorwärts und häufig werden sie auf diesem Wege ausgestossen, ohne dass

eine Verletzung

der Harnröhre dabei entsteht.

Vorzugsweise

durch die weibliche Harnröhre können Steine von unglaublicher Grösse ausgetrieben werden.

Von der Grösse einer Mandel wurden sie häufig

beobachtet; man spricht aber auch von solchen, die die Grösse eines Eies erreicht

haben

sollen').

Begreiflicher

Weise

muss bei

dem

Durchgange so grosser Steine eine gefährliche Dehnung des Canals zu Stande kommen, welche häufig eine dauernde Lähmung des Sphincter und somit Incontinentia urinae zur Folge hat.

Ist der Harnröhrenstein

in der Harnröhre selbst entstanden, so können die Verhältnisse seiner spontanen Ausstossung niemals günstig sein, sonst wäre er eben nicht entstanden.

Dasselbe gilt für die aus der Blase kommenden Steine,

wenn sie eine bedeutende Grösse haben.

Letztere werden häufig von

einer besonderen Ausbuchtung der Harnröhre aufgenommen; Zuweilen entsteht an dem Steine selbst eine Furche, so dass der Harn noch ohne allzu grosse Beschwerden entleert werden kann, obgleich ein 0

Vgl. C o I l o t , Traité de l'anatomie, pag.

298.

26

Krankheiten der Harnröhre.

ansehnlicher Stein in der Harnröhre steckt')- Gewöhnlich aber erregt der Stein bei längerem Verweilen, ganz ebenso wie andere fremde Körper, Entzündung und Verschwärung, durch welche allmälig eine Harnröhrenfistel entsteht. Eine solche kann jedoch, wenn sie klein war und einen sehr schrägen Verlauf hatte, nach Ausstossung des Steins sich wieder schliessen; in anderen Fällen wird eine solche Fistel bleibend. Im Allgemeinen gehören die durch Harnröhrensteine veranlassten Fisteln, wenn nicht zugleich eine Verengerung besteht, zu den leichter heilbaren. Die S y m p t o m e , w e l c h e d u r c h die A n w e s e n h e i t f r e m d e r K ö r p e r in d e r H a r n r ö h r e h e r v o r g e r u f e n w e r d e n , stimmen so sehr mit denen Uberein, welche von anderen Erkrankungen der Urethra selbst oder der Prostata oder der Blase herrühren, dass man aus ihnen niemals bestimmte Schlüsse ziehen kann. Der Kranke kann über heftige Schmerzen in der ganzen Urethra oder an einer bestimmten Stelle derselben klagen, ohne dass der vermuthetc fremde Körper in der Harnröhre ist; so namentlich bei Blasensteinen. Die Harnverhaltung kann ebenso gut von einer Verengerung, wie von einem fremden Körper herrühren; sie wird durch einen in den Blasenhals eingetriebenen Stein ebenso sehr bedingt, wie durch eine Schwellung der Prostata. Ebenso verhält es sich mit der Incontinentia urinae und mit der Blutung, die allerdings durch einen in der Harnröhre befindlichen fremden Körper veranlasst werden, aber ebenso gut auch durch einen Blascnstein oder eine Erkrankung der Prostata hervorgerufen sein können. Entscheidung liefert somit immer nur eine genaue U n t e r s u c h u n g m i t t e l s t d e s K a t h e t e r s oder anderweitiger Sonden, auch mittelst der Finger, mit denen man den hinteren Theil der Pars spongiosa, sowie die Pars membranacea und prostatica vom Damm und vom Mastdarm aus betasten muss. In seltenen Fällen kann man den fremden Körper in der Fossa navicularis sehen. Beim Einfuhren des metallenen Katheters hört oder empfindet man ein mehr oder weniger rauhes und hartes Anstossen oder Anschlagen, je nach der Beschaffenheit des fremden Körpers. Zuweilen kann der Katheter an dem Harnröhrensteine vorübergleiten und, ohne angehalten zi werden, bis in die Blase gelangen, wenn derselbe nämlich in eine? Ausbuchtung liegt oder auf dem Wege der Verschwärung schon weiter gegen die äussere Haut fortgerückt ist. Die Anwesenheit mÄrerer kleiner Steine kann man aus dem bei ihrer Berührung entstehenden Geräusche erkennen (Civiale). ' ) T o l e t , Traili de la (aille, 1834.

Ich habe einen solchen Fall selbst (esehen.

27

Fremde Körper.

Ausziehung der f r e m d e n K ö r p e r aus der Urethra. weilen gelingt es, einen in die Harnröhre eingedrungenen Körper mit einer schmalen Kornzange,

die man

halbgeöffnet

ihn hinwegzuschieben sucht, zu fassen und auszuziehen.

Zu-

fremden über

Handelt es

sich um eine Nadel, so schicbe man dieselbe, nachdem

sie sicher

gefasst ist, etwas tiefer, bevor man sie auszuziehen versucht, da voraussichtlich ihre Spitze nach vorn gerichtet ist.

In manchen Fällen

gelingt es auch, den fremden Körper, namentlich wenn es ein von der Blase her eingedrungener Stein ist, durch einen kräftigen Harnstrahl auszutreiben.

Der Kranke muss also reichlich trinken.

In der grossen

Mehrzahl der Fälle muss man aber auch die tief sitzenden Körper auf mechanischem

Wege,

entweder mittelst

der

fremden

Kxtraction

durch den Canal der Urethra oder durch einen Einschnitt herausbefördern.

Das Aussaugen der Urethra und die Erweiterung durch Auf-

blasen, Einspritzen von Flüssigkeit oder Einführung von aufquellenden Bougics hat sich als unwirksam und namentlich in Betrefl' der letztgenannten

Hülfsmittel,

wegen

sogar als gefährlich erwiesen.

der

dadurch

erregten

Entzündung,

Dagegen ist es allerdings zweckmässig,

den Theil der Harnröhre, in welchem der fremde Körper sitzt, mit dem zur Extraction bestimmten Instrumente zu erweitern, bevor man ihn fasst.

Wenn es möglich ist, so sucht man den Theil der Harn-

röhre, in welchem der fremde Körper sitzt, von Aussen hei' zu fixiren und dicht dahinter den Canal der Harnröhre zu comprimiren. muss das Extractionsverfahren in welcher

der

Uebrigens

verschieden sein, j e nach der Tiefe,

fremde Körper

sitzt.

Nahe

der Fossa

navicularis

kommt man mit gewöhnlichen Kornzangen aus und wird nur,

wenn

der fremde Körper sehr gross, fest eingekeilt oder durch die Entzündungsgeschwulst fest umschlossen i s t , die Harnröhre in der Richtung nach Hinten spalten, was übrigens ohne alle Gefahr und wenig schmerzhaft ist.

Bei etwas tieferem Sitze kommt man mit einer etwas

gebogenen Hohlsonde oder dem von Vi d a l ursprünglich für die Ausziehung fremder Körper aus dem Gehörgange angegebenen Instrumente (vgl. Bd. III. pag. 1 6 0 , Fig. 1 9 u. 2 0 ) zum Ziele, namentlich wenn es sich um einen Harnstein handelt.

Weniger leicht möchte es sein,

einen fremden Körper mit

einer

Drahtschlinge, wie einen

in der Flasche, zu fangen.

Jn seltenen Fällen gelingt es, einen frem-

Pfropfen

den Körper, namentlich eine Nadel, in dem Auge eines Katheters zu fangen, besonders wenn man

dasselbe vorher

mit

einer

klebrigen

Salbe bestrichen hat. Zum Behuf der Extraction tiefer sitzender fremder Körper hat man ferner die Wahl zwischen mehreren sehr sinnreichen und wirk-

28

Krankheiten der Harnröhre.

samen Instrumenten. Das älteste derselben ist die sogenannte „ H u n t e r ' s c h e Z a n g e " , welche aber schon von I l a l e s angegeben worden ist. Sie besteht aus einer silbernen Röhre und einem in dieser beweglichen Stabe von Stahl, der an seinem Ende in zwei oder drei

I

l 11

Fig. 7 ' ) ,

8.

9.

10.

11.

12.

13.

14.

15.

16.

17.

18.

' ) Die nachstehend beschriebenen, Figur 7 — 2 6 abgebildeten Instrumente sind nur zum Tlieil für die

Ausziehung fremder Körper

aus

der Harnröhre

bestimmt.

Auf die übrigen, zur Heilung von Verengerungen der Harnröhre erfundenen, werden wir später zurückkommen. obigen Gruppen »ereinigt.

Sie sind nur aus typographischen Griiaden in

Fig. 7.

Das gegliederte Löffelchen, curetle

articuUe,

von B o n n e t mit einer Knopfsonde versehen, welche dazu dienen soll, den damit gefangenen fremden Körper fest zu halten, ähnlich dem Kugellöflel von T h o m a s s i n . Fig. 8.

Aetzmiltelträger zum Behuf der Aetzungvon Vorn nach Hinten von L e r o y .

Das dazu gehörige geknöpfte Stilet ist Fig. 12 abgebildet.

Das olivenförmige

Ende desselben wird aus dem Hohr hervorgeschoben, wodurch die Einführung wesentlich erleichtert wird.

Ist man bis zu der verengten Stelle gelangt, so

wird ein anderes, Fig. 10 abgebildetes Stilet eingeführt, in dessen ausgehöhltem Knopf Höllenstein befestigt ist.

Fig. 9. Instrument zur blutigen Erweiterung der

Harnröhre nach S t a f f o r d , gleichfalls in der Richtung von Vorn nach Hinten. Fig. 11.

Instrument zur Erweiterung der Harnröhre

durch

den

Schnitt

mit

Fremde Körper.

Ausziehnng.

federnde Arme ausläuft. Wird der Stab aus dem Rohr hervorgeschoben, so springen diese Arme auseinander (Fig. 20); wird er dagegen zurückgezogen, so schiiessen sie sieh dicht f aneinander (Fig. 21). Um mit dieser Zange in die Pars membranacea eindringen zu können, hat man ihr die Krümmung der gewöhnlichen Katheter gegeben. C i v i a l c lässt den stählernen Stab in seiner Axe durchbohren und führt durch diesen Canal eine Sonde, um zu erforschen, ob der fremde Körper auch gehörig gefasst ist; zugleich kann die Einrichtung so getroffen werden, dass die Arme beim Zurückziehen der Sonde sich noch weiter von einander entfernen. Das Instrument wird geschlossen eingeführt; sobald es auf den fremden Körper aufstösst, Fig.19.20.21.22.23.24.

mehreren kleinen Klingen.

Fig. 13.

Instrument

zu

Hände und geknöpftem Stilel. wachs).

U)

26.

Zä.

gleichem

Klinge, die im Augenblick der Biegung hervorspringt. Fig. 15. Bauchiges (spindelförmiges) Bongic.

T

Zweck mit einer

Fig. 14. Konisches Bongic.

Fig. 16.

Kanüle mit schneidendem

Fig. 17. Bongic ä einpreinte (Knopf aus Modellir-

Fig. 18. Aetzmiltelträger nach Du c a m p .

Im oberen Theile der Figur

geöffnet, d. h. hervorgcschoben, im unteren geschlossen. in einer röhrenförmigen Scheide, nach L e r o y .

Fig. 19. Ilarnröhrensonde

Fig. 20.

drei Armen, gcölTnct; Fig. 21 dieselbe geschlossen.

H u n t e r ' s e h e Zunge mit

Fig. 2 2 . Instrument zur Grade-

ricluung der Urethra, im Profil gesehen, mit der für seine Einführung in die Harnröhre nöthigen Krümmung.

Fig. 2 3 . Dasselbe Instrument in gestreckter Stellung,

welche ihm durch ein die Glieder des Endstücks durchlaufendes Slilet wird.

Fig. 2 i . Das Stilet

des L a l l e m a n d ' s c h e n

Schnabel der Höllenstein eingeschmolzen wird.

erlheilt

in

dessen

Der Grill'ist auseinander geschraubt,

um die Zusammensetzung desselben zu zeigen. Aelzmittelträgrr

Aelzmittelträgcrs,

vollständig zusammengesetzt.

Fig. 2 5 .

Der L a l l e m a n d ' s c h e

Fig. 2(5. Actzmillelträger

ähnlich

dein L e r o y ' s c h e n , gleichfalls zur Aetzung in der Hichtung von Vorn nach Hinten, aber ohne Krümmung.

An dem Ende der silbernen Itöhre,

eigentliche Träger des Aetzmittels

bewegt, befinden sich

in welcher sich der

zwei

kleine

welche durch eigene Federkraft das Ende

der Itöhre verschlussen,

wärtsschieben des Stilets aber durch die

kleine

Hülse,

in welcher

Klappen,

beim sich

Vorder

Höllenstein befindet, auseinander gedrängt w e r d e n , wie dies in unserer Figur 2 6 dargestellt ist. —

30

Krankheiten der Harnrohre.

öffnet man die Arme, schiebt es ein wenig vor, um damit den Körper zu umfassen, schliesst dann möglichst fest und bewirkt die Extraction langsam und ohne zu grosse Gewalt. — Die von A m u s s a t angegebene Zange besteht aus einer an ihrem Ende in vier Arme gespaltenen Röhre und einem darin beweglichen Stabe, der in einen abgerundeten Knopf endet. Wenn das Instrument geschlossen ist, so bildet der Knopf das Blasen-Ende desselben; zieht man den Stab etwas hervor, so entfernen sich die vier Arme so weit von einander, als es das Kaliber der Harnröhre überhaupt gestattet; zieht man den Stab aber noch weiter heraus, so fällt der Knopf in eine an der Wurzel der vier Arme gelegene Ausweitung und sofort klappen die vier Arme durch Federkraft gegeneinander. Die Anwendung dieses Instruments, namentlich zum Ausziehen von Steinen, ergiebt sich von selbst. Man sucht den Stein durch Druck vom Perineum aus in die geöffneten Zangenarnic hineinzuschieben, während man das Instrument selbst sanft vorwärts bewegt. Mehr noch als alle diese complicirten Instrumente leistet P i t h a ' s U r e t h r a l z a n g e , d. h. eine Kornzange mit dünnen, langen, löffelförmigen Blättern, die sich leicht bis in die Pars bulbosa einführen und in der Urethra mit fast parallelen Blättern öffnen lässt. Auch bei ihrer Anwendung ist es unerlässlich, vom Damm aus mit den Fingern den fremden Körper emporzudriieken. Nachdem der fremde Körper glücklich gefasst ist, verhütet man sein Hinausgleiten während der Ausziehung durch den Druck des ihm stetig folgenden Fingers. Das Löffelchen von L e r o y (ciiretle articulée) besteht aus einem geraden Stabe, an dem sich ein, etwa 4 Mm. langer Fortsatz in einem Charniergelenk beweglich angefügt befindet. Dieser kleine löffeiförmige Fortsatz kann, nachdem er an dem Steine vorUber geführt ist, — was freilich meist schwer sein möchte, — durch einen einlachen Mechanismus in rechtwinklige Stellung gegen den übrigen Stab gebracht und in dieser festgestellt werden, worauf die Ausziehung dann mit grosser Sicherheit und Leichtigkeit gelingen müsstc. Wenn man den g a n z e n Stein nicht auszuziehen vermochte, so hat man schon in den ältesten Zeiten die Ausziehung einzelner Stücke nach vorgängiger Zertrümmerung desselben ausgeführt (Lithotrilie urétrale). Trotz des ungünstigsten Urtheils, welches selbst B o y e r noch Uber diese allerdings früher nicht gerade in der zweekmässigsten Weise unternommene Operation fällte, hat sie sich seit der Erfindung der Zertrümmerung des Steins in der Blase des allgemeinsten Beifalls zu erfreuen gehabt und wird jetzt gerade in derselben Weise und mit ähnlichen Instrumenten wie die genannte Operation ausge-

Fremde Körper.

31

Ausziehung.

führt. Die Grösse der Instrumente muss geringer sein, als für die Zertrümmerung der Blasensteinc. Fig. 27.

Fig. 2 7

zei

8 l d a s Schnabel-Ende des von L e r o y angegebenen In-

s t r u m e n t e s , dessen Anwendung sich von selbst

verstellt.

Schwierig ist

auch h i e r b e i , das lölTHförmige Ende hinter den S t e i n zu führen. A t n u s s a t (Bullet, de Therap. der H a r n r ü h r e

1 8 5 5 . J u i n ) zerstückelte einen in

eines Kindes festsitzenden S t e i n , indem

Hunter'schen

Zange fasstc und mit einem

in

er ihn mit der

dieselbe eingeführten

Bohrer a n b o h r t e .

Wenn ein kleines Stückchen sich in einer seitlichen Ausbuchtung der Harnröhre eingebettet h a t , so gelingt es zuweilen, dasselbe durch Druck von Aussen in die vorher eingeführte Zange hineinzudrängen. L e r o y hat auch für solche Fälle die Zertrümmerung vorgeschlagen. Nachdem man den Sitz des Steines genau bestimmt hat, soll man einen geraden Katheter einführen, welcher auf der dem Steine entsprechenden Seite ein hinreichend grosses Fenster (Auge) besitzt, um den Stein in den Katheter hineinragen zu lassen, dann aber mit einer langgestielten Feile im Katheterrohr durch Hin- und Herbewegen derselben den Stein zertrümmern, während ein Gehülfe ihn möglichst stark in den Katheter hineinzupressen sucht. Wenn zur Ausziehung oder Zertrümmerung des Steines grosse Gewalt oder wiederholte operative Eingriffe erforderlich wären, so ist es besser, die Harnröhre an der Stelle, wo der Stein oder der fremde Körper sitzt, zu s p a l t e n und ihn auf diesem Wege zu entfernen. Eine solche kunstgerecht angelegte Ilarnröhrenwunde ist weniger schlimm als die, bei gewaltsamer Extraction doch nicht zu vermeidende Zerreissung der Harnröhre. Am Häuiigsten wird zu diesem Behuf die Eröffnung der Pars membranacea erforderlich. Ein Gehülfe lixirt den Stein mit zwei in den Mastdarm geführten Fingern. Der Operateur schneidet gerade auf den Stein ein, wenn er ihn deutlich fühlen kann; anderen Falls dringt er, Schicht für Schicht incidirend, bis zur Urethra vor, die mit einer vorher eingeführten Leitungssonde hervorgedrängt wird. Die Schnitte werden möglichst genau in der Raphc des Dammes geführt. Der blossgelegte Stein wird mit einem Hebel herausgehoben oder mit einer Kornzange ausgezogen. Häufig stecken mehrere Steine in der Harnröhre oder hinter einem Ilarnrohrensteine noch andere in der Prostata oder Blase. Man muss deshalb mit Sonde oder Katheter von der Wunde aus genau untersuchen. Spaltungen des dem Serotum entsprechenden Theils der Harnröhre hat man im Allgemeinen zu ängstlich, aus Besorgniss vor der

32

Krankheiten der Harnröhre.

Infiltration des Scrotum, vermieden. Wenn aber der Stein gerade an dieser Stelle seinen Sit/, hat, so wäre es thöricht, sich blos aus diesem Grunde weiter von ihm zu entfernen. Macht man nur den Hautschnitt beträchtlich grösser als die tieferen Incisionen, so ist die Gefahr der Ilarninfillration nicht von grosser Bedeutung. Diese Regel gilt eben so sehr für den Übrigen Thcil der Pars cavernosa. Um eine vollkommen glatte Wunde in der Pars cavernosa urethrae zu erhalten, ist es zweckmässig, die Spaltung derselben auf einer Leitungssonde zu verrichten. Glatte, reine Längswunden der Art heilen, wenn auch nicht per priinam, doch ziemlich schnell, wenn man dieselben vor den nachtheiligen Einflüssen des Ilarns durch Anwendung des Katheters schützt. Vgl. pag. 20 u. f. Um die Bildung e i n e r H a r n r ü h r e n ß s l e l zu vermeiden, hat P h i l a g r i a s n . Chr.) den Rath gegeben, die H a r n r ü h r e

von

(um 350

der Dorsalseite h e r zu öffnen,

jedenfalls n u r in dem vor der Symphyse liegende Thcile a u s f ü h r b a r w ä r e und einer stärkeren Blutung a u c h wahrscheinlich noch eine länger Folge haben würde.

Vgl. V e l p e a u , Médecine opératoire.

dauernde

was neben

Eiterung zur

Paris 1 8 3 9 .

Viertes Capitol.

Neurosen der Harnröhre. Sowohl Neuralgien als krampfhafte Zusammenziehungen kommen im Bereich der Harnröhre vor. Häufig betreffen sie zugleich den Blasenhals und das unterste Stück des Mastdarms, namentlich den Sphincter ani. Im Allgemeinen sind Untersuchungen Uber diese Krankheitszustände schwierig und die bis jetzt vorliegenden unzureichend. Verwechselungen mit dem ersten Stadium einer Harnröhrenentzündung sind von Denen, welche die sogenannte „Blennorrhoea sicca" als eine Neuralgie deuten, nicht immer vermieden worden. Auch in anderen Beziehungen ist die Deutung gewisser krankhafter Zustände als Neurosen noch zweifelhaft. G i v i a l e spricht z. B. von einer Neurose der Urethra, welche nach längerem Verweilen eines Steinfragmentes in der Pars spongiosa entstanden sei. Die Einführung des Katheters oder anderer Instrumente, die Anwendung des Höllensteins auf die Schleimhaut der Harnröhre sollen ähnliche Folgen gehabt haben. Als Neurose wird hier die unter solchen Verhältnissen allerdings nicht selten beobachtete Harnverhaltung aufgeführt. Dieselbe kann einfacher aus der nach jenen Einwirkungen nothwendig zurückbleibenden entzündlichen Reizung erklärt werden. Allerdings giebt es auch Fälle, in denen plötzliche Harnverhaltung in Folge einer Gemütsbewegung auftritt; in diesen wird man berechtigt sein, eine djrecte Abhängigkeit dieses Ucbcls von Störungen der Nerventhätigkeit anzu-

Neurose.

33

nehmen. Zweifelhaft bleibt es, ob die Harnverhaltung aus einem Krampf der Urethra oder aus einem Krampf des Blasenhalses erklärt werden soll. Häufig sieht man erhöhte Empfindlichkeit und krampfhafte Verengerung in Folge oder in Begleitung anderweitiger Erkrankungen der Urethra selbst oder der Prostata oder des Blasenhalses auftreten. Wenn nämlich auch diese materiell nachweisbaren Krankheiten an und für sich schmerzhaft sind, vielleicht auch schon an und für sich ganz mechanisch Verengerung der Harnröhre bedingen, so sieht man doch oft im weiteren Verlaufe, ohne dass Fortschritte der materiellen Erkrankung nachweisbar wären, eine so beträchtliche Steigerung der Schmerzen und eine so plötzlich eintretende Retcntio urinae, dass man zur Erklärung derselben mit den vorhandenen pathologischen Veränderungen nicht ausreicht. Häufig sind die Schmerzen und Krampfzustände in der Urethra sympathische, d. h. von einer Erkrankung der Blase oder irgend eines Theils der Geschlechtsorgane oder des Mastdarmes abhängig. Bekannt ist der lebhafte Schmerz im vordersten Thcile der Harnröhre bei Blasensteinen. Zuweilen lässt sich aber durchaus keine anderweitige Störung im ganzen Bereich der Harnwege und der benachbarten Organe nachweisen; die Neurose besteht dann so zu sagen in ihrer vollen Reinheit; so namentlich nach heftigen Gemilthsbewcgungen und gleichzeitig mit Neuralgien in anderen Körpertheilen, zumal bei Individuen, deren Nervensystem durch geschlechtliche Ausschweifungen erschüttert ist. Man muss aber in dieser Beziehung auf der Hut sein; denn meist ist die Symptomengruppe, die man als Neurose deutet, von einer Verengerung oder einem höchst materiellen Leiden der Prostata abhängig. Die Theile der Harnröhre, welche der Blase zunächst liegen, namentlich auch die von Muskeln umgebene Pars mcmbranacea, werden am Häufigsten von Krampf befallen. Neuralgien treten häufiger in der Nähe der Eichel auf. Hie Diagnose solcher Zustände kann nur in so weit sicher gestellt werden, als man im Stande ist, m a t e r i e l l e V e r ä n d e r u n g e n a u s z u s c h l i c s s e n . Die Unbeständigkeit und Beweglichkeit der Symptome, ihr fast regelmässig intermittirendes Auftreten in Form von einzelnen Anfällen, die Wiederkehr des vollkommenen Wohlbefindens nach Beendigung des Anfalls und die unveränderte Beschaffenheit des Ilarns während und nach demselben weisen auf den nervösen Charakter hin. Je länger die Krankheit besteht, desto schneller folgen gewöhnlich die Anfälle auf einander, desto länger ist auch ihre Dauer. Stellen sie sich täglich ein, so kommen sie des Abends, des Nachts oder während der Verdauung. Mangel an Beschäftigung und Alles, B a r d e l e b e n , Chirurgie.

6 . AuO. IV.

3

34

Krankheilen der Harnrohre..

was die Empfindlichkeit erhöht, namentlich auch die Furcht vor Harnverhaltung, ruft den Anfall hervor oder steigert seine Heftigkeit. Gewöhnlich ist die Schwierigkeit der Harnentleerung desto grösser und der Schmerz in der Harnröhre desto lebhafter, je weniger Harn in der Blase enthalten ist. Bei längerem Bestehen gesellen sich zu den Schmerzen und Krampfanfällen allmälig Katarrh der Prostata oder der Blase. Dann wird die Untersuchung und die Entscheidung über das Wesen der Krankheit noch schwieriger. Man muss sich namentlich überzeugen, dass weder Verengerung der Urethra, noch Schwellung der Prostata, noch endlich ein Stein in der Blase vorhanden ist. Von grossem diagnostischen Wcrthe ist es, dass sowohl beim Krampf als bei der Neuralgie der Harnröhre die Einführung des Katheters viel eher Besserung als Verschlimmerung des Uebels herbeiführt. C i v i a l e bemerkt in dieser Beziehung, auf Grund seiner reichen Erfahrung, dass nur allzu häufig Fälle, in denen blos Krampf der Harnröhre bestand, für Stricturen erklärt wurden, weil es dem untersuchenden Arzte aus Mangel an Ucbung nicht sogleich gelang, den Katheter bis in die Blase zu führen. Solche s c h e i n b a r e S t r i c t u r e n werden dann durch wiederholte Einführung des Katheters geheilt; auch manches andere Mittel hat den Ruf, als sei es gegen Stricturen der Harnröhre höchst wirksam, nur solchen Fällen von „krampfhafter Strictur" zu verdanken. Behandlung. Die e r h ö h t e E m p f i n d l i c h k e i t d e r H a r n r ö h r e n s c h l e i m h a u t s o l l v e r m i n d e r t w e r d e n . Zu diesem Behuf führt man Tag für Tag (oder alle zwei Tage) eine Bougie von mittlerer Dicke ein und lässt sie fünf bis zehn Minuten liegen. Gewöhnlich reichen 10 bis 15 Einführungen selbst bei veralteten Fällen hin, um Heilung zu bewirken. Diese wird an dem Nachlass der Symptome und vorzüglich daran erkannt, dass die Bougics ohne schmerzhafte Empfindung eindringen. Zum Schluss wendet man dicke Bougies an, um sicher zu sein, dass hinter der krampfhaften Strictur nicht eine organische, wenngleich noch wenig entwickelte, versteckt sei. Wo dies Verfahren nicht ausreicht, soll man durch eine p l ö t z l i c h e und h e f t i g e E r r e g u n g Hülfe schaffen, namentlich durch Einführen eines starken Katheters oder eines der zur SteinzcrtrUmmcrung bestimmten Instrumente. Hierbei mag es sich ähnlich verhalten wie bei der Heilung der krampfhaften Strictur des Afters durch Einführen dicker Zapfen. C i v i a l e bat eine grosse Reihe solcher Erfahrungen gemacht, namentlich bei Kranken, denen e r , blos um die Diagnose zu sichern, Sonden in die Blase eingeführt hatte und bei welchen in

Entzündung.

35

Folge dieser Operation der Harnröhrenkrampf sofort geheilt -wurde. In hartnäckigeren Fällen, namentlich wenn zugleich Atonie der Blase besteht, macht man Einspritzungen von kaltem Wasser, dessen Temperatur allmälig immer mehr erniedrigt wird. Wenn man diese direet wirkenden Mittel erschöpft hat, so kommen A b l e i t u n g e n

auf die äussere Ilaut, namentlich der l'nterleibs-

gegend und des Dammes

zur Anwendung.

oft vorzügliche Dienste geleistet;

aber

Die k a l t e D o u c h e hat

auch andere Hautreize

(Ein-

reibungen von Crotonöl u. dgl. m.) können benutzt w e r d e n . Von

grosser Bedeutung

des D a r m c a n a l c s ; Verstopfung.

ist die R e g e l u n g

tränk ist von grossem Nutzen. chen Behandlung,

so

hartnäckiger

Widersteht die K r a n k h e i t einer sol-

in

Kauterisationen

mit Höllensteinlösungen

abgebildeten Aetzmittclträgers Gerade

sehr

abhängige

Reichliches, leicht alkalisches Ge-

können o b e r f l ä c h l i c h e

der Harnröhrenschleimhaut werden.

Functionen

Ferner ist die Concentration und die davon

Schärfe des Harns zu vermindern.

pag. 2 9

der

denn solche Kranke leiden oft an

oder mittelst des

von L a l l e m a n d

hartnäckigen

Fällen

oft von Nutzen.

ist

angewandt

ein

häufiger

Wechsel

der B e h a n d l u n g

Manchmal sah man

das Ucbel,

nachdem es lange Zeit erfolglos auf alle W e i s e bekämpft

worden ist, plötzlich von selbst verschwinden.

Fünftes

Cnpitel.

Entzündungen der Harnröhre. Entzündungen

der

Harnröhrenschleimhaut

können

durch

alle

möglichen Entzündungsreize, namentlich also auch durch Verletzungen veranlasst werden. entziindungen, norrhoea.

Sie haben im Allgemeinen, wie alle Schleimhaut-

die Neigung zum 1'ebergang in Sehleimfluss, Die

häufigsten

Entzündungen

der Harnröhre

Blensind

die

durch Ansteckung vermittelst des blennorrhoischen Vaginalsecrets entstandenen.

Gerade bei diesen ist die Tendenz zur Blennorrhoe von

Anfang an ausgeprägt.

Sie bieten wesentliche Verschiedenheiten dar,

je nachdem sie mit acutem oder chronischem Verlauf auftreten. In Betreff der Urethral-BIennorrlioe sowohl, als auch aller übrigen venerischen Erkrankungen der Harn- und Geschlechts-Organe verweisen wir auf Z e i s s l ' s Lehrbuch der Syphilis und der mit dieser verwandten örtl. vencr. Krankh., II. Aufl., Erlangen 1 8 7 1 .

36

Krankheilen der Harnröhre.

I. Acute Blennorrhoe, Tripper. W i r b e r ü c k s i c h t i g e n h i e r n u r die B l e n n o r r h o e d e r m ä n n l i c h cn Harnröhre (Urclhroblcnnorrhoca, h ä u f i g e r ist u n d

G o n o r r h o e n ) , da diese ungleich viel

die E i g e n l h ü r n l i c h k c i l c n

m u l i e b r i s bei d e r V a g i n a l b l e n n o r r h o e Acliftlogic.

der B l c n n o r r h o e a

ihre Berücksichtigung

Urethra« finden.

Prädisposition z u r B l e n n o r r h o e w i r d b e d i n g t

s t a r k e E n t w i c k l u n g des röhrenmündung,

Penis,

durch

d u r c h b e t r ä c h t l i c h e W e i t e der Ilarn-

durch Ilypospadie

( w e l c h e das E i n d r i n g e n

des

auf

d e r hinteren W a n d d e r V a g i n a a n g e h ä u f t e n S e c r e t s b e g ü n s t i g t ) . lymphatische

Temperament

günstig sein;

auch

soll

der

Entwickelung

der

Das

Blennorrhoe

f e u c h t e Klirnate h a t m a n a n g e s c h u l d i g t ;

reizende

u n d a u f r e g e n d e Nahrungsmittel u n d G e t r ä n k e , w i e G e w ü r z e , Trüffeln, Spargel,

K a f f e e , Spirituosa w e r d e n gleichfalls mit z w e i f e l h a f t e m Rechte

als

prädisponirend

der

Genuss der

schlimmerung eine n u r

aufgeführt.

angeführten

einer

Dagegen

ist

Nahrungsmittel

bereits

bestehenden

s c h e i n b a r geheilte

wieder

es und

unzweifelhaft,

dass

Getränke

Ver-

Blennorrhoe

hervorrufen

beitragen

kann.

a n z u e r k e n n e n sein, dass T r u n k e n h e i t der Infcction ist.

zur

Auch

besonders

und dürfte

günstig

A l s V e r a n l a s s u n g e n d e r U r e t h r a l b l e n n o r r h o e w e r d e n ferner Gicht,

Rheumatismus, sichere

Scrol'eln

Begründung;

und

Flechten

dagegen

muss

aufgeführt,

zugestanden

gleichfalls

werden,

ohne

dass

das

B e s t e h e n dieser K r a n k h e i t e n einen w e s e n t l i c h e n Einlluss a u f den V e r lauf der Blennorrhoe ausübt. die an R h e u m a t i s m u s leiden, ein

rheumatischer

Anfall

S o sieht m a n namentlich bei P e r s o n e n , die B l e n n o r r h o e s c h n e l l c r l ö s c h e n ,

sich

entwickelt

k e h r e n , w e n n die G e l e n k s a f f e c t i o n Die

unmittelbaren

sikalischen

und

demnächst

wenn

wieder-

nachlässt.

V e r a n l a s s u n g e n k ö n n e n a l l e r d i n g s in p h y -

oder chemischcn Einwirkungen

häufig wiederholtem Kathetcrismus,

bestehen

(Urethralsteinen,

I n j e c t i o n v o n kaustischem A m m o -

n i a k ) ; u n g l e i c h h ä u f i g e r a b e r e n t s p r i n g t die B l e n n o r r h o e aus s e x u e l l e n Beziehungen,

die

wirken können.

ihrerseits w i e d e r in s e h r v e r s c h i e d e n e r W e i s e Hierher

gehören:

namentlich bei unverhältnissmässiger

allzu h ä u f i g w i e d e r h o l t e r

ein-

Coitus,

G r ö s s e des Penis o d e r E n g e der

V a g i n a , f e r n e r M a s t u r b a t i o n e n , die B e r ü h r u n g mit Mcnstrualblut,

mit

d e r F l ü s s i g k e i t d e r L o c h i e n , m i t K r e b s j a u c h e (bei C a r c i n o m der Portio v a g i n a l i s uteri), v o r z u g s w e i s e mig-eitrigen katarrhs

oder

rein

h ä u f i g a b e r die E i n w i r k u n g des schlei-

eitrigen S e c r e t s

o d e r einer B l e n n o r r h o e dieser

eines V a g i n a l Organe.

oder

Uterin-

Acule Blennorrhoe.

37

Silz. In den gewöhnlichen Fällen, welche ihre Entstehung der Einwirkung des Vaginalsecrets verdanken, hat das Uebcl seinen Sitz im A n f a n g s t h c i l d e r I l a r n r ö h r e , dicht hinter der Fossa navicularis, oder in dieser selbst. Diese jetzt allgemein a n e r k a n n t e Ansicht über den Sitz der Blennorrhoe im vordersten Theil der Harnröhre ist nicht neu.

Schon S t o l l bezeichnete als den leidenden

Theil der Urethra d e n j e n i g e n , welcher dem Frenulum e n t s p r ä c h e , D e s a u l t die Fossa navicularis; J o h n H u n t e r fand an zwei Hingerichteten, welche

er s e c i r t e , die E n t -

zündungsröthe vorzugsweise gegen die Eichel h i n ; auch C u l l e r i e r erwähnte die Fossa navicularis und P h i l i p p e B o y e r h a t noch neuerdings bei einer Section die entzündliche Rothe der Schleimhaut n u r im vorderen Theil der Harnröhre

gefunden.

Swediaur

behauptet s o g a r , dass die Krankheit, sobald sie einen tieferen Sitz h a b e , schlecht bebandelt, plötzlich u n t e r d r ü c k t oder von einem inneren Leiden abhängig gewesen sein müsse.

In früheren Zeiten glaubte m a n , dass a u c h die mit der Urethra in Verbindung

stehenden Drüsen, die Saamenbläscben (nach A s t r u c ) , die Prostata (nach R o n d e l e t und M. A. S e v e r i n u s , der das Wesen der Blennorrhoe in einem Abscess der Prostata s u c h t e ) , die C o w p e r ' s c h e n D r ü s e n , die Schleimbälge der Harnröhre selbst (auf welche M o r gagni

, im Gegensatz zu

der

noch

früheren Annahme

von

Verschwörungen in der

Urethra, die Aufmerksamkeit hinlenkte) der Sitz des Uebels sein wegen d e r g r o s s e n

Masse des a u s f l i e s s e n d e n

jene drüsigen Organe bei der

Erklärung des

sollte.

Namentlich

E i t e r s schien es nothwendig,

Krankheitsvorganges

In diesen Annahmen liegt insofern eine W a h r h e i t , als in

zu

berücksichtigen.

heftigeren Fällen,

nament-

lich bei Vernachlässigung oder u n p a s s e n d e r Behandlung, die E n t z ü n d u n g sich allerdings nicht blos tief in die H a r n r ö h r e h i n e i n , sondern auch auf alle die erwähnten Drüsen, endlich sogar bis auf die S h l e i m h a u t

der Blase fortsetzt und

Schleimhaut aus auf die umgebenden

Gewebe zuweilen

greift, dass sogenannte p e r i u r e t h r a l e

Abscesse

andererseits

von

der

mit solcher Heftigkeit über-

entstehen.

Symptome und Verlauf. Die Blennorrhoe beginnt meist zwischen dem 3ten und 8ten Tage nach einem verdächtigen Coitus, selten später oder früher. Gewöhnlich ist der Ausfluss aus der Harnröhre nicht das erste Krankheitssymptom. Manche Patienten empfinden vorher ein Jucken, namentlich in der Eichel, oder eine eigentümliche Schwere in der Tiefe des Dammes, Andere haben Ziehen in der Leistengegend, noch Andere allgemeines Unwohlsein mit oder ohne Frostschauer. Wenn solche Symptome dem Ausfluss vorhergehen, so nennt man diese erste Periode der Krankheit von Alters her „ B l e n n o r r h o e a sicca", — ein Name, der zu Irrthümern geführt hat, indem man damit eine besondere Form der Krankheit bezeichnen wollte, die ganz ohne Ausfluss verliefe, was überhaupt nicht vorkommt. Zuweilen geht wiederum der Ausfluss allen übrigen Symptomen vorher; der Kranke bemerkt Flecken in seiner "Wäsche, ohne vorher irgend etwas empfunden zu haben. Der regelmässige Verlauf aber ist folgender. Die juckenden Empfindungen im Anfangsstück der Harnröhre steigern sich allmälig zu wirklichem Schmerz, der namentlich bei der Harn-

38

Krankheiten der Harnröhre.

entleerung brennend wird. Dann folgt ein fadenziehender, schwach gefärbter Ausfluss, dem Nasenschleim ähnlich, der sich auch im Anfangssttick der Harnröhre anhäuft und die Lefzen des Orificium f>) beschrieben. In einem anderen Falle (1856), in welchem Harnträufeln Statt fand, die Strictur aber für alle Insirumcnte inpermeabel war, gelang mir die Wiederherstellung des normalen Lumens der Urethra durch den l'erinealschnitt so vollständig, dass der Mann wieder im starken Strahle Harn lassen konnte.

Dieser glückliche Erfolg war um so

bemerkenswerter, als der Patient zur Zeit der Operation schon sehr elend war und durch

eine

Nekrose der Scapula,

herunterkam.

welche er

zu

überstehen hatte,

noch

vielmehr

(Dissertation von Dr. P e r e z , Greifswald 1 8 6 0 . )

Ich habe die Urethrotomia externa in der von S y m e angegebenen Weise bis jetzt 2 3 Mal mit vollständigem Erfolge ausgeführt. 6. brechung

Function

der Harnblase.

der Strictur,

namentlich

S o w o h l die g e w a l t s a m e Durch-

wenn

m a n sich dabei,

wie

f a v e '), e i n e s k a t h e t e r f ö r n t i g g e k r ü m m t e n T r o i c n r t s b e d i e n t , a l s die oben b e s c h r i e b e n e

Art des Ilarnröhrenschnittes,

der D a m m w u n d e

aus

ein I'robctroicart

in

die Blase

somit wenigstens

thcilweise ein künstlicher W e g

Laauch

bei w e l c h e r

von

geschoben

und

gebahnt w i r d ,

lich auch das Durchbrennen der Strictur nach M i d d c l d o r p f

end-

könnten

') I . a f a y c bediente sich eines an beiden Enden offenen, leicht gekrümmten Katheters, in welchem sich ein Stilet befand, welches gegen die Blase hin 4 Linien hervorgeschoben werden konnte.

Der Katheter wurde mit zurückgezogenem Stilet

eingeführt, bis er auf das Hinderniss traf, dann das Stilet hervorgestossen und gleichzeitig da9 ganze Instrument unter Leitung des vorher in den Mastdarm eingeführten Fingers in die Blase eingeschoben, wo der Katheter 14 Tage liegen blieb, um dann durch dickere Katheter ersetzt zu werden, durch deren fortgesetzte Einführung endlich die Herstellung eines künstlichen sein soll.

Man sieht, wie nahe dies

als „ P u n c t i o

schriebene Verfahren sich an den CalhMrisme

force

Canals gelungen

per u r e t h r a m "

anscbliesst.

be-

Verengerung.

83

im -weiteren Sinne des Wortes mit unter den Begriff der Punction der Harnblase subsummirt werden, da bei allen diesen Operationen eine plötzliche Eröffnung der Blase mittelst einer Continuitätstrennung stattfindet. Im engeren und gewöhnlichen Sinne des Wortes versteht man aber unter Punction der Harnblase eine Operation, durch welche die Blase mittelst eines Troicarts zum Behuf der Entleerung des Harns an einer anderen Stelle als gerade durch die versperrte Harnröhre hindurch geöffnet wird; ein Durchstechen der Blasenwand wird dabei nothwendig vorausgesetzt, weshalb auch der Name „ H a r n b l a s e n s t i c h " vollkommen gerechtfertigt erscheint. Man unterscheidet vier Methoden, je nachdem man a) vom Damm aus, b) durch den Mastdarm, e) oberhalb oder d) dicht unter der Schoossfuge einsticht. Die O p e r a t i o n s m e t h o d e n sind somit nur nach den localen Verhältnissen verschieden. Die O p e r a t i o n s a c t e sind in jedem Fall: 1) Einstechen des Troicarts in die Blase mit einem sicheren und kräftigen Stosse. 2) Ausziehen des Stilets, während die Canüle mit der anderen Hand fixirt wird. Der Harn iiiesst durch die Cantlle ab, welche nöthigen Falls von Schleim- und Eiterpfröpfen wie beim Bauchstich (Bd. III. pag. 704) gereinigt werden muss. 3) Verschluss der Cantlle durch einen Pfropf oder durch Umdrehen des Hahns (wenn ein solcher an der Canüle vorhanden) und Befestigung derselben durch Bänder und Heftpflasterstreifen. Es ist filr eine sichere Befestigung Sorge zu tragen und daher zweckmässig, stets einen Troicart anzuwenden, an dessen Canüle sich ein breites Schild oder ein Paar feste Oehre befinden. Wenn es zweckmässig erscheint, die Blase fortdauernd leer zu erhalten, so lässt man die Canüle offen und befestigt an ihr ein Gummirohr, welches lang genug sein muss, um bis in ein neben oder in dem Bett stehendes Gefäss den Harn abzuleiten. Weniger bequem ist es, vor die Oeffnung der Canüle in solchen Fällen im Bette des Patienten selbst Gefässe zum Auffangen des Harns anzubringen. Hegt man Bcsorgniss, dass die Blase, wenn sie sich vollständig entleert hat, von der Cantlle abgleiten könnte, so darf man die Blase sich nicht gänzlich entleeren lassen. Die Canüle darf nicht früher entfernt werden, als bis einer Seits für den Abfluss des Harns auf normalem Wege gesorgt, anderer Seits aber die Sicherheit vorhanden ist, dass der von derselben gebohrte Canal bereits hinreichend feste Wandungen besitze, um Infiltration des Harns in die benachbarten Gewebe zu verhüten, mit anderen Worten, dass die Blasenw u n d e sich in eine Blasenfistel umgewandelt habe. Hierzu sind erfahrungsmässig mindestens sechs Tage erforderlich. Wegen der grossen Gefahr der Ilarninfiltration dürfte es sogar zweckmässig sein, 6*

84

Krankheiten der Harnröhre.

immer bis zum 8. Tage zu warten und auch dann noch den Patienten mit grosser Vorsicht zu Uberwachen. Wollte man während der ganzen Zeit dieselbe Cantlle unverändert liegen lassen, so würden Blasenschleim und Harnsalze sie incrustiren, so dass dann später das Ausziehen schwierig und gefährlich werden müsste. Deshalb ist es nöthig, schon nach Ablauf von zwei bis drei Tagen die Canfile durch einen elastischen Katheter, den man durch sie einführt oder durch ein entsprechendes silbernes Rohr (Docke) zu ersetzen, sie sorgfältig zu reinigen und dies alle 4 8 Stunden zu wiederholen. Gewährt der durch die Canüle eingeschobene Katheter hinreichende Sicherheit, so lässt man diesen liegen. Die Heilung einer solchen Blasenfistel erfolgt im Allgemeinen leicht, sobald der Harn freien Abfluss auf normalem Wege findet. a) P u n c t i o n v o m D a m m a u s . Der Kranke befindet sich in der (pag. 80 beschriebenen) Lage, wie beim Seitensteinschnitt. Ein GehUlfe übt einen sanften Druck auf die Regio hypogastrica mit der einen Hand aus, während er mit der anderen das Scrotum emporhebt. Der Operateur steht zwischen den Schenkeln des Kranken und setzt den linken Zeigefinger zur Seite der Raplie perinei, etwa in der Mitte zwischen ihr und dem Ramus ascendens isehii, 7 — 9 Mm. vor dem After fest auf, um die Weichtheile des Dammes zu spannen und die Troicartspitze gleichsam zu leiten. Zeigt die vorher zu machende Untersuchung per a n u m , dass der Mastdarm stark verzogen ist, so filhrt man den Zeigefinger lieber in den Mastdarm, um diesen nach Hinten zu drängen und vor Verletzung sicher zu stellen. Ein Troicart von mittlerer Länge ( 1 9 — 2 3 Cm.) wird hierauf mit der rechten Hand ergriffen und auf die Mitte einer Linie aufgesetzt, die von der Tuberositas isehii zur Raphe verlaufend und daselbst etwa 5 Mm. vor dem After endigend gedacht wird. Die Richtung des Troicarts muss eine solche sein, dass seine Spitze, je nach der individuellen Dicke des Panniculus, 5 — 8 Mm. von der Einstichsstelle auf die Medianebene des Körpers trifft, im Allgemeinen also schräg aufwärts und einwärts. Aus dem Mangel eines weiteren Widerstandes und dem Aussickern einiger Tropfen Harn neben der Canüle schliesst man, dass der Troicart sich in der Blase befinde. Das Stilet wird hierauf zurückgezogen, während man die Canüle sorgfältig festhält. Der Harn entleert sich in schnellem Strahle. Die Canüle wird verschlossen und mittelst einer T - B i n d e und Heftpflasterstreifen befestigt. Der Weg, welchen der Troicart vom Damm aus durchläuft, führt durch die Haut, den dicken Panniculus, den Levator ani in die hintere W a n d der Blase dicht am Blasenhals. Die Prostata soll unverletzt bleiben,

Verengerung.

85

was aber häufig nicht gelingt, theils wegen bestehender Vergrösserung derselben, theils wegen einer Abweichung des Troicarts von der angegebenen Richtung,

welche

sich

selbst bei grosser Sorgfalt nicht

immer ganz vermeiden lässt. b) P u n c t i o n

durch

den M a s t d a r m .

Verfahren von F l e u -

r a n t.

Der Kranke befindet sich in derselben Lage, wie beim Damm-

stich.

Der Operateur

führt seinen

linken Zeigefinger so hoch als

möglich in den Mastdarm, jedenfalls Uber die Prostata hinaus, so dass er mit der Spitze desselben die strotzend gefüllte Blase fühlen kann. Ein gekrümmter Troicart wird mit etwas zurückgezogenem Stilet, so dass die Spitze nicht hervorragt, längs des Zeigefingers in den Mastdarm eingeschoben.

Ist man mit dem Ende der Canüle oberhalb der

Spitze dieses Fingers angekommen,

so wendet man die Concavität

des Troicarts na ch Vorn gegen die Blase, bringt ihn möglichst genau in die Mittellinie des Körpers,

drängt die Spitze des Stilets hervor

und stösst ihn in die Blase etwa 2 — 3 Cm. tief ein.

Demnächst wird

der Finger aus dem Mastdarm entfernt, das äussere Ende der Canüle mit der linken Hand festgehalten, hierauf das Stilet ausgezogen und nach

Entleerung

des Harns die Canüle befestigt und verschlossen.

Beim Stuhlgang muss für die Befestigung der Canüle besonders Sorge getragen und dieselbe möglichst nach Vorn gedrängt werden. c)

Punction

oberhalb

der Schoossfuge.

Die Harnblase

erhebt sich, sofern nicht pathologische Veränderungen vorhanden sind, bei stärkerer Füllung

hinter der Schoossfuge,

so dass sie von der

vorderen Bauchwand aus gefühlt und mittelst der Percussion nachgewiesen werden kann.

An dieser Stelle ist sie vom Bauchfell, wel-

ches von ihrem Scheitel schräg aufwärts zur vorderen gebt,

nicht

Oberzogen

geöffnet werden. carts,

Bauchwand

und kann somit ohne Verletzung desselben

Man bedient sich hierzu eines gekrümmten Troi-

wie ihn bereits F r f e r e - C o s m e angegeben hat.

Die Biegung

desselben soll einem Kreise von 1 8 9 Mm. Durchmesser entsprechen, die Länge etwas Uber 10 Cm. betragen, die Führung zu sichern.

der Griff kantig sein,

um

Der Kranke liegt an der rechten Seite des

Bettes, Kopf und Brust etwas erhöht,

die Schenkel leicht gebeugt.

Der Operateur steht am rechten Bettrande, spannt die Haut mit Daumen und Zeigefinger der linken

Hand und stösst den Troicart mit

nach Unten gewandter Concavität etwa 4 Cm. oberhalb der Schoossfuge genau in der Mittellinie durch die Bauchdecken

in die Blase.

Zum Behuf der Harnentleerung muss der Kranke sich späterhin auf die Seite legen.

Harninfiltration ist zu fürchten,

sobald die Blase

von der Canüle auch nur ein wenig abgleitet, oder letztere zu früh

86

Krankheiten der Harnröhre.

entfernt wird. Man wird daher die oben angegebenen Vorsichtsmaassregeln hier ganz besonders zu beachten haben. d) P u n c t i o n u n t e r h a l b d e r S c h o o s s f u g e ' ) . Der Penis wird nach Unten und Hinten gezogen, um das Ligamentum Suspensorium penis stark zu spannen. Dicht neben diesem Bande wird ein gekrümmter Troicart zwischen der Wurzel des Penis und der Symphyse in die Blase gestossen. Uebrigens wird wie bei der vorhergehenden Methode verfahren, welche nur in Fällen, wo die Blase sich nicht über die Symphyse erhebt, durch diese ersetzt werden soll. Arn Leichtesten auszuführen ist die Punction oberhalb der Schoossfuge, schwieriger schon die Punction unterhalb der Schoossfuge, noch schwieriger und in ihren Folgen beschwerlicher filr den Kranken die Punction durch den Mastdarm, am Schwierigsten, namentlich wenn pathologische Veränderungen in den umgebenden Theilen bestehen, die Punction vom Damm aus. Somit wird man, mit Ausnahme der Fälle, wo die Blase sich nicht über die Schoossfuge erhebt, sofern überhaupt punctirt werden soll, der Punction oberhalb der Schoossfuge den Vorzug geben müssen. Vergleichende B e u r t h e l l u n g der z u r Beseitigung von S t r l e t n r e n angewandten Operationen.

Keine der vorstehend beschriebenen Operationen ist überhaupt verwerflich, keine für alle Fälle zweckmässig. Man würde den Patienten einer eingreifenden und gefährlichen Operation unnöthiger Weise unterwerfen, wenn man wegen jeder Strictur die Urethra spalten wollte. Kann man dieselbe Wirkung mit milderen Mitteln erreichen, so werden diese vor den stärker eingreifenden den Vorzug verdienen. Deshalb wird man also der a l l m ä l i g e n E r w e i t e r u n g , als dem mildesten und bei richtiger Ausführung absolut unschädlichen Verfahren, den Vorzug einräumen, so weit dieselbe überhaupt wirksam sein kann. In ihren Bereich gehören alle permeablen ringförmigen Stricturen, deren Wandungen nicht so fest (callös) sind, dass selbst bei Monate lang fortgesetzter Anwendung der Bougies ein hinreichender Grad von Erweiterung nicht erzielt werden kann. Kommt man mit der allmäligen Erweiterung gar nicht oder zu langsam vorwärts, oder stellt sich die Verengerung alsbald wieder her, wenn das Einführen von Bougies nach langem Gebrauch derselben unterbrochen •wird, so ist die i n n e r e U r e t h r o t o m i e indicirt, welche bei richtiger Ausführung und Nachbehandlung (vgl. pag. 77) gleichfalls als gefahr') Voillemier,

Ponction soaspubienne de la vessie, Gaz. méd. 1 8 6 3 . pag. 7 4 7 .

Verengerung.

87

los zu betrachten ist. — Auch seitliche Vorsprünge der Harnröhrenwand können durch allmälige Dilatation beseitigt •werden. Sind dieselben schwammiger Natur oder klappcnförmig, so kommt man bei jenen mittelst der K a u t e r i s a t i o n , bei diesen mittelst d e r U r e t h r o tomia i n t e r n a schneller zum Ziele, ohne die Gesundheit des Patienten stärker zu gefährden. Der g e w a l t s a m e C a t h e t e r i s m u s und die übrigen s t ä r k e r e i n g r e i f e n d e n O p e r a t i o n e n würden einen solchen Patienten unnöthiger Weise grossen Gefahren aussetzen. Ihre Anwendung ist auf diejenigen Fälle zu beschränken, wo die allmälige Dilatation scheitert oder wegen der augenblicklichen Gefahr gar nicht erst versucht werden kann. Alsdann handelt es sich um die Frage, ob die g e w a l t s a m e E i n f ü h r u n g d e s K a t h e t e r s oder die S p a l t u n g v o n A u s s e n zu bevorzugen sei. Beide haben schöne Erfolge aufzuweisen, beide sind aber auch nicht ohne Gefahr, hauptsächlich wegen der zu befürchtenden Ilarninfiltration. Das Verhältniss zwischen ihnen dürfte sein, wie zwischen einer subcutanen Zerreissung der Urethra und einer offenen Wunde derselben (pag. 14 ff.), somit günstiger für den äusseren Schnitt, für den überdies die grössere Wahrscheinlichkeit der radicalen Heilung spricht (vgl. pag. 81). Dagegen ist die ä u s s e r e ( S y m e ' s c h e ) U r e t h r o t o m i e oft schwieriger auszuführen. Kann man von der Dammwundc aus die Fortsetzung der Urethra gar nicht finden und muss erst mittelst des Troicarts einen Weg bohren, so nähert sich die Operation in vielen Stücken dem gewaltsamen Catheterismus. Die Gefahr beider möchte dann fast gleich sein; die Wahrscheinlichkeit der radicalen Heilung ist bei der Spaltung dann auch beträchtlich geringer, da der neu angelegte Weg voraussichtlich doch nicht vollständig von Schleimhaut ausgekleidet werden kann. Mit dem gewaltsamen Einführen des Katheters ist die K a u t e r i s a t i o n in d e r R i c h t u n g v o n V o r n n a c h H i n t e n , namentlich das D u r c h b r e n n e n der Strictur mit dem von M i d d e l d o r f angegebenen galvanokaustischen Instrumente zu vergleichen; derselbe Zweck wird mit Hülfe der Galvanokaustik ebenso schnell erreicht, mit bei Weitem geringerer Gefahr von Harninfiltration, da die kautcrisirten Wandungen des neu gebildeten Canals nicht leicht von Harn durchdrungen werden. Die Gefahr der Wiederverengerung wird gleich gross sein und die lange fortgesetzte Einführung von Kathetern erforderlich machen. — Auch das g e w a l t s a m e E i n s p r i t z e n v o n F l ü s s i g k e i t e n ist als ein wirksames Mittel gegen alte, feste Stricturen gepriesen und ganz unverdienter Weise mit den eben erwähnten Operationen verglichen worden. Seine Wirksamkeit beschränkt sich auf das Fortspülen von Schleimpfröpfen, oder das

88

Krankheiten der Harnröhre.

Ueberwinden einer krampfhaften Steigerung der Strictur. Als Beihtilfe neben der Anwendung anderer Erweiterungsmittel können Einspritzungen in Betracht kommen, aber nur als solche, und zu diesem Behuf brauchen sie n i c h t g e w a l t s a m zu sein. — Zum B l a s e n s t i c h werden wir nur in solchen Fällen schreiten, wo bei dringender Gefahr die Entleerung der Harnblase auf anderem Wege, namentlich durch Spaltung der Harnröhre vom Damm aus, unausführbar ist. Die Indication ist somit relativ; denn oft wird der Eine letztere Operation filr unausführbar halten und deshalb zum Troicart greifen, während der Andere sie noch ausführt. Jedenfalls geschieht durch den Blasenstich nichts zur Beseitigung der Strictur; er ist nur ein Palliativmittel zur Abwendung der augenblicklichen Lebensgefahr. Vgl. Abth. XXII.

Siebentes Capltel. Harninfiltration und Harnröhrenfisteln. Verletzungen der Harnröhre, namentlich falsche Wege, die der Katheter gebohrt h a t , fremde Körper, Verschwörungen können zur Infiltration des Harns in die umgebenden Gewebe und demnächst zur Fistelbildung Veranlassung geben; die häufigste Ursache dieser Uebel aber ist die V e r e n g e r u n g der H a r n r ö h r e (vgl. pag. 64).

I. Harn-Infiltration und -Abscess. Je nachdem der aus der Harnröhre in die benachbarten Gewebe eingedrungene Urin sich in ihnen verbreitet oder eingekapselt wird, unterscheidet man H a r n - I n f i l t r a t i o n und H a r n - A b s c e s s . Beide setzen eine Trennung in der Continuität der Harnröhre voraus. Mao f ü h r t auch Harngescbwülste a u f , die durch blasse E r w e i t e r u n g d e r U r e thra

oder durch T r e n n u n g d e r i n n e r e n M e m b r a n

S t a n d e kommen sollen. oder

Verengerung

erwähnt.

(der Schleimhaut)

allein zu

Dass Erweiterungen der Harnröhre hinter j e d e r Versperrung

sich entwickeln,

Wenn solche nun

auch

wurde zur

bereits

in

den

Harn-Infiltration

vorhergehenden

führen

können,

Capitela so

haben

sie doch sonst gar nichts mit H a r n - A b s c e s s e n gemein.

Von a n a t o m i s c h e r Seite ist hervorzuheben, dass der Zusammenhang zwischen den Harn-Abscessen und der Harnröhre oft schwierig nachzuweisen ist, selbst in Fällen, wo der Inhalt des Abscesses offenbar zum grossen Theil aus Harn besteht. Ist der Inhalt eines solchen Abscesses blos eitrig, so darf man sich durch den urinösen Geruch allein nicht verleiten lassen, einen Zusammenhang mit der Urethra anzunehmen. Es verhält sich hier, wie bei den Abscessen in der Nachbarschaft des Mastdarms: der specifische Geruch kann — durch Diffusion — auch ohne Continuitätstrennung dem benachbarten

89

Harninfi llralion.

Eiter mitgetheilt werden. Solche periurethrale Abscesse können aber auch nach Innen zum Aufbruch kommen, entweder in die Harnröhre, so dass dann ein wirklicher Ilarn-Abscess daraus hervorgeht, oder in den Mastdarm, oder auch nach beiden Seiten hin. Unter allen Umständen ist die Abkapselung von der grössten Bedeutung, mag sie schon vor der Eröffnung der Harnröhre bestanden haben oder erst nachträglich erfolgt sein. Im ersteren Falle ist man vor Harn-Infiltration fast absolut sicher. Je freier der Harn in die umgebenden Gewebe eindringen kann, desto grösser ist die Gefahr ausgedehnter nekrotischer Processe. Eine grosse Verschiedenheit bedingt die Stelle der Harnröhre, von welcher aus die Infiltration erfolgt. In dieser Beziehung ist vor Allem maassgebend, ob dieselbe vom tiefen Blatte der Fascia perinei bedeckt ist, oder nicht. Im ersteren Falle, mithin bei Durchbrechung der Pars niembranacea und prostatica, verbreitet sich der Harn zunächst gegen die Beckenhöhle hin, da seiner Ausbreitung gegen den Damm durch die Aponeurosc ein Hinderniss gesetzt ist; demnächst wendet er sich gegen die Excavatio recto-ischiadica und kommt in der Umgebung des Afters oder weiter nach Vorn gegen den Ilodensack zum Durchbrnch. Wurde dagegen die Harnröhre diesseits des tiefen Blattes der Fascia perinei durchbrochen (im Bereich des Bulbus und der Pars cavernosa), so tritt die Infiltration zunächst am Penis selbst, dicht unter der Haut auf und erstreckt sich von da im Panniculus weiter gegen den Bauch, die Lendengegend, oft selbst bis zum Schulterblatt. Der Verlauf der Aponeurosen bestimmt aber nicht immer die Art der Ausbreitung einer Harninfiltration. Eine vorausgegangene Entzündung kann einer Seits zur Verdichtung des losen Bindegewebes geführt und der Infiltration daher Schranken gesetzt haben; sie kann aber auch anderer Seits den Widerstand der Aponeurose vermindert, sogar Zerstörung derselben veranlasst haben. Ohne den Werth der anatomischen Thatsachen zu vergessen, muss man daher bei der Diagnose stets auch die vorausgegangenen pathologischen Veränderungen berücksichtigen. Harnabsccsse, namentlich kleinere und fest eingekapselte, sind nicht immer leicht zu erkennen.') Ihre geringe Grösse, bedeutende Härte, Unbeweglichkeit oder wenigstens geringe Beweglichkeit können leicht irre führen. Uebcrdies ist die Schmerzhaftigkeit oft gering oder ') C i v i a l e (Tratte pratique des maladies des organes genito-urinaires, 2 m e edition, Paris 1850, Tom. I.)

erwähnt

sogar

eioes

von B e l l

beobachteten

welchem die Geschwulst mit einer H e r n i e verwechselt wurde.

Falles,

in

90

Kraokheiteo der Harnröhre.

fehlt ganz, die bedeckende Haut ist normal, und die Geschwulst sitzt vielleicht gar nicht in der Nähe der Urethra. Hat man auch die Natur der Geschwulst richtig erkannt, so kann man sich in Betreff ihrer Ausdehnung noch sehr täuschen; gewöhnlich bildet nur ein kleiner Theil den äusserlich fühlbaren Vorsprung, während der bei Weitem grössere in der Tiefe versteckt liegt, so dass man bei der Eröffnung Uber die grosse Masse von Flüssigkeit, welche ausläuft, in Erstaunen geräth. Handelt es sich um H a r n i n f i l t r a t i o n im gewöhnlichen Sinne des Wortes, d. h. um einen nicht eingekapselten Harnerguss, so bildet sich in kurzer Zeit eine beträchtliche Schwellung des Dammes, des Scrotum und des Penis; die Haut ist Anfangs blasS, bekommt dann bläuliche oder blaubraune Flecke, unter ihr wird alsdann Fluctuation, nach einiger Zeit auch Crepitation fühlbar. Sobald der Kranke seine Blase entleeren will, empfindet er heftiges Brennen in der Urethra und im Perineum. Schliesslich entsteht, wenn der Tod nicht schon früher erfolgt, an der Oberfläche ein Brandschorf, nach dessen Lösung der Harn aus den infiltrirten Geweben äbfliesst. Behandlung. Wir müssen 1) das Hinderniss beseitigen, welches der Entleerung des Harns durch die Urethra im Wege steht, 2) aus den infiltrirten Geweben den Harn entleeren. Findet keine eigentliche Infiltration Statt, sondern ist der Harn-Erguss eingekapselt, so ist die Herstellung des normalen Weges auch das zureichende Mittel zur Heilung. Die Infiltration aber erheischt immer tiefe und zahlreiche Einschnitte. Nie wird es einen Arzt gereuen, in solchem Falle scheinbar zu früh, zu tief oder in zu grosser Ausdehnung incidirt zu haben. Die nekrotischen Gewebe, der Eiter, der Harn müssen direct entleert werden, um weiteren Zerstörungen und der pyämischen Infection vorzubeugen. Weder Umschläge noch Salben irgend welcher Art können hier helfen. Sind die gehörigen Einschnitte aber zur rechten Zeit gemacht und lässt sich der Abfluss des Harns auf natürlichem Wege wiederherstellen, so gelingt auch die Heilung, — vorausgesetzt, dass die der Harninfiltration zu Grunde liegende Krankheit oder Verletzung nicht an und fdr sich noch weitere Gefahren bedingt, dass ferner der Kranke noch nicht zu sehr von Kräften gekommen und dass endlich noch keine urämische oder pyämische Infection entstanden ist. Da es oft ganz unmöglich ist, Uber den Zustand der Prostata und der Blase bestimmte Kenntniss zu erhalten, bevor man incidirt hat, so kann es wohl vorkommen, dass ein Kranker bald nach einer solchen Operation in Folge der eben erwähnten Krankheitszustände zu Grunde geht, ohne dass die

Harnröhrenfisteln.

91

Incislonen daran irgendwie Schuld trUgen; sie sind dann nur z u s p ä t gekommen, um noch zu nutzen, oder man hat von ihnen HUlfe erwartet gegen ein Uebel, gegen welches sie überhaupt nichts leisten können. Zuweilen vermag man durch die Incision zwar die Lebensgefahr abzuwenden, aber die Gewebe sind schon in zu grosser Ausdehnung infiltrirt und es bleiben deshalb Fisteln zurück.

II. Harnröhrenfisteln. Die Entstehung einer Harnröhrenfistel lässt sich auf dieselben ätiologischen Momente zurückführen, die bei der Harninfiltration hervorgehoben wurden; in der Regel geht diese der Fistelbildung voraus. — Ueber a n g e b o r e n e Harnröhrenfisteln vgl. Cap. VIII. Man unterscheidet v o l l k o m m e n e und u n v o l l k o m m e n e Harnröhrenfisteln. Letztere haben nur eine Oeffnung, sind also eigentlich nur fistulöse Geschwüre, und heissen „unvollkommene innere" und „unvollkommene äussere Fisteln", je nachdem sie von der Harnröhre aus gegen die Haut oder umgekehrt von der letzteren her gegen die Harnröhre vordringen. V o l l k o m m e n e H a r n r ö h r e n f i s t e l n haben ihre äussere Oeffnung am Damm, am Scrotum, am Penis, in der Schenkelbeuge, an der inneren Seite der Hinterbacken, am Kreuzbein, an der Innenseite der Schenkel; oft sind mehrere (sogar 50) äussere Oeffnungen vorhanden, selten mehr als e i n e i n n e r e . Der Verlauf des Fistelganges zeichnet sich als ein harter Strang aus. Sehr alte Fisteln der Art sind von beträchtlichen Callositäten umgeben. Namentlich am Damm und am Scrotum finden sich oft unförmige Narbenmassen in der Umgebung der äusseren Oeffnung, so dass man die normalen Gewebe dieser Gegend gar nicht mehr zu unterscheiden vermag. Lochförmige Urethralfisteln kommen fast nur nach Verletzungen an der Pars spongiosa, weit seltener an der Pars membranacea vor. Die Diagnose der Harnröhrenfisteln bietet keine Schwierigkeiten dar, wenn dieselben sich am Penis, am Scrotum oder am vorderen Theile des Dammes öffnen. Der ausfliessende Harn lässt keinen Zweifel Uber den Zusammenhang mit den Harnorganen; derselbe tröpfelt nur dann aus, wenn der Kranke willkürlich den Harn entleert und kurze Zeit danach; je weiter und freier der Fistelgang ist, desto reichlicher. Wenn in der oben bei den Stricturen beschriebenen Weise der oberhalb der Fistel liegende Theil der Harnröhre bis in den Blasenhals hinein, in Folge der ZurUckstauung des Harns, ausgeweitet ist und der Sphincter vesicae daher nicht mehr zu wirken vermag, so muss der Harn durch die Fistel, nicht blos, wenn der Patient ihn will-

92

Krankbeilen der Harnröhre.

kttrlich zu entleeren versucht, sondern fortdauernd abträufeln, ganz ebenso, wie wir unter den angegebenen Verhältnissen bei Stricturen ohne Fistel fortdauerndes Harnträufeln zu Stande kommen sahen. In manchen Fällen wird der gesammte Harn n u r durch die Fistel entleert, ohne dass auch nur ein Tropfen durch das Oriflcium cutaneum urethrae abfliesst, wobei dann alsbald Verengerung des Theils der Harnröhre, der vor der Fistelöffnung liegt, eintritt. Bei Weitem zahlreicher sind die Fälle, in denen scheinbar nur dünnflüssiger Eiter ausfliesst, dessen Gehalt an Harn durch den Geruch jedoch leicht zu erkennen ist. Die äussere Oeffnung der vollständigen Harnfistel zeigt gewöhnlich fungöse Granulationen, welche den eigentlichen Eingang wallförmig umgeben und verdecken, so dass es zuweilen schwierig i s t , die Sonde in denselben einzufahren. Noch schwieriger ist es "gewöhnlich, wenn der Fistelgang nicht Uberhaupt sehr kurz ist, eine Sonde durch ihn hindurch zu fuhren, so dass man mit derselben einen in die Harnröhre eingeschobenen Katheter erreichen kann. Oft macht selbst das Einspritzen von Flüssigkeiten Schwierigkeit. Sobald der Kranke Harn lassen will, empfindet er brennenden Schinerz in der Harnröhre, der sich in der Regel auch nach dem Verlauf des Fistelganges weiter ausbreitet. Jedenfalls wird dann auch die äussere Oeffnung selbst in solchen Fällen, wo kein wirkliches Austräufeln von Harn Statt findet, feuchter als gewöhnlich. Wenn unter solchen Verhältnissen die äussere Oeffnung sich in weiter Entfernung von der Harnröhre befindet, so kann eine ungenaue Untersuchung zu Verwechselung zwischen Harnröhrenfisteln einer Seits und fistulösen Geschwüren, die von Caries eines benachbarten Knochens herrühren, oder auch Mastdarrafisteln anderer Seits verleiten. Die Prognose der Harnröhrenfisteln ist abhängig von ihrem Sitz, ihren Veranlassungen (Strictur), ihren Complicationen. Im Allgemeinen ist die spontane Heilung, sobald der Harn nur auf dem normalen Wege frei abfliessen kann, desto eher zu erwarten, je länger der Fistelgang ist, je entfernter also von der Harnröhre die äussere Oeffnung sich befindet. Bei lippenförmigen Fisteln, welche an der Wurzel des Penis oder im Bereich des Corpus cavernosum münden, ist die Heilung nur durch eine Operation möglich. Besteht dabei ein grosser Substanzverlust, so ist die Fistel oft ganz unheilbar. Die Callositäten des Fistelganges, auf welche man früher grosses Gewicht legte, kommen bei der Prognose nicht wesentlich in Betracht. Sie heilen, sobald der Harn nicht mehr darüber fliesst. Von grosser Bedeutung ist dagegen das Allgemeinbefinden des Patienten. Neben mancher

93

Harnröhrenfisteln.

Harnröhrenfistel besteht eine unheilbare Krankheit der Blase, der Prostata oder der Nieren. B e b a u d l a n g . In der Regel liegt den Harnröhrenfisteln eine V e r e n g e r u a g der Harnröhre zu Grunde. Gegen diese muss sich dann die Behandlung zunächst richten. Hat man eine hinreichende Erweiterung der Harnröhre bewirkt, um Katheter einführen zu können, so haben diese für die Behandlung der Fistel den Vorzug, dass sie den Harn zugleich direct entleeren und somit sein Eindringen in die Fistel verhüten. Gelingt dies vollständig, so heilen die Fistelgänge meist von selbst oder u n t e r BeihUlfe einer leichten Kauterisation. Aber es ist bei Weitem nicht immer möglich, den Harn auf diese Weise von dem Fistelgange abzuhalten, mag man nun den Katheter zum Behuf der Harnentleerung jedes Mal aufs Neue einführen oder ihn dauernd liegen lassen. Im ersteren Falle namentlich wird durch das Drängen des Patienten gewöhnlich ein Theil des Harns zwischen dem Katheter und der Harnröhrenwand hervorgepresst. Man darf hierbei nicht vergessen, dass die geringste Menge H a r n , welche in den Fistelgang eindringt, hinreicht, um ihn offen zu halten. Dass auch, wenn man den Katheter liegen lässt, sich Harn zwischen ihm und dem Blasenhals hindurchdrängen könne, wurde bereits ^pag. 21 bemerkt. Es leuchtet ein, dass man diesen Uebelständen umsoweniger ausgesetzt sein wird, je dickere Katheter man anwendet. Auf demselben Princip beruht wohl auch der Rath B o y e r ' s , sehr dicke Bougies einzuführen, welche der Kranke jedes Mal, wenn er Harn lassen will, ausziehen soll. Offenbar ist ein dicker Katheter, durch welchen doch jedenfalls der grösste Theil des Harns von der Fistel abgelenkt wird, vorzuziehen. B o y e r erzählt als Beweis für den guten Erfolg der Behandlung mit dicken Bougies die Geschiebte eines j u n g e n Mannes, der in der Mitte des Damines eine Harnflstel hatte.

Elf Monate lang wurde er mit einem elastischen Katheter behandelt, den man

Anfangs nur bei jedesmaligem Andrang des Harns zu dessen Entleerung ö f f n e t e , später a b e r andauernd offen liess.

Als der Patient seine Heise zu B o y e r

antreten

wollte,

zog er den Katheter aus und wahrend der sehr kurzen Reise von A b b e i l e nach Paris s o l l , nach B o y e r ' s ß e r i t h l , die Fistel vernarbt sein.

Jetzt erst wurde der Gebrauch

dicker Bougies e m p f o h l e n , um die Harnröhre weit zu erhalten. vor j e d e r Harnentleerung entfernt.

Es erfolgte dauernde

Dieselben wurden n u r

Heilung.

— Eigentlich be-

weist dieser Fall nichts zu Gunsten der Bougies, da die Fistel schon v o r ihrer Anwendung geheilt war. Fortlassen

eines

Dagegen zeigt s i c h , wie

längere Zeit hindurch

unerwartete Erfolge beim

plötzlichen

angewandten mechanischen Mittels sich ein-

stellen können.

Wird die Entleerung des Harns durch einen in der Harnröhre steckenden f r e m d e n K ö r p e r gehindert, so ist dessen Entfernung die erste Bedingung für die Heilung der Fistel.

94

Krankheiten der Harnröhre.

Ist der Abfluss des Harns durch die Harnröhre vollkommen frei und die Heilung einer c a n a l f ö r m i g e n F i s t e l erfolgt dennoch nicht von selbst, so muss man dieselbe durch reizende Einspritzungen oder Kauterisation zu bewirken suchen. Man spritzt Cantharidentinctur, Jodtinctur u. dgl. mehr ein. Zur Kauterisation eignet sich besonders der Glühdraht; jedoch kann man auch mit einem kleinen Ferrum candens oder den gewöhnlichen Aetzmitteln auskommen. Bei grösserer Weite der äusseren Oeffnung nimmt man, wie bei den Kothfisteln (Bd. III. pag. 841), die Schnürnaht zur Hülfe. Bei l o c h f ö r m i g e n F i s t e l n würde die Kauterisation neben einer sehr unsicheren Wirkung die Gefahr einer schwer heilbaren Strictur an der kauterisirten Stelle bedingen. Hier ist die N a h t ( U r e t h r o r a p h i e ) , nach vorgängiger Anfrischung, das zweckmässigste Mittel. Allerdings gelingt trotz aller Vorsicht die erste Vereinigung nicht immer, und sobald Eiterung eingetreten ist, wird der Erfolg überhaupt sehr zweifelhaft. Kommt auf diesem Wege der Verschluss der Fistel noch zu Stande, so ist eine Verengerung an der Stelle der Narbe, ähnlich wie nach der Kauterisation, zu erwarten 1 ). Besteht ein erheblicher Substanzverlust, so muss man diesen durch eine plastische Operation ( U r e t h r o p l a s t i k ) , und zwar wo möglich durch Hautverschiebung auszufüllen suchen. Nach der U r e t h r o r a p h i e sowohl, als nach der U r e t h r o p l a s t i k hat man sich bemüht, m i t t e l s t e i n g e f ü h r t e r K a t h e t e r d e n H a r n v o l l s t ä n d i g v o n d e r W u n d e a b z u h a l t e n . Die dicksten Katheter, die sonst zu diesem Behuf die geeignetsten wären, haben hier den Nachtheil, dass sie die Harnröhre auch an der Operationsstelle ausdehnen und daher die Spannung vermehren, die man gern vermeiden möchte. Man könnte allerdings dünne Katheter mit einem dicken Schnabelstück verschen, so dass sie den Blasenhals ganz ausfüllten, in der übrigen Harnröhre aber keine Spannung veranlassten. Diese miisstc man dann bis zur vollständigen Heilung liegen lassen. Beim Ausziehen würde aber doch wieder das dicke Ende die Operationsstelle passiren müssen, und überdies würde man den Harn nicht sicherer als durch einen gewöhnlichen dicken Katheter ableiten. Der einzige Weg, auf dem dies mit Sicherheit erreicht werden kann, ist das A n l e g e n e i n e r P e r i n e a l f i s t e l (boutonnière) nach den oben gegebenen Vorschriften. Während der Harn durch diese abfliesst, gewinnt man die nöthige Zeit für die Vereinigung der Wundränder an der Pars cavernosa. D i e f f e n b a c h i) Vgl. F r a n c , Observations sur les rétrécissements de l'urètre. Pari» 1 8 4 0 , pag. 8 3 .

Harnröhrenfisteln.

95

war der Erste, der den Gedanken aussprach, auf diesem Wege das Gelingen plastischer Operationen an der Pars cavernosa urethrae zu sichern. Man fürchtete aber die Schwierigkeiten beim Verschluss der künstlich angelegten Perinealfistel und wagte daher nicht, eine solche Operation auszuführen. S é g a l a s ' ) benutzte eine Perinealfistel, die zufällig neben einer Fistel der Pars cavernosa bestand, um durch sie den Harn abzuleiten, während die Fistel am Penis durch Hautverschiebung geheilt wurde, und gelangte späterhin auch zum Verschluss der Perinealfistel, indem er von dem Orificium cutaneum aus einen Katheter in die Blase führte und den Fistelgang kauterisirte. Ri cord®) hat den Gedanken D i e f f e n b a c h ' s zuerst vollständig realisirt, indem er die Perinealfistel wirklich a n l e g t e , durch einen eingeführten Katheter offen erhielt und inzwischen den Verschluss der nunmehr trocken gelegten Penisfistel durch eine plastische Operation bewirkte. — Wir haben bereits bemerkt, dass zuweilen, nachdem die Pars membranacea vom Damm aus gespalten ist, selbst wenn man in diese neu angelegte Dammfistel einen Katheter» einführt, doch noch Harn durch den Penis abfliesst. Auch dies Mittel wäre somit, trotz des damit verbundenen operativen Eingriffes, nicht ganz sicher. Man muss aber, nach den jetzt vorliegenden Erfahrungen, wohl in Frage stellen, ob es Uberhaupt erforderlich ist, die Berührung des Harns mit der durch die Naht vereinigten Wunde zu verhindern, um Heilung per primam ' ) S é g a l a s (Lettre à D i e f f e n b a c h sur une urétropl.islie etc. 1 8 4 0 , Mémoirea de l'Acad. de mèi. Paris 1 8 4 5 , Tom. XI. pag. 1) operirte auf diese Weise in einem Falle, wo von der Eichel bis zum Scrotum eigentlich nur die vordere (obere) Wand der Harnröhre bestand. Dieser grosse Substanzverlust war durch Gangrän herbeigeführt. Nachdem die Itänder des Defects angefrischt waren, spaltete S é g a l a s die sehr entwickelte Vorhaut auf dem Rücken des Penis in ihrer ganzen Ausdehnung. Jetzt Hess sich die Vorhaut nach Hinten ziehen, und der angefrischte vordere Band des Defects näherte sich, während die Eichel nackt hervortrat, dem Wundrande des Scrotum, an welchem er durch sieben Knopfnäbte befestigt wurde. Eine Bougie wurde in die Harnröhre eingeführt, deren Ende aus der vorher erweiterten Perinealfistel hervortrat. Durch diese war vorher ein Katheter in die Blase geführt, der den Harn ableitete. Der Erfolg war nicht sogleich günstig; man musste kauterisiren und noch eine zweite und dritte Anfrischung und Naht anwenden. Endlich aber gelang die Wiederherstellung der Harnröhre am Penis vollständig. Um die Perinealfistel zu scbliessen, wurde ein elastischer Katbeter vom Orificium cutaneum aus durch die Harnröhre in die Blase eingeführt. 20 Tage darauf war die Heilung der Perinealfistel, unter Anwendung einiger Kauterisationen mit Lapis infernalis, gleichfalls beendet. Die Dauer der ganzen Behandlung war 15 Monat. ' ) Annales de la chirurgie.

Paris 1811, Tom. II. pag. 62.

96

Krankheiten der Harnrukre.

zu erzielen.

Nach den Versuchen, welche G u s t a v S i m o n 1 ) hierüber

(theils bei der Operation von Blasenscheideniisteln,

theils aber auch

durch absichtliches Aufgiessen von Harn auf Wunden) angestellt hat, stört f r i s c h e r Harn, wenn in innige

er auch

Berührung k o m m t ,

mit den

Wundrändern

die Heilung nicht.

In

der

selbst

Mehrzahl

der Fälle wird man also das Einlegen des Katheters sowohl als das Anlegen einer Perinealfistel unterlassen dürfen, und dann auch unterlassen m ü s s e n , da der Katheter als fremder Körper und durch V e r mehrung der Spannung die sich schon ein Uebel ist. folgende

Heilung

hätte

Heilung stört und die Perinealfistel an Ihre

längst

gewöhnlich ohne Schwierigkeit darauf

hinweisen

sollen,

dass

erder

Grund fiir das Nichtheilen der Penisfisteln nicht blos in der Benetzung mit Harn zu suchen ist. die unzureichende

In der Mehrzahl der Fälle hat wohl früher

Anfrischung

und

ungenügende

Genauigkeit

Naht die Schuld getragen. „ G u t a n f r i s c h e n " und „ g e n a u

der

nähen"

sind auch hier die Hauptbedingungen zur Heilung.

Achtes Capltel. Missbildungen und Formfehler. Verengerungen haft auch Formfehler.

und F i s t e l n

der Harnröhre sind

unzweifel-

Ihrer grossen Häufigkeit und Wichtigkeit wegen

wurden ihnen besondere Capitel

gewidmet.

Aber es kommen

andere Difformitäten, namentlich a n g e b o r e n e

Missbildungen

auch der

Harnröhre v o r , welche von praktischer Bedeutung sind. I. V o l l s t ä n d i g e s o d e r t h e i l w e i s e s F e h l e n d e r

Harnröhre.

Angeborene Defecte der Harnröhre kommen bei beiden Geschlechtern

vor;

gänzliches

Fehlen

häufiger

beim weiblichen.

Die Blase

communicirt im letzteren Falle direet mit dem Scheideneingang; Schliessmuskel

fehlt

oder ist wenigstens unwirksam,

wird somit unwillkürlich entleert. an.

der

und der Harn

P e t i t ' ) führt zwei Fälle der Art

Bei einem vierjährigen Mädchen fand er einen gänzlichen. Mangel

der Harnröhre, der kleinen Schaamlefzcn und derClitoris; die Scheide w a r weit, der Harn wurde unwillkürlich entleert, „weil die Harnröhre oder wenigstens der Theil, wo der Schliessmuskel liegt, fehlte." einem

In

anderen Falle fand er die äusseren Genitalien gut entwickelt,

aber statt der Harnröhre fand sich nur eine runde Oeffnung, die weit ' ) Ueber die Operationen der Blasenscheideofisteln etc. Rostock 1862, pag. 1 0 2 u. flg. *) i. L. P e t i t , MalfeJies cbirurgiiales, Tum. III. pag. 12;'.

Missbildungeu.

97

genug war, um den kleinen Finger hindurchzulassen. Seltener fehlt die männliche Harnröhre; B o r e l l i 1 ) erwähnt jedoch bereits eines solchen Falles, wo mit einer angeborenen Harnblasenspalte (Inversio oder Prolapsus vesicae) zugleich auch der ganze Penis gespalten war. Fälle der Art, welche als Bildungshemmungen (Epispadia penis, vgl. Bd. I. pag. 732) leicht zu erklären sind, wurden in neuerer Zeit wiederholt beobachtet. Offenbar gehört hierher auch der Fall von P i n e l ' ) , in welchem die obere Wand der Harnröhre ganz fehlte, die Corpora cavernosa also auch nicht verwachsen waren, während die untere Wand der Harnröhre, namentlich auch das Veru montanum, deutlich erkannt und sowohl die Ductus ejaculatorii als die Ausführungsgänge der Prostata mittelst der Sonde nachgewiesen werden konnten. Bei Weitem häufiger ist ein partieller Defect der Harnröhre im Bereich ihrer unteren Wand (Hypospadie im weiteren Sinne des Worts), am Häufigsten in der Nähe der Eichel, je weiter nach Hinten, desto seltener, fast niemals und immer nur mit bedeutenden anderweitigen Missbildungen der Genitalien und des Mastdarms bis in die Pars prostatica. Fehlt das Corpus spongiosum urethrae in seinem ganzen Umfange, so mtlndet die Harnröhre dicht vor dem Scrotum oder am Scrotum mit einer weiten Oeffnung. Ist dagegen die Pars cavernosa urethrae nur zum Theil defect, so ist die Oeffnung der Harnröhre an der unteren Seite des Penis eng und der Weg, auf welchem die Urethra sich eigentlich bis zur Eichel fortsetzen sollte, wird durch eine Furche angedeutet, oder es findet sich auch wohl eine enge, meist blind endigende Fortsetzung des Canals. Im letzteren Falle wird diese vordere, blinde Fortsetzung der Harnröhre bei der Entleerung des Urins aufgebläht und sinkt, nachdem der in dieselbe eingedrungene Harn gleichfalls abgeflossen ist, wieder zusammen '). In den seltenen Fällen, wo neben einer Oeffnung an der unteren Seite der Harnröhre auch noch eine kleine Oeffnung auf der Spitze der Eichel besteht, sieht man auch durch beide, vorzugsweise freilich immer durch die erstere, Harn abfliessen. Die Behaudlnug aller dieser Defecte ist im Allgemeinen ähnlich wie diejenige der Harnfisteln einzurichten. Besonders wünschenswerth ist es bei Hypospadie, das vor der abnormen Oeffnung liegende StUck der Harnröhre herzustellen. Die wesentlichste Aufgabe ist die Durchbohrung der Eichel. Hierbei hat die Operation selbst keine grossen ' ) P. B o r e l l i , Observations médicales,

obs. XIX.

' ) Mémoires de la Société médicale d'émulation, Tom. IV. ') Arnaud,

Mémoires de chirurgie.

B a r d e l e b e n , Chirurgie. 6. Aull. IV,

Paris 1 7 6 8 .

Krankheiten der Harnröhre.

98

Schwierigkeiten. Ein gewöhnlicher Troicart ist dazu hinreichend, und die Anwendung eines galvanokaustischen Stilets lässt auch die Blutung sicher vermeiden; aber der glücklich gebahnte Weg wird nur allzu oft durch Narbenverkürzung wieder verschlossen. II. V e r s c h l u s s d e r H a r n r ö h r e , A t r e s i a u r e t h r a e . Vollständige Atresie der Harnröhre ist äusserst selten, am Häufigsten noch im Bereich des Penis beobachtet worden. Jedoch soll, nach der Angabe von S i g a l a s '), eine Obliteration der Harnröhre in der Ausdehnung von 27 Mm. in ihrem mittleren Theile bei einem Neugeborenen beobachtet worden sein. Gin solcher Zustand lässt sich aus der Entwickelungsgeschichte durch Annahme einer Bildungshemmung nicht erklären,, während dies für die Atresie der Eichel gar keine Schwierigkeiten hat, da diese bis zum vierten Monate undurchbohrt ist. In der Mehrzahl der Fälle handelt es sich überdies um einen wenig festen Verschluss, eine Epithelialverschmelzung (nach R o s e r ) , so dass, um die Oeffnung herzustellen, ein Druck mit dem Sondenknopfe, oft selbst das blosse Auseinanderziehen der die Fossa navicularis begrenzenden Lippen genügt. Sehr selten bleibt der Urachus bis zum Nabel offen, während die Harnröhre sich gar nicht entwickelt. Der Harn iiiesst dann unwillkürlich durch den Nabel ab. Zuverlässig d ü r f t e die bereits C a b r o l ' ) sein.

Bd.

III.

pag. 8 8 7 erwähnte Beobachtung

von

Er fand bei einem Madeben den Nabel etwa zwei Zoll hervorragen,

tbniieb dem Kamm eines T r u t h a h n s ; auf der Spitze demselben n u n g , durch welche der Harn entleert wurde.

Die normale

befand sich die OeffOeffnung der Blase war

durch eine Membran versperrt, welche etwa die Dicke eines Groschens hatte.

Cabrol

durchschnitt dieselbe, f ü h r t e eine bleierne Röhre in die Blase and o3bte die OefToung, des Urachus zusammen. sein.

Auf diese Weise soll

vollständige Heilung erzielt

Eine ähnliche Beobachtung theilte L i t t r e ' )

schaften zu Paris mit.

1 7 0 t der Akademie der

worden Wissen-

Bei einer Patientin war der Blasenhals durch einen „schwam-

migen Fleischauswuchs* verstopft.

Auch P i t h a ( V i r c b o w ' s spec. Patb. u. Therapie,

Bd. IV. pag. 8 2 ) sah einmal . d e n offnen Urachus die Stelle der iinperforirten Harnröhre vertreten".

Andere Beobachtungen der Art, namentlich auch die von L i v i q u e 4 ) ,

erscheinen weniger glaubwürdig.

' ) Traité des rétentions d'urine.

Paris 1 8 2 8 , pag. 62.

*) C a b r o l , Alphabet a n a t o m i q u e , observation X. *) Journal de m é d e c i n e , Tom. XXIV. ' ) Traité des rétentions d'urine causées par le rétrécissement de l'urètre.

Paris

1825.

99

Missbildungen.

III.

F e h l e r h a f t e Länge und Weite der Harnröhre.

Die L ä n g e der männlichen Harnröhre schwankt meist zwischen 135 und 162 Mm. ( 5 — 6 Zoll), kann aber abnormer Weise auch 270 Mm. (10 Zoll) überschreiten und anderer Seits bis auf 108 Mm. (4 Zoll) hinabsinken. Beim Kinde ist sie verhältnissmässig länger als beim Erwachsenen, weil die Blase noch nicht so weit in das unverhältnissmässig enge Becken hinabgesunken ist ')• Den grössten Schwankungen unterliegt beim Erwachsenen die Pars spongiosa, deren Länge mit derjenigen des Penis gleichen Schritt hält. Auch die Pars rncmbranacea zeigt Varietäten sowohl in Bezug auf die Länge, als auch in Betreff des Grades ihrer Krümmung, welché von der Neigung des Beckens' und der Höhe der Symphyse abhängig ist '). Die Pars prostatica erfährt, je nach der Beschaffenheit der Prostata, Veränderungen in ihrer Weite, Länge und Richtung; sie wird namentlich bei alten Leuten durch Hypertrophie der Prostata bedeutend verlängert und verbogen. — C h o p a r t ® ) erwähnt, die Harnröhre könne durch einen Bildungsfehler so eng werden, dass man kaum eine feine Sonde hindurchzuführen im Stande sei. Zuweilen finden sich die natürlichen Erweiterungen der Harnröhre an gewissen Punkten übermässig entwickelt, so namentlich die Fossa navicularis, wobei anderer Seits Verengerung des Orificium cutaneum bestehen kann, so dass in ihr eine Stagnation des Harns Statt findet. Mehrmals sind sackförmige Erweiterungen dicht hinter der Fossa navicularis beobachtet worden 4 ). Zuweilen findet sich die Fossa navicularis gar nicht entwickelt, so dass das Lumen der Pars spongiosa urethrae bis zum Bulbus hin dasselbe bleibt. Die Pars bulbosa kann ihrer Seits eine Art Blindsack darstellen, wodurch die Einführung des Katheters bedeutend erschwert wird. Dabei ist der Vorsprung, durch welchen die Grenze der Pars bulbosa nach Hinten bezeichnet wird, zuweilen auffallend entwickelt, so dass dadurch vorzugsweise der Anschein einer Erweiterung bedingt wird. In manchen Fällen findet man durchaus keine Erweiterung in der Pars bulbosa. L i s f r a n c spricht von einem an der oberen Seite des Caput gallinaginis gelegenen Sinus, ') H u s c b k e , in d e r von ihm bearbeiteten E i n g c w e i d e l e b r e von S o e i n m e r i n g ' s s

der neuen Ausgabe

Anatomie.

) Nach L e r o y (Expose de divers procédés de

lilhotritie.

Paris

1825)

kann

bei

sehr hoher Symphyse ein gerader Katheter gar nicht in die männliche H a r n r ö h r e eingeführt werden. ' ) Traité des maladies des voies u r i n a i r e s , Tom. II. pag. 2 9 4 . 4

) Vgl. L o t z b e c k , im Intell.-Blatt baierischer Aerate, 1 8 6 1 . No. 1 2 , und I. c. pag. 1 2 4 .

7*

Pitha,

100

Krankheiten der Harnröhre.

der weit genug war, um mit dem Schnabel eines starken Katheters in ihn eindringen zu können; auch zu den Seiten des genannten Vorsprungs fand er zuweilen zwei ansehnliche Vertiefungen; A m u s s a t und V e l p e a u haben ähnliche Beobachtungen gemacht, V i d a l fand eine solche Vertiefung einmal blos auf der einen Seite entwickelt. Vom Caput gallinaginis verlaufen gegen die Blase hin dirergirend die beiden Falten, von denen das Trigonum Lieutaudii begrenzt wird. Diese können auffallend stark entwickelt sein. Anderer Seits können ähnliche Schleimhautfalten in einer gegen die Pars membranacea divergirenden Richtung vorkommen. L a n g e n b e c k d. Ä. und V e l p e a u ' ) haben solche Fälle beobachtet. L i s f r a n c ' ) will mehrmals eine Vertiefung (bis zu l 1 /, Linien) „zwischen den beiden mittleren Lappen der Prostata" gefunden haben. V i d a l erhielt durch G a r r o n d u V i l l a r d s ein Präparat, an welchem der eine Ureter an der Grenze des Blasenhalses und der Pars prostatica einmündete. Incontinentia urinae war dadurch nicht veranlasst worden. In einem solchen Falle könnte ein Katheter sehr leicht mit seiner Spitze in den Ureter eindringen und ziemlich weit fortgeführt werden, ohne in die Blase zu gelangen. Auch erweiterte Ausführungsgänge der Prostata sind in dieser Beziehung zu beachten. Endlich darf man die seltenen Fälle nicht vergessen, in denen bei Hermaphroditen eine Communication der sehr engen Vagina mit der Pars prostatica oder membranacea urethrae stattfindet *). — Alle diese Vertiefungen finden sich an der unteren oder hinteren Wand der Harnröhre.

IV.

Doppelte

Harnröhren.

Mehrfache Oeffnungcn an der Eichel kommen unzweifelhaft vor. Auch das gleichzeitige Bestehen zweier parallel laufender Canäle im Penis ist beobachtet worden; aber die Annahme, dass zwei Harnröhren neben einander bestehen könnten, entbehrt der thatsächlichen Begründung.

Findet man im Penis zwei Canäle, so wird man vielmehr ver-

anlasst sein müssen, eine sorgfältige Untersuchung beider Gänge vorzunehmen, wo man dann durch den einen entweder in die Urethra zurück (falscher Weg mit paralleler Richtung vgl. pag. 18), oder aber Irgendwo anders hin gelangen wird.

>) Anatomie chirurgicale, Tom. It. pag. 2 8 . >) I. c. ' ) Vgl. B o u i l l a u d , Exposition raisonnée d'un cas de nouvelle et singulière variété d'hermaphrodisme, Journal hebdomadaire, Paris 1 8 3 3 , Tom. X.

101

Missbildungen.

F a b r l z v o n H i l d e n ' ) schrieb bereits einen Artikel: de duplici ductn urinario, aus welchem

sich bei genauerer Prüfung ergiebt, dass

zwei Oeffnungen an

der

Eichel h a t t e ,

obgleich

das betreffende

mehrere

Individuum

Schriftsteller,

namentlich

B e l m a s ' ) , L i s f r a n o ' ) , V e l p e a u 4 ) angenommen h a b e n , dass es sich wirklich a m eine Verdoppelung der Harnröhre gehandelt habe. Art TOD Hypospadie.

Es war wahrscheinlich

M a l l e r erwähnt sogar tria ostia in una glande 3 ).

n u r eine

Auch V i d a l

b a t t e Gelegenheit, drei Uretbralöffaungen zu b e o b a c h t e n ; zwei durchbohrten die Eichel, die dritte befand sich am

unteren Theile d e r Fossa navicularis dicht am Frennlum

und war viel weiter als die anderen, durch Harn hindurchgepresst wurde. —

welche n u r bei starkem

V e s a l erzählt:

apice duos obtinet m e a t u s , unum semini, alterum urinae p a r a t u m . er sich von dieser wunderbaren Einrichtung

Dringen

mihi familiaris e s t ,

etwas

qui in glandis

In welcher Weise

überzeugt h a b e , giebt V e s a l

nicht

an.

Man würde ohne Weiteres an eine grobe Täuschung denken m ü s s e n , wenn nicht d e r berühmte Anatom selbst anderweitig ausdrücklich

die Ansicht der arabischen

Aerzte

widerlegte, welche m e i n t e n , der Penis enthalte drei Canäle, einen für den Harn, den zweiten f ü r den Samen und den dritten für das Secret der Prostata.

Eine Beobach-

tung von T a n c h o u * ) schliesst sich entfernt an die Angabe V e s a l ' s an und k ö n n t e vielleicht zu ihrer Erklärung dienen.

Er sab nämlich die Urethra unterhalb der P r o -

stata verlaufen; aber seine Angaben sind ebenfalls zu ungenau, die Mündung

er sagt nichts

der Ductus ejaculatorii und der Ausfübrungsgänge

der P r o s t a t a ,

über die

schliesslich doch alle in die Harnröhre gemündet haben müssen. — M o n o d 7 ) f ü h r t e bei der Section eines in der Pitié gestorbenen Mannes in die Harnröhre (wie er glaubte) einen dicken elastischen Katheter e i n , der aber kurz vor der windliches Hinderniss stiess.

Schnabel desselben in einem Blindsack zwischen blind endenden C a n a l e , den

Blase auf ein u n ü b e r -

E r spaltete den Canal auf dem Katbeter und fand den Monod

Itectum und Prostata.

f ü r einen falschen Weg e r k l ä r t ,

Mit

diesem

communicirte

durch eine sehr kleine Oeflnung der oberen Wand dicht an der Fossa navicularis die übrigens normal beschaffene U r e t h r a , die nach vorgangiger Spaltung ihrer oberen Wand untersteht wurde.

Auch hier hätte man leicht zu der Annahme einer doppelten Harn-

röhre verleitet werden können. — einem Penis.

ßaillie8)

beobachtete gleichfalls zwei Canäle in

Der eine öffnete sich an der Spitze, der andere an der Basis der Eichel.

Der e n t e r e verlief in der Richtung des Penis 5 4 Mm. weit und endete an der Wurzel desselben blind.

Baillie

glaubt hierin eine Missbildung zu erblicken, während M o n o d

seinen Fall gezwungener Weise als falschen Weg interpretirt. eine aigeborene Missbildung beobachtet,

M o n o d selbst bat a b e r

die sich an seinen ersten

Es b e f a n d u n t e r der normalen Harnröhre ein

Fall

anschliesst.

zweiter Canal, der a b e r dicht

unter

der Hiut verlief, dann den Damm schräg durchbohrte und in den Mastdarm führte,

' ) Observations chirurgicales, Cent. 1. ' ) Traité de la cystotomie s o u s - p u b i e n n e .

Paris 1 8 2 7 .

' ) Tièse de concours. «) A latomie chirurgicale.

Paris 1 8 3 7 , Tom. II. pag. 2 4 1 .

«) Ebmenta pbysiologiae.

Tom. VII. libr. XXVIII. pag. 4 7 0 .

*) V i l p e a n , Anatomie chirurgicale, Tom. I. pag. 2 7 9 . T

) Sicieté a n a t o m i q u e , XXIV. bulletin.

8

) B i i l l i e , Anatomie pathologique, traduction de F e r r a i , pag. 3 3 6 .

102

Krankheiten der Ramröhre.

dem die normale Oeffnung überdies fehlte '). Diese Missbildung gehörte also offenbar in die Reihe derjenigen, die wir bei der Atresia ani (Bd. III. pag. 9 4 5 ) erwähnt haben, und war als Ectopia ani, nicht aber als Urethra duplex za deuten.

V.

Verkrümmungen der Harnröhre.

Da die Harnröhre des Mannes im normalen Zustande einen gekrümmten Verlauf besitzt, so kann es sich hier nur um die Abweichungen von dieser normalen Krümmung handeln. Vor Allem betreffen solche die zweite Krümmung, an der Grenze der Pars membranacea. Dass diese bei Kindern, deren Blase viel höher liegt und bei abnormer Höhe der Symphyse, wegen der Befestigung des Penis durch das in der ganzen Höhe der Symphyse angeheftete Ligamentum suspensorium penis, beträchtlicher sein muss, als im normalen Zustande, wurde bereits pag. 99 bemerkt. Von Bedeutung ist ferner die höhere oder tiefere Insertion der Harnröhre an der Blase. Inserirt die Harnröhre am tiefsten Theile der Blase, so wird die Entleerung des Harns mit geringerem Kraftaufwand vollständig erfolgen, als wenn unterhalb des Niveau's der Harnröhrenöffnung sich noch eine Ausbuchtung (ein stärker entwickelter Blasengrund) vorfindet; vielleicht sind aus dem stärkeren Andränge des Harns unter solchen Verhältnissen manche Fälle von Incontinentia urinae zu erklären. Alsdann liegt die Harnröhre auch in der Prostata tiefer, so dass nur wenig oder gar kein Drüsengewebe sich zwischen ihr und dem Mastdarm vorfindet. So sah V e l p e a u zwei Mal die Pars prostatica urethrae nur durch eine Bindegewebs Schicht von zwei Linien Dicke vom Mastdarm getrennt*). Einen ähnlichen Fall beobachtete S e n n ' ) . Aus den Untersuchungen von M e r c i e r *) hat sich ergeben, dass diese Anomalie gar nicht so selten ist. Anderer Seits kann die Urethra auch im obersten Theil der Prostata verlaufen, so dass sie nach Oben und Vorn gar nicht von Drtisensubstanz umfasst wird. Amuss a t und L i s f r a n c ') haben dies sogar fUr den normalen Zustand gehalten. Die Bedeutung solcher Varietäten für den Catheterismus leuchtet ein; wir werden beim Steinschnitt ihre Wichtigkeit nochmals hervorzuheben haben. Auch die Pars spongiosa urethrae soll eine Lageveränderung erleiden können, so dass sie auf die obere Seite

' ) C r u v e i l b i e r , Anatomie pathologique du corps humain, première livraison. ' ) Anatomie chirurgicale, Tom II. pag. 279. ' ) Thèses de la Faculté de Paris. ) Archives générales 1839.

4

*) Thèse de l'agrégation.

MissbilduDgeo.

103

des Penis zu liegen körne. R u y s c h ') und M o r g a g n i ' ) erwähnen jeder einen Fall der Art; aber in dem letzteren wenigstens bestand eine partielle Epispadie. Wahrscheinlich sind alle Fälle dieser Lageveränderungen der Pars cavernosa auf Epispadie zurückzuführen. Allerdings kommen aber noch viel bedeutendere Dislocationen der Urethra vor. H a l l e r *) fand ihre Mündung in der Inguinalgegend. G e o f f r o y S a i n t - H i l a i r e 4 ) sah an einem weiblichen Fötus die Urethra gleichfalls in der rechten Inguinalgegend münden, während die Vagina tiefer lag und mit der Harnröhre in gar keiner Verbindung stand. ' ) R u y s c h , Thes. aoat. 31. asser. 2, DO. XXII. pag.

16t.

*) De >e) V j . C o n r t y , Archiv, gln. de m O« »Q-

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ö E. o o ps

93 O" ® V 1Ü .o 5 » s e e J Vgl. L e d r a n , Parallele des différentes manières de tirer la pierre hors d« la vessie. — Soll diese Metbode durchaus nach Jemand benannt werden, so gebührt unzweifelhaft L e d r a n die Ehre. ' ) Mémoire sur une nouv. manière de pratiquer l'opérât, de la pierre. Paris, 1836.

13*

196

Krankheiten der Harnblase. Fig.

59.

fibröse Ueberzug der Prostata kann nun gesehen und die in der Harnröhre steckende Leitungssonde gefühlt werden. Der obere Wundrand und der Bulbus urethrac wird mit dem linken Zeigefinger emporgezogen; dann schiebt man die Fingerspitze gegen die Sondenfurche und bewirkt die Eröffnung der Pars membranacea wie beim Seiten-Steinschnitt; man muss sie aber nicht blos gegen die Prostata, sondern auch gegen den Bulbus hin weiter fortsetzen, da man sie auf dem eben bezeichneten Wege nicht unmittelbar hinter dem Bulbus öffnet. In die Binne der Sonde wird dann das Lithotome double, ein Bistouri caché mit zwei K l i n g e n (Fig. 60), geschlossen und mit nach Oben gewandter Concavität eingesetzt und auf ihr bis in die Blase geschoben, dann die Sonde entfernt und das Steinmesser umgedreht, so dass seine concave Seite nunmehr dem Mastdarm zugewandt ist. In vollkommen horizontaler Stellung des Instruments lässt man hierauf durch Druck auf den Heb elarm die beiden Klingen entsprechend weit hervorspringen und zieht dasselbe unter allmäliger Senkung des Griffes zurück. Auf diese Weise wird die Prostata durch die beiden Klingen, welche beim Hervorspringen sich etwas

ßlasensleine.

197

abwärts neigen , nach beiden Seiten in der halbmondförmigen Richtung, welche in Fig. 5 3 , pag. 186, deutet ist, gespalten.

Fig. 60.

ange-

Man erhält, ohne die Grenzen der

Prostata zu überschreiten, aber freilich mit ganz unvermeidlicher Durchscheidung der Ductus ejaculatorii, eine fast doppelt so grosse Oeffnung, als durch den SeitenSteinschnitt, mit welchem der

Bilateralschnitt

übrigens

in jeder Beziehung Ubereinstimmt. 2 ) Das V e r f a h r e n

v o n S e n n unterscheidet sich

nur dadurch, dass man mit einem Knopfmesser die Prostata auf der rechten Seite schräg nach Unten, auf der linken Seite aber quer einschneidet; S e n n hofft auf diese Weise eine

noch

grössere

Oeffnung herzustellen.



Aehnlich verfuhr v. W a t t m a n n bei seinem sog. i n n e r e n Bilateralschnitt,

bei

dem der äussere Schnitt, wie

bei der Sectio lateralis gemacht werden soll. 3) Das V e r f a h r e n von N i l a t o n (taille

prereclale)

geht vorzugsweise darauf aus, die Verletzung des bus urethrae sicher zu vermeiden ').

Bul-

Zu diesem Behuf

wird der Hautschnitt dicht (15 Millimeter) vor dem vorderen Afterrande gemacht, schwach

convexer

in querer

Richtung,

oder nach Vorn

etwa 3 Ctm.

lang.

Nachdem

die

Haut durchschnitten ist, ergreift man mit dem Daumen der linken Iland den hinteren Wundrand, während der Zeigefinger derselben Hand schon vorher im Mastdarm auf die Spitze der Prostata aufgesetzt ist und

den Damm

schnittes

etwas spannen

hilft.

In der Richtung des Haut-

durchschneidet man daraut alle Fasern des Sphincter ani

Schicht ftlr Schicht.

Dann lässt sich die vordere Wand des Mast-

darms mit Leichtigkeit nach Hinten schieben; die Wunde klafft weit, und man gelangt sofort zur Spitze der Prostata, die während der ganzen Operation durch den im Mastdarm befindlichen Finger

fixirt

wird. Nun setzt man in der Wunde ein starkes aber schmales langes Messer, den Rücken gegen den Mastdarm gewandt, mit der Spitze dicht vor der Prostata auf und schlitzt die mittelst der Leitungssonde gespannte Pars membranacea in hinreichender Ausdehnung, um das Lithotme

double einführen zu können, mit welchem dann ganz nach

den Vorschriften von D u p u y t r e n verfahren wird.

>) Nélaloo, Ehmens de pathologie chirurgicale, Tom. V. pag. 229.

198

Krankheilen der Harnblase.

d) S c h n i t t n a c h v i e r S e i t e n , S e c t i o q u a d r i l a t é r a l e , nach Vilal.

Um mittelst kleiner, über die Prostata nicht hinausgihender Schnitte eine möglichst grosse und möglichst nachgiebige Oiffnung f ü r d i e A u s z i e h u n g g r o s s e r S t e i n e zu gewinnen, enpfiehlt V i d a l , nach dem von ihm aufgestellten Princip des Débr.dement multiple, zu der Spaltung nach beiden Seiten hin noch zw?i Einschnitte in der Richtung schräg nach Oben und Aussen hinzuzufügen. Zu diesem Behuf wird ein Einschnitt durch den Damn ganz wie beim Bilateralschnitt gemacht. Nach Eröffnung der Ha-nröhre wird mit einem schmalen Knopfmesser, welches auf der Leitunfssonde bis in die Blase geführt wird, erst nach der einen, dann n;ch der anderen Seite in querer Richtung die Prostata gespalten. Ergiebt sich nun, dass der Stein für die vorhandene Wunde zu gross ist, so führt man das Knopfmesser unter Leitung des Fingers nochmils ein, um zunächst an der einen und dann an der anderen Seite schräg aufwärts gerichtete Schnitte hinzuzufügen (vgl. Fig. 61). Da die letzteren Schnitte nnr die Prostata und keineswegs die Sussera Weichtheile trennen sollen, so kaan von der Anwendung eines vierklingigen Lithotoie caché, nach Analogie des ton D u p u y t r e n angegebenen Lithotome double, gar kine Rede sein, obgleich man allerdings mit der Erfindung eines solchen dem Urheber des Quadrilateralschnitts hat zn Hülfe kommen wollen. V i d a l selbst sagt darübenn seiner Thèse inaugurale ( 2 8 . Augast 1 8 2 8 ) : „Ich hoffe, dass man von mir nicht ea Instrument mit vier Klingen erwartet, welches gleichzeitig in vier Richtungen die Prostata durchschneiden soll." Fig. CI.

Fig. 61.

A. Bulbusurethrae. B . Orificum ani. CC. Arteia, vena und nerv pudend. commun, mit ihren Aesten. D. Queer oder schwach hlbmondförmiger Schnitt durch dicProstata. E. Sehnt aufwärts.

schräg

Die aussein Weichtheile

sid

durch

Priiparatia

ent-

fernt.

199

Blaseosteine. Velpeau, G u e r s a n t , Jules Roux, médecine et de chirurgie de Toulouse. d. h. also in A u s n a h m e f ä l l e n , teralschnitt

angewandt und,

Goyrand

Aotit 1 8 3 7 )

und

Rolland

haben in dem

lici ungewöhnlich

grossen Steinen

(Journal de

Sinne

Vidal's,

den

Quadriia-

im Verhältniss zu den durch die Grösse des Steines be-

dingten Schwierigkeiten, s e h r günstige Resultate erzielt. III.

BlasengcliiiiU.

Die Methoden, welche wir unter dem Namen „Blasenschnitt" zusammenfassen, gehen auf E r ö f f n u n g d e s B l a s en kör p e r s selbst aus. Dies ist von grosser Bedeutung ; denn die Verletzung der Blase bedingt, wie bereits wiederholt bemerkt, die Gefahr einer tiefen Harninfiltration. Diese Gefahr theilen aber mit dem Blasenschnitt auch die bisher betrachteten Methoden, sobald die Schnitte absichtlich oder zufällig über den Bezirk des Blascnhalses hinaus fortgesetzt werden. Die Methoden des Blasenschnittes bieten wesentliche Verschiedenheiten dar, je nachdem die Eröffnung der Blase vom Damm lier, vom Mastdarm oder oberhalb der Schoossfuge gemacht wird. a) B l a s e n s c h n i t t

vom D a m m

1) V e r f a h r e n d e s C e l s u s , von Aegina.

„ Kleiner

aus.

nach

Sectio

Anderen

perineo-vesicalis.

des A n t y l l u s

oder

des

Paul

Apparat."

Der Kranke liegt wie beim Seiten-Steinschnitt.

Der Operateur f ü h r t zwei Finger

der linken Hand in den Mastdarm hoch hinauf, w ä h r e n d ein Gehülfe, welcher gleichzeitig das S c r o t u m e m p o r h e b t , .durch die über der Schoossfuge aufgesetzte Hand den Stein j e n e n Fingern entgegenzudrängen s u c h t .

Hat d e r O p e r a t e u r

Fingerspitzen hakenförmig u i n f a s s t , so drängt hervor und schneidet gerade auf ihn e i n ,

er ihn

gegen

denselben mit

den D a m m

nach

den

Links

worauf er entweder s o f o r t aus der W u n d e

hervorspringt oder doch leicht m i t einein Löffel h e r a u s b e f ü r d e r t werden k a n n . — Der Blascngrund und die linke Seile der Blase werden hier voraussichtlich gcölfnet. will, dass n u r zwischen

dem Uten und 1 4 t e n Jahre in dieser

Weise

es ist auch u n b e g r e i f l i c h , wie das Verfahren bei einem Erwachsenen

Celsus

operirt w e r d e ; ü b e r h a u p t aus-

f ü h r b a r gewesen sein s o l l , selbst wenn der Stein im Blasengrunde fest lag.

Die Be-

schreibung bei C e l s u s ist überdies zu k u r z und vieldeutig. 2) V e r f a h r e n von F r è r e

Jacques.

J a c q u e s B e a u l i e u , f r ü h e r Gehülfe bei dem Vcnctianis,chen Steinschneider P a u l o n i , lernte von diesem folgendes Verfahren.

Eine Sleinsonde

führt und d e r Blasenhals damit etwas n a c h Links

der Einschnitt gerichtet, d e r auf der linken Seite des D a m m e s After in schräger R i c h t u n g g e m a c h t und n a c h Eröffnung der der Richtung nach Oben vergrössert w i r d ,

wird in die Blase ge-

hervorgedrängt.

u m dann

Gegen

diesen ist

zwischen Sitzbein und Blase nötliigen Falls in

den Stein mit der Zange auszu-

ziehen. — Auch dies Verfahren wird in verschiedener Weise dargestellt.

Sicher

ist,

dass die eingeführte Sonde n i c h t als Leitungssonde b e n u t z t wurde und dass die D u r c h schneidung der Urethra und der P r o s t a t a , wenn sie vorkam, m e h r zufällig war. 3) V e r f a h r e n v o n

Foubert.

Ein gefurchtes Stilet wird durch den

dreieckigen R a u m der nach Aussen

Musculus ischio-cavernosus, n a c h Innen vom Bulbus cavernosus

vom

und nacli Hinten vom

200

Krankheiten der Harnblase.

Musculus transversus perinei begrenzt wird, bis in die Glase eingestosseo. Hierauf fliesst der Harn durch die Binne des Stilels zum Theil ab. Auf derselben wird sofort ein langes Messer bis in die Blase eingestossen, mit welcbcm hierauf in schräger Richtung von Unten und Aussen nach Oben und Innen sämmtliche Weicbtheile des Dammes sammt der Blasenwand selbst durchschnitten werden. T h o m a s veränderte dies Verfahren in der Weise, dass er den Troicart da einstiess, wo F o u b e r t seinen Schnitt endigte. Die Weichtheile wurden dann in der Richtung von Vorn und Innen nach Hinten und Aussen gespalten. Späterhin verwandelte er sein girinntes Stilet (auch Troicart genannt) in ein Lithoiome caché mit scharfer Spitze. D i e g a n z e M e t h o d e d e s D a m m - B l a s e n s c h n i t t e s i s t zu v e r w e r f e n , da sie die Gefahren der Blasenverletzung im höchsten Grade darbietet, ohne irgend einen Vortheil zu gewähren. b) B l a s e n s c h n i t t d u r c h d e n M a s t d a r m .

Sectio

recto-vesicaliB.

S a n s o n versuchte 1818 einen Stein durch die Spaltung des Blasengrundes vom Mastdarm aus zu entfernen, bat diese Methode aber selbst wieder aufgegeben, weil er sie zu gefährlich fand. Am Häufigsten ist sie in Italien angewandt worden. — Das Operationsverfahren erscheint auf den ersten Blick einfach. Eine Leitungssonde wird in die Blase geführt und genau in der Mittellinie gehalten. Auf dem linken Zeigefinger führt der Operateur ein spitzes Messer bis 25 Mm. oberhalb des Afters ein, wendet dann die Schneide nach Vorn (gegen die Schoossfuge) und durchschneidet in einem Zuge die vordere Wand des Mastdarms, den Sphincter und Alles, was zwischen Mastdarm und Harnröhre liegt, ohne jedoch letztere zu öflhen. Mit der Spitze des linken Zeigefingers sucht der Operateur hierauf in der Tiefe der Wunde den hinteren Rand der Prostata a u f , schneidet auf diesen ein und dringt somit in die Furche der Sonde, auf der man den Blasengrund in der Bichtung nach Hinten spalten soll. Das Auffinden des hinteren Randes der Prostata und der Furche der Sonde ist aber immer schwierig, zuweilen unmöglich. Die Verletzung der einen oder der anderen Samenblase ist, sobald man sich nur ein wenig von der Mittellinie entfernt, unvermeidlich und das Bauchfell k a n n nicht blos verletzt werden sondern ist wirklich verletzt worden und m u s s eigentlich verletzt werden. Auch HarninDltration ist nicht unmöglich. Der Darminhalt kann in die Blase treten und daselbst Gangrän veranlassen ( S c a r p a ) . Häufig folgt hartnäckige Schwellung des Hodens, noch häufiger bleiben Mastdarm-Blasenfisteln zurück. Nach der Zusammenstellung von V e l p e a u , kommen auf 100 Operationen der Art 20 Todesfälle und 20 Fisteln.

c) Blasensclinitt oberhalb der Schoossfuge. Ilolier Steinschnitt. Sectio hypogastrlca s. alta. Apparatns altus.

Epicystotomle.

V e r f a h r e n von G. B. G ü n t h e r 1 ) . Der Kranke liegt, wie bei einer Bruchoperation, mit etwas erhöhtem Becken. Die Blase wird durch Einspritzen von lauwarmem Wasser mässig gefüllt *)• Der Operateur steht zur Seite des Operationslagers; ihm gegenüber ein ') Der h o h e S t e i n s c h n i t t , Leipzig, 1851. >) Um den Vertex der Blase so weit zu erheben, dass die Blase oberhalb der Symphyse durch Percussion (bei schlaffen Bauchdecken auch durch Palpation) tachgewiesen werden k a n n , bedarf es einer Einspritzung von 180—300 Grm. Wtsser.

201

Biasensteiae.

zuverlässiger GehUlfe. Ein Schnitt trennt genau in der Linea alba die Bauchdecken von der Symphysis ossium pubis etwa 8 Cm. aufwärts. Dicht hinter der Schoossfuge kann man am Schnellsten in die Tiefe dringen. Nachdem man dort die Bauchdecken völlig durchschnitten hat, dilatirt man die Wunde noch etwas aufwärts unter Leitung des linken Zeigefingers. Die mit Flüssigkeit gefüllte Blase wird nun in der Tiefe der Wunde dicht hinter der Schoossfuge erkannt. Erwartet man einen grossen Stein oder sind die Bauchdecken sehr dick und straff, so führt man ein Knopfmesser in die Wunde und durchschneidet mit diesem die Insertion der Recti abdominis jeder Seits in der Ausdehnung von etwa 1 Ctm. Mit einer tief eingesetzten Hakenpincette oder einem scharfen Haken fasst der Operateur hierauf die vordere Wand der Blase unterhalb des Vertex, hebt sie empor — wenn sie nicht etwa von selbst in die Wunde hineingedrängt wird —, stösst ein spitzes Messer tief in dieselbe ein und dilatirt die Blasenwunde beim Zurückziehen des Messers in der Richtung nach Vorn und abwärts. Sofort stürzt die in die Blase eingespritzte Flüssigkeit hervor. In demselben Augenblick schiebt der Operateur, der inzwischen fortfährt, die Blase mit der Hakenpincette oder dem scharfen Haken zu fixiren, den Zeigefinger der rechten Hand, mit der er bis dahin das Messer rührte, in die Höhle der Blase ein. Erst wenn er sicher ist, mit dem hakenförmig gekrümmten Finger wirklich die Blase zu halten, wird die Hakenpincette (oder der Haken) entfernt, demnächst auch der linke Zeigefinger hakenförmig in die Blase eingesetzt, der rechte aber Seitens des Gehülfen durch einen stumpfen Haken ersetzt. Somit wird die rechte Hand des Operateurs frei, und er kann mit derselben sofort den Stein herauszuheben suchen. Lässt derselbe sich zwischen Zeige- und Mittelfinger einklemmen, so stellen diese unstreitig die beste Steinzange dar. Gelingt dies nicht, so muss man die gewöhnliche Steinzange oder den Löffel anwenden, wobei ganz dieselbe Vorsicht wie beim Seiten-Steinschnitt erfordert wird. Sollte der ursprüngliche Schnitt für die Entfernung des Steines nicht hinreichend gross sein, so wird er mit dem Knopfmesser in der Richtung nach Vorn und Unten erweitert. — Die Wunde wird, sofern man die B l a s e n n a h t (s. pag. 202) nicht anwenden will, nur oberflächlich mit einer Compresse bedeckt. Der Kranke liegt ruhig, wo

Nach zahlreichen Versuchen an Leichen muss ich L i n h a r t zwar darin beistimmen, dass die Verletzung

des Bauchfells durch

eine solche Einspritzung

nicht

sicher verhütet wird, vermag mich aber der Ansicht, dass die Operation dadurch gar sieht erleichtert werde, nicht anzuschiiessen.

202

Krankheiten der Harnblase.

möglich auf der Seite, wird mehrmals am Tage in ein lauwarmes Bad gesetzt und in den nächsten Tagen schon in eine mehr sitzende Stellung gebracht. Bevor der Harn nicht durch die Harnröhre entleert wird, darf man seiuen Ablluss durch die Baucliwunde in keiner Weise behindern, namentlich also auch dieselbe nicht zusammenziehen. Gewöhnlich fängt der Kranke aber schon innerhalb der ersten acht Tage an, Urin durch die Harnröhre zu entleeren. Geschieht dies bis zum neunten Tage nicht, so muss durch Einspritzungen von lauwarmem Wasser in die Harnröhre die alsdann vorauszusetzende Verstopfung derselben durch Schleim, Blutgerinnsel oder Gries beseitigt werden. Wahrscheinlich können solche Einspritzungen auch früher schon mit Nutzen angewandt werden. Vor dem 14ten Tage darf man, auch in den günstigsten Fällen, den Operirten nicht aufstehen lassen. Wenn man die Insertion der Recti durchschnitten hat, muss man mindestens drei Wochen warten, damit diese nicht gespannt werden, wodurch sonst eine feste Vereinigung der Sehnenwunde verhindert werden würde. V. v. B r u n s glaubte früher durch quere Incision der Bauchwand mehr Raum zu gewinnen, ist aber ganz davon zurückgekommen, da er sich überzeugt hat, dass bei grossen Steinen der Schnitt so weit nach Aussen geführt werden muss, dass wegen Verletzung des inneren Schenkels des Leistencanals Hernien zu fürchten sind. Dagegen empfiehlt v. B r u n s , nach neueren Erfahrungen, die Anwendung der B l a s e n n a h t nach Vollendung der Operation, um die Vereinigung zu beschleunigen und der Harniniiltration vorzubeugen. Dieselbe ist, nach v. Bruns, mit krummen Nadeln und einem Nadelhalter leicht auszuführen und nicht blos gefahrlos, sondern auch höchst vorteilhaft. .T. B r u n s vereinigte in

einem Kalle die 3 Clm. lange Blascnwunde durch vier

Knopfnähte, w e l c h e d i e S c h l e i m h a u t

nicht mitfassten,

gespritztes Wasser nicht hindurchdrang.

Die

so dicht, dass ein-

Heilung der Blasenwunde erfolgte per

primam, nachdem am 6. und 7. Tage die Nähte an dem einen, lang gelassenen Ende ausgezogen waren. dauernd liegen.

Der Katheter blieb 10 Tage, in den letzten Tagen jedoch nicht

Vgl. L o t z b e c k , Deutsche Klinik, 1858, Mo. 15.

Von h i s t o r i s c h e r B e d e u t u n g sind die von F r a n c o und von ß o u s s e t für den hohen Steinscknitt angegebenen Operations-Verfabren. F r a n c o , der Erltnder des hohen Steinschnitts, war, als er die Operation zum ersten u n d , wie es scheint,

auch zum letzten Mal machte,

den Stein vom Mastdarm aus so stark empordrücken

in der glücklichen Lage,

zu können, dass er ihn durch

die Bauchdecken deutlich fühlen und auf ihn einschneiden konnte.

Es bandelte sich

um einen zweijährigen Knaben (in Lausanne), bei welchem F r a n c o unmittelbar vorher vergeblich versucht halle, den Stein mittelst des C e i s u s ' s e h e n Schnittes zu entfernen. Die Operation machte (wie hieraus erklärlich) auf F r a n c o einen so furchtbaren Eind r u c k , dass e r , obgleich der Knabe genas, doch ausdrücklich — jedoch

glücklicher

203

Blasensteine. Weise ohne Erfolg — vor der Wiederholung dieser Operation warnte.

Nach F r a n c o

soll zunächst P i e t r e , nach dem Zeugnisse von L e M e r c i e r 1 ) ,

Gui

den hohen Steinschnitt a u s g e f ü h r t haben.

und

Patin2)

Demnächst hat P r o b y in Dublin 1 6 9 3 den

hohen Steinschnitt gemacht, a b e r nicht um einen Stein, s o n d e r n um einen elfenbeinernen Pfriem (Bindlochstecher) bei einem 22jährigen Mädchen zu entfernen.

Dieser liess

Fig. 6 2 .

Fig. 6 3 .

sich von der Vagina a u s empordrücken, vorragung in

den Bauchdecken

so dass er

bildete.

eine Her-

Auf diese

wurde

in

der Ausdehnung von 2 5 Mm. eingeschnitten, der Finger eingef ü h r t u n d u n t e r dessen Leitung die Blase geöffnet, worauf der Pfriem mit

den

Fingern

ausgezogen

diese merkwürdige Operation aufgenommen.

werden

konnte.

Deber

wurde ein gerichtliches Protokoll

Alle übrigen Fälle von hohem Steinschnitt (bei

G ü n t h e r 2 C 0 ) datiren erst aus dem vorigen und a u s diesem Jahrhundert. B o u s s e t (gegen Ende des 1 6 t e n J a h r h u n d e r t s ) hoben Steinschnitt zwar niemals um

die

Verbesserung

gemacht,

ist

hat

den

aber

dennoch

des Operationsverfahrens sehr

verdient,

indem er als erste Bedingung f ü r das Gelingen dieser von ibm sehr empfohlenen

Operation

B l a s e hervorhebt. Vorschrift

die v o r g ä n g i g e

Merkwürdiger Weise

Rousset's

erst in

neuester

Füllung

der

ist diese vortreffliche Zeit

zur

gehörigen

Geltung g e k o m m e n , während m a n sich inzwischen b e m ü h t h a t , katheterförmige I n s t r u m e n t e zu e r f i n d e n , m i t denen erhoben

oder

diesem

Behuf

' ) An ad extrahendum

calculum

auch

zugleich aufgespiesst

bediente dissecanda

man

sich

ad pubem

der

werden

die

Blase

sollte.

sogenannnten

Zu

Pfeil-

vesica? Pariser Dissertation

vom J a h r e 1 6 3 5 , in I l a l l e r ' s S a m m l u n g Tom. IV. pag. 1 4 8 . *) Lettres de G u i P a t i n , nouvelle édition, avec des r e m a r q u e s et d e s j n o t e s et u n e notice sur

la vie de l ' a u t e u r , p a r M. R e v e i l l c - P a r i s e .

pag. 4 5 5 . —

Paris 1 8 4 6 , T o m . I.

G u i P a t i n erzählt in einem Briefe an S p o n ,

Thesis zu Gunsten des hohen Steinschnitts m i t auch bei Männern und F r a u e n glücklich P a t i n , sei er von grösserem Nutzen.

dass P i è t r e

eine

Glanz vertheidigt u n d denselben

a u s g e f ü h r t habe.

Bei letzteren,

meint

204

Krankbeilen "der Harnblase.

s o n d e n (Sondes à dard). Fig. 62 die Pfeilsonde von F r ö r e C ò m e , Fig. 63 der Schnabel des Instruments mit dem Pfeil in natürlicher Grösse. Auf der Furche des durch die Blase hervorzustossenden Pfeiles .sollte das Messer sicher in dieselbe hineingeleitet werden. B e i m a s hat das Instrument dahin modificirt, dass man durch Druck auf den Griff zunächst das stumpfe Ende des Katheterscbnabels weiter herausschiebt und dadurch die Blase gegen die Bauchdecken andrängt, worauf dann erst durch einen zweiten Druck der gerinnte Pfeil herausgestossen wird. Andere Instrumente sollen sich in der Blase nach Art eines Regenschirms entfalten ( C I e l a n d ) ; sie sind noch viel unbrauchbarer. Von der Unsicherheit der Pfeilsondcn kann man sich leicht überzeugen, wenn man an Leichen nach vollständiger Entleerung der Blase Versuche macht, die vordere Blasenwand damit gegen die Bauchdecken emporzuheben oder gar zu durchbohren; gar häufig gebt der Pfeil trotz aller Vorsicht nicht durch die vordere, sondern durch die vom Bauchfell bekleidete hintere Wand der Blase. Deberdies erhöht das Einführen eines solchen Instrumentes jedenfalls den Grad der Verletzung und gewährt nicht den Vortheil, die Blasenwünde auch nach der Eröffnung noch auseinander zu halten, so dass man den Stein, ohne sie weiter zu berühren, fassen könnte.

U e b l e Z u f ä l l e beim h o h e n S t e i u s c h n i t t : 1) V e r l e t z u n g d e s B a u c h f e l l e s . Um sich vor derselben sicher zu stellen, darf man den hohen Stcinschnitt nur in solchen Fällen unternehmen, wo die Percussion, nach vorgängiger Füllung der Blase mittelst einer Einspritzung, mindestens zwei Finger breit Uber der Symphysis ossium pubis einen vollkommen leeren (matten) Ton ergiebt. Man nyiss ferner, je tiefer man eindringt, desto näher sich an der Symphyse halten und nur die vordere Wand der Blase einschneiden. Würde das Bauchfell verletzt, so müsste ein GebUlfe sofort, nach vorgängiger Reposition der etwa prolabirten Darmschlingen, die Wunde mit seinen Fingern von beiden Seiten her fest zusammendrücken. Der obere Theil der äusseren Wunde müsste dann noch vor Eröffnung der Blase durch die Naht verschlossen werden, um den Eintritt des Harns in die Peritonealhöhle zu verhüten. Bei dieser Behandlung hat man die Wunde heilen sehen, als wäre die Operation ganz regelmässig verlaufen. In einzelnen Fällen ist das Bauchfell durch das gewaltsame Andrängen der Därme, also durch die Gewalt der Bauchpresse, zersprengt worden. 2) Die S c h w i e r i g k e i t , n a c h D u r c h s c h n e i d u n g d e r B a u c h d e c k e n d i e B l a s e s o f o r t zu t r e f f e n und hinreichend zu Mnen, besteht zwar nur für den ungeübten Operateur, muss aber gerade deshalb hier ausdrücklich erwähnt werden. Man sieht in der Tiefe der Wunde Fett und loses Bindegewebe, nur bei ganz mageren Subjecten auch die Blase selbst. Hält sich der Operateur nun lange mit Zufühlen und Besichtigen auf, oder fängt er gar an, das Fett herauszu-

Blasensteine.

205

präpariren oder auseinander zu zerren, so ist dies wirklich als ein „tlbler Zufall" zu bezeichnen, denn dadurch wird gerade der Harninfiltration Thür und Thor geöffnet. Man muss vielmehr in diesem Äugenblick die Blase dreist mit dem tief eingesetzten Haken oder der Hakenpincctte sammt allem sie bedeckenden Bindegewebe emporheben und mit dem tief eingestossenen Messer hinreichend weit öffnen, um sogleich mit dem Finger eingehen zu können. Gelingt dies nicht, so ergiesst sich die in der Blase enthaltene Flüssigkeit in das umgebende Bindegewebe, die Blase sinkt hinab und zieht sich zusammen, und die Wunde ist dann zum Behuf der Dilatation schwer wiederzufinden. 3) A r t e r i e l l e B l u t u n g e n sind bei normalem Verhalten der Gefässe unmöglich. Dennoch hat man gefährliche Blutungen beobachtet. Hierbei muss es sich um ungewöhnliche Entwickelung und abnormen Verlauf entweder der Bauchdecken- oder der Becken-Arterien gehandelt haben; namentlich könnten die Art. dorsales penis, wenn sie direct aus der Hypogastrica entspringen, Uber den Blasenhals und einen Theil der vorderen Blasenwand verlaufen. Die blutenden Aeste müssen wo möglich unterbunden, sonst aber umstochen werden. Die U b l c n Z u f ä l l e n a c h d e r O p e r a t i o n sind von der H a r n i n f i l t r a t i o n abhängig, obgleich diese allerdings früher zu sehr gefürchtet und durch die zu ihrer Verhütung angewandten Mittel vielleicht eher begünstigt wurde. F r è r e C ó m e und nach ihm Viele legten, um den Harn von der Bauchwunde abzuleiten, sofort eine Boutonnière an der Pars membranacea an; Andere riethen, einen Troicart vom Damm aus in die Blase zu stossen und die Canüle liegen zu lassen. Durch 'die Dammwunde wollte man überdies die Pfeilsonde einführen (was ebenso gut durch die Harnröhre geschehen kam). A m u s s a t empfahl eine Zeit lang die schon früher von Einzîlnen angewandte Naht, wiederholte aber später den Vorschlag S o l i n g e n ' s , eine dickc Gummiröhre durch die Wunde in die Blase einzuführen, durch welche jedoch keineswegs verhindert wird, dass nicht auch neben derselben Harn ausfliesst. Andere haben durch einen eingelegten Docht oder einen Leinwandstreifen den Harn abzuleiten gehofft. S é g a l a s wünschte sogar durch die Harnröhre einen solchen Docht einzuführen. S o u b e r b i e l l e wollte einen Heber einsetzen u. dgl. V i d i l hat, um der Harninfiltration vorzubeugen, den Vorschlag gemaett, die Operation auf zwei Sitzungen zu vertheilen. Ein solcher Steiœchnitt en deux temps ist von A. V i d a l selbst, dann von N é l a t o n und von M o n o d ausgeführt worden. Nachdem die Bauchwand durchschniten ist, wird die Operation unterbrochen, in die Wunde ein

206

Krankheiten der Harnblase.

Charpiebausch gelegt und auf diese Weise Entzündung der Wundränder erregt. Erst wenn diese von Exsudat durchdrungen sind und die Wunde in voller Eiterung steht (etwa nach acht Tagen), schreitet man zur Ausführung des zweiten Actes, der Eröffnung der Blase; denn nun ist, in Folge der durch die Entzündung inzwischen eingetretenen Verdichtung der Gewebe, Harninfiltration nicht mehr zu fürchten. Um vollkommen sicher zu gehen, hat V i d a l sogar beide Operationsacte mit dem Aetzmittel ausgeführt '). So schnell auch die Mehrzahl der Wundarzte bereit war, diese Vorschläge zu verspotten, so haben doch ruhige Beobachter *) in letzter Zeit anerkannt, dass zur Vermeidung der Harninfiltration beim hohen Steinschnitt dies der sicherste Weg sei. Es ist aber die Frage, ob die Harninfiltration beim hohen Steinschnitt wirklich in dem Grade zu fürchten ist, dass man den Kranken deshalb den Unannehmlichkeiten und Gefahren einer solchen auf zwei weit von einander entfernte Termine zu vertheilenden Operation aussetzen soll. Diese Frage ist, nach den vorliegenden Untersuchungen und Erfahrungen von G ü n t h e r , entschieden mit „Nein" zu beantworten, und die grössere Vervollkommnung der Technik des Nähens lässt erwarten, dass mit Hülfe der Blasennaht (vgl. pag. 202) künftig noch bessere Resultate erreicht werden. Dass aber die Opération en deux temps dem Kranken unangenehmer sei, als die Vollendung der Operation in wenigen Minuten, und dass eine tiefe eiternde Wunde in den Bauchdecken, die bis zur Blase und bis nahe an's Bauchfell führt, keineswegs als gefahrlos bezeichnet werden kann, bedarf keines Beweises. Vergleichende B e n r t h e l l u n g der verschiedenen Methoden de» Stein«chnltts beim Manne.

Jede der von uns geschilderten Methoden bietet, sofern nur ein zweckmässiges Operationsverfahren angewandt wird, gewisse Vortheile, jede aber auch gewisse Ucbelstände dar. Auf die genaue Ervägung beider müssen wir unser Urtheil stützen, da eine statistische Uebersicht Uber eine gleich grosse Anzahl nach den verschiedenen Methoden ausgeführter Steinschnitte zur Zeit noch fehlt. Unter den Uebelständen haben wir vor Allem die H a r n i n f i l t r a t i o n hervorzuheben. Selten wird die Entzündung allein in der Umgebung der Operationsstelle ohne den nachtheiligen Einfluss des Harns den Tod herbeiführen. Diese Infiltration ist aber von bei Weitem ' ) Die G a l v a n o k a u s t i k

würde dies noch bequemer und schneller leistet.

' ) Vgl. i . B. P i t h a , 1. c. pag. 2 1 0 .

Blasensteine.

207

grösserer Bedenklichkeit, wenn sie die tiefen Bindegewebsschichten betrifft, daher am Wenigsten zu fürchten beim blossen Urethralschnitt, am Meisten beim Einschneiden des Blasenkörpers. B l u t u n g ist desto mehr zu fürchten, je mehr der Schnitt sich von der Mittellinie entfernt, am Meisten bei der Sectio bilateralis. Q u e t s c h u n g oder Z e r r e i s s u n g der W u n d r ä n d e r , namentlich in der Tiefe, steht der Harninfillration an Gefahr kaum nach. Ja man mtlsste in einem Fall, wo die Wahl bliebe zwischen der Ausziehung eines Steines durch eine hinreichend grosse Wunde, welche aber tiefe Harninfiltration zur Folge haben könnte, und der Ausziehung durch eine, diese Bcsorgniss nicht erregende, aber nur mit bedeutender Quetschung den Stein hindurchlassende Wunde, entschieden die erstere bevorzugen. Eiterung in der Umgebung des Blasenhalses und der Prostata, wie sie auf bedeutende Quetschungen dieser Theile stets folgen, führen fast immer zu Pyämie. Von Belang sind auch die sogenannten N e b e n v e r l e t z u n g e n . Die D u c t u s e j a c u l a t o r i i sind bei Spaltungen der Prostata in hohem Grade gefährdet, Impotenz daher nicht selten die Folge. I n c o n t i n e n t i a u r i n a e kann nach Spaltung der Prostata und des Blasenhalses zurückbleiben, H a r n f i s t e l n sowohl bei dieser Methode, als auch beim Blasenschnitt durch den Mastdarm. Die absichtliche oder zufällige V e r l e t z u n g des M a s t d a r m s mit ihren üblen Folgen ist nur beim hohen Steinschnitt ganz ausgeschlossen. E n t z ü n d u n g u n d E i t e r u n g der N i e r e n ist nach allen Arten des Steinschnitts beobachtet worden und hängt wahrscheinlich in den meisten Fällen von der Steigerung einer schon vorher bestehenden Erkrankung dieser Organe ab. Ebenso wenig ist die in einzelnen Fällen plötzlich auftretende U n t e r d r ü c k u n g d e r H a r n s e c r e t i o n (Anurie), welche fast immer in kürzester Zeit durch Urämie zum Tode führt, irgend einer besonderen Methode zur Last zu legen, da sie nach allen Arten von Operationen an und in der Blase (am Häufigsten nach der Lithotripsie) beobachtet worden ist. Früher hat man besonderes Gewicht auf den Grad der S c h m e r z h a f t i g k e i t gelegt und hervorgehoben, dass der Schmerz allein den Tod herbeigeführt habe. Der Beweis für diese Behauptung wurde daraus abgeleitet, dass man bei der anatomischen Untersuchung anderweitige Todesursachen nicht gefunden hat. Bekanntlich ist es aber auch vorgekommen, dass Kranke unmittelbar v o r einer grossen Operation, namentlich gerade v o r dem B e g i n n d e s S t e i n s c h n i t t s * plötzlich verstarben (vgl. Bd. I. pag. 35). — Wollte man die ein-

208

Krankheiten der Harnblase.

zelnen Methoden nach dem Grade der Schmerzhaftigkeit ordnen, so mQssten die Prostátaschnitte obenan stehen. In Betreff der Leichtigkeit, mit welcher die A u s z i e h u n g des Steines gelingt, verdient unbedingt der Blasenschnitt und namentlich der h o h e S t e i n s c h n i t t den ersten Platz. Steine, welche mehr als 4 Centim. Durchmesser haben, können ohne Quetschung durch die Prostata, selbst bei älteren Männern, gar nicht ausgezogen werden; noch viel weniger bei Kindern, bei denen aber glücklicher Weise der viel höhere Stand der Blase die Ausführung des hohen Steinschnitts ungemein erleichtert und die einzige an ihm haftende Gefahr — die Harninfiltration — fast ganz verschwinden lässt. Wir werden also dem h o h e n s t e i n s c h n i t t bei g r o s s e n Steinen, welche Uber 3 Centim. Durchmesser haben, Uberhaupt den Vorzug einräumen müssen, sofern nur 1) die Blase hinreichend ausgedehnt werden kann, um die Verletzung des Bauchfells bei ihrer Eröffnung sicher zu vermeiden, und sofern 2) der Stein nicht etwa im Blasenhalse festsitzt (Calculus prostatico-vesicalis, vgl. pag. 110) oder in einem, in den Mastdarm vorspringenden Divertikel oder gar in einer Hernie liegt. Bei Kindern (bis zu den Jahren der Pubertät) ist der hohe Steinschnitt unbedingt als die vorzüglichste Methode anzusehen. Steine, deren kleinster Durchmesser (in welchem man sie zu fassen h o f ft) 3 Centimeter nicht überschreitet, können bei Erwachsenen durch S p a l t u n g d e r P r o s t a t a ebenso leicht wie durch den hohen Steinschnitt entfernt werden; die Prostatawunde aber bietet, wenn keine Quetschung Statt fand und die Grenzen der Prostata nicht Uberschritten sind, bei Weitem günstigere Verhältnisse dar, als die Bauchwunde beim hohen Steinschnitt. Die Wundflächen der Prostata legen sich sofort genau aneinander, so dass der Harn häufig schon am Tage nach der Operation durch die Harnröhre abfliesst und die Heilung in 8—14 Tagen, ja in einzelnen Fällen selbst per primam intentionem erfolgt (vgl. pag. 106). Steine, welche im Blasenhals oder in der Prostata in der Art festsitzen, dass sie nicht in die Blase zurückgeschoben werden können (Calculi prostatici und prostatico-vesicales), erfordern unbedingt den Prostataschnitt. Hypertrophie der Prostata hindert die Ausführung des Prostataschnittes nicht, lässt ihn sogar besonders nützlich erscheinen (vgl. pag. 133). Ebenso wenig würde eine Strictur der Pars membranacea dagegen sprechen, indem ihre Spaltung als ein Act des Steinschnitts mit zur Ausführung käme. Dagegen wird allerdings vorausgesetzt, dass anderweitige Erkrankungen der im Beckenausgang liegenden Organe sich nicht finden. — Unter allen Operationsmethoden, welche durch Spaltung der Prostata

Blasensteine.

209

die Extraction des. Steines zu ermöglichen suchen, ist der S e i t e n S t e i n s c h n i t t bei Weitem am Meisten im Gebrauch. Dies hat seinen Grand und seine Berechtigung darin, dass die Spaltung der Prostata in d e r Mittellinie (nach S a n s o n und V a c c a ) für die Ausziehung grösserer Steine zu wenig Raum gewährt, und dass anderer Seits der D u p u y t r e n ' s c h e Bilateral-Schnitt und die Sectio praerectalis (nach N i l a t o n ) , — d u r c h welche freilich noch mehr Raum'gewonnen wird, als durch die Sectio lateralis, — eine viel erheblichere Verletzung ausmachen. Der H a r n r ö h r e n s c h n i t t kommt zur Entfernung von Blasensteinen deshalb seltener zur Anwendung, weil Steine von so geringem Durchmesser, dass sie durch ihn sollten entfernt werden können, sich voraussichtlich auch durch die Lithotripsie werden beseitigen lassen. Jedoch hat die Methode A l l a r t o n ' s seinen Wirkungskreis wieder erheblich erweitert. Da durch die Spaltung der Pars mcmbranacea weder die Beckenaponeurose, noch das Bauchfell gefährdet werden und von Blutung oder bedenklicher Harninfiltration kaum die Rede sein kann, so ist sehr zu wünschen, dass es gelingen möge (etwa durch Combination mit der Lithotripsie) diese ungefährlichste Methode auch auf etwas grössere Steine auszudehnen. Schliesslich m u s s ich aber P i t h a s c h r i f t (wie bei

so vielen

Operationen)

beistimmen, ebenso

sehr

dass

ei

auf die

gerade

beim

Genauigkeit

Steinder

A u s f ü h r u n g a n k o m m t , als auf die Wahl der M e t h o d e , u n d «lass d a h e r f ü r m a n c h e n O p e r a t e u r die M e t h o d e , auf welche er sich einmal eingeübt b a t ,

B.

a u c h die

beste i s t .

S t c i n s c h n i t t beim Weibe.

Der Steinschnitt kommt bei Weibern u n g e m e i n v i e l s e l t e n e r vor als bei Männern, weil Steine bei ihnen Uberhaupt seltener sind und weil kleinere Steine durch die kurze, gerade und sehr dehnbare Harnröhre leicht abgehen oder doch ausgezogen oder zerstückelt werden können. Früher wandte man auch die gewaltsame Erweiterung der Harnröhre (ohne Schnitt) an, um Steine auszuziehen. Dies Verfahren ist gänzlich zu verwerfen, weil dadurch üblere Zufalle (namentlich Incontincnz) veranlasst werden, als durch blutige Erweiterung. Dagegen kann man Steine bis zur Grösse eines Taubencies allerdings ohne Incision ausziehen, wenn man die Harnröhre vorher durch Presschwanim (oder Qucllincissel aus Laininaria digitata) a l l m ä l i g erweitert, wonach keine Inconlincnz zu fürchten ist. Unter den bereits für das männliche Geschlecht beschriebenen Operations-Methoden ist nur der h o h e S t e i n s c h n i t t ohne irgend eine Modification auch beim Weibe anwendbar. Alle übrigen Methodea ß a r i e l e b e n , Chirurgie. 6. Aull. IV,

14

Krankheiten der Harnblase.

210

erfahren, wegen der abweichenden Beschaffenheit der Weichtheile des weiblichen Beckens, wesentliche Modificationen.

Von einem Prostata-

schnitt kann gar nicht die Rede sein, und die Sectio recto-vesicalis verwandelt sich in eine v e s i c o - v a g i n a l i s . 1.

S p a l t u n g d e r H a r n r ö h r e und d e s B l a s e n b a l s es. (Seitensleinschnitt,)

Man hat die weibliche Harnröhre in allen R i c h t u n g e n gespalten, um Steine zu entfernen.

Als das älteste Verfahren bezeichnet

den Schnitt schräg abwärts nach Links, welcher, sofern muliebris der Pars membranacea

urethrae virilis entspricht, mit dein

Seiten-Steinscbnitt beim Manne verglichen werden kann.

In ähnlicher

Weise kann auch der Bilateral- und der Quadrilateralschnitt führt werden.

man

die Urethra

ausge-

Durch einen Schnitt gerade aufwärts (wie ihn D u b o i s ,

nach Anderen C o l l o t

vorgeschlagen) wird, da die Harnröhre unter

dem Schoossbogen dicht am Ligamentum pubicum liegt, nur äusserst wenig Raum gewonnen. — Von grösserer Bedeutung als die Richtung der Schnitte ist die G r ö s s e .

Jede Quetschung ist sorgfältig zu ver-

meiden (s. oben), und der Schnitt daher immer so gross anzulegen, dass der von der Zange gefasste Stein

ganz

bequem

heraustreten

kann. In Betreff der Länge ist zu unterscheiden, ob man den Schnitt bis in den Blasenhals fortsetzt oder auf die Harnröhre beschränkt; ersteres wird man bei grösseren Steinen thun müssen. Das Operationsverfahren

bei dem

am

Häufigsten

angewandten

S e i t e n s c h n i t t ist folgendes.

In die Harnröhre wird eine gefurchte

Steinsonde

ein Gehlilfe gegen

eingeschoben,

die

den

Schoossbogen

andrückt, um die Harnröhre etwas zu erheben.

Ein zweiter Gehulfe,

der

fixirt mit der

auf der rechten Seite der Kranken steht,

einen

Hand das linke Labium majus, mit der anderen zieht er die Vagina nach Rechts, um sie vor Verletzung zu schützen.

Der Operateur führt

auf der Steinsonde ein schmales, an der Spitze abgestumpftes Messer in die Blase und spaltet beim Zurückziehen desselben die Harnröhre und den Blasenhals in derselben Richtung, Steinschnitt beim Manne angegeben Operateur caché

auch

selbst

halten.

wird.

Bedient

(wie es bereits F r è r e C ô m e

welche für den SeitenDie Steinsonde kann der

man

sich

eines

Lithotome

angegeben hat), so sind Sonde

und Gehülfe entbehrlich. — Sehr empfehlenswerth ist der Vorschlag von N u s s b a u m ' ) die Harnröhrenwunde nach Entfernung des Steins zusammenzunähen. ' ) L i t h o t o m i e , Lithotripsie und Sulur beim Weibe. Bayr. ärzll. Intellig. Blatt, 1 8 6 4 . N u s s b a u m empOehlt in dieser Abhandlung zugleich die Coinbination drs Harn-

211

Blasensteine.

2.

E r ö f f n u n g des

Blasenkörper«.

1) V e s t i b u l a r s c h n i t t ( L i s f r a n c ) . Querer Einschnitt zwischen Schoossfuge und Harnröhre, um auf diesem Wege bis zur vorderen Blasenwand zu gelangen, — wegen der unvermeidlichen GefSssverIetzungen gefährlich. Der Vorschlag, den Stein von der Vagina her, wie beim Manne vom Mastdarm aus, mit den Fingern zu fassen und zur Seite der Harnröhre hervorzudrängen, um dann auf ihn einzuschneiden, ist verwerflich, da die Gefahren einer solchen Schnittrichtung hier mindestens ebenso gross sind, als beim Manne. 2) S p a l t u n g d e r B l a s e v o n d e r S c h e i d e h e r , K o l p o c y stotomie, Sectio vesico-vaginalis. Schon seit den Zeiten R o u s s e t ' s hatten einzelne Wundärzte durch Spaltung der VesicoVaginalwand Steine entfernt. C16mot m Rochefort hat diese Methode besonders ausgebildet und in die Praxis eingeführt (1814). Man zählt jetzt schon weit über 30 Operationen der Art, Fig 6i ohne einen einzigen tödtlicben Ausgang. Die Kranke liegt, wie beim Seiten-Steinschnitt, vielleicht noch bequemer in der von G. S i m o n filr die Operation der Blasenscheidenfistel empfohlenen Steiss-RUckenlage (vgl. Abth. XXIX.), welche gleichsam eine Steigerung der Stcinschnittslage darstellt. Eine gcrinnte Steinsonde wird in die Blase geführt und von einem Gehülfen so gehalten, dass der Schnabel genau in. der Mittellinie der vorderen Vaginalwand eine Hervorragung bildet. Ein stumpfes Gorgeret mit langem Stiel (Fig. 64) oder ein rinnenförmiges Speculum, wie es von M. S i m s für die Operation der Blasenscheidenfistel angegeben ist, wird in die Vagina eingeführt, um damit die hintere Vaginalwand herabzudrängen. Der Operateur drückt nun mit dem linken Zeigefinger die vordere Vaginalwand gegen die Rinne der Sonde, schiebt an diesem dann ein spitzes Messer in sie ein und spaltet auf ihr mit einem Zuge die Vesico-Vaginal wand in der Ausdehnung von 2 Cin. und etwas darüber; jedoch soll der Schnitt den Bereich des Blasengrundes nicht überschreiten; zu weit nach Hinten geführt, könnte er das Bauchfell, zu weit nach Vorn die

röhreDscbmlts mit der Lilhotripsie.

E r r ä l h den S c h n i t t n a c b Rechts zu m a c h e n ,

weil die weibliche Blase nach Rechts geräumiger sei.

Jedoch

nicht bis i o die Blase schneiden, sondern den S p b i n c t e r

will

erhalten.

14»

Nussbaum

212

Krankheiten der Harnblase.

Harnröhre verletzen'). Der Stein fällt entweder sogleich von selbst in die Vagina oder kann doch mit dem Finger leicht aus der Blase entfernt werden; n u r höchst selten bedarf es hierzu einer Zange. Die vordere Wand der Vagina und die hintere Wand der Blase h a n gen durch festes Bindegewebe zusammen; die Durchschneidung beider bedingt keine Harninfiltration, keine Blutung, gefährdet das Peritoneum durchaus nicht, hat aber häufig das Zurückbleiben einer f l a s e n Scheidenflstel zur Folge. Dieser Nachtheil tritt jedoch desto mehr in den Hintergrund, je grössere Fortschritte die Chirurgie in der Heilung dieses Uebels neuerdings gemacht hat. Legt man unmittelbar nach der Operation Nähte a n , so wird voraussichtlich in der grossen Mehrzahl der Fälle die erste Vereinigung gelingen oder doch nur eine kleine, später leicht zu verschliessende Fistel zurückbleiben. Misslingt die erste Vereinigung und erfolgt auch hinterher kein Verschluss durch Granulationen, so bleibt eine Blasenscheidenfistel zurück, welche, da kein Substanzverlust besteht, alle Aussicht h a t , durch Anfrischung und Naht geheilt zu werden. Vgl. Abth. XXIX. Somit wird man, wenn es sich um g r o s s e Steine hapdelt, bei kleinen Mädchen und Jungfrauen dem h o h e n S t e i n s c h n i t t e den Vorzug geben, bei Frauen mit weiterer Scheide und namentlich bei solchen, welche wiederholt geboren haben, zwischen der S e c t i o a l t a und der durch ihre Folgen v i e l l e i c h t unangenehmeren, jedenfalls aber minder gefährlichen S e c t i o v e s i c o - v a g i n a l i s zu wählen haben; für kleine Steine (unter 3 Ctm. Durchmesser) verdient die S p a l t u n g d e r H a r n r ö h r e den Vorzug, zumal man, wie N u s s b a u m gezeigt hat, beim Weibe noch viel leichter als beim Manne, die Lithotripsie mit ihr combinircn, auf solche Weise auch grössere Steine entfernen und die Wunde sofort wieder durch die Naht schliessen kann. C.

Vergleichende Bcurthcilung

des S t c i n s e h n i t t s und

der

Lithotripsie'). Ein Vergleich der für den Steinschnitt erforderlichen Instrumente mit d e n e n , welche zur Lithotripsie dienen, scheint auf den ersten Blick von sehr untergeordneter Bedeutung, und doch wendet er nicht ' ) Nach Untersuchungen von L i n h a r l geringe Ausdehnung haben.

(I. c.) kann dieser Schnitt

L i n h a r l glaubt d a h e r ,

grundes grössten Tlieils die Urethra aufgeschnitten Harnröhre würde übrigens, wenn man

habe.

nur nach Beendigung

Wunde sorgfältig zusammennäht, keine üblen Folgen haben. «) ß l s o d i o , Parallèle entre la taille et la lithotritic.

nur

eine

sehr

dass man statt des Blasen-

Paris

Die Verletzung

der

d e r Operation

die

Vgl. pag. 2 1 0 . 1&34.

-—

Civiale,

Parallèle dei diverjes méthodes employées pour guérir les caïculeux. Paris 1 8 3 6 .

Blasensteine.

213

blos das Urtheil des Laien und namentlich auch eines Steinkranken zu Gunsten der Lithotripsie, sondern gestattet auch, die wesentlichen Uebelstände, welche der Steinschnitt der Lithotripsie gegenüber darbietet, alles Ernstes zu erkennen. Der Steinschnitt ist eine blutige Operation, eine Eröffnung der Blase oder doch ein blutiger Weg zum Blasenhals; daher seine beiden Hauptgefahren, Blutung und Harninfiltration')• Im Gefolge der Lithotripsie bestehen auch Gefahren; aber sie schleichen langsam heran und bedrohen das Leben nicht so häufig, als dies beim Steinscbnitt, namentlich durch Harninfiltration, der Fall ist. Handelte es sich also nur um den Grad der Gefahr bei der Beurtheilung verschiedener Operationen, die zu demselben Zweck unternommen werden, so gebührte der Vorrang unzweifelhaft der Lithotripsie. Ein solcher Vergleich wäre zulässig, wenn beide Operationen den beabsichtigten Zweck mit gleicher Sicherheit erreichten. Durch den Steinschnitt gelingt nun die Entfernung des Steines, abgesehen von äusserst seltenen Fällen, sicher und vollständig. Die Lithotripsie dagegen muss nicht blos bei allen etwas grösseren Steinen mehrfach wiederholt werden, sondern sie ist in vielen Fällen bei sehr grossen und harten Steinen ganz ausser Stande, die Entfernung des Steines (d. h. der durch die Zertrümmerung erzielten Bruchstücke) mit Sicherheit vollständig zu bewirken. Sie lttsst sich gar nicht anwenden, wenn der Stein die ganze Blase ausfüllt, oder eingekapselt ist, oder im Blasenhals und der Prostata festsitzt. Sie ist ferner unausführbar, wenn Stricturen der Urethra, Hypertrophie der Prostata oder Klappenbildung am Blasenhalse besteht, sofern nicht etwa die Beseitigung dieser Hindernisse hinreichend schnell gelingt. Sie kann ferner nicht unternommen werden, wenn bereits Eiterbildung in der T h i e r r y , Quels sont les cas où l'on doit préférer la litbotomie à la lithotritie, et réciproquement? Paris 1842. — L e e ( E d w i n ) , On the comparative advantages of Lithotomy and Lithotrity. London 1842. — C i v i a l e , Gaz. des bôp. 1847, No. 116 u. f. — Mal gai g n e , Parallèle des diverses espèces de taille. Paris 1850. — B r o d i e , Med.-chir. Transact. XXXVIII. pag. 169 ( S c h m i d t ' s Jahrb. 1857, Juni, pag. 351). — P i t h a , I. c. pag. 239. ' ) Die M o r t a l i t ä t n a c h d e m S t e i n s c h n i t t lässt sich im Ganzen anf 12 Procent berechnen, vertbeilt sich aber sehr ungleich auf die verschiedenen Lebensalter. Bei Kindern bis zum 13. Jahre belauft sie sich anf kaum 6 Procent (zwischen dem 6. und 10. Jahre nur 3 l / a ) ; mit dem Eintritt der Pubertät steigt sie erheblich, so dass sie zwischen dem 14. und 16. Jahre bereits 14, zwischen dem 17. nnd 20 Jabre 17 Procent, in den spateren Mannesjahren etwas weniger, im Grelsenalter aber sogar 25 Procent beträgt. Wollten wir aber auch von den letzteren absehen, so müssten wir für E r w a c h s e n e doch 1 5 P r o c e n t als Durchschnittszahl ansehen.

214

Krankbeilen der Harnblase.

Blase stattfindet oder auch nur ein sehr heftiger Katarrh, der durch jeden lithotriptischen Eingriff gewaltig gesteigert wird, während er nach dem Steinschnitt sich bessert. Sie ist unzulässig, wenn die Blase ihre Dehnbarkeit ganz eingebiisst hat oder in solchem Grade empfindlich ist, dass sie die eingespritzte Flüssigkeit sofort wieder hinausschleudert. Allerdings wird es in manchen Fällen gelingen, durch eine vorbereitende Behandlung, sofern nur die baldige Entfernung des Steines nicht dringend indicirt ist, die Lithotripsie noch möglich zu machen. Jedenfalls ist der Steinschnitt die allgemeine, die Zertrümmerung dagegen die nur ausnahmsweise zulässige Operation. Damit ist aber keineswegs gesagt, dass der Stcinschnitt ceteris paribus den Vorzug verdiene. Im Gegentheil: in allen Fällen, wo Steinschnitt und Zertrümmerung in gleichem Grade zulässig erscheinen, wird man der Lithotripsie den Vorzug geben. Kleine Blasensteine unter 3 Ctm. Durchmesser lassen sich, wenn sie von brüchiger Beschaffenheit sind, voraussichtlich in wenigen Sitzungen ohne besondere Gefahren für die Blase zermalmen und entfernen. Offenbar ist in solchen Fällen die Aussicht auf Zweckerfüllung bei der Zertrümmerung ebenso gross, als beim Steinschnitt; die Gefahren aber sind bei der Zertrümmerung geringer, als bei irgend einer der unter solchen Verhältnissen zulässigen Methoden des Steinschnittes. Bei grosseren und namentlich zugleich harten oder doch mit einem harten Kerne versehenen Steinen sind dagegen voraussichtlich viele Sitzungen zur vollständigen Zertrümmerung nöthig, wodurch die Blase in höherem Grade gefährdet wird, ja die Zertrümmerung ist vielleicht ganz unausführbar. In solchen Fällen kann die Lithotripsie aber doch noch in zweifacher Weise nützlich werden, indem sie entweder vor oder nach dem Steinschnitt durch Zersprengung oder anderweitige Verkleinerung des Steines die Ausziehung durch eine kleinere Wunde möglich macht. Auf diese Weise wird man namentlich mittelst kleiner und daher wenig gefährlicher Einschnitte in die Prostata oder sogar nach blosser Spaltung der Pars membranacea (z. B. durch A l l a r t o n ' s Medianschnitt) grosse Steine, wenn sie nur nicht allzu hart sind, entfernen können (vgl. pag. 184) und jedenfalls ist der Operateur fortan der früher wiederholt erlebten traurigen Nothwendigkeit Uberhoben, nach Vollziehung des Seiten-Steinschnittes auch noch den hohen Steinschnitt zu machen, weil der Stein sich zu gross erwies, um durch die erstere Wunde entfernt zu werden. Endlich lässt sich die Hoffnung hegen, dass das Feld der Steinzertrümmerung in Zukunft ein immer grösseres werden wird, weil die Kranken bei der grossen Popularität, welche die Fortschritte der Chirurgie in dieser Richtung gewonnen haben,

Hypertrophie der Blasenwäode.

215

sich voraussichtlich immer früher und folglich mit immer kleineren und daher leichter zu zertrümmernden Steinen zur Operation stellen werden. »Da alle Steine Anfangs klein sind, so wird gewiss die Zeit kommen, wo der Steinschnitt aufhört." T h o m p s o n . Viertes Cajiltel.

Neubildungen in der Blase.

Blasengeschwülste.

I. Hypertrophie der Blasenwände. Die Hypertrophie der Blasenwände entsteht selten aus einer chronischen Entzündung ihrer Schleimhaut und bleibt dann auch gewöhnlich auf diese beschrankt. Bei Weitem häufiger ist sie die Folge andauernder Behinderungen der Harnentleerung, namentlich bei Blasensteinen, Prostata-Geschwülsten, Stricturen der Harnröhre; in solchen Fällen handelt es sich wesentlich um Hypertrophie der Tunica muscularis. Die Hypertrophie der Maskelbant, Fessie ä colonnes, findet sich oft bis zu einem solchen Grade entwickelt, dass die Dicke dieser Schicht über l'/t Cm. beträgt. Die hypertrophischen MuskelbUndel bilden dann Vorsprttnge wie die Trabeculae carneae des Herzens '). Die Schleimbaut überzieht diese Vorsprünge ebenso wie die zwischen ihnen befindlichen Vertiefungen. Dadurch entstehen Hügel und Thäler, und die kleinen Thäler zwischen den dickeren Fleischbündeln werden desto tiefer, je mehr Kraftaufwand Seitens der Blase erfordert wird, um das der Harnentleerung entgegen stehende Hinderniss zu Uberwinden. Die Vertiefungen wachsen nicht blos gleichmässig mit der Zunahme der Erhebungen, sondern auch durch den Druck, welchen der Harn auf diese Vertiefungen, als die weniger Widerstand leistenden Stellen der Blasenwand ausübt. Auf diese Weise entstehen endlich Ausbuchtungen, welche wie Bruchsäcke zwischen den Muskelbündeln sich hervorwölben und schliesslich kleine, an der Oberfläche der Blase hervorragende Blindsäcke darstellen, in denen, da sie einer contractilen Schicht gänzlich entbehren, der Harn stagnirt und häufig Steinbildung erfolgt. Diese „Taschenbildung" ist am Häufigsten am Blasengrunde und an der hinteren Wand beobachtet worden. Kleine Blindsäckchen können in grosser Anzahl vorkommen; geräumige Aus' ) Die T r a b e c u l a e c a r n e a e des Herzens werden TOD den französischen Anatomen Colonnes charnues genannt. Daher beisst eine Blase mit hypertrophischer Tunica muscularis „ Vessie ä colonnes". (Vgl. pag. 63.)

216

Krankheiten der Harnblase.

buchtungen der Art, welche sich bis zu der Grösse der übrigen Blase entwickeln können, so dass deren Höhle in zwei Hälften getheilt zu sein scheint, kommen immer nur vereinzelt vor. Selten besitzen die Wandungen dieser Taschen eine erhebliche Dicke, da sie nur aus der Schleimhaut, dem Bauchfell und dem zwischen beiden befindlichen submucösen Bindegewebe bestehen. Meist ist die Wand der Tasche so dünn, dass Ruptur derselben zu befürchten steht. Diese ist auch wirklich beobachtet worden, wenn bei hartnäckiger Behinderung der Harnentleerung der Patient grosse Anstrengungen machte, um das Hinderniss zu überwinden. So leicht eine Vessie à colonnes bei der Section zu erkennen ist, so schwer wird die Diagnose am Lebenden sein. Allerdings kann man mit Wahrscheinlichkeit auf einen solchen Zustand schliessen, wenn die oben erwähnten ätiologischen Verhältnisse gegeben sind; ein bestimmter Nachweis ist aber nur durch den Katheter möglich, und gerade die Untersuchung mit dem Katheter hat zuweilen Irrthümer veranlasst. Stiess der Schnabel gegen ein stark hervorragendes Muskelbündel, so glaubte man einen Stein oder einen Scirrhus vor sich zu haben; gerielh man in eine Tasche, aus der dann durch den Katheter trüber, schleimiger Harn abfloss, so dachte man vielleicht an einen Abscess der Blasenwand oder an eine Erweiterung der Blase. Unvorsichtiges Einschieben des Katheters kann zur Ruptur der verdünnten Blasenwand und damit zum Tode fuhren. Der in den . T a s c h e n * stagnirende Harn wird zersetzt und erregt localen Katarrh. Der eitrige Harn

wird nicht immer

Tasche sieb nicht entleeren kann.

dem

übrigen Blaseninhalte beigemischt, da die

So kann es k o m m e n , dass man Abscesse w r sich

zu haben glaubt, wenn Ausbuchtungen der Art in grösserer Anzahl bestehen

(Civiale).

Da die ätiologischen Verhältnisse, auf denen die Hypertrophie dér Muskelhaut beruht, fast ausschliesslich bei Männern vorkommen, so erklärt sich hieraus die schon von B a i l l y hervorgehobene Seltenheit dieses Uebels beim weiblichen Geschlecht. Als Hypertrophie der Scbleimbant nnd des submucöseu Biudegewebes sind manche Zustände beschrieben worden, die wohl nicht ganz mit Recht hierher gezogen werden. So z. B. die hydatidifce Beschaffenheit der Blasenschleimhaut, welche L o u i s ') beobachtete, die knorplige Beschaffenheit der Blasenwände, von welcher P o r t a l ') spricht u. dgl. m. Gewöhnlich ist die Geräumigkeit der Blase auch ' ) Vgl. Bibliothèque du médecin praticien, Paris

1 8 4 5 , Tome III. pag. 6 2 7 .

*) Vgl. Hémoires de l'Académie des sciences. Jahrgang 1 7 7 0 . — Auch C i vi a i e , Traité de l'affection calculeuse, Paris 1 8 3 8 , pag. 3 0 2 , beschreibt eine speckige Veidickung der Blasennände.

217

Hypertrophie der BlasenwSnde. bei der Hypertrophie

der Schleimhaut

vermindert;

auch Fälle von sehr bedeutender Ausdehnung Verdickung

der

Blasenwânde,

namentlich

Submucösen Bindegewebsschicht,

findet.

jedoch

vor,

durch

in

kommen

denen

man

Verstärkung

der

Dass diese als das Resultat

chronischer Entzündung zu betrachten sei, wird daraus wahrscheinlich, dass gewöhnlich zugleich Paralyse oder doch Paresis der Muskelhaut besteht, die sich aus einer vorhergegangenen Entzündung erklären lässt. Eine

besondere T h e r a p i e

Blase nicht aufstellen.

lässt sich für die Hypertrophie

der

In der Regel handelt es sich nur um Beseiti-

gung ihrer ätiologischen Verhältnisse.

Gelingt diese früh genug, so

wird die Hypertrophie wenigstens keine weiteren Fortschritte machen. Ob anderen Falls durch den Gebrauch von Mercurialien und ähnlichen, gegen hypertrophische Zustände empfohlenen Mitteln Besserung zu erreichen ist, dürfte mindestens zweifelhaft sein.

II. Gewächse in der Blase. Abgesehen von der Hypertrophie der Blasenwände, sind die Neubildungen in der Blase meist, Wesen nach, C a r c i n o m e .

ihrer Gestalt nach, P o l y p e n ,

Annahme von Blasengeschwülstcn was

ihrem

In früheren Zeiten verfuhr man bei der

neuere

sehr leichtsinnig, indem man na-

mentlich

Alles,

Untersuchungen

Prostata

kennen gelehrt haben, zu den Blasengeschwülsten rechnete.

als

Geschwülste

der

Alle in der Blase vorkommenden Gewächse können durch Versperrung auf und

des

Blasenhalses

die Urcteren

Zurückstauung

Hydronephrose). oder

nur

oder

ob

Harnverhaltung

den Eintritt desselben

des Harns bis

zu

bedingen, in

den

durch

die Blase Nieren

Druck

verhindern

bewirken

(vgl.

Ob das Eine oder das Andere und ob es dauernd

zeitweise, vielleicht

in

gewissen Lagen oder Stellungen

mechanische Störungen

das Alles ist von dem Sitz und

gar nicht

der Beweglichkeit

geschieht,

auftreten,

der



Geschwulst

abhängig. 1.

Krebs der

In Betreff der H ä u f i g k e i t des steller keineswegs einig. für selten.

Blase.

Blasenkrebses sind

die Schrift-

Manche erklären ihn für sehr häufig, Andere

Diese Widersprüche

finden (obgleich

ergiebt, dass der Blascnkrcbs jedenfalls nicht zu

die neuere Statistik den

gewöhnlichen

Krankheiten gehört) zum grossen Theil ihre Lösung in der verschiedenen Auffassung der Benennung Wir

haben

den

primären

„Krebs". und

den

secundären

Krebs,

welcher von benachbarten Gebilden auf die Blase übergreift, zu unter-

218

Krankheiten d e r Harnblase.

scheiden. Ersterer entsteht entweder in Gestalt compacter K r e b s k n o t e n in der Dicke der Blasenwand, oder als eine zottige polypöse Wucherung — Z o t t e n k r e b s . a) Z o t t e n t r e b s ,

Fungus

vesicae.

Die häufigste Neubildung in der Blase ist der Z o t t e n k r e b s (vgl. Bd. I. pag. 523 u. f.), obgleich wohl auch manche polypöse Wucherungen der Blasenschleimhaut mit Unrecht unter diesem Namen subsumirt sein mögen. Der Sitz dieses Gewächses ist in der Regel im Blasengrunde, namentlich gerade auf dem Trigonum, sehr selten an den Seitenwänden oder gar im Vertex. Ein 80jähriger Mann, bei dem m a n einen Blasenstein vermutbete, hatte in seiner Blase statt dessen ein schwammiges, zottiges Gewächs von dem Volumen einer grossen Trüffel, welches an einem schmalen Stiele hing, der sich a m o b e r n v o r d e m f a n g e der Blase befestigte.

Um-

Die Oberfläche war roth gefärbt und von einer dünnen,

leicht ablösbaren Schicht von Harnsedimenten überzogen. wächs die Consisteoz des Hirnmarks."

Im

Innern h a t t e das

Ge-

B e d o r , Gazette des Hôpitaux, Tom. VII. pag. 1 4 8 .

Zuweilen sah m a n einen solchen gestielten Fungus auf einer anderen, nicht gestielten Geschwulst aufsitzen, n a m e n t l i c h ' a u f

Prostata-Geschwülsten,

die in die Blase

hineinragten.

Die G e s t alt-des Zottenkrebses ist bald entschieden zottig, flockig, einem Blumenkohlkopf ähnlich ')» bald mehr kuglig oder abgeplattet, pilzförmig; meist rechtfertigt die Aehnlichkeit mit flottirenden Darmzotten (in sehr vergrössertem Maassstabe), namentlich, wenn man das Gebilde unter Wasser betrachtet, den Namen „Zottenkrebs " vollständig. Lagert sich nicht eine starke Incrustationsschicht auf der Oberfläche ab, so bleibt das Gewächs während seines ganzen Bestehens weich und zerreisst äusserst leicht. Diagnose. S o e m m e r i n g hat bereits mit Recht hervorgehoben, dass die grosse Weichheit dieser Geschwülste und die verhältnismässig bedeutendere Stärke der hinteren Blascnwand es fast unmöglich machen, sie mit dem in den Mastdarm eingeführten Finger zu entdecken. Der Katheterismus leistet ebenso wenig, zumal der Zottenkrebs nicht besonders empfindlich ist. Sonden mit Knöpfen von Modellirwachs (vgl. pag. 14 und 77) sind empfohlen worden, um Abdrücke von dem in der Blase befindlichen Gewächs zu nehmen und somit auch von seiner Gestalt Kenntniss zu erhalten. Begreiflicher Weise sind diese Abdrücke noch viel weniger zuverlässig, als diejenigen von Stricturen, Steinen u. dgl. m., deren geringen diagnostischen Werth wir bereits früher kennen gelernt haben. Es ist daher nicht *) C i v i a l e , Traité des malad, des org. génit.-urin. Paris 1 8 5 0 , T o m . II, p . IL, fig. 2 .

219

Gewächse in der Blase.

zu verwundern, dass man die Anwesenheit eines solchen Gewächses oft übersehen hat. Bei starker Incrustation ist anderer Seits eine Verwechselung mit Blasensteinen möglich. D e s c h a m p s (Traité des maladies d e l à vessie, Paris 1 8 2 4 , pag. 1 0 7 ) f ü h r t Fälle a n , in denen m a n auf Grund eines solchen diagnostischen gemacht h a t t e .

I r r t b u m s den

Steinschnitt

Dass man anderer Seits gerade bei Steinkranken den Zottenkrebs am

Häufigsten entdeckt bat, beruht vielleicht blos daranf, dass man bei solchen Patienten durch die Steinbeschwerden veranlasst wird, die Blase gründlich zn untersuchen.

Der Zottenkrebs für sich veranlasst fast niemals erhebliche Beschwerden ; namentlich fehlt während der ersten Zeit seines Bestehens der Schmerz gänzlich, und die Functionsstörungen sind unbestimmt und unerheblich. Späterhin findet sich allerdings ein schleimiger, auch wohl eitriger, zuweilen blutiger Ausfluss. Unbestimmte Schmerzen stellen sich ein, und wenn die Länge der Zotten gross genug ist, so kann durch Vorlagerung vor den Blasenhals eine mechanische Versperrung und somit Harnverhaltung bewirkt werden, die von Zeit zu Zeit wiederkehrt. Dies könnte aber durch jede bewegliche Geschwulst im Blasengrunde ebensogut bedingt werden, und gestattet einen Schluss auf Zottenkrebs nur, insofern dieser eben bei Weitem häufiger ist, als andere Gewächse dieser Region. Mit Sicherheit kann man den Zottenkrebs der Blase nur durch mikroskopische Untersuchung abgegangener oder abgerissener Stückchen erkennen. Das Abreissen und Ausziehen einzelner Stücke des Gewächses mit dem H e u r t e loup'schen Steinbrecher erfordert zwar ein sorgfältiges Sondiren mit demselben, nachdem man die Blase in derselben Weise wie vor der Lkhotripsie (vgl. pag. 176) mit Flüssigkeit gefüllt hat, ist aber übrigens weder schwierig noch gefährlich (vgl. Behandlung). In Betreff der Actiologic des Zottenkrebses müssen wir zwar im Allgemeinen auf die im I. Bande gegebene Darstellung verweisen; jedoch ist es wohl empfehlenswert!], den speciellcn Entstehungsverhältnissen der Pseudoplasmen in jeder einzelnen Localität auch speciell nachzuforschen. Der Zottenkrebs ist bei Weitem häufiger bei Männern als bei Frauen, in den verschiedenen Lebensaltern von gleicher Frequenz, bei Stein-Kranken häufiger als bei anderen und unter allen Theilen der Blase am Häufigsten in dem, vorzugsweise mechanischen Reizungen ausgesetzten, Trigonum. Hierauf liesse sich auf eine gewisse Abhängigkeit dieser Neubildung von localer Reizung schliessen. Die Abhängigkeit des Zottenkrebses von einer vorausgegangenen nicht

erwiesen;

die aus

der äusseren Aehnlicbkeit

(Feigwarztn) abgeleitete Ansiebt S ö m r a e r i n g s ,

mit dass

Entzündung ist

syphilitischen e r syphilitischen

Eicrescenzen Ursprunges

sei, i s t völlig unbegründet. Man spricht auch davon, dass die Entwickelung des Schwamm-

220

Krankheiten der Harnblase.

gewächses durch eine Neuralgie veranlasst sei ; wahrscheinlich war die sogenannte Neuralgie, d. h . der Schmerz, umgekehrt ein Symptom des wachsenden Krebses.

BebandlODg. Vor 50 Jahren war man Uber die Unmöglichkeit der Heilung oder auch nur der vorübergehenden Beseitigung des Zottenkrebses der Blase einverstanden. Therapeutische Bathschläge bezogen sich nur auf palliative Erleichterung des Patienten, namentlich Beseitigung der Harnverhaltung. Zu diesem Behuf sollte man die den Blasenhals versperrende Geschwulst mit einem dicken Katheter fortstossen oder durchbohren, nötigenfalls mit der Pfeilsonde (vgl. pag. 203). Heut zu Tage verzweifelt man nicht mehr an der Möglichkeit, solche Gewächse entweder mit dem Steinbrecher zu zermalmen (abzuquetschen) oder mit Hülfe einer durch einen Katheter eingeführten Drahtschlinge abzubinden '). Auf diesem Wege wäre sogar die Galvanokaustik anwendbar *). In schwierigeren Fällen räth V i d a l , ähnlich wie bei den Prostata-Geschwülsten (pag. 134), vorher die Harnröhre vom Damm aus zu spalten, um stärkere, grade Instrumente in die Blase einführen zu können. Findet man beim Steinschnitt einen Zottenkrebs in der Blase, so muss er sogleich mit der Kornzange gefasst und abgedreht werden, wie dies bereits von D e s a u l t mit günstigem Erfolge geschehen ist. Als Beispiel für das Operationsverfahren mit einem

der zur Steinzertrümmerung

bestimmten I n s t r u m e n t e diene ein Bericht von C i v i a l e (Traité des maladies des organes génito-nrinaires. pag. 1 7 1 ) wurde in

Paris 1 8 5 1 . Tome III. pag. 1 7 1 ) . die mit lauwarmem

dreiarmige Zange geöffnet.

Wasser

Dabei, sowie beim Anziehen des Instrumentes

Blasenhals wurde nichts Abnormes entdeckt. gung aber fand sich ein Hinderniss. der sie umfassenden Scheide gegen s t a n d e r g a b , wurde

„Der Steinbrecher (Fig. 3 7 ,

gelullte Blase eingeführt,

Wahrend der darauf folgenden Drehbewe-

einander gedrängt.

der Bohrer vorwärts g e s c h o b e n , Durch

die den

Die Zangenarme wurden daher durch Vorschieben Da sich auch hier ein Widermit dem

weichen Körper zwischen den Zangenarmen erkennen konnte. durch nicht erregt.

und

gegen

ausgiebige Seitenbeweguogen

nachweisen, dass die Geschwulst gestielt sei.

man bestimmt

einen

Schmerzen werden da-

des Instrumentes

Die Scala am Susseren

Hess sich

E n d e des

In-

strumentes ergab, dass die Zangenarme n u r wenig geöffnet waren, woraus sich auf ein geringes Volumen des Gewächses schliessen Hess.

Durch möglichst starkes Zusammen-

pressen d e r Zangenarme und gleichzeitige Bewegung des Bohrers gegen den umfassten Theil des Gewächses, gelang die Zermalmung ohne Schmerz in wenigen Das I n s t r u m e n t wurde wieder geöffnet und ausgezogen.

Secunden.

Noch an demselben Tige ging

die 6 Linien lange und 3 Linien breite Geschwulst mit dem Harn ab. den bei der Harnentleerung waren seitdem verschwunden,

jedoch

Die Beschwer-

wurde einige Zeit

darauf eine ähnliche zottige Geschwulst entdeckt, In gleicher Weise gefasst and sofort mit d e m I n s t r u m e n t e ausgezogen.

Einige kalte Einspritzungen

Blase wieder völlig zu normaler Function z u r ü c k z u f ü h r e n . " ' ) D i e f e n b a c h , Operative Chirurgie, Bd. I. pag. 3 0 6 . *) M i d d e l d o r p f Galvanokaustik, pag. 2 5 7 .

reichten

bin, um die

221

Gewächse in der Blase.

W a r n e r beschreibt die Operation eines gestielten Blasen-Fungus von der Grösse eines P a t e n - E i e s bei einer Frau.

Der mit Tieler Schwierigkeit

bis in die Blase eingerührte Finger vermochte

durch die

Harnröhre

zu erkennen, dass die Geschwulst

Blasengrunde nahe dem Halse festsass.

Indem die

d r ä n g t e , trat die Geschwulst ein wenig

durch

Kranke bei

im

gefüllter Blase stark

die Urethra hervor,

so dass man sie

fassen und mit einer k r u m m e n Nadel mehrere Fäden hindurchziehen konnte, mit deren Hülfe die ganze Geschwulst hervorgezogen

werden

W a r n e r spaltete deshalb die Harnröhre nach

sollte.

rechts

gelang

aber -nicht.

in ihrer vorderen

Dies

Hälfte, ver-

mochte hierauf das Gewächs hervorzuzielien und seinen dicken Stiel

mit

Leichtigkeit

zu unterbinden, wonach es am sechsten Tage abfiel, und völlige Heilaog erfolgte. 6) K r e b s i n d e r

Blasenwand.

K r e b s k n o t e n in der D i c k e der B l a s e n w a n d kommen noch viel seltner vor, als Zottenkrebs der Blase. So lange solche nicht erweicht sind und somit auch keine charakteristischen Beimischungen zum Harn liefern, bleibt die Diagnose durchaus zweifelhaft; namentlich sind Verwechselungen mit Blascnsteinen wiederholt vorgekommen. Desault,

Oeuvres ebirurgieales t. III. pag. 2 7 7 .

»Ein kraftiger Mann empfand

ohne nachweisbare Veranlassung einen, Anfangs intermiltirenden, stechenden Schmerz in der Regio pubis.

später

Nach vergeblicher Anwendung

anhaltenden, verschiedener

Emollientia wird der Katbeter eingeführt, und die Aerzte finden einen harten, knorpligen Widerstand, gegen den der Katheter anschlägt, wie gegen einen Blasenstein. wird D e s a u l t u m Rath gefragt, dessen genaueres

Krankeneiamen

Nun

nicht blos die ge-

wöhnlichen Blasensymptome, Schmerz, Druck in der Blasengegend, auch Jucken in der Eichel u . a. f., sondern ausserdem die wichtige Thatsache herausstellt, dass P a t von Zeit zu Zeit

mit dem Harn

etwas Blut verliert,

und

von gefaultem Fleisch in dem frisch gelassenen Harne

auch

war für D e s a u l t entscheidend, um sich auf eine durchaus beschränken.

kleine Bröckelchen,

findet.

Das

wie

letztere Symptom

palliative Behandlung zu

Der Kranke erlag unter furchtbaren Schmerzcn.

Bei der Section fand

man in der Blase eine Geschwulst von d e r Grösse zweier Fauste.

Die Symptome, auf welchc man bei der D i a g n o s e des Krebses der Blasenwände am Meisten bauen kann, sind, abgesehen von der Untersuchung«mit dem Katheter, das B l u t h a r n e n und das Vorkommen von K r e b s t h e i l c h e n im Harnr Die P r o g n o s e ist immer traurig, die B e h a n d l u n g nur palliativ (Opium und Kathetcrismus). 2.

Tuberkeln.

Wenn man die Fälle mitzählen will, in denen Tubcrculose sich von anderen Organen, namentlich von den Nieren oder von den Hoden her auf die Blase weiter verbreitet hat, so kann man allerdings behaupten, dass Blasentubcrkcln nicht ganz selten seien; isolirt kommen sie niemals vor. Die Symptome der Blasentuberculose sind möglichst dunkel; selbst die Entleerung wirklicher Tuberkelmasse ist nicht charakteri-

222

Krankheiten der Harnblase.

stisch, da sie aus den Ureteren oder aus den Nieren herrühren könnte. Die Behandlung kann nur symptomatisch sein. Ueber die Verbreitung der Tuberkeln von den Nieren bis zur Blase und zu den Hoden hinab b a t namentlich R a y e r , über gleichzeitige Tuberkulose der Prostata u n d der Blase L a r c b e r (Tgl. den Bericht von D e c e i m e r i s , t. XX. pag. 3 2 5 ) Beobachtungen gesammelt. nungen der chronischen

Archives de médecine, 1 8 2 9 .

Die Kranken hatten

alle die

Erschei-

C y s t i t i s dargeboten, und L a r c h e r fand immer Miliar-

tuberkeln, die sich auf die Schleimbaut der Blase b e s c h r a n k t e n , höchstens ein wenig auf die Urethralschleimhaut übergriffen.

Andral

(Patholog. Anatomie. Deutsch

B e c k e r Bd. II. pag. 3 7 7 ) beschreibt auch Tuberkeln

L o u i s (Recherches s u r la pbthisie) fand unter 2 0 0 Fallen nur 2 Geschwüre der Blase.

von

in der Dicke der Blasenwand. Mal

tuberkulöse

Bei einem 3äjälirigen Manne fand er die faustgrosse Blase mit

trübem Harn gefüllt ond statt der Schleimbaut eine u n e b e n e , gelbweisse F l ä c h e , die in einer Dicke von 2 Mm. durch tuberkulöse Masse gebildet wurde. letin de la socie'té anatomique,

Mannes in d e r Blase mehrere krude Tuberkeln, fistulöse

hodens und der Samenbläseben gleichfalls

(Bul-

in der Prostata erweichte, die durch

Gange mit der Harnröhre communicirten,

Erkrankungen,

Lagerais

1 8 4 0 , pag. 79) fand in der Leiche eines 25jährigen überdies Tuberculose des

ohne Veränderungen

des Vas deferens. —

Neben-

Dieselben

mit Ausschluss des Vas deferens, habe ich in der Leiche

eines 50j5brigen Mannes beobachtet.

3.

Anderweitige

Gewächse.

Wenn es auch wahrscheinlich ist, dass die Mehrzahl der früher als P o l y p e n , f u n g ö s e E x c r e s c e n z e n , F i b r o i d e u. dgl. m. beschriebenen Gewächse zum Zottenkrebs gehören, so können doch auch solche, die den obigeil Namen wirklich entsprechen, in der Blase vorkommen. Auch von e r e c t i l e n und v a r i c ö s e n Geschwülsten (sog. BlasenhSmorrhoiden) wird berichtet. Unzweifelhaft ist das Vorkommen von C y s t e n in der Blase. — Diagnose und Therapie wie beim Zottenkrebs. M. A. P e t i t (Médec. du coeur et discours e t c , 1823, pag. 4 9 ) b e r i c h t e t : 28j3hriger Mann litt schon seit längerer Zeit an Steinhcsclnverden. der Untersuchung, ebenso wie vier andere Cotlegeo, den Stein schnitt wird gemacht, aber kein Stein Körper, d e r als eine

gefunden.

scirrhöse Geschwulst

Ein

Ç e t i t glaubt bei

zu fühlen.

Der Stein-

Man fühlt nur einen weichen, glatten

zwischen

Mastdarm

und

Blase

erscheint.

Jede weitere Operation wird für unzulässig erachtet und der Kranke zu .Bett gebracht. Die Operationswunde heilt schnell, aber die Gcschwulst wächst und f ü h r t nach Ablauf eines Jahres den Tod herbei.

Bei der Section findet sich in der Blase ein Polyp von

der Grösse einer Faust von pyramidaler Gestalt und mit sehr dünnem Stiel. M e r c i e r (Recherches anatomiques etc.

Paris 1 8 4 4 ) fand in der Blase, 2 5 Min.

nach Hinten und Aussen vom rechten Ureter, eine auf der Schleimhaut mit einem Stiel festsitzende weiche, schwammige, culeuse),

Ein Paar Cooper

halb durchscheinende Wucherung ( Végétation

vési-

in welcher sich zahlreiche Gefässe verästelten. bemerkenswerte

Fälle

von

Blasen-Polypen

F o r s t e r (Surgical diseases of children, London,

bei Kindern

ISüO).

erzählt

223

Entzündungen der Blase. Liston

(Med. Times

1862)

stiess in

der

Blase eines

an lschnrie leidenden

Mannes beim KatheterUiren auf ein weiches bewegliches Hinderoiss, machte sofort den hoben Steinschnitt and zog aus der

Blase

eine g r o s s e C y s t e ,

die gleichsam eine

zweite Blase in d e r eigentlichen Harnblase darstellte und nicht blos eine Schleimhaut, sondern auch Muskelfasern besessen haben soll. in der

Blase vielleicht croupöse

Ob bei der

Pseudomembranen

Bildung solcher Cysten

oder nekrotische Abstossung

der

Blasensclileimhant (vgl. Cap. V.) mit in Betracht kommen, I3sst sich nicht entscheiden. Auch B l a s e n w ü r m c r „ H y d a t i d e n " dorch

können

in

der

Blase

vorkommen.

Der Abgang von

die Harnröhre ist wiederholt beobachtet w o r d e n ; zweifelhaft ist,

ob es Ecbinococcen oder f.yslicorcen

waren (vgl. Bd. I. pag. 5 9 9 u. 6 0 2 ) .

Jedeofalls

waren sie nicht in der Blase entstanden.

F ü n f t e s Capitel. Entzündungen der Blase. Die Blasenentzündung zeigt Verschiedenheiten, je nachdem sie sich auf einzelne Schichten beschränkt oder alle Blasenhüute ergreift. Man unterscheidet danach namentlich eine C y s t i t i s s e r o s a (Epicystitis), eine C y s t i t i s m u e o s a , eine C y s t i t i s p a r e n c h y m a t ö s » ') s. i n t e r s t i t i a l i s (Entzündung des subserösen und submucösen Bindegewebes), eine C y s t i t i s t o t a l i s (bei welcher alle Häute der Blase ergriffen sind), endlich eine P e r i c y s t i t i s (Entzündung des Bindegewebes in der Umgebung der Blase). Die C y s t i t i s s e r o s a ist selten eine selbstständige Krankheit; entweder ist sie nur ein Theil einer weiter verbreiteten Peritonitis, oder sie gesellt sich zu einer gegen die Peripherie hin fortschreitenden Cystitis, sofern der betreffende Theil der Blase überhaupt einen Bauchfellüberzug besitzt. Anderen Falls giebt eine Verbreitung des EntzUndungsprocesses nach Aussen zur Entstehung der P e r i c y s t i t i s Veranlassung, die aber auch selbstständig in Folge von Verletzungen (Eindringen fremder Körper, Harniniiltration) oder durch Mittheilung der Entzündung von benachbarten Organen her entstehen kann. Die. S c h l e i m h a u t d e r Blase ist in den meisten Fällen nicht blos im Anfange, sondern auch während des ganzen Verlaufs allein oder doch wesentlich der Sitz der Entzündung. Allerdings kann aber aus der C y s t i t i s m u e o s a allmälig auch eine C y s t i t i s i n t e r s t i t i a l i s , sogar eine C y s t i t i s t o t a l i s u n d eine P e r i c y s t i t i s hervorgehen. Als selbstständige Erkrankung fiDdet sich die C y s t i t i s i n t e r s t i t i a l i s fast nur im Verlauf acuter Dyskrasien.

' ) Wir werden die Bezeichnung C y s t i t i s von p a r e n c h y m a t ö s e n

parenchymatöse

vermeiden,

Entzündungen jetzt in anderem Sinne spricht.

da

man

224

Krankheiten der Harnblase.

Wir unterscheiden zum Behuf der speciellen Beschreibung die a c u t e und die c h r o n i s c h e Form, und werden an erstere die aus der interstitiellen Cystitis hervorgehenden A b s c e s s e anschliessen. Der gewöhnlich als besondere Krankheit beschriebene B l a s e n k a t a r r h fällt mit der chronischen Cystitis zusammen.

I.

Acote Blasenentzflndung.

Aetiologie. Die Entstehung der acuten Cystitis ist weder vom Geschlecht noch vom Temperament, noch vom Aufenthaltsorte, noch von der Lebensweise abhängig, sondern von ganz directen oder spe. cifisch auf die Blase wirkenden Einflüssen, ferner von einer Verbreitung der Entzündung von den Nachbarorganen, namentlich vom Peritoneum oder von den Ureteren oder von der Harnröhre aus, endlich von dyskrasischen Processen. Zu den directen Veranlassungen der Cystitis gehören nicht blos alle V e r l e t z u n g e n derselben und die in ihr vorkommenden f r e m d e n K ö r p e r im weitesten Sinne (vgl. pag. 146 bis 215), sondern auch c h e m i s c h e E i n w i r k u n g e n , am Häufigsten durch zersetzten (stagnirenden) Harn bei Harnverhaltung in Folge von Lähmung der Blase, bei Prostatageschwülsten und bei Striciurcn, oder im Verlauf schwerer acuter Krankheiten, namentlich des Typhus, auch nach dem Genuss halbgegohrener Getränke (Cyder, junges Bier). Zersetzung des Harns (ammoniakalische Gährung) und in Folge davon acute Cystitis kann auch durch Einbringung von Fermenten bedingt werden. In dieser Beziehung ist namentlich vor der Benutzung unreiner Katheter zu warnen, da durch dieselben Vibrionenkeime oder mikroskopische Pilze in die Blase gelangen können. T r a n b e bat Falle der Art beobachtet und empfiehl! deshalb silberne Katheter vor der Anwendung immer erst

in siedendes Wasser zu tauchen,

zum zweiten Mal zu benutzen.

Vgl. F i s c h e r , Deilrag zur Lehre von der altaiischen

Harngäbrung.

Berliner klin. Wochenschrift, 1 8 6 4 , No. 2. —

Mittheilung von M ö s l e r

bat

man in Trag

nach Injection

elastische a b e r nie

Nach einer mündlichen

von Tanninlösung

Blase acute Cystitis beobachtet und den Grund darin gefunden, dass

in

die

das Taanin mit

einer grossen Menge mikroskopischer Pilze verunreinigt war.

Specifisch reizend wirkt auf die Blase, wie auf die UrogenilalOrgane überhaupt, das C a n t h a r i d i n (vgl. pag. 228). — In velcher Weise E r k ä l t u n g und D u r c h n ä s s u n g , namentlich der Füsse, ferner katarrhalische, rheumatische und gichtischc Diathese zur Cystitis Veranlassung geben, ist unbekannt. Die pathologische Alinlomic weist eine Verdickung zunächst der Schleimhaut, in späteren Stadien auch der Muscularis und eine deutliche Injectionsröthe nach, mit vorwiegender, oft varicöser Erweiterung

Acute Blasenentzündung.

225

der Venen. Kleine Abscesse kommen namentlich in der Muscularis vor. Haben dieselben ihren Weg nach Aussen genommen, so finden sich auch in der Umgebung der entsprechenden Stellen Abscesse im Bindegewebe; gegen die Peritonealhöhle werden sie durch Verdickung des Bauchfells abgegrenzt. Am Häufigsten finden sich peri-vesicale Abscesse in der Nähe des Blasenhalses. In anderen Fällen ist der Abscess durch die ßlasenschleimhaut hindurch gebrochen und hat sich somit in die Blase entleert, während anderer Seits Harn in seine Höhle gedrungen ist. Dann stehen mit der Blase fistulöse Gänge in Verbindung, die an der Stelle des aufgebrochenen Abscesses ihren Ausgangspunkt haben. Selten kommt eine croupöse Auflagerung auf der Schleimhaut der Blase vor; dieselbe kann aber in der ganzen Ausdehnung der Blasenhöhle sich entwickeln und dadurch zu der Annahme Veranlassung geben, es habe eine Abstossung der ganzen Blasenschleimhaut stattgefunden. Ein solcher Vorgang ist allerdings auch möglich, aber höchst selten')• Brandschorfe findet man an solchen Stellen, die der grössten Gewalt ausgesetzt waren oder an denen sich aus anderen Gründen die Entzündung bis zu einer bedeutenden Höhe steigerte, endlich auch bei Diphtheritis, welche keinesweges so selten ist, wie man früher annahm. Dass nach der Lösung der Brandschorfe Perforation zu Stande kommen kann, wurde bereits bei den Verletzungen erwähnt. Symptome. Zuweilen scheint das Fieber, welches bei der ausgebildeten Cystitis niemals fehlt, den localen Erscheinungen vorauszugehen. Dies erklärt sich daraus, dass letztere im Beginn der Krankheit manchmal wenig hervortreten und daher erst bei genauerer Untersuchung entdeckt werden. Weiterhin wird aber jedenfalls der Unterleib, namentlich in der Blasengegend, sehr empfindlich, selbst für unbedeutenden Druck. Die Schmerzen strahlen von da aus zu den Nieren und gegen den Damm hin. Der Kranke muss ungemein häufig und stets mit grossem Schmerz Harn lassen; oft vermag er mit grosser Anstrengung nur wenige Tropfen eines dunkelrothen oft bluthaltigen, beim Erkalten ein schleimiges Sediment absetzenden Urins herauszupressen. Dieser „Tenesmus ad matulam", analog dem Tenesmus bei Entzündung des Mastdarms, findet sich vorzugsweise ausgeprägt, wenn die Entzündung in der Nähe des Blasenhalses vorherrschend entwickelt ist; aber auch bei Entzündung des übrigen Theils der Blase fehlt er nicht; denn sobald die Muscularis mit er*) Einen höchst

merkwürdigen

Fall von Nekrose

der ganzen Blasenschleimhaut

in

Folge t o n Diphtheritis h a t L u s c h k a beschrieben. V i r c h o w Arcb. Bd. VII. Heft 1, B a r d e l e b e n , Chirurgie.

6. AuO. IV.

15

226

Krankheitco der Harnblase.

griffen ist, wird diese, wie jeder entzündete Muskel, starr und zu Zusammenziehungen unfähig (Ischuria inllammatoria). Die gefüllte Blase übt auf den Mastdarm einen Druck aus, so dass, selbst wenn die Entzündung sich nicht über das Gebiet der Blase hinaus erstreckt, doch alsbald' auch Drang zum Stuhlgange entsteht, ohne dass der Mastdarm gefüllt wäre. Der fortdauernde Drang zur Harnentleerung ohne die Möglichkeit, ihn zu befriedigen und die nach dem Hervorpressen einiger Tropfen gewöhnlich bald folgende Steigerung der Qualen bringen den Kranken in völlige Verzweiflung. Bald liegt er in Schweiss gebadet (und dieser Schweiss nimmt oft einen urinösen Geruch an), bald springt er in Verzweiflung auf oder wirft sich hin und her, um in dieser oder jener Stellung Ruhe zu finden. Der Nachlass dieser höchst quälenden Symptome erfolgt entweder höchst allmälig oder ganz plötzlich. Im ersteren Falle hat man eine günstige Wendung, im zweiten dagegen den Ausgang in Eiterung oder in Gangrän zu gewärtigen. Alsdann lässt auch das Fieber, trotz des Aufhörens der Schmerzen, nicht nach. Der Puls wird bei steigender Frequenz immer kleiner, die Zunge trocken, der Durst unlöschbar, Schluchzen, Cardialgie und Erbrechen treten nicht selten auf. Der Harn wird dann frei entleert, ist röthlich gefärbt, oft mit Blut gemischt und bildet einen schleimigeitrigen Bodensatz. Verlauf nild Aasgänge. Del' V e r l a u f der Krankheit bietet grosse Verschiedenheiten dar, welche wesentlich von den Veranlassungen der Entzündung, dem Alter und dem Kräftezustande des Patienten abhängig sind. So bedingt z. B. die Anwesenheit eines fremden Körpers oder die Uebertragung eines Ferments durch einen unreinen Katheter eine sehr schnelle Entwickelung aller Krankheitserscheinungen bis zur bedeutendsten Höhe. Entsteht Blasenentzündung bei einem Menschen, welcher aus anderen Gründen bereits an Harnverhaltung leidet, so nimmt sie einen besonders schnellen und gefahrvollen Verlauf; die Entzündung tritt in solchen Fällen erst auf, nachdem die Blase bis zum Maximum ihrer Dehnbarkeit gefüllt ist, mithin einen grossen Theil ihrer Widerstandsfähigkeit schon eingebüsst hat. — Bei jugendlichen Subjecten erreichen die Entzündungserscheinungen meist vor dem dritten Tage ihre grösste Höhe, und die ganze Krankheit verläuft in 8 — 1 4 Tagen. Bei schwächlichen und namentlich bei alten Leuten geht die Steigerung oft in derselben Zeit vor sich; aber die Besserung erfolgt äusserst langsam, mit grosser Neigung zum Zurückbleiben einer chronischen Entzündung. Bei solchen Kranken findet sich dann auch oft von Anfang an ein asthenischer Zustand und ein frühzeitiger Collapsus. Neben der Z e r t h e i l u n g und dem Uebergange in c h r o n i s c h e

Acute

227

Blasenentzüodung.

C y s t i t i s , haben wir E i t e r u n g und G a n g r ä n als (relativ seltenere) Ausgänge der acutcn Blasenentzündung aufzuführen. E i t e r u n g tritt entweder auf der freien Fläche der Schleimhaut auf, oder in Gestalt von Abscessen, die sich in der Dicke der Blasenwand entwickeln. Ein solcher A b s c e s s entleert sich dann entweder in die Blase oder nach Aussen. Im letzteren Falle bedingt er Harninfiltration und fast immer, wenn er auch nicht unmittelbar am Bauchfell gelegen war, eine heftige und meist tödtliche Peritonitis. Im günstigsten Falle wird er gegen das Bauchfell hin durch Verdickungsschichten abgekapselt und bahnt sich seinen Weg gegen das Perineum, wobei er freilich das tiefe Blatt der Perinealfascie zu durchbrechen hat, deren bedeutende Stärke und Widerstandsfähigkeit wir bereits wiederholt hervorgehoben haben. Noch seltener als Eiterung ist G a n g r ä n in Folge von Cystitis. Sie wurde fast ausschliesslich nach lang dauernder Harnverhaltung oder in Folge des Eindringens der Fäces in die Blase (wenn beim Steinschnitt der Mastdarm verletzt war) beobachtet. Auch soll im Verlauf des Typhus Gangrän der Blase vorkommen ( C o s s y ) . Vielleicht war sie in solchen Fällen von Diphtheritis abhängig, die auch im Verlauf anderer acuter (namentlich auch puerperaler) Processe sich in der Blase entwickelt. Die Gefahren der Gangrän sind desto grösser, j e weiter sie in die Tiefe greift. Zur Perforation ist nicht erforderlich, dass aus der ganzen Dicke der Blasenwand ein Brandschorf sich löst; es reicht vielmehr hin, wenn nur der grössere Theil der Dicke auf diese Weise verloren geht; der übrig gebliebene Theil der Wand kann durch den andrängenden Harn leicht zersprengt werden. Am Häufigsten wird die obere Wand des Blasenhalses durch Verschwärung zerstört. Häufig hat man mit Unrecht der Anwendung des Katheters die Perforation zugeschrieben, weil sie auf einen kleinen Raum scharf begrenit war. M e r c i e r hat nachgewiesen, dass es sich in solchen Fällen gewöhnlich um kleine Ausstülpungen der Schleimhaut zwischen den Faserzügen der Muscularis handelt, in denen Ulceration desto leichter erfolgt, wenn der Harn fortdauernd in ihnen stagnirt. V g l . p . 2 1 6 . Proguose. Die Blasenentzündung ist im Allgemeinen eine erhebliche und oft bedenkliche Krankheit. Ist ein vom Bauchfell überzogener Theil der Blase von ihr ergriffen, so sind die Gefahren desto grösser. Entzündung im Blasengrunde kann zur Verengerung oder zur Versperrung der Ureteren Veranlassung geben. Entwickelt sich die Blasenentzündung, während ein Stein in der Blase verweilt oder die Blase bereits anderweitig erkrankt ist, so wird die Prognose da15*

228

Krankheiten der Ilarablast.

durch sehr Übel, und besteht gleichzeitig Verdiinnung der Blascnwände, so endet der Fall gewiss tödtlich. Die Behandlung muss nach den verschiedenen Perioden der Krankheit sich richten. Anfangs sind reichliche Blutentziehungen und der ganze antiphlogistische Apparat, natürlich mit Berücksichtigung der Kräfte des Kranken, anzuwenden. Recht lange andauernde sogenannte permanente Bäder, entweder des ganzen Körpers oder wenigstens Sitzbäder, in der Zwischenzeit lauwarme Umschläge auf die Blasengegend und das Perineum, sind von grossem Nutzen. Vollkommene Ruhe und strenge Diät braucht man nicht erst zu empfehlen; der Kranke hütet sich selbst vor jeder Bewegung und hat keinen Appetit. Dagegen muss man sorgfältig darauf achten, dass alle Getränke (am Besten Milch, Mandelmilch und andere Emulsionen) warm genossen werden, wenn auch der Kranke viel grössere Neigung hat, sie kalt zu nehmen. Ueberhaupt muss für Erwärmung des ganzen Körpers und Anregung der Transspiration gesorgt werden. In dieser Beziehung wirken wohl auch die Do wer'sehen Pulver, welche überdies, wie alle anderen Opiate, bei grosser Schmerzhaftigkeit nützlich sind. Besteht Harnverhaltung und gelingt es durch die angegebene Behandlung nicht alsbald, dieselbe zu beseitigen, so muss man den Katheter (nöthigen Falls alle 6—12 Stunden) einführen, darf ihn aber jedenfalls nicht liegen lassen, da er sicher Ulceration erregen würde. Um nachtheilige Reizung der Blase zu verhüten, bedient man sich auch, wo möglich, eines elastischen Katheters. Die Berücksichtigung der Ursachen einer Blasenentzündung ist immer erst nach den eben angegebenen antiphlogistischen Maassregeln am Platze. Allerdings wird man einen eben erst in die Blase eingedrungenen fremden Körper möglichst schnell zu entfernen suchen, um die weitere Steigerung der durch ihn erregten Entzündung zu verhüten ; verweilt aber ein fremder Körper, namentlich ein Blasenstein, schon längere Zeit in der Blase, bevor er Entzündung erregt hat, so wird man gut thun, diese erst zu beseitigen oder doch zu mildern, bevor man eine Operation unternimmt. Dass unter solchen Verhältnissen von der Steinzertrümmerung ganz abgestanden werden muss, wurde bereits oben bemerkt. Hängt die Blasenentzündung von Blennorrhoe oder Verengerung der Harnröhre oder von Erkrankung der Prostata ab, so wird man die Behandlung beider Uebel verbinden müssen, ohne dabei die grössere Bedeutung der Cystitis zu vergessen. In Fällen, wo man die Blasenentzündung von rheumatischen oder gichtischen Erkrankungen oder von unterdrückten Hautausschlägen ableiten zu müssen glaubte, haben sich starke Hautreize nützlich er-

229

Acate Blasenentzündung.

•wiesen. Namentlich hat man in solchen Fällen auch von spanischen Fliegen (in der Regio hypogastrica) Gebrauch gemacht, obgleich die dabei mögliche Resorption des Cantharidin zur Vorsicht auffordert. Man thut in solchen Fällen besser, Blasenbildung durch Aufsetzen eines in siedendem Wasser erhitzten Hammers (nach Mayor) zu bewirken. Blaaenentzttndung durch Cantharidin.

Cystltl« toxica.

Die Entzündung der Blase, welche d u r c h d i e E i n w i r k u n g des C a n t h a r i d i n hervorgerufen wird, bietet manche Eigentümlichkeiten dar. Es ist dabei gleichgültig, ob das Cantharidin durch die äussere Haut (bei Anwendung grosser oder zahlreicher Cantharidenpflaster an beliebigen Körperstellen) oder durch den Magen (was viel seltner ist) aufgenommen worden ist. Die Empfindlichkeit für das Cantharidin ist aber individuell sehr verschieden. V i d a l (Annales de la chirurgie française, t. VI. pag. 2 5 7 ; t. XII. pag. 2 5 7 ; t. XIII. pag. 3 7 7 ) and M o r e l - L a v a l l é e (Expérience, 1 8 4 4 , No. 3 6 8 ) haben sich mit dieser Varietät der Cystitis besonders beschäftigt.

Die anatomiscbc Uutcrsnchnng einer, in Folge der Cantharidenwirkung erkrankten Blase crgiebt, dass ihre Schleimhaut von einer 1—2 Mm. starken Pseudomembran, — ähnlich der bejm Croup der Respirationsorgane vorkommenden, nur weicher und brüchiger, — überzogen ist. Die Mucosa selbst ist geschwollen und geröthet, die ganze Blase eng zusammengezogen. Die Röthung und das croupöse Exsudat setzen sich bis in die Nieren hinauf fort. Die Krankhcilserscheiunngen zeigen sich innerhalb der ersten 24 Stunden, meist aber 6—8 Stunden nach dem Auflegen des Blasenpflasters auf eine beliebige Körperstelle. Zunächst wird der Kranke durch das ungewöhnlich oft wiederkehrende Bedürfniss zum Harnlassen beunruhigt. Nach jeder Entleerung stellt sich etwas Schmerz im Endstück der Harnröhre ein ; zuweilen wird mit den letzten Tropfen ein Stückchen croupöses Exsudat ausgetrieben. Anfangs besteht dabei weder Fieber, noch sonst ein beunruhigendes Symptom. Alsbald aber wird das Bedürfniss zum Harnlassen immer häufiger, das croupöse Exsudat wird in grösseren Mengen entleert, wobei es zuweilen die Empfindung erregt, als ginge ein fremder Körper durch die Harnröhre, zuweilen auch stecken bleibt und in Gestalt eines langen Wurmes hervorgezogen werden kann. Der Kranke wird nun unruhig, bekommt Schmerzen in der Perinealgegend und fiebert. Die Untersuchung des Harns lässt einen ansehnlichen Albumingehalt erkennen. Die D a u e r der Krankheit überschreitet in der Regel nicht 12 Stunden.

230

Krankheiten der Harnblase.

Die Diagnose ist leicht, namentlich wenn man von der Anwendung der Canthariden Kenntniss erhält. Prognose. Lebensgefahr entsteht nur bei ohnehin sehr geschwächten Personen oder bereits anderweitig erkrankten Harnorganen. Die Pseudomembranen können aber zur Vcrsperrung der Harnröhre oder auch zur Steinbildung Veranlassung geben. Behandlung. In prophylactischer Beziehung ist vor der schnell wiederholten Anwendung von grossen Blasenpflastern, namentlich bei Personen mit zarter Haut, zu warnen. Früher glaubte man, durch Beimischung von Kampher zu dem Pflaster oder durch gleichzeitigen • inneren Gebrauch des Kamphers die Einwirkung der Canthariden auf die Urogenitalsphäre verhüten zu können; dies ist irrig. Liegt das Cantharidenpflaster noch beim Auftreten der ersten Krankhcilssymptoine, so muss man es sofort entfernen. Uebrigens genügt zur Beseitigung der Krankheit reichliches Wasseririnken (namentlich Sodawasser), ein Bad, feuchte Umschläge auf den Unterleib und bei grosser Schmerzhaftigkeit etwas Morphium. Sellen sind Blutegel nöthig. Aliscessc der B l a s e n w a n d .

Die i n t e r s t i t i e l l e C y s t i t i s , welche im subscrösen und submucösen Bindegewebe, also zwischen den eigentlichen Häuten der Blase ihren Sitz hat und fast immer aus dyskrasischen Processen entspringt, veranlasst regelmässig Eiterung. Meist liegt dieser letzteren eine bereits seit längerer Zeit bestehende chronische Blasenenlziindung, die Anwesenheit eines Blasensteins, auch wohl eine lange andauernde oder oft wiederholte Harnverhaltung zu Grunde, seltener Quetschung der Blase (vgl. pag. 145). In solchen Fällen entsteht unter deutlichen Störungen des Allgemeinbefindens (Frostanfälle, L'ebelkcit, Erbrechen) ein dumpfer, stetig zunehmender Druck in der Tiefe des Beckens. Die entzündeten Blasenwände werden starr, so dass die Blase sich weder beträchtlich ausdehnen, noch auch völlig zusammenziehen kann. Sie vermag nur eine kleine Menge Harn zu fassen; der Ueberschuss fliesst unter schmerzhaftem Druck tröpfelnd ab. Je nach seiner Lage kann der Abscess in der Blasenwand bald die Harnröhre, bald die Ureteren comprimiren und somit bald das Einströmen des Harns in die Blase, bald die Entleerung der letzteren ganz verhindern. Durch Palpation und Percussion kann man die entzündete Blase als eine beim Druck empfindliche Geschwulst erkennen. Ob aber diese Geschwulst auf Abscessen der Blasenwand beruhe, darüber lässt sich, selbst wenn sie höckrig ist, schwer entscheiden. Gerade an der vorderen Wand der Blase entwickeln sich verliällnissmässig häufiger

Acote Blaseneolziiadung.

231

grosse Abscesse, die man leicht für die Blase selbst halten kann. Ein solcher Abscess bildet eine rundliche Geschwulst, welche der ausgedehnten Blase dem Sitz und der Grösse nach entspricht, auch ebenso wie diese einen leeren Percussionsschall und dunkle Fluctuation darbietet, deren Druck schmerzhaft empfunden wird und den Drang zur Harnentleerung steigert. Dies Alles spricht flir Ausdehnung der Blase, wie sie namentlich auch in gewissen Formen der Blasenlähmung (s. unten) vorkommt. Eine bestimmte Entscheidung giebt nur der Katheter, obgleich die anamnestischen Verhältnisse, namentlich die Entstehungsgeschichte des Uebels, viel zur Aufklärung beitragen können. Findet man die Blase nur mässig gefüllt, und sinkt die Geschwulst, nachdem der Ilarn entleert ist, gar nicht oder doch nur wenig zusammen, so geht daraus hervor, dass sie mit der Blasenhöhle nicht communicirt. Im weiteren Verlaufe der Krankheit können die in den Blasenwänden gebildeten Abscesse sich in die Höhle der Blase entleeren. Alsdann fühlt sich der Kranke erleichtert. Der Eiter wird durch die Harnröhre entleert; die Absccsshöhle kann vernarben, wenn nicht anderweitige Ursachen zu weiterer Verschwärung bestehen. Häufiger perforiren solche Blasenabscesse nach Aussen, wodurch entweder Infiltration im kleinen Becken mit fast immer letalem Ausgang oder, wenn die Perforation an der hinteren Seite erfolgt, Eitererguss in die Bauchhöhle mit nachfolgender tödtlichcr Peritonitis veranlasst wird. Nur in seltenen Fällen endet der Aufbruch nach Aussen günstig, namentlich wenn eine Incision durch die Bauchdeckcn oder am Damm, je nach der Richtung des Aufbruchs, zu Hülfe kommt. Aber selbst wenn die hintere Wand der Blase durchbrochen wird, ist der Ausgang nicht immer tödtlich, da vorher durch Anlötliung von Darmschlingen oder anderweitige Verwachsungen eine Abkapselung gegen die übrige Peritonealhöhle erfolgt sein kann. Auch kann, während der Abscess nach Aussen aufbricht, die Schleimhaut der Blase Widerstand leisten, so dass also zu dem Eitererguss nicht nothwendig auch jedes Mal Harnerguss hinzuzutreten braucht, durch welchen die Prognose sonst in der früher geschilderten Weise bedeutend verschlimmert werden müsste. Die Beliaudluug muss, wenn die Bildung von Abscessen in der Blasenwand und in deren nächster Umgebung nicht verhindert werden konnte, auf die möglichst frühzeitige Eröffnung derselben ausgehen. Dies ist schwierig, weil die Diagnose selten ganz klar ist. Man muss die verdächtige Geschwulst durch vorsichtige, schichtweise Trennung der bedeckenden Weichthcile blosslegen oder doch so weit gegen sie

Krankheiten der Harnblase.

232

vordringen, dass man ganz deutlich Fluctuation fühlt.

Dann punctirt

man mit einem Probetroicart und dilatirt die Punctionsöffnung wenn das Ausfliessen von Eiter durch den Troicart volle

erst,

Sicherheit

gegeben hat. Die Schnitte werden sowol an der vorderen Bauchwand als am Damm ähnlich wie beim Steinschnitt geführt.

Wölbt sich der

Abscess gegen den Mastdarm oder gegen die Scheide hervor, so bedarf es keiner Einschnitte: man punctirt sogleich mit einem gekrümmten Troicart, —

natürlich

nicht ohne sich vorher durch Erwägung

des

Krankheitsverlaufs und durch Manualuntersuchung überzeugt zu haben, dass

die Geschwulst

kein Mastdarm-

wirklich ein Abscess ist.

oder Scheidenbruch,

sondern

Sollte man statt des vermutheten Blasen-

Abscesses einen Prostata-Abscess punctiren, so würde dies keine üblen Folgen haben. Wenn Blasen-Abscesse bereits nach Aussen aufgebrochen sind, so handelt es sich gewöhnlich um weit verbreitete Eitersenkungen,

zu

deren Heilung abermals nur durch vorsichtige, aber ausgiebige Incisionen etwas beigetragen werden kann.

Gegen diffuse Infiltrationen

mit Eiter und Harn ist in der bei den Harninfiltrationen

(pag. 9 0 )

angegebenen Weise zu verfahren, — aber selten etwas auszurichten.

II. Chronische Magenentzündung.

Blasenkatarrh.

Die chronische Blasenentzündung hat ihren Sitz vorwiegend häufig (obgleich keineswegs immer) in der Schleimhaut der Blase und wird

deshalb auch schlechtweg als B l a s e n k a t a r r h ,

Blasenblennorrhoe

richtiger

als

bezeichnet.

Die a n a t o m i s c h e n V e r ä n d e r u n g e n bleiben, wenn die Krankheit auch von der Schleimhaut ausgegangen ist, doch keineswegs auf diese beschränkt; lockerung,

nur

Schwellung

in und

leichteren

Fällen

Vascularisation

kommt es zur Geschwürsbildung,

findet

man

derselben.

blos

Auf-

Sehr

bald

auch wohl zur eitrigen Infiltration

oder zur Abscessbildung in den Blasenwänden, endlich zur Perforation. Aetiologie.

Blasenkatarrh ist viel häufiger bei Männern als bei

Frauen und namentlich häufig bei alten Männern. Solche Individuen, wie wir sie als besonders geneigt zu chronischen Blennorrhöen der Urethra geschildert haben (pag. 5 1 u. f.), denen man eine besondere katarrhalische Diathese zuschreiben könnte, sind auch für den Blasenkatarrh vorzugsweise prädisponirt.

Von grossem Einfluss ist häufiges

Zurückhalten des Harns, mag es absichtlich oder zufällig geschehen. Daher sind Stubengelehrte,

Bureauarbeiter, leidenschaftliche

Spieler,

die, wenn ihnen auch die Füllung der Blase Anfangs zum Bewusstsein kommt,

doch nicht gern aufstehen,

um diesem Bedürfniss zu

Chronische Blasenentzünilang.

233

genDgen, zu Blasenkatarrhen prädisponirt. In ähnlicher Weise wirken Stricturen der Harnröhre und Schwellungen der Prostata, welche die vollständige Entleerung der Blase erschweren. Vielleicht beruht hierauf allein die grössere Häufigkeit des Blasenkatarrhs bei älteren Männern. Der Katarrh kann nach der anatomischen Continuität sich zur Blase weiter verbreiten, so namentlich von der Urethra und durch derea Vermittelung auch von der Vagina aus; jedoch ist dies selten. Nicht ganz selten ist er die chronische Fortsetzung einer ursprünglich acuten Cystitis (vgl. päg. 226). Bei Weitem die häufigste Ursache des Blasenkatarrhs ist Erkältung und Durchnässung, namentlich, wenn sie andauernd oder oft wiederholt einwirkt. Daher ist der Blasenkatarrh in den feuchten, kalten Küstenstrichen Nord-Deutschlands eine häufige Krankheit, während er in warmen, trockenen Gegenden selten vorkommt. ü e b e r den Zusammenhang zwischen Steinbildung and Katarrh fgl. pag. 1 5 2 u. f.

Symptome. Wenn der Blasenkatarrh aus einer acuten Cystitis mucosa entsteht, so mindert sich allmälig das Fieber und, obgleich von Zeit zu Zeit, oft in regelmässigen Zwischenräumen, noch K o m pilationen und grössere Schmerzhaftigkeit der Blasengegcnd auftreten, so nehmen doch die localen Störungen, namentlich also die veränderte Beschaffenheit des Harns und die Beschwerden bei der Entleerung desselben sehr bald die Aufmerksamkeit des Kranken sowohl, als des Arztes vorzugsweise und weiterhin ausschliesslich in Anspruch. Entsteht der Blasenkatarrh, ohne dass eine acute Cystitis vorhergegangen ist, so beginnt er mit eben diesen Functionsstörungen. Der Harn wird trübe, bald milchig, bald gelbbraun gefärbt, bald auch roth oder doch röthlich von beigemischtem Blute. In heftigeren Fällen riecht er bald ammoniakalisch, kann aber in den ersten Stunden nach der Entleerung doch noch in saure Gährung Ubergehen. Die chemische Reaction ist überhaupt schwankend; jedoch reagirt der Harn desto mehr alkalisch, je älter und je heftiger der Blasenkatarrh ist. Bei längerem Bestehen der Krankheit erscheint der frisch gelassene Harn oft weniger trübe. Jedenfalls bildet der entleerte Harn, wenn man ihn in einem Glase abkühlen lässt, einen beträchtlichen Bodensatz, der vorzugsweise aus Eiter- und Schleimkörperchen (d. h. abgestossenen und zerstörten oder unreifen Epithelialzellen) besteht, ausserdem aber die bekannten Harnsalze, namentlich phosphorsaure Ammoniak-Magnesia, in grosser Menge enthalten' kann. Dieser Bodensatz ist bald mehr, bald weniger zähe, oft in dem Grade gallertig, dass beim Ausgiessen die ganze Masse auf ein Mal herausstürzt. Diese gallertige Beschaffenheit verdankt das Sediment der Einwirkung

Krankheiten der Harnblase.

234

des (aus Zersetzung des Harnstoffs entstehenden) Ammoniaks auf den eiweisshaltigen Eiter. Der Kranke klagt über häufigen Drang zum Harnlassen,

nicht

selten auch zum Stuhlgang; ausserdem hat er unbestimmte Schmerzen im Unterleibe, die nicht selten als Magenkrampf, Kolik oder dergl. bezeichnet werden. Zuweilen vermag er bei dem heftigsten Drange doch nur wenige Tropfen'Harn auszupressen, bis es seinen Bemühungen gelingt,

einen

langgestreckten,

fortgesetzten

cylindrischen

Schleim-

pfropf zu entleeren, worauf dann der Harn im Strahle hervorspringt. Durch Diätfehler, namentlich durch Erkältungen und durch den Genuss spirituöser Getränke werden diu Beschwerden gesteigert.

Verlauf und Prognose.

Sich selbst überlassen, erlischt der Blasen-

katarrh niemals; nur unter dem Einfluss einer anderweitigen heftigen, namentlich

fieberhaften Erkrankung

hat man ihn

gelegentlich

ver-

schwinden sehen. Im weiteren Verlaufe kommen gewöhnlich Exacerbationen vor,

für welche oft gar keine oder doch nur sehr unbe-

deutende Veranlassungen nachzuweisen sind.

Der Blasenkatarrh kann

sich auf solche Weise zur acuten Cystitis steigern, von der Schleimhaut auf die übrigen Schichten der Blase übergreifen und zu tiefen Verschwärungen, interstitiellen Abscessen, sowie zu Pericystitis Veranlassung geben.

Aber auch bei milderem Verlaufe wird die Blasen-

schleimhaut nach und nach, obwohl dicker, doch immer schlaffer; die Muskelbündel der Blase werden verkürzt und gerathen, sammt dem, durch die chronische Entzündung gleichfalls verdickten, submucösen Gewebe in eine Art von Contractur, so dass eine bedeutende Ausdehnung

der Blase

gar

nicht mehr möglich

ist und die schlaffe

Schleimhaut überall, wo die Muskelbündel ihr nicht ein hinreichend dichtes Gitter entgegenstellen, in Gestalt der pag. 2 1 5 beschriebenen Divertikel

ausgebuchtet

wird,

in denen dann der Harn,

scheinbar vollständigster Entleerung der Blase, stagnirt.

auch bei Bei länger

bestehendem Blasenkatarrh findet man auch die Prostata geschwollen, wobei freilich nicht entschieden ist, ob ihre Schwellung nicht dem Blasenkatarrh vorausging.

ßeliaudlnng.

Wo dem Katarrh

ein in

fremder Körper zu Grunde liegt, muss man

der Blase verweilender diesen entfernen;

mit der Operation verknüpfte Reizung der Blasenschleimhaut

die

scheint

für die Beseitigung des Katarrhes von Nutzen zu sein und eine bedenkliche Cystitis niemals zu erregen.

In ähnlicher Weise wird man

die übrigen ätiologischen Verhältnisse zu berücksichtigen haben, also in dem einen Fall die Verengerung der Harnröhre, in dem anderen die Schwellung der Prostata bekämpfen; in den meisten Fällen ist es

235

Chronische Magenentzündung.

von grösster Bedeutung, den Kranken der ferneren Einwirkung der nasskalten Atmosphäre zu entziehen. Kann er den Aufenthaltsort oder doch die Wohnung wechseln, die Morgen- und Abendluft vermeiden und sich hinreichend warm kleiden (namentlich in Wolle), so begünstigt dies wesentlich die Heilung. Die sitzende Lebensart muss aufgegeben, die Ernährung regelmässig geordnet, jeder Excess vermieden und der vollständigen Entfernung des Harns in regelmässigen Intervallen eine besondere Sorgfalt gewidmet werden. Niemals aber darf der Kranke den Harn mit Gewalt hervorpressen; wenn eine Stockung der Entleerung eintritt, so muss er vielmehr durch Veränderungen der Stellung oder Lage den Abfluss zu begünstigen suchen. Gelingt dies nicht, so ist ein möglichst dicker Katheter vorsichtig einzuführen. Denselben in der Blase liegen lassen, ist für den weiteren Verlauf der Krankheit immer schädlich, kann sogar Verschwärung und Perforation bewirken. Unter den eigentlichen Medicamenten sind zum inneren Gebrauch namentlich adstringirende und harzige Stoffe empfohlen worden. Unter ersteren erfreuen sich das K a l k w a s s e r (zu 2 — 3 Pfund auf den Tag, am Besten mit Milch gemischt) und das D e c o c t u m f o l i o r u m u v a e u r s i (60 bis 120 auf 400 Colatur pro die) eines besonderen Rufes. — In hartnäckigeren Fällen werden auch die sogen, b a l s a m i s c h e n M i t t e l angewendet. AU Volksmittel bekannt ist das T e r p e n t h i n ö l , häufig anwandte.

welches auch

Dupuytren

Man giebt dasselbe in Pillen, in S y r u p , in SchütteltrSnken, bis zu

1 5 G r m m . a u f den T a g ; die Landleute nehmen es oft ohne ärztliche Verordnung theelöHelweise.

Manche Kranke aber sind so empfindlich gegen

da9 Mittel, dass

ihnen

schon der Geruch Uebelkeit veranlasst, und es giebt Fälle, in denen die Erscheinungen des Olascnkatarrhs durch seinen Gebrauch sogar gesteigert werden. Mit dem Terpentbin

stimmen in ihrer Wirkungsweise der

andere kostspieligere Substanzen

wesentlich

gefüllten Gallertkapseln sind die bequemste Reihe (vgl. pag. 4 7 ) .

fiberein. Form

Die

mit

Copaiva-Balaam

der Anwendung aller Mittel dieser

Neuerdings werden die M a t i c o - P r ä p a r a t e

Hierher gehört auch das T h e e r w a s s e r , den gewöbAlicben Theer längere Zeit

und

Copaiva-Balsam

welches man

mit Wasser schüttelt

zur abermaligen Abscheidung des Tbeers stehen lasst.

sehr gerühmt.

gewinnt,

indem

man

u n d r ü h r t und dann bis

Es ist wenig wirksam.

Um direct auf die kranke Schleimhaut einzuwirken, bedient man sich endlich auch der E i n s p r i t z u n g e n in d i e B l a s e . C h o p a r t h a t zuerst Einspritzungen zur Heilung des Blasenkatarrbs empfohlen. Er will mit einem Gerstendecoct beginnen, hat aber auch Einspritzungen von G o n l a r d ' schen Wasser mit gutem Erfolge angewandt. als S o n c h i e r (Gazette des hftpitaux v. 2 2 . Blase

bei Blasenkatarrh

a u f s Neue empfahl.

Diese Versuche waren Novembr. 1 8 3 6 ) Er begann

mit

Gerstenabkochnng mit etwas Honig, um die Blase auszuspülen

ganz vergessen,

Einspritzungen

in

die

Injection

von

u n d namentlich

deo

einer

236

Krankheiten der Harnblase.

Schleim zu entfernen.

Wenn

dies gelungen

gleichen Theilen (etwa 6 0 Grmoi.)

w a r , so spritzte

längere Zeit in d e r Blase verweilen und wiederholte diese hintereinander.

er

ein

Gemenge

von

Copaiva-Balsam und Gerstendecoct ein, liess dies, Einspritzung

mehrere Tage

In mehreren Fallen gelang auf diese Weise die Beseitigung des Blasen-

katarrhs überraschend schnell.

Auch D e v e r g i e

hat erfolgreiche Versuche mit den-

selben Injectionen gemacht (Gazette medicale 1 8 3 6 ) . Einspritzungen, selbst wenn der Balsam

sehr verdünnt

Dagegen erklärt C i v i a l e diese wird,

für

höchst gefährlich.

Unzweifelhaft wirkt der Balsam heftig erregend auf die Blasenschleimhaut, und gerade dadurch kann er nützlich werden.

Man muss sich aber h ü t e n , ihn zu einer Zeit a n -

zuwenden, wo die Blasenschleimhaut noch einen hohen Grad sitzt.

von Empfindlichkeit be-

Somit wird man Versuche damit immer erst machen d ü r f e n , wenn der Katarrh

bereits seit längerer Zeit besteht und durch anderweitige Injectionen erwiesen ist, dass die Blase solche Erregungen zu ertragen vermag. Balsams die Schmerzen und Beschwerden des

Werden

Kranken

steigert, so muss man von der Wiederholung durchaus in demselben Grade auch von anderen Mitteln. wirken die Einspritzungen

von Theerwasser

der Blase

verweilen.

Sanson

wandte

Einspritzungen

des

abstehen.

Dies gilt freilich

In ähnlicher Weise, jedoch schwächer,

(t auf 2

solche Einspritzungen zwei Mal täglich machen

durch

bedeutend und andauernd ge-

Wasser).

und jedes Mal

gleichfalls Injectionen

Dupuytren

liess

eine Viertelstande

in

von Theerwaiser

an,

denen er Opiumtinctur zusetzte.

Eine grössere Anwendung haben die Injectionen von adstringirenden oder selbst oberflächlich kauterisirenden Metallsalzen gefunden. Namentlich handelt es sich, wie bei den Blennorrhöen der Urethra, um das schwefelsaure Zink und das salpetersaure Silber. Es liegen jetzt genug Erfahrungen vor, um bestimmt annehmen zu können, dass solche Einspritzungen, mit der gehörigen Sorgfalt gemacht, gegen den Blasenkatarrh sich stets nützlich erweisen, ohne besondere Gefahren mit sich zu bringen. Man muss dafür Sorge tragen, dass keine Luft in die Blase gelangt, ferner keine zu grosse Quantität (je nach der Capacität der Blase, 60—180 Gramm) einspritzen, die Flüssigkeit nicht länger verweilen lassen, als der Kranke sie ohne Schmerz erträgt und endlich immer nur v e r d ü n n t e Lösungen anwenden (auf 100 Wasser 1 — 2 schwefelsaures oder sulfo-carbolsaures Zink oder 0,25 Höllenstein). Wollte man s t ä r k e r e Höllenstein-Lösungen anwenden, so müsste man den Katheter, durch welchen man die Einspritzung macht, in der Blase l a s s e n , um gleich darauf eine hinreichende Menge Wasser einzuspritzen und die Blase wieder auszuspülen.

Auch Einspritzungen von reinem Wasser sind, wenn sie häufig genug wiederholt werben, ein wirksames Mittel. Clo q u e t wandte sie in Form von dauernden Irrigationen mit Hülfe seines doppelläufigen Katheters an. K a l t e s Wasser in dieser Art anzuwenden, hat erst C i v i a l e gewagt. Er schreibt diesen kalten Irrigationen vorzüglich in solchen Fällen, wo die Blase, in Folge lange dauernden Katarrhes, einen Theil ihrer Contractilität eingebüsst hat, eine grosse Wirksamkeit zu. In keinem Falle hat er üble Zufälle danach beobachtet,

Blasenlisteln.

237

Nach C i v i a l e kommen auch l o c a l c K a t a r r h e der Blase vor, die namentlich auf die Gegend des Blasenhalses beschränkt bleiben'). Gegen solche richtet man, nach seinen Erfahrungen, durch Einspritzungen nichts aus. Man soll vielmehr auf den Blascnhals den Höllenstein in Substanz einwirken lassen, mit Hülfe eines Aetzniittelträgers, wie er für die Kauterisation der Harnröhre nach L a l l e r n a n d und R i c o r d beschrieben wurde. Derselbe muss nur etwas grösser und so eingerichtet sein, dass man den Höllenstein durch eine leichte Drehung auf den ganzen Umfang des Blasenhalses anwenden kann. Nach der Kauterisation werden Einspritzungen von Wasser gemacht, um den Ueberschuss des gelösten Aetzmiltcls auszuspülen.

Seelistea

Capltrl.

Blasenfisteln. Hier wie bei den Darmfisteln zeigt sich die Unterscheidung der canalförmigen und der lochförmigen (lippenförmigen, nach R o s e r ) Fisteln als sehr wesentlich *). Je nach dem Organ, in welchem, oder der Stelle, an welcher die Fistel sich öffnet, unterscheidet man: Fistula vesico-rectalis, vesico-vaginalis, vesico-intestinalis, vesico-umbilicalis, vesico-hypogastrica, vcsico-perinealis. Alle Blas,enfisteln haben mit einander gemein, dass der Ilarn ununterbrochen tröpfelnd durch sie abfliesst, ohne dass der Wille des Kranken einen wesentlichen Einfluss darauf hätte. Bei heftigen Bewegungen, namentlich bei plötzlicher Spannung der Bauchpresse, läuft allerdings zuweilen eine grössere Menge auf ein Mal a u s , indem die Blase mechanisch comprimirt wird, niemals aber vermag der Kranke den Harn willkürlich zurückzuhalten. Hierin ist die Unterscheidung von den Urcthralfistcln begründet, bei denen nur ausnahmsweise Harnträufeln vorkommt (vgl. pag. 91). Unter den einzelnen Arten der Blascnfisteln kommt die F i s t u l a v e s i c o - u m b i l i c a l i s fast nur als ursprünglicher Bildungsfehler vor, ') Die Diagnose solcher localen Katarrhe wird sich freilich erst im Laufe der Behandlung, namentlich aus der Unwirksamkeit der übrigen Mittel ergeben. Bei vorwiegendem Leiden des Blasenhalses wird allerdings auch der Tenesmus ad matulam besonders stark entwickelt sein. 2 ) Gerade in Betreff der Blasenfisteln ist diese Unterscheidung schon früher aufgestellt und festgehalten worden. Vi d a l sagt ausdrücklich: »Es giebt Blasenfisteln, die streng genommen gar keine Fisteln sind, wenn man an der Etymologie festhalten will; denn es sind einfache Löcher ohne Fistelgang u. s. f."

238

Krankheiten der Harnblase.

gewöhnlich mit gleichzeitiger Atresie der Harnröhre (vgl. pag. 98). Jedoch giebt es auch einige Beispiele von Entwicklung solcher Fisteln nach der Geburt, sogar bei älteren Leuten. Von Heilung solcher Fisteln könnte immer nur die Rede sein, wenn die Harnröhre durchgängig wäre oder durchgängig'gemacht werden könnte. Dann würde voraussichtlich durch Kauterisation und Schnürnaht, ähnlich wie bei Darmfisteln, ein günstiger Erfolg zu erzielen sein. In dem Jahrgang 1 7 6 9 der Memoire« de l'Acade'mie des sciences findet sich folgender seltener Fall.

Ein 9 2 J a h r alter Wundarzt wurde von heftigen Schmerzen in

der Eichel und am Blasenhalse befallen, die

nach

bemerkte aber der K r a n k e , dass er weniger Harn Baurli nass wurde.

einigen Tagen a u f h ö r t e n ; zugleich entleere als s o n s t ,

und

dass sein

Bei der Untersuchung fand m a n , dass eine helle Flüssigkeit, die

sich weiterhin als Urin erwies, durch den Nabel abfloss.

Die Menge des auf diesem

Wege entleerten Harns vermehrte sich ?on Tag zu T a g , während durch die Harnröhre immer weniger und nach Verlauf ron 14 Tagen gar nichts m e h r entleert wurde. Mann lebte noch 6 Monate und man

Der

glaubte seinen Tod mehr seinem hoben Alter,

als der Fístula vesico-umbilicalis zuschreiben zu müssen.

Die F i s t u l a e v e s i c o - h y p o g a s t r i c a und v e s i c o - i n g u i n a l i s hängen selten von einer Verwundung der Blase in dieser Gegend (z. B. Punctio vesicae), häufiger noch vom Aufbruch eines Abscesses, namentlich nach Quetschung der vorderen Bauchwand ab. Unabsichtliche Eröffnung der Blase mit nachträglicher Fistelbildung ist am Häufigsten vorgekommen, wenn die Blase in einer Hernie lag '). In Betreff der Behandlung solcher Fisteln gilt dasselbe wie für die F í stula vesico-umbilicalis. Die F í s t u l a r e c t o - v e s i c a l i s kommt nur beim Manne vor, last immer am Blasengrunde, nahe dem Halse. Veranlassung dazu können geben: ein fremder Körper oder ein Stein, der im Blasengrunde festsitzt, ein Abscess zwischen Blase und Mastdarm, gleichzeitige Verletzung des Mastdarms und der Blase (beim Steinschnitt), eine destruirende Neubildung, namentlich Mastdarmkrebs. . Man erkennt die Mastdarm-Blasenfistel an dem Abfluss von Harn aus dem After und an dem Eintritt von Darmgas und flüssigen Fäcalmassen in die Blase, aus welcher beide dann auch mit dem Harn durch die Urethra entleert werden können. Die Blase kann durch das eintretende Darmgas zu einer grossen, schmerzhaften Geschwulst mit tympanitischem Percussionsschall ausgedehnt werden. Der mit Excrementen gemischte Harn zersetzt sich schnell. Nur selten vermag der Sphincter ani den Harn zeitweise zurückzuhalten. Gewöhnlich ist die Haut in der Umgebung des Afters in Folge der andauernden Durchnässung mit Harn ' ) S. V e r d i e r , Memoire» de l'Académie de C h i r u r g i e , t. IV. pag. 19 u . 2 2 . — Vgl. auch Bd. III. pag. 9 4 5 u. flg.

239

Blasenfisteln.

geschwürig oder doch entzündet. Sitz und Grösse der Fistelöffnung können zuweilen mittelst des in den Mastdarm eingeführten Fingers erkannt werden. Wo dies nicht gelingt, bedient man sich des Mastdarmspiegels und spritzt, um die Fistelöffnung deutlicher sichtbar zu m a c h e n , eine gefärbte Flüssigkeit durch die Harnröhre in die Blase. — Die B e h a n d l u n g kann nur in der Anfrjschung und Heftung der Fistelränder oder in der Kauterisation bestehen. Letztere ist nur bei sehr kleinen Fisteln wirksam. Erstere muss in derselben Weise ausgeführt werden, wie bei einer Blasenscheidenfistel. Anfrischung und Heftung geschehen vom Mastdarm a u s , der zu diesem Behuf durch stumpfe Haken erweitert werden muss. Die Blasenscheidenfistel, Fistula vesico-vaginalis, kommt unter allen Blasenfisteln am Häufigsten vor. Wir werden von ihr, sowie von der sich an sie anschliessenden Fistula vesico-uterina und ihren Complicationen, bei den Krankheiten der Vagina handeln, da sowohl ihre Entstehungsgeschichte, als ihre Behandlung in den localen Verhältnissen dieses Organes begründet sind. Vgl. Abth. XXIX.

S i e b e n t e «

Vapltel.

Neurosen der Harnblase'). Auf die N e u r a l g i e n und den k r a m p f h a f t e n V e r s c h l u s s d e s B l a s e n h a l s e s haben wir bereits wiederholt Rücksicht nehmen müssen. K r a m p f h a f t e Z u s a m m e n z i c h u n g e n der ganzen Blase bilden vorzugsweise bei solchcn Individuen, die an Stricturen, an Schwellungen der Prostata oder an Blascnsteinen leiden, ein höchst beschwerliches Leiden. In solchen Fällen bildet aber die g e s t e i g e r t e R e i z b a r k e i t d e r H a r n b l a s e * ) nur einen Theil der Krankheit, deren Grund in mechanischen Störungen der Harnentleerung zu suchen ist. Eine besondere Berücksichtigung erheischt dagegen die ' ) Vgl. die Lehrbücher der inneren Medicin. ' ) Die Engländer führen „ H e i l b a r k e i t

der

Blase,

Irritable

b l a d d e r " als

eine besondere Krankheit auf und subsumiren darunter auch den B l a s e n k a t a r r b . So z. B. E r i c b s e n (Prakt. Handb., übers. ». T h a m b a y n , pag. 6 5 4 a. f.), welcher

als Ursacheo der

„Reizbarkeit

Berlin 1 8 6 4 , Bd. II.

der Blase"

krankhafte

Zustände des Harns, Gicht, Nierenkrankheiten, chronische Entzündung d e r Blaseos c h l e i m h a u t , Steine,

Entzündung und

anderweitige Erkrankungen

der

Prostata,

endlich verschiedene Erkrankungen benachbarter Organe a u f f ü h r t , woraus deutlich hervorgeht, dass es sich um eine rein symptomatische Auffassung handelt.

240

Krankheiten der Harnblase.

L ä h m u n g d e r B l a s e , P a r a l y s i s vesicae, E n u r e s i s . Die B l a s e n l ä h m u n g zeigt, je nach den ergriffenen Muskelgruppen, Verschiedenheiten; leidet blos der Detrusor, so erfolgt Harnverhaltung (Ischuria paralytica), die erst, nachdem die Blase bis zum höchsten Grade ausgedehnt ist, sich mit Harnträufeln (Enuresis paralytica) verbindet. Ist der Sphincter gelähmt (was jedoch wohl nur h ö c h s t s e l t e n für sich vorkommt), so besteht von Anfang an Harnträufeln. Mit dem unwillkürlichen Abfliessen des Harns wegen Lähmung des Sphincter darf der bei Kindern beiderlei Geschlechts häufig vorkommende, lästige Zustand n ä c h t l i c h e r I n c o n t i n e n z (Beltpissen, E n u r e s i s n o c t u r n a ) nicht zusammengeworfen werden. Dabei scheint es sich vielmehr um eine zu geringe Capacität der Blase zu handeln; denn mit zunehmendem Alter und fortgesetzter Uebung (durch möglichst langes Zurückhalten des Harns bei Tage) verschwindet dies Uebel, — freilich zuweilen erst in den Jahren der Pubertät. Die gegen dasselbe empfohlenen Mittel gehen theils darauf aus, die Reizbarkeit der Blase (vielleicht auch die Thätigkeit des Detrusor) zu vermindern (so namentlich die noch neuerdings von T r o u s s e a u empfohlene Belladonna), theils aber die reizenden Eigenschaften des Harns zu erhöhen (namentlich C u b e b e n ) , theils endlich sollen sie Uberhaupt roborirend wirken (Eisenpräparate, kalte Bäder). Mir hat sich bei der Behandlung dieses Uebels in einer grossen Anzahl von Fällen nur die G e w ö h n u n g an m ö g l i c h s t l a n g e s Z u r ü c k h a l t e n d e s H a r n s b e i T a g e als wirksam bewährt. Dabei scheint die Belladonna als Adjuvans nützlich zu sein. B o i s (Gaz. m£d. de Paris, 1 8 6 3 , Oecbr.) empfiehlt bei E n u r e s i s

nocturna

bypodermatisebe Einspritzungen von Strychnin.

Der Grund einer B l a s e n l ä h m u n g kann einer Seits in Erkrankung oder Verletzung der Centraiorgane, anderer Seits in der Beschaffenheit der Blase selbst liegen. Danach haben wir eine symptomatische und eine selbstständigc Lähmung der Blase zu unterscheiden. Die symptomatische Blaseuläbmnug ist am Häufigsten von Verletzungen des Gehirns oder Rückenmarks abhängig. Nicht jede, wenn auch bedeutende, Verletzung des Rückenmarks hat BlasenlJhmung zur Folge, und anderer Seits können unbedeutend erscheinende Erschütterungen, wenigstens vorübergehend, eine solche Lähmung nach sich ziehen, wenn gerade derjenige Theil des Centralorgans, von welchem die Blasennerven entspringen, von der Erschütterung getroffen wurde. Ausser den Verletzungen der Centraiorgane des Nervensystems können aber auch alle diejenigen Krankheiten, welche eine

241

Lähmung der Blase.

allgemeine Verminderung der Empfindlichkeit (Stupor, Coma) mit sich führen, namentlich also die typhösen Fieber, Urämie, Eiterinfection u. s. f. Blasenlähmung zur Folge haben.

In allen diesen Fällen handelt es

sich wahrscheinlich vorzugsweise um Verminderung oder Aufhebung der Empfindlichkeit der. Blasenschlcimhaut. dass die Blase voll ist und unterlassen

Die Kranken fühlen nicht, daher auch,

Zusammenzie-

hungen derselben willkürlich zu erregen. Die Entleerung muss daher mit dem Katheter ausgeführt werden, sobald man die Füllung Blase durch Percussion erkennt.

der

Der in der Blase stagnirende Harn

zersetzt sich sonst und bedingt Cystitis. Selbstslfuidigc Lähmung der B l a s e ist unzweifelhaft viel häufiger angenommen worden, als sie wirklich besteht. dass Blasenlähmung Alters sei.

eine der häufigsten

So lehrt noch B o y e r ,

Krankheiten

des

höheren

Anderer Seits sucht M e r c i e r 1 ) j e d e Blasenlähmung auf

ein mechanisches Ilinderniss, namentlich auf Hypertrophie der Prostata, zurückzuführen.

Lähmung der Blase könnte, nach M e r c i e r , niemals

Harnverhaltung bedingen, treffen

müsste,

wie

da sie den Sphincter vesicae ebenso gut

den Detrusor;

die irrthümliche Annahme

der

Blasenlähmung beruht, nach ihm, darauf, dass man bei der Einführung eines dicken Katheters kein Ilinderniss findet und auf diese Weise ohne Schwierigkeit den Harn entleert, Der Katheter wirkt in solchen Fällen, indem er die in ihrer Pars prostatica verkrümmte Harnröhre gerade richtct (vgl. pag. 1 3 2 ) . Detrusor

urinae

Dass aber bei solchen Kranken der

keineswegs gelähmt sei,

ergiebt sich aus der Be-

obachtung, dass neben dem Katheter, durch welchen die Richtung der Harnröhre vorübergehend wiederhergestellt wird, gleichfalls Harn ausflicsst.

Dies wäre ohne Thätigkeit der Blasenmuskeln ganz

un-

möglich. Zu Gunsten der M e r c i e r ' s c h c n Ansicht spricht ferner, dass man bei Frauen höchst selten Blasenlähmungen findet, während sie bei Männern häufig sein sollen, was M e r c i e r erklärt, dass Frauen

keine Prostata haben.

sehr einfach -daraus

Offenbar geht M e r c i e r

aber zu weit, wenn er deshalb, weil viele Fälle von Hypertrophie der Prostata früher mit Unrecht als Blascnlähmungen betrachtet worden sind, die Existenz dieser letzteren überhaupt leugnet.

Ein sehr we-

sentlicher Unterschied, der von ihm gänzlich übersehen ist, darin,

dass

man

bei Blasenlähmung

mit Kathetern

von

beruht

beliebiger

Krümmung ungemein leicht in die Blase gelangt, während ProstataGeschwülste namentlich einem dünneren, gewöhnlichen Katheter stets Hindernisse in den Weg stellen. ' ) Recherches anatoraiques etc., pag. B a r d e l e b e n , Chirurgie. S.Aull. IV.

Ci v i a l e macht ausserdem aufmerksam 115.

16

242

Krankheiten der Harnblase.

auf den leicht zu erkennenden Unterschied in der Stärke des Strahls, mit welcher der Harn durch den eingeführten Katheter ausgetrieben wird. Bei Blasenlähmung erfolgt die Entleerung nur Anfangs im Strahle, demnächst aber läuft der Harn ganz allmälig ab; nur indem man den Kranken die Bauchpresse anwenden lässt oder mit der Hand einen Druck auf die Blasengegend ausübt, gelingt es vorübergehend, die Entleerung im Strahle zu bewirken. War dagegen die Blasenlähmung nur scheinbar und der eigentliche Grund der Harnverhaltung ein mechanischer, so erfolgt die Entleerung durch den Katheter mit vollkommen kräftigem Strahle. Im Uebrigen bietet die Symptomatologie der Blasenlähmung allerdings manche Uebereinstimmung mit anderen Arten der Harnverhaltung dar, namentlich mit den durch Stricturen oder durch Hypertrophie der Prostata bedingten. Das Leiden entsteht in der Regel allmälig. Empfindlichkeit und Contractilität der Blase werden so vermindert, dass der Kranke erst bei vollständiger Füllung das Bedürfniss zum Uriniren empfindet und dann nicht mit der früheren Schnelligkeit und Energie, bald sogar nur mit Anstrengung und namentlich mit Hülfe der Bauchpresse die Blase zu entleeren vermag. Vorher bedarf der Patient oft einer gewissen Ueberlegung, einer längeren Willensintention, bevor Uberhaupt ein Tropfen erscheint, der Strahl reicht auch bei grösster Anstrengung nicht so weit als früher, und oft iiiesst der Harn dem Patienten auf die Fflsse. Endlich ist auch der Abschluss der Entleerung kein recht bestimmter; der Patient glaubt bereits fertig zu sein, wenn doch noch eine gewisse Menge, die in der Urethra zurückgeblieben war, nachträglich ohne alles Zuthun einer willkürlichen Bewegung ausfliesst. Allmälig werden die auf ein Mal entleerten Quantitäten immer geringer und dem entsprechend kehrt das Bedürfniss zur Entleerung desto häufiger wieder. Der Patient glaubt die Blase vollständig entleert zu haben, während durch Palpation und Percussion noch Füllung derselben nachgewiesen wird. Bald bildet die Blase sogar eine durch das blosse Auflegen der Hand leicht zu erkennende ovale Geschwulst; endlich aher verliert sie ihre Contractilität gänzlich. Eine solche Blase kann mehrere Schoppen Harn enthalten, ohne dass sie eine circumscripte Geschwulst darstellt, weil ihre Wände schlaff und weich sind. Man fühlt dann in der Regio hypogastrica eine fluetuirende Geschwulst, die man bei ungenauer Untersuchung für Ascites halten könnte. Während bis dahin immer noch ein Theil des Harns ausgepresst wurde, ein anderer aber in der Blase zurückblieb und dort längere Zeit stagnirte, tritt nun vollständige Harnverhaltung ein. Jetzt

243

Lähmung der Blase.

wird die Blase auch schmerzhaft. Gewöhnlich beginnt aber der Harn nach einigen Tagen von selbst wieder abzufliessen, Anfangs nur tropfenweise, später auch in grösserer Menge, zuweilen in dem Grade, dass die von der Blase gebildete Geschwulst über der Schossfuge wieder verschwindet, meist jedoch nur in dem Maasse, als in Folge des Genusses von Flüssigkeiten mehr Harn durch die Ureteren zuströmt. Stellt sich auf diesem Stadium bei gleichzeitiger Lähmung des Sphincter Harnträufeln ein, so kann die neben der Incontinenz bestehende Retention (Ischuria paradoxa) bei ungenauer Untersuchung Ubersehen werden. Die Einführung des Katheters klärt den Irrthum sofort auf, der freilich durch Untersuchung des Unterleibes, namentlich mittelst der Percussion, hätte vermieden werden können. Aach andere Irrthümer lind vorgekommen. Co H o t erzählt, dass man (tu Anfang de« vorigen Jahrhand.) die ausgedehnte Harnblase oft für einen Abscess gehalten habe, und dass manchem Kranken durch Aufklärung dieses Irrthums von ihm das Leben gerettet norden sei. — S a b a t i e r wurde von einer Frau zn Rathe gezogen, die man in ein Bad schicken wollte, um eine harte Geschwulst, die nach einer schweren Entbindung zurückgeblieben war, zur Zertheilung zu bringen; diese Geschwulst war aber nur die ausgedehnte Blase und wurde daher durch den Katheter sofort beseitigt. Daran hatte man nicht gedacht, weil während der ganzen Zeit des Bestehens der Geschwulst eine gleiche Menge Harn wie in gesunden Tagen unwillkürlich abgeflossen war. — In einem Ton M o r e l in Upsala beobachteten Falle, den B o j e r erzahlt, wollte man wegen der vermeintlichen . Bauchwassersucht * znr Punclion schreiten, als die Kranke darauf aufmerksam machte, dass sie seit drei Tagen keinen Harn gelassen habe. Durch den Katheter wurden 18 Pfund Urift entleert, Tags darauf wieder 1 2 ; dann machte man kalte Umschläge, und schon durch diese wurde die ContractilitSt der Blase in solchem Grade wieder hergestellt, dass die Patientin, nachdem abermals 3 Pfund Harn durch den Katheter entleert waren, noch 3 — 4 Pfund, freilich mit Beihülfe von einigem Druck auf die Blasengegend, ohne den Katheter zu entleeren vermochte. Das Oedem der unteren Extremitäten, welches sich in Folge des durch die ausgedehnte Blase bedingten Druckes entwickelt hatte, verschwand, und die Heilung soll von Bestand gewesen sein.

Sehr zu bedauern ist, dass gerade die auf Blasenlähmung bei Frauen bezüglichen Beobachtungen, abgesehen von der durch Quetschung des Blasenhalses bei schweren Entbindungen häufig bedingten Incontinenz, nicht vollständiger und genauer sind. Der Einwand, dass die scheinbare Paralyse nichts weiter als eine durch Schwellung der Prostata bedingte Harnverhaltung gewesen sei, würde hier ganz fortfallen. M e r c i e r hat auch bereits daran gedacht; er leitet die sogenannte Blasenlähmung bei Frauen von Dislocationen des Uterus ab. Die Prognose einer selbstständigen Blasenlähmung ist in Betreff der Heilbarkeit des Uebels niemals ganz günstig, in Betreff der unmittelbaren Gefahr aber bei Weitem nicht so traurig, als bei den, früher mit ihr verwechselten Prostata-Geschwülsten, Dies beruht haupt-

16*

244

Krankheiten der Harnblase.

sächlich darauf, dass bei Blasenlähmungen doch immer noch etwas Harn abfliessen kann, während es sich bei Prostata-Geschwülsten oft um eine plötzliche und vollständige Harnverhaltung handelt. Bebaiidluug. Zunächst muss immer für Entleerung der Blase durch den Katheter gesorgt werden, dessen Einführung niemals schwierig i s t Wurde die Blasenlähmung blos durch einmalige übermässige Ausdehnung, der Blase bei absichtlichem, durch äussere Umstände gebotenem, langem Zurückhalten des Harns veranlasst, so kann die Entleerung mittelst des Katheters und die Vermeidung einer stärkeren Füllung der Blase während der nächsten Zeit auch ohne anderweitige Mittel zu einer schnellen und dauernden Heilung führen. Freilich ist es die Frage, ob man den auf solche Weise geheilten Zustand überhaupt Lähmung nennen soll. Nächst der Entleerung der Blase, welche, so lange die Lähmung dauert, entweder durch einen dauernd eingelegten Katheter oder (wenn dieser nachtheilig auf die Blase wirkt) durch möglichst häufig wiederholte Einführung des Katheters zu bewirken ist, nimmt die Anwendung der Kälte den ersten Platz ein. Kalte Umschläge, kalte Douche auf den Unterleib, kalte Einspritzungen, die durch einen doppelläufigen Katheter in kräftigem Strahle gemacht werden müssen, haben sich oft wirksam erwiesen. Demnächst ist auf die Anwendung inducirter galvanischer Ströme Gewicht zu legen; jedoch bat die Erfahrung über die zweckmässigste Art ihrer Anwendung noch nicht entschieden. Auch Vesicantien (oberhalb der Schoossfuge, am Damm uhd a u f s Kreuz gelegt) werden empfohlen. Von inneren Heilmitteln ist keins völlig bewährt. Canthariden und Nux vomica dürften zu versuchen sein. P i t h a (I. c. pag. 1 7 8 ) empfiehlt, um die Blasenmuskefa znr Zusammenziehung anzureizen, sobald dem dringendsten Bedürfnisse der Ausleerung

der

Blase

Geniige

geschehen i s t , nicht m e h r den Katheter, sondern blos weiche Bougies langsam bis in den Blasenhals einzurühren und daselbst einige Minuten

verweilen zu lassen,

Kranke einen Drang zum Barnen empfindet, worauf d a n n ,

bis d e r

nach schneller E n t f e r n u n g

d e r Bougie, oft eine spontane Entleerung der Blase erfolge.

Gelingt es nicht, die Blasenlähmung wenigstens so weit zu heilen, dass der Patient Stunden lang den Harn zurückhalten kann, so muss man durch den Gebrauch von H a r n r e c i p i e n t e n ihm eine palliative Hülfe verschaffen. Solche werden am Besten aus vulcanisirtem Kautschuk verfertigt, nehmeu mit ihrem oberen Ende den Penis auf und leiten durch einen Schlauch den Harn in einen am Ober- und Unterschenkel (im Stiefel) zu befestigenden Behälter, den man Nachts (oder bei andauerndem Krankenlager) neben dem Bett auf den Fussboden stellt. Auch die vollkommensten Apparate der Art sind aber doch recht lästig und bedürfen häufiger Reinigung und Reparatur. Noch

Lähmung der Blase.

245

viel peinlicher aber ist die früher mit mancherlei Apparaten versuchte C o m p r e s s i o n des Penis. An die Paralyse der Blase schliesst sich die d a u e r n d e E r w e i t e r u n g derselben innig an. Erweitert ist die gelähmte Blase immer; aber eine erweiterte Blase braucht nicht immer gelähmt zu sein. Mit der Erweiterung zugleich hat in manchcn Fällen Verdickung, in anderen Verdünnung der Blasenwände (Atrophie, nach Ci vi aie) stattgefunden. Letztere ist oft scheinbar, indem die Blasenwand doch noch immer eine grössere Dicke besitzt, als man erwarten mUsste, wenn die Erweiterung blos durch Dehnung der bestehenden Blasenwände erfolgt wäre. Man kann daher die Mehrzahl dieser Fälle auch als e x c e n t r i s c h e H y p e r t r o p h i e d e r B l a s e bezeichnen. Das grossartigsle Beispiel der Art findet sieb bei C b o p a r t , Traité des maladies des voies urioaires, t. I. pag. 259.

Der Kranke hatte so vrenig Beschwerden, dass

er noeb wenige Stunden vor seinem Tode ausgeben wollte.

Die Erweiterung der Blase setzt immer ein Hinderniss bei der Harnentleerung voraus. Am Häufigsten scheint sie durch die längere Anwesenheit eines Steines bedingt zu werden. Anfangs hat der SteinKranke häufig das Bedürfniss, die Blase zu entleeren, wobei die letzten Tropfen gewöhnlich nur mit grosser Gewalt hervorgepresst werden. Plötzlich ändert sich der Zustand: das BedUrfniss zur Entleerung tritt selten, dann aber mit einem besonderen Angstgefühle auf; die Entleerung erfolgt ohne Schmerz, aber der entleerte Harn ist trübe und übelriechend. Ci vi a i e , der diesen Verhältnissen besondere Aufmerksamkeit gewidmet hat, glaubt, dass sich die Veränderungen, welche die Blase bei ihrer Erweiterung erleidet, nicht anatomisch,nachweisen lassen. Nach seiner Ansicht liegt der nächste Grund der Erweiterung bald in einer übermässigen, krampfhaften Zusammenziehung des Sphincter, durch welche die Entleerung der Blase dauernd gehindert wird, bald in einer entzündlichen Affection der Muskelhaut, durch welche diese unfähig wird, sich zusammenzuziehen. Das letztere hält er für häufiger 1 ). Wahrscheinlich ist dies sogar die einzig mögliche Entstehungsweise der permanenten Erweiterung, die sich eben deshalb völlig an die idiopathische Blasenlähmung anschliesst. >) Vgl. C i t i a l e , Traité de l'affection calculeuse, pag. 2 7 1 .

Vieriindzwaiizigste Abthellung. Krankheiten der Nieren und Harnleiter. A n a I o m i e. Die N i e r e n

liegen zu beiden Seilen d e r Wirbelsäule in d e r

l e t z t e n R ü c k e n - a n d d e r beiden e r s t e n L e n d e n w i r b e l ; h i n a u f u n d ü b e r r a g e n n a c h Unten a m Rippe.

5—8

Ctm.

sie ragen den

u n t e r e n Rand

Die l i n k e Niere liegt 2 Ctm. h ö h e r , als die r e c h t e ;

w i r d von H i n t e n d u r c h die

beiden

letzten

Rippen

Nähe

der

beiden

bis zur elften Rippe der

zwölften

zwei Drittel i h r e r L a n g e

verdeckt.

Von

einer

bedeutenden

S c h i c h t F e t t g e w e b e u m h ü l l t , liegen sie vollständig a u s s e r h a l b , d. h . h i n t e r d e m B a u c h f e l l , o d e r , w e n n m a n m i t A r n o l d die zwischen Niere

und

M. q u a d r a t . l u m b o r .

legene Fascia transversaiis als „ f i b r ö s e s Blatt des Bauchfells", das eigentliche fell a b e r als d e s s e n Bauchfells.

.seröses Blatt"

I h r e h i n t e r e Fläche ist

Schenkeln z u g e w a n d t .

Weiter

bezeichnet, dem

gegen

zwischen

die Mittellinie

des

rechten

Seite das

beiden

Colon

und

Körpers

a u c h n o c h von den Q u e r f o r t s ä l z e n d e r Wirbel gedeckt. f i n d e t sich auf d e r

den

Quadratus l u m b o r u o

ge-

Bauch-

Blättern de»

den Zwerchfell-

wird

diese

Fläche

Vor der vorderen Fläche b e -

ascendens,

auf

d e r linken

das

Colon

d e 9 c e n d e n s ; ü b e r d i e s legt sich an die Niere auf d e r rechten Seite die Pars descendens d u o d e n i u n d die L e b e r a n ,

auf d e r linken

j e d e r Niere sitzt die Nebenniere. entspringt mit der,

Seite

die Milz.

Auf

dem

oberes

Ende

Vom i n n e r e n , etwas ausgehöhlten Rande d e r N i e r e

als N i e r e n b e c k e n

bekannten

Erweiterung

der

Harnleiter,

U r e t e r , w e l c h e r , etwa 4 Millim. dick u n d 3 0 Ctm. l a n g , schräg a b w ä r t s und n a c h Innen

v e r l ä u f t , den

Psoas,

die Vasa

spermatica

und

die

Arteria

und

Vena

iliaca

c o m m u n i s k r e u z t u n d in d e r Gegend der Symphysis s a c r o - i l i a c a in das kleine Becken e i n t r i t t , d o r t z u r S e i t e d e r Blase a b w ä r t s s t e i g t , ü b e r u n d vor i h m liegende Vas d e f e r e n s k r e u z t

mit einer u n d in

W e n d u n g nach

s c h r ä g e r Richtung

Vorn d a s die W a n d

d e r Blase d u r c h b o h r t , auf d e r e n S c h l e i m b a u t e r sich in Gestalt einer schrägen S p a l t e öffnet.

Diese E i n r i c h t u n g m a c h t

das Zurücktreten

In die U r e t e r e n u n m ö g l i c h , s o f e r n sie nicht d u r c h w i r k s a m g e m a c h t wird.

von

Flüssigkeiten

grosse Ausdehnung

und namentlich

der

Blase

d e r Blase u n -

S o wie die Nieren d u r c h ihre C a p s u l a a d i p o s a , sind a u c h

d i e H a r n l e i t e r d u r c h r e i c h l i c h e s , loses F e t t - o d e r Bindegewebe Theilen

aus

mit

dem

vor ihnen

liegenden

mit

Bauchfell

den

umgebenden

verbunden.

Nicht

s e l t e n f e h l t d a s N i e r e n b e c k e n ; d e r Ureter e n t s p r i n g t dann m i t m e h r e r e n Aesten i n s d e r Niere.

Zuweilen verlaufen zwei Ureteren a u s e i n e r Niere z u r Blase; selten findet sich

b l o s eine N i e r e u n d d e m

entsprechend

auch

ein

Harnleiter;

sind

in

einem

solchen

247

Verletzungen. Falle deren zwei vorbanden, so münden Blase dicht aneinander.

sie doch jedenfalls aaf derselben Seite

der

Von dieser Anomalie, bei welcher es sich wirklich um den

Mangel einer Niere bandelt, muss man die Verschmelzung beider Nieren in ein S t ü c k wohl unterscheiden.

Durch

letztere

entsteht,

indem die unleren

Enden der beiden

Nieren znsammenfliessen, die sogenannte Hufeisenniere mit aufwärts gerichteter In den Hilus

der Niere

besitzt.

Regel nach eine Arterie und eine Vene;

o f t sind diese m e h r f a c h , oder theilen sich

lange vor dem Eintritt in Aeste, von denen manche (Vasa a b e r r a n t i a )

tritt

Con-

c a v i t ä t , welche a b e r stets zwei Uretcren

der

weitab v o n

Hilus in die Nierensubstanz treten. Häufig sind A n o m a l i e n d e r L a g e .

Die Nieren können weiter abwärts vor den

L e n d e n w i r b e l n , in der Fossa iliaca oder gar vor dem Kreuzbein, auch zwischen Mastdarm und Blase liegen.

M o n r o sah bei einem jugendlichen S u b j e c t beide Nieren In

der Lendengegend unmittelbar unter der Haut

liegen.

Zuweilen

ist

nur

eine

(die

l i n k e häufiger, wegen ihrer loseren Befestigung), zuweilen sind beide Nieren dislocirt und in manchen Fällen zugleich beweglich,



wandernde

Niere.

Ob die

ab-

weichende Lage angeboren oder erworben s e i , beurtbeilt man d a n a c h , ob die' Nierenarterien a n der normalen Stelle aus der Aorta entspringen und von da zu d e r abnorm gelagerten Niere hinabsteigen oder ob sie in gleicher Höhe mit dieser a u s

d e r Thei-

lungsstelle der Aorta oder aus einer der Arteriae iliacae ihren Ursprung n e h m e n .

Die

Nebennieren findet m a n , auch wenn die Dislocation entschieden angeboren w a r , doch gewöhnlich an ihrer normalen Stelle. Als Veranlassung erworbener Lageveränderungen der Niere f ü h r t m a n den Druck a u f , d e r durch Scbnürleiber, Gürtel u. dg), m., sowie durch Geschwülste der L e b e r , der Milz, der Nebenniere ausgeübt wird; auch Neubildungen in der Niere selbst, durch welche ihr Gewicht beträchtlich vermehrt wird, können die Ursache sein. Vgl. B e c q n e t , Essai s u r la pathogénie des reins Die

abweichende

mancherlei diagnostischen namentlich bei Weibern

Lage

und

flottants,

Archives générales de méd. 1 8 6 5 . Janvier.

Beweglichkeit

Irrtbümern

der

Nieren

kann

nicht

blos

zu

Veranlassung geben, sondern auch üble Zufälle,

während des Geburtsactes veranlassen.

Kopfes durch die Beckenhöble wird einer Seits behindert, anderer im Becken liegende Niere durch diesen eine solche

Der Durchtritt Seits

erleidet

de* die

Q u e t s c h u n g , dass Gangran oder

Eiterung folgen k a n n .

Erstes Capltel.

V e r l e t z u n g e n . 1.

Subcutane Verletzungen.

Heftige E r s c h ü t t e r u n g e n , namentlich beim Fall auf den Rücken oder auf das Gesäss können, ohne dass die Nierengegend direct getroffen ist, doch eine Verletzung der Niere zur Folge haben. Dies zeigt sich, indem auf eine solche Erschütterung nicht blos heftige S c h m e r z e n in der Nierengegend, sondern auch B l u t b a r n e n folgen. Besonders nachtheilig wird eine solche Erschütterung, wenn die Nieren bereits anderweitig erkrankt, namentlich wenn in den Nierenkelchen und in dem Nierenbecken Steine enthalten sind.

248

Kranlbeiten der Nieren und Harnleiter. Q u e t s c h u n g der Nieren d u r c h d i r e c t e G e w a l t kann in den

verschiedensten Graden, von der leichtesten Ecchymose bis zur völligen Zerreissung und Zermalmung ihres Gewebes, vorkommen. tiger Schmerz

in

der

Nierengegend

und

Hef-

Entleerung von blutigem

Harn entweder sogleich oder doch bald nach der Verletzung sind ¡die gewöhnlichen Symptome.

Der Schmerz erstreckt sich meist längs der

Vasa spermatica bis in die Inguinalgegend, nicht selten mit schmerzhafter Zurückziehung der Hoden durch Krampf des Cremaster.

Wenn

bei subcutaner Zermalmung der Niere auch ihre Kapsel zerrissen ist, so erfolgt Erguss von Blut und Harn in das umgebende Bindegewebe. Dadurch werden

ausgebreitete

Ist

bedeutend,

die

Blutung

nekrotische so

bedingt

Zerstörungen sie

veranlasst.

Ohnmacht,

Uebelkeit,

Schwindel, Erbrechen, kleinen, frequenten Puls, kurz alle Erscheinungen eines starken Blutverlustes. Erst später treten die Erscheinungen der Nephritis und Perinephritis auf, die wir weiter unten beschreiben werden.

Diagnose.

Aus der Localität des Schmerzes wird man niemals

auf Verletzung der Niere schliessen können, wenn nicht gleichzeitig Blutharnen besteht; freilich kann aber so wenig Blut in die Blase gelangen, dass es der mikroskopischen Untersuchung bedarf, um seine Anwesenheit im Harne nachzuweisen. Ein Schlag oder Stoss, der die Nieren quetschen soll, muss nothwendig die bedeckenden Weichtheile in noch höherem Grade gequetscht haben.

Daher fehlen in solchen

Fällen auch niemals grosse Sugillationen in der Lendengegend,

die

jedoch in manchen Fällen

die

erst zum Vorschein kommen, wenn

Erscheinungen der Nierenentzündung bereits unzweifelhaft sind.

Quet-

schung der Nieren von der Bauchseite her ist ohne erhebliche Quetschungen der vor ihr liegenden Eingeweide unmöglich.

Prognose. Regel

Ausgedehnte Z e r r e i s s u n g der Niere führt in

durch Verblutung

schnell

zum Tode.

Wird

der

d e r . Blutverlust

auch überstanden, so lifsst die nachfolgende Harninfiltration und die ausgedehnte Eiterung doch wenig Aussicht auf Heilung. Die Prognose ist günstiger, wenn in dem durch die Harnröhre entleerten Urin sich wenig Blut findet und die Erscheinungen einer inneren Blutung fehlen, da

sich hieraus auf eine weniger ausgedehnte Zerreissung schliessen

lässt.

Immerhin

bleibt

auch

in

solchen

Fällen

die

traumatische

Nephritis noch zu überstehen. Die Beliandlaug hat zunächst die Blutung zu beschränken.

Hierzu

besitzen wir kein besseres Mittel, als die energische Anwendung der Kälte.

Hebt sich der Puls,

so

soll ein Aderlass gemacht

werden,

um den Andrang des Blutes gegen die verletzte Stelle zu vermindern.

Verletzungen.

249

Aderlässe sind nächst der Kälte auch das wesentlichste Mittel zur Bekämpfung der auf die Verletzung folgenden Entzündung. Besondere Beachtung erheischt die Verstopfung der Harnröhre, des Blasenhalses und der Ureteren durch Blutgerinnsel. Bis in die Blase macht man den Weg leicht durch Einfuhren des Katheters frei; durch Einspritzungeu oder durch Druck mit dem Katheter gelingt es auch, die in der Blase befindlichen Gerinnsel zu zertrümmern. Gegen die in den Ureteren oder im Nierenbecken festsitzenden Gerinnsel ist direct nichts auszurichten. Harntreibende Getränke, namentlich verdünnte Lösungen kohlensaurer oder pflanzensaurer Alkalien, können zur Auflösung und FortspUlung solcher Gerinnsel etwas beitragen. Gelingt es aber nicht, den versperrenden Blutpfropf fortzusptllen, so wird durch die Vermehrung der Harnmenge die Gefahr nur gesteigert. Da die Möglichkeit und Zulässigkeit der Exstirpation einer gesunden Niere (vgl. pag. 256) jetzt durch G. S i m o n 1 ) erwiesen ist, so fragt es sich, ob man dieselbe nicht auch bei Zerreissungen der Niere mit Vortheil wird anwenden können. Der Blutung würde man dadurch am Sichersten Herr, und der Krankheitsverlauf würde, sofern nur das Bauchfell unverletzt geblieben ist, voraussichtlich auch ein günstigerer sein. 2.

Offene Wunden.

O f f e n e W u n d e n der Nieren sind meist Stich- oder Schusswundea. Besonders wichtig ist die Beachtung der R i c h t u n g , in welcher die Verletzung erfolgt ist. Beim Eindringen vom Rücken her sind die Verhältnisse am Wenigsten ungünstig, da auf diesem Wege zwar dicke Muskelschichten, aber weder das Bauchfell noch auch die in die Niere eintretenden Blutgefässe verletzt zu werden brauchen, während bei einer Verletzung von Vorn zugleich das Bauchfell, die in ihm gelegenen Eingeweide und voraussichtlich auch die in die Niere eindringenden Gefässe, die Nierenkelche und das Nierenbecken getrofftn werden. Man darf aber die Verletzungen gerade von Hinten und gerade von Vorn nicht als typisch ansehen. Hier, wie anderwärts, ist das s c h r ä g e Eindringen des verletzenden Instrumentes mindestens ebenso häufig. So drang z. B. die Spitze einer Heugabel durch den After ein, zerriis den Mastdarm uni setzte den Weg bis zum unteren Dritttbeil der linken Niere fort.

Sjmptorne. Richtung und Tiefe der Wunde können allerdings zuweilen bei der Diagnose leiten. Dringt mit dem Blute zugleich ' ) G w t a v S i m o n , Chirurgie der Nieren, Tb. I., Erlangen, 1871.

250

Krankbeilen der Nieren and Harnleiter.

Harn aus der Wunde hervor, so bleibt kein Zweifel. Gewöhnlich aber ist man, namentlich zu Anfang, auf dieselben Symptome wie bei der Nierenquetschung beschränkt: Blut in dem entleerten Harn und Schmerzen, die von der Niere nach der Leistengegend hin ausstrahlen. Die Blutung kann unbedeutend sein, wenn die Wunde oberflächlich ist, namentlich gelangt wenig Blut in die Blase, wenn die Verletzung nicht über die corticale Schicht der Niere hinausgeht. Sind grössere Gefässe innerhalb der Niere verletzt, so findet man bei der ersten Harnentleerung fast reines Blut. Dann kommt es auch bald zur Bildung von Gerinnseln, durch welche Nierenbecken oder Ureter verstopft werden. Geschiebt dies, so entleert sich der von der verletzten Niere gelieferte Harn ausschliesslich durch die Wunde. Immer erfolgt eine blutig-urinöse Infiltration des lockeren Bindegewebes in der Umgebung der Niere, deren üble Folgen hier wie bei jeder Harninfiltration nicht ausbleiben. Jedenfalls entwickelt sich Nierenentzündung im Umkreise der Verletzung (vgl. Cap. II.). Zuweilen wird auch die Harnröhre durch ein Blutgerinnsel verstopft. Sind grosse Gefässe verletzt oder ist die Bauchfellhöhle geöffnet, so erfolgt der Tod mit grösster Schnelligkeit. Von besonderer Bedeutung sind die oft schwer zu erkennenden f r e m d e n K ö r p e r , durch deren Anwesenheit die Heftigkeit der Entzündung bedeutend gesteigert wird. Sie werden, sofern der Kranke die Verletzung hinreichend lange Uberlebt, in der Giterungsperiode durch die Wunde ausgestossen, oder durch den Ureter in die Blase befördert. Die Eiterung ist profus und langwierig, selbst wenn es sich um Körper von geringer Grösse handelt. So sah man z. B. ein Stückchen Tuch, welches durch eine Kugel in die Niere eingetrieben war, nach achtmonatlicher Eiterung durch die Harnröhre abgeben, nachdem ei Torber noch Harnverhaltang bedingt hatte.



Andere Fälle der

Art bei

D e m m e , Milit.-cbirnrg. Stadien, II. pag, 151.

S c h u s s w u n d e n werden durch die in ihnen gewöhnlich vorkommenden fremden Körper besonders gefährlich, heilen aber doch zuweilen überraschend gut, weil der den Schusscanal auskleidende Brandschorf die Infiltration des Harns verhütet '). Befinden sich aber auch keine fremden Körper in der Wunde, und übersteht der Kranke die Gefahren der Blutung, der Haminfiltration und der Eiterung, so erfolgt die Vernarbung doch erst nach langer Zeit. Die Narbe kann nur dann dauerhaft sein, wenn sie sich von der Niere aus entwickelt hat. ' ) Vgl. B a n d e n g , Cliniqae des plaies d'armes ä fea.

Paris, 1836, pag. 3i7.

251

Verletzungen.

Behandlung. Die allgemeinste Indication besteht in der Bekämpfung der Entzündung und in der Sorge filr Offenhalten und Ausspülen der Wunde, um der Infiltration des Harns vorzubeugen. Erheischt also die Heftigkeit der Blutung nicht etwa die Tamponade (durch welche aber die Infiltration des Bindegewebes begünstigt werden kann), so wird man Eisumschläge und antiseptische Verbände anwenden müssen. Hat man fremde Körper zu vermuthen, so sucht man sie sorgfältig auf und extrahirt sie, nöthigen Falls nach vorgängiger Erweiterung der Wunde, sofern nicht damit offenbar grössere Gefahren verknüpft sind, als mit der Zurücklassung. Stellt sich Harnverhaltung ein, so muss diese, wie bei der Nierenquetschung, gehoben werden. Schliesst sich die Wunde oberflächlich und -entsteht nachher eine Schwellung der Narbe oder Oedem ihrer Umgebungen, so muss man sie unverzüglich wieder öffnen, um der alsdann gewiss bestehenden Ansammlung von Harn und Eiter den Weg zu öffnen. — In Betreff der Anwendbarkeit der Exstirpation der Niere vgl. pag. 249. Zweites Capltel.

Entzündung der Nieren und ihrer Umgebungen'). 1.

E n t z ü n d u n g des Nierenbeckens und der Nierenkelche.

Die Entzündung des Nierenbeckens und der Nierenkelche (Pyelitis) kann acut oder chronisch verlaufen. Anatomische Veränderaugen. Röthung der Schleimhaut, oft fleckig durch dicht gedrängte, kleine Gefässe oder durch wirkliebe Ecchymosen, weissliche Pseudomembranen, welche der Schleimhaut mehr oder weniger fest aufsitzen, Erweichung und Ulceration der Schleimhaut selbst, seröse oder eitrige Infiltration des submucösen Bindegewebes — bilden die wesentlichen Charaktere der acuten Pyelitis auf ihren verschiedenen Stadien. Den im Nierenbecken enthaltenen Harn findet man meist blutig oder mit Eiter gemischt. Bei der chronischen Pyelitis erscheint die innere Fläche des Nierenbeckens und der Kelche mattweiss, zuweilen roth oder braunroth gefleckt, von varicösen Gefässen durchzogen. In späteren Stadien werden durch immerfort steigende Ausdehnung des Nierenbeckens die Gefässe oft vollständig comprimirt, in anderen Fällen wird die Schleimhaut in solchem Grade verdickt, ' ) Die E n t r u n d u n g d e r N i e r e n s n b s t a n z

(Nephritis) bildet, zumal auch die

B r i g h t ' a c h e K r a n k h e i t hierher gezogen wird, ein grosses and wichtiges Capitel der i n n e r e n M e d i c i n , welches wir bier übergehen müssen.

252

Krankheiten der Nieren und Harnleiter.

dass Verengerung des Nierenbeckens eintritt und die Kelche in eine Art von fibrösen Strängen umgewandelt werden. Auch Perforation des Nierenbeckens kann ohne übermässige Ausdehnung erfolgen. Gewöhnlich aber stellt sich bei längerer Dauer der Krankheit eine auffallende Erweiterung derselben ein, so dass die Aussenwand des Nierenbeckens mit der Leber, der Milz, dem Magen, dem Dickdarm, dem Zwerchfell verwächst. Daher erfolgt, wenn weiterhin Verschwärung eintritt, die Perforation gewöhnlich in eines der genannten Baucheingeweide, höchst selten durch das Zwerchfell in die Lunge, so dass möglicher Weise urinöser Eiter ausgehustet werden könnte (s. unten)« Der durch die Erweiterung des Nierenbeckens und der Nierenkelche gebildete Sack ist von trübem, eitrigem Harn erfüllt. Gewöhnlich findet sieb darin auch Gries und ein oder mehrere Steine. Die eigentliche Nierensubstanz ist zuweilen gleichfalls entzündet, oder auch tuberkulös oder krebsig entartet, in änderen Fällen dagegen in Folge des Seitens des erweiterten Nierenbeckens ausgeübten Druckes atrophisch, so dass sie nur wie eine Verdickungsschicht auf jenem Sacke erscheint (vgl. Hydronephrose). Aeliologie. Am Häufigsten entsteht Entzündung des NierenBeckens in Folge der Anwesenheit von Steinen, deren Entstehung freilich wiederum wenigstens einen Katarrh des Nierenbeckens voraussetzen lässt (vgl. pag. 152 u. f.). In gleicher Weise kann auch die Anwesenheit eines Blasenwurms oder eines Strongylus sie erregen. In anderen Fällen ist sie von den bereits erwähnten Entartungen der Niere abhängig. Die Ursache kann aber auch in der Blase oder in der Harnröhre liegen, einmal durch Harnverhaltung, zweitens aber auch durch Verbreitung der Entzündung von der Blase durch die Ureteren zum Nierenbecken. In solchen Fällen tritt die Krankheit auf beiden Seiten zugleich auf und ist mit Ausdehnung und Entzündung der Ureteren verbunden. Die Symptome der Pyelitis können durch die Erscheinungen der gleichzeitig bestehenden Nierenentzündung verdeckt werden, und es ist schwer, beide von einander zu unterscheiden. Von chirurgischem Interesse ist besonders die durch Anwesenheit von Steinen veranlasste Form der Krankheit, Pyelitis calculosa, auf welche wir hier ausschliesslich Rücksicht nehmen. Die in der Niere gebildeten Steinchen können, wenn sie sehr klein sind, ohne Hinderniss in die Blase gelangen, grössere bleiben in den Ureteren, noeh grössere schon im Nierenbecken stecken. Dort erregen sie 6tets eine c h r o n i s c h e , durch anderweitige reizende Ein-

Pyelitis calculosa.

253

flösse leicht zu steigernde, — wenn sie aber den Abfluss des Harns durch den Ureter versperren, eine a c u t e Entzündung. Ist die Versperrung vollständig, und ist die andere Niere gesund, so ist eine Veränderung des Harns nicht nachzuweisen. Die plötzlich auftretenden, furchtbaren Schmcrzen, welche in der Nierengegend wesentlich ihren Sitz haben, von da aber zur Leistengegend schräg abwärts ausstrahlen, sind dann das einzige Krankheitssymptom, da der im Beginn der Krankheit allerdings nie fehlende Schüttelfrost nichts Charakteristisches darbietet. Auch das gewöhnlich auftretende Erbrechen und der kleine, frequente Puls können nicht als pathognomonisch angesehen werden. Sobald der Stein glücklich in die Blase gelangt ist, verschwinden auch alle angegebenen Erscheinungen. Sie treten desto häufiger auf, wenn er zackig oder auch nur rauh ist. Solche Steine können eine heftige Entzündung veranlassen, ohne den Ureter ganz zu versperren. Dann kann auch noch Harn, mit Entzündungsprodueten gemischt, aus der Niere der kranken Seite in die Blase gelangen, so dass aus dieser dann blutiger, eitriger Harn entleert wird. Verbleibt der Stein im Nierenbecken oder irn Anfangsstück des Harnleiters, so geht die Entzündung allmälig in die chronische Form über. Der Schmerz verwandelt sich dann in ein Gefühl von Schwere, wird aber durch einen Stoss oder eine bedeutende Anstrengung schnell wieder zu der alten Heftigkeit gesteigert. Das Fieber schwindet, macht aber mit dem Schmerze zugleich auch erneute Anfälle, während welcher — oder nach welchen (s. oben) — der Harn dann Blut und Eiter enthält. Weiterhin klagt der Kranke Uber ein Gefühl von Spannung und Steifigkeit in der Nierengegend, wird von Zeit zu Zeit von Frostschauern überfallen, leidet an Uebelkeit, auch Erbrechen, und verfällt, nachdem die Exacerbationen immer häufiger wiedergekehrt sind, schliesslich in hektisches Fieber. Zuweilen tritt noch für einige Zeit Besserung ein; meist aber führen die erwähnten Symptome unter stetiger Verschlimmerung zum Tode. Zuweilen bildet das von Eiter ausgedehnte Nierenbecken (sehr selten auf beiden Seiten zugleich) eine unebene Geschwulst, deren Grenzen Anfangs nur durch Percussion, später aber auch durch Palpation, nachzuweisen sind, und in welcher man bei stärkerer Entwicklung auch Fluctuation fühlt. Selten nimmt der Inhalt einer solchen Eitertasche seinen Weg in den Ureter; dann wird plötzlich eine grosse Masse eitrigen Harns entleert, während die Geschwulst einsinkt. Gewöhnlich erfolgt Durchbruch in eins der benachbarten

254

Krankheiten der Nieren nnd Harnleiter.

Eingeweide oder nach Aussen.

in

die Peritonealhöhle,

sehr

selten

Aufbruch

Diagnose. Eine solche fluctuirende Geschwulst der Nierengegend könnte mit einem Senkungsabscess verwechselt werden. Dabei würde sich aber immer Schmerzhaftigkeit und wahrscheinlich auch Hervorragen eines der weiter oben gelegenen Wirbel, meist auch Störung der Innervation an den unteren Extremitäten ergeben (vgl. Abth. XXXII.). — Ein Leberabscess oder ein Echinococcus-Sack in der Leber könnte so weit nach Hinten rücken, dass in der Nierengegend Fluctuation entstünde; aber dabei würden alle Erscheinungen eines Nierenleidens fehlen und das Leiden der Leber wahrscheinlich doch durch irgend ein Symptom angedeutet werden. — Auch an ein Aneurysma der Aorta abdominalis könnte man denken; das Fehlen der für eine Pulsadergeschwulst charakteristischen Symptome (s. Bd. II. pag. 93) würde die Diagnose sichern. — Auch Ovarialgeschwülste können bis zur Nierengegend emporsteigen, sie lassen sich aber leicht gegen das Becken hin zurückschieben und sind in der Regel ohne Schmerz in der Nierengegend entstanden. — Unter den Krankheiten der Niere selbst könnte die cystische Degeneration der ganzen Niere zu einer Verwechselung Veranlassung geben (vgl. Cap. III.). — Für Abscesse in der Umgebung der Niere, welche freilich fast ausschliesslich mit Pyelitis combinirt auftreten, ist das Oedem des umgebenden Bindegewebes und die mehr oberflächliche Fluctuation charakteristisch. — Glaubt man die Natur einer solchen Geschwulst aber auch völlig erkannt zu haben, so darf man doch nicht unterlassen, auch den Zustand der Harnröhre, der Prostata, der Blase, sowie die anamnestischen Verhältnisse genau zu untersuchen. Die Prognose der Pyelitis calculosa ist zunächst verschieden, je nachdem die Krankheit nur auf einer oder auf beiden Seiten besteht; demnächst je nachdem der Ureter völlig versperrt ist, oder nicht. Sind beide Ureteren versperrt, so ist ein schneller Tod höchst wahrscheinlich, da voraussichtlich früher urämische Intoxication erfolgt, als wieder Harn in die Blase gelangen kann. Bei einseitiger Affection ist, sofern das Nierenbecken völlig versperrt wird, die Erweiterung desselben und demnächst Perforation zu befürchten. Behaudlnng. Im Beginne der Krankheit leistet O p i u m grosse Dienste, wahrscheinlich indem es die krampfhafte Zusammeiuiehung des Harnleiters beseitigt und dadurch dem Harne und dem Steine den Durchgang durch denselben erleichtert. Zu diesem Behuf hat man auch das Trinken grosser Massen von Flüssigkeit, heftige Erschütterung des Körpers (sogar durch Reiten), Brechmittel utd ähn-

Pyelitis calculosa.

255

liehe Gewaltkuren empfohlen. Die Erfahrung spricht nicht zu ihren Gunsten, und von theoretischer Seite sind sie gar nicht zu rechtfertigen, da durch stärkeren Andrang des Harns das Anschliessen des empfindlichen Ureters gewiss nicht in der Art vermindert wird, wie es bei einem todten, blos elastischen Schlauche der Fall sein würde. — B l u t e n t z i e h u n g e n sind nächst dem Opium nützlich; doch muss man bei schwächlichen Subjecten auf den Aderlass gänzlich verzichten. — S t e i n a u f l ö s e n d e Mittel sind vielfach empfohlen und versucht worden. Wir werden ihnen hier keinen anderen Werth als bei den Blasensteinen (pag. 168) beilegen können und daher nur eine sehr langsame Wirkung von ihnen erwarten, die wohl mehr zur Verhütung neuer Exacerbationen, als zur Heilung der einmal ausgebildeten Krankheit in Betracht zu ziehen sein möchte. Die Quellen von Karlsbad, Wildungen, Gailnau, Neuenahr u. s. f. haben in dieser Beziehung besonderen Ruf. Hat sich die Niere durch fortschreitende Ueberfüllung und Ausweitung des Nierenbeckens in einen N i c r e n a b s c e s s umgewandelt, so bleibt nur die Wahl zwischen der E r ö f f n u n g desselben oder der E x s t i r p a t i o n d e r k r a n k e n N i e r e ' ) . Zum Behuf der E r ö f f n u n g macht man in verticaler Richtung, am äusseren Rande des Sacrolumbalis, während der Patient auf der gesunden Seite liegt, einen Einschnitt, den man schichtweise in die Tiefe bis auf die fluetuirende Höhle fortsetzt. Nach Entleerung des Eiters sucht man durch Einspritzungen von lauem Wasser, nöthigen Falls auch mit der Kornzange, jedoch stets ohne Anwendung grösserer Gewalt, die in der Tasche enthaltenen Steine herauszuschaffen und wo möglich auch den Eingang in den Ureter frei zu machen, da die angelegte Oeffnung sich sonst zu einer Nierenfistel umgestaltet. Durch die Incision der fluetuirenden Stelle kann Eiter entleert werden, ohne dass die Eröffnung des Nierenbeckens erfolgt ist, — wenn in der Umgebung der Niere sich ein (perirenaler) Abscess gebildet hat. Man muss daher die Wandungen der geöffneten Höhle und ihren Inhalt genau untersuchen. Entdeckt man in der Tiefe noch Fluctuation, so ist auch der Nierenabsccss selbst noch nicht geöffnet. Zuweilen riecht der Inhalt eines perirenalen Abscesses nach Darmkoth, lediglich durch Diffusion aus dem benachbarten Dickdarme, wie bei Abscessen in der Nähe des Mastdarms. Wäre wirklich der Darm ' ) Die E r ö f f n u n g e i n e s

Nierenabscesses

N e p h r o t o m i e " genannt.

wurde bisher „ N i e r e n s e b n i t t ,

G. S i m o n will diesen Namen nur der von ihm zuerst

zur Heilung einer Harnleiter-BauchOstel ausgeführten E x s t i r p a t i o n d e r N i e r e erlheilen (vgl. pag. 249;.

„Nephrotomie"

wird somit ein zweideutiger Name,

256

Krankheiten der Nieren and Harnleiter.

in offener Verbindung mit dem geöffneten Abscess, so würden auch Darmgase und Darmkoth austreten. Die E x s t i r p a t i o n e i n e r N i e r e , deren Becken mit Steinen gefüllt und Sitz einer mit immer grösserer Heftigkeit wiederkehrenden P y e l i t i s ist, zuerst von G. S i m o n (1871) ausgeführt, kann nicht blos wegen der Gefahren der Abscedirung, sondern auch Uberhaupt als Heilmittel dieser gefahrvollen und überaus schmerzhaften Krankheit in Frage kommen. Für die A u s f ü h r u n g der Exstirpation sind die von G. S i m o n 1 ) aufgestellten Regeln maassgebend. Hautschnitt 9—10 Ctm. lang, senkrecht am äusseren Bande des M. sacrolumbalis, Uber der 11. Rippe beginnend, bis zur Mitte des Zwischenraumes zwischen der 12. Rippe und der Crista ilei. Dann Blosslegung der Niere, zu welcher der äussere Rand des Sacrolumb alis und der untere Rand der 12. Rippe die Wegweiser sind. Panniculus und Latissimus dorsi (hier noch sehr dünn) werden durchschnitten, das hintere Blatt der Scheide des Sacrolumbalis gespalten, der äussere Rand des letzteren also blossgelegt und mit stumpfen Haken nach Innen gezogen, während ein anderer Haken den äusseren Schnittrand jener Scheide nach Aussen zieht. Nun dringt man, mit kurzen Schnitten die Wunde vertiefend, zum unteren Rande der 12. Rippe vör, verlängert dann die tiefen Schnitte bis zum unteren Wundwinkel und spaltet namentlich das vordere Blatt der Muskelscheide des Sacrolumbalis. Jetzt gelangt man zu dem dünnen M. quadratus lumborum, nach dessen Durchschneidung die Fascia transversalis (das Faserblatt des Bauchfells, nach A r n o l d ) blossliegt. Nachdem dies fibröse Blatt vorsichtig getrennt ist, erscheint in der Tiefe der Wunde das untere Ende der von Fett (Capsula adiposa) umhüllten Niere. Zwischen dem tiefen Blatt der Muskelscheide des Sacrolumbalis und dem Quadratus lumborum müssen die Art. intercostal. XII. und lumbal. I., zwischen dem Quadratus lumborum und der Fascie die gleichnamigen Nerven durchschnitten werden. Demnächst folgt das Auslösen der Niere,— der schwierigste und langwierigste Act der Operation. Die Niere muss unter den beiden letzten Rippen (deren Resection wegen der Gefahr der Pleuraverletzung unzulässig) hervorgezogen und darf dabei nicht zerrissen werden. Man kann dies fast nur mit d en Fingern und nur ganz allmälig bewerkstelligen. Endlich wird der „Stiel", d. h. Vasa renalia und Ureter en masse unterbunden und beim Abschneiden ein Stück der Niere zurückgelassen, damit die Ligatur

' ) Chirurgie der Nieren.

Tbeil I. pag. 2 3 — 3 1 .

257

A b s c e s s e und Fisteln.

nicht abgleiten kann. Auf Vasa aberrantia der A. und V. renal, ist sorgfältig zu achten. Besteht die Krankheit der Niere auf beiden Seiten oder leidet der Kranke noch an anderen, voraussichtlich unheilbaren und bald tödtlichen Krankheiten der Blase, Prostata u. s. f., so sind alle operativen Eingriffe unnütz. Wäre der Aufbruch nach Aussen von selbst erfolgt, so möchte es in den meisten Füllen noch nützlich sein, mindestens die Oeffnung zu dilatiren, um die vorhandenen Steine zu entfernen. II. E n t z ü n d u n g e n u n d A b s c e s s c i n d e r U m g e b u n g d e r N i e r e und Nierenfisteln. Phlegmonen und Absccsse in der Umgebung der Nieren entstehen meist in Folge einer durch Verletzungen oder durch Ulcerationen bedingten Iiarninfiltration '), seltener nach einer Quetschung der Lendengegend, bei welcher die Niere selbst unverletzt geblieben ist, oder im Verlauf anderer, namentlich rheumatischer Erkrankungen. Im erstcren Falle ist die Unterscheidung von Nephritis erst möglich, wenn die Bildung des Absccsses erfolgt ist; im zweiten Falle werden die für Nephritis und Pyelitis charakteristischen Symptome fehlen, die Unterscheidung von Rheumatismus der Riickenmuskcln (Lumbago) ergiebt sich aus dem tieferen Sitze der Schmerzen und der Beschränkung auf eine Seite, da Lumbago fast immer beiderseitig auftritt. Bei der weiteren Entwickelung der Krankheit treten die Erscheinungen einer tiefen Phlegmone (vgl. Bd. II. pag. 42 u. f.) deutlicher hervor; namentlich entsteht, sobald Eiterung eingetreten ist, Oedein des subcutanen Bindegewebes in der Lendengegend und allmiilig immer dcutliclicr werdende Fluctuation. Sich selbst überlassen, durchbricht der Abscess nur höchst selten die starken Aponeurosen der Lcndengegend; viel eher öffnet er sich in die Peritonealhöhle, in den Darin oder selbst durch das Zwcrclifcll hindurch in die Brusthöhle. Bevor es aber zum Aufbruch kommt, entstehen weit verbreitete Senkungen, die sich zuweilen bis zur Leistengegend hinab erstrecken. Der Inhalt dieser Abscesse hat stets einen intensiven Fäcalgcruch, der ihm vom Dickdarm her mitgethcilt wird. Ist die Eröffnung nach Aussen erfolgt, so bleibt lange Zeit ein fistulöses Geschwür zurück. Beim Durchbruch ') Auch Verletzungen oder geschivürigc Perforationen d e r hinteren W a n d des vielleicht auch

des D u o d e n u m

Veranlassung geben.

können z u r Abscessbildung

in

dieser

Colon, Gegend

Die Therapie würde von der für perforirende Abscesse anzu-

gebenden nicht wesentlich abweichen.

Rardelcben, Chirurgie. 6.Aull, IV.

17

258

Krankheilen der Nieren und Harnleiter.

in die Bauchhöhle erfolgt der Tod in wenigen Stunden. Wendet der Eiter sich gegen die Brusthöhle, so ist der Ausgang zwar auch tödtlich, aber erst nach längerer Zeit; es entwickelt sich meist eine Communicationsfistel mit den Bronchien und der Kranke hustet dann plötzlich eine grosse Masse stinkenden Eiters aus, während die Geschwulst in der Nierengegend einsinkt. Beim Durchbruch in den Darm sah man bald Erbrechen einer gelblichen Flüssigkeit von u n erträglichem Geschmack und höchst üblem Gcruch, bald stinkende Diarrhöen folgen. Der Ausgang war auch in diesen Fällen tödtlich. Die Verschiedenheit der Symptome Leim Durchbruch in den Darm findet ibre Erklärung d a r i n , d a » in dem einen Falle das D u o d e n u m

(von der rechten Niere h e r ) ,

das andere Mal das C o l o n d e s c e n d e n s ( t o n der linken Niere a u s ) ,

einmal

auch

der M a s t d a r m von beiden Nieren aus durchbohrt w u r d e , im letzteren Falle handelte es sich um e i n e , hinter dem (Cruveilhier).

Mastdarm

Genaueren Nachweis

im

kleinen Becken

liegende

Hufeisen-Niere

über diese oft sehr compticirlen

Verhältnisse

liefert R a y e r in seinem Traité des maladies des reins, Paris 1 8 i l , t . III.

In der Mehrzahl der Fälle communicirt der perirenale Abscess schon vor seinem Aufbruch mit der Niere selbst. Daher bleibt auch im günstigsten Falle die Oeffnung des Abscesses fistulös, und es bildet sich auf diese Weise eine wahre Nierenfistel aus. In den seltenen Fällen, wo der Abscess ohne Betheiligung der Niere selbst sich ausbildete, kommt es auch nicht zur Fistelbildung. Behaudlnug. Da Hoffnung auf Zcrtheilung der Entzündung zu der Zeit, wo man Uberhaupt im Stande ist, die Krankheit zu erkennen, gewiss nicht mehr besteht, so darf man die Kräfte nicht durch Blutentziehungen • erschöpfen. Möglichst f r ü h , sobald nur, wenn auch dunkel, in der Tiefe Fluctuation gefühlt wird, muss incidirt werden. Lässt man dem Eiter Zeit, sich auszubreiten (zu senken), so folgt auch im günstigsten Falle eines rein perirenalen Abscesses eine höchst langwierige und gefährliche Eiterung. Dagegen hat der Kranke nicht blos eine unmittelbare Erleichterung, sondern, sofern nur keine Communication mit der Niere besteht, auch eine schnelle Heilung zu gewärtigen, wenn frühzeitig incidirt wird. Nach der Incision tritt dann die Behandlung tiefer Eiterungen ein, wobei auf die etwa zugleich bestehende Harninfiltration Rücksicht zu nehmen ist. lieber die wachsenen S i m o n I. c.

Heilung einer nach Exstirpation

Ovarialtumors

zurückgebliebenen

eines mit

Uterus

und Ureter

Harnleiter - Bauchfistel,

vgl.

»erG.

259

Neubildungen.

Drittes Capltel.

N e u b i l d u n g e n . Wir übergehen die Neubildungen in den Nieren nicht ganz, weil sie zu Verwechselungen auch im Gebiete der chirurgischen Krankheiten Veranlassung geben. Namentlich sind Verwechselungen der c a r c i n o m a t ö s e n Niere mit einer Ovarialgeschwulst eben so oft vorgekommen, wie mit einem Milztumor, zumal, wenn die Niere b e w e g l i c h war (wie ich einen solchen Fall kenne), oder eine abnorme Lage hatte (vgl. pag. 247). Unter den c y s t i s c h e n Entartungen der Niere haben die E c h i n o c o c c e n - G e s c h w ü l s t e und die H y d r o n e p h r o s e besonderes cbirurgischcs Interesse. Echinococcen der Niere. Die Echinococcensäckc in der Niere, welche, wenngleich überhaupt selten, doch in einzelnen Füllen bis zur Grösse eines Kindskopfes beobachtet sind, entziehen sich einer scharfen Diagnose, wenn nicht zufällig Tochterblasen mit dem Urin durch die Harnröhre abgehen '). Vermuthen kann man sie, wenn in der Nierengegend eine grosse, h ö c k r i g e Geschwulst sich entwickelt, in welcher Fluctuation (wenn auch undeutlich) gefühlt wird. Zur Function oder zu einem Einschnitt wird man sich, nach den fUr die perinephritischen Abscesse gegebenen Regeln, beim Auftreten entzündlicher Erscheinungen entschliessen. W a s s e r s u c h t der Niere, Hydronephrosis. Aeliologie. Wenn dem Ilarne der Weg durch den Ureter dauernd versperrt ist, so dehnt sich zunächst das Nierenbecken und der oberhalb der versperrten Stelle liegende Thcil des Harnleiters bedeutend aus (letzterer oft zu dariuähnlicher Weite und Gestalt); allmälig werden auch die Nierenkelche erweitert, und durch den zurückgestauten Harn wird auf die inzwischen noch secernirende Nierensubstanz ein stetig wachsender Druck ausgeübt, unter welchem allmälig Obliteration der Gefässe und schliesslich fortschreitende Atrophie des Drüsengewebes eintritt. Je mehr das Nierenbecken sich erweitert, desto mehr schwindet die Drüsensubstanz, so dass die ganze Niere zuletzt eine Blase darstellt, auf welcher die Ueberreste der eigentlichen Drüse wie eine Haube aufsitzen. Der Inhalt dieser Blase verliert nach und ' ) Bd. I. pag. 5 9 5 u. flg., wo sieb die allgemeinen Verhältnisse der Echinococcenbildung erläutert (Inden, haben wir bereits diesen Vorgang erwähnt. tungen erwähnen wir die von S a d l e r ,

Von n e u e r e n Beobach-

Med. Times, 1 8 6 5 , March, pag. 3 0 3 ,

17*

260

Krankheilen der Nieren

und

Harnleiter.

nach seine urinöse Beschaffenheit gänzlich, wird dem Serum ähnlich und lässt daher bei ungenauer Untersuchung das ganze Gebilde für eine seröse Cyste halten. Die Anwesenheit der, immer noch durch Gesicht und Gefühl erkennbaren Nierenkelche ist für Hydronephrose charakteristisch. Für das Verständniss dieses ganzen Vorganges ist es von Wichtigkeit, dass bei der Zurückstauung des Harns in den Nierenkelchen nicht blos gegen das peripherische Nierengewebe, sondern namentlich auch gegen die, in die Kelche eingesenkten Papillen ein allseitiger Druck ausgeübt wird. Durch diesen wird die Versperrun g der, auf den Papillen mündenden HarncanBlchen, wie durch einen umgelegten Ring, schon bei massigem Drucke bewirkt. Gelangt kein Harn mehr in die Nierenkelche und das Nierenbecken, so können diese weiterhin auch nur noch das Secret der, dieselben auskleidenden Schleimhaut enthalten. Bei fortschreitender Ausdehnung aber und stetig gesteigertem Druckc verliert diese Membran die Charaktere der Schleimhaut und liefert ein immer mehr seröses Sccrct. Bei diesem ganzen Vorgange muss das Nierenbecken sich in einem reizlosen Zustande befinden, da sonst statt der Hydronephrose Entzündung und Ulceration (Pyelitis) entstehen würden. Die Versperrung des Ureter, welche zur Hydronephrose führt, wird am Häufigsten durch narbige Festheftung und Compression des Harnleiters bedingt, wie sie bei Degenerationen der am Becken-Eingang längs des Psoas gelegenen Lymphdrüsen, beim Carcinom des Uterus u. dgl. m. sich findet; aber auch Steine, die im Ureter festsitzen, Aufwulstungen seiner Schleimhaut, endlich auch, wenngleich selten, Erkrankungen der Blase (vgl. pag. 166 u. 230) können die Veranlassung geben. Kraukheits-Ersclicilinilgcn. Besteht die Krankheit nur auf einer Seite, so bleibt der Harn, welchen die andere Niere dann in relativ grösserer Menge liefert, normal; dann ist die D i a g n o s e überhaupt erst möglich, wenn die Geschwulst in der Lendengegend durch Palpation und Percussion nachgewiesen werden kann. Auch dann bleiben noch bedeutende Zweifel übrig. Weiss man, dass Veränderungen im Becken bestehen, welche zur Compression des Ureter führen könnten, so wird dieser ätiologische Anhalt für die Diagnose von Werth sein. Die Schmerzlosigkcit der Geschwulst, welche selbst bei sehr bedeutender Ausdehnung sich erhält, lässt allerdings eine Verwechselung mit den vorstehend geschilderten entzündlichen Schwellungen nicht zu. Jedoch entwickelt sich die Hydronephrose, wenn auch die Geschwulst schliesslich nicht schmerzhaft ist, doch Anfangs oft unter Schmerzen. Im Vergleich zu den entzündlichen Geschwülsten

Hydro tiepbrosis.

261

ist daher die normale Beschaffenheit des Harns von grösserer Bedeutung. Die Unterscheidung von den häufig vorkommenden, aber allerdings selten zu bedeutender Grösse entwickelten Cysten im engeren Sinne des Wortes dürfte unmöglich sein'). B l a s e n w ü r m e r wird man von Hvdroncphrose nur unterscheiden können, wenn gelegentlich ein Echinococcus im Harn gefunden ist. — Auf die Unterscheidung der Hydronephrose von O v a r i a l t u m o r e n werden wir bei letzteren eingehen. Prognose. Die Gefahr wird wesentlich durch den Zustand der gesunden Niere bedingt. Bleibt diese gesund, so kann die Hydronephrose nur durch Entzündung und darauf folgende Perforation gefährlich werden. Beiderseitige Hydronephrose ist unfehlbar tödtlich, da sie unheilbare Urämie bedingt. Bcbandluug. Um die Ausbildung der Hydronephrose zu verhüten, mlisste man den Ureter wegsam machen. Dies würde, selbst wenn die Diagnose möglich wäre, äusserst schwierig sein und nur mit höchst indirecten Mitteln versucht werden können; auf diesem Stadium ist aber die Diagnose unmöglich. Weiterhin hat man die Entzündung der Geschwulst zu verhüten oder zu bekämpfen. Stellen sich andauernde Schmerzen mit Fieberbewegungen ein, so rnuss man .sich zur Eröffnung der Geschwulst entschlossen. Diese kann durch einen Troicart ausgeführt werden. Wird Eiter entleert, so muss man dilatiren, wie beim Nierenabscess (s. pag. 2 5 5 u. f.) Auf vollständiges Zuheilen (Versiegen der Secretion in dem Sack der Hydronephrose) ist selbst bei weiter Eröffnung wenig Aussicht. ') Viele dieser kleinen Nierencyslen mögen in ähnlicher Weise, wie die Hydronephrose durch Versperrung des Ureter, durch Versperrung einzelner Harncanälchen entstehen.

Fünfundzwauzigstc

Ahtlieiluiig.

Krankheiten der Samenbläschen und der Ductus ejaculatorii. Anatomie. Die Samenbläschen liegen zu beiden Seiten der Medianebene symmetrisch zwischen Mastdarm und Blase, mit ihren convergirenden inneren die Prostata gerichtet..

Enden

schräg abwärts

gegen

An ihrem inneren Rande steigt das Vas deferens abwärli.

In

dem dreieckigen Räume zwischen diesen beiden Canälen grenzen Mastdarm u n d Blase direct ineinander. — Durchschneidet man ein Samenbläsclien, so scheint es a u s einer Menge von Zellen mit schleimig-gelatinösem Inhalt zu bestehen.

Genauere Untersuchung

lehrt a b e r , dass jedes SamenblSschen aus einem langen, vielfach aufgewundenen Scklauch (bis zu 3 0 Ctm. Länge)

besteht,

ihrer Lage erhalten werden.

dessen Windungen

durch

Der Hals des Samenbläschens

festes

Bindegewebe

In

setzt sich in den Ductus

ejaculatorins f o r t , welcher anderer Seits das Vas deferens aufnimmt und dann in d e r Richtung nach Vorn u n d Oben durch die Prostata, convergirend

mit demjenigen

der

anderen Seite, zum Caput gallinaginis verläuft.

Allgemeine

Uebersicht.

In der Lehre von den Krankheiten der Samenbläschen herrscht viel Verwirrung, weil man einer Seits gewisse Symptomengruppen als Krankheiten dieser kleinen Organe zusammengefasst hat, welchen nachweisbare Veränderungen in denselben nicht entsprechen, und anderer Seits filr bestimmt nachgewiesene anatomische Veränderungen die zugehörigen Symptome anzugeben ausser Stande ist. Zur Aufhellung dieses Dunkels ist, trotz der Fortschritte der pathologischen Anatomie, wenig Aussicht vorhanden, weil die Function der Samenbläschen einer Seits gewiss sehr unbedeutend (Jedenfalls wohl auf einen gewissen Antheil an der Ejaculatio seminis beschränkt) ist, anderer Seits aber noch in verschiedener Weise gedeutet wird. E n t z ü n d u n g e n , namentlich bei vernachlässigten Trippern, können sich von der Harnröhre aus durch Vermittlung der Ductus eja-

Aspermalismus.

263

culatorii auf die Samenbläschen fortsetzen. Als charakteristisch dafür sieht man namentlich die schmerzhaften und bei unvollständiger Erection erfolgenden Ejaculationen an. Ein genauerer Nachweis der anatomischen Veränderungen, welche durch die Entztlndung in den Samenbläschen veranlasst werden, fehlt noch. Vielleicht hängt mit ihr die so häufig anatomisch nachgewiesene (sogenannte) T u b e r k u l o s e (richtiger käsige Entzündung) der Samenbläschen zusammen, welche mit gleicher Erkrankung der Blase, der Prostata, der Hoden, zuweilen auch des Vas deferens aufzutreten pflegt. Vgl. pag. 134 u. 221, auch die folgende Äbtheilung. Ueber den V e r s c h l u s s d e r S a m e n b l ä s c h e n u n d d e r m i t i h n e n z u s a m m e n h ä n g e n d e n C a n ä l e besitzen wir Untersuchungen von G o s s e l i n 1 ) . Das Vas deferens kann an verschiedenen Stellen, namentlich bei seinem Austritt aus dem Nebenhoden oder weiter gegen die Blase hin verschlossen sein. Die Wirkungen eines solchen Verschlusses beziehen sich aber mehr auf den Nebenhoden, als auf das Samenbläschen, welches seinen Charakter als secernirendes Organ auch hierbei geltend macht, indem es nicht obliterirt und seinen Inhalt nicht ganz einbüsst, wenn auch Seitens des Vas deferens ihm nichts mehr zugeführt wird. Oblitération beider Vasa deferentia würde die Unmöglichkeit einer Ejaculatio seminis (freilich voraussichtlich mit bald nachfolgender Atrophie oder anderweitiger Erkrankung der Hoden) bedingen. Wenn bei kräftiger Erection und scheinbar gesunden Genitalien keine Ejaculatio seminis erfolgt, so nennt man dies seltene Gebrechen Samenmangel, Aspcrmatismus. Wahrscheinlich ist hierbei eine Erkrankung der Samenbläschen, wenn sie überhaupt vorkommt, nur Nebensache, vielmehr O b l i t é r a t i o n d e r D u c t u s e j a c u l a t o r i i in Folge von narbiger (durch Verletzungen oder Steine bedingter) oder atrophischer Schrumpfung der Prostata die eigentliche Veranlassung. Jedoch unterscheidet H i c q u e t * ) als eine besondere Form dieses Uebels diejenige, welche auf A t o n i e d e r S a m e n b l ä s c h e n beruhe, und berichtet von Heilung eines solchen Falles durch Electricität, während B. S c h u l z * ) eine s p a s t i s c h e !) Archives générales de médecine. ständigt sind diese

1847.

Untersuchungen

t. XIV. und XV.

durch

Erweitert und Terroll-

R o y e r , Des oblitérations des

voies

spermatiques et de la rétention s p e r m a t i q u e , P a r i s , 1 8 5 7 . *) Bulletin de l'Académie royale de médecine de Belgique. 1 8 6 1 . Vgl. Jabresber. p. 1 8 6 2 . Bd. III. pag. 2 6 9 . ' ) Wiener mediciniscbe Wochenschrift. 1862- No. 4 9 nnd 5 0 .

Canstatt'*

264

Krankheiten der Samenbläschen.

Form beschreibt, die er von Krampf des muskulären Gewebes der Prostata ableitet. Dass bei Stricturen sowie bei Prostatagesch w Ulsten, die Ejaeulation mechanisch in der Art gehindert werden kann, dass der Same in die Blase rückwärts läuft und später mit dem Harn entleert wird, fand bereits früher Erwähnung. — Die Obliteration der Ductus ejaculatorii ist voraussichtlich unheilbar; für die übrigen Formen des Aspermatismus ergiebt sich die Behandlung von selbst. Als eine den Samenbläschen zugehörige Krankheit betrachtete man auch den Samenfluss, Spermatorrhoea, d. h. häufig wiederkehrende Samenergiessungen, welche, ganz ohne geschlechtliche Erregung oder doch auf höchst unbedeutende Erregungen, ohne Wissen und Wollen des Patienten erfolgen. Seit den berühmten Arbeiten von L a l l e m a n d ') hat man diese Krankheit oft zu sehen geglaubt, wo sie gar nicht existirte, und ihr Erscheinungen zur Last gelegt, die von ganz anderen Störungen abhängen. Die Arbeiten von L a l l e m a n d selbst bilden aber noch immer den Ausgangspunkt der Untersuchungen Uber diesen Gegenstand. Die a n a t o m i s c h e n V e r ä n d e r u n g e n , welche man in solchen Fällen, wo wirklich Spermatorrhoe bestand, gefunden hat, betreffen keineswegs blos die Samenbläschen, in denen allerdings Verdickung und Verhärtung der Wände, sog. Tuberkulose, eitriger Inhalt nacbgcr wiesen wurde, sondern ebenso sehr auch andere Theile der UrogenitalOrgane: die Ductus ejaculatorii, die Harnröhre, namentlich deren Pars membranacea und prostatica, die Hoden. Alle diese Theile wurden entzündet, tuberkulös, die Hoden auch atrophisch gefunden. Man unterscheidet zwei Varietäten, je nachdem der Samenerguss blos bei Nacht ( P o l l u t i o n o c t u r n a ) oder auch bei Tage ( P o l l u t i o d i u r n a ) auftritt; jedoch erweisen sich diese Varietäten eigentlich nur als Stadien des Krankheitsverlaufes bei demselben Individuum. Symptome. 1) L o c a l s y m p t o m e d e r P o l l u t i o n e s n o c t u r n a e. Anfangs gehen den nächtlichen Samenergüssen noch Träume und Erectionen voraus. Dieser Zustand, in welchem nur die H ä u f i g k e i t der Pollutionen pathologisch ist, kann lange andauern. Die psychischen Erregungen und die Empfindungen bei der Ejaeulation erlöschen aber nach und nach gänzlich. Die Ejaeulation erfolgt mehrmals in der Woche, später jede Nacht und selbst mehrmals in einer Nacht. Alsbald wird das Sperma auch flüssiger, weniger gefärbt, der ' ) Des perle« 6imio»les inrolontaires.

Paris 1 8 3 6 .

Spermatorrhoea.

265

spetifische Geruch verliert sich, und bei mikroskopischer Untersuchung findet man auffallend wenige Spermatozoiden darin; zuweilen ist es röthlich, blutig, sehr selten eitrig oder gar jauchig, wo dann immer ein schnell tödtlicher Ausgang zu erwarten ist. Anfüllung der Blase oder des Mastdarms, Lage auf dem Rücken, namentlich in weichen warmen Betten, der Genuss aufregender Getränke vermehren die Häufigkeit der Ergüsse. Die Anfangs wollüstigen Träume werden später von schreckhaften Träumen oder einer Art Alpdrücken, verdrängt. Stellen sich wollüstige Träume wieder häufiger ein, so hält man dies für ein günstiges Zeichen. 2) S y m p t o m e d e r P o l l u t i o n e s d i u r n a e . Am Tage erfolgen Samenergiessungen gewöhnlich nur bei Entleerung des Mastdarms und der Blase, namentlich gegen Ende der Entleerung und bei stärkerem Drängen. Beim Stuhlgang könnte die mechanische Einwirkung der Kothballen auf die Samenbläschen von Belang sein, mehr noch ihre mit einer kräftigen Zusammenziehung des Mastdarms gleichzeitig erfolgende Contraction. Dabei findet Anfangs noch eine Art von geschlechtlicher Erregung Statt. Der Kranke empfindet wohl auch noch einen plötzlichen Ruck im Damme, der von der krampfhaften Zusammenziehung des Musculus bulbo-cavernosus abhängt; späterhin fliesst aber der Samen ohne alle Empfindungen ab, so dass er aus der Harnröhre erst austräufelt, nachdem die Entleerung der Fäccs längst beendet ist. In ähnlicher Weise verhält es sich mit den Pollutionen, welche bei oder nach der Harnentleerung stattfinden; das Sperma mischt sich mit den letzten Harntropfen, indem es durch die stärkere Zusammenziehung der Blase mit hervorgepresst wird, und bildet dann auf dem Boden des Gefässes, auch während der Harn noch warm ist, halb durchscheinende wolkige Klümpchen. Im Beginne der Leiden findet eine solche Beimischung von Samen nur Statt, wenn der Harnentleerung irgend eine Erregung der Genitalien kurz vorhergegangen ist. Die Kranken sollen dann auch eine Empfindung von der Zusammenziehung der Samenbläschen haben und selbst fllhlen können, dass ein mehr dickflüssiger Körper ihre Harnröhre passirt. Weiterhin liefert nur die mikroskopische Untersuchung des Harns diagnostische Sicherheit. Man hat die charakteristischen Spermatozoiden immer in den untersten Schichten zu suchen und muss möglichst frischen Harn dazu benutzen. Die Häufigkeit der Pollutiones diurnae wird bei solchen Kranken, denen bereits wiederholt mit den letzten Harnlropfen Sperma abgegangen ist, weiterhin nicht blos durch geschlechtliche Erregungen gesteigert, sondern auch durch andere Gemüthsbewegungen, überdies durch örtliche Reizung, z. B. Reiten,

266

Krankheiten der Sameabiaschen.

Fahren, Anschwellung von Hämorrhoidalknoten u. dgl. m. L a l l e m a n d hält diese Form für die hartnäckigste und bedenklichste. 3) G e m e i n s a m e ö r t l i c h e E r s c h e i n u n g e n . Abgesehen davon, dass im Verlaufe der Krankheit die Pollutionen, welche Anfangs nur Nachts erfolgt waren, sich fast immer auch bei Tage einstellen, ist beiden Varietäten ein Symptom stets gemeinsam, nämlich ein mehr oder weniger hoher Grad von I m p o t e n z . Die Erection entwickelt sich zwar sehr schnell, aber nicht bis zu voller Höhe, und dauert nur kurze Zeit an, während die Ejaculation zu früh erfolgt. Dies Symptom veranlasst die Patienten häufig, bevor anderweitige Störungen bemerkt werden, ärztliche Hülfe zu suchen. Später kommt es zu vollständigen Erectionen gar nicht mehr oder doch nur Morgens, wenn Blase und Mastdarm gefüllt sind und dadurch ein Druck auf die Venen des Penis ausgeübt wird. In seltenen Fällen findet sich fortdauernder Priapismus, ohne dass es zur Ejaculation kommt. Die Impotenz bezieht sich aber nicht blos auf die Erectionen, sondern auch auf die Zeugungsfähigkeit. Unter sonst günstigen Verhältnissen könnte auch bei unvollständiger Erection Sperma in den Uterus gelangen und somit auch Befruchtung stattfinden, sofern nur das Sperma selbst die normale Beschaffenheit hätte. Dies ist aber nicht der Fall. Die Secretion des Sperma selbst leidet; es wird wässriger, enthält nur wenige und pathologisch veränderte Spermatozoiden und wird dadurch zur Befruchtung unfähig. 4) S t ö r u n g e n des A l l g e m e i n b e f i n d e n s . Fieber besteht, nach L a l l e m a n d , bei der Spermatorrhoe nicht; andere Beobachter, W i c h m a n n , S a i n t e - M a r i e , D e s l a n d e s behaupten das Gegentheil. Offenbar wird es darauf ankommen, welche localen Störungen der Spermatorrhoe zu Grunde liegen und wie weit die Kräfte des Patienten durch die Krankheit selbst heruntergekommen sind. Aehnliche Differenzen finden sich in Betreff des Herzklopfens, welches jedenfalls nicht constant gefunden wird. Für unzweifelhaft dagegen hält man den Zusammenhang zwischen Spermatorrhoe und Lungenschwindsucht. Dass beide Krankheiten bei demselben Individuum häufig vorkommen, soll nicht bestritten werden; aber die eine braucht nicht notbwendig die Folge der andern zu sein. Tuberkulose der Lungen führt meist zur Schwindsucht, Tuberkulose der Samenbläschen und der Hoden zur Spermatorrhoe. Aber weder Spermatorrhoe noch Schwindsucht hängen i m m e r von Tuberkulose ab. Gewöhnlich erfreuen sich die Kranken eines guten Appetites und magern doch ab. Die Verdauung bietet aber oft auch Störungen dar, namentlich abwechselnde Diarrhoe und Verstopfung.

Spermatorrhoea.

267

Weiterhin finden sich Störungen im Gebiete der Muskelbewegungen, der Sinneswahrnehmungen und der geistigen Thätigkeiten. — Die Energie der M u s k e l n zeigt sich vermindert, bevor merkliche Abmagerung eingetreten ist; aber auch wenn diese besteht, lässt sich doch der Grad der Schwäche, welchen die Patienten zeigen, aus der Verminderung des Muskelvolumcns schwer erklären und macht die Annahme wahrscheinlich, dass die Energie des Einflusses der Nerven auf die Muskeln wesentlich gelitten habe. Zuweilen kommt es, wie bei Geisteskranken, zu einem gewissen Grade von allgemeiner Lähmung. Als charakteristisch hebt L a l l e m a n d die Muskelunruhe hervor: die Kranken haben einen unwiderstehlichen Drang zu Bewegungen, obgleich sie leicht ermüden und sich bald erschöpft fühlen. — Im Bereich der H a u t n e r v e n finden sich unbestimmte schmerzhafte Empfindungen. Unter den h ö h e r e n S i n n e s o r g a n e n leidet vorzüglich das Auge. Die Pupille ist (in Folge gesteigerter Erregung des Sympathicus?) erweitert, die Retina Anfangs sehr empfindlich, so dass (freilich zum Theil wegen der Erweiterung der Pupille) Lichtscheu besteht. Später soll Lähmung der Retina eintreten. Auch schmerzhafte Empfindlichkeit des Acusticus mit nachfolgender Taubheit wird angeführt. — U n t e r den g e i s t i g e n Fähigkeiten leidet namentlich das Gedächtnis^. In der Regel haben die Kranken entschiedenen Widerwillen gegen das weibliche Geschlecht; später werden sie trübsinnig und verfallen zuweilen in Wahnsinn mit Neigung zum Selbstmord. Aetlologie. Als häufigste Veranlassung und jedenfalls als die directeste sind E n t z ü n d u n g e n zu betrachten, welche sich von der Harnröhre auf die Ductus ejaculatorii, die Samenbläschen, die Vasa deferentia fortsetzen. Unter den zum Beweise hierfür von L a l l e m a n d u. A. aufgeführten Beobachtungen sind freilich viele, in denen gleichzeitig über vorausgegangene Masturbationen berichtet wird. Auch die Wirkung der S t r i c t u r e n würde sich aus der hinter der Strictur gewöhnlich bestehenden und von da auf die Ductus ejaculatorii übergreifenden Entzündung erklären. Der ätiologische Zusammenhang zwischen H a u t k r a n k h e i t e n und Spermatorrhoe lässt sich auch Hindurch Vermittelung der Urethritis begreifen, von welcher wir (pag. 36) sahen, dass sie bei Männern, die an chronischen Ausschlägen leiden, besonders hartnäckig auftritt. K r a n k h e i t e n d e s M a s t d a r m s können in zweierlei Weise auf die Samenbläschen einwirken: entweder mechanisch durch Druck, oder indem die Reizung von dem Mastdarme auf die Samenbläschen übertragen wird. In ersterer Weise wirken hartnäckige Verstopfung und die Geschwülste des Mastdarms; in letzterer Fissura ani, Ascariden, entzündete Hämorrhoidalknoten, welche freilich auch

268

Krankheiten der S.imenbläsclien.

durch Druck wirken können. M a s t u r b a t i o n kann gleichfalls in doppelter Weise zur Spermatorrhoe führen, indem durch die häufige und heftige Erregung einer Seits Entzündung, anderer Seits aber auch Erschlaffung und lähmungsartiger Zustand der Ductus ejaculatorii, der Samenbläschen u. s. f. sieh einstellt. Sehr zweifelhaft ist die üble Wirkung einer vollständigen Abstinenz, welche überdies selten sicher zu erweisen ist. L a l l e m a n d führt freilich eine grosse Anzahl wohlgenährter katholischer Geistlicher auf, welche aus blosser Enthaltsamkeit an Spermatorrhoe gelitten haben sollen; mit solchen Zahlen wird aber kein wissenschaftlicher Beweis geliefert. Ueber den directen Einfluss von K r a n k h e i t e n d e s G e h i r n s u n d R ü c k e n m a r k s kann kein Zweifel bestehen. Es ist bekannt, dass man bei Apoplexien im kleinen Gehirn, bei Erhenkten, denen das Rückenmark zerrissen war und nach ähnlichen Verletzungen (wenngleich nicht immer) Erection und Ejaculatio seminis beobachtet hat. Jedenfalls ist es also nicht gerechtfertigt, wenn L a l l e m a n d auf die Krankheiten des Gehirns und Rückenmarks gar kein Gewicht legt und von ihnen nur „Lähmung der Glieder, des Mastdarms und der Blase" abhängen lässt. Die Annahme liegt nahe, dass gerade ein durch allzuhäufige Erregung veranlasster Erethismus derjenigen Provinz in den Centraiorganen, von welcher die der Ejaculatio seminis vorstehenden Nerven entspringen, der Spermatorrhoe in allen solchen Fällen zu Grunde liege, in denen anatomische Veränderungen der Genitalorgane sich nicht finden. Als a n g e b o r e n e D i s p o s i t i o n zur Spermatorrhoe führt man vor Allem die Enge der Vorhautöflnung (Phimosis) auf. Das in solchen Fällen im Sacke der Vorhaut sich anhäufende Smegma praeputii übt einen fortdauernden Reiz auf die Eichel aus und wirkt somit analog der Masturbation, die allerdings durch diesen Reiz zuweilen auch noch veranlasst wird. Ueberdies nimmt man aber eine besondere S c h l a f f h e i t u n d S c h w ä c h e d e r G e n i t a l i e n als eine angeborene Ursache der Spermatorrhoe an. Unter den N a h r u n g s m i t t e l n hat man namentlich Thee und Kaffee als Ursachen der Spermatorrhoe aufgeführt. Beide wirken diuretisch und wahrscheinlich auch durch Vermittelung der Centraiorgane erregend auf die Genitalien, schwerlich aber wird selbst ihr übertriebener Genuss, wenn nicht andere Veranlassungen hinzutreten, wirklichen Samenfluss d i r e c t bewirken können. Bei der Beschreibung des YerlanfeS theilt man, zur leichteren Uebersicht, die Kranken in zwei Gruppen: 1) solche, bei denen eine erhöhte Reizung oder selbst eine ausgesprochene Entzündung im Bereich der Genitalien besteht, und 2) solche, die offenbar an Erschlaffung (Atonie) der Genitalorgane leiden. Erstere sollen sich bei feuch-

Speriiialorrhoea.

269

tem Wetter und im Herbst besser befinden; für letztere soll trockenes Wetter und der Winter vortheilhaft sein. — Ohne nachweisbare Ursachen zeigt die Sperinatorrhoc entschiedene Remissionen, so dass vorübergehend sogar vollständige Erectionen stattfinden können. C i v i a l e theilt den Verlauf der Krankheit in drei Stadien, die jedoch nicht immer scharf von einander gesondert sind. 1. Unvollkommene Ercction, zu frühzeitige Ejaculation ohne specilische Empfindungen, grössere Flüssigkeit des Samens, reichlichc Secretion. II. Schwellung des Penis tritt nur bei Füllung des Mastdarms und der Blase, namentlich des Morgens ein; eigentliche Erection findet nicht Statt, der Coitus ist so gut wie ganz unmöglich; die Pollutionen erfolgen Nachts ohne Empfindung und ohne Erection. III. Grössere Häufigkeit der Pollutionen bei gänzlichem Mangel der Erectionen. Die Mehrzahl der Kranken verliert den Geschlechtstrieb gänzlich; bei anderen besteht er noch lange trotz völliger Impotenz. Jedenfalls ist der Verlauf der Krankheit c h r o n i s c h und die Verschlimmerung des Ucbels s t e t i g , wenn nicht etwa in seltenen Fällen das höhere Alter die Secretion des Samens ganz aufhören lässt. Diagnose. Die allgemeinen Erscheinungen der Sperinatorrhoc haben nichts Charakteristisches; es sind die Erscheinungen einer Zehrkrankheit. Man hat sich daher nur an die örtlichen Erscheinungen zu halten, deren Werth wiederum nur dann bedeutend ist, wenn man genau beobachten und namentlich in der aus der Urethra sich ergiessenden Flüssigkeit die spccifischen Elemente des Samens (Spermatozoiden) mit Hülfe des Mikroskopes erkennen kann. Anderen Falls wäre eine Verwechselung mit Nachtrippcr möglich. Complicalioucil. Fast niemals bildet die Spermatorrhoc eine einfache Krankheit; wollten wir sie als das Symptom eines Leidens der Samenbläschen auffassen, so müssten wir die Complicalion mit Krankheiten der Hoden, der Prostata, der Blase, des Mastdarms oder der Harnröhre als die Regel bezeichnen. In den meisten Fällen ist es sogar höchst schwierig zu sagen, welches Leiden das primäre und welches das wesentliche sei. Nach R a i g e d e L o r m e s , leiden solche Kranke überdies häufig an Gelenkentzündungen, Verkrümmung der Wirbelsäule, Caries; unzweifelhaft ist, dass sie sehr häufig unter den Erscheinungen der Lungenschwindsucht zu Grunde gehen. Die Prognose ist im Allgemeinen ungünstig. Relativ günstiger ist sie, wenn hartnäckige Verstopfung, Ascariden im Mastdarm, angehäuftes Smcgma praeputii die Veranlassung sind. Weniger Aussicht auf Heilung ist schon, wenn Hämorrhoiden, Fissura ani, Strictur der Harnröhre zu Grunde liegen. Ergiebt sich endlich, dass Masturba-

270

Krankheiten der Samenbläschen.

tionen oder anderweitige Excessus in venere als das einzige oder doch wesentliche ätiologische Moment anzusehen sind, so ist die Prognose am allerungUnstigsten. Besonders beunruhigend ist es, wenn Pollutionen bei Tage vorkommen, und namentlich, wenn mit dem Harne Samen entleert wird. Behandlang. Die Behandlung kann immer nur gegen die der Spermatorrhoe zu Grunde liegende Krankheit gerichtet sein. Bald wird man eine Strictur beseitigen, bald syphilitische Infection bekämpfen müssen, ohne deshalb zu glauben, dass man durch die angewandten Mittel direct gegen die Spermatorrhoe etwas geleistet habe. Die Entzündung der Samenbläschen mit erhöhter Empfindlichkeit des Caput gallinaginis ist offenbar viel häufiger angenommen und behandelt als wirklich erkannt worden. Gegen diese hat L a l l e m a n d als Specificum die K a u t e r i s a t i o n d e s C a p u t g a l l i n a g i n i s mit seinem bereits erwähnten, pag. 29 abgebildeten Höllensteinträger empfohlen. Mit dieser Kauterisation ist viel Unwesen getrieben worden; die meisten Heilungen sind durch sie offenbar bei solchen Männern erzielt, die gar nicht an Spermatorrhoe litten. Um diese Aetzung mit m e h r Sicherheit a u s z u f ü h r e n , hat R o u x d. J. (Gazelte des Höpitaux. 1 8 5 6 . No. I I ) eioen doppelläufigen Katheter construirt, dessen Abtbeilungen über einander liegen. liches Fenster.

Jede Abtheilung in der Nahe des Schnabel-Endes hat ein läng-

Das Fenster der conveien Seite ist vom Schnabel-Ende 1 0 Mm. weiter

entfernt als dasjenige der concaven.

Das Instrument wird so weit eingeführt, bis a u s

dem Fenster der concaven Seite Harn abzufressen beginnt,

— nicht weiter, denn es

k o m m t darauf a n , dass der Schnabel eben n u r bis zu dem hinteren Ende des Fensters der concaven Seite in die Blase eingedrungen sei.

Alsdann befindet sich das Fenster

der convexen Seite genau auf dem Caput gallinaginis.

Demnächst wird ein in dem

Rohr der conveien Seite steckender Mandrin, der an seiner Spitze das mit dein Aetzmittel gefüllte Löffelchen t r ä g t , so weit zurückgezogen,

dass

das

Aetzmittel

genau

dem Fenster entspricht und somit gerade auf das Caput gallinaginis einwirkt. Erichsen

(1. c. pag. 736) bat einen S p r i t z e n - K a t h e t e r angegeben, der am

Schnabel ein Dutzend kleiner Oeflnungen h a t , in seinem Rohre aber einen zwei e n t h ä l t , der durch einen

Mandrin

auf- und abgeschoben

Zoll

langen

Schwamm

kann.

Nachdem der Schwamm durch Eintauchen des Schnabels mit einer kaustischen

Höllensteinlösung getränkt i s t , wird er zurückgezogen, das Instrument

»erden

bis an die zu

Stzende Stelle eingeführt und durch Vorschieben des Mandrin der S c h w a m m gegen das durchlöcherte Ende des Rohrs angepresst und somit ausgedrückt.

In der Mehrzahl der Fälle handelt es sich vielmehr um eine Einwirkung auf das eben so durch die vorhergegangenen Excesse wie durch die Spermatorrhoe selbst tief erschütterte Nervensystem, als um eine Beseitigung örtlicher Krankheiten in der Genitilsphäre. Allerdings kann die Kauterisation des Caput gallinaginis oder auch die blosse Einführung des Katheters, in einzelnen Fällen die Be-

271

Spermatorrhoea.

schaeidung oder Spaltung der Vorhaut ( J o h n s o n , P i t h a ) wesentlich dazu beitragen, um die allzugrosse Erregbarkeit der Genitalnerven (im weitesten Sinne des Wortes) zu vermindern; aber man wird sich auf solche Mittel allein nicht verlassen dürfen. Allgemein werden daher auch die sogenannten kalten Narcotica, mehr noch die specifischen Antaphrodisiaca, wie Kampher, Lupulin, und Bromkali') empfohlen. Kräftigende, aber nicht aufregende Nahrung, kalte Bäder und kalte Douchen sind für die Heilung von Werth. Gegen Abend muss der Patient auf Essen und Trinken verzichten, um Füllung der Blase und des Mastdarms, welche zur Erregung der Genitalien Veranlassung geben könnten, zu vermeiden. Von grosser Bedeutung ist neben den Roborantien, durch welche man die Körperkräfte zu heben sucht, eine „roborirende" Behandlung des Gemilthcs; denn die Meisten dieser Kranken sind nur allzu geneigt, ihren allerdings traurigen Zustand noch schwärzer zu sehen und Heilung filr unmöglich zu halten. Besonders zu warnen ist ?or der noch

immer hie und da forkommenden An-

wendung der C a n l h a r i d e n , des Phosphors und Ähnlicher

Erregungsmiltel.

Will

man

Ableitungen auf die äussere Haut a n w e n d e n , so sind Canlharidenpflaster t u vermeiden, weil das aus ihnen resorhirte Cantharidin aufregend in der Genitalsphäre wirken t o n n t e . Entdeckt man im Bereich

der Wirbelsäule eine

schmerzhafte Stelle, so

wird

man auch gegen diese vorzugsweise alle therapeutischen Bestrebungen zu lenken haben, namentlich werden wiederholte topische Blutentziehungen am Platze sein. *) Vgl. namentlich L a f o n l - G o u z l , Bulletin de t b f r a p e u t i q u e , 1 8 6 1 . Septembre.

Scclisnndzwanzigste Abtlieilung. Krankheiten des Hoden, des Samenstranges und ihrer Umhüllungen. 1

Topographie Am H o d e n s a c k

( S c r o t u m ) unterscheiden

). wir fünf Schiebten: Cutis,

Darios,

C r e m a s t e r , Tunica vaginalis c o m m u n i s , Tunica vaginalis .propria, — Die C u t i s zeigt in d e r Mittellinie des Hodensackes die B a p h e ; sie ist z a r t , bräunlich gefärbt, mit zahlreichen Scbleimbälgen und mit zerstreut stehenden Haaren

b e s e t z t ; letztere

scheinen

mit ihrem Bulbus etwas über die Oberfläche hervorzuragen, namentlich wenn die Haut stark gerunzelt ist. — Die höchst contractile T u n i c a d a r t o s besteht aus einem der Cutis genau a n g e h e f t e t e n , dichten Netzwerk röthlicher Fasern, geht nach Hinten in das Bindegewebe

des Dammes,

nach Vorn

in die Wurzel

des

Penis

über.

Während in

der äusseren Haut die Trennungen der beiden A b t e i l u n g e n des Hoilensackes n u r durch die Bapbe angedeutet wird, bildet die Testikeln.

— Der C r e m a s t e r

Dartos eine Scheidewand

(Tunica

zwischen den beiden

e r j l h r o i d e a ) ist die Fortsetzung der onteren

Fasern des Obliquus abdominis internus und des Transversus abdomiais. ist diese Uuskelscbicht alte Hernien sich im erreichen.

Mit der

sehr d ü n n ; wenn Hodensark

Dartos hängt

befinden, so kann sie eine bedeutende der

Cremaster nur durch

d e r Tunica vaginalis communis aber sehr nalis communis

s. fibrös» ist die Fortsetzung

der Fascia

auch

Mächtigkeit

loses Bindegewebe,

innig zusammen. — Die

hüllt den Hoden und den Sameostrang gleichtnässig.

Tunica

transversalis

mit

vagi-

und

Ihre innere Fläche hängt

dem Busseren Blatt der Tunica vaginalis propria nur lose zusammen. Vas deferens

Gewöhnlich

aber grosse Geschwülste, namentlich

ummit

Zwischen dem

und den Gefässen bildet sie im Samenstrange ein Septum. — Die T u -

nica vaginalis propria

ist ein achter seröser S i c k , besteht somit aus zwei inein-

ander übergehenden Blättern, von denen

das äussere

die nach dem Hoden gewandte

Fläche der Tunica vaginalis communis ü b e r z i e h t , während das innere selbst haftet und d i e s e n , mit Ausnahme des hinteren

an dem Hoden

B a n d e s , an welchem sie eine

Art von Mesenterium f ü r den Nebenhoden b i l d e t , tollständig ühcrkleidet. ist somit n u r an seinem hinteren oberen Bande angeheftet. innerhalb der Tunica vaginalis p r o p r i a , steigt an Samenstrange empor als an der ä u s s e r e n , ») Vgl. Band III. pag. 8 i 7 u. folgd.

und

der inneren

Der

Hode

Die kleine seröse Höhle Seite etwas höher am

setzt sich dann

in

einen

bis

znm

Anatomie.

273

P e r i t o n e u m p a r i e t a l e zu verfolgenden S t r a n g f o r t .

Dieser

Fortsatz

ist die letzte An-

d e u t u n g des f ö t a l e n Z u s a m m e n h a n g e s d e r Tunica vaginalis p r o p r i a m i t dem Bauchfelle. Die H o d e n

liegen s c h r ä g , so dass ihr o b e r e s E n d e e t w a s n a c h Vorn, i h r u n t e r e s

e t w a s n a c h H i n t e n gerichtet

ist.

Der obere Rand

wird vom N e b e n h o d e n

überdeckt.

Die D r ü s e n s u b s t a n z des Hoden selbst ist von d e r Tunica albuginea u m s c h l o s s e n , e i n e r derben,

fibrösen

Haut,

die

von d e r Tunica

i h r e r i n n e r e n Flüche dringen Hände bildet

sie die

vaginalis p r o p r i a

Scheidewäode

unter

dem

Namen

in die

überzogen

wird.

D r ü s e n s u b s t a n z ein.

des Corpus Highmori

d u r c h welche die D u c t u s seminiferi hervortreten.

Von

Am h i n t e r e n

bekannte

Verdickung,

Die eigentliche D r ü s e n s u b s t a n z

des

H o d e n s t e l l t eine s c h w a m m i g e , r ö t b l i c h e Masse d a r , a u s d e r sieb die S a m e n c a n ä l c h e n leicht a l s d ü n n e , lange Faden hervorzerren lassen.

Die von d e r Albuginea a u s g e b e n d e n

S c h e i d e w ä n d e zerlegen die Drüse in eine grosse Anzahl von L a p p c h e n , deren A u s f ü h r u n g s g ä n g e in dein Bete vasculosum Halleri z u s a m m e n s t o s s e n , um d e m n ä c h s t als D u c t u s seminiferi d a s C o r p u s Highmori zu d u r c h b o h r e n .

— Der auf dem o b e r e n

Hoden r u h e n d e N c b e n h o d e

vorderes E n d e , den

zeigt

ein

dickeres

b e t r ä c h t l i c h d ü n n e r e s , h i n t e r e s E n d e , ded S c h w a n z .

R a n d e des

Kopf

und ein

Der ganze N e b e n b o d e

besteht

a u s einem s e h r l a n g e n , in unzahligen dicht gedrängten W i n d u n g e n verlaufenden Canal'. Dieser e n t s p r i n g t a u s den Ausführungsgangen d e s Rete vasculosum u n d setzt sich a n d e r e r Seits in

das Vas d e f e r e n s weiter f o r t , welches

steigt. — Der ganze Hode ist s e h r

beweglich;

von seinem

hinteren

die Tunica d a r t o s u n d

k ö n n e n ihn d u r c h i h r e Z u s a m m e n z i e h u n g e n gegen den L e i s t e n r i n g

Ende auf-

der Cremaster

emporziehen.

Analog d e r ü b e r r a s c h e n d schnellen E n t w i c k l u n g d e r weiblichen Brüste z u r Zeit d e r b e g i n n e n d e n P u b e r t ä t , wachsen auch die Hoden

zur selben

Zeit

binnen

weniger

Monate um d a s Doppelte ihres f r ü h e r e n Volumens und erreichen oft b i n n e n J a h r e s f r i s t die G r ö s s e , zu welcher sie sich ü b e r h a u p t entwickeln

werden.

j u n g e n Mädchen die E n t w i c k l u n g d e r Brüste zuweilen

auffallend lange z u r ü c k b l e i b e n

sieht, so

bleiben

auch

die Hoden

zuweilen

lange

Zeit

und

Sowie m a n a b e r bei manchmal

für

immer

auffallend k l e i n . Der S a m e n s t r a n g des Hoden.

b e s t e h t a u s dem Vas d e f e r e n s , den Gefässen und den Nerven

Diese T b e i l e treten e r s t im Abdominalring

des L e i s t e n c a n a l s

weiter a u f w ä r t s giebt es keinen S a m e n s t r a n g , da die Vasa a u f w ä r t s v e r l a u f e n , d a s Vas deferens z u m Blaseogrunde sich f o r t s e t z t . k r ü m m t sieb ü b e r den

Ramus

a b e r schräg a b w ä r t s ,

Der

Ssmenstrong

horizontalis

pubis

gebt dann in d e r s e l b e n Richtung z u m Hoden. ring ( h i n t e r e

O e f f n u n g des

einem nach O b e n

Leistencanals)

zusammen,

s p e r m a t i c a f ü r sich weiter nach

verlauft d u r c h wie ü b e r

eine

Hinten den Rolle

und

abwärts

wird

von ihm e n t f e r n t .

und

Bei seinem Eintritt in den A b d o m i n a l er

von

d e r Arteria epigastrica

u n d I n n e n offenen Halbbogen u m f a s s t ; j e d o c h bleibt dieselbe

noch 5 bis 9 Millimeter

Innen

Leistencanal,

mit

immer

Das V a s d e f e r e n s l i e g t , im Verhältniss

zu den übrigen Bestandtheilen des S a m e n s t r a n g e s , nach Hinten u n d Aussen und

biegt

sich bei s e i n e m Uebergange in die Cauda epididymidis n o c h weiter n a c h H i n t e n . D i c k e , Glätte u n d Festigkeit

seiner

Wandungen,

dasselbe von d e n biegsamen

dünnhäutigen

k r a n k h a f t v e r d i c k t sind (Varicocele), unterscheiden.

Die A r t e r i e n

wesentlichste ist die A r t e r i a Aorta a b d o m i n a l i s , n a h e den Samenstringes ausmacht.

und

sowie das

Gefässen, von

den

sofern d e r e n Nerven

Renales,

welche a u s

entspringt

und

Wandungen

nicht leicht

dem

einen

a u s drei Quellen.

Die

vorderen U m f a n g e d e r integrirenden

Sie vertheilt sich im Hoden und N e b e n h o d e n . 6 . Aufl. IV.

Die lassen

des S a m e n s t r a n g e s

des S a m e n s t r a n g e s entspringen spermatica,

d e f e r e n t i a l i s e n t s p r i n g t a u s einer der Arteriae vesicales, B a r d t U b e n , Chirurgie.

s t ä r k e r e Volumen

giebt

dem 18

Theil

des

Die A r t e r i a Vas

deferens

274

Krankheiten des Hoden, des Samenslranges und ibrer linhiillungen.

Aeste und läuft an diesem bis zum Nebenhoden h i n a b , wo sie mit

den Aeiteo der

Spermatica anastomosirt und auch noch kleine Zweige zu der Tunica vaginalis comm u n i s und zum Cremaster absendet.

Die A r t e r i a

cremasterica

entspringt aus

der Epigastrica, versieht vorzugsweise den Cremaster und anastomosirt mit der vorhergehenden.

Die V e n e n des Hoden bilden, während sie im Sainenstrang emporsteigen,

ein Bläschenförmiges Geflecht, den P l e x u s p a m p i n i f o r m i s , aus welchem schliesslich die Venae spermaticae hervorgehen.

Die Vena spermatica

in die Vena cava i n f e r i o r , die Ven. sp. sinistra dagegen in die

dextra mündet

direct

Renalis sinislra.

Die

L y m p h g e f ä s s e des Samenstranges ergiessen sich in die Lymphdrüsen des Beckens. Die N e r v e n bilden den ebenfalls in dem Samenstrange enthaltenen Plexus spermaticus, der theils a u s dem Plexus lumbalis der Rückenmarksnerven, llieils aus dem Sympathicus seine Aeste erhält. Die G e f ä s s e und N e r v e n d e s S c r o t u m kommen gleichfalls von verschiedenen Seiten.

Aus der Pudenda interna entspringt in der Höbe der Insertion des Musculus

ischio-cavernosus ein A s t , der wesentlich zur Scheidewand des Scrotum Arteria septi.

verliuft, die

Aus der Femoralis entspringen mehrere kleine Aeste,

Arteriae

p u d e n d a e e x t e r n a e , namentlich zwei, welche sich zur äusseren Haut dei Hodensackes und z u r Dartos begeben.

Alle diese Aeste anastomosiren unter einander.

V e n e n nehmen denselben Verlauf in umgekehrter Richtung; die L y m p h g e f i s s e geben sich zu den oberflächlichen Leistendrüsen.

Die be-

Die N e r v e n des Scrotum entspringen

aus dem Pudendus i n t e r n u s , dem Obturatorius, dem Genito-cruralis, dem Ileo-scrotalis (sämmtlich a u s den Plexus lumbalis und sacralis).

E r s t e s

C a p i t e l .

Bildungsfehler. Chirurgisches Interesse haben eigentlich nur die L a g e v e r ä n d e r u n g e n . Da der Hode einer Seits im Leistencanal oder gar oberhalb desselben dauernd verweilen (Cryptorchismus), anderer Seits aber in fehlerhafter Richtung, namentlich zu weit nach Hinten hinabsteigen kann, muss man, sobald es sich um eine Geschwulst dieser Gegenden handelt, zunächst das Scrotum untersuchen, um sich zu Uberzeugen, ob auch beide Hoden sich an der richtigen Stelle befinden. Eine besondere Bedeutung gewinnt der v e r s p ä t e t e D e s c e n s u s , wenn der Hode auf seinem Wege sich entzündet und anschwillt. Dies kann dadurch bedingt werden, dass der Leistencanal inzwischen für das Volumen des Hoden zu eng geworden ist, kann aber auch auf zufälligen Verletzungen beruhen. Findet sich (1er Hode nicht im Scrotum, so liegt er wahrscheinlich noch in der Bauchhöhle oder im Inguinalcanal. Sehr selten sind die Fälle, wo er längs der Sehenkelgefässe, durch den sogenannten Canalis cruralis, heraustritt, noch seltner diejenigen, in welchen er, durch den Leistencanal hervortretend, weiterhin seinen Weg gegen den After genommen hat. Alle an fehlerhaften Stellen liegenden Hoden sind k l e i n e r und weniger

Bildungsfeblcr.

275

empfindlich, als sonst, besitzen nicht die normale Structur, secerniren kein Sperma und scheinen zu Degenerationen geneigter zu sein. Ausser dieser Form der A t r o p h i e beobachtet inan eine Verkleinerung der ursprünglich zur normalen Grösse entwickelten Hoden in Folge von Erkrankungen, namentlich durch Schrumpfung nach Entzündungen (vgl. Cap. IV.), durch Compression bei Hydrocele (vgl. Cap. V.). Vi d a l erzählt aus eigener Erfahrung zwei Beispiele seltener E k t o p i e n 1) O e s c e n s u s a n o m a l u s

femoralis.

desHoden.

Der Hoden h a t t e , nachdem er durch die

Fossa ovalis fasciae latae hervorgetreten w a r ,

sieb ganz nach Art einer gewöhnlichen

Scbenkelhernie aufwärts gewandt; durch den Leistencanal

war

b r u c h hervorgetreten.

ohne irgend einen Süsseren

In diesem Falle b a t t e

Einfluss den falschen Weg genommen. —

der Iloden Ein

aus

inzwischen

ein Darin-

der Siteren Literatur b e k a n n t e s

Beispiel derselben Ektopie unterscheidet sich d a d u r c h , dass d e r Hoden ursprünglich an der richtigen Stelle hinabgestiegen, von dem Kranken aber

gewaltsam

zurückgedrängt

worden war und erst hierauf den falschen Weg eingeschlagen h a t t e . — 2 ) D e s c e n s u s anomalus perinealis.

Der Hoden lag vor dem

Einschnitt bei d e r Sectio bilateralis macht.

After,

da,

Ein Bruder dieses

wo man den ersten Mannes

bot

dieselbe

Ektopie d a r ; der Vater batte sie nicht. Nach den Untersuchungen von F o l l i n und G o u b a u x (Gaz. m i d . de Parts 1 8 5 6 . no. 1 8 u. folg.) sind die früheren Angaben von M a r s h a i , wonach unter 1 0 , 8 0 0 Conscribirten 5 m i t rechtsseitigem, C mit linksseitigem und nur 1 mit beiderseitigem Cryptorchismus v o r k a m e n , f ü r die relative Seltenheit dieses üebels in der Tbat maassgebend. Ihre Untersuchungen (an Menseben und Thieren) bestätigen a u c h , liegende, namentlich der in der Bauchhöhle zurückgebliebene Entwickelung zurückbleibe.

dass der

anomal

Hode ü b e r h a u p t

in der

In dem Samenbläschen derselben Seite fehlten in 3 Fällen

die Spermatozoiden gänzlich, während sie sich auf der anderen Seite, im S c r o t u m lag, fanden.

In der Leiche eines 20jährigen

Cryptorcbismus konnten auch werden.

auf beiden Seiten

Mannes

wo der

mit

keine Spermatozoiden

nachgewiesen

Beiderseitiger Cryptorcbismus ist somit ein Grund z u r Unfruchtbarkeit, wofür

auch f r ü h e r e Beobachtungen an Thieren sprechen. zurückgebliebene Hode scheint

Der im Bauch oder

eine Art fibröser Entartung zu

Leistencanal

erleiden,

Samencanälcben immer mehr verengt werden, während sich die Septa wickeln.

Hode

beiderseitigem

Weiterhin unterliegt er in der Hegel der fettigen Degeneration.

indem

die

stärker

ent-

Nicht ganz

selten findet sieb eine Trennung der einzelnen Tbeile des Hoden in der Art, dass der eigentliche Hode im Leistencanal zurückbleibt, während deferens von

ihm abgelöst und

in das Scrotum

der Nebenhodc und das Vas

hinabgestiegen

sind.

Alsdann sind

letztere a u c h gut entwickelt und enthalten, ebenso wie das entsprechende chen, eine bräunliche Flüssigkeit, welche jedoch keine Spermatozoiden,

Samenblässondern n u r

gelbliche Kügglchen unter dem Mikroskope erkennen lässt. Godard

(Gax. des böpil. 1 8 5 6 . no. 8 0 .

Moniteur des höpit. 1 8 5 6 . no. 51 u. f.)

bat 4 2 Fälle von Cryptorcbismus gesammelt; 3 7 waren unter diesen 1 2 , in welchem tt Mal Epididymitis).

der zurückgebliebene

Dagegen hat G o d a r d

auch

einseitig (Monorchismus), nnd

Hode krank

war ( 6 Mal Krebs,

6 Fälle b e o b a c h t e t ,

in denen

der

zurückgebliebene Hode gesund und der herabgestiegene krank war (5 Mal in Folge von T r i p p e r , 1 Mal durch den Druck einer Bandage).

Der ektopische Hode ist leicht

Insulten a u s g e s e t z t , namentlich, wenn er im Perineum

liegt.

18*

276

Krankheiten des H o d e n , des Samenstranges und ihrer Umhüllungen.

Zweites

Capltel.

"Verletzungen. W u n d e n d e s H o d e n s a c k e s ' ) sind bei Weitem häutiger gerissene und gequetschte als reine. Letztere können eine bedenkliche Blutung aus den ziemlich starken Arterien des Scrotum bedingen. Aus grösseren Scrotalwunden fallen die Hoden hervor, entweder unmittelbar nach der Verletzung oder später, wenn die Ränder der Wunde durch Gangrän zerstört werden. Dieser P r o l a p s u s t e s t i culi hat keine grosse Bedeutung, sofern nur der Substanzverlust am Hodensacke nicht allzu bedeutend und die Quetschung des Hoden nicht erheblich ist. Die Verletzung kann in solchen Fällen ganz entsetzlich aussehen, namentlich wenn sie sich bis auf den Penis und die benachbarten Bauchdecken erstreckt, und dennoch wird durch eine zweckmässige Behandlung Heilung erzielt. Diese hat vor Allem fllr die Reposition des vorgefallenen Hoden zu sorgen, wobei dieser möglichst schonend behandelt werden muss, während man die Wunde im Hodensack zum Behuf einer leichteren Reposition unbedenklich dilatiren darf. Ist die Verletzung bereits einige Tage alt, so dass zwischen dem Hoden und den Wundrändern sich Adhäsionen entwickelt haben, während die Wundöffnung durch die inzwischen eingetretene Entzündungsgeschwulst zu eng geworden ist, so muss man jene Adhäsionen lösen, die Wunde dilatiren und demnächst reponiren, worauf immer noch ein verhältnissmässig günstiger Erlolg zu erwarten ist. Besondere Beachtung erheischt bei frischen Wunden die Beschaffenheit der Wundränder. Sind diese glatt getrennt und, wenn auch in Lappen zerrissen, doch — dem Ansehen nach — lebensfähig geblieben, so legt man Nähte oder Serres fines an, um in der ganzen Ausdehnung der Wunde genaue Vereinigung zu bewirken. Wenn dagegen die Wundränder bedeutend gequetscht; uneben, zackig sind, so muss man sie vor dem Nähen durch Anfrischung bald mit dem Messer, bald mit der Scheere vollständig glätten, so dass die voraussichtlich der Nekrose verfallenden Theile ganz entfernt werden. Ist die Ausdehnung der Zerstörung zu gross, oder kommt man erst hinzu, nachdem Gangrän eingetreten, so kann zwar von erster Vereinigung gar nicht die Rede sein, aber man kürzt den Krankheitsverlauf wesentlich ab, indem man, sobald nur die Ränder des Defects und der Hoden selbst mit Granulationen bedeckt sind, durch Ablösen und

' ) Vgl. F o u c a r t ,

Gazette des hôpitaux, 1 8 1 6 ,

Décembre.

277

Verletzungen.

Heranziehen der leicht zu verschiebenden Scrotalhaut ( O s c h e o p l a s t i k ) die vorhandene Lücke schliesst oder doch vermindert. Beispiele von glücklicher Heilung bedeutender und stark gequetschter Wunden des S c r o t u m sind nicht ganz selten. I.

Beobachtung von W o l f

(Journal de médecine t. 77).

mit seinem Hörne einem Bauer das

Scrotum,

L u f t und warf ihn dann gegen eine Mauer. Lappenwunde. lagen bloss.

hielt

ihn

Ein Stier durchbohrte

mehrere Secnnden

in

der

M an fand eine gerissene nnd gequetschte

Die Túnica vaginalis war geöffnet, das Septum zerrissen, beide Hoden Die Spitze des Horns batte überdies die Vorhaut zerrissen

und den Penis

d u r c h die Scrotalwunde hindurch gedrängt und in ihr eingeklemmt. Die Wunden wurden mit dem Messer geglättet,

durch Nähte

vereinigt, —

nach

3 Wochen

war die

Heilung vollendet. II.

Beobachtung von R o u x d. Ä. (Discussion sur les plaies d'armes à feu, Bul-

letin de l'Académie de médccine de Paris. 1 8 4 8 . t. XIII. pag. 1 3 1 3 ) . ging eine Flintenkugel von Vorn nach zu

verletzen, aber

Testikel.

Einem jungen Manne

Hinten durch das S c r o t u m , ohne die Testikel

mit vollständiger Zerstörung des

K o u x frischte die gezackten

Wundränder

Septum

und

Prolapsus

beider

a n , reponirte die Testikel

und

vereinigte die Wunden durch die Naht mit vollständigem Erfolge. III. 1806).

Beobachtung von G a s t o n (Annales de la société de médecine de Montpellier,

Ein 70jähriger Mann wurde von einem wild gewordenen Esel etwa 3 0 0 Schritt

weit geschleift.

Der Boden war unebrn und steinig, so dass

zahlreiche Excoriationen,

sondern auch

mit Prolapsus testiculi erlitt.

eine

der Mann

lange Wunde der rechten

nicht

blos

Scrotalhälfte

Der Samenstrang w u r d e , indem der H o d e , während d e r

Körper weiter geschleift w u r d e , Unter das Kreuzbein zu liegen k a m , so heftig gezerrt, dass er

bis

zum

S c r o t u m sowohl

unteren

Drittel

als die Túnica albugínea

des

Oberschenkels

waren durch eine

Steine zerrissen und mit vielen derselben glcichsain war

damit

angefüllt.

Das

obere

Ende

der

gespickt.

Epididymis

hinabreichte.

Menge kleiner

Das

scharfer

Auch die Scrotalhöhle

war

abgelöst.

Gaston

s c h w a n k t e , ob er nicht den Samenstrang abschneiden solle , entschloss sich aber doch zur Reposition, nachdem er die Tbeile auf's Vorsichtigste gereinigt

hatte.

den wurden mit Charpie bedeckt und mit erweichenden

cataplasmirt.

Dccocten

Heilung erfolgte auf dem Wege der Granulation in 3 5 Tagen; jedoch

Die

WunDie

blieben sowohl

d e r Testikel als der Funiculus beträchtlich verdickt, und ersterer adliärirle der Narbe, da er selbst einen wesentlichen Theil der Granulationen geliefert hatte. — Eine ähnliche Beobachtung von V o i l l e m i e r erwähnt F o u c a r t I. c.

W u n d « n d e r H o d e n haben, wenn sie nicht mit erheblicher Quetschung verbunden sind, im Allgemeinen keine grosse Bedeutung, sofern der verletzte Hode übrigens gesund ist. Bestanden bereits Degenerationen, so sieht man diese oft in Folge einer zufälligen Verletzung sich schnell verschlimmern. — Im Allgemeinen bestehen die Gefahren in der Entzündung und der — namentlich wenn zugleich Quetschung besteht, nicht selten eintretenden — partiellen Nekrose. Dabei ist auf die Möglichkeit eines diagnostischen Irrthums aufmerksam zu machen, welchen bereits P e t i t angemerkt hat. Wenn die Verletzung in die Substanz des Testikels eingedrungen ist, so können

278

Krankheiten des Hoden, des Samenstraages und ihrer Uinhülluigen.

sich, namentlich wenn die Wundränder stark klaffen, kleine Bündel von Drüsen canälchen, durch die Entzündungsgeschwulst emporgedrängt, aus der W u n d e hervorwölben und das Ansehen von nekrotischem Bindegewebe gewinnen. Ein unvorsichtiger Arzt oder auch der Kranke selbst kann dann, indem er das nekrotische Gewebe entfernen will, eine grosse Masse von Samencanälchen heraushaspeln, — nach P e t i t , sogar den ganzen Hoden entleeren. V i d a l e r w ä h n t , dass er selbst drei

Mal Zeuge genesen sei, wie der gesunde

Hode irrthümlicher Weise mit einem Traicart

angestochen wurde, ohne

üble Folgen oder auch nur heftiger Schmerz entstanden wäre.

dass

daraus

Noch häufiger s a h er

zufällige Functionen des entzündeten Hoden mit der Lancette ohne Nachtheil, j» s o g a r mit einem gewissen Vortheil (Tgl. Orchitis) ausführen. — Dagegen sind Beispiele

von

üppiger Wucherung eines zufallig punetirten Hoden-Carcinoms nicht minder häufig.

Q u e t s c h u n g e n d e s H o d e n s a c k s (ohne Wunde) erhalten i h r e Bedeutung, abgesehen von dem verschiedenen Grade der Quetschung selbst, einer Seits durch die Betheiligung des Hoden, anderer Seits durch die Masse u n d den Sitz des Blutergusses. Quetschungen d e s H o d e n selbst sind, namentlich im Augenblick der Verletzung, sehr schmerzhaft; weiterhin aber kann der Schmerz, selbst w e n n Eiterung und Nekrose folgt, unbedeutend sein. Alle höheren Grade der Quetschung des Hoden veranlassen Entzündung (Orchitis traumatica), welche fast immer zur Eiterung und gewöhnlich zum Verlust des ganzen Organs führt. Haematocele. B l u t e r g ü s s e i m H o d e n s a c k werden als B l u t b r u c h , H a e m a t o c e l e , bezeichnet. Höchst selten entstehen solche spontan; vielm e h r sind sie fast immer traumatischen Ursprungs, in der Regel von Q u e t s c h u n g abhängig. Der Blutcrguss findet entweder innerhalb oder ausserhalb der Tunica vaginalis propria Statt; im letzteren Falle infiltrirt das Blut das Bindegewebe im Scrotum (Haematocele extravaginalis); im ersteren dehnt es die Höhle der Tunica vaginalis propria aus (Haematocele intravaginalis). 1. H a e m a t o c e l e e x t r a v a g i n a l i s . Blutergüsse in das lockere Bindegewebe des Scrotum können schon durch leichte Quetschungen zu Stande kommen. Das Blut kann sich auch dahin senken bei Verletzungen des Penis, der Inguinalgegend oder des Dammes. Der Hodensack wird meist in dem Grade ausgedehnt, dass seine Falten verstreichen u n d eine wenig schmerzhafte, dunkel blauroth gefärbte, auch wohl bräunlich gefleckte Geschwulst entsteht, welche sich so weit ausdehnen kann, dass auch ein Theil der Haut des Penis zu ihrer Entwickelung verwandt wird. Zuweilen ist die Geschwulst noch

Haematocele.

279

von einem blauen Hofe umgeben, der sich auch Uber das Perineum, gegen die Schenkel hin erstrecken kann. Hierbei handelt es sich offenbar um eine Quetschung geringeren Grades, — sofern Uberhaupt Quetschung vorangegangen ist — und die Prognose ist daher relativ günstig. Die Aufsaugung des ergossenen Blutes erfolgt unter Anwendung der Kälte. Hat sich dagegen das Blut nicht blos in das Bindegewebe infiltrirt, sondern in grösseren Herden oder Klumpen angesammelt, so ist die Resorption nicht mit gleicher Sicherheit zu erwarten, vielmehr entsteht dann gewöhnlich Entzündung und Eiterung. Die D i a g n o s e stützt sieb einer Seits auf die grössere Schmerzhaftigkeit unmittelbar nach der Verletzung und die gewöhnlich bekannte Einwirkung einer grösseren Gewalt, demnächst auf die mehr ungleichmassige Beschaffenheit der Geschwulst, in der man einzelne harte Stellen, gleichsam festere Knoten entdecken kann. Ist aber bereits längere Zeit verstrichen, seit die Verletzung Statt gehabt hat, so kann die Diagnose sehr schwierig werden. Dann kann man zweifelhaft sein, ob der Bluterguss ausserhalb oder innerhalb der Túnica vaginalis sitzt; für Ungeübte wäre selbst eine Verwechselung mit anderweitigen Geschwülsten des Samenstranges und des Hoden möglich. — Die B e h a n d l u n g hat auch hier Eiterung zu verhüten und die Resorption zu befördern. Gelingt dies nicht, so muss der A b s c e s s frühzeitig incidirt werden, um w e i t e r e Eiterinfiltration zu vermeiden. 2. H a e m a t o c e l e i n t r n v a g i n a l i s . Ein Bluterguss in die Höhle der Túnica vaginalis communis entsteht in der Mehrzahl der Fälle gleichfalls in Folge von Quetschungen; jedoch hat man gerade für diese Art der Hämatocele die spontane Entstehung häufiger angenommen. Gewiss hat man viele Hämatocelen der Art als spontan entstanden bezeichnet, deren Entstehung nur deshalb nicht auf eine Verletzung zurückgeführt werden konnte, weil der Patient diese selbst vergessen hatte. Jedoch werden auch von zuverlässigen Autoren Beobachtungen von spontaner Hämatoccle angeführt, in denen jedes Trauma ausgeschlossen und eher eine Dyskrasie (namentlich Scorbut) als Ursache angenommen werden konnte. — Die Túnica vaginalis propria kann vor der Entstehung des Blutergusses entweder normal oder bereits krank gewesen sein; namentlich handelt es sich oft um eine schon länger bestehende Füllung ihrer Höhle mit seröser Flüssigkeit (Hydrocele). Im letzteren Fallé ist die Entstehung der Hämatocele leichter; das ergossene Blut mischt sich mit der bereits angesammelten Flüssigkeit. Die Hydrocele wird in eine Hämatocele umgewandelt. — Die D i a g n o s e der intravaginalen Hämatoccle bietet in der Regel grössere

280

Krankheiten de» Hoden, des Sameaslranges and ihrer Umhüllungen.

Schwierigkeiten dar, weil Sugillationen meist fehlen, auch seltner als bei der anderen Form nachgewiesen werden kann, dass eine Quetschung der Entstehung des Uebels unmittelbar vorhergegangen ist. Am Häufigsten wird diese Hämatocele mit der gewöhnlichen H y d r o c e l e verwechselt, bei deren Beschreibung wir auf die differentielle Diagnose zurückkommen müssen. — Die B e h a n d l u n g vermag nur in ganz frischen traumatischen Fällen die Resorption des in die Höhle der Tunica vaginalis ergossenen Blutes in der oben angegebenen. Weise herbeizuführen. Meist muss dasselbe entleert werden; es handelt sich dann um dieselbe Operation, die wir bei der Hydrocele werden kennen lernen. Niemals wird aber von einer solchen Operation unmittelbar nach der Verletzung, die den Bluterguss veranlasste, die Rede sein können. Erfolgt nämlich der Bluterguss in die Höhle der Tunica vaginalis unmittelbar nach einer Quetschung, so müssen nothwendig auch die übrigen Bedeckungen des Hoden gequetscht sein, und man wllrde daher durch frühzeitige Spaltung zur eitrigen Infiltration derselben Veranlassung geben. — Die s p o n t a n e Hämatocele erheischt vor Allem Berücksichtigung des Grundübels, sofern dies ergründet werden kann und der Behandlung zugängig ist. Incision der Scheidenhaut dürfte dabei niemals indicirt sein.

Dritte« Capitel. Neuralgien des Hoden. Nach dem Vorgange von C u r l i n g , welcher Uber die Neurosen des Hoden besondere Untersuchungen gemacht hat, unterscheidet man die eigentliche Neuralgie dieses Organs von einer erhöhten Empfindlichkeit desselben und bezeichnet letztere als „Reizbarkeit des Hoden". 1.

R e i z b a r k e i t des Hoden.

Irritabletestis.

Die e r h ö h t e R e i z b a r k e i t des H o d e n giebt sich dadurch kund, dass derselbe auch nicht den geringsten Druck, selbst nicht die Reibung der Kleidungsstücke ertragen kann. Schon die Erschütterung bei den gewöhnlichen Bewegungen erregt so heftigen Schmerz, dass der Patient die ruhige Lage nur ungern verlässt. Der Schmerz kann sich auch weiter zur Leistengegend erstrecken und durch Bewegungen veranlasst werden, welche scheinbar mit dem Hoden gar nichts zu thun haben, so namentlich durch Drängen bei der Stuhlentleerung, wobei der Hode durch die Contraction des Cremaster gehoben wird. Steht der Patient aufrecht, ohne den Hoden zu unterstützen, so ^vird

281

Neuralgien.

der Schmerz sofort erregt oder gesteigert. Bald leiden beide Hoden, bald nur der eine, in manchen Fällen selbst nur ein bestimmter Theil des einen. Keine krankhafte Veränderung lässt sich an den empfindlichen Theilen nachweisen; höchstens besteht eine geringe Schwellung, namentlich am Samenstrange, eine leichte Erweiterung der Venen desselben und Schlaffheit des Scrotum. Gewöhnlich dauert dieser Zustand Monate lang an. Die Patienten sind schwächlichen, sogen, nervösen Temperaments, leiden in der Regel auch anderweitig, namentlich an Hypochondrie und Verdauungsstörungen, und werden, wenn sie es nicht schon sind, durch dies empfindliche Leiden melancholisch. Alle ihre Gedanken werden dadurch absorbirt, das Leben bietet ihnen nichts Erfreuliches, sie bilden sich ein, niemals von diesem Uebel befreit werden zu können, oder hoffen Rettung von der Castration, die sie deshalb oft stürmisch verlangen. A e t i o l o g i e . Häufig lässt sich übermässige oder missbräuchliche Benutzung der Genitalien als Veranlassung nachweisen; in manchen Fällen liegt ihm vielleicht geschlechtliche Abstinenz zu Grunde. V i d a l und R o m b e r g erwähnen Fälle, in welchen die Verheirathung zur Heilung führte. In einzelnen Fällen bleibt diese erhöhte Empfindlichkeit nach Entzündung des Hoden zurück. Die P r o g n o s e ist, trotz der beträchtlichen Störung des Allgemeinbefindens, welche sich bald einstellt, keinesweges schlecht, sofern nur die bedingenden Momente beseitigt werden können. Die B e h a n d l u n g muss daher auch vor Allem auf die Aetiologie des Uebels Rücksicht nehmen. Demnächst muss man für gute Ernährung durch leicht verdauliche Speisen und für Verbesserung der Verdauung Sorge tragen. Kalte Bäder (Sitzbäder), die kalte Douche und der innere Gebrauch des Eisens sind zu empfehlen. Ein Tragbeutel zum Schutz und zur Unterstützung der Iloden schafft Erleichterung. Häufig gelingt es, durch Ablenkung der Aufmerksamkeit dem Patienten das Uebel weniger empfindlich zu machen. Veränderungen des Aufenthaltsortes, Reisen u. dgl. haben sich nützlich erwiesen. Für die seltenen Fälle, in denen das Uebel wirklich auf allzu langer geschlechtlicher Abstinenz beruht, ist die Verheirathung zu empfehlen. Unter keiner Bedingung sollte man sich zur Castration entschliessen, da es sich um ein Leiden handelt, welches einer Seits von selbst oder doch durch viel mildere Mittel zur Heilung gelangen, anderer Seits aber auch nach Entfernung des einen Hoden in dem anderen wieder auftreten kann. H o m b e r g eraählt ein in mehrfacher Beziehung lehrreiches Beispiel. einem Kranken wegen dieses

Uebels einen

Mao h a t t e

völlig gesunden Hoden exstirpirt.

Acht

282

Krankheiten des H o d e n , des Samenstranges und ihrer Umhüllungen.

Tage darauf stellte sich dieselbe Empfindlichkeit in dem anderen Hoden ein.

Sie t e r -

s c h n a n d , nachdem der Mann sich verbeirathet hatte. In drei Fallen von C u r l i n g litten die Kranken

gleichzeitig an

Spermatorrhoe

und wurden durch Kauterisation des Colliculus seminalis gebeilt.

2.

N e u r a l g i e im e n g e r e n

Sinne.

Die e i g e n t l i c h e N e u r a l g i e der Hoden zeigt sich in nieist unregelmässig auftretenden Anfällen von heftigen, stechenden, reissenden, brennenden Schmerzen im Hoden, die zuweilen mit Uebelkeit und Erbrechen, gewöhnlich mit krampfhafter Verkürzung des Cremaster und daher Erhebung des Hoden verbunden und von äusseren Einflüssen, namentlich von Berührung des Scrotum, ganz unabhängig sind. Jedoch kommen auch Fälle vor, in denen, namentlich nach mehrfacher Wiederholung der Anfälle, eine erhöhte Empfindlichkeit des Hoden zurückbleibt und die Berührung desselben einen erneuten Anfall hervorzurufen vermag. Die Heftigkeit einzelner Anfalle kann sich zu einem solchen Grade steigern, dass der Kranke in grösster Aufregung, von Schweiss bedeckt, laut schreiend sich auf der Erde wälzt. Fast immer besteht die Neuralgia testis nur auf einer Seile. Die A e t i o l o g i e ist dunkel. Die Nervi spermatici können bald von der Peripherie her, bald vom Rückenmark aus schmerzhaft erregt werden. In manchen Fällen sah man die Neuralgia testis (durch Irradiation) beim Durchgang eines Nierensteines durch den Ureter auftreten, analog dem dabei häufiger beobachteten Krampf des Cremaster. Selten konnte man die Neuralgie von einer chronischen Orchitis ableiten. Die Verdauungsstörungen, von denen in einzelnen Fällen das Uebel abhängig gewesen sein soll, haben wahrscheinlich nur auf gleicher (aber unbekannt gebliebener) Ursache mit demselben beruht. Die B e h a n d l u n g kann bei dieser Unklarheit der ätiologischen Verhältnisse keine rationelle sein. In den regelmässig intermittirenden Fällen hat man von der Anwendung des Chinin und der Solutio arsenicalis Fowleri gute Erfolge gesehen. Im Uebrigen hat man, wie bei anderen Neuralgien, beruhigende und stärkende Mittel anzuwenden. Die Präparate des Opium, Hyoscyamus, Aconit, der Belladonna u. s. f. sind innerlich und äusserlich mit zweifelhaftem Erfolge versucht worden. Der andauernde Gebrauch von Eisenpräparaten hat sich meist nützlich erwiesen. Auch vom Terpenthin sind gute Erfolge beobachtet, und zwar in Fällen, wo es sich durchaus nicht um ein Nierenleiden handelte. Häufig verlangen die Kranken, deren Geduld durch die Hartnäckigkeit des Uebels auf eine harte Probe gesetzt wird r dringend

283

Neuralgien. nach der Castration.

Da sich mit grosser Wahrscheinlichkeit anneh-

men lüsst, dass nicht der H o d e , sondern die Nervi spermatici und deren Centraiorgane als Sitz des Uebels anzusehen sind, so lüsst sich a priori von dieser Operation wenig erwarten. spricht diesen

geringen Erwartungen.

Die Erfahrung

Wenn C u r l i n g

ent-

den Hoden

nur dann zu entfernen empfiehlt, wenn der Sitz des Uebels im Hoden selbst s e i , so ist nur zu bedauern, dass er nicht auch die diagnostischen Merkmale fllr diesen speciellen Sitz anzugeben vermocht hat. Mehr um die Ungeduld des Patienten

zu beschwichtigen, als in der

Hoffnung auf Erfolg, hat man unschuldigere Operationen vorgenommen, namentlich die Unterbindung der Venen des Samenstranges und subcutane Incision der Tunica albuginea ( V i d a l ) . solche Operationen

die

Mehrmals

haben

einen auffallend günstigen Erfolg gehabt.

Man

könnte daran denken, dass bei der Unterbindung der Venae spermaticae auch die Nerven des Samenstranges mit unterbunden wären.

Wahr-

scheinlich beruht aber die Wirksamkeit aller solcher Operationen blos auf dem Eindruck, den sie auf das gesammte Nervensystem machen, wie man dies auch bei anderen Neuralgien beobachtet hat. M a c C u l l o e b erzählt einen Fall, in welchem nach d e r C a s t r a t i o n der Schmerz im Samenstrang nieder auftrat. — A s t l e y C o o p c r führt drei Fälle a n , in denen die Castration zur Heiluog führte. In dem ersten hatte früher Gonorrhoe bestanden, aber keine Orchitis; in dem zweiten war die Neuralgie mit Varicocele complicirt; in dem dritten bestand zugleich chronische Orchitis. — Ich habe ein Mal die A r t s p e r m a t i c a mit ziemlich lange andauerndem Erfolge u n t e r b u n d e n .

Viertes Capltel. Entzündung des Hoden.

Orchitis.

Anatomliclie Varietäten der Hoden-Entzündung. Die Entztlndung kann den g a n z e n

Hoden ergreifen

oder sich

auf einzelne Theile, namentlich auf den N e b e n h o d e n oder auf die T u n i c a v a g i n a l i s oder auf die e i g e n t l i c h e H o d e n s u b s t a n z

be-

schränken. Danach unterscheiden w i r : E p i d i d y m i s , Vaginalitis, Orchitis. 1.

Entzündung des Nebenhoden.

Epididymitis.

Die E n t z t l n d u n g d e s N e b e n h o d e n kommt unstreitig am Häufigsten isolirt vor.

Es leuchtet e i n , dass wenn der Ausgangspunkt

der Entztlndung in der Urethra liegt und entweder die Entzündungsursache oder die Entzündung selbst durch das Vas deferens weiter geleitet wird, die zahlreichen Windungen des Nebenhoden einen Halt-

284

Krankheiten des Hoden, des S.imenstranges und ihrer Umhüllungen.

punkt darbieten müssen, an welchem die Entzündung sich fixirt. Zuweilen schwillt der Nebenliode an, ohne dass man im Bereich des Vas deferens eine Erkrankung nachweisen könnte (vgl. pag. 287 u. f.). Die Geschwulst ist bei der E p i d i d y m i s relativ grösser, als bei irgend einer anderen Varietät der Orchitis, gewöhnlich uneben, höckrig, zuweilen, wenn der Ilode auf den Schenkeln lag, durch die eigene Schwere seitlich zusammengedrückt. Auffallender Weise lehrt D u p u y t r e n in seinen Leçons orales, dass bei Entzündung der eigentlichen Hodensubstanz sich eine stärkere Schwellung entwickele, als bei Epididymitis. — Die grössere Leichtigkeit, mit welcher die Geschwulst bei Entzündung des Nebenhoden sich entwickelt, lässt sich von anatomischer Seite leicht einsehen. Der eigentliche Hode ist von seiner fibrösen Membran fest umschlossen und kann sich daher, da diese wenig Nachgiebigkeit besitzt, auch nur in sehr geringem Grade ausdehnen. Der Nebenhode dagegen wird durch kein solches Gebilde bei seiner Anschwellung gehindert. Die verschiedene Beschaffenheit der Schmerzen bei Orchitis und bei Epididymitis beruht gleichfalls auf dieser Differenz der anatomischen Verhältnisse.

Die Entzündungsgeschwulst des Nebenhoden entwickelt sich schnell und zeigt in der Regel eine grosse Hartnäckigkeit, indem namentlich im Bereiche der Cauda epididymidis eine Anzahl kleiner Verhärtungen lange Zeit zurückbleiben. Solche nach einer acuten Epididymitis zurückbleibende Indurationen muss man von solchen unterscheiden, die ursprünglich unter den Erscheinungen einer chronischen Entzündung auftreten. Letztere lassen immer auf ein dyskrasisches Moment schliessen (Scrophulose, Syphilis). Nachträglich hat die Entzündung des Nebenhoden besonders auf der linken Seite und vorzüglich nach mehrfacher Wiederholung, nicht selten Varicocele zur Folge. Auch dauernde Schwellungen des Vas deferens und des ganzen Samenstranges, zuweilen von der Grösse, dass der ganze Leistencanal davon angefüllt wird, kommen in ihrem Gefolge vor. Diese Anschwellung kann einen solchen Grad erreichen, dass Einklemmungs-Erscheinungen durch den Druck, welchen der geschwollene Samenstrang im Leistencanal erleidet, hervorgerufen werden. Eine genauere Untersuchung wird freilich einer Verwechselung mit Darmeinklemmung vorbeugen. Bei heftiger Entzündung und Schwellung des Samenstranges können auch Erscheinungen von Peritonitis auftreten, jedoch gewinnt diese selbst bei heftiger Schwellung des Samenstranges selten eine erhebliche Ausdehnung. 2. E n t z ü n d u n g d e r T u n i c a v a g i n a l i s p r o p r i a , V a g i n a I i t i s , l ' e r i o r e b i t i s , Hydrocele acuta.

Wenn man annehmen will, dass in allen solchen Fällen, wo sich bei einer Hoden-Entzündung Erguss in der Tunica vaginalis findet, auch eine Entzündung dieser Membran bestehen müsse, so würde

285

Hoden -Entzündung.

diese Krankheit eine sehr häufige sein und namentlich die Epididym i s fast regelmässig begleiten. In der That ist aber der seröse Erguss in die Tunica vaginalis aus einer stärkeren Füllung der Hodengefässe zu erklären, ohne dass die Tunica vaginalis selbst einen activen Antheil daran zu nehmen braucht. Die Flüssigkeit, welche man bei diesem passiven Erguss in der Höhle der Tunica vaginalis vorfindet, ist klar und wasserhell oder schwach gelblich. Bei einer Entzündung der Tunica vaginalis propria findet sich lebhafter, andauernder Schmerz in der ganzen Ausdehnung dieser Membran. Die Spannung ist oft so gross, dass man Fluctuation nicht zu fühlen vermag. Die Geschwulst ist auch nicht durchscheinend, die Flüssigkeit, welche sich aus ihr beim Anstechen entleert, ist trübe und röthlich. Nach einer solchen Entleerung verschwinden Schmerz und Geschwulst fast ganz. Oft sammelt sich die Flüssigkeit nach kurzer Zeit wieder an; dann ist sie aber mehr seröser Natur, wie hei einer gewöhnlichen Hydrocele. In manchen Fällen folgt auf die Puaction eine Schwellung des Hoden, so dass dieser den Raum, den bisher die Flüssigkeit einnahm, ausfüllt. Die Geschwulst ist bei der Vaginalitis glatt, kuglig, ragt weiter nach Vorn hervor, als bei der Epididymis, und unterscheidet sich von der letzteren überdies durch ihre Prallheit. Nicht selten scheint auf diese Entzündung eine Hydrocele zu folgen. Könnte man die Anamnese bei allen Patienten, die an Hydrocele leiden, bis in die früheste Jugend zurück feststellen, so würde man gewiss bei sehr vielen nachweisen können, dass vor langen Jahren (vielmehr vor mehreren Jahrzehnten) einmal Entzündung der Tunica vaginalis bestanden habe. 3.

Entzündung

der

eigentlichen

Hodensubstanz,

O r c h i t i s im e n g e r e n S i n n e d e s

Orchitis

genuins,

Worts.

Die häufigsten Ursachen dieser Form sind Verletzungen. Sie scheint aber auch rheumatischen Ursprungs sein zu können. Bei jugendlichen Subjecten ergreift auch die durch eine Urethralblennorrhoe erregte Entzündung des Hoden vorzugsweise oder sogar ausschliesslich die eigentliche Drüsensubstanz, welche von der Tunica albuginea umschlossen wird, ohne Erguss in die • Tunica vagiualis und ohne Schwellung des Nebenhoden. Bei Weitem häufiger und namentlich bei allen älteren Subjecten geht der eigentlichen Orchitis eine Epidid y m i s , bald mit, bald ohne Erguss in die Tunica vaginalis, voraus. Die Schwellung ist bei der Entzündung des eigentlichen Hoden weniger bedeutend, als bei den anderen Varietäten. Besteht sie mit Epididym i s zugleich, so hat diese bei Weitem das Uebergewicht. Gesellt

286

Krankheiten des Hoden, des Samensiranges und ihrer Umhüllungen.

sich Erguss in die Tunica vaginalis hinzu, so pflegt diese eine zwischen jenen beiden der Grösse nach in der Mitte stehende Geschwulst darzustellen. Die Gestalt des Hoden bleibt in seiner entzündlichen Schwellung unverändert; er springt stärker nach Vorn hervor, als der geschwollene Nebenhode, weniger stark als die durch Erguss in die Tunica vaginalis bedingte Geschwulst. Gewöhnlich ist es unmöglich, die Grenze zwischen dem geschwollenen Ploden und dem gleichfalls geschwollenen Nebenhoden bestimmt nachzuweisen; sie bilden e i n e harte Masse, die von leicht ödematösem Bindegewebe umgeben und von gerötheter Haut bedeckt ist. Meist wird der Hode durch krampfhafte Spannung des Cremaster etwas emporgezogen. Die eigentliche Orchitis ist schmerzhafter als die anderen Varietäten der Hoden-Entztlndung. Die Schmerzen sind eigentümlich angreifend (lipothymisch) und erstrecken sich nicht blos zur Leistengegend, sondern auch in die Fossa iliaca, gegen die Niere hin, andrer Seits auch in das Bein der leidenden Seite. Lebhafteres Fieber, Uebelkeit und Erbrechen linden sich vorzüglich bei dieser Varietät. Die grössere Heftigkeit der allgemeinen Störung beruht wesentlich darauf, dass die entzündeten Gewebe von einer unnachgiebigen, fibrösen Membran umschlossen sind und bei bedeutenderer Schwellung eingeklemmt werden. Daraus erklärt sich auch, dass häufiger als bei Entzündung der anderen Theile des Hoden nicht blos Eiterung, sondern auch Gangrän entsteht. Wenn der entzündete Hode durch den Cremaster gegen den Leistencanal emporgezogen und der letztere durch den geschwollenen S a m e o s t r a n g ausgedehnt

w i r d , zu-

gleich aber h e f t i g e , im Unterleib aufwärts ausstrahlende

Schmerzen

E r b r e c h e n , ineteoristische Auftreibung des Leibes und d e n , so könnte man einen eingeklemmten

Leistenbruch

(sogen. K o l i k - )

allgemeine Depression sich vor sich zu

Die Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte und die gute Wirkung

fin-

haben glanben. eines Abführ-

mittels klaren das wahre Verhalten auf.

Die Zertheilung der eigentlichen Orchitis gelingt nur in leichteren Fällen. Gewöhnlich bleibt bei chronischem Verlauf Induration oder Atrophie der Hodensubstanz zurück, während die acuten Fälle von einiger Intensität zu einer bald diffus, bald circumscript auftretenden E i t e r u n g führen. Man kann dann in der Tiefe Fluctuation fühlen, während die äusseren Bedeckungen ödematös anschwellen und sich röthen. Der Aufbruch erfolgt langsam, meist unter Nekrotisirung erheblicher Hautstücke. Aus den Oeffnungen drängen sich zunächst hrandige Fetzen der Hodenhäute, später auch Hodensubstanz hervor, wobei (ähnlich wie bei Hodenwunden, vgl. pag. 277) Verwechselung der Samencanälchen mit nekrotischem Bindegewebe vorkommen kann. Die leicht nachzuweisende Beimischung von Samen zu dem aus der Tiefe hervorquellenden Eiter lässt über den Sitz solcher Abscesse

287

Hoden - Entzündung.

keinen Zweifel. Gewöhnlich ist der Verlauf der Hoden-Abscesse auch nach dem Aufbruch sehr langwierig. Die äussere Oeffnung verengert sich schnell, stellt aber wegen der grösseren Ausdehnung der Eiterung in der Tiefe alsbald ein sinuöses Geschwür dar, aus welchem oft versperrende, fungöse Granulationen emporwachsen, die für earcinomatös gehalten werden können, wenn man die Anamnese nicht kennt. Auch tiefe Hodenabscesse mit langsamem Verlauf und beträchtlicher Induration der Umgebungen können den Verdacht eines Carcinoms erregen. Exploratorischc Incisionen können in solchen Fällen die Diagnose allein sichern. E i n e n sehr interessanten Fall der Art erzählt P i l b a , I. c. pag. 59. Aetloloflscke

Varletäteo.

In ätiologischer Beziehung unterscheiden wir: 1) die r e i n e oder i d i o p a t h i s c h e O r c h i t i s , welche durch direct auf den Hoden wirkende Schädlichkeiten, namentlich durch Verletzungen, (Druck, Stoss, Erschütterung, Quetschung, Wunden, fremde Körper), seltener durch rheumatische Einflüsse hervorgerufen wird, 2) die s e c u n d ä r e oder s y m p a t h i s c h e O r c h i t i s , welcher Reizungs- oder EntzUndungs-Zustände in anderen Organen zu Grunde liegen. Gewöhnlich ist der Sitz der primären Entzündung, durch welchc eine solche sympathische Orchitis erregt wird, in der Harnröhre, der Prostata oder der Blase, und bei Weitem am Häufigsten handelt es sich dabei nicht um Reizungen durch fremde Körper, Steine, Bougies oder andere chirurgische Instrumente, sondern um eine bis zum Colliculus seminalis ausgedehnte Urethral-Blennorrhoe ( O r c h i t i s b l e n n o r h o i c a ) . In sehr seltenen Fällen sieht man durch eine sogenannte Metastase von der P a r o t i s her eine secundäre Orchitis entstehen (vgl. Bd. III. pag. 409), welche sich jedoch meist auf eine Exsudation in der Höhle der Tunica vaginalis beschränkt und niemals zur Eiterung neigt'). Zweifelhaft ist die Entstehungsweise der Orchitis, welche man nach langem Stehen, nach einem angestrengten Marsch, nach dem Aufheben einer für die Körperkräfte zu schweren Last, kurz n a c h b e d e u t e n d e n A n s t r e n g u n g e n , welche die Beckenmuskeln vorzugsweise in Anspruch nehmen, sich entwickelt, ohne dass eine Gewalt auf den Hoden selbst eingewirkt hat. V e l p e a u , welcher auf solche Fälle zuerst aufmerksam gemacht ' ) Ganz verschieden hiervon sind die nicht blos im Verlauf der epidemischen otitis, sondern oder

auch

bei Typhus, Blattern, Scharlach auftretenden

metastatischen

Phlegmonen

brandigen Zerstörung zu führen pflegen.

des

Scrotnm,

Par-

spontanen

welche schnell

zur

288

Krankheilen des Hoden, des Samenstranges und ihrer Umhüllungen.

h a t , erklärt sie aus den anatomischen Verhältnissen des Leistencanals. Der Rectus abdominis bilde nämlich mit einem Theil seiner Sehnenfasern schleifenförmige Bündel um den vorderen-Leistenring, so dass dieser bei jeder stärkeren Spannung des Rectus verengt und somit der in ihm liegende Samenstrang comprimirt werde. Diese Compression soll die Ursache der Orchitis sein. Nach V e l p e a u spielt dieses ätiologische Moment auch bei der von Urethralblennorrhoe a b hängigen Entzündung des Hoden eine wichtige Rolle, da solche vorzugsweise nach heftigen Anstrengungen auftrete. Die Entzündung der Urethralschleimhaut wäre hiernach ein prädisponirendes Moment, die Körperanstrengung das occasionelle. Daraus soll sich dann noch weiter erklären, weshalb die Entzündung, obgleich von der Urethra ausgehend, doch in der Regel den Nebenhoden und das Anfangsstück des Vas deferens f r ü h e r und häufiger ergreife, als den im Leistencanale gelegenen Theil des Samenstranges (s. unten). V e l p e a u führt als einen physiologischen Benreis für die Richtigkeit seiner Ansicht von der Verengerung des vorderen Leistenringes durch die Znsammenziebang' des geraden Banchmnskels die Tbatsache a n , dass der In den Leistencanal eingeführte Finger zusammengeschnürt werde, sobald der Patient hustet. Dies beweist freilich nichts für die ausschliefsliche Wirkung des Bectus, sondern zeigt n u r , dass die Spannung der Bauchmuskeln überhaupt den Leistencanal verengert, was man noch entschiedener beobachten kann, weon man einen Menschen den Rumpf aus der liegenden in die sitzende Stellung ohne Hülfe der Arme bringen lässt, wobei die Bauchmuskeln viel stärker angespannt werden. Vgl. Bd. III. pag. 7C9. Endlich ist 3) die d y s k r a s i s c h c H o d e n - E n t z ü n d u n g zu unterscheiden, welche nachweisbar oft auf Grund s y p h i l i t i s c h e r Infection entsteht und durch chronischen Verlauf ausgezeichnet ist. Viele Fälle, die als T u b e r k u l o s e des Hoden bezeichnet werden, sind als dyskrasische Entzündungen aufzufassen. Vgl. Cap. VII. Die t r a u m a t i s c h e O r c h i t i s verläuft in der Regel acut u n d f ü h r t , wenn die Quetschung erheblich w a r , selbst unter energischer Behandlung zur Eiterung. Dagegen unterscheidet sich die durch „grosse Anstrengungen" veranlasste Orchitis fast gar nicht von der b l e n n o r r h o i s c h e n , die wir als den Typus der sympathischen Hoden-Entzündung genauer beschreiben. 1.

0rchitis

blennorrhoica.

Entstehung. Dass eine Blennorrhoe der Harnwege, welche noch besteht oder vor Kurzem bestanden h a t , die Ursache dieser Krankheit s e i , besagt ihr Name. Aber nur höchst selten scheint die Blennorrhoe als solche ein zureichender Grund für die Entstehung der Orchitis zu sein. Auch gesellt sie sich bei Weitem nicht zu allen Blennorrhöen

Hoden-Entzündung.

289

der Haruwege. Es gehören noch andere ätiologische Momente dazu, die nicht genau genug bekannt sind. Häufiger findet sich diese Complication bei Kranken, die während des Bestehens des Trippers keine strenge Diät halten, Anstrengungen aller Art nicht vermeiden und alle möglichen Excesse begehen. Jedenfalls entwickeln sich unter solchen Verhältnissen gerade die hartnäckigsten Formen der Orchitis. Auch eine unzweckmässige Behandlung, namentlich die Anwendung kaustischer Injectionen, ist angeschuldigt worden. Allerdings lässt sich die Möglichkeit einer solchen Wirkung nicht leugnen. Aber man tnuss zugestehen, dass Orchitis bei dieser Behandlung nicht häufiger als bei jeder anderen beobachtet wird. Auch ist zu bedenken, dass man Injectionen überhaupt häufiger in den späteren Stadien der Krankheit anwendet, zu denen sich Orchitis ohnehin häufiger hinzugesellt (s. unten). Endlich darf man nicht vergessen, dass auch unter den scheinbar günstigsten Verhältnissen Orchitis bei Tripperkranken entstehen kann, selbst bei einer durchaus milden und antiphlogistischen Behandlung. Die Heftigkeit der Blennorrhoe hat keinen Einfluss auf die Entwickelung der Orchitis. Sie kann sogar entstehen, bevor noch die Blennorrhoe sich völlig entwickelt hat (bei einer sogenannten Urethritis sicca). Plötzliche Temperaturveränderungen scheinen der Entstehung der Hoden-EntzUndung günstig zu sein. Gewöhnlich tritt sie am Ende der ersten, zuweilen erst der zweiten Woche nach dem Beginne des Trippers auf, zuweilen auch noch später, bis in die sechste Woche hinein. Im Allgemeinen kann man aus ihrem Auftreten darauf schliesen, dass die Blennorrhoe sich bis auf die Pars prostatica urethrae erstreckt. Daher ist Orchitis selten im Beginne der Blennorrhoe, .und der Ausfluss kann anderer Seits schon ganz aufgehört haben, wenn die Orchitis beginnt. Ihre Veranlassung ist nicht die Blennorrhoe als solche, sondern die Entzündung der Pars prostatica urethrae. Beginnt die Entzündung ausnahmsweise in dieser Tiefe, so kann die Orchitis auch ganz im Beginne des Trippers auftreten. Das Alter des Kranken scheint keinen erheblichen Einfluss auf die Entstehung der Orchitis blennorrhoica auszuüben; jedoph findet sie sich relativ häufiger bei jüngeren Subjecten, während bei älteren mehr die Prostata und die Blase sich an der Entzündung betheiligen. Die Prädisposition beider Hoden ist wohl gleich gross, obschon V i d a l häufiger den linken ergriffen s a h ' ) : selten erkranken beide gleich' ) Als Grund für die grössere Häufigkeit V i d a l die anatomischen

der Orchitis auf der linken Seile führt

Verhältnisse der

Vena spermatica

sinistra a n ,

welche

bekanntlich in die Renalis rechtwinklig einmündet, während die rechte direct and unter einem spitzen Winkel in die Cava sich ergiesst. B t r d e l e b e n , Chirurgie. 6. Aua. IV.

19

290

Krankheiten des H o d e n , des Samenstranges und ihrer Umhüllungen.

zeitig. Geht die Entzündung von einem Hoden auf den anderen Uber, so geschieht dies fast immer erst, nachdem sie in dem ersteren beinahe ganz erloschen ist. In welcher Weise die Orchitis mit der Blennorrhoea urethrae zusammenhänge, darüber ist man noch nicht einig. Namentlich fragt es sich, ob die Entzündung sich n a c h d e r a n a t o m i s c h e n C o n t i n u i t ä t durch Vermittelung d e s D u c t u s e j a c u l a t o r i u s und des V a s d e l ' e r e n s von der Urethra zum Hoden weiter verbreite, oder ob sie von einer M e t a s t a s e abhänge. Z u G u n s t e n d e r M e t a s t a s e wird geltend gemacht, dass mit dem Auftreten der Orchitis der Ausfluss aus der Harnröhre aufhöre oder sich doch beträchtlich vermindere. Hieran ist nur wahr, dass Orchitis am Häufigsten in einer Periode der Blennorrhoe auftritt, wo der Ausfluss sich schon sehr vermindert hat. Es giebt Fälle genug, in denen der Ausfluss trotz Orchitis reichlich fortbesteht. Vi d a l , der sich für die Metastase ausspricht, hebt hervor, dass die Entzündung des Vas deferens, welche bei einer Verbreitung nach der Continuität der Entzündung des Hoden vorausgehen müsste, oft gar nicht oder doch erst, nachdem die HodenentzUndung sich bereits vollständig entwickelt hat, nachgewiesen werden kann, dass ferner in der Regel nur e i n Ho d e ergriffen wird, während die Weiterverbreitung der Entzündung doch in gleichmässiger Weise durch b e i d e Ductus ejaculatorii erfolgen müsste, dass endlich metastatische Affectionen im Gefolge des Trippers nicht unerhört seien, wie sich dies namentlich an den gonorrhoischen Gelenkentzündungen erweisen lasse. V e l p e a u erwidert hierauf z u G u n s t e n d e r A n n a h m e der V e r b r e i t u n g n a c h a n a t o m i s c h e r C o n t i n u i t ä t mit Recht Folgendes. Härte und Geschwulst des Vas deferens gehen der entzündlichen Schwellung des Nebenhoden häufig voraus; in solchen Fällen besteht kein Zweifel. In anderen Fällen bleibt das Vas deferens weich und unempfindlich, man könnte in der That glauben, die Entzündung habe dasselbe ganz übersprungen, wenn man sich nicht durch aufmerksame Beobachtung überzeugte, dass grössere Empfindlichkeit und Schmerzhaftigkeit Anfangs im Perineum, dann in der Fossa iliaca und im Leistencanal bestehen, bevor sie im Nebenhoden bemerkt werden. Offenbar ist es aber gar nicht nöthig, dass jede Entzündung der Schleimhaut des Vas deferens Schwellung und Induration des ganzen Canals zur Folge habe. Letztere werden nur dann auftreten, wenn die Entzündung die ganze Dicke der Wand ergriffen hat. Ganz ähnliche Verhältnisse sehen wir bei der Entzündung der Lympligefässe. Gewöhnlich schwellen die Lymphdrüsen an, werden

Hoden-Entzündung.

291

hart und schmerzhaft, ohne dass die Lymphgefässe, welche von dem primär entzündeten Theile ausgehen und durch welche offenbar die Entzündung zu den Drüsen fortgepflanzt ist, sich als geschwollene und schmerzhafte Stränge d a u e r n d erkennen lassen. Die Krankheit verläuft in ihnen schncll und veranlasst nur vorübergehende Erscheinungen, während sie in den Drüsen sich festsetzt und dauernde Schwellung hervorruft. Vgl. Bd. II. pag. 282. Kranklieitserscbeiiiungcii und Verlauf. Häufig geht den localen Symptomen allgemeines Unwohlsein mit Uebelkeit, auch wohl Erbrechen, Ohnmacht, Frostschauer, mitunter selbst lebhafteres Fieber voraus. Der Kranke empfindet eine gewisse Schwere im Scrotum und sucht dasselbe mit den Händen oder durch ein Suspensorium zu stützen. Schmerzen treten häufig nicht zuerst im Hoden, sondern nach dem Verlaufe des Samenstranges oder in der Richtung von den Lendenwirbeln zum Hoden oder auch im Perineum auf. Die Schmerzhafligkeit des Hoden selbst wird weiterhin durch jede Erschütterung, jede Körperbewegung, oft schon durch aufrechtes Stehen gesteigert. Meist ist der Schmerz brennend und hat vorzugsweise im Nebenhoden seinen Sitz, oft aber auch im Hoden selbst oder zugleich mit dem Nebenhoden im Samenstrange, selten in letzterem allein. Die Schmerzen steigern sich bis zum dritten oder fünften Tage und lassen dann, nachdem sie etwa 24 Stunden auf einer unerträglichen Höhe bestanden haben, allmälig wieder nach, ohne jedoch vor Ablauf der zweiten oder selbst der dritten Woche völlig zu verschwinden. Der Schmerz wird durch Druck immer gesteigert; gegen das Ende der Krankheit finden sich Uberhaupt nur noch bei der Berührung Schmerzen. Anschwellung des Hoden stellt sich in der Regel erst ein, nachdem schon einige Zeit Schmerzen bestanden haben. Zuweilen schwillt zuerst der Samenstrang, meist der Nebenhoden. Die Schnelligkeit, mit wclcher sich die Geschwulst (in drei bis fünf Tagen) bis zur grössten Höhe entwickelt, gestattet kaum, den Gang der Anschwellung genau zu verfolgen. Der Ilode erreicht nicht selten die Grösse eines Eies, selbst einer Mannsfaust. Wenn auch der Ncbenhode zuerst und vorzüglich anschwillt, so nimmt doch alsbald auch der Hode selbst Theil. Die Geschwulst erscheint in den ersten zwei bis drei Tagen gleichmässig hart, die Scrotalhaut der kranken Seite glänzend gespannt, geröthet und, namentlich au der äusseren Seite des erkrankten Hoden, an die unterliegenden Theile festgeheftet. Eine genauere Untersuchung der Geschwulst kann man erst nach zwei bis drei Tagen vornehmen, wenn die Schmerzhaftigkeit etwas nachgelassen hat. Dann kann man deutlich zwei Theile unterscheiden: einen hinteren, 19*

292

Krankheiten des H o d e n , des Samenstranges und ihrer Umhüllungen.

länglichen u n d härteren Theil, den Nebenhoden, und einen vorderen, etwas weniger harten, den eigentlichen Hoden. Man darf aber nicht vergessen, dass die relative Lage beider Theile durch einen Bildungsfehler auch umgekehrt sein kann. Gewöhnlich setzt sich die Geschwulst auch auf den unteren Theil des Samenstranges fort. Häufig findet sich ein entzündlicher Erguss in der Tunica vaginalis propria, so dass der Hode von Flüssigkeit umgeben ist und somit scheinbar selbst eine fluetuirende Geschwulst darstellt. Eine solche H y d r o c e l e a c u t a kann zu dem Glauben verleiten, der Hode selbst sei bedeutend geschwollen, während sein Volumen vielleicht gar nicht vermehrt ist. Die Resorption der ergossenen Flüssigkeit erfolgt gewöhnlich ziemlich schnell; war auch der Hode selbst geschwollen, so erscheint sein Volumen und seine Consistenz doch gegen den sechsten Tag der Krankheit gewöhnlich schon wieder ganz normal. Auch die Anschwellung des Samenstranges dauert nicht viel länger. Die Geschwulst des Nebenhoden dagegen vermindert sich Anfangs zwar auch in auffallender Weise; wenn diese Rückbildung aber ungefähr bis zur Hälfte gediehen ist, so tritt ein Stillstand oder doch eine beträchtliche Verlangsamung ein, und selbst nach Monaten findet man in seinem hinteren unteren Theile noch einen harten Kern. — In welcher Weise während dieser Erkrankung die Secretion des Samens abgeändert w i r d , ist nicht bekannt. Das Fieber ist bei der Orchitis blennorrhoica in der Regel nicht erheblich, sobald die Entzündung ihre Höhe erreicht h a t , hört es ganz auf; in leichteren Fällen kann es Uberhaupt fehlen. In ätiologischer Beziehung schliesst sieh die sehr seltene und höchst gefährliche Orchitis prostatica

an die Orchitis blennorrhoica n a h e an.

wenn t i t e r aus einem Prostata-Abscess

in das Vaa delerens

Sie entsteht nämlich,

hindurchbricbt

und auf

diese Weise in den Hoden gelangt, der dann plötzlich unter den heftigsten Schmerzen anschwillt.

Jede Harnentleerung treibt aufs Neue Eiter und demnächst auch Harn in

den tloden und bedingt daher eine Steigerung der

Entzündung,

die deshalb

bald in

Eiterung und Drand übergeht und ausser der Gefahr der localen Zerstörungen oft auch noch Urämie nach sich zieht.

Das plötzliche und stürmische Auftreten, die Heftigkeit

der Erscheinungen, der gleichzeitig sich einstellende AusDuss von Eitermassen aus der Harnröhre,

endlich die

Berücksichtigung

der Anamnese sichern die Diagoose

dieser

gefährlichen Form der Orchitis.

2.

O r c h i t i s s y p h i l i t i c a , s y p h i l i t i s c h e H o d e n g e s c h w u 1st.

Als s y p h i l i t i s c h e H o d e n g e s c h w u l s t hat man alle diejenigen chronisch-entzündlichen Processe im Hoden bezeichnet, die von syphilitischer Infection abhängig sind. Schon A s t r u c und B e n j a m i n B e l l haben auf die Beziehungen eines syphilitischen Allgemeinleidens zum Hoden aufmerksam gemacht, genauere Untersuchungen Ober

293

Hoden-Entzündung. diesen Gegenstand verdanken wir A s t h l e y

Cooper

und

Dupuytren.

Die

Unter-

suchungen über diesen Gegenstand sind a b e r noch keineswegs allgeschlossen.

Während die vorstehend beschriebene blennorrhoisehe Orchitis als eine vom Tripper abhängige Localaffeetion des Hoden aufzufassen ist, bei welcher man das Bestehen einer allgemeinen Infection keineswegs vorauszusetzen hat, handelt es sich hier um ein von der primären Localaffection unabhängiges Leiden, welches im Verlauf der Lues universalis auftritt. In Betreff des Verlaufes unterscheidet man zwei Varietäten. 1. Die Anschwellung b e g i n n t im N e b e n h o d e n , zuweilen wird auch gleichzeitig der Hoden selbst ergriffen, Erguss in die Höhle der Tunica vaginalis tritt immer erst später auf. Die Geschwulst ist in der Regel beträchtlich, uneben, schmerzhaft. Zuweilen sind die Schmerzen von der Art, dass der Kranke am Krebs zu leiden glaubt. Gewöhnlich werden b e i d e H o d e n z u g l e i c h ergriffen. Anfangs glaubt man oft, es mit einer gewöhnlichen Orchitis blcnnorrlioica zu thun zu haben; aber der Irrthum klärt sich bald auf; denn während jene von einem Hoden auf den anderen überspringt, entwickelt sich diese auf beiden Seiten gleichmässig weiter, oder macht wenigstens auf der anderen Seite keine Rückschritte, während sie auf der zuletzt ergriffenen fortschreitet. Aus der Anamnese ergiebt sich, dass eine Urethralblennorrhoe vorhergegangen ist, neben welcher in der Regel aber auch ein Schanker bestanden hat. V i d a l meint, es handle sich um eine Orchitis, zu der sich Syphilis gesellt habe. Vielleicht wäre es richtiger, die Krankheit als Orchitis in einein syphilitisch inficirten Körper aufzufassen. 2. Ohne wesentliche Schmerzen sieht man bei Männern, die früher schon an anderweitigen scenndär-syphilitischen Affectionen gelitten haben, eine Schwellung der Hoden entstehen, welche in der Regel Anfangs nur eine Seite befallt, später aber auch auf den anderen Hoden übergeht. Die Geschwulst b e g i n n t meist in d e r e i g e n t l i c h e n H o d e n s u b s t a n z und erreicht niemals eine bedeutende Grösse, wohl aber eine sehr erhebliche Härte. Die Gestalt des Hoden bleibt dabei unverändert, selbst wenn er auf mehr als das Doppelte seines normalen Volumens anschwillt. Der Nebcnhode kann dabei ganz unbetheiligt bleiben oder in Folge des Druckes der Hodengeschwulst sogar atrophiren. Obgleich die Oberfläche des angeschwollenen Hoden keine höckerige Beschaffenheit zeigt, kann man doch einzelne härtere Stellen unterscheiden, die sich wie aufgelagerte Schilde ausnehmen, allmälig aber zusammenfliessen und dadurch eben dem Hoden eine so auffallende Härte verleihen. Zuweilen wird der andere. Hode

294

K r a n k h e i t e n des H o d e n , des Samenstranges und ihrer U m h ü l l u n g e n .

ergriffen, bevor der zuerst befallene den höchsten Grad der Entartung erreicht h a t ; in anderen Fällen ergreift das Uebel den zweiten Hoden erst, nachdem der zuerst ergriffene bereits seine Rückbildung begonnen hat. Zuweilen erfolgt diese in der Art, dass der Hode zur normalen Beschaffenheit zurückkehrt; in anderen Fällen wandelt er sich in fibroides Gewebe um ( R i c o r d ) und kann dann entweder völlig verschrumpfen (/der, wenn äussere Schädlichkeiten hinzutreten, auch ulceriren. R i c o r d hält auch den Uebergang in Krebs für möglich. Allerdings werden Syphilitische keine Immunität gegen den Krebs der Hoden besitzen und es mag oft genug schwer sein, ohne längere Beobachtung eines Kranken bestimmt auszusagen, ob er an Krebs oder an einer syphilitischen Hodengeschwulst leide; aber ein Uebergang der letzteren in Krebs ist deshalb doch nicht erwiesen. Wahrscheinlich ist der ganze Process als eine dyskrasische Entzündung aufzufassen, die, je nach der Heftigkeit der Erkrankung und je nach den individuellen Verhältnissen des Kranken, bald diesen bald jenen Ausgang, bei jedenfalls chronischem Verlaufe nehmen kann. Die Prognose ist nicht günstig. Wenn auch R i c o r d ' s Ausspruch, dass der Hode jedes Mal verloren sei, eine Uebertreibung enthält, so muss man doch zugestehen, dass viele Hoden durch dies Uebel funetionsunföhig werden und dass dann oft eine Verstimmung des Gemüthes folgt, die sich bis zur tiefen Melancholie steigern kann. Behandlung

der

Hoden-EntzUndonf.

Eine grosse Menge zum Theil sehr eingreifender Mittel ist gegen die Entzündung der Hoden angewandt worden; gewöhnlich bringen sie alle keine wesentliche Aenderung in dem Verlauf der Krankheit hervor. Die häufigste und mildeste Form — die durch Tripper bedingte E p i d i d y m i t i s bald mit, bald ohne Erguss in die Tunica vaginalis und mit geringer Reizung des eigentlichen Hoden — nimmt in der Regel den oben beschriebenen Verlauf, trotz der Entfaltung des ganzen antiphlogistischen Apparates. Damit soll aber nicht gesagt sein, dass man die Hoden-Entzündung sich selbst überlassen sollte. Bei grosser Heftigkeit der Schmerzen und bei lebhaftem Fieber leisten Eis, Blutentziehungen und Ableitungen auf den Darm vorzügliche Dienste, und gewiss wird in vielen Fällen durch eine solche Behandlung einer schlimmeren Entwickelung der Krankheit, namentlich dem Uebergreifen auf den eigentlichen Hoden vorgebeugt. Jedenfalls muss der Kranke alle Bewegungen des erkrankten Theiles sorgfältig vermeiden. Nur in ganz leichten Fällen darf er das Lager verlassen, muss aber dann durch einen gut passenden Trag-

Hodeo-Eoliüodung.

295

beutel den Hoden sorgfältig unterstützen. Auch im Bett muss durch entsprechende Verbandstticke für erhöhte und sichere Lage des erkrankten Theils gesorgt werden. Als ein sicheres Mittel, um die Entzündung ganz zu unterdrücken oder doch schnell zur Rückbildung zu bringen, Jiat man längere Zeit die C o m p r e s s i o n angesehen, welche durch F r i c k e in die Praxis eingeführt worden ist. Obgleich die Sicherheit der Wirkung sich nicht allgemein bestätigt hat, so ist die Compression (gleichmässig und nicht allzu stark angewandt), doch als ein werthvolles Heilmittel anzuerkennen. Die sogenannte F r i c k e ' s c h e E i n w i c k e l u n g des entzündeten Hoden zum Behuf der Compression wird mit Streifen eines gut klebenden, aber nicht zu sehr reizenden Heftpflasters (etwa gleiche Theile Emplastrum Cerussae und Emplastrum adhaesivum Ph. B. zusammengeschmolzen) in folgender Weise ausgeführt. Nachdem der ganze Hodensack recht sorgfältig rasirt ist und Heftpflasterstreifen von 2 bis 3 Ctm. Breite und 18—30 Ctm. Länge in hinreichender Anzahl bereit gelegt sind, um das Scrotum in seiner abnormen Ausdehnung mit doppelten Schichten bedecken zu können, nimmt der Wundarzt, zwischen den Beinen des auf dem Rande des Bettes, besser noch eines Tisches, sitzenden Kranken Platz, schiebt den gesunden Hoden möglichst weit aufwärts und umfasst, mit der linken Hand die Haut gleichmässig spannend, die Gegend des Samenstranges der kranken Seite, gleichsam den Hals der durch den kranken Hoden gebildeten Geschwulst. Oberhalb der so umfassten Stelle führt die rechte Hand rings um diesen Hals den ersten Pflastcrstreifen und legt diesen mit Unterstützung einzelner Finger der linken Hand (oder eines Gehülfen) möglichst glatt, ohne alle Faltenbildung und hinreichend fest an, um dem Hoden das Ausweichen nach Oben während der weiteren Anlegung des Verbandes unmöglich zu machen. Diese Cirkeltour wird an derselben Stelle mehrmals wiederholt, um ihr eine hinreichende Festigkeit zu geben, da sie die eigentliche Basis des ganzen Verbandes ist. Demnächst folgen, von ihr absteigend, weitere Cirkeltouren, die einander immer mindestens zur Hälfte decken müssen, bis man zu der Stelle gelangt ist, wo sich der grösste Umfang der Geschwulst befindet. Wollte man die Anlegung derselben Gänge weiter abwärts fortsetzen, so wUrden sie keinen hinreichenden Halt haben und leicht abgleiten. Die folgenden Touren werden daher in verticaler Richtung geführt, so dass man die Streifen zuerst in der Richtung von Hinten nach Vorn, dann von einer Seite zur anderen anlegt, bis die ganze Geschwulst überall gleichmässig bedeckt ist. Zur Sicherung kann man

296

Krankheiten des Hoden, des Samenstranges and ihrer Umhüllungen.

dann noch einzelne Pflasterstreifen in Spiraltouren um die Longitudinalstreifen herumfuhren. Während des Anlegens des Verbandes u n d einige Stunden nachher empfindet der Patient lebhafteren, oft sogar sehr heftigen Schmerz, der aber allmälig dumpfer und erträglicher wird und sich nach höchstens vier Stunden jedenfalls so weit erinässigt haben muss, dass er von dem Kranken nicht viel höher angeschlagen wird, als der vor dem Anlegen des Verbandes empfundene. Ist dies nicht der Fall, so hat man anzunehmen, dass der Verband nachtheilig wirke und muss ihn, nachdem er mit warmem Wasser gehörig erweicht ist, vorsichtig wieder entfernen. Wird der Verband gut ertragen , so nehmen an den folgenden Tagen nicht blos die Schmerzen stetig a b , sondern die Geschwulst vermindert sich auch in solchem Grade, dass der Verband lose wird und, sofern man die Behandlung auf dieselbe Weise weiter fortsetzen will, entfernt und erneuert werden muss. Die Entfernung wird wesentlich erleichtert, wenn man mit einem vorn abgestumpften Scheerenblatt zwischen die Pflasterstreifen eindringen und die ganze Pflasterkapsel spalten kann. Dabei ist aber grosse Vorsicht nöthig, um Verletzungen der Scrotalhaut zu vermeiden. Man hat v e r s u c h t , die Wirkungen dieses umständlichen e r r e i c h e n , dass man das Scrotum in der angegebenen bestrich.

Verbandes dadurch zu

Ausdehnung mit

Die Schrumpfung des letzteren ist aber so beträchtlich,

Collodinm

dass er einen un-

erträglichen Druck a u s ü b t , an einzelnen Stellen zerspringt und dabei die Ton der Haut

abreisst,

beabsichtigte Zweck und G y p s r e r b a o d e

wodurch

durchaus

schmerzhafte Schrunden

nicht erreicht

entstehen

wird. — Dagegen

Epidermis

und somit

können

der

Kleister-

statt der F r i c k e ' s c l i e n Einwickclung angewandt werden.

Wenn die Krankheit, trotz der bisher erwähnten Mittel, ihren Gang weiter fortsetzt, so nimmt man zu operativen Eingriffen seine Zuflucht. V e l p e a u hat zuerst für die Fälle, in welchen es sich vorzugsweise um einen Erguss in die Höhle der Túnica vaginalis h a n delte ( H y d r o c e l e a c u t a ) die Punction dieser Membran empfohlen. Ein kleiner Einstich von etwa 1 — 2 Ctm. Länge genügt zur Entleerung der Flüssigkeit, wenn man das Messer in der Wunde lässt und ein wenig dreht, um die Wundränder von einander zu halten. Diese Punction hat sich in vielen Fällen nützlich erwiesen, indem der Schmerz dadurch beseitigt u n d der Verlauf der Krankheit wesentlich abgekürzt wurde. Natürlich bleibt dieselbe völlig erfolglos, wenn nur ein unbedeutender Erguss in der Túnica vaginalis besteht und die Krankheit ihren wesentlichen Sitz im Hoden oder Nebenhoden selbst hat. F ü r diese Fälle hat V i d a l , ermuthigt durch die Erfolge V e l p e a u ' s , die Punction der entzündeten Drüse selbst, namentlich also die Inc i s i ó n d e r A l b u g í n e a unter dem Namen des „Débridemtnt du testicule" empfohlen. Offenbar hat dieser etwas kühne Name nicht

297

Hoden - Entzündung. gerade Vertrauen zu der Operation erweckt.

Jedenfalls ist ein kleiner

Einstich von l ' / t Ctm. Länge, selbst wenn

er bis in die Substanz

des Hoden eindringt, nicht gefährlich, und die Befürchtung, dass Zerstörung des ganzen Organs, Impotenz u. dgl. m.

die Folgen

dieser

Operation sein milssten, ist ungegrtlndet; anderer Seits ist aber nicht zu leugnen, dass Vi d a l die günstigen Wirkungen derselben mit etwas zu

lebhaften

Fabbcn geschildert

hat,

obgleich auch andere Aerzte

einen plötzlichen Nachlass der Schmerzen

und schnelle Rückbildung

der Entzündung danach beobachtet haben ')Fällen besonders zu empfehlen sein,

wo

Sie möchte in solchen

man bei grosser Heftigkeit

der Entzündung den Eintritt der Eiterung befürchten

muss und auf

diese Weise dem Eiter von Vorn herein einen Ausweg bahnen will, so namentlich auch bei O r c h i t i s p r o s t a t i c a .

Die theoretische B e -

gründung spricht bei jeder eigentlichen Orchitis, wie bei anderen eingeklemmten Entzündungen, zu Gunsten der Punction. Bereits ausgebildete A b s c e s s e sind frühzeitig und ausgiebig zu eröffnen.

Die Oeffnung muss gross sein und hinreichend weit erhal-

ten werden, um die Heilung von der Tiefe aus zu begünstigen und Sinuositäten zu verhüten.

Sind solche entstanden, so ist nach den

für sinuöse und fungöse Geschwüre gültigen Vorschriften (Bd. I.) zu verfahren.

Zögert die Heilung wegen Starrheit (Induration) der Ab-

scesswandungen

und gelingt

deren Schmelzung

setzte Anwendung der feuchten Jodkali,

nicht durch fortge-

Wärme und inneren

Gebrauch

des

so muss m a n , nachdem durch diagnostische Einschnitte die

Sachlage völlig aufgeklärt ist, den Hoden exstirpiren. Neben den vorstehenden, auf die I n d i c a t i o m o r b i abzielenden Maassregeln handelt es sich bei der secundären Orchitis oft auch um Erfüllung der I n d i c a t i o c a u s a l i s .

Niemand denkt wohl mehr daran,

die vermeintliche Metastase rückgängig zu m a c h e n ,

indem man den

Tripper aufs Neue erregte oder die Parotitis wieder suchte.

hervorzurufen

Vielmehr ist es bei Orchitis gonorrhoica die Aufgabe, durch

eine entsprechende Behandlung die Urethralblennorrhoe zu beseitigen, bei Orchitis prostatica das Einströmen von Eiter in das Vas deferens durch Ableitung

desselben vermittelst des Katheterismus zu verhü-

ten u. s. f. Von besonderer syphilitischen

Bedeutung ist

Orchitis.

die Indicatio

Gewöhnlich sind

causalis

bei

der

Quecksilber-Präparate

in solchen Fällen schon vor dem Auftreten des Hodenübels gebraucht worden.

Ist dies nicht der F a l l , so beginnt man mit ihnen die B e -

' ) Vgl. namentlich S m i t h , the Lancet 1 8 6 4 , II. No. 6 .

298

Krankheiten des Hoden, des Samenstranges und ihrer Umhüllungen.

handlung. Anderen Falls giebt man sogleich Kalium jodatum, welches nach vorgängiger Anwendung der Quecksilber-Präparate gerade die glänzendsten Erfolge zeigt. Seit der Einführung dieses Mittels sind unzählige Hoden, die man früher durch die Castration entfernt hätte, erhalten und wirklich geheilt worden. J . L. P e t i t hat das Verdienst, zuerst die Möglichkeit der Heilung solcher H o d e n geschwülste durch eine antisyphilitische Behandlung nachgewiesen t u h a b e n . Boyer,

Dupuytren

D e s a u l t,

und dessen Schüler folgten der Lehre P e t i t ' s .

Man

schritt

zur Castration e r s t , wenn die Mercurialien sieb unwirksam erwiesen hatten. Als ein lehrreiches Beispiel f ü h r t Vi d a l folgende Beobachtung an.

Ein SOjähri-

ger Mann von scrophulösem Ansehen und schwächlichem Körperbau h a t t e vor 6 J a b r e n , 1 8 Monate lang ohne Behandlung am Tripper

gelitten.

Als 6 Monate später Ulcerp-

tionen an der Eichel u n d an der Vorhaut (ohne neue Infection) a u f t r a t e n , wurde eine Mercurialbehandlung eingeleitet.

Weiterhin entstand a b e r ein H a u t a u s s c h l a g , der jedoch

nicht als syphilitisch angesehen w u r d e , und eine Schwellung der AchseldrGsen, welche zur Eiterung führte. boller

Betupfung mit

Auch eine Ulceration im Munde zeigte sich, Höllenstein,

vernarbte.

Endlich

schwoll

die,

nach wieder,

auch,

während

der

Kranke Soldat w a r , der linke Hode an und erreichte in vier Monaten eine ungeheure Grösse.

Anfangs war e r h a r t , später immer weicher, fortdauernd aber s c h m e r z h a f t , in

dem G r a d e , dass die Schmerzen sich bis zur Nierengegend hinauf erstreckten.

Nach

viermonatlichen therapeutischen Bemühungen wurde im April 1 8 4 1 z u r Castration geschritten und die Vernarbung der Wunde in sechs Wochen erreicht.

Zwei J a h r später

schwoll der rechte Hode in ähnlicher Weise a n , so dass er im August 1 8 4 3 die Grösse zweier Fauste e r r e i c h t e , namentlich äusserst schmerzhaft war.

im unteren Umfange sehr hart u n d

fortdauernd

Eine grosse Menge von Blutegeln, Einreibungen der grauen

Salbe u n d Einhüllungen in indifferente Pflaster führten in sechs Wochen Besserung h e r b e i , aber der Kranke vermied keinerlei Excesse,

bedeutende

namentlich auch nicht

sexuelle, und darauf kehrten die Schmerzen noch heftiger als früher zurück. Aufnahme in die Klinik Vi d a l ' s fand dieser jetzt den floden

Bei seiner

grösser als die Faust,

eiförmig, d e r Gestalt nach einer llydrocele ähnlich, aber viel schwerer als eine solche. Vorn fand sich etwa im Umkreise eines Zolls ein Anschein von Flucluation, im Ucbrigen war die Geschwulst h a r t . sprechen.

Alles schicn

für einen

Markschwamm

Aus der Anamnese glaubte jedoch V i d a l

des

schwulst scbliessen zu müssen und verordnete deshalb Kalium j o d a t u m . drei Drachmen verbraucht w a r e n ,

Hoden

auf eine syphilitische

zu

Hodenge-

Nachdem etwa

Hessen die Schmerzen schon nach.

Nach

Ablauf

eines halben Jahres war die Anschwellung um die Hälfte gesunken und der Schmerz ganz verschwunden.

Das Jodkalium wurde ausgesetzt

und

unter

Anwendung

einer

Salbe von Jodblei erfolgte die vollständige Rückbildung des Hoden zur normalen Grösse. Ich kann eine ähnliche Beobachtung hinzufügen. mich ein

Im Februar

1851

40j3briger Mann wegen einer schmerzhaften Hodengeschwulst.

Hode h a t t e die Grösse einer starken

Faust, der rechte diejenige eines

Beide waren stellenweise h a r t , an anderen Stellen fast Infection wurde entschieden abgeleugnet.

fluetuirend.

consultirte Der

linke

Hühnereies.

J e d e syphilitische

Narben waren am Penis nicht zu entdecken.

Dennoch glaubte ich wegen des gleichzeitigen

Leidens beider Hoden

testiculi vor mir zu haben n n d verschrieb Jodkalium.

kein Carcinoma

Erst nach sechs J a h r e n

kaita

der Mann wieder zu mir, um m i r für die vollständige Heilung zu danken und reuig zu b e k e n n e n , dass er vor vielen Jahren einen Schanker am Scrotum gehabt habe.

Beide

299

Wasserbruch. Testikel waren j e t z t , bis auf kleine Härten, vollkommen normal und

schmerzfrei.

welche dem Hoden aufzuliegen schienen,

Leider konnte

der

Mann m i r nicht

bestimmt

a n g e b e n , wie lange er den Gebrauch des Jodkalium fortgesetzt habe.

FAnftes

Capitel.

Wasserbrucli.

Hydrocele.

W a s s e r b r u c h , H y d r o c e l e , nennt man im weitesten Sinne eine durch Ansammlung von Flüssigkeit gebildete Anschwellung des Hodensackcs. Die Flüssigkeit kann in das Bindegewebe infiltrirt oder abgekapselt sein. Im ersteren Falle handelt es sich um O e d e m a s c r o t i , welches immer nur das Symptom entweder eines Allgemeinleidens oder einer Erkrankung benachbarter Organe ist und eine selbstständige Bedeutung nicht hat. Hier haben wir uns nur mit der a b g e k a p s e l t e n Form zu beschäftigen, welche b a l d in d e r H ö h l e d e r T u n i c a v a g i n a l i s p r o p r i a (oder dem P r o c e s s u s p e r i t o n e i ) , bald in e i n e r C y s t e , bald in e i n e m B r u c h s a c k ihren Sitz hat. In BetrefT der a n a t o m i s c h e n

Verhältnisse

Hydrocele verweisen wir auf V i r c h o w , Bd. I. pag. 1 5 5 — 1 6 8 und

I.

der verschiedenen Formen der

die k r a n k h a f t e n

Geschwülste,

Herlin

1863

279-283.

llydrocele tunicae vaginalis propriae.

Diese Art ist unter allen Formen des Wasserbruchs bei Weitem die häufigste; wenn man von H y d r o c e l e a c q u i s i t a oder von H y d r o c e l e s c h l e c h t w e g spricht, so versteht man darunter die Ansammlung von Flüssigkeit in der Höhle der Tunica vaginalis propria. Wie in anderen serösen Höhlen, so kann auch liier der Wassererguss bald acut, bald chronisch erfolgen. Von der a c u t e n H y d r o c e l e wurde bereits bei der Hoden-Entzündung gehandelt, mit welcher sie in inniger Verbindung steht (vgl. pag. 284). Hier haben wir es nur mit der c h r o n i s c h e n Form zu thun. Aetiologic. Abgesehen von der sehr häufigen H y d r o c e l e c o n g e n i t a , welche wir gesondert beschreiben wollen, findet sich der Wasserbruch bei Kindern sehr selten, dagegen äst er bei Erwachsenen unter allen Lebensverhältnissen und in den verschiedensten Klimaten eine häufige Krankheit, jedoch relativ häufiger in heissen Klimaten, namentlich in Brasilien und auf den westindischen Inseln, wo er oft ohne nachweisbare Veranlassung entsteht'). Eine solche ist freilich

' ) Nach H y r t l : in Folge d e r häufigeren Insultationen des in der Hitze abhängenden

Scrotum.

schlaff h e r -

300

Krankheiten d e s H o d e n , des Samenstranges u n d ihrer

Umluillungen.

auch bei manchen Wasserbrüchen, welche bei uns vorkommen, nicht aufzufinden, namentlich bei Greisen. Man hat Hydrocelen der Art als spantane, essentielle, symptomatische bezeichnet. Forscht man genau nach, so ergiebt sich oft, dass vor langer Zeit eine Verletzung das Scrotum getroffen hat oder dass in der Jugend einmal Orchitis bestand, und man ist wohl berechtigt, solche Störungen, wenn sie auch lange vorhergegangen sind, doch als Ursache der Hydrocele aufzufassen '). Als directe Veranlassungen sind nämlich alle diejenigen Einwirkungen zu betrachten, welche Entzündung des Hoden und der Tunica vaginalis oder Behinderung des Blutlaufs in den Venen des Samenstranges zur Folge haben. Dahin gehören besonders die verschiedenen Grade der Quetschung, namentlich auch die leichteren, wie sie beim Reiten nicht seilen vorkommen, ferner Blennorrhöen der F,g'

f

fi5'

Urethra, endlich auch die Compression des Samenstranges bei grossen Anstrengungen (deren Mechanismus pag. 2 8 8 erläutert wurde) oder durch eine im Becken befindliche Geschwulst,

durch

eine im

Leistencanal liegende Hernie Kraukhcitserscheinougeu. \ Die Geschwulst ist im Allgemeinen von birnförmiger G e s t a l t , die Spitze gegen ' ) D a m i t soll n i c h t i n A b r e d e g e s t e l l t w e r d e n , dden a s s Leistenring, H y d r o c e l e a u c h die a l sBasis A u s d rabuck eines bydramischen Allgeaieioleideos auftreten kaun. wärts gerichtet (Fig. 6 5 ) . Zuweilen findet sich etwas oberhalb der Mitte der Geschwulst eine seichte Einschnürung. Das obere Ende erreicht in der Regel nicht den vorderen von

301

Wasserbruch.

dem Übrigen Peritonealsack abgeschnürt hat. In solchen Fällen niuss also ein grosser Theil des Processus vaginalis peritonei offen geblieben sein, so dass sie gleichsam den Uebcrgang zu den Fällen von Hydrocele congenita machen, in denen die Communication zwischen (lern Processus vaginalis und der Peritonealhöhle ganz offen geblieben ist. Selten hat die Geschwulst statt der bimförmigen eine kugligc Gestalt; noch seltener ist ihr Qucrdurchmcsser grösser als der verticale. Diese Verschiedenheiten erklären sich aus der ursprünglichen Gestalt der Tunica vaginalis und ihrer nicht immer überall gleiehmässigen Stärke (Dehnbarkeit). Die G r ö s s e der Geschwulst überschreitet selten diejenigen des Kopfes eines neugebornen Kindes. Jedoch kommen Fälle vor, in denen die Hydrocele sogar dem Kopfe eines Erwachsenen gleichkommt oder als eine langgestreckte Geschwulst bis zu dem unteren Drittel des Oberschenkels hinabreicht. V i d a l f ü h r t einen

Fall d e r Art aus eigener

Erfahrung a n .

Ich

habe

deren

sieben g e s e h e n , von denen der eine sogar eine doppelte Hydrocele war.

Das G e w i c h t der Geschwulst ist immer nur dasjenige eines gleichen Volumens Wasser, ihr specifisches Gewicht daher immer geringer, als das irgend einer anderen Hodengeschwulst. Meist lässt sich F l u c t u a t i o n sehr bestimmt erkennen, wenn man an der einen Seite der Geschwulst die Hohlhand flach auflegt und auf der anderen mit dem Finger anschlägt. Bei strotzender Füllung und dadurch bedingter Prallhcit der Geschwulst, sowie auch bei erheblicher Dicke der "Wandungen kann die Fluctuation undeutlich werden. Gewöhnlich ist die Geschwulst d u r c h s c h e i n e n d . Um hierüber Aufschluss zu erhalten, muss man sie von der einen Seite beleuchten, während man von der anderen Seite durch ein f e s t a u f g e s e t z t e s Rohr hindurchsieht. Ein umgekehrt aufgesetztes Stcthoscop ist hierzu sehr passend. Man muss es aber fest aufsetzen, um nicht durch die nebenbei einfallenden Lichtstrahlen getäuscht zu werden. Nimmt man diese Besichtigung mit gehöriger Sorgfalt in einem verdunkelten Zimmer vor, so erhält man zugleich über die Lage des Hoden und des Samenstranges Aufschluss. Hierbei wird vorausgesetzt, dass die in der Hydrocele enthaltene Flüssigkeit an sich nicht undurchsichtig ist und dass weder die Tunica vaginalis propria, noch auch die übrigen Bedeckungen in

302

Krankheiten des H o d e n , des Samenstranges und ihrer Umhüllungen.

dem Grade verdickt s i n d , dass sie den Durchgang der Lichtstrahlen unmöglich machen. In der Regel liegt die von Flüssigkeit ausgedehnte Höhle der Tunica vaginalis propria v o r u n d ü b e r d e m H o d e n , so dass also der letztere im hinteren unteren Theile der Geschwulst zu suchen ist. ') Verlauf. Gewöhnlich entwickelt sich die Hydrocele während eines oder mehrerer Jahre bis zu der Grösse, welche sie Uberhaupt erreichen wird, und bleibt dann stationär. In seltenen Füllen beendet sie ihr Wachsthum schneller'), zuweilen setzt sie es längere Zeit fort. Immer wächst sie von Unten nach Oben, d h. vom Hoden gegen den Leistenring. Niemals verschwindet sie von selbst. Die wenigen Erzählungen vom plötzlichen Verschwinden einer Hydrocele bei Erwachsenen verdienen keinen Glauben.

Bei Kindern

beobachtet

man

allerdings

ohne Kunsthülfe Resorption des Wasserbruchs, worauf wir bei der H y d r o c e l e

auch con-

g e n i t a , zu welcher diese Falle gehören, zurückkommen werden.

Das durch eine Hydrocele ausgedehnte Scrotum ist, wegen seiner Grösse, noch häufiger als ein normales, V e r l e t z u n g e n ausgesetzt. Diese k ö n n e n zur Heilung des Wasserbruchs führen, indem die Tunica vaginalis propria (bald mit, bald ohne die äusseren Bedeckungen) zersprengt, und die Flüssigkeit entweder direct nach Aussen oder in das Bindegewebe des Scrotum entleert wird. Iin letzteren Falle ist die Heilung nur vorübergehend; der Riss in der Tunica vaginalis heilt, und die auf solche Weise wieder geschlossene seröse Höhle füllt sich auch sehr bald mindestens ebenso strotzend wieder mit Flüssigkeit, wie vorher. Ist die Entleerung direct nach Aussen erfolgt und Luft in die Höhle der Tunica vaginalis eingedrungen, so entsteht Eiterung, und der vorher von der Flüssigkeit eingenommene Raum wird durch Granulationen ausgefüllt. Eine solche Heilung ist dann radical. Beobachtungen von s u b c u t a n e r Z e r s p r e n g u n g der Hydrocele und Resorption der in das Scrotum ergossenen Flüssigkeit ohne üble Zufälle sind ziemlich zahlreich. E s bedurfte nur ruhiger Lage und der Anwendung von Bleiwasser-Umscbligen, um das Scrotum

schnell

zu seinem

normalen Zustande zu führen.

Serres

erwähnt

sogar

einen Kranken, der die Zersprengung der Tunica vaginalis absichtlich herbeiführte, so oft seine Hydrocele eine hinderliche Grösse erreicht hatte.

Inbalt d e s Wasserbrucbs. In der Regel ist die in einer Hydrocele enthaltene Flüssigkeit gelbliches Serum, wie es sich auch bei Ascites und Hydrothorax findet, nur viel concentrirter. In alten Hydrocelen fehlt selten eine reichliche Beimischung von Cholestearin, dessen schillernde krystallinische Tafeln man in der entleerten Flüssig>) Vgl. Fig. 6 6 , wo die vordere Wand der Tunica vaginalis ausgeschnitten ist. ' ) Auf die sog. H y d r o c e l e a c u t a (pag. 2 8 4 ) nehmen wir hier nicht weiter Rücksicht.

303

Wasserbrucb.

keit sogleich mit blossem Äuge erkennt. Gewöhnlich ist die Flüssigkeit in lange bestehenden Hydrocelen auch trübe oder etwas dunkler gefärbt. Braunrothe Farbe und die Beimischung von Albumin- (Fibrin-) Flocken lassen darauf schlicssen, dass die Ilydrocele aus einer Hämatocele entstanden, oder dass in eine schon bestehende Ilydrocele ein Bluterguss erfolgt ist (vgl. Hämatocele). Besonders merkwürdig sind die seltenen Fälle, in denen die Flüssigkeit eine milchige oder eine wasserhelle, schwach opalisirende Beschaffenheit zeigt. Fälle der ersteren Art sind von V i d a l als G a l a c t o c e l e beschrieben worden, da die chemische Untersuchung eine grosse Uebereinstimmung mit Milch — jedenfalls einen grossen Reichthum an Fett — erkennen liess. Der F a l l , in welchem V i d a l zum ersten Mal eine s o g e n a n n t e G a l a c t o c e l e beoba c h t e t e , w a r folgender.

Ein

kräftiger, grosser Mann,

der als Soldat

in Africa

und

apäter als berittener Gensdarm auf den Antillen gedient und während dieser Zeit m e h r mals a m T r i p p e r , niemals a b e r an

einer

Krankheit d e r

Hoden gelitten hatte, wurde

plötzlich, während e r ruhig im Bett lag, von einem schmerzhaften Gefühl von Schwere in den Hoden hefallen.

Er b e m e r k t e

auch,

dass sie s t ä r k e r waren

als sonst

und

konnte von da ab u n t e r ziehenden Schmerzen ein stetiges W a c h s t h u m derselben beobachten.

Da die Chirurgen auf den Antillen,

weil sie die Geschwülste

undurchsichtig

f a n d e n , sich zu einer Operation n i c h t e n t s c h l o s s e n wollten, so reiste der Mann n a c h Frankreich und stellte sich V i d a l vor.

Die beiden Geschwülste hatten die Gestalt der

Hydrocelen, ihr unteres dickeres Ende w a r etwa von der Grösse d e r F a u s t eines 7jährigen Kindes, die Fluctuation w a r deutlich ; durch Druck k o n n t e m a n die Lage des f ü r Druck empfindlicheren Hoden n a c h w e i s e n , a b e r j e d e S p u r von Durchsichtigkeit fehlte. Die Samenstränge gesund.

In der Voraussicht,

Hydrocelen

vor sich

zu h a b e n ,

ent-

schloss sich V i d a l dieselben z u p u n e t i r e n und dann v e r d ü n n t e l o d t i n e t u r einzuspritzen. Hit grossem E r s t a u n e n sah er aus der Canüle eine weissgelbliche Flüssigkeit a u s f l ö s s e n , welche sogleich m i t grösster Sorgfalt an den Apotheker des Hôpital du midi,

Grassi,

abgeliefert ward, der in Gemeinschaft mit L e c o m t e die Untersuchung dieser Flüssigkeit ausführte.

Sie w a r g e r u c h l o s , von leicht salzigem Geschmack, dem Ansehen nach

einer recht fetten Emulsion oder g u t e r 1,01 (Wasser =

1).

Milch ähnlich.

Bei mikroskopischer

I h r specifisclies Gewicht w a r

Untersuchung

entdeckte

man

darin

eine

grosse Menge von sogen. Milchkügelchen, d. h. F e t t t r ö p f c h e n , die von einer Membran umschlossen waren. rinnung bewirkt.

Die Reaction war alkalisch.

Durch

Kochte man die Flüssigkeit in einem

Siedehitze wurde

keine Ge-

flachen

G e f ä s s , so bildete sich

auf der Oberfläche eine H a u t und die Flüssigkeit erhob s i c h ,

wegen d e r Behinderung

der Verdunstung durch diese H a u t , ganz ebenso wie k o c h e n d e Milch.

Durch Essigsäure

wurde nicht in d e r k a l t e n , wohl a b e r in d e r erhitzten Flüssigkeit Gerinnung bewirkt. Setzte man zu der milchähnlichen Flüssigkeit Kochsalz zu, so konnte man eine klare Flüssigkeit a b f i l t r i r e n , in welcher dann durch Siedehitze Gerinnsel e n t s t a n d e n .

Durch

Mineralsäuren wurden in

ebenso

der

milchigen Flüssigkeit

durch schwefelsaures K u p f e r , durch Alkohol u. s. f.

s o f o r t Gerinnsel e r z e u g t ,

Es k o n n t e h i e r n a c h angenommen

werden, dass etwas Albumin in der Flüssigkeit enthalten sei.

Der S c b l u s s , welchen

G r a s s i zieht, dass man Casein anzunehmen h a b e , weil die Siedehitze keine Gerinnung

304

Krankbeilen des H o d e n , des Samenstranges und ihrer

Umhüllungen.

b e w i r k t e , ist irrig, da die Gerinnung des Albumins durch die alkalische Beschaffenheit der Flüssigkeit, in der es gelöst w a r , gehindert werden konnte. mit Aether Hess sich ohne Schwierigkeit

Bei der Behandlang

eine so grosse Menge ton

dass man daraus Butler darstellen konnte.

Fett

ausziehen,

Ausserdem wurde in der Flüssigkeit sowohl

durch die T r o i n m e r ' s c h e Probe als auch durch einen Gährungsversuch,

welcher eine

ansehnliche Menge von Kohlensäure lieferte, Zucker nachgewiesen.

Von unorganischen

B e s t a n d t e i l e n enthielt sie Chlornalriutn und eine Spur von Kalk.

Phospborsaure und

schwefelsaure Salze konnten darin nicht entdeckt werden. —

Solche fetthaltigen Hy-

drocelen sind auch von P i t h a beobachtet worden.

In anderen, gleichfalls seltenen Fällen, die man als S p e r m a t o c e l e ' ) oder H y d r o c e l e s p e r m a t i c a bezeichnet, lässt der wasserhelle, schwach opalisirende Inhalt der Hydrocele unter dem Mikroskop einen grossen Reichthum an S p e r m a t o z o i d e n erkennen. In welcher Weise die mikroskopischen Elemente des Samens in die Höhle der Tunica vaginalis propria gelangen sollten, erschien früher unbegreiflich. G o s s e l i n nahm an, dass es sich in allen diesen Füllen nicht um eine Ausdehnung der Tunica vagin. propr., sondern um eine Cystenbildung an und aus der Hodensubstanz selbst handele. Diese Erklärungsweise lässt sich aber auf solche Fälle nicht anwend e n , in denen die Flüssigkeit nachweisbar in der Höhle der Tunica vagin. propr. enthalten war. L u s c h k a ' ) hat uns zu einer richtigen Einsicht verholfen, indem er nachwies, dass unter dem Kopfe des Nebenhoden ein, vom Visceralblatt der Tunica vagin. propr. umschlossenes, mit den Samencanälchen des Nebenhoden in offner Verbindung stehendes und daher auch meist mit Sperma gefülltes Bläschen (sog. ungestielte M o r g a g n i ' s c h e Hydatide), als Ueberrest eines der obersten Blinddärmchen des W o l f ' s e h e n Körpers, fast regelmässig vorkommt und bald durch übermässige Ausdehnung, bald durch Platzen und Entleerung seines Inhaltes in die bereits Wasser enthaltende Höhle der Tunica vagin. propr., zur Entstehung einer Hydrocele spermatica Veranlassung geben kann. Im ersteren Falle entsteht eine Hydrocele spermatica cystica, im zweiten eine Hydrocele spermatica tunicae vaginalis propriae. P i t b a f ü h r t f ü r j e d e dieser Species ein genau

untersuchtes Beispiel an. — Ich

habe selbst d r e i Fälle der Art beobachtet, von denen zwei zu der letzteren, einer zu der ersteren Varietät gehörte.

Der eine dieser Falle wurde von Hrn. G r o b e besonders

' ) S p e r m a t o c e l e w i r d , nach dem Vorgange von M o r g a g n i ,

von vielen Aatoren

nicht die von a n s gemeinte Species der Hydrocele, sondern eine, angeblich durch absolute geschlechtliche Abstinenz und ä h n l i c h e , höchst problematische Urwehen bedingte Anhäufung und Znrückbsltung des Samens im H o d e n , Nebenhoden und Vas deferens genannt, deren wirkliches Vorkommen jedoch wiesen ist.

noch keineswegs er-

Der Name Speruiatocele ist daher zweideutig.

*) „Ueber die Appendikulargebilde des Hoden."

V i r c h o w ' s Archiv, Bd. VI. pag. 3 1 0 .

305

YVasserbrach. genau untersucht und gab Veranlassung zu dessen Arbeit SamenkörperVirchow's

„ Geber die Bewegung der

Archiv, Bd. 32, 1863, Hft. 4. — Dass solche Falle nur

bei Individuen vorkommen können, deren Hoden Samen absondern, leuchtet von selbst ein.

Die Veränderungen, w e l c h e die U m g e b u n g e n d e r Ges c h w u l s t e r l e i d e n , sind meist nicht von grosser Bedeutung; selbst, wenn die Geschwulst eine sehr bedeutende Grösse erreicht, wird die Haut weniger verdünnt, als von den benachbarten Theilen herbeigezogen. Die tiefer liegenden Bedeckungen werden manchmal durch den stetigen Druck mehr oder weniger verdünnt, so dass sie an einzelnen Stellen sogar durchbrochen werden können, wodurch die Geschwulst dann eine höckrige Oberfläche erhält. Zuweilen werden sie hingegen verdickt, namentlich die Tunica vagin. propria, bald durch Anlagerung von Gerinnseln, zumal wenn die Hydrocele aus einer HSmatocele entstanden ist, bald auch durch wirkliche Wucherung. Nicht ganz selten kommen im letzteren Falle Verknöcherungen in der Tunica vaginalis vor. Wenn der Ho d e nicht der Ausgangspunkt der Krankheit ist, so ist er, je nach der Grösse der Hydrocele mehr oder weniger comprimirt, atrophisch. Entsprang dagegen die Hydrocele aus einer Erkrankung des Hoden (Orchitis), so findet man an ihm auch die von dieser Krankheit abhängigen Veränderungen. Daher sind denn namentlich Nebenhoden und Samenstrang nicht selten erheblich verdickt und verhärtet, die Albuginea von fibrösen (sklerotischen) Auflagerungen unregelmässig Uberzogen, die zum Theil eine gestielte Gestalt annehmen und nach Ablösung des Stiels zu f r e i e n K ö r p e r n d e r S c h e i d e n h a u t (analog den Gelenkmäusen) werden können. Die Hydrocele kann auch den Samenstrang in ähnlicher Weise auseinander drängen, wie eine voluminöse Hernie. Endlich kann eine B r u c h a n l a g e oder selbst ein wirklicher Bruch durch die Hydrocele bedingt werden. Da die Tunica vagin. propr. durch einen, aus der Obliteration des übrigen Processus vaginalis peritonei hervorgehenden Strang mit dem Bauchfell zusammenhängt, so bedingt die Ansammlung von Flüssigkeit in ihrer Höhle eine Zerrung am Peritoneum parietale, welche zur Entstehung eines Bruchsackes Veranlassung geben kann. Die Diagnose der Hydrocele ist in den meisten Fällen, wenn nämlich die oben beschriebenen Symptome deutlich entwickelt sind, sehr leicht; in anderen Fällen kann sie aber auch sehr schwierig sein. Wir haben hierauf schon beim L e i s t e n b r u c h (Bd. III. p. 859 u. t ) eingehen müssen und werden bei der Beschreibung der Hodcngeschwülste (Cap. VII.) auf die differentielle Diagnose zurückkommen; in seltenen Fällen gewährt nur die Punction vollkommene Sicherheit. B t r d e l e b e n , Chirurgie. 6.Aufl. IV.

20

306

Krankheiten des Hoden, des Samenstranges und ihrer Umhüllungen.

Prognose. Die Hydrocele ist keine lebensgefährliche Krankheit; aber wenn ihr Volumen bedeutend wird, veranlasst sie erhebliche Beschwerden, theils durch ihre Grösse und ihr Gewicht (wodurch auch Atrophie der Hoden entstehen kann), theils durch die Verziehung der Haut des Penis, wodurch dessen Functionen, namentlich die Bildung des Harnstrahls gehindert wird, so dass der Harn Uber die Scrotalhaut sich ergiesst und auf dieser Excoriationen veranlasst. Beliaadlnilg. Vergeblich hat man Versuche gemacht, durch Anwendung von Mitteln, welche die Resorption befördern sollten, die Heilung der Hydrocele zu bewirken, wenn sie nicht etwa ganz frisch aus einer Entzündung der Tunica vaginalis entstanden, oder von solcher Beschaffenheit war, dass ihre Heilung auch ohne Zuthun der Kunst erwartet werden konnte, namentlich also bei Kindern. Vgl. H y d r o c e l e c o n g e n i t a . Man muss sich daher zu O p e r a t i o n e n entschliessen, welche man, je nachdem sie nur eine vorübergehende Entleerung, oder aber einen dauernden Verschluss der ganzen Höhle der Tunica vaginalis bewirken sollen, als Palliativ- und RadicalOperation unterscheidet. I. Als P a l l i a t i v - O p e r a t i o n wird die P u n c t i o n der Hydrocele angewandt. Zu derselben nimmt man einen feinen, höchstens 5 Millimeter dicken Troicart und macht den Einstich nach den allgemeinen Regeln (Bd. I. pag. 140) in die Basis des gespannten Scrotum, in der Richtung gegen den Leistenring, also parallel der Längsaxe des Hoden und vor demselben, um seine Verletzung sicher zu verhüten. Nicht bloss die Existenz der Hydrocele, sondern auch die Lage des Hoden muss durch Palpation (wobei der Hode sich durch seine specifische Empfindlichkeit verräth), Percussion und Beleuchtung vorher festgestellt sein. Nachdem der Troicart eingestossen ist, zieht man das Stilet so weit zurück, dass die scharfe Spitze nicht mehr aus der Canüle hervorragt, und überzeugt sich durch Hin- und Herbewegen der Canülen-Spitze, ob man auch wirklich in einer mit Flüssigkeit gefüllten Höhle sich befindet. Ist dies der Fall, so kann man die Spitze frei bewegen, und gewöhnlich dringt auch zwischen der Canüle und der Süsseren Haut ein wenig Wasser hervor. Die linke Hand ergreift nun die Canüle und hält sie sicher fest, während die rechte das Stilet auszieht, worauf die Flüssigkeit sofort hervorspringt und (unter stetiger Compression der Geschwulst), während man die Canüle etwas tiefer und nach verschiedenen Seiten hinund herschiebt, in dem bereit gehaltenen Gefäss aufgefangen wird. Nach Beendigung des Ausflusses wird die Canüle, deren äusseres Ende man durch den aufgesetzten Finger verschliesst, ausgezogen

Wasserbruch.

307

(vgl. Bd. I. pag. 140), die Wunde mit einem Klebepflaster verschlossen und ein genau passendes Suspensorium angelegt. Fliesst, nachdem das Stilet zurückgezogen ist, kein Wasser aus, so hat man wahrscheinlich entweder nicht tief genug eingestochen (die Tunica vaginalis nicht durchbohrt), oder die Cantlle zu tief eingeschoben, so dass ihre Mündung an die gegenüber liegende Wand der Hydrocele gepresst und dadurch versperrt wird. Möglich ist auch, dass ein Gerinnsel das Rohr verstopft, oder dass man sich in der Diagnose geirrt hat. Die Verbesserung aller dieser Fehler ergiebt sich von selbst. Sollte man, unverzeihlicher Weise, den Hoden oder den Samenstrang verletzt haben, so würde sofort lebhafter Schmerz und spätestens am Ende der Entleerung Blutauslluss folgen, schliesslich aber die Hydrocele in eine Hämatocele umgewandelt und wahrscheinlich auch eine traumatische Orchitis erregt werden. Die Blutung kann aber auch aus einem Gefäss der äusseren Bedeckungen herrühr e n , von denen man die grossen (blauen) Venen allerdings vorher sehen und vermeiden soll. Jedenfalls ist bei einer solchen Blutung sofort die F r i c k e ' s c h e Einwickelung anzuwenden, da durch diese weiterer Blutung und meist auch der Entzündung vorgebeugt wird. Bei alten grossen Hydrocelen decrepider Männer hat man auf die einfache Punction Gangrän des Scrotum folgen sehen. Die plötzliche Entleerung soll die Schuld tragen. Man räth deshalb in solchen Fällen die Punction mit einem sehr dünnen ( P r o b e - ) Troicart zu machen und einen Theil der Flüssigkeit zurückzulassen. Andere üble Zufälle sind nach der Punction nur bei Individuen, welche gleichzeitig an schweren inneren Erkrankungen litten, vorgekommen, bei denen Uberhaupt kein operativer Eingriff zulässig ist. Spätestens 6 Monat, meist aber viel f r ü h e r , oft schon wenige Wochen (selbst Tage) nach der Punction ist die Flüssigkeit wieder in derselben Masse angesammelt. Das Tragen eines genau anschliessenden Suspensorium verzögert die Wiederkehr etwas, vermag sie aber nicht zu verhüten. Die Punction kann dann wiederholt und immer wieder wiederholt werden. Meist wünscht aber der Patient mit Recht, radical von seinem Wasserbruch befreit zu werden. Diesem Wunsche ist, bei sonst günstigem Gesundheitszustande, um so mehr zu entsprechen, als die zur Radical-Heilung erforderliche Operation nur in sehr geringem Grade gefährlich ist. B. Radical-Operation. Die Methoden der R a d i c a l - O p e r a t i o n e i n e r H y d r o c e l e t u n i e a e v a g i n a l i s p r o p r i a e a c q u i s i t a sind: 1) S p a l t u n g der einen Wand der Tunica vaginalis mit oder ohne Excision eines Theils 20*

30S

Krankheiten des Hoden, des Samenstranges und ihrer Umhüllungen.

derselben,

2) I n j e c t i o n

reizender

Flüssigkeiten

nach

vorgängiger

Entleerung der Hydrocele durch die Punction, 3 ) Einlegen eines H a a r s e i l s oder einer Canüle, 4 ) Anwendung der 1.

Spaltung der Hydrocele.

Inclslon.

Aetzmittel. Badlcal-Schnltt.

Mit der einen (linken) Hand umfasst man die Geschwulst

von

der hinteren Seite und spannt die Haut möglichst gleichmässig; die andere Hand führt das Messer, mit welchem

man schichtweise oder,

wenn die Diagnose ganz unzweifelhaft ist, auch mit einem Zuge so tief incidirt, bis die Flüssigkeit hervorspringt.

Dieselbe wird in einem

bereit gehaltenen Gefäss aufgefangen, während der Operateur mit dem linken Zeigefinger in die Höhle der Tunica vaginalis eindringt,

die

Oeffnung hinreichend dilatirt, um die ganze Höhle der Tunica vaginalis übersehen zu können und nach völliger Entleerung der Flüssigkeit und. Stillung

der

Charpiebäusche oder Gittercharpie)

und

vaginalis einschiebt. Durchmessers

etwa

zuerst dann

entstandenen

entweder

direct

eine gefensterte Compresse (ein Stück

wirre Charpie

in

die

Höhle der

Tunica

Der Schnitt muss etwa zwei Drittel des grössten

der Geschwulst

betragen.

krank, so wird unmittelbar nach führt.

Blutung

den

Hoden

der Incision die Castration

Findet

ausge-

Bluten die arteriellen Aeste des Scrotum

man

und der verdickten

Tunica vaginalis selbst in erheblicher Weise, so werden sie vor dem Einlegen der Charpie unterbunden.

Ist Blut in die Höhle der Hydro-

cele gelaufen, so wird es entfernt.

Im Falle sich mehrere von ein-

ander gesonderte

Abtheilungen

vorfinden,

müssen diese einzeln ge-

öffnet werden. Die Heilung der Wunde erfolgt durch Granulationsbildung innerhalb drei bis sechs Wochen.

Der erste Verband wird nicht vor dem

dritten Tage entfernt; sollte er noch nicht überall vom Eiter umspült sein, so lässt man ihn noch länger liegen, um die Schmerzen, welche in dieser Zeit ohnehin bestehen, nicht unnöthig zu vermehren.

Bei

jedem Verbände wird durch Einspritzen von lauwarmem Wasser die Höhle gereinigt.

Die ganze Höhle muss immer wieder sorgfältig aus-

gefüllt (aber nicht fest ausgestopft) werden, damit nicht Ausbachtungen zurückbleiben, in denen der Eiter stagnirt.

Während der ersten

1 4 Tage muss der Operirte ruhig liegen, dann noch längere Zeit ein Suspensorium deutenden

tragen

und bis zur Vollendung der Heilung alle b e -

Anstrengungen

schnell auf einen

vermeiden.

ungemein geringen

Die Narbe

zieht

Umfang zusammen.

sich

lung ist, wenn die Spaltung in gehöriger Ausdehnung geschth der Verband immer sorgfältig gemacht wurde, ganz sicher.

sehr

Die Heiund

309

Wasserbrucb. ExetoUn.

Anschneiden

eine* StUcki der T a n i c a

yacinalla.

Nachdem die Tunica vaginalis blossgelegt ist, wird sie in der eben beschriebenen Weise gespalten und demnächst in mehr oder weniger bedeutendem Umfange ausgeschnitten. Dies Verfahren ist verletzender und wird daher auf diejenigen Fälle beschränkt, in denen die Scheidenhaut bedeutend verdickt, gleichsam verhärtet ist. In solchen Fällen würde man mit der blossen Incision nicht auskommen, da auch die stärkste Narbenschrumpfung den Widerstand eines so festen Gewebes nicht Uberwinden würde und die Heilung deshalb mindestens eine sehr langwierige sein müsste. Der Heilungsprocess selbst ist übrigens ganz derselbe, wie nach der Incision; auch der Verband bietet keine wesentlichen Abweichungen dar.

Ponctlo-Exclslon

Als bruchs.

beschreibt G. II. l t o h l f s (Ueber die Radicalkur des Wasser-

Cremen, 1 8 6 2 ) ein von ihm ersonnenes Verfahren, welches s i e b , wegen der

geringen Grösse des zu excidirenden S t ü c k e s , der Incision nähert, und dessen Ausführ u n g leicht und sicher ist.

Man macht den Hautschnitt n i e bei der Incision, jedoch

h ö c h s t e n s bis zur Basis des Hoden

(um

dessen Vorfallen zu verhüten).

Demnächst

werden die bedeckenden Weichtbeile zu beiden Seiten des Längsschnittes etwa 2 Ctm. weit Ton der Tunica vaginalis abgelöst.

Ein gewöhnlicher Troicart wird etwa 1 Ctm.

o b e r h a l b des unteren Wundwinkels, wie bei der P u n c t i o n , in die blossgelegte Tunica vaginalis eingestossen und durch ihn der lobalt filtration

der Hydrocele entleert (wodurch In-

des Bindegewebes sicher verhütet wird).

Hierauf setzt man das Stilet wieder

in die Canüle ein und schiebt den Troicart dicht an der inneren Fläche der Scheidenb a n t gegen den oberen Wundwinkcl

so weit hinauf, als man nach der Quantität des

entleerten Wassers und der etwa bestehenden Verdickung f ü r nötbig findet, die Scheid e n h a u t auszuschneiden.

Ao dieser Stelle drängt man die Tunica vaginalis dem Troicart

mit d e r linken Hand entgegen und durchbohrt Aussen.

Das zwei Mal aufgespiesste Slück

fortgeschnitten.

sie in der Richtung von Innen

der Scheidenhaut

Zum Behuf des Verbandes schiebt R o h l f s

Plumasseaux

ihm nnd

und

der

Tuuica

verworrener

vaginalis

Charpie.

und

Rohlfs

Zuge

n u r ein weiches Charpie-

bäuscbchen (an einem Faden befestigt) zu jeder Seite des Hoden r a u m zwischen

nach

wird mit einem

bedeckt

in den

die W u n d e

Zwischendann

mit

s a h , bei nicht allzu tiefem

Ein-

schieben der CharpiebSusche, den von ihnen nicht eingenommenen

Theil der

Höhle

direct verwachsen.

t.

lnjectlonen reizender

FlUailfkelten.

Diese Behandlungsweise ist bereits von C e l s n s angedeutet und von L a m b e r t , welcher Aqua phagedaenica einspritzte, 1 6 7 7 empfohlen worden.

Viele andere Flüssig-

keiten hat

(Schreger),

man

versucht:

kaltes

und

beisses W a s s e r ,

Lnft

Milch,

keissen und kalten W e i n , namentlich Port-Wein, Alkohol, Alaunlösung ( G e r d y ) , J o d lösnngen ( V e l p e a u), Chloroform (B. v. L a n g e n b e c k ) . den und werden In der Absicht Reiznngszustand,

der

zur

Eiterung z u veranlassen. jene Flüssigkeit anwenden.

angewandt, a d h ä s i v e

Verwachsung

der Tunica

Alle diese Flüssigkeiten wurEntzündung,

vaginalis

führt, —

d. b .

einen

aber

keine

Das Operations-Verfahren ist dasselbe, mag m a n diese oder

310

Krankheiten des Hoden, des Samenstranges und ihrer Umhüllungen.

Die Hydrocele wird mit einem gewöhnlichen Troicart punctirt, durch dessen Canille, nachdem das Wasser vollständig entlfeert ist, mit einer auf dieselbe passenden Spritze die reizende Flüssigkeit in die Höhle des Wasserbruchs eingespritzt wird, bis diese etwa zu '/ 4 i h r e r ursprünglichen Grösse wieder gefüllt ist. Dabei ist sorgfältig darauf zu achten: 1) dass man mit dem Troicart wirklich in die Hydrocele eindringt und den Hoden nicht verletzt, 2) dass keine Luft eindringt u n d 3) dass nichts von der reizenden Flüssigkeit in das Bindegewebe des Hodensackes gelangt. Um das Ausfliessen der injicirten Flüssigkeit, welche jedenfalls einige Zeit mit der Tunica vaginalis in Berühr u n g bleiben soll, zu verhüten, ist es gut, einen Troicart anzuwenden, welcher mittelst eines Hahns verschlossen werden kann. Besitzt m a n einen solchen n i c h t , so hilft man sich durch Aufsetzen des Daumen, oder eines Korkstöpsels. Unerlässlich ist, dass die Spritze nur die reizende Flüssigkeit und nicht etwa nebenbei Luft enthalte, und dass sie genau auf die Canüle passe oder durch Umwickelung der Spitze wenigstens vorübergehend passend gemacht werde. Auch muss die Spritze gefüllt bereit liegen, bevor man die Operation beginnt. Gefässe zum Auffangen des Wassers sind in Bereitschaft zu stellen. Der Kranke liegt. Nach vollständiger Entleerung der Hydrocele durch die in der pag. 3 0 6 beschriebenen Weise auszuführende Punction wird die Spritze in die äussere Oeifnung der Canüle eingesetzt u n d die InjectionsflUssigkeit eingetrieben bis die Höhle in der gewünschten Ausdehnung gefüllt ist, demnächst aber der Hahn der Canüle geschlossen oder deren Oeifnung mit dem aufgesetzten Daumen verstopft. Nach einigen Minuten (bei weniger scharfen Flüssigkeiten auch später) öffnet man die Canüle u n d entleert die Flüssigkeit wieder, indem man die betreffende Scrotal-Hälfte von allen Seiten drückt u n d knetet. Die Canüle wird inzwischen von dem Operateur selbst, oder einem zuverlässigen Gehülfen sicher in ihrer Lage gehalten, damit die InjectionsflUssigkeit auch durch sie wieder abfliesst, ohne sich in die Häute des Hodensackes infiltriren zu können. Wenn nichts mehr durch die Canüle abfliesst, schliesst man sie und zieht sie mit einem plötzlichem Ruck a u s , comprimirt sofort den Wundcanal zwischen zwei Fingern u n d klebt auf die Punctionsöffnung ein Stückchen Heftpflaster. Als ü b l e Z u f ä l l e bei der Ausführung der Injection sind zunächst alle die bei der Punction (pag. 3 0 6 u. f.) aufgeführten zu erwähnen. Ueberdies könnte das Eindringen von Luft gefährlich w e r d e n , indem es einer Seits die allseitige Berührung der Flüssigkeit mit den Wänden •der Höhle hindert, anderer Seits Eiterung in der Höhle begünstigt.

Wasserbrucb.

311

Gelangte etwas von der Injectionsflüssigkeit zwischen die Schichten d e r S c f o t a l h ä u t e , so wäre Brand derselben zu befürchten. Bei sehr grossen Hydrocelen nehmen manche Autoren ( V i d a l ) A n s t a n d , die Entleerung auf einmal vorzunehmen und sofort die I n jection darauf folgen zu lassen, Die Erfahrung hat jedoch diese Bedenken widerlegt. Ich habe z. B. eine Hydrocele von der Grösse eines Mannskopfes durch die gewöhnliche Injection ohne irgend einen ü b l e n Zufall zur Heilung gebracht. Die Entleerung auf zwei o d e r m e h r e r e Tage zu vertheilen würde überdies wenig f r u c h t e n , da die Flüssigkeit oft sehr schnell, manchmal sogar in 2 4 S t u n d e n , bis zu dem früheren Grade der Füllung reproducirt wird. Unter allen zum Behufe der Erregung einer adhäsiven Entzündung in der Tunica vaginalis benutzten Flüssigkeiten ist die J o d l ö s u n g am Häufigsten angewandt und in Betreff ihrer Wirkungen am Genauesten studirt worden. V e l p e a u , welcher sie zuerst empfahl, w a n d t e eine Verdünnung der ätherischen Jodtinctur mit 2 — 3 Theilen Wasser an. In einer solchen ist aber das Jod keineswegs gelöst; es ist besser, sich einer J o d - J o d k a l i u m - L ö s u n g (nach L u g o l ) z u bedienen, welche namentlich von P i t h a ') auf Grund zahlreicher E r fahrungen empfohlen wird. Dieselbe besteht aus 1 J o d , 2 J o d k a l i , 2 4 d e s t i l l i r t e m W a s s e r . Unmittelbar nach der Einspritzung der entsprechenden Quantität dieser Flüssigkeit entsteht lebhafter Schmerz, der auch nach der ( 3 — 6 Minuten darauf vorzunehmenden) Entleer u n g fortdauert, jedoch nach einigen Stunden nachlässt. Alsbald folgt aber eine entzündliche Schwellung; das Scrotum wird ödematös, geröthet, empfindlich und schon am zweiten oder dritten Tage hat die Geschwulst ihr früheres Volumen wieder erreicht. Diese Reaction ist durchaus nothwendig, um Heilung herbeizuführen; man darf sich nicht verleiten lassen, gegen dieselbe eine antiphlogistische Behandlung einzuleiten. Jedoch muss der Kranke (wozu er der Schmerzen wegen von selbst geneigt sein wird) ruhig liegen und das Scrotum sorgfältig unterstützen. Vom vierten oder fünften Tage ab lassen alle Entzündungs-Erscheinüngen n a c h : die Geschwulst wird täglich consistenter und kleiner, so dass sie spätestens in der sechsten W o c h e ganz verschwindet, vom achten oder zehnten Tage an aber bereits so wenig schmerzhaft ist, dass der Kranke nicht blos aufstehen, sondern sogar etwas arbeiten kann. Nieraals ist nach einer solchen Injection eine zu heftige u n d deshalb gefährliche Entzündung beobachtet worden, wohl aber kommt es zuweilen, namentlich wenn man eine schwächere ') V i r c h o w ' s Handb. d. spec. Palb. u. Therap. Bd. VI. Abth. 2. pag. 4 8 (2te AuO.).

312

Krankheiten des Hoden, des Samenstranges und ihrer Umhüllungen.

Lösung oder eine ungenügende Menge von Flüssigkeit angewandt hat, zu einer mehr serösen Exsudation, welche langsamer resorbirt wird und gar keine oder doch keine dauerhafte Heilung zur Folge hat. Das Wiederholen der Punction reicht selten aus, um diesem Uebelstande abzuhelfen ; in der Regel muss die Injection nach einiger Zeit wiederholt werden, um die Heilung zu sichern. — Die Jodinjectionen haben nebenbei eine entschiedene Wirkung auf die mit der Hydrocele so häufig zugleich bestehenden Schwellungen des Nebenhoden. Dieselben verschwinden in der Regel gänzlich oder grössten Theils, so dass nach vollendeter Heilung der Hydrocele die normale Gestalt des Hoden wieder hergestellt wird, selbst wenn unmittelbar nach der Entleerung des Wassers der Nebenhoden höckerig und unförmig gefühlt wurde. Anch Injectionen von reinem W e i n g e i s t ( K i c h a r d ) , von C h l o r o f o r m (B. T. L a n g e n b e c k ) oder von r e i n e r J o d t i n c t u r (B v. L a n g e n b e c k ) bat man mit günstigem Erfolge angewandt. Von den letzteren Substanzen braucht man nur kleine Mengen einzuspritzen und kann diese auch in der Höhle der Tunica vaginalis zurücklassen (was ich jedoch nicht für ganz gefahrlos halten möchte). — Eine grössere Verbreitung hatten vor der Einführung der Jodinjectionen (1837) die E i n s p r i t z o n g e n Ton h e i s s e m W e i n . Als V e l p e a u 1846 seine Abhandlung: Des injections médicamenteuses dans les cavités closes veröffentlichte, konnte er allerdings schon 4 0 0 Falle von glücklichem Erfolge der Jodinjectionen aufführen; aber mancher Wundarzt konnte ihm damals noch drei Mal soviel Erfolge durch Einspritzungen von beissem Wein entgegenstellen. Das Verfahren unterschied sich von dem oben für die Jodinjection angegebenen dadurch, dass man die Hoble beinahe vollständig mit Wein zu füllen suchte und diesen vor der Einspritzung auf etwa 32 Grad B. erhitzte. In der Begel liess man den Wein 5 Minuten in der Höhle der Tunica vaginalis ond wiederholte dann die Einspritzung noch ein oder zwei Mal. Die unmittelbaren Folgen stimmten auch im Allgemeinen mit den fur die Jodeinspritzung eben angegebenen überein; jedoch beobachtete man häufiger einen ungenügenden oder selbst einen üblen Erfolg und jedenfalls grössere Scbmerzbaftigkeit. B l a n d i n beschreibt einen Fall von Tod durch die Verbreitung der Entzündung auf die Venen (Dictionnaire de mélec. et de chir. pratiques, tom. X. pag. 128). Häufiger ist Gangrän des Scrotnm beobachtet worden. V i d a l sah sie vier Mal, zwei Mal in der B o y e r ' s c h e n Klinik. Allerdings mag dieser üble Zufall meist von einem bei der Operation begangenen Fehler abhängen, durch welchen zur Infiltration des Scrotal-Bindegewebes mit heissem Wein Veranlassung gegeben wurde. Die Canüle wurde vielleicht nicht hinreichend fixirt oder za früh ausgezogen, oder man trieb die Flüssigkeit mit so grosser Gewalt ein, so dass die Tnnica vaginalis zersprengt wurde. Jedoch ist es immerhin auffallend, dass gerade unter den Händen berühmter Wundarzte Fälle der Art vorgekommen sind.

4.

Hunell.

Einlesen von Canttlen.

Statt die Höhle des Wasserbruchs zu öffnen und dann Charpie einzulegen, wie bei der Incision, glaubte man in weniger verletzender Weise zu demselben Resultat gelangen zu können, indem man durch

Wasserbruch.

313

die ganze Geschwulst von der einen Seite zur anderen ein Haarseil zog, oder dieselbe mit einer Lancette punctirte und durch die kleine Oeffnung einen Leinwandstreifen, Docht, Charpiebausch oder ein Sttlck von einem elastischen Katheter einschob. In dieser Weise haben bereits W i l h e l m v o n S a l i c e t o und F a b r i c i u s H i l d a n u s operirt; das Einlegen des Katheters war eine Erfindung von L a r r e y . Unzweifelhaft wird die Flüssigkeit durch den eingelegten Docht u. dgl. m., vermöge Capillarwirkung, entleert; aber die Wandungen der Hydrocele kommen mit den eingeführten fremden Körpern nur in sehr geringer Ausdehnung in Berührung. So hat man die Uebelstände einer offenen Eiterung und doch nicht die Vortheile der Incision, bei welcher man auf die ganze Oberfläche der Tunica vaginalis einwirken kann. Baadern

räth

einen T r o i c a r t q a e r durch die Geschwulst

dessen Canüle liegen zd lassen.

zu stossen

Oeffnung besitzen, so dass die Flüssigkeit der Hydrocele aus den beiden läuft.

and

Letztere m u s s in der Milte der Länge eine seitliche Enden a b -

Zunächst soll m a n abwarten, ob der durch die Anwesenheit der Canüle erregte L u f t ein

und

l ä s s t , wenn anch dieser Reiz nicht hinreichend zu sein scheint, Einspritzungen

Enlzündungszustand genügt.

Ist dies nicht der F a l l ,

so blast

man

ver-

schieden starker Höllensteinlösungen folgen, unter deren Anwendung die Obliteralion jedenfalls gelingen soll.

S t a t t der Canüle k ö n n t e m a n , wenn dies Verfahren überhaupt

Nachahmung verdiente, ein D r a i n a g e - R o h r

6.

einlegen.

Kauterisation.

So allgemein auch in älteren Zeiten Aetzmittel und Glüheisen zur Heilung des Wasserbruchs angewandt wurden, so wenig konnten sie sich im Gebrauch erhalten, seit man weniger schmerzhafte Mittel zur Erreichung desselben Zweckes kennen gelernt h a t Durch die Aetzmittel sollte zunächst ein bis in die Höhle der Tunica vaginalis penetrirender Brandschorf gebildet und somit die Flüssigkeit entleert werden; aber dann wollte man auch den nöthigen Grad von Entzündung in der Höhle selbst durch wiederholtes Aetzen erregen. Wie umständlich dies Verfahren war und wie wenig man dabei den Hoden vor der nicht beabsichtigten Einwirkung der Aetzmittel schützen konnte, leuchtet von selbst ein. Ganz ähnlich verhält es sich mit dem Ferrum candens. Dagegen wird das galvanokaustische Filum candens ein erwünschtes Mittel sein, um die Spaltung der Hydrocele in solchen Fällen ohne Blutung auszuführen, wo jeder Blutverlust sorgfältig vermieden werden soll und die Dicke der zu trennenden Weichtheile auf einen erheblichen Gefässreichthum schliessen lässt. 6.

Vergleichende Benrthellang der verschiedenen Methoden.

Die I n c i s i o n , bei erheblicher Verdickung der Scheidenhaut mit partieller E x c i s i o n verbunden, gewährt unzweifelhaft die grösste

314

Krankheiten des Hoden, des Samenstranges und ihrer Umhüllungen.

S i c h e r h e i t . Aber der Kranke muss diese Sicherheit der Heilung durch ein längeres Krankenlager erkaufen, denn er muss mindestens 14 Tage, oft selbst 6 Wochen lang das Bett hüten. Auch für den behandelnden Arzt erwachsen daraus Beschwerden, denn während der gedachten Zeit mtlssen die Verbände fast täglich gewechselt und, wenn man der Heilung gewiss sein will, höchst sorgfältig gemacht werden. Die I n j e c t i o n passt nicht für Fälle, in denen die Scheidenhaut erheblich verdickt ist oder Blutgerinnsel oder gar „freie Körper" enthält, sie stellt vielleicht Uberhaupt nicht ganz so sicher vor Recidiven und ist selbst in Betreff des unmittelbaren Erfolges nicht so zuverlässig als der Schnitt, aber sie gewährt viel mehr B e q u e m l i c h k e i t , da einer Seits der Kranke nur in den ersten Tagen ganz ruhig liegen und höchstens 14 Tage das Bett hüten muss, ariderer Seits der Arzt mit der Nachbehandlung in der Regel wenig zu thun hat. Jedoch darf man nicht vergessen, dass hie und da auch ganz ohne Verschulden des Operateurs Üble Zufälle auf die Injection gefolgt sind und dass man daher, nach dem alten Princip: Tuto, cito et jueunde, der Injection, die nur dem Cito et jueunde mehr entspricht als der Schnitt, gewiss nicht unbedingt den Vorzug einräumen darf. Unter den zur Injection zu benutzenden Flüssigkeiten hat sich die J o d - J o d k a l i u m - L ö s u n g bis jetzt in jeder Beziehung am Meisten bewährt 1 ). Ob ihrer specifischen Wirkung allein die Heilung der die Hydrocele complicirenden Schwellungen des Nebenhoden zuzuschreiben sei, ist wohl nicht sicher, da ähnliche Erfolge nach der Chloroforminjection (B. v. L a n g e n b e c k ) und nach der Incision gleichfalls beobachtet worden sind. — Die Anwendung des Haarseils oder der Aetzmittel kommt heut zu Tage kaum mehr in Betracht. Die Beschaffenheit des Inhaltes einer Hydrocele hat auf die Wahl der Operationsmethode keinen Einiluss. Wenn zwei Hydrocelen zugleich bestehen, so operirt man die zweite erst nach Heilung der ersten; zuweilen genUgt die auf der einen Seite erregte Entzündung, um auch die zweite Hydrocele zum Schwinden zu bringen; jedenfalls wäre es bedenklich, in beiden Scrotal-Hälften gleichzeitig eine lebhafte Entzündung zu erregen. ' ) Wahrend

der ersten 7 Jahre meiner klinischen Thätigkeit habe

Vorgange meiner Lehrer C h e l i u s S c h n i t t angewandt.

und D i e f f e n b a c h ,

i c h , nach dem

fast ausschliesslich den

Erst auf P i t h a ' s Empfehlung ( 1 8 5 5 ) versuchte ich die Jod-

I n j e c t i o n e n , genau nach dessen Vorschrift, und habe in der klinischen und PrivatPraxis so günstige und d a u e r n d e Erfolge damit erzielt, dass i c h , R o h I f s nicht beiflimtnen kann, der sie gänzlich aus der Reihe der Radical-Operationen streichen will.

Wasserbruch.

315

II. Hydrocele congenita, Hydrocele Processus vaginalis. Unmittelbar nach der Geburt oder auch in den ersten Lebensmonaten, selten später und nur höchst ausnahmsweise über das zehnte Jahr hinaus, findet sich eine Hydrocele, d e r e n I n h a l t d u r c h D r u c k in d i e B a u c h h ö h l e e n t l e e r t w e r d e n k a n n . Dieser Art der Hydrocele liegt das Offenbleiben des P r o c e s s u s v a g i n a l i s p e r i t o n e i in derselben Weise zu Grunde, wie der Hernia inguinalis congenita; nur muss die Communicationsöffnung der Hydrocele so eng sein, dass Darmschlingen nicht aus der Bauchhöhle in sie eintreten können. Die Flüssigkeit kann aus der Bauchhöhle herrühren, am Häufigsten scheint sie jedoch in der Tunica vaginalis selbst ihren Ursprung zu nehmen. V e l p e a u hat besonders hervorgehoben, dass die Insultationen, denen das Scrotum während des Geburtsactes ausgesetzt ist, ferner die häufige Durchnässung desselben mit Harn, endlich die zufälligen Quetschungen, die dasselbe auch nach der Geburt treffen, als Veranlassungen seröser Gxsudation in der Tunica vaginalis propria anzusehen sein. Das unterscheidende Merkmal dieser Art von Hydrocele ist die Möglichkeit, ihren Inhalt durch Druck in die Bauchhöhle zu entleeren. Die Entleerung erfolgt jedoch nicht immer schnell, da die Communicationsöffnung in der Regel sehr eng ist. Verfährt man bei der Untersuchung zu stürmisch, so kann in derselben Weise, wie bei dem Zurückbringen einer Hernie eine Reposition en masse erfolgen, d. h. nicht blos der Inhalt, sondern die ganze Geschwulst wird in den Leistencanal zurückgedrängt. Die Lagerungsverhältnisse des Hoden sind hier nicht immer dieselben wie bei dem gewöhnlichen Wasserbruch. Die Hydrocele kann vor oder unter dem Hoden im Scrotum erscheinen, während der Hoden selbst noch im Leistencanale zurückgeblieben ist. Anderer Seits kann auch der Hoden zuerst hinabsteigen und die Hydrocele erst später oberhalb desselben erscheinen. In den meisten Fällen verhält es sich wie bei der gewöhnlichen Hydrocele. Der mit Flüssigkeit gefüllte Processus vaginalis peritonei kann entweder schon vor oder erst nach der Geburt an verschiedenen Stellen verwachsen. Erfolgt die. Verwachsung (der Verschluss des Scheidenhautcanals) im oberen Theile, nahe dem Leistencanal und in diesem selbst, so stimmt diese Form der Hydrocele, abgesehen von der Entstehungsweise, in jeder Beziehung vollständig mit derjenigen Uberein, welche wir als H y d r o c e l e t u n i c a e v a g i n a l i s p r o p r i a e beschrieben haben. Gestaltet sich die Verwachsung dagegen in der Weise, dass nur im mittleren Theile des Scheidenhautcanals ein mit Flüssigkeit gefüllter Hohlraum übrig bleibt, so geht daraus diejenige

316

Krankheiten des Hoden, des Samenstranges und ihrer Umhüllungen.

Form hervor, welche wir als H y d r o c e l e c y s t i c a f u n i c u l i S p e r m a ti ci unter III. erläutern werden. Als H y d r o c e l e c y s t i c a c o n g e n i t a beschreibt S c h r e g e r

einen Fall, in wel-

chem eme langgestreckte Cyste im Scheidenhautcanale mit dessen Wänden verwachsen war, aber mit einem freien Ende in die Bauchhöhle, mit dem anderen gegen den Hoden sab.

Mit fortschreitendem Alter verschwindet die Hydrocele congenita häufig von selbst, indem vollständige Verwachsung des Scheidenhautcanals erfolgt. In solchen Fällen haben sich auch dann die sogenannten resolvirenden Umschläge erfolgreich gezeigt (Salmiak in Rothwein gelöst, Salz und Essig u. dgl. m.). Ist die Geschwulst erheblich und belästigt sie den kleinen Patienten, so muss man die Flüssigkeit in die Bauchhöhle zurückdrängen und den Leistencanal durch ein passendes Bruchband comprimiren. Sehr schnell erfolgt dann in der Regel die Verwachsung der Communicationsöffnung und die Resorption der Flüssigkeit. Man kann auch ohne Bedenken die Geschwulst mit dem Troicart oder der Lancette punktiren, sofern man nur Gewissheit darüber h a t , dass kein Darmstück darin liegt (vgl. Bd. III. pag. 860) und bei der Operation den Eintritt der Luft sicher verhütet. Gewöhnlich erfolgt Radicalheilung, nachdem die Punction einige Mal wiederholt ist. Noch bequemer und weniger verletzend ist die A c u p u n c t u r in der von P i t h a empfohlenen Weise. Man sticht eine gewöhnliche Nadel tief in die Hydrocele ein, dreht sie etwas hin und h e r , um die Oeffnung in der Wand des Processus vaginalis eine kurze Zeit klaffend zu erhalten, und zieht die Nadel dann wieder aus, wobei gewöhnlich ein Paar Tropfen der Flüssigkeit mit ausflössen. Der grössere Theil derselben ergiesst sich bald schneller, bald langsamer in das Bindegewebe des Hodensackcs und bildet ein Oedema scroti, welches durch Resorption in 2 4 — 4 8 Stunden verschwindet. Inzwischen ist aber der Processus vaginalis in der Weise durch die ödematöse Geschwulst comprimirt worden, dass dadurch radicale Heilung bewirkt werden kann. Jedenfalls ist dies das bequemste Verfahren für die palliative Entleerung. Gefährlich sind reizende Einspritzungen, die man auch hier in der Absicht, adhäsive Entzündung zu erregen, angewandt^hat. Die reizende Flüssigkeit (gewöhnlich eine Jodlösung) könnte leicht durch die Communicationsöffnung in die Peritonealhöhle gelangen, wodurch Peritonitis mit wahrscheinlich tödtlichem Ausgange entstehen müsste.

III. Hydrocele cystica faniculi spermatici. Im Bereich des Samenstranges können zwei verschiedene Arten von Hydrocele entstehen. Ein Theil des Processus vaginalis peritonei

Waeserbruch.

317

kann, statt zu obliteriren, zu einer mit Flüssigkeit gefüllten, aber weder mit der Bauchhöhle, noch mit der Höhle der Tunica vaginalis propria communicirenden Cyste umgewandelt werden. Vgl. II. Anderer Seits können auch im Bindegewebe des Samenstranges unabhängig von dem Processus vaginalis Cysten sich entwickeln. In dem einen wie in dem andern Falle kann man die pralle, meist eiförmige Geschwulst sowohl gegen den Leistenring hin, als gegen den Hoden mit den untersuchenden Fingern begrenzen; selten erstreckt sich die pralle Geschwulst bis in den Leistencanal hinauf. Sie lässt sich nicht reponiren, erfährt k«ine Veränderungen je nach der Lage oder Stellung des Patienten, wird beim Husten, Niesen und Erbrechen nicht hervorgetrieben und ist durch alle diese Charaktere von einer beweglichen Hernie zu unterscheiden. In der Regel ist sie so strotzend mit Flüssigkeit gefüllt und so dickwandig, dass es schwer hält, Fluctuation zu entdecken. Wegen der Dicke der Cysten-Wand ist sie meist auch viel weniger durchscheinend, als die gewöhnliche Form der Hydrocele congenita. Die Geschwulst entwickelt sich in der Regel langsam. Fälle, wie der von V i d a l beobachtete, in welchem die Hydrocele cystica funiculi sich in zwei. Monaten zu einer bedeutenden Grösse entwickelt hatte, sind grosse Ausnahmen. Selten erreicht sie die Grösse eines Hühnereies. In einzelnen Fällen (Inden sich mehrere Cysten übereinander, die durch obliterirte Stücke des Processus vaginalis von einander getrennt werden (Hydrocele en chapelit). Die Beschwerden sind gering; namentlich drückt die Geschwulst wenig auf den Hoden. Zuweilen steigt sie hinter dem Hoden bis unter ihn hinab. In solchen Fällen kann man eine Hydrocele tunicae vaginalis propriae mit anomaler Lage des Hoden vor sich zu haben glauben; geht man aber auf die Entstehungsgeschichte zurück, so ergiebt sich, dass die Geschwulst von Klein auf bestanden hat und ursprünglich oberhalb des Hoden und von diesem gänzlich getrennt gelegen hat. Man muss diese Verhältnisse kennen, um nicht in dem Glauben, es handle sich um eine gewöhnliche Hydrocele, die Geschwulst an der vorderen Seite anzustechen, wo man in diesem Falle den Hoden treffen würde. Liegt die Geschwulst dicht am Leistenringe, oder zum Theil noch in ihm, so kann sie Aehnlichkeit mit einer Hernie haben, zuweilen scheint sogar die Reposition zu gelingen; aber die Geschwulst tritt, selbst bei vollkommen ruhiger Lage des Patienten und ohne irgend eine Anstrengung der Bauchpresse, sofort wieder hervor. Vgl. Bd. III. pag. 860. In Betreff der B e h a n d l u n g verhält sich Alles, wie bei der gewöhnlichen Hydrocele; nur gelingt die vollständige Heilung häufiger

318

Krankheiten des Hoden, des Samenstranges und ihrer Umhüllungen.

durch wiederholte Punctionen, so dass es zweckmässig erscheint, zu eingreifenderen Behandlungsweisen sich nicht früher zu entschliesseD, als bis man sich von der Erfolglosigkeit der Punctionen Uberzeugt hat. Dann aber ist die I n c i s i o n , als das sicherere Verfahren, mehr zu empfehlen als die Injection, von der man nur bei sehr grossen Cysten, deren langdauernde Eiterung man fürchtet, Gebrauch machcn sollte. Auch am w e i b l i c h e n Körper hat man (im Nuck'schen Canal) eine Hydrocele beobachtet. Nach den Untersuchungen von T h o m s o n und von V e l p e a u wSren diese sog. weiblichen Hydrocelen vielmehr als selbstständige Cysten zu betrachten.

IT. Hydrocele in einem Brachsack '). In einem Bruchsack kann, wenn lange Zeit keine Eingeweide in demselben gelegen haben, Flüssigkeit sich ansammeln, die sich dann gerade so verhält, wie bei einer Hydrocele congenita, namentlich auch, so lange der Bruchsackhals nicht völlig verschlossen ist, in die Bauchhöhle zurückgedrängt werden kann. Wird ein genau passendes Bruchband angelegt, so verwächst der Bruchsackhals mit der Zeit gänzlich. Der nunmehr abgesperrte Bruchsack wird zu einer geschlossenen Cyste, die sich analog der von Flüssigkeit ausgedehnten Tunica vaginalis propria verhält. Auf solche Weise können mehrere Cysten im Scrotum nach einander entstehen, wenn mehrere Bruchsäcke zugleich bestanden haben, oder nach einander entstanden sind. Solche Hydrocelen sind von der Hydrocele cystica funiculi spermatici schwer zu unterscheiden, namentlich wenn letztere bis zum Leistenring aufwärts reicht. Nur die Entstehungsgeschichte liefert dann Entscheidung. Bei der Hydrocele des Bruchsackes ist früher eine Hernie vorhanden gewesen und ein Bruchband getragen worden, durch dessen Druck in der Regel schmerzhafte Empfindungen im Samenstrang veranlasst worden sind. Zuweilen ist in dem Bruchsack ein Netzstück zurückgeblieben. Dasselbe kann, indem es mit dem Bruchsackhalse verwächst, die Absperrung desselben gegen die Bauchhöhle bewirken. Neben dem zur Hydrocele umgewandelten Bruchsack kann auch ein zweiter, noch Eingeweide enthaltender Bruchsack sich finden. In dieser Beziehung gilt Alles, was Uber die mehrfachen und parallel liegenden Bruchsäcke bei den Hernien (Bd. III, pag. 715 u. f.) berichtet wurde. In t h e r a p e u t i s c h e r Beziehung schliesst sich diese Art der Hydrocele an die congenitale a n ; auch hier muss man die Besorgniss hegen, dass die Communicationsöffnung gegen die Bauchhöhle ' ) Es bandelt «ich hier n u r um H e r n i a i n g u i n a l e s

acquisita.

319

Wasserbruch.

hin noch nicht völlig geschlossen sei. Deshalb scheut man sich namentlich vor der Anwendung reizender Einspritzungen. Offenbar geht man sicherer, wenn man den ehemaligen Bruchsack spaltet und die Verwachsung der Höhle durch Granulationen herbeiführt (Radicaloperation durch den Schnitt). Die blosse Punction oder die Anwendung der bei der Hydrocele congenita erwähnten Umschläge mit sogenannten resorptionsbefördernden Substanzen führen niemals zur Heilung. V.

I n f l U r l r t e H y d r v c e l e de« S » m e n s t r » n g e » .

Die i n f i l t r i r t e H y d r o c e l e d e s S a m e n s t r a n g e s i s t , wenn sie überhaupt vorkommt, jedenfalls eine sehr seltene Krankheit. Nach dem Vorgange von P o t t und Boy e r hat man offenbar beginnende Varicocelen und Schnellungen der Lymphgefässe des Samenstranges mit diesem Namen bezeichnet. Man soll nach der Angabe der genannten Schriftsteller eine grosse Anzahl kleiner Cysten oder mit Flüssigkeit gefüllter Zellen in der ganzen Lange des Samenstranges oder nur in einem bestimmten Bezirke desselben fühlen. Diese sollen eine böckrige Geschwulst von der Bicke eines Daumen darstellen, welche nur beim Druck, ähnlich wie der Hoden, schmerzhaft ist und über welcher die bedeckenden Theile ganz normal erscheinen. Abgesehen von den schon angeführten Verwechselungen könnte eine solche Hydrocele auch noch mit einem Netzbruch Aehnlicbkeit haben und umgekehrt. V i d a l hat nach 20jährigen Bemühungen und obgleich ihm über 10 Jahr lang das grosse Beobachtungsmaterial des ausschliesslich für Krankheiten der Genitalien bestimmten Hôpital du Midi zu Gebote stand, keinen einzigen Fall von infiltrirter Hydrocele des Samenstranges zu Gesicht bekommen. P i t h a bat sie nie gesehen. Mir ist dies bis jetzt auch noch nicht gelungen. M a l g a i g n e tbeilt zwar keine eignen Beobachtungen mit, aber er glaubt entschieden an das Vorkommen dieser Form von Hydrocele, wobei es freilich wenig ermuthigend ist, dass er sich auf das Zrugniss des etwas phantastischen G a r e n g e o t beruft. Vgl. M a l g a i g n e , Sur les tumeurs du cordon spermatique. Paris 1848. Vorkommenden Falls würde man eioe solche Hydrocele palliativ mittelst eines Suspensoriums und einer massigen Compression bebandeln müssen. Sollte sie aber bedeutende Beschwerden machen, so müsste man sich zu einer Operation entscbliessen, die keineswegs leicht zu nehmen ist. Man muss die Geschwulst spalten, die Flüssigkeit entleeren und die Wunde durch Granulationen heilen lassen. Ein Blick auf die wichtigen Gebilde, welche den Samenstrang zusammensetzen, ist hinreichend, um zur grösstcn Vorsicht aufzufordern.

Sechste« CapHel.

Krampfaderbruch.

Varicocele.

K r a m p f a d e r b r u c h , V a r i c o c e l e , C y r s o c e l e nennen wir die Erweiterung der Venen (Varicosität) des Samenstranges, des Hoden und des Hodensackes '). ' ) V|l. die ausführliche Abhandlung V i d a l ' s : De la cure radical« du varicocele p a i ftnroulement des veines du cordon spermatique.

g. édition, Paris, 1850.

320

Krankheilen des Hoden, des Samenstranges und ihrer Umbülluogen.

Früher bezeichnete man die VaricositSt des Samenstranges und Hoden als C y r a o c e l e und verstand unter V a r i c o c e l e i m e n g e r e n S i n n e die krankhaft» Erweiterung der Venen des Hodensackes.

Aeliologle. In den seltensten Fällen ist die Varicocele angeboren; in der Regel erscheint sie erst zwischen dem 10. und 30. Jahre. Vor dieser Zeit sind die Genitalien zu wenig entwickelt, als dass die Gelegenheitsursachen, welche wir weiter unten kennen lernen werden, auf sie einwirken könnten. Seltener als in der Jugend entsteht Varicocele nach dem 35. Jahre, wahrscheinlich, weil alsdann die fraglichen Gelegenheitsursachen weniger häufig einwirken. In mehreren Fällen glaubt Vi d a l die Erblichkeit der Varicocele beobachtet zu haben. Unter den a n a t o m i s c h e n V e r h ä l t n i s s e n , welche zur Entstehung der Varicocele prädisponiren, bezichen sich manche auf beide, andere nur auf die linke Körperseite. Zu ersteren gehören: die abhängige Lage der Venae spermaticae und scrotales, ihre, im Verhältniss zur Länge, relativ dünnen Wandungen, das Fehlen der Klappen, die je nach der Körperstellung schnell wechselnde, bald stärkere, bald schwächere Füllung. Die Vena spermatica bildet bekanntlich ein grosses Geflecht verschieden weiter Aeste (Plexus pampiniformis), deren Stamm gerade aufwärts bis zur Gegend des zweiten Lendenwirbels emporsteigt, so dass bei aufrechter Körperstellung eine beträchtlich hohe ßlutsäule auf jenen Geflechten lastet. Bei aller Anerkennung dieser; die Entstehung der Varicocele begünstigenden mechanischen Verbaltnisse, müssen wir beut zu Tage doch die Erklärung, welche J e a n L o u i i P e t i t gab, zurückweisen. Derselbe meinte, die Gelasse des Samenstranges liefen über das Schoossbein abwärts, wie das Seil eines Ziehbrunnens über die Rolle, und der Hoden wirke, je nach seinem Gewicht und je nach der Körperstellung, analog dem Eimer des Ziehbrunnens. — Eher könnte die V e r e n g e r u n g d e s L e l s t e n c a n a l s durch Muskelspannung zeitweise Compression des Samenstranges bewirken und auf diese Weise die Entstehung der Varicocele begünstigen.

In d e r R e g e l f i n d e t s i c h die V a r i c o c e l e auf d e r l i n k e n Seite. Kommt sie rechts vor, ohne dass gleichzeitig eine zweite, gewöhnlich grössere Varicocele links besteht, so findet sich wahrscheinlich eine abweichende Anordnung des Gefässsystems. V i d a l erwühnt als ein besonders glänzendes Beispiel in dieser Beziehung einen Fall, in welchem bei rechtsseitiger Varicocele das Herz in der rcchten Thorax-Hälfte lag und somit wahrscheinlich vollständige Inversion des Gefässsystems bestand.

Die Erklärung fiir die grössere Häufigkeit der Varicocele auf der linken Seite ergiebt sich von anatomischer Seite aus der rechtwinkligen Einmündung des oberen Endes der Vena spermatica sinistra in die Vena renalis sinistra. Die Entleerung des Blutes aus der ersteren findet somit auf dieser Seite grössere Schwierigkeiten, als auf der rechten, wo die Spermatica unter spitzem Winkel direct in die Cava

Varicocele.

321

inferior einmündet. Zweifelhaft ist der Einfluss, welchen das relativ grössere Volumen des linken Hoden haben soll, da der Unterschied zwischen beiden Hoden jedenfalls nicht erheblich ist. Auch die Gewohnheit, vorzugsweise auf dem linken Beine zu stehen, wird angeschuldigt. Von einiger Bedeutung ist gewiss der Druck, welchen die gefüllte Flexura sigmoidea auf die Vasa spermatica der linken Seite austlbt ( C a l l i s e n ) . Wenn V i d a l dagegen b e m e r k t , dass habituelle Leibesverstopfung bei Varicocele nicht bSuflg vorkomme (unter 17 Kranken nach L a n d o u z y n u r bei einem), so liegt hier ein physiologisches

Missverständniss vor.

Die Flexura sigmoidea ist nicht blos

bei habitueller Verstopfung, sondern anch bei Menschen, welche regelmässigen S t u h l gang h a b e n , während eines grossen Theils des Tages gefüllt.

Die G e l e g e n h e i t s u r s a c h e n kann man in zwei Gruppen scheiden, je nachdem sie entweder den Zufluss des Blutes zu den Hoden befördern, oder den Riickfluss behindern. Beide können an demselben Individuum gleichzeitig zur Wirkung kommen. Zur erstem Art gehören: allzu häufige geschlechtliche Erregungen, Entzündungen der Hoden, namentlich, wenn sie mehrmals wiederkehren, endlich Alles, was Uberhaupt einen vermehrten Blutzufluss zur unteren Körperhälfte bewirkt, wie z. B. angestrengtes Reiten, Tanzen, angestrengte Märsche. Zur zweiten Reihe zählen wir alle ätiologischen Momente, welche bei der Entstehung von Varicositäten Uberhaupt in Betracht kommen; namentlich gehören hieher Inguinal- und Femoral-Hernien, Anschwellungen der Inguinaldrüsen, sowie andere Geschwülste, welche einen Druck auf die Vena spermatica ausüben, auch Hydrocele. In gleicher Weise können zu enge Kleider und Verbandstücke (Bruchbänder) wirken. Jedoch versichert V i d a l , der gerade auf diesem Gebiete grosse Erfahrung h a t t e , dass ihm Fälle der Art nicht vorgekommen seien. Geschlechtliche Ausschweifungen müssen auch in dieser zweiten Reihe von Gelegenheitsursachen aufgeführt werden; ihre Wirkung ist offenbar eine doppelte, da sie nicht blos den Blutzufluss steigern, sondern auch allmälig zur Erschlaffung des Crcmaster und der Tunica dartos und somit zu einer Zerrung des Samenstranges durch das Gewicht des Hoden Veranlassung geben. Durch Vermittlung einer solchen Erschlaffung wirkt auch die Hitze. Daraus erklärt sich die bei Weitem grössere Häufigkeit der Varicocele in heissen Ländern '). Hypochondrie wird auch als Veranlassung aufgeführt. Hierbei hat man wohl Wirkung und Ursache verwechselt; denn, wie die Mehrzahl der Krankheiten an den Genitalien, führt auch Varicocele häufig zum Trübsinn.

' ) T i d a l zählt unter den ron ihm wegen Varicocele Operirten auffallend fiele B ä c k e r , welch« mit diesem Uebel ihre Profession nicht weiter fortsetzen zu können erklarten. B o r d « l o b e n , Chirurgie.

Ii AuO. 1Y,

21

322

Krankheiten des H o d e n , des Samenstranges und ihrer Umhüllungen.

Symptome- Gewöhnlich wird der Kranke zuerst durch eine E m pfindung von Schwere oder Zerrung in der Richtung des Samenstranges auf sein Uebel a u f m e r k s a m ; die entsprechende Scrotal-Hälfte ist schlaff und hängt namentlich in der Wärme tiefer hinab; die Kranken fassen häufig nach den Genitalien, um dem Scrotum eine bequemere Lage zu geben. Wirken weiterhin keine neuen Gclegenhcitsursachen ein, so kann die Varicocele lange auf diesem Anfangsstadium verbleiben; gewöhnlich aber findet das Gegentheil Statt und die Varicocele e n t wickelt sich dann zu einem höchst beschwerlichen Uebel. Selbst geringere Anstrengungen erschöpfen den Kranken; muss er sich ihnen wider Willen unterziehen, so gerälh er in einen solchen Zustand, dass man glauben sollte, er leide an einer schweren inneren Krankheit. Auf diesem weiter vorgerückten Stadium zeigt die Füllung der erkrankten Venen zuweilen wesentliche Verschiedenheiten, je n a c h dem der Patient liegt oder steht. Manchmal erfolgt die Füllung beim Aufstehen so plötzlich, dass es den Anschein h a t , als träte eine Hernie hervor. In anderen Fällen bleibt die Schwellung auch beim Liegen dieselbe. Meist sind die Symptome auf die Localität des Ucbels beschränkt; n u r in den schlimmsten Fällen erstrecken sich die Schmerzen bis zur Nierengegend hinauf, in seltenen Fällen selbst bis zur Schulter; in einzelnen Fällen waren die Patienten häufigen Kolikanfällen ausgesetzt. Die Beschwerden stehen nicht immer in geradem Verhältniss zu dem Volumen der Varicocele. Mancher Kranke leidet durch höchst unbedeutende Varicositäten viel m e h r , als ein a n d e r e r , bei dem die Varicoccle eine grössere Geschwulst darstellt. Kuglige, circumscripte Varicositäten scheinen grössere Beschwerden zu machen. Häufig ist die Hautsecretion der entsprechenden ScrotalH ä l f t e » o d e r auch des ganzen Sciotum vermehrt ( L a n d o u z y ) ; bei Einigen steigert sich dies zu einer wahren Plage, indem sie nicht blos unzählige Male die durchnässten Bedeckungen des Scrotum wechseln m ü s s e n , sondern durch das unaufhörliche Jucken auch zu fortgesetztem Kratzen am Scrotum veranlasst werden. Die DiagltOSC der Varicocele kann nicht leicht zweifelhaft sein. Die weiche, knotige Geschwulst hat weder die pralle Elasticität der Hydrocele, noch die derbere Consistenz einer Hodengeschwulst, noch endlich das compacte Gefdge eines Netzbruches; mit einem Darmbruch hat sie gar keine Aehnlichkcit. Selbst, wenn die Varicositäten sich bis in den Leistencanal hinauf erstrecken, ist eine Verwechselung doch n u r bei u n g e n a u e r Untersuchung möglich. Vgl. Bd. III. pag. 8 6 1 . Beim Husten wird eine bewegliche Hernie stärker hervorgetriehen, eine Varicocele in Folge der Contraction des Crema9ter etwas emporgezogen.

323

Varicocele.

Der Verlauf des Uebels ist in der Regel sehr langsam. Am Sehn ellstcn entwickelt sich die Varicocele noch. wenn sie nach wiederholt en Hoden-Entzündungen auftritt. Bestand sie schon vorher, so wird ihr Verlauf durch die lntercurrenz der Orchitis jedenfalls beschleunigt; auch steigern sich danach die Beschwerden in auffallendem Grade. Einen ähnlichen Einfluss können anderweitige Reizungen des Hoden, namentlich auch Verletzungen haben. P r o g n o s e . Die B e s c h w e r d e n , namentlich die Schmerzen, können bei einer Varicocele höchst unbedeutend sein und bleiben. In anderen Fällen sind sie so heftig oder sleigern sich wenigstens zeitweise, namentlich in der Hitze, so erheblich, dass die Kranken in Hypochondrie versinken und sich den schmerzhaftesten Operationen geduldig unterwerfen, um von ihren Qualen befreit zu werden. Zu diesen Beschwerden können sich aber auch G e f a h r e n gesellen, wenn in der Umgebung der Varicocele Entzündung entsteht. Unter solchen Verhältnissen gewinnt die Geschwulst Aehnliclikeit mit einem eingeklemmten Bruch und kann, wenn sie verkannt oder vernachlässigt w i r d , durch purulente Infection tödtlich werden. F i l l e d e r Arl s i n d von E s c a l i e r b e s c h r i e b e n tome I.). Fällen nacb.

Die V e r a n l a s s u n g e n

( M é m o i r e s d e la s o c i é t é d e c h i r u r g .

der zum Tode führenden E n t z ü n d u n g

u n b e k a n n t ; die S e c t i o n wies einen . e i t r i g e n " l o h a l t

blieben in d i e s e n

in d e n Venae

spermaticae

Die c h i r u r g i s c h e G e s e l l s c h a f t in P a r i s e n t s c h i e d sich bei d e r B e s p r e c h u n g d i e s e r

Fälle d a h i n , d a s s d i e V e r h ü t u n g e i n e r s o l c h e n O p e r a t i o n d e r V a r i c o c e l e gelingen k ö n n e .

coinplicirendcn

Entzündung

nur

durch

O f f e n b a r w ü r d e es a b e r ein g e w a g t e r S c h l u s s

s e i n , w e n n m a n s a g e n w o l l t e , j e d e Varicocele m ü s s e o p e r i r t » e r d e n , » e i l sie m ö g l i c h e r Weise dem

Leben

G e r a h r d r o h e n k ö n n e , da d o c h die e n v S b n t e n

d u n g e n k a u m ein Mal u n t e r T a u s e n d e n von Fällen v o r k o m m e n . d e n b e i d e n F a l l e n von E s c a l i e r zurühren.

gefährlichen Vidal

Entzün-

vermag ausser

doch a u c h n u r drei ( a u s s e i n e r eigenen P r a x i s ) a u f -

Die E n t z ü n d u n g w a r in dem einen die Folge e i n e s S c h l a g e s , in d e m z w e i t e n

h a t t e s i e sich von d e r E p i d i d y m i s a u s v e r b r e i t e t und n u r in nachweisbare

Veranlassung

d e m d i i t t e n w a r sie

ohne

entstanden.

Den G r u n d f ü r die b e s o n d e r e G e f a h r s o l c h e r E n t z ü n d u n g e n s u c h t V i d a l s ä c h l i c h in d e r E i n k l e m m u n g d e r E n t z ü n d u n g s g e s c h w u l s t

S e i t e n s des

haupt-

Leistencanals.

Bei längerem Bestehen hat die Varicocele in der Regel einen n a c h t e i l i g e n Einfluss auf die Ernährung des Hoden, so dass derselbe schliesslich, und zuweilen ziemlich schnell, atrophisch wird. Celsus bemerkt bereits: „der Ilode der kranken Seite hängt tiefer und ist kleiner als der andere, weil er keine Nahrung mehr erhalt." Diese Erklärung ist insofern richtig, als das bei Varicocele im Hoden aufgestaute Venenblut zur Ernährung nicht geeignet ist. Ueberdies ist wohl auch der Druck, welchen die Blutsäule auf die Hodensubstanz ausübt, als eine Veranlassung zur Atrophie anzusehen. Dieselbe kann, nach Beobachtungen von V i d a l , sich soweit steigern, dass selbst das 21*

324

Krankheiten des Hoden, des S a m e n s t r a n g e s und ihrer Umhüllungen.

Vas deferens sich verengt und endlich obliterirt. Hat eine doppelte Varicocele Atrophie beider Hoden bewirkt, so ist auch Zeugungsunfähigkeit ihre weitere Folge. Dann findet sich auch immer tiefe Schwermuth. Als seltnere Folgen der Varicocele werden Anfälle von Magenkrampf und andere nervöse Beschwerden, sowie endlich S p e r m a t o r r h o e aufgeführt; letztere entspringt wohl aus. derselben Quelle, wie die Varicocele, ohne von ihr abzuhängen, nämlich a u s E r schlaffung der Genitalien.

Die Bcbaudlung kann entweder nur p a l l i a t i v e Linderung der Beschwerden, oder radicale Heilung bezwccken. Zunächst soll man jedenfalls die Ursachen der Varicoccie, soweit als möglich, beseitigen. Dann werden zum Behuf der p a l l i a t i v e n B e h a n d l u n g kalte oder anderweitige adstringirende Umschläge oder Waschungen empfohlen, vor Allem aber der Gebrauch eines Tragbeutels (Suspensorium), durch welchen der Hode getragen, gestützt und dem Drucke der Blutsäule möglichst entzogen werden soll. Freilich gelingt dies nicht immer, und in manchen Fällen steigert sogar das Anlegen des Suspensorium die Schmerzen, statt sie zu beruhigen. Der Tragbeutel niuss hinreichend stark sein ohne den Hodensack besonders warm zu halten. Netzförmige Gewebe sind daher besser als Leinwand, Parchent, Leder u. dgl. m. Der Beutel selbst wird durch schmale Gurte hinten und vorn an einem das Becken umfassenden Gürtel befestigt. S t a t t des Suspensorium empfiehlt l l e r v e z d e C h e g o i n folgenden Verband. Man drängt den Hoden möglichst empor und umwickelt den darunter übrig bleibenden Theil des Scrotum mit einer Binde in Cirkeltourcn, so dass der Hodensack gelheilt w i r d , der eine oberhalb

der Binde für den

in zwei Theile

Aufenthalt des Hoden

varjcösen V e c e n , der andere, l e e r e , unterhalb der Binde.

und

der

Selbst bei massiger Empfind-

lichkeit wird aber der Druck der Binde unerträglich, so bald man sie fest genug anlegt, u m ihr Abgleiten zu verhüten. Eber dürfte als Surrogat des Tragbeutels d a s , v o n C a r c y empfohlene, chen des S c r o t u m

mit einer

nennen sein (sog. T r a u m a t i e i n , dargestellt).

biegsamen

Lösung

von

Bestrei-

Gutta-Percha

durch Auflösen von Gutta-Percha in

Vor dem Aufpinseln sucht man durch ruhige Lage und

zu

Chloroform

kalte Umschlage

das Scrotum und die darin enthaltenen Venen auf ein möglichst geringes Volumen zu reduciren.

Vgl. C a n n s t a t t ' s

Jahresbericht pro 1 8 5 3 ,

Bd. IV. pag. 2 9 5 . —

Pitba

r ü h m t dies Verfahren ganz besonders.

Die r a d i c a l e H e i l u n g der Varicocele ist nur durch eine Operation möglich. Da die Varicocele nur in äusserst geringem Grade das Leben gefährdet, Operationen an den Venen aber im Allgemeinen nicht als ungefährlich anzusehen sind, so haben viele Aerzte jeden operativen Eingriff verworfen. Macht man dagegen die Beschwerden geltend, welche durch eine Varicocele hervorgerufen werden, so wird v o n anderer Seite entgegnet, dass die Operation in besonders schlim-

Varicocele.

325

men Fällen wohl zulässig sein möchte, wenn sie nur sicher Radicalheilung bewirkte. Allerdings sind Varicositäten im Allgemeinen schwer zu heilen, namentlich, wenn sie weit verbreitet und in Folge einer allgemeinen Ernährungs-Störung auftreten; dagegen gelingt die Heilung einzelner Varices auch an anderen Körperstellen (vgl. Bd. II. pag. 2 5 4 ) . Bei Viiricoecle handelt es sich offenbar fast immer um ein locales Uebel; die Aussichten auf Radicalheilung sind d a h e r , wenn auch nicht absolut sicher, doch grösser, und die Gefahren geringer als bei der Operation irgend einer anderen Varicosilät, weil es sich hier um verhältnissniässig kleine Venen handelt, die nur durch ihre Anhäufung eine so bedeutende Geschwulst darstellen. Bei der Beurthcilung der Frage nach den Gefahren der Operation dürfen die Eingriffe, durch welche man in früheren Zeiten die Varicocele zu heilen gedachte, nicht in Betracht k o m m e n : die Unterbindung der blossgelegten Venen, die Exstirpation mit und ohne Unterbindung, die Castration. Die weniger gefährlichen und wirksameren Operationsmethoden, welche wir jetzt noch zu berücksichtigen haben, datiren erst seit dem Jahre 1 8 3 9 , wo G a g n e b e zuerst die subcutane Unterbindung der Venae spermaticae empfahl. Alle gehen darauf aus, Verschluss der Venae spermaticae, womöglich an mehreren Punkten Fig. 07. herbeizuführen. Bei der Methode von Vi d a l wird zugleich eine Verkürzung des Samenstranges u n d somit eine Hebung des Hoden beabsichtigt. Der erste Act besteht bei jeder Methode in der (subcutanen) Isolirung der Venen von dem Vas deferens und der in dessen Begleitung verlaufenden Artcria spermatiea. Letztere genau zu fühlen, ist nur selten möglich; man muss sich darauf verlassen, dass sie mit dem Vas deferens inniger verbunden ist als mit den Venen, von denen jedoch e i n e nahe am Vas deferens zu liegen und schwer von ihm zu trennen zu sein pflegt. Ihn die Venen leicht unterscheiden und fassen zu können, bringt man sie zu einer möglichst starken Schwellung, indem man den Kranken herumlaufen, o d e r , was einfacher ist, mit warm eingehülltem Scrotum im Bett liegen lässt. Der Kranke steht vor dem Wundarzt aufrecht; der letztere umfasst (sofern die Varicoccle auf der

326

Krankheiten des H o d e n , des Samenstranges und ihrer Umhüllungen.

l i n k e n S e i t e sitzt)

mit Daumen

und

Zeigefinger seiner

linken

Hand

die r e c h t e S c r o t a l - H ä l f t e , so dass die Spitzen dieser F i n g e r das an der h i n t e r e n S e i t e des S a m e n s t r a n g e s Dicke u n d

Festigkeit

erkennende

Vas

s c h i e b t dasselbe

(nicht an

deferens den

g e l e g e n e , an seiner der

besonderen

zwischen

genannten

sich

Fingern

gleichmässigen

Empfindlichkeit)

nehmen.

Die r e c h t e

gleichsam z u ,

zu

Hand

während

sie

die drei V e n e n s t r ä n g e nach der linken Seite des Patienten h e r ü b e r z i e h t . Fig. 6 7 zeigt die drei Strange, in denen die varicösen Venen aufzusteigen pflegen, und das dem mittleren Strang nahe liegende cylindrische Vas deferens. Dieser Act, gleichsam die Vorbereitung zur eigentlichen Operation, ist allen Methoden gemeinsam, w ä h r e n d dieselben sich weiterhin u n t e r scheiden,

je

nachdem

Compression,

rollung

der varicösen Venen beabsichtigt wird. I.

1) V e r f a h r e n

von

s a m m t den b e d e c k e n d e n

oder

Auf-

Comiiresaion.

von D r e s c h e t .

einer, d u r c h Anziehen

Unterbindung

Die isolirten Venen w e r d e n in

zwei S c h r a u b e n festzuziehenden

Weichtheilen

die B l u t b e w e g u n g in ihnen vollständig unterbrochen wird, bildung erfolgt und, indem die Venen o b l i t e r i r c n , nöthigt wird, auf anderen W e g e n ,

namentlich

S c r o t u m , seinen R ü c k w e g zu s u c h e n .

Klemme,

in der Art e i n g e z w ä n g t , der Blutstrom

durch

dass

Thrombus-

die Venen

gedes

Um sicher zu g e h e n , legt m a n

die eine K l e m m e n a h e dein Leistenringe, die zweite n a h e d e m Hoden a n , so dass die zwischen beiden befindliche Blutsäule völlig u n b e w e g lich wird.

Das Anlegen selbst verrichtet

O p e r a t e u r in der oben

ein Gehülfe,

während

b e s c h r i e b e n e n Weise mit seinen F i n g e r n

v e r s c h i e d e n e n Theile des S a m e n s t r a n g e s aus einander hält.

der die

Den P e n i s

zieht der K r a n k e selbst möglichst hoch empor, damit bei s p ä t e r etwa eintretenden Erectionen

die

w e r d e n sofort möglichst

fest a n g e z o g e n ; j e

Haut nicht zu kurz ist.

Die S c h r a u b e n

fester man

von Anfang

an comprimirt, desto weniger Schmerzen hat der K r a n k e a n den folgenden

Tagen.

Nach d e r ursprünglichen Angabe von B r e s c h e t sollten diese Klemmen die ganze Scrotal-Hälfte gleicbmässig comprimiren, so d a s s , wenn schliesslich die brandige Zerstörung der aufs Aeusserste coinprimirten Stellen vollendet w a r , zwei quere Einschnitte am Hodensack zurückblieben, die nur langsam vernarbten. — L a n d o u z y (Memoire s u r le varicocile. Paris 1 8 3 8 ) hat diese Instrumente dahin geändert, dass sie vermöge eines Ausschnittes an ihren Branchen den äusseren Rand des Scrotum unversehrt lassen. 2) V e r f a h r e n

von Velpeau.

Zwischen dem S a m e n s t r a n g u n d

den Venen wird, w ä h r e n d letztere möglichst stark gegen den äusseren Umfang

des Hodensackes

gedrängt

werden,

eine Nadel

durch

das

Varicocele.

327

S c r o t u m gestossen und in der Art mit einem Faden in Achtertouren (wie bei der umschlungenen Naht) umwickelt, dass die Venen zwischen dem Faden und der Nadel möglichst fest comprimirt werden. kann diese umschlungene Naht liegen lassen, bis

die

Theile brandig werden, oder sie auch früher entfernen. wenn auch beschwerlicher, doch sicherer sein.

Man

umschnürten Ersteres wird,

Hielte man e i n e Ob-

literations-Stelle für ungenügend, so könnten auch mehrere Nadeln in verschiedener Höhe eingelegt werden II. 1) V e r f a h r e n

Subcutane Unterbindung.

von G a g n e b 6 ' ) .

Eine mit einem starken F a -

den versehene gerade Heftnadel wird zunächst zwischen den Venen und dem Vas deferens hindurchgcführt,

dann aber durch

dieselbe

E i n - und Ausgangsöffnung rückwärts zwischen den Venen und

der

Haut zurückgeschoben, so dass die Venen von einer Schlinge umfasst werden,

deren Enden beide aus

der Einstichsöffnung heraushängen

und dort fest zusammengeschnürt und geknotet werden. 2) V e r f a h r e n

von

Ricord.

Zwei Fadenschlingen werden in

zwei Nadeln eingefädelt, und zwar durch das Oehr der einen die beiden Faden-Enden, durch das der anderen der geschlossene Theil der Schlinge (Klang).

Die eine Nadel wird zwischen den Venen und dem

Vas deferens, die andere genau durch denselben Ein- und Ausstichspunkt zwischen

den Venen und der Scrotal-Haut

hindurchgeführt.

Nach Entfernung der Nadeln liegen die Fadenschlingen s o , dass der Klang der einen

und das offene Ende der anderen neben

in derselben Stichöffnung sich befinden. die F a d e n - E n d e n

einander

Auf jeder Seite werden nun

durch den Klang gezogen und

die nunmehr den

ganzen V e n e n - P l e x u s zwischen sich nehmenden Schlingen möglichst fest angezogen. Will man diese subcutane Ligatur entfernen, so braucht man nur an dem einen Faden-Ende auf beiden Seiten zu ziehen. 3 ) V e r f a h r e n v o n R e y n a u d , v e r b e s s e r t v o n V i d a l . Statt der Fäden werden Silberdrähte angewandt, welche in besondere Nadeln, in deren hinteres Ende ein Schraubengang eingebohrt ist, eingeschraubt werden (vgl. Fig. 6 8 ) .

Die varicösen Gefässe werden stark

nach Aussen gezogen und mit Daumen und Zeigefinger möglichst eng umfasst. Hinten

Die Nadel mit dem Draht wird neben den nach Vorn

durch

das Scrotum gestossen.

Fingern

Der

von

eingeführte

*) G a g n e b l b a t io seiner 1 8 3 0 veröffentlichen These die subcutane Ligatur zuerst empfohlen. Dies Verdienst bleibt ihm ungeschmälert, wenn auch das häufiger angewandte und entschieden sinnreichere V e r f a h r e n von R i c o r d herrührt.

328

Krankheiten des H o d e n , des Samenstranges und ihrer Umhüllungen.

Draht umfasst somit die Venen und ein Stück der Scrotal-Haut. Auf letztere wird eine kleine aufgerollte Binde oder eine feste Compresse gelegt und darüber der Draht zusammengeknotet. Zwischen die Binde und den Draht schiebt man eine eiserne Sonde von hinreichender Stärke, die als Knebel dient. Durch ihre Umdrehungen wird der Draht zunächst möglichst eng um die gefassten Theile zusammen geschnürt und diese Zusammenschnürung alle 2 — 3 Tage wiederholt, bis die Trennung des ganzen Venen-Plexus und der von dem Draht umfassten Scrotal-Haut vollendet ist. Diese erfolgt gewöhnlieh bis auf eine kleine Hautbrücke in 14 Tagen. Die Brücke kann dann mit der Scheere durchschnitten werden. Statt den Draht zusammen zu knebeln, kann man ihn auch, wie bei anderen Draht-Ligaturen, mit einer Drahtzange zusammendrehen. Sehr selten wird man Veranlassung haben, ihn wegen zu heftiger Entzündung wieder aufdrehen zu müssen. Möglichst feste Umschnürung stellt auch bei dieser Ligatur vor üblen Zufällen am Meisten sicher. Statt der Unterbindung ist auch die Trennung der isolirten Venenbündcl mittelst der galvanokaustisclien

Schneideschlinge versucht worden.

Bruns

sab aber

darauf

2 Hai p u r u l e n t e Infection folgen. III.

Aurrollung.

V e r f a h r e n v o n V i d a l . In zwei Nadeln von verschiedener Stärke (Fig. 68 a und c) sind entsprechende Silberdrähte (b und d) einFig. 68.

b

geschraubt. Die stärkere Nadel wird zwischen dem Vas deferens und den Venen, die schwächere zwischen diesen und der Haut hindurchgestossen, beide durch dieselbe Stichöffnung, was leicht gelingt, indem man den zuerst eingelegten Draht nach Hinten biegt. Die varicösen Venen sind somit zwischen den beiden Drähten gefasst, während das Vas deferens, Fig. 6 9 a , hinter dem dickeren Drehte unberührt liegt. Bis dahin ist es zweckmässig, den Kranken aufrecht stehen zu lassen; für die folgenden, sehr schmerzhaften Operationsacte lässt man ihn sich niederlegen und betäubt ihn mit Chloroform. Dann werden die hervorragenden Draht-Enden auf beiden Seiten in verschiedener Richtung zusammengedreht, so dass sie zunächst den Venen-Plexus eng zusammenschnüren, zuletzt aber, bei fortgesetzter Drehung, indem der dünnere Draht sich um den dickeren aufwindet, auch um diesen letzteren aufrollen, wobei der Hodc etwas

329

Varicocele.

gegen den Leistenring eraporgezogen wird. Vgl. Fig. 70 und 71. Sind Abschnürung und Aufrollung hinreichend erfolgt, so vereinigt man die vorderen und hinteren Draht-Enden Uber einer kleinen Bindenrolle, wie bei dem R e y n a u d ' s c h e n Verfahren, und dreht sie Uber dieser mit einer Drahtzange abermals möglichst fest zusammen. Dies wird In den nächsten Tagen wiederholt, bis der ganze Drahtschlingen-Complex, nach brandiger Zerstörung der umfassten Theile, sich löst. Auf diese Weise wird den Venen des Samenstranges und den sie umgebenden Scrotal-Venen ein erheblicher Substanzverlust beigebracht; man hat daher ausser der Obliteration der Venen auch eine gewiss vortheilhaftc Verkürzung des Samenstranges in Aussicht.

Fig. 6 9 .

Fig. 70.

Vergleichen wir diese Methoden und Verfahren in Betreff ihrer W i r k s a m k e i t und ihrer G e f a h r e n , so finden wir zunächst in Betreff der e i n f a c h e n L i g a t u r fast alle Wundärzte in dem Urtheile einverstanden, dass sie nur einen höchst vorübergehenden, oft gar keinen Erfolg gewährt. Je grösser die Strecke ist, in der die Venen verschlossen werden, desto mehr Aussicht auf dauernden Erfolg geF währt die Operation. Daher haben '8- 71. m e h r f a c h e L i g a t u r e n schon einen jj J Vorzug. B r e s c h e t ' s C o m p r e s s i o n /IfV ist zuverlässiger, weil die feste Narbe, IMj \ welche sich von der Trennungsstelle 111 •) der Haut zu den Venen fortsetzt, der w s ^ y T ^ A g , Wiederherstellung des Lumens der obliterirten Venen kräftiger widersteht. I^F^rO' Diegrösste Sicherheit gewährt V i d a l ' s \ A u f r o l l u n g wegen des vielfachen J und vollständigen Verschlusses und ^ Mä der ausgedehnten Continuitätstrennung

330

Krankheiten des Hoden, des Samenstranges and ihrer Umhüllungen.

der varicösen Venen. — Anderer Seits liegt die Bcsorgniss nahe, dass gerade die wirksamsten Operationen auch die gefährlichsten seien, weil sie die eingreifendsten sind. Am Meisten ist dies gegen die A u f r o l l u n g d e r V e n e n geltend gemacht worden. Die Erfahrung jedoch hat, nach den von Vi d a l in grosser Anzahl ausführlich mitgetheilten Beobachtungen, diese Befürchtungen nicht bestätigt; bei keinem einzigen der von ihm Operirten (Uber 250) ist purulent'e Infection oder eine anderweitige lebensgefährliche Erkrankung beobachtet worden. Selbst, wenn nach der Operation „zufällig" eine erhebliche innere ßrkrankung eintrat, zeigten sich üble Zufälle Seitens der operirten Varicocele nicht, und die Heilung erfolgte trotz jener Complicationen. V i d a l erwähnt namentlich eines Mannes, der nach schweren T y p h u s befallen wurde und diesen glücklich

der

Operation

überstand.

von

drei Tage nach der Operation einen heftigen Schüttelfrost, auf den lebhaftes folgte.

Schon glaubte m a n den Deginn der PySmie vor sich zu

einein

Ein anderer hatte

haben.

Fieber

Tags darauf

waren die B l a t t e r n a u s g e b r o c h e n , die an mehreren Stellen, namentlich auch auf d e r operirten Scrotal-Hälfle, zusammenflössen und überhaupt

keinen leichten Verlauf nah-

m e n , dennoch a b e r die Heilung der Varicocele nicht störten.

Die Mehrzahl der erwähnten Operationen hiuterlässt eine erhebliche Difl'ormität, namentlich die Aufrollung; jedoch wäre dies kein Grund gegen die Operation, sofern dieselbe durch die bestehenden Beschwerden Uberhaupt motivirt würde. Von grösserer Wichtigkeit ist die Frage, wie die Ernährung des ohnehin bei den höheren Graden der Varicocele atrophischen Hoden sich erhalten wird, wenn seine Venen vollständig verschlossen sind. V i d a l behauptet, dass die Operation gerade ein Heilmittel gegen die Atrophie sei. Dies erscheint unbegreiflich, u n d bevor nicht sehr genaue Beobachtungen diese Angabe bestätigt h a b e n , werden wir uns vielmehr der Befürchtung hingeben müssen, dass durch Obliteration der Venen (des zufälligen Mitfassens der Arterie gar nicht zu gedenken) eher die Ernährung des Hoden beeinträchtigt werden möchte. In dieser Beziehung wird man namentlich bei noch zeugungsfähigen Männern und bei doppelter Varicocele die sorgfältigsten Erwägungen anzustellen h a b e n , bevor man sich zur Operation entschliesst.

331

Hypertrophie.

Siebentes

Capltel.

Neubildungen in und an Hoden und Hodensack. Die verschiedenartigsten Neubildungen werden am Hoden beoba c h t e t : der Krebs in allen seinen Varietäten, bald vom Hoden selbst, bald vom Scrotum ausgehend, Cystenbildungen der verschiedensten u n d wunderbarsten Art, selten Enchondrom, Knochen-Neubildungen u n d Myosarcom. Im weiteren Sinne muss man auch die Hypertrophie des Hoden, die Elephantiasis scroti und diejenigen Schwellungen des Hoden hierher rechnen, welche wir als Entziindungsproducte (Cap. IV.) kennen gelernt haben. Alle Geschwülste im S c r o t u m , welche sich nicht als Cysten oder Krebs erwiesen, w u r d e n f r ü h e r , im Gegensatz zu der Hydrocele, der Varicocele und den Hernien, als .Sarcocele" u. dgl. m .

bezeichnet, so z. B. die

Verschiedene Autoren

w e i t e r e m , bald engerem

Elephantiasis scroti als Sarcocele

haben diesen

Namen

Sinne gebraucht, so dass

in

aegyptiaca

sehr verschiedenen,

er völlig nichtssagend

bald

geworden

ist und j e t z t mit Recht fast allgemein vermieden wird.

1. Hypertrophie. — Elephantiasis. H y p e r t r o p h i e d e s H o d e n im engsten Sinne des Wortes beobachtet man nach der Entfernung e i n e s Hoden durch Castration, wenn der andere längere Zeit gesund bleibt und der Operirte noch nicht zu alt ist. Was sonst noch als Hypertrophie beschrieben ist, beruht entweder auf einer Vergrösserung durch entzündliche Schwellungen (vgl. Cap. IV.), oder auf Neubildungen. Als H y p e r t r o p h i e d e s S c r o t u m beschreibt man die E l e p h a n t i a s i s s c r o t i , welche vorzugsweise häufig in Indien u n d Egypten, äusserst selten und fast nur an Individuen, die aus jenen Ländern herrührten, in Europa beobachtet wird. Wahrscheinlich sind die anatomischen Verhältnisse ganz dieselben, wie bei der Elephantiasis überhaupt (vgl. Bd. II. pag. 275), so dass man dieses Uebel ebenso gut zu den EntzUndungs-Ausgängen stellen könnte. Der Hodensack wird durch Elephantiasis bis zu einem unglaublichen Volumen vergrössert. Die Geschwulst kann bis zu den Knieen hinnabhängen u n d bis zu 60 Kilogramm wiegen. Gerade diese ganz aussergewöhnliche Grösse i s t , im Vergleich zu anderen Geschwülsten des Hodensackes, charakteristisch. Keine andere erreicht solche Dimensionen; am Nächsten steht ihr noch das Sarcom, aber bevor dies eine ähnliche Grösse erreicht, ist es gewöhnlich schon aufgebrochen und hat das Allgemeinbefinden des Kranken schon so gestört, dass von einer Verwechselung beider gar nicht die Rede sein kann. Die

332

Krankheiten des Hoden, des Samenstranges und ihrer Umhüllungen.

Elephantiasis scroti wirkt nur durch ihre Grösse und ihr Gewicht nachtheilig. — Die Gestalt dieser Geschwülste ist nicht immer dieselbe, jedoch sind sie im Allgemeinen länglich rundlich, am unteren Ende etwas dicker als am oberen, so dass sie durch eine Art (freilich sehr dicken) Stiel mit dem übrigen Körper in Verbindung stehen. Die Geschwulst ist nirgend schmerzhaft, zeigt auf der Oberfläche keine irgend erhebliche Veränderung der Haulfarbe, zuweilen aber die charakteristischen Schrunden, Risse und Krusten (vgl. Bd. II. 277), sowie auch blau durchschimmernde Venenstränge. An einzelnen Stellen ist sie härter, an anderen nachgiebiger, selbst weich. Die Samenstränge zeigen keine Schwellung; auch die Hoden bleiben Anfangs unversehrt, werden jedoch oft schon frühzeitig von einer Hydrocele umgeben; auf späteren Stadien verschmelzen sie mit der umgebenden Bindegewebsmasse und verfallen wahrscheinlich der fettigen Degeneration. Beim weiteren Wachsthum der Geschwulst wird die Vorhaut mit zur Bedeckung und demnächst auch zur Bildung derselben verwandt. Der Penis liegt dann in der vorderen Wand des Hodensackes versteckt. Zur Oeffnung der Urethra führt der aus dem entfalteten Präputium gebildete Trichtcr, so dass der Harn Uber die vordere Fläche des Scrotum hinabfliesst, wie bei „unbeweglichen Hernien" (Bd. III. pag. 749). Die A e t i o l o g i e ist eben so dunkel, wie die der Elephantiasis Überhaupt; jedoch werden mechanische Insulte hier häufiger angeführt. Die B e h a n d l u n g mit pharmaccutischen Mitteln hat sich erfolglos erwiesen und dürfte sogar verwerflich sein, wenn es sich um Medicamente handelt, die dem übrigen Körper nachtheilig werden könnten (Quecksilber- und Jod-Präparate, anhaltender Gebrauch von Abführmitteln u. s. f.) Auch die Compression hat keinen Erfolg gehabt. Man ist durchaus auf die o p e r a t i v e B e s e i t i g u n g hingewiesen, die meist schwierig und niemals gefahrlos sein wird. Man darf dabei die Hoden nicht verloren geben; selbst wenn sie atrophisch wären, muss man sie sammt den Samensträngen zu erhalten und nachher mit Haut zu bedecken suchen. In gleicher Weise muss man auch für die Erhaltung und Bedeckung des Penis sorgen. Die Gefahr liegt wesentlich in der ungeheuren Blutung. Zu ihrer Verhütung sucht man die erweiterten Venen zu entleeren, indem man die ganze Geschwulst längere Zeit möglichst hoch emporhalten lässt ( O ' F e r r a l ) , und wendet dann kurz vor Beginn der Operation eine prophylaktische Compression an, indem man die Basis des Scrotum mit einer starken Ligatur (einem hänfenen Strick) umschnürt ( F a y r e r ) .

Krebs.

333

II. Krebs und Sarcom. Die Aeliologie des Ilodenkrebses ist so dunkel, wie die der Carcinome überhaupt. Man spricht von mechanischen Insulten, andauerndem Druck u. dgl. m. L a s s u s und R o u x führen a n , dass ein im Leistencanal zurückgehaltener Hoden, den man für eine Hernie hielt, „in Folge des durch das Bruchband ausgeübten Druckes" krebsig geworden sei. Dass Cryptorchismus zu Degenerationen prädisponire wurde schon pag. 2 7 4 erwähnt. Auch geschlechtliche Abstinenz und Zurückhaltung des Samen im Augenblick der Ejaculation werden, ohne genügende Begründung, als iitiologische Momente angeführt. In Betreif der verschiedenen F o r m e n bösartiger Neubildungen, welche im Hoden vorkommen, müssen wir auf deren allgemeine Beschreibung im I. Bande verweisen. In Betreff des V e r l a u f e s unterscheiden wir namentlich die härtere Form von der wcichcren. E r s t e r c , der Scirrhus testiculi der älteren Autoren, ist relativ seltener, kommt fast nur bei älteren Leuten und jedenfalls nicht vor den Jahren der Pubertät vor, ergreift fast immer nur e i n e n Hoden und soll vorzugsweise im Nebenhoden b e ginnen. Die Geschwulst wird selten sehr gross, aber ungemein hart, unregelmässig; sie verwächst erst spät mit der Haut, wächst überhaupt langsam u n d wird erst ganz allmälig schmerzhaft. Die Schmerzen kehren in grösseren Zwischenräumen wieder, werden durch Druck erregt oder doch gesteigert und werden von dem Kranken beschrieben, als führen schnell Nadeln durch die Geschwulst. Nach längerer Zeit schwillt auch der Samenstrang a n , die comprimirten SerotalVcnen erweitern sich und schimmern bläulich durch die Haut, weiterhin werden auch die Inguinal-Drtisen grösser und schmerzhaft; die Bedeckungen der Geschwulst werden dünner, verwachsen mit i h r ; die äussere Haut bekommt dann eine bräunlichc Farbe und die Geschwulst wird nun an einzelnen Stellen weicher. Damit ist der Aufbruch vorbereitet, der auch gewöhnlich nicht lange auf sich warten lässt. Aus den Aufbruchsstellcn entleert sich eine stinkende Jauche. Der Zerfall schreitet an der Oberfläche schnell fort, so dass man bald ein unrcgelrnässig zerklüftetes Geschwür mit harten Rändern vor sich hat, dessen Grund in der Regel trocken, braungrau oder rothbraun, an einzelnen Stellen mit schmierigem Detritus bedeckt ist, niemals wuchernde Granulationen producirt und keine Neigung zu Blutungen besitzt. Als M a r k s c h w a m n i sind die bei Weitem häufigeren weichen Formen zusammengefasst worden. Offenbar gehören hierher nicht blos

334

Krankheiten des Hoden, des Sameostranges und ihrer Umhüllungen.

die w e i c h e n C a r c i n o m e , sondern auch die S a r c o m e . Letztere kommen in allen Lebensaltern, selbst bei ganz kleinen Kindern v o r . P i t h a sah den „Markschwamm" bei einem Neugeborenen u n d bei Kindern von einem und zwei Jahren. Am Häufigsten entwickelt er sich zwischen dem 20sten und 39sten Jahre. Das Uebel geht vom eigentlichen Hoden aus, der Anfangs nur wenig anschwillt, seine Gestalt behält u n d etwas weicher wird, so dass die Geschwulst, n a m e n t lich bei Kindern, ein höchst täuschendes Gefühl von Fluctuation d a r bieten kann. Bei weiterem Wachsthum wird die Geschwulst m e h r rundlich, der Nebenhoden verschmilzt allmälig mit ihr zu einer gleichmässig eiförmigen Masse, sie behält aber immer noch eine glatte Oberfläche, bis endlich die wuchernde Krebmasse irgendwo durch die Albugínea hervorbricht u n d in Gestalt eines Pilzes von da ab ihr Wachsthum nach allen Seiten und in alle Gewebe, bald in den u n regelmässigsten Formen, bald in Gestalt vielfacher rundlicher Höcker, weiter fortsetzt. Während des ersten Stadiums (vor dem Durchbrechen der Albugínea) wird die Höhle der Túnica vaginalis gewöhnlich von Flüssigkeit ausgedehnt, weiterhin schwindet diese aber unter dein Druck der wachsenden Geschwulst und die beiden Blätter der Túnica vaginalis verwachsen mit einander, um bald von den Krebsmassen durchbrochen u n d zerstört zu werden. In manchen Fällen findet diese Verwachsung gleich Anfangs Statt. Mit überraschender Schnelligkeit erreicht diese Geschwulst eine gewaltige Grösse — bis zu dem Gewicht von m e h r als 7 Pfund. Dieser massenhaften Zellenwucherung entsprechend, entwickeln sich alle Gcfässe des Hoden und des Hodensackes zu einem weit über das Doppelte und oft Uber das Zehnfache der Norm hinausgehenden Caliber. Am Samenstrang breitet sich der „Markschwamm" gewöhnlich erst spät a u s ; dagegen schwellen f r ü h zeitig die regionären L y m p h d r ü s e n , namentlich also die in der Inguinalgegend und im Umfange der oberen Bcckenapertur bis zur Wirbelsäule gelegenen, zu deutlich fühlbaren Knoten an. Inzwischen bleibt die Geschwulst selbst gewöhnlich schmerzlos; die Kranken haben wohl die Empfindungen von Schwere, von u n b e haglicher Spannung oder Zerrung, aber selbst beim Druck keine eigentlichen Schmerzen. Jedoch giebt es in dieser Beziehung so viele A u s n a h m e n , dass sich keine allgemeine Regel aufstellen lässt. Fast gleichmässig mit der Zunahme des Volumen und der weiteren Ausbreitung beginnt die Erweichung im Innern der Geschwulst. Oft kommt es auch zur Bildung vielfacher und zuweilen sehr grosser Cysten. Die durch das gewaltige Volumen der Hodengeschwulst übermässig ausgedehnte Scrotalhaut leistet in einzelnen Fällen doch Wider-

335

Krebs.

stan-d bis zum Tode. Gewöhnlich wird sie aber durchbrochen t und aus der Aufbruchsstelle wuchern schwammige Auswüchse hervor, die, unter oft wiederkehrenden Blutungen, fort und fort durch den Zerfall ihrer zelligen Elemente eine übelriechende Jauche liefern. Das Wachst!)um des „Markschwamms" ist zwar immer schneller als d a s des Scirrhus, selten jedoch ist ein wirklich acuter Verlauf, wobei die Geschwulst sich mit derselben Schnelligkeit wie bei einer Orchitis entwickelt ( V i d a l ) . Oft bleibt die Geschwulst Monate lang auf demselben Stadium und wächst dann ohne bekannte Veranlassung plötzlich mit grösster Schnelligkeit weiter. Ein kachektischer Zustand entwickelt sich meist frühzeitig und schnell. Die verschiedenen Combinationen, Fig. 72. welche das Krebsgewebe erfahren kann, zeigen sich beim Hodenkrebs sehr häufig. Nicht selten kommt es zu vielfacher und ansehnlicher Cystenbildung, während an anderen Stellen die zelligen Elemente tubeikulisiren und von faserigen Narbensträngen durchsetzt werden (vgl. Bd. I.). S o zeigt z. D. Fig. 7 2 den D u r c h s c h n i t t r i n e s cinomalöseq

Hoden

(nach

Cruveilhier,

Grösse), dessen Wachsthum

noch

man

noch d e n

a hervorragenden Samenstrang und Nebenhoden

scheiden kann. fange

nach

Hier

finden

Hechts und

sich

im S ü s s e r e n

Uniwandelungen

welchem

m a n die o b e n

wahrnehmen

Fig. 7 3 zeigt

UmGe-

erwähnten

konnte.

(gleichfalls

nach

Cruveilhier,

in h a l b e r G r ö s s e ) einen Alveolnr-Krebs, d e s s e n HolilrSume

mit

Colloidmasse

in

verschiedenen

i h r e r E n t w i c k l u n g gefüllt w a r e n . nere

Theil

entsprach

grössere dem Hoden.

der

Der

Epididymis,

Stadien

untere der

kleiobere

Der K r a n k e w u r d e o p e i i r t und

s t a r b an einein M a r k s c h w a m m

der

bei

unter-

O b e n noch S a m e n c a n S l c h e n ,

w ä h r e n d d e r g r ö s s e r e Ttieil a u s c a r c i n o m a t ö s e m w e b e b e s t e h t , in

car-

halber

n i c h t weit f o r t g e s c h r i t -

ten ist und an dessen hinterer Seite a,

in

Wirbelsäule.

Der K r e b s d e s I l o d e n s a c k c s geht entweder ursprünglich vom Hoden aus und ergreift erst secundär das Serotum, oder er beginnt in dem Gewebe des letzter«! selbst. Das p r i m ä r e Carcinom des Hodensackes zeigt in der Regel die Charaktere

Fig.

73

336

Krankheilen des Hoden, des Samenstranges und ihrer Umhüllungen.

des E p i t h e l i a l - K r e b s e s liche Specics unter züglich von

und ist schon

längst als eine

eigerthüm-

dem Namen „ S c h o r n s t e i n f e g e r k r e b s ' "

Englischen Schriftstellern,

welche

dieses

Uebel

bei Kaminfegern häufiger zu beobachten Gelegenheit hatten, ben worden.

Ob die Einwirkung des R u s s e s ,

Insultation des Scrotum

beschrie-

oder die mechanische

bei dem genannten Handwerk

die Entwickelung des Epithelial-Krebses

vorgerade

Einfluss

auf

an dieser Stelle h a b e n ,

ist

nicht erwiesen. F ü r die Behandlung des Hodenkrebses, namentlich auch in Betreff der Operation, gilt Alles, w a s in dieser Beziehung über den Krebs im Allgemeinen (Bd. I.) mitgetheilt wurde.

III. Tuberkulose. Wie auch in anderen Organen, so werden namentlich im Hoden unter dem Namen „ T u b e r k u l o s e " sehr verschiedene pathologische V e r änderungen zusammengefasst, die nur in dem einen Endresultat Ubereinstimmen, dass sie zur Bildung käsiger,

gegen die Nachbargewebe

scharf abgegrenzter Massen Veranlassung geben. Bildung zu Grunde liegende Umwandlung

Seit man die, dieser

neugebildcter Z e l l e n ,

na-

mentlich auch der Eiterkörperchen, g e n a u e r k e n n e n gelernt u n d unter dem

Namen

„ Tuberkulisiren"

beschrieben h a t ,

ist

der

Ausdruck

„ T u b e r k e l " zweideutig g e w o r d e n , sofern er nicht mehr b l o s auf die früher als Tuberkel bezeichneten und bekannten Neubildungen , sondern auch auf die

eben

weitiger Zellen

erwähnte

Umwandlung

angewandt wird.

Man

des Eiters

könnte sagen,

Falle handele es sich um ein nothwendiges, Ernährungs-Störung

(Dyskrasie) bedingtes,

um ein mehr zufälliges Tuberkulisiren. gen sind gerade in Betreff der

durch eine

in dem

Hoden-Tuberkulose

Tuberkulose

anderersteren

allgemeine

zweiten

dagegen

Diese allgemeinen Erörterunvon

man kann danach die dyskrasische und die durch zündungen eingeleitete

und im

Wichtigkeit;

anderweitige 'Ent-

unterscheiden.

Letztere ist die

bei Weitem häufigere, und V i d a l behauptete daher schon nnit Recht, „ d a s s die meisten

Hoden-Tuberkeln

keine rechten T u b e r k e l n seien,

da so ungemein selten Lungen-Tuberkeln zu vorkämen."

keln sich fast immer vom Nebenhoden entzündliche treten.

gleicher Zeit imit ihnen

Hiermit steht ferner im Einklänge,

dass Hoden-Tuber-

aus entwickeln,

Processe viel häufiger als im eigentlichen

in

welchem

Hoden

auf-

Daher endlich die von allen Seiten wiederholte Ang,abt, dass

nach Tripper, nach Quetschung sich entwickele.

des Hoden u. dgl.

m.

Tulberkulose

337

Tuberkulose. Fig. 7 4 zeigt nach C r u v e i l h i e r in halber Grösse eine weitverbreitete Tuberkulose des Hoden hoden (Sarcocele tuberculosa,

und

Fig. 7 4 .

Neben-

nach C r u v e i l h i e r ) .

Die

Tuberkelo erscheinen an diesem Präparat auf allen S t u f e n der Entwickelung von kleinen, halbdurcbscheinenden, grauen Knötchen bis zu den mit käsigen Massen gelullten Caveroen. Das unigebende HoJen-Parcni-.byin

ist noch völlig gesund.

Die Tuberkulose des Hoden findet sich in ihren beiden Formen seilen vor den Jahren der Pubertät; jedoch hat sie V i d a l auch hei 5 - und 6jährigen Kindern gesellen. Die Entwickelung erfolgt in der Regel ganz allmälig und ohne Schmerzen, so dass der Kranke erst durch die veränderte Gestalt und Grösse des Hoden auf sein Uebcl aufmerksam gemacht wird. Für äusseren Druck zeigen sich die noch gesunden Theile des Hoden empfindlicher als die erkrankten. Am Häufigsten ist der primäre Sitz im Kopf des Nebenhoden; von da aus können sich die Tuberkeln einer Seits zum Hoden, anderer Seits aber am Vas defereus aufwärts bis an den Leistenring oder auch weiterhin zur Samenblase verbreiten. Zuweilen bleibt auch der im Becken liegende Tlieil des Vas deferens f r e i , während die SamenBei dyskrasischer Tublase doch mit erkrankt ist (vgl. pag. 221). berkulose werden gewöhnlich beide Hoden ergriffen. Nach längerer oder kürzerer Zeit entsteht in der Umgebung der Tuberkeln Entzündung und damit beginnt ihre Erweichung. Die tuberkulöse Höhle bricht schneller nach Aussen auf, wenn sie im Nebenhoden ihren Silz h a t , weil sie alsdann nicht erst die der Verschwfirung immer lange Widerstand leistende fibröse Haut (Albugínea) zu durchbrechen hat. Gewöhnlich verengt sich die erste Aufbruchsstelle sehr bald zu einem fistulösen Geschwüre; dieselbe Caverne bricht an einer zweiten Stelle auf und oft noch an mehreren. Alle diese Oeffnungen vernarben erst, nachdcm Monate und Jahre lang schlechter Eiter mit tuberkulösen Brocken gemischt, ähnlich dem Inhalt der kalten Abscesse, zur grossen Beschwerde und Beunruhigung des Patienten entleert worden ist, — oft aber auch gar nicht. Jedoch kommt es niemals zu einer erschöpfenden Eiterung. Treten colliquative Erscheinungen auf, so hat man deren Grund immer in der Erkrankung der Lunge oder anderer Organe zu suchen. Bchaudlung. Wenn die Tuberkulose aus einem Allgemeinleiden abgeleitet werden muss, so ist auf dieses auch von therapeutischer Seite alle Aufmerksamkeit zu wenden; eine l ó c a l e B e h a n d l u n g wird dann nur zur Beseitigung besonderer Beschwerden oder UuB a r d e l e b e u , Chirurgie. «. Aufl. IV.

22

338

Krankheiten des Hoden, des Samensiranges und ihrer Umhüllungen.

annehmlichkeiten am Platze sein. Letztere tritt in den Vordergrund, •wo die Tubcrculosc rein örtliches Leiden ist. Da ist es wohl gerechtfertigt, die Fistelgänge zu spalten, mit einander zu verbinden, die Entleerung der tuberkulösen Massen und die Schliessung der Höhlen durch Kauterisation zu befördern. Bei ausgedehnter Erkrankung des ganzen Iloden, grosser Beschwerlichkeit und — voraussichtlich — auch Langwierigkeit des üebels ist die C a s t r a t i o n zu empfehlen, da der Ilode doch l'unctionsunfähig ist und die Operation gerade in diesen Fällen sich ohne Schwierigkeit und Gefahr ausführen liisst.

IV. Cysten und Cystoide. Abgekapselte Ansammlungen von eingedicktem Eiter, die man jetzt als tuberkulöse Gavernen bezeichnet, wurden früher als Cysten aufgeführt. Ausserdem kannte Fig. 7 5 . man längst die in den Krebsgeschwülsten des Iloden häufig vorkommenden Hohlräume. Die eigentlichen Cysten des Iloden sind erst von A. C o o p e r beschrieben worden, der ihre Entstehung, >ö» analog dem Cystosarcoma inammae, von einer Erweiterung der Sameneanälchen ableitet. Diese Cystenbildung (indet vorzugsweise in dem eigentlichen Hoden Statt, der Anfangs gleiehmässig, weiterhin aber auch höckrig anschwillt. Die zwischen den Cysten gelegene Substanz verliert allmälig ihre normale Structur, so dass der Iloden nur noch aus Cysten von libröscin Gewebe besteht. In einzelnen Fällen finden sich in diesen Cysten Wucherungen wie beim Cystosarcoma proliferum (vgl. Bd. 1. pag. 409). I'ij!- 7 5 (¡¡cht nach C u r l i n g (A practica! Iroalise on the diseases of the testis) die Ansicht eines vertieal durchschnittenen

cyslisch

entarteten

Hoden,

in

welchem

keine Spur des normalen Gewebes zu entdecken w a r , während der Nebenhoden noch ganz gesund erschien.

Cysten und Cystoide. Genauere Untersuchungen über die Structur des Hodencystoids haben F ö r s t e r und G i l l r o t h ( V i r c h o w ' s Archir, Bd. VII.) geliefert. Letzterer f a n d , däss es sich d u r c h Zellenwucherung innerhalb der Samencanälcben entwickele, indem die neugebildrten Zellenmassen in Form von Sprossen und Schlauchen hervorwachsen u n d , sich abschnürend in ihrem Innern, durch Zerfall der innersten Zellen zu einer schleimigen M a s s e , Hohlräume bilden. — Der Operirte ging an retroperitonealen Carcinomen z u G r u n d e , so dass es fraglich bleibt, ob die G e s c h w u l s t e i n r e i n e s C y s t o i d , o d e r ein Cysto-Carcinom gewesen sei. Abgesehen

von

dem histologischen

s c h w ü l s t e auch eine p r a k t i s c h e

Interesse

haben

diese

Ge-

B e d e u t u n g , weil sie e i n e r s e i t s mit

H y d r o c e l e und anderer Scits mit „ M a r k s c h w a m m " v e r w e c h s e l t d e n sind.

wor-

Z u r S i c h e r u n g der Diagnose führt C o o p e r F o l g e n i e s

„ D i e G e s c h w u l s t ist eiförmig und nicht birnförmig w i e

bei

an.

der Hy-

d r o c e l e , sie ist s c h w e r e r und fluetuirt w e n i g e r d e u t l i c h ; m a n hat w o h l die E m p f i n d u n g , als könne m a n die Geschwulst an einer Stelle leichter comprimiren,

aber nicht

das Gefühl einer

eigentlichen

Fluctuation.

Es fehlt ihr ferner die Durchsichtigkeit und m a n kann nicht, w i e bei der H y d r o c c l e , den Ilodcn an seiner specifischen Empfindlichkeit e r kennen."

Nichtsdestoweniger

gesteht

Cooper

selbst,

dass

er

sich

m e h r m a l s g e t ä u s c h t habe, und empfiehlt eine P r o b e p u n c t i o n z u m a c h e n . A u f diese wird man auch stets z u r ü c k k o m m e n müssen, um die Unterscheidung

von

Markschwamm

möglichst

sicher

z u stellen,

wenn

nicht etwa s c h o n Drüsenschwcllungen und die E r s c h e i n u n g e n d e r K r e b s K a c h e x i e Uber die Natur des Uebels Aufschluss geben. l u n g k a n n n u r in der Exslirpation Blasenwürmer worden.

sind

des erkrankten

ungemein

selten

Die

Behand-

Hoden

im Hoden

bestehen. beobachtet

Sie treten entweder isolirt int G e w e b e des Hoden o d e r d e s

S a m e n s t r a n g e s a u f , oder entwickeln sich in t r a u b e n f ö r m i g e n G r u p p e n in der S u b s t a n z der T u n i c a vaginalis p r o p i a , v o n w o sie dann in d i e Ilodensubstanz eindringen können. p r a l l e , undeutlich

fluetuirende

s c h i e d e n , j e nach dem Sitz d e r S a m e n s t r a n g und die Tunica durch einfache

Incisionen

Sic stellen eine

Geschwulst d a r .

Hydatiden: h a b e n

vaginalis b e s c h r ä n k t ,

beseitigen,

ganz

wie

durchscheinende,

Die

Gefahr

sie

sich

ist

ver-

auf

den

so k a n n m a n sie

eine H y d r o c e l e ;

ist

d e r Hodc selbst e r g r i f f e n , so g e w ä h r t n u r die Castration AbhUlfe. D u p u y t r e n und L a r r e y haben unter der gewaltigen Anzahl von chirurgischen Krankheitsfällen, die zu ihrer Beobachtung k a m e n , n u r j e zwei, A . C o o p e r sogar nur einea Fall der Art beobachtet. V e l p e a u hat weder selbst einen derartigen Fall z u sehen b e k o m m e n , noch b a t er bei seinen Nachforschungen in der Praxis d e r beschäftigtsten Aerzte irgend einen entdecken können. Gleichfalls selten sind G e s c h w ü l s t e im Hoden b e o b a c h t e t w o r d e n , welche R u d i m e n t e eines E m b r y o enthielten, genanntem

zeugungsfihnlichen

Geschwülste

Inhalt,

mit

so-

Monstra p e r inclusio-

22*

340

K r a n k h e i t e n dea H o d e n , des S a m e u s t r a n g e a und ihrer

Umhüllungen.

nem. Vor der Incision, oder dem spontanen Aufbruche werden sich dieselben wohl nur selten mit Bestimmtheit erkennen lassen. E i n e r d e r m e r k w ü r d i g s t e n Fälle d e r Art w u r d e von V e l p e a u (Bulletin d e l'Académie d e m é d e c i n e , T o m . II. pag. 5 9 0 ) .

Ein

1840

beobachtet

2 7 j ä l i r i g e r Mann t r u g

a n d e r r e c h t c n Seite des S c r o t u m eine Geschwulst von d e r Grösse einer F a u s t , w e l c h e in geringerem Maassstabe s c h o n gleich nach der G e b u r t Zeit a b e r n i c h t m e h r gewachsen war.

bestanden h a t t e ,

Sie war r u n d l i c h , von

seit

langer

auffallend w e i s s e r , ' m i t

s e h r feinen Ilaaren b e s e t z t e r H a u t b e d e c k t , gegen welche die d u n k l e r e F a r b e der gen S c r o t a l - I l a u t sich scharf

abgrenzte,

die ganze

Geschwulst

war

in der

übri-

gedachten

Abgrenzung vollkommen unempfindlich.

I h r e Cunsistenz war im Ganzen ziemlich fest,

aber

Stellen

nickt

glcichmässig,

an

einzelnen

war

sie fast

Klaubte Aian in d e r Tiefe einen harten K ö r p e r zu f ü h l e n .

fluetuirend,

au a n d e r e n

Au d e r h i n t e r e n Seite d e r

Geschwulst b e s t a n d e n m e h r e r e F i s t e l g ä n g e , aus denen eine fettige Masse ausfluss, welche w e d e r m i t E i t e r , n o c h mit B l u t s e r u m Aehnlicükeit h a l t e . ein Bündel s e h r d ü n n e r H a a r e h e r a u s ,

wclchcs d e r

dein l l e r v o r s p r o s s e n d e r S c h a a m b a a r e b e m e r k t m a n ein r ö t h l i c b e s

Höckvrchen.

schwollen zu s e i n ,

an

dem

Huden

Samenstrange

S e x u a l - F u n c t i o n e n waren n o r m a l .

hatte;

und

Aus

im G r u n d e

Nebenhoden

war

einem derselben h i n g

K r a n k e daselbst schon lange vor eines a n d e r e n

schienen

nichts a b n o r m

zu

d a s s sie Fötalgebilde e n t h a l t e n m ö c h t e .

schwulst erwies,

dass

purulente die

Die

Infection.

Süssere

auf den Geilauken,

Die Exstirpation wurde a u s g e f ü h r t , allerdings

m i t dein glänzenden R e s u l t a t einer vollständigen durch

bemerken.

Da diese Geschwulst mit k e i n e r a n d e r e n , in dieser

llegion «unst v o r k o m m e n d e n Aehnliclikeit d a r b o t , so k a m V e l p e a u

letalem Ausgang

sah

n u r leicht a n g e -

Besläligung

Bedeckung d e r

der Lederbaut h a t t e , jedoch ohne Drüsen,

d e r Diagnose,

Die a n a t o m i s c h e

aber

mit

U n t e r s u c h u n g der Ge-

Geschwulst

ungefähr die

Structur

hn l u n c r n fanden sich zwei kleine Cysten,

d i e mit e i n e r , dein G l a s k ö r p e r ähnlichen galleitigen Masse gefüllt w a r e n ; ciuc d r i t t e , e t w a s g r ö s s e r e , e n t h i e l t einen grünlichen B r e i , welcher in e i n e r vierten endlich fand sich dicht b e s e t z t ,

die sich bei

d e r i u i s - S c h u p p e n erwies. Haarbälgc.

eine g r a u g e l b e ,

mikroskopischer

dem

körnige

Mtconium

Masse

U n t e r s u c h u n g als ein

mit

ähnlich feinen

war;

Ilaaren

Convolut von Epi-

Den I l a a r e n f e h l l r n , nach d e r U n t e r s u c h u n g von M a n d l ,

die

Aus d e r Cyste mit incconiumartigem I n h a l t hing das schon e r w ä h n t e Bün-

del von H a a r e n hervor.

Neben diesen

Epiderinoidal-Gebililen

s c h w u l s t zahlreiche K n o c h e n r u d i m e n l e , m i t e i n a n d e r d u r c h wirkliche derselben u n t e r s c h e i d e n .

Gelenke

welche von verbunden

fanden sieb

einer Art

waren.

Die e r s t e , a u s drei S t ü c k c h e n

Man

Periost konnte

in der Ge-

überzogrn

und

drei Gruppen

b e s t e h e n d , e n t s p r a c h der S c a -

p u l a , Clavicula und einem Tbeil des H u m é r u s ; die zweite schien entweder dein Kecken; o d e r d e r S c h ä d e l b a s i s a n z u g e h ö r e n ; die dritte war liess sich j e d o c h nicht g e n a u e r

mit

Wirbelslücken zu

vergleichen,

bestimmen.

E i n e grössere Anzahl ä h n l i c h e r Beobachtungen a u s älterer und n e u e r e r Zeit h a t Verneuil

(Archives g é n é r a l e s ,

p a g . 12 Ii. f.) gesammelt.

m i t zeugungsäbnlichem I n h a l t . "

V.

185.), C a n s t a t t ' s

Jahresbericht

pro 1 8 5 5 , Bd. IV.

Vgl. a u c h die Dissertation von H e s s , „ U e b e r Geschwülste Gicssen

ISJ3.

Enchondrom and Verknöcherung.

Das E n c h o n d r o m des Iloden ist sehr selten. Sein bedeutendes Gewicht, die gleichinässipe und bedeutende Resistenz und die leichthöckerige, drusige Oberfläche wurden es von Cysten, das Fehlea der

Cysten nnd Cystoide.

341

Schmcrzcn ( a u s s e r durch S p a n n u n g ) , der Schwellung b e n a c h b a r t e r Lymphdrüsen u n d des Allgemeinleidcns von Krebs unterscheiden hassen. Sein W a c h s t h u m erfolgt langsam. Grade im Hoden sind Combinationsfoiinen, wie Cystochondroma u. dgl. relativ häufiger beobachtet w o r d e n , deren besondere Neigung zu Recidiven bereits Bd. I. pag. 4 0 5 e r w ä h n t wurde. Das reine E n c h o n d r o m bedingt Gefahren nur, wenn in Folge äusserer Veranlassungen oder auch spontan E r weichung zu Stande kommt. Ks w ü r d e aber urizwcckmässig sein, diese erst a b z u w a r t e n , vielmehr ist die Exstirpation indieirt, sobald es durch seine Grösse Beschwerden macht. V e r k n ö c h e r u n g e n kommen, abgesehen von dem verknöchernden E n c h o n d r o m , viel seltener im Iloden s e i h s t , als in der Túnica vaginalis und am Nebenhoden vor. Auf ihre Entstehung h a b e n . w i r bereits bei der syphilitischen Hodenentztindung aufmerksam gemacht. Zu einer besonderen Behandlung geben sie an u n d f ü r sich keine Veranlassung. Tl.

Fibrom, Myosarcom.

Abgesehen von den entzündlichen Indurationen des Iloden, welche wir bereits oben erläutert h a b e n , scheinen Neubildungen von Bindegewebe ohne gleichzeitige Cystenbildung (vgl. pag. 3 3 8 ff.) äusserst selten vorzukommen. Die Grenze gegen die als Krebs z u s a m m e n g e fassten Geschwülste ist hier wie a n d e r w ä r t s freilich schwer zu ziehen, und m a n c h e ältere Beobachtung von glücklich geheiltem Hodenkrebs mag sich auf Geschwülste beziehen, die eigentlich hierher gehören. Dass gerade im Hoden auch die pathologische Neubildung von q u e r gestreiften Muskelfasern bis zur Entwickelung von Geschwülsten, auch mit Cystenbildung combinirt, beobachtet worden ist, w u r d e bereits Bd. I., pag. 4 1 9 u. f. e r w ä h n t . Die Unterscheidung solcher Hodengcschwtilste vom Krebs w i r d , wenn die charakteristischen Symptome des letzteren noch nicht hervorgetreten sind, kaum möglich sein. Die Behandlung k a n n a u c h hier n u r in der Exstirpation bestehen. Vergleichende Diagnostik der

Scrotal-Geschwülste.

Die an und in dem Hodensack v o r k o m m e n d e n Geschwülste zerfallen in zwei G r u p p e n , j e n a c h d e m sie sich in die Bauchhöhle z u rückbringen lassen oder nicht. D u r c h R e p o s i t i o n v e r s c h w i n d e n : die beweglichen oder durch Taxis beweglich gemachten Hernien, die Ilydrocele congenita, die infiltrirte Ilydrocele des Samenstranges ( s o f e r n sie ü b e r h a u p t existirt, vgl. pag. 319), die Varicocele. Aber diese Geschwülste zeigen wie-

342

Krankheilen des Hoden, des Samenstranges und ihrer Umhüllungen.

derum Verschiedenheiten

in Betreff der Art und W e i s e , in welcher

sie zurückgehen und in welcher sie wieder hervortreten. Das Zurückgehen wird fast immer durch horizontale Körperlage und Erschlaffung der Bauchmuskeln befördert, zuweilen dadurch allein bewirkt.

A m Meisten gilt dies für Darmbrüche.

Diese zeichnen sich

auch durch die Schnelligkeit aus, mit welcher sie in die B a u c h h ö h l e zurückgehen, sobald diese Bewegung nur eingeleitet ist. Sie schlüpfen mit einem plötzlichen Ruck zurück.

Eine Geschwulst, welche auf an-

gewandten Druck vollständig verschwindet,

indem sie in die Bauch-

höhle entweicht, kann nur eine Hernie oder eine Hydrocele congenita sein.

Beide unterscheiden sich von einander dadurch, dass die Hy-

drocele congenita für Lichtstrahlen durchgängig ist, die Hernie nicht. All» anderen Scrotal-Geschwülste, welche durch Druck zum Verschwinden gebracht w e r d e n ,

namentlich

die Varicocele

Hydrocele, werden nicht reponirt, Bauchhöhle entleert; die Venen

sondern

und die infiltrirte

nur durch Druck in die

des Samenstranges bleiben in ihrer

L a g e , wenn man auch das in ihnen enthaltene Blut aufwärts schiebt. Das

Wiederhervortreten

erfolgt

bei

den

Hernien,

sobald

der

Kranke aufsteht oder die Bauchmuskeln spannt, sofort und plötzlich. Die Hydrocele

congenita

füllt sich auch in horizontaler Körperlage,

sobald der zur Reposition angewandte Druck nachlässt; aber sie füllt sich langsam.

Die Varicocele füllt sich, ähnlich der Hernie, in auf-

rechter Stellung schneller; ihre Füllung

wird durch Druck

auf den

Leistencanal, der die Hernie zurückhält, nicht gehindert, sondern befördert;

sie erfolgt schneller

unter dem Einfluss der W ä r m e ,

durch

w e l c h e das Hervortreten einer Hernie nicht begünstigt wird. Bei G e s c h w ü l s t e n , w e l c h e s i c h n i c h t r e p o n i r e n

lassen,

muss man zum Behufe der Diagnose Gewicht, Durchsichtigkeit, Fluctuation, Zusammenhang mit dem Hoden,

Gestalt, Grösse, Consistenz

und Schmcrzhaftigkeit prüfen. Das Gewicht der Geschwulst ist am Geringsten, wenn sie enthält (Darmbruch), bedeutender,

Luft

wenn tropfbare Flüssigkeit darin

ist (Hydrocele), am Grössten, wenn sie von festen Geweben gebildet wird (Krebs, Enchondrom u. s. f.). Durchsichtig sind nur Geschwülste, welche eine klare Flüssigkeit oder Gallerte enthalten (Hydrocele, Colloid-Cysten). Fluctuation lässt auf einen flüssigen oder gallertig-weichen Inhalt schliessen (Hydrocele, weicher Markschwamm). die Flüssigkeit in geringer Menge,

in zu

Sie kann fehlen, wenn

dicken Wandungen einge-

schlossen, unter zu starker Spannung sich befindet.

Diagnostik der Scrotal-Geschwülste.

343

Die Beziehungen des Hoden zu der Geschwulst sind oft schwer zu erkennen. Man entdeckt seine Lage theils an seiner e i g e n t ü m lichen Gestalt und Consistenz, theils an seiner specifischen Empfindlichkeit. Somit kann man sich direct überzeugen, ob der Hoden selbst die Geschwulst darstellt, oder ob diese ihm nur anliegt, mit ihm verwachsen ist. Die Gestalt der Geschwulst ist fast nur bei der Ilydrocele charakteristisch. Schon bei den Hernien zeigt sie mannigfaltige Varietäten, und bei den Ilodengeschwülstcn ist sie ganz unbeständig. Auf einer gewissen Stufe seiner Entwickclung kann z. B. der Markschwamm ganz die charakteristische Gestalt der Ilydrocele nachahmen. Ob nur e i n e Geschwulst da ist, oder ob beide Scrotal-Hälften ergriffen sind, hat fast nur in Betreff der Diagnose des Hodenkrebses Bedeutung, denn dieser kommt ebenso selten in beiden Hoden vor, als in beiden Brüsten. Durch bedeutende Grösse ist der Markschwamm des Hoden ausgezeichnet; er wird in dieser Beziehung nur von der Elephantiasis übertroffen, von der er aber in jeder anderen Beziehung völlig verschieden ist. Nach der Consistenz könnte man folgende Scala, von den härtesten beginnend, aufstellen: 1) Verknöcherungen, 2) Enchondrom (Fibrom), 3) Scirrhus, 4) syphilitische Hodengeschwulst, 5) Hydrocele, 6) unbewegliche Hernien, 7) infiltrirte Hydrocele, 8) Varicocele. Viele Geschwülste können aber in dieser Scala keine Aufnahme finden, weil sie an verschiedenen Stellen ihrer Oberfläche, oder zu verschiedenen Zeiten ihrer Entwickclung eine sehr verschiedene Consistenz zeigen. Dahin gehört die Tuberkulose des Hoden, der „Markschwamm" und die Mehrzahl der Cystengeschwülste. Schmerzhaft sind eigentlich nur der Krebs und die syphilitische Hodengeschwulst. Bei erstcrem sollen die Schmerzen lancinirend sein; was jedoch hier nicht mehr und nicht weniger der Fall ist, als beim Krebs anderer Organe. Ueberdies können lancinirende Schmerzen auch durch andere Geschwülste, sofern dieselben einen erheblichen Druck auf die Nerven des Samenstranges ausüben, veranlasst werden. Ebenso ungenau ist die Angabe, dass bei der syphilitischen Hodengeschwulst die Schmerzen nur Nachts auftreten. Für den Druck empfindlich sind, abgesehen von entzündlichen Complicationen, n u r solche Geschwülste, die auch spontan schmerzen. Bei einer solchen Untersuchung darf man nicht vergessen, dass der normale Hoden, der vielleicht unter oder neben der Geschwulst liegt, gegen Druck empfindlich ist. Einzelne HodengeschwUlste sind durch Unempfindlichkeit

344

Krankheiten des Hoden, des S a m e n s t n n g e s und ihrer Umhüllungen.

ausgezeichnet, so z. B. die Hydrocele und die Geschwülste mit zeugungsähnlichcm Inhalt.

Exstirpation des Hoden, Castratio. WShrend man mit der Castration früher sehr freigebig war und im Mittelalter unbedenklich den Hoden opferte, um die, noch dazu doch nur scheinbare, radieale Heilung einer Hernie zu erzielen, entschliesst man sich heutzutage bei Weitem weniger leicht zu dieser immerhin eingreifenden und jedenfalls verstümmelnden Operation. Offenbar geht aber Vi d a l zu weit, wenn er sie als eine sehr „ b e denkliche" bezeichnet und sein Ausspruch, dass man sie nur wegen b ö s a r t i g e r Entartungen des Hoden unternehmen dürfe, niuss völlig zurückgewiesen werden. Gerade bei den „ g u t a r t i g e n " Ilodengeschwillsten, die nur durch ihr Volumen und durch die in Folge äusserer Insultationen eintretende Verschwörung Beschwerden und Gefahr bedingen, ist sie, sofern überhaupt etwas unternommen werden soll, entschieden indicirt, während ihr Nutzen beim Krebs des Hoden zweifelhaft ist. Selten kommt bei Verletzungen des Hoden oder des Samenstranges oder bei Neuralgien die Castration in Frage (vgl. pag. 2 8 0 — 2 8 7 ) . Statt der Castration empfahl M a u n o i r spermatica,

Hodengeschwulst Einhalt zu tbun. Erfolg geblieben.

1820 die U n t e r b i n d u n g

in der Hoffnung, dadurch dem »eiteren Waclislhtim

der

der

Art.

bestehenden

Diese Versuche s i n d , wie sich erwarten liess, ohne

Vgl. Bd. I. pag. 499.

Dip A u s f ü h r u n g d e r C a s t r a t i o n ist nicht schwierig. Nur selten dürfte es zweckmässig sein, den Hoden samrat der ganzen entsprechenden Scrotal-Hälfte mit zwei Zügen eines kleinen Amputationsmessers fortzuschneiden (Methode von Z c l l e r ) ; vielmehr sucht man ihn stets möglichst r e g e l m ä s s i g z u e x s t i r p i r e n . Die Operation zerfällt, dem entsprechend, in vier Acte: I. Blosslegung und Isolirung des Samenstranges. II. Durchschneidung desselben. III. Unterbindung seiner Arterien. IV. Ausschälung und Abtragung des Hoden und des mit ihm verwachsenen Theils des Hodensackes. Die drei ersten Acte beziehen sich also auf den Samenstrang, dessen Durchschneidung nicht als Nebensache angesehen werden darf, da sie einer Seits der schmerzhafteste Theil der Operation ist und anderer Seits zu einer Blutung Veranlassung giebt, die in doppelter Beziehung bedenklich werden könnte. Der Blutverlust aus der n o r m a l e n Arterie spermatica kann freilich niemals gefährlich werden. Wo man aber Uberhaupt Veranlassung hat, den Hoden zu exstirpiren, wird die Arterie selten von normalem Caliber, vielmehr ganz gewöhnlich so be-

345

Castralioo.

d e u t e n d erweitert sein, dass man auf eine spontane Stillung der Blut u n g nicht rechnen darf. Ucberdies wird aber der durchschnittene Samenstrang vermöge der Contraction des Cremaster und durch seine eigene Elasticität in den Leistcncanal zurückgezogen, so dass statt der Blutung nach Aussen leicht ein Bluterguss in das subperitoneale Bindegewebe erfolgen k a n n , der weiterhin zu einer mindestens s e h r störenden Abscessbildung Veranlassung geben würde. A. C o o p e r erwähnt einen Fall von Blutung aus den

durchschnittenen Aesten

der S p e r m a t i c a , welche so bedeutend w a r , dass der O p e r a t e u r , d i e A r t . i l i a c a v e r l e t z t z u h a b e n , diese unterband. tlium n a c h .

in d e m

Glauben,

Die Secliun n i e s den Irr-

B e l l Führt 2 Falle a n , in denen die Operirlen an d e r Blutung starben.

S h a r p hatte bei der Caslration G e f ä ß e von dem Calibcr der Art. brachialis zu durchschneiden.

Vgl. C u r l i n g , „Die Krankheiten

von R e i c h m e i s t e r ,

des H o d e n "

etc., aus

dem

Englischen

Leipzig 1815, p.ig. 321 u. f.

I. Nachdem das Scrotum und die Inguinalgegend in weitem Umkreise rasirt und der auf dem Rücken liegende Kranke (in Berücksichtigung der grossen Schmerzhaftigkeit der Operation, bei welcher, nach der Erzählung L i s f r a n c ' s , sogar die Grenadiere der „alten Kaisergarde" schreien durften) tief betäubt ist, durchschneidet der Operateur, wenn es angeht, unter Erhebung einer Hautfalte, die den Samenstrang bedeckenden Theile mit einem Zuge, löst ihn zu den Seiten von dem unigebenden Bindegewebe, hebt ihn etwas hervor u n d f ü h l t quer durch ihn mit einer Nadel eine Fadenschlinge (Ansa), an welcher ihn von da ab ein Gehülfe fest h ä l t , um das Zurückgleiten in die Bauchhöhle zu verhüten. II. Der Operateur selbst spannt den unteren Theil des 'Samenstranges in der Nähe des Hoden, oder an der Grenze d e r Degeneration, u n d durchschneidet ihn zwischen seinen Fingern u n d der vom GehUlfen gehaltenen Ansa, in gehöriger Entfernung mit einem Zuge des Messers oder einer scharfen, starken Scheere. III. Sofort werden die im oberen Ende des Samenstranges spritzenden Aeste der Spermatica gefasst und isolirt u n t e r b u n d e n . — Bedient man sich zur Trennung des Samenstranges des g l ü h e n d e n P l a t i n - D r a h t e s oder des E c r a s e u r , so fällt dieser dritte Operationsact ganz f o r t , da durch die gedachten Methoden die Blutung, auch aus bedeutend erweiterten Aesten der Spermatica, sicher gestillt wird, wie ich mich selbst wiederholt überzeugt habe. — Statt der einzelnen Arterien kann man auch den ganzen Samenstrang vor der Durchschneidung (eu masse) unterbinden. Der Einwand, dass dies allzu schmerzhaft sei, fällt bei Anwendung des Chloroforms ganz f o r t Ueberdies ist die Schmerzhaftigkeit, wenn man n u r die Ligatur sofort recht fest zusammenschnürt, nicht viel grösser, als bei der isolirten

346

Krankheiten

Unterbindung.

des H o d e n , des S a m e n s l r a n g e s

Auch der E i n w a n d ,

T r i s m u s , nach der

und i h r e r

Umhüllungen.

dass übele Z u f ä l l e , namentlich

Unterbindung des ganzen Samenslranges zu b e -

fürchten seien, ist durch zahlreiche Erfahrungen widerlegt.

Jeduch

wird man die isolirte Unterbindung der Gefässe liier, wie überall, a u s dem G r u n d e b e v o r z u g e n ,

weil d a n a c h ,

wegen der früheren L ö s u n g

d e r Fäden, eine viel weniger langwierige Eiterung zu erwarten steht, als nach der Ligalurc

en masse.

Reicht aber die Degeneration s o -

weit in den Leistencanal hinauf, dass die isolirte Unterbindung allzu schwierig erscheint, u n d hat man weder den Ecraseur, noch die galvano-kaustischc Schlinge bei der I l a n d , so kann

man

unbedenklich

die U m s c h n ü r u n g des ganzen Sanienstranges machen. Um d3S E i n f ü h r e n Messer z w i s c h e n d e m Vas

der

Fadenschlinge

d e f e r e n s und

zu

vermeiden,

den Gefiissen

flach

empfiehlt

Raynaud

einzuschieben,

S c h n e i d e n a c h Vorn zu w e n d e n und n u n die Gcfasse m i t einem Zuge z u

das

dann

die

durchschnei-

d e n , w a h r e n d m a n d a s Vas d e f e r e n s u n v e r s e h r t l ä s s t , bis die ganze O p e r a t i u n b e e n d e t i s t ; d a s s e l b e w ü r d e d i e Ansa gleichsam e r s e t z e n .

Dies V e r f a h r e n ist a b e r n i c h t

weniger

u m s t ä n d l i c h als d a s E i n f ü h r e n d e r F a d e n s c h l i n g e , ü b e r d i e s bei h o h e r D u r c h s c h n e i d u n g d e s S a m e n s t r a n g e s n i c h t so s i c h e r ,

denn m i n d e s t e n s

ein

Ast d e r S p e r m a l i c a ,

sowie

die Art. d e f e r e n t i a l i s liegen dicht a m Vas d e f e r e n s .

IV. F ü r die A u s s c h ä l u n g d e s H o d e n lassen sich allgemein gültige Vorschriften nicht geben. Das Verfahren tnuss, j e nach der Grösse u n d Beschaffenheit der G e s c h w u l s t , namentlich j e nach ihrer Verwachsung mit der Haut und deren mehr oder weniger ausgedehnten Degeneration, verschieden sein. Im Allgemeinen sucht man nicht weniger, aber auch nicht mehr Haut zu erhalten, als f ü r die b e q u e m e Schliessung d e r W u n d e erforderlich ist. Gelingt dies, so kann man darauf r e c h n e n , dass ein grosser Theil derselben per primatn heilt. Behält m a n zu viel Haut übrig, so bleibt hinter den vereinigten W u n d r ä n d e r n ein S a c k , in welchem sich E i t e r u n g einstellt u n d weiterhin d e r Eiter ansammelt. Ist zu wenig Haut erhalten w o r d e n , u m die W u n d r ä n d e r vereinigen zu k ö n n e n , so klafft die W u n d e wegen der Contractilität des Scrotum erheblich und die Heilung erfolgt sehr langsam. In der Regel wird man daher mit zwei Schnitten ein elliptisches Hautstück an der vorderen Seite der Geschwulst bis z u m u n t e r s t e n Theile des llodensackes umschneiden. Um

zu

verhüten,

dass

Wunde stocke, h a t A u m o n t

der

Eiter

in d e r

Rückenlage

S e i t e z u s p a l t e n u n d f ü r dies s e h r u n b e q u e m e

V e r f a h r e n auch

s t i c h h a l t i g e n N e b e n g r u n d a n g e f ü h r t , dass d a n a c h k e i n e von zurückbleibe.

Glaubt

man,

f ü r den

m ü s s e n , s o ist es b e s s e r ,

nach

Schnittes

Hinten

etwas

nach

des

Patienten

in d e r

v o r g e s c h l a g e n , die k r a n k e S c r o t a l - l l ä l f l e a n d e r h i n t e r e n

Ahfluss

dem

Käthe

noch

des E i t e r s b e s o n d e r s von

Vidnl,

( a u f w ä r t s ) zu

den

s e h r wenig

Vorn h e r s i c h t b a r e das

Sorge

untere

verlängern.

Narbe

tragen Ende

zu des

Castra lion.

347

J o b e r t empfiehlt folgende Scbniltführung. Man legt den zu exstirpirenden Hoden d u r c h einen mit seiner Convexität nach Unten gerichteten halbkreisförmigen Schnitt blos, indem man das Messer an der äusseren Seite des Samenslranges einsetzt und um die ganze Scrotal-Hälfte herumführt. Das Scrotum wird somit in zwei Haften gespalten, eine vordere und eine hintere, die sieb wie die Schalen einer Muschel (daher procédé en coquille, nach J o b e r t ) aus einander klappen lassen, sobald man sie von der zu exstirpirenden llodengeschwulst gelöst bat, und nach Vollendung der Operation sich auch leicht wieder genau an einander fügen. Eine solche Wunde ist aber jedenfalls complicirter, als ein am äusseren Rande des Hodensackcs geführter, hinreichend grosser Schnitt, der im Wesentlichen dasselbe leistet. In den meisten Füllen bat man gar nicht die Wühl der Scbnittricbtung, sondern muss sich nach der Ulcération oder Degeneration der Scrotal-Ilaut richten.

Bei dem eigentlichen Ausschälen der Geschwulst muss man sich ebenso sehr vor der Verletzung der Scheidewand des Hodensackes, als vor der Zurückkssung eines bereits entarteten Theiles hüten. Die Blutung aus den durchschnittenen Scrotal-Arterien ist, je nach dem Volumen der Geschwulst, verschieden stark, fast immer aber erheblicher als aus den Aesten der Spcrmatica. Die Unterbindung muss sorgfältig ausgeführt werden, da diese Gefässe sich leicht zurückziehen und eine Nachblutung aus ihnen jedenfalls die Heilung verzögern, ja selbst gefährlich werden könnte. Zur V e r e i n i g u n g d e r W u n d e sind V i d a l ' s Serres fuies (obgleich er sie selbst zu diesem Behufe nicht empfiehlt, vielmehr die Wunde stets durch Granulation heilen zu lassen räth) — sehr bequem; man kann aber ebenso gut mit Knopfnähten auskommen. Gewährt die starre, infiltrirte Beschaffenheit der Wundränder keine Aussicht auf erste Vereinigung, so leitet man die Nachbehandlung wie nach der Operation der Ilydrocele durch Schnitt. Bie Berührung der Bettdecke muss durch einen untergeschobenen Drahtbügel verhindert werden. Die Ligaturfäden, mit denen die Aeste der Spermatica unterbunden sind, lässt man aus dem oberen Wundwinkel mehrere Zoll lang heraushängen und befestigt sie in der Art, dass sie sich bei stärkerer Zurückziehung des Samenstranges nicht spannen. Wenn das Carcinom am S a m e n s t r a n g e aufwärts b i s in d e n L e i s t e n c a n a l sich fortsetzt, so wird die Operation bei Weitem schwieriger und complicirter. Es ist dann sehr fraglich, ob man sie ohne Verletzung des Bauchfells wird zu Ende führen können, zumal neben dem geschwollenen Samenstrange auch noch ein Bruchsack liegen kann. Aber auch im günstigsten Falle des Gelingens folgt bei einer solchen Verbreitung des Uebcls das Recidiv doch der Heilung der Operationswunde meist auf dem Fusse. Mehr noch gilt dies für solche Fälle, in denen die Lymphdrüsen der Schenkelbeuge auf der

348

Krankheiten des Hoden, des Samenstranges und ihrer

Umhüllungen.

einen oder gar auf beiden Seiten geschwollen oder sogar aufgebrochen sind.

In einer Klinik wird man den dringenden Bitten des Patienten,

der in der Hoffnung auf die früher gefilrchtete und Operation eine weite stehen können;

Reise unternommen

aber empfehlenswert

hat,

nicht

nun

ersehnte

immer

wider-

sind solche Operationen, trotz

des filr den Augenblick oft glänzenden Erfolges, gewiss nicht. Ein Fall der A r t , in welchem das aurgebrochene O r c i n o m des Hoden sammt dem bis in den l.eistencanal hinauf degenerirten schwülsten von der Grösse mehrerer S e i t e n , mit Blosslegung

Samenstrang

Günseeier

der Vasa fcinoralia

und

von inir eistirpirt wurden, ist von Dr. M ü n c h testiculorum.

Gryphiae, 1 8 5 S ) beschrieben.

und ausserdem

angeschwollenen

die

zu Ge-

Leistendrüsen

Durchschneidung

Leider

der Vena saphena

in seiner Dissertation (De carcinomate

Die Heilung fämmllicher Wunden erfolgte

überraschend schnell, aber fast ebenso schnell auch das Recidiv. Von besonderem Interesse ivar dabei die Entdeckung eines ettva einen Zoll langen Bruchsackes,

der leer neben dem carcinomalösen Samenstrang lag.

erwähnt eines F a l l e s , in dem er erst durch belehrt wurde, dass er einen B r u c b s a c k

Hervortreten geöffnet habe.

einem solchen Falle den Bruch schon vor dem Beginne zurückhalten.

Vgl. C u r l i n g ,

des Carcinoms

auf

Leistencanal

zurückgebliebener

erkrankt ist.

Wedemeyer der Operation

Home darüber

entdeckte in

und

liess

ihn

I. r.

Aehnliche operative Schwierigkeiten, den

Everard

von Darmschliogen

wie

Samenstrang ergeben

bei sich,

der

Verbreitung

wenn e i n

im

H o d e (vgl. pag. 3 3 3 ) krebsig

Sichenuiidzwaiizigste

Abtliellimg.

Krankheiten des Penis i ). Erstes Caiiltel.

Missbildungen und Formfehler. Der Penis bietet nicht blos eine grosse Menge von Varietäten der Form und Grösse, sondern auch zahlreiche Difformitäten d a r , deren wesentlichste sich entweder auf die Pars cavernosa der Harnröhre, oder auf die Vorhaut und deren Verhältniss zur Eichel bezichen.

I. Formfehler der Pars cavernosa nrethrae ')• 1 ) A t r e t l a g l i t n d l s >. u r e t h r a e .

Bei dem neugeborenen Kinde ist der Verschluss der Harnröhrenöffnung wegen der bedeutenden Lünge und Enge der Vorhaut nicht ganz leicht zu erkennen. Für gewöhnlich denkt man auch nicht daran, in Betreff dieses seltenen Bildungsfchlers Nachforschungen anzustellen, bevor nicht das Ausbleiben der Harnentleerung und die durch die Harnverhaltung bedingte Unruhe des Kindes darauf hinweisen. Erstreckt sich der Verschluss, wie gewöhnlich, nur auf ein ganz kurzes Sttick, so fühlt und sieht man bald die dahinter angeschwollene Harnröhre. Die Ausdehnung der Blase kann durch Palpation uud Percussion nachgewiesen werden. Wird keine Hülfe geleistet, so zersprengt der andringende Harn die Urethra etwas hinter der Eichel, so dass „Hypospadie" entsteht. Die Behaildlllilg besteht in der Durchbohrung der Eichel in der normalen Richtung der Harnröhre mittelst eines Troicart oder einer ' ) Der anatomischen Beschreibung des Penis, wie sie in der systematischen Anatomie gegeben w i r d , lüsst sich von chirurgischer Seile nichts Besonderes hinzufügen. Wir haben die Difformitäten der Urethra zwar in d e r XXI. Abtheilung bereits berücksichtigt , müssen aber hier auf diejenigen

noch

einmal

z u r ü c k k o m m e n , die

wegen ihres Sitzes am Penis besondere therapeutische Maassregeln erfordern.

350

Krankheiten des t>enis.

i s t a r k e n Nadel. ausdehnen,

Sollte d e r

so w ü r d e

Eichel m a c h c n .

V e r s c h l u s s sich

man

Sobald

v o r h e r einen

man

bis

auf eine l ä n g e r e S t r e c k e kleinen Einschnitt

in die Urethra

in

die

eingedrungen

ist,

t r ö p f e l t H a r n a b . Die W i e d e r v e r w a c h s u n g wird d u r c h d e n ausfliessend e n H a r n selbst v e r h ü t e t .

Um a b e r diesen n e u angelegten Thcil d e r

H a r n r ö h r e zu e r w e i t e r n u n d h i n r e i c h e n d weit zu erhalten, f ü h r t m a n allmälig i m m e r s t ä r k e r e B o u g i e s o d e r K a t h e t e r ein. In vielen F ä l l e n

beruht

Epithelial-Verklebung,

so

die V e r s p e r r u n g blos auf ganz Icichter

dass

man

sie

ohne

Weiteres

mit

einer

s t u m p f e n S o n d e d u r c h b o h r e n k a n n u n d eine N a c h b e h a n d l u n g g a r n i c h t e r f o r d e r l i c h ist. 2) Ilypospadie u n d Epispndie. Die O e f f n u n g d e r H a r n r ö h r e k a n n sich in Folge eines ß i l d u n g s f e h l e r s in einiger E n t f e r n u n g von d e r Spitze d e r Eichel, und z w a r a) auf d e r u n t e r e n ,

o d e r b ) auf d e r o b e r e n Seite des P e n i s b e f i n d e n :

a) I l y p o s p a d i e , b)

Epispadie.

a ) Die H v p o s p a d i e ü f f n u n g b e f i n d e t sich a) schen

dieser

und

d. h. a m D a m m .

bietet drei Varietäten d a r : die I l a r n r ö h r e n noch

ini Bereich d e r E i c h e l , oder ß)

dein H o d c n s a e k , Je weiter

o d e r y) h i n t e r dem

von d e r Eichel

ist d a s Uebel c h i r u r g i s c h e r Hülfe zugängig.

entfernt,

zwi-

Hodcnsack,

desto w e n i g e r

In den leichtesten Fällen

s c h e i n t n u r die u n t e r e W a n d d e r Fossa navicularis zu fehlen, so dass d e r e n t s p r e c h e n d e H a r n r ö h r e n t h e i l eine nach Unten offene F u r c h e d a r stellt. glandis,

In a n d e r e n Fällen

findet sich

ohne dass eine weitere

eine O e f f n u n g an

Durchbohrung

der Corona

d e r Eichel

besteht.

Diesen Missbildungen im Bereich d e r Eichel e n t s p r e c h e n d , findet sich Theil

ist

g e s p a l t e n , w ä h r e n d d e r o b e r e einen s t ä r k e r e n W u l s t darstellt. —

a u c h eine a b w e i c h e n d e

Je

weiter gegen

den

Damm

Bildung hin

die a b n o r m e

sich b e f i n d e t , d e s t o m e h r s t ö r t c u l a t i o seininis.

d e r V o r h a u t : ihr

unterer

Oeffnung der

Harnröhre

sie die H a r n e n t l e e r u n g u n d d i e E j a -

L e t z t e r e n a m e n t l i c h k a n n n u r mit g e b r o c h e n e r K r a f t

u n d n i c h t in d e r R i c h t u n g n a c h Vorn e r f o l g e n , w o d u r c h scheinlichkeit der Befruchtung vermindert selbe a b e r i m m e r n o c h ,

sobald

nur

wird.

die W a h r -

Möglich bleibt d i e -

die I l a r n r ö h r c n ö f f n u n g sich a n

e i n e m Thcil d e s P e n i s befindet, d e r n o c h in die Vagina eindringt. Den sichersten Beweis d a f ü r , dass die Befruchtung bei Ilypospadie möglich sei, liefern die Fälle, in denen diese Missbildung vom Vater auf den Sohn u. s. f. weiter vererbt, wovon ich m e h r e r e Beispiele kenne. Als einen Nachtbeil d e r Hjfpospadie erwähnt m a n auch die Pr&diiposilion f ü r Tripper u n d die Schwierigkeit seiner Heilung in solchen Fällen, vgl. pag. 3 ü .

351

HypospaJie.

Die O p e r a t i o n der Hypospadie soll nicht blos die abnorme Oeffnung verschliessen, sondern auch das fehlende Stück der Harnröhre (zwischen der abnormen Oeffnung und der Spitze der Eichel) herstellen. Die Schwierigkeiten, welche sich dem Offenhalten künstlich angelegter Oeffnungen und Canäle im Allgemeinen entgegenstellen, steigern sich desto mehr, je weiter gegen die Wurzel des Penis hin die abnorme Oeffnung sich befindet, je länger also die Strecke ist, in welcher die Harnröhre ergänzt werden soll. D i e f f e n b a c h (Operative Chirurgie, Bd. I. pag. 5 3 9 u. f.) unterscheidet ilrei Methoden der Operation der Hypospadie, je nachdem o f f n e n , rinnenförmigen Canal, welchen durch Vereinigung seiner

es sich darum b a n d e l t :

das vorderste Stück der

Ränder zu schliessen,

Harnröhre

I)

den

darstellt,

oder 2 ) durch Ueberpflanzung der

benachbarten Haut einen neuen Canal zu bilden, oder endlich 3 ) einen neuen Canal durch Perforation zu bahnen. 1) S c h l i e s s u n g denen

d e r F u r c h e , nur anwendbar in den leichtesten Fallen, in

statt des vordersten Theils

der

Harnröhre

eine Furche besteht.

Mao frischt

die Ränder der Spalte an und vereinigt sie durch Nähte in der Art, dass der vorderste und der hinterste Theil Harn m u s s Kalheterrohr

durch

die

der Furche

in

Gestalt

runder

Löcher

hintere Oeffnung abgelassen werden,

einführt und

den Penis

unter Wasser

offen bleiben.

indem

halten lässt.

inan

ein

Oer Stück

Frühestens

nach

einem Monat wird der Verschluss der hinteren Oeffnung durch Anfrischung und Ilautverschicbung bewirkt. 2) B i l d u n g e i n e s C a n a l s d u r c h T r a n s p l a n t a t i o n . gesetzt, dass die Harnröhrenöffnung im hinteren Theile des fasst an jeder Seite des Penis eiue Hautfulte und

Hierbei wird voraus-

Penis sich befindet.

Man

heftet die Ränder dieser Falten an

der unteren Seite des Penis z u s a m m e n , indem man eine gerade Nadel mit fortlaufendem Faden von einer Seite zur anderen abwechselnd

bin

und her führt.

der Haut wird durch seitliche Längsschnitte gehoben.

Die

Spannung

Die durch die erwähnte Durch-

sliclisnaht an einander gehefteten Faltenränder werden dann mit einer scharfen Scbeerc in ihrer ganzen Lange angefrischt und darauf durch zahlreiche Nahte genau Die, nunmehr in einander übergehenilen

vereinigt.

inneren Flächen der Falten stellen die neue

Harnröhre d a r , deren Verwachsung oder Verengerung nicht leicht zu fürchten ist, weil sie von Epidermis ausgekleidet wird. Ooffning abgeleitet, die Fortsetzung

Der Ilarn wird inzwischen noch durch die alte der Harnröhre durch

die Eichel

wird

entweder

durch Anfrischung und Heftung der F u r c h e n r ä n d e r , sofern an der Eichel eine Furche bestekt, oder durch Perforation der Eichel bewerkstelligt. 3) B i l d u n g e i n e s n e u e n

Canals

durch

Perforation,

mit einiger Aus-

sicht auf Erfolg zu u n t e r n e h m e n , wenn blos die Eichel zu perforiren ist, höchst misslicb dagegen, wenn ein längerer Canal gebildet werden in Fällen ersterer Art angewandt?.

soll (von D i e f f e n b a c h

Troicirt ( d e r , nach D i e f f e n b a c h ' s Hall), s t a t t der silbernen

eine bleierne Canüle

h a t ) von d e r entsprechenden Stelle der Eichel a u s , an der unteren bis ii die vorhandene Harnröhre.

nur

Man s p a n n t den Penis stark an und schiebt einen

(Das von M i d d e l d o r p f

für

Seite des Penis,

Harnröhrenstricturen

angegebene galvanokaustische Instrument lässt sich statt des Troicart anwenden.

Die

Canüb (BleirühreJ

den

wird

später mit

einer

Bleisonde

vertauscht,

mit

der man

Krankheiten des Penis.

352

Canal allmülig » v e r s c h w i e l e n • soll ( D i e f f e n b a c h ) .

Der später

vorzunehmende

Verschluss der alten Oeffnung m a c h t relativ geringe Schwierigkeiten. Zur Sicherung des Erfolges aller dieser schwierigen Operationen kann e s erforderlich werden, wie bei erworbenen in der Pars m e m b r a n a c e a

Harnröhrenfistcln, eine t e m p o r ä r e

Oeffnung

z u r Ableitung des Harns anzulegen.

b) E p i s p a d i e ist viel seltener als Ilypospadie.

Meist fehlt die

obere Wand der Harnröhre in der ganzen Länge des Penis, und die Harnröhrenfurche geht mit einer trichterförmigen Erweiterung in den (meist von keiner Prostata umfassten) Blasenhals über.

Dabei finden

sich dann oft auch noch andere, erhebliche Missbildungcn im Bereiche des Urogenital-Systems, namentlich Mangel der Prostata und B l a s e n s p a l t e (vgl. pag. 1 4 0 u. f.), welche eigentlich nur eine weiter fortgesetzte Epispadie ist.

Die Corpora cavernosa bleiben in der Entwick-

lung zurück und liegen,

nur lose mit einander verbunden, an der

hinteren (unteren) Seite der Harnröhre. sind daher meist zeugungsunfähig

Die Träger dieser Difformität

und werden oft für Hermaphro-

diten gehalten. Fast ausnahmslos sind diese Unglücklichen auch ausser Stande, den Harn im Strahl zu entleeren; meist leiden sie sogar an Incontinenz oder vermögen wenigstens nicht einem stärkeren Andränge des Harns (bei Erschütterung

des Rumpfes oder

stärkerer

Füllung

der Blase) zu widerstehen. Die Entstehung der Epispadie in folgender Weise.

Die

Kloake,

erläutert

C. T U i e r s c l i

in welcher

beim

Fötus

(Archiv d. Heilk. ursprünglich

1809)

Darin

und

Urogenitalorgane z u s a m m e n s t o s s e n , theilt sich der Quere nach in den Sinus urogenitalis u n d den Mastdarm. sich und wird

Der mittlere Theil der ursprünglichen

zuui „Mittelfleisch".

Das Becken

dieser Zeit bereits geschlossen; der Symphyse

ist in

Oeffnung heider

schliesst

der Symphys. oss. pub. zu

entsprechend

zeigt sich äusserlicü das

„Geschlechtshöckercben", welches durch Verwachsen der von den Seiten h e r zusammenstossenden Corpora cavernosa e n t s t e h t , auf welcher die Eichcl sich als Aufsatz entwickelt.

Inzwischen verlängert sich der Damm

Kloakenößnung (den Sinus urogenitalis)

vor

und

schiebt das vordere Ende

sich her gegen den unteren

Hand

der der

Symphyse, wo sich diese Mündung (die künftige Harnröhre) an die u n t e r e (hintere) Fläche des Geschlechtshöckercbens anschmiegt

und mit ihm verwächst.

die quere Theilung der Kloake früher, als der Beckenschluss, wo der Sinus urogenitalis nach

Erfolgt

nun

so fehlt zu der Zeit, das

Geschlechts-

höckerchen, denn die Verwachsung der Corpora cavernosa ist von d e r

Vorn gedrängt w i r d , daselbst noch

Verwachsung

der beiden Beckenhälften abhängig.

Jene vereinigen sich

daher entweder

gar

nicht

oder erst nachdem der Sinus urogenitalis über ihre normale Vereinigungsstelle hinaus nach Vorn gewachsen i s t , deshalb hinter d e r k ü n f t i g » Urethra, deren vordere Wand, jeder Stütze e n t b e h r e n d , defect bleibt.

Ueberdies verwachsen sie nicht m i t den eigent-

lich zu einander gehörigen, sondern mit ihren unteren Flächen, welche nach Oben sehen s o l l t e , nach Aussen gerichtet ist.

so d a s s die Fläche,

Dieser a b n o r m e n

Wen-

dung folgt auch die an der Dorsalseite gespaltene V o r h a u t , von der d e s h a l b n u r die untere Hälfte vorhanden zu sein scheint. — Die in der Mehrzahl der Falle beobachtete

EpispaJie. —

Phimosis.

353

D r e h u n g des rpispadischen Penis nach L i n k s , lässt sieb z. Z. aus d e r Entnickelungsgesebiebte nnch nicht erklären.

Die O p e r a t i o n d e r E p i s p a d i e ist sehr schwierig, lässt sich nur in mehreren, durch Wochen von einander zu trennenden Sitzungen, im Verlaufe von 3 — 4 Monaten ausführen und erfordert daher sehr viel Geduld von beiden Seiten. Die Methode von C. T h i e r s c h (1. c.), welche ein glänzendes Resultat aufzuweisen hat, ist allen anderen Methoden bei Weitem vorzuziehen. Man beginnt mit der Anlage einer Blasenfistel am Damm, welche, da die Prostata meist fehlt, keine Schwierigkeiten macht. Demnächst wird die Rinne auf der Eichel in eine an der Spitze der Eichel mündende Röhre umgewandelt, indem man zwei aus der Eichel selbst ausgeschnittene Seitenlappen über der, als Basis stehengebliebenen Harnröhren-Rinne zusammenklappt. Im dritten Act wird die Urethralrinne zu einer Röhre umgestaltet, indem man zwei ungleich gebildete Lappen mit der Epidermisfläche nach Innen gegen einander umklappt und vereinigt. Der vierte Act hat die Vereinigung der Eichelröhre mit der weiter nach Hinten gelegenen Urethralröhre zu bewerkstelligen, zu welchem Behuf in der Mitte der Vorhaut ein Fenster eingeschnitten wird, durch welches man die Eichel steckt, um dann an der Corona glandis das eine Blatt an den hinteren, das andere an den vorderen Theil der neugebildeten Urethra anzuheften. Der fünfte Act betrifft den Verschluss des Trichters, für welchen, ähnlich wie für die Blasenspalte (pag. 142 u. 143) beschrieben wurde, Lappen der Bauchhaut verwandt werden. — Ist der Sphincter vesicae unvollkommen oder gar nicht entwickelt, so muss der Patient den „Trichter" durch ein bei der Harnentleerung abzunehmendes, bruchbandähnliches Compressorium mechanisch verschlossen halten.

II. Missbildnngen der Vorhaut. 1) Phlmoeli.

Anatomische Verhältnisse.

Als Phimosis bezeichnet man im Allgemeinen eine abnorme Enge der Vorhaut, besonders aber denjenigen Grad der Verengerung derselben, welcher die Entblössung der Eichel unmöglich macht. In manchen Fällen ist nur die Oeffnung der Vorhaut zu klein, während die übrige Vorhaut zwar hinreichend weit, aber wenig entwickelt und diinn ist ( a t r o p h i s c h e P h i m o s i s ) ; der Rand der Vorhautsöffnung scheint in solchen Fällen ausschliesslich von dem inneren (Schleimhaut-) Blatt gebildet zu werden. In anderen Fällen ist die Vorhaut offenbar zu lang, so dass sie in Gestalt eines langgezogenen Trichters einen Ansatz am Penis darstellt B a r d e l e b e n , Chirurgie. 6. Aull. IV.

23

354

Krankheiten des Penis.

( h y p e r t r o p h i s c h e P h i m o s i s ) . Der Grad d e r V e r e n g e r u n g kann gleichfalls verschieden sein. Zuweilen findet sich ein vollständiger Verschluss, so dass die Vorhaut durch den andrängenden Harn zu einer halbdurchsichtigen Blase ausgedehnt wird '). Bei Weitem häufiger besteht eine Oeffnung; dieselbe ist aber zuweilen so eng, dass der Harn nur tröpfelnd entleert werden kann und dass eine vollständige Entleerung des Vorhautssackes nur gelingt, wenn man denselben zusammendrückt. — Sitz d e r V e r e n g e r u n g ist bei allen Arten der Phimosis fast immer ausschliesslich oder doch hauptsächlich das i n n e r e Blatt. Aetiologie. In der Regel ist Phimosis a n g e b o r e n ; sie kann aber auch n a c h d e r G e b u r t entstehen, gewöhnlich erst in den Jahren der Pubertät ( P h i m o s i s a c q u i s i t a ) . Ihre Veranlassung ist dann entweder wiederholte Reizung der Vorhaut, die zur Hypertrophie und Induration derselben geführt hat ( c h r o n i s c h e P h i m o s i s ) , oder acute Entzündung in Folge heftiger Blennorrhoe oder Verschwärung an der Eichel und am Präputium selbst ( a c u t e P h i m o s i s ) . Meist handelt es sich aber, namentlich bei der acuten Phimosis, nur um eine Steigerung der schon bestehenden Verengerung; bei ursprünglich normaler Weite der Vorhautöffnung wird nur eine sehr bedeutende Entzündungsgeschwulst, und diese auch nur vorübergehend, Phimosis bedingen können. Compllcaliouen. Auch ohne besondere Erkrankung wird die Vorhautöffnung bei angeborener Phimosis allmälig verdickt, so dass sie von einem derben fibrösen Ringe umgeben zu sein scheint. Diese Verdickung kann sich in späteren Jahren über die ganze Vorhaut ausbreiten. Sie erklärt sich leicht aus der wiederholten Reizung der engen Vorhaut bei jeder Harnentleerung und bei jeder Ereetion. Eine weitere Complication der Phimosis besteht in der Verwachsung der inneren Lamelle des Präputium mit der Eichel, die allerdings häufig durch nachweisbare Entzündungen, in manchen Fällen aber auch blos in Folge der durch die fortdauernde Reibunig bedingten Reizung veranlasst wird. In sehr seltenen Fällen sind «diese Verwachsungen angeboren. Vollständige, feste Verwachsung dler ganzen inneren Fläche des Präputium mit der Glans penis kommt aber nur als angeborene Difformität vor. Die nach der Geburt entstandenen

' ) Die dnreb Atresie der Vorbaut bedingten Gefabren der Harnverhaltung bedürfen keiner besonderen Beschreibung.

Man muss sofort eine OeCfnung anlegen, was

am Besten in der Art geschieht, dass man die Spitze der Vorhaut miit der Hakenpincette fasst, stark hervorzieht und mit einem Zuge abschneidet,

Phimosis.

355

Adhäsionen haben meist den Charakter mehr oder weniger breiter Stränge und Bänder, zwischen denen einzelne Schleimhautinseln, sowohl an der Eichel, als an der Vorhaut, frei bleiben (vgl. pag. 362). Der Complication mit G e s c h w ü r e n und E n t z ü n d u n g wurde bereits gedacht. Auf die V o r h a u t - S t e i n e werden wir sogleich zurückkommen.

Die Naebtliellc und Beschwerden der Phimosis sind folgende: 1) Das normale Secret der an der Glans penis gelegenen Drüsen und die innerhalb des Präputial - Sackes abgestossenen Epithelien häuifen sich zwischen Eichel und Vorhaut an, erfahren dort, zumal unter dem Einfluss des sie von Zeit zu Zeit durchtränkenden Harns, eine Zersetzung oder incrustiren durch Aufnahme von Hamsalzen und werden somit zu einem bald chemisch, bald mechanisch wirkenden Irritament für die Vorhaut. Auf solche Weise wird die Secretion der letzteren gesteigert, diese führt weiter zu einer vermehrten Anhäufung des Secrets, und so fort, bis endlich EntzUndungs-Erscheinungen Seitens der Eichel und der Vorhaut auftreten und festere Concremente, sog. P r ä p u t i a l - S t e i n e , sich bilden. 2) Die Eichel wird wegen der stetigen Bedeckung und wegen der Reizung durch das angesammelte Secret, empfindlicher. Das Kind hat kitzelnde und kribbelnde Empfindungen in der Eichel, die sich mit dem Wachsthume steigern und die Neigung zum Zerren der Vorhaut und weiterhin zur Masturbation hervorrufen. 3) Die Vorhaut wird während der Erection und namentlich beim Coitus gezerrt und zuweilen selbst eingerissen. Dadurch entsteht jedenfalls eine neue Reizung, welche die Induration des Vorhautrandes befördert. Durch diese häufig wiederkehrenden Reizungszustände scheinen auch Degenerationen. namentlich Carcinome des Penis, welche fast immer von der Vorhaut ausgehen, und relativ häufiger bei Phimosis vorkommen, begünstigt zu werden. 4) Phimosis bedingt Prädisposition zu blennorrhöischen und syphilitischen Ansteckungen, indem Eiter, welcher durch die Vorhautöffnung in den Raum zwischen Eichel und Präputium eingedrungen ist, dort viel sicherer haftet und viel schwieriger entfernt werden kann, als an der entblössten Eichel. 5) Durch Phimosis wird die Möglichkeit zur Entstehung von Paraphimosis gegeben (s. unten). 6) Die Diagnose aller Erkrankungen der Eichel und des Schleimhautblatts der Vorhaut wird erschwert, oder ganz unmöglich. Die Behandlang der Phimosis kann nur eine operative sein; die Operation ist vollkommen ungefährlich. Unter allen Umständen muss man bei der Ausführung derselben im Auge behalten, dass die Ver23*

356

K r a n k h e i t e n d e s Ponie.

engerung vorzugsweise in

dein

inneren

(Schleimhaut-)

Blatt

ihren

Sitz hat und dass Seitens der äusseren Haut fast immer nur der die Präputialöffnung umgrenzende Rand betheiligt ist. Man unterscheidet zwei Methoden:

Spaltung

(Incisio)

und

A b t r a g u n g ( C i r c u m c i s i o , Beschneidung der Orientalen). I.

Die S p a l t u n g ,

Incisio,

genügt,

wo

die Vorhaut weder

allzu sehr verlängert, noch allzu sehr verdickt ist. Der zu Operirende liegt auf einem festen Lager, oder sitzt in der Art, dass durch feste Widerlagen ihm das Zurückziehen des unteren Rumpf-Endes unmöglich gemächt ist.

Der Operateur führt das

geknöpfte (aber recht schmale) Blatt einer Scheere auf der Dorsalseite der Eichel, im Vorhautsack, bis an die Corona glandis, zieht mit der anderen Hand die Vorhaut möglichst stark zurück, so dass sie sich Uber dem Scheerenblatt straff spannt, und durchschneidet dann mit dem ersten Scheerenschnilt die ganze Dicke der Vorhaut.

Sofort

weicht das äussere Blatt derselben, wenn man es auch noch so sehr vor dem Schnitt zurückgezogen hatte, in grosser Ausdehnung zurück und aus einander.

Das innere Blatt folgt ihm nicht, bleibt vielmehr

dicht auf der Eichel liegen.

Dasselbe

wird in

der Richtung

des

ersten Schnittes bis etwa 1 Centimeter vor der Corona glandis weiter gespalten.

Dann weicht man zuerst nach Rechts,

dann nach Links

unter einem halben rechten Winkel von der ersten

Schnittrichtung

ab und trennt somit das letzte Stück des inneren Blattes durch zwei divergirende Schnitte, zwischen denen ein dreieckiges Läppchen mit seiner Basis an der Eichelkrone befestigt bleibt ( U o s e r ) . chen

legt

äusseren

sich

fast

von selbst

in

Dies Läpp-

den hinteren Wundwinkel

des

Blattes, heilt, zumal wenn man es daselbst mit ein Paar

kleinen Serres-fincs oder zwei Nahtstichen befestigt, sicher in diesen Winkel ein und verhütet die sonst zuweilen beobachtete wachsung.

Wiederver-

In der übrigen Ausdehnung der Wunde müssen zu jeder

Seite das innere und äussere Blatt mit einander vereinigt werden, — eine Umsäumung der Hautwunde mit Schleimhaut.

Zu dieser Ver-

einigung sind die Serres-fmes das bequemste Mittel.

Knopfnähte lei-

sten freilich dasselbe, sind aber umständlicher anzulegen und erregen leichter ein störendes Oedem der ganzen Vorhaut. — Ueberlässt man die Wunde sich selbst, so heilt sie bei Weitem langsamer, obgleich schliesslich

auch

die entsprechenden Ränder des äusseren und in-

neren Blattes auf jeder Seite verwachsen.

Ist die Vorhaut erheblich

verdickt oder entzündet, so muss man auf mechanische Vereinigungsmittel verzichten und dann durch, Anfangs kalte, später lauwarme,

357

Phimosis.

schliesslich adstringirende Umschläge und Betupfen mit Höllenstein die Vernarbung befördern. Bei äusserster Enge der Präputialöffnung gelingt es nicht, das Blatt einer, für die Ausführung eines solchen Schnittes doch noch hinreichend starken Scheere einzuführen. Dann schiebt man eine dUnne Hohlsonde ein und macht auf dieser mit dem Messer den ersten Schnitt. Für die weiteren Schnitte ist die Scheere bequemer. Andere empfehlen ein schmales Messerchen, dessen Spitze durch eine aufgesetzte Waebskugel gedeckt

ist,

einzuschieben,

damit bis zur Corona

d a n n die Spitze, m i t nach Vorn gewandter S c h n e i d e , durch

glandis

vorzudringen,

die Vorhaut zu

stossen

und mit einem Zuge, den der automatisch retirirende

Patient gewöhnlich

f ü h r t , die Spaltung zu bewirken.

man nicht in unnölbig



Jedenfalls

Ausdehnung das äussere Blatt durchschneiden.

rouss

selbst

aus-

grosser

Junge, dreiste Operateure gelangen zu-

weilen mit einem kühnen Zuge bis zur Wurzel des

Penis.

Anderer

Seits dürfte es

sehr selten s e i n , dass man das Süssere Blatt g a n z unversehrt lassen k ö n n t e , da

es

bei der Bildung des straffen Ringes, am Eingange der Vorhaut, doch immer betbeiligt ist.

Uanchc aber unterscheiden für solche Fülle von angeborener P h i m o s i s , in denen

eben nur ein äusserst geringer Schnitt in die äussere Lamelle gemacht wird, eine besondere Methode: S p a l t u n g

des

inneren

Blattes.

Hat man in dieser

Weise

o p e r i r t , so bleibt, wenn die Vorhaut wieder in ihre normale Lage gebracht ist, eine kleine Wunde sichtbar und Vereinigungsmittel sind gar nicht nötbig.

Dafür

nur er-

folgt aber auch keine erste Vereinigung und der Patient m u s s , um die Wiederverenger u n g zu v e r h ü t e n ,

die Vorhaut

häuDg zurückziehen,

was

ödematösen Schwellung schmerzhaft und unbequem i s t , so

bei

der

oft

eintretenden

dass dem oben

beschrie-

benen Verfahren doch wohl im Allgemeinen der Vorzug zu geben sein dürfte.

In Betreff der Stelle, an welcher man die Vorhaut spalten soll, sind die Ansichten verschieden. Der Schnitt an der Dorsalseite lässt die Vorhaut in zwei unförmige eckig vorspringende Lappen zerfallen, die namentlich bei erheblicher Verlängerung und Verdickung derselben eine Difformität bedingen, die manchem Patienten unangenehm sein mag. Für solche Fälle wird die Spaltung an der unteren (hinteren) Seite, in der Richtung gegen das Frcnulum, empfohlen. Das Frenulum selbst wird mit zwei divergirenden Schnitten umfasst, wie wir sie oben (nach R o s e r ) für den Schnitt an der Dorsalseite empfohlen haben. Bei erheblicher Verlängerung oder Verdickung der Vorhaut ist aber, wie schon bemerkt, im Allgemeinen die Circumcision vorzuziehen. Gewinnt man erst, nachdem die Spaltung an der Dorsalseite ausgeführt ist, die Ueberzeugung, dass die beiden seitlichen Lappen eine erheblichc Difformität bedingen werden, so kann man sie nachträglich abschneiden oder doch abrunden. II. A b t r a g u n g d e r V o r h a u t , C i r c u m c i s i o . Dieselbe ist indicirt bei besonders starker Verlängerung, Ver-

358

Krankheiten des Penis.

dickung oder Degeneration der Vorhaut, namentlich auch, wenn ausgebreitete Geschwüre an der Vorhaut bestehen. Der Operateur fasst, nach der gewöhnlichen Angabe, den vordersten Theil der Vorhaut mit den Fingern oder mit einer Hakenzange, während ein Gehülfe mit einer schmalen Kornzange die Vorhaut dicht vor der Eichel comprimirt. Dicht vor dieser Zange wird die Vorhaut mit einem Schnitt abgetragen. Ueberlässt man hierauf den zurückgelassenen Vorhautsaum sich selbst, so weicht, wie nach der Spalt u n g , das Süssere Blatt sehr stark, das innere sehr wenig zurück. Man muss daher fast immer das innere Blatt noch nachträglich spalten, bis es ohne Schwierigkeit Uber die Eichel zurückgleitet. In Folge dieser Spaltung entspricht aber der vordere'Wundrand des inneren Blattes nicht mehr genau demjenigen des äusseren und man kann deshalb auf Heilung durch erste Vereinigung nicht rechnen. Um diesen üebelstand zu vermeiden, ist es zweckmässig, vor dem Beginne der Operation die Vorhaut möglichst stark zurückzuziehen, so dass sich ein relativ grosser Theil des inneren Blattes aus ihrer Oeffnung hervorwölbt, und diesen mit zwei in die Vorhautöffnung eingesetzten Hakenpincetten zu fassen, mit denen dann das innere Blatt noch weiter hervorgezogen und gespannt werden kann, während das äussere durch den Gehülfen zurückgehalten und daher von dem Schnitte nicht in demselben Maasse getroffen wird, wie das innere. Hat man zwei einander entsprechende Wundränder am inneren wie am äusseren Blatte hergestellt, so können diese auch, wie nach der Incision, durch Serres-fines oder Nähte mit einander in genauer Berührung erhalten werden und demnächst per primam verwachsen. Gelingt dies, so ist der Vorhautsaum in wenigen Tagen wieder hergestellt und der Operirte als völlig geheilt zu betrachten, während die Heilung der Wunde, wenn man sie der Eiterung Überlassen muss, mehrere Wochen lang dauern kann. Vor d e r Erfindung des Serres-fines war man ausschliesslich auf die Naht angewiesen und stiess bei deren Anlegung zuweilen auf Schwierigkeiten, indem e s , n a m e n t lich wegen der grossen Verscbieblicbkeit

des äusseren

Blattes, niebt gelingen

die Nadel immer durch die einander genau entsprechenden zu f ü h r e n .

Deshalb empfahl Vi d a l , die Naht

Punkte

wollte,

der beiden Blätter

vor dem Abschneiden

des

Vorhaut-

slücks anzulegen. Man zieht, ohne vorher die Vorhaut zu

verschieben, rings um dieselbe in der

Höhe der Eichelkrone einen Dintenstrich, dann wird die Vorbaut stark hervorgezogen, während ein Gehülfe die Corpora cavernosa penis etwas zurückzieht schützt.

und die Eichel

An der Stelle des Dintenstrichs « e r d e n mit geraden Nadeln

in geringer E n t f e r n u n g

(etwa 5 Millimeter

anderen bindurebgeführt und

von einander)

von

der

die

einen

Nahtfäden Seite

zur

das zu entfernende Vorhautstück demnächst dicht «or

359

Phimosis. i h n e n m i t einem Scheerenschnitt abgetragen.

In der VorhaatöffnnDg sieht man

nnn

die Mittelstücke der Nahtraden liegen, zieht sie etwas hervor und durchschneidet Sie, so d a s s aus jedem

zwei Nähte

nach verschiedenen

Seiten

gemacht werden können.

Hat man z. B. vier Faden eingeführt, so sind nach Dnrchschneidung derselben

sofort

a c h t Nahte bis auf das Zusammenknoten fertig. Dies Verfahren hat H i c o r d dahin modiGcirt, dass er die Vorhaut an der Stelle, wo die Nähte liegen

sollen, in eine gefensterte Kornzange e i n k l e m m t ,

durch

deren

Fenster dann mit grosser Leichtigkeit und ohne alle Gefährdung d e r Eichel, die Nadeln quer durch die Vorhautblätter gestossen werden. Das z w e i t e V e r f a h r e n v o n Vi d a l könnte vielleicht dem Debelstande abhelfen, dass durch die Nahtfäden das äussere Blatt zu weit nach Hinten nnd das innere Blatt zu weit nach Vorn gefasst wird.

Vi d a l empGeblt nämlich eine Hohlsonde zwischen

Eichel und Vorhaut einzuführen u n d mit derselben die Vorhaut dicht a m Eichelrande emporheben zu l a s s e n , während das

äussere Blatt stark

d a n n aber auf der Hohlsonde mit einer

krummen

zurückgeschoben w i r d ,

Nadel die Naht anzulegen.

durchsticht die Vorhautblatter einmal von Aussen nach I n n e n , dann Aussen nnd so rings h e r u m , immer wieder unter

von

— Man

Innen nach

Leitung der Hohlsonde und bildet

mit dem Faden grosse Schlingen, die man nach Abtragung der Vorhaut in der Weise o r d n e t und durchschneidet, dass die Nähte beiden Blätter genau mit einander in

schliesslich nieder die Wunderänder

Berührung bringen.

Jedenfalls ist dieses

der Ver-

f a h r e n &nsserst umständlich. N u s s b a u m (Correspondenzblatt Bair. Aerzte. 1 8 5 6 . No. 4 7 ) spaltet das innere Blatt zu j e d e r Seite des Frenulum, klappt den dadurch gebildeten schmalen

Lappen

n a c h Hinten zusammen und vereinigt den übrigen (grösseren Theil) des inneren Blattes m i t dem Hautrande. Die p a r t i e l l e A b t r a g u n g d e r V o r h a u t , E x c i s i o , richtiger die E x c i s o n von Vorhautstücken,

schliesst sich eigentlich m e h r an die Incision, als an die

Circnmcision a n ; sie w i r d , nach Ausführung j e n e r , zum Behuf der Entfernnng degenerirter oder geschwüriger Tlieile, meist in Gestalt eines A, vorgenommen.

Als Ü b l e Z u f ä l l e nach der Operation der Phimosis werden Blutungen und Erectionen erwähnt. Erstere werden durch genaue Vereinigung der "Wunde vollständig vermieden. Durch die Erectionen könnte die Narbe zersprengt oder doch die Heilung gestört werden. Zu ihrer Verhütung dienen dieselben Mittel, welche in gleicher Absicht beim Tripper angewandt werden, vgl. pag. 49. Der übelste Zufall ist der Uebergang der Wunde in Verschwärung, worauf man, obgleich es selten geschieht, doch bei syphilitischer Infection gefasst sein muss. Zur Verhütung ist fortdauerndes Baden in Bleiwasser, einer Chlorkalklösung oder ähnlichen desinficirenden Flüssigkeiten zu empfehlen. Durch eine energische innere Behandlung muss weiteren Fortschritten des Uebels vorgebeugt werden. 2)

Parttphlmosis.

Die Paraphimose ist keine ursprüngliche Missbildung, sondern eine dislocirte Phimose. Sie entsteht, wenn ein an Phimosis Leiden-

360

Krankheiten des Penis.

der die Vorhaut gewaltsam zurückzieht, oder wenn bei einem solchen während einer Erection die Eichcl sich durch die enge Vorhaut hindurchgedrängt hat. Der enge Ring umfasst nun den Penis hinter der Eichel; dadurch wird die Schwellung der letzteren schnell gesteigert und das Zurückbringen der Vorhaut in gleichem Grade schwierig. Ausser der Eichel schwillt auch das innere Blatt der Vorhaut, soweit es jetzt vor dem einklemmenden Ringe liegt, ödematös an. Dadurch entsteht ein glänzender, halbmondförmiger Wulst im unteren Umfange der Corona glandis. Weiterhin veranlasst die Einschnürung Entzündung und endlich Gangrän der vor ihr liegenden Theile. Jedoch ist heftige Entzündung und brandige Zerstörung der Eichel ziemlich selten; gewöhnlich beschränken sich die üblen Folgen der Paraphimose auf das innere Blatt der Vorhaut. Sobald dies durch Gangrän zerstört ist, hört die Einschnürung auf, und die Paraphimose wird auf diesem, freilich nicht angenehmen Wege ohne Zuthun der Kunst geheilt. Fast immer suchen aber die, durch die auffallende Difformität und zuweilen auch noch durch die (freilich oft fehlende) Harnverhaltung geängstigten Kranken frühzeitig ärztliche Hülfe. Man versucht zuerst die R e d u c t i o n (Reposition), welche in frischen Fällen immer und selbst nach 24stündigem Bestehen der Paraphimose noch häufig gelingt. Der Penis wird mit beiden Händen zwischen Zeige- und Mittelfinger dicht hinter der Eichcl gefasst, die beiden Daumen setzt man auf die Eichel und comprimirt diese zuerst von den Seiten, dann in der Richtung von Vorn nach Hinten gleichmassig und stetig, während man mit den zuerst genannten Fingern die Vorhaut nach Vorn zieht. J . L. P e t i t empfiehlt zur Erleichterung dieses Verfahrens vorher die Haut des Penis so weit zurückzuziehen, bis man die am Meisten einschnürende Stelle der Vorb a u t auf der Dorsalseite des Penis deutlich sehen kann und auf diese dann mit einem Federbart ein wenig Oel aufzutragen) — j a nicht zufiel, weil sonst die Finger nicht hinreichend h a f t e n , um den nöthigen Zug auszuüben.

Gelingt die Reposition nicht, so ist nicht einzusehen, weshalb man sich vor der O p e r a t i o n d e r P a r a p h i m o s e scheuen sollte, da es sich doch eben nur um die Operation einer dislocirten Phimosis handelt. Die Operation führt ebenso sichcr und bei Weitem schneller zum Ziel, als die von ihren Gegnern empfohlene „antiphlogistische" Behandlung; sie gewährt überdies den Vortheil, dass der Patient zugleich von der Phimosis befreit und also vor einem Rückfall der Paraphimosis sicher gestellt wird. Die Operation wird analog der Phimosen-Spaltung ausgeführt, nur in umgekehrter Richtung, weil die Theile verschoben sind. Der Operateur umfasst den Penis von der

361

Defecte d e r Vorhaut.

unteren Seite, zieht die Haut stark zurück und spannt sie auch in querer Richtung, so dass die einklemmende Stelle des inneren Blattes auf der üorsalseite deutlich erkannt wird. Durch kleine, verticale Schnitte wird dieselbe nahe hinter der Eichel gespalten, bis die Spannung nachlässt und die Eichel ohne Schwierigkeit zurückschliipft. Besichtigt man dann die reponirte Vorhaut, so zeigt sich, dass ihr inneres Blatt, und gewöhnlich a u c h der Rand des äusseren, durchschnitten sind. Dränge man mit dem Messer zu tief ein, so könnte man ein Corpus cavernosum penis verletzen. Man empfiehlt deshalb namentlich dem Anfänger hinter der einschnürenden Stelle eine quere Ilautfalte zu erheben, diese vertical zu durchschneiden, von ihr aus im Bindegewebe eine Ilohlsonde unter die einklemmende Stelle zu schieben und auf dieser die Spaltung mit dem Messer auszuführen. — Die Wunde stellt sich nach der Operation der Paraphimosis immer quer, weil die Spannung der Theile in verticaler Richtung grösser ist. In seltenen Fällen ist die entzündliche Schwellung, namentlich des inneren Vorhautblattes, so stark, dass auch nach vollständiger Durchschneidung des einklemmenden Vorhautringes die Reposition nicht gelingt. Die Anwendung kalter Umschläge reicht in solchen Fällen vollkommen aus, da die Gefahr der Gangrän durch den Schnitt beseitigt ist. Zur Beschleunigung der Reduction könnte man das angeschwollene Vorhautblatt scarificiren. 3) Defecte der Vorhaut. Die Vorhaut kann gänzlich fehlen. Diese Missbildung hat die Aufmerksamkeit der Wundärzte schon früh auf Fig. 70. sich gezogen (vgl. Bd. I. pag. 742), obgleich sie keinen Nachthcil, eher Vortheile bedingt, da die Eichel dadurch weniger empfindlich und zu blennorrhöischer Infection weniger geneigt wird. Von C e l s u s bis auf D i c f f e n b a c h finden sich Vorschlüge zur Bildung einer neuen Vorhaut ( P o s t h i o p l a s t i c e ) , welche, wie D i e f f e n b a c h mit Recht sagt, weit mehr „sinnreiche . Durchführungen physiologisch-chirurgischer Principicn" sind, als praktische Maassregeln '). Häufiger werden p a r t i e l l e D e f e c t e Vorhaut Gegenstand chirurgischer Therapie.

der Bc-

') Vgl. D i c f f e n b a c h , Operative Chirurgie, Bd. I. pag. 5 1 5 bis 5 2 2 . — Ueber die wirklich nützliche V o r h a u t b i l d u n g b e i

totaler

Verwachsung

der

h a u t m i t d e r E i c h e l haben wir u n t e r 5. (pag. 3C3 u . f.) zu handeln.

Vor.

362

Krankheiten des Peni*.

sonders hervorzuheben ist die Fig. 76 abgebildete Difformität, welche entsteht, wenn durch Schanker der obere Theil der Vorhaut in solchem Umfange zerstört wird, dass die Eichel aus dieser neuen Oeffnung hervortritt, während die übrige Vorhaut mit der eigentlichen Vorhautöffnung nach Hinten sinkt. Man könnte durch Anfrischung des Defectes und Heftung der "Wundränder den normalen Zustand wieder herzustellen versuchen; da jedoch der Erfolg dieser Operation unsicher ist, so möchte mehr zur Abtragung des überflüssig gewordenen Vorhautsackes zu rathen sein. 4) Verkürzung des Frenulum.

Häufig ist das Vorhautbändchen zu kurz, seine Basis zu breit, sein vorderes Ende zu nahe an der Harnröhrenöffnung befestigt. Die Vorhaut kann dann nicht völlig zurückgezogen werden, bei der Erection wird das Frenulum übermässig gespannt und die Harnröhrenöffnung nach Hinten gezogen. Dadurch entstehen Schmerzen, vielleicht auch ein Hinderniss für die Befruchtung. Das gespannte Frenulum kann auch beim Coitus zerreissen; eine solche Wunde kann leicht syphilitisch inficirt und demnächst in ein Geschwür umgewandelt werden. — Vi d a l fand häufig Neuralgie des vorderen Theils der Harnröhre in übermässiger Kürze des Frenulum begründet. Die Beseitigung dieser Missbildung mittelst eines Scheerenschnitts ist einfach und gefahrlos. 5) Verwachsung der Vorhaut mit der Eichel.

Die Verwachsungen zwischen Vorhaut und Eichel sind bald angeboren, bald erst später entstanden. Erstere sind in der Regel sehr ausgedehnt ( a l l g e m e i n e V e r w a c h s u n g ) , aber unmittelbar nach der Geburt gewöhnlich nicht sehr fest, mehr auf einer Epithelial-Verschmelzung, als auf wirklicher Verwachsung beruhend. Die Trennung lässt sich in solchen Fällen mit Finger oder Sonde bewerkstelligen, indem man die verwachsenen Flächen aus einander zieht, oder aus einander zerrt. Die Wiederverwachsung wird durch Befeuchten mit Bleiwasser u. dgl. verhindert. Hat dagegen eine angeborene allgemeine Verwachsung längere Zeit nach der Geburt bestanden, so wird sie durch die häufig, namentlich auch bei jeder Erection, sich wiederholende' Zerrung und Reizung allmälig immer fester und ihre Trennung kann dann grosse Schwierigkeiten haben. Ebenso verhält es sich mit einer, nach heftigen Entzündungen entstandenen vollkommenen Verwachsung. In solchen Fällen reicht die Trennung mit Messer und Scheere nicht aus, und das Einschieben von Oelläppchen, Char-

Verwachsung der Vorhaut. pie u. dgl. m. vermag

363

die Wiederverwachsung

Fügt man die Spaltung der Vorhaut hinzu,

nicht

so

zu

verhüten.

wird dadurch

der

Wiederkehr des Uebels nicht sicherer vorgebeugt; selbst die vollständige Abtragung der sorgfältig abgelösten Vorhaut hat keinen günstigen E r f o l g , da während des Vernarbungsprocesses die Haut des Penis an die Eichel herangezogen und dadurch in dem Grade verkürzt wird, dass die Erectionen

wieder ebenso schmerzhaft w e r d e n , wie vorher.

Gerade dieses Uebelstandes wegen suchen aber die Patienten Hülfe und unterwerfen sich gern der Operation. Diese wird, nach D i e f f e n b a c h , in folgender Weise ausgeführt. Ein GehUlfe spannt die äussere Lamelle der Vorhaut durch Zurückziehen lichst stark.

der Haut des Penis mög-

Der Operateur fasst den vordersten Rand des Präputium

mit einer Hakenpincette und trägt ihn mittelst der Scheere in Gestalt eines vollständigen Ringes ab.

Jetzt lässt sich die äussere Lamelle,

während die Haut des Penis immer weiter zurückgezogen wird, leicht bis hinter die Corona glandis von der inneren ablösen. das auf der Eichel zurückgelassene

Dann wird

innere Blatt der Vorhaut sorg-

fältig von dieser abpräparirt, das äussere Blatt möglichst weit hervorgezogen und der jetzt blos aus diesem bestehende Vorhautsack der Art eingestülpt, dass die Wundflächen gegen einander

in

und der

bisherige vordere Wundrand unmittelbar an die Corona glandis zu liegen kommen.

In dieser Stellung wird die Vorhaut zunächst durch

einige Pincetten

erhalten und dann durch Nähte

befestigt, die

in

querer Richtung rings herum in der Gegend der Corona glandis angelegt werden.

Durch einen Heftpflasterstreifen werden überdies die

beiden Blätter gegen einander gedrückt.

Der Erfolg dieser Operation,

die D i e f f e n b a c h als „ B i l d u n g d e r V o r h a u t " beschreibt, b e i d e r es sich aber eigentlich nur um Einstülpung des bestehenden äusseren Blattes der Vorhaut handelt, war in vielen Fällen ein durchaus günstiger.

Die Wundfläche der Eichel wird sehr schnell von einer Narbe

überzogen

und die Verwachsung erfolgt nicht wieder, weil das ein-

gestülpte VorhautstUck mit Epidermis überzogen ist. P a r t i e l l e V e r w a c h s u n g e n zwischen Eichel und Vorhaut sind fast immer erst nach der Geburt, in der Regel , erst in den Jahren der Pubertät durch Narbenbildung in Folge von Entzündung und Verschwärung entstanden.

Ihre Trennung geschieht, indem man die Vor-

haut wie bei der Operation der Phimose spaltet, dann die einzelnen Stränge nahe der Eichel durchschneidet und die Vorhaut möglichst lange zurückgezogen tragen lässt.

364

Krankheiten des Penis.

Zweites Cwpltel.

V e r l e t z u n g e n . Verletzungen des Penis entstehen selten zufällig, namentlich auch sehr selten bei der Begattung '); zuweilen sind sie in böswilliger Absicht von einem Andern, häufiger noch von dem Verletzten selbst in einem Anfalle von Geistesstörung beigebracht. Will man die Operation der Phimosis mit hierher rechnen, so sind die durch die Hand des Arztes beigebrachten Verletzungen von allen die häufigsten. Q u e t s c h u n g e n d e s P e n i s haben, wenn sie oberflächlich sind, nur oberflächliche, aber, wegen der lockeren Beschaffenheit des Bindegewebes, immer w e i t v e r b r e i t e t e S u g i l l a t i o n e n zur Folge, die unter Anwendung kalter Umschläge schnell resorbirt werden. Hat die Quetschung zur Zerreissung von Gefässen innerhalb der Corpora cavernosa geführt, so entsteht eine circumscripte, Anfangs weiche und fluctuirende, späterhin pralle Geschwulst, deren Volumen sich mit jeder Erection steigert. Gewöhnlich erfolgen so tiefe Quetschungen des Penis während einer Erection. Solche Blutgeschwülste der Corpora cavemosa darf man unter keiner Bedingung öffnen ; dies könnte zu einer lebensgefährlichen Blutung führen, wovon A l b i n u s einen Fall berichtet. Zu empfehlen sind: kalte Umschläge und Compression des Penis (nachdem durch die Harnröhre ein Katheter eingeführt ist), endlich auch die Verhütung von Erectionen. Höchst selten und nur, wenn die oberflächlichen Gewebe bis zur brandigen Zerstörung gequetscht sind, kommt es zur Eiterung innerhalb der Corpora cavernosa. Die Behandlung richtet sich dann nach den bekannten allgemeinen Regeln. Häufiger bleiben nach erheblichen Quetschungen harte, knotige Stellen innerhalb der Corpora cavernosa (Nodi s. G a n g l i a ) zurück, zumal nach Zersprengung der Chorda (vgl. pag. 17). An solchen Stellen sind die Gefässe der Corpora cavernosa obliterirt; sie dehnen sich daher bei der Erection nicht aus und bedingen eine Verkrümmung oder doch unregelmässige Spannung des Gliedes. Der Versuch, sie durch Exstirpation zu beseitigen, würde zu den heftigsten Blutungen führen und wegen der nachfolgenden Narbenverkürzung voraussichtlich doch keine Besserung bewirken. — Als F r a c t u r d e s P e n i s hat man eine durch gewaltsame K n i c k u n g bedingte kreisförmige Zerreissung der fibrösen Scheide der Schwellkörper beschrieben, welche sofort einen riesigen Bluterguss bedingt, der sich ' ) Vgl. D é m a r q u a ; et P a r m e n t i e r , coït

Moniteur des sciences, 1861.

Des lésions du pdnis déterminées par le

Verletzungen.

365

wie ein diffuses Aneurysma verhält und nur durch schleunige Compression (mit eingelegtem Katheter) geheilt werden kann, sonst aber zu Gangrän, Aufbruch und Verblutung führt und dann die Amputation des Penis nothwendig macht'). W u n d e n des P e n i s sind zunächst wegen der B l u t u n g gefährlich, weiterhin störend wegen der D i f f o r m i t ä t , die nach der Heilung zurückbleiben kann. Von besonderem Belang ist es, wenn die Urethra geöffnet wurde; dann wird die Heilung durch die Berührung der Wundflächen mit stagnirendem Harn gestört, und es ist desto mehr, selbst wenn keine Fistel zurückbleiben sollte, eine difforme Vernarbung zu fürchten. Dass der Penis im erigirten Zustande difform sein werde, steht nach jeder in die Corpora cavernosa eindringenden Wunde ebenso sehr zu besorgen, als nach tiefen Quetschungen. Zur S t i l l u n g d e r B l u t u n g genügt in vielen Fällen die Naht und ein Corapressiv- Verband. Spritzende Aeste wird man immer möglichst isolirt unterbinden müssen. Dass man nicht so leicht einen Theil des Penis verloren geben darf, versteht sich von selbst; jedoch würde man zu weit gehen, wenn man auch nach vollständiger querer Trennung (Abschneiden, Abhauen des Penis) das Anheilen versuchen wollte. Die beiden grossen Feinde der Heilung aller Peniswunden, E r e c t i o n e n und H a r n e r g u s s , finden sich hier vereinigt. Viel mehr Aussicht auf Erfolg hat ein Versuch der Wiedervereinigung, wenn das abgetrennte Stück des Penis noch an einem Lappen hängt, namentlich, wenn in dieser Brückc die unverletzte Urethra steckt. Sobald bei einer Verletzung des Penis die Harnröhre geöffnet ist, muss ein Katheter eingelegt werden. — Bei v o l l s t ä n d i g e r T r e n n u n g e i n e s Tbefls des Penis kann die Stillung der Blutung wegen der Zurückziehung des Stumpfes Schwierigkeit haben. Man muss denselben mit einem dreist eingesetzten scharfen Haken oder einer Hakenpincette hervorziehen. Besondere Rücksicht erheischt die Harnröhrenöffnung an einem solchen Stumpf. Dieselbe wird bei der Vernarbung trotz der sorgfältigsten Anwendung des Katheters zu eng, wenn man den Wirkungen der Narbenverkürzung nicht vorbeugt. Dies geschieht sehr einfich, indem man die untere Wand der Harnröhre in' einer Strecke von 1 bis l ' / t Ctm. spaltet und die Ränder der Schleimhaut durch feine Nähte genau an die äussere Haut anheftet. V o l l s t ä n d i g e A b l ö s u n g d e s P e n i s dicht vor dem Scrotum kommt keineswegs selten vor. Geisteskranke verüben diese Verstümmelung meist mittelst eine« scharfen Messers, oft aber auch mit stumpferen Instrumenten, z. B. mit einem stumpfen ' ) Vgl. C k e l i u s , Handbuch, Od. I. pag. 532 (7. Auflage), D e m a r q u a y und P a r roentier,

I. c., S e r n i n F o n t a o i , Gaz. des hóp. 1865, No. 25,

366

Krankbeilen des Penis.

Beil, wie ich ein Mal beobachtet habe.

Vi d a l

erwähnt

die Abtrennung des

Penis

durch ein berabgleitendeg Schiebefenster.

Drittes Capltel.

Fremde

Körper.

Fremde Körper kommen ebenso häufig an, a l s in dein P e n i s vor. Allerhand Schnüre, Bänder und Ringe werden, bald aus Spielerei, bald auf Grund geschlechtlicher Verirrungen oder wohl auch in der Absicht, Pollutionen zu verhindern, angelegt oder über die Eichel hinweggeschoben und können dann, da sie alsbald Schwellung des Gliedes und namentlich der Eichel veranlassen, meist nur mit grosser Schwierigkeit entfernt werden. Alle Erscheinungen der Einklemmung entwickeln sich an dem vor der Umschnürung gelegenen Theile des Penis. Zunächst wird der RUckfluss des Venenblutes behindert, dann die Harnentleerung, endlich auch der Blutzufluss. Der vordere Theil des Penis schwillt mit überraschender Schnelligkeit an, bald auch der hinter dem umschnürenden Körper gelegene, so dass dieser tief in einer Furche liegt und späterhin, indem die geschwollenen Theile dicht Uber ihm zusammenrücken, gar nicht mehr gesehen werden kann. Der Penis wird rothblau, ödematös, endlich entsteht Gangrän, die sich auf einzelne Stellen beschränken, namentlich auch zur Durchbohrung der Harnröhre führen kann, oft aber das ganze abgeschnürte Stück ergreift und sich auch über die Stelle der Abschnürung hinaus gegen die Peniswurzel ausbreiten kann. Dass die Entfernung solcher fremder Körper möglichst frühzeitig geschehen muss, und dass man nicht den umschnürenden Körper, sondern den Penis zu schonen hat, versteht sich von selbst. Kaum jemals wird man früh genug hinzukommen, um die Entfernung eines einklemmenden Ringes in der Weise wie die Reposition der Paraphimose noch ausführen zu können. Man hat vielmehr den einklemmenden Ring zu durchschneiden. Hier treten uns zwei Schwierigkeiten entgegen: 1) die Festigkeit (Härte) namentlich der metallenen Ringe und 2) die Verdeckung durch die Geschwulst, welche bei Umschnürung mit d ü n n e n Fäden sich am Schnellsten entwickelt Zur Durchschneidung metallener Ringe sind starke, schneidende Zangen (Splitterzangen) erforderlich. Die eine Branche unterzuschieben, um dann wie mit einer Scheere zu schneiden, dazu ist kein Platz. Man muss die Zange mit ihren Spitzen gegen den Penis gerichtet aufsetzen, so dass die Schneiden zunächst gegen die Ränder des Ringes wirken und dann mit

367

Fremde Körper.

einem kräftigen Druck die ganze Breite des Ringes durchschnciden. Bei eisernen Ringen und ähnlichen ringförmigen Körpern (Feuerstahl, Leuchtertülle, Ring eines Schlüssels u. dgl. m.) reicht aber die Kraft der schneidenden Zangen nicht aus. Solche Ringe muss man meist mit einer feinen Feile durchschneiden, wobei man den Penis so viel als möglich zu schonen sucht. In manchen Fällen hat es sich jedoch als leichter erwiesen, den Ring zwischen zwei Schraubstöcken zu zerbrechen. — Wenn die umschnürenden Ringe in der Tiefe der aufgewulsteten Haut gar nicht zu entdecken sind, so muss man ähnlich verfahren, wie bei der Operation der Paraphimose. Man macht, unter Erhebung einer Hautfalte, dicht hinter oder vor dem Wulste einen kleinen Ginschnitt und schiebt im subcutanen Bindegewebe eine schwach gebogene Hohlsonde zunächst bis an und womöglich auch unter den einschnürenden Ring. Die auf der Hohlsonde erhobenen Theile werden dann gespalten, — auch der Ring, sofern er sich mit dem Messer durchschneiden lässt; ist es ein Metallring, so dient diese Spaltung der Weichtheile nur dazu, um dem Ringe in der oben beschriebenen Weise mit der Zange oder der Feile beikommen zu können. V o d den fremden Körpern, welche im P e n i s , d. h. in der P a r s

caternosa

n r e t b r a e vorkommen, war bereits pag. 2 3 u. f. die Rede.

Vorhautsteine.

Calcull

praeputl/les.

C o n c r e m e n t e , welchc zwischen Vorhaut und Eichelsich finden, sind entweder aus der Blase dahin gelangt, oder ursprunglich dort entstanden. Ein kleines Steinchen, welches aus der Blase herrührt, kann den Kern für die Bildung eines grossen Präputial-Steines abgeben. Die Vorhautöffnung muss aber sehr eng sein, wenn P r ä p u t i a l s t e i n e entstehen sollen. Gewöhnlich findet sich nur ein Concrement; die Grösse Uberschreitet selten diejenige einer Eichel. D u m e r i l erwähnt einen Präputial-Stein 60 Steine in einem Vorhautsack.

von 255 Grammen.

Brodie

fand

Kleine Präputial-Steine haben eine abgerundete oder ovale Gestalt. Die Form der grösseren entspricht der Gestalt des Raumes, in welchem sie sich entwickeln, so dass sie eine concave Fläche der Eichel und eine convexe der Vorhaut zuwenden. Dann sind sie auch zuweilen von einem Canal durchbohrt, durch welchen der Harn, wie durch eine Fortsetzung der Harnröhre, abiliesst. Ist dies nicht der Fall, so muss der Harn um sie herum seinen Weg nehmen, wodurch der Harnstrahl gebrochen wird. Der chemischen Zusammensetzung nach kann man solche unterscheiden, die wesentlich aus Harnsäure,

Krankheiten des Penis.

368

andere, die aus harnsaurem Ammoniak phosphorsaurer Ammoniak-Magnesia

und noch andere, die aus

bestehen.

Einen sehr

wesent-

lichen und oft überwiegenden Bestandtheil bildet bei allen der eingedickte und vertrocknete Schleim (vgl. Phimosis). Die Behinderung bei der Harncntleerüng, welche jedoch oft ganz unerheblich ist, die fortdauernde, oft schmerzhalte Reizung im Präputialsack und die Anwesenheit einer harten Geschwulst in demselben, beim Bestehen mehrerer Steine auch die Crepitation in der Geschwulst, leiten auf die Diagnose dieser Concremente, welche dann durch die Untersuchung mit der Sonde gesichert wird. Die B e h a n d l u n g besteht in der Operation der Phimosis, welche hier den doppelten Vortheil gewährt, mit dem Steine zugleich die Ursache seiner Entstehung zu beseitigen.

auch

Wenn durch die be-

sondere Beschaffenheit der Vorhaut selbst nicht etwa die Circumcision indicirt wird, so ist die Spaltung ausreichend.

Viertes Capltel.

Entzündliche Processe. I.

Eicheltripper, Balanitis, Posthitis.

Man unterscheidet als B a l a n i t i s die oberflächliche Entzündung der Eichel, als P o s t h i t i s Vorhaut.

die Entzündung

des inneren Blatts der

Fast immer erstreckt sich die Entzündung auf beide zugleich.

Von der entzündeten Schleimhautfläche wird ein eitriges Secret geliefert, ähnlich, wie es beim Tripper aus der Harnröhre ausfliesst, meist von sehr widerlichem Geruch, wie er dem zersetzten Smegma praeputii eigenthümlich ist.

Der Kranke klagt über ein unbehagliches Jucken

und Brennen, welches sich allmälig steigert.

Die Vorhaut schwillt

an; war sie ursprünglich schon eng oder beträchtlich lang, so entsteht P h i m o s i s ,

sofern sie

aber in diesem Zustande mit Gewalt

zurückgezogen wird, P a r a p h i m o s i s .

Entblösst man die Eichel und

spült den auf ihr haftenden Schleim ab, so findet man sie, namentlich an der Corona glandis, geröthet, uneben, des Epithels beraubt, ähnlich dem Zustande der Cutis bei der Verbrennung zweiten Grades nach Entfernung der blasig erhobenen Epidermis. Vernachlässigung

Nur bei völliger

oder in dyskrasischen Körpern wird die Balanitis

zu einem chronischen Uebel und kann dann auch zu den bereits erläuterten Verwachsungen zwischen Vorhaut und Eichel Veranlassung geben.

Gewöhnlich verläuft sie acut und nimmt ihren Ausgang in

Eicheltripper. — Tiefe Entzündung.

369

Brand.

Heilung durch Wiederersatz der Oberhaut, sofern der Patient die kranken Tbcile nur gehörig reinigt. Die Aetlologie lässt sich meist auf mechanische oder chemische Reize zurückführen. Eines specifischen Contagium bedarf es nicht. Nach V i d a l tritt Balanitis und namentlich die chronische Form aber auch zuweilen als ein Symptom von syphilitischem Allgemcinleiden auf. Häufig ist Balanitis in Begleitung von primären Schankern und Condylomen. In solchen Fällen treten gewöhnlich auch Schwellungen der lnguinaldrüsen auf, die aber auch bei einfacher Balanitis zuweilen vorkommen. Die mechanischen Veranlassungen sind: häufige Wiederholung der Begattung, namentlich bei relativ zu starkem Volumen des Penis, Masturbation, Reizung der Eichel durch Präputial-Steine oder auch durch blosse Phimosis. Als chemische Schädlichkeiten kann man die Einwirkung des Menstrual-Blutes, des Lochien-Flusses, des Fluor albus, selbst wenn er ganz gutartig ist, betrachten. Die Behaudlaug erheischt vor Allem grösste Reinlichkeit und Verhinderung der Berührung zwischen dem entzündeten Vorhautblatt und der entzündeten Eichcl. Häufige Bäder und das Einlegen von Charpic, die mit Blei wasser oder einer ähnlichen adstringirenden Flüssigkeit getränkt ist, zwischen die Vorhaut und die Corona glandis reichen gewöhnlich aus. In heftigeren oder hartnäckigeren Fällen nimmt man Höllensteinlösung zu Hülfe.

n. Tiefe Entzündung. Brand. In Folge einer V e r l e t z u n g oder durch Ausbreitung einer heftigen U r e t h r i t i s kann in den Corpora cavernosa und in dem sie umgebenden Bindegewebe eine Entzündung entstehen, die sich alsbald mit Einklemmung complicirt und zum Brande führen kann. Brand des Penis hat man in einzelnen Fällen im Verlaufe des T y p h u s (wahrscheinlich in Folge von Throinbosis) auftreten sehen. B o y e r f ü h r t 3 Fälle der Art an.

F o r e e s t erwähnt

mehrere,

darunter einen,

wo man den brandigen Penis völlig abgelöst in dem aufgelegten Cataplasma vorfand. — Auch durch R o t z i n f e c t i o n kann ein Theil des Penis brandig werden.

Die Bebaudloug muss in allen diesen Fällen der Schmerzhaftigkeit des Uebels, der Wichtigkeit des Organs und der Gefahr etwa" eintretender Blutung angemessen sein. Niemals darf man sich zur Amputation entschliessen, bevor nicht die Demarcations-Linie völlig ausgebildet ist. Selbst dann sind die Schnitte noch vorsichtig zu führen und nur auf die Beseitigung des wirklich brandigen Theils zu beschränken, denn ganz gewöhnlich erstreckt sich der Brand in der Haut weiter, als in den tieferen Theilen. Man hat beobachtet, dass ß i r b e l e d e n , Chirurgie.

6 . A u f l . IV.

2 4

370

Krankheiten des Tenia.

nach der Amputation eines bedeutenden Stückes des Penis späterhin doch die Eichel wieder zum Vorschein kam. Iiier handelte es sich nicht etwa u m eine Regeneration der Eichel (an die man wirklich gedacht hat), sondern die Eichel war durch die mächtig geschwollene Vorhaut comprimirt und verdrängt worden, so dass sie durch den Schnitt gar nicht getroffen wurde.

111. Syphilitische Geschwüre und Feigwarzen. S y p h i l i t i s c h e G e s c h w ü r e treten namentlich an der Corona glandis, zumal in ihrem unteren Umfange und zwar m e i s t , j e d o c h n i c h t i m m e r , als p r i m ä r e Schanker auf. Häufig wird durch sie das Frenulum zerstört; andere führen zur Perforation der H a r n r ö h r e oder dringen in dieselbe von der Fossa navicularis aus ein u n d haben d a n n , abgesehen von anderen Gefahren, Verengerung dieses Canals zur Folge. Sie kommen aber auch auf der ganzen Oberfläche der Eichel an den verschiedensten Stellen vor und können daher z. B. die ganze Spitze oder einen anderen Theil der Eichel zerstören. Die B e h a n d l u n g muss verschieden sein, je nachdem es sich um prim ä r e oder s e c u n d ä r e , um einfache oder indurirtc Schanker handelt. (Vgl. Bd. J. pag. 3 3 5 u. f.) Jedenfalls wird die sorgfältigste Reinlichkeit zu empfehlen, und sobald auch nur der Verdacht einer syphilitischen Infection entsteht, eine innere Behandlung einzuleiten sein. Ein solcher Verdacht aber ist begründet, sobald die Geschwüre sich stetig weiter verbreiten, statt sich alltnülig zu verkleinern, oder von indurirten Rändern umgeben werden, oder überhaupt nach Verlauf von 14 Tagen bei einfacher Behandlung nicht zur Heilung sich a n schicken. Im Allgemeinen erweist sich der innere Gebrauch des Sublimat, gerade bei den primären Geschwüren des Penis (und der Genitalien überhaupt) vorzugsweise nüizlicli. Gründliche Kauterisation oder Excision des primären Schankers kann v i e l l e i c h t der allgemeinen Infection vorbeugen; jedoch könnte dies immer nur in den ersten Tagen gelten und ist jedenfalls nicht völlig enviesen, weil j a Uberhaupt nicht auf jeden Schanker allgemeine Infection folgt. Dass bei secundären Schankern des Penis stets eine energische innere Behandlung eingeleitet werden muss, ergiebt sich von selbst. C o n d y l o m e kommen am Häufigsten an der Uebergangsstelle der Schleimhaut zwischen Präputium und Corona glandis, jedoch auch auf der äusseren Haut des Penis, wenngleich nicht so häufig wie Geschwüre vor. Innerhalb des Pniputial-Sackcs werden sie im Allgemeinen platt gedrückt, jedoch wuchern sie oft so stark, dass sie die Gestalt eines Blumenkohls annehmen und dann Aehnlichkeit mit einem Epithelial-

Neubildungen.

371

carcinom gewinnen. Gewöhnlich sind sie als loeale Uebel zu betrachten und durch eine blos örtliche Behandlung zu beseitigen. Bestreut man sie Uiglich zwei Mal mit einer dicken Schicht eines aus gleichen Theilen gebrannten Alauns und Ilerba sabinae gemischten Pulvers, so schrumpfen sie gewöhnlich ein und fallen dann entweder von selbst ab, oder lasseil sich doch leicht abheben. Führt diese Behandlung nicht schnell genug zum Ziele, so kann man sie mit der Schecrc abtragen und die, zuweilen Anfangs erhebliche, niemals aber bedenkliche Blutung durch Betupfen mit Höllenstein, Aufstreuen von Alaunpulver u. dgl. rn. stillen. Aus Besorgniss vor der Blutung, die jedenfalls umständlichere und schmerzhaftere Ligatur anwenden zu wollen, ist ungerechtfertigt.

F ü n f t e s Capitel. N e u b i l d u n g e n . Unter allen Neubildungen kommt der K r e b s am Häufigsten am Penis vor. Seine A e t i o l o g i c ist hier so dunkel wie überall. Hey, R o u x u. A. haben bemerkt, dass er häufiger bei Männern vorkommt, die mit Phimosis behaftet sind. Dies kann wohl nur auf der fortdauernden Reizung beruhen, welche durch Phimosis veranlasst wird. Häufig wiederkehrende Reizungen müssen wir ja überhaupt als ein ätiologisches Moment für den Krebs anerkennen, zumal für den Epithelialkrcbs, um den es sich hier fast immer handelt. Der A u s g a n g s p u n k t des Krebses am Penis ist gewöhnlich die V o r h a u t , seltener die Eichel. Dies ist sehr wichtig; denn beschränkt sich das Uebel auf die Vorhaut, so gelingt die Beseitigung ohne eigentliche Verstümmelung des Gliedes, während diese sich nicht umgehen lässt, wenn man ein Carcinom der Eichel fortschaften will. Oft scheint die Krebsgeschwulst den ganzen Penis ergriffen zu haben, während sie in der That nur an der Vorhaut wurzelt und wuchert und die Corpora cavernosa samint der Eichel comprimirt und zurückgedrängt hat (vgl. pag. 370). — Der Präputial-Krebs beginnt bald als ein hartes Knötchen in der Dicke der Schleimhaut, bald als zottige Wucherung auf ihrer Oberfläche. Aus einem unscheinbaren Anfange entwickelt sich meist mit überraschender Schnelligkeit ein grosses Gewächs, mit allen den Bd. I. pag. 534 u. f. geschilderten Charakteren. — An der Eichel beginnt der Krebs meist in Gestalt eines harten, empfindlichen Ilöckerchens, welches bald aufbricht und dann seine Zerstörungen unter fortschreitender Infiltration der umgebenden Theile schnell ausdehnt. Wie der beginnende Krebs der Vorhaut mit Condylomen, so 24*

372

Krankheiten des Peni«.

können die Anfänge des Krebses der Eichel mit Schanker verwechselt werden. In manchem Falle von , r a d i c a l e r H e i l u n g " des Präputial-Krebses durch die Operation m ö c h t e sich bei genauer Untersuchung ergeben, dass es sich nur u m Condylome gebandelt bat.

Fülle, in denen umgekehrt vermeintliche Condylome des Vorbaut-

sackes sieb als Epithelialcarcinom (auch bei

genauer mikroskopischer

erwiesen, sind mir mehrmals vorgekommen.

Auch V i d a l erzahlt einen Fall der Art.

Untersuchung)

Der Krebs des Penis hat in der Regel einen schnellen Verlauf. Schwellung der Inguinaldrüscn tritt frühzeitig ein, wird aber zuweilen nach Entfernung des Grundübels rückgängig. Die operative Beseitigung ist mit demselben Recht und mit demselben Grade von Aussicht auf Erfolg vorzunehmen, wie beim Epithelial-Krebs Uberhaupt. In Betreff der Récidivé nach der, wegen Carcinom ausgeführten Amputatio penis herrscht die Ansicht, dass sie seltener vorkämen, als nach anderen Krebs-Operationen. Einen bestimmten statistischen Nachweis hierüber kann man z u r Z e i t nicht f ü h r e n ; jedenfalls sind die Récidivé auch hier nicht ganz selten, sofern es sich nur wirklich um Carcinom gehandelt bat. Mal wiederholen.

H a l l inusste die Operation an demselben Kranken drei

Einen Fall von Itecidir in den Lymphdrüsen der Schenkelbeuge habe

ich bei den „Krankheiten der Lymphdrüsen" im II. Band erwähnt.

L i p o m e u n d B a l g g e s c h w ü l s t c kommen nicht ganz selten am Penis vor. Ihre Exstirpation könnte nur durch besondere Grösse schwierig oder gefährlich werden. Dasselbe gilt von oberflächlichen T e l e a n g i e k t a s i e n , mögen sie gestielt sein, oder flach aufsitzen. Dagegen würde eine cyrsoidc Erweiterung der Gcfässe der Corpora cavernosa der Behandlung ganz unzugängig sein. V e r k n ö c h e r u n g e n im Penis sind mehrmals beobachtet worden. Die Störungen, welche sie veranlassen und die Schwierigkeit ihrer Entfernung, hängen ganz von ihrem speciellen Sitze ab. Einen der merkwürdigsten Fälle der Art beobachtete M ' C I e l a n d (vgl. V e l p e a u , Nouveaux éléments de médec. opératoire, Paris 1 8 3 9 . tom. IV. pag. 3 5 5 ) . Ein 52jäbriger Mann klagte über eine Verkrümmung des Penis nach Oben, welche die Entleerung des Harns schmerzhaft und schwierig, den Coitus unmöglich machte.

Man fühlte auf dem

Rücken des Penis einen harten Strang, dessen Durchscbneidung Erleichterung des Harnlassens h e r b e i f ü h r t e , den weiteren Beschwerden aber nicht abhalf.

Der Penis gcrietb

bei der mindesten Berührung in Erection und krümmte sich dabei in auffallender Weise. Eine genauere Untersuchung liess einen harten Körper in der Mitte des Penis erkennen. Mittelst einer Incision auf der Dorsalseite wurde zwischen

den Corpora cavernosa ein

Knochenblatt blossgelegt, dessen Lösung mit dem Messer unter heftiger Blutuog gelang. Unter Anwendung von kaltem Wasser und einigen Nähten gelang die Stillung der Blutung u n d die

Heilung.

Die

Verkrümmung

des

Penis

nach Oben vcrschwand;

eine

leichte Biegung in entgegengesetzter Richtung blieb zurück.

Wie am Scrotum, so kommt auch am Penis eine eigentümliche H y p e r t r o p h i e vor, die analag der E l e p h a n t i a s i s s c r o t i aus einer

Neubildungen.

373

chronischen Lymphgcfässentzündung hervorzugehen scheint und mit der analogen Krankheit des Hodensackcs zuweilen gleichzeitig auftritt In manchen Fällen kann man die Entstehung einer solchen Hypertrophie auf Grund wiederholter Entzündungen der Vorhaut genau verfolgen; dieselbe bleibt dann auch immer auf die Vorhaut beschränkt. In anderen Füllen entwickelt sich der Penis allmälig zu einem ungeheuren Volumen, ohne dass man den zu Grunde liegenden entzündlichen Process bestimmt nachweisen könnte. V i d a l bezeichnet nur die Fülle der letzteren Art als eigentliche Elephantiasis und glaubt sie den Degenerationen anschliessen zu müssen, weil sie recidiviren. Fig. 77 (teilt einen von R i g a l beobachteten und mit glücklichem Erfolge operirten Fall von Elephantiasis penis dar.

Die Elephantiasis beschränkte sich anf die Vorbaut. Fig. 7 7 .

374

Krankheiten des Pfnls.

Sobald diese Hypertrophie nicht blos die Vorhaut, sondern auch den übrigen Penis betrifft, kann von einer Exstirpation mit Erhaltung des Gliedes fast niemals die Rede sein. Die Beseitigung i s l » u r dm'Cli die Amputation möglich und diese ist, wegen der Erweiterung der Venen, gefährlich. Beschränkt sich das Ucbel auf die Vorhaut, so kann diese mit Erfolg ganz oder theilweise abgetragen werden. Amputatio

penis.

Man unterscheidet eine p a r t i e l l e und eine t o t a l e Amputation des Penis; jedoch verdient nur die letztere diesen Namen, da man unter Amputation im Allgemeinen doch immer nur eine solchc Abtragung eines Theils des Körpers versteht, welche dessen ganze Dicke betrifft. Die sogenannte partielle Amputation ist nur eine Exstirpation von Geschwülsten, oder eine Umschneidung von gangränösen Thcilcn des Penis und fällt im Ganzen mit der „Operation der Phimose" zusammen, da sowohl das Carcinom des Penis, als auch die Gangrän an demselben sich meist auf die Vorhaut beschränken. Sollte aber auch die Entfernung eines grösseren Theiles des Gliedes erforderlich scheinen, so wird doch immer der Versuch zu machen sein, ob nicht die Abtragung der äusseren Bedeckungen genügt; erst wenn man die Ueberzeugung gewinnt, dass die Degeneration sich wirklich auf die Corpora cavernosa erstreckt, wird man zur Amputation schreiten dürfen. Immer müssen jedoch, den allgemeinen Regeln entsprechend, die Schnitte im Gesunden geführt werden. Die eigentliche A m p u t a t i o n d e s P e n i s muss, je nach der Ausdehnung des indicirenden Uebels (Knickung, Gangrän, Krebs, Elephantiasis), an verschiedenen Stellen vorgenommen werden. Wird die Trennung v o r d e m S c r o t u m ausgeführt, so hat die Operation durchaus keine Schwierigkeiten. Ein Gehülfe umfasst dies Wurzel des Penis, der Operateur die Eichel; während der zu durchschneidende Theil von beiden gespannt wird, erfolgt die Trennung mit einem Zuge eines kleinen Amputations-Messers. Die spritzenden A) Vgl., als Beispiele, die von A u b l n a i s

(Gaz. hebdom. 1854, No, 49) und TOQ

F o w l e r (Lancet 1854, 30, Dec.) beschriebenen FSH».

400

Krankheiten d e r Vagina.

den Zerreissung und der zur Eröffnung der genannten Organe führenden Quetschungen der Vagina hier folgen lassen. Auf d a s H ä m a t o m

( T h r o m b u s vaginae)

A b t b e i l u n g ( p a g . 3 7 8 ) Rücksicht

I.

wurde bereits

in

der

vorhergehenden

genommen.

Dammriss, Ruptura perinei.

Die Aetiologie des Dammrisses gehört, da er immer während des Geburtsactes entsteht, eigentlich in die Geburtshülfe. Die wesentlichen ätiologischen Momente sind einer Seits relativ zu starke Eutwickelung (Höhe) und zu geringe Dehnbarkeit des Dammes, anderer Seits relativ zu bedeutende Grösse des Kindskopfes, zu schnelle Austreibung und zu stark nach Hinten gerichtete Bewegung (Stellung) desselben. Z u g r o s s e H ö b e d e s D a m m e s bedingt den Anschein einer Verengerung d e r S c h e i d e , w ä h r e n d e s sich doch n u r u m eine zu s t a r k e Biegung d e r Scheide Dach Vorn handelt) bei welcher freilich d e r verticale D u r c h m e s s e r d e r Vulva verkürzt wird.

Die Lage der Kreissenden ist von erheblichem Einfluss: je mehr sie horizontal liegt, desto weniger ist eine Zerreissung des Dammes zu befürchten; je mehr der Oberkörper erhöht liegt, desto mehr wird der Kopf des Kindes nach Hinten gedrängt. Aus demselben Grunde prädisponirt eine zu starke Ausbiegung des Kreuzbeins nach Hinten, welche in der Regel mit einer zu starken Hervorragung des Promontorium verbunden ist, zur Ruptura perinei. Varietätcu. D a m m r i s s e im gewöhnlichen Sinne des Wortes sind Zerreissungen, welche, von der hinteren Commissur der Rima vulvae ausgehend, sich meist in der Richtung der Raphe gegen den Aller hin, zuweilen aber auch mehr nach der einen oder anderen Seite hin erstrecken. Davon sind die sehr seltenen D u r c h b o h r u n g e n des Dammes zu unterscheiden, welche entstehen, wenn der Kindskopf, statt seinen Weg durch die Rima vulvae zu nehmen, mitten durch den Damm hindurchgepresst wird. 1. Die eigentlichen D a m m r i s s e unterscheidet man in c o m p l e t e und in c o m p l e t e ; erstere erstrecken sich bis durch den Sphincter ani und die Recto-Vaginal-Wand, letztere lassen die genannten Theile unversehrt. Genauer ist es, mit R o s e r die Dammrisse ihrer Länge und ihrer Tiefe nach zu unterscheiden; es giebt o b e r f l ä c h l i c h e Dammrisse, die sehr lang sind, ja selbst bis in den After dringen und verhältnissmässig wenig Beschwerden" machen, während t i e f e Dammrisse, welche zugleich eine vollständige Trennung des Sphincter ani und der Recto-Vaginal-Wand bedingen, immer sehr erhebliche Beschwerden zur Folge haben, — wenn es nicht etwa gelingt, sie gleich nach ihrer Entstehung wieder zur Heilung zu bringen. Ist der Sphincter

Dammrlii.

401

unversehrt geblieben, die Recto-Vaginal-Wand aber zerrissen worden, so ist der Zustand eben so ungünstig. In beiden Fällen wird der Schliessmuskel unwirksam, der Darminhalt kann nicht zurückgehalten werden, sondern entweicht unwillkürlich und gelangt im letzteren Falle in die Vagina, während er bei der gewöhnlichen Form des completen Dammrisses durch die von beiden Canälen gemeinsam gebildete Oeffn u n g abfliesst. Dieser Zustand wird, da der Versuch einer unmittel» baren Vereinigung gleich nach Entstehung des Risses meist gar nicht gemacht wird, zuweilen aber auch, wenn er gemacht wurde, keinen günstigen Erfolg hat, — in der Regel ein dauernder, und es kommen daher viel mehr v e r a l t e t e , als frische Dammrisse zur Behandlung. Sich selbst überlassen, heilen Dammrisse niemals. Die Fälle von Spontanheilung, welche hie und da erzählt werden, sind anderweitig zu erklären. Man glaubt nämlich, zumal bei oberflächlichen Dammrissen, häufig genug, es sei Verwachsung erfolgt, während in der That nur die beiden Wundränder in Folge der Narbenverkürzung mit der herabgezogenen Vaginal-Schleimhaut überkleidet worden sind. Dass kein Zusammenheilen der zu einander gehörenden Ränder erfolgt ist, lehrt die bleibende Verkürzung des Dammes. Auch bei tiefen Rissen entsteht zuweilen ein Anschein von Heilung, weil die Leiden der Kranken sich nach und nach vermindern, indem namentlich der dritte Sphincter (vgl. „Krankheiten des Mastdarms" Bd. III.) durch fortgegesetzte Uebung zu einer stärkeren Wirksamkeit gelangt und somit der Darminhalt bald mehr, bald weniger vollständig am oberen Ende des Mastdarms zurückgehalten werden kann. Allerdings sind dies immer noch Ausnahmsfälle; die meisten Kranken haben fortdauernd mit Incontinentia alvi zu kämpfen; jedenfalls sind sie, wenn eine Trennung des Sphincter ani oder der Recto-Vaginal-Wand zurückgeblieben ist, ausser Stande, dünnflüssigen Darminhalt und Darmgase zurückzuhalten. Wie lästig ein solcher Zustand sein muss, leuchtet von selbst ein. Uebrigens sind Störungen der Ernährung u n d überhaupt des sonstigen Wohlbefindens nicht zu bemerken. Conception kann selbst bei den höchsten Graden des üebels noch Statt finden. 2. D u r c h b o h r u n g e n d e s D a m m e s , ohne Verletzung des Mastdarms und ohne Zerreissung der hinteren Commissur der Vulva (Ruptura perinei centralis), sind in einzelnen Fällen gleichfalls im Verlaufe schwerer Geburten beobachtet worden. Man hat einzelne Theile des Kindes und sogar den ganzen Kindskörper durch solche Perforationen hervortreten sehen. Auf den ersten Blick erscheint es ganz unbegreiflich, wie eine Trennung von solchen Dimensionen in dem, gewöhnlich doch nur 4 Centimeter langen Räume zwischen dem B a r d e l e b e i ) , Chirurgie. 8. Aufl. IV.

26

402

Krankheiten d e r Vagina.

vorderen Rande des Atters und dem Frenulum labiorum zu Stande kommen kann. Die Möglichkeit ergiebt sich, wenn man beachtet, dass Risse der Art meist s c h r ä g verliefen, und wenn man bedenkt, bis zu welchen Dimensionen der Damm kurz vor dem Hervortreten (Durchschneiden) des Kopfes ausgedehnt wird. Berücksichtigt man zugleich die Verdünnung, welche während dieser Dehnung sowohl die VaginalWand, als auch der Damm erleiden, so ist begreiflich, dass die Kraft der gewöhnlichen Geburtswehen bei fehlerhafter Richtung des Kopfes nach Hinten und relativ hohem Damme ausreichen kann, um eine solche centrale Durchbohrung zu bewirken. M o r e a u hat einen hierher gehörigen Fall sehr genau beschrieben. der ersten

Geburtsperioden

bot

( b e i der

20jährigcn E r s t g e b ä r e n d e n )

Der Verlauf weiter

nichts

Bemerkenswerthes d a r , als dass der Kopf in vierter Position (also mit nach Vorn gerichteter Stirn) in das Becken berabtrat.

Am Beckenausgange wurde die Weilerbewegung

desselben schwierig, und wahrend einer heftigen Wehe hatte d e r , stützende Geburtshelfer die EmpGnduog, wo er mit dem Daumenhallen

den

Damm

als gebe in der Mitte desselben,

den Kopf abzulenken

suchte,

etwas nach.

unter-

gerade da, Plötzlich

a b e r , u n t e r einer neuen und kräftigeren W e b e , trat der Kopf an dieser Stelle zwischen Vulva und A f t e r , welche beide unversehrt blieben, hervor, und der übrige Kindskörper folgte ihm auf demselben Wege. zur rechten

Dieser centrale Riss erstreckte sich nach Vorn etwas

S e i t e längs des Kamus descendens pubis und ascendens iscbii neben

dem Labium m s j u s über die Höbe der hinteren Commissur der Vulva h i n a u s ; zwischen dem After und der Vulva verlief er s c h r ä g v o n R e c h t s n a c h L i n k s , so dass sein hinteres Ende sich nahe dem linken Tuber iscbii befand.

Bebaadluug, Die Prophylaxis der Dammrisse gehört in die Geburtshülfe. Da auf eine wirkliche H e i l u n g des Dammrisses ohne KunsthUlfe niemals zu rechnen ist, die Vereinigung aber bei zweckmässiger Behandlung unmittelbar nach der Zerreissung, trotz der relativ ungünstigen Verhältnisse des Wochenbettes, gelingen kann, und der Verletzten dadurch die Unannehmlichkeiten der, zur Heilung eines veralteten Dammrisses erforderlichen Operation erspart werden, so empfiehlt sich dringend d i e V e r e i n i g u n g j e d e s , w e n n a u c h s c h e i n b a r u n b e d e u t e n d e n Dammrisses, unmittelbar nach d e r E n t b i n d u n g . Zu diesem Behuf sind bei Rissen, welche nicht tief eindringen, die Serres-fines ein zweckmässiges Vereinigungsmittel; sie sind leicht und ohne erheblichen Schmerz anzulegen und eben so leicht zu entfernen. Man kann sie auch ohne Nachtheil liegen lassen, bis sie den von ihnen umfassten Theil ganz durchschnitten haben, was nach drei Tagen zu erfolgen pflegt. Die Stellen, an denen sie gelegen haben, bilden Anfangs zwar kleine Geschwürchen; diese heilen aber sehr schnell. Unregelmässige, zerquetschte Wundränder muss man vor dem Anlegen der Serres-fines mit der Scheere glätten. Alle tieferen Risse erfordern die Anwendung der Naht, welche die

403

Dammriss.

Wundränder in grossem Umfange umfassen und in genauester Berührung erhalten muss '). Sollten Knopfnähte, welche einer Seits vom Damm her und anderer Seits von der Vagina aus anzulegen sind, nicht ausreichen, so könnte man die Zapfennaht zu Hülfe nehmen. Viel wichtiger ist, zur Vereinigung der Spalte, welche durch alle tieferen Dammrisse in der Recto-Vaginal-Wand entsteht, zuerst vom Mastdarm aus Nähte anzulegen, zu welchem Zweck D i e f f e n b a c h eine fortlaufende (Kürschner-) Naht mit möglichst dichten Stichen empfahl. Dass die Serres-flnes auch in schwierigeren Fällen zur Erzielung einer vollstindigen Heilung ausreichen Ausnahme.

(wie D a n y a u

beobachtet h a t ) , ist jedenfalls eine seltene

Ob man in leichteren Fallen den Serres-flnes oder der Naht

den Vorzug geben will, mag auf individueller Uebung beruhen.

(Scanzoni)

Wer viel genäht bat,

wird die Naht nicht schwieriger finden, als die Anlegung der Serres-fines.

Die Schmerz-

haftigkeit ist bei letzteren

heftiger.

andauernder,

bei der Anlegung

Rücksicht auf den Lochienfluss sind S i l b e r d r a h t - N ü h t e

der Naht

Um die S p a n n u n g , welche Seitens des S p h i n c t e r a n i zu v e r h ü t e n , empfiehlt J. B a k e r B r o w n , diesen am

ausgeübt werden könnte,

Muskel n a h e

S t e i s s b e i n s u b c u t a n zu d u r c h s c h n e i d e n ,

Mit

zweckmässig. seiner

Insertion

wodurch aber der beabsichtigte

Zweck keineswegs erreicht und immerhin nur eine neue Verwundung hinzugefügt wird.

Bei der O p e r a t i o n d e s v e r a l t e t e n D a m m r i s s e s kommt als erster und besonders schwieriger Act die A n f r i s c h u n g der vernarbten Ränder hinzu. Mit Recht sagt D i e f f e n b a c h ' ) : „Oft sind gar keine Ränder vorhanden, und der unerfahrene Chirurg, wenn er an das Operationsobject mit dem Messer herantritt, wäre zu entschuldigen, wenn er ausriefe: „„hier sind keine Ränder, die Frau hat gar keinen Damm gehabt, was kann ich hier machenI" t t wer aber nicht weiss, wie die Vernarbung die Theile verändert, wie sehr sich die Vernarbung des zerrissenen Dammes und der Lefzen bemächtigt und beide Schenkelseitcn den halben Damm wie ein kleines Ländchen unter sich theilen und ihrem grossen Reiche einverleiben, der sollte sich vor der Hand noch nicht an eine so schwierige Operation wagen, welche er ohne Erfolg machen wird." — Vor Allem hat man also die stattgehabten Wirkungen der Narbcnverkürzung zu beachten. Diese hat nicht blos die ehemaligen Wundlefzen am Damm zu kurzen, oft gekräuselten Wülsten umgestaltet, sondern auch eine Herabzerrung der hinteren Vaginal- und vorderen Rectal-Wand zu Stande gebracht Das blosse Anfrischen und Nähen genügt n u r , wenn die Zerreissung ' ) Ich habe

wiederholt

tiefe

Dammrisse

am Tage

nach

der E n t b i n d u n g ,

einen

solchen a u c h noch ain 3. Tage durch zahlreiche Knopfnähte vereinigt und dadurch stets zur vollständigen Heilung gebracht. • ) Operative Chirurgie Bd. I. pag. 6 2 3 .

26*

404

Krankheiten der Vagina.

sich nicht auf die Mastdarmscheidenwand erstreckt, u n d die Verm i n d e r u n g u n d selbst gänzliche Hebung der Spannung durch Seitenschnitte (nach D i e f e n b a c h ) erleichtert zwar die Vereinigung der oberflächlichen Theile, steigert a b e r , zumal dieselben eitern m ü s s e n , den traumatischen Eingriff erheblich. Nach dem Vorbilde der D i e f f e n b a c h ' s c h e n Methode fllr die Vereinigung frischer Dammrisse, hat G . S i m o n 1 ) seine t r i a n g u l ä r e V e r e i n i g u n g (Proctoperineoraphie) construirt: Die Anfrischung erfolgt in Gestalt eines spitzwinkligen Dreiecks, dessen Spitze im obersten Theil des Rectovaginal-Risses liegt, die Mastdarmschleimhaut wird vom Mastdarm aus mit oberflächlichen, die übrige Rectovaginalw a n d von der Scheide aus mit möglichst tiefen, der Damm selbst von der Cutis aus mit oberflächlichen Knopf-Nähten vereinigt. B. v. L a n g e n b e c k beginnt die Operation ( P e r i n e o s y n t h e s e ) mit der Ablösung d e r Schleimhaut der Vagina einer Seits und des Mastdarms a n d e r e r Seits und wendet sich dann erst zur Bildung des Perineum. Die Vaginal-Schleimhaut muss schliesslich die vordere, die Mastdarm - Schleimhaut die hintere Wand des neugebildeten Dammes bilden. Die Operation beginnt — einen Fall der schlimmsten Art vorausgesetzt — mit der Anfrischung der Ränder der zwischen Mastdarm u n d Scheide bestehenden Spalte. Dann wird das Septum rectovaginale durch quere Schnitte in zwei Blätter zerlegt, von denen das hintere die vordere Mastdarmwand, das vordere die hintere Vaginalwand bilden soll. Beide sind a b e r , j e nach der Tiefe des Risses, m e h r oder weniger gespalten. Um die Spalte der vorderen Mastdarmw a n d sicher zu vereinigen, verfahrt man wie bei der Darmnaht (vgl. Bd. III. Abth. XVIII.); n u r wird die Stelle der bei der gewöhnlichen Darmnaht zu vereinigenden serösen Flächen hier von der durch die T r e n n u n g der beiden Blätter der Reclo-Vaginal-Wand entstandenen Wundfläche vertreten. Man legt also die Naht in der Art a n , dass die k r u m m e N a d e l , in einem Nadelhalter g e f ü h r t , zuerst den linken Spaltenrand von der Wundfläche gegen die Schleimhaut, etwa 1 Centimeter vom R a n d e , dann von der Schleimhaut gegen die W u n d fläche, etwa 5 Millimeter vom R a n d e , d u r c h b o h r t , dann aber in den anderen Spaltenrand 5 Millimeter von dem Rande entfernt ein- u n d nahezu 1 Centimeter weiter nach rechts wieder ausgestossen wird. Diese Naht wird vorläufig von einem Gehtllfen gespannt gehalten, während der Operateur die Narbenränder der Perinealspalte selbst a b -

' ) Mittheil, t o s d. ebir. Klinik des Rostocker Krankenhauses. pag. 2 4 1 u. f.

Prag, 1868. II. Abth.

Dammris«. — Perineoiyntbeae.

405

tragt. Begreiflicher Weise setzt man die Anfrischung nach Vorn auch auf die, durch Narbenverkürzung jedenfalls etwas nach Hinten gezogenen grossen Schaamlefzen fort, um ein möglichst breites Perineum zu gewinnen. Die Anfrischung muss aber nicht blos oberflächlich in grosser Ausdehnung erfolgen, wobei dann nur schmale Wundränder mit einander in Berührung kommen würden, sondern sie muss möglichst breit und tief geschehen, so dass Wundflächen von 4 Centim. Länge (in der Richtung der Rima vulvae gemessen) und 2 Centim. Höhe (in der Richtung der Vaginalachse) mit einander in Berührung kommen. Nach Vollendung der Anfrischung werden nun zuerst die beiden Dammhälften, wie beim frischen Dammriss, durch tiefe Nähte sorgfältig vereinigt; dann wird die Mastdarmschleimhaut, nach vorheriger Knotung der Anfangs angelegten Sutur, an dem hinteren, die Scheidenschleimhaut am vorderen Wundrande des neugebildeten Dammes durch Nähte befestigt, die Spannung aber durch weiter greifende Nähte (G. Simon) beseitigt. Gelingt es die Operation auf diese Weise auszuführen (was jedoch bei weit klaffenden Rissen der Rectovaginalwand schwierig sein kann), so vermag die Narbenverkürzung, selbst wenn die Vereinigung nicht per primam erfolgen sollte, dennoch keinen nachtheiligen Einiluss auszuüben, sofern nur die beiden Hälften des Perineum mit einander verwachsen, indem sie schliesslich immer doch zu der erwünschten Herabzerrung der Vaginal-Schleimhaut gegen den vorderen und der Mastdarm-Schleimhaut gegen den hinteren Rand des Perineum Tilhren würde. Besonders günstige Erfolge erzielt neuerdings H e p p n e r 1 ) durch sehr ausgiebige Anfrischung (Herstellung zweier seitlicher elliptischer Wundflächen und einer die hinteren Enden derselben verbindenden, der Rectovaginalwand angehörigen Brücke) und Anwendung der von ihm ersonnen Nähte mit D o p p e l s c h l i n g e n . Letztere werden in der Art angelegt, dass 8-Touren durch den (von Heppner aus-> schliesslich angewandten) Silberdraht gebildet werden, deren Kreuzungspunkt in der Mitte der Wunde liegt, so dass die halbe Höhe (Tiefe) der Wunde durch die eine, die andere Hälfte durch die zweite 0 desselben Drahts vereinigt wird. Jeder Draht ist in zwei krummen Nadeln eingefädelt. Nachdem die tiefere (obere) 0 gebildet ist, werden die Nadeln gekreuzt; die rechte wird in den Ausstichspunkt der linken eingestochen und umgekehrt, und so wird, nach Bildung der zweiten 0 die 8 vollnedet. Die schliessliche Knotung geschieht, ' ) Die Doppelschlioge bei der Dammnaht.

Arch. f. klin. Chirurg. Bd. X. Heft 2.

406

Krankheiten dea Vagina.

nach gehörigem Anziehen der Drähte, auf der Süsseren Haut durch mehrmaliges Umdrehen. Obgleich von den drei aufgeführten Methoden, j e nach Falles (auch wohl des O p e r a t e u r s ) , bald diese, bald jene

der Individualität des

besser zum

Ziele f ü h r e n

m a g , glaube ich doch im Allgemeinen S i m o n ' s Verfahren empfehlen zu m ü s s e n .

Die N a c h b e h a n d l u n g nach der Operation des veralteten Dammrisses ist mit grosser Sorgfalt zu leiten; namentlich handelt es sich darum, den durch die Naht vereinigten und zum Theil verschobenen Theilen vollständige R u h e bis zu ihrer organischen Vereinigung zu verschaffen. Man sollte meinen, die erste Bedingung hierzu müsse sein, dass während der nächsten Tage keine Stuhlausleerung erfolge. Um diese zu verhüten, ordnet man denn auch dieselbe Diät an, welche wir bei der Behandlung der Mastdarmwunden und nach der Operation der Mastdarmfisteln (Bd. III. 965) empfohlen haben; und die Mehrzahl der Chirurgen empfiehlt ausserdem Opium in kleinen Dosen zu geben. Aber von anderer Seite, (namentlich von R o u x und von G. S i m o n ) wird geradezu die tägliche Anwendung von Abführmitteln, namentlich von Ricinusöl in leicht purgirender Dosis empfohlen, um zu verhüten, dass durch Kothballen Zerrung der frisch vereinigten Theile eintrete 1 ) In der That erheischt die erste Stuhlausleerung bei der verstopfenden Behandlung grosse Vorsicht. Man lässt dann, nachdem die Verwachsung sicher eingetreten ist, häufig kleine Dosen Ricinusöl nehmen und ein öliges Klystier durch ein hoch in den Darm eingeführtes elastisches Rohr einspritzen. Die Entleerung selbst wird durch massenhafte Wassereinspritzungen gefördert; während derselben muss der Damm unterstützt und die Alteröffnung durch eine in den Mastdarm eingeführte Rinne (ein Gorgeret) sanft geöffnet werden. Die Patientin darf bei der Entleerung durchaus nicht drängen. Dass die Operirte vollkommen ruhig liegen muss, versteht sich von selbst. Zu diesem Behuf ist es auch zweckmässig, die Schenkel an einander zu binden, wodurch man früher auch einen directen Einfluss auf die bessere Vereinigung der Wundränder auszuüben hoffte. Der Harn soll, nach der herrschenden Ansicht, mittelst des vorsichtig eingeführten Katheters entleert werden, da das Unterschieben eines Beckens ohne Bewegungen des Körpers unmöglich ist, auch bei spontaner Entleerung leicht Benetzung der Wundränder mit Harn stattfinden könnte. — Bei der von H e p p n e r empfohlenen ' ) Ich habe sowohl m i t der „verstopfenden", als mit der „purgirenden Behandlung" gute Resultate erzielt, warnen.

möchte aber vor den Extremen

nach beiden

Seiten

bin

Dammriss. —

Mastdarm-Schcidenfislcl.

407

Methode der Nachbehandlung fällt diese Rücksicht auf die Harnentleerung ganz fort: Die Patientin liegt auf einer mit wasserdichtem Stoff überzogenen, durchlöcherten Matratze, und die Vagina -wird fortdauernd mit lauwarmem, bei grösserem Hitzegefühl auch mit kühlem Wasser durch einen Gummischlauch irrigirt, so dass weder Blut, noch Wundsecrct sich in der Schcide oder an der Operationsstelle ansammeln kann. Zur Verhütung eines nachtheiligen (mechanischen oder chemischen) Einflusses der Darmgase, legt H e p p n e r ein elastisches Rohr in den After ein, durch welches jene entweichen sollen, und versichert, dass dies Rohr weder Spannung des Sphincter, noch sonstige Störungen veranlasst. Die E n t f e r n u n g d e r N a h t e geschieht spät, da es hier nicht um Vermeidung sichtbarer Narben, sondern um möglichst feste und tiefe Vereinigung sich handelt. Man wartet daher ab, bis in den Stichcanälen Eiterung beginnt und entfernt niemals alle Nähte zugleich. Die zur Ileftung der Vaginal- und Mastdarm-Schleimhaut verwandten Knopfnähtc kann man bis »zum völligen Durchschneiden liegen lassen. Wenn die Vereinigung nur theilwcise oder gar nicht gelingt, die Wundränder also granuliren statt zu verwachsen, so sucht man die Vernarbung noch möglichst günstig zu leiten; eine neue Operation ist frühestens 3 Monate nach Vollendung der Vernarbung zulässig. II.

Mastdarm-Scheidenflstel, Fistula recto-vaginalis.

Aeliologic. Mastdarm-Scheidenfisteln sind fast immer die Folge von Verletzungen der hinteren Vaginahvand bei schwierigen Entbindungen. Gewöhnlich entstehen sie durch Gangrän in Folge starker und andauernder Quetschungen bei Einkeilung des Kindskopfes oder unzweckmässiger Handhabung geburtshülflicher Instrumente, meist gleichzeitig mit Dammrissen, nach deren Operation sie auch zuweilen zurückbleiben. Durch scharfe Instrumente, sowie durch Knochensplitter (nach der Perforation oder Zerquetschung des Schädels) können auch direct Zerreissungen der Recto-Vaginal-Wand zu Stande kommen. Zuweilen sah man sie auch im Wochenbette in Folge von Geschwürsbildung oder Durchbruch eines im Douglas'schen Räume gebildeten Absccsses sich bilden, ohne dass irgend eine Verletzung vorausgegangen war. Viel seltener entstehen sie unabhängig von dem Geburtsact und dem Wochenbett, am Seltensten in Folge tiefgreifender dyskrasischer (syphilitischer) Geschwüre, relativ häufiger noch durch direct einwirkende Gewalt, indem ein fremder Körper (höchst selten auch das Ansatzrohr einer Klystierspritze) vom Mastdarm aus in die

408

Krankheiten der Vagina.

Vagina eindringt, oder durch den fortgesetzten Druck eines fehlerhaft liegenden Pessarium, durch welchen schliesslich die Recto-VaginalWand durchbohrt wird (vgl. die folg. Cap.). Wird durch ein C a r c i n o m

die Bectovaginalwand zerstört, so entstellt anf diese

Weise gleichfalls eine F i s t e l , die a b e r , im Verhältniss zu dem übrigen Leiden, als eine geringfügige Complication e r s c h e i n t . — Auch bei R e c t o c e l e v a g i n a l i s kann es z u r Fistelbildung kommen («gl. Cap. V.). — A n g e b o r e n e

Rectovaginalfisteln

sind

meist m i t Atresia ani complicirt.

Die G r ö s s e der Fistel variirt von der kleinsten, nur Darmgase hindurch lassenden Oeffnung bis zur gänzlichen Spaltung oder seihst gänzlichem Defect der Recto-Vaginal-Wand (Velpeau). Die Diagnose hat nur bei sehr kleinen Fisteln oder bei sehr hohem Sitz Schwierigkeiten. Für solche Falle ist die Untersuchung mittelst des zweiklappigen Speculum, während der Finger in den Mastdarm eingeführt ist, oder die Einspritzung von gefärbten Flüssigkeiten zu empfehlen. Durch letztere kann man auch dartlber Ausschluss gewinnen, ob der Mastdarm ojler ein höher gelegenes Darmstück mit der Vagina communicire, je nachdem die Flüssigkeit sofort oder erst nach Einspritzung grösserer Mengen durch die Fistelöffnung hervortritt. Die Proguose ist im Allgemeinen günstig; nicht blos wird durch diese Fisteln niemals das Leben gefährdet oder auch nur die Ernährung gestört, sondern sie sind auch, sofern ihre Grösse nicht allzu erheblich ist (namentlich 3 Ctm. Durchmesser nicht überschreitet), relativ leichter heilbar, als Vesicovaginalfisteln. Rectovaginalfisteln von der Grösse einer Erbse hat man sogar ohne KunsthUlfe heilen sehen. Die Heilung wird in frischen Fällen durch sorgfältiges Reinhalten (durch Einspritzungen und langdauernde Bäder) sowie durch die bei Mastdarmwunden empfohlene Diät gefördert. In veralteten Fällen hat man zwischen der N a h t und der K a u t e r i s a t i o n zu wählen. Letztere genügt nur fllr ganz kleine Fisteln, bis zu einem Durchmesser von höchstens 1 Centimeter. Sie muss die Fistelränder in weitem Umfange treffen, um eine genügende concentrische Narbenverkürzung zu bewirken. Nach den Erfahrungen von S c a n z o n i reicht gewöhnlich der Höllensteingriffel aus; sicherer wirkt wohl das Glüheisen. Um die V e r e i n i g u n g d u r c h die Naht zu erzielen, muss man auch hier möglichst breite Wundflächen herstellen. Die Operation kann auf drei verschiedenen Wegen ausgeführt werden: 1) von der Scheide aus, 2) durch den erweiterten Mastdarm (vgl. Bd. III. pag. 944), 3) nach vorgängiger Spaltung des Dammes. Die bisher am Häufigsten angewandte Operation von der Scheide aus passt für die

Mastdarm-Scbeidenfistel.

409

Mehrzahl der Fisteln im mittleren und unteren Drittel der MastdarmScbeidenwand, jedoch nicht, wenn die Fistel in vorwiegend sagittaler Sichtung dicht am Damm besteht oder im mittleren Drittel quer verläuft (wo dann die Operation mit Spaltung des Dammes den Vorzug verdient), auch nicht bei Fisteln im oberen Drittel (welche besser vom Mastdarm aus operirt werden). Man frischt, während die Vagina durch stumpfe Haken aus einander gehalten und die Recto-Vaginal-Wand durch den Finger eines Gehülfen nach Vorn gedrängt wird, die Fistelränder in conischer Gestalt an, so dass die Spitze des Wundkegels gegen den Mastdarm gerichtet ist, die Schleimhaut der Vagina also in grösserem Umfange abgetragen wird, — umgekehrt bei der Operation vom Mastdarm aus. Die Nähte werden mittelst stark gekrümmter Nadeln (die in einem Nadelhalter geführt werden) angelegt — auf je 5 Millim. durchschnittlich eine Naht. Zur Verhütung der Spannung, durch welche sonst leicht zu frühzeitiges Durchschneiden oder doch Zerrung bewirkt werden könnte, fügt man einige weitergreifende Nähte hinzu, welche etwa 2 Ctm. von dem zu vereinigenden Wundrande entfernt ein- und ausgestochen werden und die MastdarmSchleimhaut mit durchbohren, während die ersteren Nähte dieselbe nicht berühren sollen, damit nicht etwa ein Theil jener Schleimhaut, mit in die Wunde hineingezogen, zu einem Hinderniss fllr die Heilung werden könne. Vgl. G u s t a f Krankenhauses.

Simon,

Prag 1868.

Mittbeilungen aus der chirurg. Klinik des Rostocker II. Abtb. pag. 295 u. f.

Andere Darm-Sclieldenflsteln. Die Recto-Vaginal-Fisteln sind, streng genommen, nur als eine Unterart der E n t e r o - V a g l n a l - F i s t e l n aufzurühren. Die zweite, ungleich viel seltnere Species bilden diejenigen Fisteln, welche eine C o m m u n i c a t i o n z w i s c h e n i r g e n d e i n e m a n d e r e n D a r m s t ü c k (Dünndarm, Flexura sigmoidea) u n d d e r V a g i n a herstellen. Diese scbliessen sich in jeder Beziehung an den Anus praeternaturalis a n , nur mit dem Unterschiede, dass die abnorme Oeffnung sich hier nicht auf der Körper-Oberfläche, sondern in der Vagina befindet. Auch ihre Entstehungs-Geschichte führt, wie diejenige des Anus praeternaturalis, meist auf Einklemmung oder Verschwärung dea Darmes zurück, welche in solchen Fällen innerhalb des Baumes der D o n g l a s ' s e h e n Falten S t a u gefunden haben müssen. Selten sind solche D a r m - S c h e i d e n f i s t e l n angeboren, wobei dann zugleich Atresia ani bestehen kann (»gl. Band III.). — Die H e i l u n g , welche wegen des fortdauernden Ausflusses des Darminhaltes höchst wünschenswerth Ist, kann bei Fällen der letzteren Art nur in der bei Atresia anl angegebenen Weise gelingen. Uebrigens fällt die B e h a n d l u n g mit derjenigen des Anns praeternaturalis zusammen. Während man dort die Communication zwischen den beiden neben einander liegenden Darmstücken zu bewirken sucht, beabsichtigt man hier, dass in die Vagina mündende Darmstück mit dem Mastdarm in Verbindung za setzen (Ca »a m a j o r ) . Zu diesem Behuf muss das D u p u j t r e n ' s c h e Enterotom In der Weise modifleirt werden, dass man die eine Branche hoch hinauf ia den Hast-

410

Krankheiten der Vagina.

d a n n , die andere in das mit der Vagina communicirende Darmstück einschieben kann. Beim S c h l i e f e n des Enterotoms muss sorgfältig verhütet w e r d e n , Darmscblinge zwischen die in Verbindung zu setzenden

dass keine

Darmstücke gerathe.

andere Ist die

Communicalion zwischen dem abnorm mündenden Darmstück und dem Rectum glücklich hergestellt, so wird der Verschluss der

Fistelöffnung in

terisation zn bewirken sein. — Das tollkühne Unternehmen

der Vagina durch von R o u i ,

aufzuschneiden, die Darmschlinge von der Vagina zu lösen und invaginiren, würde selbst dann

den

KauBauch

in den Dickdarm zn

noch verwerflich erscheinen, wenn dabei d e r

grobe

F e h l e r , dass die Invagination in der Richtung nach O b e n , statt nach Unten, gemacht w n r d e , sich nicht ereignet hatte.

Die Operirle starb viel früher, als die üblen Folgen

dieses Irrtbums sich geltend machen konnten.

III. Blasen-Scheidenfistel, Fistnla vesico-vaginalis. Die Aetiologie der H a r n f i s t e l n d e r S c h e i d e , welche im Allgemeinen als B l a s e n - S c h e i d e n f i s t e l n bezeichnet werden, schliesst sich in jeder Beziehung an diejenige der Mastdarm-Scheidenfistel an. Selten sind traumatische Perforationen (durch geburtshülfliche Instrumente, oder beim Steinschnitt, vgl. pag. 212), gewöhnlich Verschwörung und brandige Zerstörung ihre Veranlassung und diese sind wiederum in den meisten Fällen durch Quetschungen während der Entbindung bedingt. Dass Blasen-Scheidenfisteln auf diese Weise bei Weitem häufiger entstehen als Mastdarm-Scheidenfisteln, erklärt sich aus dem Umstände, dass die vordere Vaginalwand während der Geburt gegen die Schoossbeine angepresst wird, während die hintere einen solchen knöchernen Widerstand nicht findet. — Nur die durch verjauchende Carcinome bewirkten Perforationen scheinen den aus Abnormitäten des Geburtsactes hervorgehenden Fisteln an Häufigkeit voran zu stehen, werden hier aber nicht weiter berücksichtigt, da bei denselben nicht die Fistel sondern das Carcinom die Hauptsache ist und von einer Heilung der Fistel niemals die Rede sein kann. Selten giebt der Druck eines Pessarium, noch seltner ein rauher Blasenstein oder ein dislocirtes Knochenstück (bei Fracturen der Beckenknochen) die Veranlassung zur Entstehung einer Vesico-Vaginalfistel. Zuweilen hat man diphtheritische oder dyskrasische (syphilitische) Entzündungen und Verschwärungen von der Vagina aus bis in die Blase eindringen und dann gleichfalls zur Fistelbildung führen sehen. Krankheitserscheinungen. Man hat früher die HarnröhrenScheidenfisteln von den Blasen-Scheidenfisteln trennen zu müssen geglaubt. Wir handeln absichtlich von beiden zugleich, weil die Unterscheidung, wie klar auch von anatomischer Seite, in praktischer Beziehung doch unerheblich ist. In der Regel stimmen nämlich beide nicht blos in Betreff der Behandlung Uberein, sondern auch das

Blasen-Scheidenfistel.

411

wesentlichste Symptom, d e r u n u n t e r b r o c h e n e A b f l u s s des H a r n s d u r c h die V a g i n a findet sich bei ersteren fast ebenso regelmässig, wie bei letzteren. Man sollte a priori meinen, durch die Harnröhrenflsteln werde nur bei willkürlicher Entleerung Etwas abiliessen; dies erweist sich aber in der That anders. Der sog. Sphincter vesicae ist, wenn eine Harnröhren-Scheidenfistel besteht, fast immer unwirksam, bald wirklich gelähmt in Folge der erlittenen Quetschung, bald wenigstens unfähig, der durch die vorausgegangene Entzündung eingeleiteten krampfhaften Zusammenziehung des Detrusor Widerstand zu leisten, bald endlich in seiner Wirkung gehemmt durch die Zurückziehung des Blasenhalses, welche durch die, in Folge der, die Fistelbildung nothwendig begleitenden Entzündung entstandene Verengerung der Vagina bedingt wird ( S c a n z o n i ) . Die Unterscheidung beider Fistelarten gelingt dagegen leicht, wenn der Sphincter vesicae in voller Wirksamkeit geblieben ist. Jedoch kommt es auch bei Blasen-Scheidenfisteln zuweilen vor, dass die Kranken eine Zeit lang in gewissen Körperstellungen, zumal im Sitzen, den Harn zurückzuhalten und sogar zum Theil durch die Harnröhre zu entleeren vermögen. Häufiger wird das gewöhnliche Abträufeln des Harns durch zeitweise und plötzlich, gewöhnlich bei schnellen Körperbewegungen, eintretende massenhafte Entleerungen unterbrochen. Fast immer besteht zugleich Blasenkatarrh. Dadurch wird der Harn zur ammoniakalischen Zersetzung geneigt. Diese wird durch Beimischung des Vaginalschleims zu dem auströpfelnden Harn noch befördert. Daher werden alle mit dem Harn in Berührung kommenden Theile bis zu der inneren Fläche der Schenkel hinab entzündet, exeoriirt und von heftig juckenden pustulösen Ausschlägen (zuweilen auch Geschwüren) bedeckt. Die strengste Reinlichkeit vermag diese Leiden kaum zu mildern. Da die Blase durch die fortdauernd offen stehende Fistel den in sie durch die Ureteren eingeleiteten Harn fort und fort wieder entleert, so zieht sie sich sehr bald auf ein äusserst geringes Volumen zusammen. Der wenige, ganz zersetzte Harn aber, der hier und da in ihr stagnirt, liefert an ihren Wänden und an den Fistelrändern alsbald Incrustationen und, sofern zufällig taschenförmige Ausbuchtungen an der Blase oder in der Vagina bestehen, auch Concretionen aus Tripelphosphat, von geringer Consistenz. Die vordere Blasenwand legt sich gewöhnlich bald an die hintere an, und bildet einen Prolapsus durch die Fistelöffnung, der namentlich beim Stehen oder bei stärkerer Wirkung der Bauchpresse in die Vagina hineingedrängt wird, zuweilen auch, jedoch immer nur theilweise, mit den Fistelrändern verwächst. Trotz aller dieser Veränderungen bleiben jedoch die Blasenwände meist

412

Krankheiten d i r Vagina.

dehnbar. Die Vagina dagegen erscheint fast immer verengt und rigid. Dies rllhrt nicht von dem Einflüsse des Harns her, denn die am Meisten veränderten (zuweilen bis zur vollständigen Obliteration verengten) Stellen liegen in der Regel oberhalb (hinter) der Fistelöffnung. Vielmehr liegt der Grund dafür in denselben pathologischen Processen, die zur Bildung der Fistel geführt haben. Während der Brandschorf sich löste, erfolgte ringsherum Neubildung von Bindegewebe (entzündliche Induration). Häufig erstreckt sich die Entzündung noch viel weiter, so dass man den Uterus, die Ligamenta lata, die Ovarien mit Pseudomembranen bedeckt und durch diese verklebt und verzogen findet. In einzelnen Fällen sah man solche Verwachsungen sich auch auf den Darm erstrecken. Vielleicht sind sowohl die Menstrual-Beschwerden, als auch die hartnäckigen Verstopfungen, an denen Kranke der Art häufig leiden, aus diesen anatomischen Veränderungen zu erklären. Mehr noch als diese Störungen wirkt der, ihr selbst und ihren Umgebungen unerträgliche urinöse Geruch deprimirend auf das Gemüth der Kranken. Ob durch diese psychische Depression allein oder durch die wiederholten Diätfehler, welche die „von der Aussenwelt sich abschliessende" Kranke (nach S c a n z o n i ) begehen soll, die gesammte Ernährung mehr leidet, mag unentschieden bleiben; jedenfalls findet man häufig einen eigenthümlichen Marasmus; auch Chlorose und Lungenschwindsucht (?) können, nach S c a n z o n i , in länger bestehenden Vesicovaginalfisteln ihren Grund haben. Anatomische Varietäten der Blasen -Scheidenfistel unterscheiden wir, mit Rücksicht auf die Therapie, nach dem Vorgange von G u s t a v S i m o n , nicht blos je nach der Grösse der Fistel, welche sich bis zum völligen Defect der Scheidewand zwischen Blase und Vagina steigern und überdies einen Theil der Harnröhre mit betreffen kann (während reine Harnröhren-Scheidenfisteln höchst selten sind), sondern auch je nach der Betheiligung des Uterus an der Bildung der Fistel. B l a s e n - S c h e i d e n f i s t e l n im e n g e r e n S i n n e sind auf die vordere Vaginalwand beschränkt. Im w e i t e r e n S i n n e rechnet man hierher aber auch solche Fisteln, die zum Theil oder ganz im Uterus münden, die man also richtiger mit den Blasen-Scheidenfisteln gemeinsam als V e s i c o g e n i t a l f i s t e l n bezeichnen müsste. Dahin gehören: 1) d i e o b e r f l ä c h l i c h e B l a s e n - M u t t e r - S c h e i d e n f i s t e l , deren hinterer Rand von der vorderen Muttermundslippe gebildet wird, während der vordere dem Vaginalgewölbe angehört (nächst der eigentlichen Blasen-Scheidenfistel die häufigste Form); 2) die t i e f e B l a s e n M u t t e r - S c h e i d e n f i s t e l , welche so liegt, dass der Muttermund einen Theil der Fistelöffnung ausmacht, der hintere Fistelrand also von der

Blaien-ScheldenfliUl.

413

hinteren Muttermundslippe gebildet wird, während die vordere ganz fehlt; 3) d i e B l a s e n - M u t t e r f i s t e l , bei welcher das Vaginalgewölbe ganz unversehrt ist (vgl. die folg. Abth.). Die Diagnose ist im Allgemeinen leicht, sofern es sich blos darum handelt, das Vorhandensein einer solchen Fistel zu erkennen, und sofern sie nicht allzu klein ist. Ein metallener Katheter wird in die Urethra eingeführt; der Finger fühlt ihn von der Vagina aus und vermag dann gewöhnlich sogleich die Grösse und Gestalt der FistelÖffnung zu erkennen. Liegt dieselbe weniger als 3 Centimeter nach Hinten vom Orificium urethrae, so ist es eine Harnröhren-, anderen Falls w a h r s c h e i n l i c h eine Blasen-Fistel. Meist liegt die Oeffnung im mittleren Theile der Vagina; sehr selten finden sich mehrere Oeffnungen. Zum Behuf der Besichtigung dilatirt man die Vagina mittelst eines rinnenförmigen Speculum oder mit (lachen, stumpfen Haken. S c a n z o n i hält es für besonders bequem, die Untersuchung in der Knie-Ellenbogenlage vorzunehmen. Die von G. S i m o n angegebene Position (vgl. „Operation") erleichtert dieselbe noch mehr. In schwierigen FSUen hat man auch die Einspritzung gefärbter Flüssigkeiten in die Blase zu Hülfe genommen ( C h o p a r t ) ; namentlich loben Viele das Verfahren von M a y e r , ein mit Watte gefülltes Leinwandsäckchen in die Vagina einzulegen und dann mit schwarzer Tusche gefärbtes Wasser durch einen Katheter in die Blase einzuspritzen, wo dann der schwarze Fleck an dem Säckchen die Stelle der Fistel anzeigt Man wird dieses Hülfsmiltels wohl nur äusserst selten bedürfen. Bei der Proguosc kommt es vor Allem darauf an, ob die Fistel durch einen Substanzverlust (brandige Zerstörung) oder durch einfache Verwundung (Zerreissung) enstanden ist. Die Aussicht auf Heilung wird desto geringer, je grösser der Substanzverlust. Von s p o n t a n e r Heilung ist früher wohl nur irrthümlicher Weise berichtet worden. Die Bildung der Fistel kann in einzelnen Fällen ausbleiben, wo man sie erwartet hatte; die einmal gebildete Fistel aber, deren Oeffnung ringsum von Schleimhaut Uberkleidet ist, wird durch Narbenverkürzung allenfalls etwas enger, heilt aber niemals von selbst. Behandlung. So lange die Fistelränder noch nicht Uberhäutet sind, kann man durch sorgfältige Ableitung des Harns ihre Heilung zu befördern suchen. Dies geschieht durch dauerndes Einlegen oder — sofern dies nicht ertragen wird — möglichst häufiges Einführen des Katheters (in welchen man, nach S e g a l a s , einige Baumwollenfäden einlegen soll) und durch andauernde Sitzbäder, die durch häufige Einspritzungen nur unvollständig ersetzt werden können. Um den Harn zu verdünnen und dadurch weniger schädlich zu machen, soll die

414

Krankheiten des Vagina.

K r a n k e m ö g l i c h s t viel Flüssigkeiten gemessen. Vorgange von D e s a u l t ,

Das f r ü h e r , n a c h d e m

von Vielen empfohlene Tamponiren der V a -

gina, u m das E i n d r i n g e n des Harns in dieselbe z u v e r h ü t e n ,

erfüllt,

trotz d e r m a n n i g f a l t i g e n Modificationen, die man dem T a m p o n g e g e b e n hat,

seinen Z w e c k n i c h t ,

d e m Enstehen

der

und wird gerade

Perforation,

wegen

in

der

der ersten Zeit n a c h

grossen

d e r e n t z ü n d e t e n V a g i n a , garnicht ertragen.

Empfindlichkeit

Endlich k a n n z u r A b l e i -

t u n g d e s Harns v o n der Fistel a u c h noch die L a g e der K r a n k e n e t w a s beitragen.

V o n den Einen w i r d die Bauchlage, v o n den A n d e r n

Seitenlage empfohlen;

in beiden wird g e r a d e unter den

Verhältnissen s c h w e r z u v e r h a r r e n sein.

die

obwaltenden

Mit Recht verdient a b e r d a s

von C e d e r s k j o e l d z u e r s t versuchte Verfahren, die ihm v o n S c a n z o n i zugewandte Beachtung:

man e r f o r s c h e ,

o b und in w e l c h e r

die Patientin den Harn z u r ü c k z u h a l t e n v e r m a g (in

Stellung

Cederskjoeld's

Falle w a r es die sitzende), u n d lasse sie in dieser so l a n g e als m ö g lich v e r b l e i b e n . — hungen

In der R e g e l gelingt aber durch alle diese B e m ü -

die Heilung n i c h t ;

dieselbe

kann

vielmehr

nur

durch

eine

O p e r a t i o n erreicht w e r d e n . A l s V o r b e r e i t u n g für letztere ist n e b e n d e r strengsten Reinlichkeit eine g u t e E r n ä h r u n g der g e w ö h n l i c h s e h r h e r u n t e r g e k o m m e n e n K r a n k e n d r i n g e n d zu empfehlen.

A u c h für den

O p e r a t e u r ist eine A r t v o n Vorbereitung nöthig, indem er L a g e , Grösse, Form

und

sonstige

Beschaffenheit d e r

Fistel auf

das Genaueste

den v e r s c h i e d e n s t e n Stellungen k e n n e n lernen muss

in

(Dieffenbach).

Operation der Blasen-Scheidenfistel, A l s Methoden d e r Operation der Blasen-Scheidenfistel haben die K a u t e r i s a t i o n ' u n d durch

die Naht

„Operation

der

zu

wir

die V e r e i n i g u n g der angefrischten W u n d r ä n d e r erwähnen.

Durch

Blasen-Scheidenfistel"

letztere (die im

soll die Heilung per primam erzielt w e r d e n ; k a n n m ö g l i c h e r W e i s e eine V e r g r ö s s c r u n g

man

engeren Sinne

auch

gelingt diese nicht,

der Fistel

als

bezeichnet) so

daraus h e r v o r -

g e h e n , da die A n f r i s c h u n g immer einen S u b s t a n z v e r l u s t bedingt.

Die

Kauterisation h a t diese G e f a h r nicht, w i r k t aber viel unsicherer u n d l a n g s a m e r ; ihr E r f o l g b e r u h t in der allmälig eintretenden Narbenverkürzung,

weshalb

sie

auch

stets

in sehr

grossem Umfange und in

l ä n g e r e n Z w i s c h e n r ä u m e n (nach Monaten) wiederholt a u s g e f ü h r t w e r den muss.

Die

grössere

Sicherheit,

welche

die Naht d u r c h

neuere

O p e r a t i o n s v e r f a h r e n g e w o n n e n hat, b e r e c h t i g t dazu, die Kauterisation als A u s n a h m e v e r f a h r e n z u b e z e i c h n e n ,

w e l c h e s sich

nur

filr

kleine

Fisteln (die e b e n einen S o n d e n k n o p f hindurchlassen), namentlich, w e n n sie n a c h A n w e n d u n g

d e r Naht z u r ü c k g e b l i e b e n sind, eignet.

415

Blasen-Scheidenflstel. Aach R o s e r , welcher früher die Kauterisation bei Blasen-Seheidenflsteln

em-

pfohlen , ihre Wirkung durch concentrische Narben-Verkürzung zuerst klar auseinander gesetzt und die daraus hervorgehende N o t w e n d i g k e i t , risiren,

in weitem Umfange zu

kaute-

nachgewiesen h a t , — erklärt sich neuerdings entschieden zu Gunsten der Naht

und will dem Aetzen nur noch bei kleinen einräumen.

Fisteln ausnahmsweise

In Betreff der Aasführung des Aetzens bebt

eine

Berechtigung

er namentlich

hervor, dass

mon sich hüten m ü s s e , nicht etwa einen Theil des Fistelrandes zu zerstören, wodurch die Fistel vergrössert werden konnte. — Dass bei der Kauterisation mit dem leicht zerfliessenden

Aelzkali oder mit dem Glüheisen noch grössere Vorsicht, als bei Anwendung

des gewöhnlich benutzten Höllensteins, erforderlich i s t , ergiebt sich von selbst.

Um eines günstigen Erfolges bei der N a h t möglichst sicher zu sein, muss man 1) durch die Anfrischung m ö g l i c h s t b r e i t e , glatte, sich nirgend faltende W u n d f l ä c h e n herstellen, 2) diese v o l l k o m m e n g e n a u i n B e r ü h r u n g b r i n g e n und 3) dafür sorgen, dass sie durch Bewegungen der benachbarten Theile in k e i n e r W e i s e gespannt oder gezerrt werden. Für die Ausführung der Operation wird von den Meisten die Steinschnittlage, von S c a n z o n i und von H e p p n e r 1 ) die Knie-Ellenbogenlagc als die bequemste bezeichnet. Nach den Erfahrungen von G. S i m o n verdient die von ihm angegebene und als S t e i s s R ü c k e n l a g e bezeichnete Steigerung der Steinschnittlage, bei welcher die stark flektirten und abducirten Oberschenkel durch die Gehülfen in der Art gehalten werden, dass der Steiss höher liegt als der übrige Rücken, entschieden den Vorzug; ich kann die Vortrefflichkeit dieser Lagerung auch nach zahlreichen Erfahrungen bei anderen Operationen an den weiblichen Genitalien bestätigen. Die Scheide wird durch Gehülfen mit stumpfen flachen Haken oder mit einem polirten rinnenförmigen Speculum (nach S i m s ) auseinander gedrängt.*) Ein in die Blase eingeführter Katheter drängt die Gegend der Fistel abwärts. Langgestielte scharfe Häkchen werden in die Fistelränder eingesetzt, um diese herabzuziehen und während des Schnittes zu fixiren.3) Sitzt die Fistel sehr hoch, so fasst man die Portio vaginalis mit einer Hakenzange, zieht sie herab und führt mit einer starken krummen Nadel eine Fadenschlingc hindurch, an welcher sie dann von einem Gehülfen festgehalten werden kann, ohne diiss der Raum für den Operateur in solcher Weise, wie durch die Hakenzange ' ) Zweiundzwanzig Fälle von Fistula vesico-vaginalis.

Monatsschr. f. Geburtsk.

1869.

lieft 2 . *) Das

von

Spencer

Wells

(Brit.

med.

jonrn.

1870.

Jan.

1.)

angegebene

S p e c u l u m , wird durch eine federnde Pelotte, die am Kreuzbein anliegt, befestigt. *) H e p p n e r (I. c.) fixirt die Fistel durch Einsetzen eines dreizinkigen, seitlich auseinander federnden Hakens, C o r r a d i (in Rom) durch ein Instrument.

gleichfalls

federnde)

416

Krankheiten der Vagina.

beengt würde. Die Anfrischung geschieht in Gestalt eines ovalen Trichters, dessen abgestumpfte Spitze der Blase zugewandt ist; aber nicht blos die Vaginal-, sondern auch die Blasenwand, muss durch den schräg gerührten Schnitt getroffen werden, um eine möglichst breite Wundflache zu erhalten. 1 ) Zu diesem Behufe slösst der Operateur einige Millitn. nach aussen von dem, den Fistelrand umgebenden Narbensaume ein spitzes Messer schräg einwärts, von der Vagina aus, in die Blase, ersetzt dies sofort durch ein geknöpftes Messer (um vor jeder anderweitigen Blasenverletzung sicher zu sein) und umschneidet mit letzterem den Fistelrand in derselben Entfernung und Richtung, so dass er schliesslich, als ein ausgelöster Trichter, nur noch an den vorher eingesetzten Häkchen hängt und mit diesen aus der Vagina entfernt wird. Die breiten Wundlefzen werden nun so an einander gepasst, wie es nach den bestehenden Spannungsverhältnissen am Leichtesten gelingt, was gewöhnlich in der Richtung von Vorn nach Hinten der Fall ist. Die zu ihrer Vereinigung bestimmten Kopfnähte werden etwa 5 Millim. vom Wundrande ein- und ausgestochen, dringen bis hart an die Blasenscbleimhaut, dürfen diese auch) jedoch nur wenig und ohne sie einzuklappen) mitfassen und müssen so dicht liegen, dass zwischen je zwei Nähten nur ein Zwischenraum von 5 Millim. bleibt. Man legt alle Nähte von Innen nach Aussen, sticht die Nadel also immer in der Tiefe der Wunde ein und näht daher immer mit je zwei (kleinen, krummen) Nadeln an einem Faden. Zur Führung der Nadeln dient der R o u x ' s c h e Nadelhalter (vgl. Bd. I. pag. 167). Um einer zu grossen Spannung und Zerrung vorzubeugen, legt man vor Knotung der ersten eine zweite Reihe von Nähten a n , die auf jeder Seite etwa 15 Millim. vom Wundrande entfernt, die gesammte Vesicovaginalwand durchbohren und gerade in den Zwischenräumen zwischen den ersten Nähten liegen, so dass immer eine Vereinigungsnaht und eine Entspannungsnaht alterniren. Letztere werden zuerst geknotet. Sollte jetzt noch eine erhebliche Spannung bestehen, so werden Seitenschnitte durch die Vaginalschleimhaut hinzugefügt oder, nach J o b e r t , eine Verlängerung der vorderen Vaginalwand durch Ablösung des Scheidengewölbes von der vorderen Muttermundlippe (eigentlich von der vorderen Fläche der Portio vaginalis) bewirkt, was G. S i m o n jedoch als überflüssig verwirft. ' ) Ganz im Gegensatz hierzu empfehlen Andere, namentlich auch H e p p n e r (I. c.), „oberflächliche, meist quer-ovale Anfrischung im

weiten Umkreise der Fistel bis

nahe an ihren Rand h e r a n , jedoch ohne Ausschneiden des Handes."

Operation d e r Blasen-Scheidenflstel.

417

Bei kleineren Fisteln ist die Doppelnabt nicht nöthig.

Bei solchen, die 3 Cen-

t i m e t e r Durchmesser überschreiten, sind neben der Doppelnaht Seiten-Incisionen nicht zu vermeiden und fast immer wiederholte Operationen

erforderlich. —

schwer zugangig, so wird man die Schwierigkeit nicht durch strenges

Ist die Fistel Beachten

der

älteren Vorschrift, dass die Blasenschleimhaut von der Nadel nicht durchbohrt werden d ü r f e , vermehren.

Von Vielen namentlich auch von H e p p n e r , wird der zuerst von den amerikanischen Chirurgen besonders empfohlene S i l b e r d r a h t als Nähmaterial angewandt, während G. S i m o n alle seine schönen Erfolge mit Nähten aus feiner Seide erreicht hat. Vgl. Bd. I. p. 169. Sitzt die Fistel unmittelbar a n d e r P o r t i o v a g i n a l i s , s o d a s s die vordere Lippe der letzteren den hinteren Fistelrand bildet ( o b e r f l ä c h l i c h e B l a s e n - M u t t e r - S c h e i d e n f i s t c l ) , so wird letztere mit d e r , den anderen Fistelraiul bildenden Vcsicovaginalwand vereinigt, wobei in besonders schwierigen Fällen die q u e r e S p a l t u n g d e r P o r t i o v a g i n a l i s vortheilhal't sein kann. Ist bei der Entstehung der Fistel die vordere Muttermundslippe zerstört worden ( t i e f e B l a s e n - M u t t e r - S c h e i d e n f i s t c l ) , so wird die hintere Muttermundslippe mit der Vesicovaginalwand vereinigt ( J o b e r t ) , so dass die Höhle des Uterus dann nicht mehr mit der Vagina, sondern mit der Blase couimunicirt (vgl. die folgende Ablheiliuig). Für alle diese Operationen im Bereich des Seheidetigcwölbes niuss, wenn der Uterus sich nicht tief herabziehen lässt, ein dem einzelnen Falle anzupassendes, möglichst kurzes und möglichst weites Rinnen-Speculum benutzt werden'). Da die meisten Blnsen-Sclieidentisteln im Blasengrunde vorkommen, so lässt sich Ycrmuthcn, dass die im hinteren Theile desselben mündenden H a r n l e i t e r häufig entweder schon bei der Entstehung der Fistel einen Substanzverlust erlitten haben, oder doch beim Anfrischen und Nähen mit betroflen werden. Nach den Untersuchungen von G. S i m o n scheint dies auch in der That häufig der Fall zu sein, jedoch ohne dass, nach seinen und J o b e r t ' s Erfahrungen, üble Folgen daraus entstünden. — Die Capacilät der Blase stellt sich, selbst wenn sie auf ein Minimum rcducirt w a r , nach dem Gelingen der Operation in kurzer Zeit wieder her. Bei der N a c h b e h a n d l u n g ist es nicht erforderlich, die früher empfohlenen (pag. 413 angegebenen) Sicherheits- Maassregeln für die Ableitung des Harns in Gebrauch zu ziehen; namentlich ist der Tampon zu verwerfen, weil dadurch leicht eine zu heftige Entzündung erregt und die Ableitung des Harns nicht sicher erreicht w i r d , vielmehr der durch die genähte Wunde etwa hindurch sickernde Harn ' ) Vgl. S i m o n ' s Aufsatz in der Monatsschrift f. Geburlskuude B a r d e l e b e n , Chirurgie. 6. AuO. IV.

1858. 27

418

K r a n k h e i t e n d e r Vagina.

zwischen der Vaginalwand und dein Tampon stagniren und durch seine Zersetzung erst recht nachtheilig wirken würde. Die Entleerung des Harns durch den Katheter wird nur in solchen Fällen vorgenommen, wo die Patientin ausser Stande ist, ihn freiwillig zu entleeren; niemals braucht der Katheter liegen zu bleiben. U n t e r d e n C l i i i u r g e n , welche a u f d ; es) Die N a m e n . B l e n n o r r h o e "

und » K a t a r r h "

werden von verschiedenen A u t o r e n

f ü r dieselben k r a n k b e i t s z u s t i t n d e g e b r a u c h t ; A n d e r e bezeichnen m i t „ K a t a r r h " dio l e i c h t e r e n , A n d e r e blos die c h r o n i s c h e n F ä l l e ; n o c h A n d e r e beziehen den „ B l e n n o r r h o e " allein o d e r doch vorzugsweise auf Blennorrhoe". haltbar

Da alle diese U n t e r s c h e i d u n g e n

s i n d und

da f e r n e r

selbst

die

sogenannte

entweder

der mildeste Katarrh

Namen

„gonorrhoische

unwesentlich d e r Vagina

solchen S e c r e t i o n a u f t r i t t , dass m a n ihn auf j e d e r a n d e r e n (äusserlifli

o d e r unmit

einer

sichtbaren)

S c h l e i m h a u t als Blennorrhoe bezeichnen w ü r d e , s o s c h e i n t e s m i r zweckmässiger, den N a m e n . K a t a r r h " ,

obgleich

ihn

Scanzoni

ausschliesslich

anwendet,

f o r t zu l a s s e n . B a r d e l e b e n , Chirurgie

6 Aull. IV.

2S

ganz

434

Krankheiten der Vagina.

fleckige Rothe aus. Dies Stadium einer rein entzündlichen Schwellung geht in wenigen Stunden, spätestens nach einigen Tagen vorüber, indem eine massenhafte Absonderung einer gelblichen, eiterigen Flüssigkeit auf der ganzen Oberfläche der Vaginal-Schleimhaut beginnt. Ausser der Ucbertragung eines Contagium (vgl. Blennorrhoe der Urethra) sind als U r s a c h e n der Vaginal-Blennorrhoe die verschiedenartigsten Reizungen, mögen sie in mechanischer oder chemischer Weise wirken, aufzuführen. In erstere Kategorie gehören auch die Dislocationen des Uterus und der Vagina; in letztere die Einwirkung einer krankhaften Sécrétion des Uterus. In vielen Füllen entsteht die acute Blennorrhoe, unabhängig von irgend einer localen Reizung, entweder nach einer Erkältung, namentlich wenn sie die untere Körperhälfte getroffen hat (sog. nasse Füsse), oder auf Grund eines Allgemein-Leidens (Chlorosis, Scropliulosis, auch im Verlauf der Masern). Eine diagnostische Unterscheidung dieser, der Aetiologie nach verschiedenen Arten ist unmöglich. Man hat sieb vergeblich b e m ü h t , mit Fig. g g

Hülfe des Mikroskops specifische Charaktere in dem durch die gonorrhoische

(d. h. von

einem Harnröhrentripper übertragene) Blennorrhoe gelieferten Eiter zu entdecken. von D o n n é

(Cours

de microscopie

Die com-

plément. des études méd., Paris, 1 8 4 4 ) in diesem Eiter aufgefundenen Infusorien (Trichomonas vaginalis, Fig. 88) kommen eben so gut in anderem

slagnirenden

Eiter vor.

Gerade wie die Blennorrhoe der männlichen Harnröhre, geht die acute Vaginal-Blennorrhoe gewöhnlich in den c h r o n i s c h e n Zustand Uber. Das Secret wird dann dünnflüssiger, heller, weniger reichlich und zuletzt — gewöhnlich für lange Zeit — bleibt eine Absonderung von klebrigem weissem Schleim zurück. Häufig treten Vaginal-B1 e n n o r r h ö e n (Fluor albus) von vorn herein c h r o n i s c h auf, in Folge von Erkältungen, Durchnässungen, oder durch directe Reizung der Schleimhaut, endlich in Folge der oben genannten Allgemeinleiden. Selten besteht eine acute Blennorrhoe längere Zeit ohne Erkrankung der P o r t i o v a g i n a l i s u t e r i . Die Krankheit kann dort beginnen und sich von da auf die Vagina weiter verbreiten. Häufiger nimmt sie den umgekehrten Weg; schliesslich wird die von blennorrhoischem Secret umspülte Schleimhaut der Portio vaginalis auch von der Blennorrhoe ergriffen. Wie die Blennorrhoe der männlichen Harnröhre in der Prostata, f i x i r t d i e V a g i n a l - B l e n n o r r h o e s i c h

435

Blennorrhoe. a m C o l l u m u t e r i und

widersteht

hier

in

der Regel mit grosser

Hartnäckigkeit allen Mitteln.

Behandlang

Die

mit einem Aderlass,

einer heftigen acuten Blennorrhoe wurde früher bei

weniger kräftigen Subjekten mit dem A n -

setzen zahlreicher Blutegel am After begonnen.

Gewöhnlich kommen

aber solche Kranke erst zur Behandlung, wenn das eigentliche blennorrboische Stadium bereits völlig entwickelt ist, so dass man selten Gelegenheit findet, diese streng antiphlogistische Behandlung,

welche

überdies nur für robuste Individuen passen dürfte, einzuleiten. gegen

ist

ruhige Lage

regenden oder

des

Körpers und

erhitzenden Nahrungsmittel

Da-

der Ausschluss aller aufdringend

zu empfehlen;

häufige Total- oder Sitz-Bäder haben einen günstigen Einfluss. wirklichen Heilung der Blennorrhoe

aber ist erforderlich,

Zur

dass man

die fortdauernde Berührung der erkrankten Schleimhautflächen bindere und

die

übermässige Absonderung

kämpfe.

durch

adstringirende Mittel be-

In ersterer Beziehung ist die Tamponade

Charpie oder W a t t e , welche m a n , Fett bestreicht, zu empfehlen.

der Vagina

mit

bei grosser Empfindlichkeit, mit

Der Tampon ist überdies, wenn gleich-

zeitig eine pathologische Secretion Seitens des Uterus stattfindet, dadurch nützlich,

dass er deren stets nachtheilige Berührung mit der

Schleimhaut der Vagina verhindert. können mit dem

Die adstringirenden Substanzen

Tampon verbunden werden,

indem man ihn mit

einer Zink- oder Höllenstein-Lösung tränkt oder mit Alaunpulver b e streut.

Ein mit Eiswasser gefüllter oder mit einer permanenten Zu-

leitung von Eiswasser

versehener Gummibeutel (Kolpeurynter) kann,

namentlich in frischen Fällen den Tampon zweckmässig ersetzen.

Ad-

stringirende Einspritzungen, welche täglich ein- bis zwei Mal wiederholt w e r d e n , unterstützen die Wirkung Strahl

kalten

Wassers

(mittelst einer

des Tampons. Üouche

Ein kräftiger

ascendante

leistet ebenso viel als alle medicamentösen Injectionen.

applicirt) Die ganze

Reihe der vegetabilischen und mineralischen Adstringentia kann A n wendung

finden;

jedoch

haben sich

im

Allgemeinen

Urethral-Blennorrhoe erwähnten auch hier bewährt. gen werden am Besten in der Steissrückenlage Speculum

eingegossen,

grössten Theils

in

nach

der Vagina

Von

bei der

durch ein gläsernes

dessen Zurückziehen verbleibt.

die

Höllensteinlösundie

Flüssigkeit

denjenigen

inneren

Mitteln, deren Wirksamkeit bei der Urethral-Blennorrhoe aus

ihrem

Uebergange in den Harn erklärt werden musste, wird h i e r ,

sofern

nicht etwa die Harnröhre auch ergriffen ist, keine Hülfe zu erwarten sein.

Von der grössten Wichtigkeit ist es,

norrhoe den Zustand der Portio vaginalis

bei jeder

Vaginal-Blen-

genau zu berücksichtigen. 28*

436

K r a n k h e i t e n d e r Vagina.

So lange diese noch krank ist, widersteht auch jene allen Heilmitteln (vgl. die folgende Abtheilung). —

Beruht die Blennorrhoe auf einem

AUgemeinleiden, so ist gegen dieses die entsprechende Behandlung einzuleiten, so namentlich bei Chlorose und Scropheln.

II. Cronpßse Entzündung, Diphtheritis. Viel seltner als die Blennorrhoe kommen croupösc Entzündungen der Vagina vor, meist auf einen Theil derselben, namentlich das untere Drittel, beschränkt. Die erkrankte Stelle ist mit einem gelbröthlichen membranösen Exsudat bedeckt, nach dessen (bei eigentlicher Diphtheritis sehr schwieriger) Entfernung sie intensiv scharlachroth erscheint und aus den geschwollenen Papillen leicht blutet. Erhöhte Temperatur, grosse Schmerzhaftigkeit und krampfhafte Zusammenziehungen, analog dem Tenesmus bei der Ruhr, zeichnen das erste Stadium aus. Die Secretion ist während dieser Zeit vermindert, nur selten und namentlich wenn die Krankheit kurz vor dem zu erwartenden Eintritt der Menstruation begonnen hat, findet sich ein blutig-seröser Ausfluss. Die Menstruation kann dann ganz ausbleiben, oder auch ungewöhnlich stark auftreten. Wie bei anderen croupösen Entzündungen folgt nach Ablösung der Exsudate (Abstossung der Schorfe) eine reichliche Blennorrhoe, die erst mit der Vernarbung der Schleimhaut wieder versiegt. In ä t i o l o g i s c h e r Beziehung hat man die durch directe, gewöhnlich mechanische Reizung bedingten Fälle von den auf einer allgemeinen Erkrankung des Körpers beruhenden zu unterscheiden. Häufiger als vorübergehende Insultationen haben fremde Körper, ferner Carcinome und ulcenrte Polypen, die von dem Uterus her in die Vagina eindringen, zuweilen auch BlasenScheidenfisteln croupöse Entzündung zur Folge. Unter den inneren (allgemeinen) Erkrankungen, in deren Gefolge sie zuweilen auftritt, sind zu nennen: Metritis und Peritonitis puerperarum, Pyämie, Typhus, Ruhr, Blattern, Masern, Scharlach (selten). Hieraus ergiebt sich auch die P r o g n o s e . Nur wenn die ätiologischen Verhältnisse von dem Arzte beherrscht werden können, gelingt die Heilung verhältnissmässig jeicht, oder es bleibt doch nur eine chronische Blennorrhoe zurück. Anderen Falls kommt es zu tiefen Verschwärungen, die späterbin durch Narbenverkürzung zur Verengerung der Vagina führen. Die B e h a n d l u n g muss hiernach verschieden sein. Nur wo das Leiden als ein selbststttndiges auftritt, werden topische Blutentziehungen (am Perineum, an den Labien) von Vortheil sein. Durch sie wird auch die grosse Schmerzhaftigkeit etwas gemildert, gegen welche ausserdem lauwarme Umschläge und Sitzbäder, erweichende und narkotische

Neurosen.

437

Einspritzungen (auch narkotische Klystiere) sich nützlich erwiesen haben. Das Stadium blcnnorrhoicum erheischt dieselbe Behandlung wie die ursprüngliche Blennorrhoe. Syphilitische Geschwüre

kommen in der Vagina viel seltener als an d e r

Vulra, häufiger dagegen als an der Portio vaginalis uteri v o r ; sie bieten nichts speciell Beuierkeoswerthes dar.

Siebentes

Capttel.

Neurosen. Sowohl Neuralgie, als auch Krämpfe der Vagina ( V a g i n i s m u s ) werden beschrieben. Die Möglichkeit beider muss, da es sich um ein musculöses und mit sensitiven Nerven reichlich versehenes Organ handelt, zugestanden werden; jedoch sind genau beobachtete Fälle der Art, in denen Neuralgie und Krampf g a n z u n a b h ä n g i g v o n anderweitigen Erkrankungen der Vagina oder des Uterus aufgetreten wären, sehr selten und es wird immer die Aufgabe des Arztes sein müssen, diesen ätiologischen Verhältnissen aufs Sorgfältigste nachzuspüren. Sind solche nicht zu entdecken oder nicht zu beseitigen, so sucht man direct, theils durch topische Blutentziehungen (sofern ein hyperämischer Zustand der Beckenorgane angenommen werden dart), theils durch Narcotia (Opium und Belladonna), in Klystieren und Fomentationen, beruhigend zu wirken. Gegen die N e u r a l g i e ( P r u r i t u s v a g i n a e ) sind dieselben Mittel, wie gegen den, gewöhnlich damit zusammenhängenden Pruritus vulvae empfohlen. S c a n z o n i , welcher auf Grund zahlreicher Erfahrungen sich gegen die gewöhnliche Ansicht erklärt, dass dies Leiden schwer zu beseitigen sei, empfiehlt namentlich das Bepinseln mit einem Liniment aus Chloroform und Mandelöl (1 auf 16), ferner das Einlegen eines mit einem Pulver aus gleichen Theilen Alaun und Zucker (in hartnäckigen Fällen mit reinem Alaunpulver) bestreuten Baumwollen-Tampons, der jedes Mal 6 — 1 2 Stunden liegen und 8 Tage lang täglich, mit regelmässig intercurrenten Injectionen einer Alaunlösung, angewandt werden soll, endlich die Kauterisation der Vaginalwände mit Höllenstein; auch Calladium seguinum fand S c a n z o n i wirksam. Vgl. pag. 389.

438

Krankheiten des Vagina.

A c h t e s

C a p l t e l .

N e u b i l d u n g e n . C y s t e n kommen selten in der Vagina vor und entspringen nicht in der Vaginalwand selbst, sondern ausserhalb derselben im Bindegewebe des Beckens, von wo sie aber, unter Verdrängung der Vaginalwand, in deren Höhle tief hinab steigen können. Man muss sich hüten, Hernien mit ihnen zu verwechseln und sich deshalb, bevor man eine Operation unternimmt, erst Uberzeugen, ob die fragliche Geschwulst auch nicht bei horizontaler Lage, durch fortgesetzten Druck (durch „Taxis") verkleinert wird und beim Drängen stärker hervortritt. Man muss ferner Blase und Mastdarm völlig entleeren und sich unterrichten, ob dadurch eine Volumens-Veränderung an der Geschwulst bedingt wird. Gewinnt man die Ueberzeugung, dass es sich um eine Cyste handelt, so wird man sie lieber durch wiederholte Punction oder durch Injection einer reizenden Flüssigkeit (nach Analogie der Hydrocele) zu heilen suchen als exstirpiren, weil man hierbei voraussichtlich in das Bindegewebe, des Beckens eindringen mtisste. V i d a l beobachtete eine Cyste in der Vesicovaginalwand, die man leiebt hätte f ü r eine Cystocele vaginalis halten könnnen.

Sie war so gross, dass sie äusserlich sichtbar

wurde und deutlich

vollständige

fluetuirte.

Durch

Entleerung der Blase wurde das

Volumen der Geschwulst nicht vermindert; der in die Blase eingeführte Katheter vermochte nicht

in

die Geschwulst

Cyste eine Flüssigkeit

einzudringen.

Durch

e n t l e e r t , wie bei Hydrocele.

Function

Noch

wurde

vor Ablauf

aus

eines

dieser Monats

h a t t e sie sich wieder gefüllt; eine zweite Punction beseitigte sie definitiv. Scanzoni

beobachtete eine Cyste von der Grösse eines Taubenei's a n d e r rechten

Seite des vorderen Umfanges der Vagina. geröthet.

Durch Incision

wurde

Die Stelle war sehr empfindlich und intensiv

wasserhelle

Flüssigkeit

entleert.

Der

eingeführte

Finger fand eine geschlossene, überall von einer glatten Membran ausgekleidete Höhle. Nachdem 1 4 Tage

lang

Höllensteinlösung

eingespritzt

war,

erfolgte Heilung,

deren

Bestand nach einem halben Jahre constatirt wurde.

Sowohl runde (kuglige) als auch gestielte F i b r o m e kommen in der Vagina vor. Letztere werden hier wie anderwärts auch als f i b r ö s e P o l y p e n bezeichnet. Scbliessen wir die aus dem Uterus hervorwachsenden Geschwülste der Art aus, so sind sowohl die eigentlichen Fibrome als auch die fibrösen Polypen der Vagina sehr selten. Die k u g l i g e n F i b r o m e entstehen bald auf der inneren, bald auf der äusseren Seite der Tunica muscularis und wachsen dem entsprechend auch bald mehr gegen die Beckenhöhle, bald mehr in den Canal der Vagina, gewöhnlich aber in der Weise nach beiden Seiten, dass die Exstirpation nur bei kleinen und beweglichen Geschwülsten

Neubildungen.

439

der Art g e w a g t werden darf. Zur Sicherung der Diagnose wird man nicht blos die Consistcnz der Geschwulst berücksichtigen, sondern auch alle bei den Cysten angegebenen Vorsichtsmaassregeln anwenden. Die f i b r ö s e n P o l y p e n der Scheide unterscheiden sich n u r d a durch von den gleichnamigen Polypen des Uterus, dass sie a n der Vaginalwand inserirt sind. Sie müssen möglichst früh (am Einfachsten durch Abschneiden des Stiels) entfernt werden. Bei Weitem häufiger kommen S c h l e i m p o l y p e n v o r , welche jedoch erst bei bedeutender Grösse Beschwerden (Schmerzen u n d Blennorrhoe) erregen. Diese steigern sich zu einem besonders hohen Grade, wenn sie herabtreten und sich in der Rima vulvae einklemmen (Scanzoni). Auch sie müssen möglichst früh beseitigt werden. C a r c i n o m e der Vagina gehen meist aus einer Verbreitung des Carcinoms von einem benachbarten Organe (namentlich Uterus) h e r v o r ; jedoch giebt es einzelne Fälle, wo die Entstehung derselben in Gestalt flacher harter Knoten in der Vagina selbst, ganz o h n e analoge Affection der benachbarten Theile bestimmt beobachtet ist. Die häufigste Form ist der E p i t h e l i a l k r e b s . Alle Vaginal-Carcinome zeichnen sich aus durch schnellen Zerfall und darauf b e r u h e n d e P e r foration der benachbarten Hohlräume (vgl. pag. 410). Die Operation ist meist unzulässig wegen der gleichzeitigen ausgebreiteten Affection der Nachbarorgane.

Ilreissigste Abtlieilung. Krankheiten des Uterus. T o p o g r a p h i e ' ; . Der a b g e p l a t t e t b i r n f ö r m i g e U t e r u s liegt, m i t s e i n e m s c h m a l e r e n E n d e n a c h u n t e n s e h e n d , die a b g e r u n d e t e n B ä n d e r n a c h r e c h t s u n d l i n k s , — iin k ' e i n e n B e c k e n , w e s e n t lich d u r c h d a s S c h e i J e n g e w ö l h e u n d die L i g a m e n t a Fundus

lata gelragen

( s . u . ) , so d a s s s e i n

u n g e f ä h r in d e r H ö b e d e s B e c k e n e i n g a n g e s sich b e f i n d e t , d i e e i n e F l ä c h e n a c h

vorn u n d u n t e n , d i e a n d e r e n a c h o b e n u n d h i n t e n

gerichtet.

und der

gleiche H ö b e ;

schmalere

Hals

haben

ursprünglich

eine

Der

Schwangerschaften behält der Körper eine grössere Eutwickelung liche Gestalt.

Das

Collum

uteri

breitere nach

und

Körper

wiederholten

eine m e h r

rund-

ragt 1 0 — 1 2 Milliin. in d a s S c b e i i l e n g e w ö l b e h i n a b .

Dieser in die S c h e i d e h i n e i n r a g e n d e Theil des U t e r u s h e i s s t P o r t i o

vaginalis.

Das

O r i f i c i u m u t e r i e i t e r n u i n bildet a n d e s s e n u n t e r e m E n d e u r s p r ü n g l i c h e i n e r u n d l i c h e Oeffnung, 'welche

nach

stattgehabter

Geburt

sich

in

eine

quere

d e r e n B ä n d e r a l s v o r d e r e und h i n t e r e M u t t e r i n u n d s I i p p e

Spalte

bezeichnet

verwandelt, werden.

Da

d a s S c h e i d e n g e w ö l b e sich an d e r h i n t e r e n S e i l e der P o r t i o vaginalis h ö h e r i n s e r i r t a l s a n d e r v o r d e r e n , s o i i t die

biulere Muttennundsli|ipe

wegen d e r s c h r ä g e n L a g e d e s U t e r u s i m m e r n a h m e d e r P o r t i o v a g i n a l i s , ist

langer;

leichter

d e r U t e r u s g a n z vum

der

vordere

gesehen und

gefühlt.

Bauchfell

wird

aber

Mit A u s -

überzogen;

n u r in

e i n e r S t r e c k e von h ö c h s t e n s 15 Milliin. h ä n g t d i c h t ü b e r d e r P o r t i o vaginalis die vordere Fläche mit dem Blasengrunde durch Bindegewebe

der

hinteren

F l ä c h e d e s U t e r u s a u s e r s t r e c k t sich d a s Bauchfell ü b e r das obere Viertel d e r

hinteren

Vaginalwand,

um

von d o r t ,

Mastdarm überzugeben. b r e i t e r Platten

unter

Von den

(Ligamenta

Bildung

der

zusammen.

Douglas'sehen

B ä n d e r n des U t e r u s gehl d a s

lata u t e r i ) i n den

Parictal-Theil

d i e s e r B ä n d e r bildet 3 F a l t e n , von d e n e n d e r

Von

vorderste,

Falten,

Bauchfell

iilier.

das

Oer

auf in

obere

Ligamentum

F a l l o p i i , d e r e n , von

Canal) beim Fötus einsenkt. einem

weit

ausgezackten

a b d o m i n a l e tubae) mit d e r Bauchhöhle einen Z a c k e a n d e m in d e r d r i t t e n wird.

liegenden

umgebene und,

durch

Ovarium,

OcfTaung die

gegen

(Orificium

Befestigung dies

der

hingezogen

Von d e m Collum u t e r i l a u f e n zu beiden S e i t e n s t ä r k e r e B a n d r a s e r n , n a c h h i n t e n

gegen d a s K r e u z b e i n hin im l

um-

Bauch-

In d e r m i t t l e r e n Kalte liegt die T u b a Hände

coinmunicirt

Falle

Band

tercs

s c h l t e s s e n d , z u m I n g u i n a l c a n a l •verläuft, in welchen sich e i n e A u s s t ü l p u n g des fells ( N u c k ' s c h e r

den

Gestalt

) Vgl. Fig. 7 9 , pag.

391.

Ligamentum

latum,

n a c h vurn

zum

Ligamentum

pubo-

441

Diagnostik. vesieale, so dass der Hals des U t e r u s ,

auch abgesehen von seinem

Zusammenhange

mit dem Scheiden-Gewölbe, als d e r relativ stürker befestigte UDd weniger Theil des Uterus zu betrachten ist.

Eine mächtige Schicht organischer

bewegliche

Muskelfasern

bildet den grössten Theil der Masse des Uterus; seine nahezu dreieckige H ö h l e ,

in

deren oheren Winkeln die überaus engen Mündungen d e r Fallopischen Trompeten sich b e i l a d e n , währe&d der untere Winkel an der Grenze

des

Collum das Orificium in-

t e r n a m bildet, — wird von einer d e r b e n , fast nur a u s dicht gedrängten Drüsen bestehenden Schleimhaut ausgekleidet.

Die Arterien des Uterus treten von zwei Seiten zu

i h m : von den Eierstocks-Arterien (Art. spermaticae, die a u s der Aorta gen) zu dem oberen Theile, zu dein

übrigen bei Weitem

der Ilypogastrica ( A r l e r i j e uterinaej.

direct entsprin-

grösseren Theile aber

Die Venen nehmen denselben

aus

Verlauf; in der

Substanz des Uterus selbst besitzen sie nur ihre Tunica inliina, welche mit den umgebenden Geweben innig vernachscn i s t , so dass diese Venen, wie diejenigen der Leber, auf d e m Durchschnitt klaffen.

Die Lymphgefässe des

Collum uteri verlaufen zu den

Drüseuketten des Keekens, diejenigen des Uteruskörpers zu den Gland. lumbales. Collum uteri scheint in jeder zu sein.

Beziehung der gefässreiebste Theil des ganzen

Dagegen ist es sehr wenig empfindlich.

Das

Organs

Die Nerven des Uterus entspringen

von dem Plexus renalis und dein l'leius hypogastricus.

Erstes Capltel. D i a g n o s t i k

1

) .

Der Uterus ist der objcctiveii U n t e r s u c h u n g von vier Seiten her zugängig: von der Vagina aus, durch die Bauchdecken, vom Mastdarm her, endlich auch von der Blase aus, mit Hülfe eines Katheters. Vor dem Beginne der eigentlichen Untersuchung muss für vollständige Entleerung des Mastdarms und der Blase gesorgt werden. V o n d e r V a g i n a a u s kann man mit Hülfe des Speculum die Portio vaginalis vollkommen genau s e h e n und mit dem Finger sowohl diesen Theil des Uterus f ü h l e n , als auch Uber pathologische Vergrüsserung und Schwere des ganzen Organs Aufschluss erhalten. In Betreff der bei Anwendung des Speculum erforderlichen Technik verweisen wir auf pag. 3 9 2 u. flgd. Dort wurde auch bereits erwähnt, dass man die Untersuchung mit dem Finger voraus zu schicken habe, bevor man zur Einführung des Speculum schreitet, dass man letztere aber niemals unterlassen darf, wenn man nicht durch erstere einen völlig befriedigenden Aufschluss erhalten hat Für beide Arten der Untersuchung ist es nothwendig, den normalen Zustand der Portio vaginalis genau zu kennen. Derselbe ist verschieden, je nachdem bereits eine Geburt Statt gehabt hat, oder n i c h t Im letzteren ' ) Die diagnostischen Verhältnisse der ausgeschlossen.

Schwangerschaft

und

des Wochenbetts

sind

442

Krankheiten des Uterus.

Falle hat die Portio vaginalis eine nach Unten verjüngte kegelförmige Gestalt, eine Länge von 15—20 Millimet. ; man sieht und fühlt auf der Spitze des Kegels den Muttermund als ein kleines rundliches, eigentlich querovales Grübchen. Ihre Consistenz ist knorpclartig, jedoch so, dass sie etwas comprimirt und hin und her gebogen werden kann. Ausser dieser Biegung beobachtet man stets auch noch eine erhebliche Beweglichkeit, die jedoch nicht die Vaginal-Portion, sondern den ganzen Uterus betrifft, so zwar, dass bei Verschiebung der Vaginal-Portion nach Vorn der Fundus uteri sich nach Hinten bewegt u. s. f. Das Hypomochlion filr diese Hebelbewegungen bildet die Insertion des, an sich freilich auch beweglichen Scheidengewölbes. Die Oberfläche der Portio vaginalis erscheint vollkommen glatt, blassoder gelb-roth, gewöhnlich blasser als die Schleimhaut der Vagina, und ist weniger empfindlich als letztere. Hat dagegen bereits eine Geburt Statt gefunden (oder ist ein Abortus oder die Entleerung einer pathologischen Neubildung vorausgegangen), so findet man die Portio vaginalis relativ kürzer und etwas breiter. Der Muttermund stellt dann eine grössere Querspalte d a r , in deren Umgebung die Schleimhaut stärker geröthet erscheint und gewöhnlich einzelne Narben (in Folge der stattgehabten Einrisse) besitzt. Die Fingerspitze kann in den Muttermund einige Millimeter weit eingeschoben werden, wobei in der Regel die vordere Muttermundslippe entschieden länger erscheint. Die grössere Nachgiebigkeit des Scheidengewölbes gestattet auch den oberhalb seiner Insertion befindlichen Theil des Collum uteri wenigstens indirect zu fühlen. Das Corpus uteri k a n n , wenn es nicht pathologisch vergrössert ist, von der Vagina aus niemals gefühlt werden. Zur Zeit der Menstruation erscheint die Portio vaginalis (auch ohne vorausgegangene Geburt) weicher, mehr aufgelockert und das Oriflcium uteri mehr rundlich. Kurz vor oder nach der Menstruation entleert sich zuweilen ein wenig glasigen Schleimes aus dem Muttermunde;') sonst aber sieht man niemals irgend ein Secret aus einem gesunden Uterus ausfliessen. Um von der Vagina aus auch über Gestalt, Lage und pathologischen Inhalt des Uterus Kenntniss zu erhalten, hat man zwei Wege eingeschlagen: das Einführen einer Sonde in die Höhle des Uterus und die allmälige Erweiterung des Canals des Mutterhalses durch Einlegen von Pressschwamm. >) Nach K r i s t e l l e r (Berl. klin. Wochenschr. 1 8 7 1 pag. 3 1 5 )

hängt aus dem ge-

sunden Uterus bei F r a a e n stets ein glasheller, zäher, alkalisch reagirender Schleimstrang in die Vagina h i n a b , welcher „ f ü r die Ueberführung der Spermatozöen in di« Höhle des Uterus die Function eines praeformirten G u b e r n a c u l u m " haben soll.

443

Diagnostik.

Die U t e r u s - S o n d e , wie sie von S - i m p s o n 1 ) und Kiwisch*) in d i e Praxis eingeführt wurde, ist einer Steinsonde ähnlich, jedoch weniger gekrümmt als diese, ohne den hölzernen Griff etwa 30 Centimeter lang; am Ende mit einem ovalen Knopf von der Grösse einer kleinen Erbse versehen. Dieselbe wird auf dem, an die hintere Muttermundslippe angedrückten Zeigefinger (oder auch auf zwei Fingern) in das Orificium uteri eingeschoben und dann durch sanft hebelnde Bewegungen in die Höhle des Uterus-Körpers eingeführt, wobei nur die in der Gegend des inneren Muttermundes häufig bestehende Verengerung Schwierigkeiten macht. Um bestimmt zu wissen, dass die Sondenspitze bis an den Grund des Uterus eingedrungen sei, liess K i w i s c h an der convexen Seite der Sonde, in einer, der Höhe des ganzen Uterus entsprechenden Entfernung (7 Centim.) von der Spitze eine kleine Hervorragung anbringen. Ueberdies soll man, wenn die Einführung völlig gelungen, die Sondenspitze bei stärkerer Senkung des Griffes durch die vordere Bauchwand und den Uterus hindurch fühlen, was bei grosser Beweglichkeit des Uterus und geringer Dicke der Bauch wand wohl möglich ist.'). Statt einer besonderen Sonde, kann auch ein dünner e l a s t i s c h e r K a t h e t e r mit entsprechend gebogenem Mandrin zur inneren Untersuchung des Uterus benutzt werden (Scamzoni). Die Uterus-Sonde, eine Zeit lang als ein unerlässliches Requisit für jede Untersuchung des Uterus gepriesen, hat den von ihr gehegten Erwartungen nicht ganz entsprochen: nicht bloss, dass ihre Einführung sich häufig als schwierig und gefährlich erwiesen hat, — indem man unter den Händen der geübtesten Aerzte heftige Uterinkoliken, Blutungen und lebensgefährliche Entzündungen darauf folgen sah, — sondern sie leistet auch selten mehr, als die übrigen" diagnostischen Hülfsmittel ( S c a n z o n i ) . Immerhin giebt es Fälle genug, in denen die Sonde nicht blos die directeste und schnellste, sondern auch die sicherste Entscheidung liefert. Durch das, gleichfalls von S i m p s o n 4 ) angegebene E i n l e g e n von Pressschwamm zur Erweiterung des Muttermundes wird in einzelnen Fällen viel mehr, als durch irgend eine andere Untersuchungs-Methode, erreicht. Man spiesst den, etwa 5 Centim. langen, kegelförmig zugeschnittenen Pressschwamm, nachdem zur ' ) M o n t h l j Journal of med. acience, 1 8 4 3 . *) Klinische Vorträge, Band I. pag. 36. *) Wiederholt sind Fälle vorgekommen, in denen der Uterus mit der Sonde durchb o h r t wurde. Vgl. H ö n i n g , Berl. klin. Wochenschr. 1 8 7 0 No. 1 6 . und F o l t z .

Pltrlqain

BulL de l'Acad. de miSdec. XXXIV.

' ) Ott the detection and t r e a t m e n t of intra-uterine polypi.

Monthl. J o u r n . , 1 8 5 0 .

444

Krankheiten des Uterus.

Erleichterung des Ausziehens ein Faden an ihm befestigt ist, auf ein stumpfwinklig an der Spitze umgebogenes Stilet und schiebt ihn, unter Leitung des Fingers, in den Muttermund, wo er innerhalb 2 4 Stunden hinreichend aufquillt, um durch einen stärkeren ersetzt werden zu können. In der Weise fährt man fort, bis eine genügende Erweiterung erreicht ist, um mit dem Zeigefinger die ganze Uterinhöhle untersuchen zu können. Die U n t e r s u c h u n g d u r c h den M a s t d a r m dient wesentlich zur Ergänzung der Untersuchung durch die Vagina und vermag sie in einzelnen Fällen sogar zu ersetzen (vgl. Atresia vaginae, pag. 3 9 7 ) . Man kann auf diesem Wege die Portio vaginalis (welche dem untersuchenden Finger wegen der dazwischen liegenden Rectovaginalwand dicker erscheint als sie ist) fühlen. In ähnlicher Weise, jedoch mit geringerer Sicherheit, vermag man m i t t e l s t d e s i n d i e B l a s e e i n g e f ü h r t e n K a t h e t e r s den vorderen Umfang des Uterus zu sondiren, was für das Erkennen von Lage-Veränderungen, namentlich in Verbindung mit der Untersuchung per anum, sehr wichtig sein kann. Für die P a l p a t i o n d u r c h d i e B a u c h d e c k e n ist möglichst starke Erschlaffung derselben wiinschenswerth, daher Rückenlage mit etwas erhöhtem Thorax und gebeugten Schenkeln. Sind die Bauchdeckcn s e h r schlaff, so mag es gelingen mit den tief eingedrückten Fingern den Fundus uteri zu fühlen; in der Regel ist dies nicht möglich, man kann vielmehr auf eine Vergrösserung schliessen, wenn man ihn mit den oberhalb der Symphyse aufgelegten Fingern zu fühlen vermag. Dann ist es vortheilhaft, gleichzeitig mit der anderen Hand per vaginam oder per anum zu untersuchen, um Uber die Beweglichkeit der fühlbaren Geschwulst und ihren Zusammenhang mit der Portio vaginalis Aufschluss zu erhalten. Die A u s c u l t a t i o n des Unterleibes hat insofern Werth, als das für die Erweiterung der Uteringcfässe charakteristische blasende Geräusch bei grösseren Uterus-Geschwülsten ebenso wie am Uterus gravidus vernommen wird. Nach S c a n z o n i , findet es sich jcdoch nur „bei den sehr voluminösen, mit beträchtlicher Verdickung der Uterufwandungen verbundenen, fibrösen Geschwülsten." Man darf aber nicht vergessen, dass nicht blos Aneurysmen, sondern auch alle Geschwülste, durch welche eine grosse Arterie im Bauch comprimirt wird, dieselben Geräusche veranlassen können. Unter den s a t j e c t i r e n Symptomen, auf welche bei der Erforschung von Erkrankungen des Uterus zu achten ist, nimmt nächst den, fast niemals fehlenden S t ö r u n g e n d e r M e n s t r u a t i o n , die

Diagnostik.

445

E m p f i n d l i c h k e i t um so mehr den ersten Platz ein, als der gesunde Uterus fast gar nicht empfindlich und jedenfalls bei der Berührung nicht schmerzhaft ist. S c h m e r z h a f t i g k e i t b e i d e r B e r ü h r u n g lässt hier, wie überall, in der Regel auf Entzündung schliessen. Oft werden aber von den Kranken Schmcrzcn anderer Art beschrieben, die vom Kreuz zur Leistengegend hinabziehen und welche sie, sofern sie bereits geboren haben, immer als „ w e h e n a r t i g e S c h m e r z e n " bezeichnen. Solche lassen auf Zerrung und Dehnung des Uterus schliessen. Das Gefühl von Schwere und Druck in der Tiefe des Beckens deutet im Allgemeinen auch auf ein Leiden des Uterus, ohne jedoeb für eine bestimmte Erkrankung charakteristisch zu sein. Eine andere Gruppe von Symptomen bezieht sieb auf die F u n c t i o n s - S t ö r u n g e n in b e n a c h b a r t e n O r g a n e n , namentlich im Mastdarm, der Harnblase, der Vagina, den Tuben und Ovarien. Endlich sind zahlreiche Störungen irv der Function entfernter Organe zu erwähnen, die im Allgemeinen als „ c o n s e n s u e l l e E r s c h e i n u n g e n " bezeichnet werden, zu deren Erklärung aber noch viel fehlt, da wir uns bis jetzt nur eine ungefähre Vorstellung davon machen können, wie sie durch Irradiation der vom Uterus ausgehenden Erregung zu Stande kommen. Hierher gehören alle die proteus-artig wechselnden Symptome der „ H y s t e r i e " : Neuralgien, Krämpfe und Lähmungen. Vor Allem pflegen die V e r d a u u n g s - O r g a n e consensuell zu leiden. Bei fast allen Krankheiten des Uterus, namentlich aber bei den mit Zerrung und Dehnung seiner Substanz verbundenen, werden Magenkrämpfe, Erbrechen, Säure-Bildung im Magen, Aufblähung des Magens und der Gedärme und übermässige Schleim-Secretion im Darmcanal ganz gewöhnlich beobachtet. Diese, Anfangs nur auf nervöser Erregung beruhenden Leiden, haben nach und nach eine solche Störung der Verdauung zur Folge, dass die gesammte Ernährung leidet. Hierin findet es seine Erklärung, dass man von alten Zeiten her ein bleiches, erdfahles Aussehen als charakteristisch für Krankheiten des Uterus beschrieben hat. Dass dieses aber auch von vielen anderen Krankheiten abhängen und bei sehr ernstlichen Erkrankungen des Uterus, sofern sie nur jenen Einfluss auf die Verdauungs-Organe nicht ausgeübt haben, auch fehlen kann, leuchtet von selbst ein. Ueberdies wird es oft viel weniger durch das consensuelle Leiden der Verdauungs-Organe veranlasst als durch U t e r i n - B l u t u n g e n , die im Verlaufe vieler Krankheiten des Uterus sich einstellen.

446

Krankheiten des Uteras.

Zweites Capltel.

Formfehler.1) Das gänzliche F e h l e n des Uterus gehört zu den seltensten Anomalieen und kommt, nach der Ansicht einzelner Schriftsteller, garnicht vor. Man stellt den älteren Beobachtungen der Art die Thatsache entgegen, dass durch die viel zahlreicheren und sorgfältigeren Sectionen dieses Jahrhunderts kein einziger Fall von gänzlichem Fehlen, sondern immer nur t h e i l w e i s e r Mangel oder r u d i m e n t ä r e E n t w i c k e l u n g des Uterus nachgewiesen worden ist. In der That ist der Uterus nicht ganz selten so klein, dass er bei oberflächlicher Untersuchung Ubersehen werden kann und in functioneller, somit auch praktischer Beziehung garnicht in Betracht kommt. Dabei finden sich dann die oben geschilderten Difformitäten der Vagina. D u p l i c i t ä t des Uterus beruht auf einer Bildungshemmung. Die Müller'schen Gänge stossen bekanntlich Anfangs unter einem Winkel zusammen, ohne in einen gemeinsamen Canal sich zu vereinigen. Dieser letztere, der künftige Uterus, entsteht aus ihnen, indem in dem stumpfen Winkel zwischen ihren, etwas angeschwollenen, unteren Enden sich allmälig immer mehr Masse anlagert. Bleibt der Uterus auf dieser frühesten Entwickelungsstufe stehen, so geht daraus der U t e r u s b i p a r t i t u s hervor, der wegen seiner geringfügigen Grösse gewiss oft gänzlich tibersehen worden ist. Entwickeln sich die beiden aus den unteren Enden der M ü l l e r ' s c h e n Gänge entstandenen Gebärmutterhörner weiter, so dass sie nach unten in eine gemeinsame Höhle, den unvollkommen entwickelten Uteruskörper, übergehen, so entsteht der U t e r u s b i c o r n i s . Verschmelzen endlich die Hörner äusserlich, während im Innern die Trennung durch eine mehr oder weniger tief hinabreichende Scheidewand erhalten wird, so haben wir den U t e r u s b i l o c u l a r i s . Entwickelt sich nur e i n Horn, während das andere sammt dem zugehörigen Eierstock und Eileiter gänzlich fehlt, so giebt es den U t e r u s u n i c o r n i s . In allen diesen Fällen finden sich in der Regel auch erhebliche functionelle Störungen, namentlich Amennorrhoe, und bei dem Uterus bipartitus, mit welchem gewöhnlich zugleich ausgedehnte Atresie der Vagina besteht, auch ') Vgl. neben den auf pag. 3 9 4 citirten Abbandiaogen, auch E. R o s e , über die Operation der Haematoraetra, Monatsschrift f. Geburlsk. XXIX. 1 8 6 7 , und S c h r o e d e r , in d. Berl. kl. Wochenscbr. 1866, No. 38, sowie d e s s e l b e n „kritische Untersuchungen über Diagnose derHaematocele retro-uterina," Bonn. 1866.

447

Formfehler.

Sterilität. Dagegen schliessen die übrigen Varietäten die Möglichkeit der Conception nicht aus. Als Hemmungsbildung ist auch der a n g e b o r e n e V e r s c h l u s s d e s M u t t e r m u n d e s (Atresia uteri) zu betrachten. Gewöhnlich findet sich der Verschluss am Orificiurn externum. Er kann blos durch einen Ueberzug der, die Portio vaginalis bedeckenden Schleimhaut bedingt sein, aber auch in beträchtlicher Dicke bestehen. Nach C r u v e i l h i e r

kommt auch Verschluss der Höhle des Uterus-Körpers ohne

gleichzeitigen Verschluss des Orificiurn und des Canales auch H e n n i g , über die Atresie Geburtsh.

der Gebärmutter.

des Mutterhalses vor.

Vgl.

Zeitscbr. f. Med., Chirurg, und

1 8 6 0 , pag. 2 2 .

Bei Weitem häufiger als die angeborenen Atresien ist der, d u r c h e n t z ü n d l i c h e P r o c e s s c bedingte, Verschluss des Muttermundes, welcher in verschiedenen Graden von einer blossen Verengerung bis zur weit ausgedehnten festen Obliteration, bald mehr am inneren, bald am äusseren Muttermunde vorkommt. Die v o l l s t ä n d i g e A t r e s i e hat. sobald die Menstruation eintritt, A n s a m m l u n g des B l u t e s in d e r U t e r u s h ö h l e — H a e m a t o m e t r a — zur Folge. Mit jeder neuen Menstrual-Periode wird sie stärker ausgedehnt, so dass der Uterus schliesslich bis Uber den Nabel emporragt und seine Wandungen papierdünn werden, endlich sogar bersten können, wodurch Bluterguss in die Bauchhöhle und schnell tödtliche Peritonitis bedingt wird. Gewöhnlich entwickeln sich schon die ersten Molimina menstruationis zu ganz ungewöhnlichen Beschwerden. Ein Gefühl von Schwere und Hitze im Unterlcibe mit wehenartigen Schmerzen, oft auch Fieber stellt sich ein, und diese Störungen wiederholen sich, ohne dass es zu einer Entleerung von Blut kommt, in ungefähr vicrwöchentlichen Intervallen. Bei der in eben diesen Intervallen fort und fort zunehmenden Ausdehnung des Uterus sind Zerrungen des Bauchfells unvermeidlich, welche (auch ohne Perforation) zu Peritonitis in den Umgebungen der Gebärmutter Veranlassung geben. Unter dem stetigen Druck erlischt endlich die Blutausscheidung auf der Uterinschleimhaut; die menstrualen Congestionen fuhren dann zu Zersprengungen von Gefässen der Tuben und Ovarien, aus denen grosse Blutsäcke neben dem Uterus entstehen, welche schliesslich bald spontan, bald in Folge einer Erschütterung (z. B. bei der Operation der Haematometra) bersten, worauf dann acute, meist tödtliche Peritonitis folgt (E. R o s e ) . Meist vermag man nun schon durch die Exploration per anum die Ausdehnung des Uterus zu entdecken; per vaginam findet man die Portio vaginalis verstrichen, den Uterus zu einer kugligen Ge-

Krankheiten des Uterus.

448

schwulst ausgedehnt, die man zu dieser Zeit meist auch schon Uber der Schoossfuge fühlen kann. Selten bahnt sich das Blut selbst den Weg durch den verschlossenen Muttermund (wohl nur bei membranösem Verschluss); gewöhnlich endet das Uebel tödtlich, entweder durch die erwähnten Rupturen oder durch Peritonitis in Folge der Zerrung des Bauchfells, endlich auch durch allgemeinen Maramus. Von besonderem Interesse ist die C o m b i n a t i o n v o n D u p l i c i t ä t (vgl. pag. 446) m i t A t r e s i e d e r e i n e n H ä l f t e , deren genauere Kenntniss wir S e h r o e d e r verdanken. Nach seinen Untersuchungen haben wir 3 Hauptformen derselben zu unterscheiden: 1) Duplicität der Gebärmutter und Scheide mit Atresia hymenalis der einen Seite, 2) Duplicität des Uterus allein mit Atresie der einen Hälfte, 3) mangelhafte Entwickelung des unteren Theils des einen der MUller'schen Gänge ohne Verschmelzung derselben, so dass die eine Scheidenhälfte entweder a) ganz fehlt, oder b) in der Mitte oder c) am Introitus blind endigt. Alle diese Combinationen rühren, unter leicht verständlichen Modalitäten der localen Erscheinungen, zu e i n s e i t i g e r H a e m a t o m c t r a , deren Vorkommen früher unbekannt gewesen ist und wahrscheinlich oft zur Annahme einer sogen. H a e m a t o c e l e p e r i u t e r i n a (vgl. Cap. V.) Veranlassung gegeben hat. In dem Fall von S c h r o e d e r h a u e ein 19jäbriges Mädchen seit 2 J a h r e n zehn

Mal m e n s t r u i r t ;

Harn- und

plötzlich

Darm-Entleerung,

war Harnverhaltung aufgetreten,

während ein T u m o r sieb

welcher vorzugsweise die rechte Seite der Scheide bis an den

Muttermund

drängte.

eine Anschwellung e r k e n n e n , welche eine

viel

Herrorragungen

kleinere nach L i n k s ,

eingeführt werden konnte. strual-Beschwerden" Duplicität rechten

des

einDahn],

und

darbot,

eines nach

zusammen

eine grosse kugelförmige nach aus

Die Diagnose liess sich d a h e r , trotz Fehlens „bläulichen Färbung

und

der

Scheide

Das Aussebneiden

der Geschwulst f ü h r t e zur Entleerung von

sich

Hecht»

die äussere Untersuchung liess

vom Multermnnde der mit

bei

hervorwölhte,

deutlich Quctuirle,

dem Vaginal-Tumor

In welche letztere

der

Uterus

H ä l f t e stellen.

Durch mit

etwa

Schmerz

der Vulva

fortsetzte und dessen Lippen in Gestalt

offenen Hufeisens auseinander Oben a b e r zwei

aus

dann

sich

hing,

nach

Rechts

und

die Sonde der

„Men-

Vaginal-Scbleimhaut",

auf

blinder

der

Endigung

eines Stückes aus dem

unteren

m e h r als 1 Pfd. theerartigen

Ende

Blutes

und

zu schneller Heilung. Schon f r ü h e r beobachtete und beschrieb G. S i m o n 1864)

einen aolchen Fall

Atresie

der

einen

von D u p l i c i t ä t

Scheidenbälfte, w e l c h e ,

Hämatocele ä h n l i c h " war.

des Uterus von

und

Menstrualblut

Nach Entleerung von 6 Unzen

einen Einschnitt erfolgte Heilung.

(Monatsscbr. f. 1 Geburtsk. der

Vagina

ausgedehnt,

zähflüssigen

Blutes

mit „einer durch

Man konnte sieb von dem Sachverhalt überzeugen,

indem m a n in jede Scheidenbälfte einen Finger einführte.

Simon

liess die Incisions-

öffoung bis auf ein kleines Loch zuheilen, um die Möglichkeit einer Doppelschwangerschaft zu vermeiden.

449

Hydrometra.

Die B e h a n d l u n g muss m ö g l i c h s t f r ü h z e i t i g eingeleitet werden und kann nur in der o p e r a t i v e n E r ö f f n u n g von der Scheide aus bestehen. Diese wird mit einem gekrümmten Troicart ausgeführt, dessen Canüle man liegen lässt und später durch Pressschwamm ersetzt, um einem abermaligen Verschluss vorzubeugen. Kann man die Stelle des Muttermundes erkennen, so wählt man diese zur Punction, anderen Falls die am Leichtesten zugängige. Ragt die Geschwulst aus der Scheide hervor, so kann man sie mit dem Messer öffnen, auch sogleich ein Stück ausschneiden. Entsteht der Verschluss des Muttermundes erst nach dem Cessiren der Menstruation, oder ist er mit Amennorrhoe complicirt, so kann auch k e i n e H a e i n a t o m e t r a zu Stande kommen; dagegen füllt sich die Utcrinhöhle allmälig mit Schleim, welcher, wenn bei stärkerer Füllung und entsprechender Ausdehnung des Uterus auf dessen secernirende Drüsen ein erheblicher Druck ausgeübt wird, in ähnlicher Weise wie bei der H y d r o n e p h r o s e geschildert wurde (pag. 259), nach und nach immer mehr den Charakter eines serösen Transsudats annimmt. Man hat diesen Zustand als W a s s e r s u c h t d e s U t e r u s , H y d r o m e t r a , beschrieben. Die Menge der angesammelten Flüssigkeit kann bis zu 2 Pfund betragen. Die dadurch bedingten Beschwerden sind erheblich, da einerseits der Uterus mächtig gedehnt und gezerrt, andererseits die Nachbar-Organe gedrückt werden. Nach längerem Bestehen des Uebels kann der Muttermund sich plötzlich öffnen (namentlich wenn er nicht verwachsen, sondern nur durch eine Neubildung oder durch Umbiegung des Uterus versperrt war) und der Inhalt stürmisch entleert werden. — In d i a g n o s t i s c h e r Beziehung wäre vor Verwechselung mit Schwangerschaft, mit Harnverhaltung und mit Ovarial-Geschwülsten zu warnen. Die T h e r a p i e schliesst sich an diejenige der Haematometra an; nur wird man, sofern blos Versperrung und nicht wirklicher Verschluss des Muttermundes besteht, das blosse Einführen der Sonde und das Einlegen von Pressschwamm bevorzugen, überdies aber durch adstringirende Einspritzungen in den Uterus die nach der Entleerung noch fortdauernde übermässige Secretion zu beschränken suchen. C o n g e n i t a l e F o r m f e h l e r d e r P o r t i o v a g i n a l i s sind nicht selten Conceptionshindernisse, namentlich die zitzenförmige Verlängerung und die keilförmige Zuspitzung derselben.') Auch die abnorme E n g e d e s M u t t e r m u n d e s und des Cervicalcanales gehört hierher. Abschneiden der abnormen Verlängerungen und Dilatiren des ' ) V(J. H. B e i g e l ,

Berl. H i n . W o c ü e n s c k r .

B a r d e l e b e n , Chirurgie. 6.Aull. IV.

1 8 0 7 No. 4 7 u. f. 29

Krankheiten des Uterus.

450

Muttermundes und Cervicalcanales mit dem Knopfmesser und kleinen Pressschwamm-Cylindern ergeben sich als operative Hülfen fast von selbst, genügen aber keineswegs immer, um die Behinderung der Conception zu beseitigen.

Drittes

Capltel.

L a g e - V e r ä n d e r u n g e ».') Der Uterus gehört zu denjenigen Organen, welche am Häufigsten ihre Lage verändern lind dadurch oft zu erheblichen Störungen des Allgemein-Beßndens Veranlassung geben. Diese Lage-Veränderungen sind wesentlich verschieden, je nachdem sie bestehen: 1) in einer wirklichen O r t s v e r ä n d e r u n g d e s g a n z e n O r g a n s , und zwar a. in der Richtung der Körperachse, b. in v e r ä n d e r t e r S t e l l u n g desselben z u r K ö r p e r a c h s e (Median-Ebene), oder 2) in einer a b w e i c h e n d e n L a g e e i n e s T Ii ei 1 s des Uterus, im Verhältniss zu dem übrigen Organ In die e r s t e Reihe gehören unter a) Vorfall, Dislocation nach Oben und Einlagerung in einen Bruch, unter b) Vorwärtsneigung, RUckwärtsneigung und seitliche Neigung; in die z w e i t e : die Ein- und UmstUlpung und die, in neuerer Zeit besonders beachteten Knickungen. Letztere sind streng genommen Formfehler. A.

Dislocation des ganzen Uterua lu d e r Richtung d e r Kiirperachte.

1.

Vorfall, Prolapsus

uteri.

Als verschiedene G r a d e dieser h ä u f i g s t e n Dislocation des Uterus unterscheidet m a n : 1) S e n k u n g . " Der Uterus sinkt in dem schlaffer gewordenen Scheidengewölbe, unter leichter Einstülpung desselben, etwas hinab. 2) U n v o l l k o m m e n e r V o r f a l l . Die Portio vaginalis erscheint in der Rima vulvae, der übrige Uterus befindet sich innerhalb der Vagina, deren Gewölbe der Portio vaginalis gefolgt ist, indem sie sich eingestülpt hat wie ein Handschuhfinger. Auch die Stellung des Uterus zur Beckenachse ist verändert. Ursprünglich lag der Fundus nach Vorn und Oben, die Portio vaginalis nach Hinten und Unten; jetzt hat sich letztere nach Vorn, ersterer nach Hinten gewendet. ' ) Vgl. E . M a r t i n , ßerl in, 1 8 7 0 .

d i e Neigungen und Beugungen

der Gebärmutter.

2 . Aull

451

Lage - Veränderungen.

3) V o l l k o m m e n e r V o r f a l l . Der Uterus ist aus der Rima vulvae hervorgetreten und hängt zwischen den Schenkeln; aber nur die Portio vaginalis liegt bloss, im Uebrigen ist er von der gänzlich umgestülpten Vagina überzogen, in welche mit ihm zugleich die Tuben und Ovarien, auch die Blase, und ein Theil des Mastdarms und zuweilen andere Darmstücke sich einsenken.

Aetiologie. Die Ursachen des Prolapsus uteri sind sehr verschiedener Art: die einen beziehen sich auf die Verhältnisse des Beckens und der Vagina, andere auf die Bänder des Uterus, noch andere auf den Zustand des Uterus selbst; in vielen Fällen ist auch der Zustand der übrigen Unterleibs-Eingeweide zu berücksichtigen. Die Weite des Beckens, sowie die Weite und Erschlaffung der Vagina'), auch wohl eine zu geringe Länge derselben (Mad. B o i v i n ) bedingen wohl eine Prädisposition zum Prolapsus Als das wesentlichste ätiologische Moment ist aber die Erschlaffung derjenigen Bänder anzusehen, welche als Träger des Uterus fungiren, namentlich der Ligamenta sacrouterina und pubo-vesico-uterina, weniger der Ligamenta uteri lata und rotunda, welche zur Befestigung des Uterus nicht so wesentlich beitragen (E. M a r t i n ) . Jede dauernde Vergrösserung des Uterus und jeder Druck, der auf ihn oder das Vaginal-Gewölbe (z. B. durch Eierstocks-Geschwülste) ausgeübt wird, jede Vermehrung seines Gewichtes (durch chronische Entzündung, hyperplastische Verlängerung der Vaginalportion, oder durch in ihm wurzelnde Geschwülste) ist als eine Veranlassung zum Prolapsus anzusehen. In der grossen Mehrzahl der Fälle aber laufen die sämmtlichen ätiologischen Momente auf einen gemeinsamen Ausgangspunkt hinaus. Diesen bilden die, durch häufige, schnell auf einander folgende und nachlässig behandelte Wochenbetten bedingten Veränderungen am Scheidengewölbe und an den Bändern des Uterus. Während der ersten 8 — 1 4 Tage nach der Entbindung ist das Volumen und das Gewicht des Uterus noch erheblich gesteigert, das Scheidengewölbe erschlafft, nachgiebig, die Länge der Mutterbänder bedeutend vermehrt, ihre Elasticität noch nicht wieder zurückgekehrt. Das Scheidengewölbe giebt daher leicht n a c h , sobald die Wöchnerin aufrecht steht, geht oder auch nur sitzt, und Senkung des Uterus muss mit noch grösserer Wahrscheinlichkeit erwartet werden, wenn durch stärkere Wirkung der Bauchpresse (Drängen, Husten u. dgl.) oder durch die, bei Körper-Anstrengungen ' ) Von mehreren Autoren ( H o h l , E.

Martin)

wird in Abrede

Scbeide überhaupt zur Stütze des Uterus etwas beitrage. Bedeutung in dieser Beziehung früher überschätzt

gestellt, dass

die

Unzweifelhaft ist ihre

worden;

aber

scheint mir die Spannung des Vaginalgewölbes doch nicht.

29*

bedeutungslos

452

Krankheiten des Uterus.

nothwendige Spannung des Zwerchfells und der Bauchmuskeln auch noch die übrigen Baucheingeweide gegen diese pars minoris resistentiae hingedrängt werden. Diesen Betrachtungen entsprechend lehrt denn auch die E r f a h r u n g , dass der Prolapsus uteri bei F r a u e n , welche nicht geboren h a b e n , zu den Seltenheiten gehört und bei ihnen n u r äusserst selten durch plötzliche gewaltsame Anstrengungen oder Erschütterungen '), in der Regel aber durch Geschwülste am oder im Uterus bedingt wird, während er bei Multiparis in denjenigen Schichten der Bevölkerung, welche den Wöchnerinnen eine hinreichend lange und sorgfältige Pflege nicht können zukommen lassen, bei Weitem am Häufigsten beobachtet wird. Von dem bei P r o l a p s u s v a g i n a e vorkommenden s e c u n d ä r e n P r o l a p s u s u t e r i und seiner Aetiologie, namentlich auch seiner Begünstigung durch einen Oammriss, w a r bereits pag. 4 2 3 u. f. die Rede. Die Kranklieits-Erschcinuiigeu sind bei den verschiedenen Graden des Uebels eben nur gradweise verschieden. Die Frauen klagen zuerst Uber Ziehen in der Leisten- und Lendengegend, Schwere im Mastdarm, Verstopfung, Beschwerden bei der Harnentleerung, zuweilen haben sie auch die Empfindung, als wäre ein fremder Körper in der Vagina. Als erstes o b j e c t i v c s Symptom tritt dann ein schleimiger Ausfluss aus der Vagina auf, der gewöhnlich von Verdautings-Slörungen begleitet ist. Derselbe könnte natürlich auch von vielen anderen Ursachen abhängen und hat als Kiankheits-Symptom n u r insofern Werth, als er die Aufmerksamkeit des Arztes ü b e r h a u p t auf den leidenden Theil hinlenkt und zu einer genauen Untersuchung auffordert, deren Resultat niemals zweifelhaft sein kann. Man spricht zwar von V e r w e c h s e l u n g des Prolapsus mit Polypen und mit den verschiedenen Formen des Prolapsus vaginae; aber die Gestalt der Portio vaginalis und ihre Stellung sind so charakteristisch, dass eine specielle Erläuterung der difTerentiellen Diagnose überflüssig sein möchte. Tritt n u n gar die Portio vaginalis hervor, so dass sie sammt dem umgestülpten Scheiden-Gewölbe (nach längerer Einwirkung der äusseren L u f t , von trockenem, der Epidermis ähnlichen Epithelium überzogen, zuweilen auch geschwürig) gesehen werden k a n n , so ist ein Irrthum n u r bei vollständiger Unkenntniss möglich. Schmerzhafte Empfindungen und Störungen des Allgemeinbefindens können bei dem vollkommenen Vorfall fast ganz fehlen und bei den leichtesten Graden des Uebels anderer Seits sehr erheblich sein. Es giebt kaum ein Leiden, bei dem sich so grosse i n d i v i d u e l l e V e r s c h i e d e n h e i t e n

•) Vgl. A u b i n a i s , G s t . des hflpit. 1 8 0 6 .

No. 9 6 .

Vorfall.

453

finden wie hier. Was die Störungen der Utcrin-Functionen betrifft, so schliesst der Prolapsus die Conception nicht aus; der Uterus steigt in der Regel bei weiterer Entwicklung der Schwangerschaft aufwärts, und die Geburt sowohl als das Wochenbett können ganz normal verlaufen. Ob Neigung zum Abortus dadurch bedingt werde oder nicht, ist nicht hinreichend genau festgestellt. Die Prognose ist insofern ungünstig, als der Prolapsus uteri, sich selbst überlassen, stetig fortschreitet und sich niemals zurückbildet, durch Kunsthülfe aber wohl eine Besserung des Uebels, auch eine erhebliche Verminderung der bestehenden Beschwerden, jedoch fast niemals radicale Heilung gelingt. Die Behandlung stimmt im Wesentlichen mit derjenigen des P r o la'psus v a g i n a c überein (vgl. pag. 4 2 8 ) ; namentlich sind alle für die Radicalheilung jenes Uebels ersonnenen Methoden auch hier angewandt worden, um so mehr, als beide früher nicht von einander geschieden wurden. In leichten Graden kann durch andauernde ruhige Lage und fortgesetzte Anwendung adstringirender Mittel hier wie dort Viel geleistet werden; man vergesse aber nicht, dass neben der Erschlaffung des Scheidengewölbes hier auch die Erschlaffung der Ligamenta lata (gegen welchc man Nichts vermag) und häufig auch noch eine Volumcns-Vennchrung des Uterus in Betracht kommt. Sofern letztere auf einer chronischen Entzündung (vgl. Cap. V.) beruht, erweist sich die Anwendung topischer Blutentziehungen (Blutegel und Scarilicationen) an der Portio vaginalis entschieden nützlich; wird sie durch hypcrplastische Verlängerung der Vaginalportion oder durch Geschwülste bedingt, so ist deren operative Entfernung erforderlich. Die palliative Behandlung erheischt zunächst die R e p o s i t i o n , welche in der Rückenlage durch Druck auf die Portio vaginalis (zuerst in der Richtung der Vagina, dann gerade aufwärts) meist leicht gelingt und nie gewaltsam ausgeführt werden darf. Wenn an der Portio vaginalis des prolabirten Uterus Geschwüre oder auch nur Erosionen bestehen, so müssen diese erst geheilt werden, bevor man zur Reposition schreitet, da deren Heilung sonst mit viel grösseren Schwierigkeiten verknüpft ist. Die anzuwendenden P e s s a r i a (vgl. pag. 4 2 9 ) müssen in allen schwierigen Fällen dem Uterus direct eine Stutze gewähren, was meist nur durch g e s t i e l t e Pessarien gelingt; vor Allem müssen sie aber von p a s s e n d e r G r ö s s e und F o r m sein, zu deren Bestimmung meist wiederholte Versuche erforderlich sind. 11. E r h e b u n g , E l e v a t i o u t e r i . I n s e h r s e l t e n e n F ä l l e n liegt der Uterus höher, als er liegen sollte. Dies beruht bald auf einer erheblichen Vergrösserung des

Krankheiten ilea Uterus.

454

Corpus uteri, durch in ihm entwickelte Geschwülste (nieisi Fibrome), wobei der Mechanismus des Em porsteigens derselbe ist wie beim Uterus gravidus, bald auf dem Wachsthum einer zur Seite und unterhalb des Uterus sich entwickelnden Geschwulst, welche ihn (dann meist schriig) aufwärts drängt, bald endlich auf einer Verwachsung, die während der Schwangerschaft oder in der ersten Zeil des Wochenbettes (vielleicht auch in Folge einer Operation) zwischen dem Uterus und benachbarten (festliegenden) Organen oder der Bauchwand entstanden ist. — Die Beschwerden sind in letzterem Falle, zumal bei Körperbewegungen (namentlich beim Aufrichten des Körpers) sehr erheblich, so lange die Adhäsionen sich noch nicht wieder gelöst oder gedehnt haben. In anderen Fällen hängen sie viel mehr von der Grösse und Beschaffenheit der Geschwulst ab, als von der Verschiebung des Uterus, und können daher auch lange Zeit ganz fehlen. Bei der Diagnose kann man in den Fällen \ o n Adhäsion durch den Bericht der Kranken geleitet werden. Bei der inneren Untersuchung findet man die Vagina langgestreckt, trichterförmig verengt, die Portio vaginalis abnorm hochstehend, wegen der Zerrung der Vagina, relativ klein; sofern eine Geschwulst der Verschiebung zu Grunde liegt, fühlt man diese selbst. Sind Adhäsionen vorhanden, so wird man beim Beugen und Strecken des Rumpfes entsprechende Bewegungen des Uterus wahrnehmen. Die P r o g u o s e ist, wenn Adhäsionen der Verschiebung zu Grunde liegen, günstig, da diese sich allmälig dehnen und lösen. In Fällen, wo eine Geschwulst den Uterus verdrängt hat, hängen Prognose und Therapie von der Natur und der Entfernbarkeit derselben ab. III.

Gebärmutterbruch, Hernia

wird hier n u r der systematischen Uebersiclit wegen

uteri,

aufgeführt, da

wir davon

bereits

im III. Bande, pag 0 3 6 gebändelt haben. II.

SrlirUcstellung des

l'terus.

Im normalen Zustande steht die Achse des Uterus beinahe parallel derjenigen des Becken-Einganges, somit schräg zur Körpcrachse. Abweichungen von dieser n o r m a l e n schrägen Stellung des Uterus nennt man S e h r ä g s t c l l u n g e n (Versiones) und unterscheidet, nach D e v e n t e r , 4 Arten derselben, die man, j e n a c h d e r R i c h t u n g , in w e l c h e r d e r F u n d u s u t e r i v o n d e r n o r m a l e n S t e l l u n g a b g e w i c h e n i s t , benennt; also A n t e v e r s i o , Vorwärtsneigung, Neigung des Fundus uteri nach Vorn; R e t r o v e r s i o , Rückwärtsneigung; seitliche Abweichung nach rechts und nach links, L a t e r o v e r s i o . Will man die Stellung des Collum uteri der Benennung zu Grunde legen,

455

Vortvärlsneigung.

so ergiebt sich die alsdann erforderliche Umwechselung der Namen von selbst. SchrSgstellungen kommen meist als Complicationen des Prolapsus vor, mit dem sie auch in Betreff der Actiologie und der therapeutischen Maassregeln wesentlich übereinstimmen. I.

Vorwärtsneigung, Anteversio

(Antroversio).

1

Aeliologie )- Eine pathologische Neigung des Fundus uteri nach Vorn kommt häufig im ersten Stadium der Gebärmutter-Senkung vor. Ausser den Veranlassungen welche sie mit dem Prolapsus gemein hat, wird auch entzündliche Schwellung der Portio vaginalis, sofern sie vorzugsweise in deren vorderer Lefze ihren Sitz hat, angeführt. Das Gewicht der vorderen Muttermundslippe soll die Portio vaginalis nach Hinten ziehen und somit durch Hebelbewegung den Fundus nach Vorn bringen. D e s o r m e a u x behauptet, dass die Sache sich umgekehrt verhalte, die Schwellung sei erst die F o l g e der Anteversio. Beides mag möglich sein. Das grössere Gewicht der vorderen Muttermundslippe wird jedoch zu einer Bewegung der Portio vaginalis nach Hinten immer nur in liegender Stellung Veranlassung geben können. Auch eine Verkürzung der runden Mutterbänder, Adhäsion des Fundus uteri an der vorderen Bauchwand oder an der Blase, Verwachsungen zwischen der Portio vaginalis und der hinteren Wand der Scheide sind als Veranlassungen anzuführen. Abgesehen von den SjmplODlCll des fast immer zugleich bestehenden Prolapsus, werden folgende aufgeführt: ziehender Schmerz in der Lenden- und Magengegend (wegen Zerrung der Nervengeflechte des Eierstocks?), Gefühl von Schwere und Druck in der Mastdarm- und Blasengegend und häufiger Drang zum Harnlassen (die Portio vaginalis drückt auf den Mastdarm, der Fundus uteri auf die Blase), bei stärkerer Vorwärtsneigung Retentio urinac und Stuhlverstopfung (durch Druck des Fundus auf den Blasenhals und der Portio vaginalis auf den Mastdarm). Durch ruhige Rückenlage werden diese Beschwerden ganz oder grösstentheils beseitigt. Wenn die Untersuchung per vaginam versäumt wird, so kann die Diagnose auf grosse Irrwege gerathen. L e v r e t glaubte einen Harnstein vor sich zu haben, indem er mit der in die Blase eingerührten Sonde gegen den Fundus uteri anstiess, machte den Steinschnitt mit tödtlichem Ausgange und entdeckte bei der Section zum ersten Mal die Anteversio uteri. Mag auch die Diagnose durch sorg' ) Das Vorkommen der Anteversio bei V e n t e r p r o p e n d e o t gerschaft b l e i k hier unberücksichtigt.

während der Schwan-

456

Krankheiten des Uteras.

fälliges Sondiren gelingen, die eigentliche Entscheidung liefert immer nur die Untersuchung durch die Vagina. Der Finger fühlt bei aufrechter Stellung der Kranken die Portio vaginalis nach Hinten gerichtet, meist tiefer als im normalen Zustande, wegen der gleichzeitigen Senkung des ganzen Uterus, bei reiner Vorwärtsneigung aber höher, so dass die Fingerspitze kaum den Muttermund erreichen kann. Vermag man mit der hakenförmig gekrümmten Fingerspitze die Portio vaginalis zu fassen, so kann man sie nach Vom ziehen und den Uterus auf diese Weise in die normale Stellung bringen, aus welcher er aber, sobald der Finger ihn loslässt, wieder zu der früheren abnormen zurückkehrt. Durch den vorderen Theil des Scheidengewölbes (oft zugleich ein wenig nach der einen Seite) filhlt der Finger den die Vagina etwas herabdrängenden Fundus uteri. Die P r o g n o s e ist wesentlich von den best eilenden Complicationen abhängig. Conception wird bei höheren Graden der Anteversio, wegen der fehlerhaften Richtung des Oiiflcium uteri, selten erfolgen. Die Bchaildlattg soll, nach der Angabe der meisten Schriftsteller, damit beginnen, dass man mit dem hakenförmig gebogenen Finger die Portio vaginalis nach Unten und Vorn führt, wodurch der Fundus aufwärts steige, um den Uterus dann durch ein vorzugsweise auf die hintere Vaginalwand wirkendes Pessarium in der normalen Stellung zu erhalten. Mag nun auch das angegebene Rcpositions-Verfahren wirklich von Erfolg sein (was bei Weitem nicht immer der Fall ist), so gelingt doch die Retention durch Pessarien fast niemals; dieselben sind vielmehr nur insofern nützlich, als sie gegen den zugleich bestehenden Prolapsus wirken. Wollte man mit Sicherheit, wenigstens für einige Zeit, die Anteversio beseitigen, so könnte dies durch Einschieben eines Halbringes von Pressschwamm oder Laminaria ( K ü c h e n m e i s t e r ) zwischen die hintere Muttermundslippe und das Scheidengewölbe bewerkstelligt werden. Jedenfalls berücksichtige man aber von therapeutischer Seite die mit Anteversio so häufig in Verbindung stehende entzündliche Schwellung des Uterus. Oft wird gegen die Dislocation selbst, immer aber gegen die aus ihr abgeleiteten Beschwerden durch topische Blutentziehungen etwas geleistet. II.

RUckwärtsneigung,

Retroversio.

Die RUckwärtsneigung des Uterus ist bei Weitem häufiger im schwangeren als im nicht-schwangeren Zustande. Viel häufiger als Anteversio, ist Retroversio, weil deren Beschwerden und Gefahren sehr erheblich sind, Gegenstand ärztlicher Behandlung.

Rücknärtsneigong.

457

Aetiologie- Prädisponirend für Retroversio uteri Bind alle diejenigen Momente, welche auch zur Senkung führen, namentlich Erschlaffung der Ligamenta uteri, relativ grosse Weite des Beckens in der Richtung der geraden Durchmesser, Vermehrung des Volumen der Gebärmutter, namentlich durch chronische Entzündung (Infarct), Fibrome oder Polypen. Als Causae occasionales wirken plötzliche und heftige Anstrengungen (beim Aufheben einer Last, beim Drangen) oder äussere Gewalten (Fall oder Schlag). Unter Einwirkung der letzteren kann Retroversio plötzlich enstehen. Die allmälige Entstehung lässt einen der Bildung der Unterleibshernien analogen Vorgang voraussetzen. Zuweilen sind Adhäsionen zwischen dem Fundus uteri und der hinteren Beckenwand, in anderen Fällen grosse Exsudate zwischen Uterus und Blase, Uterus- oder Ovarial-Geschwülste, welche sich in dieser Richtung entwickelt haben, als Veranlassungen der Retroversio beobachtet worden. Sehen wir hier von den in das Gebiet der Geburtshülfe gehörigen Fällen von Retroversio uteri gravidi ab, so erscheint die Dislocation der Gebärmutter als eine Folge von anderen pathologischen Veränderungen des Uterus oder seiner Adnexa, die an sich meist eine viel grössere Bedeutung haben als die Retroversio selbst. Die Kranklicils-Erscbeiuungeil stimmen in Betreff der FunctionsStörungen des Uterus selbst und seiner Nachbar-Organe wesentlich mit denen der Anteversio Uberein; nur dass hier der Blasenhals zuerst und hauptsächlich Seitens der Portio vaginalis, der Mastdarm aber durch den Fundus uteri comprimirt wird. Durch beide wird Reteutio urinae et alvi bedingt. Oberhalb der durch den Fundus comprimirten Stelle wird das Rectum übermässig gefüllt und durch den Druck seines, dort stagnirenden Inhaltes kann die Retroversio noch gesteigert werden. Retentio urinae ist in der Regel das erste Symptom; weiterhin entsteht dann das Gefühl von Schwere und Druck im Becken, wozu ¡¿ich schliesslich auch die Erscheinungen der Peritonitis und Metritis gesellen. Dein untersuchenden Finger scheint der Uterus die ganze Beckenhöhle auszufüllen. Die Portio vaginalis wird entweder gar nicht gefühlt, oder man findet sie hoch oben hinter der Symphyse. Vom Mastdarm aus lässt sich mit Leichtigkeit der Fundus uteri fühlen. Die Prognose ist bei Retroversio schon wegen der Uebel, in deren Gefolge sie auftritt, meist bedenklich. Qualvoll sind für die Kranken vor Allem die Harnverhaltung und Stuhlvertopfung. Die Behandlung ist, wie bei allen schwer zu bekämpfenden Ucbeln, auf den verschiedensten Wegen versucht worden. Nur darüber

458

Krankheiten de« Uterus.

ist man vollkommen einig, dass vor Allem die Harnblase entleert werden muss," um die aus der Retentio urinae hervorgehenden Qualen zu beseitigen und eine weitere Behandlung Uberhaupt möglich zu machen. Meist gelingt die Entleerung der Blase wegen der Verziehung der Harnröhre n u r mit einem männlichen Katheter. — Zum Behuf der Reduction des Uterus empfehlen die Einen die Knie-Ellenbogenlage, die Anderen die Lage wie für den Steinschnitt. Die Finger der einen Hand sollen von der Vagina aus die Portio vaginalis umfassen und herabziehen, während mit der anderen durch d a s Rectum der Fundus uteri emporgedrängt wird. Gelänge aber auch auf diese Weise die Reposition, so besitzen wir doch leider keinen Apparat für die Rctention. Pessarien mit einem aufwärts gerichteten Fortsatz, der in die Höhle des Uterus eingerührt werden soll und die sogenannten „Knickungs-Instrumente" (vgl. p. 467) sind vielfach empfohlen worden; jedoch ist noch kein dauernder Erfolg durch sie erzielt und, wenn man bedenkt, wie stark die Gewalten sein müssen, die eine Drehung des Uterus um seine Querachse zu Stande bringen und unterhalten, welche beträchtlich mehr als den vierten Theil eines Kreises beträgt, so liegt der Gedanke nahe, dass solche mechanische Vorrichtungen Uberhaupt keinen Erfolg haben können. Kann man gegen die der Retroversio zu Grunde liegende Volumens-Vermehrung des Uterus etwas ausrichten, so wird dadurch auch eine entsprechende Erleichterung geschafft, so namentlich durch die operative Entfernung von Geschwülsten u n d , wenn chronische Metritis besteht, durch topische Blutentziehungen u. dgl. m. (vgl. Cap. V.). III.

Seitliche

Neigung.

Der Uterus hat gewöhnlich eine Neigung nach Rechts, was man aus der linksseitigen Lage des S romanum und der mehr nach Links gelegenen Anheftung des Mesenterium erklärt. Nach wiederholten Geburten tritt diese Neigung nach Rechts deutlicher hervor. Somit wUrde man nur sehr erhebliche Grade der Neigung des Fundus uteri nach Rechts als pathologisch ansehen dürfen. Abweichungen n a c h L i n k s , auch wenn sie in sehr geringem Grade bestehen, sind immer pathologisch. Diese seitlichen Neigungen bestehen niemals ohne anderweitige Dislocation des Uterus. An und für sich rufen sie keine Krankheits-Erscheinungen hervor. Ihre Diagnose ergiebt sich bei der inneren Untersuchung ohne Schwierigkeit. Als ätiologische Momente sind vor Allem Geschwülste, zu erwähnen, demnächst seitliche Adhäsion des Uterus, Verkürzung des einen Ligamentum teres; in dem N a e g e l e ' s e h e n „schräg verengten Becken" findet sich

Ein- und Umstülpung.

459

auch immer seitliche Neigung des Uterus. Man hat auch die Gewohnheit, immer auf einer bestimmten Seite zu liegen, u n d die seitliche Insertion der Placenta, ohne genügende Begründung (P. D u b o i s ) , als Ursachen angeführt. — Für die B e h a n d l u n g gelten die bei den vorher beschriebenen Dislocationcn erläuterten Grundsätze. C.

Lage-Ver&nderung eines Thella de« l'terus Im V e r h ä l t n i s zu dem übrigen Organ. 1.

E i n - u n d U m s t ü l p u n g , D e p r e s s i o et I n v e r s i o

uteri.

Aeliologic. Einstülpung oder gar vollständige Umstülpung des Uterus scheint auf den ersten Blick ganz unmöglich und kommt doch in der That vor. Es leuchtet ein, dass dazu eine Veränderung der Consistenz und Dicke der Uterin-Wände einer Seits und der Geräumigkeit der Uterus-Höhle anderer Seits erforderlich ist. Erstere müssen d ü n n e r , biegsamer, letztere muss grösser sein, als im Normalz u s t ä n d e . Diese Bedingungen finden sich unmittelbar nach der Entbindung. Der letzte Gcburts-Zeitraum und die ersten Stunden des Wochenbettes bilden die entschiedenste Prädisposition f ü r die Entstehung der Umstülpung. Am häufigsten wird sie durch Zug an der .Nabelschnur einer noch adhärenten Placenta oder durch andere u n zweckmässige Manipulationen herbeigeführt. In ähnlicher Weise kann eine an sich oder durch Umschlingung zu kurze Nabelschnur, sofern die Placenta sich während des Austrittes des Kindes nicht löst, die Veranlassung geben. In beiden Fällen bildet die Schlaffheit des Uterus (in Folge mangelhafter Contfactionen) ein begünstigendes Moment f ü r die Entstehung. Noch seltener wird unter denselben Verhältnissen durch übermässige Thätigkeit der Bauchpresse Einstülpung b e wirkt, indem die Gedärme gegen den Fundus uteri hingedrängt w e r d e n ; wohl aber kann eine beim Geburtsacte eingeleitete Einstülpung in der eben bezeichneten Weise vergrössert w e r d e n . Ein solcher Vorgang muss namentlich für diejenigen Fälle angenommen w e r d e n , wo man erst am 12. und 13. Tage nach der Entbindung oder gar erst Jahre darauf ( P u z o s und B o y e r ) die Inversion hat entstehen sehen. — Seltner als durch eine vorausgegangene Schwangerschalt wird die zur Entstehung des Uebels erforderliche Structur-Veränderung am Uterus durch pathologische Processe, namentlich durch Geschwülste im Uterus oder durch Hydrometra, bedingt. Ein Polyp, welcher im F u n dus uteri wurzelt, k a n n durch seine Schwere beim Hervortreten aus dem Muttermunde die während seiiier E n t w i c k l u n g verdünnten W a n d u n g e n des Uterus nach sich ziehen und somit umstülpen. Häufiger

Krankheiten des Uterus.

460

tritt eine äussere Gewalt, strengung,

Gewöhnlich Depression, gestülpt,

ein Fall oder eine bedeutende Körper-An-

als Gelegenheits-Ursache hinzu. unterscheidet man als A r t e n der

Inversion a ) die

wobei der Fundus uteri in die Höhle des Organs ein-

aber nicht aus

b) die U m s t ü l p u n g

dem Muttermunde hervorgetreten

(lntroversio,

ist,

und

Inversio im engeren S i n n e ) ,

welcher der eingestülpte Fundus mit seiner Schleimhautfläche

bei

voran

m e h r oder weniger weit in die Vagina hinab oder aus derselben hervorgetreten ist. Fig. 8 9 .

Fig. 8 9 , Sagittal-Durchschnitt einer (vollständigen ,1'rastfilpung. a Gegend des vorderen, rf. Gegend d e s hinteren Umfanges des Muttermundes, b. der in der Vagina («') eingestülpte Theil des Uterus; e. die von der serösen Fläche des Uterus gebildete H ö h l e ; c. B l a s e ; / . B a u c h n a n d ; g. Schoossfuge; h. Mastdarm. D e l p e c h und

Perraud

unterscheiden

4 Grade

die

entweder

bei weiterer Entwickelung der Einstülpung auf einander folgen, oder "auch stationär werden können. 1.

Einfache

Depression

des

Fundus,

so

dass er,

gesehen, concav erscheint, wie der Boden einer Flasche Die Einstülpung gestaltet bald ballonförmig

sich bald halbkuglig,

(so dass ihr Umfang in

von

Oben

(Mauriceau).

bald mehr

elliptisch,

der Tiefe grösser

ist als

am oberen Rande). 2.

Der Fundus wird im Muttermunde

3.

Der

weit hervor,

umgestülpte

Fundus

tritt

sichtbar.

aus

dem

Muttermunde

so

dass der ganze Uterus umgestülpt in der Vagina liegt.

Die U m l e g u n g s s t e l l e liegt jetzt Muttermundslippen

umfassen

eines straffen schmalen

im Collum uteri.

den

Ringes.

Die ausgedehnten

hervorgestülpten Theil Ovarien

und Tuben

in

folgen

Gestalt dieser

L a g e - V e r ä n d e r u n g ; sie werden in die von der Aussenfläche des Uterus

Ein- u n d Umstülpung.

461

nunmehr gebildete Höhle wie in einen Trichter herangezogen, liegen jedoch noch ausserhalb derselben. 4. Die Umstülpung erstreckt sich auf den ganzen Uterus, mit Einschluss der Portio vaginalis; auch die Vagina wird endlich u m gestülpt, so dass der Uterus aus ihr hervortreten und schliesslich zwischen den Schenkeln liegen kann. Alsdann befinden sich in der Höhle des umgestülpten Organs nicht blos Eierstöcke und Tuben, sondern auch Darmschlingen. Der Einstülpung der Vagina folgen Mastdarm und Blase (vgl. Prolapsus vaginae). Bei langer Dauer der Inversion verwachsen die eingelagerten Organe fast immer sowohl unter einander, als mit der serösen Fläche des Uterus. Die Krankheits-Erschciunugeu sind meist verschieden, je nachdem die Umstülpung unmittelbar nach einer Entbindung (acut), oder erst längere Zeit darauf allmälig oder auch ganz unabhängig von einer solchen (chronisch) entstanden ist. Im ersteren Falle tritt nniner eine heftige Blutung auf, deren Stärke sich nach dem Grade des Uebels richtet. Dazu gesellt sich ein nach der Kreuzgegend ausstrahlender Schmerz und bei den höheren Graden des Uebels Erbrechen, Ohnmächten, Convulsionen und die übrigen Zufälle der Anämie, je nach dein Grade des Blutverlustes, mit fast immer tödtlichem Ausgange, wenn nicht schleunige Hülfe geleistet wird. Hat sich die Umstülpung allmälig entwickelt, so bleiben zwar die auch hier dem Grade des Uebels in ihrer Stärke entsprechenden Blutungen nicht aus, aber dieselben sind nicht andauernd, wiederholen sich vielmehr in unbestimmten Zwischenräumen und bedrohen daher nur durch die allmälig sich entwickelnde Anämie das Leben. Dazu gesellen sich dann dieselben localen Beschwerden, die wir bei anderen bedeutenden Dislocationen des Uterus bereits kennen gelernt haben. Für die DingUOSC bedarf es im 4. Grade der Umstülpung nur der Besichtigung. Im 3. Grade könnten Verwechselungen mit UterusPolypen vorkommen; aber die Unterscheidung gelingt, wenn man beachtet, dass hier von einem Eindringen in das Orificium uteri neben der Geschwulst, was bei einem Polypen, selbst wenn er innerhalb der Portio vaginalis wurzelte, immer möglich ist, gar nicht die Rede sein kann, weil eben kein Muttermund mehr existirt und die Wandungen der Portio vaginalis ringsum in die Geschwulst selbst Ubergehen. Beim 2. Grade wird man, sofern der Muttermund geöffnet ist, den der übrigen inneren Uterin-Wand glcichmässig anliegenden Fundus fühlen können. Seine schwach convexe Oberfläche bietet aber nichts Charakteristisches dar; man könnte ihn mit einem Fibrom verwechseln. Für diese leichteren Grade des Uebels ist, sofern es sich

462

Krankheiten des Uterus.

um eine Wöchnerin handelt, die Palpation durch die Bauchdecken von grösster Wichtigkeit. Statt des beinah kindskopf-grossen, bis zur Mitte zwischen Nabel und Schoossfuge hinaufragenden, kugligcn Körpers, den der Uterus zu dieser Zeit darstellt, wird man dort entweder nur Darmschlingen oder an dem noch fühlbaren Uterus die bestimmt zu erkennende Depression des Fundus finden. Schwieriger wird die Unterscheidung der geringeren Grade der Inversion ausser dem Wochbett, da der nicht vergrösserte Uterus oberhalb der Symphyse nicht gefühlt und somit der Mangel des Fundus daselbst auch nicht entdeckt werden kann. Wie bedenklich die Prognose der Inversion unmittelbar nach einer Entbindung ist, ergiebt sich aus der obigen Schilderung; aber auch die allmälig entstandene Einstülpung bringt die Gefahren der Blutung ') und der chronischen Entzündung und die Beschwerden aller Uterus-Dislocationen mit sich. Die Behandlung vermag viel mehr gegen die acut (in puerperio), als gegen die allmälig entstandenen Uinstülpungen. Die frisch entstandene vollständige Inversion erheischt eine möglichst schleunige Reposition (Reversión); diese gelingt um so sicherer, je früher sie unternommen wird. Die Steinschnittlage ist die günstigste. Chloroform-Narkose k a n n , wenn die Zeit nicht zu kostbar ist, angewandt werden. Die Comprcssion der vorliegenden Geschwulst muss gleichmässig und stetig ausgeführt werden. Rationell wäre es immer den zuletzt prolabirten Theil zuerst zurück zu drängen; jedoch hat in manchen Fällen ein stetiger Druck auf den untersten Theil der Geschwulst, mithin auf den zuerst hervorgetretenen Fundus, schneller zum Ziele geführt. Worauf der Erfolg des letzteren Verfahrens ber u h e , ist nicht erwiesen; vielleicht werden dabei in der That die zuletzt prolabirten Theile doch zuerst reponirt, sofern man durch den Druck auf den Fundus zuerst die Darmschlingen in die Bauchhöhle zurückdrängt. — In chronischen Fällen, in denen die Reposition mit der Iland nicht gelingt, bedient man sich eines Instrumentes von der Gestalt eines Mörserpistills oder dgl. um die Reposition (allmälig) zu bewerkstelligen. Ist der invertirte Uterus in dem Grade entzündlich geschwollen, dass die Reposition dadurch unmöglich wird, so muss man durch Scarificationen und Eis-Umschläge dieselbe zu ermöglichen suchen. >) In einem Falle von A l b a n e s e (Gaz. clinic. d. spedale d. Palermo, 1 8 7 0 , Na. 1 0 ) binderte d a s , durch die Anämie bedingte, andauernde Erbreeben und steigerte die Erschöpfung.

die Reposition

Nach T r a n s f u s i o n von 1 1 0 Gram, deflbrinirten

Blutes hörte das Erbrechen a u f , die Reposition gelang und die Kranke genas.

Ein- u n d

463

Umstülpung.

Bildet eine straffe spastische Zusammenziehung des Muttermundes (oder doch der Gegend, in welcher er liegen sollte) das RepositionsHinderniss, so muss man dieselbe, sofern Gefahr im Verzuge und die Chloroform-Narkose nicht ausreichend oder nicht zulässig ist, durch mehrfache kleine Einschnitte beseitigen. Hängt die Placenta' noch an dem umgestülpten Uterus, so muss man deren Entfernung erst nach erfolgter Reposition vornehmen, da die Gefahr der Blutung und heftigeren Entzündung der, sonst dem mechanischen Insult direct ausgesetzten Placentar-Stellc, selbst bei vollkommenen Inversionen die Erleichterung aufwiegt, die filr die Reposition aus der vorherigen Entfernung entspringen könnte ( F e r r a n d ) . Bei unvollständiger Inversion könnte überdies durch die Lösungs-Versuche das Uebel vermehrt werden. Jedoch hat diese Vorschrift keine absolute Geltung, und namentlich, wenn bereits eine partielle Lösung eingetreten ist und (las Volumen der Placenta die Reposition sichtlich erschwert, wird man die vollständige Entfernung gewiss besser vorhergehen lassen. Gelingt die Reduction, trotz wiederholter Versuche, nicht, so kommt, zumal bei grossen Beschwerden, die gänzliche Beseitigung des hervorgestülpten Uterus (durch Ligatur oder Abschneiden) in Frage '). Man führt zu Gunsten eines solchen Verfahrens nicht blos Fälle a n , in denen die gänzliche Abstossung der umgestülpten Gebärmutter durch Gangrän glücklich erfolgt sein soll, sondern auch günstige Erfolge von absichtlich unternommenen Operationen der Art. Aus der Reihe der günstigen müsste, nach V i d a l , eine grosse Anzahl gestrichen werden, in denen es sich um spontane Gangrän (oder Ligatur) von Polypen gehandelt hätte, die irrthümlich als Fälle von Inversio uteri gedeutet worden wären. Nach den Untersuchungen von B r e s l a u * ) hatten aber doch unter 31 Fällen, in denen der umgestülpte Uterus entfernt wurde, 22 glücklichen Erfolg und unter den 20 Fällen, in denen die Operation absichtlich ausgeführt wurde, endeten nur 3 mit dem Tode. Freilich lässt sich gegen diese statistische Begründung einwenden, dass wahrscheinlich die Mehrzahl der unglücklich verlaufenen Fälle nicht veröffentlicht worden ist; aber die angeführte Zahl der glücklichen Erfolge ist doch immer gross genug, um von einem gänzlichen Verwerfen der Operation abzuhalten. Jedenfalls müsste man sicher sein, dass (zur Zeit der Operation) in ' ) Wieviel auf gehörige Ausdauer bei a. d e r Fall von W o r s t e r nach

vielen Versuchen

deo

of med. «c. 1 8 6 7 .

in einer dreistündigen

4 J a h r e n b e s t e h e n d e n Inversion ' ) De t o t i u s uteri exstirpatione,

gelang.

1852,

a n k o m m t , l e h r t u.

Reposiiionsversuchen

(Anier. j o u r n .

Sitzung

die

OcL),

Reposition

in welchem einer

seit

464

Krankheiten des Uterus.

dem zu entfernenden Uterus keine Darmschlingen eingesenkt liegen, und die Entfernung selbst in solcher Weise vornehmen, dass die Eröffnung der Peritoneal-Höhle sicher vermieden würde. Den Uterus aus seinem Peritoneal-Ueberzuge auszuschälen, dürfte ein missliches Unternehmen sein. Wollte man abschneiden und dann die Naht a n legen, so stünde das Leben auf dem Spiele, wenn nicht Uberall erste Vereinigung erfolgt. Die Ligatur mit Abtragung des vor derselben liegenden Theils ist wegen der Gefahr des Abgleitens nicht rathsam. Dagegen dürfte sich das blosse U m s c h n ü r e n mit einer, ganz allmälig stärker anzuziehenden Ligatur am Meisten empfehlen, weil dabei voraussichtlich feste Verwachsung der gegen einander gedrängten peritonealen Flächen früher eintritt, als die Abstossung beginnt (Veit). Die Verhältnisse des Wochenbettes würden dem Gelingen einer solchen Operation freilich immer noch besonders ungünstig sein. Hier wird also, wenn die Inversion irreponiBel ist, nur die Stillung der Blutung, vorzüglich durch Kälte und Compression, zu erzielen sein. Blosse Einsenkungen können gleich nach der Entbindung lcicht durch den Druck der Hand reponirt werden. Nachdem die Reposition gelungen und die Placenta entfernt ist, sucht man den Tonus der Gebärmutter durch kalte Einspritzungen und den inneren Gebrauch des Seeale cornutum wiederherzustellen. In den chronischen Fällen ist die Berücksichtigung der ätiologischen Momente, also namentlich die Entfernung des bestehenden Polypen, Behandlung der chronischen Metritis u. s. f. die Ilaupt-Aufgabe. Von dieser Seite könnte die Abtragung des umgestülpten Uterus gerechtfertigt erscheinen, wenn carcinomatöse Degeneration an ihm besteht, — freilich immer mit geringer Aussicht auf Erfolg. Zur Unterstützung des Uterus wendet man nach der Reposition Pessarien an. Diese können auch bei irrcponiblen Inversionen nützlich sein, sofern der Uterus sich noch nicht allzu tief in die Vagina herabgesenkt hat. Liegt er vor der Vulva, so ist ein Tragbeutel erforderlich. II.

Knickungen, Inflexiones, Infractiones.

Knickungen sind weniger Veränderungen der Lage, als der Gestalt des Uterus. Die Achse desselben weicht nämlich dabei von der normalen in der Art a b , dass sie in der Gegend, wo Hals und Körper in einander übergehen, selten weiter oben, einen nach Unten offnen stumpfen Winkel oder einen nach Oben convexen Bogen bildet, während bei den bisher erwähnten Dislocationen die Uterus-Achse selbst unverändert bleibt und nur ihre Stellung zur Becken-Achse

Knickungen.

465

lindert. Jedoch beschränkt sich die „Knickung" niemals auf die eben bezeichnete Verbiegung des Uterus, sondern mit der relativen LageVeränderung des Fundus findet sich immer zugleich auch ein gewisser Grad von Verschiebung der Portio vaginalis. Analog der Ante- und Retroversion unterscheidet man A n t e f l e x i o n und R e t r o f l e x i o n . Auch seitliche Verbiegungen kommen vor, haben jedoch keine praktische Bedeutung. Den übrigen Knickungen wird eine solche von Einigen in hohem, von Anderen in geringem Grade beigelegt 1 ) Aetiologie. Zur Entstehung einer Knickung gehört vor Allem eine Verminderung der Festigkeit des Uterus-Gewebes. Diese vorausgesetzt, — können die, im normalen Zustande auf den ganzen Uterus einwirkenden activen und passiven Bewegungen der Nacbbar-Organe (namentlich die Bauchpresse), mehr noch Gewichts-Zunahme des Gebärmutter-Körpers (durch Geschwülste, chronische Entzündung u. dgl. m.) oder Zug von schrumpfendem Narben-Gewebe (aus peritonealem Exsudat) an der einen Seite des Uterus zur Umbiegung fuhren. Narben-Gewebe kann durch seine Verkürzung selbst den Widerstand des normalen Uterin-Gewebes überwinden. Jene Verminderung der normalen Derbheit des Uterus-Gewebes, auf welche wir als eine wesentliche Prädisposition immer wieder zurückkommen müsssn, kann theils auf einer allgemeinen Ernährungs-Störung (Anämie, in Folge heftiger Blutungen), theils auf localen Veränderungen beruhen, namentlich auf mangelhafter Rückbildung des Uterus nach vorausgegangenen Geburten und Fehlgeburten, oder auf localer Fett-Entartung seines Muskel-Gewebes. Anderer Seits ist aber die Atrophie oder fettige Degeneration der Uterus-Substanz in dem Winkel der Umbiegung auch unter den unmittelbaren Folgen der letzteren aufzuführen, so dass es zweifelhaft bleiben kann, in wie weit man es hier mit einer Ursache oder mit einer Folge des Uebels zu thun habe. Symptome. In Folge der Verbiegung entsteht immer eine mehr oder weniger erhebliche Ernährungsstörung, die sich zunächst als Katarrh der Gebärmutter und übermässige, meist auch unregelmässige Menstruation äussert, weiterhin aber zu chronischer Metritis mit erheblicher Wulstung der Uterin-Schleimhaut und zu Perimetritis sich gestaltet. Bei höheren Graden . der Knickung wird die Höhle des Uterus an der Umbiegungsstelle beengt oder selbst versperrt, wodurch Anhäufung des Secrets in der Höhle des Uterus bedingt werden kann. Die Beschwerden sind Anfangs durchaus localer Art: Kolikschmerzen ' ) Nach den Untersochnngen

von P a n a s

(Arcb.

gioin\.

d. m i d .

wSre ein gewisser Grad von Anteflexio ein physiologischer Z u s t a n d . B a r d e l e b e t t , Chirurgie. 6. Aufl. IV,

30

1869.

Hart)

466

Krankheiten des Uterus.

vor und während der Menstruation (Dysmenorrhoe), zu starker Blutverlust während derselben, katarrhalischer Ausfluss, häufiger Drang zum Harnlassen und zum Stuhlgang, gewöhnlich mit hartnäckiger Verstopfung. Weiterhin entwickeln sich, theils in Folge der fortdauernden Zerrung des Uterus, theils auch in Folge der starken Blutverluste, verschiedenartige Störungen im Nervensystem, die gewöhnlich unter „ H y s t e r i e " subsumirt werden. Während nicht geleugnet werden k a n n , dass die eben aufgerührten Symptome durch Knickungen veranlasst werden können, müssen wir anderer Seits hervorheben, dass oft genug Knickungen bei derSection gefunden wurden, ohne dass irgend eines jener Symptome während des Lebens beobachtet worden war. Diese Differenz hängt nicht blos von dem Grade der Knickung ab, sondern wesentlich davon, o b d i e K n i c k u n g m i t e i n e m e r h e b l i c h e n Grade c h r o n i s c h e r Entztindung complicirt war oder nicht. Hieraus erklärt sich auch, dass durch eine gegen diese letztere gerichtete Behandlung die Beschwerden der Knickung beseitigt werden können, ohne dass gegen die Knickung selbst eine mechanische Hülfe geleistet worden ist. Dieser von B e n n e t (Inflammation of Ihe ulerus, London 1 8 5 3 ) , (Acad. d e Mid. 1 8 5 4 ) ,

PaulDubois

S c a n z o n i („Beiträge", auch in seinem „Lehrbuch der Gynä-

kologie"), V e i t ( V i r c b o w ' s spec. Patbol. Bd. VI. Abtbig. II. pag. 2 3 9 1 A n s i c h t , s t e h t die ä l t e r e , namentlich von S i m p s o n (Gaz. des Höp. 1 8 4 5 ) ,

Kiwiscb

namentlich auch von O l s b a u s e n Lehre entgegen,

n. A. aufgestellte, (Munatsacbr.

wonach die m e c h a n i s c h e n

vertretenen

(Monlbl. Journ. 1 8 4 3 ) , V e l p e a u neuerdings

wieder

f. Geburtsk. XXX. Verhältnisse

von

1867)

allein

Vielem

vertretene

maassgebend

«ein sollten.

Dass durch eine Knickung die Conception ganz mechanisch gehindert werden k ö n n e , ist einleuchtend; auch die abnorme Secretion des Uterus und die in Folge der Entzündung zuweilen eintretende Verwachsung der Tuben können die Schuld tragen; jedoch findet manchmal Conception Statt, meist aber mit nachfolgendem Abortus, weil der Uterus sich nicht gehörig ausdehnen kann. Die Knickung Volumens ungleich

des U t e r u s

gravidus

stärkere Beschwerden;

ihre

macht

schon

genauere

wegen

seines

Erläuterung

grösseren

gehört

in die

Geburtshülfe.

Vor den Jahren der Pubertät und jenseit der klimakterischen Jahre erregt die Knickung in der Regel gar keine oder doch nur ganz locale Beschwerden. Diagnose. Die Annahme der Knickungen war eine Zeit lang in solchem Grade Mode, dass man „eine Knickung mit grosser Wahrscheinlichkeit annahm, sobald eine Frau Uber häufigen Drang zum Harnlassen, ein Gefühl von Schwere im Becken und hartnäckige Ver-

467

Knickungen.

stopfung klagte" (Velpe.tu). Wie wenig auf diese Symptome zu geben sei, leuchtet von selbst ein. Die innere Untersuchung lässt eine abnorme Richtung der Portio vaginalis erkennen. Der Muttermund klafft, indem bei der Retroflexion die vordere, bei der Anteflexion die hintere Muttermundslippe stärker gespannt und emporgezogen wird. Führt man den Finger von der Portio vaginalis nach der entgegengesetzten Seite des Scheidengewölbes hin, so gelangt man in eine Vertiefung, die anderer Seits durch den mehr oder weniger tief hinabragenden Fundus uteri begrenzt wird. Die Untersuchung durch den Mastdarm vervollständigt, namentlich bei geringem Grade der Knickung, die Diagnose. Die Sonde stösst an der Knickungsstelle auf grosse, oft nur mit einer gefährlichen Verletzung des Uterus zu überwindende Hindernisse. Man müsste ihr jeden Falls eine solche Richtung geben, dass ihre Concavität der offenen Seite des Knickungswinkels entspräche, also bei der Retroflexion nach Hinten und Unten, bei der Anteflexion nach Vorn und Unten. Besser ist es, namentlich bei unzureichender Uebung, auf diese, immerhin gefährliche Untersuchungsmethode zu verzichten. Dagegen muss man auf alle Weise über das Bestehen und den Grad der Entzündung des Uterus Aufschluss zu erhalten suchen (vgl. Metritis). Prognose. Die Knickungen selbst sind, wie es scheint, unheilbar; die mit ihnen verbundenen Beschwerden dagegen können ganz oder doch zum grossen Theil beseitigt werden. Die Behandlung hat, nach S c a n z o n i , „garnicht die Aufgabe, an dem verbogenen Uterus Orthopädie zu üben", sondern den Uterin-Katarrh, die Entzündung des Uterus-Parenchyms (Metritis parenehymatosa) und seines Peritoneal-Ueberzugs zu bekämpfen (vgl. Cap. V.). Aber man wird mit solcher antiphlogistischen Therapie wenig Aussicht auf dauernden Erfolg haben, wenn man das ätiologische Moment, die Knickung selbst, gar nicht berücksichtigt. Ohne daher die mechanischen Veränderungen fllr allein maassgebend zu erachten, müssen wir doch bekennen, dass es auch fUr den Erfolg der antiphlogistischen Behandlung von grösster Bedeutung wäre, wenn es gelänge die Knickung zu heilen oder doch zu bessern. In wie weit dies auf mechanischem Wege möglich sei, darüber sind die Stimmen ebenso getheilt, wie Uber die Deutung der Symptome (pag. 465). Jedenfalls darf die mechanische Behandlung nicht begonnen werden, so lange noch lebhaftere Entzündungs-Erscheinungen bestehen. M e c h a n i s c h e H ü l f e hat man bei den Knickungen durch Tlele und verschiedenartige, grösstenteils

höchst

sinnreiche

Vorrichtungen

(namentlich

von

R i w i s c h , V a l l e i x , D e t s c h y , H o d g e , C a r l M a y e r and B r a u n )

30»

Simpson,

i n leisten je«

Krankheiten des Utero».

468

«acht. Alle diese „ K n i c k n n g s - I n s t r u m e n t e " sind, sofern sie sieht mit grösster Voriicht angewandt werden, gefährlich wegen der durch sie bedingten mechanischen Insultation des Uterus; denn das wesentliche Stück ist bei allen ein in die Höhle des Dieras einzuführender und dort dauernd verweilender Zapfen oder Stab, welcher an einer Art von Pessarium befestigt ist. Die Anwesenheit eines fremden Körpers im Uteras ist also mit ihrer Anwendung notbwendig verbunden. Mit den angeblichen dauernden Erfolgen, die man ihnen nachgerühmt h a t , siebt e s , nach S c a n i o n i , höchst misslich aus. Nützlich soll, nach seinen Erfahrungen, namentlich bei Anteflexion eine massig fest angelegte L e i b b i n d e sein, welche um die Hüften herum fest angezogen, mittelst einer oberhalb der Schoossbeine anliegenden gepolsterten Pelotte, die das Hypogastrium füllenden Darmscblingen nach Hinten dringt. Die günstige Wirkung dieser Binde erklärt S c a n z o n i einerseits aus der, durch sie bewirkten Behinderung ausgiebiger Darmbewegungen, durch welche der Uterus sonst iosullirt werde, inderer Seits aus der Verdrängung der Darmschlingen in den D o u g l a s ' s e h e n Raum, wo sie (bei A n t e f l e x i o n , auf welche diese Erklärung berechnet ist) einen nützlichen Druck auf dia Portio vaginalis ausüben könnten.

Viertes Capltel. V e r l e t z u n g e n . Die am Uterus vorkommenden Verletzungen entstehen theils durch äussere Gewalt (Quetschungen, Ausdehnung

(Zersprengungen,

Wunden),

theils durch Übermässige

Rupturen).

Beide kommen fast nur

am Uterus gravidus vor, da der leere Uterus eine so geschützte Lage hat, dass er, abgesehen von der Einführung der Sonde und der Verwundung

des Collum

uteri

durch

chirurgische

Operationen,

ohne

gleichzeitige Verletzung anderer viel wichtigerer Organe garnicht getroffen werden kann.

In seltenen Fällen kamen Verletzungen an dem

Uterus v o r ,

er durch Ansammlung seines Secrets

nachdem

ausge-

dehnt worden war (Hämatotnctra, Hydrometra). Bauchwunden,

welche im Bereich des Uterus gravidus Uber

die Dicke der Bauchwand hinaus eingedrungen sind, mUssen, voraussichtlich

auch

diesen

selbst

verletzt

Bauchwand unmittelbar anliegt.

haben,

da er

der

Sicher ist die Diagnose,

der Wunde Liquor amnii (mit Blut gemischt) ausfliesst.

vorderen wenn aus

Die Blutung

kann sehr verchieden stark sein, je nachdem zufällig mehr oder weniger starke Uterin-Gefässe, vielleicht auch die Stelle der Placenta, getroffen wurden.

In letzterem Falle kann, sofern die Placenta nicht gänz-

lich durchbohrt, das Amnion also unverletzt geblieben, das Ausiiiessen von Fruchtwasser ganz fehlen und die Blutung sehr heftig und andauernd

sein;

denn

gerade

der Placentarthcil

des Uterus vermag

sich am Wenigsten zusammen zu ziehen, und nur von der Zusammen-

469

Verletzungen.

Ziehung des Uterus ist die Stillung der Blutung zu erwarten. In seltenen Füllen sah man, selbst nach Entleerung einer ansehnlichen Quantität von Fruchtwasser, jedoch nur bei sehr kleinen Wunden, Heilung erfolgen und auch das Kind am Leben bleiben. Gewöhnlich stellen sich auch unter den günstigsten Verhältnissen Wehen ein, durch welche das Kind, gleichgültig auf welchem Stadium der Entwickelung, ausgetrieben wird. Aus grösseren Wunden strömen Fruchtwasser und Blut reichlich in die Bauchhöhle, da sie durch die Zusammenziehungen des Uterus ihrer Grösse wegen nicht geschlossen werden können und anderer Seits schon nach geringfügiger Entleerung die Uteruswunde der Bauchwunde nicht mehr entspricht. Unter solchen Verhältnissen erfolgt dann fast immer schnell, gewöhnlich viel frUher als Peritonitis sich entwickelu konnte, der Tod. In der H a l l e r ' s c b e n Sammlung wird nachstehender Fall e r z i b l t .

Einer F r a o

w u r d e durch das Horn eines Stiers der Leib aufgerissen, d e r Fötus Bei auf die Erde, w u r d e aber durch die Wunde nieder

in den Uterus zurückgebracht; es erfolgte nicht

blos Heilung, sondern auch die ganz natürliche Geburt eines gesunden Kindes.

Diese

völlig unglaubwürdige Erzählung lässl auch die übrigen Fälle, welche io dieser S a m m lung enthalten sind, verdächtig erscheinen.

Eine Kugel dringt durch den Uterus, ver-

letzt den Fötus a n der S c h u l t e r ; die Geburt erfolgt, Mutter und Kind bleiben am Leben.

Ein Messerstich dringt durch

und doch verlauft Alles glücklich.

die Bauch wand bis in

den Schädel des Fötus

Dagegen sab C a s t e l n a u (Compt. rend, de la Soc.

a n a l o m . de Taris, XIX. année) eine Frau an

Peritonitis sterben, welcher durch rohe

Manipulationen, die in der Absicht Abortus hervorzurufen vorgenommen worden waren, im 4. Schwangerschafts-Monate der Grund des Uterus mit einem in den Muttermund eingeführten Instrumente durchbohrt worden war.

Vgl. auch die Note zn Cap. I.

Auch die Fälle von k ü n s t l i c h e r E r ö f f n u n g d e s U t e r u s g r a v i d u s den

Kaiserschnitt

( S e c t i o c a e s a r e a ) kann man hierher rechnen.

die Aufgabe des O p e r a t e u r s , die Blutung überhaupt

durch

Dabei ist es eben

so viel als möglich zu vermeiden

nnd jedenfalls, durch die auf die Bauchwand drückenden

Hände des Assistenten, da-

f ü r zu s o r g e n , dass weder Blut noch Fruchtwasser in die Peritonealhöhle Glessen u n d dass anderer Seits keine Darmschlingen prolabiren können.

Ueberdies

wird hier die

Blutung durch die Zusammenziehungen des Uterus, der unmittelbar nach d e r Eröffnung auch völlig entleert wird, viel sicherer gestillt, als es bei einer zufälligen Verletzung, nach welcher der Uterus noch grössten Tbeils gefüllt bleibt, geschehen kann. der Placenta kann m a n , selbst wenn sie nach Vorn liegt, umgeben, oder

Die Stelle man kann,

wenn dies nicht gelingt, die Placenta sofort und noch vor dem Kinde herausnehmen.

Als Typus der Z e r s p r e n g u n g e n (Rupturen) des Uterus sind diejenigen zu betrachten, welche während der Geburt vorkommen. Sie sind allerdings auch bis zum 4. Monate der Schwangerschaft, sowie bei anderweitigen Ausdehnungen des Uterus beobachtet worden, aber äusserst selten. Jedenfalls ist die Ausdehnung das wesentlichste prädisponirende Moment. Demnächst wird die Zerreissung durch eine vorangegangene Entzündung begünstigt; die unmittelbare — und

470

Krankheiten des Uterus.

meist, sofern nur Ausdehnung besteht, auch ohne alle weitere Prädisposition— wirksame Veranlassung geben aber: 1) k r ä f t i g e a b e r e r f o l g l o s e W e h e n (bei Versperrung oder Verengerung der Geburtswege, fehlerhafter Lage des Kindes etc.), 2) ä u s s e r e G e w a l t e n , welche entweder a) d u r c h die B a u c h w a n d hindurch (Stoss, Quetschung), und zwar gewöhnlich nach Art des Gegenschlags bei Knochenbrüchen, an der, der Einwirkungsstelle diametral entgegengesetzten Stelle des Uterus, oder b) v o n I n n e n her (gewaltsame Wendung u. dgl. m.) einwirken können. Die Z e r s p r e n g u n g des Uterus d u r c h s e i n e e i g e n e n C o n t r a c t i o n e n erfolgt meist in seinem unteren Abschnitte. Durch äussere Gewalt wird häufiger eine Zerreissung am Uteruskörper veranlasst. Die Gefahr beruht wesentlich auf der Eröffnung der Peritonealhöhle, der inneren Blutung, dem Austreten des Kindes in die Bauchhöhle, dem Eindringen von Darmschlingen in die Uteruswunde. Gewöhnlich verlaufen solche Fälle tödtlich; jedoch hat man sogar das Austreten des Kindes in die Peritonealhöhle glücklich enden sehen. Es kann, nachdem die heftige und höchst gefährliche Peritonitis abgelaufen ist, eingekapselt, Jahre lang dort verweilen und es kann inzwischen sogar wieder Schwangerschaft Statt finden. Die Ausstossung kann durch die Bauchwand, den Mastdarm, durch die Vagina erfolgen, natürlich immer unter höchst lebensgefährlichen Vorgängen. Die B e h a n d l u n g ist im Allgemeinen nach den für die penetrirenden Bauchwunden (Bd. III. pag. 655 u. flgd.) gegebenen Vorschriften einzuleiten. Ein ausgetragenes und nach Ausweis der Auscultation noch lebendes Kind muss sofort durch Laparotomie zu Tage gefördert werden. Beim Austritt einzelner Kindestheile kann man in seltenen Fällen die Geburt vielleicht noch per vaginam schnell zu beenden suchen. Geschah die Ruptur in früheren SchwangerschaftsMonaten, so kann man, in der Hoffnung auf Einkapselung, operative Hülfe unterlassen. Die B u p t u r d e s ' n i c h t s c h w a n g e r e n U t e r u s kann nur in Betreff der nachfolgenden Peritonitis eine besondere Behandlung erfordern.

Z e r r e i s s u n g e n u n d s t a r k e Q u e t s c h u n g e n des C o l l u m u t e r i (d. h. der ihm entsprechenden Region) bei einer schweren Entbindung können sich gleichzeitig auf die Blase erstrecken und dadurch (wie bei den analogen Verletzungen der Vesico-Vaginal-Wand pag. 412 u. f. erläutert wurde) zur Entstehung einer Vesico-Uterin-Fistei Veranlassung geben. Die Grenze zwischen diesen und den BlasenScheiden-Fisteln ist nicht immer leicht zu ziehen. Es kann nämlich eine Fistel, welche die Blase blos mit der Vagina in Verbindung setzt,

471

Verletzungen.

doch unter Betheiligung des Uterus gebildet sein. Dies ist sehr einleuchtend, wenn der vordere Umfang der Portio vaginalis (die vordere Muttermundslippe) mit der benachbarten Vesico-Vaginal-Wand zugleich zerstört wurde, — tiefe B l a s e n - G e b ä r m u t t e r - S c h e i d e n - F i s t e l . Die sogenannten o b e r f l ä c h l i c h e n B l a s e n - G e b a r m u t t e r - S c h e i d e n - F i s t e l n , an deren Bildung der Uterus nur in sofern betheiligt ist, als die vordere Muttermundslippe den hinteren Rand der Fistelöffnung ausmacht, schliessen sich sogar ganz unmittelbar an die gewöhnlichen Vesico-Vaginal-Fisteln an (vgl. pag. 417). Sehen wir von diesen letzteren ab, so kann die Heilung durch Anfrischung und Naht nur in der Weise geschehen, dass zugleich ein Verschluss des Muttermundes herbeigeführt wird und die Communication des Uterus mit der Blase bestehen bleibt. Bei V e s i c o - U t e r i n - F i s t e l n werden beide Muttermundslippen, nöthigen Falls nach vorheriger querer Dilatation des Muttermundes, angefrischt und zusammengenäht. Bei den t i e f e n B l a s e n - G e b ä r m u t t e r - S c h e i d e n - F i s t e l n wird die hintere Muttermundslippe in den bestehenden Defect eingeheilt (Jobert). Die P r o g n o s e ist in allen diesen Fällen relativ gtlnstig fUr die O p e r a t i o n , wegen der grösseren Aussicht auf Verwachsung nach A n f r i s c h u n g und Z u s a m m e n h e f t u n g der relativ dicken Muttermundslippen. — Auch durch K a u t e r i s a t i o n , namentlich mit dem GlUheisen, ist die Heilung der Fisteln gerade in dieser Region öfters gelungen. D i e f f e n b a c h erwähnt dies namentlich flir diejenige Art, bei welcher durch einen winkligen Riss ein Theil der Portio vaginalis abgelöst und mit dem vorderen (unteren) Fistelrande in Zusammenhang geblieben ist.

Ffinfte« Capltel. E n t z ü n d u n g

1

) .

Die Entzündung des Uterus zeigt in mehrfacher Beziehung wesentliche Differenzen. Sie kann acut oder chronisch verlaufen, Vorzugsweise die Schleimhaut oder den Bauchfell-Ueberzug, nebst den benachbarten Falten desselben, namentlich die Ligamenta uteri lata, oder endlich das Muskelgewebe, das eigentliche Parenchym des Uterus, ergreifen. Hieraus ergeben sich die Unterschiede der Metritis ' ) Wir schliesscn die im Wochenbett auftretenden Entzündungs-Formen hier ganz aas und werden überhaupt nur auf die, einer chirurgischen Behandlung bedürftigen Arten der Metritis eingehen, da dieselbe allgemein in den Lehrbüchern der speciellen Pathologie und Therapie berücksichtigt wird.

472

Krankheiten dei Uterus.

acuta u n d chronica, ferner der B l e n n o r r h o e (oder des Katarrhs) des Uterus (der Metritis mucosa), der P e r i m e t r i t i s und der M e tritis parenchymatosa. Endlich ist es von Belang, ob die E n t z ü n d u n g sich auf das Collum uteri beschränkt oder den Körper des Uterus ergreift; jedoch scheinen meist beide Theile zugleich, w e n n auch der eine oder der andere vorwiegend, zu leiden. I.

Blennorrhoe de* Uterus, Metritis mucosa.

Bei Weitem am Häufigsten kommen Blennorrhöen des Uterus vor, — wegen der reizenden Eigenschaften des stark alkalischen Secretes, fast immer von Vaginal-Blennorrhoe begleitet. Der Acliologic nach unterscheidet, man 3 Formen der UterinBlennorrhoe, j e n a c h d e m sie 1) selbstständig in Folge von Erkältungen u n d Durchnässungen oder durch Uebertragung eines Contagium (gonorrhoische Blennorhoe), oder 2) als die Folge einer anderweitigen E r k r a n k u n g des Uterus, namentlich bei einer Metritis parenchymatosa oder bei der Entwickelung von Neubildungen in der Höhle des Uterus auftritt, oder endlich 3) von einem Allgemein-Leiden, n a mentlich von Chlorose oder Scropheln abhängig ist. Geneigtheit zur Blennorrhoe besteht von dem Beginne der Pubertät bis zu den klimakterischen Jahren, vorzugsweise aber unmittelbar vor und unmittelb a r nach j e d e r Menstruation, wo geringfügige Veranlassungen hinreichen, u m die Blennorrhoe wenigstens f ü r einige Tage herbeizuführen. Die Dinguose ist mit Hülfe des Speculum nicht schwierig. Die Portio vaginalis erscheint lebhaft geröthet, aufgewulstet, die Muttermundslippen sind nach Aussen umgeworfen ( E k t r o p i u m d e r M u t t e r m u n d s l i p p e n ) und mit oberflächlichen Geschwüren (Excoriationen) besetzt. Beseitigt man durch Einspritzungen und Abtupfen sorgfältig das reichliche Vaginal-Secret, so sieht man aus dem Orificium uteri einen, dort fest adhärirenden, perlgrauen oder gelblich-weissen Schleimpfropf h e r v o r r a g e n , nelien weichein oft auch eitrige Flüssigkeit hervorquillt. Immer finden sich Störungen der Menstruation, Uterinkolik, weiterhin auch Verdauungsstörungen mit kardialgischen Beschwerden. Durch letztere, sowie durch den fortdauernden Säfteverlust, welchen die massenhafte Uterin-Secretion bedingt, leidet nach u n d nach die ganze E r n ä h r u n g in hohem Grade. Die T h e r a p i e kann n u r i m A n f a n g e m i t S i c h e r h e i t einen g ü n s t i g e n E r f o l g versprechen. Dann sind Blutentziehungen an der Portio vaginalis, milde, später adstringirende Sitzbäder u n d Einspritzungen in die Vagina, der längere Gebrauch von milden Abführmitteln, namentlich salinischen Mineralwässern zu empfehlen. Weiter-

473

Metritis mocosa.

hin bandelt es sich wesentlich darum, einer Seits die Verdauung und die Kräfte, namentlich durch leichte Eisenpräparate und Bäder, zu heben, anderer Seits die Schleimhaut des Uterus d i r e c t mit den bei der Vaginal-Blennorrhoe empfohlenen Mitteln zu behandeln. Einspritzungen in die Vagina reickcn zu diesem Behuf nicht aus. entweder mit dem durch eine machen.

Höllensteingriffel in den Caoal des

lange Canüle E i n s p r i t z u n g e n

Zu*letzteren

Uterin-Koliken

entscbhesst

in

die

man sich nicht

Man m u s s

Collum

uteri eingehen,

Höhle

des

leicht,

weil

sie

Uterus

oder seihst

häufig heftige

zur Folge haben und selbst eine gefährliche Metritis erregen k ö n n e n .

Die Besorgniss, dass die iojicirte Flüssigkeit durch

die Tuben

gelangen und dort eine tödtliche Peritonitis erregen k ö n n t e ,

in die Peritonealhöhle

erscheint gerade bei der

Blennorrhoe nicht begründet, weil das Oslium uterinum tubae durch die geschwollene Schleimhaut voraussichtlich versperrt ist.

II.

Hetrltte

parenchymatös».

Aeliologie. Die Entzündung der Muskelsubstanz des Uterus beginnt abgesehen vom Wochenbett, als a c u t e Krankheit am Häufigsten zur Zeit der Menstruation oder unmittelbar vor deren zu erwartendem Eintritt, in Folge heftiger Erkältung oder grosser Aufregung in der Genital-Sphäre, sei es durch GemUthsbewegungen oder Anwendung sogenannter Emmenagoga, namentlich auch heisser Sitzbäder und Injectionen. Unmittelbare Beizung des Uterus durch Instrumente und Injectionen können denselben Erfolg haben. Die c h r o n i s c h e Form, der sogenannte c h r o n i s c h e G e b ä r m u t t e r - I n f a r c t , ist zuweilen der Ausgang der acuten Metritis, häufiger wird sie durch fortgesetzte Beizungen des Uterus, durch Neubildungen in seiner Höhle, durch Fehler der Form und Lage (vgl. „Knickungen") u. d^l. m. veranlasst. Nicht selten bleibt chronische Metritis * nach Abortus zurück, selbst wenn keine acute Metritis auf diesen gefolgt war, zuweilen auch nach einem gewöhnlichen Wochenbett, namentlich wenn die Lactation frühzeitig unterdrückt wurde. Symptome- Die a c u t e F o r m zeichnet sich Anfangs in ihren Erscheinungen vor anderen acuten Entzündungen oft nur durch den charakteristischen Sitz des Schmerzes und des Gefühls von Hitze aus. Ersterer wird durch jede Berührung des Fundus wie der Portio vaginalis heftig gesteigert. Fast immer besteht Harn- und Stuhlzwang. Jedoch kann letzterem Diarrhoe (meist auch Erbrechen) vorangehen. Die Schleimhaut der Vagina erscheint trocken und intensiv roth (sofern die Schmerzhaftigkeit die Untersuchung gestattet). Die zu erwartende Menstruation bleibt aus, oder tritt (viel seltener) in Form einer Metrorrhagie auf (Metritis haemorrhagica). Entstand die Entzündung während der Dauer der Menstruation, so wird diese fast

474

Krankheiten d e s Uterus.

immer u n t e r d r ü c k t .

Die E n t z ü n d u n g kann

sich auf das b e n a c h b a r t e

P e r i t o n e u m ausbreiten, bei g r o s s e r Heftigkeit auch zu A b s c e s s b i l d u n g führen; nach

meist

wird

sie

8 Tagen Fieber,

Entleerung

von

j e d o c h allmälig Schmerzen

und

sedimentreichem

rückgängig,

so dass schon

Hitze nachlassen

Harn

und

und

reichlicherem

unter

Vaginal-

S e c r e t d a s Wohlbefinden, bis auf ein Gefühl von S c h w e r e i m B e c k e n und eine B e h i n d e r u n g bei der E n t l e e r u n g des Darmes und d e r Blase, sich w i e d e r einstellt. Letztere Beschwerden nannten c h r o n i s c h e n des

Volumens

der

sind

dann

schon

der A n f a n g

des

Gebärmutter,

und

nach

wird

die

jede Körperbewegung,

einiger

Zeit

oft

Empfindlichkeit des Uterus so g r o s s ,

dass

s c h o n die blosse aufrechte S t e l l u n g ,

unerträglichen S c h m e r z

rufen.

Die K r a n k e hat dabei das G e f ü h l ,

B e c k e n herausfallen.

Gewöhnlich

als wolle Etwas a u s dem

v e r s t o p f u n g u n d weiterhin Störung der gesamniten V e r d a u u n g , und

die

mannigfachsten

hervor-

besteht zugleich h a r t n ä c k i g e S t u h l -

schliesslich die E r n ä h r u n g untergräbt. Habitus

soge-

I n f a r c t s ; sie steigern sich mit der Z u n a h m e

Daher

nervösen

dann

Zufälle.

welche

der chlorotische Unter

letzteren

sind namentlich der Pruritus vulvae, der Kreuzschinerz, die C o c c y g o d y n i e , d e r Eierstoeksschmerz h e r v o r z u h e b e n . c h r o n i s c h e n Metritis bedingt Störungen

Jeder höhere Grad

der Menstruation.

der

Meist tritt

sie z u spärlich und mit auffallend g r o s s e n Beschwerden, z u w e i l e n auch in s e h r auf.

grossen Z w i s c h e n r ä u m e n

Mit dem

Blute

werden

und

d e r a b n o r m dicken Menstrual-Decidua) F ü r die

Diagnose

dann

zuweilen

ungewöhnlich

membranöse

Fetzen

reichlich (Stücke

entleert.

der c h r o n i s c h e n

Metritis, w e l c h e sich

aus

den a u f g e f ü h r t e n K r a n k h e i t s - E r s c h e i n u n g e n allerdings schon mit einiger W a h r s c h e i n l i c h k e i t ergiebt, sind alle die im ersten Capitel

geschilder-

ten U n t e r s u c h u n g s - M e t h o d e n a n z u w e n d e n .

ausgepräg-

ten Fällen

den F u n d u s uteri

über

der

Man

findet

in

Symphyse prominirend,

Portio vaginalis tief, meist nach Hinten stehend, vergrössert, a b e r derb, — den

bis a u f die im U m f a n g e des Orificium häufig bestehen-

oberflächlichen

Geschwüre,

kann (vgl. Cap. VI.). die V e r g r ö s s e r u n g des kennen.

die

wulstig,

deren

Berührung

Blutung

erregen

Gelingt es die S o n d e einzuführen, so lässt diese verticalen Durchmessers

des Uterus leicht e r -

Die Unterscheidung des „ I n f a r c t s " von S c h w a n g e r s c h a f t er-

g i e b t sich in der R e g e l aus dem Verhalten der Portio v a g i n a l i s , bei letzterer

v e r k ü r z t und

aufgelockert

Möglichkeit einer V e r w e c h s e l u n g ,

ist.

Mit R ü c k s i c h t

m u s s vor der dreisten

d e r Uterin-Sonde dringend g e w a r n t

werden.

die

a u f die

Anwendung

Metritis parenchjmatosa.

475

Die Prognose der acuten Metritis ergiebt sich aus unserer obigen Darstellung. Der chronische Infarct gefährdet das Leben niemals, heilt aber nur höchst selten, wenn er sich selbst Uberlassen wird, und kann auch durch Kunsthülfe zwar wohl wesentlich gebessert, aber doch kaum jemals völlig beseitigt werden. Die Schwangerschaft wird insofern für ein Heilmittel gehalten, als während der Rückbildung des Uterus im Wochenbett auch die Resorption des Infarcts gelingen soll; nur kommt bei chronischer Metritis nicht leicht Schwangerschalt zu Stande, noch seltener zu normalem Ende. Auch von den klimakterischen Jahren erwartet man Hülfe, wenigstens Besserung, insofern die menstrualen Congestionen fortfallen. Die BehandlDUg muss bemüht sein, den Blutandrang zum kleinen Becken zu verhüten und die Resorption des im Uterus gesetzten Exsudates zu befördern. Beides sehr weit aussehende Aufgaben! In ersterer Beziehung empfehlen sich: dauernde horizontale Lage auf einer harten, kühlen Matratze, regelmässige Darmausleerungen, Vermeidung jeder geschlechtlichen Erregung. Zur Begünstigung der Resorption lässt man 4 — 6 Blutegel an die Portio vaginalis (durch ein gläsernes Speculum, dessen eine Oeflnung die Portio vaginalis genau aufnimmt, während man von der anderen her die Blutegel mit einem dicken Charpiepinsel einschiebt) alle 4 bis 14 Tage ansetzen und zugleich innerlich auflösende Mittel gebrauchen. In letzterer Beziehung sind namentlich die Jodhaltigen Mineralwässer, auch das künstlich dargestellte Jod-Sodawasser zu empfehlen. Von vielen Seiten wird das grösste Gewicht auf die, namentlich von K i w i s c h eingeführte, warme U t e r u s - D o u c h e gelegt. Dieselbe soll Wochen lang, Tag für Tag 1 0 - 1 5 Minuten, in einer Temperatur angewandt werden, die, je nach dem Blutgchalt des Uterus und je nach dem Grade der Reaction, welche auf ihre Anwendung folgt, zwischen 28 und 32 Grad wechseln soll. S c a n z o n i sah günstige Erfolge von der Anwendung lauwarmer Sitzbäder, Umschläge und Injectionen und glaubt, dass diese, wie die Wärme überhaupt, zur Verflüssigung des Exsudats beitragen; jedoch benutzt er gern dazu eine Jod- und Brom-haltige Flüssigkeit und lässt auch auf den Unterleib Jod-Tinctur aufpinseln und JodBrom-Kali-Salbe einreiben. Von grosser Bedeutung ist, da die Heilung jedenfalls sehr langsame Fortschritte macht, die s y m p t o m a t i s c h e Behandlung. In dem einen Fall werden stärkere Abführmittel, in dem anderen Narcótica, in vielen die Verbesserung der Ernährung und Blutbildung, namentlich durch Eisen-Präparate, indicirt sein.

476 III.

Hrankheiten de« ü t e r a i .

E n t z ü n d u n g de« B»uchfell-l'eti e r z ö g e » a n d d e r B K n d e r de* U t e r u s , Perimetritis').

Die Entzündungen des Bauchfell - Ueberzuges des Uterus und seiner nächsten Umgebungen können einen sehr verschiedenen Ausgangspunkt h a b e n , ohne dass es möglich wäre, diesen oder auch n u r die spezielle Begrenzung der Entzündung bei Lebzeiten genau zu erkennen. Die Ursachen sind im Allgemeinen die bei der Metritis erwähnten. Vorzugsweise häufig scheint Perimetritis nach übermässig oft wiederholten sexuellen Erregungen aufzutreten (daher: Colica scortorum). In der Regel geht die Krankheit aber nicht von dem Peritoneum primär aus, sondern von einer Lage-Veränderung, Degeneration oder Entzündung des Uterus, der Tuben oder Ovarien. Die Symptome sind daher auch ganz gewöhnlich diejenigen der eben erwähnten Krankheiten; die Perimetritis selbst veranlasst nur mehr oder weniger heftige, beim Druck stets zunehmende Schmerzhaftigkeit der leidenden Stelle und, sofern sie zur Bildung einer Geschwulst, namentlich bei Betheiligung des Bindegewebes der Ligamenta lata Veranlassung giebt, auch Erscheinungen von Compression der Becken-Organe, namentlich des Mastdarms und der Blase, auch wohl des Nervus ischiadicus. Alsdann findet man bei der inneren Untersuchung an der einen oder anderen Seite des Vaginalgewölbes eine Schwellung oder Härte, deren Berührung sebr empfindlich ist und in deren Umgebung die Temperatur der Vagina erhöht erscheint. In manchen Fällen lassen sich diese Veränderungen vom Mastdarm aus noch genauer erkennen. Demnächst erweicht dies Exsudat; unter den bekannten Störungen des Allgemeinbefindens entsteht Eiterung, und man fUhlt nun an der vorher harten Stelle Fluctuation. Weiterhin erfolgt dann, zuweilen ohne irgend welche gefahrdrohende Erscheinungen, der Durchbruch des Abscesses in die Vagina oder in den Mastdarm, selten (mit stets letalem Ausgang) in die Bauchhöhle und ebenso selten durch die vordere Bauchwand, wo dann eine heftige ' ) Ali . P e r i m e t r i t i s " fassen w i r , mit V e i t (I. c. pag. 2 7 9 ) , die „Metritis s e r o s a " anderer Schriftsteller und die „ E n t z ü n d u n g der Ligamenta l a t a " (nach

Bennet,

I. c. pag. 2 2 5 ) zusammen, wobei ausdrücklich bemerkt werden muss, dass unter dem letzteren Krankheitsnamen die Entzünduog des zwischen den serösen Platten der Ligamenta lata gelegenen wird.

Andere

nennen

gewebs-Entzündungen,

Bindegewebes

nach dem Vorgange von V i r c h o w ,

unterscheiden diese von der P e r i m e t r i t i s , betrifft.

(eine ächte Phlegmone) mitbegriffen

die in der Umgebung des Uterus vorkommenden BindeParametritis

welche einen Theil des

Wir ichliessen auch hier die puerperalen Erkrankungen aus.

und

Bauchfells

477

Perimetritis.

Phlegmone vorausgeht. Bei dem fast immer schleppenden und oft remittirenden Verlaufe der Krankheit kann es späterhin auch zu wiederholtem Durchbruch, sogar an verschiedenen Stellen kommen. Ist das Bindegewebe der Ligamenta lata an der Entzündung nicht betheiligt, so folgt auch keine Abscessbildung; dann entstehen Verwachsungen und Anlöthungen zwischen dem Uterus und den benachbarten Theilen, die wir als Ursachen der Lage-Veränderungen dieses Organs bereits pag. 450 u. f. kennen gelernt haben. Hieraus ergiebt sich denn auch die Prognose, selbst der milderen Fälle, als eine keineswegs günstige, wenngleich ein tödtlicher Ausgang, sogar unter den, an sich schon seltenen Fällen von acutem Verlauf noch selten ist, und fast nur nach Perforationen des Uterus oder seiner Adnexa vorkommt. Die Behandlung wird sich von derjenigen - der Metritis parenehymatosa nur in solchen Fällen unterscheiden, wo man auf den Ausgang in Suppuration von Anfang an gefasst sein muss, also bei der eigentlichen Phlegmone der breiten Mutterbänder. Fühlt man entschieden Fluctuation im Scheidengewölbe, so muss man punetiren; aber man hat nur selten dazu Gelegenheit ( B e n n e t ) . Die Hoffnung auf Zertheilung dürfte, wenn die Entzündung im Ligamentum latum ihren Sitz hat, selten in Erfüllung gehen, so dass es gewiss nicht gerechtfertigt wäre, in dieser Idee „grosse Aderlässe und Calomel bis zur Salivation" anzuwenden. Ist der Aufbruch erfolgt, so wird die Unterstützung der Kräfte zu der wichtigsten Aufgabe. AD die Entzfindnngen in der Vorgänge von V i r c h o w l a t o n («gl. d e s s e n

nach

dem

ßd. I. pag. 1 5 0 u. f.), die von

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77,22 33,22 31,48 28,78

3 7 8 5 '¿858 3 7 5 4 1305 3347 1040 1243 326

75,51 34,76 31,07 26,23

10931 5 0 7 8 4 6 , 4 6

12129 5529

45,58

3516 2715 3 2 7 8 1089 3091 973 1046 3 0 1

A m p u t a t i o n e n

30,00

4120

1456

35,34

1940

802

41,34

2180

654

Procentsatz der Mortalität. 49,03 27,21 25,85

Todesfälle. 784 406 266

Falle

Todesfälle.

1599 1492 1029

57,98 38,92 28,63

Procentsatz der Mortalität.

Falle.

Franz. H o s p i t ä l e r . . Englische Hospitäler Amerik. Hospitäler .

406 4 2 , 8 7 197 2 0 , 6 3 51 1 8 , 3 5

378 209 215

«ï b.

Summe.

947 955 278

652 537 751

der Beobachtung.

wegen Erkrankung od. Difformità!.

Procentsatz der Mortalität.

wegen Verletzung. Todesfälle.

O r t

I ndicationen.

Wir werden eine Amputation nur vornehmen, wenn wir hoffen können, durch dieselbe einen Krankheitszustand zu beseitigen oder zu verhüten, der an sich das Leben in höherem Grade gefährdet als die Amputation selbst, oder den Körper des Kranken in splchem Grade unbrauchbar macht, dass diesem der Genuss des Lebens dadurch, nicht Mos nach seiner individuellen Ansicht, sondern auch nach unserer ärztlichen Einsicht, völlig verkümmert wird. Während wir Gefahr und Vortheil der Amputation in jedem einzelnen Falle gegen einander abzuwägen suchen, werden wir in die Lage kommen können,

604

Amputationen und Resectionen.

zu einer bestimmten Zeit des Krankheitsverlaufes eine Amputation Air indicirt zu halten, die uns einige Tage vorher nicht indicirt zu sein schien. In anderen Fällen erschien die Erhaltung des Lebens ohne Amputation unmöglich, letztere wurde aber aus äusseren Gründen unterlassen, und dennoch gelang die Heilung. Die neueren Fortschritte der Diagnostik haben diese Unsicherheit der Indicationen wesentlich vermindert; aber noch immer muss anerkannt werden, dass absolute Bestimmungen auf diesem Gebiete nicht möglich sind, dass vielmehr die Individualität des Kranken (im weitesten Sinne), dabei von grösster Bedeutung i s t Den Indicationen gegenüber führt m a n auch C o n t r a i n d i c a t i o n e o solche sollen nämlich

diejenigen

Zustande angesehen

werden,

auf.

Als

welche es unmöglich

m a c h e n , den Zweck der Amputationen, d. b. die Heilung des Kranken zu erreichen. Da nun die Amputation doch n u r unternommen w i r d , um den Kranken zu heilen, s o leuchtet ein, dass sie in allen den Fallen,

in welchen vorauszusehen w a r ,

Heilung nicht erreicht werden

also

ü b e r h a u p t nicht indicirt war.

könne (wo

dass

die

bestanden),

Als solche Contraindicationen f ü h r t man a u f : 1) Allzu-

grosse örtliche Verbreitung des Uebels, so selben nicht ausreicht.

sog. Codtraindicationen

dass die Amputation

2 ) Innere Erkrankungen

zur Entfernung

(Allgeineinleiden und

des-

Erkrankungen

oder Verletzungen innerer Organe), auf welche die Amputation einen ungünstigen Einfluss

ausüben würde.

Dahin ist wohl auch

der sog. , Kräfte- und Säftemangel*

rechnen, so wie der auf grosse Verletzungen folgende W u n d s t u p o r , m a n nicht operiren soll.

zu

wahrend dessen

Manche führen auch als Contraindication a u f : „ w e n n das

Uebel sich durch mildere Mittel beseitigen l ä s s t . "

Nun, dann war eben die Amputa-

tion nicht indicirt.

Man kann die Indicationen zur Amputation zweckmässig in der Art eintheilen, dass man die Uebel, durch wclche sie nothwendig gemacht wird, in derselben Weise unterscheidet, wie wir die chirurgischen Krankheiten im Allgemeinen eingetheilt haben (vgl. Bd. I.). Hiernach haben wir es zu thun: I. mit E r n ä h r u n g s ' s t ö r u n g e n , oder II. mit F o r m f e h l e r n , oder III. mit V e r l e t z u n g e n . I. Unter den E r n ä h r u n g s s t ö r u n g e n geben nur die destructiven Processe und die Neubildungen zur Amputation Veranlassung. 1) Beim B r a n d e d e r W e i c h t h e i l e kann man von der Amputation nur dann Vortheil erwarten, wenn die Demarcationslinie sich bereits gebildet hat, oder wenn bestimmt vorhergesagt werden kann, in welcher Höhe sie sich bilden wird. Dabei wird natürlich vorausgesetzt* dass die brandige Zerstörung durch die ganze Dicke des Gliedes geht und die spotane Ablösung des brandigen Theils (ohne Amputation, — sogen. Selbstamputation) mit einer erschöpfenden Eiterung verbunden oder von einer zu dauerhafter Vernarbung nicht geeigneten Granulation gefolgt sein würde (vgl. Bd. I. pag. 298).

Amputationen.

605

Dass beim H o s p i t a l b r a n d e wegen der grossen Wahrscheinlichkeit der abermaligen Entuickelung dieses Uebels am Amputationsstumpfe die Amputation besser unterlassen wird, wurde bereits Band I., pag. 314 erwähnt.

2) C a r i e s u n d N e k r o s e d e r K n o c h e n an den Extremitäten, namentlich auch im Bereich der Gelenke, indiciren die Amputation, sofern sie durch die von ihnen abhängige Eiterung das Leben gefährden und weder durch pharmaceutische Mittel, noch durch anderweitige Operationen (Resection) in milderer, d. h. weniger gefährlicher und weniger verstümmelnder Weise beseitigt werden können. 3) A u s g e b r e i t e t e V e r e i t e r u n g e n und V e r s c h w ä r u n g e n im Bereich des subcutanen und intermuskulären Bindegewebes, bei denen wegen der massenhaften Eiterung ein tödtlicher 'Ausgang zu befürchten steht, sofern man nicht den ganzen erkrankten Theil beseitigt. 4) Alte U n t e r s c h e n k e l g e s c h w ü r e , die mit unsäglicher Mühe und grossem Aufwand von Zeit und Kosten geheilt, doch immer wieder in kurzer Frist aufbrechen, — eine höchst relative Indication, da dem Leben durch das Geschwür kaum Gefahr droht, während die Amputation entschieden lebensgefährlich ist. 5) N e u b i l d u n g e n a l l e r A r t 1 ) können, wenn zu ihrer operativen Entfernung Uberhaupt ein Grund vorliegt, auch zur Amputation die Aufforderung geben, sofern weniger gefährliche und weniger verstümmelnde Operationen zu ihrer Beseitigung nicht ausreichen. Ergiebt sich aus dem Sitz des Pscudoplasma die Unmöglichkeit das Glied zu erhalten nicht von vornherein ganz klar, so wird man immer den V e r s u c h machen müssen, ob nicht durch Exstirpation mit oder ohne Rcsection eines Knochenstuckes der beabsichtigte Zweck erreicht werden kann. Ergiebt sich während der Operation die Nothwendigkeit das Glied zu opfern, so geht man sofort zur Amputation Uber. Besonders hervorzuheben dürfte sein, dass die wegen b ö s a r t i g e r G e s c h w ü l s t e unternommenen Amputationen in Betreff der Prognose nicht blos das Loos der gegen Krebs gerichteten Operationen Uber1) Ausser den eigentlichen Gewachsen sind hierher zu zahlen: E l e p h a n t i a s i s , A n e u r y s m e n und andere G e f ä s s g e s c h w ü l s t e . Auch G e l e n k t f ä n s e sind von Einzelnen als Grund für die Amputation aufgeführt worden, sofern die Extremität durch sie unbrauchbar würde. Dabei ist aber wiederum zu erwägen, dass Lebensgefahr aus Gelenkmäusen niemals entsteht und dass die Functionsstörungen, welche von Gelenkmausen veranlasst werden, voraussichtlich durch Apparate, welche das erkrankte Gelenk in der relativ günstigsten Stellung fiiiren, erheblich vermindert werden können.

606

Amputationen und Resectionen.

haupt theilen, sondern auch in besonders hohem Grade gefährlich zu sein scheinen. II. Bei F o r m f e h l e r n ist die Indication zum Amputiren noch viel mehr relativ, als bei den unter I. aufgeführten Ernährungsstörungen. Dort handelte es sich um eine das Leben bedrohende-Erkrankung, gegen deren Gefahr die Gefahr der Operation abgewogen werden musste; hier dagegen ist von Gefährdung des Lebens durch das bestehende Uebel gar nicht die Rede, und das ganze Gewicht der durch die Amputation bedingten Gefahr kommt also zur Geltung. Allerdings giebt es Fälle, in denen die Eigenthüinlichkeit der Missbildung es mit sich bringt, dass die Gefahr der Amputation eine äusserst geringfügige wird, so namentlich bei überzähligen Fingern und Zehen; dies sind jedoch immer nur Ausnahmen. Im Allgemeinen wird man, sobald durch die vorzunehmende Amputation irgend ein Theil des normalen Skclets entfernt werden soll, gegenüber dem Wunsche des Patienten, von seiner Difformität befreit zu werden, die Gefahr des operativen Eingriffs dringend zur Geltung bringen müssen. Zum Glück haben die Fortschritte der Chirurgie in den letzten Jahrzehnten gerade auf diesem Gebiete die Herrschaft der Amputationen mächtig verdrängt. Während früher Contracturen und Ankylosen, namentlich Klumpfüsse und Ankylosen im Kniegelenk, eine fast allgemein anerkannte Indication zum Amputiren abgaben, gelangt man heutzutage in der grossen Mehrzahl der Fälle zur Heilung der gedachten Uebel ohne Verstümmelung. Es versteht sich also von selbst, dass wir in jedem einzelnen Falle, selbst wenn der Patient die Amputation wünschen sollte, uns dazu doch nur dann verstehen dürfen, wenn die Unmöglichkeit oder Erfolglosigkeit einer orthopädischen Behandlung erwiesen ist und ein höherer Grad von Brauchbarkeit der Extremität durch die Amputation voraussichtlich erreicht werden kann. Unter diesen Bedingungen können 1) C o n t r a c t u r e n (namentlich durch verkürzte Narben),. 2) A n k y l o s e n , 3) P s e u d a r t h r o s e n , 4) ü b e r z ä h l i g e T h e i l e an e i n e r E x t r e m i t ä t als Indicationen zur Amputation aufgeführt werden. III. Unter den V e r l e t z u n g e n können: 1) V e r g i f t e t e W u n d e n , in der bei Beschreibung derselben (Band I.} genauer erläuterten Weise, die Amputation indiciren. 2) V e r b r e n n u n g e n und E r f r i e r u n g e n indiciren die Amputation nur, insofern sie Brand zur Folge haben und daher auch nur unter denselben Bedingungen, die oben beim Brande angegeben wurden. Spricht man von „ A m p u t a t i o n b e i V e r l e t z u n g e n " schlechtweg, so denkt man dabei gewöhnlich nur an die grossen Verletzungen

Amputationen.

607

d u r c h m e c h a n i s c h e G e w a l t , und gerade bei diesen ist die Amputationsfrage allerdings besonders schwierig und besonders wichtig, Wir müssen uns nämlich zur Amputation entschliessen: 3) W e n n ein T h e i l d e r E x t r e m i t ä t v ö l l i g o d e r d o c h b i s a u f e i n e g e r i n g e Dicke d ¿ r W e i c h t h e i l e a b g e r i s s e n ist. Hier kann, mit Ausnahme der später besonders zu erläuternden Verletzungen an den Fingern, von Erhaltung des abgetrennten Theils gar keine Rede sein; es handelt sich nur darum, die Trennung nöthigen Falls zu vervollständigen und die Wunde zu einer möglichst reinen und einfachen umzugestalten (vgl. Schusswunden, Bd. I.). 4) Bei gänzlicher Z e r m a l m u n g eines Theils, namentlich auch der Knochen. 5) Bei ausgedehnter S p l i t t e r u n g d e r K n o c h e n mit g l e i c h z e i t i g e r , der K n o c h e n v e r l e t z u n g entsprechender V e r w u n d u n g der Weichtheile, welche, wenn auch v i e l l e i c h t Erhaltung des Lebens, doch Heilung der Fractur und Brauchbarkeit der Extremität nicht erwarten lässt. Dies gilt namentlich auch für viele Knochenverletzungen im Bereich der Gelenke, sofern die zersplitterten Knochen nicht durch die Resection beseitigt werden können. 6) Bei W u n d e n d e r W e i c h t h e i l e m i t Z e r r e i s s u n g d e r g r o s s e n G c f ä s s - u n d N e r v e n s t ä m m e , namentlich sofern es sich um gequetschte oder gerissene Wunden handelt, die wegen der nachfolgenden entzündlichen Schwellung auf Wiederherstellung des collateralen Kreislaufs keine Aussicht gewähren. Hierher gehören auch Fälle von sogen, p r i m ä r e n t r a u m a t i s c h e n A n e u r y s m a , sofern die Entleerung der Gerinnsel und die Ligatur der verletzten Gefiissc zur Erhaltung des Gliedes nicht ausreicht (vgl. Bd. II.). Alle die aus mechanischen Verletzungen abgeleiteten Indicationen ergeben sich besonders häufig bei S c h u s s w u n d e n . Aus diesem Grunde werden von manchen Seiten „Schusswunden" unter den Indicationen zur Amputation besonders aufgeführt. In der That kommt es aber nicht auf die specifische Aetiologie der Verletzung, sondern auf ihre specielle Beschaffenheit an. Zeit und Ort der A u s f ü h r u n g .

Mit Bezug auf die letzte Reihe der Indicationen haben rör den Unterschied der p r i m ä r e n und s e c u n d a r e n , oder der F r ü h - und S p ä t - A m p u t a t i o n e n klar zu machen. Wird nach einer schweren Verletzung die Nothwendigkeit der Amputation sofort erkannt und diese auch, bevor der auf die Verletzung folgende Krankheitsprocess sich in merklichem Grade entwickelt hat, ausgeführt, so heisst die Opera-

608

Amputationen uod Resectionen.

tioneine F r ü h - A m p u t a t i o n , A m p u t a t i o p r i m a r i a . Führt man dagegen die Operation erst im weiteren Krankheitsverlaufe aus, so heisst sie S p ä t - A m p u t a t i o n , A i n p u t a t i o s e c u n d a r i a . Eine Zeit lang glaubte man die Chirurgen in zwei Parteien sondern zu können, je nachdem sie der Früh- oder der Spät-Amputation gewogen wären. Eine solche Scheidung ist heutzutage nicht mehr möglich; Niemand wird sagen: „dies ist ein Amputations-Fall, aber ich werde erst später amputiren", und ebensowenig wird man die Amputation, wenn sie auch Anfangs durchaus nicht indicirt zu sein schien, später unterlassen, wenn unerwartete Veränderungen im Krankheitsverlauf sie nothwendig machen. Jeden Falls sucht die neuere Chirurgie zu erhalten, was sich irgend erhalten lässt. Man kann die Wundärzte nicht mehr in Vertheidiger der Amputation und Anhänger der conservativen Methode eintheilen. Im einzelnen Falle können Meinungsdifferenzen bestehen; in dem Princip der Erhaltung sind Alle einverstanden. Die Einführung der Resectionen, die besseren Verbände (namentlich die Guttaperchaund die Gyps-Verbände), endlich die besseren Transportmittel für Verwundete im Frieden wie im Krieg haben das Feld der Amputationen bei grossen Verletzungen sehr crheblich beschränkt. Aber trotz aller Fortschritte, welche die Kriegsheilkunst in den letzten Jahrzehnten gemacht hat, und trotz der wichtigen Verbesserungen, welche daraus für die erste Pflege und den Transport der auf dem Schlachtfelde Verwundeten hervorgegangen sind, müssen doch unmittelbar nach einer Schlacht viel mehr primäre Amputationen gemacht werden, als bei gleichen Verletzungen in der Civil-Praxis. Die Erschütterungen beim Transport und die, wegen der Masse der Verletzten, in der ersten Zeit nach einer Schlacht (trotz aller Vermehrung des ärztlichen Personals durch Anordnungen des Staats und durch Bemühungen der Hülfsvereine) immer unzureichende ärztliche Hülfe, bedingen diesen traurigen Unterschied. Sind Hände genug zur Disposition, um alle die Verletzten, deren Glieder man erhalten zu können hofft, noch v o r dem Transport in (provisorische) Gypsverbände zu legen, so wird dadurch ein grosser Vortheil erreicht 1 ). Aber während und unmittelbar nach einem Treffen fehlt es meist an der hierzu erforderlichen Zahl von Aerzten und GehülTen. Hat man sich zur Amputation entschlossen, so muss man im Allgemeinen möglichst früh operiren, jedoch nicht während des Wundstupors. Die Aussichten auf Erhaltung des Lebens sind am zweiten ') Vgl. die Festrede dea Verf. „ ü b e r d i e c o n s e r v a t i v e R i c h t u n g d e r n e u e r e n Chirurgie",

Greifsnald 1855 (zweiter unveränderter Abdruck, Berlin 1861)

und S z j m a n o w s k i , der G y p s v e r b a n d , Petersburg 1857.

Amputationen.

609

Tage, namentlich wenn der Verletzte transportirt werden musste, schon ungünstiger, als am ersten, während der Zeit der beginnenden Entzündung (vom dritten bis fünften Tage) — sogen, i n t e r m e d i ä r e A m p u t a t i o n — noch schlechter, nach dem Eintritt der Eiterung (meist vom sechsten Tage an) wieder günstiger'). Bei Amputationen in der Civilpraxis t r i t t der Unterschied des Erfolges und secundärer Amputationen weniger deutlich hervor, weil auffordernden Verletzungen meist mit grösserer Erschütterung

hier

die zur

primärer

Amputation

des ganzen Körpers ver-

bunden und d a h e r f ü r den Erfolg der primären Amputation weniger günstig sind, während anderer Seils bessere Luft und l'degc — sofern sie n i c h t , wie leider in vielen Krankenhäusern, mangelhaft sind — die Nachtheile der Spätampulation etwas vermindern.

Die S t e l l e , an welcher amputirt werden soll, wird durch das indicirende Uebel nur selten vollkommen genau bestimmt. Dies ist der Fall, wenn dasselbe in der Nähe des Schulter- oder Hüftgelenks seinen Sitz hat, so dass nur die Exarticulation in diesen Gelenken Hülfe schaffen kann. Gewöhnlich aber hat der Operateur in einer gewissen Breite die Wahl des Operations-Ortes. Bei dieser Wahl müssen ihn folgende Rücksichten leiten: 1) die erkrankten oder zerstörten Gebilde sollen ganz entfernt, die Schnitte sollen in gesunden (s. unten) oder doch jedenfalls in lebensfähigen Theilen geführt werden; 2) die Amputation ist möglichst entfernt vom Rumpf vorzunehmen, weil die Gefahr der Operation mit der Grösse des abgeschnittenen Theils im Allgemeinen steigt (vgl. pag. 602). Es leuchtet ein, dass hierbei oft Collisiouen vorkommen müssen: man will möglichst viel von der Extremität erhalten und doch von den kranken Geweben fem bleiben. So zeigt sich namentlich bei grossen Verletzungen (Zermalmungen), wo man oft nicht genau weiss, wie weit sich die Splitterung der Knochen und — wenn dies auch durch exploratorisclic Einschnitte ermittelt werden kann — noch weniger weiss, wie weit sich die zur Eiterung oder gar zum Brande prädisponirende Erschütterung erstreckt hat, die Wahl der Operationsteile oft schwierig und kann nur bei sorgfältiger Erwägung der Grösse der veranlassenden Gewalt und der anatomischen Verhältnisse des verletzten Theils richtig ausfallen. — Eine f e s t e (entzündliche) I n f i l t r a t i o n , wie sie sich an Gliedern, die man der S p ä t a m p u t a t i o n unterwerfen muss, häufig in grosser Ausdehnung findet, lässt die Amputation an einer solchen Stelle, nach den Erfahrungen von P i r o g o f l " ) , denen ich die meinigen anreiben darf, — recht wohl zu, scheint sogar einen guten Erfolg zu begünstigen, indem durch die in solchen Theilen bestehenden Ver-

>) Vgl. S t r o m e y e r ,

Maximen der Kriegsheilkunst, I. pag. 2 9 4 u. f.

«) Grundzüge der allgem. Kriegschirurgie, Leipzig, 1 8 6 4 , pag. 7 0 9 . B a r d s i e b e n , Chirurgie. 6. Aull. IV.

39

610

Amputationen und Resectionen.

dichtungen der Gewebe eitrige Infiltration und acutes Oedem verhindert werden. Vorbereitungen und

Operationsacte.

Die Amputation erheischt alle diejenigen V o r b e r e i t u n g e n , welche bei einer grossen Operation überhaupt erforderlich sind (vgl. Prolegomena, Bd. I.). Die Amputntionsstelle muss also vorher gesäubert, n ö t i g e n f a l l s auch rasirt werden; der Kranke ist, wenn nicht besondere Gegengrilnde vorliegen, in Anästhesie zu \ersetzen, jedenfalls aber sicher zu fixiren; durch die Hand eines Gehülfen oder ein Tourniquet ist die Hauptpulsader des zu amputirenden Gliedes zu comprimiren'); ein Gehiilfe hält den abzuschneidenden, ein anderer den am Rumpfe zurückbleibenden Theil der Extremität"); kann man über einen vierten oder fünften Gehülfen disponiren, so reicht dieser dem Operateur die Instrumente. Letztere sind vorher sorgfältig zu ordnen. Man braucht grosse und kleine Messer, Unterbindungs-Pincetten, Ligatur- und Nahtfäden bei allen Amputationen, bei den Amputationen in der Continuität ausserdem gespaltene Compressen zum Zurückhalten der Weichtheile, eine Säge und zuweilen auch eine Knochenzangc. Der Operateur sucht eine solche Stellung einzunehmen, in der er seinen rechten Arm völlig frei bewegen und die im vorliegenden Falle nöthigen Schnitte möglichst bequem ausführen kann. In der Mehrzahl der Fälle ist bei den eigentlichen Amputationen diejenige Stellung die bequemste für den Operateur, bei welcher der zu ainputirende Theil für ihn nach Rechts abfällt, während man bei den Exarticulationen sich meist am Besten so stellt, dass man gerade auf die zurückzulassende Gelenkfläche hinsieht. Die Operation selbst durchläuft unter allen Umständen z w e i Acte: 1) die T r e n n u n g d e r W e i c h t h e i l e und 2) die T r e n n u n g d e r K n o c h e n . Letztere geschieht bei der eigentlichen Amputation mit der Säge, bei der Exarticulation mittelst Dtirchschneidung der Gelenkbänder, denen man hier die Muskeln, Sehnen, Ccfässe, Nerven, Häute, als die im ersten Act zu trennenden „Weichtheile im engeren Sinne des Worts", entgegensetzt. Während die Ausführung des zweiten Actes sich im Wesentlichen gleich geblieben ist, haben die V o r b e r e i t u n g e n zur Operation und ' ) Um auch einem uonötbigen Verlust an v e n ö s e m Blut vorzubeugen, wickelt man bei blutarmen Kranken (sofern der Zustand des abzuschneidenden Theils es gestattet) die ganze, vorher stark emporgehobene Extremität von Unten auf mit einer Rollbinde fest ein, wodurch die Venec möglichst entleert werden. *) Wird a n der unteren Extremität operirt, so ist auch für das Fixiren des gesunden Beines ein Gehiilfe nöthig.

611

A'mpiitationen.

der e r s t e A c t

mannigfaltige

Abiinderungen

erfahren,

die wir mit

Berücksichtigung der historischen Verhältnisse zunächst erläutern wollen, Historische

Uelicrsicht

) M i c h a e l J ä g e r , in R u s t ' s Handbuch Bd. V. pag. 5 5 0 - 0 9 4 *) C a j e t a n T e x t o r ,

der Chirurgie,

und Artikel E x c i s i o o s s i u m ,

über Wiedercrzeuguog

der Knochen nach

Menschen-, nebst Uebcrsicht aller seit 1 8 2 1 sectionen.

Würzburg,

Artikel

im

Decapitatio,

Dd. VI. pag. 4 8 1 - 5 0 4 . Resectionen beim

J u l i u s - H o s p i t a l e gemachten Re-

184?.

*) F r a n z R i e d , die Resectionen mit besonderer Dcrücksichtigung der von M. J ü g e r ausgeführten Operationen. 4

Nürnberg, 1847.

) Vgl. E s m a r c h , die Resectionen bei Schusswnnden.

Kiel, 1 8 5 1 , Tgl. ferner die

«aromtl. Jahrgänge der „Deutschen Klinik" und L a n g e n b e c k ' s *) Vgl. E s m a r c h

Archiv.

I. c. und S t r o m e y e r , Maximen d . Kriegsbeilkunst. Hannov. 1 8 5 5 .

647

Resectionen.

Die I n s t r u m e n t e , deren man zur Ausführung von Resectionen b e d a r f ) , sind: a) fíir die S c h n i t t e i n d e n W e i c h t h e i l e n : kurze, starke Messer, darunter auch solche mit abgestumpfter Spitze, um sicherer in der Tiefe schneiden zu können, und Schabeisen (Elevatoria) für das Periost; b) f ü r d i e D u r c h s c h n e i d u n g d e r K n o c h e n : gewöhnliche (oder auch etwas kleinere) A m p u t a t i o n s - S ä g e n , die wegen ihrer Dauerhaftigkeit überall, wo sie überhaupt angewandt werden können, den Vorzug verdienen, ferner S t i c h s ä g e n (Messersägen), K e t t e n s ä g e n , seltener O s t e o t o m e und unter Umständen s c h n e i d e n d e K n o c h e n z a n g e n , auch M e i s s e l und H a m m e r . Vgl. Bd. I. pag. 135 u. f. Ein s i c h e r e s F e s t h a l t e n d e r zu d u r c h s ä g e n d e n K n o c h e n ist hier nicht minder wichtig, als bei den Amputationen. Dieselbe lässt sich nur selten mit den Fingern bewerkstelligen. Man bedarf vieiraehr starker H a k e n z a n g e n , mit denen man den zu entfernenden Knochenthcil fasst*), oder man kann a u c h , namentlich in ein Gelenk-Ende oder in die Markhöhle eines bereits in seiner Continuität getrennten Knochens einen starken T i r e f o n d einbohren. Sowohl in Betreff der Ausführung, als in Betreff der Wirkung zeigt sich ein grosser Unterschied zwischen den R e s e c t i o n e n d e r G e l e n k - E n d e n der Knochen und denjenigen, durch welche ein Stück a u s d e r C o n t i n u i t ä t eines Knochens entfernt werden soll. Im weiteren Sinne hat man auch die E x s t i r p a t i o n g a n z e r K n o c h e n (wie z. B. der Fingerglieder, des Unterkiefers, der Fibula) unter dem Namen R e s e c t i o o s s i u m t o t a l i s hierher gerechnet. Die R e s e c t i o n in d e r C o n t i n u i t ä t zerfällt wieder in zwei Unterarten, je nachdem die Ausschneidung eines Knochenstücks a u s d e r g a n z e n D i c k e eines Knochens geschieht, oder b i o s e i n T h e i l s e i n e r D i c k e entfernt und die Continuität somit nicht vollständig unterbrochen wird. Die Resectionen a u s , der ganzen Dicke eines Knochens sind wesentlich verschieden, je nachdem es sich um einen platten oder um einen Röhrenknochen handelt; im ersteren Falle sind sie der T r e p a n a t i o n , die als Typus derselben betrachtet werden kann, mehr oder weniger ähnlich.

' ) Vgl. R i e d I. c. pag. 6 — 2 7 und die Dissertation von P e t r u s c b k y , De resectione articulorum extreuiitatis superioris, c. tab. II. Berolini,

1851.

' ) Zangen der Art von durchaus zweckentsprechender Stärke und Grösse sind, dem Vorbilde der M u z e u x ' s c h e n

Hakenzange, von B. v. L a n g e n b e c k

F e r g u s s o n angegeben worden.

Vgl. T e t r u s c l t k y I. c.

nach

und von

648

Amputationen u n d Resectio nen.

Die R e s e c t i o n in d e r C o n t i g u i t ä t , d. h. die Ausschneidung der Gelenk-Enden, — R e s e c t i o a r t i c u l o r u m , beabsichtigt entweder die gänzliche Entfernung eines Gelenkes, d. h. die Wegnahme sämmtlicher, das Gelenk bildender Knochen - Enden, — R e s e c t i o a r t i c u l i t o t a l i s , oder die Abtragung nur eines Gelenk-Endes, — R e s e c t i o a r t i c u l i p a r t i a l i s . Wird im letzteren Falle ein G e l e n k k o p f , wie am Numerus oder am Femur, abgetragen, so nennt man die Operation auch D e c a p i t a t i o . Die Resection der Gelenk-Enden wird heutzutage vorzüglich genieint, wenn man von „Resectionen" schlechtweg spricht; sie hat sich vorzugsweise bewährt, während die Resectionen in der Continuität den erwarteten Vortheil oft nicht geliefert haben. Die I n d i c a t i o n e n für die Resection verhalten sich im Allgemeinen analog den für die Amputation aufgestellten; auch hier wird man immer die Gefahr der Operation gegen die Gefahr des durch sie zu beseitigenden Uebels abwägen. Dass jene im Allgemeinen viel geringer ist als bei Amputationen, werden wir sogleich näher nachweisen. Specieller lassen sich die Indicationen nur mit Berücksichtigung der verschiedenen Arten der Resection angeben. Die E x s t i r p a t i o n e i n e s g a n z e n K n o c h e n s wird indicirt: a) durch organische Zerstörung desselben (Caries und Nekrose), sowie durch Neubildungen, welche an dem Knochen wurzeln, durch ihr weiteres Wachsthum das Leben gefährden und ohne Entfernung des Knochens selbst nicht beseitigt werden können; b) durch Verletzungen-, namentlich Zerschmetterungen und Zermalmungen (durch Maschinen oder Geschosse), seltener Luxationen, welche jedoch, wenn sie kurze Knochen betroffen haben, und entweder irreponibel oder in hohem Grade complicirt sind, die Exstirpation des Knochens auch nothwendig machen können. Nach dem allgemeinen Princip, so viel als möglich zu erhalten, wird man, wo die Wahl ist, der eigentlichen Resection vor der Exstirpation den Vorzug geben. Indicationen für die R ' e s e c t i o n in d e r C o n t i n u i t i i t werden viel seltener durch organische Erkrankungen gegeben. In wie fein diese Operation bei deformem Callus und bei Pseudarthrosen anzuwenden sei, wurde bereits bei den Knochenbrüchcn (Bd. II.) erläutert. Unter den Verletzungen werden complicirte Splitlerbrüche in der Diapliysc der Röhrenknochen als Indication aufgeführt, sofern die Reposition sich nicht ausführen lässt oder doch die Rctcntion nicht gelingt. Die Erfahrungen der neueren Zeit') haben aber gelehrt, dass ' ) Vgl. E s m a r c h , die Resectionen nach Schusswunden, pag. 2 4 .

649

ftesecllooeo.

nach Absägung der aus der Wunde hervorragenden oder hervorgeschobenen zersplitterten Bruchstücke,

sobald ein bedeutendes Stück

aus der Länge des Knochens dadurch verloren geht, einigung

weder besser noch

schneller erfolgt,

die Wiederver-

als wenn

man die

Bruchstücke neben einander liegen lässt und die nekrotische Abstossung der vom Periost entblössten Stücke abwartet. nothwendig

mancher Theil

lebensfähig war

des Knochens

Bei der Resection wird

mit

und von welchem aus eine,

wichtige Knochenneubildung sich entwickeln

abgesägt, der

noch

für die Consolidation konnte.

Die Resection

in der Continuität wird daher auf solche Fälle zu beschränken sein, wo durch die Abtragung eines hervorragenden Knochenstücks die genauere Aneinanderfügung der Fragmente begünstigt und eine gefährliche Insultation der Weichtheile verhütet wird. Ganz im Gegensatze hierzu bieten schwere Verletzungen die häufigste Indication zur R e s e c t i o n

der

G e l e n k - E n d e n dar.

Alle in

das Gelenk eindringenden Brüche derselben, welche durch eine Wunde blossgelegt sind, — zumal mit Splitterung complicirte, —

namentlich

also die Schussverletzungen der Gelenkergehören hierher, sofern einer Seits die Erweiterung der Wunde und Ausziehung der Splitter nicht schon dasselbe leistet wie die Resection, und anderer Seits nicht etwa durch sonstige Gomplicationen der Zweck der Resection vereitelt wird. Hieran schliessen sich die Fälle, in denen fremde Körper, namentlich' Kugeln und abgebrochene Lanzenspitzen

in einem Gelenk-Ende ein-

gekeilt sitzen, da, selbst wenn deren Entfernung auf andere Weise gelingen sollte, eine lebensgefährliche Entzündung des Gelenk-Endes zu befürchten ist.

Unter den Verrenkungen indiciren die Resection:

a) frische Luxationen, Endes durch

welche mit Austritt

eine Wunde

des verrenkten

complicirt sind

Gelenk-

(vgl. Bd. 11. pag. 6 9 3 ) ;

b) veraltete Fälle, in denen die Brauchbarkeit des Gliedes durch die abnorme Stellung des Gelenkkopfs erheblich beeinträchtigt, oder durch Druck auf Nervenstämme oder grosse Gcfässe sogar

das Leben

ge-

fährdet wird, sofern sich voraussehen lässt, dass diesen Uebelständen durch die Resection abgeholfen werden könne.

Unter den organischen

Krankheiten der Gelenke sind die Ausgänge der Gelenk-Entzündung, namentlich Gelenk-Eiterung, Caries, Nekrose und Ankylose, freilich mit gewissen Beschränkungen, unter den Indicationen zur Rcsection aufzuführen (vgl. Bd. II. pag. 6 2 8 u. f.). oft sehr schwierig,

vorher zu wissen,

ob

Einer Seits ist es hierbei man den beabsichtigten

Zweck durch die Operation erreichen werde, anderer Seits lässt sich oft nicht mit Bestimmtheit behaupten, ob der Verlauf nicht ohne die Operation ein ebenso günstiger gewesen sein würde.

In Betreff der

650

Amputationen a n d

Rcsectionen.

Ankylose sind vor Allem die localen Verhaltnisse maassgebend. Endlich indiciren Pseudoplasmen die Resection, wenn ihre Entfernung nicht ohne dieselbe möglich und mit Hülfe derselben vollständig zu bewirken ist. Die N a c h b e h a n d l u n g nach Rescctionen hat vor Allem für ruhige Lage des operirten Theils und für Abhaltung aller äusseren Schädlichkeiten durch antiscptische Verbände Sorge zu tragen. Die Diät muss, in Erwägung der zu erwartenden langen Heilungsdauer, von Anfang an möglichst nahrhaft sein. Vergleichende

Beurthcilung der Amputation

und

Resection.

Wenn bei der Amputation m i t d e r G r ö s s e d e s e n t f e r n t e n T h e i l s im Allgemeinen d i e G e f a h r des operativen Eingriffs w ä c h s t , so entbehrt die Resection ihrer Seits in dieser Richtung jeder Gefahr, da durch sie überhaupt nicht ein Theil der ganzen Extremität, sondern blos ein Theil des Skelets entfernt wird. Man vergleiche in dieser Beziehung nur die Resection des Schcnkelkopfs mit der Exarticulation im Hüftgelenk. Von grösster Bedeutung ist hierbei gewiss der Umstand, dass durch die Amputation die Kreislaufsverhältnisse des ganzen Gliedes, je näher am Stamm desto m e h r , gestört werden, während bei der Resection nur unbedeutende Gefässc eine Verletzung erleiden, und von einer irgend erheblichen Störung des Blutlaufs durch die Operation selbst garnicht die Rede sein kann. Wir sahen, dass die G r ö s s e d e r W u n d f l ä c h e einen wesentlichen Einfluss auf die Gefährlichkeit einer Amputation ausübt. In dieser Beziehung kann den Resectionen kein Vorzug vor den Amputationen eingeräumt werden. Die Wundfläche, welche eine Resection liefert, ist in der Regel ebenso gross als diejenige einer Amputation an derselben Stelle, und die Aussicht auf schnelle Vereinigung ist nicht grösser; bei Resectionen in der Continuität liegen zwei Sägeflächen in der Wunde, nach der Resection eines Gelenk-Endes eine Sägefläche und ein, ganz wie bei der entsprechenden Exarticulation entblösstcs Gelenk-Ende (Gclenkhöhle), o d e r , wenn beide GelenkEnden resecirt sind, gleichfalls zwei Sägeflächen. A priori sollte man meinen, dass durch diese Verdoppelung der Verletzung des Skelets bei Resectionen die Gefahr der Operation erheblich gesteigert würde. Die Erfahrung hat dies nicht bestätigt; unter sonst ganz gleichen Verhältnissen liefern selbst Resectionen mit zwei Sägcflächen weniger Todesfälle als die entsprechenden Amputationen. Wahrscheinlich beruht dies darauf, dass die Gefahr der durch die Amputation bedingten Kreislaufsstörung überwiegend gross ist.

651

Resectionen.

Nur in Betreff der H e i l u n g s f r i s t sprechen die Resultate zu Gunsten der Amputationen. Rescctions-Wundcn heilen, ceteris paribus, langsamer, — was sich ohne Schwierigkeit aus der bedeutenderen Grösse der Verletzung erklärt. Durch die längere Dauer der Heilung werden die Kräfte stärker in Anspruch genommen, so dass sich wohl einsehen lässt, wie bei sehr heruntergekommenen Kranken die Resection nachträglich noch Gefahren zur Folge haben kann, die dem Amputirten nicht drohen. Vidal langen

hebt

diese n a c h t r ä g l i c h e n

E i t e r u n g ) mit so grellen Zügen

nicht gerechtfertigt erscheint. sichten letzung wenn

Tie! bei

eine

günstiger einem

J e d e n Falls sind,

übrigens

langwierige

Gefahren

wenn

hat e r a b e r die

gesunden

Knochen-

Mannes, dem T e i t o r

Resection

darin

Resection

Menschen

oder

K r ä f t e b e r e i t s s e h r a u f g e r i e b e n h a t , z u r Resection I n diesem Sinne sagt auch

der

Stromeyer,

Recht,

dass d i e

wegen

Aus-

einer

Ver-

ausgeführt wird,

Gel en k s - K r a n k h ci t ,

welche

als die

veranlasst. dass er

b e ; m Anblick

eines

jungen

die Resection d e s E l l e n b o g e n - G e l e n k s , wegi'n e i n e r c o m p l i c i r l e n

Fraclur und Luxation gemacht h a t t e , „damals ( 1 8 3 9 )

schon a h n t e ,

liche G e b i e t d e r G e l e n k r e s e c l i o n e n a u f d e m S c h l a c k t f e M c s e i n w e r d e . " Kriegsheilknnst.

( d . h. d e r

h e r v o r , wie e s , n a c h d e n n e u e r e n E r f a h r u n g e n ,

Hannover

1 8 5 5 . A b l h l g . I. pag.

dass das

eigent-

(Maximen der

291.)

In Betreff der Z w e c k - E r f ü l l u n g kann von einem Vergleich nur insofern die Rede sein, als es sich um Erkrankungen und Verletzungen der Knochen oder der Gelenke handelt, ohne wesentliche Bethciligung der Wcichtheile. Gewiss giebt es auch auf diesem Gebiete Fälle genug, in denen die Resection unzureichend, eben deshalb aber auch garnicht indicirt ist. Die Frage kann also nur sein: „Vermag man in dem einzelnen Falle vorher zu erkennen, ob durch die Resection das Schadhafte sich werde entfernen l a s s e n ? " Hier muss vor Allem hervorgehoben werden, dass nichts den Wundarzt hindert mit der Resection zu beginnen und mit der Amputation zu endigen, d. h., dass, sobald man die Uebcrzcugung erlangt h a t , nur durch eine der beiden der Operationen könne noch Hülfe geleistet werden, grosse Einschnitte bis auf den Knochen zur Sicherung der Diagnose durchaus zulässig sind, sofern man sie nur so einrichtet, dass von ihnen aus ebenso gut zur Resection als zur Amputation geschritten werden kann. Möglich bleibt dabei immer noch, dass man in der Tiefe des Gliedes eine allzu ausgebreitete Zerstörung findet, um von der einen oder der anderen dieser Operationen noch vollen Nutzen erwarten zu dürfen. Man hofft z. B. bei Eiterung im Hüftgelenk durch Resection des Gelenkkopfes das ganze Uebel beseitigen zu können, und findet nach der Eröffnung des Gelenkes eine so ausgedehnte Zerstörung der Pfanne, dass die Ausbreitung des Uebels am

652

Amputationen and Resectionen.

Femur als Nebensache erscheint.

Aehnlich kann es sich bei Schuss-

Verletzungen verhalten. Sehen wir somit, dass durch die Resection die Aufgaben, deren Lösung sie Uberhaupt mit der Amputation

bei

concurriren kann,

ebenso vollständig und mit mindestens nicht grösseren Gefahren gelöst werden, so fällt weiter zu ihren Gunsten in's Gewicht, dass die E r haltung des Lebens nicht um den Preis einer Verstümmelung erkauft, sondern dem P a t i e n t e n m i t d e m L e b e n mität

erhallen

wird.

einen hohen Grad von Brauchbarkeit. für die Resectionen

zugleich

die

Extre-

Oft erlangt die resecirte Extremität Dies gilt in vollstem

sogar Maasse

an der oberen Extremität, namentlich für die

Resectionen im Schulter- und Ellenbogengelenk.

Die Resectionen an

den unteren Extremitäten haben im Ganzen bis jetzt weniger günstige Resultate geliefert, obgleich auch für das Hüft-, das Knie- und namentlich das Fussgelenk jetzt schon

grosse Reihen von glücklichen

vollständigen Erfolgen vorliegen.

Gelenk-Enden an der oberen Extremität d i e s . m e i s t nützlich.

und

Bildet sich nach der Resection von eine Pseudarthrose,

so ist

An der unteren Extremität sind solche beweg-

liche Verbindungen dagegen oft unerwünscht; sie können von den umgebenden Muskeln meist nicht mit hinreichender Kraft fixirt werden, um die Extremität noch als Stutze für den Rumpf dienen zu lassen. Ueberdies Weitem

bedingen grössere,

Resectionen

an

complicirtere,

den

daher

unteren auch

Extremitäten

langsamer

bei

heilende

Wunden und somit auch einen höheren Grad von Gefahr, zumal Resectionen an den oberen Extremitäten auch noch den grossen Vortheil gewähren, dass der Operirte viel früher das Bett und das Krankenzimmer verlassen kann.

Jedoch sind bei

solchen Erörterungen

die höchst

verschiedenartigen localen Verhältnisse der einzelnen Gelenke von so grosser Bedeutung, lassen.

dass sich

allgemeine

Soll zwischen Amputation

Aussprüche

und Rcscction

so wird man im Hüftgelenk gewiss lieber rescciren, tion weniger gefährlich

ist,

der Extremität

eine

später

mag auch

vielleicht

beschränkte

sein;

schwer

gewählt

thun

werden,

weil die Opera-

die

Brauchbarkeit

dagegen wird

inan,

wenn die analoge Frage das Kniegelenk betrifft, eine schwere Wahl h a b e n , weil, nach den bis jetzt vorliegenden Erfahrungen, sich nicht sicher entscheiden lässt, ob die Resection Amputation

des Oberschenkels

eine, wenn auch verkürzte,

gefährlicher

ken

sei.

Die

oder die

Aussicht

einem günstigeren Lichte

Wir werden auf diese Frage bei den einzelnen

zurückkommen.

auf

doch noch recht brauchbare Extremität

lässt die Resection allerdings auch hier in erscheinen.

im Kniegelenk

Gelen-

Sechsuuddreissfgste A btlielliuig. Krankheiten der Schulter. T o p o g r a p h i e . Wir kegreifen unter dem Namen S c h u l t e r : das Schultergelenk, das Schulterblatt und «Ja» Schlüsselbein nebst den zu diesen gehörigen Weichtheilen. Das S c h l ü s s e l b e i n

liegt

in

seiner

ganzen

Ausdehnung

oberflächlich,

von

der B a u t nur durch den in die Fascia superficialis eingewebten Hautmuskel des Halses getrennt.

Es verläuft schräg von Innen und Vorn nach Aussen

ein wenig aufwärts.

und H i n t e n , zugleich

Seine innere Hälfte bildet eine Convexität nach Vorn, die Süssere

nach H i n t e n ; erstere ist von prismatischer Gestalt, letztere breit und abgeflacht. Oben entspringt von seinem inneren

Dritttheil

der M. cleidomastoideus',

von

Nach seinem

Süsseren Dritttheil der Trapezius (Cucullaris); abwärts von seinen inneren zwei Dritttbeilen der Pectoral» m a j o r ,

von

dem äusseren

der

Deltoides.

Das

innere

Ende

articulirl mit dem Brustbein, überragt aber dessen GelenkOäche namentlich nach Vorn und Oben.

Abgesehen von dieser Gelenkverbindung

sind beide Schlüsselbeine

das elastische Ligamentum interclaviculare an einander befestigt. Aussen von dem inneren Ende wird das Schlüsselbein claviculare an die erste Kippe

geheftet.

durch das

Das äussere Ende

bindet sich mit dem Acromion und mit dem Proc. coracoidea.

des

durch

Wenige Linien nach Ligamentum

costo-

Schlüsselbeins

ver-

Acromion n n d Clavicula

stossen mit kleinen ovalen Flächen a n e i n a n d e r : die des ersteren sieht nach Innen und O b e n , die der letzteren in entgegengesetzter Richtung; zuweilen liegt zwischen ein Meniscus. Umfange.

ihnen

Die Gelenkkapsel ist oben und hinten viel stärker als in ihrem übrigen

Von der Basis des Proc. coracoides steigen zum äusseren Drittel der unteren

Fläche des Schlüsselbeins zwei nach Aussen hin verschmelzende s t a r k e B i n d e r aufwärts, zusammen als Ligamentum coracoclaviculare bezeichnet. D a s S c h u l t e r b l a t t ragt n u r nach Hinten und Aussen deutlich hervor.

Sein

hinterer R a n d , Basis, so wie sein unterer und oberer Winkel sind leicht zu erkennen. Sein vorderer Rand entspricht dem hinteren Rande der Achselhöhle, sein oberer Rand liegt in einer Linie, die man sich von dem Dornfortsatz des siebenten Halswirbels zu der Insertion

des vorderen Randes des Trapezius

am

Schlüsselbein

gezogen

denkt.

Sein äusserer Winkel t r ä g t den G e l e n k t h e i l für die Verbindung mit dem Oberarm. Von seiner hinteren

Fläche erhebt s i c h , schräg nach Aussen

die Spins scupulae zum Acromion. d e r gleichnamige Muskel,

von einer

und Vorn

aufsteigend,

(Jeher ihr in der kleinen Fossa supraspinata liegt besonderen

Aponeurose überzogen

und von d e r

654

Krankheiten der Schulter.

Haut noch

durch eine

Feltmasse

und durch den Trapezius

getrennt.

In

ähnlicher

Weise fällt die Fossa infraspinata der M. infraspinatus a u s , den gleichfalls ein Tlieil des Trapezius, weiter nach Vorn der Deltoides ü b e r d e c k e n ,

während

von Unten

her

der Latissimus dorsi über ihn fortgeht und die beiden Teretes sich an seinen äusseren Rand anscliliessen. In der U m g e b u n g

des

Schultergelenks

A c r o m i o n , minder deutlich der

Proc.

die eigentliche „ S c h u l t e r " vollkommen im engeren Sinne sind

diejenigen

liegt ausser dem Panniculus

ragt

coracoides

abgerundet.

am

Deutlichsten

hervor.

Die

Grenzen

des Deltamuskels; zwischen

nur eine

dünne Aponcurose,

vorn

Uebrigens der

Schultergcgend

diesem und

von

das

erscheint

ihm

der Haut

bedeckt

treten

hinten die verschmolzenen Sehnen des Latissimus dorsi und Teres m a j o r zum Numerus, vorn der Pectoralis m a j o r , durch des Biceps verdeckt werden. Tuberculum

welchen

der Coracobrachialis

und der kurze

Kopf

Nach Entfernung aller genannten Muskeln sieht man das

i n a j u s nach Aussen

hervorragen, bedeckt

von den

Insertionen

des

Supraspinatu9, Infraspinatus, Teres m i n o r , nach Innen das Tuberculum minus mit der Insertion des Subscapulaiis. . Die Insertionen dieser vier Muskeln verschmelzen zugleich mit der Gelenkkapsel.

Das Acromion, der Processus coracoides und das dieselbe ver-

bindende Ligamentum coracoacromiale bilden oberhalb des Scbultergelenks ein schützendes Dach, welches hinten

weiter hinabsteigt und sich zugleich weiter

gelenk entfernt als vorn ; dasselbe überragt die u m 3 Ctm. und hat eine Tiefe von 2 — 3 Ctm. zwischen

dem

Proc.

Oberhalb dieses

coracoides, dem Acromion und der

R a u m , den man als T r i g o n u m Umfang der Gelenkkapsel

vom Schulter-

kleine Gelenkhöhle der Scapula etwa

coracoclaviculare

Daches siebt man

Clavicula bezeichnet

einen dreieckigen hat.

Der untere

liegt in dem Kaum zwischen Tuberculum m a j u s und minus

gegen die Achselhöhle hin frei und 6etzt sich hier direct in das Periost des Humcrus fort.

Nach Vorn ist der

Zwischenraum

zwischen der Gelenkkapsel und dem

Acromial-Dach durch Rindegewebe ausgefüllt. erstreckt sich vom vorderen selben

nach Innen (Bursa

Coraco-

Unter der Wurzel des Proc. coracoideus

inneren Umfange der Gelenkkapsel eine Ausstülpung dersynovialis

subscapularis),

welche

zwischen

Scapula

und

Muse, subscapularis e i n d r i n g t , von letzterem aber noch durch einen Scbletnibeulel getrennt wird. Die G e l e n k k a p s e l

selbst ist

sehr schlalf, so dass sie eine

Gelcnkkopfs von der Gelenkfläche der Scapula

um

mehr

Entfernung des

als 2 Ctm. gestattet.

befestigt sich Seitens der Scapula nach Oben hin an deren H a l s e , im verschmilzt sie mit dem elastischen Knorpelring, der zur Vertiefung

Sie

Uebrigen

der

.aber

Gelenkhöble

wesentlich b e i t r ä g t , eigentlich aus der Gelenkfläche erst eine Gelenkhöhle m a c h t .

Mit

dem oberen Umfange dieses Knorpelsaums verschmilzt der Ursprung des langen Kopfes des Biceps,

der von da

ab in Gestalt einer runden

Sehne durch

die

Gelenkhöhle

oberhalb des vorderen Umfangs des Caput humeri zum Sulcus intertubercularis hinabsteigt und von einem Ueberzuge

der

trachtung der G e l e n k f l ä c h e n

Synovial-Mcmbran

begleitet

fällt das Missverhältniss

u n d der Gelenkhöhle der Scapula

auf;

ersterer

stellt

zwischen

wird.

Bei der Be-

dem

eine Halbkugel

Oberarmkopf dar,

während

letztere n u r wenige Millimeter tief ist und ein vertical gestelltes Oval b i l d e t , spitzer Tlieil aufwärts gerichtet

ist.

Die Oeflnung der

nach A u s s e n , zugleich etwas nach Vorn und

Oben.

wenig von Vorn nach Hinten abgeplattet, seine Achse zugleich ein wenig nach Hinten.

Gelenkhöhle sieht

Der

dessen

wesentlich

Oberarmkopf ist n u r ganz

sieht

nach Innen

und

Oben,

Hängt der Arm gerade am Rumpf h e r a b , so b e r ü h r t

nur der untere Tlieil des Gelenkkopfes die Gelenkhöhle der S c a p u l a , u n d sein höchster

655

Missbildungen und Foimfeliler. P o n c t ist i — 6 Millim. vom obersten Tlieil der Gelenkböble entfernt. Gelenkkopfes gegen die Tubercula wird a n a t o m i s c h e r

Hals

Die Grenze des

des

Oberarmbeins

g e n a n n t , obgleich sieb eine diesen Namen verdienende Furche nicht vorfindet. g i s c h e r H a l s heisst mit eben

so wenig

Recht eine unterhalb

der

Chirur-

Tubercula

und

oberhalb der Insertionen des Latissimus und Pectoralis major gedachte Linie. Die Scüultergegend ist reich an G e f ä s s e n und N e r v e n .

Unter dem Schlüssel-

bein treten A r t e r i a und V. a x i l l a r i s hervor; die Vene weiter nach Innen (rnedianw ä r t s ) und oberflächlicher gelegen.

Noch tiefer als die Arterie, aber auch weiter nach

Aussen liegen die Stämme des P l e x u s b r a c h i a l i s . Schlüsselbeins verläuft die A. t r a n s v e r s a scapulae hinweg zur Obergrätengrube

Längs des hinteren Randes des

scapulae,

und demnächst

Spina scapulae zur Fossa infraspinata

sieb

die dann

über die Incisura

unter dem concaven ltand

wendet.

Die A. d o r s a l i s

der

scapulae,

Anfangs auch Transversa colli g e n a n n t , wie die vorhergehende aus der Subclavia ent" Sprüngen, läuft quer durch die Regio supraclavicularis, steigt dann unter dem Trapezius und Rhomboides abwärts und verbreitet blatts.

sich bis zum

Die A. c i r c u m f l e x a s c a p u l a c

unteren Winkel des

Schulter-

(subscapularis) entspringt aus der Axillaris

am unteren Rande der Sehne des M. subscapuLris und verbreitet sich sowohl im Bereich

der vorderen

Flache des Schulterblatts,

Diese drei Schulterblatts-Arterien Verbindung.

stehen

als auch

untereiuauder

infraspinata.

weite Anastomosen

in

An der unteren Grenze des Scbultergelenks entspringt aus dem Endstück

d e r Axillaris die A. c i r c u m f l e x a h u m e r i a n t e r i o r , gischen

in der Fos9a

durch

Hals des Oberarmbeir.s, bedeckt

Köpfen des Biceps, an

von

welche sich um den chirur-

Deltoides,

Coracocracliialis

der vorderen Fläche des Huuierus

wendet und hauptsächlich dem Schultergelenk Aeste giebt.

und

den

nach Aussen und Hinten Die viel stärkere A. c i r -

c u m f l e x a h u m e r i p o s t e r i o r entspringt in gleicher Höhe mit

dein oberen Itande

der Cauda des Latissimus, gebt sofort zwischen den Teretes und dem Caput longuin t h e i p t i s einer Seits und dem Oberarmbein anderer Scits nach Hinten und umkreist in der Richtung nach Aussen und

Vorn den

Hals des Oberarmbeins,

bedeckt

von dem

Deltoides, welchem sie wesentlich Zweige giebt. — Die V e n e n scliliessen sich durchweg dem Laufe der Arterien an. —

Die L y m p l i g e f ü s s e dieser

Gegend gehen tbeils

zu den Axillar-, thcils zu den Halsdrüsen. — Die N e r v e n sind sämmtlich Aeste des Plexus brachialis.

E r s t e s

C a p i t c l .

Missbildungen und Formfehler. Das äussere Ende des S c h l ü s s e l b e i n s chende

Theil

des Schulterblatts

bieten

und der ihm entspre-

häufig Varietäten der Form

dar; man muss auf dieselben achten, um Verwechselungen mit Luxation

und Fractur zu verhüten.

Solche Deformitäten werden

meist

durch Pcriost-Auflagerungen (Osteophyten) bedingt und finden sich fast nur bei kräftigen Männern, die häufig schwere Lasten auf ihren Schultern

getragen haben.

beiden Seiten entwickelt.

Fast immer

sind

sie gleichmässig

auf

656

Krankheiten der Schulter. S e h r selten fehlt Ton Geburt an das eine Schlüsselbein, n i e P. N i e m e y e r bet

einem (nach Rechts) scoliotischen Jünglinge (auf der linken Seite) mit Fehlen der Portio clavicularía des Pectoralis major beobachtete. deutsch. Naturforscher.

gleichzeitigem

Tagblatt der 4 0 . Vers,

Hannover 1 8 6 5 , pag. 68.

Zu den D e f o r m i t ä t e n d e r S c h u l t e r rechnete man früher auch die sogenannte „ hohe Schulter deren Abhängigkeit von einer Verkrümmung der Wirbelsäule wir in der XXXII. Abtheilung bereits nachgewiesen haben. F e h l e r h a f t e S t e l l u n g e n d e r S c h u l t e r können aber auch unabhängig von Verkrümmungen der Wirbelsäule auftreten oder der letzteren vorhergehen. Abgesehen von den durch Verletzungen bedingten Dislocationen sind solche Veränderungen in der Stellung der Schulter aus einer fehlerhaften Thätigkeit der die Scapula bewegenden Muskeln zu erklären, namentlich also des S e r r a t u s a n t i c u s m a j o r , des T r a p e z i u s und der R h o m b o i d e i , von denen der erstere als Antagonist der übrigen betrachtet werden kann. Je nachdem nun dieser oder jener Muskel, bald nur auf einer, bald auf beiden Seiten, bald von Contractur, bald von Paralyse befallen ist, entstehen verschiedene Deviationen der Scapula. Besonders häutig sind Fälle von L ä h m u n g d e s S e r r a t u s dem Gebiete

anticus

Vgl. M. E u l e n b u r g in seinen klin. Mittheil,

aus

B e r l i n , 1 8 6 0 , pag. 4 0 u. f., und W. B u s c h ,

Ueber die Function

m a j . , im Archiv f. kl. C h i r u r g , Bd. IV. Hefi t ( 1 8 6 3 ) .

major,

der Orthopädie etc. des Serratus ant.

Die Unmöglichkeit, den Arm,

bei ungestörter Beweglichkeit des Schultergelenks und kräftiger Function des Deltoïdes, über

die

Horizontale

Serratus ant. maj. ;

zu e r b e b e n , denn

Schulterblatts bewirkt.

diese

VV. B u s c h

ist das auffälligste Symptom Erhebung

wird

hebt nun mit

auch schon im Beginne der Erhebung

des Arms

Schulterblatt im Verein mit seinen Antagonisten Arms nach Vorn, nach

Vorn

zieht,

während der Pectoralis das

Schulterblatt

an

n u r von ihm

Lähmung

des

Drehung

des

Recht hervor, dass dieser

Muskel

von Bedeutung i s t ,

e r das

fixirt,

m a j o r den den

der durch

Thorax

indem

und dass er bei Bewegung des äusseren

Winkel

angedrückt

der

erhält

Scapula

und

nach

Aussen zieht.

Von grosser Bedeutung sind die v e r a l t e t e n und die a n g e b o r n e n V e r r e n k u n g e n . Vgl. Band II. pag. 728 u. f. Die a n g e b o r n e V e r r e n k u n g d e s O b e r a r m s scheint ebenso oft auf einer, als auf beiden Seiten vorzukommen. Bei der anatomischen Untersuchung findet man desto erheblichere Veränderungen, je länger der Kranke gelebt hat. Alle zur Schulter gehörige Knochen sind atrophisch, die Gelenkhöhle ausgefüllt oder doch höchst deform, die Gelenkknorpel ganz oder grösstentheils geschwunden; den Kopf des Humérus findet man bald unter dem Processus coracoides, bald unter dem Acromion in der Fossa infraspinata. Je nach dem die Verrenkung complet oder incomplet i s t , steht der Kopf bald in gar keiner Beziehung mehr zur Gclenkhöhle, bald theilweise in ihr. In

657

Missbildungtn uud Formfehler.

ersterem Falle wird er von einer neuen Gelenkhöhle umfasst. Der Geleiikkopf selbst ist deform, atrophisch, uneben, des Knorpel-Ueberiuges beraubt, je nach der Art der Verschiebung, bald hier, bald dort abgeplattet. Das Kapselband kann zwar gedehnt, jedoch unversehrt erscheinen. Während es aber seine normalen Insertionen behält, legt es sich in Folge der Verschiebung vor oder an die alte Gelenkhöhle. Ist es zur völligen Ausbildung einer neuen Gelenkhöhle gekommen, so inserirt auch das Kapselband in deren Umfange. Die Muskeln in der Umgebung des Gelenkes zeigen, je nach dem sie mehr oder weniger gespannt oder erschlafft und auf diese oder jene Weise ausser Thätigkeit gesetzt sind, die verschiedenen Grade der Contractur oder fettigen Entartung. Die Muskeln, welche diejenigen Bewegungen, welche durch die Verrenkung im Schultergelenk selbst unmöglich geworden sind, zu ergänzen oder zu ersetzen haben (Trapezius, Serratus anticus major), findet man hypertrophisch. — Bei der Untersuchung am Lebenden fällt auf den ersten Blick die spitzige Hervorragung des Acromion, die Einbiegung unter demselben und die Verminderung des Volumens der Schulter auf. Im ganzen Bereich des Pectoralis major und des Latissimus dorsi scheint auch das Volumen des Thorax vermindert zu sein, wegen der Atrophie dieser Muskeln. Auch der Oberarm ist abgemagert und sticht deshalb gegen den gewöhnlich normal gebliebenen Vorderarm auffallend ab (wie dies schon H i p p o c r a t e s beschrieben hat). Der Arm kann durch Muskelcontractur unbeweglich befestigt sein, meist aber hängt er schlotternd herab und ist wegen der Atrophie des Humerus, obgleich der Gelenkkopf gewöhnlich tiefer als im normalen Zustande steht, doch verkürzt. Besteht die Luxation auf beiden Seiten, so ist es nach diesen charakteristischen Erscheinungen gleichfalls nicht schwer, sie zu erkennen. Bemerkenswerth ist, dass die Deformität in solchen Fällen auf der einen Seite oft viel erheblicher ist, als auf der anderen. Die ersten g e n a u e n U n t e r s u c h u n g e n i i h e r a n g e b o r n e

Schulter-Verrenkungen

v e r d a n k e n wir S m i t h

(Dublin Medical Journal, 1 8 3 9 , u n d Treatise

of t h e j o i n t s , 1 8 4 7 ) .

N ä c h s t ihm h a b e n sich namentlich G u e r i n

Nllaton

of t b e

fractures

(Gaz. m i d . 1 8 4 1 ) ,

( E l e m e n s d e Pathologie Chirurg. T. II. pag. 5 1 4 ) u n d C r u v e i l h i e r

p a t b o l . T . I. pag. 4 9 5 ) m i t diesen Difformitäten beschäftigt.

(Anat.

J e d o c h sind die B e o b a c h -

t u n g e n solcher V e r r e n k u n g e n , namentlich an fötalen S k e l e t e n , noch i m m e r n i c h t zahlreich u n d genau g e n u g , u m u n s in j e d e r Beziehung Aufklärung zu geben.

H e i s t handelt

es sich u m B e o b a c h t u n g e n a n E r w a c h s e n e n , u n d n u r die Aussage d e r K r a n k e n s e l b s t o d e r i h r e r Angehörigen b e g r ü n d e t e die A n n a h m e einer ursprünglichen Smith

und

Nelaton

unterscheiden

k u n g , die L u x a t i o s u b c o r a c o i d e a nata; Gulrin Innen

unterscheidet 3

und U n t e n ,

3) n a c h

Arten: Oben

B a r d e l e b e n , Chirurgie. C.AuO. IV.

zwei

Varietäten

der

Missbildnng.

a n g e b o r n e n Verren-

und die L. s u b a c r - o m i a l i s o d e r 1) V e r r e n k u n g

naclk

Unten,

infraBpi2)

nach

u n d A u s s e n , m i t Verdrängung d e s Acromion 42

Krankheiten der Schulter.

658

a n d des Processas coracoides nach

Oben,

ohne

welche diese

Verrenkung

ganz

un-

möglich war« ( 2 Mal, aber immer nnr als Subluxation b e o b a c h t e t : bei einem jungen Menschen von 1 5 J a h r e n und bei einem anderweitig difformen Fötus).

Die R é d u c t i o n veralteter Oberarm-Verrenkungen ist allerdings selbst noch nach zwei Jahren gelungen. Obgleich bei der a n g e b o r n e n Verrenkung die Art der Dislocation und die davon abhängige Difformität fast genau dieselbe ist, so müssen die Schwierigkeiten der Réduction doch aus den bereits Bd. II. pag. 697 angegebenen Gründen bier viel grösser sein. Dennoch ist in einzelnen Fällen die Einrenkung gelungen, freilich durch Bemühungen, die von Seiten des Kranken ebenso viel Ausdauer erfordern als von Seiten des Arztes, u n d die schliesslich doch ohne Vorlheil für den Kranken bleiben, wenn unheilbare Veränderungen in den Muskeln, wie wir sie oben angeführt haben, bereits eingetreten sind. Einer der glücklichsten Falle der Art ist die Einrenkung einer angebornen L u x a t i o subacromialis

bei einem sechzehnjährigen Mädchen durch G a i l l a r d

l'Académie de méil., 1 8 1 1 , pag. 7 9 3 u.

(Mémoires de

flg.).

Von den angebornen sowohl als von den veralteten Verrenkungen ist die durch M u s k e l l ä h m u n g bedingte Art der Luxation des Oberarms zu unterscheiden, welche bei Kindern während der ersten Lebensjahre beobachtet wird. Da der Gelenkkopf wesentlich durch Muskelzug in seiner Stellung erhalten wird, so ist es einleuchtend, dass er bei Lähmung der betreffenden Muskeln, durch das Gewicht des Arms gezogen, abwärts sinkt. "Welche Processe dieser stets auf eine Seite beschränkten Lähmung der Schultermuskeln zu Grunde liegen, ist noch nicht e r g r ü n d e t Die Therapie kann nur gegen die Lähmung gerichtet sein, wobei eine gleichmässige Unterstützung des Arms, durch welche der Gelenkkopf leicht an der normalen Stelle erhalten wird, allerdings von Bedeutung ist. Vgl. Bd. II. pag. 898. N a n o n i beschreibt einen solchen Fall in seinem Trattato delle maladie chirurg. T, I. pag., 4 2 . P i s a , 1 7 9 3 .

Vgl. F a b e r , Dict. de méd. T. III. pag. 6 0 3 . — Das Kind

w a r im 4. J a h r e , a n d der Oberarmkopf stand so t i e f , dass man

4 Finger

zwischen

ihn und die Gelenkfläche der Scapula einschieben konnte. — Ich habe einen Fall der Art bei einem 3jährigen Kinde, wenige Monate nach seiner ganz allinälig stattgehabten E n t s t e h u n g , gesehen.

Der linke Arm hing ganz schlaff herab und war völlig unbrauch-

b a r , obgleich n u r die Schulterblatts-Muskeln, scbluss des Deltoides, gelähmt waren.

welche zum

Humérus g e h e n , mit Ein-

Man konnte 3 Finger zwischen Acromion und

Caput humeri legen, letzteres aber auch mit Leichtigkeit an seine normale Stelle bringen.

Auch durch hydropischen Erguss im Schultergelenk kann der Gelenkkopf abwärts gedrängt werden; nach cariöser Zerstörung des Gelenkrandes u n d des Gelenkkopfes kommt auch wirkliche Ausrenkung vor; beides ist indess sehr selten. (Vgl. Cap. III.)

659

Verletzungen.

Zweites Capitel.

V e r l e t z u n g e n . Die Verletzungen, welche das Skelet der Schulter treffen, sind bereits ira II. Bande beschrieben. Vgl. F r a c t u r a c l a v i c u l a e . F r a c t u r a s c a p u l a e , F r a c t u r a colli h u m e r i , L u x a t i o clavic u l a e , L u x a t i o s c a p u l a e , L u x a t i o h u m e r i . Wir haben es hier daher wesentlich mit den V e r l e t z u n g e n d e r W e i c h t h e i l e zu thun, bei denen freilich auf die Knochenverletzungen wieder Rücksicht zu nehmen sein wird. Die grossartigsten Verletzungen an der Schulter sind die durch gewaltsames A b r e i s s e n entstandenen, wie sie durch Maschinenräder, die den Arm gefasst haben, zuweilen auch durch das in jeder Beziehung ungerechtfertigte, gewaltsame Ziehen an dem in partu prolabirten Arme veranlasst werden. Die Blutung kann hierbei, wie bei anderweitigen Zerreissungen, höchst unbedeutend sein. Je nach der grösseren oder geringeren Schnelligkeit, mit der die Ablösung erfolgte, und dem davon wesentlich abhängigen Grade der Reinheit der Wunde, wird die Heilung schneller oder langsamer zu Stande kommen. Bei Weitem häufiger sind Q u e t s c h u n g e n d e r S c h u l t e r , die namentlich deren äusseren Umfang treffen und nicht selten Paralyse des Deltoides (vielleicht durch Quetschung des dicht am Knochen verlaufenden Nervus axillaris, von dem der grössere Theil des Deltoides versorgt wird) zur Folge haben. Quetschungen der Schulter können mit Verrenkungen verwechselt werden; häufiger wird leider eine Verrenkung fiir eine Quetschung gehalten. Auch eine Fractur des Collum humeri könnte bei ungenauer Untersuchung als „blosse" Quetschung erscheinen. Auf die Aussagen der Kranken Uber die Entstehung der Verletzung ist in solchen Fällen kein Gewicht zu legen; die Geschwulst und die Sugillationen liefern auch keine Entscheidung. Man mache es sich daher zur Regel, n i e m a l s e h e r e i n e b l o s s e Q u e t s c h u n g des Gelenkes a n z u n e h m e n , als bis man durch d i e g e n a u e s t e o b j e c t i v e U n t e r s u c h u n g (nöthigenfalls in der Chloroform-Narkose) die U e b e r z e u g u n g g e w o n n e n h a t , d a s s weder F r a c t u r noch Luxation besteht. Unter den p e n e t r i r e n d e n W u n d e n des S c h u l t e r g e l e n k s sind die S c h u s s w u n d e n die häufigsten und die wichtigsten. Nicht alle Kugeln, welche in der Richtung gegen das Schultergelenk eindringen, eröffnen dasselbe wirklich. Sie können durch den Proc. coracoides, durch das Acromion oder durch die übrige Scapula aufgehalten

42*

660

Krankheiten der Schulter.

werden, welche auch dem Thorax einen erheblichen Schutz gewährt. Verletzungen der Scapula durch Kugeln haben aber wegen der nachfolgenden Entzündung und Eiterung der sie umgebenden (zumal der zwischen ihr und dem Thorax gelegenen) Bindegewebsschichten keine geringe Bedeutung. Sie erheischen eine sehr sorgfältige Behandlung, namentlich Dilatation der Wunde, Entfernung der Splitter und Anlegung von Gegen-Oeffnungen. — Hat eine Kugel die Gelenkkapsel geöffnet, so sind auch die knöchernen Gelenk-Enden nicht unversehrt. In der Regel handelt es sich um Zersplitterung oder, sofern die Kugel mit grösster Geschwindigkeit einwirkte, um Durchbohrung des oberen Endes des Humerus. Bald beschränkt sich die Splitterung auf den Gelenkkopf, bald sind auch die Tubercula, seltener die Gelenkfläche der Scapula (wegen ihrer geringen Grösse und gedeckten Lage) zersplittert. Die D i a g n o s e der Verletzungen des Schultergelenks durch Gewehrkugelnist, wie bereits E s m a r c h ' ) und S t r o m e y e r * ) angaben, oft ausserordentlich schwierig. Die Kugel kann durch den Deltoides eingedrungen sein; dann wird dessen, durch die bald eintretende Geschwulst vermehrte Dicke bei der Untersuchung hinderlich. Ist die Kugel von der Achselhöhle her eingedrungen, so kann man den Gelenkkopf leicht erreichen, sobald man nur den Arm gehörig erhebt. Letzteres wird aus Besorgniss vor Erregung neuer Blutung oft unterlassen. Führt man aber auch den Finger bis auf den Gelenkkopf ein, so entdeckt man dennoch nicht immer gerade die gesplitterte Stelle, was freilich in therapeutischer Beziehung (wie wir sogleich sehen werden) gleichgültig ist. Die Kugel kann auch von Hinten her durch die Scapula in das Gelenk eindringen und daselbst noch den Oberarmkopf zersprengen. Auf die gewöhnlichen Symptome einer Gelenkwunde kann man sich bei Schusswunden des Schultergelenks nicht verlassen; der Schmerz kann unbedeutend sein und das Ausfliessen der Synovia ganz fehlen. Man muss also doppelt sorgfältig untersuchen, und zwar, wo möglich, in derjenigen Stellung, in welcher die Verletzung geschah. Sind die g r o s s e n G e f ä s s - S t ä m m e der Achselhöhle oder auch nur die Arterie, mit d e m G e l e n k z u g l e i c h verletzt, so erfolgt der Tod durch Verblutung häufig, ehe noch Hülfe geleistet wird. Kommt der Arzt frühzeitig genug hinzu, so muss die Subclavia comprimirt und sofort zur Exarticulatio humeri geschritten werden. Durch die Z e r s p l i t t e r u n g des G e l e n k k o p f s a l l e i n , mag sie auch mehrere Zoll weit abwärts reichen, wird die Exarticulation n i c h t indicirt. ') E s m a r c h ,

Resectionen bei S c h u s s w u n d e n , pag. 3 9 u . f.

Stromeyer,

Maximen der Kriegslieilkuust, pag. 6 9 1 u. f.

Verletzungen.

661

Ebenso wenig aber, darf man solchc Fälle sich selbst Uberlassen; vielmehr ist bei allen Schussverletzungen des Schultergelenks, soférn sie nicht ganz ausnahmsweise die Knochen unversehrt gelassen haben und sofern anderer Seits die grossen Gefässe unberührt geblieben sind, die R e s e c t i o n auszuführen, die gerade unter solchen Verhältnissen die vorzüglichsten Resultate liefert. Glücklicher Weise erzielt man sogar durch eine verspätete Resection noch ebenso günstige Resultate, wie durch die frühzeitig ausgeführte. Man wird daher auch dann noch reseciren müssen, wenn die Diagnose erst spät, nachdem bereits jauchige Eiterung eingetreten ist, aufgeklärt wird. P e n e t r i r e n d e S t i c h w u n d e n haben, sofern sie nur rein sind? nicht die grossen Gefahren, die man ihnen früher zuschrieb. Die Punction des Schultergelenks mit dem Troicart oder einem schmalen Messer ist, wenn der Zutritt der Luft ausgeschlossen wird, keine gefährliche Operation. Wirkt aber das verletzende Instrument (wie gewöhnlich) mehr quetschend ein, und lässt sich Eiterung im Stichcanale nicht ausschliessen, so entwickeln sich alle Gefahren einer heftigen Gelenk-Entzündung. Ergiebt die Untersuchung, dass das verletzende Instrument (Lanzenspitze, Bayonnett u. dgl.) in den Gelenkkopf eingedrungen oder gar daselbst abgebrochen ist, so muss reSecirt werden, da die zu der Gelenk-Entzündung hinzutretende Knochen-Eiterung auch im günstigsten Falle kein besseres Resultat erwarten lässt als die Resection und leicht üblere Folgen haben könnte. S c h n i t t - u n d H i e b w u n d e n beschranken sich meist auf die Weichtheile; jedoch ist eine in das Schultergelcnk eindringende Hiebwunde ohne alle Knochen-Verletzung sehr selten. Ist der Gelenkkopf verletzt, so giebt abermals die Resection die günstigsten Aussiebten. Hat der Hieb mit dem Gelenke zugleich die grossen Gefässstämme geöffnet, so ist selbst bei schleuniger Hülfe kaum mehr Aussicht auf Erhaltung des Arms als bei den eben erläuterten Schussverletzungcn. Grossartige

Hiebwunden

des Schultergelenk9, welche wegen Unversehrtheit

der

grossen Nerven und Gefässe die Erhaltung des Arms, nach Aushebung des durch den Säbelhieb ganz abgetrennten, also durch die Verletzung bereits resecirten gestatteten, erwähnt L a r r e y ,

Gelenkkopfs,

Mémoires de chir. milil. T. III. pag. 2 8 .

Drittes Capitel.

E n t z ü n d u n g e n . E n t z ü n d u n g e n in d e n ä u s s e r e n W e i c h t h e i l e n der Schultergegend (mit Ausschluss der Achselhöhle) sind so selten, dass man mit der Annahme derselben gar nicht schwierig genug sein kann und

662

Krankheiten der Schulter.

stets den Verdacht hegen muss, hinter der scheinbar oberflächlichen Entzündung stecke eine Erkrankung des Gelenks oder der Knochen. Dies gilt namentlich auch für A b s c e s s e dieser Gegend. L e d r a a hat in seinen Observations de chirurgie, T. I. pag. 3 2 t , Beobachtungen von , Schulter-Abscessen" mitgetheilt, die sich offenbar auf eitrige Gelenk-Entzündung and Caries de9 Acromion beziehen. Auch in dem Fabre'scben Dict. de Méd. wird unter „Épaule" eine Phlegmone der Schulter beschrieben, die bei einem Schmied in Folge übermässiger Anstrengungen des Arms entstanden war, welche aber, nie die Section nachwies, mit Eiterung im Gelenk zusammenhing.

E n t z ü n d u n g e n des S c h u l t e r g e l e n k s sind, abgesehen von den traumatischen Formen, wie sie namentlich auch nach Luxationen beobachtet werden, seltener als Entzündungen anderer grosser Gelenke. Am Häufigsten treten sie noch in Form des „Gelenk-Rheumatismus" auf. Die bei der allgemeinen Beschreibung der GelenkEntztlndungen (Bd. II.) angegebenen Symptome treten gerade am Schultergelenk sehr charakteristisch hervor. — Selten findet sich Hydarthrose. Auch die sogenannte O m a r t h r o c a c e , d e s t r u c t i v e , f u n g ö s e E n t z ü n d u n g m i t schliesslichem A u s g a n g in (Maries ist im Schultergelenk keine häufige Krankheit. Ob sie stets auf einer Dyskrasie, namentlich auf Scropheln, beruhe, ist hier, wie anderwärts, zweifelhaft; jedoch ist dieser ätiologische Zusammenhang relativ häufig. Quetschungen, Verstauchungen, Zerrungen des Arms werden als Gelegenheits-Ursachen aufgeführt. Im Beginne der Krankheit beobachtet man eine auffallend schnelle Ermüdung bei Bewegungen der oberen Extremität; dann stellt sich auch Schmerz in der Schulter und gleichzeitig im Ellenbogengelenk ein, aber nur an ersterer Stelle wird er durch Druck gesteigert. Weiterhin lässt sich Anschwellung des Gelenkes, namentlich im Bereich der Achselhöhle nachweisen. Der Gelenkkopf wird nach Unten verdrängt, die Extremität erscheint daher etwas verlängert, der Deltoides abgeflacht und gespannt, und der Ellenbogen kann nicht vollständig an den Rumpf gebracht werden. Tritt cariöse Zerstörung des Gelcnkrandes oder des Oberarmkopfes oder endlich gar Durchbruch der Kapsel ein, so verschiebt sich der Gelenkkopf allmälig nach Innen und Vorn, so dass der Arm dieselbe Stellung wie bei einer Luxatio subcoracoidea annimmt, ohne dass es deshalb wirklich zu einer Ausrenkung gekommen zu sein brauchte. Allerdings kann letztere, namentlich nach Zerstörung der Kapsel eintreten, aber die Präparate, an denen man die Luxation zu erweisen gesucht hat ( L o b s t e i n ) , lassen sämmtlich auch die Deutung zu, dass bloss eine Verschiebung des Gelenkkopfs wegen des an der Gelenk-

Entzündungen.

663

fläche der Scapula eingetretenen Substanzverlustes stattgefunden habe, ohne dass er die Gelenkhöhle (Kapsel) verlassen hat. Jedenfalls ist aber weder Verrenkung noch Verschiebung das Wesentliche bei dem Process, sondern eitrige Zerstörung. Daher kommt es auch schliesslich immer zur Abscessbildung in der Umgebung des Gelenks, bald in der Achselhöhle, bald zwischen dem M. subscapularis und dem Schulterblatt, durch Vermittelung der unter der Sehne des erstereu liegenden Ausstülpung der Gelenkkapsel, bald durch den Fortsatz der Synovialmembran, welcher den langen Kopf des Biceps begleitet, bald endlich auch an der hinteren Seite des Schulterblatts. Die Durchbruchstelle richtet sich wohl wesentlich nach dem ursprünglichen oder vorzüglichen Sitze der Erkrankung. Werden die auf den angedeuteten Wegeji weiter fortschreitenden Senkungsabscesse sich selbst Uberlassen, so können sie am Oberarm, an der hinteren Seite der Scapula oder an der Thoraxwand eine erhebliche Ausdehnung erlangen und im letzteren Falle sogar zu secundärer Rippen -Caries und zum Durchbruch in die Brusthöhle Veranlassung geben. Abgesehen von diesem besonderen Zufalle, bestehen noch alle die Gefahren grosser Gelenk-Eiterungen. In Betreff der B e h a n d l u n g aller dieser entzündlichen Processe im Schultergelenk ist zunächst auf die allgemeinen Grundsätze der Therapie der Gelenk-Entzündung (Bd. II. pag. 624 u. f.) zu verweisen. Muss man aus dem Verlauf der Krankheit auf cariöse Zerstörung im Gelenk schliessen, so ist, wo möglich noch vor der Ausbildung der Senkungs-Abscesse, die Resection des Gelenkkopfs auszuführen. Ergiebt sich dann, dass auch die Gelenkiläche der Scapula cariös ist, so sucht man auch von dieser so viel als möglich zu entfernen. Nur wenn der Zustand der Weichtheile keine Hoffnung auf Erhaltung des Arms übrig liesse, namentlich also bei ausgedehnter Verjauchung, dürfte man sich zur Exarticulation entschlossen, durch welche gegen die Erkrankung der Scapula aber auch nicht mehr ausgerichtet wird, als durch die Resection. A n k y l o s e im Schultergelenk ist meist die Folge schwerer Verletzungen oder Erkrankungen innerhalb der Gelenkkapsel. Alle verschiedenen Grade ihrer Ausbildung von leichten, strangförmigen Verbindungen zwischen Humerus und Scapula, die gewöhnlich von narbiger Verkürzung eines Theils der Kapsel begleitet sind, bis zu wahrer knöcherner Verwachsung kommen vor. Jene geringfügigeren Adhäsionen sind bei Weitem häufiger; gewöhnlich sind sie nach Luxationen, namentlich wenn solche später eingerichtet wurden, entstanden, oder durch deformirende Gelenk-Entzündung bedingt, fast immer von

664

Krankheiten der Schulter.

Unebenheiten der Gelenk-Enden durch Abschleifung ihres KnorpclUcbcrzuges hegleitet und deshalb doppelt hinderlich für die Bewegungen. Empfindet ein Kranker bei Bewegungen des Schultergclcnks auch n u r geringen Schmerz oder S p a n n u n g , so verzichtet er auf den Gebrauch desselben leicht ganz und sucht den Mangel durch Bewegungen der Scapula zu ersetzen, was in vielen Beziehungen leicht gelingt. So kann es kommen, dass durch eine unbedeutende traumatische Entzündung, zumal bei empfindlichen und ängstlichen Kranken, die ihren Ann recht lange schonen oder in der Mitella tragen, in manchen Fällen sogar durch die blosse Ruhe des Gelenks, welche durch ein anderweitiges Leiden der oberen Extremität bedingt w i r d , ein beträchtlicher Grad von Gclcnk-Steifigkcit entsteht. Wahrscheinlich tragen Faltungen und narbige Verkürzungen an der Gelenkkapsel in solchen Fällen die Schuld. Die grosse Beweglichkeit des Schulterblatts vermag in vielfacher Beziehung für die Unbeweglichkcit des Schultergclcnks Ersatz zu leisten; jedoch können Rotationen des Anns, selbst bei grösster Ucbung der die Scapula bewegenden Muskeln nicht ausgeführt werden. Dies ist in diagnostischer, wie in therapeutischer Beziehung wichtig. — Gewaltsame Bewegungen in dein ankylolischen Gelenk sind das einzige Mittel, von welchem ein Erfolg zu erwarten ist. Um diese auszuführen, bringt man den Patienten am Besten in dieselbe Lage, wie bei der Reduction einer Schulter-Verrenkung, und lässt namentlich das Schulterblatt und Schlüsselbein recht sicher fixiren; ohne tiefe Chloroformnarkose dürfte, der Muskelspannung wegen, kaum etwas zu erreichen sein. Man fasst dann mit der einen Hand das untere Ende des Ilumcrus dicht über den Condylcn, mit der anderen den rechtwinklig gebeugten Vorderarm nahe dem Handgelenk, erhebt crstcrcn allmälig bis zu einem rechten Winkel und führt dabei durch Vermittclung des als Hebelarm wirkenden Vorderarms Rotationen um die Längsachse des Hunicrus aus. Weiterhin müssen active und passive Bewegungen eifrig fortgesetzt werden. Auf ein Mal erreicht man selten einen Erfolg, durch gehörige Ausdauer a b e r , sofern nicht etwa wirklich knöcherne Verwachsung besteht, wenigstens eine erhebliche Besserung. Die in Folge der langen Unthätigkeit, vielleicht auch schon zugleich mit der Gelenk-Entzündung, entstandene Muskel-Lähmung erheischt eine besondere Behandlung, namentlich Faradisation (vgl. Bd. II. pag. 902 u. f.). N e k r o s e ist am Schlüsselbein und Schulterblatt nicht selten, namentlich an ersterem häufig und zwar verhältnissmässig oft totale Nekrose mit nachfolgendem, freilich difformem Wiederersatz des Knochens.

665

Neubildungen.

Viertes

Capitel.

N e u b i l d u n g e n . In den Weichtheilen der Schultergegend findet m a n : Angiome in der Dicke der Haut, Balggeschwülste, Lipome (auch unter dem Cucullaris), gestielte Fibrome, auch Sarcome und Carcinome, selten Perlgeschwülste. Die nach Aussen hervorgewachsenen Aneurysmen der Subclavia müssen hier gleichfalls erwähnt werden. Besondere Berücksichtigung erheischen die von den Knochen dieser Region ausgehenden Gewächse, die namentlich vom Schulterblatt, seltner vom Gelenkkopf des Humerus und noch» seltner vom Schlüsselbein entspringen u n d , sofern sie im Bereiche des Schultergelenkes sich entwickeln, oft längere Zeit für eine Gelenk-Entzündung (Tumor albus) gehalten werden. Fast immer sind dies Osteosarcoine oder Osteocarcinome, die lange Zeit jene täuschende Fluctuation darbieten können, welche manchen Arzt verleitet h a t , in der Hoffnung auf Entleerung einer krankhaften I1 lüssigkeit, das Schultergelenk zu punetiren. Das gänzliche Fehlen einer Gelegenheits - Ursache für Hydrops articuli, die Anfangs und oft lange Zeit ganz schmerzlose Entwickelung der Geschwulst bei frühzeitig eintretender FunctionsStörung, sowie der Umstand, dass die Gcschwulst nicht genau die Gestalt der ausgedehnten Gelenkkapsel darbietet und namentlich gegen die Scapula hin stärker entwickelt ist, stutzen die Diagnose. Das Schulterblatt kann allerdings gänzlich exstirpirt werden und das Caput humeri lässt sich reseciren; aber die Aussicht auf dauernden Erfolg ist in den Fällen von Knochenkrebs zu gering, als dass man sich leicht zu solchen Eingriffen entschlossen sollte. Carcinome des Schultergelenks gehen fast immer von der Scapula aus, so dass durch Resectio humeri garnichts dagegen geleistet wird. Als Enchondrom der Clavicula ist mir

mehrmals bei Kindern

eine

Geschwulst

vorgestellt w o r d e n , die sich bei genauerer Untersuchung als Callus-Geschwulsl nach einer vernachlässigten Fractura clavtculae auswies.

Vgl. Bd. II. pag. 4 1 4 .

Von Exostoseo wird besonders am oberen Ende des Humerus b e r i c b t e t ( l t o g n e t t a ) . Allerdings ist nicht sicher, ob unter denselben geführt worden ist.

(Vgl. Resectio humeri.)

nicht manches

Enchondrom m i t a u f -

666

Krankheiten der Schulter.

F ü n f t e *

0

p

1

C a p l t e l .

e r a t i o n e n .

A. R e s e c t i o n e n . I.

Beaectlo

etavIcuUe.

Das Schlüsselbein ist sowohl ganz exstirpirt, als auch theilweise resecirt worden. Operationen der ersteren Art, sogenannte T o t a l R e s e c t i o n e n , wurden meist wegen Caries oder Nekrose des Knochens unternommen und waren mindestens in der Hälfte der Fälle von gutem Erfolge. Schwieriger und gefahrvoller ist die Operation, wenn ein von der Clavicula ausgehendes Gewächs die Veranlassung dazu giebt. Die p a r t i e l l e n R e s e c t i o n e n , welchen man, wenn sie zur Entfernung des Uebels ausreichen, immer den Vorzug geben wird, können, ausser durch die genannten Krankheiten, auch durch Verrenkungen, welche sich nicht zurückbringen oder nicht zurückhalten lassen, indicirt werden. Den Schnitt durch die Weichtheile macht man in der Richtung des Schlüsselbeins und am Besten auf ihm selbst. Gewinnt man auf solche Weise nicht genug Platz, so müssen VerticalSchnitte hinzugefügt werden. Lässtsich das Periost erhalten, so ist dies für den künftigen Wiederersatz sehr wesentlich. Für die Durchschneidung des Knochens kann man sich einer kleinen Blattsäge, auch der Kettensäge, am Bequemsten (nach J a e g e r und Ried) des Osteotoms bedienen. Die hinter dein Schlüsselbein liegenden grossen Gefässe müssen durch einen Streifen Leder, den man dicht hinter dem Schlüsselbein hindurchfuhrt, vor Verletzung geschützt werden. Bei der Exstirpation eröffnet man zuerst das Gelenk am Äcromial-Ende, worauf dann, sofern es sich um Caries oder Nekrose handelt, die Auslösung des übrigen Knochens ohne Schwierigkeit gelingt. Bis zu welchem Grade die Schwierigkeiten bei d e r Operation sich steigern könn e n , wenn eine von der Clavicula aasgehende Geschwulst entfernt werden s o l l , lehrt der nachstehende Fall von V a l e n t i n

M o t t (American j o u r n .

of med. science.

T. II.

pag. 4 8 2 ) . Die als Osteosarkom bezeichnete Geschwulst h a t t e die Grösse zweier Fäuste und erstreckte sich nach Oben bis nahe an das Zungenbein Mott

machte

eine halbmondförmige

Incision

unterhalb

und den

Kieferuinkel.

d e r Geschwulst von

Schlüsselbein-Gelenk zum andern mit nach Unten gerichteter Convexitat,

dann

einein einen

zweiten Schnitt vom Acroinion bis zum Susseren Rande der V. jugularis e x t e r n a , d u r c h schnitt das Platysma und einen Theil des Trapezius, schob dann nahe eine Hohlsonde u n t e r der Clavicula durch Stelle mit der Kettensäge.

und d u r c h s c h n i t t

am

Acromion

den Knochen au dieser

Da sich aber die grosse Geschwulst

nicht ohne Weiteres

von den unterliegenden Tbeilen ablösen Hess, so m u s s t e o die inneren Enden der beiden Schnitte vereinigt w e r d e n , wobei die doppelte Unterbindung der Vena jugularis externa nothwendig wurde.

Demnächst wurde der Kopfnicker vom Schlüsselbein

abgeschnitten.

667

Resectioneo. Die Ablösung der Geschwulst gelang aber in der Tiefe erst, n a c h d e m interna, nach doppelter Unterbindung, gleichfalls durchschnitten war.

die V. jngularis

Von der Subclavia

und vom Ductus thoracicus wurde die Geschwulst m i t ' H ü l f e des Scalpell-Sliels getrennt. Endlich gelang, nach Ablösung des Pectoralis m a j o r , des Subclavius und des Ligamentum costo-clavicularc die Cxarticulation im Sternalgelenk. nothwendig geworden.

Die W u n d e heilte in V / t

Bei solchen Operationen ist nicht

Gegen 6 0 Ligaturen waren

Monaten.

blos j e d e

blutende

binden, sondern auch in Betreff der Venen-Verletzung wegen

Arterie sofort zu der G e f a h r

unter-

des L u f t -

E i n t r i t t s die grösste Vorsicht anzuwenden. Wegen einer Verrenkung des Sternal-Endes des Schlüsselbeins nach Hinten, welche »ich in Folge einer bedeutenden den bedingte, verrichtete D a v i e

Scoliose entwickelt die Hesection

des

haben soll

und

dislocirten

Knochens,

Schlingbeschwerindem

er

denselben durch einen grossen Einschnitt e n t b l ö s s t e , mit dem Messer an d e r zu durchsägenden

Stelle ( 2 7

Millim. vom Sterno-Clavicular-Gelenk)

theilen frei m a c h t e , ein Stück die Durchsägung

bewirkte,

Schwierigkeiten machte.

Sohlenleder

worauf

ringsum

dahinter f ü h r t e und

die Auslösung

von den Weich-

unter dessen

aus dem genannten

Schulz

Gelenk

keine

Der Erfolg war günstig.

II.

Bescctio

acapulae.

Sowohl einzelne Theile des Schulterblatts, als auch der ganze Knochen sind exstirpirt worden; am Häufigsten ist zu partiellen Rcsectioncn Veranlassung. Complicirte Fracturen, Nekrose, Caries und Neubildungen geben die lndicationen dazu. Die partiellen Resectionen können unterschieden werden in solche, die das Aeroinion allein oder den ganzen äusseren Winkel oder die Spina scapulae oder endlich den Körper (die Fläche) des Schulterblatts betreffen. Mit der Resection des Gelenk-Endes ist häufig diejenige des Oberannkopfs zu verbinden. Die Schnittführung muss, je nach dem zu entfernenden Theile, aber auch je nach der Art der Verletzung oder Erkrankung der Weichtheile, sehr verschieden sein. Immer sind grosse Incisioncn nöthig, um das Operationsfeld sofort ganz übersehen und überall die Blutung beherrschen zu können, welche, weil das Schulterblatt von verschiedenen Seiten her starke Arterien erhält (vgl. pag. 655), grosse Aufmerksamkeit erfordert. — Ist man genöthigt, das ganze Schulterblatt zu entfernen, so dient es wesentlich zur Erleichterung der Operation und zur Vereinfachung der Wunde, wenn man auch das Acromial-Ende des Schlüsselbeins mit entfernt und die ganze Operation mit der Durchsägung des Schlüsselbeins beginnt. Die E x s t i r p a l i o n

des

ganzen

Schulterblatts

ist zuerst von

1808 wegen einer schworen Schussverletzung a u s g e f ü h r t worden. Zeit hat m a n ,

sofera

die Exarticulatio

Immen

nicht

gleichzeitig mit dem S c h u l l e r b l a t t den ganzen Arm flüssige und

gefahrvolle

schon vorher

entfernt.

Verstümmelung zu unterlassen s e i ,

Cuming

Bis auf die neueste ausgeführt

war,

Dnss eine solche ü b e r versteht

Auch die Decapitatio h u m e r i wird man n u r dann mit der Exstirpation

sich von selbst. oder Hesection

668

Krankheiten der Schüller.

der Scapula verbinden, wenn eine specielle Indication dazu vorliegt. Ii. v. L a n g e n b e c k bat die Exstirpation der ganzen Scapula mit Erhaltung de» Arms (wegen eines Knochenkrebses, welcher recidivirte und dessen abermalige Operation den Tod zur Folge hatte) 1 8 5 5 zuerst ausgeführt. Klinik, 1 8 5 5 .

Vgl. C. F o c k ,

Exstirpatio et

Resectio scapulae,

Die Schnittführung muss, nach B. v. L a n g e n b e c k ,

Deutsche

folgende sein.

Ein Schnitt erstreckt sich vom oberen inneren Winkel der Scapula bis zum unteren Winkel, der zweite rechtwinklig auf diesen von dt(D3€lli6D Anfangspunkte, dicht oberhalb

der Spina bis zur Spitze

des Acromion.

Der auf diese Weise

umschnitten«

grosse dreieckige Lappen wird vom Knochen abgelöst, der hintere Rand frei gemacht, der untere Winkel emporgehoben und das Schulterblatt mit langen Zügen vom Subscapularis und Serratus ant. maj. abgelöst.

Demnächst werden auch am oberen Rande

die Schnitte hart am Knochen gegen den äusseren Winkel geführt. Arterien werden sofort unterbunden.

Die durchschnittenen

Ergiebt sich bei der jetzt nochmals vorzuneh-

menden Untersuchung, dass der Gelenkfortsatz nicht erhalten werden kann, so wird das Schultergelenk

geöffnet,

indem man den oberen

Schnitt schräg

über

dasselbe

berabfübrt und dann mit einem Querschnitt durch den Deltoides sofort in das Gelenk eindringt.

Sägt man ein Stück vom Acrorainal - Ende des Schlüsselbeins mit ab,

wird dadurch die Ausschälung des Processus coracoides,

so

bei welcher man jedenfalls

die Schnitte hart am Knochen führen muss, erbeblich leichter. — S c h u p p e r t (NewOrleans Jouro. of med. 1870. Jan.) hat bereits 10 Fälle von Exstirpation des ganzen Schulterblatts zusammengestellt, darunter einen eigenen, glücklich verlaufenen. Ueber p a r t i e l l e R e s e c t i o n e n des Schulterblatts, welche Wa11 h e r zuerst in Vorschlag gebracht h a t , lassen sich weniger allgemeine Vorschriften geben.

Jedenfalls

ist es auch hier nöthig, grosse Wunden zu bilden und jede spritzende Arterie sofort zu fassen und wenigstens provisorisch mit einer Schieberpincette zu verschlussen.

Um

nicht nach Durchschneidung der Weicbtheile durch das Sagen von der Unterbindung der Gefdsse abgebalten zu werden, ist es zweckmässig, zuerst den gewöhnlich zurückzulassenden Gelenktheil im Collum scapulae

abzusägen

Schulterblatt aus den Weichtheilen zu lösen.

Vgl. F o c k , I. c.

III. Am Arien halb

oberen Ende

der

Gelenkkapsel.

Um

erstere

durch

zwei

entblössen,

f o r d e r l i c h ist, u m

zwei

sehr

ausserhalb handelt

es

Längsschnitte von beiden Seiten

dann

übrige

verschiedene und sich

innernur

bei

die W e i c h t h e i l e

zu

können

und

mit d i e s e r

d e r E x o s t o s e v o m H u m e r u s in d e r R i c h t u n g Die R c S C C t i o u d e s O b e r a r n i k o p f s , auch a l s R e s e c t i o n Obgleich schon 1768

durch

ihre

her

an

nur soweit ablösen,

ihrer

als

er-

v o n e i n e r S e i t e z u r a n d e r e n die S t i c h - o d e r K e t t e n -

S ä g e hilldurchfuhren

Zeit

das

Diese wird m a n , s o f e r n i h r e E n t f e r n u n g ü b e r h a u p t i n d i e i r t

erscheint,

Nekrose)

erst

huroerl.

des Humerus können

von Resectionen ausgeführt w e r d e n :

Exostosen. Basis

R c a c c t l o In a r t l c u l o

und dann

des

früher,

Decapitatio

Trennung ausführen.

humeri,

wird

S c h u l t e r g e l e n k s schlechtweg bezeichnet.

zuerst von

verrichtet,

dann die

des letzteren

Ch. W h i t e ,

h a t diese O p e r a t i o n

Anwendung

bei

complicirten

wegen Caries

doch

e r s t in

Fracturen,

(oder

neuester

vorzüglich

Resectionen.

669

sofern diese das Resultat von Schussverletzungen sind, eine grössere Ausbreitung gewonnen und sich in den mannigfaltigsten Beziehungen segensreich bewährt. V e r f a h r e n v o n B. v. L a n g e n b e c k (1848). Der Oberarm wird von einem Gchtllfen dem Thorax anliegend gehalten, der Vorderarm flectirt, der Ellenbogen in gleicher Höhe mit der Schüller, die Hand vor dem Thorax. Ein verticaler Schnitt an der vorderen Seite der Schulter vom Acromion abwärts, 9 bis 10 Centiui. lang, spaltet zunächst die Haut, dann in der Richtung der Fasern des Deltoides, zwischen Tuberculum majus und minus eindringend, die Übrigen Weichtheile bis in den Sulcus intertubercularis, welcher, wenn man recht vorsichtig sein will, nur mit einem Einstich geöffnet und dann auf der Ilohlsonde aufgeschlitzt wird. Der in diesem Sulcus liegende lange Kopf des Biceps wird geschont, von seinen seitlichen Befestigungen gelöst u n d , indem man nach seinem Verlaufe die Gelenkkapsel bis zum Acromion spaltet, aus dieser hervorgehoben und dem Haken eines Gehülfen übergeben. Dieser zieht ihn zunächst etwas nach Innen. Ein anderer GehUlfe rotirt den Humerus einwärts, um, sofern dies der bestehenden Verletzung wegen möglich, das Tuberculum majus in die mit stumpfen Haken mässig dilatirte Wunde zu bringen. Der Operateur trennt hierauf mit einem gegen das Caput humeri gerichteten halbmondförmigen Schnitte den am Tuberculum majus befestigten Theil der Gelenkkapsel bis in die bereits bestehende verticale Wunde der Kapsel. Demnächst wird der Humerus auswärts rotirt, so dass nun das Tuberculum minus in der Wunde erscheint und die Kapsel durch einen ähnlichen Schnitt von ihm getrennt werden kann. Wem es bequemer erscheint, der kann auch das Tuberculum minus zuerst umschneiden. Wenn das obere Ende des Humerus in der Art zerschmettert ist, dass der Gelenkkopf bei Rotation des übrigen Knochens sich nicht mitbewegt, so muss man die erforderlichen Bewegungen auszuführen suchen, indem man in die Bruchstücke selbst einen scharfen Haken oder einen Tirefond einbohrt. . Ist der Gelenkkopf hinreichend gelöst, so fasst man ihn mit einer starken Hakenzange, deren Haken tief in die Knochensubstanz eingedrückt werden, und zieht ihn hervor, wobei der Ellenbogen des Kranken, durch den GehUlfen unterstützt, am Rande des Operationstisches hinabgleiten muss. Die geringfügige Blutung in der Wunde wird leicht gestillt. Man übersieht nun die noch unversehrten Anheftungen der Gelenkkapsel am Halse des Humerus und löst diese mehr oder weniger vollständig, je nachdem man die Resection höher oder tiefer ausführen will. Der aus der Wunde hervorgezogene Ge-

670

Krankheiten der S c h a l l e r .

lenkkopf wird dann, nachdem die übrige Wunde durch eine gespaltene Compresse geschützt ist, mit einer gewöhnlichen Amputationssäge abgesägt, wobei der Operateur selbst die in den Gelenkkopf eingesetzte Zange halten kann, während ein Gehülfe den Humerus fixirt. Die Verletzung eines bedeutenderen Arterienastes ist n u r , wenn die Ablösung der Weichtheile sich bis unter den tiefsten Theil der Insertion der Kapsel erstrecken muss, zu befürchten. Dort wird dann die A. circumflexa posterior durchschnitten. Sie müsste sogleich nach der Durchschneidung oder, wenn man sie vorher gesehen hat, auch vor derselben gefasst und unterbunden werden. Dann kann man aber auch die Ablösung der Weichtheile, hart am Knochen, noch mehrere Zoll weiter abwärts ausdehnen, ohne auf ein erhebliches Gefäss zu stossen. N e u e r e s V e r f a h r e n . S u b p e r i o s t e a l e R e s e c t i o n . Während bei dem vorstehend geschilderten Verfahren die Ansätze der Schulterblattmuskeln an den beiden Höckern des Oberarmbeines absichtlich abgeschnitten werden, will man bei der „subperiostealen Methode" diesen Uebelstand vermeiden, indem man den Zusammenhang dieser Insertionen und des Kapselbandes mit dem Periost des Oberarmschaftes zu erhalten sucht. Zu diesem Behuf muss man, nachdem in der oben beschriebenen Weise die Kapsel geöffnet und die Bicepssehne herausgehoben ist, von dem Längsschnitte ausgehend, mit Schabeisen und Hebel vorsichtig und langsam die Kapsel und das Periost von den beiden Tuberkeln ablösen bis beide sammt dem chirurgischen Halse sich nackt aus ihrer Kapsel-Periost-Hülle herausdrängen lassen. Ausser der viel grösseren Wahrscheinlichkeit der Wiedererlangung einer beweglichen Gelenkverbindung gewährt dies Verfahren noch den Vorzug, dass Verletzungen der umgebenden Weichtheile, namentlich auch der Art. circumflexae sicher vermieden werden. Obgleich die Durchschneidung der äusseren Weichtheile

auch in anderer

tung zulässig sein k a n n , so wird man duch jedenfalls die früher bevorzugten sebnitte zu vermeiden s u c h e n , Narbe erwarten

da sie

eine langsamere Heilung

und

eine

Rich-

Lappen-

störendere

lassen.

S t r o m e y e r empfahl I 8 i 9 einen h a l b m o n d f ö r m i g e n S c h n i t t , der nahe dem Acromion zwischen ihm und dem Processus coracoides beginnen und von da mit nach Unten gerichteter ConveiitSt, nach Aussen gehend, die Muskelfasern des Deltoides fast quer durchdringen sollte.

Derselbe

gewährt mehr Raum und daher grössere Leichtig-

keit für die Führung der tieferen S c h n i t t e , hat aber den Nachtheil, dass er die Muskelfasern des Deltoides quer durchschneidet, und ist deshalb von S t r o m e y e r dem L a n g e n b e c k ' s c h e n 1. pag. 2 9 7 ) .

selbst spater

Verfahren nachgestellt worden (Maximen der Kriegsheilkunst

Der gegen den gradlinigen Einschnitt an der vorderen

hobene Einwand, dass e r dem Eiter nicht

genügend

Abfluss

S e i t e früher er-

gewähren

und Eitersen-

Desertionen.

671

1 un gen begünstige, bat sieb schon lange vor der Anwendung antiseplischer Verbinde als unbegründet erwiesen, und ist j e t z t in keiner Weise m e h r haltbar. — Aehnlich wie S t r o m e y e r

«erfuhr schon M o r e l ,

der jedoch

mittelst des

halbmondförmigen

Schnittes einen Lappen aus der oberen Hälfte des Deltoides bildete. — Das Verfahren von L a n g e n b e c k

schliesst

J ä g e r , V i d a l u. A. a n , in d e r

Richtung

sich

an

die

älteren

Angaben

des Sulcus intertubercularis

und

nicht

Kopfes des Biceps, sondern in der Mitte des Deltoides pfahlen.

von

White,

Larrey«

welche sämmtlich einen einfachen Längsschnitt, aber nicht mit Schonung

bis zu dessen

des

Die Schonung des Diceps-Kopfes wird bei cariöser Zerstörung des

gewiss oft unmöglich s e i n , bleibt a b e r

immer

Ausführung der Resection

Verbindung

GelenlOJche

der

die

einzige

wünscbenswerlb, zwischen

weil

dem

langen

Insertion emGelenks

derselbe

nach

Humerus

und der

Scapula herstellt und somit für die k ü n f t i g e s Stellung des

ersteren

von einigen Wichtigkeit ist. C. H u e t e r

(Gelenkkrankb. pag. 8 2 6 )

L a n g e n b e c k ' s e h e n Verfahrens.

Nachdem

empfiehlt nachstehende Modification des der Längsschnitt

das Collum cbirurgicum

von Aussen her frei gelegt h a t , wird zuerst das Periost von dem Längsschnitt aus in Gestalt einer

ringförmigen

dasselbe spaltenden

Hülse sammt allen Weicbtbeilen vom

l l u m e r u s s c b a f t abgelöst und der chirurgische Hals etwa t Olm. unterhalb der tiefsten Stelle der GelenkOücbe mit der Stichsäge durchsagt.

Das abgesägte Gelenk-Ende wird

mit d e r Hakenzange gefasst und nach Aussen aus der Wunde herausgedreht (gehoben), so dass man an der Innenllitche desselben bis zur Gelenkkapsel das Periost vollständig ablösen kann.

Hierauf wird die Kapsel an ihrem i n n e r s t e n , untersten Umfange, wo

sie von Sehnen nicht bedeckt i s t , durchschnitten wunde herausgedrängt.'

und der Kopf

aus

dieser

Schnitt-

Jetzt erst folgt die Ausschälung der T u b e r c u l a , was den Vor-

theil g e w ä h r t , dass man den Sehnen die für sammenhang mit dem Periost sehr

die genaue Ablösung derselben im Zu-

erwünschte Spannung

bequem geben kann. —

In

Fallen, wo der Humerus in der Gegend des Collum Chirurgie, zerschmettert ist, ergiebt sich dies Verfahren eigentlich

von selbst

und bat sich

auch

mir

(schon 1 8 6 6 ) als

leicht and sicher erwiesen.

Findet sich nach Eröffnung des Gelenkes auch das Schulterblatt erkrankt oder zersplittert, so muss, sofern die Resection Überhaupt noch ausführbar erscheint, die Wunde hinreichend erweitert werden, um, nachdem durch Entfernung des Gelcnkkopfs Raum gewonnen ist, auch den kranken Thcil der Scapula zu rcseciren. Man kann mit der Resectio humeri sogar die vollständige Exstirpation des Schulterblatts oder des Schlüsselbeins verbinden. Für partielle Resectionen des Gelenkthcils gewähren, nächst dem Osteotom, die Kettensäge und der Mcissel die meiste Bequemlichkeit. Mit einer gewöhnlichen Säge könnte man dem Gelenktheil der Scapula immer erst nach vorgängiger Entfernung des Acrontion beikommen. Die langen Köpfe des Biceps und Tríceps müssen bei einer solchen Resection immer abgelöst werden. Die Aussicht auf einen brauchbaren Arm wird desto mehr vermindert und die Gefahr der Operation desto mehr gesteigert, je mehr von der Scapula entfernt werden muss. Meist genügt aber dag Abschaben mit dem Ilohlmeisscl. Vgl. pag. 667.

672

Krankheiten der

Schulter.

In den ersten Tagen n a c h d e r R e s e c t i o n im S c h u l t e r g e l e n k wird der Arm auf einem grossen Spreukissen bequem gelagert mit etwas erhöhtem Ellenbogengelenk und gebeugtem Vorderarm (die Hand auf der Herzgrube). Gelingt die Durchführung des jedenfalls anzuwendenden, antiseptischen Verbandes, so kann diese Lagerung des Armes auch bis zur Heilung oder doch bis zu der Zeit, wo der Patient das Bett verlässt, ausreichen und dann durch eine gepolsterte Mitella ersetzt werden. Anderen Falls ist später ein entsprechend gefensterter Gypsverband anzulegen, wie bei Fractura colli hutneri. B.

Exarticulationen.

Die Entfernung des Schlüsselbeins wird, obgleich dabei sogar zwei Exarticulationen erforderlich sein können, allgemein zu den R e s e c t i o n e n gerechnet, vgl. pag. 6 6 6 ; ebenso die Exstirpation des ganzen Schulterblatts. Wir haben es daher nur mit der E x a r t i c u l a t i o h u m e r i zu thun. Diese ist indicirt, wenn das lebensgefährliche Uebel am Arm, welches überhaupt zu einem operativen Eingriff auffordert, weder durch die Resection, noch durch die Amputation in der Continuität beseitigt werden kann. Man ist jedoch nicht ganz einig darüber, ob der allgemeine Grundsatz, bei jeder verstümmelnden Operation soviel als irgend möglich zu erhalten, hier volle Anwendung finden soll. Die Gefahr der ExartieulstiO humeri scheint nämlich in der That nicht grösser zu sein, als diejenige einer hohen Amputation (dicht am chirurgischen Halse), und die Exarticulation gewährt den grossen Vortheil, dass von dem erkrankten oder zersplitterten Knochen gewiss nichts zurückbleibt. Dies ist namentlich bei bösartigen Pseudoplasmen und bei Zerschmetterungen von der_grössten Bedeutung. Leicht kann eine bis in den Gelenkkopf eindringende Fissur unbemerkt bleiben, die nach der Amputation zur Vereiterung des Knochenstumpfs und allen daraus hervorgehenden Gefahren führt. Noch viel weniger lässt sich erkennen, ob die spongiöse Substanz des Knochens nicht in dem Grade erschüttert ist, dass sie theilweise absterben und somit gleichfalls zur Knochen-Eiterung Veranlassung geben muss. Erwägungen und Erfahrungen der Art bestimmten L a r r e y , der Exarticulation vor der hohen Amputation des Arms überall den Vorzug zu geben. Man hat eine Zeitlang geglaubt, dass L a r r e y sich vorzugsweise durch die grössere Schnelligkeit, mit welcher die Exarticulation sich ausführen lässt (auf welche nach der Einführung des Chloroforms gar kein Gewicht mehr zu legen wäre), habe verleiten lassen. Aber noch in

Exui'l iculotionen.

673 1

neuester Zeit haben sich bedeutende Autoritäten ) auf Grund zahlreicher Erfahrungen zu derselben Ansicht b e k a n n t , und die obigen Erwägungen werden daher in jedem einzelnen Fall volle Beachtung verdienen. Dagegen ist nicht zu übersehen, dass nach der Exarliculation der Schulterstumpf eine üblere Gestalt bekommt, als nach der hohen Amputation. Das Acrornialdaeh ragt wie ein Riff hervor, und. alle früher am Humérus befestigten Muskeln werden ganz atrophisch. Für die Durchschneidung der Wcichtheile sind unzählige Methoden und Verfahren erfunden und empfohlen worden. Viel wichtiger als die Kcnntniss der Namen aller dieser Erfinder ist die richtige Wahl der Schnittführung im einzelnen Falle, je nach der Art der Verletzung oder Erkrankung der Weichtheile, und die V e r h ü t u n g e i n e s z u starken Blutverlustes. In letzterer Beziehung geht man gewiss am Sichersten, wenn man das pag. 630 von uns empfohlene Verfahren einschlägt, zuerst also die Arteria axillaris in der, Bd. II. pag. 192 angegebenen Weise dicht über der Stelle, an wcleher man die Weichtheile der Achselhöhle zu durchschneiden gedenkt, unterbindet u n d unterhalb der Ligatur durchschneidet und dann erst zur Exarticulation schreitet. Hat man einen zuverlässigen Assistenten, so macht dieser die vorgängige Unterbindung überflüssig, indem e r , nachdem die Kapsel völlig getrennt ist, in die Wunde eingreift und die A. axillaris zwischen den Fingern comprimirt, während der Operateur unterhalb dieser Stelle die Wcichtheile der Achselhöhle durchschneidet. Die Eröffnung der Gelenkkapsel muss in der Regel durch einen kräftigen Schnitt mit dem rechtwinklig gegen den hervorgedrängten Gelenkkopf aufgesetzten Messer ausgeführt werden. Ist die Continuität des Humérus unterbrochen, so muss man das obere Ende mit einer starken Hakenzange fassen, um den Gelenkkopf gehörig hervordrängen zu können. Fig. 10S, entlehnt aus der „ Cjclopaedia oi' surgery giekt eine Uebersicht über einige der biiuliger augewandlcn Scbnitlführungcn. Die Buchstaben a — l bezeichnen Verfahren der doppelten Lappenbildung; a , b, c und j , k, l nach D u p u y t r e n , J, e, f nach L i s f r a n c , g, h, i nach G u t h r i e ; m, », o einfacher innerer Lappen nach L e d r a n ; p, ) Vgl. G ü n t h e r , das Handgelenk. B a r d e l e b e n , Chirurgie. 6.Aufl. IT.

Leipzig,

1841.

der

abwärts

45

gewandter

706

Krankheiten der Hand.

Convexitat vom Os pisiforme zum Tlienar verläuft, wo er mit dem Itamus superficialis der Arteria radialis communicirt.

An der

Radialseite des kleinen Fingers

verbindet

sich die Ulnaris durch einen anastomotischen Ast (Ramus profundus) mit dem Arcus profundus.

Die A r t e r i a r a d i a l i s giebt am unteren Ende des Vorderarms den Ra-

m u s volaris superficialis a b ,

der

in der Gegend des Thenar in den oberflächlichen

Hohlhandbogea einmündet und diesen vervollständigt,

dann wendet

sie sich um

den

Radialrand der Handwurzel, zwischen dem GrilTelfortsatz des Radius und dem Os m u l t angulum m a j u s zu dem hinteren Ende des ersten Zwischenknocbenraums, giebt daselbst mehrere kleine Aeste f ü r ]den Handrücken ab

und

tritt

demnächst

zwischen

dem

ersten M. interosseus und dem zweiten Mittelhandknochen hindurch in die Hohlhand, wo sie sich in die für den Daumen und Zeigefinger bestimmte A. p r i n e e p s

pollicis

und den R a m u s v o l a r i s

Blatt der

profundus

theilt,

Aponeurose b e d e c k t , unmittelbar auf den b o g e n einwärts v e r l ä u f t , u m Aus der

zu stossen.

welcher,

von dem

tiefen

Mm. interossei, als t i e f e r

Hohlhand-

schliesslich mit dem tiefen Aste der Ulnaris zusammen

Convexitat

des o b e r f l ä c h l i c h e n

Hohlhandbogens

springen etweder direct oder durch

Vermittelung von zwei Stämmchen die

der Fingerarterien, zn denen a b e r ,

bevor sie sich

in je zwei

gewandten Flächen der Finger bestimmte Aestchen s p a l t e n , Hohlhandbogen h e r r ü h r e n d e n , tiefen Aeste hinzutreten.

ent-

Volaräste

für die einander

zu-

noch die aus dem tiefen

Die Arterien des Daumen ent-

springen g a n z , die des Zeigefingers zum grössten Tbeil

aus

der A. prineeps.

Die

Dorsaläste der übrigen Finger kommen aus dem Rete carp. dors. und den perforirenden Aesten des Arcus volar, profundus. Die V e n e n der Hand begleiten im Allgemeinen die Arterien, jedoch n a h m e d e r oberflächlichen Venen des Handrückens.

schimmern oft bläulich uod haben im Allgemeinen eine solche Anordnung, eine Theil sich a n der Dinarseite zur V e n a s a l v a t e l l a , seite zur V e n a c e p h a l i c a

sammelt.

mit Aus-

Diese springen sehr deutlich hervor, dass der

der andere an der Radial-

(Vgl. „Aderlass", Bd. I.). — Grössere L y m p h -

g e f ä s s e lassen sieb a n der Dorsalgeite mit Leichtigkeit nachweisen. Von den N e r v e n s t ä m i n e n

des Arms steigen

n u r der Medianus, Ulnaris und

Radialis z u r Hand h i n a b , der R a d i a l i s nur mit seinem Darsal-Ast, der an den drei ersten Fingern e n d e t , während die Volarseite dieser Finger von dem M e d i a n u s versorgt wird.

Dieser liefert auch die Aeste für die Lumbricales.

seinem Dorsal-Ast den

vier tan

Der U l n a r i s versorgt mit

und fünften Finger, mit seinem Volar-Ast nicht blos

diese, sondern durch e i n e n , dem tiefen Hohlhandbogen folgenden Zweig auch die Mnskeln des Hypothenar, die Interossei und den Adductor pollicis. 2 ) Die F i n g e r s t i m m e n , abgesehen von den E i g e n t ü m l i c h k e i t e n des Daumen, so sehr mit einander S b e r e i n , dass eine gemeinsame Beschreibung genügt. Die Grenze zwischen Finger nnd Mittelhand wird auf der Dorsalseite

durch die Knöchel deutlich

bezeichnet; a n der Volarseite dagegen ragen die Weichtheile, namentlich die schwlmmhautäbnliche Dupllcatur d e r H a u t , bis zu 2 ' / , Centimeter unterhalb der Basis der ersten Phalanx hinab.

In dieser Entfernung vom Metacarpo-Pbalangen-Gelenk

erste Q u e r f u r c h e , welche man an

der Volarseite

F u r c h e findet sich fast genau entsprechend Phalanx,

eine dritte

dem Gelenk

liegt auch die Eine

zweite

zwischen erster und zweiter

einen Millimeter unterhalb des Gelenks des Nagelgliedes.

Daumen zeigt an der Volarseite sprechen.

der Finger bemerkt.

zwei F u r c h e n , welche seinen

beiden

Der

Gelenken e n t -

Man hat auf die Beachtung aller dieser Furchen zum Behuf der Auffindung

der einzelnen Gelenke zuviel Gewicht gelegt.

Man findet im Allgemeinen durch genaues

Zufühlen das Gelenk selbst ebenso leicht, wie jene Farcben durch genaue Besichtigung.

707

Anatomische üebersicht.

Die H a u t verhält sieb an der Volarseite der Finger ähnlich wie in der Hohlhand. Gegen die Fingerspitze hin nehmen

die Dicke

bindegewebes,

and

«och

der

sowie

Haaptsitz

der der

Geßss-

nnd

die Dichtigkeit

Nervenreichthum

Tastkörperchen.



Unter

dem

finden wir an den beiden ersten Phalangen die s t a r k e n ,

des

erheblich

subcutanen

fibrösen

fibrösen

Sehnenscheiden

Dort

ist

Bindegewebe

Sehnenscheiden

d e r Beugemuskeln nnd an der dritten Phalanx die Insertion des F l e x o r I m Btreich der Gelenke fehlen die

Cnterhaut-

za.

profundus.

fast ganz.

Ihr Inneres

ist von einer Synovialhant ausgekleidet, die auch den in ihr liegenden Theil der Sehne überzieht und durch

Uebergangsfalten an die hintere Wand der Sehnenscheide lose

anheftet. — Die Sehne des F l e x o r

profundus

d u r c h b o h r t diejenige des F l e x o r *

s u p e r f i c i a l i s , um zur letzten Phalanx zu gelangen, während

der Superficialis s i c h

m i t zwei Zipfeln an den Seitenrändern der zweiten Phalanx festheftet. — Die mit der H a u t des Handrückens im Wesentlichen übereinstimmende Dorsalhaut der Finger zeigt in det Gegend der Gelenke zahlreiche Furchen.

Das Unterhautbindegewebe ist schlaff,

die Afoneurose mit den Strecksehnen verschmolzen. —

An d e r Dorsalseite des End-

stücks der dritten Phalanx

den

wird

die Epidermis

o b e r e i Theil mit seiner Wurzel im N a g e l f a l z

durch

N a g e l ersetzt,

der a m

s t e c k t , a b e r auch mit dem grössten

Theil seiner concaven Fläche auf dem als N a g e l b e t t bezeichneten, gerifiten Theil d e r Cutis aufliegt. — Die A r t i c u l a t i o m e t a c a r p o - p h a l a n g e a Arthrcdie.

ist eine

beschränkte

Die Beschrankung der Bewegungen geschieht namentlich durch die Seiten-

b a n d e ' , die am Daumen am stärksten entwickelt sind.

An diesem dient überdies die

Basis der ersten Phalanx durch Vermittelung der S e s a m b e i n c h e n

allen

Muskeln

des Tlenar mit Ausnahme des O p p o n e n s zur Insertion. — Zwischen den Phalangen finden sich reine Charniergelenke.

Starke Seitenbänder verhindern nicht blos seitliche

Abweichungen, sondern auch eine übermassige Extension.

Erstes Cnpitel. V e r l e t z u n g e n . Die Hand ist wohl unter allen Theilen des Körpers derjenige, welcler am Häufigsten von .Verletzungen getroffen wird. In der Mehrzahl der Fälle handelt es sich um Wunden oder Quetschungen, seltner um E n o c h e n b r i l c h e oder V e r r e n k u n g e n (vgl. Bd. II. pag. 455 u. f. und pag. 785 u. f.). Q u e t s c h u n g e n an der Hand sind immer sehr schmerzhaft und erheischen zur Verhütung der Entzündung die energische Anwendung der lälte. Bei Quetschungen des Nagelbetts wird der Schmerz besondtrs durch das unter dem Nagel liegende Extravasat unterhalten. Man thut daher gut, dasselbe frühzeitig durch eine Incision in den Nagel zu entleeren. Sicher und schmerzlos geschieht dies, indem man die Nagelsubstanz an der betreffenden Stelle schichtweise abträgt. W u n d e n der Hand (selbst einfache und reine) haben eine gewisse Bedeutung, indem sie bei einiger Tiefe zu gefährlichen Blut u n g e n Veranlassung geben können und häufiger als andere Ver-

45*

708

Krankheiten der Hand.

letzungen von ebenso geringer Ausdehnung T e t a n u s veranlassen. Alle tiefer eindringenden Wunden der Hand bedingen. überdies die Gefahr einer tiefen Phlegmone, auf welche wir im nächsten Capitel eingehen werden. Selbst bei relativ günstigem Verlaufe bleiben doch häufig Verwachsungen der Sehnen zurück, welche Verkrümmung oder Steifigkeit der entsprechenden Finger zur Folge haben. Bleibt der verletzende Körper in der Wunde zurück, so ist heftige Entzündung in seiner Umgebung desto mehr zu befürchten. Freilich hat man abgebrochene Messerspitzen, Glassplitter und Nähnadeln zuweilen in der Tiefe der vernarbten Wunde ohne üble Zufälle einheilen sehen. Gewöhnlich entsteht aber doch Uber Kurz oder Lang Ulceration in der Umgebung des fremden Körpers, durch welche er ausgestossen oder doch gelockert wird, so dass die Ausziehung dann oft leichter gelingt, als bald nach dem Eindringen. Dennoch bleibt es wünschenswert!], fremde Körper möglichst früh zu entfernen. G e q u e t s c h t e - W u n d e n sind die häufigsten und zugleich gefährlichsten. Seit Räderwerke und namentlich Dampfmaschinen in allen Zweigen der Industrie Amwendung gefunden haben, sind Quetschwunden und Zermalmungen der Hand in der Civilpraxis ebenso häufig geworden wie in den Feldlazaretten. Fast immer bandelt es sich hierbei zugleich um Splitterbrüche, Eröffnung von Gelenken, Zerreissung von Sehnen. Schusswunden führen diese üblen Complicationen besonders dann mit sich, wenn das Geschoss schräg aufschlägt. Dringt die Kugel mit voller Kraft rechtwinklig gegen eine der Flächen der Hand ein, namentlich von der Dorsalseite her ( S t r o m e y e r ) , so geht sie oft gerade hindurch, ohne grosse Zerstörungen anzurichten, und die Heilung erfolgt, wenn kein grosses Gefäss verletzt ist, mit überraschender Schnelligkeit. Verletzungen der F i n g e r - G e l e n k e sind wegen der geringen Grösse und oberflächlichen Lage derselben r e l a t i v weniger gefährlich; selbst wenn Eiterung entsteht, stellt sich die Beweglichkeit oft wieder her. Bei der B e h a n d l u n g der Wunden der Hand ist zunächst die Stillung der Blutung (vgl. Bd. II. pag. 198 u. f.) und die Entfernung der fremden Körper in's Auge zu fassen. Demnächst sucht man zu e r h a l t e n , w a s i r g e n d zu e r h a l t e n i s t ; denn jeder, auch der geringste Defect an der Hand stört ihre Funktion, und oft erhöbt ein unscheinbares Stück, dessen Erhaltung kaum der Mühe werth schien, die Brauchbarkeit der Hand filr gewisse Verrichtungen sehr erheblich. Die conservative Methode ist aber bei der Behandlung der schweren Verletzungen der Hand nicht blos im höchsten Grade wünschens-

Verletznngco.

709

werth, sondern auch wegen des Gefässreichthums und der mannigfaltigen anastomotischsn Verbindungen der einzelnen Theile im vollsten Maasse anwendbar. Das Anheilen halb abgelöster Lappen und Fetzen, die man an jedem anderen Körpertbeile unbedingt verloren geben wtlrde, erfolgt an der Hand so häufig, dass man auch in den verzweifeltsten Fällen den Versuch machen muss, die hierzu erforderliche mechanische Verbindung herzustellen. Von der grössten Bedeutung ist diese Thatsache bei schweren Verletzungen der Finger. Selbst quer abgehauene Stücke von Fingern hat man bei sorgfältiger Behandlung zuweilen wieder anheilén sehen. Im Allgemeinen erfolgt die Vereinigung per primam leichter an der Volar- als an der Dorsalseite der Hand, weil dort die Haut gefässreicher ist und mit dem subcutanen Bindegewebe inniger zusammenhangt — Die V e r e i n i g u n g gelingt in leichteren Fällen durch Streifen von englischem Pflaster, Uber welche man Collodium streicht; bei tiefen, unregelmässigen und Lappenwunden ist immer die Naht erforderlich. Nach 24 — 4 8 Stunden werden die Fäden entfernt, an ganz abgetrennten Theilen, die Überdies durch einen Verband wie bei Fracturen gestutzt werden mttssen, noch später. Sind Sehnen durchschnitten, so muss man die Finger, zu denen sie gehören, in einer die Berührung der getrennten Enden begünstigenden Stellung durch entsprechende Verbände erhalten. An den Strecksehnen ist auch die S e h n e n - N a h t zulässig, von welcher man sogar bei veralteten Trennungen (nach vorgängiger Anfrischung) guten Erfolg gesehen hat An den Beugesehnen ist die Naht nicht bloss schwieriger anzulegen (wegen ihrer tieferen Lage), sondern Uberhaupt zu vermeiden, weil sie, als fremder Körper, die ohnehin zu fürchtende Sehnenscheiden-Entzündung steigern würde. Zur Verhütung der Entzündung dient neben absoluter Ruhe der Hand vor Allem ein sorgfältiger antiseptischer Verband, zur Bekämpfung der traumatischen Phlegmone (wenn sie sich nicht vermeiden liess) wendet man Anfangs die Kälte (Eisbeutel) an, demnächst permanente Bäder in Anfangs kühlem, später, je nach den Empfindungen des Patienten, mehr oder weniger warmem Wasser. Nur bei sehr kräftigen Subjekten und geringer Wundblutung sind Blutentziehungen zu empfehlen. Irrigationen, von denen man früher gerade bei Verletzungen der Hand einen sehr ausgedehnten Gebrauch machte, haben vor den permanenten Bädern, die an der Hand so leicht anzuwenden sind, keinen Vorzug. Dass die Hand im Bade nicht hinabhängen, sondern eher etwas höher liegen muss als der Übrige Vorderarm, ergiebt sich aus den allgemeinen Regeln (vgl. Prolegomena). Die Badewanne muss deshalb so gross sein, dass sie den ganzen Vorder-

710

Krankheiten der Hand.

a r m mit aufnimmt. F ü r die sitzende Stellung des Kranken gewahren Blechwannen, deren langer Rand an einem Ende eine Ausbiegung zur Aufnahme des Oberarms und deren Deckel ¡in der entsprechenden Stelle zu demselben Zweck einen Ausschnitt besitzt, die grösste Bequemlichkeit. Liegt der Kranke, so empfiehlt sich eine flache lange Wanne, deren eine schmale Wand sehr allmälig schräg aufsteigt V e r b r e n n u n g e n und E r f r i e r u n g e n sind an der Hand u n d namentlich an den Fingern sehr häufig. Vgl. Bd. 1. pag. 6 0 7 u. f. Bedeutende V e r b r e n n u n g e n findet man namentlich bei F e u e r arbeitern und bei kleinen Kindern, die einen stark geheizten eisernen Ofen, ein Bügeleisen oder dgl. m. angefasst haben. Die grosse Mehrzahl der nicht angebornen Difformitäten der Hand entspringt aus Verbrennungen. Dieselben sind allerdings desto Ubier, j e tiefer sie eindringen; a b e r auch oberflächliche Verbrennungen, welche die Aponeurose unversehrt gelassen h a b e n , führen in Folge der Narbenverkürzung zu Verkrümmung und Steifigkeit der Finger. Die grösste Aufmerksamkeit ist daher während der Heilung solcher Brandwunden auf die Erhaltung der richtigen Form und der Beweglichkeit zu v e r w e n d e n ; aber trotz aller Sorgfalt erreicht man das gewünschte Ziel doch nicht immer. E r f r i e r u n g e n aller Grade kommen an den Händen häufiger als an irgend einem anderen Körpertheile vor. Wie gross der Einfluss der Individualität bei der Enstehung von Erfrierungen ist, zeigt sich gerade an den Händen sehr deutlich. F r a u e n , schwächlichc Kinder u n d schlecht g e n ä h r t e Subjecte sind ihnen vorwiegend ausgesetzt, w ä h r e n d bei kräftigen Männern meist die Einwirkung bedeutender Kälte, oft auch der plötzliche Uebcrgang von der Kälte zur W ä r m e keine üblen Folgen hinterlässt. Zum Theil mag sich dies aus der Dicke der Epidermis erklären; von grösserer Bedeutung sind aber gewiss die allgemeinen Ernährungsverhältnisse. Die Mehrzahl der Erfrierungen an den Fingern sind Erfrierungen des leichtesten Grades — Frostbeulen. Die Finger sind den Winter Uber blauroth geschwollen, schmerzhaft. Diese Erscheinungen mindern sich bei milderer Witterung u n d verschwinden im Frühling ganz, um beim Eintritt der Kälte mit der alten Heftigkeit wieder hervorzutreten. Oft sieht man diese Leiden mit den Jahren der Pubertät ganz schwinden; die ger ü h m t e Wirksamkeit vieler Frostmittel von indifferenter Natur mag sich hieraus erklären.

Entzündungen.

711

Zweites Capitel. E n t z ü n d u n g e n . Die E n t z ü n d u n g e n a n d e r I l a n d erhalten je nach ihrem Sitze besondere Namen und haben namentlich je nach der Tiefe, in welcher sie sich entwickeln, eine verschiedene Bedeutung. Der Ilauptunterschicd beruht darin, ob die Entzündung sich o b e r h a l b o d e r u n t e r h a l b der Aponeurose entwickelt. Im ersteren Falle richtet sich ihre Bedeutung thcils nach ihrer Ausbreitung, theils nach der Veranlassung (Milzbrand, Rotz, Lcicliengift etc.). Sobald die Entzündung sich aber unter der Aponeurose entwickelt, treten alle Erscheinungen und Gefahren der Einklemmung auf. Auf der einen Seite leisten die Knochen Widerstand, auf der anderen die Aponeurose. Daher eine überaus schmerzhafte Spannung, schnell eintretender Brand der entzündeten und eingeklemmten Theile, weite Verbreitung der Entzündung und Eiterung in der Tiefe des Vorderarms aufwärts, nicht selten auch Verbreitung nach dem Laufe der Lymphgefässe bis zu den Axillardrüsen und Bildung von Abscessen in deren Umgebung, endlich die Gefahr der purulenten Infection und nach langen Leiden eine, durch Zerstörung oder Verwachsung der Sehnen oder Verlust von Knochen bedingte, unheilbare Functionsstörung. Im Bereich der Handwurzel und der Mittelhand treten Entzünduugcn unter der Aponeurose viel häufiger an der Palmar-, als an der Dorsalseite auf. Als Ursache dieser t i e f e n P h l e g m o n e n d e r I l o h l h a n d wird von den Kranken selbst gewöhnlich ein Druck oder eine heftige Erschütterung angeführt. Tischler, Schmiede und andere, in ähnlicher Weise beschäftigte Handwerker sagen, sie haben sich die Hand „verbällt", beim Hobeln, Hämmern u. s. w. Die Krankheit beginnt, obgleich sie an der Volarseite ihren Sitz hat, sehr häufig unter spannenden Schmerzen in der ganzen Hand und starker ödematöscr Schwellung des Handrückens (wegen des grösseren Rcichthums desselben an lockerem Bindegewebe). Bald schwillt aber auch die Ilohlhand selbst und wölbt sich besonders an einer, seltener an mehreren Stellen zu einer harten prallen Geschwulst empor. Unter grossen Schmerzen und erheblicher Störung des Allgemeinbefindens durchbricht der Eiter endlich die Aponeurosis palmaris, dann auch sehr bald die Haut und die inzwischen oft blasig hervorgewölbte Epidermis. Die Schmcrzen lassen nach; aber das Leiden erreicht sein Ende erst, nachdem dicke nekrotische Bindegewebspfröpfe, oft auch SehnenstUcke, ausgestossen sind.

712

Krankheiten der (land.

Ic Betreff des Zusammenhanges solcher tiefen Phlegmonen mit E n t z ü n d u n g e n d e r S e h l e i m b e u t e l a n d S e h n e n s c h e i d e n , sowie über ihre V e r b r e i t u n g i n d e r T i e f e d e s V o r d e r a r m s vgl. pag. 694 u. f.

Seltner geht die Entzündung von dem Periost oder von den Knochen der Hand aus. In Fällen der Art gab entweder eine Verletzung die Veranlassung, oder das Uebel ist dyskrasischen Ursprungs; so namentlich die schnell zur Caries necrotica führende Entzündung der Knochen der Hand bei scrophulösen Kindern, welche man als P ä d a r t h r o c a c e (sehr unzweckmässig, da Gelenke dabei fast niemals erkrankt sind) beschrieben hat. Diese Knochen- und KnochenhautEntzündungen haben, sofern sie nicht traumatischen Ursprungs sind, fast immer einen chronischen Verlauf und unterscheiden sich schon hierdurch von den Phlegmonen. Ueberdies entwickelt sich die Geschwulst vorzugsweise auf der Dorsalseite, wo der Knochen oberflächlicher liegt, und die Schmerzhaftigkeit wird durch Druck auf die Dorsalseite vorzüglich gesteigert, während bei den gewöhnlichen Phlegmonen die Vola manus vorzugsweise schmerzt. Die T h e r a p i e d e r o b e r f l ä c h l i c h e n Entzündungen der Hand ergicbt sich von selbst. Bei der t i e f e n P h l e g m o n e sind f r ü h z e i t i g e I n c i s i o n e n dringend zu empfehlen. Durch die Anwendung der Kälte und durch zahlreiche Blutegel (welche übrigens selbst bei sehr zarter Haut auf der Volarseite der Hand fast niemals saugen) mag die Entzündung beschränkt und gemildert werden können. Manche glauben sogar, dass es auf diese Weise gelinge, Zertheilung herbeizuführen, „die Phlegmone zu coupiren", und fügen in dieser Absicht Einreibungen der grauen Salbe und Calomel-Purganzen hinzu; ich habe niemals einen Erfolg der Art zu sehen bekommen. Jedenfalls ist der Uebergang in Eiterung und in Bindegewebs-Nekrose die Regel, und je früher durch die Incision die Spannung gehoben und dem Eiter der Weg geöffnet wird, desto sicherer werden ausgebreitete Zerstörungen vermieden. Man erwarte nicht, dass aus dem Einschnitt ein Strom von Eiter ausfliessen soll. Wird etwa ein Tbeelöfiel voll entleert, so kam der Einschnitt eigentlich schon zu spät. Dass Incisionen der Art, selbst wenn sie mit der schnellsten Bewegung des Messers ausgeführt werden, sehr schmerzhaft sind, ist nicht zu bezweifeln, darf aber um so weniger ein Grund gegen dieselben sein, als wir dem Kranken durch Anacsthetica Uber den Schmerz hinweg helfen können. Einen Einschnitt durch die Palmar-Aponeurose mit schnellem Messerzuge zu machen, erscheint bedenklich, wegen der Möglichkeit, den oberflächlichen Ilohlhandbogen zu verletzen; jedoch liegen nur äusserst wenige Beobachtungen vor, in denen auf solche

713

Panaritium.

Weise gefährliche Blutungen veranlasst wurden. Wahrscheinlich entgehen die Arterien der Verletzung, selbst bei etwas kühn geführtem Zuge, fast immer, weil sie durch die Entzündungsgeschwulst mehr in die Tiefe gedrängt werden. Immerhin bleibt es aber empfehlenswert!), die Incision mit dem Messer dem unsicheren Lancettstich vorzuziehen und, sofern man Bedenken hegt, namentlich in der Chlorcform-Narkose, zuerst blos die Haut und dann mit einem zweiten Zuge die Aponeurose zu spalten. Demnächst ist die Behandlung dieselbe wie bei einer tiefen Eiterung. E n t r u n d u n g der Finger.

Panaritlum.

Adel.

Akelei.

Von Alters her sind die Entzündungen der Finger, wie verschiedenartig auch ihr Sitz und ihr Ursprung sein mochte, unter dem Namei „ R a n a r i t i u m " zusammengefasst worden. Manche haben diesen Bägriff auf die Entzündung der Weichtheile oder auch nur des dichten, straffen Bindegewebes der Volarseite') beschränkt, Andere dagegen auch die Knochen-Entzündung und deren Folgen hierher gerechnet, noch Andere auch die vorstehend beschriebenen Entzündungen der übrigen Hand als „ P a n a r i t i u m m a n u s " bezeichnet, wofür sich der Grund leicht aus der häufigen Verbreitung der Krankheit von den ßngern auf die Hand ergiebt. Je nach der Tiefe, in welcher die Entzündung ihren Sitz hat, unterscheidet man hergebrachter Maassen: 1) Panaritum cutaneum; 2) Panaritum subeutaneum, d. h. Entzündung des Unterhaut-Bindegewebes; 3) Panaritium tendinosum, d. h. Entzündung der Sehnenscheiden; 4) Panaritium periostei, d. h. Entzündung der Knochenhaut, meist mit Erkrankung des Knochens selbst. — B o y e r lässt diese verscliedenen Arten nur als verschiedene Grade der Krankheit gelten, was iisofern berechtigt ist, als die Entzündung in der Regel in dem dichtei, festen subcutanen Bindegewebe beginnt und sich auf Sehnenscheiden und Periost erst nachträglich ausbreitet. Cnzweifelhaft ist der V e r l a u f verschieden, je nach dem die Entzüidung dieses oder jenes Gewebe primär ergriffen hat; aber in diagnistischer sowohl als in therapeutischer Beziehung müssen auch hier \or Allem die oberflächlichen Entzündungen von den tiefen unterschieden werden. 1 Oberflächliche Entzündung, Panaritium superficiale, entwi(kelt sich am Häufigsten an der dritten Phalanx, bald im Umkreise der Nagelwurzel (daher „ U m l a u f , „tourniole") bald im Bereich ' ) V(j. C. H u e t e r , über das ranaritium, in V o l k m a n n ' s . S a m m l u n g klinischer Volräge". Leipzig, 1870.

714

Krankheiten der Hand.

des Nagelbettes u n d des Nagelfalzes. Im ersteren Falle schwillt die Haut unter klopfenden Schmerzen a n , röthet sich und erhebt, durch Absonderung eines dünnen eitrigen Secrets, ähnlich wie nach einer Verbrennung, die Epidermis im Umkreise des Nagels (zuweilen blos oder doch überwiegend auf der einen Seite) zu einer, meist wurstförmigen Blase. Diese oberflächliche Eiterung kann sich mit unglaublicher Schnelligkeit entwickeln. Hat die Entzündung ihren Sitz in der Matrix des Nagels ( O n y c h i a , O n y x i s ) , so entwickelt sich u n t e r ähnlichen Erscheinungen Eiterung unter dem Nagel, die alsbald zu seinen Seiten sich Bahn bricht, so dass der Eiter zwischen dem Bande des Nagels u n d der Cutis hervorquillt. Der Nagel selbst leidet, j e nach der Ausdehnung der Entzündung, in seiner Ernährung, denn die entzündete Matrix producirt, statt Nagelsubstanz, Eiter. Ist die ganze Breite des Falzes oder gar die ganze Matrix erkrankt, so erleidet die Nagelbildung eine vollständige Unterbrechung. Was vor ihr liegt, wird als alter Nagel völlig abgestossen, während die, nach Beendigung der Krankheit (sofern diese nicht etwa Zerstörung der Matrix bewirkt hat) wieder gebildete Nagelsubstanz als neuer Nagel langsam auf dem Nagelbett nach Vorn vorrückt. Fand die Unterbrechung der Nagelproduetion n u r in einem Theil der Breite des Nagelfalzes Statt, so zeigt sich auch nur in dieser Strecke ein Mangel der Continuität, der mit dem Wachsthum des ganzen Nagels allmälig vorrückt. Bei ganz geringem Grade des Uebels zeigt der Nagel auch nur eine Furche. 2. T i e f e E n t z ü n d u n g , P a n a r i t i u m p r o f u n d u m , entsteht n u r an der Volarseite der Finger, kann sich aber von da zur DorsalSeite verbreiten. Der Verlauf ist immer acut, die Sclimerzhaftigkeit auffallend gross, namentlich unverhältnissmässig viel grösser, als man es nach der geringfügigen Ausbreitung der Geschwulst an der Volarseite erwarten sollte. Hier, wie bei tiefer Phlegmone der Hand, ü b e r wiegt oft die ödematöse Schwellung des Dorsum. Immer folgt Eiter u n g u n d , j e nach der Heftigkeit der Entzündung, auch brandige Zerstörung, die von der Tiefe gegen die Oberfläche hin fortschreitet. Dies Alles erklärt sich aus der Einklemmung der Entzündungsgeschwulst in dem überaus dichten straffen Bindegewebe. Krankheitserscheinungen, Verlauf und weitere Folgen bieten Verschiedenheit d a r , j e nach dem die Entzündung sich auf das subaponeurotische Bindegewebe beschränkt, oder die Sehnenscheiden, oder endlich das Periost befällt. Im Bereich des B i n d e g e w e b e s tritt die Entzündung mit relativ stärkerer Geschwulst -und heftigen Pulsationen der Fingerarterien auf; sie endet, wenn sie auf das Bindegewebe beschränkt bleibt, mit Ausstossung eines nekrotischen Pfropfes.

715

Panaritium.

Die E n t z ü n d u n g d e r S e h n e n s c h e i d e n ist durch die ungemein heftige Spannung und die schnelle Verbreitung der Schmerzen und der Geschwulst nach dem Verlauf der entsprechenden Sehne bis hoch hinauf am Vorderarm ausgezeichnet. Bei primärer E n t z ü n d u n g d e r K n o c h e n h a u t o d e r d e s K n o c h e n s entwickelt sieh eine pralle Entzündungsgeschwulst garnicht, sondern nur Oedem, dagegen sind die Schmerzen von Anfang an äusserst heftig, rcissend, bohrend und weit verbreitet. Die Unterscheidung dieser drei Arten des tiefen Panaritium ist deshalb sehr schwierig, weil zu der Periostitis und zu der Sehnenscheiden-Entzündung sich sehr bald Phlegmone im weiteren Umkreise hinzugesellt, und weil anderer Seits eine tiefe Phlegmone, wenn sie nicht zweckmässig behandelt wird, ganz gewöhnlich auch auf die Sehnenscheiden, auf das Periost und auf den Knochen Ubergreift '). Sich selbst überlassen, führt daher das tiefe Panaritium ganz gewöhnlich zur Nekrose der Sehne und des Knochens. Allerdings sind aber diese übelsten Ausgänge desto mehr zu fürchten, wenn Periost und Sehnenscheiden ursprünglich ergriffen waren. Die P r o g n o s e ist bei dem o b e r f l ä c h l i c h e n Panaritium günstig, obwohl oft die Brauchbarkeit der Hand dadurch für lange Zeit beeinträchtigt wird. Bei dem t i e f e n Panaritium dagegen hat man nicht blos eine dauernde Verunstaltung oder Verstümmelung der Iland durch Nekrose einer Phalanx oder einer Sehne, oder durch Festheftung der letzteren zu befürchten, sondern auch Weilerverbreitung der Entzündung weiter aufwärts im Bindegewebe zur Hand, zum Vorderarm ') oder auch nach dem Verlauf der Lymphgefässe mit allen Gefahren der Lymphangitis, der Lymphadenitis und selbst der pyärnischen Infection. Bei Vernachlässigung kann ein ganzer Finger brandig werden und selbst ein grösserer Theil der Hand verloren gehen. Die B e h a n d l u n g braucht beim o b e r f l ä c h l i c h e n P a n a r i t i u m keine besonders eingreifende zu sein. Die Heilung wird wesentlich befördert, wenn man die zu Blasen erhobene Epidermis mit der Selicere abträgt und die blossgelegte Cutis sorgfältig vor dem Zutritt der Luft ') Es ist daran zu e r i n n e r n ,

dass

die hintere

W a n d der Sehnenscheide

und

das

Periost der entsprechenden Phalanx an deren Volarseite n u r e i n lilaIt darstellen. l

) Die Gefahren dieser Verbreitung und deren Vermittlung durch die grossen Schleimbeutel (Sehnenscheiden) der Flexoren

wurden

ritien des Daumen und des kleinen Fingers

bereits 6 9 4 geschildert. — sind in dieser Beziehung

gefährlich; die Sehnenscheide des Flexor pollicis longus erstreckt sich

Pana-

besonders regelmässig

bis unter das Ligam. carp. volar, propr., u n d die Sehnenscheide des Klexor digiti minimi communicirt

häufig mit

grossen Schleimbeutel.

dem

unter

dem

genannten

Bande

gelegenen

716

Krankheiten der Hand.

schlitzt Die Epidermis stellt sich dann schneller wieder her, als wenn ihre Bildung durch die Anwesenheit des in der Blase enthaltenen Exsudats gestört wird. Die abgestorbenen Stücke des Nagels schneidet man möglichst kurz ab, damit nicht durch Zerrung an denselben eine schmerzhafte Erschütterung des ganzen Nagels erfolge. Den ganzen Nagel zu entfernen, wenn durch Onychie seine Verbindung mit dem Nagelfalz aufgehoben ist, gewährt keinen Vortheil und ist sehr schmerzhaft. Der abgestorbene Nagel dient vielmehr dem nachwachsenden zum Schutz und leistet in dieser Beziehung mehr, als ein künstlicher Nagel von Wachs, zu dem man seine Zuflucht nehmen muss, wenn der wirkliche Nagel ganz verloren gegangen ist Um bei oberflächlichen Panaritien fortdauernd feuchte Umschläge zu machen, sind G u m m i f i n g e r sehr zweckmässig, welche wie die Finger eines Handschuhs übergezogen werden, nachdem der kranke Finger mit einem nassen Läppchen umwickelt ist. Sie müssen zwar genau anliegen, um die Verdunstung der Flüssigkeit zu Terhindern, dürfen aber keinen unangenehmen Druck ausüben. Sie gewahren auch bei der Behandlung eiternder Wunden an den Fingern grosse Bequemlichkeit.

T i e f e E n t z ü n d u n g e n an den Fingern, Panaritien im engeren Sinne des Wortes, können durch zweckmässige Behandlung verhütet werden, wenn ihnen eine Verletzung zu Grunde liegt; d. h. man sieht nach Verletzungen, die, sich selbst Uberlassen, regelmässig zu einer heftigen Entzündung führen, diese letztere ausbleiben, wenn durch topische Blutentziehungen, Entfernung fremder Körper, Absperrung der Luft und Anwendung der Kälte die Entwickelung derselben verhindert wird. Die grosse Mehrzahl der tiefen Panaritien entsteht aber, wie die Mehrzahl der Entzündungen, ohne nachweisbare Veranlassung oder auf Grund höchst unerheblicher und deshalb unbeachtet bleibender Verletzungen; oft beobachtet man förmliche Epidemien von Panaritien. In allen diesen Fällen kann von einer prophylaktischen Behandlung nicht die Rede sein. Ist das Uebel noch ganz frisch, so kann man durch zahlreiche Blutegel (die jedoch an der Volarseite der Finger nicht anbeissen) vielleicht in einzelnen seltenen Fällen Zertheilung herbeiführen.« Gewöhnlich ist dies nicht möglich, die Eiterung vielmehr unvermeidlich, und es handelt sich daher nur um die Frage, ob man die Bildung und den Aufbruch des Abscesses unter Anwendung lanwarmer Umschläge un'd Bäder, (namentlich Seifen- und LaugenBäder, welche die dicke Epidermis schneller durchdringen) abwarten, oder aber frühzeitig incidiren soll. Wir müssen der f r ü h z e i t i g e n I n c i s i o n hier aus den bei der Phlegmone und bei der Periostitis im Allgemeinen entwickelten Gründen den Vorzug geben. Der Schnitt muss die Aponeurose spalten und, sofern der Verdacht einer Periostitis

Panari tiara.

717

besteht, bis ins Periost eindringen; er muss daher nicht mit einer Laneette, sondern mit einem kleinen, festen Messer mit schnellem, aber sicherem Zuge ausgeführt -werden. In Bezug auf die Eiterung könnte man diese Incision eine.prophylaktische nennen; denn 6ie'erfüllt ihren Zweck desto vollständiger, je weniger die Eiterung sich bereits entwickelt hat. Nicht die Entleerung des Eiters, sondern die Aufhebung der Spannung (Einklemmung) ist ihr Zweck. Wo recht frUhzei'jg incidirt wurde, sieht man daher auch die Wunde ohne erhebliche Eiterung heilen. Geht die Entzündung vom Knochen aus, so vernag freilich auch die frühzeitige Incision der Nekrose bei weitem nicht inmer vorzubeugen, aber sie lindert dann doch die Schmerzen, kürzt ). Die Resection des Hüftgelenks kann eigentlich nur eine partielle sein, denn die g a n z e Pfanne lässt sich nicht entfernen (vgl. Cap. II.). Man unterscheidet jedoch unter dem Namen der T o t a l - R e s e c t i o n diejenigen Operationen, durch welche nicht blos ein Stück des oberen Endes des Femur (namentlich der Schenkelkopf), sondern zugleich ein mehr oder weniger grosser Theil der Pfanne entfernt wird, und bezeichnet die auf das Femur beschränkte Resection (Decapitatio ossis femoris) als p a r t i e l l e . Die Resection im Hüftgelenk ist von demselben C h a r l e s W h i t e , welchen wir bereits als Urheber der Resection des Schultergelenks kennen gelernt haben, zuerst vorgeschlagen worden; A n t o n y W h i t e führte sie 1818 zuerst aus, nachdem S c h m a l z in Pirna 1817 an der vollständigen Ausführung nur dadurch gehindert worden war, dass er den Gelenkkopf „bereits abgelöst, im Eiter schwimmend" fand. Auch andere Fälle aus früherer Zeit beziehen sich offenbar auf die Ausziehung des nekrotisch abgelösten Schenkelkopfs. Am Häufigsten gab C a r i e s im Gelenk Veranlassung zur Operation; so namentlich in den Fällen von T e x t o r , J&eger, R i e d , B. v. L a n g e n b e c k , F o c k , K i n l o c h , B a r w e l l , S a y r e u. A., auch in den meinigen. Wegen Schussverletzungen resecirten zuerst O p p e n h e i m und S e u t i n das obere Ende des Femur (1829). Die M e t h o d e n d e r R e s e c t i o n unterscheiden sich einer Seits in Betreff der Richtung, in welcher die Weichtheile durchschnitten werden sollen, anderer Seits in Betreff der Schonung des Periost (der Muskelinsertionen). Auch die Art der Säge, deren man sich bedient, bedingt einige Differenz, insofern für die gewöhnlichen Amputations' ) Vgl. R i e d , 1. c pag. 386 n. f . ; S c h i l l b a c h , Beiträge zu

den Resectionen der

Knochen, Abth. I. pag. 3 u. f . ; C a r l T e x t o r , der zweite Fall von Aussägung des Schenkelkopfs, Würzburg 1858. — Vgl. auch die Citate auf pag. 759 u. flgd. B a r d e J e b e n , Chirurgie. 6. Aull. IT.

49

770

Krankheilen der Hüftgegend.

sägen

eine sehr grosse,

für S t i c h s ä g e n

eine

geringere

und

für

die

K e t t e n s ä g e ( o d e r d a s O s t e o t o m ) d i e g e r i n g s t e A u s d e h n u n g der W u n d e erfordert

wird.

Besteht eine

äussere Verletzung,

m a a s s g e b e n d für die Schnittrührung sein. fortgenommen werden, genügt

u n d hat

so wird

diese oft

Soll n u r d e r S c h e n k e l k o p f

man eine Kettensäge zur Hand,

eine einfache gerade Incision,

für w e l c h e z u e r s t V i d a l

so und

neuerdings R o s e r eine, dem Schenkelhalse genau entsprechende Richtung

empfohlen

geraden

oder

haben,

leicht

während

Andere

(Jaeger,

gebogenen L ä n g s s c h n i t t e n

des Femur) den Vorzug gaben.

(in

Textor)

den

der Richtung

A m H ä u f i g s t e n ist ( a u c h v o n m i r )

ein,

d e n g r o s s e n T r o c h a n t e r an s e i n e m h i n t e r e n und o b e r e n U m f a n g e

um-

k r e i s e n d e r h a l b m o n d f ö r m i g e r oder "I-förmiger Schnitt a n g e w a n d t

wor-

den.

viele

Alle

d i e s e Schnittl'ührungen

s t i m m e n darin ü b e r e i n ,

der das H ü f t g e l e n k b e w e g e n d e n Muskeln ausser Thätigkeit Fälle kaum

von

gesetzt werden, Bedeutung

was

dass

abgeschnitten und

dauernd

freilich f ü r d i e M e h r z a h l

der

ist.

V i d a l deutet den Schnitt in der Richtung des Schenkelhalses nur ganz kurz a n : „une simple incision Jans la direction du col." — R o s e r beschreibt den Querschnitt, wie folgt. „Man macht einen Schnitt, der geradein der .Linie des Schenkelbalses verlauft und der den lliacus, Sartonus, Rectus und Tensor fasciae entzweitrennt. Die Muskeln sind hier zum Tbeil sehnigt und wenig bauchig. Der Cruralnerv bleibt am inneren Ende des Schnitts liegen, übnlicb wie der Nerv, ulnaris bei der Ellenbogen-Resection. Es gelingt, auf diese Art den Scbenkelkopf und seinen Hals zu entblössen, ohne dass weitere Tbeile verletzt würden. Man kann die Kapsel trennen, den Schenkel heraus luxiren, das runde Band mit der Hohlscheere entzweischneiden und sofort den Gelenkkopr frei herausheben und absagen." S c h i l l b a c h bemerkt hierzu, dass trotz der Durcbschneidung einer so grossen Anzahl von Muskeln, durch dies Verfahren doch nicht mehr Raum, als durch andere gewonnen werde und beschreibt eine Schniitführung, bei welcher jene Muskeln unversehrt bleiben, in folgender Weise. Man sticht das Messer am äusseren Rande des Sartorius durch das Kapselband bis auf den Knochen ein, führt es auf dem Schenkelhals« herab bis zum Trochanter und fügt dann einen zweiten, längs des oberen Randes des Trochanter, unter sehr stumpfem Winkel gegen den ersteren, verlaufenden Schnitt hinzu. Kann man wegen beträchtlicher Infiltration der Weirhtheile den Sartorius Dicht durchfühlen, so macht man den ersten Einstich 5 — 6 Centiin. unterhalb der Spina ant. super, ossis ilei. In der Regel kann man mit dem ersten Einstich sofort bis in die Kapsel eindringen. Die Ablösung der VVeicbtheile muss, je nach der Ausdehnung der Zerstörung der Knochen, in verschieden weitem Umfange erfolgen. Die Durcbschneidung des Schenkelhalses lasst sich mittelst der Kettensage sehr leicht ausführen , bevor noch d e r Gelenkkopf aus der Pfanne herausgehoben ist, demnächst durchschneidet man die Kapsel völlig und fasst den Kopf entweder mit der Hakenzange, oder bohrt einen Tire-fond in ihn e i n , so dass er sicher rotirt und aus der Pfanne hervorgezogen werden kann, worauf dann das Abschneiden des Lig. leres mit dem Messer oder der Hohlscheere leicht gelingt.

771

Resection.

Resecirt man so spät, wie es bis jetzt in Deutschland gewöhnlich geschehen Ist, so wird man mit der Herausbeförderong des Gelenkkopfs ans der allseitig zerstörten Gelenkkapsel keine Noth haben; dieselbe gelingt gleich, mag man einen queren oder LBngs-, einen graden oder krummen Schnitt, mag man ihn an der hinteren oder an der vorderen Seite gemacht haben.

Mitunter findet man in der geöffneten Kapsel gar

keinen Gelenkkopf (wie in einem meiner günstig »erlaufenen Fälle) oder doch nur noch ein pilzförmiges Rudiment desselben.

Um den Zusammenhang der Muskelinsertionen mit dem Schenkelschaft, soweit als möglich, zu erhalten, empfiehlt B. v. L a n g e n b e c k das nachfolgende Verfahren zur s u b p e r i o s t e a l e n R e s e c t i o n . Der Kranke liegt (wie dies auch bei anderen Methoden meist zweckmässig ist) auf der gesunden Seite, den kranken Oberschenkel in einem Winkel von 4 5 ° flectirt, das Knie entsprechend gebeugt. In dieser Stellung würde eine Verlängerung der Achse des Femur auf den hinteren oberen Darmbeinstachel treffen. Genau in dieser Richtung wird, von der Mitte des grossen Trochanter ausgehend, ein 12 Centim. langer grader Einschnitt durch die Haut, die Gesässmuskeln (möglichst in der Richtung ihrer Fasern) die Gelenkkapsel und das Periost des Trochanter gemacht. Das Periost wird demnächst in Verbindung mit der Kapsel und den Muskelansätzeit mittelst des Schabeisens vom Trochanter abgelöst. Durch Adduction wird Eintritt von Luft in das geöffnete Gelenk bewirkt, mit einem von Aussen und Hinten eingeführten schmalen Messer das Ligam. teres durchschnitten, worauf durch stärkere Rotation der Gelenkkopf hervortritt und leicht mit der Stichsäge abgesägt werden kann, während die Weichtheile durch stumpfe Haken auseinander gezogen und geschützt werden. Soll n u r d e r G e l e n k k o p f entfernt werden, so ist die Ablösung des Periost gar nicht nöthig, die Spaltung der Kapsel in der angegebenen Richtung genügt. Je weiter abwärts man den Schcnkelknochen durchschneiden will, desto ausgiebiger muss man die Schnitte in den Weichtheilen machen; jedoch darf die Durchsägung überhaupt nicht unterhalb des Trochanter minor Statt finden, weil die Extremität sonst ganz unbrauchbar wird. Bei dem V e r b ä n d e gewähren N ä h t e den Vortheil, dass die durchschnittenen Muskeln durch dieselbe gehindert werden, aus der Wunde hervorzuquellen. Sie sind daher namentlich von Nutzen, wenn man einen grossen Einschnitt machen musste oder gar einen Lappen gebildet hat. Unmittelbar nach der Operation, am Besten noch während der Chloroformbetäubung, wird der Kranke, wenn (wie in der Mehrzahl der Fälle) in der Umgebung des Gelenkes bereits Zersetzung des Eiters eingetreten war und von einem streng antiseptischen Verbände daher kein Erfolg mehr zu erwarten steht, 49*

772

Krankheiten der HüCtgegend.

mit einem g e f e n s t e r t e n G y p s v e r b a n d e verschen, der in derselben Weise angelegt, wie bei einem Schenkelhalsbruche, die vollständige Unbeweglichkeit der operirten Extremität bewirken muss. Mit diesem Verbände kann der Operirte transportirt, auch, wenn die Eiterung es wünschenswerth macht, Stunden lang in eine Badewanne gelegt werden, in der man ihn durch Luftkissen oder durch eine improvisirte Hängematte unterstützt. — Wie bei den Brüchen des Schenkelhalses, so hat auch hier neuerdings die p e r m a n e n t e E x t e n s i o n mit Gewichten (Bd. II. pag. 488) dem Gypsverbande das Feld streitig gemacht. Dieselbe dient nicht blos, um dem Operirten eine Abwechselung zu gewähren, sondern ist für Viele von Anfang an bequemer, als der Gypsverband, und gewährt dem Arzte den grossen Vortheil, dass er die Umgebungen der Wunde im weitesten Umkreise besichtigen und betasten und in geeigneten Fällen mit voller Strenge den a n t i s e p t i s c h e n V e r b a n d durchführen kann, durch welchen sich, wenn noch kein Aufbruch erfolgt war, auch hier Eiterung ausschliessen lässt. Erst wenn die Vernarbung beinahe vollendet ist, also durchschnittlich nach 5 — 6 Monaten, dürfen p a s s i v e B e w e g u n g e n vorgenommen werden. Alsdann kann der Körper auch mit zwei Krücken oder an einem Laufbarren zu gehen versuchen. Als Stutze für den Körper darf er die resecirte Extremität erst längere Zeit nach vollendeter Vernarbung benutzen. In der Regel wird man dem Kranken aber mehr zuzureden haben, dass er sich der verkürzten Extremität wieder bediene, als ihn vom frühzeitigen Gebrauche zurückzuhalten. — Die resecirte Extremität erlangt auch bei mangelhafter Uebung meist einen hohen Grad von Brauchbarkeit. Die Operirten gehen und laufen mit grosser Behendigkeit und werden durch die Verkürzung, selbst wenn sie über 8 Centim. beträgt, nur wenig behindert, sofern man dieselbe durch eine Sohle nur einigermaassen ausgleicht; die Beckenverschiebung leistet das Uebrige. Ein »on F o c k operirtes Mädchen vermochte auf dem resecirten stehen.

Bein allein zn

Ein von mir operirter Knabe leistete dasselbe und ging schon 1 ' / , Jahr nach

der Operation t Stunde Weges zur Schule.

Die ungünstige Wendung des Krankheitsverlaufs nach der Hüftgelenks-Resection ist fast immer von der durch die fortdauernde Eiterung oder die fortschreitende Caries bedingten Entkräftung, auch wohl von septischer Infection abhängig. Auf antiseptische Verbände, Unterstützung der Kräfte und grösste Reinlichkeit ist daher von Anfang an sorgsam zu achten.

Exarliculation.

II.

773

Exarliculation.

M o r a n d hatte zuerst den Gedanken, die Exarticulation im Hüftgelenk auszuführen. Zwei seiner Schüler 1 ) beschäftigten sich mit der Aufstellung bestimmter Vorschriften für die Ausführung der Operation nach Versuchen am Cadaver. Ucber eine von ihnen an die Akademie der Chirurgie übersandte Arbeit in Betreff dieses Gegenstandes, statteten damals L c d r a n und G u e r i n einen günstigen Bericht ab. R a v a t o n wollte die Operation 1740 an einem lebenden Menschen ausführen, aber die übrigen consultirten Chirurgen sprachen sich dagegen aus. L a l o u e t t e liess 1748 zu Gunsten der Exarticulatio femoris eine Dissertation schreiben. Bald darauf wurde auf Veranlassung von M o r a n d zweimal (1756 und 1759) eine Preisaufgabe Uber dieselbe gestellt. Unter den 44 Bewerbern vertheidigten 34 die Operation; B a r b e t erhielt den Preis. — Am Lebenden ist die Exarticulatio femoris zuerst im 7. Jahrzehnt des vorigen Jahrhunderts ausgeführt w o r d e n ; ob zuerst von H e n r y T h o m p s o n oder von P e r r a u l t (welcher sie 1773 mit glücklichem Erfolge verrichtete) ist nicht sicher*); jedenfalls hat sie erst in diesem Jahrhundert häufiger Anwendung gefunden, namentlich durch L a r r e y während der Napoleonischen Feldzüge. Man giebt gewöhnlich a n , dass mehr als der vierte Theil der Opcrirtcn schon innerhalb der ersten 48 Stunden und mehr als die Hälfte innerhalb der ersten 14 Tage sterben. Im Ganzen starben wohl bisher m e h r a l s z w e i D r i t t e l aller Operirten, wahrscheinlich volle drei Viertel. Von 161 Exarticulationen des Hüftgelenks, welche in den Jahren 1793 bis 18G4 wegen Schussverletzungen gemacht wurden, führten nur 5 zur Heilung 3 ). Der üble Ausgang mag in einzelnen Fällen von Störungen bedingt werden, die mit der Operation selbst nicht zusammenhängen. Jedenfalls ist sie aber höchst gefährlich durch die gewaltige Störung des Kreislaufs und der gesaminten Ernährungsverhältnisse (da der fünfte Theil des ganzen Körpers entfernt wird), durch die meist nachfolgende Entzündung ') Der eine war ein Däne, Namens W o h l e r oder V o l k e r odor Wo l e e r oder V o l k e r , der zweite ein Schweizer, l ' u t k o d , aus dem Canlon Bern; beide haben keine weitere Berühmtheit erlangt. M o r a n d lebte 1097—1773. 2 ) In dein Falle von l ' e r r a n l t , so wie in dem von L a c r o i x , wclcken S a b a t i e r a n f ü h r t , scheint es sich um abgegrenzte Gangrän gehandelt zu haben, so dass nur das Gelenk noch zu trennen war. ®J Vgl. B. v. L a n g e n b e c k , Berlin, 18G8.

über die

Scbussfracturen der

Gelenke.

Festrede.

774

Krankheiten der Hiiflgegend.

u n d Eiterung, auch durch den Blutverlust, obgleich diesem allerdings grossen Theils vorgebeugt werden kann. Zur Verhütung der Blutung hat man die Art. femoralis vor dem Beginne der Exarticulation, nahe ihrem Austritt aus dem Becken, in der Bd. II. pag. 2 2 3 geschilderten Weise unterbunden. Die Gesässartcrien (untere Aeste der Ischiadica), sowie die Art. obluratoria bluten aber trotz dieser Unterbindung, und die Blutung aus der Femoralis kann d u r c h Compression derselben auf dem horizontalen Aste des Schoossbeins verhütet werden, noch sicherer durch Compression der Aorta abdominalis 1 ), welche zugleich auch den Aesten der Ischiadica u n d Obturatoria den Zufluss versperrt. Ueberdies ist die Gefahr einer Nachblutung bei der Unterbindung der Art. femoralis a n der oberen Grenze des Schenkels grösser, als wenn man die durchschnittenen Gefässe in der Wunde unterbindet. Je näher die Ligatur dem Schenkelbande r ü c k t , desto grösser ist die Gefahr, dass die Thrombusbildung wegen des Abganges der Aa. epigastrica u n d circumflexa iliuin nicht gehörig zu Slaude komme. Man wird n u r im Falle der Noth, namentlich wenn man keinen hinreichend zuverlässigen Gehülfeu und kein Aorten-Compressorium h a t , zu der vorgängigen Unterbindung der Art. femoralis sich entschliessen*) u n d dieselbe lieber in der pag. 6 3 0 empfohlenen Weise an der Grenze des die vorderen Weichtheile trennenden Schnittes a u s f ü h r e n , als n a h e am Schenkelbande. Hat man aber auch die trefflichsten Gehulfen in hinreichender Anzahl, so muss man doch die Operation in einer Weise a u s f ü h r e n , die eine vollkommen sichere Beherrschung der Femoralis und eine schucllc Beendigung der Operation gestattet, u m auch aus den kleineren Aesten möglichst wenig Blut zu verlieren. Bei ohnehin blutleeren, heruntergekommenen Subjectcn kann das vorgängige Einwickeln der Extremität mit einer straft' anzuziehenden Rollbinde zweckmässig sein, um möglichst viel Blut aus der zu entfernenden Extremität in den übrigen Körper zurückzudrängen, — sofern erstere nicht etwa verjaucht ist. Vgl. pag. 610. ' ) Vgl. Bd. II. pag. 2U6. — Das von L i s t c r angegebene A o r t e n - C o m p r e s s o r i u m gewährt grosse Bequemlichkeit und spart einen Gehülfen. Man legt, nach P a n c o a s t , den (chloroformirten) Kranken zweckmässig auf die rechte Seite, bevor man die Pelotte aufsetzt, damit die Gedärme sich aus der linken Bauchbälfte möglichst entfernen. s ) L a r r e y legte um die Arteria und Vena femoralis eine Ligatur, die über einer Heftpflasterrolle zusammengeschnürt wurde und wieder gelöst werden konnte. Eine solche provisorische und temporäre Arterioclausur ist neuerdings wieder von mehreren Seiten empfohlen worden; sie verdient jedenfalls den Vorzug vor der gewöhnlichen Ligatur.

Exarticulation.

775

Alle möglichen Methoden der Schnittrührung, wie wir sie bei der allgemeinen Beschreibung der Amputationen aufgeführt haben, sind für die Exarticulatio femoris empfohlen w o r d e n : der Cirkelschnitt yon A b e r n e t h y , der Trichterschnitt von F. v. G r a e f e , die Bildung zweier Lappen von L i s f r a n c . Viele haben dem OvalärSchnitt, die Mehrzahl der Bildung eines vorderen Lappens den Vorzug gegeben, weil die Operation in dieser Weise am Schnellsten und Sichersten ausgeführt werden k a n n , und die Wunde sich am Leichtesten vereinigt. Die V o r b e r e i t u n g e n zur Operation müssen immer in gleicher Weise getroffen werden. Der Kranke liegt in der Art, dass die Gesässl'alte über den Rand des Operationstisches hinausragt. Beide Beine werden von Gehülfen gehalten, das gesunde in abducirter Stellung, im Knie gebeugt, mit dem Fuss auf einen Stuhl aufgestützt. Ein dritter Gehülfe besorgt die Prophylaxis gegen Blutungen, dem vierten wird das Chloroformiren übertragen. Ist der Patient unruhig, so bedarf man eines fünften, um den Rumpf fest zu halten. Bei der Unterbindung der Gefässe hat der Gehülfe, welcher die kranke Extremität hielt, den Operateur zu unterstützen. Unterbindet man die Femoralis vorher oder hat man ein sicher wirkendes Aorten-Compressorium, so braucht man einen Gehülfen weniger. Die wesentlichen O p c r a t i o n s a c t e sind: 1) Durchschneidung der Weichtheile, meist zur Hälfte im Beginn, zur Hälfte am Schluss der Operation, 2) Eröffnung des Gelenks durch Einschneiden der Kapsel u n d d e s L a b r u m c a r t i l a g i n e u m , nach dessen Trennung bei leichtem Zuge Luft in die Pfanne ein- und der Gelenkkopf heraustritt, 3) Durchschneidung des Ligament, teres, 4) Ausschälung des grossen Trochanter. Sofort dann Unterbindung der spritzenden Arterien, vor Allein der Femoralis, dann der Obturatoria und der Arterien des Gesässes, bei manchen Arten der Schnittführung auch noch der Profunda femoris. Die Zahl der zu unterbindenden Aeste ist in verschiedenen Fällen sehr verschieden gewesen; meist waren es acht bis zwölf. Jedoch berichtet J a e g e r , dass er nur die Femoralis und die Profunda femoris unterbunden habe, und D i e f f e n b a c h spricht sogar blos von der Femoralis. A.

Lappenkildung.

1) E i n f a c h e r L a p p e n . Bei dem ersten Entwurf der Operation wollte man blos einen hinteren Lappen bilden, weil man die vorgängige Unterbindung der Art. femoralis für nothwendig hielt und fürchtete, dass nach dieser Unterbindung ein aus den vorderen Weichtheilcn gebildeter Lappen absterben miisstc.

776

Krankheiten der Hüftgegend.

Die Bildung eines v o r d e r e n L a p p e n s , der, nach der Stellung des Trochanter m a j o r , nothwendig immer ein v o r d e r e r i n n e r e r sein muss, ist zuerst von P l a n t a d e vorgeschlagen, dann von M a n n e e und in neuester Zeit von B a u d e n s , V e l p e a u , S e d i l l o t , V i d a l u. A. ausgeführt worden. Man kann dabei entweder zuerst den Lappen bilden, dann den Gelenkkopf auslösen und zuletzt die hinter dem Gelenk liegenden Weichtheile mit einem Zuge durchschneiden, oder aber den hinteren Schnitt (einen halben Kreisschnitt, vom Sitzknorren bis zum grossen Trochanter) zuerst ausführen, von diesem aus das Gelenk bei stark flectirtem Schenkel (von Hinten her) öffnen und dann erst den vorderen Lappen bilden, indöta man mit dem Messer dicht vor dem Knochen hinabfährt (Verfahren von L a l o u e t t e , auch als „Bildung eines inneren vorderen Lappens" beschrieben, entschieden schwieriger). Verschiedenheiten in der Ausführung ergeben sich überdies, je nachdem man den Lappen in der Richtung \ o n Aussen nach Innen umschneidet (mit mehreren Messerzügen, P l a n t a d e ; mit einem Zuge, C. M. L a n g e n b e c k , V e l p e a u ) , oder ihn, nach der von V e r d u i n für die Amputation angegebenen Weise, mit einem durch die ganze Dicke des Gliedes hindurchgestossenen Messer in der Richtung vom Knochen gegen die Haut ausschneidet ( M a n n e e , V i d a l u. A.). Verfahren von Baudens. Das kranke Bein wird im Hüftgelenk schwach flectirt. Ein starkes Messer mit mindestens 35 Ctm. langer, in der Nähe der Spitze auf eine kurze Strecke zweischneidiger Klinge, wird dicht vor und Uber dem Trochanter major in der Richtung des Schenkelhalses bis in das Gelenk eingestochen und dann unter stetiger Senkung der Spitze in der Nähe des Tuber ischii (jedoch vor demselben) an der inneren Seite des Schenkels wieder hervorgestossen, während die linke Hand sämmtliche, vor der vom Messer zu durchlaufenden Linie liegende Weichtheile in querer Richtung kräftig umfasst und emporhebt. Mit langen Zügen geht man dicht vor dem Schenkelknochen abwärts, bis man, nach den vorher genommenen Maassen, einen der Dicke des Schenkels an Länge entsprechenden Lappen gewonnen hat. Dann wendet man die Schneide gegen die vordere Fläche des Schenkels und beendet die Lappenbildung, indem man das Messer in querer Richtuug auszieht. Bei sehr

fleischigen

Schenkeln wird dieser Operationsact wesentlich

wenn man vorher mit einem gewöhnlichen einen langen

und tiefen Einschnitt in der Richtung

Amputationsmesser

nachher

namentlich von S t r o m e y e r Anwendung empfohlen wird.

erleichtert,

Messer dicht vor dem Trochanter m a j o r macht,

in welcher das

geführt werden soll, ein Verfahren, welches

grosse

neuerdings

(Maximen der Kriegsbeilkunst, pag. 3 2 3 ) zu allgemeinerer

777

Exarticulation.

Inzwischen sind die Finger des Gehülfen, welcher die Compression der Femoralis zu besorgen hat, dem Messerrücken gefolgt. Derselbe schiebt, sobald Platz vorhanden ist, Zeige- und Mittelfinger beider Hände in die Wunde ein, während die Daumen auf der, vorher schon von ihnen comprimirten Art. femoralis etwas abwärts gleiten. Solcher Gestalt kann der Gehülfe in dem Lappen selbst die Art. femoralis, zwischen seinen Daumen einer und seinen Mittel- und Zeigefingern anderer Seits, sicher comprimiren und zugleich den Lappen hinreichend aufwärts ziehen, um dem Operateur den Einblick in die Wunde und das weitere Vordringen gegen das Gelenk zu gestatten. Während der Schenkel etwas abducirt und schwach flectirt Avird, durchschneidet der Operateur von der inneren Seite her mit einem queren Zuge das kapselband und das Labrum cartilagineum. Ungeübte benutzen für diesen Schnitt zweckmässig ein kleineres aber starkes Messer. Der Gelenkkopf springt aus der geöffneten Kapsel sogleich hervor, das Ligam. teres wird durchschnitten, und das grosse Messer dringt hinter dem Gelenkkopf, im äusseren Winkel der Wunde den grossen Trochanter umgehend, schnell in die Tiefe, um mit einem kräftigen Zuge alle Weichtheile, welche noch hinter dem Gelenke liegen, in der Richtung der Gesässfalte zu durchschneiden. Dieser Schnitt wird mit geringem Zeitverlust besser so geführt, dass man mit einem halben Cirkelschnitt von der Gesässfalte aus zuerst die Haut und dann die übrigen Weichthcile an der hinteren Seite durchschneidet; der Hautschnitt wird auf diese Weise glatter und reiner. Inzwischen kann ein Gehülfe bereits die Arterien-Aeste in dem vorderen Lappen gefasst und unterbunden haben, „so dass in demselben Augenblick, in dein das Bein zur Erde, auch der vordere Lappen auf die Wunde fällt" ( V i d a l ) . Besser, wenn auch weniger effcctvoll, wird es sein, bevor man die Wunde schliesst, alle noch blutenden Arterien, namentlich im Gebiet der Obturatoria und Ischiadica, sorgfältig aufzusuchen und zu unterbinden (vgl. pag. 774 u. f.). Der grosse, dicke, vordere Lappen legt sich, wenn die Länge richtig getroffen ist, wie ein Deckel auf die Wunde. B a u d e n s , V i d a l u. A. e m p f e h l e n ,

das

Messer,

am

rechtcn

Schenkel

von

d e r i n n e r e n S e i t e h e r , n a h e ü b e r dem T u b e r iscliii einzustechen und dann schräg aufwärts und auswärts zu schieben.

Auf diese

das Gelenk zu treffen u n d das Messer weiterhin Aussen zu f ü h r e n .

Dagegen soll die Stellung

Weise dicht des

gelingt es schwieriger, vor dem

Operateurs

genau

Schenkelhalse

nach

an der inneren

Seite

des Gliedes f ü r die späteren Acte der Operation am rechten Schenkel b e q u e m e r sein. Ich glaube nach vielen Versuchen an Leichen die Stellung a n ebenso bequem u n d daher a u c h am

rechten

Schenkel die

der ä u s s e r e n Seite als

Gegend vor und oberhalb

des Trochanter als die beste Einstichsstelle empfehlen zu m ü s s e n .

778

Krankheiten der Hüftgegend.

2. Die für den d o p p e l t e n L a p p e n s c h n i t t empfohlenen Verfahren lassen sich auf zwei Typen zurückführen: entweder die beiden Lappen werden durch einen Schnitt getrennt, der vom T r o c h a n t e r g e g e n d e n S i t z b e i n h ö c k e r h i n verläuft, wie bei der Bildung des einfachen vorderen Lappens, oder man bildet den einen Lappen a u s den a n d e r i n n e r e n , den anderen aus den a n d e r ä u s s e r e n S e i t e des Gliedes gelegenen Weichtheilen. B.

Cirkelschnitt.

Nur mit einiger Schwierigkeit kann man von einem Cirkelschnitt aus die Exarticulation im Hüftgelenk ausführen. Man würde in einem solchen Falle natürlich den Schnitt durch die Weichtheile mit einem Zuge bis auf den Knochen führen, da es sich hier nicht darum handelt, eine Sägefläche zu decken. Wesentlich erleichtert wird die Operation, wenn man auf den Cirkelschnitt vertical vom Trochanter her einen bis auf den Knochen eindringenden Einschnitt macht (Jäger, Lacauchie). Dann unterscheidet sich die W u n d e wenig von einer Lappenwunde, die Ausführung der Exarticulation wird aber auf solche Weise wesentlich erleichtert ( P i t h a ) . C. O v a l s c b n i t t . V e r f a h r e n v o n L a r r e y . Der Wundarzt steht an der inneren Seite des Schenkels, umschnürt in der, pag. 774 beschriebenen Weise die blossgelegten Vasa femoralia und umkreist dann den Schenkel dicht unter dem grossen Trochanter mit einein Schnitt, der vorn in dem unteren Winkel der Unterbindungswunde beginnt und auch dahin zurückkehrt, somit ein nach Vorn und Oben spitz ausgezogenes Oval darstellt. Die Weichtheile werden nun zuerst auf der inneren Seite bis auf das Gelenk durchschnitten, die Kapsel geöffnet, das Lig. teres getrennt u n d der Schenkel, während das iMesser um den Gclenkkopf herum z u r äusseren Seite des Knochens gelangt, nach Innen luxirt. Darauf gleitet das Messer hart am Knochen an der äusseren Seite abwärts u n d vollendet die Ablösung der Extremität. V e r f a h r e n v o n S c o u t e t t e n . Der Kranke liegt auf der gesunden Seite. Für die Exarticulation des linken Oberschenkels steht der Operateur an der hinteren Seite des Gliedes, stösst das Messer dicht ü b e r dem Trochanter ein und umgeht dann mit einem schräg abwärts gerichteten Zuge den vorderen Umfang des Oberschenkels, etwa vier Finger breit unterhalb der Schenkelbeuge, indem er mit kräftigem Zuge sofort alle Weichtheile bis auf den Knochen durchschneidet. Das Messer wird in unmittelbarer Fortsetzung dieses Schnittes dann in einer schräg aufsteigenden Linie zum Einstichspunkte zurückgeführt.

779

Exarticulation.

War dieser erste Schnitt gut geführt, so gelangt man, während der GehUlfe den innern Wundrand emporzieht, mit wenigen Messerzügen zum Gelenk, welches in der oben beschriebenen Weise geöffnet wird. — Um recht reine Hautschnitte zu gewinnen und nicht unnöthig viel Muskelfleisch zu erhalten, ist es namentlich für Anfängec zu empfehlen, dass man zuerst blos die Haut und, nachdem diese zurückgezogen ist, die übrigen Weichtheile in der angegebenen Richtung durchschneide. Nicbt selten sind mehrere Methoden combinirt w o r d e n , wie denn ü b e r h a u p t das Hüftgelenk wegen der Dicke der dasselbe umgebenden Weichtheile und der relativ geringen

Ausdehnung

seiner Gelenkflüchen zu den mannigfaltigsten

Exarticulations-Verfahrens Gelegenheit bietet.

ModiGcationen

Mit Recht bemerkt L i n h a r t

des

(Compend.

d. ebirurg. Operatioaslehre 2. Aufl. W i e n , 1 3 6 2 , pag. 3 8 5 ) , dass die Mehrzahl dieser Varianten auf verschiedene Benennungen hinauslaufen, indem derselbe Lappen von dem Eines als „ v o r d e r e r " , von dem Anderen als „ i o n e r e r " , von dem Dritten als „vordererinnerer" u. s. f. bezeichnet wird.

Die Basis eines zweckmässig gebildeten Lappens muss

immer in der Richtung einer vom vorderen oberen Hüftbeinstachel zum Sitzbeinhöcker gezognen Linie liegen; mitbin ist die Zahl der Möglichkeiten bildung doch auch hier beschränkt.

für eine g u t e

Lappen-

Zwei und vierzigste A bt lie ilu 11 g. Krankheiten des Oberschenkels. T o p o g r a p h i e . W a s n a c h A b z u g d e r k ü n s t l i c h b e g r e n z t e n Hüttregion u n d des gleichfalls s c h w a n k e n d e n G e b i e t s d e r K n i e g e g e n d vom O b e r s c h e n k e l ü b r i g b l e i b t , s c h e n k e l " im e n g e r e n S i n n e a u f g e f a s s t . n a c b U n t e n allmälig v e r j ü n g t e n

Seine

G e s t a l t ist

K e g e l s , d e m ein

grosser

im

wird

hier als

Allgemeinen

Theil

der S p i t z e f e h l t .

k r ä f t i g e n M ä n n e r n , d i e n i c h t allzu f e t t s i n d , s i e b t m a n die M u s k e l v o r s p r ü n g e , lich des S a r t o r i u s u n d des u n t e r e n Theiles des R e c t u s . S e i t e z a r t e r u n d d ü n n e r , als an d e r ä u s s e r e n .

„Ober-

die e i n e s Bei

nament-

Die H a u t ist a n d e r

inneren

Das U n t e r h a u t b i n d e g e w e b e bildet

eine

s e h r d i c k e S c h i c h t , ist m e i s t f e t t r e i c h und im o b e r e n Theile des S c h e n k e l s d u r c h e i n e deutliche Fascia superficialis begrenzt. l a t a , ist s e h r dick u n d f e s t , umfanges.

Die e i g e n t l i c h e

Scbenkel-Aponeurose,

Fascia

n a m e n t l i c h im Bereich d e r ä u s s e r e n H ä l f t e des S c h e n k e l -

I n d e r S c h e n k e l b e u g e s i t z t sie a m Lig. Fallopii f e s t , a n d e r h i n t e r e n S e i t e

h ä n g t sie m i t d e r F a s c i a g l u t e a z u s a m m e n , a n d e r i n n e r e n befestigt sie sich a m S c h o o s s bogen.

Zwei g r o s s e F o r t s ä t z e e r s t r e c k e n sich von d e r

Fascia lata e i n w ä r t s gegen

O s f e m o r i s u n d t r e n n e n die v o r d e r e M u s k e l g r u p p e von der S e p t a dienen z u r S o o d e r u n g d e r einzelnen liche und eine latae,

tiefe S c h i c h t .

Rectus

femoris

und

S c h i c h t , s o n d e r n liegen n u r umfassenden

tieferen

dem C r u r a l i s

Ersterer

Muskeln. sind

Gracilis.

an

Sie

einzelnen

Muskeln.

Letztere

und den beiden V a s t i ,

vier:

Stellen sind:

hinteren.

Weniger

Diese zerfallen in eine o b e r f l ä c h Sartorius, bilden auf

keine

den,

Triceps

Tensor

a n die Patella a n g e h e f t e t e n T e n d o e x t e n s o r i u s c o m m u n i s

fasciae

ringsum

geschlossene

Femur

glcichmässig

das

femoris,

welche, mit dem R e c t u s verlaufen

bestehend

aus

v e r e i n i g t , zu

dem

(Quadriceps

s o r i u s f e m o r i s ) ; a n d e r i n n e r e n S e i t e liegen die s c h r ä g vom S c h o o s s b o g e n aspera abwärts steigenden A d d u c t o r e n :

der

d u e t o r e n , von d e r C r i s t a p u b i s e n t s p r i n g e n d , duetor brevis,

longus,

vor d e n

Oberflächlichsten,

den

vorhergehenden

der Linea a s p e r a , am Weitesten

inserirt

n a c h Hinten liegt A d d u c l o r

von allen S c h e n k e l m u s k e l n ; e r steigt v o m Condylus externus femoris binab. d r e i Muskeln vom Becken z u m

bedeckt,

T u b e r isebii

zur

An der h i n t e r e n S e i t e

Unterschenkel

abwärts:

am

dann

folgt

Die Muskeln

Linea a s p e r a

an

der

Dritttheil

der grosseste bis a n

des O b e r s c h e n k e l s an d e r i n n e r e n

AdAd-

Adductor

oberen

Seite

den

verlaufen Semi-

zu d e m sich s e i n

k u r z e r Kopf j e d o c h e r s t im u n t e r e n Drittel des O b e r s c h e n k e l s , von d e m C r u s d e r L i n e a a s p e r a e n t s p r i n g e n d , hinzugesellt.

Linea

eigentlichen

magnus,

und S e m i m e m b r a n o s u s , an der äusseren B i c e p s ,

exten-

zur

d e r z u m m i t t l e r e n Theil d e r Linea a s p e r a h i n a b s t e i g t ,

z u m T h e i l von

tendinosus

Pectineus ain

das

starke

externum

hinteren Seite des

Verletzungen.

781

Oberschenkels werden von einer gemeinsamen a p o n e u r o t i s c h e n Tensor fasciae

latae,

Sartorius

und Gracilis haben

jeder

Scheide

seine

umschlossen;

besondere

Scheide;

Rectus f e m o r i s , Cruralis und Vasti werden wieder von einem gemeinsamen Blatt u m fasst.

Ebenso sind die drei Adductores von einer gemeinsamen

zwischen ihnen liegt reichliches

Bindegewebe, welches

mit dem im Becken gelegenen coinmunicirt.

durch

Aponeurose die

Incisura

umhüllt; ischiadica

Unter den S t r e c k m u s k e l n steigt die obere

Ausbuchtung der Knicgelenkkapsel 5 — 1 2 Ctm. weit aufwärts. —

Aus der

f e m o r a l i s entspringt

Drittels des

schenkels die A r t .

(Bd. II. pag. 2 1 7 )

profunda

tbeils d i r e c t , tbeils durch

im

femoris,

die Rami

Bereich des ersten

welche

perforantes

den Muskeln

Blut z u f ü h r t .

des

Ober-

Oberschenkels,

Uebrigens

Art. femoralis während ihres Verlaufs am Oberschenkel n u r noch

Arteria

giebt die

kleinere Muskeläste

und die oberen Gelenk-Arterien f ü r das Kniegelenk a b . — Die wichtigste oberflächliche Vene, S a p h e n a ovalis; die

m a g n a , verläuft am Oberschenkel vom Condylus internus z u r Fossa

Lymphge fasse

die oberflächlichen)

und

liegen

grösstentheils

ergiessen sich

in

Unter den Aesten des N e r v u s c r u r a l i s stimmten

besonders

der

an

d e r inneren S i i t e

die L y m p h d r ü s e n ist a u s s e r

Nervus saphenus

den f ü r die S t r e c k m u s k e l n

beinerkenswerth,

femoralis bis zu ihrem Austritt aus dem Canal d e r Adductoren nahe dem Condylus internus abwärts obturatorius

läuft.

Die

(namentlich

der Schenkelbeuge.

Adductoren

welcher die begleitet,

werden

Arteria

dann

vom

auch vom N e r v u s i s c h i a d i c u s

Aeste.

Oberschenkels fast genau in der Mittellinie,

Der Adductor magr.us

Dieser verläuft an der hinteren oben

bedeckt

durch

bekommt Seite

das Caput

Semimembranosus

in d e m ,

Oberschenkel

diese von

einander

alle an der hinteren

trennenden

Bindegewebe.

Seite gelegenen

Muskeln

des

longum

bieipitis, weiter abwärts (meist schon in seine 2 E n d ä s t e ge 1 heilt) zwischen ihm werden am

aber

Nervus

versorgt, der auch der H a u t an der inneren Seite des oberen Drittels

des Schenkels Aeste giebt (vgl. Hernia o b t u r a t o r i a ) .

und

— be-

Bíceps Von sammt

der sie bedeckenden Haut versorgt.

Verletzungen.

Abgesehen von den, Bd. II. pag. 457 u. f. beschriebenen Fracturen kommen im Bereich des Oberschenkels noch eine grosse Anzahl von Verletzungen vor. Die W u n d e n dieser Gegend erhalten ihre Bedeutung vorzüglich durch die gleichzeitige Verletzung des Knochens oder der Blutgefässe. Canallörtnige Wunden, welche schräg abwärts laufen, können leicht den Reccssus der Kniegelenkskapsel eröffnen. Bei S c h u s s w u n d e n des Oberschenkels erreichen die Zerreissungen der Weichtheile und die Zersplitterung der Knochen oft eine solche Ausdehnung, dass die Heilung ohne Amputation ganz unmöglich wird. Freilich sind die Resultate der Amputation in den beiden oberen Dritttheilen des Oberschenkels nicht günstiger, als die durch Anwendung der erhaltenden Methode auf die Schussverletzungen des Oberschenkels erreichten; man hat aber gerade die schlimmsten Verletzungen der Art der erhaltenden Methode gar nicht unterworfen. Die neueren Verbandmittel lassen auch für diese bessere Erfolge erwarten, als sie früher erzielt werden konnten. Vgl. Bd. II. pag.

782

Krankheilen des Oberschenkels.' 1

4 6 9 u. f. Die Resection der zersplitterten Bruch-Enden hat gerade am Oberschenkel am Wenigsten gute Erfolge aufzuweisen. Der Grund hierfür liegt einer Seits in der Schwierigkeit, die Grenze genau aufzufinden, bis zu welcher der Knochen und das Periost noch lebensfähig sind, anderer Seits in der durch die Resection jedenfalls noch gesteigerten Verletzung der Weichtheile. E n t z ü n d u n g und

Nekrose.

P h l e g m o n e ist keineswegs selten am Oberschenkel. Wo unter entzündlichen Erscheinungen eine Geschwulst in der Tiefe des Oberschenkels sich entwickelt, muss man bedenken, dass sie auch auf Erkrankung des P e r i o s t oder des K n o c h e n s beruhen kann. Die Dicke der Weichtheile erschwert die Diagnose und lässt namentlich einen diagnostischen Einschnitt häufig genug zu lange aufschieben. Dies sollte niemals geschehen. Ist man einmal über das Bestehen einer tiefen Phlegmone in's Klare gekommen, so muss hier aus doppeltem Grunde incidirl werden, ein Mal wegen der Phlegmone selbst, und dann zur Sicherung der Diagnose. Ergiebt sich, dass hinter der „Phlegmone" eine Knochen-Nekrose am Femur steckt, so muss dem Eiter ein möglichst directer Weg offen gehalten werden, auf dem dann auch die Sequester, je nach dem Sitze und je nach der Ausdehnung der nekrotischen Zerstörung, entweder mit oder ohne Kunsthülfe herausbefördert werden (vgl. Bd. II. pag. 557 u. f.). Wird, nach Eröffnung eines tiefen Abscesses, fort und fort Eiter in solcher Menge entleert, wie sich aus der Grösse des Abscesses nicht erklären lässt, so muss man nicht eher ruhen, als bis man die Quelle des Eiters entdeckt hat. In manchen dieser Fälle handelt es sich um Senkungs-Abscesse vom Hüftgelenk oder vom Becken her, deren Diagnose durch die vorausgegangenen Krankheits-Erscheinungen aufgeklärt wird; manchen (in der Nähe des Kniegelenks) liegt auch Vereiterung von Schleimbeuteln zu Grunde; die Mehrzahl aber lässt sich schliesslich auf K n o c h e n - N e k r o s e zurückführen. Diese frühzeitig zu erkennen und dann (nach den allgemeinen Regeln) richtig zu behandeln, ist gerade am Oberschenkel überaus wichtig, weil schon die Dicke der Weichtheile den Austritt der Sequester erschwert und überdies die Bildung von Sequestralkapseln grade am Femur sehr häufig ist Deshalb muss man vor Allem auf frühzeitige und selbst nur im Interesse der genaueren Diagnose unternommene Einschnitte und Punctionen grosses Gewicht legen. Dass man hierbei womöglich in der Richtung der Achse des Gliedes zu schneiden und die grossen Gefäss- und Verven-Stämme (nicht aber deren w e i t e r e Um-

Difformitäteo.

783

gebung) zu vermeiden hat, versteht sich von selbst. Auf die Dringlichkeit der Incision bei acuter und heftiger Periostitis, welche mit acuter Nekrose fast immer Hand in Hand g e h t , w u r d e bereits im Bd. II. hingewiesen. — Besteht die Nekrose in allzu grosser Ausb r e i t u n g , namentlich mit Verjauchung der Weichtheile in der Umgeb u n g des kranken Knochens, so bleibt endlich, freilich als ein zweifelhaftes Hülfsmittel n u r noch die Amputation oder die Exarticulation des Femur übrig. Difformitäten. Die F o r m f e h l e r des Oberschenkels sind fast ausschliesslich erworbene, namentlich schief geheilte oder gar nicht geheilte Knochenbrüche. In seltenen Fällen m a g das Schiefheilen wegen gänzlicher Vernachlässigung des Bruches erfolgen 1 ) Die Dififormität, welche der Callus bei Schenkelfracturen, selbst nach zweckmässiger Behandlung, häufig genug darbietet, steigert sich bis zu einer erheblichen Schiefstellung und Verkürzung, wenn die mechanische Behandlung ungenügend w a r , oder-wegen bestehender Qomplicationen ungenügend sein musste. Zur Heilung solcher Difformitäten wird m a n , sofern sie den Gebrauch des Beins s t ö r e n , je nach Festigkeit u n d Dicke des Callus, bald die D y s m o r p h o s t e o p a l i n k l a s i e , bald die O s t e o t o m i e anwenden müssen. Die Gefahren der letzteren treten wegen der Dicke der Weichtheile (obgleich man den Einschnitt immer an der äusseren Seite machen wird) beionders deutlich hervor. Aebnlich verhält es sich mit den P s e u d a r t h r o s e n , welche am Oberschenkel, theils auf Grund localer Erkrankungen des Knochens (Pseudoplasmen, Nekrose), theils in Folge unzweckmässiger Behandlung entstehen. Ihre Behandlung richtet sich nach den allgemeinen Regeln (vgl. Bd. II, pag. 371 u. f.), jedoch m u s s auf die Gefahr aller operativen Heilungsversuche, welche gleichfalls in der Dicke der Weichtheile begründet ist, besonders hingewiesen werden. Das Anbohren des Knochens mit nachfolgendem Einsetzen langer Stablschrauben, durch deren Vermittlung man dann mittelst besonderer Klammer-Apparate die Bruchstücke gegen einander d r ä n g t , ist hier besonders zu empfehlen. Auch bei diesen Operationen wird man von der äusseren Seite her auf den Knochen eindringen. Neubildungen. Unter den Geschwülsten des Oberschenkels sind vor A n e u r y s m e n und V a r i c o s i t ä t e n zu erwähnen. Erstere

Allem haben

' ) R o s e r glaubt, dass die Mehrzahl schief geheilter Schenkelfracturen sich bei kleinen Kindern vorfinde, bei denen die Fractur nicht bemerkt und die Veranlassung derselben verheimlicht eei. — Ich habe Fälle der Art nicht gesehen•

784

Krankheiten des Oberschenkels.

vorzugsweise häufig im obersten und untersten Dritttheil ihren Sitz (vgl. Bd. II. pag. 220 u. f.). Varicositäten finden sich in den mannigfaltigsten Formen an dem ganzen Verlauf der Vena saphena magna sehr häufig. Besonders bemerkenswerth ist der grosse circumscripte Varix, der sich häufig dicht vor der Fovea ovalis findet und manchmal das Ansehen einer Hernie gewinnt (vgl. Bd. III, pag. 875). Auffallend häufig ist die untere Epiphyse des Femur und namentlich der Condylus internus die Bildungsstätte von Pseudoplasmen (vgl. Bd. II. pag. 584). Amputationen.

Unter den Operationen, welche am Oberschenkel auszuführen sind, erheischen nur die A m p u t a t i o n e n besondere Erwähnung, obschon auch von diesen, da sie für die Mehrzahl der AmputationsMethoden als Typus betrachtet werden, bereits die Rede war. I n d i c i r t wird die Amputation des Oberschenkels zumeist durch V e r l e t z u n g e n und E r k r a n k u n g e n des K n i e g e l e n k s o d e r d e s o b e r e n T h e i l s d e s U n t e r s c h e n k e l s , sofern bei letzteren weder die hohe Unterschenkel-Amputation, noch die Exarticulation im Kniegelenk zulässig erscheinen. In solchen Fällen kann man denn auch nahe Uber dem Kniegelenk die Amputation ausführen. Dies ist von grosser Wichtigkeit, weil die Gefahr der Oberschenkel-Amputation sich erheblich steigert, je näher dem Rumpf sie ausgeführt wird,, Erfolgt die Durchsägung des Knochens noch im Bereich der unteren Epiphyse (Amputation durch die Condylen), so wird die Eröffnung der Markhöhle und damit die Gefahr der Eiterung des Knochenmarks ganz vermieden. Ueberdies eignet sich die derbe Haut an der vorderen Seite des Kniegelenks ganz besonders zur Bedeckung des Amputationstumpfs und wird daher mit Vorliebe zur Bildung eines „vorderen Lappens" benutzt. Auch ist die L ä n g e des Stumpfes, obgleich die künstliche Extremität, durch welche das amputirte Bein ergänzt werden soll, ihren Stiltzpunct immer am Becken finden muss, für deren Brauchbarkeit doch von einiger Bedeutung, da dieselbe desto freier bewegt werden kann, je mehr Berührungsfläche ihr der Stumpf darbietet. Während die Sterblichkeit nach Schenkel-Amputationen im Allgemeinen durchschnittlich 45 Procent beträgt, steigt sie bei A m p u t a t i o n e n in d e r o b e r e n H ä l f t e des Schenkels auf 50 Proc. und erreicht bei einer Amputation dicht unter den Trochanteren beinahe dieselbe Höhe, wie bei Exarticulatio femoris. In wiefern diese ungunstigen Aussichten von der Anwendung der Amputation in

785

Amputationen.

der oberen Hälfte bei c o m p l i c i r t e n F r a c t u r e n des Fémur abhalten, wurde bereits erwähnt. Nichts desto weniger muss man sich zur Amputation unbedingt entschliessen, wenn mit der Zersplitterung des Knochens zugleich die grossen Gefässe verletzt sind. Ausserdem können P s e u d o p l a s i n e n am F e m u r (Osteosarcom, Carcinom, Knochen-Aneurysma) zur hohen Amputation auffordern. Um Blutungen zu verhtlten, muss man bei jeder hohen Oberschenkel-Amputation in derselben Weise Vorsichtsmaassregeln ergreifen, wie bei der Exarliculatio femoris. Will man die Femoralis hoch oben mit einem Tourniquet comprimiren, so muss dies, um das Hinabgleiten zu verhüten, an einem Beckengürtel befestigt werden. Fast an keinem andern Theile beobachtet man die Zurückziehung der durchschnittenen Muskeln in solchem Maasse, wie am Oberschenkel. Dies beruht darauf, dass die Mehrzahl der Oberschenkelmuskeln, namentlich an der hinteren und an der vorderen Seite, gar keine oder fast gar keine Befestigung am Fcmur hat. Hierauf muss man bei der Abmessung der zur Deckung des Stumpfs zu' erhaltenden Weichtheile Rücksicht nehmen. Die Prominenz des Knochenstumpfs kommt nirgend häufiger vor, als am Oberschenkel, obgleich doch alle Methoden gerade für die gute Bedeckung desselben besonders berechnet sind. Auf der starken Zurückziehung der Muskeln beruht es des N e r v u s i s c b i a d i c u s

zuweilen

a u c h , dass der Stumpf

a u s der Muskelwunde hervorragt

(heraushängt)

und dann nochmals abgeschnitten werden m u s s , bevor man die W u n d e schliesst.

Im Allgemeinen sind der z w e i z e i t i g e C i r k e l s c h n i t t oder die B i l d u n g e i n e s v o r d e r e n L a p p e n s v o r z u g s w e i s e zu empfehlen. Die T e c h n i k d e r L a p p e n b i l d u n g ist nicht blos nach der Wahl des Arztes verschieden, sondern auch nach der Stelle, an welcher operirt wird. Im obersten und mittleren Drittel des Oberschenkels kann man den Lappen blos aus Haut und Fascie (nach V. v. B r u n s ) oder auch aus sSmmtlichen Weichtheilen (einen sogen. Fleischlappen) bilden und für den letzteren Fall wiederum entweder des V e r d u i n ' schen oder des L a n g e n b e c k ' s c h e n Verfahrens sich bedienen (vgl. pag. 620 u. f ) . Nahe dem Knie kann zur Deckung des Stympfs (abgesehen vom Periost) nur Haut und Fascie benutzt werden. Wir werden die Technik dieser nächsten

Abschnitt,

im

„Amputation

Zusammenhange

mit der

durch die Beschreibung

C o n d j l e n " im der

Exarticulatio

genu erläutern.

Beim Cirkelschnitt muss die Vereinigung der Wunde womöglich in der Art geschehen, dass der eine Wundwinkel nach Vorn, der andere nach Hinten sieht, wobei aber zu berücksichtigen ist, dass der Operirte sein Bein wegen des Ucbergewichts der nach Aussen A u r i i e l e b e n , Chirurgie. C.AuO. IV.

50

786

Krankkeiten des

Oberschenkels.

rotirenden Muskeln fast immer auswärts wendet, so dass ein ursprünglich genau an der vorderen Seite liegender Wundwinkel später nach Vorn u n d Aussen liegt. Die Stellung des Operateurs niuss bald auf der äusseren, bald auf der inneren Seite des zu ampulirenden Schenkels sein, je nachdem es die Beschaffenheit desselben zulässt. Man würde im Allgemeinen bei der Amputation des linken Schenkels lieber an der inneren Seite stehen, um den abzuschneidenden Theil zur rechten Hand zu h a b e n ; aber die Beine des Patienten können selten so weit von einander gespreizt werden, dass der Operateur zwischen ihnen Platz fände, und über das gesunde Bein hinweg die Amputation auszuführen, erfordert grössere Gewandtheit. Oft ist die fehlerhafte Stellung des zu amputirenden Beines selbst f ü r die Wahl der Stellung des Operateurs, zuweilen sogar für die Wahl der Methode von Bedeutung. — Bei der Durchsägung des Schenkelbeins muss man darauf achten, dass die Linea aspera nicht zuletzt durchschnitten werde, weil sie als der schmälste und zugleich n u r aus compacter Substanz gebildete Theil des Knochens am Leichtesten splittert. Je weiter gegen das Knie hin man amputiil, desto weniger Arterien hat man voraussichtlich zu unterbinden. Nächst der, nach der anatomischen Kenntuiss ihres Verlaufs immer leicht aufzufindenden Femoralis, kommt bei hoher Amputation vorzugsweise die Profunda femoris in Betracht. Um die kleineren Aestc, namentlich die Perforantes u n d Articulares zu finden, muss man oft die Cornpression des Ilauptslanimcs unterbrechen, wo dann die spritzenden Gefässe leicht gefasst werden können.

Dreiniidvieraigste

A b t h c i l i m g .

Kranklieiten des Kniegelenks und seiner Umgebungen'). Krankheiten

und Verletzungen

und von so grosser Bedeutung, allgemeinen

Besehreibung

der

des Kniegelenks sind so

dass

uian

Gelenkkranklieiten

das Kniegelenk Rücksicht genommen hat. Darstellung

setzen

wir

der G e l e n k k r a n k h e i t e n

von Alters

Bei der

gleichfalls

häufig

her bei

der

vorzugsweise

auf

nachstehenden

unsere

Beschreibung

(Bd. 11., pag. 0 0 7 u. f.) a l s

bekannt

voraus. T o p o g r a p h i e . Man d e n k t sich die Kniegegend nach Oben durch den oberen Hand der Poleil,i, nach Unten durch die Tuherositns tihiae u n d das Capitulum die zum Kniegelenk gehörige

Ausbuchtung

libulae begrenzt, obwohl

d e r Synovialmembran sich

oberen Hand der Patella a u f w ä r t s e r s t r e c k t .

weit über

den

Wir zerlegen die Kniegegend in die Knie-

kehle, das eigentliche Knie, das Kniegelenk und das Gelenk des C i p i t u l u m (ibulae. 1. K n i e k e h l e . und die Aponeurose

Die r e r h ä l t n i s s m ä s s i g d ü n n e Haut, das s u b c u t a n e Bindegewebe bieten

nichts

springen die Sehne des B i c e p s

Bcmerkenswertbes dar.

m i u s deutlich h e r v o r , an der inneren des S e m i t e n d i n o s u s ,

An

der

äusseren

Seite

und weiter abwärts der ä u s s e r e Kopf des G a s t r o c n e Seite

des G r a c i l i s

des

Semimembranosus,

und des S a r t o r i u s .

die Sehnen

Zwischen diesen beiden

Sehnen- und M u s k e l g r u p p e n , s a m m t ihnen durch die Fascie b e d e c k t , liegen im dicken Fettgewebe die grossen

Nerven-

und

Gefäss-Stämme.

Der Nervus ischiadicus

theilt

sich schon oberhalb der oberen Grenze der Kniekehle in seine beiden End-Aeste, den Nerv,

tibialis

anticus

s.

peroneus

und

den

Nerv,

tibialis

posticus.

Erslerer verläuft dicht u n t e r der Fascie schräg a b w ä r t s und nach Aussen u n d wendet sich um das Köpfchen der Fibula z u r vorderen Seite des Unterschenkels. t i b i a l i s p o s t i c u s verfolgt die ursprüngliche Die V e n a p o p l i t e a ,

welche etwas

tiefer

Richtung

liegt

Der N e r v ,

des Nerv, ischiadicus weiter.

als die N e r v e n ,

befindet

sich

im

Allgemeinen an der hinteren und äusseren Seite der A r t e r i e , in d e r Höbe des Gelenks gerade hinter ihr.

Die A r t e r i e liegt in d e r ganzen Ausdehnung

' ) Vgl. ausser den umfassenderen W e r k e n , W a l t h e r niss und Behandlung der Krankheiten des Knie's.

der

Kniekehle vor

H e i n e k e , Beiträge z u r KenntDanzig,

1865.

50*

788

Krankheiten des Kniegelenks und seiner Umgebungen.

der Vene, d. b. tiefer als dieselbe, und verläuft in e i n e r ' L i n i e , die oberhalb des Condjrlus internus beginnend, vom inneren Rande d e » linie der Kniekehle, 2 — 3 Centira. unterhalb der Condylen gezogen hinteren Fläche des Femur ist sie nur durch Fettgewebe g e t r e n n t , W a n d des Gelenks dorch den M u s c u l u s p o p l i t e u s , der vom schräg zur hinteren Fläche der Tibia hinabsteigt.

man sieb 13 Ctm. Femur zur Mitteldenkt. Von der von der hinteren Condylus internus

Die Kniekehle ist reich an S c h l e i m b e u t e l n , von denen einige ganz constant s i n d , n a m e n t l i c h ; 1 ) B u r s a m u e o s a r e t r o c o n d y l o i d e a i n t e r n a , welche am Condyl. int. f e m . zwischen der Kapsel und der A p o n e u r o s e , dem K o p f e des Gsstrocnemlus und dem Semlmembranosus anliegt, o f t mit der Gelenkböble communicirt und zuweilen noch Ausstülpungen bildet; 2 ) B. m. i n f r a c o n d y t o i d e a i n t e r n a zwischen dem Cond. inl. tibiae und der Sehne des M. semimembranosus, auch zuweilen mit Ausstülpungen ' versehen; 3 ) B. m. i n f r a c o n d y l . e x t e r n a , zwischen dem M. popliteus, dem äusseren Meniscus des Kniegelenks und dem Sulcus am äusseren Cond j l n s der Tibia, zwischen diesem und dem Capitulum fibulae, kann mit dem Kniegelenk a n d gleichzeitig mit dem Tibio-fibular-Gelenk communiciren, 4 ) B. m. l a t e r a l i s i n t e r n a , an der inneren Seite der T i b i a , unter deren Cond. int. zwischen den Sehnen der Mm. sartorius, gracil., semitend. und dem Lig. lat. i n t . ; 5 ) B. m. l a t e r . e x t e r n a , über dem Capit. libulae, zwischen der Sehne des Biceps und dem L i g lat. ext. A l l e diese Schleimbeutel k ö n n e n , da sie mit Sehnen in genauer Beziehung 6teben, auch als S e h n e n s c h e i d e n betrachtet werden. 2 . Das eigentliche Knie wird wesentlich durch die vorspringende P a t e l l a gebildet. Vor letzterer steigt die aponeurotisebe Ausbreitung des T e n d o e x l e n s o r i u s - c o m m u n i s a b w ä r t s , durch welche dieser direct mit dem L i g a m e n t u m p a t e l l a e zusammenhängt. Zwischen dieser Sebnenhaut und der vor ihr hinabsteigenden Fascia lata liegt der grosse, gewöhnlich als B u r s a m u e o s a p r a e p a t e l l a r i s schlechtweg bezeichnete Schleimbeutel. Nicht ganz selten findet sieb aber in dieser Gegend auch noch ein tieferer und ein oberflächlicherer Schlcimbeutc! vor, ersterer zwischen der sehnigen Ausbreitung des Quadriceps extensor. und dem Periost der P a t e l l a , letzterer dicht unter der Haut vor der Fascia lata oder zwischen zwei Blättern derselben, — so dass man also, um vollständig zu sein, mit W . G r o b e r unterscheiden inuss: B u r s a e m u c o s a e p r a c p a t e l l a r e s a ) s u p e r f i c i a l i s s. s u b c u t a n e a , b ) m e d i a s. s u b a p o n e u r o t i c a ( d e r altbekannte Scbleimbeutel), c ) p r o f u n d a s. s u b t e n d i n o s a . Z u den Seiten heften sich an die Kniescheibe die beiden V a s t i . An der inneren Seite wird der Endthcil der Fasria lata durch die Insertionen der M u s c u l i s a r t o r i u s , g r a c i l i s , s e m i t e n d i n o s u s verstärkt, welche, indem sie vor ihrer Anheftung an die Tibia auseinander w e i c h e n , den sog. P e s a n s e r i n u s darstellen. Hinter d e m Ligamentum patellae l i e g t , dicht über der Insertion desselben an die T u berositas t i b i a e , abermals ein Schleimbeutel, B u r s a i n f r a p a t e l l a r i s p r o f u n d a , n e l c h c r constant ist, während die Bursa infrapatellarU superficialis, zwischen L i g a mentum patellae und Haut gelegen, sich nur selten findet. 3. K n i e g e l e n k . Im Kniegelenk stossen F e m u r , T i b i a und P a t e I I a zusammen. Letztere bewegt sich mit den beiden Facetten ihrer überknorpelten hinteren Fläche auf den entsprechenden Gelenktlächen der Condylen des Femur, über welche sie jedoch bei starker Streckung des Beins zum Tlieil emporsteigt. Ausser den eigentlichen Gelenktlächen der beiden C o n d y l e n , von denen der äussere weiter nach Vorn, der innere aber n o c h mehr nach Innen hervorragt, gehört zum Kniegelenk auch noch ein Theil der vorderen Fläche des F e m u r , welcher in einer Ausdehnung von mindestens

789

Topographie. 5 Centimeler von der hinteren W a n d der oberen überzogen wird.

Ausbuchtung

der

Synovialmembran

Gegenübe rder, von Knorpel nicht überzogenen, r a u h e n G r u b e zwischen

d e n Condylen befindet sich an der T i b i a eine gleichfalls r a u b e Hervorragung ( S p i n a t i b i a e ) , während der übrige Theil der oberen Flache des C u p u t t i b i a e den u n t e r e n Gelenkflächen der Condylen des Femur e n t s p r e c h e n d , auch in einen inneren und einen S u s s e r t n Condylus zerlegt wird.

An der äusseren hinteren Seite des C o n d y l .

t i b i a e findet sich die Gelenkverbindung mit

dem C a p l t u l u m

C o n d j l e n der Tibia ruhen die beiden halbmondförmigen

extern,

fibulae.

Anf

den

Zwischengelenkknorpel

( M e n i s c i ) , deren äusserer dicker Rand mit der Gelenkkapsel verwachsen ist, während der concave, d ü n n e , innere Rand frei liegt. sind an der Spina tibiae befestigt.

Die vordere und hintere Ecke derselben

I h r e beiden

Flächen sind ausgehöhlt,

die o b e r e , so dass sie genau auf die nach Unten Condylen d e s F e m u r passt.

namentlich

sehende überknorpelte

Fläche

Von der Spina tibiae steigen die L i g a m e n t a

zu d e r Fossa intercondylica femoris aufwärts.

der

cruciata

Das vordere entspringt vor der

Spina

s. Eminentia intercondylica tibiae und inserirt im hinteren Tbeile des äusseren U m fanges der Fossa

intercondylica

h i n t e r der Spina

(Condylus e i t e r n u s

tibiae und ist a n d e r e r

Seits

intercondylica (Condyl. int. femor.) befestigt.

f e m o r i s ) ; das

an dem inneren

des Kniegelenks

entspringt der Fossa

Die unteren Befestigungen dieser s t a r k e n

Bänder hängen auch mit den Enden der Zwischengelenkknorpel noTial-Membran

hintere

Dmfange

hat

zusammen.

eine grosse A u s d e h n u n g ;

Die S y -

sie

überzieht

n i c h t blos die nächsten Umgebungen der überknorpelten G e l e n k - E n d e n , sondern bildet h i n t e r den Strecksehnen an der vorderen Fläche des Femur auch den bereits erwähnten Hecessus.

Vor

dieser

Ausbuchtung

der

extensorius, liegt, gewöhnlich 2 Centim. suprapatellaris nicirf.

Kapsel,

zwischen

and

dem

die B n r s a

Tendo

mucosa

s. s u B c r u r a l i s , welche zuweilen mit d e r Gelenkkapsel

commu-

E b e n s o verhält sich die, gleichfalls nicht constante Bure. m u c . supracondyloidea

G r u b e r i , welche über d e m Condylus int. gefunden wird. kapsel

ihr

oberhalb der P a t e l l a ,

ist vorn

die Kniescheibe

eingeschaltet,

I n n e r e der Gelenkhöhle hineinsieht. Fläche befestigen sich

die, von der

In

so dass

die f i b r ö s e

deren

hintere

GelenkFläche

in's

Im Umfange der Kniescheibe und an i h r e r h i n t e r e n Fossa

a l a r i a (l'lica synovialis p a t e l l a r i s , n a c h

intercondylica

Henle)

entspringenden,

als L i gg.

bezeichneten, fettreichen

Synovial-

f a l t e n , welche bei gebeugter Stellung des Gelenks in den Raum zwischen Patella a n d T i b i a , namentlich zu den Seiten der ersteren

eingeschoben werden.

Bei passiv ge-

s t r e c k t e m Unterschenkel ist die Gelenkkapsel ganz schlaff, so d a s s m a n die nach allen Seiten

verschieben k a n n .

Die

fibröse

Kapsel wird d u r c h

zwei

Patella Seiten-

b ä n d e r v e r s t ä r k t , die von den rauhen Vorsprüngen der Condylen des F e m u r , das ä u s s e r e z u m Capitnlum erster«

bildet

fibulae,

das innere z u m

einen rundlichen S t r a n g ,

Condylus internus das zweite eine

tibiae flache

hinabsteigen;

Auch an d e r hinteren Wand des Gelenks lassen sich Verstärkungsbänder Tibia und

F e m u r werden

das

Verstärkungsschicht. unterscheiden.

in der gestreckten Stellung des Gelenks vorzüglich

durch

die S e i t e n b ä n d e r , in der gebeugten Stellung dagegen, wo diese (namentlich das s c h m a lere und längere Lig. lat. ext.) erschlafft s i n d , vorzüglich d u r c h die Llgementa cruciata aneinander gehalten. — Das Kniegelenk ist nicht blos zur B e u g u n g und sondern a u c h zu R o t a t i o n s b e w e g u n g e n

eingerichtet.

Streckung,

Die Beugung erfolgt n i c h t

d u r e b blosses Rollen der nach einer eigenthümlichen Curve und, j e weiter nach Hinten, desto s c h w ä c h e r gewölbten Condylen des Femur auf der d u r c h die Menisci etwas vertieften Gelenkfläche der T i b i a ,

sondern

zugleich durch eine schiebende

(schleifende)

B e w e g u n g , welche nothwendig -wird, weil die Gelenkfläche der Tibia eine viel

geringere

790

Krankheiten des Kniegelenks und seiner Umgebungen.

Ausdehnung besitzt, als diejenige der Condylen

des Femur.

Bedingt wird diese Ver-

schiebung der Gelenkflächen beim Strecken und Beugen durch die H e m m o n g , welche die Ligg. cruciata und lateralia der Rollbewegung entgegensetzen.

Die Drehbewegungen

betreffen den äusseren Condylus, welcher auch einen viel beweglicheren Meniscus besitzt.

Die inneren

Condylen

bilden

den

Drehpunkt,

s t e h e n , oder drehen sich n u r um ihre eigene Achse. nation) sind nur am

gebeugten

bleiben also fest aufeinander

Drehungen (Tronatioo und Supi-

Kniegelenk möglich; in gestreckter

Stellung

sie (nach W e b e r ) durch die gespannten Seitenbänder, oder richtiger (nach

werden

Hneter)

durch die Einklemmung, welche der vordere Rand des Meniscus externus am Schluss j e d e r vollständigen

Streckung zwischen

Femur

und Tibia

erleidet,

verbindert.

Die

e i g e n t ü m l i c h e Gestalt des Condyl. ext. feinor. nöthigt im letzten Moment der Streckung die Tibia stets zu einer Rotation nach Aussen.

Vgl. die genaueren Erläuterungen von

C. H u e t e r , I. c. pag. 4 7 8 u. f. — Die M u s k e l n , welche zur Befestigung des Kniegelenks beitragen, s i n d : vorn die zum Tendo extensorius communis zusammenfliessenden S t r e c k m u s k e l n , von denen die beiden

Vasti ihre Sehnenfasern

auch noch schräg

von Innen u n d von Aussen zu den Rändern der Kniescheibe schicken; an der inneren Seite die als

Pe«

aussen Biccps,

anserinus

beschriebenen

hinten Gastrocnemius,

Sehnen

nebst

dem

Semimembranosus;

Plantaris, Popliteus. — Vier grosse

Gelenk-

A r t e r i e n treten im vorderen Umfange des Gelenks, zwei von Oben, zwei von Unten in dasselbe e i n ; eine dringt 4.

von Hinten nach Vorn in die hintere Wand der Kapsel.

Die G e l e n k v e r b i n d u n g

zwischen

Capitulum

d y l u s e x t e r n u s t i b i a e besieht aus einer vollkommen Aussen sehenden

Gelenkfläcbe

F l i e h e a m Capitulum

flbulae,

am

Condylus

externus

zwei Verstärkungsbändern,

fibulae und

ebenen,

nach Hinten

t i b i a e , einer vorn

Conund

entsprechenden

und hinten, und einer

Synovialkapsel, welche zuweilen mit derjenigen des Kniegelenks coramunicirt.

Ernte* Caplfel.

V e r l e t z u n g e n . Q u e t s c h u n g e n und V e r s t a u c h u n g e n des Kniegelenks sind sehr häufig. Nur wenn eine besonders grosse Gewalt eingewirkt hat, stellt sich s o f o r t eine acute Gelenk-Entzündung ein; meist haben diese Verletzungen zunächst nur einen erheblichen Bluterguss in das Gelenk und erst nachträglich G e l e n k - E n t z ü n d u n g zur Folge, welche freilich auch noch nicht blos zu bedeutenden Functionsstörungen, sondern auch, bei der leider nur allzu häufigen Vernachlässigung, zur höchsten Lebensgefahr fuhren kann. Vgl. Bd. II. pag. 667 und 615. Von den B l u t e r g ü s s e n innerhalb der Gelenkkapsel muss man diejenigen unterscheiden, welche in d e m u m g e b e n d e n B i n d e g e w e b e o d e r in d e n S c h l e i m b e u t e l n dieser Gegend ihren Sitz haben. Erstere sind leicht zu erkennen, weil sie diffus sind und in ihrer Ausdehnung weder der Gestalt der Gelenkkapsel, noch derjenigen eines Schleimbeutels entsprechen. Nach wenigen Tagen treten auch die für Sugillationen charakteristischen Färbungen auf. In der Regel

791

Verletzungen.

erfolgt

die Resorption

Kinicgelenks

leicht

dieser

und

Blutergüsse

schnell.

in

der

Umgebung

Ist aber das benachbarte

oder der Knochen von der Quetschung

in

des

Periost

erheblichem Grade

mit

betroffen worden, so stellt sich alsbald, wenn auch die Gelenkkapsel völlig frei bleibt, Entzündung ein, welche dann die Resorption

des

Blutergusses hindert und meist ausgebreitete Eiterung bedingt. B l u t e r g ü s s e in

den S c h l e i m b e u t e l n

die charakteristische Lage und Gestalt aus.

zeichnen sich

durch

Sie werden häufig zu

den Hygromen gezählt, weil man sich gewöhnt hat, jede Anschwellung eines Schleimbeutels mit diesem Namen zu belegen. der Blutergüsse in den Schleimbeuteln selbst

überlassen,

gehen

solche

Die Resorption

erfolgt weniger leicht.

Geschwülste in

den

Sich

chronischen

Zustand Uber, und können, indem durch den Bluterguss die Secretion in

Schleimbeutel pathologisch erregt wird,

gromen umgestalten.

Ihre Grösse

sehr erheblich schwanken,

sich zu wirklichen Hy-

kann bald nach der Entstehung

noch mehr aber, wenn durch die hinzu-

g etretene Entzündung der Inhalt vermehrt worden ist. beutel vor der Kniescheibe kann kopfes ausgedehnt werden.

Der Schleim-

bis zu dem Volumen eines Kinds-

Im Allgemeinen sind die Blutergüsse in

diesem grossen oberflächlichen Schleimbeutel weniger bedenklich, als die in den tieferen, weil letztere der Gelenkkapsel viel näher liegen, manchmal sogar mit ihr communiciren,

so dass diese bald in un-

mittelbarer Folge der einwirkenden Gewalt, bald auch in Folge nachträglicher Weiterverbreitung der Entzündung, in Mitleidenschaft gezogen wird.

Das Gleiche gilt in

Betreff der o f f e n e n

Wunden,

welche stets zu acuter Entzündung führen. Blutergüsse

innerhalb

der

genu) sind unbedingt gefährlicher. gehalten,

weil man viele Fälle

Gelenkkapsel

Man

(Haemarthros

hat sie früher

der Art

für

selten

im weiteren Verlaufe

als

„Gelenkwassersucht" gedeutet hat. Das Knie schwillt unmittelbar nach der Verletzung an, wird gespannt; man erkennt leicht die Ausdehnung der oberen Ausbuchtung und fühlt in der ganzen Ausdehnung Gelenks eine dunkle Fluctuation.

des

Da das ergossene Blut bald gerinnt,

so kann zu einer gewissen Zeit die Geschwulst statt der Fluctuation eine teigige Beschaffenheit

darbieten. —

Wird

der blutige Erguss

nicht bald resorbirt, so kann man die k n i r s c h e n d e

Crepitation

fühlen, welche durch die Verschiebung der Gerinnsel innerhalb der Kapsel

entsteht;

weiterhin

werden

diese Gerinnsel

entweder

voll-

ständig aufgelöst und resorbirt, oder sie zerfallen zu einer eiterähnlichen

Masse,

wenn Seitens

der

Synovialmembran,

Reizung, ein eiteriges Secret geliefert wird.

in

Folge

der

In anderen Fällen bleib!

Krankheiten des Kniegelenks und seiner Umgebungen.

792

die Kapsel, trotz der Auflösung der Gerinnsel, im Zustande krankhafter Ausdehnung und Füllung.

kann

somit bald

in P y a r t h r o s , bald, und zwar häufiger, in H y d a r t h r o s

Haemarthros

genu

übergehen.

Abgesehen von der Verletzung d e r V a s a p o p l i t e a , erhalten die Wunden der Kniegegend die E r ö f f n u n g

ihre Bedeutung fast ausschliesslich durch

der Gelenkkapsel

(vgl. Bd. II. pag. 6 5 7 ) .

kann an verschiedenen Stellen verschieden das Gelenk durch die Strecksehne,

leicht erfolgen.

die Kniescheibe

Diese

Vorn ist

und das

Liga-

mentum patellae geschützt, hinten durch die Vorsprünge der Sehnen und Muskeln und das dichtere Fettpolster.

Am Wenigsten

ist der seitliche Umfang des Gelenks;

liegt

oberflächlich durch

dort

und knnn nicht blos durch stechende,

schneidende

Werkzeuge,

namentlich

bei

ganz

sondern

gewissen

und Handwerken, leicht geöffnet werden; so namentlich zimraeiieuten, Winzern, Korbmachern, u. dgl. m.

gedeckt

die Kapsel

auch

Arbeiten

bei Schiffs-

Bei K i n d e r n

ist

das Kniegelenk weniger geräumig und namentlich sein oberer Recessus viel weniger entwickelt.

Dies gewährt den Vortheil,

dass es durch

Wunden, welche es beim Erwachsenen treffen würden, nicht geöffnet wird,

und

dass

die

traumatische

Gelenkentzündung

relativ

milder

verläuft. In Beireff der B e s c h r e i b u n g d e r t r a u m a t i s c h e n Kniegelenk-Entz ü n d u n g ist auf das folgende Capitel, sowie auch auf Bd. II. pag. 6 1 6 u. CSS zu verweisen. Die T h e r a p i e a l l e r K n i e g e l e n k s - V e r l e t z u n g e n ,

namentlich

der penetiirenden Wunden, erheischt absolut unbewegliche Lage des Beins in einem fixirenden Verbände und Anwendung der Kälte, bei sorgfältigem Verschluss (antiseptischer Wunden,

weiterhin Ueberwachung

Behandlung) der

und Bekämpfung

bestehenden

der etwa

auf-

tretenden Entzündung durch Eis und topische Blutentziehungen.

Vgl.

Bd. II. pag. 6 6 1 . Von besonderer Bedeutung sind die S c h u s s w u n d e n gelenk.

am Knie-

Man muss auch unter diesen vor Allem penetrirende

oberflächliche unterscheiden.

Eine Kugel kann

und

das Kniegelenk

un-

versehrt lassen und dennoch höchst gefährliche Zerstörungen in der Gelenkgegend anrichten, nicht blos durch Verletzung der grossen Gefässe, auf welche wir hier nicht weiter Rücksicht nehmen,

sondern

durch die Annäherung des Schusscanals an die Gelenkkapsel und die daraus hervorgehende Verbreitung der Entzündung auf letztere. gilt namentlich für die durch den Kopf der Tibia

Dies

hindurchgehenden

Schusscanäle, welche nur allzuhäufig nicht blos eine an sich bedenk-

liche

Knochen-Eiterung, sondern überdies acute Entzündung des

Knie-

Verletzungen.

793

gelenks zur Folge haben. Die Synovialmembran braucht nicht selbst verletzt zu sein, um in Entzündung zu gerathen; die Erkrankung theilt sich ihr auch von dem subsynovialen Bindegewebe aus schnell mit. Hat eine Kugel die Gelenkkapsel oder, bei Durchbohrung der Knochen, die Knorpelüberzüge der Gelenkenden gestreift, so wird dieser, Anfangs nur gequetschte Theil fast immer brandig; es folgt somit Eröffnung der Gelenkkapsel nach Lösung des Schorfs und eine Arthrophlogosis acutissima. Wird eine penetrirende Schusswunde des Kniegelenks sich selbst überlassen, so ist die gewöhnliche Folge eine tödtliche Gelenk-Eiterung. Jedoch hat man auch penetrirende Knieschüsse ohne tlbele Zufälle, sogar ohne erhebliche Eiterung heilen sehen. Dabei handelt es sich nicht etwa um jene seltenen Fälle, in denen wegen veränderter Stellung des Gliedes (wenn z. B. die Verwundung in hockender Stellung erfolgte, die Untersuchung dagegen an der gestreckten Extremität vorgenommen wird) der A n s c h e i n der Penetration entsteht, während die Kugel in besonders glücklicher Weise die Weichtheile der Kniekehle durchbohrt hat; sondern auch wirklich penetrirende Schusscanäle können einen so erfreulieben Ausgang nehmen, wenn 1) gleich nach der Verletzung (meist durch Veränderung der Stellung) eine solche Hautverschiebung erfolgt, dass Luft in die Gelenkhöhle nicht eindringen kann, und 2) die Knorpel und Knochen gar nicht oder doch nur geringfügig verletzt sind. In letzterer Beziehung ist der von G u s t a v S i m o n 1 ) gelieferte Nachweis höchst werthvoll, dass eine Kugel nicht blos von einer Seite zur anderen im Bereich des Recessus, sondern auch in sagittalcr Richtung (von Vorn nach Hinten) das Kniegelenk durchbohren kann ohne einen Knochen zu verletzen, sobald sich dasselbe nur in mässiger Beugung (in einem Winkel von 170 Grad und darunter) befindet. Die Eingangsöffnung liegt bei solchen Schusscanälen unterhalb der Patella, die Ausgangsöffnung desto weiter aufwärts an der hinteren Seite des Oberschenkels, je stärker gebeugt das Knie im Moment der Verletzung war. Da das getroffene Gelenk, wenn nicht grade das Ligamentum patellae getrennt ist, voraussichtlich sofort gestreckt wird, so sind bei solchen Wunden auch die günstigen Bedingungen für den Luftabschluss durch Hautverschiebung gegeben. Nehmen wir aber auch die Frequenz dieser Ausnahme-Fälle noch höher an, als die WahrscheinlichkeitsRechnurtg erlaubt, so bleibt für die grosse Mehrzahl der KniegelenkSchüsse doch immer noch die alte traurige Prognose. In Erwägung dieser grossen Gefahr hat man früher bei allen penetrirenden Schuss' ) Zar

Prognose und

Klinik 1 8 7 1 .

Behandlung

No. 3 9 u. 3 0 .

der Scbusswunden

des

Kniegelenks.

Deutsche

794

Krankheilen des Kniegelenks unii seiner Umgebungen.

wunden des Kniegelenks die möglichst früh auszuführende (primäre) Amputation ganz allgemein empfohlen. Die Notwendigkeit einer operativen Behandlung h a t sich allerdings in der Mehrzahl der Fälle immer wieder herausgestellt ') ; aber es hat müssen in Frage gezogen werden, ob nur in der A m p u t a t i o n . H e i l zu suchen, oder ob nicht, wie bei den analogen Verletzungen des Ellenbogengelenks, in der R e s e c t i o n eine weniger eingreifende und ebenso ausreichende Hülfe zu finden sei. Denkt man bei „Schusswunden" nur an die Verhältnisse des Krieges, so ist diese Frage entschieden zu verneinen, weil für die nach einer Kniegelenks-Resection erforderliche Pflege und Nachbehandlung (vgl. Cap. V) in Feldlazaretten nicht genügend gesorgt werden kann, während der Transport eines solchen Resecirten ohne die grösstc Gefährdung des Erfolges sich gar nicht ausführen lässt. Die bis jetzt vorliegende Statistik ist auch keineswegs ermuthigend : unter den mir theils aus der Literatur theils aus eigener Anschauung bekannten 51 Fällen endeten 41 (also mehr als 80 p. C.) mit dem Tode! Aber auch unter günstigen Aussenverhältnissen ist, bei Erwachsenen wenigstens, die Aussicht auf Lebenserhaltung bei der Resection im Kniegelenk viel geringer, als bei der Amputation (vgl. Cap. V.). Wir werden dah er die Resection nur dann der Amputation substituiren dürfen, wenn der Verwundete die letztere entschieden verweigert. Dagegen ist durch die neueren Erfahrungen 1 ) und durch die oben mitgetheilten Untersuchungen von G. S i m o n das Gebiet der Amputationen erheblich beschränkt worden. Lässt sich auf frischer That durch ä u s s e r e Untersuchung keine Knochenverletzung entdecken und ist die Richtung der Wunde eine solche, dass sich mit Wahrscheinlichkeit annehmen lässt, die Knochen im Gelenk seien unversehrt geblieben und Eintritt von Luft habe garnicht oder doch nicht andauernd stattgefunden, so hat man ohne Weiteres die conservative Behandlung (Immobilisation, antiseptischen Verband und Eis) einzuleiten. Muss man dagegen aus der Richtung des Schusscanals auf Verletzung der Knochen und auf erheblichen Lufteintritt (der vielleicht auch durch Percussion nachzuweisen ist) schliessen, so werden die Wundöffnungen dilatirt und genau mit Finger und Sonde untersucht, um die Diagnose festzustellen. Finden sich die Knochen zertrümmert, so hat man sofort zu amputiren; sind sie, wider Erwarten gar nicht oder doch nur unerheblich verletzt, nament' ) Vgl. J o b e r t , Traité de plaies par armes à f e u , und die früher cilirten Schriften von E s m a r c b ,

H a r a l d S c h w a r z , S t r o m e y e r , P i r o g o f f u n d H.

*) Vgl. namentlich B. ». L a n g e n b e c k , ihre Behandlung.

Festrede.

Demme.

über die Scbussfracturen d e r Gelenke und

Berlin, 1 8 0 8 .

795

Verletzungen.

lieh einfach durchbohrt, so darf man sich der conservativen Behandlung zuwenden, da diese unter solchen Verhältnissen voraussichtlich keine grössere Lebensgefahr bedingt, als die Amputation. Gelüste Knochensplitter sind jedenfalls zu entfernen. Lässt sich aus der Richtung des Schusscanals zwar wohl auf Knochenverletzung, aber nicht auf Lufteintritt schliessen, und liefert die Percussion der Gelenkgcgend einen leeren Schall, so ist die Amputation und auch die diagnostische Erweiterung der Wunde zu unterlassen. — Ist die Kugel im ßcreich des Gelenkes stecken geblieben, so muss amputirt werden. — Bekommt man den Verwundeten erst mehrere Tage nach der Verletzung zu sehen, also zu spät für eine primäre Amputation, so indiciren auch nicht mehr die mechanischen Verhältnisse des Wundcanals, sondern der Grad und die Ausdehnung der Entzündung und Eiterung (vgl. Cap. 11.) und die Höhe des davon abhängigen Fiebers. Bei der grossen Wichtigkeit der S c h u s s w u n d e o

des Kniegelenks

es angemessen s e i n , die Ansichten S t r o i n e y e r ' s (Maxiinen

dürfte

der Kriegsheilkunst pag.

7 2 7 - 7 4 2 ) , welche »or wenigen Jahren sich noch allgemeiner Anerkennung erfreuten, hier im Zusammenbange milzutheilen. I.

Einfache

Kapselwunden.

Kleine Verletzungen der Kapsel durch eine

Kugel scheinen

können, o h n e d a s s man zu einer bestimmten Diagnose k o m m t ; der Synovia

findet,

wieder zuheilen denn

zu

das Ausfliessen

trotz der grossen Ausdehnung der Synovial-Membran, in der ersten

Zeit der Verletzung n u r in sehr geringer Menge statt

und

die blosse Auflreibung der

K a p e l durch Dlulerguss oder gesteigerte Secretion der Synovia bloisen Quetschung der Kapsel abhängen.

Die Untersuchung

kann

a u c h Ton einer

mit dem

Finger würde

n u r dann z u r Entscheidung f ü h r e n , wenn man das Glied wieder genau in die Stellung b r ä i b t e , in der es getroffen w u r d e , was immer schwierig gefihrlicb) und einige Zeit nach der Verletzung, nickt Chloroform anwendet), fast unmöglich ist. Anvendung von Blutentziehung

und

(wie wir oben sahen, auch

der Schmerzen

wegen (sofern

man

Einfache Kapselwunden können u n t e r

Wochen lang fortzusetzenden Eisumschlügen zur

Heiung gelangen, sogar ohne zurückbleibende Ankylose.

Die Entzündung kann aber,

nadtdem es Wochen lang gut gegangen i s t , durch Bewegung des Gelenks oder Diätfehler zu einem gefährlichen Grade wieder angefacht werden. II.

Kapselwunden

mit

Knochenverletzung.

1 ) C o n t u s i o n e n d e r G e l e n k f l ä c h e n können glücklich verlaufen, wenn n u r eitrige Gelenk-Entzündung (durch Blutegel und

Eis) verhütet wird.

Kann m a n über

d i e « wichtigen Hülfsmittel nicht verfügen, so muss man sich sofort zur Amputation entichliessen.

Wie schwierig die Diagnose s e i , wurde bereits bei den einfachen Kapsel-

wuiden e r w ä h n t

Jeden Falls wird m a n

sich zur Annahme

einer blossen

Contusion

der Gelenkfläcben n u r ent9chliessen d ü r f e n , n e n n die Kogel nicht mit ihrem ganzen Unfange in das Kapselband eingedrungen, oder doch sofort wieder herausgefallen ist. 2) S c h w e r e r e

Verletzungen

des

Knochens

muss

man

voraussetzen,

wem die Kugel in einer Richtung eingedrungen, in welcher sie das Kniegelenk geöffnet baten k ö n n t e , und nicht wieder herausgefallen ist.

Auf die Aassage des Verletzten,

die Kugel sei herausgefallen, darf m a n , wenn er auch eine Kugel dabei vorzeigt, kein

796

Krankheilen des Kniegelenks und seiner Umgebungen.

Gewicht legen, vielmehr ist sofort die Untersuchung des Scbusscanals mit dem Finger and zwar womöglich in der Stellung, in welcher die Verletzung erfolgte, vorzunehmen., Als besonders schwierige Fälle hebt S t r o m e y e r hervor: a. Die Kugel Ist neben der Patella eingedrungen, hat das Gelenk aber wieder verlassen und erst ausserhalb desselben eine Knochenverletzung gemacht. Gelenk-Eiterung ist unvermeidlich, daher die Amputation indicirt. b. Die Kugel dringt in ein Gelenk-Ende ein, ohne die Kapsel zu eröffnen and bleibt im Knochen stecken. Sitzt sie oberflächlich, so wird man sie sofort ausziehen und das Bein zu erhalten versuchen. Dies gelingt namentlich, nenn sie von der Seite her in die C o n d y l e n d e s F e m u r eingedrungen ist, an denen die corticale Substanz gering und die Splitterung bis in's Gelenk daher unwahrscheinlich ist. liier kann die Kugel auch erst in der Periode der Eiterung leichter ausgezogen werden, oder selbst einheilen. Die T i b i a ist viel mehr zu Splitterungen geneigt; leider lässt sich die Entfernung vom Gelenk, in wclcher sich der Schusscanal befinden müsste, um vor Splitterungen in's Gelenk sicher zu stellen, nicht genau angeben. Selbst eine Rinne von '/» Zoll Tiefe, welche eine streifende Kugel unter der Tuberositas tibiae ausgeschlagen hatte, zeigte sieb, als nach drei Wochen eine rapide Kniegelenks-Eiterung die Amputation nöthig machte, mit einer bis in's Gelenk dringenden Spalte complicirt. Die Verhältnisse sind nicht günstiger, wenn die Kugel den Knochcn durchbohrt. c. Sehr schwierig ist die Diagnose, wenn die Kugel von der Kniekehle aus das Gelenk geöffnet h a t , wobei stets Knochenverletzung sich findet. Bald kann der Finger die Kapselwunde nicht erreichen, bald bat sich eine Sebne vorgeschoben. Charakteristisch ist, sofern man in das Gelenk eindringen kann, der rechtwinklige Rand der Tibia. Die Amputation ist unvermeidlich. S c h o s s f r a c t u r e n d e r P a t e l l a haben meist eiterige Gelenk-Enlzündung zur Folge, jedoch ist selbst bei gänzlicher Zerschmetterung in einzelnen Fällen unter streng antiphlogistischer Behandlung Heilung gelungen. Im Allgemeinen findet sich also bei S t r o m e y e r der alte Grundsatz bestätigt, dass man nur bei einfachen Kapselwunden und bei extracapsulären Knochenverletzungen ohne in das Gelenk eindringende Spalten die Amputation unterlassen dürfe. Dies erklärt sich, nach S t r o m e y e r , aus der erschöpfenden Eiterung, der Schwierigkeit des Eiterabflusses, selbst bei ausgiebigen Einschnitten, und der Neigung der verletzten Gelenk-Enden zur Verjauchung ihrer Medullarsubstanz, welche zur Pyämie führt.

Häufiger als in irgend einem anderen Gelenk finden sich im Kniegelenk f r e m d e K ö r p e r : Nadeln aller Art, Glassplitter, PfriemenDegen- und Messer-Spitzen, Schrotkörner, auch Flintenkugeln. Sitzen diese fremden Körper nicht in der Art, dass ein Theil aussen prominirt und mit einer Zange gefasst werden kann, so sind sie äusserst gefährlich. Ihre Ausziehung würde nur durch eine weite Eröffnung der Kapsel möglich sein; diese selbst aber bedingt voraussichtlich eine ebenso heftige Gelenk-Entzündung, als die Anwesenheit des frenjden Körpers. Der letztere könnte sogar vielleicht eingekapselt werden, indem sich in seiner Umgebung Verwachsungen ausbilden, die den Theil des Gelenks, in welchem er steckt, von dem übrigen Räume der Gelenkhöhle absperren. Unter solchen Verhältnissen

Verletzungen.

797

würde dann die in der Umgebung des fremden Körpers

auftretende

Eiterung weniger gefährlich sein, als die durch weite Eröffnung des Gelenks bedingte.

Im Allgemeinen muss man aber stets auf eine

ausgebreitete Gelenk-Eiterung gefasst sein, wenn ein fremder Körper im Kniegelenk stecken bleibt. eine Flintenkugel,

Ist er von ansehnlicher Grösse, z. B.

so ist auch der Eintritt der Luft in die Gelenk-

höhle meist unvermeidlich.

Vgl. pag. 7 9 4 .

sein, ob resecirt oder amputirt werden lung, auch

die gewaltigsten

ihren weiteren

Jede andere Behand-

ßhitentziehungen

Anwendung des Eises können, die in

Dann kann die Frage nur

solle.

und

die fortgesetzte

nach den vorliegenden

Folgen

tödtliche

Erfahrungen,

Gelenk-Entzündung

nicht

abwenden. Vgl. Bd. II. pag. 6 6 1 — 6 6 7 . Als f r e m d e K ö r p e r i m K n i e g e l e n k bat man auch die Bd. II. pag. 6 4 7 u. f. beschriebenen ( j e l e n k m a u s e aufgeführt, welche allerdings gerade in diesem Gelenk ihren Lieblingssitz haben und zu deren operativer Behandlung gerade hier am Häufigsten Veranlassung ist.

Zweites E

Caiiitel.

n t z ii n d u n g

e

n.

Fiir die Entzündungen der Kniegegend ist vor Allein der Unterschied wesentlich, ob Umgebungen

sie das Kniegelenk selbst, oder nur

betreffen.

Die

extracapsulären

dessen

Entzündungen

und A b s c e s s e haben entweder im Bindegewebe oder in den Schleimbeuteln ihren Sitz.

Im ersteren Falle handelt es sich meist um eine

circumscripta Phlegmone;

seltner

finden sich Senkungen des Eiters

vom Oberschenkel h er, in welchem Falle eine sorgfältige Prüfung des Zusammenhanges der in dem Abscess am Knie fühlbaren Fluctuatiün mit der Flticlualion

am Oberschenkel vor einer Verwechselung mit

einem intracapsulären Ergüsse schätzen muss. Die E n t z ü n d u n g lauft,

abgesehen

von

der S c h l e i m b e u t e l den traumatischen

Fällen

am Kniegelenk (pag. 7 9 1 ) ,

vermeist

chronisch und führt zur Bildung von Hygromcn, unter denen das in der grossen Bursa praepatellaris entstehende H y g r o m a praepatellare bei Weitem das häufigste ist.

cysticum

Dasselbe findet sich na-

mentlich bei Individuen, deren Kniee oft wiederholtem und andauerndem

Druck

ausgesetzt

sind,

wie

Schornsteinfeger,

Matrosen,

Schillszimmerleute, Hausmädchen, die in knieender Stellung den Fusshoien putzen (daher bei den

Engländern

Housc-malds-knec).

Lage der Geschwulst v o r der Patella sichert die Diagnose. treff der Behandlung vgl. Bd. II. pag. 8 6 3 .

Die In Be-

798

Krankheiten des Kniegelenks und seiner Umgebungen.

A b s c e s s e i n d e r K n i e k e h l e sind stets mit dem Gedanken an Aneurysma zu untersuchen. Ein Aneurysma popliteum, zu dem sich Gelenkwassersucht hinzugesellt, kann bei ungenauer Untersuchung f ü r ein ursprüngliches Gelenkleiden gehalten, d. h. neben dem consecutiven Gelenkleiden übersehen werden, und umgekehrt. Mit Rücksicht auf die Möglichkeit eines Durchbrucbs in die Gelenkböhle wird die frühzeitige Eröffnung aller Absceäse in der Umgebung de9 Kniegelenks empfohlen ( V i d a l ) . Wir wollen uns dieser Empfehlung aus früher wiederholt angeführten Gründen gern anschliessen; dass aber ein Abscess, welcher ausserhalb der Kapsel entstanden i s t , eher die fibröse Kapsel als die Haut durchbrechen sollte, ist nicht wahrscheinlich. E n t z ü n d u n g d e s K n i e g e l e n k s , G o n i t i s , gehört zu den häufigsten Krankheiten der Kniegegend und ist wohl die häufigste unter allen Gelenk-Entzündungen. Diese grosse Häufigkeit erklärt sich aus der oberflächlichen Lage (der Zugängigkeit f ü r äussere Verletzungen), den unaufhörlichen Anstrengungen und aus dem complicirten Bau des Gelenks, in welchem die Synovial-Membran eine Ausdehnung und eine Mannigfaltigkeit der Faltungen besitzt, wie in keinem anderen. Rheumatische, dyskrasische und inetastatische Gelenk-Entzündungen, auch solche, die bei Reizungszuständen der Harnröhre auftreten, haben vorzugsweise häufig im Kniegelenk ihren Sitz. Unsere Beschreibung der Gelenkentzündung, Bd. II. pag 607 o. f , bat wesentlich das Kniegelenk im Auge. — Vgl. I l e i n e k e , 1. c. pag. 6 9 u. f. und l i 7 u. f. Unter den „ E n t z ü n d u n g s - A u s g ä n g e n " kommen am Kniegelenk besonders häufig G e l e n k w a s s e r s u c h t und T u m o r a l b u s vor. Die K n i e g e l e n k s - W a s s e r s u c h t ist häufiger als Wassersucht irgend eines anderen Gelenkes. Wir haben deshalb bei der Beschreib u n g des Hydarthros (Bd. II., pag. 630) auf das Knie besonders Rücksicht genommen. Die Fluctuation ist immer deutlich und liegt entschieden hinter u n d zu den Seiten der Patella, im Gegensatz zum Hvgroma praepatellare, welches eine iluctuirende Geschwulst v o r der Patella darstellt. Die Patella scheint bei bedeutendem Erguss im Kniegelenk auf demselben gleichsam zn schwimmen. W e n n man sie etwas nach Hinten, gegen die Condylen des Femur, drückt, so wölben sich die Seitenhälften u n d der obere Recessus der Gelenkkapsel stärker. Lässt der Druck n a c h , so springt die Patella plötzlich wieder zwischen den zurückweichenden Ausbuchtungen der Gelenkkapsel hervor. — Die B e h a n d l u n g der Kniegelenks-Wassersucht durch Vesicantien, Aufpinseln von Jodtinctur und gleichmässige Compression ist meist erfolgreich aber langwierig. In manchen Fällen bedarf es einer Unterstützung durch innere antirheumatischc Mittel oder durch Eisenp r ä p a r a t e , je nach der Aetiologie des Uebels. Selten (obwohl doch

Entzündungen.

799

n o c h häufiger, als an anderen Gelenken) hat m a n zur s u b c u t a n e n E r ö f f n u n g und Entleerung des Gelenks mit einem spitzen Tenotom o d e r mit dem Probe-Troicart seine Zuflucht g e n o m m e n ; manchmal h a b e n sich auch nach dieser Operation Rccidive eingestellt, zu deren Verhütung V e l p e a u und B o n n e t Einspritzungen von Jodlösung empfohlen haben. Zu diesem, jedenfalls nicht ungefährlichen Mittel wird man nicht f r ü h e r greifen, als bis die milderen erschöpft sind. Unter letzteren dürften die „fliegenden Vesicantien" u n d die, alternirend mit diesen anzuwendende, gleichmässige Compression, sofern sie n u r consequent gehandhabt werden, selten im Stich lassen. Die verschiedenen Metboden der Compression werden bei der „Therapie des Tumor albus" s m Schlüsse dieses Capitels erläutert. — Als ein neues Verfahren zur s u b c u t a n e n E r ö f f n u n g des bydropischen Kniegelenks bat D e l i t s c h (Arcb. d. Heilt. X I ) die Zersprengung der Kapsel durch f o r c i r t e B e u g u n g empfohlen. Subcutan ist das gewiss, ob ganz ungefährlich und ob wirksam, muss die Erfahrung lehren. D i f f o r m i r e n d e G e l e n k - E n t z ü n d u n g tritt nicht selten mit Gelenkwassersucht combinirt im Kniegelenk auf, — ein hinreichender Grund gegen die Bezeichnung der letzteren als Arthritis sicca oder Arthroxcrosis. lieber die Combination von Gelenkwassersucht mit Gelenkmäusen und den Zusammenhang der letzten mit Arthritis def o n n a n s Bd. Ii. 6 2 2 u. f. E i t e r a n s a m m l u n g e n im Kniegelenk, sofern sie ohne erhebliche Structurveränderungen der Gelenkkapsel u n d ohne E r k r a n k u n g der Gelenk-Enden des Femur und der Tibia auftreten, können durch den Troicart mit günstigem Erfolge entleert werden. Der obere Rccessus ist u n t e r Erhebung einer Hautfalte leicht subcutan zu eröffnen. Füllt sich das Gelenk wiederholt mit Eiter, so handelt es sich w a h r scheinlich nicht um eine einfache Svnovitis, sondern um complicirtere Verhältnisse. T u m o r a l b u s genu. Gonarthrocace. Der sog. T u m o r a l b u s a r t i c u l i kommt nirgend häufiger vor, als am Kniegelenk. Dabei bleiben die knöchernen Gelenk-Enden oft lange Zeit vollkommen unversehrt oder erleiden doch n u r u n b e d e u tende V e r ä n d e r u n g e n , während die Synovial-Membran verdickt wird, die Gelenkzotten wuchern, das subsynoviale Bindegewebe sulzig infiltrirt wird und mit der gleichfalls verdickten Kapsel zusammen eine Art von sarcomomatösem Gewebe darstellt. Am Kniegelenk überwiegt bei der destruetiven Entzündung die Aflection der Gelenkbänder in eben dem Grade, wie am Hüftgelenk die Aifection der Knochen. Freilich darf m a n sich bei einem solchen allgemeinen Ausspruche nicht beruhigen, sondern muss in jedem einzelnen Falle durch genaue Unter-

800

Krankheiten des Kniegelenks und seiner Umgebungen.

suchung festzustellen sich bemühen, welche Gebilde und in welchem Grade sie erkrankt sind. Die Epiphysenlinien, welche h i e r , wie ü b e r a l l , zumal bei K i n d e r n , der häufigste Ausgangspunkt

der

Osteitis sind

(vgl. Bd. II.

pag. 5 4 0 ) ,

liegen

a n den Im Knie-

gelenk zusammenstossenden Gelenk-Enden zum geringsten Tbeil innerhalb der Synovialkapsel.

Die Entzündung schreitet deshalb von ihnen mindestens ebenso häufig

d e r Peripherie des Knochens, wie gegen das Gelenk bin

Periostitis und peripherischer Nekrose, als mit Gelenkentzündung. des Femur ist überdies eine

besondere Geneigtheit

nach

fort und endet häufiger mit Am unteren Ende

zu Entzündungen

an

der,

ganz

extracapsulär gelegenen, hinteren Flache bemerkenswerth.

In a e t i o l o g i s c h e r Beziehung lässt sich nichts weiter angeben, als, was wir in Betreff der Begründung der grossen Häufigkeit der Kniegclenks-Entztlndungen überhaupt hervorgehoben haben. Auch in Betreff der S y m p t o m e müssen wir grossentheils auf die allgemeine Beschreibung verweisen. Eine besondere Erläuterung erheischen nur einige unter den objectiven Symptomen. Die oft-sehr erhebliche G e s c h w u l s t , wclche das erkrankte Kniegelenk bildet, bietet während eines grossen Theils des meist höchst chronischen Krankheitsverlaufes ganz gewöhnlich eine Consistenz dar, welche dem untersuchenden Finger a u f s Täuschendste das Gefühl der F l u c t u a t i o n gewähren kann. Dies erklärt sich aus der sulzigen Infiltration des subsynovialen Bindegewebes und der fettreichen Ligg. alaria. Die Unterscheidung von einem wirklichen Erguss im Gelenk ist nicht schwierig, wenn man den Versuch macht, die Flüssigkeit aus der Umgebung der Patella durch Druck in den oberen Recessus und von da wieder zurückzutreiben. Dieser Versuch kann freilich durch die Schmerzliaftigkcit des Gelenkes sehr erschwert werden. Anderer Seits kann es auch vorkommen, dass während der entzündlichen Wucherung der Gelenkbänder innerhalb der Synovialkapsel ein ansehnliches Exsudat sich bildet und somit wirklich Fluctuation besteht. Mit der Schwellung zugleich erfahren die Gelenkbänder eine solche Auflockerung, dass die, nur durch sie in ihrer Lage erhaltenen Gelenk-Enden des Femur und der Tibia unter der Einwirkung des Muskelzuges mehr oder weniger erhebliche V e r s c h i e b u n g e n erleiden. Die erste Veränderung in der Stellung des Unterschenkels ist gewöhnlich die R o t a t i o n n a c h A u s s e n . Der Kranke liegt, sobald das Uebel sich zu einem höheren Grade entwickelt hat, fast ununterbrochen auf dem Rücken, mit ausgestrecktem Bein. Dabei sinkt die Fussspitze theils durch ihr eigenes Gewicht, theils unter dem Druck der Bettdecke sehr bald nach Aussen, und es entsteht auf diese Weise allmälig eine, dem Kranken empfindliche, Rotation iin Kniegelenk nach Aussen. Um den weiteren Fortschritten dcrsel-

Entzündungen.

801

b e n , namentlich der damit verknüpften schmerzhaften Zerrung im Kniegelenk vorzubeugen, legt sich der Kranke alsbald auf die leidende Seite mit gebeugtem Unterschenkel. Ueberdies wird die gebeugte Haltung durch die stärkere Füllung der Gelenkkapsel begünstigt'). Mit der Beugung des Unterschenkels entsteht zugleich die Neigung zur V e r s c h i e b u n g d e r C o n d y l c n d e r T i b i a a u f d i e h i n t e r e Seite des Femur. Die Anfangs willkürlich, dann auch krampfhaft gespannten Beugemuskeln des Unterschenkels gerathen allmälig in Contractur. Unter ihrem stetig wirkenden Zuge üben die Condylen der Tibia einen fortgesetzten Druck auf die hintere Seite der Condylen des Femur aus, so dass letztere an dieser Stelle abgeflacht und endlich gar ausgehöhlt werden, und der ganze Kopf der Tibia in eine pathologisch entwickelte Gelenkhöhle an der hinteren Seite des Femur geräth. Soll es aber bis zu diesem Grade der consecutiven Verschiebung kommen, so muss der Kranke sich auch wirklich ganz auf die leidende Seite gelegt haben. Dies ist nicht häufig der Fall; vielmehr wendet derselbe sich meist nur so weit nach Aussen, dass die äussere Seite des Tarsus und des unteren Drittels des Unterschenkels einerseits, sowie a n d e r e r s e i t s die Fläche der Hinterbacke und des oberen Drittels des Oberschenkels aufliegen, während das Knie und seine nächsten Umgebungen, nach Vorn und Aussen gewandt, das Lager nicht berühren. In dieser Stellung kann es niemals zu einem so hohen Grade der Beugung kommen; desto mehr wird das Lig. laterale externum gespannt und der, unter dem Zuge des kurzen Biccpskopfes zugleich nach Aussen rotirte Unterschenkel nach A u s s e n u n d H i n t e n gedrängt. Entweder kommt es nun wirklich zu einer Verschiebung (unvollständigen Verrenkung) in dieser Richtung, oder die äusseren Condylen des Femur und der Tibia werden doch unter fortgesetzter Zerrung des äusseren Seitenbandes immer weiter von einander gedrängt, die inneren Condylen gegen einander gepresst und durch den fortgesetzten Druck, zunächst Atrophie des inneren Meniscus, weiterhin aber auch der Condylen selbst bedingt, wenn dieselben auch Anfangs gar nicht an der Erkrankung betheiligt waren. Den entgegengesetzten Erfolg beobachtet man, wenn der Kranke sieh mehr auf die gesunde Seite legt und das kranke Knie also mehr nach Innen wendet. Hierbei ruht aber das Glied niemals blos auf der Ferse, sondern auf dem inneren Fuss' ) Die Angabe von B o n n e t ,

das

Füllung eine fast rechtwinklig Delitsch

Kniegelenk

nehme

im Zustande

gebeugte Stellung a n ,

ist

(Archiv d. Heilk. XI. pag. 4 3 3 u. f.), dahin

der

stärksten

nach Versuchen

von

zu berichtigen,

dass

dasselbe bei einer Beugung von 2 0 bis 30 Grad seine grösste Capacltät erreicht. B a r d e l e b e n , Chirurgie.

6 . Aufl.

IV.

51

802

Krankheiten des Kniegelenks and seiner Umgebungen.

rande, wodurch der Rotation des Unterschenkels, welche man sonst erwarten sollte, vorgebeugt wird. Relativ seltener findet man während der ganzen Dauer der Krankheit eine gestreckte Lage des Beins, wobei dann alle bisher erwähnten Verschiebungen weniger zu fürchten sind, und nur der hintere Theil der Kapsel einer bedeutenden Zerrung ausgesetzt ist. — Aus diesen verschiedenen Stellungen ergeben sich die c o n s e c u t i v e n (sog. s p o n t a n e n ) V e r r e n k u n g e n , welche im Verlauf der chronischen Kniegelenks-Entzündung sich entwickeln und nach deren Ablauf zurückbleiben können: 1) V e r r e n k u n g n a c h H i n t e n u n d A u s s e n m i t R o t a t i o n d e s U n t e r s c h e n k e l s n a c h A u s s e n , die häufigste Form. Die Condylen des Femur ragen nach Vorn und Innen hervor, der Condylus externus femoris bildet an der hinteren Seite einen Wulst, die Fussspitze ist nach Aussen gerichtet, die innere Fläche der Tibia mehr nach Vorn gewandt, die Kniescheibe steht auf dem Condylus externus, das Knie ist gebeugt und bildet den Scheitel eines bald nach Innen, bald nach Aussen offenen Winkels, in welchem Oberund Unterschenkel zusammenstossen. 2) V e r r e n k u n g n a c h H i n t e n . Das Bein ist gebeugt, die Condylen des Femur ragen vorn hervor. Unter ihnen ist eine Vertiefung, entsprechend der Verschiebung der Tibia nach Hinten. Die Kniescheibe ist der Tibia gefolgt und steht daher nicht v o r , sondern u n t e r den Condylen der Tibia. Der Kopf der Tibia kann in der Kniekehle wegen der dicken Muskelschicht, welche ihn daselbst bedeckt, nicht sicher erkannt werden. Die Difformität tritt desto stärker hervor, je mehr das Bein gestreckt ist; sie ist nicht besonders auffallend, wenn der Unterschenkel, wie gewöhnlich, in starker Beugung steht. Statt diese L u x a t i o n , n i e wir es eben getban h a b e n , aus der Lagerung des Kranken abzuleiten, hat man sie f r ü h e r ausschliesslich lichen Zuge

der Beugemuskeln zu erklären

namentlich die Gastrocnemii

eine grosse

einmal

gegeben

u n d sind die

unter d e n e n ,

Bolle spielen sollen.

deren Wirkung gar nicht zur Geltung kommen die gestreckte Stellung beibehielte.

aus d e m , allerdings s e h r wesent-

gesucht,

können,

nach

Velpeau,

Unzweifelhaft würde

wenn der Kranke absichtlich

Hat er aber die gebeugte Stellung seinem Beine

Bengemuskeln

demnächst

in Contractur g e r a t h e n ,

so

k a n n ein Versuch, die gestreckte Stellung des Beins mit Gewalt wieder h e r b e i z u f ü h r e n die Verrenkung veranlassen oder doch vervollständigen, indem der D r e b p u u k t des Gelenkes dann nicht durch die Insertionen

d e r S e i t e n b ä n d e r , sondern

durch diejenige

der Bengemuskeln bestimmt w i r d , mitbin j e d e r Zug oder D r u c k , der den Unterschenkel strecken (den Fuss nach Vorn

bringen)

soll,

nach

den Gesetzten

des

zweiarmigen

H e b e l s , den Kopf der Tibia nach Hinten treibt.

3) V e r r e n k u n g d e r T i b i a n a c h V o r n , die seltenste Form. A. C o o p e r beschreibt einen veralteten Fall, wie folgt. „Der Unterschenkel stand an der vorderen Seite des Schenkels und zwar

Flntziindungcn.

803

rechtwinklig gegen denselben (hyperexlendirt), was dem Bein eine höchst absonderliche Gestalt gab. Wenn der Kranke mit Krücken ging, so fiel die Planta pedis dein Beobachter zunächst in die Augen. Die Kniescheibe war mit (lein Femur knöchern vcrwachseri, die Tibia in gleicher Weise an die vorderen Flächen der Condylen des Femur angelöthet." A. C o o p c r leitet diese Verrenkung aus einer spastischen Verkürzung der Streckmuskeln des Unterschenkels a b ; vou ebenso grosser Bedeutung sind aber w o h l : gestreckte Haltung der Extremität und vorwiegende Zerstörung der Gelenkbänder an der vorderen Seile. In manchen Fällen fehlt Dislocation ganz, oder fast ganz. Dagegen bleibt auch im günstigen Falle U n b e w e g l i c h k c i t des Kniegelenks zurück, bald in gcslrcckler, bald in gebeugter Stellung. Je stärker die Beugung, desto weniger brauchbar ist die Extremität. Ein leichter "Grad der Beugung ist günstiger, als vollständige Extension, weil durch letztere die Extremität für den Aet des Vorwärtsschreitens zu lang wird. Wenn wir mit dem einen Fuss vorwärts geschritten sind und wollen nun für den zweiten Schritt die jetzt hinten stehende Extremität vor die erstere bringen, so müssen wir eine kleine Beugung im Kniegelenk eintreten lassen, weil die Fusssohle sonst bei der auszuführenden Pendelschwingung den Boden berühren und streifen würde. Ist die Beugung im Kniegelenk unmöglich, so muss entweder der Rumpf ganz nach der entgegengesetzten Seite geneigt (das Becken auf der gesunden Seite gesenkt) werden, oder die kranke Extremität muss, statt gerade vorwärts, in einem Bogen über den Boden hinstreifen, oder endlich beide Bewegungen müssen mit einander eombinirt werden, um den Schritt zur Ausführung zu bringen. — Bei höheren Graden der permanenten Beugung des Kniegelenks kann nur mit Hülfe eines Slelzfusses, -wie nach Amputatio cruris, aufgetreten werden. W e l c h e r A r t d i e G e l e n k s t e i f i g k e i l sei, liisst sich gerade im Kniegelenk verhältnissmässig leicht ermitteln, lieber die Beweglichkeit der Patella kann man direel ein bestimmtes Urtheil gewinnen, und über die Frage, oh Muskeleontraetur der wesentliche Grund sei oder nicht, entscheidet die Untersuchung in der Chloroform-Narkose. Während der letzteren werden narbige Verkürzungen und fibröse Verwachsungen im Gelenk verhältnissmässig leicht überwunden, während eine knöcherne Verwachsung der Condylen auch sehr bedeutender Gewalt meist nicht weicht. Bei grösserer Heftigkeit und längerer Vernachlässigung setzt sich •lie Erkrankung auf die G e l e n k - E n d e n d e r K n o c h e n fort; in 51*

Krankheiten des Kniegelenks und seiner Umgebungen.

804

selteneren Fällen beginnt sie von ilinen als sog. Knochentuberkulose, oder ist auch wohl das Resultat einer wirklichen Tuberkelbildung in der spongiösen Substanz oder auf den Gelenkflächen (wie ich einmal gesehen habe). Die Hartnäckigkeit des Uebels, relativ grosse Schmerzhaftigkeit und Functionsstörung bei wenig entwickelter Schwellung, ungleichmässige Geschwulst, namentlich in der Gegend einzelner Condylen, begründen, zumal bei scrophulösen Individuen, den Verdacht, dass die Knochen primär ergriffen seien; jedoch ist eine vollkommen sichere Diagnose nicht eher möglich, als bis Aufbruch nach Aussen erfolgt und die kranken Knochentheile dein Finger oder der Sonde zugängig werden. A u f b r u c h kommt aber auch vor, ehe noch eins der knöchernen Gelenk-Enden merklich erkrankt ist. Die Perforation der Gelenkkapsel erfolgt am Häufigsten an der oberen inneren Seite; der Eiter ergiesst sich dann zwischen Muskeln und Femur und kann bis zum oberen Drittheile des Schenkels aufwärts und nach Hinten bis zur Linea aspera sich verbreiten. Meist durchbricht er die Muskeln in der Mitte des Oberschenkels und bildet dann einen (hier scheinbar aufwärts gestiegenen) Senkungs-Abscess, der endlich an der inneren Seite, wo Haut und Fascie die geringste Dicke besitzen, zum Aufbruch nach Aussen kommt. Die Kapsel kann auch im unteren Umfange zu den Seiten des Lig. patellae durchbrachen werden. Meist senkt sich dann der Eiter hinter der Aponeurose auch noch eine bedeutende Strecke und kommt erst in mehr oder weniger grosser Entfernung vom Knie zum Vorschein. Endlich kann der Durchbruch auch im hinteren Umfange der Kapsel stattfinden, gewöhnlich mehr nach Aussen, so dass der Eiter durch die Ursprünge des äusseren Kopfes des Gastrocnemius und des Plantaris verhindert wird, sich weiter nach Oben zu verbreiten. Er steigt dann in der Tiefe der Wade, zwischen Gastrocnemius und Soleus, abwärts, bis zu der Stelle, wo diese Muskeln in ihre gemeinsame Sehne Ubergehen. Dort angehalten, weicht er zur Seite aus und durchbricht dann erst die Fascia cruris und die Haut. Grade am beobachtet

Kniegelenk

worden,

ergossene Eiter dort bildete.

ist

der

sehr

seltene

Fall

niederholt

dass der aus der perforirten Gelenkkapsel resorbirt w u r d e ,

während die

(auch

unter

von

mir)

die Muskeln

Gelenkentzündung sich

zurück-

Vgl. Bd. II. pag. 6 1 9 .

In Betreff des weiteren V e r l a u f s n a c h d e m A u f b r u c h und in Betreff der P r o g n o s e haben wir auf die allgemeine Beschreibung (Bd. II, pag. 619 u. f.) zu verweisen. Die grosse Ausdehnung des Gelenkes und der zu ihm gehörigen Knochen steigert die Gefahren der Gelenk- und Knochen-Eiterung, namentlich nach erfolgtem Auf-

Entzündungen.

805

b r u c h , zu einer fast immer lebensgefährlichen Höhe. Bei acutem Verlauf erliegt der Patient meist dem Fieber (der Pyämie); bei m e h r lentescirendem Gange der Krankheit droht amyloide Degeneration u n d besonders Tuberculose innerer Organe (vgl. Bd. I. pag. 593). ^ u c h im günstigsten Fall ist die Function des Gliedes dauernd gefährdet. Namentlich wird, wenn durch pathologische Veränderungen innerhalb der Gelenkkapsel Gelenksteifigkeit eingetreten ist, die Beweglichkeit des Kniegelenks niemals wieder hergestellt. In vielen Fallen äussert die andauernd ruhige Lage, zu welcher das locale Uebel den Kranken zwingt, einen sehr nachtheiligen Einfluss auf seine ganze Ernährung, zumal die Mehrzahl solcher Erkrankungen in» kindlichen Alter vorkommt. Behandlung. Neben einer, der etwa bestehenden Diathese angemessenen, jedenfalls auf Verbesserung der gesammten E r n ä h r u n g abzielenden diätetischen und medicamentösen, inneren Behandlung kommen vorzüglich unbewegliche Feststellung des Gelenkes, Eis, Blutegel, weiterhin, sofern es die Schmerzhaftigkeit erlaubt, auch gleichniässige Compression, endlich, wenngleich mit geringerer Wirksamkeit, Blasenpflaster und Aufpinseln von Jodtinctur zur Anwendung. Tiefer eingreifende Cauterien, Fontanellen und Haarseile leisten gerade am Kniegelenk sehr wenig und werden besser ganz vermieden, weil die durch sie erregte Reizung sich bei der unmittelbaren Nähe der Gelenkkapsel leicht auch auf diese erstrecken könnte. Um Unbeweglichkeit des Kniegelenks zu erzielen, bedient man sich am Besten der Gyps-, Kleister- und Gutta-Percha-Verbände. Ist bereits Verkrümmung im Kniegelenk eingetreten, so muss man vor dem Anlegen des immobilisirenden Verbandes die Streckung herbeizuführen s u c h e n , da ein gewisser Grad von Steifigkeit doch voraussichtlich zurückbleibt u n d ein in gekrümmter Stellung steifes Knie Unbrauchbarkeit des Beins bedingt. Sind die Entzündungserscheinungen nicht allzu heftig, so bewirkt man die Streckung in der Chloroformnarkose auf ein Mal und legt dann sofort einen Gypsverband a n ; anderen Falls m u s s man den langwierigeren Weg der p e r m a n e n t e n E x t e n s i o n einschlagen. Da ein vollkommen gestrecktes steifes Knie beim Gehen hinderlicher ist, als ein ; ganz schwach gebeugtes (vgl. pag. 803), empfiehlt es sich, die Streckung immer nur bis zu einer Winkelstellung von etwa 5 bis 10 Grad zu treiben. . C o m p r e s s i o n wird am Besten durch Gummibinden bewirkt, mit denen man das Knie in Form einer Testudo so fest, als es irgend ertragen wird, umwickelt, während die Extremität von Unten auf mit einer Flanellbinde k u n s t gerecht eingewickelt wird.

806

Krankheiten des Kniegelenks und seiner Umgebungen. Die von vielen Autoren

alter u n d n e u e r Zeit empfohlenen

Einnickelungen mit

verschiedenen K l e b e p f l a s t e r n haben vor gut angelegten Binden dass sie etwas länger in der gewünschten Lage bleiben Decke bilden. übertroffen.

In letzterer

nur

den Vortheil,

und zugleich eine inperspirable

Beziehung werden sie von den Gummibinden bei Weitem

Vielleicht lässt sich

ein Theil d e r guten Wirkung der

letzteren

gerade

aus dem Umstände e r k l ä r e n , dass sie eine vollkommen luftdichte Decke darstellen

und

durch diese Verhinderung der Hautperspiration die Möglichkeit der Resorption starrerer Exsudate herbeiführen.

Wir meinen hier natürlich n u r die aus dünnen

geschnittenen, nicht die aus die p e r m a n e n t e

übersponnenen

Extension,

Gummifäden gewebten

welche in der

Enden mit der Immobilisation

zu verbinden,

worden i s t ,

Untersuchungen

wirkt,

Compressionsverband,

nach

den

Gummiplatten

Binden. — Auch

Absicht, D i s t r a c t i o n wie bei anderen von

der Gelenk-

Gelenken,

angewandt

C. I l u e t c r (I. c. pag. 5 1 8 )

indem die Haut der Gelenkgcgend

als

durch den Zug der auf den

Unterschenkel geklebten lleftpllasterstreifen erheblich gespannt

wird.

Man

kann die-

selbe mit der Compression durch Binden abwechseln lassen oder auch combiniren.

Wenn der Aufbruch des Gelenkes erfolgt ist, so gewähren grosse Incisionen nicht Mos den Vortheil, dass der weiteren Zerstörung von Weichtheilen in der Umgebung des Gelenkes vorgebeugt wird; sondern sie tragen auch wesentlich bei zur Verhütung der Stagnation und Zersetzung des Eiters in der Tiefe des Gliedes. Dennoch sind auch bei ihrer Anwendung die Gefahren der Gelenk-Eiterung immer noch so gross, d a s s m a u f r ü h e r n i c h t a n s t a n d , j e d e E i t e r u n g im K n i e g e l e n k a l s e i n e I n d i c a t i o n z u r A m p u t a t i o f e m o r i s zu b e t r a c h t e n . Dass diese Auffassung nicht berechtigt war, haben die Erfahrungen der letzten Jahrzehnte bestimmt erwiesen. Die fortgesetzte Anwendung • i i x i r e n d e r V e r b ä n d e , A b l e i t u n g s m i t t c l , u n d d i e f r ü h z e i t i g e E n t l e e r u n g d e s E i t e r s aus dem Gelenk durch subcutane Functionen oder Incisionen können selbst bei weit vorgeschrittenem Tumor albus noch einen günstigen Erfolg haben. Auch wenn der Aufbruch schon erfolgt ist, hat man das Bein nicht immer verloren zu geben. Zu den schon genannten Mitteln kommen dann antiseptische Verbände, besonders aber reinigende und desinficirende Vollbäder von täglich mehrstündiger Dauer als eine Uberaus "wichtige Ergänzung hinzu. Gelingt es auf diese Weise nicht bald, die Eiterung zu beschränken und zu verbessern, dauert das Fieber an oder steigert sich gar unter steligem Sinken der Kräfte, so darf mit der Amputation nicht länger gesäumt werden, lu einer ziemlich grossen Reihe von Fällen hat man noch auf diesem Stadium der Amputatio femoris die R e s e c l i o g e n u mit gutem Erfolge substituirt, und namentlich bei Kranken, welche die Amputation verweigern, ist man gewiss dazu berechtigt. Bei Weitem günstigere Erfolge würde die Kniegelenksresection freilich aufzuweisen haben, wenn man sie (wie dies in England geschieht) schon vor dem Aufbruch des Gelenkes oder gar

Neubildungen.

807

vor dem Beginn der Eiterung ausführte; aber auf diesen früheren Stadien gelingt auch ohne Rescction die Heilung noch so häufig, dass es fraglich bleibt, oh an dem therapeutischen Gesammtresultat durch Einführung der Friih-Rcsection etwas geändert werden würde. Jedenfalls setzt die Resection des Kniegelenks, wegen der grossen und langdauernden Eiterung, welche ihr folgt, noch ein erhebliches Maass von Kräften voraus; bei Kranken, welche durch heftiges Fieber sehr entkräftet sind, ist immer nur von der Amputation Heil zu erwarten. Wir werden hierauf im 5. Capitel zurückkommen.

D r i t t e s Caititel.

N e u b i l d u n g e n . Die Mehrzahl der Geschwülste, welche in der Kniegegend vorkommen, beruht nicht auf eigentlichen Neubildungen, sondern auf entzündlichen Wucherungen der daselbst gelegenen Organe. Im weiteren Sinne könnten aber allerdings nicht blos die früher erwähnten H y g r o m c , sondern auch die Fülle von T u m o r a l b u s (mögen sie auf Tuberkulose beruhen oder nicht) hierher gezogen werden. Weiterhin sind die A n e u r y s m e n der Kniekehle und die v o n d e n G e l e n k - E n d e n a u s g e h e n d e n G e s c h w ü l s t e zu erwähnen. Dass von letzteren, namentlich vom Condylus internus feinoris, vorzugsweise häufig bösartige Geschwülste ihren Ausgang nehmen, wurde schon früher erwähnt. Uebrigens kommen in den das Knie umgebenden Weichtheilen Neubildungen aller Art, namentlich auch Fibrome (sogen. Molluscum), cavernöse und erectile Geschwülste, Neurome u. dgl. m. vor. Sehr selten scheinen hier die eigentlichen Balggeschwülste zu sein. Man dürfte namentlich bei C y s t e n in d e r K n i e k e h l e , welche sich als solche durch rundliche Gestalt, gleichmäissiges Wachsthum, prall-elastische Consistenz zu erkennen geben, wohl immer berechtigt sein, einen Zusammenhang, entweder mit einem Schleimbeutel (einer Sehnenscheide, vgl. pag. 788), oder mit der Gelenkkapsel anzunehmen, Hieran wird man zu denken haben, bevor man sich zur Exstirpation einer solchen Cyste entschliesst. Ueber Cysten der Art vgl. F o u c h e r , Memoire s u r les kystes de la région poplite'e. Moniteur des hôpitaux 1 8 5 0 , No. 1 4 9 . nach

seinen U n t e r s u c h u n g e n ,

häufiger

Die seitlichen Cysten d e r Kniekehle scheinen, mit S c h l e i m b e u t e l n ,

besonders

mit dem am

inneren Kopfe des Gastrocnemius gelegenen, die mittleren dagegen gewöhnlich mit d e r Gelenkkapsel (als Ausstülpungen derselben)

zusammenzuhängen.

808

Krankheiten des Kniegelenks und seiner Umgebungen. Ich h a b e selbst n u r zwei Mal Balggeschwülste der letzteren

kehle eistirpirt. Knaben.

Art aus der Knie-

Das eine Mal fand ich eine solche bei einem zehnjährigen kräftigen

Dieselbe hatte die Grösse einer starken Wallnuss und liess sich aus dem

umgebenden Bindegewebe, in welchem s i e , nach der vorher erkannten

Beweglichkeit

zu a r t b e ü e o , n u r ganz lose eingebettet sein k o n n t e , leicht ausschalen, aber ein Stiel von d e r Dicke eines starken

Gänsekiels setzte sich von ihrer vorderen Fliehe durch

eine Lücke der Fascie in der Richtung gegen die Mitte der hinteren Wand der Gelenkkapsel weiter fort.

Bei der Durchschneidung desselben (denn ihn weiter zu verfolgen,

wäre zwar wohl i n t e r e s s a n t , aber nicht rätblich gewesen) quoll eine d ü n n e , gelbliche Gallerte

hervor,

welche auch

den Inhalt

der Geschwulst

ausmachte.

Durch einen

kräftigen, auf die Kniekehle angebrachten, Druck liess sich aus dem zurückgebliebenen Theile des Stiels noch etwas mehr

von

dieser Gallerte,

d ü n n e , klebrige, der Synovia ähnliche Flüssigkeit entleeren. und mit einem leichten Druckverbande versehen. zehn T a g e n , zum grössten Theil per priraam. rend der ersten acht Tage

noch etwas

demnächst

aber

nur

eine

Die Wunde wurde genäht

Die Heilung erfolgte innerhalb vier-

Aus der Mitte der Wunde sickerte wäh-

von der beschriebenen

Flüssigkeit

aus.

Ich

habe wegen dieses höchst günstigen Verlaufes eher an einen Zusammenhang mit einer Sehnenscheide (vielleicht des Semitendinosus), als an Cominunication mit der Gelenkkapsel geglaubt.

Der zweite Fall (bei einem fünfjährigen Knaben) endete in Folge der

am 3 t e n Tage aufgetretenen Kniegelenk-Entzündung mit dem T o d e , operative Eingriff verweigert wurde.

da jeder weitere

Vgl. H e i n e k e I. c. pag. 2 9 .

Alle irgend zweifelhaften Geschwülste der Kniegegend (nicht blos der Kniekehle) muss man sorgfältig a u s c u l t i r c n , um vor gefährlichen Verwechselungen sicher zu sein. Das A n e u r y s m a p o p l i t e u m sowohl, als die von den Condylen ausgehenden N e u b i l d u n g e n bedingen häufig eine solche Reizung der Gelenkkapsel, dass ein Erguss in ihr entsteht (consecutiver Hydarthros). Dieser kann bei ungenauer Untersuchung für die wesentliche Erkrankung genommen werden. Pulsirende Geschwülste der Kniekehle sind aber nicht immer Aneurysmen, wie wir dies schon Bd. II., pag. 2 2 8 und 5 9 3 u. f. erläutert haben. Die von den Condylen des Kniegelenks ausgehenden Tumoren sind fast immer von so grossen Arterien durchsetzt, dass schwirrende, sausende und blasende Geräusche synchronisch mit dem Arterienpuls in ihnen zu hören sind. Dieselben werden, ganz wie die Geräusche in einem Aneurysma, durch Compression der Arteria femoralis unterbrochen und erlöschen für längere Zeit, wenn man die Art. femoralis unterbindet, wodurch übrigens der weiteren Entw i c k l u n g der Geschwulst nur vorübergehend Einhalt geboten wird. Dass die Unterscheidung des Knochen-Aneurysma von einem gefässreichen Carcinom unmöglich ist, ergab sich schon Bd. II. pag. 5 9 4 ; aber auch dem gewöhnlichen Aneurysma popliteum kann ein gefässreicher Tumor, wenn er sich vorwiegend gegen die Kniekehle hin entwickelt hat, täuschend ähnlich sein.

Missbildungen u n d Formfehler.

809

Viertes Capltel.

Missbildungen und Formfehler. Angeborne und

Verrenkungen

im

Kniegelenk

betreffen meist nur die K n i e s c h e i b e .

n u r unvollständig

sind

Auch

(fast immer n a c h Aussen)

sehr

selten

diese fand

verrenkt,

man

zugleich

mit

e i n e r fehlerhaften Stellung des g a n z e n Unterschenkels, namentlich d e m Genu

valgum

Tibia

waren

(siehe unten).

gleichfalls

Angeborne

immer

Verrenkungen

incomplet.

Man

der

beschreibt solche

n a c h V o r n und n a c h H i n t e n .

Bei der ersteren bildet d e r Unter-

schenkel

einen

mit

Condylen

dem

Oberschenkel

der Tibia

sind

auf

denen

vorn

offenen

des F c m u r

Winkel,

nach

Vorn

die

hinauf

geglitten und die letzteren bilden einen V o r s p r u n g in der K n i e k e h l e ; die V e r s c h i e b u n g kann einen solchen Grad erreichen, dass die F u s s spitze

den

Bauch

befindet sich ist

hinten

berührt.

Bei

der Unterschenkel

emporgeglitten,

v o r d e r e n Seite stark

der

Subluxation

die Condylen

hervor.

nach

Hinten

in permanenter B e u g u n g , des

Femur

Solche angeborne

die T i b i a

ragen

an

Subluxationen

der sind

a u f beiden Seiten z u g l e i c h beobachtet w o r d e n . Viel häufiger

sind die als G e n u

bekannten, s e i t l i c h e n Genu valgum

valgum

Verbiegungen

s. i n t r o r s u m ,

und

Genu

varum

im Kniegelenk.

Knickbein,

X-Bein,

heisst

die seitliche B i e g u n g des Beins im Kniegelenk, welche eine A b d u c t i o n des

Unterschenkels

darstellt,

so

dass

das

Bein

seine

(eigentlich den offenen Winkel) n a c h Aussen wendet. springt

stumpfwinklig

nach Innen

hervor.

Wenn

Concavität

Das Kniegelenk beide B e i n e

an

dieser Difformität leiden, so b e r ü h r e n die Kniegelenke sich mit ihren inneren Flächen.

Leidet nur ein Knie, so bestrebt sich der

das a n d e r e Bein möglichst weit nach Aussen zu bringen. K n i e g e b e u g t , so nimmt der Unterschenkel

Patient,

Wird

die v o l l k o m m e n

das

normale

S t e l l u n g z u m O b e r s c h e n k e l an, die Difformität verschwindet

gänzlich.

Bei h ö h e r e n Graden des Genu v a l g u m erfolgt in gestreckter

Stellung

des B e i n s eine Iiyperextension

(so

dass das Knie einen

nach Vorn

offenen W i n k e l bildet) u n d Rotation des Unterschenkels n a c h A u s s e n , wobei auch

die Patella

weiter nach A u s s e n

Patella). — Der wesentlichste a n a t o m i s c h e

rückt

(Subluxation

B e f u n d ist die

der

Höhen-

differenz d e r Condylen des F e m u r : der C o n d y l u s internus r a g t tiefer abwärts,

als

der

externus.

Centimeter z u b e t r a g e n ,

Diese Differenz

um an d e m

braucht

noch

keinen

langen Hebelarm, w e l c h e n

der

Unterschenkel darstellt, schon einen bedeutenden Ausschlag z u geben.

810

Krankheiten des Kniegelenks und seiner Umgebungen.

Seltener findet sich der entgegengesetzte Zustand, das sog. S ä b e l b e i n , G e n u v a r u m s. e x t r o r s u m , wobei die Kniegelenke eine seitliche Biegung nach Innen erfahren haben, so dass beide Beine mit einander ein Oval umschreiben (sog. O-Beine). Höchst selten findet sich diese Verbiegung an einem Beine allein oder mit Genu valgum des anderen gepaart Bei allen seitlichen Verbiegungen und nach auch der Fuss von seiner Kranke tritt dann beim G e n u v a l g u m G e n u v a r u m mehr mit dem äusseren

im Kniegelenk weicht nach normalen Richtung ab. Der mehr mit dem inneren, beim Fussrande auf.

Beide Difformitäten entwickeln sich in der Jugend und zwar G e n u v a r u m meist in den ersten Lebensjahren, G e n u v a l g u m vorzugsweise um die Jahre der Pubertät, bei schwächlichen Individuen, von denen man dann auch behauptet, sie hätten besonders zu schwache Gelenkbänder. Zuweilen ist die Veranlassung, namentlich bei G e n u v a r u m , in einer rachitischen Erkrankung der Gelenk-Enden zu suchen. Jedenfalls liegt der Grund der Verkrümmung bei letzterem nicht, wie beim Genu valgum, in einer Veränderung innerhalb der Gelenkkapsel, sondern in einer fehlerhaften Richtung des Caput tibiae, in manchen Fällen auch in einer Verbiegung des Schaftes der Tibia (welche im Kindesalter beim weiteren Wachsthum verschwinden kann). — Die wesentliche Ursache für G e n u v a l g u m ist wohl imnrer zu frühzeitige, im Verhältniss zur Entwickelung (Festigkeit) der Knochen, übermässige Anstrengung durch zu vieles Laufen, andauerndes Stehen, Heben und Tragen schwerer Lasten, wie dies namentlich bei Bäckern, Fleischern, Schmieden, Schlossern während der Lehrzeit vorkommt. Daher auch „Bäckerbein." Die B e h a n d l u n g muss zunächst darauf ausgehen, die eben erwähnten ätiologischen Momente zu beseitigen, namentlich also die ganze Ernährung zu verbessern und den unteren Extremitäten Ruhe zu verschaffen. Demnächst handelt es sich um eine schwierige Orthopädie, durch welche auch im günstigsten Falle doch nur eine solche Besserung des Uebels erreicht wird, dass der Patient mit Hülfe eines fortdauernd zu tragenden Apparates die gerade Richtung des Beines zu bewahren vermag. Um die gerade Stellung des Beines herbeizuführen, wird am Einfachsten eine feste gerade Schiene von der Länge des ganzen Beines angewandt, welche man auf die concave Seite der Ausbiegung legt und gegen welche man sowohl den Ober- als den Unterschenkel durch gegypste Binden möglichst genau befestigt, nachdem in tiefer Chloroformbetäubung durch einen starken Zug mit einein um die nach Innen vorspringende Convexität

811

Missbildungen und Formfehler.

des Knies gelegten Tuche die richtige Stellung des Beins bewirkt i s t ; das Tuch selbst wird gleichfalls an der Schiene befestigt. Ein solcher Verband kann natürlich nur durch einen lange dauernden starken Druck wirken, welcher seiner Seits die Gefahren des Druckbrandes mit sich führt. Starke Polsterung der Schiene und der inneren Seite des Knie's kann diesen Uebelstand wohl vermindern, aber doch nicht immer ganz abwenden. Jedenfalls gewährt die gewaltsame Umbiegung in der Chloroform-Narkose eine grosse Erleichterung für die weitere orthopädische Behandlung. — Man kann auch besondere, durch Schrauben und Schnallen wirkende, gleichfalls gut zu polsternde Maschinen anwenden. Sie gewähren den Vortheil, dass der Kranke damit umhergehen kann. Bei geringeren Graden des Uebels oder bereits crheblich vorgeschrittener Besserung, genügt eine, im Kniegelenk Beugung und Streckung gestattende Blecbkapsel, die theils durch die Stärke ihres Chamiers, theils durch eine (bei G e n u v a l g u m ) an der Aussenseite angebrachte Feder den Unterschenkel desto mehr gerade richtet, je mehr er gestreckt wird. Einen solchen Apparat kann man sehr bequem an die im Kniegelenk rechtwinklig gebeugte Extremität anlegen, da in dieser Stellung die Difformität ganz verschwindet. Sobald der Kranke das Bein streckt, beginnt der Apparat zu wirken. Die häufigste aller Difformitäten im Kniegelenk ist die a n k y l o t i s c h c V e r k r ü m m u n g , meist combinirt mit den verschiedenen Arten und Graden der c o n s e c u t i v e n V e r r e n k u n g , welche wir bei Beschreibung der Kniegelenks-Entzündung (pag. 802 u. f.) erläutert haben. Dort wurden auch Diagnose (namentlich die Unterscheidung zwischen Contractur und Ankylose) und Prognose dieser Folgezustände der Gelenk-Entzündung bereits erörtert. Wir heben hier nur nochmals hervor, dass die Beweglichkeit im Kniegelenk, wenn wirklich Ankylose besteht, niemals wieder hergestellt werden kann. Gegen eine in gestreckter Stellung erfolgte Ankylose wird daher auch nichts zu unternehmen sein, wenn man nicht etwa den gefährlichen Versuch machen will, mit Hülfe der Resection ein künstliches Gelenk herzustellen, welches schliesslich für die Brauchbarkeit der Extremität doch keinen Vortheil gewährt. Besonders deutlich lässt sich im Kniegelenk nachweisen, wie nach langer Ruhe in einer bestimmten Stellung die in derselben

von Druck

frei bleibenden Theile d e r

KnorpelQächen von einer pannösen Wucherung überzogen « e r d e n , welche es lich unmöglich

nacht,

irgend

eine Bewegung

im Kniegelenk

auszuführen.

schliessVgl. C.

H u e t e r , I. c. pag. 5 1 1 .

Die B e h a n d l u n g von C o n t r a c t u r u n d A n k y l o s e im Knie-

812

Krankheiten des Kniegelenks und seiner Umgebungen.

gelenk ist nach den Bd. II. pag. 643 u. flg. und pag. 882 u. flg. im Allgemeinen aufgestellten Principien einzurichten. Die T e n o t o m i e (Durchschneidung der Sehnen des Semitendinosus, Semimembranosus und Biceps) vermag gär nichts gegen Ankylose und ist, da man in neuerer Zeit in der Chloroform-Narkose ein bequemeres Mittel gefunden hat, um die Dehnung der in Contractur befindlichen Muskeln möglich zu machen, in den letzten Jahren Uberhaupt nur noch höchst selten und auch früher immer nur als Vorbereitungsmittel für die weitere orthopädische Behandlung vorgenommen worden. Die ausgedehnteste Anwendung t o n der zuerst durch S t r o m e y e r gegebenen subcutanen

Durchschneidung hat

sebneidung der Sehnen

und Muskeln.

( 1 8 3 8 ) an-

wohl D i e f f e n b a c h (Ueber die

Berlin

1 8 4 1 , pag. 2 4 7 )

selbst schon die gewaltsame Streckung des Gliedes häufig

gemacht,

hinzufügte.

Durch-

der

Er

aber

beschreibt

sein Verfahren wie folgt: „Ich nahm die Durchschneidung der Beuger bald von einem, bald von zwei, bald von drei Einslichspunkten

aus vor, wobei der Kranke auf dem

Banche l a g , und

den

das

gekrümmte

Knie

über

Wahrend durch Anziehen des Gliedes die Sehnen

Rand

eines

Tisches hervorragte.

stark ausgespannt

schnitt ich dieselben mit einem kleinen sichelförmigen Sehnenmesser. dabei möglichst gerade gebogen,

die Wunden mit

wurden,

durch-

Das Glied wurde

IleftpQaster b e d e c k t , ein

Bausch

Charpie in die Kniekehle gelegt, und dem Gliede durch Pappe und Binden eine Unterstützung

gegeben:"

Genauer

erläutert

Dieffenbach

(Operative Chirurgie, Bd. I. pag. 8 0 7 u. f.). einem mit einer dicken

Matratze bedeckten

Rand des Tisches reichen.

Bis zu diesem

liegt mit dem Bauch auf

T i s c h ; letztere m u s s genau Tunkt wird das gekrümmte

r ü c k t , so dass die Kniescheibe gerade auf der das Bein gerade aufwärts gerichtet ist.

Streckungs:Methode

seine

„ D e r Kranke

bis a n Glied

den

vorge-

Kante der festen Matratze liegt und

Während ein Assistent den gekrümmten Unter-

schenkel in der Gegend des Fussgelenks umfasst und die Sehnen im Knie durch Anziehen a n s p a n n t , umfasst ein Anderer den gesunden Unterschenkel und zieht ihn etwas nach a u s s e n ,

damit

er nicht im

Wege

sei;

mehrere

andere

Geholfen,

welche

an

beiden Seiten des Tisches s t e h e n , halten den Kranken, besonders aber haben sie das G e s c h ä f t , das Becken zu

fixiren.

Man hebt nun eine Hautfalte über der am meisten

gespannten und hervorragenden Sehne in die H ö h e ,

bald ist es der Biceps

ä u s s e r e n , bald der Semitendlnosu9 und Semimembranosus mit dem Messer unter der Ilautfalte und

über

an

der

an der inneren Seile, geht

der Sehne

fort und

durchschneidet

dieselben von aussen nach innen in leisem Zurückziehen des Messers, wobei m a n mit den linken Fingern von aussen zugleich auf die Haut Messerrücken

drückt.

Ein

Zoll

oberhalb

des

und den u n t e r ihr befindlichen

Winkels

zwischen Ober- und Unter-

schenkel ist gewöhnlich der P u n k t , wo die Durchschneidung am leichtesten geschieht. Das Durchschneiden der Sehnen von innen

nach aussen ist in

der Kniebeuge nicht

zu empfehlen, wenigstens habe ich die Trennung von aussen nach innen leichter und gefahrloser gefunden.

Der Unterschenkel

an einem andern Punkt eingesenkt und naeblässt.

wird jetzt

stärker angezogen,

das

Messer

damit fortgefahren, bis die S p a n n u n g

mehr

Man schlingt jetzt ein Handtuch mit seiner Mitte u m das Kniegelenk, lügst

die Assistenten

von beiden

Siiten

anziehen,

um das Zerreissen

der H a u t

und den

Blutaustritt zu verhindern, übernimmt den Unterschenkel selbst und biegt und streckt

813

Missbildungen und Formfehler. ibo abwechselnd, lösen.

um dadurch

Bei einem

hohen

die secundären

Grade

von

Verwachsungen

Rigidität

erlangt

man

in der Umgegend besonders dadurch

baldiges Nachgeben, dass man das Glied nach der Flexionsseite so stark d a s s die falschen Verbindungen Bei möglichster Streckung

sich lösen,

werden

Gracilis, oder des Sartorius an

dann kann man

noch etwaige

Spannungen

der am meisten gespannten

es

zu ein

überbiegt,,

leichter

extendiren.

der Fascia,

oder

des

Stelle vorsichtig durch-

schnitten.

Bei der Durchschneidung des Semimembranosus darf man die Messerspitze nicht zu tief einsenken, um vor Verletzung der Vasa p o p l i t e a sicher zu sein; der Anfänger wird sich lieber eines Tenotoms mit stumpfer Spitze (Bd. I. pag. 133) bedienen. Bei der Durchschneidung des Biceps kann eine Verletzung des an seinem unteren Rande verlaufenden N e r v u s p e r o n e u s vorkommen, welche, da während der nachher vorzunehmenden Dehnung der Nerv voraussichtlich nicht wieder zusammenheilt, zu einer dauernden Lähmung der von ihm versorgten Muskeln (Peronei und Extensoren des Fusses und der Zehen) Veranlassung geben würde. Zur Verhütung dieser Nebenverletzung muss man das Messer nie zuerst unter dem Biceps hindurchschieben, sondern in umgekehrter Richtung schneiden, wo dann die Trennung der Sehnenfasern voraussichtlich früher gelingt, als das Messer den Nerven erreicht hat. Zuweilen begteht Lähmung im Bereich des Nervus peroneus schon vor der Operation. Um letzterer nicht eine unbegründete Schuld aufzubürden, muss man daher die Beweglichkeit der fraglichen Muskeln stets vorher prüfen. Die g e w a l t s a m e S t r e c k u n g , wie sie D i e f f e n b a c h in den vorstehend angeführten Stellen ausdrücklich empfohlen hat, würde ohne vorgängige Durchschneidung der Muskeln zu deren Zerreissung geführt haben. Die Tenotomie ist aber an dieser Stelle, wie wir sehen, etwas misslich. — Deshalb hat die gewaltsame Streckung erst allgemeineren Beifall erlangt, seit B. v. L a n g e n b e c k sie in tiefer Chloroforninarkose, in welcher auch die von Contractur ergriffenen Muskeln erschlaffen, ausgeführt hat. „Nachdem die mit

gut

formirl.

nötbigen

Vorbereitungen

getroffen

sind,

wird der

auf

gepolsterter Matratze versebenen Tisch etwas erhöbt liegende Kranke Zwei Drachmen

einem cbloro-

bis zu einer halbea Unze reichen gewöhnlich h i n , u m die

Muskeln zu erschlaffen; a b e r es muss eine grössere Menge des An3stheticums bei der Hand s e i n , damit nicht ein Mangel an Chloroform die Operation unterbreche. der ganze Körper

wegen

des aufgehobenen

Muskeltonus

so kraftlos w i r d ,

Sobald dass die

emporgehobenen Glieder sofort schlaff niederfallen, wird der Kranke auf den Bauch gelegt, so dass die Patella des verkrümmten Knies sich auf den Rand der stützt.

Einer der Gehülfen erhebt

Matratze

unterdessen den Kopf des Kranken s o , dass Mund

und Nase den Chloroformdunst aufnehmen k ö n n e n , ein anderer fixirt mit den Händen das Becken.

Der Operateur umfasst alsdann mit der linken Hand den hinteren Theil

814

Krankheiten des Kniegelenks und seiner Umgebungen.

des Oberschenkels, gerade über der Fossa poplitea, mil der rechten den Unterschenkel über den Malleolen, und dehnt,

durch

Unterschenkel strecken, die Muskeln. Menge von Chloroform angewandt.

sanftes stetiges Ziehen,

als

wollte er

Schwindet alsdann jegliche Spannung der Muskeln

und Sehnen, so sacht man den Unterschenkel, abwechselnd bald mehr zu bald zu strecken. geringere Kraft

an,

Je nach der Stärke des Widerstandes wendet man bis endlich

den

Wenn diese widerstehen, wird eine reichlichere

die

fibrösen

welchen die Ankylose b e r u h t , überwunden

oder

werden.

knöchernen

beugen,

grössere oder

Verwachsungen, auf

Sollte die Kraft des Operateurs

nicht ausreichen, so überlässt er den Oberschenkel einem Gehülfen zum

Fixiren und

umfasst den Unterschenkel mit beiden (landen s o , dass sich die linke Hand auf den oberen Tbeil der Tibia stützt, die rechte den unteren Tbeil des Unterschenkels gerade über der Ferse fasst.

Dann

wird

brachenden Geräusche gestreckt."

das Gelenk

oft plötzlich

Vgl. B. L a n g e n b e c k ,

unter

einem

starken

Commentatio de contrac-

tura et ancjlosi genu nova methodo violentae eitensionis ope sanandis. Berolini MDCCCL.

Nach der Tenotomie sind Apparate erforderlich, um das Glied allmälig in die richtige Stellung überzuführen und noch längere Zeit in derselben zu befestigen. Die von L o u v r i e r angegebene, durch B o n n e t modiQcirte Maschine ( F i g . l t S ) wirkt theils durch den Zug eines Riemen, der mittelst einer starken umfasst, theils durch einen am

Fuss

Kappe das Knie

angebrachten Estensions-Apparat.

Der

obere

Fig. 115.

Brett, auf welchem der Apparat r u h t , durch ein Charnier in Verbindung.

Der Stiefel,

in welchem der Fuss steckt, bewegt sich auf Rollen frei bin und h e r ; an ihm ist der Eilensions-Apparat befestigt. Die

Stromeyer'sche

Kniemaschine

besteht

aus

welche in der Gegend des Knie's ein Gelenk besitzen,

zwei,

dusch

mit einander in

Eisenstangen, Verbindung

stehenden Hohlscbienen, von denen die eine an die hintere Seite des Oberschenkels, die andere an die Wade angelegt und durch gepolsterte Riemen festgeschnallt wird. In dem Gelenke, welches beide Hälften des Apparates verbindet, können

durch Um-

drehungen einer in Zahniäder eingreifenden Triebstange Bewegungen ausgeführt werden, so dass man den Unterschenkel allmälig aus der gebeugten in die gestreckte und aus der gestreckten in die gebeugte Stellung überführen kann.

Um das Ausweichen d e s

Knie's nach Vorn zu verhüten, wird vor demselben eine starke lederne Kappe d a r c h

815

Missbildungen und Formfehler. vier Riemen befestigt, von denen

zwei zu der oberen,

zwei zu d e r unteren

Hohl-

schiene verlaufen. L a n g g a r d (tgl. G o l d s c h m i d t ' s

Catalog von 1 8 5 8 , pag. 3 7 )

Hoblscbtenen die ganze Extremität oberhalb

lässt von den

und unterhalb des Knie's umfassen und

bewirkt die Bewegungen durch j e zwei an jeder Seite befindliche ZahnrSder.

Für die Befestigung des durch gewaltsame Extension gerade gerichteten Beines ist ein, bei empfindlicher Haut gut zu polsternder Gypsverband am Meisten zu empfehlen. Die weitere N a c h b e h a n d l u n g n a c h d e r S t r e c k u n g besteht eigentlich nur in der Ueberwachung der rutrigen Lage des Gliedes und der Linderung der, in der ersten Zeit immei* recht heftigen Schmerzen durch Narcrotica. Die G e f a h r e n der gewaltsamen Streckung sind sehr verschieden gross, je nach den vorhandenen anatomischen Veränderungen und (was damit innig zusammenhängt) je nach der Gewalt, welche angewandt werden musste. Sie sind verschwindend gering, wenn es sich um blosse Contractur handelt, während sie sich bei Ankylose zu einer gefährlichen Höhe steigern können. In solchen Fällen scheint es oft auf den ersten Blick, als mllsste die, durch den vorausgegangenen Krankheits-Process in der unmittelbaren Nähe des Kniegelenks difiform und atrophisch gewordene Tibia leichter zerbrechen, als dass die ankylotische Verbindung nachgebe. Nach den vorliegenden Erfahrungen scheint eine solche Besorgniss nicht gerechtfertigt. Jedoch habe ich der Vorsicht wegen in Fällen der Art vor der Operation den ganzen Unterschenkel an einer langen Holzschiene durch GypsBinden genau befestigt, und dann an der Schiene die Extension, wegen des längeren Hebelarms, den sie darstellt, nicht blos mit grösserer Zuversicht, sondern auch mit grösserer Leichtigkeit ausgeführt. Das gewaltige Krachen, mit dem die Streckung des ankylotischen Gelenks gelingt, erschreckt den Anfänger. Die Gefahren scheinen aber viel mehr auf Seiten der Weichtheile, als auf Seiten der Knochen zu liegen. Wurde auch wirklich durch Zerbrechen einer knöchernen Verbindungen zwischen Femur und Tibia die Streckung bewirkt, so handelt es sich doch immer um eine subcutane Fractur. Die Weichtheile der Kniekehle hingegen können durch den vorausgegangenen Kranheitsprocess Veränderungen erlitten haben, welche ihre plötzliche Dehnung höchst gefährlich machen. Namentlich können die G e f ä s s e (Arteria und Vena poplitea) durch Narbengewebe so innig mit der hinteren Kapselwand verwachsen sein, dass bei der plötzlichen Streckung Zerreissung oder ein solcher Grad von Cotnpression, wenigstens der Vena poplitea, vielleicht durch das ungetrennt bleibende Narbengewebe, stattfindet, dass die ohnehin gesun-

816

Krankheiten des Kniegelenks und seiner Umgebungen.

kene Ernährung des Unterschenkels im höchsten Grade beeinträchtigt wird und (vielleicht unter Mitwirkung des jedenfalls den Blutlauf etwas behindernden Verbandes) sogar Gangrän eintritt. Fälle der Art sind freilich nur vereinzelt vorgekommen; aber man darf sie nicht verschweigen, damit der Anfänger es nicht gar zu leicht mit der gewaltsamen Streckung nehme. Auch die Möglichkeit einer Gefässverletzung durch einen dislocirten Knochensplitter oder eine Knochenspitze ist bei knöcherner Ankylose nicht in Abrede zu stellen, jedoch sehr unwahrscheinlich. Ich habe unter nahezu 150 Füllen Tön gewaltsamer Streckung antibiotisch verk r ü m m t e r Kniegelenke n u r einmal Gangrän machte die Amputation

des Unterschenkels folgen sehen.

des Oberschenkels nothwendig. —

sich 6 Monat nach einer gewaltsamen S t r e c k u n g e n

Ein anderes Mal

Aneurysma

Diese bildete

popliteum

aus,

u n d bei der Section wurde es wahrscheinlich, dass dies von einer Knochenspitze (einem abgelösten und nekrotisch gewordenen Osteophyten) bedingt sei. Vgl. H e i n e k e , I.c. j>. 3 7 6 .

Die Festheftung der Kniescheibe an den Condylen des Femur machte früher Schwierigkeiten. D i e f f e n b a c h wollte sie abmeisseln. Dies würde, iin Falle noch ein Theil der Gelenkhöhle besteht, gefährlich, im Fall aber die Gelenkhöhle durch Verwachsungen der Knochen ganz vernichtet ist, unzureichend sein, weil dann die Anheftung der Kniescheibe den geringsten Theil des Widerstandes ausmacht. Gelingt e s , die übrigen Verwachsungen zu Uberwinden, so weicht auch die Kniescheibe. Häufig steht die Tibia in dem ankylotischen Gelenk ganz a u f d e r h i n t e r e n S e i t e der Condylen des Feinur. Benutzt man nun den Unterschenkel als Hebelarm in der oben beschriebenen Weise, so kann es geschehen, dass die Condylen der Tibia, sobald sie beweglich werden, noch weiter nach Hinten hinaufgleitcn, so dass, nachdem die Streckung vollendet ist, eine, freilich meist nicht ganz vollständige Verrenkung der Tibia nach Hinten zurückbleibt. Um diese zu verhüten, ist es zweckmässig, während der Streckung mit einem gut gepolsterten Gurte am oberen Ende der Tibia, dicht unter den Condylen, einen kräftigen Zug nach Vorn ausüben zu lassen. In Fällen, wo die gewaltsame Streckung nicht ausreicht, nimmt man, nach dem Vorgange von B. v. L a n g e n b e c k ' ) , die s u b c u t a n e O s t e o t o m i e zu Hülfe. Ein kleiner Einschnitt, etwa in der Mitte der Höhe des Gelenks, legt auf der einen Seite die Zwischensubstanz bloss. Diese wird mit dem Drillbohrer durchbohrt, ohne die Haut auf der entgegengesetzten Seite zu verletzen. In den Bohrcanal wird eine schmale Stichsäge eingeführt und mit ihr unter sorgfältiger